Kerstin Föll Consumer Insight
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Kerstin Föll Consumer Insight
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Forschungsgruppe Konsum und Verhalten Herausgegeben von Professor Dr. Gerold Behrens, Universität Wuppertal, Professorin Dr. Sigrid Bekmeier-Feuerhahn, Universität Lüneburg, Professor Dr. Franz-Rudolf Esch, Justus-Liebig-Universität Gießen, Professorin Dr. Andrea Gröppel-Klein, Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Professor Dr. Lutz Hildebrandt, Humboldt-Universität zu Berlin, Professor Dr. Klaus Peter Kaas, Universität Frankfurt/Main, Professor Dr. Bruno Neibecker, Universität Karlsruhe (TH), Professor Dr. Thorsten Posselt, Universität Leipzig, Professor Dr. Christian Schade, Humboldt-Universität zu Berlin, Professor Dr. Volker Trommsdorff, Technische Universität Berlin, Professor Dr. Peter Weinberg, Universität des Saarlandes, Saarbrücken (em.) Die Forschungsgruppe „Konsum und Verhalten“, die von Professor Dr. Werner Kroeber-Riel begründet wurde, veröffentlicht ausgewählte Ergebnisse ihrer Arbeiten seit 1997 in dieser Reihe. Im Mittelpunkt steht das Entscheidungsverhalten von Abnehmern materieller und immaterieller Güter bzw. Dienstleistungen. Ziel dieser Schriftenreihe ist es, Entwicklungen in Theorie und Praxis aufzuzeigen und im internationalen Wettbewerb zur Diskussion zu stellen. Das Marketing wird damit zu einer Schnittstelle interdisziplinärer Forschung.
Kerstin Föll
Consumer Insight Emotionspsychologische Fundierung und praktische Anleitung zur Kommunikationsentwicklung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Volker Trommsdorff
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Berlin, 2006 D 83
1. Auflage Februar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0686-7
V
Geleitwort
Geleitwort Kerstin Föll war als externe Doktorandin in das Marketinglehrstuhl-Forschungsteam der TU Berlin „Werbepretesting in Deutschland“ integriert, aus dem unter anderem mein Buch stammt „Werbe-Pretests – Praxis und Erfolgsfaktoren“ (Hamburg 2003). Danach kommt es im Verlauf des Kampagnenmanagement und -controlling sehr darauf an, den „Consumer Insight“ zu kreieren, treffsicher zu briefen und seine Umsetzung als kreatives Werbemittel mit passenden Indikatoren zu überprüfen und ggf. daraufhin gestalterisch zu optimieren, bevor die Kampagne geschaltet wird. „Consumer Insight“ war bis dato ein schillernder Begriff der trendigen Werbepraxis, dessen Erfassung durch emotionale und unbewusste Effekte beim Rezipienten als nahezu unmöglich galt. Aus dieser Herausforderung entwickelte Frau Föll ihr Promotionsthema – mit Fokus auf emotionale Kommunikation und werbliche Umsetzung des Consumer Insight. Ihr gelingt die viel beschworene, aber selten erfolgreiche, Integration aus theoretisch-methodischer Wissenschaftlichkeit und praktisch-aktueller Relevanz: Der Consumer Insight ist jetzt eindeutig definiert, kann gemessen und zielgerichtet kreativ gestaltet werden. Seine praktischen Determinanten und Konsequenzen für Marketingkommunikation sind nun nachvollziehbar und emotionstheoretisch begründet. Die Arbeit schließt mit zwölf Anregungen für weitere Forschung und für die praktische Umsetzung sowie mit der Aussage: „Die Orientierung am Consumer Insight sollte zu einem neuen Paradigma der Markenführung werden. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die vorliegende Arbeit nicht nur in Werbe- und Planningkreisen, sondern weit darüber hinaus Beachtung findet.“ Dem kann man sich nur anschließen und dieses Buch allen empfehlen, die sich als Praktiker, Studierende oder Wissenschaftler mit dem Thema Marke und Werbung befassen.
Prof. Dr. Volker Trommsdorff
Vorwort
VII
Vorwort Es ist geschafft. Das Werk, dessen Vollendung mir manchmal mehr als unmöglich erschien, liegt druckreif vor mir. Schon seit meinem Examen an der Universität zu Köln hatte ich den Wunsch, eines Tages den Doktor zu machen. Obwohl mir damals zwei verlockende Promotionsstellen angeboten wurden, siegte die Neugier auf die Werbe- und Marketingpraxis. Zwischen Examen und der vorliegenden Arbeit liegen knapp zehn spannende und lehrreiche Jahre als Strategische Planerin in renommierten Werbeagenturen und Brand Consultancies. Ich habe für viele der größten und bekanntesten Marken Deutschlands und der Welt gearbeitet – immer bestrebt, Consumer Insight zu finden und in den Mittelpunkt der Markenführung zu stellen. Während dieser Zeit in der Praxis wurde der Wunsch nach Verwirklichung meines noch vagen Promotionsvorhabens immer stärker. Meinen Doktorvater fand ich schließlich in Prof. Dr. Volker Trommsdorff, Inhaber des Lehrstuhls Marketing I an der Technischen Universität Berlin. Ich bin ihm unendlich dankbar dafür, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, als externe Doktorandin an seinem Lehrstuhl zu promovieren, ungeachtet der damit für ihn verbundenen Mühen. Ich freue mich, dass ich durch meine Praxiserfahrung etwas zur Leistung seines Lehrstuhls in Forschung und Lehre beitragen konnte (und weiterhin gerne tun werde) und dadurch hoffentlich einen kleinen Teil zurückgeben kann. Trotz meiner beruflichen Nähe zum Consumer Insight gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Promotionsthema nicht so gradlinig, wie es im Nachhinein erscheinen mag. Der Fokus lag zunächst stärker auf der emotionalen Kommunikation. Die entscheidenden Impulse dazu, den Consumer Insight in den Mittelpunkt zu stellen, gaben ein Abendessen in Köln und die Erkenntnis, dass Consumer Insight in der wissenschaftlichen Literatur trotz seiner hohen Praxisrelevanz bislang so gut wie nicht existent ist. Hinsichtlich des Abendessens: Danke, Sunny (Alexandra Farrensteiner), dass du dir damals geduldig meinen Vortrag über die vielen möglichen Facetten des Promotionsthemas angehört hast – eine davon der Consumer Insight. Meine Diplomarbeit handelte seinerzeit von C.I. (Corporate Identity) – Sunny schlug vor, doch auch die Dissertation über „C.I.“ zu schreiben, diesmal in der Bedeutung „Consumer Insight“. Der Fokus war gefunden. Und ich startete meine Mission, einen Beitrag dazu zu leisten, die immer noch große Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis zu schließen. Meine umfangreiche Praxiserfahrung hat die Arbeit einerseits inspiriert und beflügelt, andererseits den Weg bis zur Vollendung erschwert. Als wahren Luxus empfand ich es, mich anders als oftmals im Berufsalltag tief in ein spannendes Thema einarbeiten und intensiv damit beschäftigen zu können. Nach langjähriger Abstinenz vom Universitätsbetrieb musste ich
VIII
Vorwort
mich jedoch erst wieder mühsam in die wissenschaftliche Ausdrucksweise, Theorien, Methoden und wissenschaftstheoretischen Hintergründe einfinden. Aus dem Werberleben gewöhnt, stets von vielen Menschen umgeben zu sein und jederzeit auf „Sparringspartner“ zurückgreifen zu können, war ich nun auf mich allein gestellt – eine nicht nur ungewohnte, sondern oftmals frustrierende Situation. Umso dankbarer war ich, dass ich ab dem Zeitpunkt, an dem die Arbeit einen halbwegs überschaubaren und lesbaren Rahmen angenommen hatte, auf das konstruktive Feedback von meinen beiden Lektoren Dr. Justin Becker und Barbara Pütz zurückgreifen konnte. Ich danke euch für eure Geduld, die viele Zeit, die ihr mir, meiner Arbeit und meinen Problemen gewidmet habt, für eure konstruktive Kritik und inspirierende Gespräche. Mein besonderer Dank gilt zudem Prof. Dr. Ulrich Krystek, der sich bereit erklärt hatte, das Zweitgutachten zu übernehmen, und sich zu meiner Freude mit Begeisterung einem fachfremden Thema angenommen hat. Ein großes Dankeschön geht auch an meine Interviewpartner Europa Bendig, Karen Heumann, Prof. Dr. Wilfried Leven, Jason Lusty, Johannes Nielsen, Marc Sasserath, F.M. Schmidt, Alison Segar, Dominic Veken, Dr. Answin Vilmar und Jochen Volkers. Sie alle haben mir spannende Einblicke in die Auffassung von und den Umgang mit Consumer Insight in der Werbe- und Marketingpraxis eröffnet und mich in meinen theoretischen Auffassungen bestärkt. Zudem danke ich meinen Eltern Beate und Dieter Föll, meinen Brüdern Jens, Lars und Nils, meiner großen Familie und meinen Freunden für euer Verständnis, eure Unterstützung und dafür, dass ihr mir immer wieder Mut gemacht habt. Dieses Projekt hätte ich niemals ohne den Rückhalt und den Input meines Mannes und allerbesten Freundes Robert Stolle verwirklichen können. Er hat mich in jeglicher Hinsicht unterstützt, ein ganzes langes Jahr geduldig und verständnisvoll meine dissertationsinduzierten emotionalen Befindlichkeiten ertragen und seine Bedürfnisse zurückgesteckt. Robert hat fest an mich geglaubt und mir immer wieder Mut gemacht. Mit viel Liebe, Humor und allerlei kleinen und großen Ablenkungen hat er es geschafft, mich aus meinen Tiefs herauszuholen. Seine Anregungen und sein objektiver, klarer Blick als mein dritter Lektor haben überdies sehr zum Gelingen der Dissertation beigetragen. Robert, ich kann dir gar nicht genug für alles danken. Nun bleibt mir zu hoffen, dass der Consumer Insight und die vorliegende Arbeit die Aufmerksamkeit finden, die sie meiner Überzeugung nach verdienen – nicht nur in Werbe- und Planningkreisen, sondern weit darüber hinaus.
Kerstin Föll
IX
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis....................................................................................................... XV Tabellenverzeichnis............................................................................................................ XVII Abkürzungsverzeichnis....................................................................................................... XIX
1. Einführung...................................................................................................................
1
2. Problemstellung und Aufbau der Arbeit...................................................................
3
2.1. Problemstellung und Ziel der Arbeit......................................................................
3
2.2. Vorgehen und Aufbau der Arbeit...........................................................................
4
2.3. Beispiele für Consumer Insight..............................................................................
7
2.3.1. WEEDOL (UK)...........................................................................................
7
2.3.2. „Got Milk?“ (USA).....................................................................................
9
2.3.3. eBAY (D).................................................................................................... 11
3. Consumer Insight........................................................................................................ 14 3.1. Grundüberlegungen................................................................................................ 14 3.1.1. Mysterium Consumer Insight...................................................................... 14 3.1.2. Relevanz des Consumer Insight für die Marketingkommunikation............ 17 3.1.2.1.
Herausforderungen der Markenführung und Rolle der
3.1.2.2.
Der emotionale Markennutzen........................................................ 20
3.1.2.3.
Consumer Insight als Basis der Marketingkommunikation............ 21
Kommunikation............................................................................... 17
3.2. Begriffsklärung „Consumer Insight“..................................................................... 23 3.2.1. Grundüberlegungen..................................................................................... 23 3.2.2. Historie des Begriffes „Consumer Insight“................................................. 26 3.2.3. Merkmale des Consumer Insight................................................................. 28 3.2.3.1.
Kombination von Sachverhalten..................................................... 28
3.2.3.2.
Situationsbezogenheit...................................................................... 30
3.2.3.3.
Neuartigkeit..................................................................................... 31
3.2.3.4.
Wissensbasiertheit........................................................................... 34
3.2.3.5.
Anwendungsorientiertheit............................................................... 35
3.2.3.6.
Psychologische Wahrheit................................................................ 36
X
Inhaltsverzeichnis 3.2.3.7.
Zusammenfassende Definition........................................................ 38
3.2.4. Abgrenzung zu verwandten Konzepten....................................................... 38 3.2.4.1.
Positionierung und USP.................................................................. 38
3.2.4.2.
Kundenwünsche.............................................................................. 39
3.2.5. Einordnung des Consumer Insight in den Prozess der Kommunikationsentwicklung...................................................................... 40 3.2.5.1.
Der Prozess der Kommunikationsentwicklung............................... 41
3.2.5.2.
Die Kommunikationsstrategie......................................................... 43
3.2.5.3.
Brand Insight................................................................................... 46
3.2.5.4.
Zusammenfassende Einordnung und Abgrenzung des Consumer Insight im Prozess der Kommunikationsentwicklung... 47
3.3. Konsumentenkenntnis als Basis der Consumer Insight-Findung........................... 49 3.3.1. Grundüberlegungen..................................................................................... 49 3.3.2. Emotionen.................................................................................................... 52 3.3.2.1.
Begriffsklärung Emotion................................................................. 52
3.3.2.2.
Klassifizierung von Emotionen und Gefühlen................................ 57
3.3.2.3.
Einfluss der Emotionen auf das Verhalten...................................... 61
3.3.2.4.
Schematheorie als theoretischer Bezugsrahmen.............................
64
3.3.3. Motive und Bedürfnisse.............................................................................. 71 3.3.3.1.
Abgrenzung und Inhaltstheorien..................................................... 71
3.3.3.2.
Motivkonflikte und Barrieren als Ansatzpunkt für den Consumer Insight............................................................................. 76
3.3.4. Werte........................................................................................................... 77 3.3.4.1.
Abgrenzung und Inhaltstheorien..................................................... 77
3.3.4.2.
Wertewandel.................................................................................... 79
3.3.5. Einstellungen............................................................................................... 80 3.3.5.1.
Abgrenzung..................................................................................... 80
3.3.5.2.
Einstellung zur Marke und Einstellung zur Werbung..................... 81
3.3.6. Persönlichkeit.............................................................................................. 82 3.3.6.1.
Abgrenzung..................................................................................... 82
3.3.6.2.
Persönlichkeitstheorien.................................................................... 83
3.3.7. Schlussfolgerungen zu den Elementen der Konsumentenkenntnis............. 85 3.4. Prozess der Consumer Insight-Findung................................................................. 86 3.4.1. Grundüberlegungen..................................................................................... 86
XI
Inhaltsverzeichnis
3.4.2. Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung.......................................... 88 3.4.2.1.
Endogene Erfolgsfaktoren............................................................... 90
3.4.2.2.
Exogene Erfolgsfaktoren................................................................. 91
3.4.3. Die Phasen des Consumer Insight-Findungsprozesses im Einzelnen......... 96 3.4.3.1.
Vorbereitungsphase......................................................................... 97
3.4.3.2.
Inkubationsphase............................................................................. 100
3.4.3.3.
Illumination..................................................................................... 102
3.4.3.4.
Verifikationsphase........................................................................... 102
3.5. Unterstützung des kreativen Prozesses der Consumer Insight-Findung................ 104 3.5.1. Grundüberlegungen..................................................................................... 104 3.5.2. Förderung der Erfolgsfaktoren.................................................................... 104 3.5.3. Unterstützung der Hypothesenbildung........................................................ 106 3.5.4. Primärforschung zur Gewinnung von Konsumentenkenntnis..................... 110 3.5.4.1.
Grundüberlegungen......................................................................... 110
3.5.4.2.
Qualitative Marktforschung............................................................. 114
3.5.4.3.
Hirnforschung.................................................................................. 134
3.5.5. Schlussfolgerungen zur Unterstützung des kreativen Prozesses der Consumer Insight-Findung.................................................................... 137
4. Emotionale Kommunikation...................................................................................... 140 4.1. Relevanz der emotionalen Kommunikation........................................................... 141 4.2. Herleitung einer begrifflichen Systematik zur emotionalen Kommunikation....... 143 4.2.1. Emotionale Kommunikation....................................................................... 143 4.2.1.1.
Begriffsklärung und Abgrenzung.................................................... 143
4.2.1.2.
Notwendigkeit einer Balance zwischen Emotio und Ratio............. 146
4.2.1.3.
Ziele der emotionalen Kommunikation........................................... 149
4.2.2. Emotionale Werbereize............................................................................... 152 4.2.2.1.
Abgrenzung Werbereiz – Reaktion auf Werbung........................... 152
4.2.2.2.
Begriffsklärung „emotionale Werbereize“...................................... 153
4.2.2.3.
Unspezifische und spezifische emotionale Reize............................ 157
4.2.3. Emotionale Reaktionen............................................................................... 161 4.2.3.1.
Begriffsklärung „emotionale Reaktionen“...................................... 161
4.2.3.2.
Emotionale Reaktionen im engeren Sinne...................................... 164
4.2.4. Wirkungen emotionaler Kommunikation.................................................... 170
XII
Inhaltsverzeichnis 4.2.4.1.
Begriffsklärung „Wirkungen emotionaler Kommunikation“.......... 170
4.2.4.2.
Determinanten der Wirkungen emotionaler Kommunikation......... 171
4.2.5. Das Begriffssystem zur emotionalen Kommunikation im Überblick......... 173 4.3. Konkrete Wirkungen emotionaler Kommunikation............................................... 174 4.3.1. Konkrete Wirkungen der emotionalen Kommunikation auf die Werbereaktionen.............................................................................. 175 4.3.1.1.
Aufmerksamkeit.............................................................................. 175
4.3.1.2.
Erinnerung....................................................................................... 176
4.3.1.3.
Gefallen........................................................................................... 177
4.3.1.4.
Einstellung zur Werbung................................................................. 178
4.3.2. Konkrete Wirkungen der emotionalen Kommunikation auf die Markenreaktionen............................................................................ 180 4.3.2.1.
Einstellung zur Marke..................................................................... 180
4.3.2.2.
Consideration Set............................................................................. 181
4.3.2.3.
Markenbindung................................................................................ 184
4.3.3. Wirkungen spezifischer emotionaler Reize................................................. 185 4.4. Erklärungsmodelle für die Wirkungen emotionaler Kommunikation.................... 191 4.4.1. Involvement als zentrale Determinante der Werbewirkung........................ 192 4.4.2. ELM und emotionale Konditionierung....................................................... 195 4.4.3. Modell der Wirkungspfade und CEM......................................................... 199 4.4.4. Modell der Transformation von Gefühlen................................................... 203 4.4.5. MAC-Modell und P-E-M-Modell............................................................... 206 4.4.6. Schematheoretische Erkenntnisse zur Informationsverarbeitung............... 208 4.4.7. Bedeutungsbasiertes Modell der Wahrnehmung von Werbung.................. 210 4.4.8. Fazit zu den Erklärungsmodellen................................................................ 212 4.5. Schlussfolgerungen für die Consumer Insight-Findung......................................... 213 4.5.1. Geeignetheit emotionaler Ansprachestrategien für bestimmte Produktkategorien........................................................................................ 214 4.5.2. Zentrale Erfolgsfaktoren der emotionalen Kommunikation........................ 216 4.5.3. Zusammenfassung der für den Consumer Insight zu ermittelnden Sachverhalte................................................................................................ 221
XIII
Inhaltsverzeichnis
5. Empirischer Teil.......................................................................................................... 222 5.1. Methodische Einführung........................................................................................ 222 5.1.1. Untersuchungsziele...................................................................................... 222 5.1.2. Untersuchungsdesign................................................................................... 222 5.1.2.1.
Untersuchungsmethode................................................................... 222
5.1.2.2.
Stichprobe........................................................................................ 223
5.1.2.3.
Durchführung und Auswertung....................................................... 224
5.2. Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse............................. 226 5.2.1. Consumer Insight......................................................................................... 226 5.2.1.1.
Rolle des Consumer Insight und Begriffsklärung........................... 226
5.2.1.2.
Prozess der Consumer Insight-Findung........................................... 229
5.2.2. Emotionale Kommunikation....................................................................... 232 5.3. Limitationen........................................................................................................... 233
6. Zusammenfassung der Erkenntnisse und Implikationen für die Praxis................ 235 6.1. Zusammenfassung.................................................................................................. 235 6.2. Implikationen für die Praxis und Handlungsempfehlungen................................... 238
7. Fazit und Ausblick....................................................................................................... 243
Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 247
Anhang................................................................................................................................ 301 A.1. Die Rolle des Limbischen Systems....................................................................... 301 A.2. Liste der Interviewpartner..................................................................................... 305 A.3. Leitfaden Experteninterviews................................................................................ 306 A.4. Ausführliche Darstellung der Untersuchungsergebnisse....................................... 307 A.4.1. Generelle Erkenntnisse.................................................................................. 307 A.4.2. Consumer Insight.......................................................................................... 309 A.4.2.1. Rolle des Consumer Insight........................................................... 309 A.4.2.2. Begriffsklärung bzw. konstituierende Merkmale des Consumer Insight........................................................................... 311 A.4.2.3. Abgrenzung des Consumer Insight................................................ 317 A.4.2.4. Prozess der Consumer Insight-Findung......................................... 318
XIV
Inhaltsverzeichnis A.4.3. Emotionale Kommunikation......................................................................... 332 A.4.3.1. Begriffsklärung.............................................................................. 332 A.4.3.2. Emotio-Ratio-Balance.................................................................... 335 A.4.3.3 Suchfelder des Consumer Insight................................................... 336
Abbildungsverzeichnis
XV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-1:
Aufbau der Arbeit........................................................................................
5
Abb. 2-2:
Szenen aus WEEDOL-TV-Spots.................................................................
9
Abb. 2-3:
TV-Spot „Aaron Burr“ („Got milk?“)......................................................... 10
Abb. 2-4:
TV-Spot „Momente“, Printmotive (eBay)................................................... 12
Abb. 3-1:
Das Prozessmodell der Werbeplanung........................................................ 41
Abb. 3-2:
Das modifizierte und erweiterte Prozessmodell der Werbeplanung............ 43
Abb. 3-3:
Übersicht zur Einordnung des Consumer Insight in den Prozess der Kommunikationsentwicklung................................................... 48
Abb. 3-4:
Allgemeine Elemente der Konsumentenkenntnis........................................ 50
Abb. 3-5:
Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten........................ 69
Abb. 3-6:
Die Consumer Insight-Findung als zentraler Part des Kommunikationsentwicklungsprozesses..................................................... 87
Abb. 3-7:
Übersicht über die Phasen des Consumer Insight-Findungsprozesses........ 97
Abb. 3-8:
Methoden zur Erlangung von Konsumentenkenntnis..................................113
Abb. 4-1:
Beispiele für Printanzeigen, in denen unspezifische emotionale Reize dominieren...................................................................... 157
Abb. 4-2:
Beispiele für spezifische emotionale Reize................................................. 158
Abb. 4-3:
Wirkungspfade bei emotionalen Werbestimuli........................................... 200
Abb. 4-4:
Das Cognition Emotion Modell................................................................... 202
Abb. 4-5:
Modell der Transformation von Gefühlen................................................... 204
Abb. 4-6:
Erfolgsfaktoren der emotionalen Kommunikation und im Rahmen der Consumer Insight-Findung zu ermittelnde Sachverhalte.......................221
Abb. A-1:
Das menschliche Gehirn und das Limbische System.................................. 301
Tabellenverzeichnis
XVII
Tabellenverzeichnis
Tab. 3-1:
Übersicht über beispielhaft ausgewählte Motivlisten.................................. 74
Tab. 3-2:
Übersicht über beispielhafte Wertekataloge................................................ 78
Tab. 3-3:
Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung.......................................... 89
Tab. 3-4:
Kreativitätstechniken im Überblick............................................................. 108
Tab. 4-1:
Inhaltliche und formale Gestaltungsmerkmale der Werbung...................... 155
Tab. 4-2:
Wirkungsdeterminanten der emotionalen Kommunikation.........................172
Tab. 4-3:
Begriffssystem zur emotionalen Kommunikation....................................... 173
Tab. 4-4:
Zusammenfassende Erkenntnisse zu den Wirkweisen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation........................... 212
Abkürzungsverzeichnis
XIX
Abkürzungsverzeichnis
Aad
Attitude Toward the Advertisement
Aag
Attitude Toward the Advertising in General
Ab
Attitude Toward the Brand
AAAA
American Association of Advertising Agencies
ADM
Arbeitskreis deutscher Marktforschung
AGEMAS
Arbeitsgemeinschaft für Markt- und Meinungsforschung
AIDA
Attention – Interest – Desire – Action (Stufenmodell der Werbewirkung)
APG
Account Planning Group
apgd
Account Planning Group Deutschland
ARF
American Research Foundation
BBDO
Batten, Barton, Durstine & Osborne (internationales WerbeagenturNetwork)
BMP
Boase Massimi Pollitt (Werbeagentur)
CEM
Cognition Emotion Model
CFMPAB
California Fluid Milk Processors Advisory Board
CRM
Customer Relationship Management
D
Deutschland
DBW
Die Betriebswirtschaft
DDB
Doyle Dane Bernbach (internationales Werbeagentur-Network)
ELM
Elaboration Likelihood Model
EMAC
European Marketing Academy
ESOMAR
European Society for Opinion and Marketing Research
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FCB
Foote, Cone & Belding (internationales Werbeagentur-Network)
fMRT
funktionelle Magnetresonanztomographie
Abkürzungsverzeichnis
XX FTD
Financial Times Deutschland
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
GWA
Gesamtverband Kommunikationsagenturen
IMAS
Gesellschaft für internationale Marktanalysen
IPA
Institute of Practioners in Advertising
JAR
Journal of Advertising Research
JCR
Journal of Consumer Research
MRS
Market Research Society
o.V.
ohne Verfasser
p&a
planung & analyse (Fachzeitschrift)
UK
United Kingdom
USA
United States of America
w&v
Werben & Verkaufen (Fachzeitschrift)
Y&R
Young & Rubicam (internationales Werbeagentur-Network)
ZFP
Zeitschrift für Forschung und Praxis
Einführung
1
1. Einführung Der Consumer Insight erfährt aktuell eine zunehmende Popularität in der Werbe- und Marketingpraxis. Gleichzeitig gilt er als Mysterium. Es herrscht allgemeine Unsicherheit darüber, was genau sich hinter einem Consumer Insight verbirgt. So wird der Begriff keineswegs einheitlich verwendet. Consumer Insight dient vielmehr als Etikett für verschiedene Sachverhalte: von generellen Erkenntnissen über den Konsumenten bis hin zu einer neuen Auffassung von Marktforschung. Die verbreitete Unsicherheit rührt auch daher, dass eine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept des Consumer Insight bislang nicht stattgefunden hat. Das Konzept des Consumer Insight stammt aus der Werbepraxis, wo dieser in erster Linie als Basis für die Kommunikationsentwicklung dient. Die Orientierung am Consumer Insight erhöht die Effektivität der Marketingkommunikation. Als erleuchtender Einblick in die wahren Beweggründe der Konsumenten in Bezug auf den Konsum bestimmter Produkte oder Marken ist der Consumer Insight der Schlüssel zur Relevanz von Marken- und Werbebotschaften. Er deckt die Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten auf und ermöglicht es, diese durch Kommunikation wirkungsvoll zu adressieren. Der Consumer Insight betrifft demnach emotional behaftete Sachverhalte und dient in erster Linie als Basis für eine emotionale Ansprache, die als besonders verhaltenswirksam gilt. Mit Hilfe der emotionalen Kommunikation können Marken erfolgswirksam differenziert und enge Bindungen zwischen Marken und Konsumenten geschaffen werden. Die vorliegende Arbeit nimmt erstmals eine wissenschaftliche Klärung des Praxisthemas Consumer Insight vor. Im Zuge dessen wird ein umfangreiches Theoriegerüst zum Begriff des Consumer Insight, dem Prozess der Consumer Insight-Findung, den diesbezüglichen Erfolgsfaktoren sowie zur emotionalen Kommunikation entwickelt und zusätzlich einer kritischen Prüfung auf empirischer Basis unterzogen. Dazu werden qualitative Experteninterviews mit renommierten Strategen aus deutschen Werbeagenturen geführt. Das erarbeitete Theoriegerüst kann sich bewähren und bietet demnach eine brauchbare Basis für die weitere Beschäftigung mit dem Konzept des Consumer Insight in Wissenschaft und Praxis. Die vorliegende Arbeit ist praxisnah und hat normativen Charakter. Sie konzeptualisiert den Prozess der Consumer Insight-Findung als kreativen Prozess, zeigt konkrete Suchfelder für den Consumer Insight auf und liefert vielfältige Handlungsempfehlungen für die Unterstützung der Consumer Insight-Findung in der Praxis, unter anderem durch den Einsatz von Kreativitätstechniken. In der existierenden Literatur wird die Rolle der Kreativität lediglich im
2
Einführung
Zusammenhang mit der kreativen Umsetzung hervorgehoben. Die vorliegende Arbeit betont zusätzlich die Bedeutung der Kreativität für den Strategieentwicklungsprozess. Die Suche nach Consumer Insight führt nicht immer zum Erfolg – sie gleicht vielmehr der Suche nach Gold. Die Erfolgswahrscheinlichkeit lässt sich jedoch durch den vorgeschlagenen systematischen Prozess der Consumer Insight-Findung maximieren. Die Suche nach Consumer Insight lohnt sich immer – zum einen erhöht die Orientierung am Consumer Insight die Effektivität der Kommunikation, indem sie für relevante Botschaften sorgt. Zum anderen erweist sich die Orientierung am Consumer Insight als spezifische Denkmechanik, die dazu „zwingt“, das Konsumentenverhalten auf frische und inspirierende Weise zu betrachten, neue Perspektiven in bekannte Sachverhalte zu bringen, über das Gewohnte hinaus zu denken und die Gedanken über den Konsumenten immer weiter zu verdichten. Der Consumer Insight wird hier als Basis für die Kommunikationsentwicklung gesehen. Gleichwohl wird die Auffassung vertreten, dass der Consumer Insight nicht nur für die Kommunikationsentwicklung, sondern für die gesamte Markenführung einen Mehrwert bieten kann. Demnach sollten sämtliche Marketingaktivitäten – von der Markenpositionierung über die Produktentwicklung bis hin zur Kommunikation – auf Basis von Consumer Insight entwickelt werden. Es gilt, die Weichen für den Markterfolg so frühzeitig wie möglich zu stellen. Der Prozess der Consumer Insight-Findung sollte zum festen Bestandteil der Situationsanalyse im Rahmen der Marketingplanung und zu einer generellen Denkweise im Marketing werden. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die vorliegende Arbeit nicht nur in Werbe- und Planningkreisen, sondern weit darüber hinaus Beachtung findet. Die Orientierung am Consumer Insight sollte zu einem neuen Paradigma der Markenführung werden.
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
3
2. Problemstellung und Aufbau der Arbeit 2.1.
Problemstellung und Ziel der Arbeit
Consumer Insight ist zwar in der Praxis ein viel diskutierter und geläufiger Begriff, in der wissenschaftlichen Literatur wird er bislang jedoch nahezu vollkommen vernachlässigt. Veröffentlichungen zum Thema stammen fast ausschließlich von Praktikern aus Werbeagenturen und Marktforschungsinstituten. Die existierende Literaturbasis ist zugleich stark limitiert. So existieren zum Prozess und zu den Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung so gut wie gar keine Erkenntnisse. Von akademischer Seite hat bislang keine systematische Auseinandersetzung mit dem Consumer Insight stattgefunden. Allerdings berührt das Konzept des Consumer Insight viele Bereiche, die im Rahmen der Konsumentenverhaltensforschung schon lange diskutiert werden. Dazu zählen Zustandskonstrukte wie Emotionen, Motive und Werte. Teilweise kann demnach auf bestehende Ansätze zurückgegriffen werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die wissenschaftliche Klärung des Praxisthemas Consumer Insight. Dazu wird ein Transfer von der Praxis in die Wissenschaft vorgenommen. Diese Vorgehensweise hat sich in der Vergangenheit schon häufig als fruchtbar erwiesen (vgl. z.B. RATCHFORD/VAUGHN 1989, WELLS 1993). Viele Modelle der Konsumentenverhaltensforschung stammen von Marketing- und Werbepraktikern (z.B. Means-End-Analyse, FCB Grid). Der wissenschaftliche Beitrag der vorliegenden Arbeit besteht unter anderem darin, Aussagen zum Begriff des Consumer Insight, dem Prozess der Consumer Insight-Findung (im Werbekontext), den diesbezüglichen Erfolgsfaktoren sowie zur emotionalen Kommunikation zu treffen und zu prüfen und das Thema dadurch einer breiteren Diskussion und weitergehenden Forschungsarbeiten zugänglich zu machen. Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Consumer Insight tut sich hier ein viel versprechendes und weites Forschungsfeld auf. Die vorliegende Arbeit bietet hierfür eine Fülle von Ansatzpunkten. Zudem richtet sich die Arbeit an die Praxis und zeigt vielfältige Handlungsempfehlungen auf. Die Arbeit soll Antworten auf folgende Fragen geben: •
Wie lässt sich der Consumer Insight konzeptualisieren?
•
Wie sollte bei der Suche nach Consumer Insight vorgegangen werden und welches sind die Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung?
•
Welche spezifischen Anforderungen an den Consumer Insight ergeben sich aus den Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation?
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2.2.
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
Vorgehen und Aufbau der Arbeit
Mit einer deduktiven Vorgehensweise, d.h. sekundäranalytisch unter Ausnutzung der gesamten relevanten und verfügbaren Literatur, wird ein Theoriegerüst zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Kommunikation erarbeitet. Dabei handelt es sich um ein System nebeneinander stehender Aussagen zum Konzept des Consumer Insight, zum Prozess der Consumer Insight-Findung sowie zur emotionalen Kommunikation. Die Theoriebildung erfolgt im hermeneutischen Sinne auf Basis von veröffentlichtem Praxiswissen (insbesondere aus dem Werbekontext), das mit diversen verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen aus der Literatur zur Konsumentenverhaltensforschung, der Psychologie sowie der Kreativitätsforschung integriert wird, um das Consumer Insight-Konzept umfassend theoretisch zu fundieren. In die Arbeit fließen zudem eigene Berufserfahrungen der Autorin in der Werbepraxis ein, die in phänomenologischer Weise für die vorliegende Arbeit ausgewertet werden. Im Sinne des Konstruktivismus wird eine intersubjektiv nachvollziehbare Konstruktion der Begrifflichkeiten zum Consumer Insight und zur emotionalen Kommunikation angestrebt, um sprachliche Missverständnisse bei der Diskussion der Sachverhalte zu vermeiden. Durch Deduktion ermittelte Aussagen müssen empirisch überprüfbar sein, um einen wissenschaftlichen Wert zu besitzen, wobei die eingesetzten Beweisverfahren nicht-deduktiver Natur sein sollen. Die hier ermittelten theoretischen Aussagen werden deshalb zusätzlich einer kritischen Prüfung anhand einer spezifischen empirischen Untersuchung unterzogen, wie sie der kritische Rationalismus fordert. Nach POPPERs Regel des Falsifikationismus gelten die aufgestellten Aussagen solange als wahrscheinlich, wie sie nicht falsifiziert sind. Der Falsifikationismus fordert präzise und allgemeine Aussagen, damit deren empirischer Gehalt für Bewährungen durch überstandene Falsifikationsversuche hoch ist. Im Rahmen dieser Arbeit geht es jedoch darum, das komplexe Wirkungsgefüge des Consumer Insight insgesamt zu verstehen und zu beschreiben. Dementsprechend wird hier nicht streng im Sinne des kritischen Rationalismus vorgegangen. Eine Prüfung des aufgestellten Aussagensystems nach dem klassischen Falsifikationsprinzip ist nicht möglich, da sich naturwissenschaftliche Experimente verbieten und eine konfirmatorische Sekundärdatenkausalanalyse (z.B. LISREL) eine hier kaum darstellbare Datendecke erfordert. Aufgrund der Komplexität des betrachteten Wirkungsgefüges wird hier zur Theorieprüfung ein qualitativer Untersuchungsansatz gewählt. LAMNEK (2005, S. 247 ff.) zufolge ist es zulässig, qualitative Methoden im Rahmen eines nicht-explorativen Vorgehens zur Überprüfung von Hypothesen anzuwenden. Als Untersu-
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Problemstellung und Aufbau der Arbeit
chungsmethode werden Experteninterviews mit renommierten Strategen aus deutschen Werbeagenturen eingesetzt. Der empirische Teil der Arbeit gibt Antworten auf folgende Fragen: x
Inwieweit stimmen die theoretisch erarbeiteten Aussagen mit der Realität der Werbepraxis überein?
x
Welche Erkenntnisse lassen sich aus Theorie und Empirie bzw. ihrem Abgleich für die Werbepraxis ableiten?
Die nachstehende Abbildung veranschaulicht den Aufbau der Arbeit:
Theoretischer Teil
Bedingungen (Suchfelder)
Einleitung (Kapitel 1)
Emotionale Kommunikation (Kapitel 4)
Consumer Insight (Kapitel 3)
Problemstellung und Aufbau der Arbeit (Kapitel 2)
Empirischer Teil (Kapitel 5)
Zusammenfassung und Implikationen (Kapitel 6) Fazit und Ausblick (Kapitel 7)
Basis
Abbildung 2-1:
Aufbau der Arbeit
Den ersten Block bilden die Einleitung (Kapitel 1) sowie das aktuelle Kapitel 2 mit der Problemstellung und dem Aufbau der Arbeit. Als Überleitung zum theoretischen Teil wird im nachfolgend anhand von drei Praxisbeispielen veranschaulicht, in welcher Gestalt sich Consumer Insights offenbaren und wie sie entdeckt werden. Die Hauptkapitel 3 bis 5 teilen sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil der Arbeit (Kapitel 3 und 4) beinhaltet eine umfassende Klärung des Con-
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Problemstellung und Aufbau der Arbeit
sumer Insight-Konzeptes, des Prozesses der Consumer Insight-Findung sowie der emotionalen Kommunikation. In Kapitel 3 folgt auf Grundüberlegungen zum Consumer Insight (3.1) eine umfassende Begriffsklärung (3.2). Basis der Consumer Insight-Findung ist die Konsumentenkenntnis, deren Elemente in Abschnitt 3.3 erörtert werden. In Abschnitt 3.4 wird der gesamte Prozess der Consumer Insight-Findung beleuchtet, der unter Rückgriff auf die Kreativitätsforschung als kreativer Prozess konzeptualisiert wird. Im Zuge dessen werden endogene und exogene Erfolgsfaktoren sowie die einzelnen Prozessphasen (Vorbereitung, Inkubation, Illumination und Verifikation) näher erörtert. In Abschnitt 3.5 werden Möglichkeiten zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung diskutiert, darunter Kreativitätstechniken und Methoden der Primärmarktforschung. In Kapitel 4 wird die emotionale Kommunikation dahingehend beleuchtet, welche spezifischen Anforderungen (Suchfelder) sich aus ihren Wirkungen und Wirkungsbedingungen an den Consumer Insight bzw. dessen Ermittlung ableiten lassen. Da die Begrifflichkeiten in Zusammenhang mit der emotionalen Kommunikation keineswegs einheitlich verwendet werden und mit Missverständnissen behaftet sind, wird nach einer einführenden Diskussion der Relevanz der emotionalen Kommunikation (4.1) eine begriffliche Systematik zur emotionalen Kommunikation entwickelt (4.2). Auf Basis dessen werden konkrete Wirkungen der emotionalen Kommunikation diskutiert (4.3) und diverse Erklärungsmodelle dafür erörtert (4.4), um weitere Hinweise für die Consumer Insight-Findung abzuleiten. Die Betrachtung der emotionalen Kommunikation beschränkt sich aus pragmatischen Gründen auf die klassische Werbung und im Zuge dessen auf die Werbeträger Print und TV. Gleichwohl lassen sich viele der folgenden Aussagen auf andere Kommunikationsinstrumente übertragen. Im empirischen Teil der Arbeit (Kapitel 5) erfolgt die kritische Prüfung des erarbeiteten Theoriegerüstes zum Consumer Insight. Anhand von qualitativen Experteninterviews mit renommierten Strategen aus deutschen Werbeagenturen wird überprüft, inwieweit die theoretisch erarbeiteten Aussagen mit der Realität der Werbepraxis übereinstimmen. Die Untersuchungsergebnisse werden zusammenfassend dargestellt (zu den ausführlichen Ergebnissen siehe Anhang A.4). In Kapitel 6 wird der Inhalt der Arbeit zusammenfassend dargestellt. Auf Basis dessen werden Implikationen für die Praxis abgeleitet und Handlungsempfehlungen in der Übersicht dargestellt. Das Kapitel 7 enthält das abschließende Fazit und den Ausblick, wobei auch Ansatzpunkte für weiterführende Forschungsarbeiten aufgezeigt werden.
Problemstellung und Aufbau der Arbeit 2.3.
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Beispiele für Consumer Insight
Bevor in Kapitel 3 eine umfassende Klärung und Systematisierung des Konstrukts „Consumer Insight“ erfolgt, wird zunächst anhand von drei prototypischen Beispielen veranschaulicht, in welcher Gestalt und auf welche Weise sich Consumer Insights in der Praxis offenbaren. Dazu erfolgt ein Rückgriff auf veröffentlichtes Fallstudien-Material. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird an passenden Stellen auf diese Beispiele zurückgegriffen. 2.3.1.
WEEDOL (UK)
Das erste Beispiel stammt aus Großbritannien und wurde bei den Creative Planning Awards 2003 der Account Planning Group (APG) mit Silber ausgezeichnet (o.V. 2003c, S. 233 ff.). WEEDOL ist eine in Großbritannien etablierte Marke für Unkrautvernichtungsmittel. Bei der Entwicklung einer neuen Werbekampagne zeigten sich mehrere Probleme. So war die Produktleistung von WEEDOL faktisch derjenigen des Hauptkonkurrenten unterlegen, was von den Konsumenten durchaus wahrgenommen wurde. Statt das Unkraut vernichtend zu schlagen, musste WEEDOL immer wieder angewendet werden, da das Unkraut ständig nachwuchs. Der Hauptkonkurrent lobte hingegen in seiner Kommunikation aus, dass das Unkraut nicht wieder nachwachse. Die Wettbewerbskommunikation war insgesamt eher rational geprägt und fokussierte auf Produkteigenschaften und -leistungswerte. Weil differenzierende Botschaften auf rationaler Ebene fehlten, musste WEEDOL versuchen, die Konsumenten emotional zu involvieren und ein emotionales Markenterritorium zu besetzen. Zunächst wurde versucht, im End-Nutzen (Benefit) eines „schönen Gartens“ einen Ansatzpunkt zu finden. Viele Menschen verspüren eine große Leidenschaft für ihren Garten. Er gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Kreativität auszudrücken, sich selbst zu verwirklichen und dabei ein Stück Natur nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Als problematisch erwies sich allerdings, dass die mit dem schönen Garten verbundenen Werte „Natur“, „Umsorgen“ und „Kreativität“ quasi die Antithese des Unkrautvernichtens darstellen. Das Thema „Unkrautvernichtung“ löst unangenehme Gefühle aus. Eine quantitative Studie ergab zudem, dass der eigentliche Prozess des Unkrautvernichtens als nicht besonders ansprechend empfunden wurde. Schon das Sprechen darüber wurde von den Konsumenten als unangenehm empfunden. Das mit der Kommunikationsentwicklung betraute Team der Werbeagentur besuchte schließlich die Forschungsabteilung des WEEDOL-Produzenten, um die Produkte auszuprobieren. Dabei zeigte sich völlig unerwartet, dass das Unkrautvernichten mit WEEDOL „das innere Kind“ in einigen der Beteiligten zum Vorschein brachte. Das Unkrautvernichten machte ihnen
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Problemstellung und Aufbau der Arbeit
– entgegen den bisherigen Marktforschungsergebnissen – offensichtlich großen Spaß. Während Fokusgruppen und quantitative Befragungen lediglich uninspirierende rationale Beobachtungen zu Tage gefördert hatten, war niemand auf die Idee gekommen, zu explorieren, wie sich Hobbygärtner während der Vernichtung von Unkraut, also bei der Produktverwendung selber, fühlen. Das Agenturteam war überzeugt, dass gestandene Hobbygärtner sogar noch mehr Spaß daran haben mussten, das Unkraut in ihrem geliebten Garten „auszulöschen“. Auf Basis dieser These wurden Tiefeninterviews mit verwandten und befreundeten Hobbygärtnern durchgeführt. Diese bestätigten die These. Der Consumer Insight lautete also: Gärtner hassen Unkraut. Sie möchten es leiden sehen. Unkraut vernichten macht Spaß. Es ist vergleichbar mit dem „köstlichen“, racheerfüllten Lustgefühl, das man hat, wenn man etwas aus dem Weg räumt, dass man hasst. Und mit WEEDOL haben Hobbygärtner nun eine wirksame Waffe in der Hand, um das Unkraut leiden zu lassen. Auf dieser Basis wurde folgende Kernbotschaft formuliert: Es macht Spaß, Unkraut mit WEEDOL zu vernichten. Jeder weiß, dass Gärtner Unkraut hassen, und WEEDOL ist ein schneller, einfacher und befriedigender Weg, das Unkraut „in den Hintern zu treten“. Auf Basis des Consumer Insight und der darauf basierenden Kernbotschaft wurde eine Kampagne entwickelt, die aus mehreren so genannten Vignetten-Spots mit verschiedenen kleinen Geschichten zum gleichen Thema bestand (siehe Abbildung 2-2). Diese zeigten unterschiedliche Hobbygärtner, die sich mit Hingabe der Unkrautvernichtung widmen. Die Spots schlossen mit dem Claim „WEEDOL. No Mercy.“. Die Kampagne erwies sich als sehr wirkungsvoll. Wie sich in einem bereits während der kreativen Entwicklung durchgeführten Test („Creative Development Research", vgl. BOULTER 1997) zeigte, wurde die Kampagne durch den Fokus auf ein einzigartiges emotionales Territorium – den Spaß am Unkrautvernichten – als außergewöhnlich und hochrelevant empfunden. Die Rezipienten konnten sich mit dieser emotionalen Botschaft wesentlich leichter identifizieren als mit den rationalen Botschaften der Wettbewerber. Zudem war die rationale Botschaft über die Leistungseigenschaften von WEEDOL implizit in jedem TV-Spot enthalten. Auch das Werbetracking zeigte herausragende Ergebnisse, insbesondere im Vergleich zum Hauptkonkurrenten.
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
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Abbildung 2-2: Szenen aus WEEDOL-TV-Spots
2.3.2.
„Got Milk?“ (USA)
Das zweite Beispiel stammt aus den USA und betrifft die Produktkategorie Milch. Zu einer ausführlicheren Beschreibung der Case Study siehe STEEL (1998, S. 231 ff.). Anfang der 1990er Jahre sank der Milchverbrauch in Kalifornien stetig. Die bisherige Kernbotschaft der Kommunikation lautete: „Milk is always refreshing“. Der Verband der kalifornischen Milchproduzenten, das California Fluid Milk Processors Advisory Board (CFMPAB), gab Gruppendiskussionen in Auftrag. Es sollten neue Ansatzpunkte für die Kommunikation gefunden werden, um mit deren Hilfe den Milchkonsum wieder zu intensivieren. Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen waren ernüchternd: Die Menschen wissen alles, was sie über Milch wissen sollten, so z.B., dass Milch gesund ist, Kalzium enthält usw. Diese Erkenntnisse halfen bei der kommunikativen Lösung der Probleme nicht weiter. Es galt, einen neuen Ansatzpunkt zu finden, um Milch wieder ins Bewusstsein der Konsumenten zu rücken. Das CFMPAB wandte sich an eine Werbeagentur. Diese empfahl die Durchführung einer Tagebuch-Studie, um herauszufinden, welche Rolle Milch im Leben der Konsumenten spielt. Dabei wurden die Probanden gebeten, für einige Zeit gänzlich auf den Verzehr von Milch zu verzichten und in einem Tagebuch festzuhalten, was sie dabei fühlten und dachten. Die Ergebnisse: Milch betrifft keineswegs nur den Morgen-Kaffee, wovon einige der Probanden vor
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Problemstellung und Aufbau der Arbeit
Untersuchungsbeginn überzeugt waren. Ohne Milch geht es nicht. Milch gehört zu den liebsten Gaumenfreuden („Treats“) einfach dazu. Sie lässt sich durch kein anderes Getränk ersetzen, wenn man den Mund voller Kekse oder eine Schüssel der Lieblings-Cerealien vor sich stehen hat. Und die wichtigste Erkenntnis ist die, dass den Menschen Milch dann am meisten auffällt, wenn „plötzlich“ keine mehr vorhanden ist. Basierend auf diesem Consumer Insight wurde die folgende Kernbotschaft formuliert: „Some of life`s great treats will be ruined if you`re out of milk”. Die Kreativen entwickelten eine Werbekampagne, in deren Mittelpunkt der Claim: „Got milk?“ stand. Sie bestand im Kern aus mehreren TV-Spots, die auf humorvolle Weise demonstrieren, was passieren kann, wenn die Milch leer ist. So entgeht zum Beispiel einem Protagonisten ein großer Jackpot-Gewinn, obwohl er als Experte für das spezifische Thema die Antwort auf die alles entscheidende Frage weiß. Leider hat er just in dem Moment, in dem das Telefon klingelt und ein Radiosender die Preisfrage stellt, den Mund voller Kuchen – und keine Milch mehr zum Runterspülen. Alle Spots schließen mit der „freundlichen“ Erinnerung „Got milk?“. Die TV-Spots wurden unter anderem durch Printanzeigen, Plakate, Poster und Deckenhänger am Point of Sale flankiert.
Abbildung 2-3: TV-Spot „Aaron Burr" („Got milk?“)
Die Kampagne wurde als großer Erfolg gewertet. Der kalifornische Milchverbrauch stieg wieder deutlich an. Die Kampagne gewann mit dem Gold-EFFIE den höchsten Effizienzpreis der AAAA (American Association of Advertising Agencies) sowie verschiedene Kreativpreise, darunter den Gold-Clio bei den internationalen Clio Awards. Sie zählt noch heute zu den populärsten Werbekampagnen der USA. Auf der Kreatividee „Got milk?“ basieren seit 1993
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
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vielfältige Marketing-Aktivitäten über die klassische Kommunikation hinaus. Die Kampagne wird laufend aktualisiert und immer wieder neu interpretiert. 2.3.3.
eBay (D)
Das dritte Beispiel stammt aus Deutschland und betrifft den weltweit größten OnlineMarktplatz eBay, der seit 1999 in Deutschland aktiv ist (vgl. o.V. 2004c, S. 190 ff., HEUMANN 2006). eBay entwickelte sich auch in Deutschland schnell zum Marktführer. In 2003 hatte das Unternehmen eine Größe und Bekanntheit erreicht, die eine Justierung der strategischen Kommunikationsziele notwendig machte. eBay forderte mehrere Werbeagenturen auf, im Rahmen einer Wettbewerbspräsentation eine Kampagne vorzuschlagen, die die Marke nachhaltig profilieren, die gestützte Werbeerinnerung steigern und die bestehenden Nutzer zu einer intensiveren Nutzung motivieren sollte. Dabei sollte die Kampagne in erster Linie die Angebotsbreite von eBay vermitteln. Da die Kampagne nicht primär neue Nutzer gewinnen, sondern bestehende loyalisieren sollte, führte eine der Werbeagenturen Gespräche mit Leuten, die eBay bereits eifrig nutzten, darunter einige Heavy User aus der eigenen Kreativabteilung. Manche der Befragten waren fast schon „süchtig“ nach eBay. In den Gesprächen wurde unter anderem darüber diskutiert, warum sie eBay überhaupt nutzen und was aus ihrer Sicht das Besondere daran war. Es stellte sich heraus, dass ein ganz bestimmter Moment eBay so besonders macht: „dieser eine Moment, in dem man sagen kann, das gehört mir“ (HEUMANN 2006). Auf Basis dessen wurde schließlich folgender Consumer Insight formuliert: In Zusammenhang mit dem Handeln auf eBay existiert ein besonderes Gefühl – das „eBay-Gefühl“. Dieses besteht in der Begeisterung für das Suchen, Finden und Fiebern, dem Nervenkitzel während des Bietens und dem „Kick“ beim Gewinnen der Auktion. Jeder, der schon einmal bei eBay gekauft oder mitgeboten hat, kennt dieses Gefühl – und will es wieder erleben. Auf Basis dieses „tollen eBay-Moments“ entwickelten die Kreativen das Kampagnenkonzept „1, 2, 3 – meins“, das ganz auf diesen Moment fokussiert und Menschen zeigt, die bei eBay mitbieten und mitfiebern. Zusätzlich entstanden alternative Kampagnenansätze. Die verschiedenen Ansätze wurden in weiteren Gesprächen mit (diesmal ausschließlich externen) eBayNutzern überprüft, wobei „1, 2, 3 – meins“ auf Anhieb am meisten überzeugen konnte. Die eBay-Anhänger erkannten sich darin wieder und konnten sich mit dem eBay-Gefühl identifizieren. Allerdings schlugen sie vor, die Zahlenfolge umzudrehen und wie bei einem Countdown rückwärts zu zählen. Nach der Wettbewerbspräsentation entschieden sich die Verantwortlichen bei eBay dafür, die Kampagne mit Vorschlägen von anderen Agenturen in einen
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Problemstellung und Aufbau der Arbeit
Test zu geben. „3... 2... 1... meins!“ erwies sich mit großem Abstand als Testsieger. Die Agentur gewann den eBay-Werbeetat und entwickelte unter anderem den TV-Spot „Momente“, der in kurzen, schnell aufeinander folgenden humorvollen Szenen Menschen zeigt, die den eBayMoment bzw. das besondere eBay-Gefühl erleben, wobei dieses zusätzlich durch eine emotionale Musik erlebbar gemacht wird.
Abbildung 2-4: TV-Spot "Momente", Printmotive (eBay)
Der TV-Auftritt wurde um eine Printkampagne, Radiospots und einen Internet-Auftritt ergänzt. Mit der ausgewählten Kampagne wurde nicht nur die Hoffnung verbunden, die Marke zu profilieren und bestehende Nutzer zu einer intensiveren Nutzung zu motivieren, sondern sie vor allem auch emotional an die Marke eBay zu binden. Die Kampagne „3... 2... 1... meins!“ gilt als sehr erfolgreich. In 2004 wurde sie mit einem Gold-EFFIE des GWA (Gesamtverband Kommunikationsagenturen e.V.) ausgezeichnet. Die Werbeerinnerung konnte deutlich gesteigert werden, was unter anderem auf die überdurch-
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
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schnittlichen Gefallenswerte des TV-Spots zurückgeführt wird. Zudem nahmen die Aktivitäten der bestehenden Nutzer deutlich zu. Die emotionalen Imagedimensionen konnten deutlich ausgebaut werden. Als ein Hauptgrund hierfür wird gesehen, dass die Kampagne das besondere Gefühl beim Handeln auf eBay genau auf den Punkt bringt (o.V. 2004c, S. 194), also einen „wirklichen“ Consumer Insight adressiert und diesen auf ansprechende Weise zum Leben erweckt, wodurch sich der Nutzer wieder erkennt und mit der Marke identifiziert. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass nicht nur verborgene Sachverhalte wie bei WEEDOL sondern auch nahe liegende Aspekte einen Consumer Insight darstellen können. Schließlich liegt es nahe, dass Auktionen mit Nervenkitzel und einem „Kick“ beim Gewinnen verbunden sind. Allerdings wurde dieser Aspekt in Zusammenhang mit Online-Auktionen und der Marke eBay bislang nicht aufgegriffen. Zudem war das Briefing des Unternehmens an die Agenturen deutlich breiter formuliert, da das eBay-Angebot weit über Auktionen hinausreicht. Das spezifische eBay-Gefühl kristallisierte sich vielmehr auf der Suche nach dem Besonderen an der Marke eBay aus Sicht der existierenden Nutzer heraus.
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Consumer Insight
3. Consumer Insight 3.1.
Grundüberlegungen
3.1.1.
Mysterium Consumer Insight „A consumer insight is like God – present everywhere but not seen, felt or easily understood “ (SHARMA 2004, o.S.).
Der Begriff „Consumer Insight“ wird gerade in den letzten Jahren immer häufiger verwendet – auch im Deutschen, da es an einer adäquaten Übersetzung des englischen Begriffes mangelt. Begriffe wie Konsumentenverhalten, Konsumentenverständnis, Einblicke in den Konsumenten, Konsumentenwissen, Konsumentenwünsche, Kundenkenntnis etc. decken jeweils nur Facetten des Consumer Insight-Konzeptes ab. Zudem gehört die Übernahme von englischen Marketingbegriffen in die deutsche Sprache seit vielen Jahren zum wissenschaftlichen und unternehmerischen Alltag. Trotz seiner Popularität gilt der Consumer Insight als Mysterium und wird gar zu einer mythischen Kreatur verklärt (TASGAL 2004). In der Werbe- und Marketingpraxis hat sich ein regelrechter „Consumer Insight-Hype“ entwickelt, der sich in vielerlei Veröffentlichungen, Seminaren, Vorträgen und Berufsbezeichnungen niederschlägt. So entstehen neue JobBezeichnungen wie „Head of Insight and Planning“, „Consumer Insight Manager“, „Insight Spezialist“, „Head of Customer Insights“ usw. (GORDON 2002). Veröffentlichungen zum Thema stammen in der Regel von Praktikern aus Werbung, Marktforschung oder den Marketingabteilungen der Unternehmen – meist aus dem englischsprachigen, selten aus dem deutschsprachigen Raum (siehe z.B. FORTINI-CAMPBELL 2001, GORDON 2002, PAUL 2002, RENKEMA/ZWIKKER 2003, SEN 2003, LAJTOS/HOFFMANN 2003, STONE/ BOND/FOSS 2004, SHARMA 2004, TASGAL 2004, WILLS/WILLIAMS 2004, PINCOTT 2005). Die Veröffentlichungen beziehen sich dabei häufig auf bestimmte Branchen (z.B. LEROY-SHARMAN/WEST 2004 für den Pharma-Markt). In der Wissenschaft, auch und gerade in der Konsumentenverhaltensforschung, ist der Begriff bzw. das Konzept „Consumer Insight“ nahezu unbekannt. Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema hat bislang noch nicht stattgefunden. In jüngeren Veröffentlichungen wird der Consumer Insight zumindest genannt und am Rande berührt (HELLMANN 2003, TROMMSDORFF 2004a). Zwar gibt es an der Universität Essen inzwischen einen eigenen Forschungsbereich „Consumer Insights“ des Lehrstuhls für Marketing und Handel, der sich vornehmlich mit qualitativer und quantitativer Marktforschung für Handel und Konsumgüter-
Consumer Insight
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industrie sowie der Gewinnung von anwendungsorientiertem Wissen für Category und Customer Relationship Management beschäftigt. Allerdings unterscheiden sich diese Inhalte von der hier vertretenen – und noch auszuführenden – Auffassung von Consumer Insight. Eine streng wissenschaftliche Systematisierung des Konzeptes Consumer Insight steht bislang noch aus. Eine systematische Aufarbeitung des Themas ist überfällig, vor allem angesichts der zunehmenden Praxisrelevanz. Die allgemeine Unsicherheit darüber, was Consumer Insight eigentlich ist, führt unter anderem dazu, dass Consumer Insight als „Buzz word“, „Trend“ oder auch „bloßes Label“ (HELLMANN 2003, S. 143) verschrien wird. Dies liegt sicherlich auch daran, dass „Consumer Insight“ nicht nur ein viel diskutierter, sondern auch ein viel missbrauchter Begriff ist (CLARK 2004). Mit dem Etikett „Consumer Insight“ werden viele verschiedene Sachverhalte versehen. Der Consumer Insight dient z.B. als Label für Database-Marketing und Customer Relationship Management (CRM, z.B. STONE/BOND/FOSS 2004). Häufig wird der Consumer Insight auch als neues, modernes Synonym für „Marktforschung“ aufgefasst (siehe z.B. HELLMANN 2003, TASGAL 2004), was von den Marktforschungsinstituten durch omnipräsenten Begriffsgebrauch gefördert wird. „Consumer Insight“ findet sich in den Selbstdarstellungen der Marktforschungsinstitute wieder und wird als Titel für Konsumentenstudien verwendet. So veröffentlicht z.B. das weltgrößte Marktforschungsinstitut ACNielsen seit 1995 ein eigenes Magazin mit dem Titel „Consumer Insight Magazine“ (ACNIELSEN 2006). Teilweise werden unter dem Etikett „Consumer Insight“ auch neuere Ansätze in der Marktforschung erforscht (ALEXANDER 2001, PINCOTT 2005). Die Marktforschungsinstitute stellen immer wieder neue Instrumente vor, die es ihren Kunden ermöglichen sollen, den „wahren Consumer Insight“ zu entdecken. Der Begriff „Consumer Insight“ scheint demnach häufig dazu genutzt zu werden, generelle Einblicke in den Konsumenten bzw. das Konsumentenverhalten zu bezeichnen (siehe auch die Kritik bei WILLS/WILLIAMS 2004). Die Beispiele verdeutlichen einen undifferenzierten Umgang mit dem Begriff. Generelle, kategoriegenerische Erkenntnisse sind klar vom Consumer Insight abzugrenzen – unter anderem deshalb, weil sie anders als der Consumer Insight nicht auf die spezifische Marketingsituation bezogen sind. Consumer Insight ist weder als Buzz word noch als Label für Marktforschungserkenntnisse oder gar als eine neue Strömung in der Marktforschung zu begreifen. Consumer Insight bezeichnet vielmehr ein Konzept, das sich bestimmter Marktforschungsmethoden bedient und für die erfolgreiche Markenführung sowie die Entwicklung effektiver Kommunikation von
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Consumer Insight
zentraler Bedeutung ist. Trotz der begrifflichen Unklarheit herrscht zumindest in diesem Punkt weitgehend Einigkeit (FORTINI-CAMPBELL 2001, GORDON 2002, APG 2003, TASGAL 2004). So wird Consumer Insight als ein strategisches „Asset“ gesehen, das entsprechend gemanaged werden sollte (WILLS/WILLIAMS 2004). In Großbritannien wird die zentrale Rolle des Consumer Insight für die Kommunikationsentwicklung unter anderem dadurch gewürdigt, dass analog zu Kreativ- oder Effizienzpreisen mit den Creative Planning Awards der Account Planning Group (APG) regelmäßig Preise für die überzeugendsten Consumer Insights verliehen werden (vgl. APG 2001a, 2003). Consumer Insight ist eng mit dem Konzept der Kundenorientierung verknüpft, deren Bedeutung für den Markterfolg von Unternehmen und Marken ebenso zentral wie unbestritten ist. Consumer Insight ist jedoch mitnichten mit Kundenorientierung gleichzusetzen, ebenso wenig mit dem Wissen über den Konsumenten bzw. „Kundenkenntnis“ (siehe dazu SILBERER 2004) oder „Kundenwünschen“ (vgl. LAß 2002). Stattdessen basiert Consumer Insight auf Wissen über Konsumenten und deren Wünsche und macht Kundenorientierung erst möglich. Das Konzept des Consumer Insight berührt und subsummiert viele Bereiche, die im Rahmen der Konsumentenverhaltensforschung schon lange unter Stichworten wie Kundenorientierung, Motive, Werte, Wünsche, etc. diskutiert werden. Mit dem Begriff „Consumer Insight“ werden diese Sachverhalte in einen neuen Zusammenhang gebracht, der einen Ansatzpunkt zur Steigerung der Effektivität von Marketing- und Kommunikationsaktivitäten bietet und sich nun entsprechend systematisieren lässt. In einer vorläufigen Arbeitsdefinition soll Consumer Insight als erleuchtender Gedanke darüber, was Menschen in Zusammenhang mit Marken bewegt, aufgefasst werden. Der Consumer Insight dient als Basis für die Kommunikationsentwicklung, indem er es ermöglicht, eine relevante, differenzierende und glaubwürdige Werbebotschaft zu entwickeln. Demzufolge beschreibt das Konzept des Consumer Insight eine bestimmte Technik, mit deren Hilfe eine enge, emotionale Bindung zwischen Konsument und Marke geschaffen werden soll. Im Rahmen dieser Arbeit wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass der Consumer Insight nicht nur für die Kommunikationsentwicklung einen Mehrwert bieten kann. Vielmehr sollten sämtliche Marketingaktivitäten – von der Markenpositionierung über die Produktentwicklung bis hin zur Kommunikation – auf Basis von Consumer Insight entwickelt werden.
Consumer Insight 3.1.2.
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Relevanz des Consumer Insight für die Marketingkommunikation
Marken gelten als zentraler Erfolgsfaktor der Unternehmensführung. Die Marketingkommunikation ist wesentlich für den Markenaufbau, der Consumer Insight wiederum Basis für die Marketingkommunikation. Um die Bedeutung des Consumer Insights herzuleiten, erfolgt deshalb zunächst eine Betrachtung der Relevanz von Marken und Marketingkommunikation.
3.1.2.1. Herausforderungen der Markenführung und Rolle der Kommunikation „Marketing is a battle – and the battlefield is the mind of the consumer “ (Stephen KING, Mitbegründer der Londoner Werbeagentur BMP). Die Markenführung sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber, die in der Literatur bereits hinlänglich diskutiert werden (siehe z.B. BEHRENS 1996, S. 18 ff., LACHMANN 2002, S. 79 ff., ESCH 2003, S. 27 ff., KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 13 ff.). Hierzu zählen unter anderem Produkt- und Markenvielfalt, stagnierende Märkte, austauschbare Produkte, Bedrohung durch Handelsmarken, Informationsüberlastung, zunehmende Komplexität und das sich verändernde Konsumentenverhalten. Starke Marken gelten heute als zentraler Erfolgsfaktor der Unternehmensführung (MEFFERT/SCHRÖDER/PERREY 2002, ESCH 2003, RIESENBECK/PERREY 2005). Der Markenwert macht mittlerweile im Durchschnitt fast siebzig Prozent des Gesamtwertes eines Unternehmens aus – mit steigender Tendenz: 1999 waren es noch unter sechzig Prozent (MENNINGER et. al. 2006). Bei Unternehmen, die mit starkem Markenfokus geführt werden, ist der Gewinn fast doppelt so hoch wie im Branchenvergleich (HARTER et. al. 2005). Marken stiften ideellen Nutzen, sorgen für Orientierung in der Fülle der Angebote und reduzieren das Kaufrisiko (HELLMANN 203, S. 106 f., RIESENBECK/PERREY 2005, S. 25 ff.). Sie haben damit entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Konsumenten. Es gilt als allgemein akzeptiert, dass Marken in den Köpfen der Konsumenten existieren. Ziel der Markenführung ist die Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche der Konsumenten (DOMIZLAFF 1939, S. 76). Der Konsument wird dementsprechend als Dreh- und Angelpunkt des Marketingprozesses angesehen (McDONALD/WILSON 2002). In der Unternehmenspraxis ist es bis heute jedoch keine Selbstverständlichkeit, den Konsumenten in den Mittelpunkt zu stellen. Viele Unternehmen agieren immer noch mit starkem Produktfokus. Der Konsument sollte jedoch nicht länger als Bestimmungsort, sondern vielmehr als Sprungbrett für die Marketingaktivitäten betrachtet werden (BAKER/MOUNCEY 2002).
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Starke Marken sind mit vielfältigen, relevanten Assoziationen verbunden. Ihre Bedeutung wird durch neuere Erkenntnisse der Hirnforschung (vgl. dazu Abschnitt 3.5.4.3) untermauert. Eine Untersuchung von MONTAGUE aus dem Jahre 2003 mit Hilfe neurowissenschaftlicher Methoden (der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT)) widmet sich der Frage, warum in den Blindtests der 1970er und 1980er Jahre regelmäßig PEPSI vorgezogen wurde, COCA-COLA jedoch die weltweit meistverkaufte Brause blieb (vgl. dazu BBDO 2004, SCHÄFER 2004). Im Blindversuch zeigte sich beim Trinken von PEPSI eine deutlich erhöhte Aktivität im Belohnungszentrum des Gehirns. Beim Enthüllen der Marke änderten sich jedoch Hirnaktivität sowie Präferenzen der Probanden. Der Markenname COCA-COLA stimulierte zusätzlich eine Region im Großhirn, die für höhere Kognitionen, d.h. komplexe Denkund Entscheidungsprozesse zuständig ist und eine entscheidende Rolle für das Selbstbild einer Person spielt (medialer präfrontaler Cortex). Der Einfluss dieser Region überdeckte die Signale der Geschmacksnerven. Die mit einem Markennamen verbundenen positiven Assoziationen scheinen also stärker auf die Markenpräferenz zu wirken als der wahrgenommene Geschmack des Produktes. Starke Marken führen zu einem „Emotional Bias“ in der Markenwahlentscheidung und werden intuitiv ausgewählt (PLASSMANN et. al. 2005, S. 1). Laut PÖPPEL (o.J., zitiert in ROTH 2004) erzeugen starke Marken über alle Produktkategorien hinweg dieselben Muster im Gehirn. Die Schaffung einer engen Bindung zwischen Konsument und Marke ist wesentlich für den Markenerfolg bzw. den Fortbestand einer Marke. Eine enge Markenbeziehung beeinflusst die aktuelle Verwendung und das zukünftige Kaufverhalten. Entsprechend hat sich in den letzten Jahren die Sicht auf die Marke verändert. Mehr und mehr steht die Interaktion zwischen Konsument und Marke im Fokus (FOURNIER 1998, AAKER 1997, OLIVER 1999, BAKER/MOUNCEY 2002, SCARABIS/FLORACK 2005). Entgegen der lange Zeit vorherrschenden Ansicht, dass sich Markenbindung (auch Markentreue oder Markenloyalität genannt) vorwiegend in Wiederholungskäufen ausdrückt (OLIVER 1999, S. 34 f.), wird die Markenbindung inzwischen als emotionales Konstrukt aufgefasst, das die gefühlsmäßige Bindung des Konsumenten zur Marke wiedergibt (McGOWAN/THIEL 2002, S. 431, ESCH 2003, S. 78, o.V. 2005b, S. 9). Es handelt sich um eine tiefe Bindung bzw. „gefühlte“ Verpflichtung, ein präferiertes Produkt in der Zukunft konsistent wieder zu kaufen bzw. zu unterstützen (OLIVER 1999, S. 34). Die Markenbindung wird insbesondere durch Faktoren wie Markenzufriedenheit, -vertrauen, -sympathie und -image beeinflusst (CHAUDHURI/HOLBROOK 2001, S. 82 f.). Weitere wichtige Faktoren sind Stimulanz durch die Marke (SCARABIS/FLORACK 2005, o.V. 2005b) so-
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wie die Identifikation mit der Marke. Eine besonders starke emotionale Verbindung, bei der der Konsument nur eine einzige Marke kauft und Wettbewerbsofferten widersteht, wird auch als Markenliebe konzeptualisiert (AHUVIA 1992, FOURNIER 1998, OLIVER 1999, BUCHHOLZ/ WÖRDEMANN 2000). Im Idealfall werden aus Markenzeichen (Trademarks) „Lovemarks“ (ROBERTS 2004). Beispiele sind Marken wie NIKE, APPLE oder HARLEY DAVIDSON, die eine eingeschworene Fan-Gemeinde besitzen (vgl. z.B. AAKER/JOACHIMSTHALER 2001, GUTJAHR 2004, ROBERTS 2004). Eine hohe Bedeutung für die Markenprofilierung und -differenzierung und damit für die Schaffung von Markenbindung hat die Marktkommunikation, allen voran die Werbung (DOMIZLAFF 1939, MANN 1994, S. 487, TROMMSDORFF 1997, S. 1, MATTENKLOTT 2002). Die Marktkommunikation bezeichnet den Teil der Marketingkommunikation, die die gesamte, aufeinander abgestimmte Gestaltung aller von einem Unternehmen auf seine Umwelt ausgestrahlten Informationen umfasst (MEFFERT 2000, S. 664). Die Werbung stellt wiederum eine Form der beeinflussenden Kommunikation dar, durch die versucht wird, psychische Größen und beobachtbare Verhaltensweisen im Sinne der definierten Werbeziele zu verändern (BEHRENS 1996, S. 3, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 35). Menschen beschäftigen sich mit Marken und ihren Werbebotschaften nur dann, wenn diese relevant für sie sind, insbesondere angesichts von zunehmender Markenvielfalt und Informationsflut. „Relevant“ bedeutet „in einem bestimmten Zusammenhang bedeutsam, wichtig“ (DUDEN 2002). Eine experimentelle Studie von PETTY/CACIOPPPO/GOLDMAN (1981) ergab, dass bei einer Übereinstimmung von Kommunikationsinhalten mit der persönlichen Relevanz für den Rezipienten die stärkste Wirkung erzielt wird. Ähnliche Ergebnisse liefert eine Untersuchung von LOEF/ANTONIDES/VAN RAAIJ (2001) zum Zusammenhang zwischen Werbeeffektivität und Werbung, die die tatsächliche Kaufmotivation trifft. Die Relevanz von Stimuli hat einen wesentlichen Einfluss auf das Botschaftsinvolvement der Konsumenten. Nach der Involvementtheorie (vgl. 4.4.1) hat das Involvement wiederum Einfluss auf die Tiefe der Verarbeitung einer Werbebotschaft, die sich positiv auf die Werbewirkung auswirkt. Um mit dem Konsumenten wirksam in Verbindung zu treten, muss Werbung solche Botschaften beinhalten, die für die Zielgruppe bedeutsam sind, und diese mit der Marke in Verbindung bringen (FORTINI-CAMPBELL 2001).
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3.1.2.2. Der emotionale Markennutzen „Es geht niemals darum, den Kunden ein bloßes Produkt zu verkaufen. Verkaufen muss man immer einen Traum.“ (John T. CHAMBERS, CEO von Cisco Systems Inc., zitiert in HELLMANN 2003, S. 139). Konsumenten kaufen keine Produkteigenschaften, sondern Lösungen für ihre Bedürfnisse bzw. subjektive Produktnutzen (ROTHSCHILD 1987, S. 156). Nutzen lässt sich als die wahrgenommene Motivbefriedigung bzw. Zielerreichung durch ein Objekt bzw. ein objektbezogenes Verhalten wie Kauf oder Verwendung definieren (TROMMSDORFF 2004b, S. 485). Marken werden dadurch relevant, dass sie die (häufig verborgenen) Sehnsüchte, Motive, Wünsche und Bedürfnisse der Menschen bedienen bzw. in der Werbung entsprechende Nutzenversprechen transportieren. Nach dem Nutzenkonzept von VERSHOFEN (1959, S. 86 f.) kann grundsätzlich zwischen Grund- und Zusatznutzen unterschieden werden. Der Grundnutzen oder rationale Nutzen eines Produktes wird weitgehend vom Hersteller vordefiniert und betrifft bestimmte technischchemisch-physikalische Eigenschaften (z.B. Zuverlässigkeit bei einem PKW oder der Unkrautvernichtung). Er dient vor allem der Rationalisierung von Kaufentscheidungen (ZIEMS 2004, S. 212 f.). Der Zusatznutzen ergibt sich aus der Perspektive des Konsumenten und befindet sich auf einer emotionalen bzw. psychologischen Ebene. Er wird deshalb auch als emotionaler bzw. psychologischer oder ideeller Nutzen bezeichnet (WEINBERGER et. al. 1995, S. 46, HOMBURG/KROHMER 2003, S. 412). Der emotionale Nutzen (Benefit) ist mit positiven Gefühlen und Emotionen verbunden, die durch ein Produkt bzw. eine Marke hervorgerufen werden (z.B. Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Freiheit). Einer Untersuchung von MEFFERT/SCHRÖDER/PERREY (2002) zufolge ist der ideelle Nutzen für die subjektive Relevanz einer Marke insgesamt gesehen am wichtigsten. Aufgabe von Marken ist es dementsprechend, physische Objekte mit Emotionen bzw. emotionalen Bedeutungen aufzuladen (HÄUSEL 2005, S. 153). Dies geschieht insbesondere über emotionale Kommunikation. Durch die kommunikative Verknüpfung von Marken mit spezifischen emotionalen Nutzenversprechen bzw. Erlebnissen kann eine wirksame Markendifferenzierung erreicht werden (KONERT 1986, S. 37, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 116 f.). Marken können als symbolische Kommunikation bzw. als Zeichen verstanden werden, die Bedeutung vermitteln (BUSS 1998, KARMASIN 2004). Marken sind Bedeutungsträger, die das Konsumhandeln um eine spezifische Bedeutung anreichern und Produkte im Bewusstsein der Nutzer lebendig werden lassen (REINELT/FAUCONNIER 2005). Aus soziologischer
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Sicht betrifft der Zusatznutzen der Marke insbesondere die konnotativen Bedeutungen von Marken. Während die Denotation die Grundbedeutung eines Sachverhaltes betrifft, bezieht sich die Konnotation auf dessen Nebenbedeutung (BEHRENS 1996, S. 42 f.), insbesondere auf die emotionalen Nebenbedeutungen und die mit einem Objekt verbundenen Gefühlswerte. Starke Marken werden mit spezifischen, unverwechselbaren Gefühlserlebnissen verbunden. Konsumenten ziehen Nutzen aus den emotionalen Bedeutungen, die Marken zu ihrem Leben beitragen. So vermittelt z.B. eine Kultmarke wie HARLEY DAVIDSON den Traum von Freiheit und Abenteuer (GUTJAHR 2005, S. 43). Die symbolische Bedeutung von Produkten und Marken wird in Form von unbewussten Erlebnisschemata in den Köpfen der Konsumenten abgespeichert, die als Interpretationsmuster das Verhalten steuern (vgl. dazu 3.3.2.4). Der bedeutungsbasierte Ansatz des Konsumentenverhaltens (McCRACKEN 1986, 1987) geht davon aus, dass Marken als eine Art Identitätsstifter wirken (FELSER 2001, S. 45). Eine Marke bietet dann Identifikationspotenziale, wenn ihre Persönlichkeit den inneren Überzeugungen, dem eigenen Wertesystem und dem Selbstkonzept des Konsumenten entspricht. Das Selbstkonzept beinhaltet Entwürfe davon, wie eine Person wahrgenommen und eingeschätzt werden möchte (MARKUS/WURF 1987, vgl. auch 3.3.6.2). Es bietet einen Bezugsrahmen für die Interpretation von Informationen und leitet das Verhalten. Marken und Produkte, die eng mit dem Selbstkonzept verknüpft sind, wirken besonders stark (PLASSMANN et. al. 2005). Hierzu gehören insbesondere Statussymbole, die eine Ausweisfunktion erfüllen. Die emotionalen Bedeutungen einer Marke werden eingesetzt, um das Selbstkonzept anzureichern, zu kreieren und zu (re)produzieren (FOURNIER 1998, S. 365).
3.1.2.3. Consumer Insight als Basis der Marketingkommunikation Bei der Kommunikationsentwicklung ist zu entscheiden, welche der vielfältigen potenziellen Bedeutungen einer Marke hervorgehoben werden soll bzw. am glaubwürdigsten durch das Produkt vertreten werden kann. Die persönliche Relevanz des Markennutzens hängt insbesondere vom individuellen Emotions-, Motiv- und Wertesystem des Konsumenten ab (VINSON/SCOTT/LAMONT 1977, HOMER/KAHLE 1988). Voraussetzung für den Aufbau einer engen Markenbeziehung ist dementsprechend die genaue Kenntnis des Konsumenten, seiner Bedürfnisse, Motive, Wünsche, Ängste und Träume. Zwischen den Konsumenten und den Werbeagenturen sowie Unternehmen besteht oft eine erhebliche Distanz (HEDGES/FORD-HUTCHINSON/STEWART-HUNTER 1997, S. 23, PLUMMER 2001). In der Marketingpraxis wird vielfach der für ein umfassendes Verstehen
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des Konsumenten notwendige Aufwand gescheut. Stattdessen erfolgt eine subjektive Einschätzung der Konsumenten. Nutzenerwartungen und Markenerfahrungen der Konsumenten unterscheiden sich jedoch oft deutlich von denen, die aus Sicht der Markenmanager und Werbeleute bestehen (FOURNIER 1998, S. 367, APG 2003, S. 5). Die über das Konsumentenverhalten getroffenen Annahmen und damit auch die Werbebotschaft gehen häufig an der Realität vorbei und verpuffen wirkungslos. Erst eine erfolgreiche Verknüpfung der seelischen Strukturen der Konsumenten mit der Markenbotschaft schafft eine sinnvolle Aufladung von Produkten und Marken mit emotionalem Nutzen. Der Consumer Insight kann hier wertvolle Hilfestellung geben. Als erleuchtender Gedanke darüber, was Menschen in Zusammenhang mit Marken bewegt (siehe oben 3.1.1) ist der Consumer Insight Schlüssel zur Relevanz von Marken- und Werbebotschaften. Er dient als Basis für die Kommunikationsentwicklung, indem er die Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse der Menschen aufdeckt und es ermöglicht, sie durch Kommunikation wirkungsvoll zu adressieren. Der Consumer Insight wird zum „Schlüssel für den Eintritt der Werbebotschaft in das Konsumentendenken“ (PAUL 2002, S. 411). Der Consumer Insight bietet den Ansatzpunkt für eine Differenzierungsstrategie durch bessere Kundenbeziehungen, die den Konsumenten in den Mittelpunkt stellt und durch die Schaffung einer engen Beziehung zum Konsumenten Wettbewerbsvorteile schaffen soll (vgl. dazu HOMBURG/KROHMER 2003, S. 413 ff.). Er hilft bei der Formulierung eines Alleinstellungsmerkmales (vgl. auch die Abgrenzung zum USP in Abschnitt 3.2.5). Das letztendliche Ziel ist Markenwachstum (RENKEMA/ZWIKKER 2003). Die Bedeutung des Consumer Insight unterstreicht auch das folgende Zitat von Bill BERNBACH, Gründer der Werbeagentur DDB: „At the heart of an effective creative philosophy is the belief that nothing is so powerful as an insight into human nature, what compulsions drive a man, what instincts dominate his action, even though his language often camouflages what really motivates him. For if you know these things about (a) man you can touch him at the core of his being.“ (BERNBACH 1980, zitiert in STEEL 1998, S. XIII). Die zentrale Rolle von „Insight“ (im Sinne von Verständnis, Einsicht oder Einblick) für die Marketingkommunikation sowie die Bedeutung von Emotionen wurden schon von Ernest DICHTER (1964, S. 434) betont, der Insight als „probably one of the major factors in persuasion“ ansieht. Die Orientierung am Consumer Insight erhöht die Relevanz der Werbebotschaft. Entsprechend den obigen Ausführungen wird bei Übereinstimmung der Werbebotschaften mit der
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tatsächlichen Kaufmotivation bzw. persönlichen Relevanz für den Rezipienten die höchste Werbewirkung erzielt. Dies untermauern auch die einleitend in Abschnitt 2.3 aufgeführten Beispiele. Consumer Insight spielt somit eine zentrale Rolle für die Entwicklung effektiver Kommunikation (vgl. auch PAUL 2002, S. 409). Folgende These lässt sich ableiten: Die Orientierung am Consumer Insight erhöht die Effektivität der Marketingkommunikation. Die Effektivität der Kommunikation hängt selbstverständlich nicht alleine mit der Orientierung am Consumer Insight, sondern mit einer Reihe weiterer Einflussfaktoren zusammen. Hierzu gehören die Präsenz, Visibilität und Durchsetzungskraft der Werbung, die unter anderem vom zur Verfügung stehenden Werbebudget abhängen. Allerdings kann auch bei kleinem Budget eine erhöhte Durchsetzungskraft über die Kreativität der Werbung erreicht werden. Eine Reihe von Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Kreativität und Effektivität der Werbung lässt annehmen, dass die Kreativität einen bedeutenden Einfluss auf die Effektivität der Kommunikation hat (vgl. z.B. TROMMSDORFF/BECKER 2001, AEBI 2001, 2003, S. 260 ff., TROMMSDORFF 2003, S. 85 ff.; zur Übersicht siehe BECKER 2006). Weitere Erfolgsfaktoren sind Konsistenz und Kontinuität der Werbebotschaften (vgl. auch LACHMANN 2002, S. 119 ff., ROBERTSON 2004, S. 99).
3.2.
Begriffsklärung „Consumer Insight“
Im Folgenden soll es zunächst darum gehen, die „mythische Kreatur“ Consumer Insight in begrifflicher Hinsicht „einzufangen“. Zur Begriffsklärung wird ein semantisches Vorgehen gewählt, d.h. es erfolgt ausschließlich eine Betrachtung auf Wortebene. Dabei wird sekundäranalytisch unter Ausnutzung der relevanten und verfügbaren Literatur vorgegangen.
3.2.1.
Grundüberlegungen
Der Begriff „Consumer Insight“ wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Wie bereits erwähnt herrscht weitgehende Uneinigkeit darüber, was Consumer Insight eigentlich ist. Der Begriff wird als weich und intangibel empfunden (GORDON 2002). Bislang existiert keine einheitliche Definition. Stattdessen formuliert nahezu jeder Autor, der etwas zum Thema Consumer Insight veröffentlicht, eine eigene Definition (vgl. FORTINICAMPBELL 2001, S. 77, GORDON 2002, PINCOTT 2005, PAUL 2002, S. 410 ff., RENKEMA/ZWIKKER 2003, SEN 2003, S. 124, SHARMA 2004, STONE/BOND/FOSS 2004, S. 1, WILLS/WILLIAMS 2004, LEROY-SHARMAN/WEST 2004, o.V. 2003c, S. 16). Die
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vielfältigen Definitionsversuche liegen im Kern zumeist nahe beieinander, unterscheiden sich jedoch in wichtigen Details. Diese Vielfalt hängt auch damit zusammen, dass der Begriff von der Wissenschaft bislang vernachlässigt wurde. Eine umfassende Systematisierung und Konzeptualisierung steht noch aus. Als Grundlage für die folgenden Überlegungen sowie die weitere Beschäftigung mit dem Thema Consumer Insight in Wissenschaft und Praxis wird zunächst eine erste Begriffsklärung vorgenommen. Ziel ist die Erarbeitung einer Nominaldefinition, d.h. einer Verständigungsregel, nicht jedoch einer Wesens- bzw. Realdefinition. Nach TROMMSDORFF ist die Nominaldefinition „die in einer empirisch fundierten Theorie einzig sinnvolle Art Definition“ (2004b, S. 484). Dabei geht es nicht um die Entwicklung einer vollkommen neuen Definition. Da die vorhandenen Definitionen bestimmte Schwerpunkte setzen, erfolgt hier eine zusammenfassende Definition. Zunächst werden jedoch in den folgenden Abschnitten die grundlegenden Merkmale des Consumer Insight herausgearbeitet (zusammenfassend siehe 3.2.3.7). Der englische Begriff „Insight“ gehört schon seit Jahrzehnten zum Sprachgebrauch in der Marktforschungspraxis (DICHTER 1964, FENNELL 1975). Er lässt sich mit „Verständnis“, „Einsicht“ oder „Einblick“ übersetzen. „Einsicht“ wird wiederum als „Erkenntnis, aufgrund von Überlegungen gewonnenes Verständnis für oder Verstehen von etwas“ (DUDEN 2002) verstanden. „Einblick“ beinhaltet den „Zugang zu einigen typischen Fakten eines größeren Zusammenhangs und dadurch vermittelte Erkenntnis, Einsicht“ (ebd.). Der „Insight“-Begriff wird nicht nur in Verbindung mit dem Konsumenten, sondern auch in anderen Zusammenhängen gebraucht – Beispiele sind Market Insight (LEROY-SHARMAN/WEST 2004), Marketing Insight und Brand Insight (siehe Abschnitt 3.2.5.3). Consumer Insight lässt sich demnach also als „Einsicht bzw. Einblick in den Konsumenten“ bzw. „Erkenntnisse über den Konsumenten“ interpretieren. Entsprechend den Ausführungen unter 3.1.1 ist anzunehmen, dass der Consumer Insight-Begriff in der Marktforschungspraxis in genau dieser Bedeutung verwendet wird. Diese Sichtweise des Begriffes ist allerdings noch sehr unspezifisch. Generelle Erkenntnisse über den Konsumenten werden hier allerdings nicht als Consumer Insights aufgefasst (vgl. auch DRU 2002, S. 245 ff.). Der Insight-Begriff lässt sich mit Blick auf englischsprachige Lexika und Bedeutungswörterbücher noch weiter spezifizieren. Demnach bedeutet Insight „1. The capacity to discern the true nature of a situation; penetration, 2. The act or outcome of grasping the inward nature of things or of perceiving in an intuitive manner.“ (AMERICAN HERITAGE DICTIONARIES 1993, S. 703)
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„1. The power or act of seeing into a situation or into oneself, 2. The act or fact of apprehending the inner nature of things or of seeing intuitively; clear and immediate understanding“ (MERRIAM-WEBSTER 1976, S. 1169). „1. the ability to perceive clearly or deeply, penetration, 2. a penetrating and often sudden understanding as of a complex situation or problem, 3. the capacity for understanding one’s own or another’s mental processes, 4. the immediate understanding of the significance of an event or action.“ (MAKINS 1994, S. 800). In Zusammenhang mit dem Konsumentenverhalten finden sich diese Merkmale schon in der „Insight“-Definition von DICHTER (1964) wieder. Danach handelt es sich bei einem Insight um „a sudden understanding with an almost audible ‚click’, accompanied by an actual or intended expression of ‚aha’“ (ebd., S. 433). DICHTER zufolge tritt dieses Phänomen häufig in angewandter Psychotherapie auf, z.B. in Form eines plötzlichen Verstehens der „wahren“ Motive, die dem Handeln einer Person zugrunde liegen. Hierbei kann es sich um emotionale und gedankliche Sachverhalte handeln, die sich größtenteils auf unterbewusster Ebene befinden (vgl. dazu Abschnitt 3.3). Auf Basis dieser Definitionen lassen sich vorerst folgende Erkenntnisse über den Consumer Insight zusammenfassen:
Ein Insight ist mit der Fähigkeit oder Kapazität verbunden, tiefe Einblicke in etwas zu erhalten und die wahre Natur komplexer Zusammenhänge zu begreifen. Falls erforderlich, sind verborgene Informationen in der Tiefe zu suchen.
Es handelt sich dabei um einen erleuchtenden Einblick, der häufig plötzlich auftritt (Aha-Erlebnis). Ein Insight ist das Ergebnis von mentalen Prozessen.
Die Bedeutsamkeit dieser Einsicht wird sofort verstanden.
Es geht um das Verstehen von eigenen oder fremden mentalen Prozessen.
Der Consumer Insight ist also keineswegs mit generellen Einblicken in das Konsumentenverhalten oder dem allgemeinen Wissen über den Konsumenten gleichzusetzen, sondern bezeichnet ein wesentlich spezifischeres Phänomen. Er beinhaltet keine Beschreibung von (beobachtbaren) Merkmalen der Konsumenten wie Kaufverhalten, Soziodemographie oder Ähnlichem. Der Consumer Insight bezieht sich vielmehr auf die inneren Zustände des Konsumenten. Es geht um das Aufdecken der seelischen Strukturen, der psychologischen Antriebskräfte im Sinne eines erleuchtenden Einblicks. Er betrifft damit die berühmte „Black Box“ des Kon-
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sumentenverhaltens (HELLMANN 2003, S. 141). Im Grunde handelt es sich also um eine erleuchtende Einsicht in die „Black Box“ Konsument. Der Consumer Insight beinhaltet einen Gedanken, der Licht auf die wahren Beweggründe des Konsumentenverhaltens wirft. Die vorläufige, im Weiteren zu konkretisierende „Arbeitsdefinition“ lautet demnach: Consumer Insight bezeichnet eine erleuchtende Einsicht in die wahren Beweggründe der Zielgruppe (d.h. in die „Black Box“ Konsument) in Zusammenhang mit einer spezifischen Produkt- oder Markensituation.
3.2.2.
Historie des Begriffes „Consumer Insight“
Die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommene Literaturanalyse sowie Internetrecherchen haben ergeben, dass der genaue Ursprung des erweiterten Begriffes „Consumer Insight“ im Dunkeln liegt. Es lassen sich lediglich Mutmaßungen dazu anstellen. Möglicherweise stammt der Begriff aus den 1960er Jahren, als die qualitative Marktforschung „entdeckt“ wurde bzw. ihren vorläufigen Höhepunkt hatte und eine intensive Beschäftigung mit den Motiven, Einstellungen und Wünschen der Konsumenten begann (VALENTINE/ GORDON 2000). Als einer der geistigen Väter des Consumer Insight kann sicherlich DICHTER bezeichnet werden, der zwar nur von „Insight“ spricht, in seiner Definition dieses Begriffes jedoch schon einige der wesentlichen Merkmale des Consumer Insight nennt (BARTOS 1977). DICHTER die Aufmerksamkeit von der Produzentenperspektive auf den Konsumenten und richtete den Blick auf das Unterbewusste und hat sich damit um die Werbeforschung verdient gemacht (STERN 2004). Er gilt als Vater der Motivforschung, die sich mit den unterbewussten Antriebskräften des Konsumverhaltens befasst (STERN 2004, S. 165, KÜHN 2005a, S. 13 sowie Abschnitt 3.3.3). Für die Erforschung der emotionalen Konsumentenreaktionen auf Produkte und Marken adaptierte er FREUDs psychoanalytische Konzepte und führte Techniken wie qualitative Tiefeninterviews ein. Zudem prägte DICHTER einen spezifischen Stil, Marktforschungsergebnisse zu präsentieren – in Form von Werbeslogans (BARTOS 1977). Diese Art wird noch heute in manchen Werbeagenturen dazu genutzt, den Consumer Insight bzw. die daraus abgeleitete Kernbotschaft zu präsentieren. DICHTERs Gedanken und Ideen gerieten insbesondere in akademischen Kreisen vielfach in Vergessenheit (STERN 2004, ZIEMS 2004) und erfahren aktuell im Zuge der Beschäftigung mit Consumer Insight ihre Wiederentdeckung. Während DICHTER noch von „Insight“ sprach, ist der spezifischere Begriff des „Consumer Insight“ insbesondere mit der wachsenden Bedeutung der strategischen Planung („Account
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Planning“, siehe dazu z.B. APG 2001b) in den Werbeagenturen in Verbindung zu bringen. Im Folgenden soll für die strategische Planung die in der Werbepraxis übliche Kurzform „Planning“ verwendet werden. Das Planning wurde Ende der 1960er Jahre in England aus der Taufe gehoben mit dem Ziel, Marktforschungsinformationen und damit den Konsumenten stärker in die Kommunikationsentwicklung einzubinden (RAINEY 1997, S. 3 f., FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 163 ff., HACKLEY 2003). Vorher hatte die Objektivität unter der funktionalen Trennung zwischen Marktforschung und Kundenberatung gelitten. Die Kundenberater trafen die Entscheidungen, hatten jedoch in erster Linie den Kunden zufrieden zu stellen, wodurch die Konsumentenperspektive vernachlässigt wurde. In den USA fand Planning in den frühen 1980er Jahren Eingang in den Agenturalltag, in Deutschland erst gegen Ende der 1980er Jahre. Inzwischen ist die Planning-Funktion fester Bestandteil der Struktur vieler Werbeagenturen und verfügt mit der apgd (Account Planning Group Deutschland) inzwischen über eine Interessensvertretung nach dem Vorbild der britischen APG. Aktuell beginnen auch erste Unternehmen, Planning zu implementieren, um die Konsumentensicht stärker in die internen Prozesse zu integrieren. Arbeitsabläufe und Methodenrepertoire des Planning wurden seit dessen Etablierung zunehmend verfeinert. Es ist anzunehmen, dass im Zuge dessen basierend auf dem „Insight“Begriff der Begriff „Consumer Insight“ geprägt wurde. Die erstmalige systematische Verwendung nimmt die Werbepraktikerin Lisa FORTINI-CAMPBELL (2005) aus den USA für sich in Anspruch, die im Jahre 1992 eine erste umfassendere Praxisabhandlung über Consumer Insight veröffentlichte. Ihrer Ansicht nach wurde „Consumer Insight“ in der USamerikanischen Werbepraxis bereits in den 1980er Jahren und auch davor schon verwendet, allerdings eher umgangssprachlich und unsystematisch. Mitte der 1980er Jahre benannte FORTINI-CAMPBELL die Marktforschungsabteilung der Werbeagentur Y&R Chicago in „Consumer Insight“ um, um zu verdeutlichen, dass die Mission der Abteilung darin bestand, die Konsumentenmotivationen zu verstehen und damit den kreativen Entwicklungsprozess zu inspirieren. Die Urheberschaft für „Consumer Insight“ nahm allerdings auch ein lokaler Unternehmensberater für sich in Anspruch, der die Agentur auf Verletzung der Urheberrechte verklagte. Da der Prozess nicht zu Ende geführt wurde, nutzte Y&R den Begriff „Consumer Insight“ weiter, wodurch er allmählich in den allgemeinen Sprachgebrauch überging.
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3.2.3.
Merkmale des Consumer Insight
Aus der Fülle der existierenden Definitionsansätze sowie der Herleitung des Insight-Begriffes in Abschnitt 3.2.1 lassen sich trotz gewisser Unterschiede und teilweise unterschiedlicher Betonungen bestimmte Gemeinsamkeiten herausfiltern, die zur Beschreibung und Charakterisierung des Consumer Insight herangezogen werden können. Sie werden im Folgenden als konstituierende Merkmale des Consumer Insight aufgefasst. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Ansicht vertreten, dass es sich im Zusammenhang mit Erkenntnissen über den Konsumenten immer dann um einen Consumer Insight handelt, wenn alle diese Merkmale erfüllt sind. Insofern ist es auch überflüssig, von einem „wahren“, „echten“ oder „guten“ Consumer Insight zu sprechen (wie z.B. bei DRU 2002, S. 247, PAUL 2002, S. 409 ff.). Es lassen sich sechs konstituierende Merkmale des Consumer Insight identifizieren, die allerdings nicht völlig überschneidungsfrei sind. Merkmale, die zur Charakterisierung eines Sachverhalts herangezogen werden, sollten möglichst wertfrei und von Bewertungen einzelner Personen unabhängig sein, d.h. intersubjektiv nachprüfbar. Dies mag nicht bei jedem Merkmal auf Anhieb einsichtig sein, wird jedoch im Rahmen der Ausführungen hergeleitet. Die sechs Merkmale werden im Folgenden näher erläutert. Im Einzelnen handelt es sich um:
Kombination von Sachverhalten
Situationsbezogenheit
Neuartigkeit
Anwendungsorientiertheit
Wissensbasiertheit
Psychologische Wahrheit
3.2.3.1. Kombination von Sachverhalten Bei Consumer Insights handelt es sich um „unique combinations of information that give meaning to the marketplace“ (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 77). Ein Consumer Insight stellt dementsprechend eine spezifische Kombination von Sachverhalten dar. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus der Menge des Wissens über den Konsumenten bzw. eine Kombination von Elementen daraus. Diese Sachverhalte sind sehr vielfältig und
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noch genauer zu spezifizieren (siehe Abschnitt 3.3). Nach BÖHMER/MELCHERS (1986, zitiert in PAUL 2002, S. 410) handelt es sich um „in der Person vorkommende (seelische) Strukturen, an die sich eine Werbebotschaft anknüpfen lässt“. Der Auffassung des Consumer Insight als seelische Strukturen betreffend wird hier gefolgt. Der Begriff der „seelischen Strukturen“ stammt aus der Psychologie. Die seelischen Strukturen hinter dem Erleben und Verhalten des Menschen sind hochkomplex. In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, beim Consumer Insight handele es sich um spezifische Motive, Motivbündel oder Produktmotivkonstellationen (vgl. PAUL 2002, S. 415, TROMMSDORFF 2004a, S. 135), wie auch im folgenden Zitat zum Ausdruck kommt: „...a penetrating discovery about consumer motivations... Consumer Insight is derived from a thorough understanding of what motivates consumers in their purchase decision process.“ (RENKEMA/ZWIKKER 2003, o.S.). Dieser Auffassung wird im Rahmen dieser Arbeit nicht gefolgt, da sie einseitig auf die Motive als Antriebskräfte des Konsumentenverhaltens abstellt. Motive sind zwar zentral für den Consumer Insight, da Nutzen entsprechend der Definition in Abschnitt 3.1.2.2 als wahrgenommene Motivbefriedigung aufgefasst werden kann. Die Motive sollten allerdings nicht isoliert betrachtet werden, da sie das Konsumentenverhalten in enger Verknüpfung mit weiteren Zustandskonstrukten beeinflussen. Bei derartigen theoretischen Konstrukten handelt es sich um nicht direkt beobachtbare, aber für allgemeine Erklärungen unabdingbare Sachverhalte (TROMMSDORFF 2004a, S. 32), zu denen eben auch die seelischen Strukturen zählen. Während die Prozesskonstrukte in erster Linie Informationserwerb und -verarbeitung betreffen, interessieren die Zustandskonstrukte als statische Erklärungsgrößen und umfassen neben den Motiven Involvement, Emotionen, Wissen, Einstellungen/Images, Werte sowie Lebensstile/Persönlichkeit der Konsumenten (TROMMSDORFF 2004a; vgl. dazu Abschnitt 3.3). Die Zustandskonstrukte stehen in enger Wechselwirkung miteinander. So sind insbesondere Emotionen, Motive und Einstellungen des Individuums, die als menschliche Antriebskräfte verstanden werden können, eng miteinander verknüpft (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 53 ff., HOMBURG/KROHMER 2003, S. 34 ff.). HÄUSEL (2005) spricht in diesem Zusammenhang vom Emotions-, Motiv- und Wertegefüge des Konsumenten. Auch Emotionen, Motive und Werte hängen eng zusammen, weshalb sie in der Literatur häufig vermischt werden (vgl. z.B. CHAUDHURI/BUCK 1995). Der Begriff „Emotions-, Motiv- und Wertegefü-
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ge“ wird im Rahmen dieser Arbeit aufgegriffen, obwohl die Einstellungen als wichtige Verhaltensdeterminante fehlen. Er fasst die zentralen Verhaltensantriebe zusammen und spezifiziert gleichzeitig das Consumer Insight-Merkmal „Kombination von Sachverhalten“ näher, ohne zu komplex zu werden. Das Emotions-, Motiv- und Wertegefüge wirkt mit den Einstellungen sowie dem vorhandenen Wissen der Konsumenten zusammen. Die Zustandskonstrukte sind häufig auf unbewusster Ebene vorhanden und müssen erst an die Oberfläche geholt werden. Obwohl es sich beim Consumer Insight um ein komplexes Gebilde handelt, dessen einzelne Elemente kaum voneinander getrennt werden können, wird im Rahmen dieser Arbeit für eine differenziertere Betrachtungsweise plädiert. In Abschnitt 3.3 erfolgt eine genaue Abgrenzung und nähere Betrachtung der für den Consumer Insight relevanten Konstrukte. Um zu verdeutlichen, dass es sich bei einem Consumer Insight nicht um singuläre Motive, sondern um Kombinationen von Sachverhalten handelt, lässt sich das WEEDOL-Beispiel heranziehen. Der Consumer Insight bezieht sich nicht auf die unmittelbaren Motive, die zur Verwendung von Unkrautvernichtungsmitteln generell führen (z.B. demonstrieren, dass man ein guter Gärtner ist), sondern auf die Gefühlserlebnisse, die mit der Produktverwendung verbunden sind und als Begleiterscheinungen der ursprünglichen Kaufmotivation angesehen werden können. Mit dem Unkrautvernichten sind angenehme Gefühle (Spaß am Unkrautvernichten) verbunden. Hierbei handelt es sich um ein „verborgenes“ Emotions-Motiv-Gefüge, das erst zu Tage gefördert werden musste. Im Grunde handelt es sich um ein sozial nicht akzeptiertes Emotions-Motiv-Gefüge („Freude am Töten“), das durch die Kampagne soziale Akzeptanz erhält. Diese Gefühlserlebnisse werden mit der Marke WEEDOL verknüpft, sorgen für eine klare Markenprofilierung und -differenzierung und schaffen eine Bindung zwischen Marke und Konsumenten. An dieser Stelle ist Folgendes festzuhalten: Ein Consumer Insight beinhaltet eine spezifische Kombination von Sachverhalten (Emotions-, Motiv- und Wertegefüge des Konsumenten, das durch Einstellungen und Wissen beeinflusst wird).
3.2.3.2. Situationsbezogenheit Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die Zielgruppen-Relevanz von Werbebotschaften auf einen bestimmten Zusammenhang bezieht, also situations- oder kontextabhängig ist. Zudem ist das spezifische, relevante Emotions-, Motiv- und Wertegefüge des Konsumenten stark situationsabhängig (MATTENKLOTT 2002, S. 555). Entsprechend ist ein Consumer Insight konkret, situations- bzw. kontextgebunden und spezifisch (PAUL 2002, S. 412).
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Für den Consumer Insight lassen sich verschiedene Ansatzpunkte identifizieren. Das spezifische Emotions-, Motiv- und Wertegefüge kann sich auf die Produktkategorie, das Produkt, die Marke oder auch Mischungen daraus beziehen. So handelt es sich z.B. bei WEEDOL um einen auf die Kategorie „Unkrautvernichtungsmittel“ bezogenen Consumer Insight. Da der Consumer Insight die Konsumentenperspektive widerspiegelt, bezieht er sich zudem auf eine bestimmte Gruppe von Konsumenten, die in sich nach bestimmten Kriterien homogen und zu anderen Gruppen heterogen ist (spezifisches Zielgruppensegment). Adressiert eine Marke verschiedene Zielgruppensegmente, so ergeben sich möglicherweise mehrere Consumer Insights und dementsprechend unterschiedliche Werbebotschaften. Verändern sich bestimmte Parameter, so wird sich auch der Consumer Insight verändern. Es ist also Folgendes festzuhalten: Der Consumer Insight wird für die spezifische Situation erarbeitet. Er gilt für eine ganz bestimmte Konstellation „Konsument – Produktkategorie/Produkt/Marke“.
3.2.3.3. Neuartigkeit „Neuartig“ bedeutet „von neuer Art, noch nicht üblich, ungewohnt“ (DUDEN 2002). Eine Gegebenheit weicht von der vertrauten Erscheinung ab (BERLYNE 1974, S. 39). In Hinblick auf den Consumer Insight wird immer wieder die Neuartigkeit der Erkenntnis betont, die ihn von „herkömmlichen“ Erkenntnissen über den Konsumenten unterscheidet: „...insight is mostly about looking at a market from all angles and in a fresh and innovative way“ (LEROY-SHARMAN/WEST 2004, o.S.). „Der Insight bringt eine neue Qualität, einen neuen Weg, die Dinge zu betrachten“ (PAUL 2002, S. 417). „Insight connects different sets of associations that lead to a thought or solution that was not apparent before.“ (GORDON 2002, o.S.). Demzufolge handelt es sich beim Consumer Insight um eine neuartige Kombination von Sachverhalten. Er beinhaltet eine neue Perspektive auf den Konsumenten (RENKEMA/ ZWIKKER 2003) und lässt das Konsumentenverhalten in einem für die betreffende Kategorie neuen Licht erscheinen. Ein Consumer Insight gibt dem Markt (bzw. dem Produkt oder der Marke) eine neue Bedeutung (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 77). Consumer Insight lässt sich somit als kreatives Produkt (vgl. dazu PETRI 1992, S. 84 ff.) auffassen. Kreative Produkte sind anders als das Gewohnte, überraschend und bieten einen Nutzen, den auch andere
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Consumer Insight
erkennen bzw. anerkennen (NOACK 2005, S. 9). Consumer Insight hängt also eng mit Kreativität zusammen. Ähnlich wie dem Consumer Insight haftet auch dem Begriff der Kreativität eine mystische Aura an. Auch hierzu existieren zahlreiche Erklärungsversuche und Definitionen (vgl. z.B. SCHLICKSUPP 1985, S. 20 sowie die Übersicht bei BECKER 2006, S. 17 ff.). Kreativität wird im Rahmen dieser Arbeit aufgefasst als Fähigkeit, neue Ideen, Lösungen und Verbindungen zu finden und bereits Vorhandenes auf eine neue Weise zu verwenden oder miteinander zu kombinieren (NOACK 2005, S. 9). Bei der Suche nach Consumer Insight geht es also um das Erkennen bislang nicht entdeckter Zusammenhänge und Kombinationen (PINCOTT 2005). Die Erkenntnisse über den Konsumenten werden durch einen kreativen Akt auf eine höhere Stufe gebracht. Die neue Erkenntnis über den Konsumenten ist bislang im jeweiligen Markt unbesetzt und in dieser Form noch nicht aufgegriffen worden – entweder weil sie tatsächlich unentdeckt geblieben ist, schlicht vergessen, übersehen oder für irrelevant gehalten wurde. Es lassen sich dementsprechend unterschiedliche Grade der Neuartigkeit unterscheiden. BERLYNE (1974, S. 39) differenziert in Zusammenhang mit dem menschlichen Neugierverhalten zwischen absoluter Neuartigkeit (eine Reizeigenschaft ist noch nie erfahren worden) und relativer Neuartigkeit (z.B. sind nur die Elemente anders kombiniert als bisher oder es sind zumindest Teile einer Reizsituation bekannt). Diese Unterscheidung passt auf die hier behandelte Fragestellung: So kann in Zusammenhang mit dem Consumer Insight von einer absoluten Neuartigkeit gesprochen werden, wenn es sich um eine komplett neue Erkenntnis handelt, die so noch nie gehört bzw. erfahren wurde. Am Beispiel WEEDOL wird deutlich, dass die Neuartigkeit z.B. darin bestehen kann, ein bislang unbekanntes Emotions- und Motivgefüge in Zusammenhang mit der Produktverwendung aufzudecken. Ein Consumer Insight ist als relative Neuartigkeit zu bezeichnen, wenn aus anderen Bereichen oder Kategorien bekannte Sachverhalte neu kombiniert werden oder wenn eine bereits bekannte Erkenntnis (z.B. ein schon für die Kommunikation genutzter Consumer Insight) verfeinert wird. Häufig wird es sich beim Consumer Insight eher um Verfeinerungen bereits bekannter Sachverhalte in Zusammenhang mit Kategorie, Produkt oder Marke handeln. Zum Finden von Consumer Insight werden neue Antworten benötigt. Neue Antworten verlangen dem Bearbeiter immer eine originäre, schöpferische Leistungsfähigkeit ab (SCHLICKSUPP 1985, S. 19). Um neue Perspektiven zu gewinnen gilt es, neue Fragen zu stellen (RAINEY 1997, S. 13). Dazu ist es erforderlich, außerhalb des Gewohnten zu denken.
Consumer Insight
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Das kreative Denken lässt sich durch folgende Merkmale beschreiben (SCHLICKSUPP 1985, S. 25), die auch die Suche nach Consumer Insight kennzeichnen:
Ungewissheit, ob das Ziel erreicht werden kann,
das bisherige Wissen passt nur ungefähr auf die Situation,
es sind viele Transformationen des vorhandenen Wissens nötig,
Vergleiche führen zu neuen Anregungen,
alogisch, ungenau und verwirrend,
Irrtümer, Fehler und notwendige Lernprozesse führen zu neuen Erfahrungen.
Als ein weiteres Merkmal kreativer Prozesse gilt ein Moment der „Erleuchtung“ oder „Illumination“ (WALLAS 1926). In diesem erkennt die kreative Person, dass sie eine neuartige Kombination von Sachverhalten entdeckt hat. Von einem solchen Aha-Erlebnis wird auch im Zusammenhang mit der Consumer Insight-Findung berichtet (BUTTERFIELD 1997, S. 45, SHERRINGTON 2003, S. 48 ff., PINCOTT 2005). Er gilt als Indikator dafür, einen Consumer Insight gefunden zu haben (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 135). Kreativität wird in der existierenden Literatur i.d.R. lediglich in Zusammenhang mit der kreativen Gestaltung diskutiert. In Zusammenhang mit der Entwicklung der Kommunikationsstrategie, innerhalb derer die Suche nach Consumer Insight erfolgt, wird sie bislang vernachlässigt. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Bedeutung eines kreativen Prozesses für die Strategieentwicklung ausdrücklich hervorgehoben (vgl. auch BEHRENS 1996, S. 142). Bereits DICHTER (im Interview mit BARTOS 1977, S. 4) betont, dass Kreativität Voraussetzung dafür ist, Insight zu gewinnen. Im Rahmen dieser Arbeit wird demzufolge gefordert, den Prozess der Consumer Insight-Findung als kreativen Prozess zu verstehen (vgl. Abschnitt 3.4). Dies unterstreichen auch die folgenden Zitate: „...a form of cognitive change that involves recognition of previously unseen relationships“ (PINCOTT 2005, o.S.), „...a level of thinking ... that looks into specific, profound truths about people, categories, products, businesses, brands, or all of these, in a fresh and stimulating way“ (DRU 2002, S. 247). Die Fähigkeit dazu, einen Moment der Erleuchtung zu erlangen, wird gemeinhin als Intuition bezeichnet. Sie zählt zu den Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung (siehe ausführli-
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cher Punkt 3.4.2.1). Intuition bezeichnet das spontane, aber geistig motivierte Erfassen, Erkennen von Sachverhalten oder der Richtigkeit von Entscheidungen (DUDEN 2002). Consumer Insight zu finden ist eine Sache der Intuition: „...an understanding that is clear, sudden, and intuitive“ (PINCOTT 2005, o.S.), „Insights are seldom arrived at objectively“ (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 55). Aus diesem Grund wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit gezielt von „Consumer InsightFindung“ gesprochen, nicht von „Consumer Insight-Generierung“, da Letztere impliziert, dass sich Consumer Insights systematisch herleiten lassen. Die Suche nach Consumer Insight führt jedoch nicht immer zum Erfolg. Ein Consumer Insight kann nicht „gemacht“, sondern muss wie eine Art Goldader entdeckt werden (PAUL 2002, S. 416). Zusammenfassend lassen sich nun folgende Aussagen zum Merkmal „Neuartigkeit“ ableiten: Der Consumer Insight beinhaltet eine neue Perspektive auf den Konsumenten (Differenzierungsstrategie). Die Neuartigkeit kann darin bestehen, dass
ein bislang unbekanntes Emotions-, Motiv- und Wertegefüge in Zusammenhang mit Kategorie, Produkt oder Marke entdeckt wird,
bislang noch nicht in der Werbung genutzte Sachverhalte aufgegriffen oder
bereits bekannte Aspekte in Zusammenhang mit Marke, Produkt, Kategorie verfeinert bzw. neu aufgeladen werden.
3.2.3.4. Wissensbasiertheit Eine Wissensbasis ist Voraussetzung dafür, dass die kognitiven Fähigkeiten bei inhaltlich anspruchsvollen Problemen lösungswirksam zu werden (WEINERT 1999, S. 274). Ein wesentliches Merkmal kreativer Prozesse und damit der Consumer Insight-Findung besteht in der Reorganisation bereits bekannter Wissenselemente. Einzelne Sachverhalte des Wissens über den Konsumenten werden miteinander in Beziehung gesetzt und neu kombiniert. Der Consumer Insight ist ein spezifischer Ausschnitt aus der Menge des Wissens über den Konsumenten. Kreative Prozesse beginnen in der Regel mit der Sammlung sämtlicher verfügbarer Informationen (NOACK 2005, S. 33), wobei Informationen entscheidungsrelevantes Wissen bezeichnen (HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 75). Das verfügbare Wissen über den Konsumenten ist die Grundlage und damit einer der zentralen Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung. Es wird als eine Art Sprungbrett für den kreativen Sprung zum Consumer In-
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sight genutzt. In diesem Zusammenhang wird auch von „Informed Imagination“ (TASGAL 2004, o.S.) oder „Informed Intuition“ (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 139) gesprochen. In Bezug auf das Wissen über den Konsumenten ist auch von „Kundenkenntnis“ (SILBERER 2004) die Rede. Das Wissen über den Konsumenten soll im Folgenden in Anlehnung an die Formulierung von SILBERER (ebd.) kürzer als Konsumentenkenntnis bezeichnet werden. Der Begriff „Kenntnis“ wird bewusst gewählt, um das Wissen, das beim Werbetreibenden verankert ist, vom beim Konsumenten verankerten Wissen, z.B. dem Markenwissen, zu differenzieren. Letzteres betrifft die Vorstellungen und Kenntnisse der Konsumenten bezüglich einer Marke (ESCH 2003, S. 63 ff.). Die Konsumentenkenntnis ist klar vom Consumer Insight zu differenzieren (SEN 2003, S. 124). Die Begriffe werden teilweise gleichgesetzt (z.B. bei PAUL 2002, SHARMA 2004). Konsumentenkenntnis zu haben, bedeutet jedoch noch nicht, über Consumer Insight zu verfügen. Häufig werden zwar eine Menge Informationen über die Konsumenten generiert, jedoch nur selten Consumer Insight (FORTINI-CAMPBELL 2001). Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ein Consumer Insight entsteht auf der Basis von Wissen über den Konsumenten – erst die Wissensbasis ermöglicht einen kreativen Sprung.
3.2.3.5. Anwendungsorientiertheit Der Consumer Insight dient als Basis für die Kommunikationsentwicklung. Consumer Insight wird gesucht mit dem Ziel „to inform the creative work“ (APG 2003, o.V. 2003c, S. 16). Eine Erkenntnis ist nur dann von Wert, wenn aus ihr etwas gemacht bzw. auf ihrer Basis gearbeitet werden kann. Dies entspricht der Forderung, dass nur dann von einem kreativen Produkt gesprochen werden kann, wenn es einen Nutzen bietet, den auch andere erkennen bzw. anerkennen (NOACK 2005, S. 9). Letzten Endes geht es darum, auf Basis von Consumer Insight Kommunikation zu entwickeln, die den Konsumenten wirkungsvoll adressiert. Dem Consumer Insight wohnt damit per se eine „Idea of Action“ (PINCOTT 2005, o.S.) inne, wie auch in den folgenden Definitionen von Consumer Insight zum Ausdruck kommt: „...eine erleuchtende Perspektive über ein Verhalten oder einen Glauben der Zielgruppe, die man benutzen kann, um ihr die emotionale Überzeugung zu verleihen, dass eine bestimmte Marke ihre Bedürfnisse am Besten erfüllt“ (apgd o.J., o.S.). „...a deep, embedded knowledge about our consumers and our markets that help structure our thinking and decision making“ (STONE/BOND/FOSS 2004, S. 1).
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Das Merkmal „Anwendungsorientiertheit“ enthält eine subjektive Komponente, da sich der Wert eines Consumer Insight bzw. einer Erkenntnis nach den Empfängern (Rezipienten) der Kommunikation richtet. Indem der Consumer Insight die Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse der Menschen aufdeckt, ermöglicht er es, sie durch Kommunikation wirkungsvoll zu adressieren. Ein Consumer Insight löst nicht nur bei seinem Entdecker, sondern auch bei Dritten ein Aha-Erlebnis aus, z.B. bei den mit der kreativen Entwicklung betrauten Agenturmitarbeitern (die im Folgenden wie in der Werbepraxis üblich mit dem Begriff „Kreative“ umschrieben werden). Wenn ein Consumer Insight die Kreativen begeistert, steigt die Chance, dass die darauf basierende Kommunikation auch die Konsumenten begeistert. Die „Begeisterungsfähigkeit“ bzw. das Aha-Erlebnis bei Dritten kann als Indikator dafür dienen, ob es sich bei einer Erkenntnis um einen Consumer Insight handelt (SHERRINGTON 2003, S. 49). Bleibt das Aha-Erlebnis bei den Kreativen aus, muss die demnach bislang erfolglose Consumer Insight-Suche fortgesetzt werden. Möglicherweise werden Erkenntnisse zu Tage gefördert, die zwar hochinteressant sind, jedoch keinen Ansatzpunkt für die Kommunikationsentwicklung bieten und demzufolge keinen Consumer Insight darstellen. Beispielsweise ergab ein Marktforschungsprojekt zum männlichen Rasierverhalten für die Marke GILLETTE, dass Rasieren Kastrationsängste berührt bzw. auslösen kann (VOLKERS 2006b). Diese Erkenntnis ist sicherlich als neuartig zu bezeichnen und betrifft bestimmte Zustandskonstrukte (Ängste als eine Form von Motiven, siehe 3.3.3.2). Ob dies jedoch bereits einen Consumer Insight darstellt, der Verhaltensrelevanz für die Konsumenten besitzt, ist fraglich. Zusammenfassend lassen sich somit folgende Aussagen formulieren: Der Consumer Insight bietet eine Basis für die Kommunikationsentwicklung. Eine Erkenntnis ist nur dann von Wert (und ein Consumer Insight), wenn sie es ermöglicht, überzeugende, verhaltensrelevante Kommunikation zu entwickeln.
3.2.3.6. Psychologische Wahrheit Der Begriff der „Wahrheit“ ist Bestandteil einiger Consumer Insight-Definitionen. Beim Consumer Insight handelt es sich demnach um „eine unentdeckte/vergessene Wahrheit, die eine Verbindung zwischen dem Produkt bzw. der Marke und dem Verbraucher entstehen lässt“ (apgd o.J., o.S.). „A level of thinking ... that looks into specific, profound truths about people, categories, products, businesses, brands, or all of these.“ (DRU 2002, S. 247)
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Wahrheit bezeichnet eine „der Wirklichkeit entsprechende Darstellung, Schilderung“ (DUDEN 2002). Gesagtes und Geschehenes oder Bestehendes stimmen überein. Das Merkmal „Wahrheit“ unterstreicht, dass ein Consumer Insight nicht erfunden wird, sondern bereits in den Konsumenten existiert, allerdings oft auf unbewusster Ebene. Der Stratege, der mit der Suche nach Consumer Insight betraut ist, kann dementsprechend auch als „seeker after truth“ (BUTTERFIELD 1997, S. 46 f.) bezeichnet werden. Der Consumer Insight knüpft an vorhandene seelische Strukturen an. In der auf einem Consumer Insight basierenden Kommunikation erkennt sich der Konsument wieder, hat Situationen so oder ähnlich schon selber erlebt und kann sich damit identifizieren. Weil der Consumer Insight eine Wahrheit betrifft, leuchtet er auch Dritten sofort ein. Ein Consumer Insight scheint (zumindest im Nachhinein) auf der Hand zu liegen. Wahrheit zutage zu fördern stellt hohe Ansprüche an die zum Einsatz kommenden Marktforschungsmethoden (vgl. 3.5.4). Der Punkt „Psychologische Wahrheit“ ist keineswegs selbstverständlich. Es ist zu vermuten, dass nicht jeder als solches bezeichnete „Consumer Insight“ der Wahrheit entspricht, sondern vielmehr den Gegebenheiten entsprechend „erfunden“ wird – sei es aus Bequemlichkeit oder mangelnder Konsumentenperspektive. Entsprechend der bereits an früherer Stelle (Abschnitt 3.1.2.1) geäußerten Annahme, dass viele Unternehmen immer noch mit starkem Produktfokus agieren, ist davon auszugehen, dass gerade Marketingverantwortliche in den Unternehmen dazu neigen, sich zu den jeweiligen Leistungsmerkmalen eines Produktes passende Consumer Insights „zurecht zu basteln“ – im Sinne eines „Insight-Reengineering“. Gleiches wird allerdings auch für die Werbepraxis konstatiert: „Manche Werber basteln sich ohne jegliche forscherische Distanz Consumer Insights, die mit der Realität so viel zu tun haben wie Reality-TV“ (KAMPIK 2004, S. 13). Somit ist Folgendes festzuhalten: Beim Consumer Insight handelt es sich um eine unentdeckte oder vergessene Wahrheit. Der Consumer Insight existiert bereits im Konsumenten, vielfach auf unbewusster Ebene. Deshalb leuchtet ein Consumer Insight auch Dritten sofort ein.
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3.2.3.7. Zusammenfassende Definition Auf Basis der bereits genannten Arbeitsdefinitionen sowie der obigen Ausführungen lässt sich nun eine zusammenfassende Definition entwickeln: Ein Consumer Insight ist eine spezifische, erleuchtende, neuartige Kombination von Erkenntnissen über den Konsumenten – eine Wahrheit, die
seelischen Strukturen des Konsumenten entspricht,
einen Anknüpfungspunkt für die Definition eines relevanten, differenzierenden Nutzenversprechens sowie darauf basierender Kommunikations- und Marketingmaßnahmen bietet und dadurch
3.2.4.
eine Verbindung zwischen Konsument und Marke schafft.
Abgrenzung zu verwandten Konzepten
Das Konzept des Consumer Insight berührt bekannte Begriffe und Konzepte aus dem Bereich der Konsumentenforschung. Im Interesse begrifflicher Klarheit muss es von einigen zentralen Konzepten abgegrenzt werden. Dabei handelt es sich um Positionierung, Unique Selling Proposition (USP) sowie Kundenwünsche.
3.2.4.1. Positionierung und USP Wie bereits in Abschnitt 3.1.2.3 erwähnt, liefert der Consumer Insight einen Ansatzpunkt für die Differenzierungsstrategie, die durch die Schaffung einer engen Beziehung zum Konsumenten Wettbewerbsvorteile schaffen soll. Insofern ist der Consumer Insight von anderen Differenzierungsstrategien bzw. anderen mit der Differenzierung in Zusammenhang stehenden Konzepten abzugrenzen. Auch die Marken- und Produktpositionierung zielt auf Differenzierung ab (siehe dazu TROMMSDORFF/ASAN/BECKER 2004, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 51 ff.). Sie bildet den Kern der verhaltenswissenschaftlich orientierten Strategieformulierung (ESCH 2001, S. 47) und beinhaltet die Abgrenzung des eigenen Angebots von Konkurrenzangeboten auf Basis von (funktionalen und/oder emotionalen) Produkteigenschaften. Wirkungsebene der Markenpositionierung ist das Markenimage (ESCH 2003, S. 86). Maßstab für eine Positionierung ist demnach die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten. Bei zunehmend homogenen Angeboten wächst die Bedeutung sozio-emotionaler Markeneigenschaften. Auf wettbe-
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werbsintensiven Märkten geht es insbesondere darum, der Marke durch emotionale Kommunikation eine Alleinstellung zu verschaffen (siehe dazu z.B. KROEBER-RIEL 1995, TROMMSDORFF 1995, RIES/TROUT 1986). Diese Strategie wird auch als Positioning auf einer andersartigen, alleinstellenden Dimension außerhalb des herkömmlichen Imageraumes bezeichnet (RIES/TROUT 1986, TROMMSDORFF/BOOKHAGEN/HESS 1999, S. 767). Das Positioning entspricht dem Konzept des USP. Dabei handelt es sich um ein zentrales Nutzenversprechen, durch das das Angebot positiv von den Wettbewerbern abgehoben werden soll (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 475). Der USP betrifft somit einen Konkurrenzvorteil, der eine für die Kaufentscheidung wichtige, dem Konsumenten jedoch (noch) unbekannte Eigenschaftsdimension darstellt, die auf einzigartige Weise besetzt werden soll. Consumer Insight und Positionierung bzw. USP lassen sich wie folgt voneinander abgrenzen: Die Konzepte stehen in einem Mittel-Zweck-Verhältnis zueinander. Der Consumer Insight dient als Orientierungshilfe, indem er Ansatzpunkte für eine verhaltenswirksame Positionierung aufzeigt. Marken können auf einen bestimmten Bedürfniszustand positioniert werden (GORDON 1994) und mit Hilfe von Kommunikation zu der Marke werden, die am stärksten damit identifiziert wird. Eine erfolgswirksame Differenzierung lässt sich nur dadurch erreichen, die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse und Charakteristika der Konsumenten besser als der Wettbewerb zu verstehen und eine Kommunikation zu entwickeln, die diese Bedürfnisse wirklich trifft (WILLS/WILLIAMS 2004). Der Consumer Insight gibt Hinweise darauf, welche Eigenschaftsdimensionen für den Konsumenten relevant sind. Er ist kein Nutzenversprechen sondern vielmehr das Sprungbrett dazu, indem er die Bedürfnisstrukturen des Konsumenten aufzeigt. Die Orientierung am Consumer Insight kann demnach zu einer erfolgreichen Differenzierung im Markt und damit zu mehr Markterfolg führen.
3.2.4.2. Kundenwünsche Das Konzept der Kundenwünsche wird umfassend von LAß (2002) systematisiert. Im Mittelpunkt der Philosophie der Kundenorientierung steht die Erforschung dessen, was der Kunde eigentlich will, um die Marketingstrategie mit den ausschlaggebenden Motivationen der Konsumenten in Einklang zu bringen (ebd., S. 37). Die Wünsche der Konsumenten hängen eng mit dem im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Begriff der „Motive“ zusammen. Auch wenn es sich bei Wünschen nach LAß um eine „gebräuchliche Terminologie“ handelt, lassen sich die Begriffe im Interesse begrifflicher Klarheit noch genauer voneinander abgrenzen (siehe Abschnitt 3.3.3). LAß schlägt vor, Kundenwün-
40
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sche als „Metakonstrukt“ der Konsumentenforschung aufzufassen, das viele etablierte Begriffe der Konsumentenforschung zusammenfasst, darunter z.B. Nutzen, Präferenzen, Einstellungen, Motive und Werte (ebd., S. 47 ff.). Insofern ähnelt das Konzept der Kundenwünsche dem im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Consumer Insight-Konzept. Kundenwünsche i.e.S. werden aufgefasst als die „konkretisierten Ziele bzw. Bedürfnisse, die den Konsumenten motivieren, ein bestimmtes Produkt besitzen zu wollen“ (ebd., S. 593). Bei Kundenwünschen lassen sich drei Komponenten unterscheiden (ebd., S. 49):
sehr abstrakte Kundenwünsche (Ziele, Werte, Motive),
mittelmäßig abstrakte Kundenwünsche (Bedürfnisse, Nutzen, Produktwünsche) und
konkrete Kundenwünsche (Anforderungen, Präferenzen, Erwartungen, Kaufkriterien).
Das Konzept der Kundenwünsche umfasst somit viele Sachverhalte, die auch im Rahmen des Consumer Insight von Bedeutung sind. Insofern kann das Konzept der Kundenwünsche auch als Orientierungshilfe bei der Suche nach Consumer Insight dienen. Neben den Gemeinsamkeiten zum Konzept des Consumer Insight lassen sich allerdings auch wichtige Unterschiede feststellen. Diese betreffen die Gesamtheit der sechs Merkmale des Consumer Insight. So handelt es sich beim Consumer Insight z.B. um eine spezifische Kombination von Sachverhalten, die auch Kundenwünsche beinhalten kann. Zudem ist ein Consumer Insight neuartig. Eine Form der Neuartigkeit des Consumer Insight beinhaltet, dass die spezifische Kombination von Sachverhalten in dieser Form noch nicht bekannt und meist auf unterbewusster Ebene vorhanden ist. Für die Kundenwünsche trifft das vielfach nicht zu. Ebenso wenig lassen sich die konstituierenden Merkmale des Consumer Insight auf die Kundenwünsche anwenden.
3.2.5.
Einordnung des Consumer Insight in den Prozess der Kommunikationsentwicklung
In Abschnitt 3.1.2 wurde auf die Rolle der Kommunikation für die Markenführung und Markenbindung sowie die Relevanz des Consumer Insight für die Marktkommunikation eingegangen. In Hinblick auf die Schaffung eines klaren Begriffssystems wird der Consumer Insight in den Prozess der Kommunikationsentwicklung eingeordnet und von damit zusammenhängenden Begrifflichkeiten abgegrenzt. Im Folgenden wird einheitlich der Begriff „Kommunikation“ verwendet, wobei die klassische Werbung im Mittelpunkt steht. Es wird allerdings angenommen, dass sich die vorliegenden Ausführungen auf sämtliche Kommunikationskanäle übertragen lassen.
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Consumer Insight 3.2.5.1. Der Prozess der Kommunikationsentwicklung
Die Kommunikationsentwicklung stellt einen Teilbereich der Unternehmensplanung dar, die sich mit Problemlösungen beschäftigt. Kommunikationsentwicklungsprozesse können demnach als Problemlösungsprozesse aufgefasst werden. Generell lassen sich Planungsprozesse in verschiedene Prozessschritte aufgliedern. Der Entwurf eines idealtypischen Planungsprozesses findet sich z.B. bei BRUHN (2002, S. 203 ff.) und HOMBURG/KROHMER (2003, S. 368 f.). Die in der Literatur vorhandenen Erklärungsmodelle weisen im Allgemeinen hohe Übereinstimmungen hinsichtlich der Prozessschritte auf, auch wenn sich diese hinsichtlich Anzahl und Bezeichnungen unterscheiden. So lassen sich mit der Bestandsaufnahme (Ist-Zustand), Zielbestimmung (Soll-Zustand), Lösungsauswahl und Realisation vier grundlegende Phasen differenzieren (BEHRENS 1996, S. 141). Diese Phasen beinhalten jeweils unterschiedliche Teilschritte. Basierend auf diesen grundlegenden Planungsphasen schlägt BEHRENS (ebd., S. 142) folgendes Prozessmodell der Werbeplanung vor:
Bestandsaufnahme Unternehmens- und Marketingziele Zielgruppenbestimmung Kommunikationsziele
Zielanpassung
Budgetierung Briefing Kommunikationsstrategie
Strategieanpassung
Gestaltung (Umsetzung) Modifikation: Gestaltung, Streuung Streuung
Soll-Ist-Vergleich Marktforschung ( Istdaten)
Markt (Zielgruppen)
Abbildung 3-1: Das Prozessmodell der Werbeplanung (Quelle: BEHRENS 1996, S. 142)
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Consumer Insight
Auf Basis der Bestandsaufnahme erfolgt die Definition der Zielgruppe und der Kommunikationsziele (vgl. auch 4.2.1.3). Für die beteiligten Personen, insbesondere auch für die Werbeagentur, wird die Aufgabe in einem Briefing zusammengefasst. Das Briefing wird an die beauftragte Werbeagentur übergeben. Eine Ausnahme bildet der Pitch (Wettbewerbspräsentation). Im Rahmen eines Pitches werden mehrere Werbeagenturen dazu aufgefordert, ihre Empfehlung für die Kommunikationsstrategie und deren kreative Umsetzung zu präsentieren. Basierend auf dem Briefing werden Kommunikationsstrategien als Lösungsalternativen entwickelt und beurteilt. Die Kommunikationsstrategie ist der inhaltliche Kern der Werbeplanung (ebd., S. 143 f.; vgl. 3.2.5.2). Die am besten geeignete Kommunikationsstrategie wird umgesetzt und gestreut bzw. geschaltet. Im Rahmen der Werbeerfolgskontrolle wird die Zielerreichung überprüft, was wiederum zu einer Anpassung der Ziele führen kann. Bei diesem Prozessmodell von BEHRENS handelt es sich um ein umfassendes Modell, das den Prozess der Kommunikationsplanung gut veranschaulicht. Es wird hier dankbar aufgegriffen, lässt sich jedoch noch erweitern und in Teilbereichen modifizieren. Unter anderem ist der hier nicht erwähnte Consumer Insight im Prozessmodell zu verorten (vgl. unten Abbildung 3-2). Im Rahmen dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass Werbeagenturen jedes Briefing eines Auftraggebers (Kunden) intensiv hinterfragen sollten. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, wird vorgeschlagen, das obige Prozessmodell um eine eingehende Situationsanalyse nach dem Briefing zu ergänzen. Nur wenn die wahren Ursachen für erkannte Defizite ermittelt werden, können erfolgswirksame Lösungen entwickelt werden. In der Praxis herrscht hingegen häufig eher ein „Trial & Error-Vorgehen“ mit zweifelhaftem Erfolg vor (HAIMERL/LEBOK 2004). Das eigentliche Markenproblem wird häufig nicht behoben bzw. gar nicht erst richtig verstanden. Das Prozessmodell von BEHRENS wird nun entsprechend modifiziert sowie durch im Rahmen dieser Arbeit als bedeutsam herausgearbeitete Aspekte ergänzt (in Abbildung 3-3 hervorgehoben). Dabei handelt es sich neben dem Consumer Insight um den Brand Insight (vgl. 3.2.5.3) sowie den Creative Brief (vgl. nachfolgend 3.2.5.2). Der Prozess der Consumer Insight-Findung wird in Abschnitt 3.4 näher besprochen. Der Kommunikationsentwicklungsprozess als solcher ist in der Regel organisatorisch in der Werbeagentur angesiedelt. Beteiligte im „Mikrokosmos“ Werbeagentur sind i.d.R. Kreative aus den Bereichen Text und Art (Gestaltung) sowie Kundenberater und Planner, unterstützt von Servicebereichen wie Produktion, Buchhaltung, Marktforschung etc.
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Bestandsaufnahme Briefing Eingehende Situationsanalyse Unternehmens- und Marketingziele
Budgetierung
Brand Insight
Consumer Insight
Spezifizierung Zielgruppe Kommunikationsziele
Kommunikationsstrategie
Zielanpassung
Strategieanpassung
Creative Brief Gestaltung (Umsetzung)
Modifikation: Gestaltung, Streuung
Soll-Ist-Vergleich Marktforschung (Istdaten)
Streuung Markt (Zielgruppen)
Abbildung 3-2: Das modifizierte und erweiterte Prozessmodell der Werbeplanung (eigene Darstellung)
3.2.5.2. Die Kommunikationsstrategie Die Kommunikationsstrategie ist der inhaltliche Kern der Werbeplanung (BEHRENS 1996, S. 143 f.). Sie vermittelt zwischen den Vorgaben (Zielgruppenbestimmung, Kommunikationsziele) und den Ausführungen (Gestaltung, Streuung) der Kommunikation. In Abhängigkeit von den definierten Kommunikationszielen lassen sich unterschiedliche Arten von Kommunikationsstrategien unterscheiden (KRAMER 1998, S. 52 ff., ROSSITER/ PERCY 1998, S. 177, SCHWEIGER/SCHRATTENEGGER 2001, S. 171 ff., BRUHN 2002, S. 211 ff.). Dazu zählt unter anderem die Imageprofilierungsstrategie, die auf eine klare Positionierung der Marke abstellt (KRAMER 1998, S. 52, BRUHN 2003, S. 175 f.). Entsprechend dem zugrunde liegenden Nutzenversprechen lassen sich sachliche bzw. informative und emotionale Positionierungsstrategien unterscheiden (vgl. dazu z.B. KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 67 ff.). Die zu definierende Kommunikationsstrategie lässt sich in drei Teilaufgaben untergliedern: in die Copystrategie (was soll kommuniziert werden?), die Kreativstrategie (wie soll es kommuniziert werden?) und die Mediastrategie (wo soll es kommuniziert werden?). In Zusam-
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menhang mit dem Consumer Insight ist insbesondere die Copystrategie von Interesse, die die Definition der inhaltlichen Grundkonzeption betrifft (HUTH/PFLAUM 1993, S. 95, SCHWEIGER/SCHRATTENECKER 2001, S. 196 f., BRUHN 2003, S. 353 f.). Unter anderem ist festzulegen, welcher Konsumentennutzen (Benefit) als Basisversprechen in den Vordergrund gestellt werden soll und durch welche Begründung (Reason Why) er glaubhaft gemacht werden kann. In den Werbeagenturen wird die Copystrategie häufig in einem so genannten Creative Brief zusammengefasst. Dabei handelt es sich um ein internes Instrument der Werbeagenturen, das als Grundlage oder „Sprungbrett“ für die kreative Entwicklung dient. Der Creative Brief ist entsprechend vom Briefing des werbetreibenden Unternehmens an die beteiligte Werbeagentur zu unterscheiden. Ein Creative Brief sollte kurz und knapp gehalten sein und nur die Informationen enthalten, die für die Umsetzung der Kommunikationsstrategie unbedingt notwendig sind. Der Creative Brief ist von Werbeagentur zu Werbeagentur unterschiedlich ausgestaltet (vgl. z.B. ROBERTSON 1997, S. 53 ff.), wobei sich allerdings folgende Kernelemente identifizieren lassen:
Aufgabe und Hintergrund
Kommunikationsziele
Zielgruppe und Consumer Insight
Kernbotschaft
Reason Why
Tonalität
Anforderungen
In der Aufgabe wird kurz dargelegt, um was es eigentlich geht (z.B. „Entwicklung einer Imagekampagne“). Der Hintergrund bezieht sich auf die Markt- und Markensituation und macht das Problem deutlich, das es zu überwinden gilt. Die Kommunikationsziele beschreiben die Soll-Zustände, die durch die Kommunikation erreicht werden sollen (z.B. Bekanntheit, Imageprofilierung, Emotionalisierung). Neben einer genauen Spezifizierung der Zielgruppe anhand bestimmter demographischer und psychographischer Faktoren ist auch der entdeckte Consumer Insight ein wichtiger Bestandteil des Creative Brief. Die Kernbotschaft steht als fokussierte, zentrale Werbebotschaft im Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie. Sie bildet die inhaltliche Präzisierung der Kommunikationsstrategie
Consumer Insight
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(KRAMER 1998, S. 54). Die Kernbotschaft enthält in der Regel das Nutzenversprechen und hängt deshalb eng mit dem Consumer Insight zusammen. Sie ist quasi die Antwort auf den Consumer Insight bzw. die Lösung für das darin zum Ausdruck gebrachten „Problem“. Da angesichts der allgemeinen Informationsflut nur ein kleiner Teil der dargebotenen Informationen überhaupt aufgenommen wird (KROEBER-RIEL 1987, S. 258, LEVEN 1988, S. 268 ff., ESCH 2001, S. 4 ff.), sollte die Kernbotschaft möglichst fokussiert sein und im Sinne einer „single-minded proposition“ nur einen einzigen zentralen Gedanken beinhalten (ZIEMS 2004, S. 210). An die Kernbotschaft und die darauf zu entwickelnde Kommunikation ist folgende Anforderung zu stellen (vgl. ausführlicher Abschnitt 4.5.2): Es geht darum, die Marke mit einem Nutzenversprechen zu verbinden, das
für die spezifischen Zielgruppen relevant ist, d.h. ihre Motive und Bedürfnisse trifft,
die Marke wirksam von den Wettbewerbsangeboten differenziert,
als glaubwürdig empfunden wird, d.h. von der Marke eingelöst werden kann und
als zur Marke passend wahrgenommen wird.
Die Kernbotschaft knüpft dabei nicht nur am Consumer Insight an. Der relevante, differenzierende und glaubwürdige Nutzen wird vielmehr aus dem Consumer Insight und dessen Verknüpfung mit dem Brand Insight abgeleitet (siehe nachfolgenden Abschnitt 3.2.6.4). Der Reason Why dient als Begründung der Kernbotschaft bzw. des Nutzenversprechens. Üblicherweise werden dazu bestimmte faktische oder auch psychologische Leistungsmerkmale des zu bewerbenden Angebotes angeführt. Die Tonalität gibt den Rahmen für die emotionale Anmutungsqualität bzw. für den Ton und Stil der Werbung vor (SCHWEIGER/SCHRATTENECKER 2001, S. 197). Sie fasst die vermittelten Emotionen zusammen (HALEY/ RICHARDSON/BALEY 1984, S. 13) und prägt sowohl die inhaltlichen als auch die formalen Gestaltungsmerkmale der Werbung. In den Anforderungen werden schließlich die Rahmenbedingungen beschrieben, die bei der kreativen Entwicklung beachtet werden müssen. Dazu gehören z.B. bestehende Corporate Design (CD)-Richtlinien, das zur Verfügung stehende Kommunikationsbudget oder bestimmte ethische und moralische Grenzen.
3.2.5.3. Brand Insight Der Consumer Insight betrifft die Konsumentenperspektive, d.h. die Wahrnehmung der Konsumenten und deren unterbewusste seelische Strukturen. Eine erfolgswirksame Werbebotschaft muss glaubwürdig sein, d.h. zu Produkt bzw. Marke passen und nach Möglichkeit im
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Consumer Insight
Produkt verankert sein. Insofern ist bei der Formulierung der Werbebotschaft neben der Konsumentenperspektive auch die Perspektive der Marke bzw. des Anbieters einzubeziehen. Letztere wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit analog zum Consumer Insight als Brand Insight bezeichnet. Dieser Begriff findet auch bei FORTINI-CAMPBELL (2001) Erwähnung, wird dort jedoch nicht näher erläutert. Ein Brand Insight muss nicht zwingend die Marke betreffen, sondern kann sich auch auf die Produktkategorie, das Produkt oder den Anbieter, d.h. das Unternehmen beziehen. Insofern greift der Begriff „Brand Insight“ eigentlich zu kurz, wird hier jedoch beibehalten, da er verdeutlicht, dass es sich beim Brand Insight um das Pendant zum Consumer Insight handelt. Analog zum Consumer Insight, der einen Ausschnitt aus der Menge der Konsumentenkenntnis bildet, stellt der Brand Insight einen Ausschnitt aus dem (Hersteller-)Wissen über die Kategorie, die Marke, das Produkt bzw. das Unternehmen dar. Dieses umfasst Sachverhalte wie Marken- und Produktnutzen, -attribute, -leistungen, aber auch Historie, Produktionsverfahren etc. SHERRINGTON (2003, S. 12 ff.) hebt in diesem Zusammenhang die zentrale Bedeutung des „Technical Insight“ hervor, der das Verständnis dessen bezeichnet, wie ein Produkt oder eine Dienstleistung funktioniert und was daran noch verbessert werden könnte. Der Brand Insight bezeichnet somit einen Aspekt über das Produkt, die Marke etc., der den Consumer Insight ergänzen und zur Formulierung einer relevanten, differenzierenden, glaubwürdigen und zur Marke passenden Kernbotschaft beitragen kann. Indem der Consumer Insight mit dem Brand Insight verknüpft wird, wird das zu formulierende Nutzenversprechen glaubhaft im Produkt bzw. der Marke verankert. Der Brand Insight erdet dadurch den Consumer Insight. Er bezieht sich auf das, was das Produkt konkret zur Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse beitragen kann. Es gilt somit herauszufinden, was die Marke glaubwürdig versprechen und halten kann. Meist wird der Consumer Insight die Richtung für den Brand Insight vorgeben – entsprechend dem Consumer Insight wird z.B. ein passendes Leistungsmerkmal ausgewählt. Umgekehrt kann der Brand Insight dabei helfen, aus dem Wissen über den Konsumenten den Consumer Insight herauszukristallisieren: Ein bestimmter Brand Insight, z.B. ein spezifisches Produktfeature oder der besondere Qualitätsanspruch einer Marke, kann die Richtung für die Suche nach Consumer Insight vorgeben und somit als Inspirationsquelle dienen, die den kreativen Prozess der Consumer Insight-Findung unterstützt. Beim Brand Insight muss es sich nicht zwingend um ein Alleinstellungsmerkmal handeln. Für die Differenzierung sorgt die Verknüpfung mit dem Consumer Insight. Wie am Beispiel WEEDOL gezeigt werden konnte (vgl. Abschnitt 2.3), kann auch eine Marke, deren Leistun-
Consumer Insight
47
gen faktisch gleichwertig oder sogar etwas schlechter sind als die der Wettbewerber, auf Basis eines Consumer Insight erfolgswirksam positioniert und profiliert werden. Es kann vorkommen, dass kein Consumer Insight gefunden werden kann. Dann könnte es sich anbieten, Markenpositionierung und Kommunikationsstrategie bzw. Kernbotschaft eher auf Basis des Brand Insight zu entwickeln bzw. die Betonung auf den Brand Insight zu legen. Dies ist z.B. dann Erfolg versprechend, wenn die Konsumenten bisher keine klaren Vorstellungen von einer Marke haben, diese jedoch relevante und differenzierende Eigenschaften aufweist (wie z.B. eine einzigartige Unternehmenskultur). Zusammenfassend ist zum Brand Insight Folgendes festzuhalten: Während der Consumer Insight die Konsumentenperspektive widerspiegelt, betrifft der Brand Insight die Anbieterperspektive (= Ausschnitt aus dem Herstellerwissen über Marke/Produkt/ Unternehmen). Erst die Verknüpfung von Consumer Insight und Brand Insight bildet die Basis für die Entwicklung einer relevanten, differenzierenden und glaubwürdigen Kernbotschaft.
3.2.5.4. Zusammenfassende Einordnung und Abgrenzung des Consumer Insight im Prozess der Kommunikationsentwicklung Bevor nun die einzelnen Elemente der Konsumentenkenntnis und der Prozess der Consumer Insight-Findung näher betrachtet werden, werden die Einordnung des Consumer Insight in den Prozess der Kommunikationsentwicklung sowie dessen Abgrenzung noch einmal im Überblick dargestellt (vgl. Abbildung 3-3). Im Rahmen einer umfassenden Situationsanalyse wird sowohl Wissen über den Konsumenten als auch Wissen über die Marke, das Produkt bzw. Unternehmen generiert. Das Wissen über den Konsumenten bildet die Basis für die Suche nach Consumer Insight. Aus dem Consumer Insight ergibt sich auch die Rolle der Kommunikation, die von der aktuellen Markenwahrnehmung der Konsumenten abhängt.
Consumer Insight
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Situationsanalyse
Wissen über den Konsumenten bzw. Konsumentenkenntnis (Konsumentenperspektive)
Basis für Bewertung/Auswahl
Wissen über Marke, Produkt Unternehmen (Anbieterperspektive)
Consumer Insight
Brand Insight
Verknüpfung Ggf. Basis für
Markenstrategie (Soll-Positionierung)
Basis für Rahmen für
Rolle/Aufgabe der Kommunikation
Kommunikationsstrategie, insbesondere Kernbotschaft
Emotio-RatioBalance
Kommunikationsgestaltung
Schaltung
Abbildung 3-3: Übersicht zur Einordnung des Consumer Insight in den Prozess der Kommunikationsentwicklung (eigene Darstellung)
Consumer Insight und Brand Insight werden miteinander verknüpft, um die Formulierung einer relevanten, differenzierenden und zur Marke passenden Kernbotschaft als Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie zu ermöglichen. Die Verknüpfung von Consumer Insight und Brand Insight gibt zudem Aufschluss über die adäquate Emotio-Ratio-Balance, d.h. die Gewichtung von emotionalen und informativen Elementen in der Kommunikation (vgl. 4.2.1.2). Die Markenstrategie bildet den Rahmen für die Kommunikationsentwicklung und damit auch für die Kommunikationsstrategie. Sofern noch keine Markenstrategie besteht, dient die Verknüpfung aus Consumer Insight und Brand Insight auch als Basis für die Formulierung der Markenstrategie. Eine bereits bestehende Markenstrategie wird angepasst, wenn die neuen Erkenntnisse relevanter sowie differenzierender sind und noch besser zur Marke passen.
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Consumer Insight
Sachverhalte offenbar werden, die eine Modifizierung der Kommunikationsstrategie erforderlich machen. Nach bzw. während der Schaltung der Kommunikation können etwaige Auffälligkeiten, die z.B. im Rahmen der Werbeerfolgskontrolle festgestellt werden, ggf. ein erneutes Durchlaufen des Prozesses erforderlich machen.
3.3
Konsumentenkenntnis als Basis der Consumer Insight-Findung „The goal isn`t just getting close to the customer; it’s getting inside the customer experience“ (SILVERSTEIN 1998, S. 150).
Ein tiefes, ganzheitliches Verständnis des Konsumenten ist Voraussetzung für erfolgswirksame Marketingkommunikation. Die Konsumentenkenntnis ist die Basis, auf der der Consumer Insight entsteht. Die Elemente der Konsumentenkenntnis wurden bereits erwähnt (vgl. 3.2.3.1 und 3.2.3.4). Da sie quasi die „Bausteine“ des Consumer Insight und damit den Fundus der Consumer Insight-Findung darstellen, werden die einzelnen Elemente der Konsumentenkenntnis im Folgenden genauer betrachtet, bevor in Abschnitt 3.4 näher auf den Prozess der Consumer Insight-Findung eingegangen wird. Methoden zur Gewinnung von Konsumentenkenntnis werden schließlich in Abschnitt 3.5.4 diskutiert.
3.3.1.
Grundüberlegungen „To learn to be a bullfighter, you must first learn how to be a bull.“ (o.V., zitiert in FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 47).
Die Konsumentenkenntnis ist komplex und umfasst neben Zustandskonstrukten wie Emotionen, Motiven und Einstellungen weitere Elemente. Ausgangspunkt für das Verstehen der Konsumenten ist das beobachtbare Verhalten. Zunächst ist es wichtig zu wissen, wie sich der Konsument
in
Bezug
auf
Produktverwendung,
Verwendungsintensität,
-häufigkeit,
-situationen etc. verhält, um gezielt nach den tieferen Ursachen und Beweggründen für das konkrete, oft paradoxe und widersprüchliche Verhalten forschen zu können. Darüber hinaus wird das Konsumentenverhalten von überindividuellen Faktoren wie dem kulturellen Rahmen, Trends, Moden etc. beeinflusst. Die folgende Abbildung 3-4 bietet einen Überblick über die allgemeinen Elemente der Konsumentenkenntnis.
Consumer Insight
50 Konsumentenkenntnis Beobachtbares Verhalten Konsumverhalten (Intensität, Menge, ...) Beobachtbare Sachverhalte Beschreibung/soziodemografische Merkmale Zustandskonstrukte des Konsumentenverhaltens Involvement/Aktiviertheit
Motive/Bedürfnisse Einstellungen/Images Werte/Normen
Wissen/Kognitionen
Emotionen/Gefühle
Lebensstile/Persönlichkeit
Überindividuelle Einflussfaktoren (kultureller Rahmen, Trends, Moden etc.)
Abbildung 3-4: Allgemeine Elemente der Konsumentenkenntnis (eigene Darstellung in teilweiser Anlehnung an TROMMSDORFF 2004a, S. 36)
Diese Übersicht ist keineswegs erschöpfend. So gehören auch Kenntnisse über die Prozesse des Konsumentenverhaltens wie Informationserwerb und -verarbeitung zu einem umfassenden Wissen über den Konsumenten. Diese sind allerdings allgemeinerer Natur und vor allem für die formale Kommunikationsgestaltung von Bedeutung, weniger in Bezug auf den Consumer Insight. Das beobachtbare Konsumentenverhalten und die beobachtbaren Sachverhalte werden im Folgenden aus der Betrachtung ausgeklammert. Für den Consumer Insight sind diejenigen Faktoren von Interesse, die das Verhalten beeinflussen. Auch die überindividuellen Faktoren sollen nicht näher betrachtet werden. Sie gelten zwar als wichtige Einflussgrößen auf das Verhalten (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 419 ff.), werden jedoch bereits im Rahmen anderer Forschungsarbeiten, unter anderem zur Trendforschung, umfassend behandelt (siehe z.B. HORX/WIPPERMANN 1996, OPASCHOWSKI 2003, HORX 2006). Der kultu-
51
Consumer Insight
relle Rahmen liefert die Deutungsmuster, vor dessen Hintergrund Marken- und Werbebotschaften interpretiert werden (vgl. 3.1.2.2). Bei den aufgeführten Elementen der Konsumentenkenntnis handelt es sich um eine allgemeine Auflistung, die das generelle Suchfeld für die Consumer Insight-Findung absteckt. Für den spezifischen Anwendungsfall sind die jeweils relevanten Erkenntnisbereiche zu ermitteln, die sich nach der Marketingsituation und den Kommunikationszielen richten. Suchfelder für die Entwicklung emotionaler Ansprachestrategien werden in Abschnitt 4.5.3 dargestellt. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, relevante Aspekte zu beleuchten, die im Rahmen der Consumer Insight-Findung von besonderer Bedeutung sind, um damit einen theoretischen Bezugsrahmen für die weiteren Ausführungen zum Consumer Insight und zur emotionalen Kommunikation zu schaffen. Im Rahmen dieses Kapitels kann es demnach nicht darum gehen, die Theorie des Konsumentenverhaltens aufzuarbeiten. Dazu sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (siehe z.B. ENGEL/BLACKWELL/MINIARD 1995, PETER/OLSON 1998, MEFFERT 2000, RATNESHWAR/MICK/HUFFMAN 2000, KROEBER-RIEL/ WEINBERG 2003, TROMMSDORFF 2004a). Das elementarste der Konstrukte, das Involvement, wird als eine zentrale Determinante der Werbewirkung aus didaktischen Gründen in Zusammenhang mit der emotionalen Kommunikation in Abschnitt 4.4.1 betrachtet. Auf das Wissen der Konsumenten bzw. die Kognitionen wird im Rahmen der Ausführungen zu den Emotionen eingegangen (Abschnitt 3.3.2). Einerseits können Emotionen ohne Bezugnahme auf Kognitionen kaum behandelt werden. Andererseits würden sich ansonsten vielfältige Redundanzen ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich somit auf die Konstrukte Emotionen, Motive, Werte, Einstellungen und Persönlichkeit. Diese Konstrukte sind eng miteinander verknüpft. Emotionen
gelten
als
grundlegende
menschliche
Antriebskräfte
(KROEBER-
RIEL/WEINBERG 2003, S. 56). Kommt zu einer Emotion eine Zielorientierung hinzu, so erhält das Konstrukt Motivcharakter (ebd.). Die Werte geben wiederum die Zielrichtungen der Motive vor. Das Emotions-, Motiv- und Wertegefüge wirkt mit den Einstellungen sowie dem Wissen der Konsumenten zusammen, unter anderem dem vorhandenen Kategorie- und Markenwissen. Obwohl es sich beim Consumer Insight um ein komplexes Gebilde handelt, dessen einzelne Elemente kaum voneinander getrennt werden können, wird im Rahmen dieser Arbeit für eine differenziertere Betrachtungsweise der einzelnen Bausteine plädiert. Die Emotionen werden in Vorgriff auf Kapitel 4 besonders detailliert behandelt.
52
Consumer Insight
Den einzelnen Konstrukten wird in Literatur und Praxis eine unterschiedliche Bedeutung zugemessen. Es existieren die unterschiedlichsten Denkmodelle und Philosophien bezüglich dessen, welche Konstrukte am meisten Aufschluss über die wahren Hintergründe des Konsumentenverhaltens geben können und auf welche Weise diese am besten ermittelt werden können (vgl. 3.5.4). So fasst z.B. WILKIE (1994, S. 150 f.) die Kaufmotivationen als eine Art Metakonstrukt auf, zu deren Ausprägungen auch Involvement, Werte, Emotionen und Persönlichkeit gehören. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Auffassung von TROMMSDORFF (2004a) gefolgt, demzufolge die Persönlichkeit als übergeordnetes Konstrukt zu verstehen ist, das die für die Person charakteristischen Muster der übrigen Konstrukte beinhaltet.
3.3.2.
Emotionen
Emotionen bzw. emotionale Prozesse haben eine zentrale Bedeutung für das gesamte menschliche Verhalten und damit auch für den Consumer Insight. Emotionen gelten als grundlegende menschliche Antriebskräfte (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 56). Starke Marken werden darüber definiert, dass sie über eine hohe emotionale Schubkraft verfügen (SIMON 1994, ESCH 2003, PLASSMANN 2006). Im Folgenden soll die Bedeutung der Emotionen auf Basis emotionspsychologischer Erkenntnisse näher beleuchtet werden.
3.3.2.1. Begriffsklärung Emotion „Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner blickt es zurück.“ (Karl KRAUS, zitiert in OTTO/EULER/MANDL 2000, S. 11) Dies gilt nicht nur für den Begriff „Consumer Insight“, sondern insbesondere auch für den Begriff der „Emotion“. Dieser ist bis heute nicht allgemeingültig definiert. In der Literatur existiert eine Vielfalt an Definitionen und Meinungen darüber, was Emotionen sind und wie umfassend dieser Begriff zu verstehen ist. Die Emotionspsychologen FEHR/RUSSELL (1984) sind dementsprechend der Ansicht, dass jeder wisse, was eine Emotion sei, bis er gebeten werde, eine Definition zu geben. Grundsätzlich werden Emotionen als mehr oder weniger komplexe Reaktionen des Körpers auf bestimmte Stimuli verstanden (DAMASIO 1994). Diese Stimuli müssen nicht zwingend externer Natur sein – Emotionen können auch durch interne Kognitionen ausgelöst werden (PEKRUN 1988, S. 160 f.). Bei emotionalen Reaktionen handelt es sich um qualitativ beschreibbare Zustände. Das Empfinden bzw. Erleben von Emotionen ist wiederum den Prozes-
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53
sen zuzuordnen. Während in der Literatur die beiden Begriffe „Reaktionen“ und „Prozesse“ häufig vermischt oder synonym verwendet werden, erfolgt hier eine klare Trennung: Reaktionen werden hier als Ergebnisse von (Verarbeitungs-)Prozessen betrachtet. Es existiert eine ganze Reihe unterschiedlicher Emotionstheorien, z.B. evolutionäre, kognitive, verhaltenswissenschaftliche, psychophysiologische, dynamische und neurologische Ansätze (siehe die Übersichten bei ZEITLIN/WESTWOOD 1986, ULICH 1992a, S. 35 ff.). Einzelne Aspekte dieser Ansätze werden im Rahmen dieser Arbeit zur theoretischen Fundierung herangezogen. Hier interessieren vor allem die beiden grundsätzlichen emotionspsychologischen Forschungsrichtungen: die Klassifikationsansätze und die dimensionalen Ansätze (NEIBECKER 1985, S. 12 ff., BEHRENS 1988, S. 53 ff.). Bei den Klassifikationsansätzen geht es in erster Linie darum, einzelne Emotionen voneinander zu unterscheiden (z.B. Freude, Furcht). Dem folgt z.B. das Konzept der Basisemotionen (vgl. nachfolgend 3.3.2.2). Die dimensionalen Ansätze fassen Emotionen als komplexe Konstrukte auf und werden im Folgenden zur Klärung des Begriffes „Emotion“ herangezogen. In der Literatur haben sich weitgehend die so genannten Mehr-Komponenten-Theorien durchgesetzt. Diese gehen davon aus, dass Emotionen verschiedene Dimensionen beinhalten, wobei deren Anzahl in der Literatur variiert. Psychologen unterscheiden mindestens drei Aspekte (z.B. IZARD 1999, S. 20, SCHERER 2000). Demnach manifestieren sich Emotionen in der Regel in Veränderungen des subjektiven Erlebens, des Ausdrucks (Mimik, Gestik) und des körperlichen Zustandes (neurophysiologische Vorgänge wie Erregung) (vgl. auch MATTENKLOTT 2002, S. 533). Diese drei Verhaltensebenen werden auch als „Reaction Triad of Emotion“ bezeichnet (SCHERER 2000, S. 138). Ein bis heute ungeklärtes Problem ist die empirische Erkenntnis, dass die drei Komponenten häufig nur in geringem Maße kovariieren (KROEBER-RIEL 1984, NEIBECKER 1985). SCHMIDT-ATZERT (1981, S. 31) schlägt als Ausweg vor, sie als getrennte Phänomene aufzufassen, bis ihre Beziehung zueinander endgültig geklärt ist. Die spezifische Kombination bzw. Ausprägung der drei Ebenen bestimmt, welche Emotion entsteht. Dies lässt sich am Beispiel der Basisemotion Freude demonstrieren (IZARD 1999, S. 271 ff.): So kann Freude auf Ebene des subjektiven Erlebens beschrieben werden als ein Gefühl von Selbstvertrauen und Bedeutsamkeit, geliebt zu werden und liebenswert zu sein. Neurophysiologisch äußert sich Freude unter anderem in Reaktionen des autonomen Nervensystems, insbesondere in spezifischen Vorgängen der Gesichtsmuskulatur. Hinsichtlich des Gesichtsausdrucks äußert sich Freude typischerweise als Lächeln oder Lachen.
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Consumer Insight
Neben diesen drei Verhaltensebenen werden in der Literatur weitere Komponenten unterschieden. So werden auch kognitive Bewertungsprozesse und Handlungstendenzen als Komponenten von Emotionen aufgefasst (PLUTCHIK 1984, SCHERER 2000, BOROD/MADIGAN 2000, S. 3, MANDLER 2002, S. 100). Inzwischen herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Bewertungsprozesse eine wichtige Konstituente von Emotionen sind. Basis hierfür ist unter anderem die General Theory of Emotion and Adaption (LAZARUS 1991). Demnach reagiert der Körper nicht per se auf alle externen oder internen Ereignisse, sondern nur auf solche, die für den Organismus von besonderer Bedeutung sind (SCHERER 2000, S. 138 f., MANDLER 2002, S. 97). Die entsprechenden Bewertungsprozesse sind häufig elementar und unterbewusst (LAZARUS 1991). Sie laufen auf Basis emotionaler Schemata ab (siehe 3.3.2.4). Bewusstsein bzw. Bewusstheit sind somit keine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Emotionen (LeDOUX 2001, S. 61, BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 15). In Anlehnung an die vorgenannten Definitionen werden Emotionen hier wie folgt definiert: Emotionen sind qualitativ beschreibbare Zustände als Reaktionen auf interne oder externe Ereignisse, die für das Individuum von Bedeutung sind, also unbewusste, automatische Bewertungsprozesse beinhalten, und sich in Veränderungen des subjektiven Erlebens, des Ausdrucks und des körperlichen Zustands äußern. Emotionen erfüllen für das menschliche System verschiedene Funktionen. Neben der grundlegenden Antriebsfunktion haben sie eine nach innen gerichtete Informations- bzw. Nachrichtenfunktion sowie eine nach außen gerichtete Kommunikationsfunktion. Bezüglich der Informations- und Nachrichtenfunktion wirken Emotionen als innere Nachrichten über die Bedeutung von Signalen, die je nach Situation gezieltes Denken und Handeln auslösen (SCHACHTER/SINGER 1962). Umgekehrt informieren Begleiterscheinungen von Emotionen wie z.B. Gesichtsausdrücke die Umwelt über die Gefühlslage des Individuums (Kommunikationsfunktion). Die Bedeutung von Emotionen für das menschliche Verhalten wurde lange Zeit unterschätzt und von der Forschung vernachlässigt. Das Interesse an Kognitionen überwog bei Weitem. Bei Kognitionen handelt es sich um „eigenständig bewusst zu machende Wissenseinheiten, d.h. ... subjektives Wissen, das bei Bedarf zur Verfügung steht“ (TROMMSDORFF 2004a, S. 88). Kognitionen sind demnach als Sammelbegriff für geistige Phänomene wie Gedanken, Überzeugungen, Urteile, Erinnerungen, Wissen, Absichten aufzufassen (FELSER 2001, S. 109). Anders als die Emotionen sind Kognitionen vom Körper unabhängige Gehirnfunktionen. Kognitive Prozesse betreffen die Informationsverarbeitung (STEFFENHAGEN 1996,
Consumer Insight
55
S. 55, AMBLER/BURNE 1999), insbesondere die Denkvorgänge des Identifizierens, Assoziierens, Interpretierens und Bewertens („Nachdenken“). Derartige Prozesse werden gleichermaßen vom generellen Wissen des Menschen sowie seinen vergangenen und aktuellen, direkten sowie symbolischen Erfahrungen beeinflusst (YOUNG 2004). Werbebotschaften zählen zu den symbolischen Erfahrungen, die Konsumenten mit einer Marke sammeln (KROEBERRIEL/WEINBERG 2003, S. 129). Insbesondere in den 1980er Jahren beschäftigten die Rollen von Emotionen und Kognitionen sowie ihr Verhältnis zueinander die Psychologie so sehr wie kaum ein anderes Thema (FIEDLER 1990). Lange wurde von einem Primat der Kognitionen ausgegangen. So werden Emotionen von vielen Theorien als post-kognitiv aufgefasst, d.h. dass sie erst nach bemerkenswerten kognitiven Prozessen auftreten (vgl. dazu Überblick und Kritik bei ZAJONC 1980, S. 151 ff.). Die so genannten Affekt-Kognitions-Theorien vertreten die umgekehrte Sichtweise und postulieren, dass emotionale Reaktionen unabhängig von kognitiven Prozessen sind und ihnen als allererste Reaktionen auf einen Stimulus vorausgehen können (ebd.). Inzwischen herrscht allgemein die Überzeugung, dass Emotion und Kognition nicht voneinander zu trennen sind, sondern vielmehr „einander ergänzende Komponenten oder Aspekte eines einheitlichen psychischen Geschehens“ (ULICH 1992a, S. 31) darstellen (vgl. auch LeDOUX 2001, S. 75). Kognitive und emotionale Prozesse treten meist gemeinsam auf, wobei zwischen ihnen vielfältige Wechselwirkungen bestehen. Sie bedingen einander: so beinhaltet die Emotionsentstehung unbewusste kognitive Bewertungsprozesse, während kognitive Prozesse durch Emotionen gelenkt werden. Emotionen sind nach der hier vertretenen Auffassung von weiteren emotionalen Zuständen wie Gefühlen, Affekten und Stimmungen zu unterscheiden. Diese Begriffe werden in der Umgangssprache und auch in der verhaltenswissenschaftlichen Literatur vielfach synonym verwendet (z.B. bei STEFFENHAGEN 1996, S. 56, BROWN/HOMER/INMAN 1998, AMBLER/BURNE 1999). Die unklare Abgrenzung führt zu Verwirrung und Missverständnissen (SCHERER 2000, S. 139). Im Rahmen dieser Arbeit muss dementsprechend eine genauere Differenzierung erfolgen. Gefühle Anders als Emotionen werden Gefühle lediglich durch das subjektive Erleben gekennzeichnet. Sie beziehen sich demnach nur auf eine Komponente der Emotion (SCHERER 2000,
56
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S. 139), womit „Emotion“ als der umfassendere Begriff zu betrachten ist. Auch hierüber besteht keine Einigkeit – so betrachtet z.B. HASTEDT (2005, S. 12 f.) Gefühle als Oberbegriff. Bei Gefühlen handelt sich um eine vorübergehende, nicht regelmäßig wiederkehrende, interpretierte Aktiviertheit, d.h. um einen nach Intensität (schwach bis stark), Richtung (positiv/negativ) und Art (inhaltliche Qualität) bestimmten Empfindungszustand (TROMMSDORFF 2004, S. 68). Es wird angenommen, dass die erwähnten kognitiven Bewertungsprozesse zu bewussten Gefühlserlebnissen führen (LeDOUX 2001, S. 77). Das Resultat dieser unterbewussten, automatischen Prozesse wird als Teil einer Emotion, d.h. als Gefühlserlebnis, selbst bewusst (SIEMER 1999). Der kognitiven Emotionstheorie zufolge ist jedes Gefühl zunächst physiologisch bedingt und äußert sich in unspezifischer Aktiviertheit (SCHACHTER/ SINGER 1962). Erst die unbewusste gedankliche Einordnung, d.h. die Interpretation der Erregung, z.B. als „Ärger“ oder „Freude“, formt das entsprechende Gefühlserlebnis. Dieser Vorgang wird auch als Attribution bezeichnet. Die kognitive Emotionstheorie hat sich weitgehend durchgesetzt, trotz der Kritik am zugrunde liegenden Experiment von SCHACHTER/ SINGER (1962, beschrieben z.B. in TROMMSDORFF 2004a, S. 70). Eine Untermauerung der Theorie liefert der Hirnforscher DAMASIO (im Interview mit LENZEN 2004, S. 20). Demnach beinhaltet die Wahrnehmung der körperlichen Veränderungen ihre Abbildung in bestimmten Hirnregionen. Das Gehirn empfängt Signale aus dem Körper und verarbeitet sie in „neuronalen Karten“. In diesen Karten sind die emotionalen Veränderungen als Momentaufnahmen des Körperzustandes verzeichnet. Gefühle entstehen beim „Ablesen“ dieser Karten, also dann, wenn die körperlichen Veränderungen bewusst wahrgenommen werden. Affekte Der deutsche Begriff „Affekt“ unterscheidet sich vom englischen „Affect“. So kennzeichnet „Affekt“ eine starke Gefühlsregung oder kurzfristige und besonders intensive emotionale Zustände, die oft mit dem Verlust der Handlungskontrolle einhergehen (OTTO/EULER/ MANDL 2000, S. 13). Hingegen wird das englische „Affect“ als generelles Synonym oder Oberbegriff für Emotionen und verwandte emotionale Zustände, vor allem für Stimmungen, verwendet (ebd.). Dementsprechend ist im Zusammenhang mit emotionaler Kommunikation auch von „affektiver Kommunikation“ bzw. „affektiven Reaktionen auf Werbung“ (vgl. z.B. BELCH/BELCH 1984, BATRA/RAY 1986, VAN RAIJ 1989, BATRA/STEPHENS 1994) die Rede. Die unterschiedliche Begriffsverwendung hat sowohl in der englischen als auch in der deutschen Literatur zu Verwirrung geführt (STEFFENHAGEN 1996, S. 96). Auf die
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Verwendung der Begriffe „Affekt“ und „affektiv“ wird deshalb aus Gründen begrifflicher Klarheit im Folgenden weitestgehend verzichtet. Stimmungen Stimmungen sind emotionale Zustände, die im Gegensatz zu Gefühlen ungerichtet, von geringerer Intensität und längerer Dauer sind. Die Abgrenzung von Stimmungen und Gefühlen erfolgt in der Literatur auch anhand der gestaltpsychologischen Figur-Grund-Unterscheidung (OTTO/EULER/MANDL 2000, S. 12 f.). Während Gefühle die Figurkomponente darstellen, sind Stimmungen eher Grundphänomene, die auf unterbewusster Ebene auftreten. Stimmungen können allerdings dann zu Figurphänomenen werden, wenn ihnen Aufmerksamkeit zuteil wird und sie verstärkt ins Bewusstsein gelangen. Anders als Emotionen und Gefühle werden Stimmungen nicht als Reaktionen auf Situationen aufgefasst (MATTENKLOTT 2002, S. 533). Sie stellen vielmehr eine globale Reaktion auf die Umwelt dar und können schon vor der Wahrnehmung eines Reizes, z.B. einer Werbung, bestehen. Insofern ist es auch schwierig, von Werbung zu sprechen, die bestimmte Stimmungen auslöst (stimmungsinduzierende Werbung, vgl. z.B. AGRES 1990). Es ist davon auszugehen, dass Werbung Stimmungen zwar beeinflussen, jedoch nicht erzeugen kann. Die Stimmung ist wiederum eine wichtige Determinante der Werbewirkung. Die Emotionsforschungs-Literatur unterscheidet weitere emotionale Zustände, die allerdings kontrovers diskutiert werden und hier nicht näher behandelt werden sollen. Dazu gehören z.B. Erlebnistönungen, Temperament, Gefühlseinstellung, emotionale Reaktionsbereitschaften oder Affektstärke (vgl. OTTO/EULER/MANDL 2000, S. 14, SCHERER 2000, S. 140 f.).
3.3.2.2. Klassifizierung von Emotionen und Gefühlen Bislang existiert kein allgemein akzeptiertes Konzept der Emotionsklassifikation, auch wenn in der Literatur vielfältige Ansätze bestehen (vgl. die Übersichten bei MAYRING 1992, S. 131 ff., SCHMIDT-ATZERT 2000, S. 30 ff.). Allerdings lassen sich alle Emotionen und Gefühle nach gängiger Meinung anhand der drei Merkmale Intensität, Richtung und Qualität klassifizieren (STEFFENHAGEN 1996, S. 56, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 105, TROMMSDORFF 2004a, S. 68). Während unterschiedliche Emotionen in Stärke und Richtung übereinstimmen können (z.B. Freude und die komplexere Emotion Behaglichkeit), unterscheiden sie sich insbesondere hinsichtlich ihrer Erlebnisqualität bzw. des subjektiven Gefühlserlebnisses. Während Freude mit Assoziationen wie Glück, Helligkeit, Lachen etc. ver-
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bunden wird, sind es bei Behaglichkeit z.B. Eindrücke von Geborgenheit, Wärme und menschlicher Nähe. Die Erlebnisqualität von Emotionen stellt die Forschung vor erhebliche Probleme. So herrschen z.B. uneinheitliche Meinungen darüber, wie viele unterschiedliche Emotionen es gibt. In der deutschen Sprache lassen sich über fünfhundert Gefühlswörter unterscheiden, die jedoch nicht unabhängig voneinander sind (MATTENKLOTT 2002, S. 534). PEKRUN (1988) hält es für unmöglich, vollständige Auflistungen menschlicher Emotionen zu erstellen. Zu den populärsten Klassifizierungsansätzen gehören das Konzept der Basisemotionen, das Ausdrucksverhalten sowie gebräuchliche Emotionswörter. Basisemotionen Das Konzept der Basisemotionen (auch Primär- oder Grundemotionen genannt) geht von der Existenz verschiedener primärer oder grundlegender Emotionen aus, auf denen Emotionsmixturen sekundärer oder sogar tertiärer Emotionen basieren können (vgl. die Übersicht bei ORTONY/TURNER 1990, siehe auch IZARD 1999, SIEMER 1999). Zu den Basisemotionen existieren unterschiedliche Definitionsansätze (ORTONY/TURNER 1990, S. 315 ff.). Ein weit verbreiteter Ansatz sieht Basisemotionen als angeborene, biologisch determinierte Emotionen, die mit einem spezifischen Gesichtsausdruck und universeller, d.h. kulturübergreifender Gültigkeit einhergehen (EKMAN 1992). Die Anzahl der identifizierten Basisemotionen variiert. So unterscheidet z.B. IZARD (1999, S. 10) folgende zehn Basisemotionen: •
Interesse/Erregung
•
Freude/Vergnügen
•
Überraschung/Schreck
•
Kummer/Schmerz
•
Zorn/Wut
•
Ekel/Abscheu
•
Geringschätzung/Verachtung
•
Furcht/Entsetzen
•
Scham/Schüchternheit/Erniedrigung
•
Schuldgefühl/Reue
Zu den Sekundäremotionen zählen z.B. Eifersucht, Stolz, Liebe, Dankbarkeit und Sehnsucht. Sie sind kognitiv komplexer und meist aus zwei oder drei primären Emotionen zusammenge-
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setzt (PLUTCHIK 1991, IZARD 1999). Während die Primäremotionen angeboren sind, sind die Sekundäremotionen in der Regel gelernt. Das Konzept der Basisemotionen hat große Verbreitung erfahren, wird jedoch in der Forschung intensiv diskutiert und vielfach auch kritisiert (ORTONY/TURNER 1990, SIEMER 1999). So wird die Grundannahme in Frage gestellt, dass Basisemotionen existieren, aus denen alle anderen Emotionen zusammengesetzt sind und durch die sie erklärt werden können (ORTONY/TURNER 1990, S. 315 ff.). Bislang scheint kein zufrieden stellendes Kriterium für die Grundlegendheit von Emotionen gefunden worden zu sein. Viele Forscher lehnen das Konzept der Basisemotionen entsprechend ab, stimmen jedoch darin überein, dass sich übergreifende Emotionsfamilien und -prototypen bestimmen lassen. Ausdrucksverhalten Die Klassifizierung von Emotionen auf Basis des Ausdrucksverhaltens basiert auf der Annahme, dass Emotionen durch Gesichtsausdrücke akkurat widergespiegelt werden (vgl. dazu IZARD 1971, EKMAN 1980, 1984, 1988, EKMAN/FRIESEN 1982). Demnach kann bestimmten Emotionskategorien ein spezifisches Ausdrucksverhalten zugeordnet werden (EKMAN 1984). Hierzu gehören z.B. Freude, Traurigkeit, Ärger und Ekel. Allerdings schließt PEKRUN (1988) nicht aus, dass weitere grundlegende Emotionskategorien existieren, denen kein spezifisches Ausdrucksverhalten zuzuordnen ist. Das Konzept der Universalemotionen von EKMAN (1982) geht davon aus, dass es über die Kulturkreise hinweg bestimmte angeborene und genetisch bestimmte Universalemotionen gibt. Diese Annahme wird allerdings unter anderem dahingehend kritisiert, dass Untersuchungen der emotionalen Reaktionen von Menschen aus verschiedenen Kulturen ausschließlich auf Basis der englischsprachigen Terminologie ausgeführt wurden (KAUSCHKE/KLANN-DELIUS 1997). Korrespondierende Begriffe in unterschiedlichen Sprachen beschreiben jedoch häufig nicht dieselben Phänomene. Die Klassifikation nach dem Ausdrucksverhalten erscheint für die praktische Anwendung demnach weniger geeignet. Zudem betrifft sie lediglich die Emotionen, nicht die Gefühle, da ein bestimmtes emotionales Ausdrucksverhalten nicht unbedingt mit einem bewussten Gefühlserlebnis einhergeht. Emotionswörter Ein weiterer, weit verbreiteter Klassifizierungsansatz setzt auf Emotionswörter. Zur Bezeichnung von Emotionen sind sowohl Adjektive als auch Substantive gebräuchlich. Es existieren umfangreiche Listen von Emotionswörtern und so genannte Erlebnislisten (siehe z.B.
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SCHMIDT-ATZERT 1981, S. 38 ff., 82 ff., FAEHSLER 1986, S. 47 ff., BATRA/HOLBROOK 1990, S. 16, KOVER/ABRUZZO 1993, S. 27), wobei Letztere allerdings eher Wörter mit emotionalen Reizeigenschaften als Bezeichnungen für Emotionen enthalten. Es gibt vielfältige Bemühungen, Emotionswörter zu systematisieren, z.B. durch die Ermittlung von Ähnlichkeiten (SCHMIDT-ATZERT 2000, S. 30 ff.). Versuche, Emotionswörter etwa mit Hilfe von Faktorenanalysen zu verdichten, offenbaren in der Regel drei Grunddimensionen. Nach dem so genannten PAD Model von MEHRABIAN/RUSSELL (1974) handelt es sich hierbei um Pleasure (Lust – Unlust), Arousal (Erregung – Beruhigung) und Dominance (Dominanz – Unterordnung). Bezüglich der Ausprägung dieser Dimensionen besteht weitgehend Einigkeit, auch wenn sie zum Teil anders bezeichnet werden (vgl. z.B. MEFFERT/FAEHSLER 1986, FAEHSLER 1986, BATRA/HOLBROOK 1990). Kritik am Ansatz der Emotionswörterlisten entzündet sich unter anderem an der Frage, in welcher Beziehung die Emotionswörter zu den tatsächlich erlebten Gefühlen stehen. So bestehen in Zusammenhang mit Gefühlen erhebliche Verbalisierungsprobleme (KAUSCHKE/ KLANN-DELIUS 1997, S. 173 ff.). Auch wird die interkulturelle Übertragbarkeit von Emotionswörtern als problematisch angesehen (ebd.). Nach wie vor besteht zudem Uneinigkeit hinsichtlich der Abgrenzung von Emotionen zu anderen emotionalen Zuständen wie Stimmungen. Die Relevanz bestimmter Emotionswörter scheint des Weiteren vom jeweiligen Anwendungsbereich abzuhängen. So wurde im Rahmen einer aktuellen Studie bei der Validierung eines Fragebogens zur Erfassung emotionaler Reaktionen auf Werbeanzeigen festgestellt, dass offensichtlich nur ein bestimmter Teil der ursprünglich vorgelegten Emotionswörter im Zusammenhang mit Werbung relevant ist (vgl. SCHIMANSKY 2005, 2006). Ein aktuellerer Klassifizierungsansatz, der die genannten Nachteile zwar nicht vermeidet, jedoch eine differenzierte Betrachtung von Emotionswörtern ermöglicht, ist das Funktionale Modell der Emotionen von EDWARDSON (1998). Demnach können mehr als zweihundert prototypische Emotionen unterschieden werden. Emotionswörter werden durch so genannte Skript-Elemente definiert, bei denen es sich um Gedanken, Gefühle, Verhaltenstendenzen, Verhalten oder Ziele handelt. Jedes Emotionswort beschreibt ein spezifisches Set von SkriptElementen. Dadurch lässt sich nicht mehr nur eine bestimmte Anzahl an Basisemotionen unterscheiden, sondern viele subtile und unterschiedliche emotionale Zustände. Durch die Analyse der Skripte für jede Emotion bzw. jedes Emotionswort können die spezifischen zugrunde liegenden Gedanken, Gefühle etc. herausgefunden werden. EDWARDSON nutzt dieses Modell zur Erforschung von Gefühlserlebnissen im Zusammenhang mit Serviceleistungen. Da es
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eine differenzierte Erfassung und Beschreibung von emotionalen Erlebnissen ermöglicht, kann das Modell auch im Rahmen der Kommunikationsentwicklung Anwendung finden.
3.3.2.3. Einfluss der Emotionen auf das Verhalten „I feel therefore I am“ (DAMASIO 1994). Neben der grundlegenden Antriebsfunktion der Emotionen ist insbesondere die nach innen gerichtete Informationsfunktion von Bedeutung. Emotionen sind für das Individuum eine mindestens ebenso wichtige Informationsquelle wie analytische Kognitionen (CHAUDHURI/ BUCK 1995, S. 439). Sie haben einen stärkeren Einfluss auf das Verhalten als aktives Nachdenken (MADDOCK/FULTON 1996, S. 33 ff.). An dieser Stelle ist allerdings erneut darauf hinzuweisen, dass Emotionen und Kognitionen nicht zu trennen sind und es sich hierbei eher um ein Kontinuum handelt. Gefühle lenken alle Arten von Entscheidungen (DAMASIO 1994), wobei angenommen wird, dass Entscheidungen zu über siebzig Prozent unterbewusst fallen (HÄUSEL 2004, S. 6). Erst Emotionen geben Sachverhalten Bedeutung. Gemäß der Feeling-as-InformationHypothese von SCHWARZ (1990) nutzen Individuen ihre bewussten emotionalen Reaktionen auf einen Reiz als Informationsbasis für kognitive Bewertungen (SCHWARZ 2000, S. 433 ff.). Sämtliche Entscheidungen beinhalten Voraussagen über zukünftige Gefühle. Eine Entscheidung hängt davon ab, von welcher Option positivere Gefühle zu erwarten sind. Nach der Emotionstheorie von MOWRER (1960) führen externe Stimuli, die mit Hoffnung und Erleichterung verbunden, d.h. assoziiert, sind, zu Annäherungsverhalten, während solche, die mit Furcht und Enttäuschung verbunden werden, Vermeidungsverhalten auslösen (ABELEBREHM/GENDOLLA 2000, S. 299). Alle Informationen, also auch Produktbotschaften, werden vom Gehirn unterbewusst auf ihren emotionalen Wert hin analysiert (HÄUSEL 2004). Ohne Emotionen sind dementsprechend keine Entscheidungen möglich. Sie „lenken“ die Gedanken, indem sie Vorentscheidungen treffen und das Individuum in eine bestimmte Richtung drängen, wobei diese Vorselektionen unterbewusst und quasi automatisch ablaufen. Diese Annahmen entsprechen dem Modell der Primacy of Feelings in Judgment (PHAM et. al. 2001), das sich auf den Einfluss von Emotionen in bewussten Beurteilungsprozessen bezieht. Es geht davon aus, dass Individuen in Beurteilungsprozessen ihre Gefühle gegenüber dem Bewertungsobjekt bewusst überprüfen. Verglichen mit argumentenbasierten Abschätzungen des Bewertungsobjektes sind daraus resultierende Bewertungen wegen der schemabasierten Verarbeitung meist schneller, stabiler und konsistenter, da die Gedanken durch die
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unmittelbaren Gefühle gelenkt werden. Im Grunde handelt es sich hierbei um die für die Consumer Insight-Findung bedeutsame Intuition. Wie emotionale Assoziationen zustande kommen, wird in Abschnitt 3.3.2.4 näher beleuchtet. Bedeutung der Emotionen für das Konsumentenverhalten Emotionen haben somit einen bedeutenden Einfluss auf das Entscheidungsverhalten und damit auch auf das Konsumentenverhalten. Als einer der ersten hat DICHTER die Bedeutung der Emotionen für das Konsumentenverhalten betont (STERN 2004). In Deutschland war es insbesondere KROEBER-RIEL, der die Bedeutung von Emotionen für das Marketing hervorhob und die Erkenntnisse der Emotionsforschung auf das Konsumentenverhalten übertrug. Die Bedeutung der Emotionen für das Konsumentenverhalten wird durch neuere Untersuchungen gestützt. So konnte gezeigt werden, dass Emotionen bei Kaufentscheidungen in vielen Produktkategorien ein deutlich stärkeres Gewicht als Wissen bzw. Kognitionen haben (MORRIS et. al. 2002). Einer Untersuchung von O`NEILL/LAMBERT (2001) zufolge beeinflussen Emotionen auch die Reaktionen auf den Preis bzw. die Preiswahrnehmung eines Produktes und wirken sich damit auf die kognitiven Bewertungen aus. Der größte positive Einfluss wird demnach dann erzielt, wenn Marken mit Gefühlen von Überraschung und Freude assoziiert werden. Globale emotionale Assoziationen und Eindrücke, die unter anderem durch Werbung vermittelt werden, beeinflussen die Risiko- und Nutzenwahrnehmung der Konsumenten, die sich wiederum auf deren Involvement auswirkt. Einen Erklärungsansatz dafür liefert die AffektHeuristik von SLOVIC et. al. (2002). Ruft ein Stimulus spontan einen positiven emotionalen Eindruck hervor, so sinkt die Risikowahrnehmung, während die Nutzenwahrnehmung verglichen mit einem emotional neutralen Stimulus steigt. Ruft ein Stimulus einen negativen emotionalen Eindruck hervor, so tritt der umgekehrte Fall ein. Der Entscheidungsträger greift als Urteilsgrundlage somit auf einen emotionalen Eindruck zurück. Die emotionalen Assoziationen färben auf die Bewertung von Risiko und Nutzen ab und können so zu Verzerrungen bezüglich der „objektiven“ Risiko- und Nutzenwerte führen (der in 3.1.2.1 erwähnte „Emotional Bias“, vgl. PLASSMANN et. al. 2005, S. 1). Durch Manipulation der emotionalen Eindrücke, z.B. durch emotionale Werbung, lassen sich somit bewusst „Urteilsfehler“ herbeiführen und Produkte als vorziehenswürdig darstellen. Im Beispiel WEEDOL ist das Produkt dem Hauptkonkurrenten von den Leistungswerten her unterlegen, kann jedoch durch die Adressierung eines hochrelevanten, unentdeckten emotionalen Nutzens („Spaß am Unkrautvernichten“) diesen Nachteil ausgleichen. Das Ausmaß des Einflusses der Werbung auf die Nutzenwahr-
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nehmung eines Produktes hängt insbesondere von der emotionalen Qualität eines Stimulus ab, d.h. inwieweit er durch seine Ausgestaltung in der Lage ist, emotionale Assoziationen hervorzurufen (SLOVIC et. al. 2002, S. 332). Dass Markenwahlentscheidungen entweder auf emotionsbasierten (intuitiven) oder analytischen Entscheidungsstrategien beruhen können, weist PLASSMANN (2006) mithilfe der fMRT (vgl. dazu 3.5.4.3) nach. Emotionsbasierte Entscheidungsheuristiken kommen dann zum Tragen, wenn eine Marke vertraut ist, d.h. der Konsument bereits persönliche Erfahrungen mit der Marke gesammelt hat und wenn es sich bei der Marke um die Lieblingsmarke in der jeweiligen Kategorie handelt. In diesem Zusammenhang lassen sich auch Erkenntnisse über den Einfluss von Emotionen in politischen Wahlen anführen. Wählerentscheidungen kommen nicht alleine auf Basis einer rationalen Einschätzung von Kandidaten oder Parteiprogrammen zustande, sondern werden stark durch gefühlsmäßige Komponenten bestimmt (ABELSON et. al. 1982, siehe dazu EDELL/BURKE 1987, S. 422). Eine neuere Untersuchung von IACOBONI (zitiert in VON SCHAPER 2004, OERTL 2005) zum neuronalen Geschehen in Zusammenhang mit Wählerpräferenzen bei der US-Präsidentenwahl unter Einsatz von Hirnforschungsmethoden deutet auf mögliche Gründe dafür hin. So zeigen die Gehirne der Probanden beim Anblick des favorisierten Kandidaten eine emotionale Reaktion in der entsprechenden Hirnregion (ventromedialer präfrontaler Cortex), während beim Anblick von Gegenkandidaten oder deren Wahlwerbung diejenige Hirnregion aktiv wird, die auf eine rationale Aktivität hindeutet (dorsolateraler präfrontaler Cortex). Hieraus wird abgeleitet, dass sich Menschen gefühlsmäßig mit einem Kandidaten identifizieren und gleichzeitig mit ihrem Verstand gegen die Botschaften anderer Kandidaten wehren. Wählerpsychologie ist allerdings sehr speziell und unterscheidet sich von der Konsumentenpsychologie. Für die Markenführung wird hier dennoch Folgendes geschlussfolgert: Wenn eine gefühlsmäßige Bindung zu einem Bewertungsobjekt, z.B. einer Marke, besteht (vertraute Marke, Lieblingsmarke), ist davon auszugehen, dass Botschaften von konkurrierenden Objekten, z.B. Wettbewerbsmarken, mehr oder weniger ausgeblendet bzw. auf kognitiver Ebene aktiv „bekämpft“ werden. Diese Annahme sollte überprüft werden. Die Bedeutung der Emotionen für das Konsumentenverhalten erscheint angesichts der bisherig angeführten Erkenntnisse unstrittig. Bislang herrscht in der Marketingliteratur allerdings vielfach eine andere Sichtweise vor. So wird häufig davon ausgegangen, dass der Konsument rational handelt und vor einer Kaufentscheidung die zur Auswahl stehenden Alternativen sorgfältig abwägt (in Abhängigkeit von Faktoren wie Markenrelevanz, Produktkategorie, verfügbarem Einkommen etc.). Diese Sichtweise spiegelt sich unter anderem im Konzept des
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Consideration Set wider. Dabei handelt es sich um ein Konstrukt, das das Entscheidungsverhalten der Konsumenten erklären bzw. vereinfachen soll. Vor dem Hintergrund der aufgeführten Erkenntnisse können derartige Modelle aufgegriffen und erweitert werden. So ist anzunehmen, dass sich Consideration Sets auch auf Grundlage emotionaler Eindrücke bilden (vgl. 4.3.2.2). Auf Basis der vorangegangenen Ausführungen erscheint es mit HÄUSEL (2005, S. 71) angebracht, Entscheidungen, die gemeinhin als „rational“ oder „vernünftig“ gelten, eher als emotionale Entscheidungen mit positiven Konsequenzen aufzufassen. Somit bleibt Folgendes festzuhalten: •
Emotionen sind eine Schlüsseldeterminante des menschlichen Entscheidungsverhaltens und damit auch des Konsumentenverhaltens.
•
Entscheidungen beinhalten Voraussagen über zukünftige Gefühle. Eine Entscheidung hängt davon ab, von welcher Option positivere Gefühle zu erwarten ist – weniger davon, wie die Attribute der Alternativen bewertet werden. Die diesbezüglichen Erwartungen werden insbesondere von den mit einer Marke verbundenen emotionalen Assoziationen beeinflusst.
•
Vertraute Marken werden intuitiv auf Basis von emotionsbasierten Entscheidungsstrategien ausgewählt. Wenn eine gefühlsmäßige Bindung zu einer Marke besteht, werden Werbebotschaften von Konkurrenzmarken mehr oder weniger ausgeblendet.
Erkenntnisse aus der Hirnforschung geben Aufschluss darüber, auf welche Weise Emotionen das Entscheidungsverhalten beeinflussen. Der interessierte Leser sei dazu auf die entsprechenden Erläuterungen in Anhang A.1 sowie auf die Veröffentlichungen von HÄUSEL (2000/2003, 2002, 2004, 2005) verwiesen, die einen reichhaltigen Fundus an aktuellen Erkenntnissen zu Hirnforschung und emotionalem Erleben bieten.
3.3.2.4. Schematheorie als theoretischer Bezugsrahmen Hintergrund Im Zusammenhang mit Marken, dem emotionalen Erleben sowie dem Einfluss der Emotionen auf das menschliche Verhalten war in den vorangegangenen Abschnitten verschiedentlich von Schemata die Rede. Das Schema-Konzept stammt ursprünglich aus der Kognitionsforschung. Die Schematheorie basiert auf Überlegungen zur Organisation von Wissen im menschlichen Gehirn. Schemata werden als generelle, nichtsprachliche Wissensstrukturen im Gedächtnis aufgefasst, die vorhandene Erfahrungen repräsentieren und den Informationsverarbeitungs-
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prozess organisieren (MANDLER 2002, S. 44, ESCH 2003, S. 68 f., BINSACK 2003, S. 61, TROMMSDORFF 2004a, S. 299 f.). Da das psychische System des Menschen nach kortikaler Entlastung sucht, laufen viele Verhaltensweisen als automatisierte Verhaltensroutinen mit geringer Bewusstseinsbeteiligung ab. Gespeicherte Schemata erleichtern die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung (WICKS 1992). Sie befähigen den Menschen dazu, die Welt zu verstehen, zu interpretieren und wahrzunehmen. Der bewusste Verstand wird dann eingeschaltet, wenn keine passenden Schemata vorhanden sind. Es handelt sich dabei um Assoziationsgeflechte, d.h. netzartige Strukturen, in denen Wissen im Gedächtnis repräsentiert ist. Im Allgemeinen ist dabei von kognitiven Schemata oder neuerdings auch von „Brain Scripts“ (GUTJAHR 2005) die Rede. Auch das emotionale Erleben gilt als schemagebunden. Als Ergebnis der folgenden Ausführungen lässt sich vorwegnehmen, dass sich die Schematheorie als Bezugsrahmen für zentrale Aspekte dieser Arbeit eignet. Bei der Schematheorie handelt es sich um ein Konglomerat aus verschiedenen Theorien, die miteinander verknüpft werden. Dazu zählen z.B. die Kognitions-, die Involvement- und die Inkongruenz-Kongruenz-Theorie. Schemata als Basis des Emotionserlebens Die Schematheorie ist stark kognitiv geprägt, dient jedoch auch als Basis für Überlegungen zum emotionalen Erleben. Demnach entstehen emotionale Erlebnisse erst durch die Aktivierung von emotionalen Schemata, die wiederum die Informationsverarbeitung lenken. Sie spezifizieren, welche Arten von Informationen zu identifizieren und zu bewerten sind (LEVENTHAL 1984, PEKRUN 1988, OCHSNER/SCHACHTER 2000, S. 168). Auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit auf emotional relevante interne Sachverhalte (z.B. Gefühle, Ziele, Pläne) und externe Stimuli gelenkt. Schema-relevante Informationen werden beachtet und erinnert, während schema-irrelevante Informationen ignoriert und kaum erinnert werden. Die Annahmen zu emotionalen Schemata basieren auf der Theorie der kognitiven Schemata. Diese sind in der verhaltenswissenschaftlichen Literatur weitaus geläufiger als die emotionalen Schemata. Die ersten Überlegungen zur Anwendung von Schemata auf Emotionen stammen von PIAGET (1945). Er beschreibt „affektive Schemata“ als eine Art Gussform unterschiedlicher, wiederkehrender Gefühle. So wie kognitive Strukturen Organisationsformen der gedanklichen Verarbeitung darstellen, können emotionale Schemata als Organisationsformen des Fühlens oder „Folien/Raster des Erlebens“ (ULICH 1992a, S. 29) betrachtet werden. Es handelt sich um Mechanismen, die die Wahrnehmung von Stimuli mit der Emotionsauslösung verknüpfen (PEKRUN 1988). Aus kognitionstheoretischer Sicht werden emotionale Schema-
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ta als kognitive Strukturen, die in Emotionen involviert sind, aufgefasst (MANDLER 2002, S. 99). Analog zu den kognitiven Schemata handelt es sich bei den emotionalen Schemata um die Repräsentation vergangener Erfahrungen. Sie beinhalten Stimulussituationen, die ursprünglich eine bestimmte Emotion hervorgerufen haben, sowie Musterinformationen über motorische, instrumentelle Reaktionen, die mit derartigen Situationen gekoppelt sind (LEVENTHAL 1984). Einerseits ermöglichen sie die unterbewusste Erzeugung von emotionalen Erlebnissen, andererseits das Verstehen von eigenen und fremden Gefühlsregungen. Die gespeicherten Erfahrungen bestimmen demnach die Gefühlserlebnisse (HÜTHER im Interview mit WEBER 2004, S. 10). Bei gleichzeitiger Aktivierung von mehreren Schemata entstehen Gefühlsmischungen. Das Erleben eines bestimmten Gefühls impliziert zum einen das Vorhandensein, zum anderen die Aktivierung entsprechender emotionaler Schemata (ULICH 1992b, S. 86, MANDLER 2002, S. 100). Des Weiteren wird es unter anderem durch die existierenden Werte-Schemata, die Stimmung des Individuums sowie den situativen Kontext beeinflusst. Der Prozess der Schema-Aktivierung lässt sich aus der kognitiven Schematheorie ableiten. Demnach löst ein Reiz immer dann eine Reaktion aus, z.B. ein Gefühlserlebnis, wenn Informationen schemaentsprechenden Inhaltes auftauchen. Im Zuge der Schema-Aktivierung wird ein gegenwärtiges Ereignis mit einem Schema verbunden, das charakteristisch für frühere emotionale Episoden war. Auf diese Weise wird das gegenwärtige emotionale Erlebnis organisiert (LEVENTHAL/SCHERER 1987, S. 10). Ein Ereignis erhält somit erst durch Schemapassung Bedeutung. Die Emotionsforschung greift dabei auf psychologische Erkenntnisse zur Informationsverarbeitung zurück, wonach die Schema-Aktivierung über eine LeerstellenAusfüllung erfolgt (RUMELHART/ORTONY 1977, WALDMANN 1990, ULICH 1992b, S. 90 ff.). Ist das entsprechende Schema aktiviert, so wird die darin gespeicherte Prozedur in Gang gesetzt und die Emotion ausgelöst. Durch die assoziative Berührung zwischen Ereignis und emotionalen Schemata entsteht nach psychologischer Definition emotionale Involviertheit. Für die Werbung lassen sich Schemata gezielt „anzapfen“, um dadurch emotionales Involvement zu schaffen (AAKER 2000, S 59). Eine wichtige Rolle für die schemabasierte Verarbeitung und damit für das Emotionserleben spielen die bildhaften Elemente von Schemata, die auch als innere Bilder oder Imagery bezeichnet werden (LYMAN/BERNARDIN/THOMAS 1980, PLUTCHIK 1984, RUGE 1988, LYMAN/WATERS 1989). Auf die Zusammenhänge zwischen emotionalen Erlebnissen und visuellen Vorstellungen weisen eine Vielzahl von Autoren hin (siehe die Übersicht bei PETRI 1992, S. 72). Die Prozessierung von Vorstellungsbildern oder „emotionalen Images“ (LANG
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1984, BÖSEL/OTTO/WIELAND-ECKELMANN 1986) gilt als Charakteristikum der Wirkungsweise von Emotionen beim Denken (DAMASIO 1994). Bewusste Gefühlserlebnisse sind mit gedanklichen Assoziationen, insbesondere mit Imagery-Vorgängen, verknüpft (PLUTCHIK 1984, LYMAN/WATERS 1989, S. 72 f., KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 105). In den visuellen Gedankenbildern sind emotionale Eindrücke gespeichert, die auch als „gespeicherte Gefühle“ bezeichnet werden (KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 109 und 188). Die Vorstellungsbilder dienen als eine Art „interne Zünder“ des emotionalen Verhaltens (PLUTCHIK 1984, S. 105). Daraus lässt sich auch die überlegene Werbewirkung von bildhaften bzw. visuellen Werbereizen ableiten (siehe Abschnitt 4.2.2.2). Aufgrund der schemabasierten, automatischen Entstehung von Emotionen wirkt emotionale Werbung besonders schnell. Die Schematheorie liefert zudem Hinweise auf besonders verhaltenswirksame Bildmotive (vgl. dazu die Arbeit von DIETERLE 1992). An dieser Stelle ist nun konkreter zu überlegen, in welchem Verhältnis emotionale und kognitive Schemata zueinander stehen. Es ist anzunehmen, dass hier ein einheitliches Konstrukt für unterschiedliche Sachverhalte herangezogen wird, die allerdings eng zusammenhängen. Während bei der kognitiven Schematheorie kognitive Prozesse in Form der Funktion von Wissen über Gegenstände, Zustände, Ereignisse oder Handlungen im Vordergrund stehen (TROMMSDORFF 2004a, S. 299 f.), ist die emotionale Schematheorie auf emotionale Prozesse ausgerichtet, d.h. auf die Entstehung von Emotionen generell sowie die Rolle von Schemata bei der Entstehung von Gefühlserlebnissen. Von emotionalen Schemata ist demnach also immer dann die Rede, wenn emotionale Reaktionen im Vordergrund der Betrachtung stehen. Möglicherweise liegen die beiden Konstrukte auf unterschiedlichen Ebenen. So ist anzunehmen, dass die emotionalen Schemata sehr spezielle Schemata auf primitiverer Ebene bezeichnen, die ausschließlich das emotionale Erleben steuern und emotionale Erlebnisse organisieren. Davon werden hier komplexere Schemata auf höherer Ebene unterschieden, zu denen z.B. die Markenschemata gehören. Hierbei handelt es sich um komplexere Repräsentationen von Sachverhalten, die üblicherweise als kognitive Schemata bezeichnet werden. Diese Bezeichnung ist allerdings irreführend, da sie zentrale Komponenten von Schemata vernachlässigt: die emotionalen Facetten. „Heiße“ Faktoren wie Motive, Werte, Emotionen wurden im Bereich der kognitiven Schematheorie lange ignoriert (vgl. die Kritik bei GARRAMONE 1992). Die hier vollzogene Unterscheidung zwischen primitiveren, emotionalen und komplexeren Schemata lässt sich auch entwicklungsgeschichtlich begründen: so entstehen z.B. olfaktorische Schemata viel unmittelbarer. Dies lässt sich unter anderem darauf
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zurückführen, dass Emotionen quasi automatische Reaktionen auslösen. DAMASIO (1994) spricht in diesem Zusammenhang vom „heißen Draht der Gefühle“. Nach der hier vertretenen Auffassung beinhalten komplexere Schemata emotionale Schemata, die in Verbindung mit der Aktivierung der komplexeren Schemata bestimmte Gefühlserlebnisse auslösen. Inzwischen gilt als erwiesen, dass Schemata komplexe Gebilde sind, die sowohl kognitive Komponenten (Überzeugungen) als auch emotionale Komponenten (Gefühle) beinhalten (GARRAMONE 1992, ESCH 2001, S. 86, CHRISTENSEN/OLSON 2002). Sie umfassen nicht nur Sachverhalte und Semantisches, sondern auch Emotionales, Bildhaftes etc. (PETRI 1992, GREENBERG/RICE/ELLIOTT 1993, ESCH 1998, S. 96 ff. , ESCH 1999, S. 546). Manche Autoren sprechen dementsprechend integrativ von „kognitiv-affektiven Schemata“ (FIEDLER 2000, S. 558). Schemata sind demnach komplexe Gebilde, die aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden können. Je nach Ausprägung dieser Facetten kann z.B. ein Markenschema eher emotional oder eher kognitiv geprägt sein. Im Rahmen dieser Arbeit soll also differenziert werden zwischen •
emotionalen Schemata, die das emotionale Erleben steuern und
•
komplexeren Schemata als Repräsentationen von vielschichtigen Sachverhalten, die unter anderem emotionale und kognitive Komponenten enthalten können.
Markenschemata und emotionale Assoziationen Individuen haben zu allen möglichen Sachverhalten Schemata gespeichert. So lassen sich z.B. Personen-, Erlebnis-, Kategorie-, Marken-, Werbeschemata usw. unterscheiden. Diese sind dem Individuum nicht unbedingt bewusst, können jedoch durch bestimmte Techniken mehr oder weniger zugänglich gemacht werden. Schemata lassen sich als semantische Assoziationsnetzwerke darstellen (ESCH 2003, S. 68). Ein Markenschema reflektiert die existierenden Vorstellungen zu einer spezifischen Marke und wird üblicherweise auch als Markenimage bezeichnet. Über das Markenschema werden bereits gemachte Erfahrungen mit einer Marke, emotionale Bewertungsmuster und Wissensstrukturen in aktuelle Entscheidungsprozesse integriert (EDWARDSON 1998). Der Aufbau starker Markenschemata ist essenziell für den Markenerfolg (ESCH 2003, S. 68 f.). Starke Markenschemata und deren Anreicherung mit Gefühlen spielen insbesondere bei impliziten (intuitiven) Entscheidungen eine wichtige Rolle (PLASSMANN 2006). Diese kommen meist in komplexen Situationen zum Tragen, in denen ein Individuum schnell und spontan entscheiden muss. Dabei werden jene Hirnregionen stärker aktiviert, die für Assoziationen ver-
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schiedener Erlebnisdimensionen (Wahrnehmung, Gefühle, Erinnerungen) zuständig sind. Es sind solche Marken im Vorteil, die stärker in diesem Netzwerk verankert sind. Voraussetzung dafür, dass mit einer Marke überhaupt spezifische Assoziationen verknüpft werden können, ist Markenbekanntheit. ESCH (2003, S. 69 ff.) fasst Markenschema bzw. -image und Markenbekanntheit unter dem Begriff „Markenwissen“ der Konsumenten zusammen. Wissen wird in der Literatur zum Konsumentenverhalten unterschiedlich breit definiert. Im Rahmen dieser Arbeit wird zwar grundsätzlich der Konstrukt-Systematik von TROMMSDORFF (2004a) gefolgt, der zwischen Wissen/Kognitionen und Image differenziert. Dennoch soll hier aus pragmatischen Gründen die Auffassung von ESCH (2003) aufgegriffen werden, demzufolge sich das Markenwissen wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt operationalisieren lässt.
Visuelle Markenanker (Präsenzsignal, WortBild-Zeichen, Farb- und Formcodes) Aktive Markenbekanntheit Markenbekanntheit Passive Markenbekanntheit
Verbaler Markenanker Verbaler Zugriff Nonverbaler Zugriff
Markenwissen
Abgleich mit Wissensstruktur der Konkurrenz
Emotional
Markenimage
Art der Markenassoziationen
Kognitiv geprägt
Stärke der Markenassoziationen
Verbal
Repräsentation der Markenassoziationen
Nonverbal (Bilder, Jingles, haptische u. olfaktorische Bilder usw.)
Zahl der Markenassoziationen Einzigartigkeit der Markenassoziationen
Produktbezogene Assoziat.
Relevanz der Markenassoziationen
Markenbezogene, eigenständige Assoziat.
Richtung der Markenassoziationen
Angenehm
Zugriffsfähigkeit der Markenassoziationen
Unangenehm
Abbildung 3-5: Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten (Quelle: ESCH 2003, S. 70)
Die Ermittlung des existierenden Markenwissens, also der aktiven und passiven Markenbekanntheit sowie des Markenimages, z.B. der Art, Stärke, Zahl und Einzigartigkeit der bestehenden Markenassoziationen, ist wichtiger Bestandteil der Consumer Insight-Findung. Dabei
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geht es immer um eine relative Betrachtung des Markenwissens im Vergleich zu dem der relevanten Wettbewerber. Markenschemata können unterschiedlich komplex sowie stärker emotional oder kognitiv geprägt sein (STAYMAN/AAKER 1988, S. 371). Die emotionalen Assoziationen bestimmen die gefühlsmäßige Markenbindung. Vertraute Marken lösen insbesondere emotionale Prozesse aus und werden intuitiv ausgewählt (PLASSMANN et. al. 2005). Das Abrufen von gespeicherten Informationen verläuft über die Suche nach emotionalen Etiketten (ZAJONC 1980). Zur Wirkung emotionaler Markenassoziationen lässt sich das Schema-Triggered Affect-Model von FISKE/PAVELCHAK (1986) anführen. Demnach werden Marken und Produktkategorien auf Basis emotionaler Einschätzungen beurteilt, die mit bestimmten Assoziationen verknüpft sind (EDELL/ANDERSON 1990). Marken werden durch Emotionen markiert und mit emotionalen Bewertungen versehen. Die Informationsverarbeitung erfolgt in diesem Modell in zwei Stufen: zum einen über die Schema-Aktivierung, zum anderen über einen „AffektTransfer“, d.h. die Aktivierung der mit dem Schema verbundenen emotionalen Etiketten. Markenbindung lässt sich als Gedächtnisspur auffassen, die eine positive Wiederholungserwartung gespeichert hat. Das Schema-Triggered Affect-Model wird durch die neueren Erkenntnisse zum Limbischen System (vgl. Anhang A.1) und der inzwischen populären Somatic-Marker Hypothese von DAMASIO (1996) bestätigt. Demnach hinterlässt jede Situation und jedes Objekt, mit dem ein Individuum Erfahrungen gesammelt hat, emotionale Markierungssignale, die so genannten somatischen Marker (BECHARA/DAMASIO 2002, S. 1675 ff., HEATH 2002, S. 40, PLASSMANN et. al. 2005, o.V. 2005b, S. 13). Diese speichern eine Bewertung der erlebten Situation (angenehm/unangenehm, Wiederholungs- bzw. Vermeidungstendenz). Diese Bewertungen werden im unbewussten emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert und können zukünftige Verhaltensweisen beeinflussen. Defizite im emotionalen Markieren führen zu einer Beeinträchtigung des Entscheidungsverhaltens (BECHARA/ DAMASIO 2002, S. 1675 ff.). Alle wahrgenommenen Informationen, auch Werbebotschaften, werden auf diese Weise emotional eingefärbt. Unbewusst findet eine Verknüpfung des Werbeobjekts mit der gleichzeitig wahrgenommenen emotionalen Ausstrahlung des Hintergrundes statt, in die das Werbeobjekt eingebettet ist. Das Werbeobjekt wird zusammen mit der emotionalen Bewertung gelernt. Dies lässt sich mit dem Prinzip der emotionalen Konditionierung erklären (siehe Abschnitt 4.4.2) und weist zugleich auf die Bedeutung peripherer Hinweisreize wie z.B. der Attraktivität eines Darstellers hin (vgl. dazu Abschnitt 4.2.2.3). Die emotionalen Etiketten sind allerdings nicht stabil, sondern müssen immer wieder mit neuen (emotionalen) Informationen angereichert und verstärkt werden. Ansonsten besteht die Ge-
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fahr, dass sie „überschrieben“ werden. Marken sollten deshalb möglichst kontinuierlich präsent und werblich aktiv sein (o.V. 2005b, S. 13). Da Wissen hierarchisch strukturiert und das Markenwissen dem Wissen zur jeweiligen Produktkategorie untergeordnet ist, gibt bei unbekannten Marken das Kategorieschema den Rahmen für die Informationsverarbeitung vor (LIU 1999). Alle Marken einer entsprechenden Kategorie werden automatisch mit den damit verbundenen Schemavorstellungen, unter anderem den emotionalen Etiketten, assoziiert. Untersuchungen von EDWARDSON (1998) zu Dienstleistungsprodukten zufolge sind verschiedene Kategorien mit einem unterschiedlichen Ausmaß an positiven und negativen Emotionen verbunden (Emotion Valence Ratios (EVRs), wodurch sich unterschiedliche Emotionsprofile ergeben. Einer älteren Untersuchung zu „emotionsabhängigen“ Märkten von FAEHSLER (1986) zufolge scheinen Gefühle in bestimmten Kategorien besonders verhaltensrelevant zu sein (z.B. Freude, Glück, Zufriedenheit bei Lebensmitteln, Möbeln und Kleidung). Da Kategoriegefühle jedoch generisch sind, geht es letztlich darum, für die jeweilige Marke ein spezifisches Emotionsprofil zu schaffen. Die Kategoriegefühle können als dessen Basiselemente betrachten werden (FRANZEN 1999, S. 20 ff.), sind jedoch markenspezifisch anzureichern bzw. zu justieren. Emotionale Bewertungsmuster bilden das emotionale Kapital einer Marke (Emotional Equity) und sind Teil der Erwartungen der Konsumenten gegenüber dieser Marke. Die existierenden Emotionsmuster und -strukturen in Zusammenhang mit einer Marke zu verstehen kann somit wertvolle Hinweise für die Gestaltung effektiver Kommunikation geben.
3.3.3.
Motive und Bedürfnisse
3.3.3.1. Abgrenzung und Inhaltstheorien Für jedes menschliche Verhalten lassen sich spezifische Motive als Erklärung formulieren. In diesem Zusammenhang ist zudem häufig von Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten die Rede (z.B. FELSER 2001, LAß 2002), wobei diese mehr oder weniger mit Motiven gleichgesetzt werden. Hier erfolgt jedoch eine differenziertere Betrachtung. Bei Motiven handelt es sich um latente Zustände, die im Falle ihrer Aktualisierung das Verhalten in einer bestimmten Stärke und Richtung antreiben (TROMMSDORFF 2004a, S. 37). Beispiele für Motive sind Geborgenheit, Fürsorge oder Prestige. Die Aktualisierung von Motiven erfolgt durch äußere Reize und/oder Mangelzustände. Motive werden sowohl kognitiv als auch gefühlsmäßig gesteuert. Die emotionale Komponente der Motive liefert die Grundlage für die Auslösung einer konkreten Handlung (TROMMSDORFF 2004a, S. 118). Wenn
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Motive bzw. ihre konstituierenden Elemente erfüllt oder nicht erfüllt sind, werden wiederum Emotionen und daraus resultierend Verhalten stimuliert. Die kognitive Komponente der Motive liefert die Grundlage für die zielgerichtete Art der Handlung. Motive sind in der Regel nicht bewusst, sondern eher auf latenter bzw. unbewusster Ebene vorhanden (MADDOCK/ FULTON 1996, ROTH 2004). Bedürfnisse hängen eng mit den Motiven zusammen, wobei sich der Bedürfnisbegriff jedoch auf einer anderen theoretischen Ebene als der Motivbegriff befindet (TROMMSDORFF 2004a, S. 118). Ein Bedürfnis bezeichnet einen empfundenen Mangelzustand, der zunächst unbestimmt und nicht auf ein Ziel gerichtet ist. Er fungiert als Motivationsauslöser. Erst durch eine mehr oder weniger gefühlsmäßige und gedankliche Verarbeitung dieser Empfindung erlangt ein Bedürfnis Motivqualität. Da sich Menschen ihrer Motive häufig nicht bewusst sind, „hören“ sie auf ihre Bedürfnisse. Die Wünsche der Konsumenten werden auch als „Wants“ bezeichnet und von den „Needs“ (dem, was man braucht) unterschieden (KARMASIN 2004, S. 66). Wünsche werden als konkrete Ausformung bestimmter Ziele betrachtet, die den Konsumenten dazu motivieren, ein bestimmtes Produkt besitzen zu wollen (O’SHAUGHNESSY 1987, LAß 2002, S. 593). Ein Beispiel dafür wäre der Wunsch nach einem UV-Schutz, der dem Ziel der Gesundheit dient (FELSER 2001, S. 48). Das so verstandene Konzept der Wünsche scheint eher mit dem Wertekonstrukt als mit den Motiven verwandt zu sein, da Gesundheit als eine der zentralen Wertvorstellungen des Menschen gilt (vgl. 3.3.4.1). Werte geben die Zielrichtungen der Motive vor und befinden sich somit auf einer anderen theoretischen Ebene. Kaufmotive lassen sich als Erwartungen der Konsumenten auffassen, durch den Kauf eines Produktes einem grundlegenden Lebenswert näher kommen zu können (GRUNERT 1994, S. 218). Während Motive in der Regel als hochgradig abstrakt betrachtet werden, können Wünsche bzw. Werte in ihrem Abstraktionsgrad variieren (PAULSSEN 1999, S. 134). Im Rahmen dieser Arbeit sind insbesondere die spezifischen Motive des Konsumverhaltens von Interesse, mit denen sich die Inhaltstheorien der Motivforschung befassen (vgl. z.B. KARMASIN 2004, S. 58 ff.). Diese gehen davon aus, dass Menschen eine begrenzte Anzahl von Motiven gemeinsam haben, die lediglich bezüglich Intensität und Richtung variieren (ESCH 2003, S. 110). Die Motivforschung basiert insbesondere auf der psychoanalytischen Theorie von Sigmund FREUD (ROBERTSON/ZIELINSKI/WARD 1984, LAß 2002, S. 401 ff.). Demnach bilden einige wenige vererbte Instinkte (Triebe, Bedürfnisse) die Basis für die menschliche Motivation. Die menschliche Psyche wird in drei fundamentale Einheiten
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unterteilt: das Lustprinzip „Es“, das Wertesystem „Über-Ich“ und das Realitätsprinzip „Ich“ (ROBERTSON/ZIELINSKI/WARD 1984, S. 276). Ein Großteil des menschlichen Verhaltens ergibt sich aus den Bestrebungen, das „Es“ zu zügeln. Trotz kontroverser Diskussion einiger Annahmen hat FREUD die Konsumentenforschung nachhaltig beeinflusst. Dies gilt nicht zuletzt für die Arbeiten von DICHTER, der für eine ganze Reihe von Produkten die seiner Ansicht nach jeweils dominanten Kaufmotive ermittelte (ebd. 1964). Dabei nimmt er an, dass vermeintlich rationale Motive lediglich eine „Verkleidung“ für unbewusste, archaische Motive seien (ZIEMS 2004, S. 210). So vermutet er z.B. hinter der Verwendung von Süßigkeiten zum Lutschen das Kaufmotiv „Erotik“, bei Spargel „Sexualität“. Der vage Männerwunsch nach einem Cabrio soll das geheime Verlangen nach einer Geliebten repräsentieren. Diese Kaufmotive haben zwar eine hohe Popularität erreicht. Allerdings wird ihnen eher ein hoher Unterhaltungswert als wirkliche Erklärungskraft zugestanden (TROMMSDORFF 2004a, S. 120). In der Werbepraxis, insbesondere bei den Kreativen, erfreuen sich DICHTERs Arbeiten einer hohen Wertschätzung als Inspirationsquelle (FENNELL 1975, STERN 2004). Zu den populärsten Inhaltstheorien der Motivforschung zählt zudem die Bedürfnispyramide von MASLOW (1975), nach welcher Motive hierarchisch strukturiert sind. Demnach müssen zunächst physiologische Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder Kälte befriedigt werden, bevor Sicherheitsbedürfnisse, Eigentumsbedürfnisse, Liebe, Achtung/Ansehen und schließlich die Selbstverwirklichung Relevanz für das Verhalten entfalten. Die zugrunde liegenden Annahmen des Modells gelten inzwischen als widerlegt (ESCH 2003, S. 110). Zudem ist es für eine differenzierte Analyse der spezifischen Marketingsituation kaum geeignet, da die Bedürfniskategorien viel zu grob und grundlegend sind. Nach einem vorläufigen Höhepunkt in den 1960er Jahren war die Motivforschung lange außer Mode (o.V. 2004a), gewinnt jedoch aktuell wieder an Beachtung, z.B. im Rahmen der Marktsegmentierung. So gelten Motive als besonders geeignete Segmentierungskriterien (GORDON 2002, SHERRINGTON 2003, REINELT/FAUCONNIER 2005). Neben der Hervorhebung der zentralen Rolle des Unterbewussten stellt die heutige Motivforschung vor allem auf die konnotativen Bedeutungen von Produkten und Marken ab. Anhand ihres Symbolgehaltes lassen sich Nutzungs- bzw. Vermeidungstendenzen erklären (LAß 2002, S. 414 f.). In Literatur und Marktforschungspraxis existieren vielfältige Motivlisten und -kataloge (siehe nachfolgend Tabelle 3-1), wobei der Erklärungswert der darin aufgeführten Motiven nach Ansicht von LAß (2002, S. 370) eher fraglich ist. Nach der im Rahmen der vorliegenden Arbeit vertretenen Auffassung können die aufgeführten Motivlisten als Suchfelder für die Identi-
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fizierung der relevanten Konsummotive dienen und damit als „Anregungspool“ (ESCH 2003, S. 110) für die Consumer Insight-Findung genutzt werden. Allerdings sollten sie jedoch lediglich als ein erster Orientierungsrahmen verstanden werden. Die dargestellten, sehr allgemein gehaltenen Motive müssen in die spezifische Marketingsituation übersetzt werden (FENNELL 1975, S. 26). Dabei gilt es, die relevanten zielgruppen- und kategoriespezifischen Motive zu ermitteln, die bislang von den Wettbewerbern (kommunikativ) nicht bedient werden. Idealerweise sollten bislang unbekannte Motive ermittelt und adressiert werden (Beispiel WEEDOL mit dem Motiv „Spaß an der Unkrautvernichtung“).
DICHTER (1964)
FENNELL (1975)
ROSSITER/ PERCY/ DONOVAN (1991)
MADDOCK/ FULTON (1996)
z.B. • Sexualität • Fruchtbarkeit • Sicherheit • Geborgenheit • Reichtum • Überfluss • Unabhängigkeit • Freiheit • Macht • Männlichkeit, Potenz • Individualität • Erotik • Belohnung • Weiblichkeit
• Positive Elemente/ Unterhaltung/ Abwechslung • Widerstrebende Elemente/Flucht • Vorweg genommene widerstrebende Elemente/ Prävention • Produkt-bezogene widerstrebende Elemente • Normaler Verzehr/ Verschleiß
Informational: • Problemlösung • Problemvermeidung • Unvollständige Befriedigung • Mixed-approach avoidance • Normaler Verzehr/ Verschleiß
Fünf Motivgruppen: • Orientierung (Person, Ort, Zeit, Umstände) • Überleben (spirituell, physisch, sexuell, territorial) • Anpassung • Spiel • Erwartung
JENSEN (2002)
KREOBER-RIEL/ WEINBERG (2003)
TROMMSDORFF (2004)
HÄUSEL (2005)
• • • •
• • • • • • • •
• Ökonomik /Sparsamkeit/ Rationalität • Prestige/Status /soziale Anerkennung • Soziale Wünschbarkeit/ Normenunterwerfung • Lust/Erregung/ Neugier • Sex/Erotik • Angst/Furcht/ Risikoneigung • Konsistenz/ Dissonanz/ Konflikt
Drei Module: Balance, Dominanz, Stimulanz
• • • •
Wandel und Konflikt Kontrolle Tradition „Große Antworten“ (hinsichtlich Nation, Religion, Patriotismus) Liebe Fürsorge Freiheit Anerkennung
Prestige Geselligkeit Geborgenheit Natürlichkeit Abwechslung Erfolg Überlegenheit Jugendlichkeit
Transformational: • Sensorische Belohnung • Intellektuelle Stimulation • Soziale Bestätigung
Submodule: • Sexualität • Fürsorge • Bindung • Spiel • Jagd/Beute • Raufen • Appetit • Ekel Mischungen: • Abenteuer/ Thrill • Fantasie/ Genuss • Dispziplin/ Kontrolle
Tabelle 3-1: Übersicht über beispielhaft ausgewählte Motivlisten (eigene Darstellung)
Motive lassen sich nach dem Ausmaß der beteiligten kognitiven Kontrolle auf einem Kontinuum von „extrem unkontrolliert, gefühlsmäßig“ bis „extrem kontrolliert, rational“ einordnen
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(TROMMSDORFF 2004a, S. 118). Gefühlsgesteuerte Verhaltensantriebe wie z.B. Lust und Neugier stehen quasi an der Schnittstelle zwischen Emotionen und Motiven und lassen sich beiden Konstrukten zuordnen. Zum Teil werden die Begriffe sogar synonym benutzt (siehe z.B. MADDOCK/FULTON 1996, S. 33) oder wie bei HÄUSEL (2005) zu „Emotions- und Motivfeldern“ zusammengefasst. Gefühle können als Motive des Konsumentenverhaltens wirken. Wie oben beschrieben, werden Entscheidungen emotional gesteuert, wobei der Mensch nach einem Maximum an angenehmen Gefühlen strebt. Die Befriedigung von Motiven kann positive Gefühle auslösen, während Frustration durch Nichterfüllung von Motiven zu negativen Emotionen führen kann. Bei der Entscheidungsfindung werden mögliche zukünftige Gefühle antizipiert, um die Nützlichkeit bestimmter Entscheidungen abzuschätzen (BAGOZZI et. al. 2000, S. 46 ff.) – vor allem in Bezug auf die Vermeidung negativer Gefühle wie Enttäuschung und Bedauern (SCHWARZ 2000, S. 436, LUCE/BETTMAN/PAYNE 2000). Produkte sollen dabei helfen, angenehme Gefühle zu erleben und unangenehme Gefühlszustände zu vermeiden. Positive Motive sind allgemeiner als negative und kommen z.B. in der Werbung wesentlich häufiger zum Einsatz (MATTENKLOTT 2002, S. 532). Die Adressierung negativer Motive ist in der Regel mit Furchtappellen verbunden, deren Einsatz als risikoreich beurteilt wird (vgl. 4.3.3). In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass Motive und Emotionen auf spezifische Art miteinander verbunden sind (z.B. MADDOCK/FULTON 1996, S. 65). Nach der Hypothese von McCLELLAND (1985) ist jede Basisemotion für jeweils nur ein Motiv relevant. Auf dieser Annahme basiert auch die Theory of Emotion and Motivation in Advertising von ROSSITER/PERCY (1991). Diese unterscheidet zwischen informationalen (negativen) und transformationalen (positiven) Kaufmotiven, die jeweils mit Sequenzen bestimmter Emotionen verbunden sind und entsprechend adressiert werden sollten (ebd., S. 102 f., ROSSITER/PERCY/DONOVAN 1991, S. 16). Bei negativen Motiven ist zunächst die Erzeugung negativer Gefühle erforderlich, die dann durch positive Gefühle aufgelöst werden (z.B. beim Motiv „Problemlösung“ Ärger und darauf folgende Erlösung). Positive Emotionen können direkt auf einen neutralen Zustand folgen. Untersuchungen von ZURBRIGGEN/STURMAN (2002) ergaben, dass manche Emotionen tatsächlich vorzugsweise mit bestimmten Motiven verbunden sind. Andere Emotionen scheinen hingegen mit einem größeren Set an Motiven verbunden zu werden, wonach solche Empfehlungen eher mit Vorsicht zu genießen sind.
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3.3.3.2. Motivkonflikte und Barrieren als Ansatzpunkt für den Consumer Insight Einen interessanten Ansatzpunkt für die Consumer Insight-Findung bietet die Annahme, dass in der menschlichen Psyche Spannungsverhältnisse existieren, die durch Konflikte zwischen konkurrierenden Motiven erzeugt werden. Das individuelle Motivsystem wird demnach als dynamisches System aufgefasst, das nach Gleichgewicht strebt (MOWRER 1960, RIEMANN 1961/2003, MICK/BUHL 1992, KÜHN 2005a, S. 13, ERBSLÖH/KOLENDOWICZ 2005). Zwischen den Motiven tobt quasi eine Art innerer Machtkampf (HÄUSEL 2005, S. 29 ff.). Durch positive und negative Stimuli ausgelöste Annäherungs- bzw. Vermeidungsmotive werden (unbewusst) solange verfolgt, bis eine Sättigung erreicht ist und das psychische System wieder zum Gleichgewicht zurückkehrt. Da niemals ein dauerhaftes Gleichgewicht erreicht werden kann, handelt es sich um einen fortwährenden Prozess. Produkte lassen sich als Angebote verstehen, die widerstreitende Motive in verträglicher Weise vereinen und ordnen helfen und eine Dissonanzreduktion erzielen, die als positiv und angenehm erlebt wird. Wie oben ausgeführt, wirken positive und negative Motive als Antriebskräfte zum Konsum. Relativ wenig Beachtung finden in der Literatur die Barrieren, die die Konsumenten vom Konsum bestimmter Produkte oder Marken abhalten können. Gerade die Barrieren können jedoch im Rahmen des Consumer Insight von besonderer Bedeutung sein. Existierende Barrieren bieten einen guten Ansatzpunkt für die Formulierung der Kernbotschaft, da sie es ermöglichen, eine klare Lösung zu definieren. Barrieren können nicht nur auf Motivebene, sondern auf Ebene sämtlicher Konstrukte des Konsumentenverhaltens bestehen (z.B. auch bei den Einstellungen), werden aus didaktischen Gründen diesen hier jedoch zugeordnet. Im Zusammenhang mit den Motiven bestehen Barrieren z.B. in unterbewussten, zum Teil existenziellen Ängsten der Konsumenten. Weitere Barrieren sind z.B. negative Einstellungen gegenüber einer Marke oder bestehende Markenbindungen. Beispielhaft für Barrieren wird im Folgenden kurz auf die Ängste eingegangen. Der Konsument verweigert (unterbewusst) den Konsum bestimmter Produkte oder Marken, weil sie latent vorhandene Ängste adressieren. In den Inhaltstheorien der Motivforschung ist häufig nur unspezifisch von „Angst“ die Rede. In Hinblick auf eine umfassende Analyse des Konsumentenverhaltens ist es notwendig, potenzielle Barrieren und Ängste möglichst differenziert zu erfassen und unterschiedliche Formen zu unterscheiden, um sie wirkungsvoll adressieren zu können. So könnte es sinnvoll sein, einen Katalog der Konsumenten-Ängste für die spezifische Kategorie bzw. Marke zusammenzustellen, da auch hierdurch Suchfelder für die Consumer Insight-Findung eröffnet werden können. Als Basis können z.B. die von RIEMANN
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(1961/2003) identifizierten vier Grundformen der Angst dienen: die Angst vor der Hingabe, vor der Selbstwerdung, der Veränderung sowie der Notwendigkeit. Alle denkbaren Ängste sind demnach immer Varianten dieser Grundängste. Beispiele für Varianten sind die Wachstums- oder Versagensangst sowie die Angst vor Kontrollverlust. So könnten z.B. Küchengeräte, die in der Werbung als „für Profis gemacht“ präsentiert werden, bei einer „normalen“ Hausfrau zu Versagensangst führen. Die Art der individuell erlebten Ängste und ihr Intensitätsgrad hängen einerseits von den Anlagen, d.h. der körperlichen und seelisch-geistigen Konstitution, andererseits von der persönlichen Biographie, der „Geschichte unseres Gewordenseins“ (RIEMANN 2003, S. 16), ab.
3.3.4.
Werte
3.3.4.1. Abgrenzung und Inhaltstheorien Werte geben die Zielrichtungen der Motive vor und sind diesen dadurch in der KonstruktHierarchie übergeordnet. Beispiele für Werte sind Sicherheit, Sorglosigkeit, Gesundheit oder auch Genuss. Werte lassen sich als relativ stabile Ansichten darüber auffassen, wie sich ein Mensch hinsichtlich seiner endgültigen Ziele und Verhaltensweisen gebärden sollte (ROKEACH 1973). Sie kennzeichnen die Bereitschaft, sich einer ganzen Klasse von Einstellungsobjekten gegenüber annehmend oder ablehnend zu verhalten, und bilden damit eine „Super-Einstellung mit normativer Verbindlichkeit“ (TROMMSDORFF 2004a, S. 38). Es handelt sich um Vorstellungen von Wünschenswertem, die eine Vielzahl von Einstellungen z.B. gegenüber Marken und Produkten und in Abhängigkeit davon eine Vielzahl von beobachtbaren Verhaltensweisen bestimmen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 152 f.). Das Wertesystem eines Menschen wird auch als dessen „Weltbild“ oder „Mindset“ bezeichnet (o.V. 2004a). Die Bildung des individuellen Wertesystems ist ein soziokultureller Prozess (VINSON/SCOTT/LAMONT 1977). Werteorientierungen werden demnach über kulturelle und soziale Systeme vermittelt. Geschlechts-, alters-, subgruppenspezifische und andere soziokulturelle Faktoren bewirken, dass in einer Gesellschaft heterogene Werteorientierungen existieren (PETRAS/SAMLAND 2001). Das individuelle Wertesystem gibt den Rahmen für die Beurteilung von Produkten und Marken vor. Werte repräsentieren interne, selbst-relevante Zielzustände, die mit Marken verbunden werden (GENGLER/REYNOLDS 1995). Eine starke Marke ist in der Regel mit jenen Werten verbunden, die für die spezifische Zielgruppe eine hohe emotionale Bedeutung haben. Die Kenntnis des zielgruppenspezifischen Wertesystems ist somit von zentraler Bedeutung für die Consumer Insight-Findung. Die Ermittlung von
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Wertorientierungen kann auch der Erschließung kultureller Verhaltensmuster dienen, die das Konsumentenverhalten prägen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 555). Das Verhalten kann nur im jeweiligen Kontext verstanden und prognostiziert werden. Die wissenschaftliche und kommerzielle Werteforschung hat eine Vielzahl potenzieller Wertorientierungen ermittelt. Wie bei den Motiven existiert in der Literatur eine ganze Reihe an Wertekatalogen, die sich als Suchfelder für die Consumer Insight-Findung heranziehen lassen. Nachfolgend wird ein tabellarischer Überblick gegeben:
ROKEACH (1973), z.B.
OLSON/REYNOLDS (1983)
HILDEBRANDT (1983), z.B.
Instrumentale Werte: • Ehrgeiz • Großzügigkeit • Fröhlichkeit, Sorglosigkeit • Mut • Hilfsbereitschaft • Phantasie • Unabhängigkeit
Instrumentale Werte: • Abwechslung, Offen für Neues • Leistungsfähigkeit • Soziale Anpassung • Streben nach Erfolg • Unabhängigkeit • Zufriedenheit, Wohlbefinden
Terminale Werte: • Wohlstand • Frieden • Gleichheit • Freiheit • Glück • Soziale Anerkennung • Selbstrespekt
Terminale Werte, z.B.: • Gesundheit, langes Leben • Familie • Lebensfreude, Spaß • Innere Harmonie, Ausgeglichenheit • Selbstachtung, -bestimmung, verwirklichung • Soziale Anerkennung
• • • • • • • • • • • • • • • •
KROEBER-RIEL (1990), z.B.
HÄUSEL (2005), z.B.
SCHIMANSKY (2006), z.B.
• • • • • • • • • • • • • • • •
• • • • • • • • • • • • • • • • •
• • • • • • • • • • • • • • • • •
Gesundheit Prestige, Exklusivität Tradition, Zuverlässigkeit Gemütlichkeit, Bequemlichkeit Jugendlichkeit Genuss Lebensfreude Geborgenheit, trautes Heim Freundschaft, Geselligkeit Soziale Anerkennung Erfolg, Leistung Freiheit Ungebundenheit Abenteuer Natur Sportlichkeit
Spaß Humor Neugier Status Leichtigkeit Sparsamkeit Tradition Verlässlichkeit Ehre Genuss Sinnlichkeit Offenheit Phantasie Geselligkeit Ehrgeiz Fleiß Macht
Zufriedenheit Angenehmes Leben Sicherung der Familie Nationale Sicherheit Vergnügen/Genuss Schöne Welt Liebe Gute Freundschaft Soziale Anerkennung Freiheit Selbstachtung Interessantes Leben Ausgeglichenheit Religiöses Leben Weisheit Erfülltes Leben
Glück Gesundheit Wohlstand Status Sorglosigkeit Sicherheit Tradition Bewährtes, Vertrautes Schönheit Körperliche Attraktivität Genuss Sinnlichkeit Vergnügen Offenheit für Neues Phantasie, Kreativität Wissen, Intellekt Gemeinwohl
Tabelle 3–2: Übersicht über beispielhafte Wertekataloge (eigene Darstellung)
Diese Wertekataloge überschneiden sich in vielen Punkten, was unter anderem darauf zurückzuführen sein mag, dass einige davon auf dem Wertekosmos von ROKEACH (1973) basieren. Dieser gehört zu den bekanntesten Werteforschungsansätzen und wird auch heute noch
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als Grundlage für Wertestudien herangezogen (z.B. VISCHER/ALTENBURG 2002). ROKEACH unterscheidet zwischen „Terminal Values“ (Ziel-Werte oder terminale Werte) und „Instrumental Values“ (instrumentelle Werte). Die terminalen Werte entsprechen den existenziellen Zielen des Menschen, während die instrumentellen Werte Zwischenziele zu ihrer Erreichung darstellen (OLSON/REYNOLDS 1983). Zu den in Wertestudien am häufigsten genannten terminalen Werten gehören Gesundheit, langes Leben, Familie und Lebensfreude (VISCHER/ALTENBURG 2002, S. 450). Zu den wichtigsten instrumentalen Werten zählen Abwechslung, Leistungsfähigkeit, Soziale Anpassung und Streben nach Erfolg. Das menschliche Werteset lässt sich in der Regel bis auf wenige Dimensionen verdichten, wobei die Bezeichnungen der Dimensionen variieren. Es ergibt sich eine grundlegende Wertekarte, die aus zwei Dimensionen mit den Polen „Innovation – Konservativismus“ sowie „Individualismus – Zugehörigkeit“ aufgespannt wird (o.V. 2004a). Diese beiden Dimensionen finden sich schon in ähnlicher Terminologie bei RIEMANN (2003, S. 16). Ähnlich wie bei den Motiven kann zwischen eher emotional und rational geprägten Werten unterschieden werden (MICHAEL 2002). Starke emotionale Komponenten finden sich vor allem bei Werten, die in enger Beziehung zum Selbstkonzept stehen (PEKRUN 1988). Das Wertesystem eines Menschen dient auch als Grundlage für die Bewertung von emotionalen Ereignissen bzw. Reizen. Werte bestimmen die Qualität eines emotionalen Erlebnisses, während die physiologische Aktivität seine Intensität bestimmt (MANDLER 2002, S. 102). Emotionale Cluster sind wiederum Grundlage für den Aufbau eines spezifischen Wertesystems.
3.3.4.2. Wertewandel Aufgrund der verhaltensbeeinflussenden Bedeutung von Werten ist insbesondere der Wertewandel in das Blickfeld der Forschung gerückt. Dieser wird in der Literatur als Ursache für die Entstehung von Trends und Trendveränderungen betrachtet (vgl. z.B. PETRAS/SAMLAND 2001, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 31 f.), die wiederum als überindividuelle Faktoren das Konsumentenverhalten beeinflussen. Trends werden auch als sichtbares Ergebnis fundamentaler Wertverschiebungen aufgefasst (HORX/WIPPERMANN 1996, S. 21 f.). Als aktuelle, für das Konsumverhalten relevante Wertetrends gelten z.B. Naturverbundenheit, Gesundheits- und Umweltbewusstsein, Streben nach Sicherheit, Beständigkeit, Verlässlichkeit sowie Vereinfachung des Lebens. Zudem ist eine Rückkehr klassischer Werte wie Familie, Harmonie, Geborgenheit, Solidarität oder Suche nach Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns zu beobachten (siehe z.B. WEINBERG 2000, OPASCHOWSKI 2003, KEIM/LANG 2005,
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S. 27). KROEBER-RIEL/ESCH (2004, S. 33) sehen den Wunsch nach Selbstverwirklichung als zentralen Wertetrend, unter den sich verschiedene andere Wertetrends wie die Erlebnisorientierung oder der Wunsch nach Entfaltung subsummieren lassen (ähnlich FISCHER/ WISWEDE 2002, S. 311 ff.). Eine Zusammenfassung von aktuellen „Mega Global Trends“ findet sich bei SHERRINGTON (2003, S. 21). Die konkrete Relevanz von Werten ist immer in Abhängigkeit vom spezifischen Zielgruppensegment zu ermitteln (TROMMSDORFF 2004a, S. 191).
3.3.5.
Einstellungen
3.3.5.1. Abgrenzung Der Begriff der Einstellung bezeichnet den Zustand der Bereitschaft eines Individuums, sich in einer gegebenen Situation einem bestimmten Einstellungsobjekt (Marke, Werbebotschaft, Person etc.) gegenüber annehmend oder ablehnend zu verhalten (TROMMSDORFF 2004a, S. 37, 159). Einstellungen sind objektgerichtet und von einer gewissen Dauer. Sie basieren auf den im Gedächtnis gespeicherten (Marken)Schemata (ebd., S. 38). Die Einstellung zu einem Objekt setzt sich demnach aus den wahrgenommenen Merkmalen (Attributen, Images, Schemata) und deren Bewertung zusammen (TROMMSDORFF/PAULSEN 1999, S. 1079). Die Einstellung zur Marke kann demzufolge als ein mit einer Bewertung verknüpftes Markenschema aufgefasst werden (LACHMANN 2002, S. 74). Inzwischen gilt allgemein als akzeptiert, dass Einstellungen gemäß der Drei-KomponentenTheorie (ROSENBERG et. al. 1960) aus einer affektiven, einer kognitiven und einer konativen Komponente bestehen (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 39, TROMMSDORFF 2004a, S. 164). Diese Komponenten sind nicht unabhängig voneinander, sondern stellen unterschiedliche Betrachtungsperspektiven dar. Wie schon in Zusammenhang mit den emotionalen Markenassoziationen deutlich wurde, gilt die gefühlsbetonte, emotionale Facette der Einstellung zur Marke als besonders verhaltensrelevant (STEFFENHAGEN 1996, S. 100). Dementsprechend werden Einstellungen häufig als emotionales Konstrukt aufgefasst (z.B. BURKE/ EDELL 1989, HOMER 1990), zumindest jedoch als emotional gefärbt (SCHERER 2000, S. 141). Die Änderung der gefühlsmäßigen Haltung z.B. gegenüber einer Marke führt zu einer Änderung der kognitiven Haltung sowie der Verhaltensintention des Konsumenten (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 39). Auf die Beeinflussung von Einstellungen durch emotionale Kommunikation wird in den Abschnitten 4.3.1.4, 4.3.2.1 sowie 4.4 näher eingegangen.
Consumer Insight
81
3.3.5.2. Einstellung zur Marke und Einstellung zur Werbung Ausgeprägte Einstellungen und Images haben einen starken Einfluss auf das Konsumentenverhalten. Die Einstellung zur beworbenen Marke (Attitude toward the Brand – Ab) gilt sogar als wichtigste Determinante des Kaufverhaltens (GIERL/PRAXAMER 2000, S. 43 f., GIERL/ SATZINGER 2000, S. 115, HÖGL/ZWEIGLE 2001). Eine positive Einstellung zur Marke wird auch mit der Markenpräferenz gleichgesetzt (ROSSITER/PERCY 1991). Präferenzen beziehen sich allerdings auf die Bildung von Rangfolgen zwischen Einstellungsobjekten. Es handelt sich dabei um eine relative Einstellung, z.B. den Grad der Bevorzugung einer Marke gegenüber einer anderen (TROMMSDORFF/BOOKHAGEN/HESS 1999, S. 769). Ein Konsument kann positive Einstellungen gegenüber mehreren Marken haben – letzten Endes geht es darum, zur präferierten Marke oder „Lovemark“ (ROBERTS 2004) zu werden. Die Einstellung zur Marke ist von der Einstellung zur Werbung (Attitude Toward the Advertisement – Aad) zu unterscheiden. Das Konstrukt „Einstellung zur Werbung“ bezeichnet die Prädisposition des Rezipienten, auf einen bestimmten Werbereiz in einer bestimmten Kontaktsituation in einer positiven oder negativen Weise zu reagieren (LUTZ 1985). Es bringt die Gefühle der Konsumenten von Vorteilhaftigkeit/Unvorteilhaftigkeit gegenüber dem Werbemittel zum Ausdruck (MacKENZIE/LUTZ/BELCH 1986, S. 130). Die Einstellung zur Werbung ist weiter von der Einstellung der Konsumenten gegenüber Werbung generell (Attitude Toward the Advertising in General – Aag) zu differenzieren, die ebenfalls Einfluss auf die Werbewirkung haben kann (SRULL 1983, MacKENZIE/BELCH 1989, MacKENZIE/LUTZ 1989, ALWITT/PRABHAKER 1992, STEFFENHAGEN 1996, S. 20 ff., MEHTA 2000, S. 67 ff., o.V. 2005b, S. 36). Die Einstellung zur Werbung wird insbesondere im Rahmen der so genannten Aad-Forschung als relevante Werbewirkungsgröße diskutiert. Die grundlegende Annahme besteht darin, dass sich eine positive Einstellung gegenüber der Werbung in einer positiven Einstellung zur Marke niederschlägt (HOLBROOK/BATRA 1987, MITCHELL 1986, OLNEY/HOLBROOK/BATRA 1991). Die Einstellung zur Marke ist stabiler als die Einstellung zur Werbung, da sie in der Regel auf vorhandenen, realen Markenerfahrungen beruht. Eine positive Einstellung zur Marke wird somit nicht alleine durch eine positive Einstellung zur Werbung erzeugt. ROSSITER/PERCY (1991, S. 100) weisen darauf hin, dass die Verbindung der Marke mit den zielgruppenrelevanten Kaufmotiven Voraussetzung für das Erzeugen einer positiven Einstellung zur Marke ist. Vor dem Hintergrund der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung lässt sich hier spezifizieren: die Verbindung der Marke mit dem Consumer Insight ist
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Consumer Insight
Voraussetzung für das Erzeugen einer positiven Einstellung zur Marke. Einstellungen werden auch durch das vorhandene Wissen des Konsumenten über Produktkategorie und Marke beeinflusst. Je mehr die Konsumenten über die beworbene Produktkategorie wissen, mit ihr vertraut sind oder sie verwenden, desto positiver ist die Einstellung der Rezipienten zum beworbenen Produkt (KEARSLEY 1995). Das vorhandene Wissen über eine Produktkategorie erleichtert die Verarbeitung von Werbebotschaften (ALBA/ HUTCHINSON 1987), da die beim Verbraucher verankerten Schemata die leichtere Einordnung dieser Botschaften ermöglichen. Werbeaktivitäten zielen im Allgemeinen auf die Beeinflussung von Einstellungen ab. Vorhandene negative Produkt- bzw. Markenerfahrungen wirken einer positiven Einstellungsbildung oder -veränderung durch Werbung entgegen. Eine bereits erfolgte Schemazuordnung von Marken nachhaltig zu ändern, ist mit großem Aufwand verbunden (HAINERL/LEBOK 2004). Die Ermittlung des vorhandenen Markenwissens, der vorhandenen Einstellungen zur Marke und zur Werbung ist demnach essenziell für die Consumer Insight-Findung. Mit den konkreten Bedingungen der Bildung und Veränderung von Einstellungen befassen sich die Werbewirkungsmodelle, die in Abschnitt 4.4 näher betrachtet werden.
3.3.6.
Persönlichkeit
3.3.6.1. Abgrenzung Die Persönlichkeit bezeichnet die Gesamtheit derjenigen Merkmale eines Menschen, die relativ zeitstabil sind und ihn von anderen unterscheiden können (PEKRUN 1988, S. 11). Zum Kern dieser Persönlichkeitsmerkmale gehören persönliche Anlagen und Züge („Traits“) wie z.B. Intelligenz, Körpergröße, Musikalität etc. sowie die charakteristischen Emotions-, Wissens-, Einstellungs-, Werte- und Verhaltensmuster des Individuums (TROMMSDORFF 2004a, S. 213 ff.). Diese Merkmale stehen in enger Beziehung zueinander. Da die Persönlichkeitsmerkmale in der Regel dauerhaft sind, bewirkt die Persönlichkeit, dass sich das Individuum über eine Vielzahl externer Stimuli hinweg in seinen Reaktionen konsistent verhält. Dementsprechend lässt sich die Persönlichkeit auch als konsistente Reaktionen auf externe Stimuli begreifen (ENGEL/BLACKWELL/MINIARD 1995, S. 432). Persönlichkeitsvariablen sind häufig sichtbarer als andere Einflussgrößen des Konsumentenverhaltens, z.B. in Form von Freizeitaktivitäten, die mit einem bestimmten Lebensstil einhergehen und die zugrunde liegende Persönlichkeit reflektieren. Das Konstrukt Lebensstil gilt demzufolge als Prototyp eines hochkomplexen Marktsegmentierungsmerkmals (TROMMSDORFF 2004a, S. 38). Die
83
Consumer Insight
individuelle Persönlichkeitsstruktur des Konsumenten beeinflusst auch die Präferenzen für bestimmte Marken und Produkte (LAß 2002, S. 448).
3.3.6.2. Persönlichkeitstheorien Als bedeutender Startpunkt für sämtliche Persönlichkeitstheorien gilt wie bei den Motiven die psychoanalytische Theorie von FREUD (vgl. LAß 2002, S. 454). Diese geht davon aus, dass Verhaltensgründe häufig in unbewussten, tief verborgenen Ausprägungen der Persönlichkeit zu suchen sind. Demnach entwickelt sich die Persönlichkeit in der Kindheit, und zwar in Abhängigkeit davon, inwieweit das Individuum in der Lage ist, kritische Perioden z.B. in Zusammenhang mit der Sexualität zu meistern. Nicht voll überwundene Krisen wirken in der erwachsenen Persönlichkeit nach, indem sie viele Interessen und Verhaltensweisen bestimmen. Spätere Persönlichkeitstheorien nehmen hingegen an, dass sich die Persönlichkeit auch nach Vollendung der Kindheit signifikant weiterentwickelt und unter anderem von zwischenmenschlichen und sozialen Faktoren beeinflusst wird (ebd., S. 455 ff.). Die Persönlichkeitstypen-Theorie von C.G. JUNG (1923) geht davon aus, dass individuelle Verhaltensunterschiede durch drei beschreibende Dimensionen zusammengefasst werden können (LaBARBERA/WEINGARD/YORKSTON 1998). Hierbei handelt es sich um die Dimensionen „Extroversion/Introversion“, „Sensing/Intuiting“ sowie „Thinking/Feeling“. Individuen nutzen zu verschiedenen Zeiten beide Pole jeder Dimension, reagieren allerdings zumeist in einer bevorzugten Weise. Auf Basis dieser Theorie wurde in den 1940er Jahren eines der inzwischen meistgenutzten Persönlichkeits-Erfassungsinstrumente weltweit, der MYERS-BRIGGS Type Indicator (MBTI), entwickelt (MYERS 1987). Als eine der einflussreichsten sozialpsychologischen Persönlichkeitstheorien gilt das bereits mehrfach erwähnte Selbstkonzept, das auch im Anwendungsbereich des Marketing große Bedeutung erlangt hat (TROMMSDORFF 2004a, S. 237). Das Selbstkonzept lässt sich unter Bezugnahme auf die Schematheorie als System von selbstbezogenen Schemata und Generalisierungen
wichtiger,
hervorstechender
Aspekte
bezüglich
des
„Ich“
beschreiben
(BROCK/BRANNON/BRIDGEWATER 1990, S. 285 f.). Es handelt sich dabei um spezifische Kombinationen von verbalen, symbolischen und visuellen Schemata. Das Selbstkonzept beinhaltet Entwürfe davon, wie eine Person wahrgenommen und eingeschätzt werden möchte. „Selbst-Schemata“ haben Einfluss auf Informationsverarbeitung, Ziele, Motive, Verhalten und Gefühle einer Person, ebenso auf die soziale Wahrnehmung, Vergleiche und Interaktionen (MARKUS/WURF 1987). Theoretische und empirische Arbeiten legen den Schluss nahe,
84
Consumer Insight
dass der Konsument besonders solche Produkte und Marken wählt, die in Übereinstimmung mit seinem Selbstkonzept stehen (SIRGY 1982, S. 290 f., MEHTA 1999, S. 81). Durch die Markenverwendung teilt der Konsument seiner Umwelt etwas über sein Selbstkonzept mit und erhofft Bestätigung und Verstärkung (WISWEDE 1980, S. 60). Durch Marken bzw. Markenkommunikation wird bei den Rezipienten ein bestimmter Grad an Selbstbezug (Identifikation) hervorgerufen, d.h. die Konsumenten beziehen die Marke auf sich selbst und vergleichen Markenimage und Selbstkonzept. Das Ausmaß der Identifikation spielt zudem eine wesentliche Rolle für das emotionale Erleben (PLASSMANN et. al. 2005). Die emotionale Relevanz eines Ereignisses ist umso größer, je enger dieses mit dem Selbstkonzept verknüpft ist (PEKRUN 1988, 1992, SCHMITZ 2000, S. 354). Dementsprechend werden Werbebotschaften, die das Selbstkonzept der Rezipienten reflektieren, als überzeugender wahrgenommen als nicht damit korrespondierende Botschaften (BROCK/BRANNON/BRIDGEWATER 1990, S. 309). Die Übereinstimmung hat positive Effekte auf das Involvement und infolgedessen auch auf die Informationsverarbeitung (PETTY/CACIOPPO 1986). Zudem werden Gefallen und Kaufbereitschaft positiv beeinflusst (WANG/MOWEN 1997, S. 185 ff., OCHSNER/SCHACTER 2000). In der Literatur werden des Weiteren spezielle, emotionsbezogene Persönlichkeitsmerkmale angeführt, die eng miteinander zusammenhängen und sich zum Teil überschneiden. Dazu zählen z.B. emotionale Grundhaltungen, „Openess to Feelings“, „Need for Emotion“ sowie die Emotionsintensität („Affect Intensity“). Diese Merkmale basieren auf der Annahme, dass sich Menschen in ihrem emotionalen Erleben und in ihrer emotionalen Beeinflussbarkeit (z.B. durch Werbung) unterscheiden. Sie sind somit wichtige Determinanten der Werbewirkung (zu Werbewirkungsdeterminanten vgl. 4.2.4.2). Emotionale Grundhaltungen bezeichnen die anhaltende Bereitschaft, bestimmte emotionale Zustände in verschiedenen Lebensbereichen häufiger zu zeigen, und geben damit Auskunft über das emotionale Gesamtempfinden eines Menschen (ULICH 1992a, S. 29 f., PAULI/BIRBAUMER 2000, S. 81, SCHERER 2000, S. 141). Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Menschen aufgrund unterschiedlich strukturierter Gehirne eher als emotional oder rational bezeichnet werden können (KUNZ et. al. 2002, S. 119). Openeness to Feelings bezeichnet das Ausmaß, in dem Individuen ihre emotionalen Zustände interpretieren und nutzen (FORGAS/CIAROCCHI 2001). Unter anderem lassen sich unterschiedliche Grade emotionaler Beeinflussbarkeit unterscheiden (COSTA/McCRAE 1985). Das Konzept des Need for Emotion (NFE) wurde in Analogie zum Konstrukt „Need for Cognition“ (NFC) von PETTY/CACIOPPO (1981, 1986) entwickelt. Das NFE bezeichnet die individuelle Tendenz oder Bereitschaft, emotionale Situationen ausfindig zu machen und
Consumer Insight
85
zu genießen (RAMAN/CHATTOPADHYAY/HOYER 1995). Ein ähnliches Konstrukt ist das der Emotionsintensität. Diese bezeichnet die Intensität, mit der eine Person auf einen emotionalen Stimulus reagiert (LARSEN/DIENER 1987, MOORE/HARRIS/CHEN 1995). Sie ist über unterschiedliche Emotionen hinweg generalisiert. Jemand, der negative Emotionen intensiver erlebt, fühlt auch im positiven Fall mehr (LARSEN/DIENER 1987, S. 1 ff.). Personen mit hoher Emotionsintensität suchen nach emotionaler Stimulation (ebd., S. 34). Die Emotionsintensität beeinflusst unter anderem die emotionalen Reaktionen auf Werbung und somit auch die Einstellungsbildung (MOORE/HARRIS/CHEN 1995, S. 154 ff., MOORE/ HARRIS 1996).
3.3.7.
Schlussfolgerungen zu den Elementen der Konsumentenkenntnis
Die Konsumentenkenntnis, die die Basis für die Consumer Insight-Findung darstellt, erweist sich als äußerst komplex. Sie umfasst das beobachtbare Verhalten, Zustandskonstrukte wie Emotionen, Motive, Werte und Einstellungen und überindividuelle Faktoren wie den kulturellen Rahmen und Trends. Der Consumer Insight bezieht sich insbesondere auf die Zustandskonstrukte des Konsumentenverhaltens. Erst eine erfolgreiche Verknüpfung der seelischen Strukturen der Konsumenten, d.h. seines Emotions-, Motiv- und Wertegefüges mit der Werbebotschaft schafft eine sinnvolle Aufladung von Produkten und Marken mit emotionalem Nutzen. Der Consumer Insight deckt für die spezifische Konstellation „Konsument – Kategorie/Produkt/Marke“ relevante Kombinationen dieser Sachverhalte auf und ermöglicht es, sie durch Kommunikation zu adressieren. Die vorangegangenen Ausführungen über die Zustandskonstrukte offenbaren mögliche Suchfelder für die Consumer Insight-Findung. Wie gezeigt wurde, bietet sich ein reichhaltiger Fundus, aus dem bei der Suche nach Consumer Insight geschöpft werden kann. Die aufgezeigten Suchfelder sind im Rahmen von Kapitel 4 noch weiter zu spezifizieren. Zudem ist ein weiterer wichtiger Punkt deutlich geworden: viele der für den Consumer Insight relevanten Sachverhalte befinden sich auf unterbewusster Ebene. Die Auffassung, dass bewusste Phänomene nur einen kleinen Teil unseres mentalen Apparates repräsentieren, gilt inzwischen als allgemein akzeptiert (MANDLER 2002, S. 44). So wird z.B. angenommen, dass mehr als neunzig Prozent aller Gedanken, Emotionen und Lernvorgänge im Unterbewussten stattfinden (LeDOUX 2001, S. 23, LENK 2001, S. 6, ZALTMAN 2003, S. 40). Die Ergründung des Unterbewussten gestaltet sich als schwierig, da Inhalte und Prozesse außerhalb des Bewusstseins methodisch nur sehr ungenau zu erfassen sind (vgl. dazu BEHRENS/ NEUMAIER 2004). Werbung wirkt jedoch nur, wenn sie die unterbewussten psychologi-
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Consumer Insight
schen Mechanismen adressiert, die für emotionalen Nutzen sorgen (ZIEMS 2004, S. 211). In deren Ergründung liegt somit die eigentliche Herausforderung auf der Suche nach Consumer Insight. Auf entsprechende Methoden wird im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen zum Prozess der Consumer Insight-Findung eingegangen.
3.4
Prozess der Consumer Insight-Findung
3.4.1.
Grundüberlegungen
Der Prozess der Consumer Insight-Findung ist als zentraler Teil des Kommunikationsentwicklungsprozesses zu begreifen. Wie in Abschnitt 3.2.5.1 dargestellt, ist er in der Regel zwischen der Situationsanalyse und der Definition der Kommunikationsziele sowie der Kommunikationsstrategie angesiedelt. Statt wie im klassischen Planungsmodell mehrere alternative Strategielösungen zu erarbeiten, zu bewerten und die am besten geeignete auszuwählen, wird die Strategie aus dem Consumer Insight und dessen Verknüpfung mit dem Brand Insight abgeleitet. Der Consumer Insight ermöglicht damit eine zielgerichtete Strategieentwicklung. Einen Consumer Insight zu finden ist anspruchsvoll (GORDON 2002) und wird angesichts des immer komplexer und widersprüchlicher werdenden Verbraucherverhaltens zunehmend schwieriger (Stichwort „hybrider Verbraucher“). Entsprechend häufig werden in Zusammenhang mit der Suche nach Consumer Insight Vergleiche wie die Suche nach Trüffeln (WRIGHT o.J.) oder „Insight Alchemy“ (SHERRINGTON 2003) herangezogen. Die Entdeckung eines Consumer Insight lässt sich nicht systematisch planen – ebenso wenig wie es sich planen lässt, im Rahmen der Kreativkonzeptentwicklung eine zündende kreative Idee zu haben. Allerdings lassen sich kreative Prozesse systematisch unterstützen. So geht LANGWOST (2004, S. 19) auf Basis von Interviews mit internationalen Top-Kreativen der Werbeszene davon aus, dass „großartige“ Ideen kein Zufall sind, sondern der dahinführende Prozess weit mehr als allgemein angenommen beeinflusst werden kann. Der Prozess der Consumer Insight-Findung wird in der Literatur – wenn überhaupt – nur sehr oberflächlich beschrieben. Eine theoretische Basis hierfür ist somit bislang praktisch nicht vorhanden. Mit der vorliegenden Arbeit soll auch diese Lücke geschlossen werden. Da der Consumer Insight hier als Ergebnis eines kreativen Prozesses aufgefasst wird, soll im Folgenden insbesondere auf Erkenntnisse der Kreativitätstheorie sowie auf entsprechende Erklärungsmodelle zum kreativen Prozess zurückgegriffen werden. Auf die Kreativitätstheorie wurde bereits in Abschnitt 3.2.3.3 eingegangen. Die Consumer Insight-Findung sollte nicht dem Zufall überlassen werden. Durch genauere Kenntnis und Anwendung des kreativen Pro-
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zesses lassen sich die Voraussetzungen dafür schaffen, Consumer Insight zu finden. Auf Basis dessen können ein systematisches Vorgehen etabliert, kreativitäts- bzw. insightfördernde Bedingungen in Werbeagenturen und Unternehmen geschaffen und bestimmte Techniken eingesetzt werden, die den Prozess der Consumer Insight-Findung unterstützen können (siehe 3.5). In der Literatur existieren verschiedene Erklärungsmodelle für die formal-logische Abfolge von kreativen Prozessen, die sich bereits auf POINCARE (1913) zurückführen lassen. In der Regel werden vier Phasen unterschieden, wie sie erstmalig von WALLAS (1926, S. 80 ff.) beschrieben wurden: Vorbereitung, Inkubation, Erleuchtung oder „Illumination“ sowie Verifikation (SCHLICKSUPP 1985, S. 24 f.). Wie noch zu zeigen ist, eignet sich dieses Phasenmodell sehr gut als Grundlage für die Beschreibung des Prozesses der Consumer InsightFindung. Dementsprechend lässt sich nun folgende Forderung aufstellen: Der Prozess der Consumer Insight-Findung sollte als kreativer Prozess mit vier Phasen verstanden werden. Bevor der Prozess der Consumer Insight-Findung näher beleuchtet wird, wird zunächst ein Überblick darüber und die Einordnung in den Kommunikationsentwicklungsprozess gegeben:
Problem- bzw. Chancenerkennung Bestandsaufnahme Situationsanalyse Consumer Insight-Findung Vorbereitung Inkubation Illumination
Brand InsightGenerierung
Verifikation Zieldefinition Strategieentwicklung Kreative Umsetzung Schaltung Kontrolle
Abbildung 3–6:
Die Consumer Insight-Findung als zentraler Part des Kommunikationsentwicklungsprozesses (eigene Darstellung)
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Die verschiedenen Phasen können sich überschneiden bzw. vermischen. Consumer InsightFindung und Strategieformulierung müssen zu Beginn der kreativen Gestaltung noch nicht abgeschlossen sein. In der Literatur wird ein überlappendes Vorgehen bei der Suche nach Consumer Insight und der kreativen Entwicklung teilweise systematisiert. So wird angenommen, dass gerade die kreative Entwicklung bzw. die „Konfrontation“ der Entwürfe mit Konsumenten im Rahmen des Creative Development Research Anregungen und Hinweise für den Consumer Insight bzw. dessen Weiterentwicklung und Verfeinerung geben kann (APG 2003, S. 156). Der Creative Development Research betrifft solche Marktforschungsprojekte, die das Testen kreativer Ideen am Konsumenten während deren Entwicklung zur Aufgabe haben (BOULTER 1997, STEEL 1998, S. 103). Bei einem überlappenden Vorgehen ist es nach der hier vertretenen Ansicht sinnvoll, die Kreativen auf Basis einer vorläufigen Kommunikationsstrategie zu briefen und die Phase der kreativen Entwicklung als Bestandteil der Consumer Insight-Findung zu begreifen. Auf diese Weise könnten im Rahmen der kreativen Entwicklung neue Perspektiven entdeckt werden, die der Consumer Insight-Findung nutzen. Die Kommunikationsstrategie wäre dann sukzessive anzupassen. Die Frage, wie der Übergang in der Praxis geregelt wird, wird im Rahmen des empirischen Teils der Arbeit beleuchtet. Der grundlegende Ablauf des kreativen Prozesses mit seinen vier Phasen Vorbereitung, Inkubation, Illumination und Verifikation ist für die Consumer Insight-Findung zu spezifizieren. Bevor die einzelnen Phasen ausführlicher dargestellt werden, sollen aus didaktischen Gründen zunächst die diesbezüglichen Erfolgsfaktoren näher beleuchtet werden.
3.4.2.
Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung
Auch zu den spezifischen Erfolgsfaktoren des Prozesses der Consumer Insight-Findung ist bislang keine systematische Literaturbasis vorhanden. Nur vereinzelt beschäftigen sich Praktiker
etwas
konkreter
damit,
so
z.B.
FORTINI-CAMPBELL
(2001),
LEROY-
SHARMAN/WEST (2004), WILLS/WILLLIAMS (2004) und PINCOTT (2005, S. 6 ff.). Möglicherweise kann die klassische Erfolgsfaktorenforschung eine erste Orientierung und einen groben Rahmen für die Ableitung spezifischer Erfolgsfaktoren der Consumer InsightFindung vorgeben. So werden als kritische Erfolgsfaktoren der strategischen Führung die Bereiche Träger, Philosophie und Kultur, Strategie, Struktur, Systeme und Realisationspotenziale (z.B. Verfügbarkeit) genannt (HAHN 1999, S. 1042 f.). Da die Consumer Insight-Findung im Rahmen dieser Arbeit als kreativer Prozess aufgefasst wird, bietet sich an dieser Stelle wiederum ein Rückgriff auf die Kreativitätsforschung und die dort genannten Erfolgsfaktoren
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an. Diese werden in der Literatur meist unter den Stichworten „kreativitätsfördernde bzw. -hemmende Faktoren“ behandelt (vgl. z.B. SCHLICKSUPP 1985, S. 25 ff., VOSBURG 1998, S. 315 ff., NOACK 2005, S. 16 ff.). Auch sie lassen sich auf Faktoren wie Träger, Struktur oder Systeme zurückführen. Zur weiteren Systematisierung der Erfolgsfaktorengruppen bietet sich zudem eine Einteilung in endogene und exogene Faktoren an. Endogene Faktoren betreffen die kreative Person, d.h. den oder die Träger der Consumer Insight-Findung. Exogene Faktoren entstehen aus äußeren Ursachen und Einwirkungen heraus und beziehen sich auf die verfügbare Konsumentenkenntnis, Strukturen, Prozesse und Realisationspotenziale. Endogene und exogene Faktoren hängen eng zusammen, da das Individuum nicht isoliert betrachtet werden kann. Die Umwelt hat Einfluss auf die Ausprägung der endogenen Faktoren (z.B. könnte die Struktur einer Werbeagentur das Engagement der Mitarbeiter beeinflussen). Bevor die wichtigsten Faktoren näher erläutert werden, werden endogene und exogene Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung zunächst im Überblick dargestellt. Die Erfolgsfaktoren wurden aus der Kreativitätsforschung sowie der vorhandenen Literatur zum Consumer Insight abgeleitet und zusammengestellt (vgl. z.B. SCHLICKSUPP 1985, S. 25 ff., BUTTERFIELD 1997, VOSBURG 1998, FORTINI-CAMPBELL 2001, LEROY-SHARMAN/ WEST 2004, WILLS/WILLIAMS 2004, NOACK 2005, S. 16 ff., PINCOTT 2005, S. 6 ff.).
Endogene Erfolgsfaktoren
Exogene Erfolgsfaktoren
Mechanismen der Wissensverarbeitung, z.B. • Erfahrung • Analytische Fähigkeiten • Dekomponierung von Komplexität • Assoziationsfähigkeit und -bereitschaft, Kombinationsgabe • Blick für das Wesentliche • Intuition • Aspekte aus anderen Themenbereichen und Disziplinen einbringen • Fähigkeit zur Teamarbeit
Verfügbare Konsumentenkenntnis, z.B. • Informationsbreite • Informationstiefe, Hintergründe, „Warum“ • Wahrheiten • Verknüpfung von Informationen
Psychodynamische Antriebskräfte, z.B. • Experimentierfreude, Neugierverhalten • Empathie, Emotionalität • Identifikationsbereitschaft • emotionale Intelligenz • Streben nach Selbstverwirklichung • Leidenschaft • Energie
Struktur, z.B. • Freiheit zur Entfaltung (Ortswechsel, Zulassen von Ideen usw.) • Teamarbeit, Austausch, Querbeziehungen, Kontakt mit Personen anderer Disziplinen • Zentrale Verantwortlichkeit Prozesse, z.B. • Systematisches, hypothesengeleitetes Vorgehen • Einzelfallorientierung statt Standardisierungen und Normstrategien Realisationspotenziale, z.B. • Monetäre Ressourcen • Zeitbudget • Adäquate Marktforschungsinstrumente
Tabelle 3–3: Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung (eigene Darstellung)
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3.4.2.1. Endogene Erfolgsfaktoren Die endogenen Erfolgsfaktoren betreffen den oder die individuellen Träger der Consumer Insight-Findung, in der Regel den Planner in der Werbeagentur oder ein Team von Plannern. Die endogenen Erfolgsfaktoren lassen sich nach SCHLICKSUPP (1985, S. 25 f.) in Mechanismen der Wissensverarbeitung sowie psychodynamische Antriebskräfte unterscheiden. Sie bestimmen das kreative Potenzial einer Person. Mechanismen der Wissensverarbeitung Die Mechanismen der Wissensverarbeitung betreffen die Denkprinzipien, -methoden und Freiheitsgrade des Denkens. Hierbei geht es um die Fähigkeit und Bereitschaft zu analytischem Denken, Dekomponierung von Komplexität, Assoziationsbildung bzw. Kombinationsgabe oder Teamarbeit bzw. den Austausch mit anderen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Erfahrung des Trägers der Consumer InsightFindung von Bedeutung. Mit zunehmender Erfahrung werden analytisches Denken, Dekomponierung von Komplexität und Kombinationsgabe immer wieder angewendet und dadurch trainiert. Zur Findung von Consumer Insight sind vor allem Analyse- und Marketingerfahrung notwendig (LEROY-SHARMAN/WEST 2004). Sie sind z.B. die Voraussetzungen dafür, vorhandene Marktforschungsdaten richtig interpretieren zu können (BUTTERFIELD 1997, S. 46), da sich der „Blick für’s Wesentliche“ in der Regel erst mit ausreichender Erfahrung entwickelt. Es gilt, die für die Bearbeitung der spezifischen Problemstellung relevanten Informationen herauszufiltern und so miteinander in Zusammenhang zu bringen, dass neue Bedeutungen und infolgedessen Consumer Insight entstehen. Psychodynamische Antriebskräfte Die psychodynamischen Antriebskräfte betreffen unter anderem die Experimentierfreude bzw. Neugier, die intuitiven sowie die empathischen Fähigkeiten der kreativen Person. Sie haben ihre Wurzeln in der Person selbst, stehen jedoch in enger Wechselwirkung mit externen Einflüssen, z.B. der Rollenzuweisung, Anerkennung, Verantwortung oder auch Freude- und Leid-Erlebnisse der Person innerhalb der Organisation (SCHLICKSUPP 1985, S. 25 f.). Kreativitätsförderung kann somit nur bedingt am Individuum isoliert erfolgen, sondern betrifft auch die Gestaltung der Umfelder. Experimentierfreude, Leidenschaft, „unbändige“ Neugier und Offenheit gelten als wichtige Voraussetzungen für die Entdeckung von Consumer Insight (ROBERTS 2004, S. 162) und
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für den Beruf des Planners (BUTTERFIELD 1997, S. 29 ff., APG 2001b, S. 8). Demnach braucht ein Planner Antennen in alle Richtungen und Interesse an den vielfältigsten Themenbereichen, um in der Lage zu sein, Sachverhalte aus den unterschiedlichsten Bereichen zu verknüpfen und neue Denkkombinationen bilden zu können. Dazu gehört auch die Bereitschaft, ungewöhnlich und divergent zu denken und Ideen auch wieder zu verwerfen. Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass intuitive Fähigkeiten wesentlich zur Erlangung von Illumination im kreativen Prozess beitragen. Intuition lässt sich auffassen als „inneres Navigationssystem, das einem die richtige Lösung immer wieder unwillkürlich offenbart“ (HEUMANN/BAUMANN/VEKEN 2006, S. 5). Das Bewusstsein wird dann „eingeschaltet“, wenn das Unterbewusstsein auf eine Lösung stößt. Basis für die Wirkkraft der Intuition ist eine Informations- bzw. Wissensbasis. Das Faszinosum „menschliche Intuition“ wird anschaulich von GLADWELL (2005) beschrieben. Als Empathie wird die Fähigkeit eines Menschen bezeichnet, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, seine Gefühle zu teilen und sich damit über dessen Verstehen und Handeln klar zu werden (BISCHOF-KÖHLER 2000, S. 170). Dazu muss der eigene emotionale Zustand dem Gefühlszustand einer anderen Person entsprechen, was dadurch erreicht wird, dass man die Perspektive der anderen Person, z.B. des Konsumenten, einnimmt und so deren emotionale und andere Reaktionen begreifen kann (Perspektivenübernahme). Die empathischen Fähigkeiten eines Individuums entsprechen dem Konzept der emotionalen Intelligenz (GOLEMAN 1995). Diese versetzt Menschen in die Lage, ihre eigenen emotionalen Zustände und die der Konsumenten zu erkennen und zu verstehen und dieses Verständnis effektiv dafür zu nutzen, die emotionalen Reaktionen der Konsumenten auf einen Werbereiz zu managen (EDWARDSON 1998). Genau hierum geht es bei der Consumer Insight-Findung. Für die Entwicklung wirkungsvoller Kommunikation ist es essenziell, die Perspektive der Konsumenten einzunehmen und dessen Gefühle zu verstehen. Die Wissensverarbeitung und die psychodynamischen Antriebskräfte lassen sich in einem gewissen Rahmen unterstützen und fördern. Auf entsprechende Handlungsempfehlungen wird in Abschnitt 3.5 näher eingegangen.
3.4.2.2. Exogene Erfolgsfaktoren Die exogenen Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung entstehen aus äußeren Ursachen und Einwirkungen heraus. Sie betreffen insbesondere das verfügbare Wissen über den Konsumenten, Strukturen, Prozesse sowie Realisationspotenziale.
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Verfügbare Konsumentenkenntnis Die verfügbare Konsumentenkenntnis ist die Grundlage der Consumer Insight-Findung (siehe 3.2.3.4). Ausschlaggebende Faktoren sind die Breite und Tiefe der verfügbaren Konsumentenkenntnis sowie die Verknüpfung von Informationen. Die Breite der verfügbaren Konsumentenkenntnis wirkt sich auf die Breite kreativer Lösungen aus. Je breiter und je vielfältiger das verfügbare Wissen der Träger des kreativen Prozesses ist, desto größer ist die Vielfalt der potenziellen kreativen Denkergebnisse (SCHLICKSUPP 1985, S. 27). Es ist möglich noch notwendig, vollständiges Wissen über den Konsumenten zu erwerben: so werden auch bei einem Puzzle nicht sämtliche Teile benötigt, um das fertige „Puzzlebild“ erkennen zu können (PINCOTT 2005, S. 7). In der Regel liegt bereits eine Fülle von Daten vor, die „nur“ in Zusammenhang gebracht und richtig interpretiert werden müssen. RIESENBECK/PERREY (2005, S. 104) vermuten, dass sich viele Unternehmen „ihrer Datenschätze aus vorhandener qualitativer Marktforschung, verbunden mit Scannerdaten, Transaktionsdaten, Daten aus Loyalitätsprogrammen“ nicht bewusst sind. Heutzutage liegen eher zu viele als zu wenige Daten über das Konsumentenverhalten vor, wovon allerdings viele nicht wirklich relevant sein dürften. Eine zu umfangreiche Fülle an Informationen kann sich Consumer Insight-hemmend auswirken, indem sie zu einem Gefühl der Überladung führen und Probleme bei der Analyse verursachen kann (LEROY-SHARMAN/WEST 2004). Wichtig ist deshalb ein hypothesengeleitetes Vorgehen (siehe Erfolgsfaktor „Prozesse“). Es gilt, Vorstellungen davon zu entwickeln, wie der Consumer Insight aussehen könnte. Die Tiefe der verfügbaren Konsumentenkenntnis betrifft in erster Linie die Hintergründe des Konsumentenverhaltens. Bei der Konsumentenkenntnis geht es nicht nur um beschreibendes Wissen – wichtig sind vielmehr Ursachen- und Wirkungskenntnisse (SILBERER 2004, S. 263 ff.), die Frage nach dem „Warum“ (ISAACS 1998, RATNESHWAR/MICK/HUFFMAN 2000). Häufig herrscht in der Praxis jedoch eine gewisse Oberflächlichkeit vor. Nicht selten orientieren sich die Werbetreibenden fast ausschließlich an generalisierenden, oberflächlichen Segmentierungen und Statistiken, die als „Insight“ genutzt werden (o.V. 2004b). ZALTMAN (2003) kritisiert, dass gerade emotionale Sachverhalte trotz ihrer Bedeutung für das menschliche Verhalten vernachlässigt und z.B. emotionale Schemata nur oberflächlich erfasst werden. Neben der Informationsbreite und -tiefe ist auch die Verknüpfung von Informationen wichtig für die Consumer Insight-Findung. Es gilt, ein holistisches Verständnis vom Konsumenten zu entwickeln. Generell empfiehlt sich deshalb eine Kombination von Datenquellen (LEROYSHARMAN/WEST 2004, SILBERER 2004, S. 274). Es ist wichtig, über Erkenntnisse aus
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unterschiedlichen Quellen zu verfügen, um diese miteinander in Verbindung zu bringen und sich Sachverhalten auf unterschiedliche Weise nähern zu können. Generell steht eine Vielzahl von internen und externen Quellen zur Verfügung (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 216 ff., SILBERER 2004, S. 268 ff.) sowie Primär- und Sekundärforschung (zu den Begrifflichkeiten siehe HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 75). Vorhandene Sekundärstudien eignen sich weniger zur Beantwortung situationsspezifischer Fragestellungen, können jedoch dazu beitragen, ein generelles Verständnis des Marktes zu erlangen (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 58 ff.). Primärforschung wird in der Unternehmenspraxis oftmals viel zu spät eingesetzt, so dass sie keine Hinweise für die Consumer Insight-Findung liefern kann. Einer Studie von TROMMSDORFF (2003) zur Praxis des Pretesting zufolge lagen nur bei knapp der Hälfte der Kampagnen bereits vor oder während der Kampagnenentwicklung Primärforschungsdaten vor (ebd., S. 76). Gründe liegen unter anderem in einer verbreiteten Pretest-Fokussierung, die dazu führt, dass Marktforschung unsinnigerweise erst kurz vor Schaltung der Werbung in Form von Pretests eingesetzt wird. Den größten Beitrag zur Steigerung der Werbeeffektivität kann Marktforschung jedoch im Stadium der Strategieentwicklung leisten – bei der Suche nach Consumer Insight (HEDGES/FORD-HUTCHINSON/STEWART-HUNTER 1997, S. 36 ff.). Struktur Der Erfolgsfaktor „Struktur“ betrifft die zentrale Verantwortlichkeit für die Consumer Insight-Findung, die Freiheit zur Entfaltung sowie Teamarbeit und Austausch. Die zentrale Verantwortlichkeit für die Consumer Insight-Findung betrifft die Lenkung des Prozesses. Jeder kann einen Consumer Insight finden. Im Kommunikationsentwicklungsprozess sollte es jedoch einen Verantwortlichen oder eine verantwortliche Institution geben. Der Consumer Insight-Verantwortliche sollte sowohl in der Lage sein, für die notwendigen Informationen zu sorgen, als auch berechtigt sein, Entscheidungen zu treffen. Die Trennung zwischen den Informationsfunktionen und dem Treffen von Entscheidungen kann dazu führen, wichtige Informationen zu verlieren, zu verpassen oder zu ignorieren (SILVERSTEIN 1998, S. 151, LEROY-SHARMAN/WEST 2004). Geeignete Träger des Prozesses sind die Planner in den Werbeagenturen. Als Experte für die Beziehung zwischen Konsumenten, Marken und Kommunikation sorgt der Planner dafür, dass der Konsument im Mittelpunkt der Kommunikationsentwicklung steht (RAINEY 1997, HACKLEY 2003). Zunehmend erkennen auch Unternehmen die Notwendigkeit, einen Consumer InsightVerantwortlichen zu etablieren (WILLS/WILLIAMS 2004). Analog zu den Plannern in den
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Werbeagenturen soll dieser dafür sorgen, Consumer Insight in alle Phasen der Marketingplanung einzubringen. Hierbei handelt es sich um viel versprechende Ansätze, das Konzept des Consumer Insight von den Werbeagenturen auf die Unternehmen zu übertragen. Auch die Marktforschungsinstitute nehmen für sich in Anspruch, die Consumer Insight-Verantwortlichen im Kommunikationsentwicklungsprozess zu sein. Insbesondere in Großbritannien wird leidenschaftlich über die neue „zentrale“ Rolle der Marktforscher debattiert (BAKER/ MOUNCEY 2002, PINCOTT 2005). Im Rahmen dieser Arbeit wird die Ansicht vertreten, dass Marktforschungsinstitute zwar einen wichtigen Teil dazu beitragen können, Consumer Insight zu finden. Letzten Endes sollte es jedoch auf Agentur- oder Unternehmensseite eine zentrale Stelle geben, die den Prozess steuert und maßgeblich daran beteiligt ist. Zudem müssen Marktforschungsergebnisse in der Regel noch auf kreative Weise verdichtet werden, damit Consumer Insight gefunden werden kann. Freiheit zur Entfaltung betrifft unter anderem das Zulassen von Ideen. So sollten ungewöhnliche Ideen, Ansatzpunkte oder Perspektiven nicht direkt verworfen werden. Oftmals stehen etablierte Meinungen der Findung und Akzeptanz von Consumer Insights im Wege (LEROYSHARMAN/WEST 2004). Zudem sollte den Trägern der Consumer Insight-Findung die Möglichkeit gegeben werden, inneren Abstand zum Thema zu gewinnen, z.B. durch einen Ortswechsel (siehe auch Abschnitt 3.5.3). Mit innerem Abstand entstehen oft im Unterbewusstsein, d.h. intuitiv neue Ansätze. Kreative Prozesse lassen sich auch durch Teamarbeit bzw. Austausch zwischen Personen unterschiedlicher Disziplinen fördern. Mit der Consumer Insight-Findung könnte demzufolge auch ein interdisziplinäres Team aus Plannern, Beratern und Kreativen beauftragt werden. Generell sollten im Prozess der Consumer Insight-Findung regelmäßig alle Beteiligten an den Tisch geholt werden. Enge Zusammenarbeit und Einsatzwillen aller Beteiligten sind unabdingbar (RENKEMA/ZWIKKER 2003). Prozesse Der Erfolgsfaktor „Prozesse“ bezieht sich unter anderem auf ein systematisches, hypothesengeleitetes Vorgehen sowie die Einzelfallorientierung. Ein systematisches, hypothesengeleitetes Vorgehen ist Voraussetzung dafür, um mit der Komplexität der Informationen umgehen und Konsumentenkenntnis in Consumer Insight transformieren zu können. Die vorliegenden Informationen über den Konsumenten werden miteinander in Verbindung gebracht und zu verschiedenen Konstellationen kombiniert. Diese
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stellen Hypothesen über den Konsumenten und sein Verhalten dar. Es handelt sich um Ideen darüber, warum sich die Konsumenten unter bestimmten Umständen auf eine bestimmte Art und Weise verhalten (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 140). Der letztendliche Consumer Insight kann somit als verifizierte Hypothese über den Konsumenten und sein Verhalten aufgefasst werden. Die Hypothesenbildung beinhaltet die phantasievolle oder kreative Interpretation von Informationen und Daten. Die Hypothesen werden überprüft und weiter spezifiziert. Ein weiterer Erfolgsfaktor der Consumer Insight-Findung ist die Einzelfallorientierung. Entsprechend dem Merkmal „Situationsbezogenheit“ ist der Consumer Insight auf eine ganz bestimmte Konstellation Konsument – Produktkategorie/Produkt/Marke ausgerichtet. Standardisierungen und Normstrategien sind der Consumer Insight-Findung nicht zuträglich, weil sie die spezifische Marketingsituation nicht berücksichtigen. In der Praxis besteht die Tendenz, Abläufe stark zu standardisieren und Normstrategien, z.B. für Werbebotschaften, auf sehr unterschiedliche Fragestellungen anzuwenden. Hierzu gehören z.B. Strategiemodelle wie das ROSSITER-PERCY-Grid (ROSSITER/PERCY/DONOVAN 1991) oder Positionierungsstrategien (vgl. z.B. LEVERMANN 1994), die für verschiedene Situationen bestimmte Ansprachestrategien empfehlen. Jede neue Aufgabe sollte individuell und mit den jeweils adäquaten Mitteln angegangen werden, wie es auch die Verfasser der Modelle empfehlen. Realisationspotenziale Die Realisationspotenziale betreffen insbesondere das zur Verfügung stehende Zeitbudget, das monetäre Budget sowie den Zugang zu adäquaten Marktforschungsinstrumenten. Gerade das für die Consumer Insight-Findung zur Verfügung stehende Zeitbudget stellt in der Werbepraxis eine große Barriere dar. Oft müssen mehrere Projekte gleichzeitig bearbeitet werden. Zudem herrscht häufig von Seiten der Aufftraggeber der Druck, den gesamten Prozess der Kommunikationsentwicklung und -umsetzung in sehr kurzer Zeit absolvieren zu müssen – teilweise in nur einer Woche. Die Consumer Insight-Findung bleibt auf der Strecke: „How can you find time to talk to consumers when you barely have time for lunch?“ (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 47). Häufig wird der Strategieentwicklung wenig Zeit gegeben, um mehr Raum für die Entwicklung des Kreativkonzeptes zu haben. Folglich werden Kommunikationsstrategien oftmals auf Basis standardisierter Zielgruppenbeschreibungen oder eigener Annahmen formuliert. Die strategische Basis gilt jedoch als kritischer Erfolgsfaktor für die Einzigartigkeit der Lösung und die Effektivität der Kommunikation (TROMMSDORFF 2003, S. 90 f.). An dieser Stelle
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ist dementsprechend festzuhalten: Strategieentwicklung erfordert Zeit. Der Consumer InsightFindung sollte ausreichend Raum gegeben werden, da auf dieser Basis die kreative Entwicklung zielgerichteter erfolgen kann. Allerdings gilt es, das richtige Maß zu finden (LANGWOST 2004, S. 145): Sind Zeiträume zu weit, können sie eine Fokussierung auf die Aufgabe verhindern. Sind sie zu eng, können sie Druck aufbauen, der die kreative Leistungsfähigkeit blockiert statt stimuliert (TROMMSDORFF/STEINHOFF 2006, S. 370). Insbesondere die Auftraggeber, d.h. die Kunden der Werbeagenturen, sollten begreifen, dass eine gelungene Strategieentwicklung von Vorteil ist, sich durch effektivere Kommunikation auszahlt. Dafür sollte entsprechende Zeit eingeräumt werden (mindestens zwei, besser vier Wochen). Das verfügbare monetäre Budget bestimmt unter anderem den Zugang zu adäquaten Marktforschungsinstrumenten. Das monetäre Budget ist wichtig für die Datengewinnung, d.h. für die Durchführung von Primärforschung und die Beschaffung von Sekundärmaterialien. Auch Budgetrestriktionen sind angesichts der wirtschaftlichen Lage der Agenturbranche und weiter steigendem Kostendruck (GWA 2006) weit verbreitet. Wichtig ist es, die Auftraggeber dafür zu sensibilisieren, die für die Consumer Insight-Findung benötigten Budgets bereitzustellen.
3.4.3.
Die Phasen des Consumer Insight-Findungsprozesses im Einzelnen
Der grundlegende Ablauf des kreativen Prozesses ist für die Consumer Insight-Findung zu spezifizieren. Die vier Phasen Vorbereitung, Inkubation, Illumination, Verifikation folgen in der Regel nicht linear-sequenziell aufeinander, sondern überschneiden sich und verlaufen teilweise parallel. Der nachfolgend beschriebene modellhafte Ablauf dient dazu, Zugang zum Prozess der Consumer Insight-Findung zu erhalten und diesen zu veranschaulichen. Die einzelnen Phasen der Consumer Insight-Findung bestehen jeweils aus mehreren Teilschritten. Die Parallelität der Phasen ergibt sich vor allem daraus, dass das Problem der KonsumentenMarken-Beziehung oftmals nicht von vornherein klar auf der Hand liegt, sondern zunächst identifiziert werden muss. Oft wird das Problem erst vollständig erkannt, wenn im Rahmen der Inkubationsphase Hypothesen gebildet und untersucht worden sind. Erst aus einem umfassenden Problemverständnis heraus lassen sich zielgerechte Lösungsvorschläge entwickeln. Die Problemidentifikation ist sozusagen das Herzstück des Prozesses der Consumer InsightFindung. Somit kann das Problem selber Objekt der Hypothesenbildung sein. Aus dem Problem ergibt sich auch die Rolle der Kommunikation, auf deren Basis die Werbeziele formuliert werden. Es muss sich jedoch nicht immer um „Probleme“ handeln – vielmehr geht es darum, Chancen und Möglichkeiten zu identifizieren (APG 2003, S. 156).
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Consumer Insight
Bevor die einzelnen Phasen des Consumer Insight-Findungprozesses näher beschrieben werden, werden sie zunächst im Überblick dargestellt:
Abbildung 3-7:
Übersicht über die Phasen des Consumer Insight-Findungsprozesses (eigene Darstellung)
3.4.3.1. Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase geht es darum, das Problem bzw. die Chancen und Möglichkeiten zu erkennen und den Tatbestand zu analysieren. Dabei gilt es, sich wesentliche Zusammenhänge des Problems transparent zu machen, das vorhandene problemrelevante Wissen zu aktivieren und dieses Wissen flexibel zu einer Lösung zu verarbeiten. Analysevorgänge lassen sich generell als Prozesse der Informationsbeschaffung zu einem interessierenden Sachverhalt begreifen (SCHLICKSUPP 1985, S. 39). Eine Fragestellung im Rahmen der Suche nach Consumer Insight könnte z.B. folgendermaßen lauten: „Welches Markenterritorium könnte WEEDOL besetzen, um die Konsumenten emotional zu involvieren?“.
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Consumer Insight
Es lassen sich folgende Teilschritte der Vorbereitungsphase innerhalb des Consumer InsightFindungsprozesses identifizieren:
Zielgruppenbestimmung (Eingrenzung der relevanten Zielgruppe),
Bestandsaufnahme und gegebenenfalls Erweiterung der vorhandenen Konsumentenkenntnis sowie des vorhandenen Wissen über Markt, Marke und Wettbewerb,
Analyse der Marktsituation aus Konsumentensicht,
Identifikation von Forschungsbedarf und Durchführung von Primärforschung,
Aufstellen erster Hypothesen (auf Basis von vorhandenen Primär- und Sekundärdaten, ggf. Selbstbeobachtung).
Zielgruppenbestimmung Damit die Informationsbeschaffung und -analyse zielgerichtet erfolgen kann, ist zunächst die relevante Zielgruppe einzugrenzen. Consumer Insight kann nur erlangt werden, wenn klar ist, über wen Einblicke gewonnen werden sollen. Manchmal ergibt sich die eigentliche Zielgruppe erst im Prozess. Relevante Zielgruppe der Consumer Insight-Findung ist diejenige Personengruppe, von der am meisten über die Marke und das Konsumentenverhalten gelernt werden kann. Die für die Consumer Insight-Findung relevante Zielgruppe umfasst demnach nicht immer die Verwender bzw. Verbraucher sondern z.B. auch die Entscheider oder Zahler (zu den verschiedenen Funktionen siehe TROMMSDORFF 2004a, S. 17). Die Zielgruppenbestimmung kann mithilfe der Marktsegmentierung vorgenommen werden (zu Grundlagen und Methoden siehe z.B. MEFFERT 2000, S. 181 ff., LAß 2002, S. 448 f., HOMBURG/KROHMER 2003, S. 313 ff.). Diese beinhaltet die Einteilung der Zielkonsumenten eines Marktes in Gruppen, die in sich möglichst homogen und untereinander heterogen sind. Die Marktsegmentierung ist anspruchsvoll und gilt als „Wahre Kunst der Marktforschung“ (Titelseite der Fachzeitschrift p&a, 4/2005). Zur Segmentierung können verschiedene Dimensionen herangezogen werden. Während früher demographische Faktoren wie Alter, Geschlecht, Einkommen oder soziale Schicht zum Einsatz kamen, herrscht inzwischen Übereinstimmung dahingehend, dass psychographische Daten wie Einstellungen, Lebensstile, Motive und Werte verhaltensrelevantere Marktsegmentierungskriterien als darstellen (PETRAS/ SAMLAND 2001, NIESEL 2002, JEKER/SCHWEIGER/VOSSNACK 2005, REINELT/ FAUCONNIER 2005, S. 40). Im Zuge der Consumer Insight-Findung ist zunächst das grundlegend relevante Segmentierungskriterium zu bestimmen.
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Consumer Insight
Die Segmentierung muss jeweils für die spezifische Marketingsituation entwickelt bzw. maßgeschneidert
werden
(STRUCK/CHUDY/RIEDER
2005).
Eine
Orientierung
ausschließlich an vorhandenen Segmentierungsansätzen wie z.B. den bekannten SINUSMilieus erfüllt die Anforderungen nicht (o.V. 2004b). Diese können zwar einen ersten Orientierungsrahmen bieten, müssen jedoch verfeinert werden. Die Segmentierung bildet die Grundlage des Prozesses der Consumer Insight-Findung. Gleichzeitig sind Segmentierungskriterien wie Motive und Werte erst Gegenstand der Consumer Insight-Findung. Die zunehmend tieferen Einblicke in die Konsumenten können zu einer Neudefinition bzw. Spezifizierung der Zielgruppensegmente führen, z.B. weil bestimmte, vorher nicht beachtete oder unbekannte Segmentierungsmerkmale in den Blickpunkt rücken. Zunächst sollte deshalb zur pragmatischen Zielgruppenbestimmung eine Grobsegmentierung erfolgen, z.B. auf Basis von Verhaltensvariablen (Verwender/Nichtverwender). Sollen mehrere unterschiedliche Zielgruppensegmente angesprochen werden (z.B. Mütter und Kinder oder Laien und Experten), so ergeben sich in Abhängigkeit von deren Heterogenität in der Regel mehrere Consumer Insights und demzufolge mehrere Kernbotschaften, mit denen die Segmente adressiert werden. Soll dennoch nur eine Kampagne entwickelt werden, so sind die Zielgruppensegmente zu priorisieren (Bestimmung der Kernzielgruppe). Bestandsaufnahme und Erweiterung des vorhandenen Wissens Hierbei geht es darum, das problemrelevante Wissen zu sammeln und Lücken aufzudecken. Dieses umfasst nicht nur die Konsumentenkenntnis, sondern auch Wissen über Markt, Marke und Wettbewerb. Zunächst gilt es, die relevanten Suchfelder abzustecken (GORDON 2002). In der Regel startet der Prozess auf Basis einer Analyse der vorhandenen Sekundärforschungsdaten. Zunächst geht es darum, sich einen Überblick zu verschaffen und die unterschiedlichen Elemente der Konsumentenkenntnis miteinander in Bezug zu setzen. Vorhandene Studien sollten lediglich als Sprungbrett zur weiteren Wissensgenerierung aufgefasst werden (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 69). Sie können eine Basis für eigene Überlegungen und Untersuchungen bilden. Die Praxis tendiert allerdings dazu, sich auf Sekundärdaten zu verlassen, und hört oftmals frühzeitig mit der Generierung von Konsumentenkenntnis auf (ebd., S. 69 f.). Dies ist insofern problematisch, als derartige Informationen zwar allgemein nützlich und kategoriespezifisch sind, jedoch niemals spezifisch für die jeweilige Marketingsituation und in der Regel auch den Wettbewerbern zugänglich sind.
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Consumer Insight
Aufstellen erster Hypothesen, Identifikation von Forschungsbedarf und Durchführung von Primärforschung Auf Basis der vorhandenen Konsumentenkenntnis werden erste Annahmen über das Verhalten der Konsumenten und dessen Hintergründe getroffen und in Hypothesen umgewandelt. Für die Hypothesenaufstellung lassen sich z.B. die erwähnten Motiv- oder Wertelisten als Suchheuristiken und Inspirationsquelle nutzen. Das Wissen über den Konsumenten wird im Verlauf des gesamten Prozesses der Consumer Insight-Findung sukzessive erweitert. Im Rahmen der Hypothesenbildung und -verfeinerung können neue Fragen auftauchen, die so vorher nicht gestellt worden sind und von daher einer Antwort bedürfen. Identifizierte Wissenslücken können je nach verfügbarem Zeit- und Geldbudget durch Primärforschung geschlossen werden (siehe dazu 3.5.4). Der Umfang der zu generierenden Konsumentenkenntnis variiert in Abhängigkeit davon, wie schnell ein Consumer Insight gefunden wird. In dieser Phase kann es hilfreich sein, nicht direkt Primärforschung am Konsumenten zu betreiben, sondern zunächst im Rahmen einer Selbstbeobachtung erste Hypothesen zu generieren, um sich Orientierung zu verschaffen. Im Beispiel WEEDOL (siehe 2.3.1) wurde anhand von Selbstbeobachtung die Hypothese aufgestellt, dass Hobbygärtner Spaß daran haben, Unkraut in ihrem geliebten Garten „auszulöschen“. Diese Hypothese wurde schließlich anhand von Konsumenteninterviews verifiziert. Voraussetzung für eine gelungene Kommunikationsentwicklung ist des Weiteren eine detaillierte Wettbewerbsanalyse, da der Neuigkeitsaspekt ein zentrales Merkmal des Consumer Insight ist. Insofern sind die Erkenntnisse über die Konsumenten dahingehend zu untersuchen, inwieweit sie bereits durch Konkurrenten genutzt werden, z.B. indem in der Werbung bestimmte relevante Konsummotive adressiert werden. Über den gesamten Prozess der Consumer Insight-Findung und Kommunikationsentwicklung hinweg sollte immer wieder ein Abgleich mit den Aktivitäten und den Markenschemata der Wettbewerber erfolgen.
3.4.3.2. Inkubationsphase Die Inkubationsphase reicht vom Aufstellen der ersten Hypothesen in der Vorbereitungsphase bis zum Finden der endgültigen Lösung. Ziel dieser Phase ist es, den Consumer Insight heraus zu kristallisieren (APG 2003, S. 156). Die Inkubation beinhaltet insbesondere die unterbewusste Problemverarbeitung. Es geht darum, Ideen „auszubrüten“. Im Rahmen der Inkubation wird problembezogenes Material auf unterbewusster Ebene mit anderem Erfahrungsmaterial in Verbindung gebracht und zu vielen Konstellationen durchkombiniert.
Consumer Insight
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Es ergeben sich folgende Teilschritte der Inkubationsphase:
Hypothesenbildung (Ideengenerierung und -verdichtung),
Hypothesenüberprüfung anhand von vorhandener Konsumentenkenntnis oder Generierung von neuem Wissen inklusive Verdichtung der gewonnenen Erkenntnisse und Ideen (Fokussierung und Verifizierung der Hypothesen).
Hypothesenbildung Der kreative Prozess der Hypothesenbildung ist als iterativer Prozess aufzufassen. Es werden immer wieder Hypothesen gebildet, überprüft, verfeinert und verworfen sowie gegebenenfalls fokussiert und verifiziert. Die Hypothesenbildung erfolgt dabei in der Regel in mehreren Runden bis zum Eintritt des intendierten Aha-Erlebnisses. Auch dieser Prozess lässt sich am Beispiel WEEDOL veranschaulichen. Dort wurde zunächst die Erkenntnis gewonnen, dass eine emotionale Involvierung der Zielgruppe Differenzierungspotenziale bieten kann (grobes Suchfeld), worauf in mehreren Schritten eine inhaltliche Spezifizierung erfolgte. Im Zuge der Hypothesenbildung geht es darum, vorhandene Daten in bedeutsame und anwendbare Informationen zu transformieren (FORTINI-CAMPBELL 2001). Im Grunde handelt es sich hierbei um eine Suche nach Bedeutung (TASGAL 2004). Diese Suche wird durch die ständig wiederkehrende Frage nach dem „Warum“ geleitet (ISAACS 1998). Es geht darum, das Bekannte und Offensichtliche in Frage zu stellen (LANGWOST 2004, S. 144). Das Wissen über den Konsumenten, über sein Verhalten, seine Emotionen, Motive, Werte und Einstellungen wird miteinander sowie mit anderem Erfahrungsmaterial in Verbindung gebracht und zu vielen Konstellationen durchkombiniert. Die Hypothesenbildung selbst ist als kreativer Akt zu betrachten, der die kreative Interpretation von Daten und Informationen beinhaltet (FRIEDMAN, zitiert in FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 140). Entsprechend dem Merkmal „Neuartigkeit“ besteht der Schlüssel zum Consumer Insight in einer kreativen Frage, die versucht, das Bestehende aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Das Verhalten der Konsumenten in Bezug auf bestimmte Produktkategorien wurde bereits vielfach analysiert und in zahlreichen Marktstudien dokumentiert, die allerdings auch den Konkurrenten zugänglich sind. Es wird somit immer schwieriger, eine neue Perspektive auf das Konsumentenverhalten zu finden. Dies gilt insbesondere für umkämpfte Produktkategorien wie z.B. Bier. Hier ist das kreative Potenzial der Beteiligten besonders gefordert. Zur Förderung des kreativen Prozesses der Hypothesenbildung lassen sich verschiedene Techni-
102
Consumer Insight
ken nutzen, die in Abschnitt 3.5 dargestellt werden. Als wichtige Inspirationsquelle für die Hypothesenbildung gilt inbesondere die Marktforschung: „We need research to help us discover what we don’t know we don’t know. To find bigger problems to solve. And then we need research to inspire us to go further and deeper.“ (ROBERTS 2004, S. 155). Hypothesenüberprüfung Die gebildeten Hypothesen werden z.B. im Rahmen von Primärforschung überprüft und verfeinert. Sie sollten z.B. insbesondere dann anhand von Mitgliedern der Zielgruppe verifiziert werden, wenn sie durch Selbstbeobachtung gewonnen wurden. Bei der Durchführung von Primärforschung ist ein hypothesengeleitetes Vorgehen essentiell.
3.4.3.3. Illumination Die Erleuchtung oder Illumination betrifft das unvermittelte, plötzliche Bewusstwerden einer Idee (SCHLICKSUPP 1985, S. 24). Sie bezeichnet den Moment, in dem die kreative Person erkennt, dass sie eine neuartige Kombination von Sachverhalten entdeckt hat. Wie vielfach berichtet wird, geht auch das Entdecken eines Consumer Insight mit Erleuchtung, Intuition und einem Aha-Erlebnis einher (vgl. Abschnitt 3.2.3.3). Das Vorliegen eines intensiven Erkenntnismomentes ist als immanentes Merkmal des Consumer Insight zu bezeichnen. Es wird auch als Indikator dafür angesehen, dass ein Consumer Insight gefunden wurde (FORTINICAMPBELL 2001, S. 135, SHERRINGTON 2003) und dient gleichzeitig der Verifikation. Der Moment der Erleuchtung wird als mehr oder weniger physisch spürbar beschrieben. Laut WALLAS (1926, S. 97 ff.) kündigt er sich bereits vorher an. Das Individuum hat das Gefühl, dass eine Lösung entsteht, weiß aber nicht, wie diese aussehen wird. Laut Berichten von TopKreativen ist mit dem Moment der Erleuchtung ein allgemeines Wohlbefinden oder das Gefühl der Energiegeladenheit verbunden (LANGWOST 2004, S. 26 f.).
3.4.3.4. Verifikationsphase In dieser Phase wird der Consumer Insight verifiziert, d.h. er wird gedanklich dahingehend überprüft, ob er den Gegebenheiten und Anforderungen an die Problemsituation gerecht wird. Zudem erfolgt die Aufbereitung der Idee in eine Form, die kommunizierbar ist (WALLAS 1926, S. 81), z.B. im Rahmen des Kreativbriefings.
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Verifizierung Die Verifizierung bezieht sich im Rahmen der Consumer Insight-Findung darauf, den entdeckten Zusammenhang bzw. die entdeckte Wahrheit am vorhandenen Wissen über den Konsumenten und an der spezifischen Problemstellung zu spiegeln. Auch hierzu lässt sich Primärforschung einsetzen. Insbesondere Hypothesen, die auf Basis von Selbstbeobachtung oder einigen wenigen Gesprächen gebildet wurden, sollten nun anhand der Konsumenten verifiziert werden. Nach der Verifizierung ist auch eine Quantifizierung der entdeckten und verifizierten Erkenntnis denkbar, d.h. die Überprüfung ihrer Gültigkeit für breitere Zielgruppenkreise auf Basis quantitativer Forschungsmethoden. Es kann vorkommen, dass mehrere Consumer Insights entdeckt werden, aus denen der passendste bzw. viel versprechendste ausgewählt werden muss. Auswahlkriterium könnten hierbei z.B. die Größe und das Potenzial des Zielgruppensegments sein, für das ein Consumer Insight gilt, ebenso die Tragfähigkeit, Langfristigkeit oder Grad der Neuartigkeit des Consumer Insights. Insbesondere hier kommt der oben beschriebene Erfolgsfaktor „Erfahrung“ zum Tragen. SHARMA (2004) empfiehlt, den Kreativen von vorneherein mehrere Consumer Insights an die Hand zu geben und sie selbst auswählen zu lassen. Im Rahmen dieser Arbeit wird allerdings die Ansicht vertreten, dass der Strategieentwicklungsprozess, zu dem ja auch die Consumer Insight-Findung zählt, gerade dazu dient, die Kreativen zu entlasten und den Prozess der Kreationsentwicklung zielgerichteter zu gestalten. Aufbereitung Die Aufbereitung betrifft in erster Linie das Ausformulieren bzw. die Darstellung des Consumer Insight auf anschauliche Weise. In vielen Agenturen ist der Consumer Insight Bestandteil des Creative Brief, der den Kreativen in der Werbeagentur als Arbeitsgrundlage dient. Ein Consumer Insight sollte klar und einfach kommunizierbar sein (TASGAL 2004). Es ergeben sich unterschiedliche Darstellungsformen für den Consumer Insight. Möglichkeiten zur Aufbereitung sind z.B. die Formulierung in der „Ich-Form“, um den Konsumenten plastisch erscheinen zu lassen, oder die ganzheitliche Beschreibung eines typischen Vertreters der Zielgruppe (mit Worten, Bildern usw.). Ebenso könnte der Consumer Insight in Form einer Metapher, eines Märchen oder einer Spruchweisheit dargestellt werden (MEYER im Interview mit PAUL 2002, S. 416). DICHTER präsentierte Marktforschungsergebnisse in Form von Slogans (vgl. 3.2.2).
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3.5
Unterstützung des kreativen Prozesses der Consumer Insight-Findung
3.5.1.
Grundüberlegungen
Consumer Insights müssen entdeckt werden. Das Durchlaufen des Prozesses der Consumer Insight-Findung ist keine Garantie dafür, dass die Suche zum Erfolg führt, maximiert jedoch die Erfolgswahrscheinlichkeit. Ansatzpunkte für Handlungsempfehlungen bilden die • •
in Abschnitt 3.4.2 beschriebenen Erfolgsfaktoren, spezifischen Aufgabenstellungen im Rahmen der Consumer Insight-Findung, insbesondere die o Generierung von Konsumentenkenntnis mithilfe der Primärforschung als Basis für den kreativen Sprung, o Hypothesenbildung auf Basis eines Perspektivwechsels, um neuartige Kombinationen von konsumentenbezogenen Sachverhalten zu entdecken.
Im Folgenden werden zunächst Möglichkeiten zur Förderung der Erfolgsfaktoren sowie zur Unterstützung der Hypothesenbildung diskutiert. Die Methoden der Primärforschung werden aus didaktischen Gründen im Anschluss daran erörtert.
3.5.2.
Förderung der Erfolgsfaktoren
In Hinblick auf die exogenen Erfolgsfaktoren geht es darum, kreativitäts- bzw. insightfördernde Bedingungen in Werbeagenturen und Unternehmen zu schaffen. Diese betreffen das verfügbare Wissen über den Konsumenten, die Strukturen, Prozesse sowie Realisationspotenziale. Charakteristika kreativitätsfördernder Bedingungen sind darüber hinaus neben einer „Wohlfühl-Umgebung“ (NOACK 2005, S. 29) z.B. ein hohes Anspruchsniveau, Aufmerksamkeit gegenüber neuen Ideen, eine offene Atmosphäre für Diskussionen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen individuellem Wettbewerb und sozialer Gemeinsamkeit (WEINERT 1999, S. 276). Die Beeinflussung der exogenen Erfolgsfaktoren wird aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert, da hier die endogenen Faktoren im Mittelpunkt stehen. Die endogenen Erfolgsfaktoren „Mechanismen der Wissensverarbeitung“ sowie „Psychodynamische Antriebskräfte“ bestimmen das kreative Potenzial einer Person. Kreativität ist eine individuelle, lehr- und lernbare Eigenschaft (SCHLICKSUPP 1985, S. 23). Das kreative Potenzial eines Menschen ist demnach nicht konstant, sondern kann durch geeignetes Training gezielt angehoben werden (PRICKEN 2003, NOACK 2005, S. 29 ff., TROMMSDORFF/
Consumer Insight
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STEINHOFF 2006, S. 369). Für den Prozess der Consumer Insight-Findung ist es essenziell, die kreativen Potenziale der Beteiligten zu fördern und zu nutzen, wozu sich verschiedene Möglichkeiten bieten: Anregung der intuitiven Fähigkeiten Den Trägern der Consumer Insight-Findung sollte die Möglichkeit gegeben werden, inneren Abstand zum Thema zu gewinnen. Dies kann z.B. durch die Beschäftigung mit anderen Dingen oder durch einen Ortswechsel erfolgen, der den inneren Perspektivwechsel unterstützen kann. Einzigartige Kombinationen und Assoziationen von Ideen entstehen häufig weit weg vom Schreibtisch (WALLAS 1926, S. 80, PINCOTT 2005, S. 6, TROMMSDORFF/ STEINHOFF 2006, S. 369). So soll z.B. EINSTEIN seine besten Ideen nicht im Labor, sondern beim Rasieren gehabt haben (ZDENEK 1988, S. 64). Der Moment der Erleuchtung ist abhängig von der Flow-Situation, in der sich die Person befindet (LANGWOST 2004, S. 144 f.). Als inspirierende Orte, an denen sich der Körper auch physisch in einen „Flow“ begibt, gelten demnach z.B. Sport, Spaziergänge, Flug- und Bahnreisen, Fahrrad- und Motorradfahren oder der Aufenthalt im Badezimmer. Innerer Abstand kann auch durch Gespräche, die nichts oder entfernt etwas mit dem Themengebiet zu tun haben, gewonnen werden. Phantasie, Originalität und Intuition lassen sich auch durch Kreativitätstechniken anregen. Da diese zudem dabei helfen können, das Lösen von Innovationsproblemen stärker zu systematisieren, lassen sie sich gezielt zur Unterstützung der Hypothesenbildung einsetzen und werden deshalb in Abschnitt 3.5.3 etwas näher betrachtet. Zudem könnte ein gezieltes Kreativitätstraining für die Agenturmitarbeiter durchgeführt werden. Denkbar sind z.B. spezielle Kreativitätsseminare für Planner sowie die Aneignung von Kreativitätstechniken. Zu psychologischen Techniken, mit denen sich die individuellen kreativen Potenziale fördern lassen, siehe auch ZDENEK (1988, S. 41 ff.). Da Zeitdruck zu den Charakteristika der Werbepraxis zählt (vgl. 3.4.2.2), sind Wege zu finden, das kreative Potenzial auch unter Stress zu aktivieren. Um das kreative Problem objektivieren und strukturieren zu können, könnte es hilfreich sein, die Aufgabe in kleine Teilaufgaben aufzuspalten und Kreativtechniken wie Clustering und Mindmapping anzuwenden (NOACK 2005, S. 116 ff.).. Anregung der empathischen Fähigkeiten Die empathischen Fähigkeiten der Beteiligten lassen sich durch verschiedene Techniken fördern, z.B. durch die Perspektivenübernahme oder die Selbstbeobachtung (Introspektion).
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Bei der Perspektivenübernahme handelt es sich um eine Technik aus der Sozialpsychologie, bei der man sich in die Rolle und Position eines anderen hineinversetzt und versucht, die Welt aus dessen Sicht zu sehen. Dazu muss der eigene emotionale Zustand dem der anderen Person entsprechen. Dies wird dadurch erreicht, dass man quasi in die Haut der anderen Person schlüpft und so ihre emotionalen und anderen Reaktionen begreifen kann. Als weitere Technik zur Förderung empathischer Fähigkeiten bzw. zur Consumer InsightFindung ist die Introspektion zu nennen (FORTINI-CAMPBELL 2001, LAJTOS/HOFFMANN 2003). So bietet es z.B. an, sich selbst in der Rolle als Konsument bei der Produktverwendung zu beobachten. Ziel dieser Übung ist es, eigene und fremde mentale Prozesse zu verstehen. FORTINI-CAMPBELL (2001, S. 51 ff.) nennt verschiedene Übungsaufgaben, die dabei helfen sollen, durch Selbstbeobachtung sensibler gegenüber anderen zu werden. So geht es darum, genau festzuhalten, welche Erlebnisse und Gefühle sich mit der Produktverwendung in den unterschiedlichen Phasen des Konsumerlebnisses verbinden (z.B. Auslöser für den Wunsch nach einem Schokoriegel, Produktauswahl, Öffnen der Packung, erstes Hineinbeißen, Art des Verzehrs etc.). Schließlich gilt es, denjenigen Part herauszufiltern, der das spezifische Gefühl des gesamten Konsumerlebnisses am besten einfängt. Das gezielte Training der empathischen Fähigkeiten bietet Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten. So könnte z.B. auf Basis des Wissens zur Empathie ein spezielles Trainingskonzept für Unternehmen und Werbeagenturen entwickelt werden, das den Prozessbeteiligten hilft, sich besser in die Konsumenten hineinzuversetzen. Anregung der Neugier Zudem könnte versucht werden, gezielt die Neugier der Träger des Consumer InsightProzesses anzuregen. Denkbar wäre hier z.B. die Ermunterung, Kunstausstellungen zu besuchen, Vorträge von Forschern aus fachfremden Disziplinen anzuhören oder einzuladen. Um die eigenen Möglichkeiten zu erweitern, könnten zudem alle fünf Sinne gezielt aktiviert und trainiert werden (NOACK 2005, S. 29, PRICKEN 2001, S. 15).
3.5.3.
Unterstützung der Hypothesenbildung
Die Hypothesenbildung betrifft die Wissensverarbeitung, d.h. die Ideengenerierung und -verdichtung. Neben Kreativitätstechniken lassen sich verschiedene andere Methoden einsetzen, um die Consumer Insight-Findung zu fördern. Dabei bietet es sich an, unterschiedliche Methoden in Kombination zu verwenden.
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Strukturierung der Aufgabe Je komplexer eine Fragestellung ist, desto mehr sollte sie aufgeschlüsselt werden (SCHNETZLER 2004, S. 55 f.). Es gilt, Suchfelder für die Ideen- bzw. Consumer InsightFindung zu eröffnen, indem die spezifische Fragestellung in ihre Bestandteile zerlegt und verschiedene Blickwinkel definiert werden, aus denen sie betrachtet werden kann. Um an einem bereits angeführten Beispiel anzuknüpfen: um herauszufinden, welches Markenterritorium WEEDOL besetzen könnte, um die Konsumenten emotional zu involvieren, könnte z.B. die Bedeutung des Gartens für die Konsumenten oder die Rolle von Unkrautvernichtungsmitteln diskutiert bzw. untersucht werden. Zur Ideengenerierung lassen sich z.B. existierende Emotions-, Motiv- oder Wertelisten aus der Literatur als Suchheuristiken und Inspirationsquellen nutzen (siehe Abschnitt 3.3). Förderung des Perspektivwechsels Im Rahmen der Hypothesenbildung geht es insbesondere darum, neue Fragen zu stellen, um neuartige Kombinationen von konsumentenbezogenen Sachverhalten zu entdecken. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, den notwendigen Perspektivwechsel gezielt zu unterstützen. Da der Perspektivwechsel beinhaltet, ungewöhnliche Fragen zu stellen, lässt er sich zudem durch Interaktion und Austausch mit Dritten fördern. Möglichkeiten dazu sind z.B.: •
Primärforschung mit Konsumenten (siehe 3.4.5), Einsatz „kreativer“ Marktforschungsmethoden (Beispiel „Got milk?“ – in diesem Fall dürfte das „Aha-Erlebnis“ im Rahmen der Interpretation der Marktforschungsdaten gekommen sein),
•
Gespräche mit anderen Teammitgliedern, Außenstehenden (z.B. Experten),
•
Einbeziehung extremer Blickwinkel (z.B. Austausch mit Kindern, Jugendlichen).
SCHNETZLER (2004, S. 68 ff.) empfiehlt den Austausch mit Jugendlichen, da diese extreme Blickwinkel einnehmen, neugierig und unvoreingenommen sind, viele Fragen stellen und über eine rasche Auffassungsgabe verfügen. Zu den Techniken zur Förderung des Perspektivwechsels zählt z.B. die 6-Hüte-Methode (DE BONO 2000), bei der es darum geht, ein Problem von verschiedenen Seiten anzugehen. Dazu setzen die Beteiligten symbolisch sechs verschiedenfarbige Hüte auf, die jeweils für eine bestimmte Perspektive der Problembewältigung stehen (z.B. weiß für Objektivität und Neutralität, grün für neue Ideen und Kreativität). PRICKEN (2001, S. 34 ff.) schlägt mit dem Clicking-Fragenkatalog eine Technik vor, die auf Basis einer Analyse der Kommunikationsmus-
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ter von herausragenden Kampagnen entwickelt wurde und die Suche nach ungewöhnlichen Umsetzungsideen für die Werbung unterstützen soll (z.B. „Wie wird das Produkt die Zukunft des Benutzers verändern?“). Es könnte versucht werden, diesen Fragenkatalog auch auf die Consumer Insight-Findung zu übertragen. Des Weiteren könnte gezielt nach Analogien gesucht werden, die z.B. die Rolle des Produktes für das Leben der Konsumenten zum Ausdruck bringen. So bringt DICHTER (im Interview mit BARTOS 1977, S. 4) Seife mit archaischen Reinigungsritualen und der damit bezweckten Seelenreinigung in Verbindung. Einsatz von Kreativitätstechniken Die „klassischen“ Kreativitätstechniken können die Phantasie, Originalität und Intuition anregen und das Herangehen an Innovationsprobleme wie die Consumer Insight-Findung stärker systematisieren. Insofern ist es denkbar, Kreativitätstechniken auch zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung einzusetzen. Ein Überblick über gängige Kreativitätstechniken gibt die nachfolgende Tabelle (vgl. z.B. LINNEWEH 1984, S. 79 ff., SCHLICKSUPP 1985, S. 37 ff., BRUHN 2002, S. 135 ff., NOACK 2005, S. 38 ff., TROMMSDORFF/STEINHOFF 2006, S. 357 ff.). Analyse-Methoden
Systematisch-analytische Methoden
Intuitiv-kreative Methoden (Kreativitätstechniken i.e.S.)
• Relevanzbaum • Progressive Abstraktion • Hypothesen-Matrix • KJ-Methode • usw.
• Morphologischer Kasten • Morphologisches Tableau • Sequenzielle Morphologie • Attribute-Listing • Funktionsanalyse • Problemlösungsbaum • Umkehrmethode • usw.
Assoziative Techniken: • Brainstorming • Kollektives Notizbuch • Brainwriting • Clustering • Mindmapping • usw. Bildhafte Techniken und Analogien: • Visualisierung • Synektik • Semantische Intuition • Bildhafte Vergleiche • usw.
Tabelle 3-4:
Kreativitätstechniken im Überblick (eigene Darstellung)
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Die Kreativitätstechniken sind bislang nicht auf die Consumer Insight-Findung übertragen worden. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Gebiet, das hier nicht vertiefend behandelt werden kann. Die Frage, inwieweit Kreativitätstechniken in der Werbepraxis bereits zur Anwendung kommen, wird im empirischen Teil der Arbeit beleuchtet (siehe Kapitel 5). In weiterführenden Forschungsarbeiten sollten die einzelnen Kreativitätstechniken hinsichtlich ihrer Eignung für die Phasen der Consumer Insight-Findung analysiert werden. Zunächst wäre zu überlegen, welche Kreativitätstechniken im Rahmen der Consumer InsightFindung sinnvoll eingesetzt werden könnten. Die meisten Techniken sind darauf ausgerichtet, ein klar definiertes Problem zu lösen, z.B. bei der Produktverwendung. Komplexe Problemlösungsprozesse wie der Prozess der Consumer Insight-Findung können in der Regel nicht in einem einzigen Schritt bewältigt werden. Die Gesamtproblematik wird in Unterprobleme zerlegt, die dann jeweils mit geeigneten Kreativitätstechniken gelöst werden. Dabei empfiehlt es sich, verschiedene Kreativitätstechniken aneinanderzukoppeln (SCHLICKSUPP 1985, S. 81 ff.). Die unterschiedlichen Kreativitätstechniken eignen sich jeweils für bestimmte Phasen des kreativen Prozesses (NOACK 2005, S. 38 f.). Die Analyse-Methoden der Ideenfindung sollen vor allem dabei helfen, zu einem ganzheitlichen Problemverständnis zu gelangen. Die systematisch-analytischen Methoden dienen dazu, systematisch und konsequent alle denkbaren Lösungsrichtungen herauszuarbeiten. Die intuitiv-kreativen Methoden der Ideenfindung (Kreativitätstechniken im engeren Sinne) sollen die Intuition und kreative Denkansätze in Problemlösungsprozessen anregen und können dementsprechend dabei helfen, Hypothesen über den Konsumenten zu bilden. Auch wenn der Einsatz von Kreativitätstechniken nicht immer unmittelbar zur Erleuchtung führt, können Kreativitätstechniken die Wahrscheinlichkeit späterer kreativer Lösungen sowie auch langfristig die Fähigkeit zum langfristigen Denken fördern (TROMMSDORFF/STEINHOFF 2006, S. 369 f.). Im Folgenden wird beispielhaft aus den Bereichen der Analyse-Methoden und der Kreativitätstechniken i.e.S. jeweils eine Technik beleuchtet, die sich für die Consumer InsightFindung eignet. Die von SCHLICKSUPP (1985, S. 42 ff.) entwickelte Hypothesen-Matrix zählt zu den Analyse-Methoden. Sie ermöglicht es, komplexe Sachverhalte analytisch zu durchdringen, Verknüpfungen transparent zu machen und latente Probleme bzw. verborgene Zusammenhänge zwischen zwei komplexen Gegenstandsbereichen aufzudecken (Interdependenz-Analyse). Zu den beiden interessierenden Bereichen wird jeweils eine Vielzahl unterschiedlichster Aussagen getroffen. Diese werden in einer Matrix angeordnet und einzeln miteinander konfrontiert,
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wobei überprüft wird, ob zwischen den Aussagen Beziehungen bestehen. Die Aussagen können sowohl auf vorhandenem Wissen beruhen als auch hypothetisch und spekulativ sein. Ziel sollte es sein, möglichst viele und üblicherweise übergangene Beziehungen zwischen den interessierenden Gegenstandsbereichen aufzuzeigen. Diese Methode zwingt den Anwender, bestimmte Sachverhalte unter sehr vielen Aspekten zu betrachten, und kann so zu neuen Einsichten führen. Gerade aus dem Aufdecken verborgener Zusammenhänge entsteht häufig Consumer Insight. Allerdings erfordert diese Methode einen hohen Zeitaufwand, kommt also nur bei Aufgabenstellungen mit größerem Zeitbudget in Frage. Bei den intuitiv-kreativen Methoden der Ideenfindung geht es darum, eine stressfreie, entspannte Problemlösungsatmosphäre aufzubauen, die Denkblockaden möglichst ausschaltet und zum freien, ungehemmten Denken ermutigt (ebd., S. 36). So soll z.B. während der Ideenfindung auf Kritik verzichtet werden. Ziel der Kreativitätstechniken i.e.S. ist es in der Regel, möglichst viele Ideen zu gewinnen. Hier soll beispielhaft das Kollektive Notizbuch, eine Variante des Brainstormings, beschrieben werden (NOACK 2005, S. 52 f.). Diese Methode kann dabei helfen, den interdisziplinären Austausch zu fördern und die kreativen Potenziale eines größeren Personenkreises für die Consumer Insight-Findung zu nutzen. Über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen werden zu einem bestimmten Thema Ideen in jeglicher Form (Bilder, Texte, Collagen usw.) in einem Ordner oder Notizbuch gesammelt. Vorgabe könnte z.B. bei WEEDOL „Die Rolle des Gartens“ sein. Nach Ende der Ideenfindungsphase wird der Inhalt zusammengefasst und es werden Schlussfolgerungen formuliert, auf deren Grundlage weitere Schritte vorbereitet werden können (z.B. Primärforschung zu bestimmten Hypothesen). Eine Abwandlung dieser Methode könnte darin bestehen, einen Raum innerhalb der Werbeagentur als „Ideenzentrale“ für das Projekt zu reservieren (vgl. auch SHERRINGTON 2003, S. 29). Diese Methode lässt sich über die Consumer Insight-Findung hinaus für den gesamten Kommunikationsentwicklungsprozess nutzen.
3.5.4.
Primärforschung zur Gewinnung von Konsumentenkenntnis
3.5.4.1. Grundüberlegungen Grundlage für den kreativen Sprung zum Consumer Insight ist eine ausreichend breite und tiefe Wissensbasis zu Konsumenten, Markt, Marke und Wettbewerb. Die Konsumentenkenntnis steht im Mittelpunkt. Die vorhandene Sekundärforschung kann als Grundlage für die Suche nach Consumer Insight dienen, sollte jedoch durch Primärforschung ergänzt werden. Primärforschung kann in allen Prozessphasen zum Einsatz kommen (außer der Illumination).
Consumer Insight
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Literatur und Praxis stellen eine Vielzahl von Marktforschungsmethoden zur Generierung von Konsumentenkenntnis zur Verfügung (vgl. z.B. zur Einstellungs- und Imagemessung KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 189 ff., TROMMSDORFF 2004a, S. 182 ff., HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 334 ff.). Im Rahmen dieser Arbeit wird auf eine umfassende Darstellung der verfügbaren Marktforschungsmethoden verzichtet. Vielmehr werden auf Basis der bisher herausgearbeiteten Herausforderungen einige methodische Ansätze diskutiert, die in Hinblick auf die Findung von Consumer Insight von besonderem Interesse sind. Im Allgemeinen wird zwischen der quantitativen und der qualitativen Marktforschung differenziert. Eine klare Abgrenzung ist kaum möglich, zumal die Methoden häufig in Kombination eingesetzt werden (MASON 2002, S. 8). Eine grobe Differenzierung lässt sich anhand der folgenden Dimensionen vornehmen, die in der Tendenz die Auffassungen der beiden Forschungsrichtungen widerspiegeln (LAMNEK 2005, S. 271 ff.). Demnach geht es in der quantitativen Forschung um das Erklären, das Vorgehen ist Theorieprüfend, deduktiv, geschlossen, starr und partikularistisch. Die qualitative Forschung zielt hingegen auf das Verstehen, das Vorgehen ist Theorieentwickelnd, induktiv, offen, flexibel und holistisch. Da die qualitativen Methoden in der Regel weniger gut abschneiden, wenn an sie die Gütekriterien des quantitativen Forschungsparadigmas – Validität, Reliabilität und Objektivität (HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 92 ff.) – angelegt werden, erscheint die qualitative Forschung teilweise weniger transparent und „verlässlich“ als die quantitative Forschung. KEPPER (1996, S. 190 f.) weist jedoch darauf hin, dass eine einfache Übertragung dieser Gütekriterien einer Negation qualitativer Zielvorstellungen gleich käme. Während z.B. Reliabilität im quantitativen Paradigma einen konstanten Untersuchungsablauf und ein stets unverändertes Untersuchungsobjekt impliziert, ist gerade die Offenheit der Datenerhebung ein zentrales Charakteristikum der qualitativen Forschung (vgl. auch 3.5.4.2). In der Praxis werden quantitative Forschungsmethoden häufig bevorzugt (CHADWICK 2000, ROBERTS 2004, S. 154). In Hinblick auf die Erlangung von Konsumentenkenntnis als Basis der Consumer Insight-Findung sind nach verbreiteter Ansicht jedoch vor allem die qualitativen Methoden von Bedeutung (BOULTER 1997, S. 83 f., STEEL 1998, FORTINI-CAMPBELL 2001, BAKER/MOUNCEY 2002). Hierfür lassen sich verschiedene Gründe anführen: Im Rahmen der Consumer Insight-Findung geht es darum, ein empathisches Verständnis des Konsumenten und seiner Lebenswelt zu entwickeln (SILVERSTEIN 1998, REINELT/ FAUCONNIER 2005). Wie erwähnt, zielt die quantitative Forschung eher auf das Erklären als auf das Verstehen. Quantitativ orientierte Methoden reichen alleine nicht aus, um den
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Konsumenten umfassend zu verstehen (CHADWICK 2000). Der Fokus liegt nicht auf dem, „was der Konsument sagt“, sondern auf dem, „was er wirklich denkt und fühlt“ – und das ist ihm selbst oftmals gar nicht bewusst. Die Frage nach dem „Warum“ ist ein qualitativer Akt (ISAACS 1998). Qualitative Methoden gelten demnach als besonders geeignet, das komplexe Konsumentenverhalten zu durchdringen (MASON 2002). Nach Auffassung von BEHRENS/NEUMAIER (2004, S. 17) gebietet zudem die Bedeutung des Unterbewussten den Einsatz qualitativer Forschungsmethoden (vgl. auch FLETCHER/ MORGAN 2001). GLADWELL (2000, S. 258) ist der Ansicht, dass die Sinnhaftigkeit der quantitativen Marktforschung in Frage gestellt wird, sobald das Unterbewusste ernst genommen wird. Qualitative Methoden stellen gerade darauf ab, solche Sachverhalte herauszufinden und zu verstehen, die im Verborgenen, Unbewussten und oft Selbstverständlichen liegen (KEPPER 1996, S. 141). Ein wichtiger Bestandteil der Consumer Insight-Findung ist die Bildung von Hypothesen. Diese ist zugleich ein konstitutives Element des Forschungsprozesses im Rahmen der qualitativen Marktforschung (LAMNEK 2005, S. 89). Bei einer qualitativen, d.h. mehr oder weniger unstrukturierten Erhebung ist die Wahrscheinlichkeit, durch unerwartete Aussagen von Probanden oder durch Beobachtungen auf Neues zu stoßen, größer als bei quantitativen Methoden, wo innerhalb vorgegebener Kategorien geantwortet wird. Bei der Consumer InsightFindung kommt es gerade auf das Entdecken neuer Perspektiven an. Allerdings ist es wie bereits erwähnt denkbar, verifizierte Hypothesen bzw. Consumer Insights auf Basis von quantitativen Methoden hinsichtlich ihrer Verbreitung zu prüfen. Zudem können selbstverständlich auch Erkenntnisse aus quantitativen Untersuchungen die Consumer Insight-Findung unterstützen. Im Folgenden wird näher auf die Methoden der qualitativen Marktforschung eingegangen. Zudem werden die Verfahren der Hirnforschung, die in Wissenschaft und Praxis zunehmende Aufmerksamkeit erfahren, hinsichtlich ihrer Eignung für die Consumer Insight-Findung überprüft. Während allerdings die qualitativen Forschungsmethoden als Messkonzept für die Erfassung unterbewusster Gedächtnisinhalte wie z.B. Motive oder Markenschemata von Bedeutung sind, beziehen sich die neurowissenschaftlichen Methoden in erster Linie auf die Erfassung unterbewusster Prozesse (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 5). In der nachfolgenden Abbildung 3-8 sind die Methoden zur Erlangung von Konsumentenkenntnis in der Übersicht dargestellt, wobei die im Rahmen dieser Arbeit näher betrachteten Themen grau markiert sind:
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Abbildung 3-8:
Methoden zur Erlangung von Konsumentenkenntnis (eigene Darstellung)
Die Marktforschungsmethoden werden oftmals in Kombination eingesetzt. Die Verknüpfung unterschiedlicher Methoden wird aktuell unter dem Stichwort „Bricolage“ (von frz. bricoler: „basteln, ausprobieren“) als neues Paradigma der Marktforschung diskutiert (VALENTINE/ GORDON 2000, EREAUT/IMMS 2002). Bricolage bezeichnet hier ein zusammengesetztes, eng verwobenes Set an Methoden, die Lösungen für ein bestimmtes Problem in einer konkreten Marketingsituation bieten. Dabei steht nicht länger eine bestimmte Forschungsmethode im Mittelpunkt, sondern das Forschungsproblem. Das Verflechten von Methoden soll die gegenseitige Befruchtung von Erkenntnis-Strängen ermöglichen (DAVIS 1986, HIRSCHMAN/ THOMPSON 1997), um kreative Problemlösungen zu entwickeln.
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3.5.4.2. Qualitative Marktforschung Bedeutung und Abgrenzung Die qualitativen Marktforschungsmethoden sind der Psychologie und Psychoanalyse entlehnt (VALENTINE/GORDON 2000) und werden etwa seit den 1960er Jahren in der Konsumentenforschung angewendet (RAINEY 1997, S. 9). Während qualitative Methoden lange ein Dasein im Schatten der quantitativ orientierten Forschung fristeten, verzeichnen sie inzwischen eine zunehmende Bedeutung. Der Anteil der qualitativen Forschung an den vom Arbeitskreis deutscher Marktforschung (ADM) registrierten Marktforschungsausgaben von knapp 1 Mrd. Euro für Marktforschung in Deutschland 2004 beträgt um die zehn Prozent (ADM 2005). Analog zum allgemeinen Bedeutungszuwachs der Marktforschung stiegen die Umsätze für qualitative Marktforschungsprojekte demnach von 1990 bis 2004 um mehr als zweihundertvierzig Prozent. Der Bedeutungszuwachs spiegelt sich auch in einem in den letzten Jahren immer größer und unübersichtlicher gewordenen Anbieterspektrum (KÜHN 2005b). Dabei scheint das Potenzial der qualitativen Marktforschung jedoch noch weitgehend brachzuliegen. So liegt der Anteil der qualitativen Forschung an den insgesamt durchgeführten Marktforschungsprojekten in Ländern wie Australien oder Brasilien mit knapp dreißig Prozent deutlich höher als in Deutschland (ESOMAR 2005). Zudem werden die vielfältigen, in der Literatur beschriebenen Methoden in der Praxis noch nicht annähernd genutzt (EREAUT/IMMS 2002, KÜHN 2005b). Der Einsatz qualitativer Methoden beschränkt sich oftmals auf die klassischen Instrumente Fokusgruppen und Interviews (HELLMANN 2003, S. 143). Nach verbreiteter Auffassung gehen diese Methoden jedoch nicht tief genug, um ein umfassendes Konsumentenverständnis zu ermöglichen (GENGLER/REYNOLDS 1995, HEDGES/FORD-HUTCHINSON/STEWART-HUNTER
1997,
ALEXANDER
2001,
CHRZANOWSKA 2004, SHARMA 2004). Qualitative Forschung ist als „Omnibusbegriff“ (LAMNEK 2005, S. 33) aufzufassen, der sich aus unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Positionen und Theorieschulen ableiten und unter den sich eine nahezu unüberschaubare, verwirrende Vielfalt von Verfahren subsummieren lässt (vgl. z.B. MASON 2002). KÜHN (2005a, S. 7) nennt Verfahren wie Ethnomethodologie, Konversations- und Sequenzanalyse, Problemzentriertes und narratives Interview, Grounded Theory, Tiefenhermeneutik, Qualitative Inhaltsanalyse, Sozialwissenschaftliche Hermeneutik, Projektive Verfahren, Episodisches Interview, Objektive Hermeneutik, Theoretical Sampling, Metaphernanalyse, Phänomenologie, Semiologie, Dokumentarische Methode, Gattungsanalyse, Diskursanalyse, Axiales Kodieren, Narrationsanalyse etc.
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In der Literatur besteht Uneinigkeit darüber, welche Verfahren der qualitativen Forschung konkret zuzurechnen sind. Die Abgrenzung ist oft problematisch. Bei aller Verschiedenheit lassen sich jedoch gemeinsame Charakteristika der qualitativen Methoden identifizieren, deren Anzahl je nach Autor variiert (MASON 2002, S. 3 ff., KÜHN 2005a, S. 8, HOLLSTEIN/ ULLRICH 2000, S. 34, LAMNEK 2005, S. 20 ff., 273). Dazu zählen das interpretative Paradigma (Leitgedanke Kontextualität, Interpretationen konstruieren die soziale Welt, Offenheit bezüglich des Gegenstandes), die Betonung holistischer Formen von Analyse und Erklärung, Lebensnähe, Alltagsorientierung, Offenheit der Erhebung, Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand, Reflexivität (z.B. reflektierte Einstellung des Forschers) sowie eine spezifische Prozesslogik (zunehmende Wissensanreicherung im Prozessverlauf, kleinere Stichproben, Ineinandergreifen von Erhebung und Auswertung). Grundrichtungen der qualitativen Marktforschung Bevor näher auf ausgewählte qualitative Methoden eingegangen wird, wird zunächst ein Überblick über die Grundrichtungen und Denkschulen der qualitativen Forschung gegeben. Angesichts der Problematik, die vielfältigen, teilweise miteinander verflochtenen qualitativen Ansätze und Verfahren zu strukturieren, wird hier auf den Systematisierungsvorschlag von KÜHN (2005a, S. 11 ff.) zurückgegriffen. Dieser verdichtet die Vielfalt der Verfahren zu vier Grundrichtungen der qualitativen Marktforschung: die kognitionswissenschaftliche, die tiefenpsychologische, die kontextbezogene und die phänomenologische Perspektive. KÜHN (ebd., S. 25 f.) weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Systematik weder einen Konsens in der sozialwissenschaftlichen Diskussion reflektiert noch ein trennscharfes Ordnungssystem darstellen kann. Die Ansätze überschneiden sich, Verfahren lassen sich häufig mehreren Richtungen zuordnen. Es handelt sich eher um eine überspitzte Darstellung, die unterschiedliche Vorgehensweisen veranschaulichen soll. Diese Struktur wird hier übernommen, da sie einen Zugang zu den qualitativen Methoden und eine differenziertere Auseinandersetzung damit ermöglicht. Im Folgenden werden die vier Grundrichtungen mit ihren wichtigsten Ansätzen kurz skizziert (siehe auch MASON 2002, S. 54 ff.). Kognitionswissenschaftliche Perspektive Aus der kognitionswissenschaftlichen Perspektive wird der Mensch als informationsverarbeitendes System betrachtet. Die subjektive Informationsverarbeitung folgt dem S-O-R-Prinzip, wonach Verhalten als Reaktion (R) auf einen äußeren Reiz (Stimulus S) betrachtet und der Konsument als uneinsehbare „Black Box“ (Organismus O) aufgefasst wird. Im Mittelpunkt
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stehen innere Prozesse, die mit Kognitionen verbunden sind. Zu den auf dieser Richtung basierenden qualitativen Methoden zählen unter anderem semiotische und inhaltsanalytische Ansätze sowie Gesprächs- und Diskursanalysen (KÜHN 2005a, S. 19 f.). Im Rahmen der Konsumentenforschung gewinnen insbesondere die semiotischen Verfahren an Bedeutung (ALEXANDER 2001, BAKER/MOUNCEY 2002). Semiotik ist die Lehre von den Zeichen, Symbolen und Ausdrücken, die als Mittel menschlicher Verständigung dienen. Sie basiert auf der Annahme, dass Symbole jeglicher Art mit kultureller Bedeutung aufgeladen sind. Im Rahmen der Marktforschung geht es darum, Symbole zu dekodieren (KARMASIN 2004). Als Teilbereich der Semiotik untersucht die pragmatische Kommunikationsforschung z.B. die Wirkung von Werbebotschaften auf die Rezipienten (FRÜH 1991, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 45 f.). Semiotische Analysen erfolgreicher Werbekampagnen können beispielsweise Aufschluss über tief greifende Konsumentenbedürfnisse geben, die in bestimmten Bildmotiven reflektiert werden. Zudem können sie Anhaltspunkte über Markenbeziehungen, emotionale und rationale Markenassoziationen etc. geben. Tiefenpsychologische Perspektive Die Tiefenpsychologie basiert auf der von FREUD begründeten Psychoanalyse, wonach der Mensch und sein Verhalten durch unbewusste Trieb- und Motivstrukturen geprägt werden. Ziel tiefenpsychologischer Methoden ist es, verborgene Handlungsmotive aus der Tiefe an die Oberfläche zu bringen. Die Tiefenpsychologie galt insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren als bevorzugte Methodik der Konsumentenforschung (FENNELL 1975, S. 23). In der aktuellen Marktforschungspraxis werden tiefenpsychologische Methoden nach Auffassung von ZIEMS (2004, S. 210) nur eingeschränkt, oberflächlich und inkonsistent genutzt. Das Feld der Tiefenpsychologie ist zersplittert. Es existieren verschiedene Denkschulen (KÜHN 2005a, S. 12 ff.), zwischen denen es jedoch Überschneidungen gibt. Die Ansätze unterscheiden sich unter anderem in ihrer Sichtweise auf das Unbewusste. Während FREUDs Theorien als wenig tauglich für die Konsumentenforschung angesehen werden, haben sie die Tiefenpsychologie zumindest nachhaltig beeinflusst (GUTJAHR 2005, S. 42 f.). Auf der Theorie der Psychoanalyse basiert neben den Arbeiten von DICHTER z.B. die Analyse Projektiver InterAktionen (APIA). Hierbei handelt es sich um einen gruppendynamischen Forschungsansatz, anhand dessen die emotionale und symbolische Bedeutung von Marken unter Einsatz von projektiven, expressiven und kreativen Techniken aufgedeckt werden sollen (vgl. EQUITY 2006).
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Der FREUD-Schüler C.G. JUNG entwickelte auf Basis der Analyse von existierenden Mythen, Märchen und Träumen die Theorie des kollektiven Unbewussten (siehe z.B. ROTH 2003, S. 84 ff.). Demnach sind die Erfahrungen, die die Menschheit seit ihrer Entstehung gesammelt hat, im kollektiven Unbewussten gespeichert. Häufig wiederkehrende psychische Muster haben sich zu Archetypen geformt (vgl. z.B. AAKER/JOACHIMSTHALER 2001, S. 68 f.) und sind in schematischer Form im Gedächtnis repräsentiert. Auf der Archetypforschung basieren unter anderem die psychodynamischen Forschungsansätze (GUTJAHR 2005, S. 42 f.), in deren Mittelpunkt die symbolische Deutung von Archetypen und Mythen steht. Sie haben zudem Gedanken aus der humanistischen Psychologie übernommen, zu deren wichtigsten Vertretern Erich FROMM gehört. Dieser Zweig betont die Handlungsfreiheit und das Potenzial der kreativen Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen. Auf dieser Basis wurde z.B. das Psychodrama entwickelt (SCHMIDT 1999, HAIMERL/LEBOK 2004). Zentrale Technik des Psychodramas ist das Rollenspiel, ergänzt durch Verfahren wie Abstraktion und Symbolik. Dabei geht es z.B. um die Rekonstruktion einer Kaufsituation. Mit Hilfe dieser Methode sollen die emotionalen Stärken und Schwächen der Marke sowie die Markenloyalität der Konsumenten ergründet und emotionale Markenbenefits überprüft werden. Als wichtiger tiefenpsychologischer Ansatz ist auch die von Wilhelm SALBER begründete psychologische Morphologie zu nennen (siehe dazu z.B. ebd. 1991, 1999). Diese verzeichnet in der Werbeforschungspraxis eine wachsende Bedeutung, wie die Popularität von Forschungsinstituten wie rheingold oder IfM zeigt. Die Morphologie verbindet Grundannahmen FREUDs mit gestaltpsychologischen Überlegungen. Zentrales Ziel ist die Beschreibung und Entschlüsselung der verdeckten Entwicklungsmuster einer sich ständig verändernden Wirklichkeit auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtung der Seele (GRÜNEWALD 2006, S. 223). Die Morphologie betrachtet die menschliche Psyche als eine kontinuierliche, dynamische Gestaltformation. Der Mensch wird von widersprüchlichen Motiven angetrieben und ist ständig auf der Suche nach einem Gleichgewicht (siehe auch 3.3.3.2). Mit Hilfe der Gestalttheorie sollen die tiefer liegenden Antriebskräfte hinter Produkt- und Markenentscheidungen freigelegt werden (ZIEMS 2004). Produkte und Marken werden als spezifische Vermittler zwischen den fundamentalen psychologischen Motivkonflikten betrachtet. Indem die verborgenen Motive und damit verbundene alltägliche Probleme aufgedeckt werden, sollen die symbolischen Bedeutungen von Produkten ergründet werden. ZIEMS (ebd., S. 211) führt das Beispiel Papierküchentücher an. Diese sind nicht nur „praktische Helfer für eine effiziente Reinigung“, sondern verfügen über ein nahezu „magisches“ Potenzial, kleine Missgeschicke im alltäglichen Leben ungeschehen zu machen (z.B. ein verschüttetes Getränk). Der symbolische Nut-
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zen von Papierküchentüchern besteht demnach darin, alle kleinen Unfälle und Unregelmäßigkeiten des alltäglichen Lebens aufzusaugen. Der emotionale Nutzen könnte dahingehend formuliert werden, familiäre Konflikte zu lösen und Harmonie herzustellen. Kontextbezogene Perspektive Kontextualität ist einer der Leitgedanken der qualitativen Forschung. Bei der kontextbezogenen Perspektive steht nicht das Individuum sondern die unmittelbare Erfassung von Kontexten und Situationen im Zentrum der Forschung (KÜHN 2005a, S. 25 ff.). Menschliches Handeln wird dementsprechend als situationsgebunden verstanden. Um das Konsumentenverhalten wirklich verstehen zu können, sind eine Betrachtung des Kontextes und das Verstehen der jeweils konstruierten Bedeutungszusammenhänge erforderlich (VALENTINE/GORDON 2000, DÜLLO/SCHIELEIT/SUHR 2000). In diese Richtung fällt auch das bedeutungsbasierte Modell des Konsumentenverhaltens (McCRACKEN 1986, 1987, siehe 3.1.2.2). Im Vordergrund der Betrachtung stehen wie bei der Semiotik die kulturellen Bedeutungen von Objekten wie z.B. Produkten, Marken und Botschaften. Menschen erzeugen Bedeutungen aus ihren Erfahrungen mit solchen Objekten und wenden dabei unterschiedliche Interpretationsstrategien an (MICK/BUHL 1992, HIRSCHMAN/ THOMPSON 1997). Anhand dieser Bedeutungen konstruieren die Menschen ihr Selbstkonzept im Verhältnis zur Umwelt sowie ihr gesamtes Leben (VALENTINE 2002). Dieser Prozess wird auch als „Life Project“ bezeichnet (McCRACKEN 1987, MICK/BUHL 1992, S. 320). Die Konsumenten screenen Produkte, Marken und Medien nach symbolischen Ressourcen und Anregungen, die ihnen helfen, ihr persönliches „Life Project“ voranzubringen (McCRACKEN 1987, S. 122). Dazu müssen die Bedeutungen von Marken und Produkten über den funktionalen Produktnutzen hinausgehen. REINELT/FAUCONNIER (2005) betrachten den bedeutungsbasierten Ansatz des Konsumentenverhaltens als neues Paradigma für die Markenbildung und Marktsegmentierung. Das Emotions-, Motiv- und Wertegefüge lässt sich nur dann entschlüsseln, wenn verstanden wird, wie das Konsumverhalten innerhalb spezifischer Kontexte Bedeutung gewinnt. Dem bedeutungsbasierten Modell des Konsumentenverhaltens nach gibt es im Leben des Individuums dominierende Kräfte (Motive, Werte), die sein gesamtes Verhalten bestimmen. Diese werden auch als „Life Themes“ bezeichnet und repräsentieren den lebenslangen Kampf einer Person zwischen zwei gegensätzlichen Motivkräften (MICK/BUHL 1992). „Life Themes“ repräsentieren tief verwurzelte existenzielle Ängste und Befürchtungen, die die Person in alltäglichen Ereignissen bewusst oder unbewusst immer wieder adressiert. Beispiele sind „Kontrolle“ (Kontrollbesitz vs. Kontrollverlust) und
Consumer Insight „Freiheit“ (Unabhängigkeit vs. Abhängigkeit) (PARKER 1998,
119 S. 102). Menschen adres-
sieren diese Themen bewusst oder unbewusst immer wieder in ihrem Leben und auch im Umgang mit Produkten, Marken und Werbung. Um das Verhalten der Konsumenten verstehen zu können, ist somit auch die Ermittlung der bestimmenden „Life Themes“ der Zielgruppe von Bedeutung. Diese erfordert eine Betrachtung des größeren Lebenszusammenhangs. Die zentralen „Life Themes“ werden oft anhand von einschneidenden Erlebnissen deutlich. Auf der kontextbezogenen Perspektive basieren die ethnographischen Forschungsansätze. Die Ethnographie umfasst wiederum ein weites Spektrum an Perspektiven und Methoden, die allerdings Gemeinsamkeiten aufweisen. Alle ethnographischen Ansätze verpflichten sich zu Erfahrungen aus erster Hand sowie zur Exploration eines bestimmten sozialen oder kulturellen Settings. Die Ethnographie wurde 1922 von Bronislaw MALINOWSKI als neuartige Methode zur Erforschung traditioneller Gesellschaften eingeführt (KÜHN 2005a, S. 26). In der Regel erfolgt die Exploration auf der Basis der teilnehmenden Beobachtung (siehe weiter unten in diesem Abschnitt). Um fremde Lebensweisen und -stile zu erkennen und zu verstehen, soll das Handeln von Menschen in ihrem natürlichen Umfeld verfolgt werden. In der Konsumentenforschung werden ethnographische Methoden seit etwa Ende der 1980er Jahre angewendet (SANDERS 1986) und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Sie werden als Ausweg aus der zunehmenden Entfremdung zwischen Produzent und Konsument und dem zunehmend dynamischen und widersprüchlichen Konsumentenverhalten gesehen (KAMPIK 2004, S. 13). Phänomenologische Perspektive Die phänomenologische Perspektive dient als Oberbegriff für verschiedene Strömungen aus Philosophie, Soziologie und Sozialpsychologie (KÜHN 2005a, S. 20 ff.). Sie sieht den Menschen als reflektierendes Wesen mit Handlungsspielräumen und beschäftigt sich mit den subjektiven Aspekten des Bewusstseins (KENDLER 2005, S. 318). Absicht der Phänomenologie ist es, die Dinge nicht so zu nehmen, wie sie sich zeigen, sondern zu den Dingen selbst vorzudringen (LAMNEK 2005, S. 58). Vertreter dieser Richtung lehnen es demnach ab, Phänomene „vorschnell“ mit existierenden Theorien zu erklären. Stattdessen sollen sie zunächst sorgfältig ergründet und beschrieben werden. Der phänomenologische Blick erfordert eine zeitaufwändige und theoretisch begründete Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand aus verschiedenen Perspektiven. Im Rahmen dieser Ansätze können verschiedene Forschungsmethoden wie z.B. Befragung, Beobachtung sowie visuelle Methoden und Dokumente (z.B. Fotos) zum Einsatz kommen. Nach der phänomenologischen Auffassung gilt die Introspektion (vgl. 3.5.2) als legitime wissenschaftliche Methode (SEIFFERT 1996, S. 212).
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Zur phänomenologischen Strömung zählen insbesondere die interpretativen Ansätze, die Menschen und ihre Interpretationen, Wahrnehmungen und Bedeutungen als primäre Datenquellen betrachten. Eine Ausprägung ist z.B. der symbolische Interaktionismus, der die Aktivität und Interpretationsgabe des Menschen in den Vordergrund stellt. Er entspricht im Grunde dem bedeutungsbasierten Ansatz des Konsumentenverhaltens. Allerdings wird im symbolischen Interaktionismus betont, dass Bedeutungen soziale Produkte sind, die im Rahmen von Interaktionsprozessen entstehen. Das konkrete Verhalten hängt in starkem Maße von den individuellen umfeldspezifischen Faktoren und psychologischen Vorgängen, d.h. subjektiven Situationsdeutungen, ab (SANDERS 1986). Der symbolische Interaktionismus bedient sich vorwiegend der bereits diskutierten ethnografischen Methoden. Qualitative Forschungsmethoden Zu den gebräuchlichsten Methoden der qualitativen Marktforschung gehören die Befragung und die Beobachtung. Diese werden im Folgenden hinsichtlich ihrer Eignung, das Emotions-, Motiv- und Wertegefüge der Konsumenten aufzudecken, überprüft. Die Methoden sind aufeinander bezogen und oft nicht isolierbar. Zudem werden sie häufig in Kombination eingesetzt. So kann z.B. begleitend zu einem Interview eine Beobachtung durchgeführt werden.
Befragung Zur Befragung werden generell diejenigen Arten von Marktforschungserhebungen gezählt, bei denen sich Personen zum Erhebungsgegenstand äußern (HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 96). Der Begriff „qualitative Befragung“ bezeichnet tiefe, semi-strukturierte oder grob strukturierte Interviewformen, die eine mündliche, persönliche Befragung beinhalten (MASON 2002, S 62). Dazu zählen in erster Linie das qualitative Einzelinterview und Gruppendiskussionen (Fokusgruppen). In Hinblick auf das qualitative Einzelinterview lassen sich viele verschiedene Formen unterscheiden (LAMNEK 2005, S. 356 ff.). Dazu gehören z.B. narratives und problemzentriertes Interview, Tiefen- bzw. Intensivinterview und das Experteninterview. Im Zusammenhang mit der Consumer Insight-Findung ist insbesondere das Tiefeninterview von Bedeutung (siehe unten). Vorteile der „klassischen“ Methoden qualitatives Einzelinterview und Gruppendiskussion werden insbesondere in der vergleichsweise leichten und kosteneffizienten Handhabung gesehen. Sie gelten zudem als ausgereifte Methoden zur Erforschung unbewusster Inhalte (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 18). Dieser Auffassung kann nach der hier vertretenen Meinung nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Grenzen der qualitativen Befragungsme-
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thoden liegen z.B. in möglichen Verzerrungen durch Interviewereffekte, Antworten im Sinne sozialer Erwünschtheit und psychische Barrieren (RUGE 1988, S. 68, HAZLETT/HAZLETT 1999, S. 8). Zum Problem der Reaktivität in persönlichen Interviews siehe auch SCHOLL (1993). Zudem besteht die Gefahr der Gesprächslenkung durch Beeinflussungsmöglichkeiten seitens der Interviewer (HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 99). Des Weiteren gestaltet sich die verbale Erfassung unterbewusster, insbesondere emotionaler Sachverhalte als problematisch. Herkömmliche Befragungsmethoden setzen voraus, dass die Konsumenten ihre Emotionen und Motive in Worte fassen (Introspektion). Diese sind jedoch häufig auf unterbewusster Ebene vorhanden. In diesem Zusammenhang bestehen generelle Verbalisierungsprobleme und -barrieren (vgl. z.B. AGRES 1990, S. 8 f., MADDOCK/FULTON 1996, S. 33, GLADWELL 2005, S. 180 ff.), die unter anderem in einem Modalitätsproblem in Zusammenhang mit Emotionen begründet liegen. Die in visuellen Vorstellungsbildern repräsentierten Emotionen müssen in Sprache übersetzt werden. Viele Menschen sind dazu nur eingeschränkt fähig und reproduzieren bestenfalls das z.B. in der Werbung verwendete Vokabular (GRABNER 1996). Zudem können durch die Aufforderung zur Verbalisierung Verzerrungen entstehen. Verbalisierungsversuche unterdrücken die menschliche Fähigkeit zu schnellen, automatischen Kognitionen und emotionalen Reaktionen („Verbal Overshadowing“, vgl. SCHOOLER/ OLSON/BROOKS 1993, S. 166 ff.). Verbalisierungsversuche blockieren die Intuition, wie folgendes Experiment zum Lösen von Puzzle-Aufgaben zeigt (ebd.). So lösten diejenigen Probanden, die ihre Lösungsstrategie schriftlich erklären sollten, deutlich weniger Probleme als die, von denen keine Erklärung verlangt wurde. Wenn Menschen ihr Verhalten begründen sollen, liefern sie möglichst plausibel klingende Gründe dafür und passen dann ihre wahren Präferenzen diesen Gründen an (WILSON/SCHOOLER 1991). Insbesondere Gruppendiskussionen werden vielfach als nicht geeignet angesehen, verborgene Sachverhalte aufzudecken (vgl. z.B. KOSCHATE 2005). Grundsätzliche Problembereiche betreffen neben den aufgeführten Grenzen von Befragungen insbesondere die Gruppendynamik sowie die Tendenz der Probanden, in Fokusgruppen nur Offensichtliches widerzuspiegeln (SHARMA 2004). Gruppendiskussionen eignen sich eher zur Hypothesenfindung und Materialsammlung oder zur Untersuchung von gruppendynamischen Prozessen (KOSCHATE 2005). Diskutiert werden aktuell auch die Vor- und Nachteile von Online-Befragungsmethoden wie Online-Gruppendiskussionen und -Interviews (ROBERTS 2004, S. 167, LAMNEK 2005, S. 468). Als Vorteile werden z.B. Zeit- und Kostenersparnis durch regionale Unabhängigkeit und erleichterte Auswertung sowie die Minimierung von Effekten sozialer Erwünschtheit genannt. Dem stehen Nachteile wie Oberflächlichkeit, mangelnde Kontrolle stö-
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render Einflüsse, hohe Ausfallquoten, Fehlen nonverbaler Kommunikation sowie Beeinflussung der Teilnahme durch die individuellen Tipp-Fähigkeiten gegenüber. Der Einsatz von Einzelinterview und Gruppendiskussionen wird hier nicht grundsätzlich abgelehnt. Angesichts der vielfältigen Problembereiche der Befragungsmethoden sind bei der Durchführung von Gruppendiskussionen und Einzelinterviews bestimmte Anforderungen zu beachten, um den Erkenntniswert zu erhöhen. Methodisch sauber durchgeführte qualitative Befragungen sind in der Regel sehr aufwändig und anspruchsvoll, vor allem in Hinblick auf die Fähigkeiten des Interviewers (MASON 2002, S. 62 ff., 82). Letzteres betrifft insbesondere die Durchführung der Befragung und die Dateninterpretation. Im Folgenden werden beispielhaft einige Handlungsempfehlungen aufgezeigt, die es ermöglichen sollen, psychische Barrieren zu umgehen, unterbewusst vorhandene, mit Verbalisierungsschwierigkeiten behaftete Sachverhalte (z.B. Emotions-, Motiv- und Wertegefüge) aufzudecken und somit die Ergebnisqualität zu verbessern (vgl. auch Abbildung 3-8, S. 113): Indirekte Befragungstechniken Hierzu zählen projektive, assoziative und visuelle Verfahren sowie die Laddering-Technik. Projektive und assoziative Verfahren gehen davon aus, dass gerade das Ungesagte, d.h. die szenisch-symbolische Information, Aufschluss über tiefer liegende Sachverhalte gibt (PAUL 2002). Projektive Techniken bringen die Befragten dazu, subjektive Anschauungen, Werthaltungen und Emotionen auf andere Personen oder Gegenstände zu projizieren und aus deren Sichtweise zu sprechen. Sie werden zur Aufdeckung von Emotionen (BUTTERFIELD 1997, S. 43) und für solche Produktkategorien empfohlen, die einen starken Selbstkonzept-Bezug aufweisen (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 110 f.). Eine besondere Variante der assoziativen Techniken sind freie Assoziationen, bei denen die Richtung nicht vorgegeben, sondern dem Befragten selbst überlassen wird (DIETERLE 1992). Dadurch soll ein Zugang zu unbewussten Gefühlen u.Ä. ermöglicht werden (ZDENEK 1988, S. 73). Auch die visuellen Methoden sollen dabei helfen, Widerstände auf dem Weg zum Unterbewussten zu überwinden (MASON 2002, S. 103 ff.). Innere Bilder, die mit Emotionen verbunden sind, können direkt, d.h. ohne Übersetzung in eine andere Modalität, in visuelle Materialien umgesetzt werden. Dazu gehört z.B. die Anfertigung von Collagen durch die Probanden oder der Einsatz visueller Stimuli. Beispiele für Instrumente, die visuelle Methoden nutzen, sind das Visual Image Profiling (VIP) und die Image Configuration (ICON) (vgl. RATCHFORD/VAUGHN 1989, S. 294 ff.). Ersteres zielt darauf ab, das Persönlichkeits- und Lifestyle-Profil einer Marke zu ermitteln. Bei der Image Configuration geht es darum, das emotionale Assoziationsprofil einer Marke
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zu ermitteln. Als Stimulusmaterial werden jeweils Fotos von Personen verwendet. Um Missinterpretationen zu vermeiden, werden diese im Nachhinein mit Wörtern verbunden. Ähnlich arbeitet das Fotometer, das emotionale Markenpositionierungen durch Zuordnung von Personen- und Szenenbildern erfassen soll (GRABNER 1996). Die aus den 1980er Jahren stammende Laddering-Technik zielt darauf ab, die tiefere Basis von Konsumentenentscheidungen durch das Antizipieren der verschiedenen Konsequenzen einer Produkt- oder Markenwahlentscheidung aufzudecken (REYNOLDS/GUTMAN 1988, GENGLER/REYNOLDS 1995, zu aktuelleren Weiterentwicklungen vgl. HUFFMAN/RATNESHWAR/MICK 2000, PETER/OLSON 1998, REYNOLDS/OLSON 2002). Sie beinhaltet einen strukturierten Prozess des Hinterfragens anhand wiederholter Warum-Fragen, durch den vorhandene Wissens- bzw. „Means-End“-Strukturen (Attribute – Benefits – Werte) aufgedeckt werden sollen. Dabei finden sowohl funktionale als auch emotionale Nutzenkomponenten Anwendung (HERRMANN/MECHLER/WRICKE 1999, DRENGNER et. al. 1999). Die Laddering-Technik wird bereits zur Bildung und Bewertung von Hypothesen im Rahmen der Consumer Insight-Findung eingesetzt (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 115 ff., VISCHER/ ALTENBURG 2002, RENKEMA/ZWIKKERS 2003). Zudem wird sie bevorzugt zur Identifizierung und Darstellung von gespeicherten Marken- und Produkt-Schemata genutzt (GENGLER/REYNOLDS 1995, CHRISTENSEN/OLSON 2002, RENKEMA/ZWIKKERS 2003). Die Laddering-Technik ist nicht ohne Kritik geblieben. Nach Ansicht von CHRISTENSEN/OLSON (2002) bestehen zu große Interpretationsspielräume, da das Endergebnis oft in der Identifizierung eines einzelnen Wertes oder Zieles besteht, dessen genaue Bedeutung für den Konsumenten unklar bleibt. Als weiterer Nachteil erweist sich der meist hohe Zeit- und Kostenaufwand für die Datensammlung und -analyse (GENGLER 1990, GENGLER/REYNOLDS 1995). Dennoch wird die Laddering-Technik hier als geeignete Befragungstechnik im Rahmen der Suche nach Consumer Insight angesehen. Hervorzuheben ist insbesondere, dass mit ihrer Hilfe die Verbindungen zwischen den Leistungsattributen von Kategorien/Produkten/Marken und dem Emotions-, Motiv- und Wertegefüge der Konsumenten zumindest näherungsweise aufgedeckt werden können. Sie liefert Hinweise darauf, welche emotionalen Sachverhalte als Motivatoren für die Kategorie-, Produkt- bzw. Markenwahl dienen (REYNOLDS/GUTMAN 1998). Zudem können die Ziel-Mittel-Beziehungen Aufschluss über das Konsumenteninvolvement geben (KROEBER-RIEL 2003, S. 150).
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Tiefeninterview Auch das Tiefeninterview soll helfen, unbewusste Bedeutungsstrukturen aufzudecken und verborgene Handlungsmotive an die Oberfläche zu bringen (vgl. z.B. PAUL 2002, S. 417 ff., LAMNEK 2005, S. 371 ff.). Die Äußerungen des Befragten werden vor dem Hintergrund einer bestimmten Denkschule wie z.B. der Psychoanalyse oder Morphologie betrachtet. So wird z.B. im morphologischen Tiefeninterview auf emotionale Beteiligungen der Befragten geachtet, um festzustellen, welche Sachverhalte emotional bewegen. Tiefeninterviews sind vergleichsweise offen und ausgedehnt, um die rationale Ebene der Befragung zu überschreiten. Das Interview erfolgt in Form eines freien Gesprächs auf Grundlage eines grob strukturierten Leitfadens. Dabei wird angenommen, dass durch „alltagsweltliches“ Fragen und Antworten am ehesten zu den Tiefenstrukturen vorgedrungen werden kann (ebd., S. 371 f.). Den Interviewten wird Raum gegeben, ihre Sichtweise in Form von Erzählungen wiederzugeben (narrativer Ansatz), eigene Schwerpunkte zu setzen und das Gespräch selbst zu strukturieren. Von großer Bedeutung sind freie Assoziationen sowie projektive und visuelle Methoden. Für die Auswertung sind nicht nur die ermittelten Informationen, sondern insbesondere nonverbale Signale von Bedeutung. Einen Einstieg ins Verständnis von Tiefenstrukturen kann auch die Identifikation von blinden Flecken, Spannungsmomenten oder Brüchen im Interview bilden. Bei der Interpretation sind zentrale Abwehrmechanismen seitens der Befragten zu beachten. Dazu gehört neben Verdrängung und Projektion die Rationalisierung. Das eigene Handeln und Erleben wird nicht auf die tatsächlichen Regungen zurückgeführt, sondern mit Motiven begründet, die im Einklang mit internalisierten Wertvorstellungen und Verhaltensnormen stehen. Bei der Interpretation ist zudem das Prinzip der Übertragung zu berücksichtigen, wonach das gegenwärtige Erleben in starkem Maße von vergangenen Erfahrungen geprägt wird. Methode der Markenpersönlichkeit Wie Menschen verfügen auch Produkte und Marken über eine Persönlichkeit (vgl. AAKER 1997). Die Analyse der Markenpersönlichkeit kann dabei helfen, versteckte Stärken oder Schwächen der Marke aufzudecken und die emotionale Markenbindung zu ergründen. Menschen nutzen oft Marken, deren Persönlichkeitsattribute ihren eigenen bzw. den erwünschten entsprechen. Eine Marke bietet dann Identifikationspotenziale, wenn sie den inneren Überzeugungen, dem eigenen Wertesystem und dem Selbstkonzept des Konsumenten entspricht. Durch Aufdecken der Markenpersönlichkeit lässt sich demnach einiges über die Verwender selbst erfahren. Dazu lassen sich z.B. bestimmte Fragetechniken („Wenn Marke xy eine Per-
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son wäre, wie wäre sie so, wie sähe sie aus?“) einsetzen. Als besonders geeignet wird zudem die Anfertigung von Collagen angesehen (FORTINI-CAMPBELL 2001, S. 114 f.). Befragung von Experten Nach Meinung von GLADWELL (2005, S. 182 f.) haben Experten im Gegensatz zu Konsumenten ein ausgeprägtes Verständnis davon, was in ihrem Unterbewusstsein vor sich geht. Sie setzen sich anders mit Sachverhalten auseinander und wissen mehr über dahinter liegende Motivationen. Zu den Experten zählen z.B. solche Menschen, die von Berufs wegen mit der interessierenden Zielgruppe in engem Kontakt stehen. Sie verbringen als eine Art „Professional Detectives“ (FORTINI-CAMBELL 2001, S. 91) ihren Arbeitsalltag damit, die eigentliche Zielgruppe zu beobachten und können somit wertvolle Hinweise für die Consumer InsightFindung geben. Geht es z.B. um eine Schuhmarke, so könnten Schuster oder Schuhverkäufer befragt werden. Beachtung nonverbaler Signale Insbesondere aufgrund der erheblichen Verbalisierungsprobleme in Zusammenhang mit den Elementen des Consumer Insight ist die Beachtung von nonverbalen Signalen wie z.B. der Körpersprache oder dem spontane Begeisterungsgrad von großer Bedeutung. So sollte bei Befragungen z.B. auf die Art geachtet werden, wie die Konsumenten über einen Sachverhalt (z.B. eine Marke, ein bestimmtes Thema) sprechen. Nonverbale Signale sind vielfach aussagekräftiger als die verbalen Äußerungen der Probanden (vgl. GLADWELL 2005, S. 18 ff.). Sie können Aufschluss über inhaltliche Gesichtspunkte geben (z.B. ob die Marke als Handlungsrechtfertigung dient) oder darauf, wie Menschen über Marken denken (SCARABIS/ FLORACK 2005, S. 68). Die Beachtung nonverbaler Signale ist z.B. auch dann von Bedeutung, wenn im Rahmen der Verifikationsphase Hypothesen überprüft werden, die heikle Themen berühren und in einer Laborsituation durch Antworten im Sinne sozialer Erwünschtheit verzerrt werden können. Allerdings stellt die adäquate Dekodierung nonverbaler Signale hohe Anforderungen an den Forscher. Beachtung des Kontextes Es wurde bereits mehrfach betont, dass das Konsumentenverhalten und die dahinter liegenden Emotions-, Motiv- und Wertegefüge nur vor dem Hintergrund des spezifischen Kontextes richtig gedeutet werden können. Hierzu empfiehlt es sich, in der Befragung einen größeren Sinnzusammenhang zu wählen, der über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Produktkategorie oder Marke hinausgeht. Ein Beispiel nennt CAMPHAUSEN (1999, S. 107 ff.): Um
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herauszufinden, welche Emotionen der Katzenbesitzer in Zusammenhang mit dem Füttern und der Auswahl von Katzenfutter Relevanz besitzen, wurden diese in einer Studie für WHISKAS nicht zu Katzenfutter befragt, sondern dazu, was sie in ihrem Leben mit der Katze vermissen. Es stellte sich heraus, dass Katzenbesitzer aufgrund der Unabhängigkeit ihrer Katze oftmals das Gefühl haben, über das Füttern hinaus nicht gebraucht und auf den "Dosenöffner" reduziert zu werden. Für die Kommunikation ergab sich die Aufgabe, dem Katzenbesitzer eine neue Rolle zu geben (der Katzenbesitzer ist als einziger kompetent zu entscheiden, wie es seiner Katze geht – er sorgt sich um sie und das führt dazu, dass sie sich geborgen fühlt). Ähnlich wurde in einer Studie für die Soßen-Marke OXO verfahren (PINCOTT 2005, S. 8). Die dort durchgeführten Gruppendiskussionen beschäftigten sich nicht mit der Marke oder dem Soßenmachen, sondern mit dem Leben der Probandinnen als Mütter, Ernährer, Geldverdiener und damit, wie sie den Druck der Familie in einer sich schnell verändernden Gesellschaft erleben. Mit dem Contextual Interview existiert zudem eine spezielle Interviewform, die die Berücksichtigung des individuellen Interpretationsrahmens ermöglichen soll. Eine andere Interviewform, die Life Story Interviews, stellt speziell auf die Erfahrungen des Individuums, also dessen biographischen Hintergrund, ab (TAGG 1985). Dabei werden produktspezifische Fragestellungen eng mit Fragen zum persönlichen Lebensstil und der persönlichen Lebensgeschichte verknüpft (vgl. z.B. den Fragebogen bei McCRACKEN 1988). Die Erkenntnisse zu den spezifischen „Life Themes“ und „Life Projects“ können dazu genutzt werden, die Produkt- und Markenwahrnehmung der Konsumenten zu interpretieren (PARKER 1998). Grenzen der Lifes Story Interviews bestehen z.B. in Verzerrungen der berichteten Lebensgeschichten durch Vergessen oder Rekonstruktion (TAGG 1985, S. 188 ff.), erheblichen Interpretationsspielräumen sowie Antworten im Sinne sozialer Erwünschtheit (z.B. wenn der Proband ein bestimmtes Image vermitteln möchte) (MICK/BUHL 1992, S. 334 f.). Zudem erscheint die Methode sehr aufwändig, da z.B. bei MICK/BUHL (1992) und Parker (1998) von mehrstündigen Interviews in mehreren Runden berichtet wird. Tagebuch-Methode Im Rahmen dieser Methode werden die Probanden gebeten, über eine bestimmte Zeit hinweg ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand (z.B. Produkt, Marke oder ein übergreifendes Thema) zu notieren. Ein Beispiel für den Einsatz dieser Methode liefert der „Got milk?“-Case, bei dem die Probanden komplett auf Milch verzichteten und die diesbezüglichen Erfahrungen und Eindrücke schriftlich festhielten (siehe 2.3.2). Auf diese Weise konnten Erkenntnisse zutage gefördert werden, die weit über die der herkömmlichen Gruppendiskussionen hinausgingen. Eine spezielle Methode der Emotionsfor-
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schung ist das Befindenstagebuch, das zur Untersuchung von Gefühlen im Alltag zum Einsatz kommt (BRANDSTÄTTER/GROSSMAN/FILIPP 1992, S. 67 ff.). Diese Methode kann auch im Rahmen der Consumer Insight-Findung genutzt werden, um Gefühle in Zusammenhang mit Produkten, Marken oder Verwendungssituationen aufzudecken. Spezielle Instrumente zur Aufdeckung des Unterbewussten Die Zaltman Metaphor Elicitation Technique (ZMET) wurde Anfang der 1990er Jahre für den Einsatz im Marketing entwickelt (ZALTMAN 1997, 2000, 2003) und als erste Marktforschungsmethode der USA mit Patentschutz versehen. ZMET basiert auf Erkenntnissen aus Neurobiologie, Psychoanalyse, Linguistik und Kunsttheorie und kombiniert verbale und nonverbale Methoden, um die Gefühle und Gedanken der Konsumenten aufzudecken. Ziel von ZMET ist es, in mehreren Untersuchungsschritten herauszufinden, was die Konsumenten vom Leben erwarten und wie Produkte und Marken diese Erwartungen erfüllen bzw. welche Rolle sie im Leben der Konsumenten spielen. ZMET basiert auf den – auch dieser Arbeit zugrunde liegenden – Annahmen, dass bei der Entscheidungsfindung unterbewusste Sachverhalte eine wichtige Rolle spielen, Emotionen und Kognitionen zusammenwirken und Informationen schemabasiert verarbeitet werden. Eine zentrale Rolle spielen dabei Metaphern, die als grundlegend für das menschliche Denken angesehen werden (ZALTMAN 2003, S. 10, BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 19). In Metaphern manifestieren sich unbewusste Sachverhalte wie Gewohnheiten und Erinnerungen. Über die Aufdeckung relevanter Metaphern sollen die tiefer liegenden Gedanken, Emotionen, Bedürfnisse etc. entschlüsselt werden. Die Erhebung stützt sich dabei weitgehend auf Erzählungen der Probanden (narrativer Ansatz). Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass das menschliche Gedächtnis und die menschliche Kommunikation Story-basiert arbeiten und Informationen über Personen und deren Handeln in Geschichten-Format organisiert werden (vgl. auch ESCALAS/BETTMAN 2000). ZMET findet teilweise bereits im Rahmen der Consumer Insight-Findung Anwendung (CATCHINGS-CASTELLO 2000, COULTER/ZALTMAN/COULTER 2001, CHRISTENSEN/OLSON 2002, ZALTMAN 2003). Grenzen dieser Methode liegen darin, dass sie sehr aufwändig ist und deshalb in der Regel nur kleine Stichprobengrößen zulässt. Zudem ist ein spezielles Training für die Interviewer notwendig. Ihre Anwendung kommt somit eher bei Projekten mit großem Zeithorizont in Frage, die in der Werbepraxis die Ausnahme bilden. Visualisierungsinterviews (MADDOCK/FULTON 1996, S. 101 ff.) basieren auf der Prämisse, dass die Visualisierung die Aufdeckung emotionaler Erlebnisse erlaubt (BARTLETT/ IZARD 1972). Die Visualisierungsmethode wurde ursprünglich in Polizeiinterviews verwen-
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det. Sie basiert auf der Annahme, dass Sachverhalte, an die sich eine Person nicht spontan erinnern kann (z.B. Ziffern eines Nummernschildes), häufig vor Augen kommen, wenn sich die Person visuell wieder in die entsprechende Situation hineinversetzt. Im Zuge der Visualisierung werden gespeicherte Erlebnisse unter Nutzung des photographischen Gedächtnisses aus der Erinnerung hervorgeholt. Dabei werden die sonst bei Befragungen üblichen Verbalisierungsprobleme umgangen. Im Rahmen der Konsumentenforschung dient die Visualisierungstechnik der Ermittlung von motivationalen Informationen, d.h. von Motiven, Emotionen, wahrgenommenen Produkteigenschaften und -benefits (MADDOCK/FULTON 1996). Während der Visualisierung werden z.B. Emotionen offenkundig, die mit der Verwendung eines bestimmten Produktes verbunden sind (z.B. Vorfreude, Enttäuschung, Konfusion). Allerdings ist auch diese Methode sehr aufwändig. Beobachtung Unter Beobachtung wird die visuelle oder instrumentelle Erhebung von Daten verstanden (HAMMANN/ERICHSON 2000, S. 117). Anders als bei der Befragung geben die Probanden zum Untersuchungsgegenstand keine Erklärungen ab, die einen Rückschluss auf ihr Verhalten zulassen. Im Zusammenhang mit der Consumer Insight-Findung ist insbesondere die teilnehmende Beobachtung von Interesse, die in der natürlichen Lebenswelt der Beobachteten eingesetzt wird und bei der der Beobachter aktiv in das Geschehen eingebunden ist (LAMNEK 2005, S. 552). Die teilnehmende Beobachtung gilt als bevorzugte Explorationsmethode im Rahmen der ethnographischen Forschungsansätze. Sie wird häufig durch qualitative Befragungen ergänzt (z.B. ARNOULD/WALLENDORF 1994). Im Rahmen der Consumer InsightFindung gilt es, ein empathisches Verständnis der Lebenswelt der Konsumenten zu entwickeln, innerhalb derer verborgene Motivationen, Bedürfnisse und Erfahrungen ihr Handeln prägen (REINELT/FAUCONNIER 2005). Nach ethnographischer Auffassung ist die Chance, die Beziehungen der Konsumenten zu anderen Menschen oder auch Marken zu verstehen, umso größer, je näher die Forscher ihren tatsächlichen Lebensumständen kommen (RUSSO/ TROIANO 2000). Die ethnographischen Methoden sollen es ermöglichen, in die Lebenswelt und den Alltag der Konsumenten einzutauchen und auf diese Weise den Konsumenten umfassend zu verstehen lernen (ARNOULD/WALLENDORF 1994, TREVASKIS 2000, S. 207 ff., ROBERTS 2004, SHARMA 2004, SHERRINGTON 2005). Auf diesem Forschungsansatz basieren auch Milieu- und Lebensstilstudien wie die SINUS-Milieus. Die ethnographische Beobachtung basiert auf der Grundannahme, dass der Konsument in Befragungen kaum in der Lage ist, den Alltag in seiner ganzen Komplexität zu schildern
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(SCHMID/KAUFMANN 2005, S. 32 ff.). Das konkrete Verhalten ist dem Konsumenten selbst oft nicht bewusst, da es in der Regel stark habitualisiert ist und durch Schemata gelenkt wird. Zudem antworten Konsumenten bei Befragungen häufig so, wie sie denken, dass es von ihnen erwartet wird (ROBERTS 2004, S. 158). Die ethnographische Beobachtung kann dabei helfen, die häufig festgestellte Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Verhalten der Konsumenten und ihren Aussagen über Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich bestimmter Produkte zu verstehen (ARNOULD/WALLENDORF 1994). Voraussetzung dafür, ein umfassendes Verständnis über den Konsumenten zu erlangen, ist Unvoreingenommenheit der Forscher, d.h. diese müssen das eigene Alltagswissen ausklammern, um möglichst unbeeinflusst ins Feld zu gehen. Da dies kaum umzusetzen ist, wird gefordert, dass sie zumindest ein Bewusstsein für die subjektiven Deutungen haben müssen, die sie selbst in den Forschungsprozess einbringen (SCHMID/HOFFMANN 2005, S. 34). Der Fokus der ethnographischen Deutungsanalysen liegt auf dem Verhalten der beobachteten Personen sowie auf den ihnen zugrunde liegenden Handlungsroutinen und Deutungsmustern. Der Forscher nimmt über einen oder mehrere Tage hinweg an den Aktivitäten und Routinen der Konsumenten teil und dokumentiert seine Beobachtungen anhand von Notizen, Protokollen oder Fotos. Dabei ist es nicht notwendig, den gesamten kulturellen Kontext des Konsumenten zu kennen (ebd.). Die fokussierte Ethnographie beschränkt sich dementsprechend auf die situative Erfassung von relevanten Daten. Im Zuge dessen werden gezielt spezifische Interaktionen, Situationen oder Praktiken beobachtet. Zur Unterstützung der Consumer InsightFindung empfiehlt SHERRINGTON (2003, S. 29) eine genauere Betrachtung der Bereiche Arbeit, Freizeit, Events, Beziehungen und Leidenschaften. Durch den Einsatz ethnographischer Methoden kann ein langfristiges Verständnis des Marktes erreicht werden, da der Forscher als Teilnehmer einer Subkultur ein besonderes ethnographisches Verständnis gewinnt, das auch nach Projektabschluss noch genutzt werden kann. Von Marktforschungsunternehmen werden inzwischen auf ethnographischen Methoden basierende Instrumente wie z.B. „Konsumentensafaris“ angeboten, bei denen den Marketingverantwortlichen die Möglichkeit gegeben wird, in die Lebenswelt ihrer Zielgruppen einzutauchen. Derartige Instrumente kommen insbesondere bei jüngeren Zielgruppen zum Einsatz. Eine neuere Methode im Rahmen der marktorientierten ethnographischen Forschung ist das Empathic Design (LEONARD/RAYPORT 1997). Dieser Ansatz, der einen mehrstufigen Prozess beinhaltet, wurde ursprünglich dafür entwickelt, Produktverbesserungen zu ermöglichen sowie neue Anwendungen für existierende Produkte zu ermitteln, indem bislang unentdeckte
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Bedürfnisse identifiziert und adressiert werden. Er basiert auf der Erkenntnis, dass Konsumenten kaum in der Lage sind, Bedürfnisse zu äußern, die außerhalb ihres vergangenen oder gegenwärtigen Erfahrungshorizontes liegen, und somit kaum wirksame Impulse für Produktinnovationen liefern können. Im Rahmen der Consumer Insight-Findung kann der Empathic Design-Ansatz Aufschluss über die Rolle der Produktkategorie und Marke im Leben der Konsumenten sowie unausgesprochene, latente Bedürfnisse geben. Ein aktuelles Beispiel ist das „Moonraker“-Projekt von VW, bei dem die Lebensgewohnheiten der US-Amerikaner detailliert erforscht, dokumentiert und ausgewertet werden, um die amerikanischen Autokunden besser verstehen zu lernen (vgl. SEITH 2006). Das Projekt soll es VW ermöglichen, wieder erfolgreiche Autos für den US-amerikanischen Markt zu bauen und Flops zu vermeiden. Mit Hilfe des Empathic Design-Ansatzes können zudem bislang vernachlässigte, jedoch für den Konsumenten relevante und hochemotionale Produkteigenschaften aufgedeckt werden. So brachten die Probanden in der Studie von LEONARD/RAYPORT (1997) ihre Zufriedenheit mit einem Haushaltsreinigerprodukt vor allem mit dessen angenehmem Geruch in Verbindung. Als peripherer Reiz löste er nostalgische Gefühle („Meine Mutter nahm das“) sowie emotionale Reaktionen anderer Art aus („Wenn es sauber riecht, hat sich die ganze Arbeit gelohnt“). Auf Basis derartiger Erkenntnisse können in der Kommunikation gezielt bislang verborgene relevante Eigenschaften hervorgehoben und durch emotionalen Markenbenefits adressiert werden. Die ethnographischen Methoden können somit wertvolle Einsichten für die Consumer Insight-Findung liefern. Allerdings ist es wichtig, auch ihre Grenzen aufzuzeigen. So besteht z.B. die Gefahr von Ergebnisverzerrungen durch den Beobachter- und Beobachteteneffekt (WISWEDE 1991, S. 97). Die Probanden könnten durch den Status als Beobachtete ihr Verhalten verändern (Beobachtereffekt) oder der Beobachter durch Sozialisationseffekte seine Objektivität verlieren (Beobachteteneffekt). Weitere Problembereiche ergeben sich aus der unsystematischen Erhebung, da sich Techniken und Vorgehensweisen an die Realität der Konsumenten anpassen müssen (SCHMID/HOFFMANN 2005, S. 33 f.). Insofern ist auch der Einsatz technischer Hilfsmittel zur objektiven Dokumentation der Erhebung problematisch, da die Realität so wenig wie möglich gestört werden sollte. Die teilnehmende Beobachtung ist eine anspruchsvolle Methode, deren Einsatz sehr zeit- und kostenintensiv sein kann und professionell ausgebildeter Ethnographen bedarf (MASON 2002, S. 84 ff., SCHMID/HOFFMANN 2005, S. 34).
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Consumer Insight Anforderungen an qualitative Forschung und ihre Relevanz für die Werbepraxis
Wie deutlich wurde, ist die Durchführung qualitativer Forschungsprojekte anspruchsvoll und vielfach mit hohem Aufwand verbunden. Der Anspruch ergibt sich unter anderem aus spezifischen Qualitätsanforderungen, die an die qualitative Forschung gestellt werden. Diesbezüglich herrscht allerdings Uneinigkeit in der Literatur. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf den Ansatz von KEPPER (1996, S. 197 ff.) zurückgegriffen, wonach an qualitative Untersuchungen folgende Maßstäbe anzulegen sind: Umfassendheit der Erhebung, Transparenz des Forschungsprozesses, multipersonaler Diskurs bezüglich der Interpretation, Angemessenheit der verwendeten Methode sowie funktional-psychologische Repräsentativität. Während die Umfassendheit der Erhebung fordert, dass sämtliche problemrelevanten Inhalte erfasst werden, bezieht sich die Transparenz des Forschungsprozesses auf die intersubjektive Nachvollziehbarkeit aller Vorgänge und Entscheidungen. Diese soll unter anderem durch eine genaue Dokumentation sämtlicher Verfahrensschritte erreicht werden, was insbesondere bei ethnographischen Verfahren von Bedeutung ist (ARNOULD/WALLENDORF 1994). Der multipersonale Diskurs bezüglich der Interpretation bezieht sich darauf, dass im Zuge der Interpretation nicht nur eine subjektive Sichtweise vertreten wird. Objektivität entsteht aus der Subjektivität der verschiedenen Interaktionspartner durch die Analyse. Die Objektivität hat somit intersubjektiven Charakter (LAMNEK 2005, S. 172 ff.). Wichtiger als Objektivität ist jedoch die Transparenz des Forschungsprozesses. Gemäß der Angemessenheit der verwendeten Methode muss die gewählte Methode den empirischen Gegebenheiten gerecht werden und das gewünschte Forschungsziel erfassen können. Zur Überprüfung der Angemessenheit kann z.B. auf die Methode der Triangulation (siehe z.B. ebd., S. 274 ff.) zurückgegriffen werden. Dabei werden auf eine Fragestellung verschiedene Methoden angewendet und in Hinblick auf Konformität der Ergebnisse untersucht, um die Stärken und Schwächen der Methoden aufzudecken und Wahrnehmungsverzerrungen durch die Art der gewählten Methode zu reduzieren. Sinnvoll könnte eine Triangulation z.B. dann sein, wenn aufgrund von Interpretationsspielräumen
Zweifel
am
Wahrheitsgehalt einer
Erkenntnis bestehen.
Die
funktional-
psychologische Repräsentativität unterscheidet sich vom Repräsentativitätskonzept der quantitativen Forschung, bei dem Begrenztes auf Allgemeines übertragen werden soll (ebd., S. 186 f.). Im Rahmen der qualitativen Forschung geht es um inhaltliche Repräsentanz, d.h. dass die Probanden den relevanten Deutungs- und Handlungstypen entsprechen. Durch Auswahl typischer Fälle soll das Allgemeine im Besonderen gefunden werden. Die konkret anzusetzenden Qualitätsmaßstäbe sind von der letztendlich eingesetzten Methode abhängig.
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An die qualitativen Methoden werden demzufolge hohe methodische Anforderungen gestellt. Diese sind nun mit der Realität der Werbepraxis bzw. des Prozesses der Consumer InsightFindung zu konfrontieren. Wie beschrieben, sieht sich die Werbepraxis in der Regel begrenzten Zeit- und Geldbudgets gegenüber. Auf Basis der Literaturanalyse, der untersuchten Beispiele und eigener Erfahrungen ist davon auszugehen, dass in der Werbepraxis im Rahmen der Consumer Insight-Findung in Bezug auf die Primärforschung häufig eher ein pragmatisches Vorgehen gewählt wird. Dieser Ansatz zur Erlangung von Konsumentenkenntnis bzw. zur Hypothesenbildung beinhaltet z.B. Folgendes: Interviews oder Fokusgruppen mit Mitgliedern der Zielgruppe aus dem Bekannten- und Freundeskreis, die einfach und schnell verfügbar sind, informelle Gespräche mit Agenturkollegen, Introspektion, also das „Hineinhorchen“ in sich selber, Beobachten der Konsumenten in ihrem „natürlichen Umfeld“, z.B. beim Einkauf im Supermarkt oder abends in der Bar. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Vorgehen, das sich solcher und ähnlicher Methoden bedient, als pragmatischer Ansatz der Erlangung von Konsumentenkenntnis bezeichnet. Es ist anzunehmen, dass die pragmatischen Methoden häufig anstelle von methodisch genauer Primärforschung eingesetzt werden – zumindest in der Phase der Hypothesenbildung und unter den gegebenen Zeit- und Budgetrestriktionen. Die tatsächliche Rolle der (methodisch genauen) Primärforschung in der Werbepraxis ist im empirischen Teil der Arbeit zu überprüfen. Allerdings lassen sich auch die „pragmatischen Methoden“ als Primärforschung verstehen, da sich dieser Begriff auf die Beschaffung, Aufbereitung und Erschließung neuen Datenmaterials aus dem Markt bezieht (HAMANN/ERICHSON 2000, S. 75). Wie dieses neue Datenmaterial erhoben wird, ist zunächst zweitrangig. Diese Anspruchsdualität, d.h. auf der einen Seite die Existenz qualitativer Marktforschungsmethoden, die bestimmten Anforderungen genügen müssen, auf der anderen Seite ein eher pragmatischer Umgang damit, gibt Anlass zu Kritik. So ist insbesondere die Ethnographie in die Diskussion geraten. KAMPIK (2004, S. 13) moniert eine Inflation der ethnologischen Beobachtung in der Werbepraxis und einen „Etikettenschwindel“. Seiner Ansicht nach erinnern manche Forschungsprojekte eher an „Abenteuerspiele“ als an fundierte, ernsthafte Forschung, wodurch die Gefahr bestünde, dass die ethnologische Forschung diskreditiert werde. Ethnographische Methoden werden in der Praxis häufig in „abgespeckter“ Form angewendet, wobei es der pragmatischen Form vor allem auf die Idee des Eintauchens in die Lebenswelt der Konsumenten ankommt. Basierend darauf werden „normale“ Beobachtungen der Konsumenten in ihrem natürlichen Umfeld (z.B. in Supermärkten) als ethnographische Methoden
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bezeichnet. Ein Beispiel für die pragmatische Ethnographie gibt SHERRINGTON (2003, S. 29 f.): Als die britische Marke PONTIN’S, eine Kette preisgünstiger Urlaubscamps, revitalisiert werden sollte, verbrachte ein Agenturteam eine ganze Woche in einem Camp, ohne Erkenntnisse zu gewinnen. Niemand konnte sich in die Zielgruppe „Arbeiter aus Industriestädten“ hineinversetzen, stattdessen wurde das Camp als veraltet und qualitativ minderwertig wahrgenommen. Nachdem jedoch SHERRINGTON dort einen Tag mit seinen Kindern verbracht hatte, wünschten diese sich, noch einmal dorthin zu fahren und länger zu bleiben. Für sie versprachen die Camps Freiheit, Spaß und Zeit mit den Eltern. Diese Erkenntnisse führten zur Entdeckung des folgenden Consumer Insight: Arbeiter verbringen wenig Zeit mit ihren Kindern und haben deshalb ein schlechtes Gewissen. Sie können es sich jedoch leisten, mit ihren Kindern in ein PONTIN’S-Camp zu fahren. Dort haben die Kinder ihren Spaß, verbringen Zeit mit den Eltern und tun Dinge, die sie im Alltag nicht dürfen, z.B. lange aufbleiben. All das macht die Arbeiter zu besseren Vätern – in den Augen der Kinder und in den eigenen. Methodische Genauigkeit ist zur Consumer Insight-Findung demnach nicht unbedingt notwendig – zumindest nicht zur Hypothesenbildung und für den Moment der Erleuchtung. Anders verhält es sich bei Untersuchungen, die im Rahmen der Verifikation von Hypothesen durchgeführt werden. Wie auch das Beispiel WEEDOL veranschaulicht, sollten auf pragmatische Weise gewonnene Hypothesen nach Möglichkeiten noch einmal anhand von Konsumenten hinsichtlich ihrer Gültigkeit für breitere Zielgruppenkreise überprüft werden. Die unterschiedlichen Phasen der Consumer Insight-Findung scheinen somit unterschiedliche methodische Anforderungen an die Erlangung von Konsumentenkenntnis zu stellen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist es dementsprechend sinnvoll, eine klare Trennung zwischen den Einsatzbereichen der Methoden im Rahmen der Consumer Insight-Findung vorzunehmen. Im Folgenden wird deshalb unterschieden zwischen •
Entdeckungszusammenhang und
•
Begründungszusammenhang eines Consumer Insight bzw. einer Hypothese.
Die Differenzierung zwischen Entdeckungs- und Begründungszusammenhang bei empirischen Untersuchungen geht auf REICHENBACH zurück (vgl. dazu z.B. FRIEDRICHS 1977, S. 50 ff.). Im Gegensatz zum Entdeckungszusammenhang muss der Begründungszusammenhang intersubjektiv nachprüfbar sein. Der Entdeckungszusammenhang bezieht sich auf die Inkubationsphase und die Illumination. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass alle Erkenntnisquellen zulässig
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sind, die dazu beitragen können, Consumer Insight zu erlangen. Der pragmatische Ansatz hat demnach seine Berechtigung. Der Begründungszusammenhang betrifft die Verifikationsphase. In dieser kommt es eher auf methodische Genauigkeit an. Allerdings bleibt fraglich, ob auf pragmatische Weise ermittelte Consumer Insights immer anhand von Konsumentenforschung validiert bzw. postrationalisiert werden sollten und ob diese Überprüfung methodisch exakt erfolgen muss. Die Verifikation erfolgt in der Regel bereits auf intersubjektiver Ebene, da der Consumer Insight als psychologische Wahrheit einen Nutzen bietet, den auch andere erkennen bzw. anerkennen (vgl. Abschnitt 3.2.3.6). Dadurch, dass er auch anderen sofort einleuchtet, findet quasi eine intersubjektive Überprüfung statt. Die Frage nach der Durchführung von Primärforschung hängt vor allem vom gegebenen Zeitund Budgetrahmen ab. Hierbei handelt es sich um eine klassische Investitionsentscheidung in Abhängigkeit vom einzusetzenden Werbebudget bzw. Agenturhonorar sowie der strategischen Bedeutung der zu entwickelnden Werbekampagne. Ist beides hoch, so könnte es durchaus sinnvoll sein, in Anschluss an die pragmatische Phase bzw. die qualitative Forschung zusätzlich eine Quantifizierung der Erkenntnisse vorzunehmen, um das Zielgruppenpotenzial genauer abschätzen zu können, für das ein Consumer Insight Gültigkeit hat.
3.5.4.3. Hirnforschung Die Anwendung von Methoden der Hirnforschung auf Fragestellungen des Konsumentenverhaltens wird aktuell unter dem Stichwort „Neuromarketing“ intensiv diskutiert. Das Neuromarketing wird bereits als Schlüssel zum „wahren“ Consumer Insight gepriesen, da von ihm wesentliche Einblicke ins Konsumentengehirn erwartet werden (siehe z.B. HÄUSEL 2004, 2005, CHRZANOWSKA 2004, ROTH 2004, BBDO 2004). Die zunehmende Bedeutung der Hirnforschung für das Marketing hängt nicht zuletzt mit den verbesserten neuronalen Messmöglichkeiten zusammen (CHRZANOWSKA 2004). Experimente im Rahmen des Neuromarketing beziehen sich meist auf die neurologische Untersuchung des mentalen Zustandes der Probanden sowie ihrer Reaktionen auf die Vorlage von Marketingstimuli. Bildgebende Verfahren (Brain Scanning oder Brain Imaging), zu denen die bereits erwähnte fMRT zählt, liefern farbige Bilder von den Stoffwechselaktivitäten des Gehirns (vgl. z.B. ESCH/MÖLL 2004, S. 83 ff., PLASSMANN 2006). Sie basieren auf dem BOLD-Effekt, durch den der Blutfluss im Gehirn aufgrund der Sauerstoffhaltigkeit des Blutes bildlich darstellbar ist und damit auch die neuronale Hirntätigkeit quantifizierbar und lokalisierbar wird (ROSSITER/SILBERSTEIN 2001, S. 19, KENNING 2005, S. 22). Dabei wird
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fortlaufend erfasst, wo im Gehirn wie viel Aktivität herrscht und wie sich diese Aktivität bei der Vorlage von Reizen und z.B. bei Auswahlentscheidungen zwischen Marken ändert. Die gemessenen Variablen und dargestellten Bilder haben Indikatorfunktion und weisen auf mentale Prozesse hin (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 19). Allerdings bleibt die Bedeutung dieser Prozesse zunächst offen. Zur Interpretation der Ergebnisse müssen die für die jeweilige Fragestellung interessierenden Hirnaktivitäten vom „Grundrauschen des Gehirns“ getrennt werden (BBDO 2004, S. 11). Die Interpretation der Ergebnisse und der Aussagewert eines Experiments sind damit unmittelbar vom Versuchsaufbau abhängig. In der Regel wird von der Hirnregion, in der die erhöhte Aktivität verzeichnet wird, auf die üblicherweise damit zusammenhängenden Prozesse geschlossen. So deutet z.B. Aktivität im ventromedialen präfrontalen Cortex auf eine emotionale Reaktion hin, Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Cortex wird als rationale Reaktion interpretiert (PLASSMANN et. al. 2006). Von markenbezogenen Reaktionen, die auf emotionale Aktivität hindeuten, wird auf das Vorhandensein emotionaler Markenassoziationen und einer gefühlsmäßigen Markenbindung geschlossen. Auf das Vorliegen starker positiver Assoziationen und damit verbundener Markenpräferenz wird geschlossen, wenn wie in der MONTAGUE-Studie (vgl. 3.1.2.1) bei Vorlage einer Marke der mediale präfrontale Cortex stimuliert wird, der für komplexe Denk- und Entscheidungsprozesse zuständig ist und eine entscheidende Rolle für das Selbstbild einer Person spielt. Die Vor- und Nachteile der Hirnforschungsverfahren ähneln denen der „herkömmlichen“ physiologischen Marktforschungsverfahren (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 22 ff.). Zu den Vorteilen gehört, dass sie einen direkten, ungefilterten Weg zur Messung von Reaktionen bieten und dabei auch solche Sachverhalte sichtbar machen, die die Probanden nicht offenbaren können oder wollen (CHRZANOWSKA 2004, SCHÄFER 2004). Damit eliminieren sie viele Verzerrungen, mit denen die Marktforschung sonst konfrontiert ist, und umgehen die für Befragungen typischen Verbalisierungsprobleme. Trotz der interessanten Ansätze und der teilweise euphorischen Zustimmung haben die Methoden der Hirnforschung klare Grenzen. Hierzu gehört die besonders unnatürliche, unbequeme Testsituation. Die Probanden könnten sich in den engen Computertomographen oder mit verkabelten Schädeldecken unwohl fühlen, wodurch wiederum die Ergebnisse verzerrt werden (SCHÄFER 2004). Zudem bringt der Einsatz der notwendigen Verfahren sehr hohe Kosten mit sich, die sich selbst bei kleinen Studien schnell auf mehrere zehntausend Euro belaufen. Des Weiteren bestehen erhebliche Interpretationsprobleme (vgl. z.B. BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 22 ff., ESCH/MÖLL 2004, S. 91). Oft wird vergessen, dass die „einprägsamen bunten Bilder“, die meist als sichtbares Ergebnis präsentiert werden, vorsichtig zu interpretieren sind und nichts über die psychologische Signi-
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fikanz aussagen (CACIOPPO et. al. 2003, S. 657 ff.). Derartige „Aktivitätskarten“ spiegeln nicht das tatsächliche Geschehen im Gehirn wieder, sondern sind statistische Aufbereitungen, deren Aussagekraft auch vom gewählten Signifikanzniveau abhängig ist. Bis heute ist zudem nicht eindeutig erwiesen, ob die abgebildeten Hirnaktivitäten wirklich für die beobachteten geistigen Vorgänge verantwortlich sind (vgl. auch Anhang A1). Die Identifizierung von Hirnregionen mit bestimmten Hirnfunktionen sollte generell nicht allzu wörtlich genommen werden, da Letztere von untereinander verbundenen und zusammenwirkenden Systemen vermittelt werden. Da die Forscher die Hirnaktivität interpretieren müssen, besteht erheblicher Spielraum für Verzerrungen. Auch ist bis heute weitgehend unbekannt, ob die Gehirne der Menschen nach dem gleichen Muster arbeiten und wie groß möglicherweise individuelle Unterschiede bei den einzelnen Hirnfunktionen und -aktivitäten sind. Die Stoffwechselaktivität verzeichnet zudem nur Vorgänge, die mindestens zwei Sekunden dauern. Dies ist jedoch nicht schnell und genau genug, um die viel „flüchtigeren“ Gedanken einzufangen. Es gibt erste Versuche, fMRT mit der deutlich schnelleren Hirnstrommessung (EEG) zu kombinieren, um eine bessere zeitliche Auflösung zu bekommen (OERTL 2005, S. 17 f.). Die Anwendung der Hirnforschung im Rahmen der Konsumentenforschung ist dementsprechend umstritten. Ihre Validierung steht bislang noch aus (ELGER 2002). Nach Ansicht von BEHRENS/NEUMAIER (2004, S. 24) enthalten die bisherigen Erkenntnisse der Neuromarketingforschung nichts, was nicht schon vorher bekannt war. Allerdings herrscht unter den Hirnforschern Zuversicht, dass sich Genauigkeit und Wissen in Zusammenhang mit der Interpretation in den kommenden Jahren verbessern werden (SCHÄFER 2004). Um den Geheimnissen des Hirngeschehens auf die Spur zu kommen, bedarf es nach Ansicht von CACIOPPO et. al. (2003, S. 650 ff.) eines umfassenden, interdisziplinären Ansatzes. Hinsichtlich der Geeignetheit der Hirnforschungsverfahren im Rahmen der Consumer InsightFindung ist Folgendes zu sagen: Die Verfahren des Neuromarketing liefern spannende und viel versprechende Einblicke in das neuronale Geschehen. So geben sie z.B. Hinweise auf Markenpräferenzen und deren mögliche Ursachen (PLASSMANN 2006). Sie können wie in der MONTAGUE-Studie Aufschluss darüber geben, warum eine Marke in Blindtests gegenüber einer anderen bevorzugt wird (Geschmack) und im Wettbewerb dann doch unterliegt (Markenpräferenz, die mit dem Selbstkonzept zusammenhängt). Allerdings bestehen dabei erhebliche Interpretationsspielräume – die Erkenntnisse gehen über Hinweise nicht hinaus. Zumindest werden viele (neue) Fragen aufgeworfen – und unter anderem darum geht es bei der Suche nach Consumer Insight. Um es mit PÖPPEL (zitiert in ROTH 2004, S. 30) zu sagen: „Das Verfahren gibt viele Antworten auf Fragen, wo wir die Fragen noch nicht kennen“.
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Zudem sind die neurowissenschaftlichen Methoden in erster Linie für die Erfassung unbewusster Prozesse von Bedeutung (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 5), bei der Consumer Insight-Findung geht es jedoch vornehmlich um Gedächtnisinhalte. Die Verfahren geben zwar Aufschluss über die Aktivität in bestimmten Hirnregionen und lassen somit z.B. auf das Vorhandensein emotionaler Markenassoziationen schließen. Über deren konkrete Inhalte können sie allerdings keine Auskunft geben. Hier sind wiederum die qualitativen Forschungsmethoden gefragt. Aus der hier vertretenen Sicht eignen sich die Hinforschungsverfahren besonders dafür, auf existierende Unterschiede zwischen Stimuli, z.B. Marken, und deren mögliche Ursachen hinzuweisen (Bsp. Wettbewerber wird präferiert, während die eigene Marke Defizite in der emotionalen Aktivität aufweist). Im Rahmen der Consumer InsightFindung könnte diesen Hinweisen dann gezielt mithilfe der genannten qualitativen Methoden nachgegangen werden. Es gibt erste Ansätze, die Hirnforschungsverfahren mit qualitativen (und quantitativen) Forschungsmethoden zu kombinieren (siehe z.B. das „Brain Branding“ von BBDO, vgl. BBDO 2004), um auf diese Weise zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und Interpretationsspielräume einzuengen. Der Einsatz der Hirnforschungsmethoden im Rahmen der Consumer Insight-Findung dürfte zumindest aktuell noch vor allem an pragmatischen Gesichtspunkten scheitern: zum einen an den sehr hohen Kosten, zum anderen am benötigten Zeitaufwand für Durchführung und Interpretation. Ihre Anwendung dürfte somit weniger für die Kommunikationsentwicklung als eher für übergeordnete markenstrategische Fragen mit längerem Zeitvorlauf in Frage kommen.
3.5.5.
Schlussfolgerungen zur Unterstützung des kreativen Prozesses der Consumer Insight-Findung
Im Zuge des Prozesses der Consumer Insight-Findung sind verschiedene Aufgabenstellungen zu lösen, insbesondere die Generierung von Konsumentenkenntnis als Basis für den kreativen Sprung sowie die Hypothesenbildung auf Basis eines Perspektivwechsels. Im Rahmen dieses Abschnitts wurde ein umfangreiches Methodenrepertoire zur Unterstützung bei der Lösung dieser Aufgaben vorgestellt. Welche Methoden zur Anwendung kommen, hängt unter anderem vom verfügbaren Zeit- und Budgetrahmen sowie den bei den Trägern des Consumer Insight-Findung individuell vorhandenen Potenzialen, Fähigkeiten und Erfahrungswerten ab. Hinsichtlich der Bedeutung der (methodisch exakten) Primärforschung für die Consumer Insight-Findung wird hier zwischen dem Entdeckungs- und dem Begründungszusammenhang eines Consumer Insights unter-
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schieden. Die Durchführung von Primärforschung scheint für die Consumer Insight-Findung nicht immer notwendig zu sein – zumindest nicht für die Hypothesenbildung und den Moment der Erleuchtung. Alle Erkenntnisquellen sind zulässig, die dabei helfen, Consumer Insight zu finden. Auch wenn in der Werbepraxis der pragmatische Ansatz zu dominieren scheint, ist und bleibt die methodisch orientierte Primärforschung eine wichtige Basis für die Consumer Insight-Findung. Generell haben alle methodischen Forschungsrichtungen ihre Berechtigung. Für den Einsatzbereich der Consumer Insight-Findung scheinen jedoch insbesondere die Methoden der qualitativen Marktforschung geeignet, da sie es zumindest in einem gewissen Rahmen ermöglichen, unterbewusst vorhandene Gedächtnisinhalte wie z.B. mit bestimmten Produkten und Marken verbundene Motive und Emotionen aufzudecken. Dabei sind die Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Verfahren zu berücksichtigen und das in Hinblick auf das spezifische Erkenntnisinteresse am besten geeignete Verfahren auszuwählen. Die meisten der aufgezeigten Marktforschungsmethoden sind relativ zeit- und kostenintensiv. Oben (3.4.2.2) wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Interesse der Consumer InsightFindung insbesondere die Auftraggeber dafür sensibilisiert werden sollten, adäquate Zeit- und Geldbudgets bereitzustellen. Wie gezeigt werden konnte, bieten sich für die Erlangung von Konsumentenkenntnis in Abhängigkeit vom jeweiligen Erkenntnisinteresse und der präferierten Denkschule viele verschiedene Möglichkeiten. Es existiert keine Standardmethode, die für jede Aufgabenstellung geeignet wäre (HEDGES/FORD-HUTCHINSON/STEWART-HUNTER 1997, S. 14). Jede der vier Grundrichtungen der qualitativen Marktforschung hat ihre Berechtigung. Sie bieten unterschiedliche Perspektiven auf die Konsumenten und damit alternative Ansätze für das Verstehen des Konsumenten und seines Verhaltens. Lediglich die phänomenologische Perspektive dürfte angesichts des erheblichen erforderlichen Zeitaufwandes vor dem Hintergrund der zeitlichen und finanziellen Budgetgrenzen für die Primärforschung im Rahmen der Consumer Insight-Findung ausscheiden. KÜHN (2005a, S. 31) betont, dass die unterschiedlichen Ansätze bei ein und demselben Projekt zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen würden. Angesichts der Kritik an „herkömmlichen“ Interviews und Gruppendiskussionen ist in der Konsumentenforschung insbesondere für ethnographische und semiotische Ansätze ein Bedeutungszuwachs zu verzeichnen (ALEXANDER 2001). Das in der Praxis von den Marktforschungsinstituten angebotene qualitative Instrumentarium ist allerdings sehr undurchsichtig und unübersichtlich (KÜHN 2005b). Für Nicht-Experten und „Hilfesuchende“ ist es kaum zu überschauen. Methoden und Instrumente sind kaum vergleichbar, schon aufgrund der dahinter stehenden, vielfältigen und sich überschneidenden Denkschulen. Die jeweiligen Vertreter
Consumer Insight
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verfechten ihre Ansätze vehement und rühmen deren Vorteile (vgl. z.B. ZIEMS 2004 zur Morphologie, kritisch dazu KOSCHATE 2005). Es bleibt zu wünschen, dass die vorliegende Arbeit die Praktiker ermutigen kann, die gewohnten Pfade zu verlassen, sich näher mit den verschiedenen Möglichkeiten zu beschäftigen und auch andere Verfahren und Richtungen zur Erlangung von Konsumentenkenntnis auszuprobieren. Die Hirnforschung bietet abgesehen von der Problematik der erheblichen Interpretationsspielräume viel versprechende Ansätze, insbesondere in Kombination mit qualitativen Forschungsmethoden. Die bildgebenden Verfahren können z.B. Hinweise auf vorhandene Markenpräferenzen, Unterschiede zwischen Marken und deren mögliche Ursachen (z.B. ausgeprägtere emotionale Markenassoziationen) geben. Diesen Hinweisen könnte dann gezielt mithilfe der genannten qualitativen Methoden nachgegangen werden. Der Einsatz der Hirnforschung im Rahmen der Consumer Insight-Findung dürfte jedoch aktuell an den noch sehr hohen Kosten und dem benötigten Zeitaufwand scheitern. Es gibt es keinen Königsweg dazu, den Verbraucher zu verstehen. Abgesehen davon, dass die Consumer Insight-Findung eine Sache der Intuition ist, existiert keine Allround-Methode zur Erlangung von Konsumentenkenntnis. Wie aufgezeigt, lässt sich den seelischen Strukturen des Konsumenten auf vielfältige Weise näher kommen. Letztlich bleibt auch in der qualitativen Marktforschung – die zumindest eine Annäherung an die tiefer liegenden Beweggründe ermöglicht – vieles der Interpretation überlassen. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse. Der vom Marketing ersehnte „gläserne“ Konsument bleibt eine Vision. Die tiefsten und geheimsten Wünsche, Motive und Bedürfnisse des Konsumenten können nur in Teilbereichen aufgedeckt werden. Abschließend zu diesem Abschnitt ist erneut darauf hinzuweisen, dass die dargestellten Methoden nicht nur im Rahmen der Kommunikationsentwicklung von Bedeutung sind. Consumer Insight sollte Grundlage der Markenführung und damit Basis für sämtliche Marketingaktivitäten sein.
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4
Emotionale Kommunikation
Emotionale Kommunikation
Der Consumer Insight wird im Rahmen dieser Arbeit als Basis für die Kommunikationsentwicklung betrachtet. Der Fokus liegt dabei auf der spezifischen Ausprägung der emotionalen Kommunikation, die in Wissenschaft und Praxis besondere Relevanz erlangt hat. Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen der Markenführung wird die Vermittlung eines emotionalen Erlebnisprofils als wichtigstes strategisches Ziel der Werbung angesehen (vgl. z.B. GOBE 2001, S. 219 ff., MATTENKLOTT 2002, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 116 ff., KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 77, ROBERTS 2004). Starke Marken zeichnet in der Regel eine hohe emotionale Schubkraft aus (ESCH 2003, S. 10, KENNING 2005, S. 23, RIESENBECK/PERREY 2005, S. 210 ff.). Emotionen werden als Voraussetzung dafür gesehen, eine dauerhafte Markenbindung zu schaffen. Der Consumer Insight gibt die Richtung für die Suche nach dem adäquaten emotionalen Erlebnisprofil für die Marke vor. Des Weiteren deckt er die emotionalen Beweggründe der Konsumenten auf und gibt somit Aufschluss darüber, wie sie emotional angesprochen werden können. Der Consumer Insight sorgt dafür, dass die Kommunikation bewegt und idealerweise begeistert. Die Art der Kommunikation ergibt sich aus der Situationsanalyse, in deren Rahmen auch die Suche nach Consumer Insight erfolgt. Aus dem Consumer Insight ergeben sich die Rolle bzw. das Ziel der Kommunikation und infolgedessen auch die Art der Ansprache (eher emotional oder eher rational). Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich umgekehrt aus den Wirkungen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation spezifische Anforderungen an den Consumer Insight bzw. die Consumer Insight-Findung ableiten lassen, z.B. hinsichtlich der Suchfelder für die Erlangung von Konsumentenkenntnis, auf die dann im Prozess der Consumer Insight-Findung spezifisches Augenmerk zu richten ist. Aus Praktikabilitätsgründen erfolgt im Rahmen dieser Arbeit eine Fokussierung auf die klassische Werbung und im Zuge dessen auf die TV- und Printwerbung. Im Folgenden wird zunächst die Relevanz der emotionalen Kommunikation beleuchtet. In Hinblick auf die Analyse der Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation werden dann aufbauend auf der Herleitung einer begrifflichen Systematik zur emotionalen Kommunikation (Abschnitt 4.2) die Wirkungen der emotionalen Kommunikation diskutiert (4.3) und Erklärungsmodelle dafür überprüft (4.4). In Abschnitt 4.5 werden schließlich Schlussfolgerungen für die Consumer Insight-Findung abgeleitet.
Emotionale Kommunikation
4.1
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Relevanz der emotionalen Kommunikation „You can say the right thing about a product and nobody will listen. You`ve got to say it in such a way that people will feel it in their gut. Because if they don`t feel it, nothing will happen.“ (Bill Bernbach, zitiert in o.V. 2006, o.S.)
Wie in Abschnitt 3.3.2 ausgeführt, haben Emotionen eine zentrale Bedeutung für das gesamte menschliche Verhalten. Emotionale Kommunikation wird seit langem als besonders wirksam angesehen. So adressierte die Werbung für die Marke ODOL schon gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Zusammenhang mit dem eigentlichen Produktnutzen gewisse Gefühle und Befindlichkeiten der Kundschaft (HELLMANN 2003, S. 60 f.). Die Vermittlung emotionaler Erlebnisse gilt insbesondere seit den 1980er Jahren als Erfolgsstrategie, die angesichts übersättigter Märkte, zunehmend homogener Produkte und dem Streben der Konsumenten nach Konsumerlebnissen zu einer wirkungsvollen Markendifferenzierung beitragen kann (z.B. KROEBER-RIEL 1985, KONERT 1986, S. 37, GHAZIZADEH 1987). Demnach muss Werbung Gefühle auslösen und eine individuelle Gefühlswelt schaffen, um für wirksame Differenzierung und Mehrwert zu sorgen (ADOLPH 2002, FISCHER 2002). Die Markenemotionalisierung durch Werbung wird als eine Art Allheilmittel betrachtet (WERKHAUSEN 2004, S. 20) und als „Wunderwaffe“ gepriesen, die den klassischen Marken z.B. helfen kann, die an die Eigenmarken des Handels verlorenen Marktanteile zurückzuerobern (o.V. 2003a, S. 1). Die Bedeutung der emotionalen Kommunikation spiegelt sich auch in der Werbepraxis wider. So steigt der Anteil der emotionalen Kommunikation am geschalteten Kommunikationsaufkommen kontinuierlich. In den USA werden gut ein Drittel aller Werbegelder für emotionale Werbung ausgegeben (JENNINGS 1999). In einer Studie von TROMMSDORFF (2003) ist „Emotionalisierung der Marke“ mit über sechzig Prozent der Nennungen das am häufigsten angegebene Kampagnenziel. Nach Einschätzung von Werbeexperten zählt die emotionale Werbung weiterhin zu den wichtigsten Werbetrends (GfK/WIRTSCHAFTSWOCHE 2006, S. 104). Die generelle Wirksamkeit der emotionalen Werbung scheint unbestritten. Zahlreiche Studien untermauern die Effektivität der emotionalen gegenüber der rationalen Werbung (siehe dazu Abschnitt 4.3). Die Wirksamkeit der emotionalen Kommunikation ist allerdings von vielfältigen Bedingungen abhängig, die im vorliegenden Kapitel näher beleuchtet werden. Trotz der weithin anerkannten Relevanz ist die emotionale Kommunikation jedoch gerade in jüngerer Zeit in die Kritik geraten (BRANDMEYER 2002, MICHAEL 2002). Neben einer
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Emotionale Kommunikation
mangelnden Marken- bzw. Produktpassung emotionaler Werbekampagnen wird insbesondere deren hohe Austauschbarkeit kritisiert. Demnach werden vielfach ähnliche Bilder und Symbole eingesetzt, oft sogar in ein und derselben Produktkategorie (HAHN 2004, WERMUTH 2004). Die Werbetreibenden greifen oftmals auf bestimmte Sets an Schemabildern zurück, die sich als besonders verhaltenswirksam erwiesen haben (z.B. Sonnenuntergänge, kleine Kinder, vgl. dazu auch DIETERLE 1992). Zudem werden bestimmte Emotionen besonders häufig in den Mittelpunkt von Kampagnen gestellt. In den letzten Jahren ist eine inflationäre Nutzung der „Liebe“ zu beobachten, wie folgende Beispiele verdeutlichen: •
MINI („Is it love?“),
•
VOLKSWAGEN („Aus Liebe zum Automobil“),
•
McDONALD’S („Ich liebe es“),
•
PFANNI („Mit Liebe gemacht.“),
•
PRO 7 („We love to entertain you“),
•
BAHLSEN („In BAHLSEN steckt viel Liebe drin“).
Liebe ist aktuell ein zentrales Thema der Werbung (vgl. auch HAHN 2004). Insofern ist der Vorwurf der Austauschbarkeit zutreffend. Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung liegt dies jedoch weniger an der emotionalen Kommunikation als vielmehr an Defiziten bezüglich einer systematischen Kommunikationsplanung. Laut einer Studie von DILLER/SAATKAMP (2002) zählen unzureichende Planung und unsystematisches Vorgehen generell zu den am meisten verbreiteten Schwachstellen im Marketing. BRANDMEYER (zitiert in FISCHER 2002) ist der Ansicht, dass Emotionen per se keine ausreichenden Differenzierungspotenziale bieten können. Demnach reicht das Spektrum der positiven Emotionen nach nicht aus, um Tausenden von Marken eine Identität zu verleihen: „Es gibt Glück, Freude, Liebe, Mut, Freiheit – und noch ein paar andere“ (ebd., o.S.). Entsprechend ähnlich seien die Werbemotive. Diese undifferenzierte Betrachtungsweise des Themas ist jedoch schädlich und wird den tatsächlichen Möglichkeiten der emotionalen Kommunikation nicht gerecht. Bei den in der Kommunikation eingesetzten Emotionen handelt es sich in der Regel nicht um singuläre Emotionen, sondern um komplexe emotionale Erlebnisse. Emotionen lassen sich inhaltlich durch Kognitionen anreichern. Insofern wird hier KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003, S. 138) gefolgt, die davon ausgehen, dass es ein fast unerschöpfliches Reservoir an geeigneten emotionalen Erlebnissen für die Kommunikation gibt. Dies wird zusätzlich durch das Funktionale Modell der Emotionen von EDWARDSON
Emotionale Kommunikation
143
(1998) untermauert, nach dem sich allein schon über zweihundert Emotionen unterscheiden lassen (vgl. 3.3.2.2). Nach der hier vertretenen Meinung ist eine systematische Herangehensweise Voraussetzung dafür, relevante, differenzierende und zur Marke passende emotionale Erlebnisse herauszufiltern. Als Basis dient das Konzept des Consumer Insight.
4.2
Herleitung einer begrifflichen Systematik zur emotionalen Kommunikation
Die vielen Diskussionen um die Nachteile und Grenzen emotionaler Kommunikation basieren auf Missverständnissen und einer allgemeinen Begriffsverwirrung. Gründe hierfür liegen unter anderem in einer oftmals undifferenzierten Betrachtungsweise des Themas, in der Vielfalt der verwendeten Begrifflichkeiten sowie in der synonymen Verwendung bestimmter Begriffe für unterschiedliche Phänomene. Bislang scheint keine klare Systematik zu existieren, auf die sich Forschung und Werbepraxis berufen können. POIESZ/ROBBEN (1994) nehmen an, dass Begriffe wie „Emotion“ oder „Gefühl“ in Zusammenhang mit Werbung gerade deshalb so gerne benutzt werden, weil ihre Bedeutung obskur ist und sie auf vielfältige Weise interpretiert werden können. Die uneinheitliche Verwendung betrifft auch die Begriffe „emotionale Kommunikation“, „emotionale Reaktionen“, „Wirkungen emotionaler Kommunikation“ und „emotionale Werbereize“. So wird in der Literatur z.B. oftmals nicht eindeutig zwischen Werbereiz und der Reaktion darauf unterschieden (siehe 4.2.2.1). Als Basis für die weitere Beschäftigung mit dem Thema, auch im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten, und als Vorschlag für eine einheitlichere Begriffsverwendung wird nun in den folgenden Abschnitten ein klares Begriffssystem erarbeitet, wobei Abschnitt 3.3.2 bereits als Teil hiervon zu betrachten ist.
4.2.1 Emotionale Kommunikation 4.2.1.1 Begriffsklärung und Abgrenzung In der Literatur wird zwischen rationalen bzw. informativen sowie emotionalen Kommunikationsstrategien unterschieden, die jeweils entsprechende Positionierungsziele verfolgen (vgl. z.B. MOSER 1994, ERBELDINGER/KOCHHAN 1998, KROBER-RIEL/WEINBERG 2003, ESCH 2003, KROEBER-RIEL/ESCH 2004). Emotionale und informative Werbung lassen sich als zwei inhaltliche Gestaltungsstile auffassen, wobei sich die Unterscheidung nach den beiden Hauptintentionen der Werbung richtet (MATTENKLOTT 2002, S. 530). Während emotionale Werbung darauf abzielt, einen emotionalen Zusatznutzen zu
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Emotionale Kommunikation
vermitteln und Gefühle mit den beworbenen Marken zu assoziieren, beschränkt sich die informative Werbung im Wesentlichen darauf, dem Empfänger sachliche Informationen zu vermitteln (MATTENKLOTT/GLOCK/WALLENFELS 1998, JOURDAN 1999, S. 506, MATTENKLOTT 2002, S. 530, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 616). Die Begriffe „rational“ und „emotional“ bezeichnen allerdings keine dichotomen Kategorien, sondern sind als zwei Pole auf einem Kontinuum zu begreifen (HALEY/RICHARDSON/BALDWIN 1984, S. 17). Dementsprechend existieren in der Regel Mischformen zwischen emotionaler und rationaler Kommunikation, die als „gemischte“ Kommunikation bezeichnet werden (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 628 ff.). Emotionale Kommunikation wird in der Literatur unter verschiedenen Etiketten diskutiert. So ist auch von „affektiver Kommunikation“ (BELCH/BELCH 1984, BATRA/RAY 1986, AMBLER/BURNE 1999), „transformationaler Werbung“ (ROSSITER/PERCY 1991), „Vermittlung emotionaler Erlebniswerte“ (KOHNERT 1986) oder „Feeling Ads“ (ZIELSKE 1982) die Rede. Diese Bezeichnungen beziehen sich allerdings nicht immer auf gleiche Inhalte. So ist z.B. die transformationale Werbung als Subkategorie der emotionalen Werbung zu bezeichnen (siehe Abschnitt 4.4.4). Im Folgenden werden einheitlich die Begriffe „emotionale Kommunikation“ bzw. „emotionale Werbung“ verwendet. Der Begriff „emotional“ bedeutet „vom Gefühl bestimmt“ (DUDEN 2002). „Emotionalität“ bezeichnet dementsprechend die Gefühlsgeleitetheit von Urteilen und Handlungen von Individuen (BÖSEL/OTTO/WIELAND-ECKELMANN 1986, S. 1). Insofern ließe sich emotionale Werbung also in einer ersten Arbeitsdefinition als vom Gefühl bestimmte Werbung auffassen. Dies betrifft sowohl den Inhalt als auch die Form von Werbemitteln (CHAUDHURI/ BUCK 1995, S. 423). KONERT (1986) fasst emotionale Kommunikation als Oberbegriff für Regeln und Verfahren auf, die zur gefühlsmäßigen Ansprache und Verhaltenssteuerung der Zielgruppe dienen. Gefühle sind jedoch nach der hier vorgenommenen Begriffsklärung keine Eigenschaften des Werbemittels, sondern bezeichnen mögliche Reaktionen der Werberezipienten auf einen Werbereiz. Hierbei handelt es sich um individuelle Reaktionen, die aus der Interaktion zwischen den spezifischen exekutionellen Elementen des Werbemittels und dem soziopsychologischen Hintergrund des Rezipienten resultieren (STOUT/RUST 1993). Die gefühlsmäßigen Reaktionen auf Werbung können starke individuelle Unterschiede aufweisen (BROWN/STAYMAN 1992, S. 35). Gefühle sind demzufolge Eigenschaften der Person bzw. des Rezipienten (BATRA/RAY 1986). STOUT/LECKENBY (1988) kritisieren, dass „emotional“ in der Lite-
Emotionale Kommunikation
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ratur meist mit dem Werbemittel verbunden werde und nicht mit der Person. Die einschlägigen Untersuchungen erfassen demnach weniger die tatsächlichen emotionalen Reaktionen der Rezipienten auf den Stimulus als vielmehr kognitive Reaktionen auf dessen emotionalen Gehalt (zu dieser Unterscheidung siehe 4.2.3.2). Die Bezeichnung „emotionale Werbung“ lässt sich also als Deskriptor dafür auffassen, dass ein Werbemittel in der Lage ist, Gefühle auszulösen. Ein wesentlicher Bestandteil des Begriffes „emotionale Kommunikation“ sind somit die Reizeigenschaften, die ein Werbemittel aufweist. Kommunikationsreize haben bestimmte „Emotionshaltigkeiten“ (VON KEITZ 1983, S. 104). Die Reizeigenschaft ist somit als das wesentliche Einordnungskriterium für emotionale Kommunikation zu betrachten. „Emotional“ wird hier deshalb im Sinne von „emotionalisierend“ verstanden. Streng genommen müsste deshalb der Begriff „emotionalisierende Kommunikation“ verwendet werden (vgl. BROSIUS/FARR 1996). Da sich der Begriff jedoch allgemein durchgesetzt hat, soll hier weiter von „emotionaler Kommunikation“ die Rede sein. Dies führt zur Betrachtung einer eher philosophischen Frage: Gibt es überhaupt die emotionale Kommunikation? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jede Art von Kommunikation emotionale Reaktionen auslöst (BATRA/RAY 1986, ZEITLIN/WESTWOOD 1986, S. 40). Auch bei der Verarbeitung von Informationen treten mehr oder weniger starke emotionale Reaktionen auf (KROBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 622). Oftmals sind es gerade die „kleinen Dinge“, die emotionalisierend wirken, z.B. der Gesichtsausdruck oder das Aussehen eines Werbedarstellers (unspezifische Hinweisreize, siehe dazu 4.2.2.3). Insofern lässt sich der berühmte Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (WATZLAWICK zitiert in SCHULZ VON THUN 1981, S. 34) umwandeln in „Man kann nicht nicht emotional kommunizieren“. Nach der hier vertretenen Auffassung gilt die Zielorientierung als ein wesentliches Kriterium der emotionalen Kommunikation. Der Einsatz der emotionalen Werbestimuli erfolgt mit dem Ziel, bestimmte emotionale Reaktionen auszulösen, um vorher definierte Kommunikationsziele zu erreichen. Die Emotionalisierung muss gezielt erfolgen, damit die emotionale Aufladung nicht wirkungslos verpufft. Es geht nicht darum, kurzfristig Aufmerksamkeit zu generieren. Emotionale Kommunikation soll vielmehr langfristige Wirkungen entfalten und zur Stärkung der Markenbindung beitragen. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Verbraucher in der Kommunikation wieder erkennt und sich mit der Marke identifizieren kann. Die emotionale Werbung soll zum einen bestimmte Gefühle beim Betrachten der Werbung erzeugen, die auf
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Emotionale Kommunikation
die Marke transferiert werden, zum anderen angenehme Gefühle mit der Produktnutzung verbinden (MATTENKLOTT/GLOCK/WALLENFELS 1998, MATTENKLOTT 2002, S. 530). Emotionale Kommunikation wird hier dementsprechend verstanden als Oberbegriff für Kommunikationstechniken, die darauf abzielen, durch die Reizeigenschaften der eingesetzten Stimuli bestimmte emotionale Reaktionen beim Rezipienten (eine Emotionalisierung) zu erzeugen, um vorher definierte Kommunikationsziele zu erreichen. Zur Emotionalisierung der Werbeempfänger können verschiedene Techniken angewendet werden, durch die Personen emotional angeregt und Produkte emotional aufgeladen werden sollen (BEHRENS et. al. 2001, S. 121, siehe auch Abschnitt 4.4). Dabei geht die emotionale Kommunikation idealerweise über die reine Vermittlung emotionaler Reize hinaus – sie betrifft die Schaffung und Vermittlung eines emotionalen Zusatznutzens bzw. emotionaler Erlebniswerte (NOMMENSEN 1990). Der Grundnutzen von Produkten steht häufig solange im Vordergrund der Kommunikation, wie der völlige Sättigungsgrad im Markt noch nicht erreicht ist. Letztendlich geht die Entwicklung der Kommunikation jedoch in Richtung Lebensstile, Emotionen, Werte (HELLMANN 2003, S. 132). Dabei dominiert die Darbietung bildhafter emotionaler Reize (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 617) – nicht zuletzt wegen der ihnen zugesprochenen besonderen Wirkungskraft (vgl. 4.2.2.2). Die Vermittlung relevanter emotionaler Erlebnisse bedingt die Findung von und Orientierung am Consumer Insight. Der Begriff „emotionale Kommunikation“ umfasst im Rahmen dieser Arbeit nicht nur die „rein“ emotionale Werbung, sondern auch gemischt emotional-informative Werbeformen. Dabei können die emotionalen Reizeigenschaften zwei Ebenen betreffen: zum einen die Botschaft, zum anderen die Umsetzung (Tonalität) der Werbung. Zur genaueren Einordnung einzelner Werbemittel kann z.B. die von JOURDAN (1999, S. 504 ff.) entwickelte Klassifizierungsskala herangezogen werden, die Werbemittel auf Basis der von den Rezipienten wahrgenommenen informativen oder emotionalen Absicht der Werbung klassifiziert.
4.2.1.2 Notwendigkeit einer Balance zwischen Emotio und Ratio Die gemischte Werbung macht den größten Teil der geschalteten Werbung aus (KROEBERRIEL/WEINBERG 2003, S. 620). In der Regel beinhalten Werbemittel eine Balance zwischen rationalen und emotionalen Stimuli (ROSSITER/PERCY/DONOVAN 1991, S. 18, ROSSITER/PERCY 1991, S. 100). Meist wird an ein emotionales Bedürfnis der Konsumenten appelliert und dargestellt, inwiefern das jeweilige Angebot zur Befriedigung dieses Be-
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dürfnisses geeignet ist. Um flache „Weder-noch-Werbung“ zu vermeiden, sollte allerdings einer der beiden Aspekte deutlich überwiegen (LÖFFLER 2002). Rein emotionale Werbung reicht in der Regel für eine wirkungsvolle Ansprache nicht aus. So erwächst gerade hieraus die erwähnte Kritik bezüglich mangelnder Marken- bzw. Produktpassung vieler emotionaler Kampagnen. Demnach wird kritisiert, dass Emotionen in der Werbung oft gar nichts mit der Marke zu tun hätten (FISCHER 2002). Die Markenpassung emotionaler Werbereize wird als Erfolgsfaktor der emotionalen Kommunikation betrachtet (KAMP/MacINNIS 1995). In der Praxis sind die emotionalen Werbeinhalte jedoch häufig nicht im Produkt verankert. Stattdessen wird kurzfristige Effekthascherei im Sinne „emotionaler Schminke“ betrieben (KONERT 1986, S. 100). In Anlehnung an einen TV-Spot, der vor einigen Jahren für Aufsehen gesorgt hat, ist hier auch vom „LÄTTA-Effekt“ (BRANDMEYER 2002) die Rede. So wurde eine neue Variante der LÄTTA-Margarine mit einem rein emotionalen TV-Spot unter Nutzung erotischer Signale (Frau im Bett mit zwei Männern) und ohne jeglichen Verweis auf die Produkteigenschaften in den Markt eingeführt (Claim: „Leben hoch zwei, LÄTTA hoch zwei“). Die Konsumenten konnten die emotionale, erotische Werbewelt jedoch nicht mit dem Produkt in Verbindung bringen, die intendierte Botschaft blieb unklar. Ein derartiger völliger Verzicht auf Informationen über faktische Produktvorteile wird heftig kritisiert (BRANDMEYER 2002, MICHAEL 2002, KLEIN-BÖLTING im Interview mit KOLBRÜCK 2002, S. 30). Im Zuge dessen wird gar eine Schwächung der klassischen Marken befürchtet, da im Zuge der emotionalen Werbung Produktunterschiede bzw. -eigenschaften nicht mehr hervorgehoben würden, die Eigenmarken des Handels jedoch vor allem über die positiven Eigenschaften ihrer Angebote sprächen. BRANDMEYER (2002) geht sogar so weit, dass er den Unternehmen davon abrät, Werbeagenturen auf das Werbeziel „Emotionalisierung der Marke“ zu briefen. Diese Betrachtungsweise erscheint allerdings erneut sehr undifferenziert. Zum einen scheint emotionale Werbung hier in erster Linie mit bildhafter Werbung gleichgesetzt zu werden. Zum anderen muss emotionale Werbung nicht per se auf faktische Informationen verzichten. Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass eine Mischform aus emotionalen und informativen Elementen in den meisten Fällen am erfolgswirksamsten ist (AGRES 1990, S. 7, FRANZEN 1994, AAKER 2001, S. 66). Starke Marken, die ja erst durch Kommunikation mit Bedeutung aufgeladen werden, zeichnen sich sowohl durch emotionale als auch rationale Facetten aus. MICHAEL (2002, S. 36 ff.) fordert in diesem Zusammenhang ein „Gleichgewicht der Kräfte“. Der höchste Beeinflussungseffekt kann dann erzielt werden, wenn die Marke
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zunächst emotional dargestellt wird und dann rational-sachliche Informationen als Beweisführung für den erhobenen emotionalen Markenanspruch folgen (MILLER/MILLAR 1990, FORTINI-CAMPBELL 2001, MADDOCK/FULTON 1996, S. 81, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 67 f., ENGESER/STEINKIRCHNER 2004, S. 65). Psychologen konnten nachweisen, dass Meinungen und Einstellungen dann verstärkt werden, wenn Emotionen und Gefühle eine Bestätigung durch Fakten finden. Emotionale Appelle müssen Assoziationen auslösen, um wirksam zu sein – das Erzeugen emotionaler Erregung reicht nicht aus (CALDER/ GRUDER 1989, S. 285). Die Verankerung der emotionalen Kommunikation in rationalen Leistungsattributen ist demnach essenziell. AGRES (1990, S. 7) spricht in diesem Zusammenhang von den „Rational Hooks“ der emotionalen Botschaften. Der gemischt emotionalinformative Werbestil wird auch als „Emotional Hard Sell“ (MATTENKLOTT 2002, S. 547) bezeichnet. Andere sehen ihn als „kommunikative Zauberformel, um Herz und Geldbeutel der Verbraucher wieder weiter zu öffnen“ (o.V. 2003b, S. 25). Im Rahmen dieser Arbeit wird dementsprechend der Auffassung gefolgt, dass eine adäquate Balance von Emotio und Ratio ein zentraler Erfolgsfaktor für Markenpassung und damit für die Kommunikation ist. Im Folgenden wird hierfür der Begriff „Emotio-Ratio-Balance“ verwendet. Mit emotionalen und informativen Elementen ist hier nicht die Unterscheidung zwischen Bild und Text gemeint, da z.B. auch sachliche Informationen über den Symbolgehalt von Bildern transportiert werden können. Ein weitgehender oder sogar völliger Verzicht auf Informationen ist unter bestimmten Bedingungen möglich. Dies betrifft insbesondere die folgenden Situationen (KROEBER-RIEL/ WEINBERG 2003, S. 135): •
gesättigte Märkte mit nicht erklärungsbedürftigen oder etablierten Produkten sowie Konsumenten, die wenig an Produktinformation interessiert sind (Beispiel Güter des alltäglichen Bedarfs),
•
gesättigte Märkte mit Produkten, deren sachliche Merkmale von den Konsumenten als weitgehend homogen beurteilt werden (Beispiel Zigaretten).
Die Vermittlung zusätzlicher Informationen kann in solchen Fällen überflüssig oder sogar kontraproduktiv sein, da diese unter Umständen gar nicht verarbeitet werden und die Aufnahme der emotionalen Botschaften sogar behindern können. Informationen sind zudem nicht immer notwendig, um Einstellungen zu beeinflussen. Mittels emotionaler Werbung kann die Einstellung zur Marke auch ohne jegliche Produktinformation beeinflusst werden (ebd.,
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S. 135). Dies geschieht über die periphere Route der Informationsverarbeitung nach dem Prinzip der emotionalen Konditionierung (vgl. Abschnitt 4.4.2). Allerdings sind die auf diesem Wege gebildeten Einstellungen weniger robust und resistent als solche, die über bewusste (zentrale) Verarbeitung gebildet werden. Im konkreten Anwendungsfall ist somit die spezifische Emotio-Ratio-Balance zu ermitteln. Hier kann der Consumer Insight Orientierung geben. Die Suche nach einem emotionalen Markennutzen muss auf der emotionalen Ebene des Verbrauchers gestartet werden (MADDOCK/FULTON 1996, S. 34). Dazu gilt es zunächst zu ermitteln, welche emotionalen und rationalen bzw. kognitiv geprägten Assoziationen bereits mit der betreffenden Marke verbunden werden (Analyse des existierenden Markenschemas). Des Weiteren ist herauszufinden, welche emotionalen Aspekte und Erlebnisse für die jeweilige Zielgruppe von besonderer Relevanz sind. Das Informationsbedürfnis der Rezipienten hängt unter anderem davon ab, inwieweit die Eigenschaften von Produkt und Marke den Konsumenten bekannt sind oder deren Wahrnehmung von den intendierten Eigenschaften abweicht. Von Interesse ist zudem das kommunikative Umfeld. Wenn ein Großteil der Wettbewerber emotional bzw. informativ wirbt, könnte eine gegenteilige Ansprachestrategie Erfolg versprechender sein. Die adäquate Emotio-Ratio-Balance hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab: •
Etabliertheit (Markenbekanntheit, Klarheit und Komplexität des Markenschemas),
•
differenzierende Produkt- bzw. Markenattribute (Brand Insight),
•
emotionale und kognitiv geprägte Markenassoziationen und diesbezügliche Defizite,
•
Informationsbedürfnis der Konsumenten,
•
Emotions-, Motiv- und Wertesysteme in Zusammenhang mit Produkt und Marke,
•
Kommunikationsregeln des Marktes bzw. Werbestil der Wettbewerber.
4.2.1.3 Ziele der emotionalen Kommunikation Grundüberlegungen zu Kommunikationszielen „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind ein richtiger.“ (SENECA) Die Bestimmung der Kommunikations- bzw. Werbeziele ist ein wesentlicher Bestandteil des Kommunikationsplanungsprozesses, wird in der Praxis jedoch oft vernachlässigt (STEFFEN-
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HAGEN/SIEMER 1996). Ziele bezeichnen Soll-Zustände, die es zu erreichen gilt. Sie übernehmen eine bedeutsame Entscheidungs- bzw. Steuerungsfunktion im Werbeplanungsprozess (ebd., S. 46). Der Werbeerfolg bemisst sich nach dem Grad, in dem die angestrebten Wirkungen der Werbung bzw. die Werbeziele auch tatsächlich erreicht werden (LACHMANN 2001a, S. 414). Ziele lassen sich nach ihrer Mittel-Zweck-Beziehung in Ober-, Zwischen- und Unterziele aufteilen (BECKER 1992, S. 67 f., STEFFENHAGEN/SIEMER 1996, S. 47). Werbeziele leiten sich aus den Kommunikationszielen ab, die wiederum Mittel zum Erreichen übergeordneter Marketingziele sind. Hauptziel der Kommunikation ist der Aufbau eines klaren Markenimages (vgl. z.B. ESCH 2001, S. 46, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 48). Dabei geht es um die Positionierung des Angebotes und dessen Verankerung in der Menge der in Frage kommenden Kaufalternativen (Consideration Set). Die konkreten Kommunikations- bzw. Werbeziele ergeben sich aus dem Consumer Insight und der Konsumentenkenntnis, die Aufschluss über die Markenwahrnehmung und mögliche Problembereiche geben (z.B. mangelnde Markenbekanntheit, schwaches oder stark kognitiv geprägtes Markenbild). Basierend darauf ist die Rolle der Werbung zu definieren (vgl. STEFFENHAGEN 2001, S. 14 ff., LACHMANN 2001b, S. 13 ff.). Werbeziele sollten so konkret formuliert werden, dass der Erfolg der Werbemaßnahme auch zugerechnet werden kann (KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 36). Grundsätzlich kann zwischen psychologischen und ökonomischen Zielen unterschieden werden. Das Erreichen der ökonomischen Ziele, das z.B. anhand von Umsatz, Gewinn oder Marktanteil überprüft wird (VON ENGELHARDT 1999, S. 31), hängt stark von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab. Diese sind durch Kommunikation alleine nur in begrenztem Ausmaß zu beeinflussen (SCHWEIGER/SCHRATTENECKER 2001, S. 147, BRUHN 2003, S. 203, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 35 f.). Die ökonomischen Ziele sind somit nur mittelbar über die Verwirklichung verhaltenswissenschaftlicher Ziele zu erreichen (ESCH 2003, S. 61). Psychologische oder vorökonomische Ziele beziehen sich auf die Werbewirkung im engeren Sinne und werden in der Literatur in affektive, kognitive und konative Größen unterteilt (vgl. z.B. BRUHN 2002, S. 207 f.). Affektive Ziele beziehen sich auf emotionale bzw. emotional gefärbte Reaktionen wie Gefühle, Einstellungen, Motive etc. Kognitive Ziele betreffen die kognitiven Prozesse und Gedächtnisstrukturen der Konsumenten (Aufmerksamkeit, Werbeerinnerung, Markenbekanntheit etc.). Konative Ziele sind handlungsbezogen und beziehen sich z.B. auf das Informationsverhalten oder die Kaufabsicht der Konsumenten.
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In Abhängigkeit von den definierten Werbezielen sind die jeweils geeigneten Werbewirkungsindikatoren einzubeziehen (TROMMSDORFF 2003, S. 142). Dabei handelt es sich um beobachtbare Variablen, die die Werbewirkungsgrößen möglichst genau beschreiben können (VON ENGELHARDT 1999, S. 34). Zur Eignung spezifischer Indikatoren vgl. AAKER/ STAYMAN (1990), HALEY/BALDINGER (1991), HAIMERL/LEBOK (2005). Da Werbung auf unterschiedlichen Ebenen arbeitet, existiert kein Indikator, der alleine zur Erhebung der Werbeeffektivität geeignet wäre (HALEY/BALDINGER 1991, S. 28). Konkrete Ziele der emotionalen Kommunikation Nach FRANZEN (1999, S. 20 ff.) lassen sich in Hinblick auf das jeweilige Zielobjekt verschiedene Zielebenen der emotionalen Kommunikation unterscheiden: 1) Beeinflussung der mentalen Werbereaktionen, 2) Beeinflussung der mentalen Markenreaktionen, 3) Beeinflussung der Markenverhaltensreaktionen sowie 4) Beeinflussung der Marktreaktionen. Die mentalen Werbereaktionen betreffen Verarbeitungseffekte, also z.B. emotionale Reaktionen, Aufmerksamkeit, Erinnerung und die Einstellung gegenüber der Werbung. Die mentalen Markenreaktionen umfassen z.B. Markenbekanntheit, Markenbedeutung, Markengefühle, Einstellung und Verhaltenstendenzen gegenüber der Marke sowie die Beziehung zur Marke. Diese werden nicht nur durch Werbung (symbolische Markenerfahrung), sondern auch durch die tatsächliche Markenerfahrung erzeugt. Markenverhaltensreaktionen betreffen das konkrete Konsumentenverhalten, während die Marktreaktionen deren Summe darstellen. Dieser Systematik wird im Rahmen dieser Arbeit gefolgt (vgl. Abschnitt 4.3). Interessant ist insbesondere die ausdrückliche Differenzierung in werbe- und markenbezogene Reaktionen, da darauf hingewiesen wird, dass Werbung nur ein Instrument im Marketing-Orchester ist. Zudem müssen sich werbebezogene Reaktionen auf die Marke niederschlagen, um erfolgswirksam zu sein. Es reicht nicht aus, dass die Werbung selbst gefällt, jedoch keinen Effekt auf die markenbezogenen Reaktionen hat. Die Ebene der Werbereaktionen ist demnach als Zwischenziel zur Erreichung der Markenreaktionen anzusehen. Beide dienen wiederum der Beeinflussung der Markenverhaltensreaktionen sowie der Marktreaktionen, die schließlich in die Erfüllung der ökonomischen Ziele münden. Da hierbei viele weitere Faktoren eine Rolle spielen, werden die beiden letzteren Ebenen aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert.
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Emotionale Kommunikation
Im Mittelpunkt emotionaler Werbung steht die emotionale Aufladung von Marken, d.h. die Verknüpfung der beworbenen Marke mit Gefühlen bzw. emotionalen Erlebnissen (JOURDAN 1999, S. 506, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 77 ff.). Hauptziel der emotionalen Kommunikation ist die Schaffung einer emotionalen Markenbindung (MATTENKLOTT 2002). Allerdings wird diese nicht alleine durch Kommunikation erreicht. Die versprochenen Gefühle müssen im Rahmen der direkten Markenerfahrung bestätigt werden. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis lassen vermuten, dass mit emotionaler Werbung häufig eher kurzfristige Effekte auf Ebene der Werbereaktionen beabsichtigt werden. Viele Werbetreibende scheinen insbesondere die Erzeugung von Aufmerksamkeit als Hauptziel anzusehen, nicht lediglich als notwendige Voraussetzung für das Erzielen einer Wirkung (WINTRICH/KILZER 2002). Häufig geht dies mit einer mangelnden Integration von emotionalem Reiz (z.B. erotischen Motiven) und Werbebotschaft einher (siehe auch Abbildung 4-1 auf S. 157). Folglich haben Marke und emotionale Werbung kaum etwas miteinander zu tun oder die Balance zwischen emotionalen und informativen Reizen bleibt unausgewogen.
4.2.2 Emotionale Werbereize 4.2.2.1 Abgrenzung Werbereiz – Reaktion auf Werbung Nach dem neobehavioristischen Paradigma des S-O-R-Modells löst ein Reiz (Stimulus S) ein beobachtbares Verhalten (Reaktion R) der uneinsehbaren „Black Box“ Konsument (Organismus O) aus, wobei diese Beziehung von intervenierenden Variablen (I) moderiert wird (vgl. z.B. BRUHN 2003, S. 37 f.). Intervenierende Variablen sind nicht unmittelbar beobachtbare, aktivierende und kognitive Prozesse, die zwischen Reiz und Reaktion geschaltet sind und zur Erklärung des Verhaltens herangezogen werden (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 30). Dazu zählen z.B. die Zustandskonstrukte (Abschnitt 3.3) und -prozesse. In der Literatur wird im Zusammenhang mit emotionaler Kommunikation oftmals nicht eindeutig zwischen Werbereiz und -reaktion unterschieden. Vielmehr ist unbestimmt von „Emotionen“ die Rede, wobei diese je nach Zusammenhang die eingesetzten Emotionen (Reize) oder die bei den Rezipienten hervorgerufenen emotionalen Reaktionen bezeichnen (vgl. z.B. STERNTHAL/CRAIG 1973, KONERT 1986). Hierzu gehören z.B. Humor und Erotik (AAKER/STAYMAN/VEZINA 1988). Dabei handelt es sich um spezifische Werbereize bzw. Gestaltungsmittel, nicht um emotionale Reaktionen. Zwischen den eingesetzten Emotionen und den durch die Werbung erzeugten emotionalen Reaktionen bestehen Unterschiede (AGRES 1990, S. 3, AAKER/STAYMAN 1990, GEUENS/DE PELSMACKER 1998,
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WILLIAMS/AAKER 2002, KNIEPER/SCHENK 2002, LACHMANN 2002, S. 151, LaTOUR/ROTFELD 1997). So können durch humorvolle Reize emotionale Reaktionen wie z.B. Freude oder Schadenfreude ausgelöst werden. Die Verwendung von Humortechniken ist eine notwendige, allerdings noch keine hinreichende Bedingung für die Wahrnehmung der Werbung als humorvoll (KNIEPER/SCHENK 2002, S. 1). Es handelt sich lediglich um ein Mittel der Botschaftsgestaltung (HEMPELMANN/LÜRWER 2002), nicht um ein Ergebnis. Das Abbilden einer Emotion ist also nicht identisch mit dem Erzeugen dieser Emotion (BRANDMEYER im Interview mit GRAUEL 2003). Eine Marke wird nicht automatisch mit „Liebe“ aufgeladen, nur weil Liebe abgebildet wird. Eine klare Differenzierung zwischen den in der Werbung genutzten Emotionen (= emotionale Reize) und den durch die Werbung bei den Rezipienten hervorgerufenen emotionalen Reaktionen erscheint demnach sinnvoll und notwendig, auch in Hinblick auf die Werbepraxis. Die entsprechenden Begriffsabgrenzungen erfolgen in den Punkten 4.2.2 und 4.2.3. Die Kreativen in den Werbeagenturen können vielfach gar nicht genau spezifizieren, welche Emotionen beim Konsumenten durch die Werbung eigentlich geweckt werden sollen (FELSER 2001, S. 11f.). Im Rahmen dieser Arbeit wird dafür plädiert, die Kommunikationsentwicklung insgesamt systematischer anzugehen. So gilt es im Rahmen der Kommunikationsstrategie genau festzulegen, welche speziellen Emotionen bzw. Gefühlserlebnisse adressiert werden sollen. Zudem sollte mithilfe geeigneter Testinstrumente abgeschätzt werden, welche emotionalen Reaktionen und Wirkungen durch das Werbemittel tatsächlich erzeugt werden.
4.2.2.2 Begriffsklärung „Emotionale Werbereize“ Bei einem Reiz handelt es sich um eine „äußere oder innere Einwirkung auf den Organismus, z.B. auf die Sinnesorgane, die eine bestimmte, nicht vom Willen gesteuerte Reaktion auslöst“ (MEYER 1986). Emotionale Werbereize („Emotional Cues“) sollen beim Rezipienten emotionale Reaktionen auslösen, in der Regel angenehme Gefühle oder ganz spezifische Gefühle wie zum Beispiel Freude oder Wärme. Diese sollen wiederum auf die weiteren Werbewirkungsgrößen einwirken, die Marke emotional aufladen und die Markenbindung positiv beeinflussen. Im Zusammenhang mit Werbereizen werden verschiedene Begrifflichkeiten genutzt. So ist alternativ auch von Werbeappellen oder Werbestimuli die Rede. Reize werden als Elemente der Werbung betrachtet (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 99). Ein einzelnes Werbemittel enthält in der Regel eine ganze Reihe von Reizen bzw. Gestaltungselementen, z.B. Text, Bild, Musik und Farbe (BEHRENS 1996, S. 41 ff., HOM-
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BURG/KROHMER 2003, S. 668). Eine Werbebotschaft wird erst durch das Zusammenspiel von mehreren Gestaltungselementen aufmerksamkeitserregend und interessant (ROSSITER/ PERCY 1987, S. 244). Dabei kann jedes noch so winzige Detail eines Werbemittels emotionale Reizeigenschaften besitzen und entsprechende Reaktionen auslösen (STEFFENHAGEN 1996, S. 54). Im Interesse einer klaren Begriffssystematik wird hier wie folgt differenziert: •
Der Begriff „emotionale Werbereize“ bezieht sich auf einzelne emotionale Gestaltungselemente eines Werbemittels.
•
Ein Werbemittel ist demnach als komplexes „Reizbündel“ aufzufassen, das unterschiedliche (emotionale und informative) Reize beinhalten kann.
•
Für Werbemittel als komplexe Reizbündel können synonym die Begriffe „Werbeappell“ und „Werbestimulus“ verwendet werden.
•
Ein Werbereiz ist somit von einem Werbestimulus zu unterscheiden. Ein einzelner Werbestimulus kann viele verschiedene Werbereize beinhalten.
Diese Abgrenzung unterscheidet sich insofern vom S-O-R-Modell, als dort die Begriffe „Reiz“ und „Stimulus“ synonym verwendet werden. Eine klarere Abgrenzung kann nach der hier vertretenen Meinung allerdings dazu beitragen, die Begriffsverwirrungen im Zusammenhang mit der emotionalen Kommunikation zu vermindern. In der Literatur existieren zahlreiche Klassifizierungsversuche für Werbereize (vgl. z.B. BATRA/MYERS/AAKER 1996, S. 425 ff., MATTENKLOTT/GLOCK/WALLENFELS 1998, FELSER 2001, S. 373 ff.). Grundsätzlich wird dabei zwischen der inhaltlichen und der formalen Gestaltung unterschieden (STEFFENHAGEN 1996, S. 14, MATTENKLOTT 2002, S. 530 ff.). Während sich der Inhalt auf die Bedeutung der Werbung bezieht, betrifft die Form die visuell, akustisch oder auch haptisch wahrnehmbaren Aspekte der Werbung. Die Emotionalität des Werbemittels kann sich an der Botschaft oder der Umsetzung festmachen. Die auf Basis des Consumer Insight entwickelte Kommunikationsstrategie und die darin enthaltene Kernbotschaft geben die Richtung für die spezifische Auswahl und Kombination inhaltlicher und formaler Gestaltungsmerkmale vor. Dabei findet sich in der Literatur eine Vielzahl an einsetzbaren Gestaltungsmerkmalen (vgl. z.B. PERCY/ROSSITER 1991, S. 340 ff., BEHRENS 1996, S. 41 ff., BROSIUS/FAHR 1998, S. 60 f., HÖGL/ZWEIGLE 2001, S. 15, MATTENKLOTT 2002, SCHWEIGER/SCHRATTENECKER 2001, S. 204 ff.). Eine Übersicht über gängige Gestaltungsmerkmale der Werbung bietet die folgende Tabelle:
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Inhaltliche Gestaltungsmerkmale Emotionale Gestaltung • Gefühle bei der Produktnutzung (transformationelle Werbung) • Gefühle bei der Werberezeption • Spezifische emotionale Inhalte · Humor · Wärme · Furcht · Erotik · Erlebnisschemata · Zitate aus Kultur und Geschichte (Szenen, Persönlichkeiten, Mythen) · Kulturelle und geschichtliche Symbole · Landschaften
Formale Gestaltungsmerkmale • Szenen (Stories) · Drama · Erzählung · Vignetten-Film • Kommunikatoren · Experten · Testimonials · Dekorative Modelle · Zielperson in Konsumsituation ·
• Bild • Wort/Text • Farbe • Musik
Informative Gestaltung • Darstellung der Eigenschaften von Produkt und Marke • Demonstration der positiven Wirkungen von Produkt und Marke
• Spotlänge/Anzeigengröße • Visuelle und verbale Interaktion
Tabelle 4-1: Inhaltliche und formale Gestaltungsmerkmale der Werbung (eigene Darstellung)
Diese Auflistung ist weder erschöpfend noch überschneidungsfrei. Die Gestaltungsmerkmale lassen sich den beiden grundsätzlichen Gestaltungsarten „inhaltlich“ und „formal“ unterschiedlich zuordnen. Da emotionale Werbung im hier definierten Sinne auch die gemischte Werbung umfasst, beinhaltet die Auflistung nicht nur emotionale, sondern auch informative Aspekte. Informative Reize betreffen die dargebotenen Argumente. In der Praxis finden sich in der Regel Mischformen aus den verschiedenen Gestaltungsmerkmalen und -stilen. Je nach Anteil der emotionalen und informativen Gestaltungsmerkmale kann das Werbemittel als emotionaler, informativer oder gemischter Werbestimulus klassifiziert werden. Diese Differenzierung ist im folgenden Abschnitt 4.2.2.3 noch zu spezifizieren. Mit den unterschiedlichen Stimulusarten werden in der Literatur unterschiedliche Wirkungspfade verbunden (siehe 4.4). Zu den am besten erforschten inhaltlichen Werbereizen gehören Humor, Wärme und Furcht, auf die in Abschnitt 4.3.3 näher eingegangen wird. Den formalen Gestaltungselementen kommt große Bedeutung für die letztendliche Werbewirkung zu, da sie als periphere Hinweisreize erhebliche Wirkungen entfalten können. Ihre Wirkung sollte nicht dem Zufall überlassen
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werden, da sie auf dem Weg der peripheren Verarbeitung auch negative Effekte haben können. Hinweise für eine erfolgswirksame Gestaltung von Werbemitteln finden sich z.B. bei MEYER-HENTSCHEL (1988), KROEBER-RIEL (1993), KRAMER (1998), LACHMANN (2002) und AEBI (2003). KROEBER-RIEL (1993) führt aus, durch welche emotionalen Techniken und Gestaltungselemente spezifische emotionale Bedürfnisse angesprochen werden können. Hinsichtlich des Einflusses bestimmter Gestaltungsmerkmale auf die Werbewirksamkeit von TV-Spots siehe auch die Studie von GWA und GfK (HÖGL/ZWEIGLE 2001, S. 9 ff.). Letztendlich können sämtliche formalen Gestaltungsmerkmale emotionalisierend wirken, auch sprachliche Reize bzw. Text (KROEBER-RIEL/MEYER-HENTSCHEL 1982, S. 164 ff.). Allerdings wird insbesondere nonverbalen Gestaltungselementen das Potenzial zugeschrieben, angenehme Gefühle zu wecken (ALLEN/SHIMP 1990, S. 24). Sie determinieren den Grad der Emotionalität eines Werbemittels (HALEY/RICHARDSON/BALDWIN 1984, S. 17). Zu den nonverbalen Elementen zählen z.B. Bilder, Farben, Musik, Blicke, Körpersprache sowie die transportierte Stimmung (ebd., S. 13 f.). Eine tragende Rolle im Rahmen der emotionalen Kommunikation wird insbesondere Bildern zugesprochen (PETRI 1992, KROEBER-RIEL 1985, S. 84 ff., 1993, KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 149 ff.). Bilder sind zur Vermittlung emotionaler Erlebnisse besser geeignet als verbale Informationen (MORIARTY 1986, S. 61), da sie quasi automatisch, d.h. mit geringem kognitiven Aufwand verarbeitet werden (KROEBER-RIEL 1993, S. 63). Wie in 3.3.2.4 erwähnt, gilt die Prozessierung von Vorstellungsbildern als Charakteristikum der Wirkweise von Emotionen beim Denken. Innere Bilder, die emotional stark angereichert sind, scheinen besonders dauerhaft im Gedächtnis repräsentiert zu sein (COCUDE 1988). Bildhafte Informationen werden besser erinnert, weil sie sowohl in bildhaften als auch verbalen Gedächtniscodes abrufbar sind (duale Kodierung) (RUGE 1988). Bilder sollten gezielt eingesetzt werden. Sie sind als wichtige Informationen zu begreifen, die sorgfältig ausgewählt werden müssen, um relevante Bedeutungseinheiten zu bilden (SCOTT 1994, S. 252 ff.). Für die emotionale Kommunikation lassen sich gezielt die in den Köpfen der Rezipienten gespeicherten Erlebnisschemata (vgl. 4.2.2.3) nutzen, mit denen mehr oder weniger ausgeprägte innere Bilder verbunden sind.
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4.2.2.3 Unspezifische und spezifische emotionale Reize Die emotionalen Reize lassen sich in spezifische und unspezifische Reize unterscheiden (vgl. KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 116 ff.): Unspezifische Reize (Hinweisreize) dienen der Vermittlung von angenehmen Gefühlen und sollen in erster Linie für ein positives Wahrnehmungsklima sorgen. Dabei handelt es sich z.B. um angenehme Stimmen, Attraktivität und sympathisches Auftreten der Darsteller, ästhetische Bilder oder Musik (JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 106 f., MOSER 1994, S. 202 f.). Sie bleiben im Hintergrund, werden von den Rezipienten eher unterbewusst (peripher) wahrgenommen und lenken in der Regel nicht von den dargebotenen Informationen ab. Sie werden lediglich in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Werbeobjekt präsentiert (KRAMER 1998, S. 178, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 252 ff.). Es handelt sich um inhaltlich nicht angereicherte, diffus und als „Hintergrundphänomen“ erlebte Emotionen. Wenn aufgrund von geringem Involvement (siehe dazu 4.4.1) keine tiefere Beschäftigung mit der Werbung stattfindet, können die peripheren, unspezifischen Reize für eine Einstellungsbildung oder -änderung sorgen und effektiver als inhaltlich stichhaltige Argumente sein, da Letztere möglicherweise gar nicht erst verarbeitet werden (WÄNKE 2002, S. 488).
Abbildung 4-1:
Beispiele für Printanzeigen, in denen unspezifische emotionale Reize dominieren
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Spezifische emotionale Reize sind hingegen eng mit dem Werbeobjekt verknüpft (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 116 f.). Sie sollen nicht nur angenehme Gefühle auslösen, sondern ganz spezifische, markenbezogene emotionale Erlebnisse vermitteln. Sie werden auch als Erlebniswerte bezeichnet (KONERT 1986, GHAZIZADEH 1987, WEINBERG/GRÖPPEL 1988, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003). Dabei handelt es sich um eng mit der Marke verknüpfte Erlebnisschemata, die Bündel oder Komplexe von Emotionen enthalten und kognitiv angereichert sind (DIETERLE 1992, S. 12). Diese emotionalen Erlebnisse entsprechen dem emotionalen Benefit. Sie adressieren spezifische Emotions-, Motiv- und Wertegefüge der Konsumenten. Hierfür müssen die tiefer liegenden Antriebskräfte des Konsumentenverhaltens gezielt herausgearbeitet werden, um „die Oberflächenebene einer offensichtlichen emotionalen Verpackung zu verlassen“ (NICKEL 2005, S. 2). Eine starke Verhaltenswirkung wird insbesondere solchen emotionalen Erlebnissen zugesprochen, die sich auf andere Menschen beziehen (ANDERSEN/GUERRERO 1998, S. 49).
Abbildung 4-2: Beispiele für spezifische emotionale Reize
In der Literatur wird oftmals davon ausgegangen, dass emotionale Werbung eher auf peripherem, d.h. unterbewusstem Wege wirkt, während informative Werbemittel eher zentral, d.h. bewusst, verarbeitet werden (JOURDAN 1999, BEHRENS/NEUMAIER 2004). Diese beiden
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Verarbeitungswege basieren auf dem Elaboration Likelihood Model (ELM) von PETTY/ CACIOPPO (1981, 1986, siehe 4.4.2). Dementsprechend wird zumindest implizit die Auffassung vertreten, dass es sich bei emotionalen Werbereizen per se um periphere, unspezifische Reize handelt (PETTY/CACIOPPO 1981, 1986, PECHMANN/STEWART 1989, JOURDAN 1999, BRANDMEYER 2002). Dieser Auffassung ist schon alleine mit Blick auf die Ziele emotionaler Kommunikation zu widersprechen. Die unspezifischen emotionalen Reize sollen in erster Linie für ein positives Wahrnehmungsklima sorgen. Nach der hier vertretenen Auffassung der emotionalen Kommunikation handelt es sich dabei jedoch lediglich um ein Zwischenziel. Letztendlich geht es um die Erzeugung eines emotionalen Markenprofils und die positive Beeinflussung der Markenbindung. Erkenntnisse der Neurowissenschaft untermauern die Annahme, dass es wirksamer ist, für den Markenaufbau einzigartige emotionale Erlebnisse zu nutzen statt lediglich auf unspezifische emotionale Reize zu setzen (KENNING 2005, S. 25). Dementsprechend ist der Einsatz spezifischer emotionaler Reize von Bedeutung. Emotionale Kommunikation im hier definierten Sinne bezieht sich somit in erster Linie auf die Vermittlung spezifischer emotionaler Erlebnisse. Es ist anzunehmen, dass gerade der häufige und manchmal ausschließliche Einsatz peripherer emotionaler Reize zum Vorwurf mangelnder Markenpassung und Austauschbarkeit führt. Allerdings beinhaltet jedes emotionale Werbemittel neben den spezifischen emotionalen Reizen auch periphere Reize, durch die es Wirkungen entfaltet. Unter Low Involvement-Bedingungen kommen diese vorrangig zum Tragen. Emotionale Reize werden demnach auch bei beiläufiger Wahrnehmung identifiziert und wirksam (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 16). Wir halten also fest: •
Emotionale Reize sind nicht mit peripheren Hinweisreizen gleichzusetzen. Vielmehr ist zwischen unspezifischen und spezifischen emotionalen Reizen zu unterscheiden.
•
Emotionale Werbestimuli im hier definierten Sinne können sowohl periphere als auch spezifische emotionale Reize sowie informative Gestaltungsmerkmale enthalten.
•
Insofern ist davon auszugehen, dass emotionale Werbereize nicht nur periphere Wirkungen haben, sondern auch kognitive Prozesse stimulieren.
•
Die Art der Verarbeitung hängt insbesondere vom Involvement der Konsumenten ab.
•
Da auch die peripheren Reize Einfluss auf die Werbewirkung haben können, ist bei der Werbegestaltung allen Details des Werbemittels Beachtung zu schenken.
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Bei der Entwicklung der Kommunikationsstrategie sollte ein exaktes Erlebnisprofil für die jeweilige Marke erarbeitet werden (ESCH 2003, S. 107). Dies entspricht der Herleitung eines emotionalen Benefits und der damit verbundenen emotionalen Erlebnisse. Wichtig ist eine systematische Herangehensweise, um die relevanten emotionalen Erlebnisse für eine Marke herauszufiltern. Der Consumer Insight bildet die Basis dafür. Eine genaue Kenntnis der relevanten emotionalen Erlebnisschemata der Konsumenten ist Voraussetzung für das gezielte Erzeugen von emotionaler Involviertheit und Markenbindung. KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003, S. 138 ff.) unterscheiden drei grundsätzliche Arten von verhaltensrelevanten Erlebnisschemata: •
biologisch vorprogrammierte und kulturübergreifende Schemata (z.B. Kindchenschema, Heldenschema, weitere Archetypen-Schemata),
•
kulturell bzw. durch Erfahrungen geprägte Schemata (z.B. Traumstrandschema),
•
zielgruppenspezifisch gelernte Schemata (z.B. Fußballschema, Golfschema).
Die genannten Erlebnisschemata lassen sich als Suchraster für emotional wirksame Bildmotive nutzen (KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 227). Gleiches gilt für die von DIETERLE (1992, S. 67 ff.) identifizierten verhaltenswirksamen Bildmotive zur Vermittlung und Adressierung emotionaler Erlebnisse. Dazu zählen universell wirksame Bildmotive (z.B. angeborene Auslösemechanismen wie das Kindchenschema), universell wirksame, aber kulturell modifizierte Bildmotive (Verhaltensmuster wie z.B. Begrüßungen, Symbole, Leitbilder, Märchen, Mythen, Rituale) sowie kulturell geprägte Bildmotive (z.B. bestimmte Lebensstile). Emotionale Schemabilder sind besonders stark mit emotionalen Erlebnissen verknüpft (KROEBERRIEL 1993). Sie bilden eine Art „Gefühlsdatenbank“ (BUCHHOLZ/WÖRDEMANN 2000, S. 160 f.), derer sich der Werbetreibende bedienen kann. Im Rahmen der Consumer InsightFindung sind relevante und vor allem differenzierende Schemabilder zu ermitteln, um der Gefahr der Austauschbarkeit zu entgehen. Die letztendliche Verhaltenswirksamkeit von Bildmotiven hängt von der individuell ausgeprägten psychologischen Relevanzstruktur und dem kulturellen Hintergrund der Konsumenten ab. An dieser Stelle ist noch einmal die Kritik von BRANDMEYER (2002) aufzugreifen, wonach das Spektrum der positiven Emotionen zur Markendifferenzierung nicht ausreiche. Dem ist mit Verweis auf die Erlebnisschemata erneut zu widersprechen. Sie enthalten jeweils spezifische Emotionsbündel, also eine Mischung unterschiedlicher Emotionen. Ein Beispiel hierfür ist das beleuchtete Haus in einer JOHNNIE WALKER-Werbung, das Gefühlserlebnisse wie
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„behaglich“, „gemütlich“, „entspannend“, „erholsam“ und „heimisch“ vermittelt (ESCH 2003, S. 37). Derartige Emotionsbündel werden markenspezifisch inhaltlich angereichert. Es existieren damit zahlreiche wirksame emotional geprägte Erlebnisschemata, für die es wiederum zahlreiche Variationen und Kombinationsmöglichkeiten gibt. Diese ergeben sich aus der Konkretheit und Komplexität emotionaler Erlebnisse (GHAZIZADEH 1987). Diese Schema-Variationen lassen sich wiederum auf vielfältige Weise durch die verschiedenen inhaltlichen und formalen Gestaltungselemente umsetzen. Für die Suche nach geeigneten emotionalen Erlebnissen und entsprechenden Gestaltungsmerkmalen wird der Einsatz von computergestützten Expertensystemen vorgeschlagen (PETRI 1992, DIETERLE 1992, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 41 ff.). Diese sehen sich in der Praxis jedoch hohen Akzeptanzbarrieren gegenüber (KRAMER 1998, S. 253 ff.). Aus der im Rahmen der Arbeit vertretenen Sicht bietet der Consumer Insight eine wirksame Orientierungshilfe, da er Aufschluss über das situationsspezifische Emotions-, Motiv- und Wertegefüge der Zielgruppe und relevante, differenzierende emotionale Erlebnisse gibt. Für die Glaubwürdigkeit des emotionalen Benefits sorgt die Verknüpfung mit dem Brand Insight. Dieser gibt zudem Aufschluss über die notwendige Emotio-Ratio-Balance, d.h. über Art und Ausmaß der einzusetzenden informativen Reize.
4.2.3 Emotionale Reaktionen 4.2.3.1 Begriffsklärung „emotionale Reaktionen“ Reaktionen der Rezipienten auf werbliche Stimuli werden generell als Werbewirkungen bezeichnet (STEFFENHAGEN/SIEMER 1996, S. 46) und sind das Ergebnis umfangreicher Informationsverarbeitungsprozesse. Diese betreffen „alle gemeinsamen Prozesse, mit denen Konsumenten zu ihren Einstellungen, Urteilen und Verhaltensweisen in Bezug auf die verschiedenen Produkte, Marken, Dienstleistung und Werbung kommen“ (WÄNKE 2002, S. 483). Reaktionen werden im Rahmen dieser Arbeit als Ergebnisse von (Verarbeitungs-) Prozessen betrachtet (vgl. 3.3.2.1). In einer ersten Arbeitsdefinition lassen sich emotionale Reaktionen als durch Werbung ausgelöste Gefühlserlebnisse auffassen. Im Folgenden ist im Zusammenhang mit emotionalen Reaktionen meist von „Gefühlserlebnissen“ oder „Gefühlen“ die Rede, da sich Gefühle auf die Emotionskomponente des subjektiven Erlebens beziehen, die in Zusammenhang mit der Werbewirkung am meisten interessiert. Wie in Abschnitt 4.2.1.1 festgestellt, ruft jede Art von Werbung emotionale Reaktionen hervor. Diese haben wiederum Einfluss auf die Informationsverarbeitung und -speicherung.
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Emotionale Werbung im hier definierten Sinne ruft vorrangig und vor allem gezielt emotionale Reaktionen hervor. GEUENS/DE PELSMACKER (1998) zufolge führen emotionale Werbereize unabhängig vom Inhalt zu vorteilhafteren und intensiveren emotionalen Reaktionen als nichtemotionale Werbung. Zudem rufen sie nicht nur emotionale, sondern auch kognitive Prozesse und entsprechende Reaktionen hervor – je nach Involvement der Rezipienten in unterschiedlichem Ausmaß. Laut JANSSENS/DE PELSMACKER (2005) erzeugen emotionale Werbemittel mehr positive emotionale Reaktionen, während nicht-emotionale Werbemittel mehr positive kognitive Reaktionen hervorrufen. Emotionale Prozesse werden eher durch periphere Hinweisreize ausgelöst, kognitive hingegen eher durch Argumente. Es ist anzunehmen, dass spezifische emotionale Erlebnisse Prozesse beider Arten auslösen. Emotionale und kognitive Prozesse interagieren und wirken sich gemeinsam auf die Einstellungsbildung bzw. -änderung aus. Sie lassen sich nicht sinnvoll voneinander trennen. Zudem machen Aussagen über eine bestimmte Abfolge wenig Sinn. Während manche Autoren von der Reihenfolge „kognitive Prozesse (Think) – emotionale Prozesse (Feel)“ ausgehen (z.B. ZAJONC 1980, S. 151), gehen andere genau umgekehrt von „Feel – Think“ aus (z.B. VAN RAAIJ 1989, S. 262, ERBELDINGER/KOCHHAN 1998, S. 141). Um die Begrifflichkeiten zu präzisieren, werden emotionale und kognitive Prozesse, die im Zusammenspiel zu emotionalen und kognitiven Reaktionen führen, nachfolgend getrennt voneinander charakterisiert. In der Literatur werden in Zusammenhang mit Kognitionen vor allem die Prozesse diskutiert, in Zusammenhang mit Emotionen die Reaktionen. Letztere stehen hier im Mittelpunkt. Kognitive Prozesse betreffen die Informationsverarbeitung und werden umgangssprachlich als „Nachdenken“ bezeichnet. Sie beinhalten ein Abrufen von Argumenten während einer beeinflussenden Kommunikation (TROMMSDORFF 2004a, S. 283). Im Rahmen der Inferenzbildung werden aktuelle Werbeinformationen in bestehende mentale Strukturen eingebunden und mit individuellem Wissen, Erfahrungen, Wünschen, Bedürfnissen etc. verknüpft (FISHER GARDIAL et. al. 1993, S. 25 ff.). Es handelt sich dabei um assoziative Prozesse (TROMMSDORFF 2004a, S. 277). In die Inferenzbildung fließen die komplexen emotionalkognitiven Schemata ein (PETRI 1992, S. 45 ff.). Inferenzen können unter anderem zur Bildung von zustimmenden Argumenten und Gegenargumenten führen, die sich wiederum auf die Verarbeitung von Werbung auswirken (WRIGHT 1980, S. 153, BATRA/RAY 1986, S. 234, WÄNKE 2002, S. 486). Entscheidend für die Zuordnung von Vorgängen zu den kognitiven Prozessen ist, dass das kognitive Verhalten und die kognitiven Kontrollen vorherrschen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 51). Ergebnisse der kognitiven Prozesse, d.h. kognitive Reaktionen sind Gedanken, Schemata etc.
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Während hinsichtlich der Charakterisierung der kognitiven Prozesse und Reaktionen auf Werbung weitgehend Einigkeit besteht, herrscht hinsichtlich der emotionalen Reaktionen (als Ergebnis emotionaler Prozesse) Unklarheit in der Literatur – sie sind ebenso schwer zu fassen wie der Emotionsbegriff. Generell existiert in Zusammenhang mit emotionalen Reaktionen auf Werbereize keine einheitliche Begriffsverwendung. So werden diese z.B. unter folgenden Begriffen diskutiert: „Affekt“, „Emotionen“ (z.B. HOLBROOK/BATRA 1987), „affektive Reaktionen“ (z.B. GAVANSKI 1986, BATRA/HOLBROOK 1990), „Gefühle“ (z.B. EDELL/ BURKE 1987), „emotionale Reaktionen“ (z.B. PAGE et. al. 1988), „Gefühlserlebnisse“ (STAYMAN/AAKER 1988), „Emotional Feelings“ (MACHLEIT/WILSON 1988) oder „Adevoked Feelings“ (BROWN/HOMER/INMAN 1998, GEUENS/DE PELSMACKER 1998, PASCAL/SPROTT/MUEHLING 2002). Ebenso wie die Emotionen wurden auch emotionale Reaktionen auf Werbung und ihre Rolle im Werbewirkungsprozess bis etwa Anfang der 1980er Jahre kaum beachtet (HOLBROOK/ HIRSCHMAN 1982, BATRA/RAY 1986, EDELL 1990). Im Zuge der zunehmenden Popularität der emotionalen Werbung sowie der tiefer gehenden Erkenntnisse zu Emotionen fand ein Umdenken statt. So wurde erkannt, dass Emotionen einen direkten Einfluss auf das Verhalten haben können, der nicht durch Einstellungsurteile erklärt werden kann (ALLEN/MACHLEIT/ KLEINE 1992). Einen Nährboden für die Beschäftigung mit den emotionalen Reaktionen auf Werbereize bildete die umfangreiche Aad-Forschung (vgl. z.B. BURKE/EDELL 1989, BROWN/HOMER/INMAN 1998; siehe auch 3.3.5.2). BATRA/RAY (1986) bringen den Begriff der „Affective Responses“ ins Spiel, um sie von den bis dato vorherrschend betrachteten kognitiven Reaktionen („Cognitive Responses“) zu unterscheiden. Insbesondere die Frage der Abgrenzung der emotionalen Reaktionen wird in der Literatur sehr unterschiedlich gehandhabt. So werden emotionale Reaktionen verschieden breit definiert. Es herrscht Uneinigkeit darüber, welche Arten von Reaktionen auf Werbestimuli den emotionalen Reaktionen zuzurechnen sind und welche eher zu anderen Werbewirkungskategorien zählen. Dabei lassen sich zwei Strömungen in der Literatur erkennen: eine engere und eine weitere Abgrenzung des Begriffes „emotionale Reaktionen“. Die engere Abgrenzung betrifft die oben genannte Arbeitsdefinition, wonach es sich bei emotionalen Reaktionen um durch Werbung ausgelöste Gefühlserlebnisse handelt. Diese Ansicht entspricht dem Konzept der Ad-evoked Feelings in der englischsprachigen Literatur. Die durch Werbung ausgelösten Gefühlserlebnisse werden klar von weiteren Werbe- und Markenwirkungen wie z.B. der Einstellung zur Werbung oder zur Marke differenziert (BROWN/
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HOMER/INMAN 1998, GEUENS/DE PELSMACKER 1998, PASCAL/SPROTT/MUEHLING 2002). Letztere sind globaler und schließen auch kognitive und konative Aspekte mit ein. Die weitere Abgrenzung der emotionalen Reaktionen umfasst alle diejenigen Sachverhalte, die emotional gefärbt sind. Neben den durch Werbung hervorgerufenen Gefühlserlebnissen werden auch affektiv gefärbte Werbewirkungen wie die Einstellung zur Werbung oder bestimmte eher kognitiv geprägte Reaktionen wie z.B. die Glaubwürdigkeit der Werbung zu den emotionalen Reaktionen gezählt (z.B. bei JENZOWSKY/SCHIMANSKY 2002, S. 583). Im Interesse begrifflicher Klarheit wird hier unterschieden zwischen emotionalen Reaktionen •
im engeren Sinne, d.h. den durch Werbung hervorgerufenen Gefühlserlebnissen und
•
im weiteren Sinne, d.h. affektiv gefärbten Werbe- und Markenreaktionen.
Im nächsten Abschnitt werden die emotionalen Reaktionen i.e.S. näher betrachtet. Deren Wirkungen auf die emotionalen Reaktionen i.w.S. werden in Abschnitt 4.3.2 diskutiert.
4.2.3.2 Emotionale Reaktionen im engeren Sinne Bei den emotionalen Reaktionen i.e.S. handelt es sich um die durch das Werbemittel hervorgerufenen Gefühle, also diejenigen psychischen Zustände einer Person, die mit gefühlsmäßigen Empfindungen wie z.B. Freude, Angst, Zufriedenheit, Wohlbefinden, Gefallen, Sympathie oder Ablehnung einhergehen (PLUTCHIK 1980, MAYER 1993, S. 262). Entsprechend der Flüchtigkeit von Gefühlszuständen treten sie während oder zumindest in engerem zeitlichen Zusammenhang mit der Werbevorlage auf. In Abgrenzung dazu handelt es sich bei Stimmungen um Zustände, die schon vor dem Werbekontakt bestehen können (BURKE/ EDELL 1989, S. 69, HOLBROOK/O’SHAUGHNESSY 1984; vgl. auch 3.3.2.1). Die durch die Werbung hervorgerufenen Gefühle sind wichtige „Gatekeeper“ für die weiteren Verarbeitungsprozesse (VAN RAAIJ 1989). Sie fungieren als Mediatoren zwischen emotionalen Reizen und den letztendlichen Zielgrößen, z.B. den Einstellungen zur Werbung und zur Marke (HOLBROOK/BATRA 1987, SMITH/FRANKENBERGER/KAHLE 1990, WILLIAMS/AAKER 2002). Die emotionalen Reaktionen i.e.S. sind demnach lediglich Mittel zum Zweck (MATTENKLOTT 2002, S. 532).
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Entsprechend ihrer Definition in Abschnitt 3.3.2.1 lassen sich Gefühle klassifizieren nach •
Intensität,
•
Richtung und
•
Art (inhaltliche Qualität).
Intensität Hinsichtlich der Intensität der durch Werbung hervorgerufenen emotionalen Reaktionen wird in der Literatur überwiegend die Meinung vertreten, dass in Zusammenhang mit Kommunikation eher schwächere emotionale Zustände eine Rolle spielen (ROSSITER/PERCY 1991, S. 104, BEHRENS 1996, S. 290, DMOCH 1999, S. 58, MATTENKLOTT 2002, S. 534 f.). Demnach entstehen durch Werbung in der Regel Gefühle, weniger die intensiveren Emotionen. Hier entstehen allerdings Abgrenzungsschwierigkeiten. So wird vielfach davon ausgegangen, dass ein Mensch sich zwar Gefühle in seiner Phantasie vorstellen kann, zum Gefühlserleben jedoch die Rückmeldung über den Körper braucht (KORTE im Interview mit MIKETTA 2002, S. 117). Bislang ist jedoch nicht eindeutig geklärt, ob körperliche Reaktionen für Gefühlserlebnisse notwendig sind. Dass Werbung durchaus in der Lage ist, emotionale Reaktionen auszulösen, die mit physiologischer Erregung einhergehen, konnte in zahlreichen Untersuchungen bestätigt werden (vgl. z.B. WITT 1977, MEYER-HENTSCHEL 1983, CACIOPPO/PETTY 1983, AAKER/STAYMAN 1990). WITT (1977) und LAZARUS (1991) sehen Erregung als eine notwendige Komponente von Emotionen an, ohne die gar nicht von emotionalen Zuständen die Rede sein kann. Jede Emotionalisierung des Individuums ist demnach gleich bedeutend mit einer mehr oder weniger starken Aktivierung. Die in Zusammenhang mit Werbung erlebten Gefühle scheinen allerdings in der Regel eher mit einer geringeren physiologischen Erregung einherzugehen (AAKER/STAYMAN/VEZINA 1988, MADDEN/ALLEN/TWIBLE 1988, S. 244). Die Intensität der durch Werbung ausgelösten Gefühle hängt unter anderem von der Mediengattung ab. So wird angenommen, dass audiovisuelle Medien reizreicher und dementsprechend aktivierender sind (KIRCHLER/MICHALICKA 1987, S. 67 ff.). Als besonders aktivierend und emotionalisierend gelten TV-Spots (KIRCHLER/KAPFER 1987, ENGLIS 1990, HOMER/YOON 1992). DERBAIX (1995, S. 477) vermutet allerdings, dass viele TV-Spots nicht das Potenzial haben, starke emotionale Reaktionen zu erzeugen. Auch neuere Erkenntnisse der Hirnforschung lassen vermuten, dass TVSpots und Printanzeigen im Allgemeinen nur schwach emotionalisieren (KENNING et. al. 2005). Werbeerfolg entsteht demnach erst durch zahlreiche Wiederholungen.
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In der Literatur ist verschiedentlich von „heißen“ und „kalten“ Emotionen die Rede (MANDLER 1982, S. 21, BEHRENS 1996, S. 690 f., ROSSITER/PERCY 1991, S. 106, DMOCH 1999, S. 58, FIEDLER 2000, S. 559, BAGOZZI et. al. 2000, S. 51, TROMMSDORFF 2004a, S. 69). Heiße Emotionen lassen sich dadurch charakterisieren, dass sie selbst erlebt sowie intensiv wahrgenommen werden und physiologische Reaktionen beinhalten. Kalte Emotionen werden hingegen mit überwiegend kognitiven Vorgängen verbunden, sind stark rational gesteuert und kaum messbar. Sie werden z.B. durch Werbung vermittelt, wobei sich jemand bestimmter Gefühlslagen bewusst wird. Diese Unterscheidung dürfte auf der Differenzierung zwischen kalten und heißen Kognitionen beruhen (PHAM et. al. 2001), wobei kalte Kognitionen als rein vernunftbezogene Entscheidungen ohne Einbeziehung von Gefühlen aufgefasst werden. Die enge Verknüpfung zwischen emotionalen und kognitiven Prozessen lässt derartige Trennungen allerdings wenig sinnvoll erscheinen, weshalb die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Emotionen hier nicht weiter verfolgt wird. Vom Grundsatz her ähnelt diese Unterscheidung einem anderen Ansatz, wonach sich die emotionalen Reaktionen i.e.S. in Abhängigkeit von der persönlichen Beteiligung des Rezipienten in drei Intensitätsebenen differenzieren lassen (STOUT/LECKENBY 1986, 1988, FRANZEN 1994). Hierbei handelt es sich um die deskriptive, die empathische und die individuelle Erfahrungsebene. Die deskriptive Ebene ist die Ebene mit der geringsten persönlichen Beteiligung. Der Rezipient erkennt die Gefühle der Werbeprotagonisten, zeigt selbst jedoch keine emotionale Reaktion. Bei erkannten und persönlich gefühlten Emotionen handelt es sich um unterschiedliche Konstrukte (EDELL/BURKE 1987, STOUT/HOMER/LIU 1990, DERBAIX 1995). ESCALAS/STERN (2003, S. 566 f.) sprechen in diesem Zusammenhang auch von Sympathiereaktionen. Da sich Sympathie allerdings als eine von autonomen Reaktionen begleitete, grundlegende emotionale Reaktion auffassen lässt, derer sich die Person nicht bewusst sein muss (FRITH/BLAKEMORE 2004, S. 13), passt der Sympathiebegriff nicht zur deskriptiven Ebene. Diese entspricht vielmehr der kognitiven Empathie, die in der Psychologie primär als kognitive Reaktion operationalisiert wird (BORKE 1971, zitiert in STOUT/ LECKENBY 1988, S. 54). Es ist deshalb fraglich, ob die deskriptive Ebene überhaupt als emotionales Erleben der Rezipienten einzustufen ist (STEFFENHAGEN 1996, S. 53). Hierbei handelt es sich eher um einen Vorgang des Interpretierens als Teilprozess der kognitiven Informationsverarbeitung. Auf der empathischen Ebene empfindet der Rezipient die gleichen Gefühle wie die in der Werbung gezeigten Darsteller und identifiziert sich mit ihnen. Die tatsächlich erlebten Gefühle stimmen mit den intendierten überein. Wesentliches Wirkelement ist der Identifikationsprozess (vgl. 4.4.4). Das erzeugte Gefühlserlebnis hängt direkt mit dem
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Stimulus zusammen. Die individuelle Erfahrungsebene betrifft hingegen durch Werbung ausgelöste, spezifische Gefühlserlebnisse, die nicht unbedingt mit der dargestellten emotionalen Qualität übereinstimmen müssen. Sie entstehen als Reaktionen auf Ereignisse, die vom Rezipienten als selbst-relevant empfunden werden (STOUT/LECKENBY 1986, S. 36 f.). Diese Unterscheidung verschiedener Ebenen von emotionalen Reaktionen i.e.S. erscheint sinnvoll, da hierdurch eine differenziertere Betrachtung der emotionalen Reaktionen ermöglicht wird. Dieser Aspekt ist insbesondere in Hinblick auf die Messung emotionaler Reaktionen von Bedeutung (STEFFENHAGEN 1996, S. 53 f.). Allerdings zeigt sich hier auch die Problematik der Abgrenzung von kognitiven und emotionalen Prozessen bzw. Reaktionen. Letzten Endes ist aufgrund der engen Wechselbeziehungen keine eindeutige Trennung möglich. Im Rahmen dieser Arbeit wird die deskriptive Ebene, obwohl sie eher den kognitiven Reaktionen zuzurechnen ist, ebenfalls als emotionale Reaktion i.e.S. aufgefasst. Die existierenden Studien differenzieren hier bislang meist nicht. Insofern würde eine Trennung wenig Sinn machen, da die Ergebnisse der Untersuchungen kaum einzuordnen wären. Es bleibt allerdings zu wünschen, dass weiterführende Untersuchungen die drei Ebenen emotionaler Reaktionen differenzierter erforschen werden. Richtung Die Richtung (Valenz) von Gefühlserlebnissen betrifft die Unterscheidung zwischen positiven und negativen Gefühlen. Viele Untersuchungen zur Rolle der emotionalen Reaktionen für die Werbewirkung beschäftigen sich lediglich mit positiven und negativen Gefühlen und unterscheiden nicht hinsichtlich ihrer inhaltlichen Qualität. Demzufolge liegt zu positiven und negativen Gefühlen eine ganze Reihe von Untersuchungen vor. Für die Kommunikation sind beide Richtungen von Bedeutung. Es ist davon auszugehen, dass die Valenz der emotionalen Reaktionen die Stärke ihrer Effekte beeinflusst (BROWN/HOMER/INMAN 1998). Positive emotionale Reaktionen gelten meist als effektiver, während negative emotionale Reaktionen in der Regel zu den unerwünschten Werbewirkungen gehören. Sie können z.B. dann auftreten, wenn der emotionale Gehalt nicht zur Markenbotschaft passt (ZEITLIN/WESTWOOD 1986). Beispiele dafür sind die teilweise unpassende Verwendung von Erotik oder prominenten Testimonials. Insofern kann sich die kritisierte mangelnde Markenpassung emotionaler Werbung negativ auf die Werbeeffektivität auswirken. Negative emotionale Reaktionen werden insbesondere durch geschmacklose, schockierende oder Ekel-Gefühle erzeugende Werbung ausgelöst (LÖFFLER 2002, SHIMP/STUART 2004). In Zusammenhang mit Furchtap-
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pellen wird die Erzeugung negativer Gefühle allerdings beabsichtigt. Das beworbene Angebot wird dann zum Abbau bzw. zur Vermeidung der erzeugten Angst empfohlen. Umstritten ist die Frage, ob positive und negative Gefühle gleichzeitig auftreten können. Diese Diskussion betrifft in erster Linie die Messung emotionaler Reaktionen (bipolar vs. bidimensional). Teilweise wird davon ausgegangen, dass sich positive und negative emotionale Reaktionen auf einer Dimension im Sinne eines Kontinuums von „Lust – Unlust“ bewegen (SCHMIDT-ATZERT 2000, S. 42). Demnach hat eine Person umso weniger negative Gefühle, je angenehmer sie sich fühlt. So betrachten RUSSELL/CARROLL (1999) z.B. Glück und Traurigkeit als ein „Entweder – oder“. Der überwiegende Teil der Autoren geht jedoch davon aus, dass positive und negative Gefühle gleichzeitig auftreten können (GREEN/GOLDMAN/ SALOVEY 1993, EDELL/BURKE 1987, MADDEN/ALLEN/TWIBLE 1988, S. 251, CACIOPPO/GARDNER/BERNTSON 1997, BROWN/HOMER/INMAN 1998, WILLIAMS/ AAKER 2002). Demnach existieren z.B. gemischte Gefühle von Glück und Traurigkeit (CACIOPPO/BERNTSON 1994, LARSEN/McGRAW/CACIOPPO 2001). Möglicherweise können widerstreitende Gefühle zum Entstehen einer dritten Emotion führen, die dann zu einer positiven Bewertung führen kann (SCOTT 1994, z.B. „Amüsiertheit“ wegen der Cleverness einer Anzeige). Im Rahmen dieser Arbeit wird der Auffassung gefolgt, dass positive und negative Gefühle gleichzeitig auftreten können – wenn sie von unterschiedlicher inhaltlicher Art sind. Ein und dasselbe Gefühlserlebnis, z.B. Freude, kann zugleich nicht positive und negative Ausprägungen aufweisen. Art (inhaltliche Qualität) Die inhaltliche Art gilt als grundlegendes Unterscheidungsmerkmal von Gefühlen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 105). Gefühlserlebnisse können zwar dieselbe Intensität und Richtung aufweisen, sich jedoch in ihren Inhalten unterscheiden. Wie in 3.3.2.2 beschrieben, existieren allerdings generelle Klassifizierungs- und Erhebungsprobleme. Auch in Zusammenhang mit durch Werbung hervorgerufenen Gefühlen existiert eine Vielzahl von Versuchen, die emotionalen Reaktionen zu klassifizieren und möglichst erschöpfende Emotionslisten zu erstellen (siehe z.B. BATRA/RAY 1986, BATRA/HOLBROOK 1990). Ein Grundproblem liegt in der Schwierigkeit der Erfassung von Gefühlserlebnissen. Einige Werbeforscher gehen davon aus, dass Werbung in erster Linie singuläre emotionale Reaktionen auslöst (AAKER/STAYMAN/HAGERTY 1986, BATRA/HOLBROOK 1990), d.h. dass der Rezipient lediglich eine Art von Gefühlen erlebt. Diese Auffassung ist allerdings in Frage zu stellen. Emotionale Reaktionen auf Werbung sind komplex (EDELL/BURKE
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1987, STOUT/RUST 1993). Gefühle treten häufig nicht in reiner Form auf, sondern in Mischformen (MATTENKLOTT 2002, S. 535). Zudem rufen Werbemittel, insbesondere TV-Spots, meist eine Abfolge unterschiedlicher emotionaler Reaktionen hervor (AGRES 1990, SCOTT 1994, S. 270, KAMP/MacINNIS 1995, YOUNG 2004). Derartige Emotions-Sequenzen können die Werbewirkung signifikant verstärken (AGRES 1990) und weisen charakteristische Verlaufskurven auf (VANDEN ABEELE/MacLACHLAN 1994). Enthält ein TV-Spot emotionsinduzierende Elemente wie Musik, Lachen oder gute Laune, so steigert sich die Reaktion der Rezipienten über den Verlauf des Spots kontinuierlich. Andernfalls flacht die emotionale Reaktion zum Ende des Spots ab. Laut ROSSITER/PERCY (1991, S. 103 f.) sind Konsummotive und damit auch die entsprechenden Produkte eng mit bestimmten Gefühlssequenzen verknüpft (vgl. 3.3.3.1). Diese spielen vor allem bei negativen Gefühlen eine Rolle und sollten bei der Werbegestaltung berücksichtigt werden. Die Frage, welche Arten von Gefühlen im Zusammenhang mit Werbung auftreten können, ist umstritten und hängt eng mit dem Thema der Intensität zusammen. Manche Forscher gehen davon aus, dass die individuellen, durch Werbung erzeugten Gefühle sehr heterogen sind, z.B. EDELL/BURKE (1987) oder AAKER/STAYMAN/VEZINA (1988). Letztere plädieren für eine differenzierte Betrachtung, da der Erkenntnisgewinn durch eine Aggregation geschmälert wird. So kann z.B. "Wärme" unterschiedliche Ausprägungen haben, etwa „freundlich“, „nah“, „stolz“. Allerdings ist anzunehmen, dass derartige Gefühlswörter nicht unabhängig voneinander sind. Faktorenanalysen führen in der Regel zu drei Dimensionen: „positiv“, „negativ“ sowie einer dritten Dimension mit unterschiedlichen Bezeichnungen („warm“ (EDELL/BURKE 1987, GEUENS/DE PELSMACKER 1998), „traurig“ (KAMP/MacINNIS 1995) oder „zurückhaltend“ (FAEHSLER 1986)). Andere Autoren schließen weitgehend aus, dass Werbung „intensivere“ Emotionen bzw. Gefühle wie z.B. Freude, Trauer oder Angst hervorrufen kann. Demnach erzeugt Werbung keine spezifischen Gefühlserlebnisse, sondern eher eine unbestimmte „gefühlshafte Hingestimmtheit“ (SCHIMANSKY 2005)). Werbung löst lediglich ein eingeschränktes Set an Emotionen geringerer Intensität aus. Untersuchungen von GEUENS/DE PELSMACKER (1998) zufolge führen inhaltlich unterschiedliche emotionale Reize nicht zu signifikant unterschiedlichen emotionalen Reaktionen. Mit „beleidigt“, „irritiert“, „interessiert“, „heiter“ und „sorglos“ identifizieren sie fünf Basis-Dimensionen, die sämtliche gefühlsmäßigen Reaktionen der Probanden auf Werbestimuli abbilden können. Somit scheint Werbung lediglich schwächere emotionale Reaktionen wie Interesse oder Heiterkeit hervorzurufen, nicht jedoch intensivere Gefühlserlebnisse wie Freude, Ärger oder Furcht. Dafür sprechen auch die oben zitierten Erkenntnisse, wonach TV-Spots und Printanzeigen im
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Allgemeinen nur schwach emotionalisieren. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Forschungsarbeiten hier für weitere Klärung sorgen. Für die Kommunikationsentwicklung lässt sich Folgendes ableiten: Wichtig ist zum einen, dass durch die Werbung angenehme Gefühle ausgelöst werden. Hierbei kann es sich auch um eine Transformation von unangenehmen Gefühlen in angenehme Gefühlszustände handeln. Zum anderen ist eine genaue Spezifizierung der inhaltlichen Ebene notwendig, um solche emotionalen Assoziationen mit der Marke zu verbinden, die von den Konsumenten als relevant, differenzierend und glaubwürdig wahrgenommen werden. Die unterschiedlichen Strömungen, die vielen offenen Fragen und die kaum mögliche Abgrenzung von kognitiven und emotionalen Prozessen bzw. Reaktionen weisen auf erhebliche Probleme bei der Messung emotionaler Reaktionen auf Werbestimuli hin. Entsprechend den drei Komponenten von Emotionen lassen sich diese auf der physiologischen Ebene, der Verhaltensebene sowie der subjektiven Erlebnisebene messen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 116 ff.). Die emotionalen Reaktionen i.e.S. lassen sich lediglich anhand der subjektiven Erlebensebene erfassen (vgl. auch MATTENKLOTT 2002, S. 534). Die in Zusammenhang mit der verbalen Messung von Emotionen auftauchenden Probleme (vgl. dazu auch 3.5.4.2) sollen durch nonverbale Methoden umgangen werden (vgl. MORRIS 1995, HAZLETT/HAZLETT 1999, DESMET/HEKKERT/JACOBS 2000, MORRIS et. al. 2002, Da die Messung emotionaler Reaktionen keine weiteren Hinweise für die Consumer InsightFindung liefert, soll sie hier jedoch nicht weiter betrachtet werden.
4.2.4 Wirkungen emotionaler Kommunikation 4.2.4.1 Begriffsklärung „Wirkungen emotionaler Kommunikation“ Die Reaktionen der Rezipienten auf werbliche Stimuli werden als Werbewirkungen bezeichnet (vgl. 4.2.3.1). Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt allerdings eine klare Trennung zwischen den emotionalen Reaktionen und den Wirkungen emotionaler Kommunikation. Letztere sind deutlich breiter gefasst und umfassen neben den emotionalen Reaktionen alle weiteren Werbewirkungen. Der Begriff „Wirkungen emotionaler Kommunikation“ bezieht sich somit auf sämtliche Reaktionen der Rezipienten auf emotionale Werbestimuli. Nach der in 4.2.1.3 eingeführten Systematik von FRANZEN (1999) betreffen die Werbewirkungsebenen die mentalen Werbereaktionen, die mentalen Markenreaktionen sowie die Markenverhaltens- und Marktreaktionen. Die positiven Wirkungen der emotionalen Kommu-
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nikation auf die mentalen Werbe- und Markenreaktionen werden im nächsten Abschnitt 4.3 ausführlicher diskutiert. Da bei der Beeinflussung der Markenverhaltens- und Marktreaktionen neben der Kommunikation viele weitere Faktoren eine Rolle spielen, werden diese aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert. Hinsichtlich der direkten Verhaltensbeeinflussung durch emotionale Kommunikation liegen zudem nur wenige Erkenntnisse vor. Es ist davon auszugehen, dass emotionale Werbung das Verhalten vor allem mittelbar über die Einstellung zur Marke beeinflusst. Eine neuere Studie von MacINNIS/RAO/WEISS (2002) untermauert allerdings die Bedeutung emotionaler Werbung für das Kaufverhalten. Untersucht wurde, inwiefern eine Verstärkung des Werbedrucks je nach Art der Werbeinhalte Einflüsse auf die Verkäufe von vertrauten, häufig gekauften Marken in gesättigten Märkten wie z.B. Suppen, Snacks, Tiefkühlkost erzielt. Nur bei Spots mit emotionalen Inhalten führte ein erhöhter Werbedruck zu einer signifikanten Erhöhung der Abverkäufe der jeweiligen Marke, in allen anderen Fällen wurde keine derartige Wirkung festgestellt.
4.2.4.2 Determinanten der Wirkungen emotionaler Kommunikation Die Werbewirkung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Entscheidend ist weniger die Frage, ob emotionale Werbung wirkt, sondern unter welchen Bedingungen sie wirkt (GLEICH 2000, S. 40). Im Folgenden wird ein Überblick über allgemeine Werbewirkungsdeterminanten gegeben, die im Rahmen der Kommunikationsentwicklung zu beachten sind. Bei den Wirkungsdeterminanten der Werbung handelt es sich um Bestimmungsgrößen, unter deren Einfluss Werbekontakte unterschiedliche Wirkungen entfalten können (KROEBERRIEL/WEINBERG 2003, S. 613). Zu den Werbewirkungsdeterminanten existiert eine umfangreiche Literatur (vgl. z.B. GELB/HONG/ZINKHAN 1985, KONERT 1986, S. 126 ff., AAKER/STAYMAN 1990, WEINBERGER/GULAS 1992, S. 48, STEFFENHAGEN 1996, S. 13 ff., DE PELSMACKER/GEUENS/ANCKAERT 2002, S. 49). Im Allgemeinen werden drei Gruppen von Determinanten unterschieden, wobei die Bezeichnungen dieser Gruppen variieren. Hierbei handelt es sich um personen-, stimulus- und umfeldbezogene Determinanten. Die nachfolgende Tabelle 4-2 bietet eine Übersicht über die bislang erforschten Faktoren. Diese Aufstellung ist allerdings weder erschöpfend noch überschneidungsfrei. Zwischen den Werbewirkungsdeterminanten bestehen wechselseitige Beziehungen. Einige sind von zentraler Bedeutung, da sie den Einfluss von vielen anderen Determinanten auf die Werbewirkung moderieren. Dazu zählt z.B. das Involvement (siehe dazu Abschnitt 4.4.1).
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Personenbezogene Determinanten
Stimulusbezogene Determinanten
Umfeldbezogene Determinanten
• Soziodemografie (Alter, Geschlecht, Kultur, Bildung, Beruf, Status etc.) • Involvement • Stimmung • Persönlichkeit (Lebensstil, Entscheidungsstil, Risikoverhalten, Emotions-, Motiv- und Wertesystem, Emotionalität, emotionale Grundhaltung, Need for Cognition, Need for Emotion, empathische Fähigkeiten, Selbstkonzept, Diffusions- und Innovationsmerkmale, Offenheit für Erfahrungen etc.) • Markenwissen • Markenbindung • Konsumverhalten (u.a. Markennutzung) • Vorhandene Einstellungen (zu Werbung generell, zur Marke, zum Werbetreibenden)
• Charakteristika von Werbemittel und Sender bzw. beworbener Marke • Art des Werbestimulus (emotional oder gemischt, spezifische und unspezifische emotionale Reize) • Art der dargestellten Emotionen (Furcht, Wärme, Humor etc.) • Kreativität • Professionalität der Umsetzung • Integration von Botschaft und Umsetzung • Glaubwürdigkeit (von Sender, Werbemittel etc.) • Identifikationspotenziale • Kommunikator (Glaubwürdigkeit, Attraktivität etc.) • Etabliertheit der Marke • Produktkategorie
• Medium • Medienumfeld (Programm, PrintTitel, Platzierung, vorangehende und nachfolgende Werbung etc.) • Kontaktsituation (alleine oder mit anderen, Tageszeit, Umgebung etc.)
Tabelle 4-2:
Wirkungsdeterminanten der emotionalen Kommunikation (eigene Darstellung)
Auf eine umfassende Darstellung der Determinanten wird hier verzichtet. Ergebnisse einer umfangreichen Literaturanalyse sind in viele Überlegungen im Rahmen dieser Arbeit eingeflossen. So betreffen die personenbezogenen Determinanten die Konsumentenkenntnis. Sie geben Hinweise auf die Suchfelder für den Consumer Insight. Um die Effektivität der Kommunikation zu optimieren, sollten die Erkenntnisse zu Wirkungen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation als Orientierungshilfe für die Consumer Insight-Findung und die Kommunikationsentwicklung herangezogen werden (vgl. zusammenfassend 4.5). Nicht alle Werbewirkungsdeterminanten können im Vorhinein antizipiert werden. Situative Determinanten wie z.B. das Situationsinvolvement oder die Stimmung sind zwar von großer Bedeutung für die Werbewirkung, können zum Zeitpunkt der Entwicklung von Werbung jedoch nur in geringem Ausmaß berücksichtigt werden. Bezüglich der Stimmung sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen (BOHNER/HAUSCHILDT/KNÄUPER 1993, BATRA/ STEPHENS 1994, LEE/STERNTHAL 1999, SIEMER 1999, SILBERER 1999, SCHWARZ 2000, KLAUER 2000, GIERL 2002, RAGHUNATHAN/TROPE 2002). Generell gilt, dass Werbung sowohl bei guter als auch bei schlechter Stimmung der Rezipienten wirken sollte.
Emotionale Kommunikation
173
4.2.5 Das Begriffssystem zur emotionalen Kommunikation im Überblick Nachfolgend wird das erarbeitete Begriffssystem noch einmal zusammenfassend dargestellt: Begriff Emotionen
Gefühle
Stimmungen Emotionale Kommunikation
Emotionale Werbereize
Definitionen und zentrale Annahmen Qualitativ beschreibbare Zustände als Reaktionen auf interne oder externe Ereignisse, die für das Individuum von Bedeutung sind und sich in Veränderungen des subjektiven Erlebens, des Ausdrucks und des körperlichen Zustands äußern. Reaktionen auf persönlich bedeutsam wahrgenommene Situationen, die sich als qualitativ beschreibbare Veränderung im persönlichen Erleben äußern. Gefühle sind Eigenschaften der Person bzw. des Rezipienten. Globale Reaktionen auf die Umwelt, die ungerichtet, von geringerer Intensität und längerer Dauer als Emotionen und Gefühle sind. Oberbegriff für Kommunikationstechniken, die darauf abzielen, durch die Reizeigenschaften der eingesetzten Stimuli bestimmte emotionale Reaktionen beim Rezipienten (eine Emotionalisierung) zu erzeugen, um vorher definierte Kommunikationsziele zu erreichen. Nicht nur rein emotionale Werbung – auch gemischt emotional-informative Werbeformen. Einzelne emotionale Gestaltungselemente eines Werbemittels. Ein Werbemittel ist als komplexes „Reizbündel“ aufzufassen, das unterschiedliche (emotionale und informative) Reize beinhalten kann. Für Werbemittel als komplexe Reizbündel können synonym die Begriffe „Werbeappell“ und „Werbestimulus“ verwendet werden. Ein Werbereiz ist von einem Werbestimulus zu unterscheiden. Ein einzelner Werbestimulus kann viele verschiedene Werbereize beinhalten. Emotionale Reize sind nicht mit peripheren Hinweisreizen gleichzusetzen. Vielmehr ist zwischen unspezifischen und spezifischen emotionalen Reizen zu unterscheiden. Emotionale Werbestimuli können sowohl periphere als auch spezifische emotionale Reize sowie informative Gestaltungsmerkmale enthalten. Emotionale Werbereize haben nicht nur periphere Wirkungen, sondern stimulieren auch kognitive Prozesse (in Abhängigkeit vom Involvement).
Emotionale Reaktionen
Reaktionen sind Ergebnisse von (Verarbeitungs-)Prozessen. Emotionale Verarbeitungsprozesse werden eher durch periphere Hinweisreize, kognitive Prozesse hingegen eher durch Argumente bzw. konkrete Werbebotschaften ausgelöst. Spezifische emotionale Erlebnisse lösen emotionale und kognitive Prozesse aus. Emotionale und kognitive Prozesse interagieren und wirken sich gemeinsam auf die Einstellungsbildung bzw. -änderung aus. Sie lassen sich nicht sinnvoll voneinander trennen. Kognitive Prozesse betreffen die Informationsverarbeitung, insbesondere die Denkvorgänge des Identifizierens, Assoziierens, Interpretierens und Bewertens („Nachdenken“). Differenzierung zwischen emotionalen Reaktionen i.e.S. (durch Werbung hervorgerufene Gefühle) u. emotionalen Reaktionen i.w.S. (affektiv gefärbte Werbe- u. Markenreaktionen). Emotionale Reaktionen i.e.S. lassen sich klassifizieren nach Intensität, Richtung und Art. Die durch Werbung hervorgerufenen Gefühlserlebnisse lassen sich in Abhängigkeit von der persönlichen Beteiligung des Rezipienten in deskriptive Ebene, empathische Ebene und individuelle Erfahrungsebene unterscheiden.
Wirkungen emotionaler Kommunikation
Die Wirkungen emotionaler Kommunikation umfassen sämtliche Reaktionen der Rezipienten auf emotionale Werbestimuli. Die Wirkungsebenen lassen sich unterscheiden in mentale Werbereaktionen, mentale Markenreaktionen, Markenverhaltensreaktionen und Marktverhaltensreaktionen.
Tabelle 4-3: Begriffssystem zur emotionalen Kommunikation (eigene Darstellung)
174 4.3
Emotionale Kommunikation Konkrete Wirkungen emotionaler Kommunikation
Im Folgenden werden die konkreten Wirkungen der emotionalen Kommunikation auf wichtige Werbe- und Markenreaktionen ausführlicher diskutiert, um weitere Hinweise über deren Wirkungsbedingungen und damit für die Consumer Insight-Findung zu erhalten. Viele empirische und theoretische Befunde weisen darauf hin, dass emotionale Werbung im Vergleich zu neutralen oder rein informativen Werbestimuli besonders effektiv ist. Vor allem im angloamerikanischen Raum existiert eine Vielzahl von Untersuchungen zum Einfluss von durch Werbung hervorgerufenen Gefühlen auf die Werbewirkung (siehe z.B. die MetaAnalyse von BROWN/HOMER/INMAN 1998). Viele davon entstammen der umfangreichen Aad-Forschung (vgl. 3.3.5.2). Die ermittelten Effekte der durch Werbung erzeugten Gefühlserlebnisse auf die Werbewirkung werden allerdings stark durch das jeweilige Untersuchungsdesign beeinflusst (BROWN/HOMER/INMAN 1998, S. 123). Da das zugrunde liegende Untersuchungsdesign oft erheblich variiert, erweist sich die Übertragbarkeit bzw. Generalisierbarkeit der Erkenntnisse als problematisch (GLEICH 1995, S. 290). Die Studien unterscheiden sich z.B. hinsichtlich der Testsituation, der Art der eingesetzten Stimuli, der Anzahl der Vorlagen, der herangezogenen Werbewirkungsgrößen und der Art der untersuchten Gefühlsreaktionen. Problematisch ist zudem, dass die emotionalen Reaktionen meist durch Befragung ermittelt werden. Zumeist werden Studenten als Probanden eingesetzt, was zusätzlich kritisch zu betrachten ist (WELLS 1993, S. 491 f., MEYERS-LEY/MALAVIYA 1999, S. 57, PETERSON 2001). Es scheint fahrlässig, die Ergebnisse derartiger Untersuchungen ohne Überprüfung anhand von echten Konsumenten-Zielgruppen zu generalisieren. Die existierenden Erkenntnisse zu den Wirkungen emotionaler Kommunikation sind deshalb insgesamt mit Vorsicht zu genießen, zumal Letztere von vielfältigen Determinanten beeinflusst werden. Emotionale Werbung ist sehr vielschichtig. Hinsichtlich der Klärung, wie sich einzelne Gefühlsarten auf das Verhältnis der Konsumenten zu Marken auswirken und welche besonders verhaltenswirksam sind, steht die Forschung noch am Anfang (MATTENKLOTT 2002, S. 535). Bisher vorliegende Erkenntnisse stammen insbesondere aus Studien zu positiven und negativen Gefühlen sowie (in geringerem Umfang) aus Untersuchungen zu den spezifischen emotionalen Werbereizen Wärme, Humor und Furcht (siehe dazu 4.3.3).
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Emotionale Kommunikation
4.3.1 Konkrete Wirkungen der emotionalen Kommunikation auf die Werbereaktionen 4.3.1.1 Aufmerksamkeit Das Erzielen von Aufmerksamkeit ist grundlegende Voraussetzung für die Wirkung von Werbung. Die (meist gering involvierten) Rezipienten verarbeiten nur diejenigen Werbebotschaften, deren Aktivierungskraft groß genug ist, um für Aufmerksamkeit zu sorgen (SCHEIER 2004, S. 101 ff., TROMMSDORF 2004, S. 50). Der Einsatz emotionaler Werbereize wird als eine der zuverlässigsten und populärsten Methoden zur Erzeugung von Aufmerksamkeit betrachtet (RAMAN/CHATTOPADHYAY/HOYER 1995, BROSIUS/FAHR 1998, S. 65, TROMMSDORF 2004, S. 53). Eine Untersuchung des STERN (2001, S. 38) ergab, dass Printanzeigen, die stark an die Gefühle appellieren, fast dreimal höhere Beachtungswerte erzielen als andere. Diese Erkenntnis wird durch aktuelle Befunde der Hirnforschung untermauert (CARRETIE/MERCADO/TAPIA 2000, S. 1 f.). Indem emotionale Werbereize eine mehr oder weniger starke Aktivierung erzeugen (WITT 1977), wird der Rezipient in eine erhöhte Reaktions- und Funktionsbereitschaft versetzt, die den gesamten Prozess der Informationsaufnahme
und
-verarbeitung
positiv
beeinflusst
(VON
KEITZ
1998,
AMBLER/BURNE 1999, BOLLS/LANG/POTTER 2001, TROMMSDORFF 2004a, S. 49, GRÖPPEL-KLEIN 2004, S. 41). Der Rezipient wendet sich der Werbung länger zu (OLNEY/HOLBROOK/BATRA 1991), nimmt mehr Informationen auf, verarbeitet die Botschaft effizienter und schneller, behält sie besser, beurteilt Produkte selektiver und kann Informationen besser abrufen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 69 ff.). Die bevorzugte Aufnahme (unspezifischer) emotionaler Werbereize wird auch damit erklärt, dass sie ohne große kognitive Betätigung wirken (JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 106). Da nach der so genannten Lambda-Hypothese eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen dem Aktivierungsgrad und den positiven Auswirkungen der Erregung besteht, werden Informationsaufnahme und -speicherung vor allem bei mittleren Aktivierungsgraden begünstigt (siehe z.B. FRANZEN 1994, FELSER 2001, S. 35). Die Gültigkeit dieser Hypothese konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden (GRÖPPEL-KLEIN 2004, S. 37 ff.), dennoch kann sie als Orientierungshilfe dienen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 79). Die Erkenntnis, dass z.B. Furchtappelle nach Überschreiten einer gewissen Schwelle aversiv wirken, wird seit JANIS/FESHBACH (1953) und Folgeuntersuchungen nicht mehr in Frage gestellt (BURNETT/OLIVER 1979). Zu aufmerksamkeitsstarke emotionale Werbereize können von der Werbebotschaft ablenken oder ihr sogar entgegenwirken (TROMMSDORFF 2004a, S. 54, GRÖPPEL-KLEIN 2004, S. 41). WITT (1977) erklärt den von ihm ermittelten negativen Ein-
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Emotionale Kommunikation
fluss von stark erregenden, erotischen Bildmotiven auf die Textverarbeitung mit der relativierten Differenzierungshypothese. Demnach konzentriert sich die Verarbeitungskapazität bei geringem Involvement auf die für den Rezipienten interessanten Elemente (insbesondere Bilder), während produktbezogene Informationen als unwichtig empfunden werden. Den Ausführungen in 4.2.3.2 zufolge kommen Überaktivierungen durch Werbereize, insbesondere durch Anzeigen, allerdings eher selten vor. Die erzeugte Aufmerksamkeit muss mit dem Produkt bzw. der Marke verbunden werden (WÄNKE 2002, S. 491). Voraussetzung dafür ist, dass der emotionale Reiz mit den Botschaften inhaltlich integriert ist und die emotionale Gestaltung als zum Produkt bzw. zur Marke passend empfunden wird. Essenziell für die Aufmerksamkeitswirkung ist zudem selbstverständlich die Relevanz der Botschaften (HAIMERL/LEBOK 2005).
4.3.1.2 Erinnerung Die Erinnerung bzw. das Gedächtnis werden durch Emotionen gestärkt (CAHILL et. al. 1995, 1996, MADDOCK/FULTON 1996, S. 83, AMBLER/BURNE 1999, KLAUER 2000). Emotionale Werbung erzielt demzufolge höhere Erinnerungs- und Wiedererkennungswerte als neutrale Werbung (AMBLER/BURNE 1999). So werden auch Wörter und (Werbe-)Texte besser behalten, wenn ihr Inhalt emotional getönt ist (MATTENKLODT 2002, S. 538, NAGAE/MOSCOVITCH 2002). Je intensiver ein emotionales Erlebnis, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es erinnert wird (LeDOUX 2001, S. 221 ff.). Bestehende positive Gefühle während der Informationsaufnahme bzw. -enkodierung werden beibehalten (YOUN et. al. 2001) und beeinflussen die Art, wie Informationen gespeichert, d.h. im Gedächtnis organisiert, werden. Die bessere Erinnerungsleistung ist auch auf die durch emotionale Reize erzeugte Aktiviertheit zurückzuführen (THUßBASS/FISCHER 2000, S. 51 ff.). Je stärker die emotionale Erregung, desto größer ist die Erinnerungsleistung an gezeigte TV-Spots (FRIEDSTAD/THORSTON 1986, BROSIUS/FAHR 1998). Durch das Erleben emotionaler Erregung wird die Gedächtnisspur des Werbemittels gestärkt und damit „lebhafter“ gemacht (ZAJONC 1980, S. 168 f., ENGLIS 1990, FRIEDSTAD/THORSON 1986, 1993). Dadurch können wiederum die Wahlwahrscheinlichkeit für beworbene Marken erhöht und Vergessensprozesse verlangsamt werden (SCHORR 1999, S. 85). Höhere Erinnerungswerte erzielen insbesondere positive Gefühle wie z.B. Interesse, Sorglosigkeit oder fehlende Irritation (GEUENS/DE PELSMACKER 1998, S. 2).
Emotionale Kommunikation
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Die Erinnerungswirkungen von emotionaler Werbung unterscheiden sich in Hinblick auf das explizite und implizite Gedächtnis (WILLIAMS 2000). Während das explizite Gedächtnis das bewusste Erinnern an spezifische Ereignisse der Vergangenheit betrifft, beinhaltet das implizite Gedächtnis den unterbewussten Einfluss früherer Erfahrungen (PERFECT/HEATHERLEY 1996). Emotionale Reaktionen sind eng mit dem impliziten Gedächtnis verbunden. Emotionale Werbung scheint deshalb einen stärkeren Einfluss auf das implizite als auf das explizite Gedächtnis zu haben. Werbemittel müssen nicht unbedingt wiedererkannt werden, um eine Wirkung auf die emotionalen Präferenzen zu haben (ebd.). So werden Werbemittel, die gesehen, aber wieder vergessen werden, bei einer Wiedervorlage als sympathischer, erinnerungswürdiger und unverwechselbarer empfunden. Dieser Effekt entspricht dem Mere Exposure-Effekt. Die bisherigen Erkenntnisse dazu sowie zur unterschwelligen Wahrnehmung, wonach große Teile der Informationsverarbeitung unterhalb der Bewusstseinsschwelle ablaufen, konnten bislang nicht wirklich überzeugen (zur Kritik siehe z.B. MOORE 1982, POIESZ/ ROBBEN 1994, TROMMSDORFF 2004a, S. 301 f.). Lediglich die Existenz der unterschwelligen Wahrnehmung wurde bestätigt (HÄUSEL 2005, S. 16), nicht jedoch deren postulierte absatzfördernde Wirkung. Unterbewusst aufgenommene Reize scheinen das Konsumentenverhalten zumindest mittelbar über die Anregung der Informationsverarbeitung und Erzeugung emotionaler Markenassoziationen zu beeinflussen. Durch intensive emotionale Appelle kann jedoch auch das explizite Gedächtnis angeregt werden (WILLIAMS 2000, S. 34), wenn die wahrgenommene Geeignetheit emotionaler Botschaften für die Ausführung einer bestimmten Aufgabe erhöht wird („Emotional Integration“, siehe 4.4.4). Intensivere emotionale Stimuli erzeugen stärkere emotionale Reaktionen und nehmen mehr Verarbeitungsressourcen in Anspruch. Emotionale Appelle sollten deshalb eng mit den Konsequenzen von Produktkauf oder -verwendung, d.h. dem emotionalen Nutzen, verknüpft werden, was ein differenziertes Wissen über die Gefühls-, Motiv- und Wertestrukturen der Konsumenten erfordert.
4.3.1.3 Gefallen In der Literatur werden die Begriffe „Gefallen“ und „Einstellung zur Werbung“ häufig synonym verwendet (vgl. z.B. GELB/PICKETT 1985). Sie lassen sich zwar als verwandte Konstrukte begreifen (STEFFENHAGEN 1996, S. 113, VAKRATSAS/AMBLER 1999, S. 31), weisen jedoch wichtige Unterschiede auf. Während Gefallen spontan und vorübergehend sein kann, zeichnen sich Einstellungen durch eine gewisse Dauerhaftigkeit aus. Gefallen wird als Werbewirkungsindikator viel diskutiert (siehe z.B. ZEITLIN/WESTWOOD 1986, HALEY/
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BALDINGER 1991, WEINBERGER/GULAS 1992, WALKER/DUBITSKY 1994, DU PLESSIS 1994), ist allerdings nicht unumstritten. Gefallen ist von Vorteil, reicht alleine jedoch nicht aus (WALKER/DUBITSKY 1994, S. 16, STAPEL 1994, S. 79). Gefallen gilt zumindest als Voraussetzung für positive Einstellungen und Markenloyalität (GIERL 2000, S. 10 ff., STONE/BESSER/LEWIS 2000). Es ist deshalb insbesondere bei solchen Marken bzw. Produkten wichtig, gegenüber denen noch keine gefestigten Einstellungen bestehen (GIERL/SATZINGER 2000, S. 121). Eine emotionale Gestaltung der Werbung erhöht das Gefallen (JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 108, DU PLESSIS 1994, LEATHER/McKECHNIE/AMIRKHANIAN 1994, S. 267). Gefallen führt zu positiven Gefühlen und positiver Stimmung während der Informationsaufnahme. Da hierdurch Aktivierung erzeugt und das Involvement der Rezipienten erhöht wird, ist es ein wichtiger „Gatekeeper“ für die weitere Verarbeitung und Speicherung von Werbemitteln (LEATHER/McKECHNIE/AMIRKHANIAN 1994, DU PLESSIS 1994, WALKER/DUBITSKY 1994, YOUN et. al. 2001). Zudem werden die dargebotenen Werbebotschaften positiver bewertet, da Gefallen der Bildung innerer Gegenargumente entgegenwirkt (JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 34). Gefallensreaktionen dienen gerade unter Low Involvement-Bedingungen als Basis für die Einstellungsbildung und -änderung (FISKE/ NEUBERG 1990, BROWN/STAYMAN 1992, MEYERS-LEVY/MALAVIJA 1999, GIERL/ SATZINGER 2000). Werbestimuli gefallen insbesondere dann, wenn sie als unterhaltsam und relevant empfunden werden und Identifikationspotenziale bieten (FRANZEN 1999, S. 215, DU PLESSIS 1994). BIEL/BRIDGWATER (1990, S. 43 f.) nehmen an, dass die Gefallenseffekte zudem von der Produktkategorie moderiert werden. In einer Studie von YOUN et. al. (2001) werden positive Gefallenseffekte emotionaler Werbestimuli nur für solche Produkte nachgewiesen, die Motive und Werte wie Schönheit, Lust, Macht, Erfolg oder Genuss adressieren und mit einem hohen emotionalen Involvement verbunden sind.
4.3.1.4 Einstellung zur Werbung Es wird allgemein angenommen, dass die Einstellung zur Werbung (Aad) einen bedeutenden Einfluss auf die Einstellung zur beworbenen Marke (Ab) hat (MITCHELL/OLSON 1981, SHIMP 1981, LUTZ/MacKENZIE/BELCH 1983, CACIOPPO/PETTY 1985, GARDNER 1985, MITCHELL 1986, BATRA/RAY 1986, PARK/YOUNG 1983, HOLBROOK/BATRA 1987, OLNEY/HOLBROOK/BATRA 1991). Der Dual Mediation Hypothese zufolge hat Aad
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sowohl direkte als auch indirekte Effekte auf Ab (MITCHELL 1986, MacKENZIE/LUTZ/BELCH 1986, BROWN/STAYMAN 1992, BROWN/HOMER/ INMAN 1998). Hinsichtlich der Literatur zur Wirkung der durch Werbung hervorgerufenen Gefühle auf Aad ist zunächst festzustellen, dass vielfach keine Differenzierung zwischen beiden Konstrukten erfolgt. Zum einen wird Aad häufig als emotionale Reaktion auf die Werbung aufgefasst (siehe 4.2.3.1). Zum anderen erfolgt die Annäherung an die durch Werbung erzeugten Gefühle lteilweise über das Aad-Konstrukt. Zur Erfassung von Aad und den durch Werbung hervorgerufenen Gefühlen werden demzufolge teilweise die gleichen Messinstrumente verwendet (vgl. JENZOWSKY/SCHIMANSKY 2002, S. 584). Bei einer undifferenzierten Betrachtung werden jedoch wichtige Effekte von emotionalen Reaktionen ignoriert (BURKE/EDELL 1989). Einigkeit herrscht darüber, dass die durch Werbung erzeugten emotionalen Reaktionen als Vermittler zwischen emotionalen Reizen und Einstellungen fungieren (HOLBROOK/BATRA 1987, SMITH/FRANKENBERGER/KAHLE 1990, GEUENS/DE PELSMACKER 1998, WILLIAMS/AAKER 2002). Die durch Werbung hervorgerufenen Gefühle beeinflussen Aad und Ab stärker als die kognitiven Reaktionen (HOMER/YOON 1992, GEUENS/DE PELSMACKER 1998). Emotionale Reaktionen verstärken positive Einstellungen gegenüber der Werbung und der Marke – und zwar unabhängig davon, ob sie die deskriptive Ebene, die empathische Ebene oder die individuelle Erfahrungsebene betreffen (STOUT/LECKENBY 1986, 1988). Dabei beeinflussen sie Aad stärker als Ab (STAYMAN/AAKER 1988, STOUT/ HOMER/LIU 1990, GEUENS/DE PELSMACKER 1998), da die Einstellung zur Marke auch durch werbeunabhängige Sachverhalte beeinflusst wird. Die durch Werbung hervorgerufenen Gefühle beeinflussen daneben auch die Werbekognitionen, d.h. die Beurteilung der Werbemitteleigenschaften (BURKE/EDELL 1989). Emotionale Reaktionen scheinen Aad stärker als alle anderen Faktoren zu beeinflussen. Untersuchungen von GEUENS/DE PELSMACKER (1998) zufolge erweisen sich das durch die Werbung erzeugte Interesse sowie der wahrgenommene Emotionalitätsgrad als wichtigste Erklärungsvariable von Aad. Weitere Determinanten sind unter anderem die Glaubwürdigkeit der Werbung, die kognitiven Reaktionen sowie die Einstellung zum Werbetreibenden und zu Werbung generell (MacKENZIE/LUTZ 1989, S. 50, LUTZ/MacKENZIE/BELCH 1993). Der Einfluss der durch Werbung hervorgerufenen Gefühle auf Aad ist bei vertrauten Marken stärker als bei neuen Marken (BROWN/HOMER/INMAN 1998). Dieser Effekt lässt sich dadurch erklären, dass das Sehen bekannter Gestaltungsmerkmale für eine etablierte Marke das Abrufen der emotionalen Markenassoziationen aus der Erinnerung unterstützt.
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Emotionale Kommunikation
4.3.2 Konkrete Wirkungen der emotionalen Kommunikation auf die Markenreaktionen 4.3.2.1 Einstellung zur Marke Ab besteht aus einem Link zwischen einer Marke und einer relevanten Kaufmotivation (ROSSITER/PERCY 1991, S. 100). Dementsprechend ist es essenziell, in der Kommunikation relevante emotionale Motive zu adressieren. In der Literatur besteht allerdings Uneinigkeit darüber, ob die durch Werbung hervorgerufenen emotionalen Reaktionen Ab lediglich indirekt über Aad beeinflussen oder auch direkte Effekte haben können. Über Aad können sich die durch Werbung hervorgerufenen Gefühle auf die Beurteilung der Markeneigenschaften und damit zumindest indirekt auf die Bildung von Ab auswirken (EDELL/BURKE 1987, MacKENZIE/LUTZ 1989, S. 53). Dies scheint zumindest für hoch involvierte Rezipienten zu gelten (MITCHELL/OLSON 1981). Erklärt wird der Effekt von Aad auf die Wahrnehmung der Markeneigenschaften dadurch, dass durch Gefühle eine selektive Produktbeurteilung induziert wird, wodurch die kognitiven Aktivitäten in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Bei angenehmen Gefühlen neigen die Rezipienten dazu, die Werbebotschaft bereitwilliger zu akzeptieren und weniger Gegenargumente zu bilden. Umgekehrt führen negative Gefühle eher dazu, dass Vorstellungen über negative Eigenschaften im Fokus stehen und eher Gegenargumente gebildet werden. Über den peripheren Verarbeitungsweg (vgl. 4.4.2) können durch Werbung erzeugte emotionale Reaktionen Ab auch völlig unabhängig von Beurteilungen der tatsächlichen Markenattribute beeinflussen (BATRA/RAY 1986, BURKE/EDELL 1989). Somit können sich bei identischen Beurteilungen unterschiedliche Einstellungen gegenüber Marken bilden (MITCHELL 1986, S. 20 f.). Manche Autoren gehen davon aus, dass durch Werbung hervorgerufene Gefühle Ab auch direkt beeinflussen können (STAYMAN/AAKER 1988, BURKE/EDELL 1989). STAYMAN/ AAKER (1988) zufolge gilt dies insbesondere für durch positive emotionale Reize hervorgerufene Gefühle und geringe Kontaktintensitäten. Negative Reize bzw. Gefühle scheinen hingegen keinen direkten Einfluss auf Ab zu haben. Dies wird darauf zurückgeführt, dass positive emotionale Reaktionen bei den allerersten Werbekontakten stärker und augenfälliger sind und dadurch einen direkten Einfluss auf Ab haben können. Im Zuge von weiteren Kontakten verschmelzen die emotionalen Reaktionen mit Aad, wobei der moderierende Effekt von Aad auf Ab größer wird. Der vermittelnde Effekt von Aad scheint also keine notwendige Bedingung für die Effekte emotionaler Reaktionen auf Ab zu sein. Diese Befunde stehen allerdings in Kontrast zu älteren Untersuchungen (BATRA/RAY 1986, MITCHELL 1986, HOLBROOK/ BATRA 1987). Eine aktuellere Studie von BROWN/HOMER/INMAN (1998) bestätigt die
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Annahme, dass die durch Werbung hervorgerufenen Gefühle lediglich indirekte Effekte auf Ab haben, wobei diese Effekte durchweg von Aad moderiert werden. Durch die indirekte Beziehung ist der Einfluss der Gefühle auf Ab entsprechend geringer als ihr Effekt auf Aad. Untersuchungen zufolge sind die Effekte von durch Werbung hervorgerufenen Gefühlen auf Ab anders als bei Aad bei neuen Marken stärker als bei etablierten Marken (MACHLEIT/ WILSON 1988, JOHNSON/EAGLY 1989, BROWN/STAYMAN 1992, DERBAIX 1995). Einstellungen gegenüber etablierten Marken werden von durch Werbung hervorgerufenen Gefühlen weniger beeinflusst, da hier bereits relativ stabile Markenschemata bestehen und Werbung auf bestehende Einstellungen nur einen schwachen Einfluss hat (MATTENKLOTT 2002, S. 547). Möglicherweise weicht die Markenvertrautheit die Effekte der emotionalen Reaktionen auf (DERBAIX 1995, S. 470 ff.), wobei sich deren Einfluss allerdings durch eine Erhöhung der Kontaktdosis verstärken lässt (MACHLEIT/WILSON 1988, S. 27).
4.3.2.2 Consideration Set Das Consideration Set betrifft das Set der vom Konsumenten bei einer Kaufentscheidung in Erwägung gezogenen Marken. Synonym wird hierfür der Begriff „Evoked Set“ verwendet (vgl. z.B. KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 385 f.), wobei „Consideration Set“ als präziser und eindeutiger vorgezogen wird (PAULSSEN 1999, S. 5). Beim Consideration Set handelt es sich um ein Wissenskonstrukt, das in engem Zusammenhang mit Ab steht. Während sich Einstellungen allerdings auf das einzelne Einstellungsobjekt beziehen, betrifft das Consideration Set Relationen zwischen Einstellungsobjekten. Es geht um die Bildung von Präferenzen bzw. Rangfolgen. Ziel einer Marke sollte es sein, die Spitzenposition im Consideration Set zu erlangen. Als aufgabenvereinfachende Heuristik hilft das bewusst oder unbewusst wahrgenommene Consideration Set dem Konsumenten, mit komplexen Auswahlentscheidungen umzugehen. Dies spielt insbesondere bei limitierten Kaufentscheidungen eine Rolle (SCHULTE-FRANKENFELD 1985). Ebenso wie der Consumer Insight bezieht sich ein Consideration Set auf eine spezifische Entscheidungssituation. Hierbei muss es sich nicht unbedingt um eine bestimmte Produktkategorie handeln. Ein Consideration Set kann auch einen bestimmten Verwendungszusammenhang (z.B. „Frühstück“) betreffen. Je nach Situation kann sich zudem die Reihenfolge der Marken im Consideration Set ändern. Auf Basis der im Rahmen dieser Arbeit aufgeführten Erkenntnisse wird hier die Auffassung vertreten, dass durch emotionale Werbung die Bildung des Consideration Set beeinflusst werden kann. In der Literatur hat dieser Punkt bislang kaum Berücksichtigung erfahren. Das Con-
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sideration Set-Konstrukt wird überwiegend aus kognitiver Perspektive betrachtet und als Ergebnis kognitiver Prozesse aufgefasst (PAULSSEN 1999). Die existierende Theorie lässt sich um den Einfluss von Emotionen auf das Entscheidungsverhalten erweitern. Bevor näher auf die Wirkungen emotionaler Werbung auf das Consideration Set eingegangen wird, erfolgt zunächst eine kurze Zusammenfassung der Grundannahmen zum Consideration Set. In Zusammenhang mit der Consideration Set-Bildung werden häufig zwei Phasen unterschieden (siehe z.B. ROBERTS/LATTIN 1991, SIDDARTH/BUCKLIN/MORRISON 1995, WU/ RANGASWAMY 1999, VROOMEN/FRANSES/VAN NIEROP 2001): die Consideration Set-Phase (Consideration (Set) Stage) und die Entscheidungsphase (Choice Stage). In der Consideration Set-Phase formt der Konsument eher unbewusst ein Set von Marken, die für einen Kauf in Frage kommen würden. Dabei werden Erinnerungen aus dem Gedächtnis abgerufen. Es handelt sich um einen von der individuellen Zielhierarchie des Konsumenten geleiteten Kategorisierungsprozess (PAULSSEN 1999, S. 60 ff.). Diese Ziele werden als mentale Vorstellungsbilder aufgefasst, die mit Emotionen (erwünscht – unerwünscht) assoziiert sind und die Richtung für das Verhalten angeben. Sie betreffen vor allem das Wertesystem des Konsumenten und sein Selbstkonzept. Das Consideration Set wird auch durch bestehende Einstellungen begrenzt, die die Erwartungen des Konsumenten an ein Produkt bzw. eine Marke ausdrücken (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 396 f.). Die Entscheidungsphase beinhaltet die konkrete Bewertung der im Consideration Set enthaltenen Alternativen, um die für die spezifische Situation am besten geeignete Marke auszuwählen. Mittels der im Gedächtnis gespeicherten Informationen werden die Alternativen geprüft, wozu sukzessive verschiedene Bewertungskriterien herangezogen werden (SHOCKER et. al. 1991), bevorzugt in Form von Schlüsselinformationen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 385). Je nach Involvement suchen die Konsumenten zusätzlich aktiv nach Informationen, um sich über die Alternativen klarer zu werden (WU/RANGASWAMY 1999, S. 10 f.). Bei der Betrachtung des Consideration Set werden Emotionen als zentrale Einflussfaktoren auf das Entscheidungsverhalten der Konsumenten bislang kaum berücksichtigt – wenn, dann eher mittelbar. Bei PAULSSEN (1999) finden Emotionen über die individuelle Zielhierarchie Berücksichtigung, wobei die mit den Zielen assoziierten Emotionen lediglich ein Annäherungs- bzw. Vermeidungsmotiv ausdrücken (erwünscht – unerwünscht). Gleichwohl können die dort aufgeführten Erkenntnisse zu motivationalen Strukturen (Zielhierarchien) die Suche nach Consumer Insight unterstützen, indem sie Aufschluss über Markenpräferenzen geben und die Markenwahl transparenter machen.
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Schon die Bezeichnung „Consideration Set“ betont die kognitive Sichtweise auf das Consideration Set-Konzept. Das englische Verb „to consider“ impliziert ein sorgfältiges Abwägen, Überlegen und Nachdenken im Zusammenhang mit Kaufentscheidungen. Auf Basis der bisherigen Ausführungen ist allerdings anzunehmen, dass sich Consideration Sets auch auf Grundlage emotionaler Eindrücke bilden. Das Konzept des Consideration Set sollte dementsprechend um die Erkenntnisse zum Einfluss von Emotionen auf das Entscheidungsverhalten erweitert bzw. aus Perspektive emotionaler Prozesse betrachtet werden. Die dafür relevanten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. 3.3.2.3): •
Alle Arten von Entscheidungen werden vornehmlich auf der Basis von Gefühlen getroffen. Eine Entscheidung hängt letztendlich davon ab, von welcher Option positivere Gefühle zu erwarten sind. Emotionen wirken als Markierungssignale und lenken die Gedanken (These der somatischen Marker).
•
Emotionale Bewertungen basieren auf dem individuellen Emotions-, Motiv- und Wertesystem des Konsumenten.
•
Starke Markenschemata wirken als Entscheidungsheuristiken, die die Informationsverarbeitung erleichtern bzw. analytische Verarbeitungsprozesse vermindern.
•
Vertraute Marken werden intuitiv ausgewählt. Wenn eine gefühlsmäßige Bindung besteht, werden Werbebotschaften der Konkurrenz mehr oder weniger ausgeblendet.
Die entsprechende Erweiterung des Consideration Set bietet einen dankbaren Ansatzpunkt für weiterführende Forschungsarbeiten. So würde sich z.B. eine (modellhafte) Unterscheidung von eher verstandes- oder gefühlsbetonten Einschätzungen (STEFFENHAGEN 1996, S. 100) innerhalb des Consideration Set empfehlen, je nach bereits bestehenden Markenpräferenzen. Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass durch emotionale Kommunikation auf sämtliche Phasen des Consideration Set, d.h. auf dessen Bildung, die Bewertung der enthaltenen Alternativen und damit auf die letztendliche Markenwahl, Einfluss genommen werden kann. Durch relevante, differenzierende und glaubwürdige emotionale Kommunikation kann es nach der Verdrängungshypothese von HAIMERL/LEBOK (2005) gelingen, Wettbewerber im Consideration Set auf die hinteren Plätze zu verdrängen. Consideration Set und Consumer Insight beeinflussen sich gegenseitig: Zum einen gibt der Consumer Insight die Orientierung für die Entwicklung relevanter, differenzierender und glaubwürdiger emotionaler Kommunikation vor. Zum anderen ist das aktuelle Consideration Set Bestandteil der Konsumenten-
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Emotionale Kommunikation
kenntnis und damit ein wichtiges zu eruierendes Konstrukt bei der Consumer Insight-Suche, das auch über die bestehende Markenbindung Auskunft geben kann.
4.3.2.3 Markenbindung Die Beeinflussung der Markenbindung wird im Rahmen dieser Arbeit als oberstes Ziel der emotionalen Kommunikation betrachtet. Die bisherigen Ausführungen zum Einfluss der emotionalen Kommunikation auf die Markenreaktionen machen jedoch deutlich, dass diese Effekte eher indirekter Natur sind, da die Markenreaktionen von weiteren Faktoren abhängen. Nach der hier vertretenen Auffassung kann emotionale Werbung jedoch durch die Vermittlung relevanter emotionaler Erlebnisse zumindest die Basis für den Aufbau und die Stärkung einer emotionalen Bindung zwischen Marke und Konsument schaffen. Durch emotionale Werbung werden bestimmte Erwartungen an eine Marke aufgebaut, die diese dann in der konkreten Verwendungssituation einlösen muss. Die Erwartungen sind die Bezugsgröße für das Erleben von Zufriedenheit und Unzufriedenheit. Die Wirkungen der emotionalen Reaktionen auf die Markenwahrnehmung werden durch unterschiedliche Qualitäten der Markenbeziehung beeinflusst. Sie beeinflussen die Beziehungsstabilität und die Befriedigung, die der Konsument aus der Markenverwendung zieht (FOURNIER 1998). Eine hohe Beziehungsqualität steht für eine enge Bindung. Sie führt zu einer voreingenommenen Wahrnehmung der eigenen Marke und der Wettbewerbsmarken. Alternativen erfahren eine mehr oder weniger starke Abwertung, während die „eigene“ Marke mit mehr Toleranz betrachtet wird. Bislang steht die Entwicklung von Instrumenten, mit denen die Qualität der Markenbeziehung verlässlich erfasst werden kann, noch aus (SCARABIS/FLORACK 2005, S. 66). Ein erster Ansatz dazu stammt von FOURNIER (1998), die sieben kennzeichnende Dimensionen der Markenbeziehung identifiziert, darunter z.B. freiwillig vs. auferlegt, intensiv vs. oberflächlich und formell vs. informell. Anhand dieser Dimensionen lassen sich fünfzehn Konsumenten-Marken-Beziehungen definieren, die mehr oder weniger emotional geprägt sind (ebd., S. 362). Die Qualität der Markenbeziehung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dabei handelt es sich um Liebe und Leidenschaft für die Marke, Verknüpfung der Marke mit dem Selbstkonzept, Überzeugung, gegenseitige Abhängigkeit, Intimität und die Qualität der Marke als Partner. Eine breitere Überprüfung der Ergebnisse, die auf Basis von nur drei qualitativen Interviews gewonnen wurden, steht bislang noch aus (SCARABIS/FLORACK 2005, S. 66). Die Erkenntnisse sind jedoch anschaulich und können im Rahmen der Consumer Insight-Findung als Suchheuristik dienen.
Emotionale Kommunikation
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Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass die Markenbindung durch eine systematische Adressierung der Einflussfaktoren der Beziehungsqualität gezielt beeinflusst oder zumindest vorbereitet werden kann, indem im Rahmen der emotionalen Kommunikation entsprechende Erwartungen seitens der Konsumenten geweckt werden. Dies könnte z.B. beinhalten, das Selbstkonzept der Konsumenten aufzugreifen und die Marke als dazu passend zu positionieren. Dafür sind wiederum differenzierte Kenntnisse der Emotions-, Motiv- und Wertestrukturen der Konsumenten erforderlich. Zudem ist die bestehende Markenbindung zu ermitteln, die ihrerseits Einfluss auf Wirkungen emotionaler Werbestimuli hat. Zwischen den existierenden Markennutzern und den Nutzern anderer Marken bestehen grundlegende Unterschiede in der Verarbeitung und Bewertung von Werbung (WINTRICH/KILZER 2002). Markenverwender nehmen Werbung für die eigene Marke in sehr viel größerem Umfang wahr als die Nutzer anderer Marken. Zudem sind bei ihnen Erinnerungs- und Gefallenswirkungen ausgeprägter als bei Nichtverwendern (HOFMEYR/RICE 2000). Somit gilt es, im Rahmen der Consumer Insight-Findung Aufschluss zu bekommen über die Markennutzung (Ausmaß, Intensität), die Markenvertrautheit und die Qualität der Markenbeziehung.
4.3.3 Wirkungen spezifischer emotionaler Reize Im Folgenden wird kurz auf Erkenntnisse zu den inhaltlichen Gestaltungselementen Humor, Wärme und Furcht eingegangen, wobei zu Humor die umfangreichste Literatur existiert. Humor Der Humor zählt zweifelsohne zu den populärsten Werbe-Emotionen. Zahlreichen Untersuchungen zufolge gilt humorvolle Werbung als besonders effektiv (vgl. z.B. o.V. 2002, BEHRENS/GROßEROHDE 1999, S. 251 f., MATTENKLOTT 2002, S. 537, KNIEPER/ SCHENK 2002, S. 15 ff., TELLER 2004, S. 66 ff.) und kommt zudem bei den Konsumenten am besten an. So sehen über neunzig Prozent der Konsumenten unabhängig von Geschlecht oder Alter am liebsten lustige, humorvolle Werbung (o.V. 2005a). Wie in 4.2.2.1 ausgeführt, ist Humor als emotionales Stilmittel zu verstehen, nicht als Emotion im Sinne einer emotionalen Reaktion. Humor löst einen Gefühlszustand aus, der aus einer Mischung mehrerer Gefühle besteht und sich mit „fröhlich – freudig – begeistert“ umschreiben lässt (MATTENKLOTT 2002, S. 535). Eine allgemein akzeptierte wissenschaftliche Definition des Humors steht bislang noch aus (BEHRENS/GROßEROHDE 1999, S. 236, HEMPELMANN/LÜRWER 2002, S. 28). Es existiert eine ganze Reihe an Theorien zur Erzeugung bzw. Entstehung von Humor
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(McGHEE 1974, WICKER/BARRON/WILLIS 1980, zitiert in SPOTTS/WEINBERGER/ PARSONS 1997, S. 18, BERGER 1987, UNGER 1995, S. 66 ff., 1996, S. 143 ff., KNIEPER/ SCHENK 2002, S. 3 ff., EISEND 2004, S. 15). Als wichtigste Theorie gilt die Inkongruenztheorie. Inkongruenz äußert sich in der fehlenden Schema-Passung neu aufgenommener Informationen. Humor entsteht über die Wahrnehmung der Inkongruenz, die im nächsten Schritt aufgelöst oder zumindest verstanden wird. Die Wahrnehmung von Inkongruenz ist subjektiv und hängt unter anderem vom Wissen des Rezipienten sowie seinen Werten, Einstellungen und Erwartungen ab. Zu den Erscheinungsformen von Humor gehören z.B. Witz, Ironie, Satire, Parodie, Situationskomik, Übertreibung oder Blödelei (DITTMANN 1978, STERN 1990, S. 25 ff., ZINKHAN/JOHNSON 1994, McCULLOUGH/TAYLOR 1993, S. 17 ff.). Beispiele für humorvolle Werbung sind die Kampagnen von SIXT oder MEDIA MARKT. Zu den Wirkungen von Humor finden sich in der Literatur widersprüchliche Erkenntnisse, wobei sich die meisten Untersuchungen hinsichtlich inhaltlicher oder methodischer Merkmale unterscheiden (EISEND 2004, S. 15 ff.). Die aktuellen theoretischen und empirischen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (BEHRENS/GROßEROHDE 1999, S. 251 f., KNIEPER/SCHENK 2002, S. 15 ff., TELLER 2004, S. 66 ff.): Im Großen und Ganzen beeinflusst Humor die Werbewirkung positiv. Humor steigert die Aufmerksamkeit und das Gefallen, welches sich wiederum positiv auf die Informationsverarbeitung sowie auf Aad auswirkt und die Bildung innerer Gegenargumente verringert. Bestehende positive Einstellungen werden durch Humor verstärkt (CHATTOPADHYAY/BASU 1990). Bei negativen Prädispositionen kann humorvolle Werbung hingegen eher kontraproduktiv wirken. Diese eignet sich damit besonders für Erinnerungswerbung, die kognitive Nachkauf-Dissonanzen reduzieren soll (ERBELDINGER/KOCHHAN 1998, S. 157). Zudem löst Humor positive Gefühle aus, die nach dem Prinzip der emotionalen Konditionierung auf die Marke übertragen werden (GELB/ZINKHAN 1986, EDELL/BURKE 1987, MÄßEN 1998, S. 106 ff.). Nicht eindeutig geklärt sind bislang die Wirkungen von Humor auf die Erinnerung, die Glaubwürdigkeit sowie das Verständnis der Werbebotschaft. Humor scheint die Erinnerung an die beworbene Marke dann zu erhöhen, wenn er in enger Verbindung mit der Werbebotschaft verwendet wird (PERRY et. al. 1999, S. 337 ff.). Die Glaubwürdigkeit der Werbung kann durch einen Produktbezug des Humors gesteigert werden. Das Botschaftsverständnis wird durch Humor oftmals immerhin nicht gestört (MATTENKLOTT 2002, S. 543). Der Einsatz von Humor ist allerdings auch mit substanziellen Risiken verbunden (HALEY/RICHARDSON/BALDWIN 1984, WAGLE 1985, FLAHERTY/WEINBERGER/GULAS 2004). So besteht die Gefahr der Beeinträchtigung von Seriosität und Glaubwürdigkeit der beworbenen
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Marke. Je humorvoller die Werbung bewertet wird, desto höher ist zudem die Gefahr, dass anstelle des Werbeobjekts nur die Produktkategorie erinnert wird (KNIEPER/SCHENK 2002, S. 16). Auch scheint Humor schneller als andere emotionale Reize zu Wear-out-Effekten zu führen, was durch Variationen der humorvollen Botschaft vermieden bzw. gelindert werden kann (BATRA/MYERS/AAKER 1996). Die Wirksamkeit humorvoller Werbereize wird von einer ganzen Reihe von Determinanten beeinflusst (DUNCAN 1980, S. 285 ff., BELCH/BELCH 1984, ZINKHAN/GELB 1987, ZHANG/ZINKHAN 1991, CHO 1995, WEINBERGER et. al. 1995, FISCHER/THUßBAS 2000, FLAHERTY/WEINBERGER/GULAS 2004, EISEND 2004, S. 15 ff.). Zu den wichtigsten Determinanten gehören die Wahrnehmung der Werbung als humorvoll, Zielgruppenbezug sowie Produktbezug des eingesetzten Humors. Das Wahrnehmen von Humor ist an verschiedene Bedingungen geknüpft (WYER/COLLINS 1992, S. 663 ff., GOLDSTEIN 1993, S. 246 f., BEHRENS/ GROßEROHDE 1999, S. 236 ff., KNIEPER/SCHENK 2002, S. 3 ff.). Die aus der Inkongruenz entstehende Überraschung wird von der Schema-Vertrautheit moderiert (ALDEN/MUKHERJEE/HOYER 2000). Schema-untypische Elemente erhöhen die Notwendigkeit, sich intensiver mit dem Spot auseinanderzusetzen (FISCHER/THUBASS 2000). Humor wird von den Rezipienten insbesondere dann positiv beurteilt, wenn Situationen konstruiert werden, die zwar unerwartet, aber im Bereich des Vorstellbaren sind (ALDEN/HOYER 1993). Die Werbung sollte demnach einen Kontrast zwischen dem alltäglichem Leben und dem Unerwarteten, nicht jedoch dem Unmöglichen, herstellen. Humor muss zudem die Zielgruppe ansprechen, sonst wird die Werbung nicht als lustig empfunden (FULGATE 1998, COSTLEY/KOSLOW/GALLOWAY 2002). Die individuellen Humorpräferenzen hängen unter anderem vom Geschlecht, Alter und kulturellem Hintergrund der Rezipienten ab (TELLER 2004). Wichtig ist des Weiteren der Produktbezug des eingesetzten Humors (WEINBERGER/GULAS 1992, WEINBERGER et. al. 1995). Indem der eingesetzte Humor mit dem Produkt verbunden werden kann, werden unter anderem die Erinnerung und die Glaubwürdigkeit positiv beeinflusst. Bei generischen Stimuli drohen Ablenkungseffekte. Nach verbreiteter Meinung eignen sich humorvolle Werbereize insbesondere für Low Involvement-Produkte, begehrenswerte sowie etablierte Produkte wie z.B. Süßigkeiten oder Getränke (vgl. z.B. MELCHERS/KRETZ/RUDOLF 1997, S. 62, WEINBERGER et. al. 1995, MATTENKLODT 2002, TELLER 2004, S. 66). Bei anderen Kategorien werden zu große Gefahren befürchtet, z.B. bei neuen Marken oder Kaufentscheidungen mit hohem Risiko. Allerdings werden in der Praxis auch High Involvement-Produkte wie Autos humorvoll bewor-
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Emotionale Kommunikation
ben (z.B. RENAULT Modus, VW Golf). Denkbar ist zudem, dass unterschiedliche Humortypen für unterschiedliche Produktarten geeignet sind (BEHRENS/GROSSEROHDE 1999, S. 245). Untersuchungen von FLAHERTY/WEINBERGER/GULAS (2004) lassen vermuten, dass das Risiko, dass der Humor von den Rezipienten nicht als humorvoll empfunden wird, weitaus stärkere Effekte auf die Werbewirkung hat als die Produktkategorie. Wärme Wärme wird in der Literatur als Oberbegriff für komplexere Gefühlserlebnisse wie „sentimental“, „warmherzig“, „liebevoll“, „dankbar“ oder „zärtlich“ verwendet (MATTENKLOTT 2002, S. 536). Das Gefühl der Wärme bezieht sich in der Regel auf andere Menschen und die zwischenmenschliche Interaktion. Es wird durch das Erleben einer direkten oder symbolischen Beziehung partnerschaftlicher, familiärer oder freundschaftlicher Art ausgelöst (AAKER/STAYMAN/HAGERTY 1986). Beispiele für Werbung, die sich der Emotion „Wärme“ bedient, sind die Kampagnen für MERCI oder LANDLIEBE. Untersuchungen zufolge haben Werbemittel, die an das Gefühl der Wärme appellieren, einen sehr positiven Einfluss auf die Einstellung zur Werbung (EDELL/BURKE 1987, HOLBROOK/BATRA 1987). Sie werden als besonders sympathisch erlebt (AAKER/STAYMAN/ HAGERTY 1986). Zudem beeinflussen sie Ab sowie die Kaufabsicht, allerdings weniger deutlich als Aad. Gefühle der Wärme lassen sich z.B. anhand des von AAKER/STAYMAN/ HAGERTY (1986) entwickelten Warmth Monitor erfassen (STAYMAN/AAKER 1993, VANDEN ABEELE/MacLACHLAN 1994). Eine stilistische Variante von Wärme ist die Nostalgie. Der Einsatz nostalgischer Werbereize ist in der Werbepraxis seit einigen Jahren sehr populär, insbesondere in den USA. Nostalgie lässt sich als „Sehnsucht nach der idealisierten Vergangenheit“ beschreiben (PASCAL/ SPROTT/MUEHLING 2002, MUEHLING/SPROTT 2004). Bislang hat allerdings nur vereinzelt eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nostalgie stattgefunden. Nostalgische Gefühle lassen sich z.B. durch den Einsatz autobiographischer Werbung wecken, die sich verschiedener, an einem bestimmten Zeitalter orientierter Gestaltungsmerkmale bedient (UNGER/McCONOCHA/FAIER 1991). Beispiele für nostalgische Werbung sind die TVSpots für WERTHER`S ECHTE, STORCK RIESEN oder DR. OETKERs Zupfkuchen. Zum Verständnis nostalgischer Reaktionen spielen kognitive Erinnerungsprozesse eine wichtige Rolle (vgl. BELK 1990). Nostalgische Reaktionen wirken auf die Informationsverarbeitung ein, indem sie die Art der Gedanken, die die Konsumenten während der Werbevorlage haben, beeinflussen. Diese gedanklichen Prozesse beeinflussen wiederum Aad und darüber indirekt
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auch Ab (MUEHLING/SPROTT 2004). Eine bestimmte Form von Nostalgie betrifft die autobiographische Werbung, die den Konsumenten direkt anspricht und ihn an vermeintliche vergangene persönliche Erfahrungen erinnert. Dieser Technik bedient sich z.B. DISNEY in den USA („Erinnern Sie sich daran, wie Sie damals Mickey Mouse die Hände geschüttelt haben?“). Autobiographische Werbung kann die Erinnerung an die eigene Vergangenheit verändern (BRAUN/ELLIS/LOFTUS 2002). Der Rezipient erinnert an ein Ereignis, bei dem er gar nicht persönlich zugegen war (z.B. an einen Besuch in Disneyland). Autobiographische Appelle können somit Einfluss auf das gespeicherte Wissen und auf vorhandene MarkenSchemata haben. Es ist anzunehmen, dass dies bei angenehmen Gefühlen zur Erzeugung emotionaler Identifikation führen kann, wodurch wiederum die emotionale Beziehung zur Marke positiv beeinflusst und die Bindung gestärkt werden können. Nostalgische Werbereize scheinen sich insbesondere für solche Marken zu eignen, die schon lange auf dem Markt sind, eine lange Tradition im Markt haben und eine hohe Vertrautheit genießen. Zudem eignen sie sich für Speichermedien wie Kameras, Musik-CDs oder DVD-Player (PASCAL/SPROTT/ MUEHLING 2002) sowie für Produkte, die mit der Kindheit oder anderen zurückliegenden Erfahrungen in Verbindung gebracht werden können (Süßigkeiten, Brotaufstriche etc.). Furcht Der Einsatz von Furcht gilt als riskant und ist entsprechend umstritten. Auch aktuellere Untersuchungen können keine generelle Empfehlung hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit furchtinduzierender Werbung liefern (GIERL/ELEFTHERIADOU/KONCZ 2003, S. 33 ff.). Furcht ist insbesondere dann für eine effektive Kommunikation von Bedeutung, wenn die Produkt- oder Markenwahl auf negativen Konsummotiven (z.B. Vermeidung unangenehmer Gefühle) beruht (ROSSITER/PERCY/DONOVAN 1991, S. 16). Furchtappelle zeigen Bedrohungen auf und adressieren damit Situationen, die das Individuum vermeiden oder lösen möchte. Durch das Aufzeigen derartiger Ereignisse sollen Furchtreaktionen erzeugt werden, die wiederum für Veränderungen in Einstellungen, Verhaltensabsichten und Verhalten sorgen sollen (LaTOUR/ROTFELD 1997). Furchtappelle werden am häufigsten in der Versicherungswerbung und im Social Marketing-Kontext (z.B. AIDS-Aufklärung, Spendenaufrufe) eingesetzt (vgl. z.B. BAGOZZI/MOORE 1994). Weitere Bereiche sind Schönheit, Gesundheit und Hygiene (z.B. Zahnpflege, Übergewicht, Schuppen). Je nachdem, ob die dargestellte Bedrohung den Rezipienten oder einen Dritten betrifft, lassen sich direkte und indirekte Furchtappelle unterscheiden (ebd., S. 56). Indirekte Furchtappelle sollen empathische Reaktionen auslösen und den Rezipienten dazu bewegen, anderen zu helfen (z.B. durch Spenden). Furcht bringt Men-
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schen dazu, nach Wegen zu suchen, die Bedrohung zu beseitigen oder damit umzugehen (TANNER/HUNT/EPPRIGHT 1991, S. 36). Allerdings stellt Furcht eine sehr individuelle emotionale Reaktion dar, da verschiedene Personen unterschiedliche Dinge fürchten. Eine dargestellte Bedrohung erzeugt nicht bei allen Rezipienten die gleichen Reaktionen. Auch wirkt sich erzeugte Furcht nicht immer auf das Verhalten aus. Die individuellen Reaktionen sind z.B. vom persönlichen Wertesystem des Rezipienten abhängig. Furchtappelle erzeugen komplexe psychophysiologische Erregungsreaktionen, die bislang nicht umfassend erklärt werden konnten (LaTOUR/ROTFELD 1997). Empirische Untersuchungen zur Wirkung von Furchtappellen zeigen widersprüchliche Ergebnisse (vgl. die Übersicht bei TANNER/HUNT/EPPRIGHT 1991, S. 36). Kontrovers wird insbesondere die Beziehung zwischen dem erzeugten Ausmaß an Furcht und der Überzeugungskraft der Werbung diskutiert (WHEATLEY/OSHIKAWA 1970, GELB/HONG/ZINKHAN 1985). Da sich wiederum ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang ergibt, scheint eine mittlere Furchtintensität am besten geeignet zu sein (JANIS 1967, zitiert in TANNER/HUNT/EPPRIGHT 1991, S. 37). Eine eindeutige Wirkungsrichtung lässt sich jedoch nicht nachweisen (BROSIUS/ FAHR 1998, S. 197 ff.). So werden Werbemittel, die Furchtappelle nutzen, generell weder signifikant besser noch schlechter bewertet und auch nicht besser erinnert. Hinsichtlich der Wirkung von Furchtappellen auf die Einstellungen herrscht Uneinigkeit. BROSIUS/FAHR (1998) nehmen an, dass Furchtappelle keine Einstellungsänderung induzieren können. LaTOUR/ROTFELD (1997) identifizieren jedoch indirekte positive Effekte auf Ab und die Kaufabsicht. Je größer die durch den Furchtappell hervorgerufene Erregung ist, desto stärker ist demnach die Überzeugungsreaktion. Auch andere Autoren gehen davon aus, dass Werbung, die gezielt auf das Hervorrufen von negativen Gefühlen abstellt, positive Effekte auf Einstellungen und Verhalten haben kann (STERNTHAL/CRAIG 1974, BURKE/EDELL 1989, BAGOZZI/MOORE 1994). Während positive emotionale Reize zu einer Intensivierung positiver Gefühle führen, scheinen Furchtappelle zu ausgeprägteren empathischen Reaktionen zu führen (MOORE/WILLIAM 1996, S. 37). Furchtappelle sollten generell vorsichtig eingesetzt werden (BROOKER 1980, S. 29 ff.). So können sie unintendierte negative Gefühle auslösen, die während der Werbevorlage nicht mehr ins Gegenteil verkehrt werden. Der Rezipient könnte die weitere Verarbeitung der Botschaften verweigern oder negativ reagieren. Zudem können negative Gefühle, die durch ein Werbemittel hervorgerufen werden, bei wiederholtem Werbekontakt verstärkt werden und zu einem schnellen Wear-out und negativen Einstellungen gegenüber der Werbung und dem Werbetreibenden führen (STAYMAN/AAKER 1988). Da unter Low Involvement-
Emotionale Kommunikation
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Bedingungen eine tiefere Verarbeitung ausbleibt und periphere Hinweisreize wirksam werden, sollte bei gering involvierten Rezipienten auf Furchtwerbung verzichtet werden (MAHESWARAN/MEYERS-LEVY 1990, BLOCK/KELLER 1995, GIERL/ELEFTHERIADOU/KONCZ 2003, S. 33 ff.). Die individuelle Eignung furchtinduzierender Werbung hängt zudem vom jeweiligen Themenbereich ab. Wenn das Thema im unmittelbaren Erfahrungsbereich des Rezipienten liegt, also persönliche Relevanz besitzt, kann z.B. eine höhere Erinnerungswirkung erzielt werden. Das Ausmaß an Furcht sollte dabei umso niedriger sein, je stärker der Rezipient in das Thema involviert ist (WHEATLEY 1971). Vorteilhafte Wirkungen sind zudem insbesondere unter High Involvement-Bedingungen an eine zentrale Bedingung geknüpft: das Aufzeigen einer Lösung für die negativ behaftete Situation (BLOCK/KELLER 1995). Werbung mit Furchtappellen ist nur dann effektiv, wenn der Rezipient das Gefühl hat, die dargestellte Bedrohung auch abwenden zu können (FELSER 2001, S. 397). Dem Konsumenten sollte die Möglichkeit gegeben werden, durch die Produktverwendung bzw. das vorgeschlagene Verhalten negative Gefühle abzubauen oder zu vermeiden. Durch das Aufzeigen einer Lösung werden positive Gefühle ausgelöst.
4.4
Erklärungsmodelle für die Wirkungen emotionaler Kommunikation
Nachfolgend werden ausgewählte Erklärungsmodelle für den Einfluss von Emotionen auf die Werbewirkung betrachtet und dahingehend beleuchtet, welche weiteren Hinweise sich für die Consumer Insight-Findung ableiten lassen. In der Literatur existiert eine Vielzahl von Werbewirkungsmodellen (siehe dazu z.B. STEFFENHAGEN 1996, MOSER 1997, 2002, VAKRATSAS/AMBLER 1999, VON ENGELHARDT 1999). Sie lassen sich grundsätzlich in Stufenmodelle (Hierarchie-der-EffekteModelle) und komplexe Modelle der Werbewirkung unterscheiden (ähnlich KROEBERRIEL/WEINBERG, S. 612). Die Stufenmodelle, zu denen unter anderem die populäre AIDAFormel zählt, gelten längst als überholt, da sie eine lineare Abfolge der Werbewirkungsgrößen unterstellen und die Wirkungsmechanismen stark vereinfachen (vgl. z.B. RATCHFORD/ VAUGHN 1989, S. 293, VAKRATSAS/AMBLER 1999, S. 38). Zu den komplexen Modellen werden hier unter anderem die Zwei-Wege-Modelle wie z.B. das Elaboration Likelihood Model (ELM, vgl. 4.4.2) gezählt. Die Bedeutung der Emotionen wird von vielen populären Werbewirkungsmodellen vernachlässigt, da sie in erster Linie auf kognitive Faktoren abstellen. In den USA wurde deshalb jüngst von der ARF (American Research Foundation) und der AAAA (American Association
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of Advertising Agencies) ein Projekt „Emotion in Advertising“ ins Leben gerufen (KAESS 2004, S. 164). Ziel ist es, auf Basis neuester Erkenntnisse der Hirn- und Werbeforschung adäquatere Werbewirkungsmodelle und Werbeforschungsmethoden zu entwickeln. Ergebnisse stehen bislang allerdings noch aus (Stand Mai 2006, vgl. ARF 2006). Im Folgenden werden ausgewählte Modelle betrachtet, die emotionale Prozesse und Reaktionen bereits mehr oder weniger berücksichtigen und unterschiedliche Annahmen über deren Wirkungsweise treffen. Zum einen werden solche Modelle betrachtet, die in Zusammenhang mit emotionaler Kommunikation in der Literatur häufig zitiert werden, zum anderen solche, die für die vorliegende Arbeit als besonders relevant erachtet werden. Im Einzelnen handelt es sich um das erwähnte ELM, die emotionale Konditionierung, das Modell der Wirkungspfade, das Cognition-Emotion-Model (CEM), das Modell der Transformation von Gefühlen, das MAC-Modell, das P-E-M-Modell, Schematheoretische Erkenntnisse zur Informationsverarbeitung sowie das bedeutungsbasierte Modell der Werbewahrnehmung. Zunächst wird allerdings auf eine zentrale Determinante der Werbewirkung eingegangen, die auch in den meisten Erklärungsmodellen eine wichtige Rolle spielt: das Involvement. Es moderiert den Einfluss vieler anderer Determinanten auf die Werbewirkung. Dementsprechend ist es ein wichtiger Bestandteil der Konsumentenkenntnis und des Consumer Insight.
4.4.1 Involvement als zentrale Determinante der Werbewirkung Der Begriff „Involvement“ bezeichnet die innere Beteiligung bzw. das Engagement, mit dem sich ein Individuum einem Objekt zuwendet (BRUHN 2003, S. 358, KROEBER-RIEL/ WEINBERG 2003, S. 175). Anders ausgedrückt handelt es sich um den Aktivierungsgrad bzw. die Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung (TROMMSDORFF 2004a, S. 56). Das Involvement lässt sich neben der Richtung (Objekt) durch seine Intensität (hoch oder gering) kennzeichnen. Die Intensität des Involvements drückt den Grad der Bereitschaft aus, sich mit einem bestimmten Thema bzw. Objekt zu befassen (ESCH 1998, S. 114). Aus pragmatischen Gründen wird in der Regel von einer Dichotomie hoch – gering ausgegangen, obwohl es sich in der Realität um ein Kontinuum handelt (JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 79, LACHMANN 2002, S. 27 f.). Das Involvement bestimmt unter anderem, welcher Weg der Informationsverarbeitung eingeschlagen wird: Während hohes Involvement zu einer gründlicheren Verarbeitung von Werbebotschaften anregt (CHAIKEN 1980, PETTY/CACCIOPPO 1979, 1981, alle zitiert in JOHNSON/EAGLY 1989), ist der Konsument bei geringem Involvement passiv, ohne inneres En-
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Emotionale Kommunikation
gagement und nimmt die dargebotenen Informationen nur flüchtig und mit geringer Aufmerksamkeit auf (KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 98 ff.). Hierbei geht es um das Botschaftsinvolvement, das das zum Zeitpunkt des Werbemittelkontakts vorliegende Interesse des Rezipienten an einem Thema bezeichnet (LACHMANN 2002, S. 27). Werbung trifft generell auf geringes Involvement. So geht LACHMANN (2001b) davon aus, dass weit über neunzig Prozent der Werberezipienten „low involved“ sind. Aus der Involvementintensität ergeben sich unterschiedliche Ansprachestrategien (LACHMANN 2002, S. 106 ff.). In Abhängigkeit von der objektbezogenen Richtung lassen sich verschiedene Arten von Involvement unterscheiden (ESCH 2003, S. 126, TROMMSDORFF 2004a, S. 48 ff.). Hierzu zählen neben dem Botschaftsinvolvement das Produkt-, Marken-, personenspezifische, Medien- und Situationsinvolvement. In Hinblick auf die Consumer Insight-Findung sind insbesondere das Produkt-, Marken- sowie das personenspezifische Involvement von Interesse. Das Produktinvolvement betrifft die persönliche Relevanz einer Produktwahlentscheidung für den Konsumenten (BATRA/STEPHENS 1994). Nach KAPFERER/LAURENT (1985, 1993) wird es von fünf Determinanten beeinflusst: Interesse, Belohnungswert bzw. Freude/Vergnügen, Ausweisfunktion, Ausmaß des Risikos und Risikowahrscheinlichkeit eines Fehlkaufs. Eine wichtige Determinante ist das Selbstkonzept des Konsumenten (JOHNSON/EAGLY 1989). Während sich das Produktinvolvement auf ein spezifisches Produkt richtet, betrifft das Markeninvolvement die persönliche Relevanz einer Markenwahlentscheidung. Beide Involvement-Arten hängen eng zusammen. Das personenspezifische Involvement wiederum hängt von den Persönlichkeitsfaktoren, insbesondere vom individuellen Emotions-, Motiv- und Wertesystem des Konsumenten ab. In Bezug auf das Produktinvolvement wird in der Literatur verschiedentlich eine Unterscheidung zwischen High und Low Involvement-Produkten vorgenommen, wofür unterschiedliche (emotionale oder informationale) Ansprachestrategien vorgeschlagen werden (vgl. z.B. WEINBERGER et. al. 1995, S. 46 ff.). Aufgrund zunehmend homogener Produkte und eines sinkenden Fehlkaufrisikos sind viele Kategorien zunehmend durch geringes Involvement geprägt (STEFFENHAGEN 1996, S. 34). Die Einteilung erfolgt in Abhängigkeit vom wahrgenommenen Kaufrisiko und der Unterscheidbarkeit der Alternativen (ZAICHKOWSKY 1984). Die Erfassung des Produktinvolvement kann z.B. anhand der Revised Personal Involvement Inventory Scale von ZAICHKOWSKY (1985, 1987) erfolgen. Zu den High InvolvementProdukten gehören insbesondere solche Kategorien, die eng mit dem Selbstkonzept bzw. dem Bedürfnis
nach
sozialer
Anerkennung
oder
Selbstverwirklichung
verknüpft
sind
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Emotionale Kommunikation
(STEFFENHAGEN 1996, S. 33). Hinweise auf derartige High Involvement-Produkte liefert eine Untersuchung von MEFFERT/SCHRÖDER/PERREY (2002) zur Relevanz von Marken in bestimmten Produktkategorien. Demnach sind Marken in den Kategorien DesignerSonnenbrillen, Zigaretten, Bier und Automobile am relevantesten, während sie bei Papiertaschentüchern und Strom am wenigsten wichtig sind. Pauschale Aussagen zur Einordnung von Produktkategorien als High oder Low Involvement-Produkte machen aus der hier vertretenen Sicht allerdings wenig Sinn. Involvement ist keine produktimmanente Eigenschaft, sondern abhängig von der Situation (JECK-SCHLOTTMANN 1987, HAIMERL/LEBOK 2005). Selbst Low Involvement-Produkte wie Papiertaschentücher können von höchstem Interesse sein – dann, wenn sie dringend benötigt werden. Hohes Involvement entsteht meist erst kurz vor oder nach dem Kauf, also in unmittelbarer zeitlicher Nähe dazu (LACHMANN 2002, S. 30
ff.).
Zudem
lassen
sich
Produktkategorien
kaum
vergleichen,
weshalb
KAPFERER/LAURENT (1985, 1993) wie erwähnt für eine differenzierter Betrachtung des Involvements plädieren. Grundsätzlich kann zwischen lang- und kurzfristigem Involvement unterschieden werden (ESCH 2003, S. 126). Das langfristige Involvement ist insbesondere für die Markenpositionierung relevant. Es weist eine emotionale und eine kognitive Richtung auf, wobei in diesem Zusammenhang auch von emotionalem und kognitivem Involvement die Rede ist (PARK/ YOUNG 1983, JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 76 f., BUCK/CHAUDHURI 1994, S. 110, ESCH/LEVERMANN 1995). Das kognitive Involvement bezieht sich auf die Tiefe und Qualität der kognitiven Reaktion des Konsumenten (BUCK/CHAUDHURI 1994, S. 110) und entspricht damit dem Involvement in der bisher beschriebenen Form. Das emotionale Involvement betrifft hingegen die gefühlsmäßige Hingezogenheit des Konsumenten zu einem Thema oder Objekt (Marke). Ist diese hoch ausgeprägt (z.B. bei Autos, Kleidung oder Uhren), so weist der Konsument „High Involvement-Verhaltensweisen“ auf, die sich allerdings von denen des kognitiven Involvement unterscheiden (JECK-SCHLOTTMANN 1987, S. 76). Der Konsument denkt vor dem Kauf nicht groß über ein Angebot nach, sondern möchte es „einfach haben“. Er sammelt nur wenige Informationen und vergleicht kaum. Die emotionale Hingezogenheit überwiegt und unterdrückt die Kognitionen. Die Schaffung von emotionalem Involvement ist eines der wichtigsten Ziele der emotionalen Kommunikation (AAKER 2000, S. 59). Emotionales Involvement entwickelt sich durch positive emotionale Bewertungen bzw. Assoziationen, die mit Produkten und Marken verknüpft werden. Es hängt eng mit dem individuellen Emotions-, Motiv- und Wertegefüge und dem Selbstkonzept des Konsumenten zusammen (MITTAL 1989, JOHNSON/EAGLY 1989). Der Kauf bestimmter Produkte be-
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friedigt persönliche „Lustmotive“ und bereitet Freude. Im Allgemeinen wird emotionales Involvement mit solchen Produkten in Zusammenhang gebracht, die emotionale oder expressive Motive bedienen (PARK/YOUNG 1983). Bei hohem emotionalem Involvement ist der Einfluss der Emotionen auf das Entscheidungsverhalten besonders stark. Periphere Prozesse dominieren die Informationsverarbeitung. Die Markenpräferenz kann sich allein durch wiederholten Kontakt mit der Werbung entwickeln (emotionale Konditionierung, siehe 4.4.2). Mit Produkten, die expressive Motive bedienen, kann jedoch ein soziales Risiko verbunden sein, das wiederum eine erhöhte kognitive Aktivität und das Bilden von Gegenargumenten anregt. Dies gilt z.B. für sozial auffällige Produkte wie Luxuswagen. Emotionales und kognitives Involvement schließen sich nicht gegenseitig aus, in der Regel existieren Mischformen. In Abhängigkeit von der jeweiligen Ausprägung des emotionalen und kognitiven Involvement geben ESCH/LEVERMANN (1995), ESCH (2003, S. 127 ff.) Empfehlungen für eher emotionale oder informative Ansprachestrategien, die allerdings wiederum lediglich als erste Orientierungshilfe betrachtet werden sollten. Hier wird angenommen, dass das Involvement, insbesondere das emotionale Involvement, nicht als gegeben hinzunehmen ist, sondern sich durch emotionale Kommunikation beeinflussen lässt.
4.4.2 ELM und emotionale Konditionierung Das Elaboration Likelihood Model (ELM) von PETTY/CACIOPPO (1981, 1986) geht davon aus, dass in Abhängigkeit von der Motivation (= Involvement) der Rezipienten sowie deren Fähigkeit zur Informationsverarbeitung zwei unterschiedliche Wege eingeschlagen werden, die sich hinsichtlich der Tiefe und Bewusstheit der Verarbeitung unterscheiden: die zentrale und die periphere Route. Sind sowohl die Motivation als auch die Fähigkeit zur Verarbeitung hoch ausgeprägt, so wird die zentrale Route der Informationsverarbeitung eingeschlagen. Diese beinhaltet ein sorgfältiges Abwägen der dargebotenen Argumente, deren Qualität somit entscheidend ist. Auf zentralem Wege gebildete Einstellungen sind robuster, resistenter und besser geeignet, Anhaltspunkte über das zukünftige Verhalten der Konsumenten zu geben als solche, die auf peripherem Wege zustande kommen. Sind die Motivation und/oder die Fähigkeit zur Verarbeitung hingegen niedrig ausgeprägt, so wird die periphere Route eingeschlagen. Hierbei handelt es sich um eine unterbewusste, eher affektive Verarbeitung. Da ein Großteil der Rezipienten im Allgemeinen nur gering involviert ist, wird vielfach davon ausgegangen, dass Werbung heute meist unter peripheren Bedingungen wirkt (LACHMANN 2001b). In diesem Fall können periphere, unspezifische Hinweisrei-
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ze wie die Attraktivität eines Darstellers für eine Einstellungsbildung oder -änderung sorgen. Sie lösen emotionale Assoziationen und simple Inferenzen aus (FISHER GARDIAL et. al. 1993, S. 25 ff.). Durch die peripheren Reize werden angenehme Gefühle erzeugt, die dazu führen, dass die Werbung als sympathisch empfunden wird. Diese positive Einstellung wird auf die Marke übertragen. Auf peripherem Wege lässt sich die Einstellung zu einer Marke somit auch ohne jede sachliche Information verändern (GHAZIZADEH 1987, S. 152, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 135). Die Werbewirkung hängt dann vor allem von der Einstellung zur Werbung und der Häufigkeit der Darbietung ab (MOSER 2002, S. 470 f.). Allerdings sind die auf peripherem Wege gebildeten Einstellungen oberflächlicher, weniger dauerhaft und kaum resistent gegen andere Einflüsse. Bei peripherer Verarbeitung sind eine hohe Qualität der Gestaltung und das Wecken angenehmer Gefühle wichtig. Dazu lassen sich insbesondere Reize mit starker Signalwirkung, z.B. biologisch programmierte Schlüsselreize, oder ausgeprägte Erlebnisschemata nutzen. MEYERS-LEVY/MALAVIYA (1999) erweitern das ELM und postulieren mit der erfahrungsbasierten Verarbeitung eine dritte Route. Diese beschreibt die geringste gedankliche Verarbeitungstiefe der Werbebotschaft (GIERL/SATZINGER 2000, AMBLER 2000). Die erfahrungsbasierte, noch stärker heuristische Verarbeitung basiert vor allem auf emotionalen Reaktionen und Wiedererkennungseffekten (Assoziationen, Gefühlen der Vertrautheit). Dieser Weg scheint vor allem bei einander sehr ähnlichen Produkten eingeschlagen zu werden, wie auch die Arbeit von PLASSMANN (2006) auf Basis der Hirnforschung bestätigt. Das ELM ist insbesondere in der Literatur zur emotionalen Kommunikation sehr populär. Das Grundkonzept hat allgemeine Anerkennung gefunden, wobei zentrale Annahmen allerdings in Frage zu stellen sind. So wird davon ausgegangen, dass emotionale Reize per se peripher verarbeitet werden, was bereits in Abschnitt 4.2.2.3 kritisiert wurde. Ein Grund dafür liegt womöglich darin, dass im ELM keine differenzierte Betrachtung emotionaler Werbestimuli erfolgt, sondern Emotionen lediglich als potenzielle Einflussgrößen und periphere Hinweisreize aufgefasst werden, die eher unterbewusst aufgenommen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird angenommen, dass emotionale Werbestimuli sowohl periphere als auch spezifische emotionale Reize und informative Gestaltungsmerkmale enthalten können. Abgesehen davon gilt die Annahme, dass Gefühle lediglich eine periphere Rolle spielen, inzwischen als widerlegt (PHAM et. al. 2001 und die Ausführungen in 3.3.2.3). Emotionen haben auch bei zentraler Verarbeitung einen großen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten. Bei geringem Involvement wirken hingegen in erster Linie die peripheren Hinweisreize. Emotionale Elemente von Werbemitteln werden jedoch sowohl von hoch als auch niedrig involvierten Personen
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bevorzugt aufgenommen (JECK-SCHLOTTMANN 1987). Das Modell geht zudem davon aus, dass die beiden Routen unabhängig voneinander existieren und entweder der periphere oder der zentrale Weg eingeschlagen wird. Diese Annahme trifft nicht zu, da periphere und zentrale Verarbeitungsmechanismen gleichzeitig auftreten können (MacKENZIE/LUTZ 1989, S. 51). Werbung muss demnach auf beiden Wegen arbeiten können. Die Qualität der Gestaltung darf ebenso wenig vernachlässigt werden wie die Qualität der Argumente. Zudem kann sich das Involvement der Konsumenten situationsabhängig ändern, wodurch die Notwendigkeit einer Emotio-Ratio-Balance untermauert wird. Emotionale Botschaften sind auch und gerade bei High Involvement von Bedeutung (HÄUSEL 2005, S. 100). Dem peripheren Weg der Verarbeitung im ELM entspricht die emotionale Konditionierung, die insbesondere unter Low Involvement-Bedingungen vielfach als wichtigste Emotionalisierungstechnik angesehen wird (GHAZIZADEH 1987, DIETERLE 1992, S. 52, KROEBERRIEL/WEINBERG 2003, S. 129 ff., KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 161 f.). Es handelt sich dabei um eine spezielle Form der klassischen Konditionierung, die wiederum als eines der elementarsten Lernprinzipien gilt. Nach dem Prinzip der emotionalen Konditionierung sind Objekte oder Personen in der Lage, emotionale Reaktionen hervorzurufen. Im Bereich der Werbeforschung wurde vor allem das HOBA-Experiment bekannt, bei dem die fiktive Seifenmarke HOBA mit angenehmen Gefühlen assoziiert und ein emotionales Erlebnisprofil geschaffen wurde (vgl. dazu KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 133 ff.). Die emotionale Konditionierung basiert auf der Annahme, dass eine Marke, die in der Werbung wiederholt mit emotionalen Reizen dargeboten wird, für die Rezipienten einen emotionalen Erlebnisgehalt erhält (KROEBER-RIEL/ESCH 2004, S. 225). Ein neutraler Reiz (konditionierter Stimulus, z.B. ein Markenname wie BECK’S) wird dabei zusammen mit einem aktivierenden Reiz (unkonditionierter Stimulus, z.B. das Bild eines grünen Segelschiffs) dargeboten. Der aktivierende Reiz soll angenehme Gefühle auslösen und bestimmte Assoziationen hervorrufen. Als aktivierende Reize lassen sich nahezu alle formalen Gestaltungselemente einsetzen. Die positive Reaktion, die ursprünglich durch den unkonditionierten Reiz hervorgerufen wurde, wird auf den neutralen Stimulus übertragen, wodurch neue Reiz-Reaktions-Beziehungen geschaffen werden (ebd., S. 224). Der Markenname alleine ist dann in der Lage, angenehme Gefühle und Assoziationen auszulösen. Im Ergebnis können die Bewertung der Marke und damit die Einstellung zur Marke beeinflusst werden. Die emotionale Konditionierung wird auch als gefühlsmäßige Variante der Produktdifferenzierung bezeichnet (TROMMSDORFF 2004a, S. 80). Die Konditionierungswirkung hält auch bei sehr hoher Kontaktintensität an
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(PECHMANN/STEWART 1989, S. 316), wodurch bei emotionaler Werbung mit einem verzögerten Wear-Out-Effekt zu rechnen ist (STUART/SHIMP/ENGLE 1987). Obwohl die emotionale Konditionierung neben dem HOBA-Experiment in weiteren Untersuchungen nachgewiesen werden konnte (GHAZIZADEH 1987, STUART/SHIMP/ENGLE 1987), ist sie nicht ohne Kritik geblieben (vgl. z.B. ALLEN/SHIMP 1990). Die emotionale Konditionierung basiert auf der Annahme, dass sich aufgrund des automatischen Prozesses jeder beliebige Markenname mit Gefühlen aufladen lässt, was sich empirisch nicht bestätigen lässt (MATTENKLOTT 2002, S. 552). Der Erfolg der emotionalen Konditionierung hängt von einer ganzen Reihe von Bedingungen und Determinanten ab (BEHRENS 1991, S. 274 ff., KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 137). So sind unter anderem zeitliche und räumliche Nähe zwischen Stimulus und unkonditioniertem Reiz, zahlreiche Wiederholungen sowie Kontinuität und Konsistenz der Werbebotschaft erforderlich. Zudem müssen die aktivierenden Reize intensiv genug sein. Die Verbindung von Marken und emotionalen Erlebnissen erfolgt außerdem nur dann, wenn die emotionalen Assoziationen für den Rezipienten Sinn machen (MATTENKLOTT 2002, S. 543 ff.) und zur Marke bzw. Kategorie passen. Stehen sie im Widerspruch zu bestehenden Erfahrungen, so können die Konditionierungswirkungen eingeschränkt oder aufgehoben werden (KROEBER-RIEL 1988, S. 124). Dann entstehen allenfalls schwache Verbindungen zwischen Marke und emotionalem Erlebnis. Gerade bei den aktivierenden Reizen besteht zudem die Gefahr hoher Austauschbarkeit. Die aktivierenden Reize müssen von den im Markt genutzten Reizen abweichen, damit bestehende Markenschemata verändert oder neue gebildet werden können. Zusammenfassend lässt sich nun Folgendes festhalten: ELM und emotionale Konditionierung bilden lediglich einen Teilbereich der Wirkungen emotionaler Kommunikation ab: den der peripheren emotionalen Hinweisreize und Verarbeitung unter Low Involvement-Bedingungen. Positive Werbewirkungen sind an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, insbesondere Relevanz, Markenpassung und Differenzierung der emotionalen Reize. Da jedes noch so kleine Detail Wirkungen entfalten kann, ist zudem jedem Element der Werbegestaltung Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Einfluss der Emotionen auf kognitive Prozesse wird in den Modellen ignoriert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass emotionale Werbebotschaften auch auf die zentrale Verarbeitung einwirken bzw. zentral verarbeitet werden, da emotionale Reize nicht nur emotionale, sondern auch kognitive Prozesse auslösen. Zudem regen positive Assoziationen die Informationsverarbeitung an (GOODSTEIN 1993, S. 90) und erhöhen die Botschaftsakzeptanz (MacKENZIE/LUTZ/BELCH 1986).
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4.4.3 Modell der Wirkungspfade und CEM Die folgenden Modelle zählen wie das ELM zu den Zwei-Wege-Modellen und unterscheiden dementsprechend verschiedene Wirkungsmuster der Werbung. Sie bilden den Einfluss der Emotionen auf die Informationsverarbeitung jedoch umfassender und realistischer ab. Im Modell der Wirkungspfade von KROEBER-RIEL (1981) entstehen die Wirkungsmuster durch Verknüpfungen von verschiedenen Komponenten wie Aufmerksamkeit, emotionalen und kognitiven Prozessen sowie Einstellungen und Kaufabsicht (MEFFERT 2000, S. 699, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 612 ff.). Anders als im ELM erfolgt hier keine Unterscheidung zwischen peripherer und zentraler Verarbeitungsroute, da sowohl kognitive als auch emotionale Prozesse für sich genommen signifikante Einstellungs- und Verhaltenseffekte auslösen können. Das Zustandekommen der Wirkungsmuster wird durch das Involvement (hier: Aufmerksamkeit) sowie die Art der dargebotenen Werbereize (emotional, informativ oder gemischt) beeinflusst. In Abhängigkeit davon werden verschiedene Konstellationen der Werbewirkung unterschieden (ebd., S. 621 ff.). Im Rahmen dieser Arbeit sind insbesondere die Konstellationen für die emotionale und gemischte Werbung von Interesse. Rein emotionale Werbestimuli lösen vorrangig emotionale Prozesse aus, die aktivierend wirken und – zumindest bei hohem Involvement – die weitere kognitive Verarbeitung anregen (vgl. Abbildung 4-3). So sorgen sie unter anderem für eine selektive Produktbeurteilung. Der Konsument hat Wissen über die typischen Produkteigenschaften gespeichert, z.B. „Frische“ als typisches Merkmal von Bier. Werden durch die Werbung angenehme Gefühle hervorgerufen, so werden aus der Menge des gespeicherten Produktwissens vor allem Vorstellungen über positive Eigenschaften zu Tage gefördert. Die emotionalen Prozesse wirken auch direkt auf die Einstellung ein, indem die emotionalen Erlebnisse direkt mit der Marke bzw. den Produkteigenschaften assoziiert werden (emotionale Konditionierung). In geringerem Umfang werden Informationen unmittelbar einer kognitiven Verarbeitung zugeführt. Die Einstellungsbildung erfolgt durch das Zusammenwirken emotionaler und kognitiver Prozesse. Dieser Wirkungspfad birgt jedoch Gefahren. Wenn sich hoch involvierte Rezipienten gedanklich mit emotionaler Werbung auseinandersetzen, werden widersprüchliche Aussagen eher erkannt und Gegenargumente gegen die Werbebotschaft formuliert als bei gering involvierten Konsumenten. So reizen z.B. emotionale Bildmotive, die in keinem sachlichen Zusammenhang zum Produkt stehen, zum Widerspruch. Bei gering involvierten Rezipienten wirkt die emotionale Werbung ausschließlich nach dem Prinzip der emotionalen Konditionierung. Durch häufige Wiederholung wird eine emotionale Bindung zur Marke hergestellt.
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Abbildung 4-3:
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Wirkungspfade bei emotionalen Werbestimuli (Quelle: KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 627 f.)
Bei gemischten Werbestimuli und hohem Involvement laufen komplexe Wechselwirkungsprozesse ab, bei denen sich mehrere Wirkungspfade verbinden. Es finden ausgeprägte emotionale und informative Prozesse der Einstellungsbildung statt. Dies entspricht im unten besprochenen CEM dem Wirkungspfad bei hohem emotionalem und kognitivem Involvement. Bei geringem Involvement erfolgt die Einstellungsbildung wiederum auf peripherem Weg. Das Modell der Wirkungspfade ist aus mehreren Gründen als Erklärungsmodell für die Wirkungen emotionaler Kommunikation geeignet. Zunächst berücksichtigt es die verschiedenen Arten von Werbestimuli. Zudem wird herausgestellt, dass kognitive und emotionale Prozesse zusammenwirken. Zentrale Wirkungsbedingung ist die Produkt- bzw. Markenpassung der emotionalen Reize. Bei der Werbegestaltung sind negative Effekte durch Ablenkungs- und Kontexteffekte zu beachten (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 630). Kritisch anzumerken ist hier, dass das Konsumenten-Involvement als gegeben hingenommen wird und emotionale (und gemischte) Werbestimuli somit bei gering Involvierten lediglich auf periphe-
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rem Wege verarbeitet werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird angenommen, dass sich das kognitive Involvement durch emotionale Kommunikation beeinflussen lässt. Zudem werden Faktoren wie (emotionale) Erfahrungen, Wissen und Erwartungen als relevant für die Werbewirkung und Informationsaufnahme angesehen, jedoch nicht in das Modell integriert Das Cognition Emotion Model (CEM, siehe JAEKEL 1997, S. 26 ff.) basiert auf dem Modell der Wirkungspfade. Auch hier finden Emotionen als Wirkungsfaktor explizit Beachtung. Es wird angenommen, dass Werbung sowohl kognitive als auch emotionale Vorgänge auslösen kann. Kognitive Prozesse werden in erster Linie von Argumenten, emotionale Effekte vor allem von peripheren Hinweisreizen verursacht. Das Modell berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen kognitiven und emotionalen Prozessen, wobei angenommen wird, dass die Wirkungen von Emotionen auf Kognitionen stärker sind als umgekehrt. Dies ist konsistent mit Erkenntnissen der Emotionsforschung, wonach Emotionen stärker als Kognitionen sind und diese verdrängen können. Begründet wird dieser Umstand damit, dass die Verbindungen von emotionalen zu kognitiven Hirnsystemen stärker sind als umgekehrt (LeDOUX 2001, S. 22). Im CEM haben sowohl das kognitive als auch das emotionale Involvement Einfluss auf die Art der Informationsverarbeitung. Je nach deren Ausprägung ergeben sich vier Wirkungspfade (siehe dazu unten Abbildung 4-4). Bei hohem kognitivem und niedrigem emotionalem Involvement dominieren kognitive Prozesse, die durch die Botschaftsargumente verursacht werden und die Einstellung zur Marke stärker als emotionale Prozesse beeinflussen. Gleichwohl werden durch periphere Hinweisreize emotionale Prozesse ausgelöst, die ebenfalls direkt und indirekt über eine Beeinflussung der kognitiven Prozesse auf die Einstellung zur Marke wirken. Bei hohem kognitivem und hohem emotionalem Involvement wird die Einstellung zur Marke sowohl durch emotionale als auch durch kognitive Prozesse in gleichem Umfang beeinflusst. Dabei wirken die emotionalen Prozesse stark auf die kognitiven Prozesse ein. Bei niedrigem kognitivem und niedrigem emotionalem Involvement sind beide Wege nur schwach ausgeprägt. Bei niedrigem kognitivem und hohem emotionalem Involvement dominieren emotionale Prozesse. Gleichwohl werden durch die dargebotenen Argumente in schwächerem Ausmaß kognitive Prozesse ausgelöst, die ebenfalls auf die Einstellung zur Marke wirken und dabei stark durch die emotionalen Prozesse beeinflusst bzw. gesteuert werden.
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Hohes kognitives Involvement Niedriges emotionales Involvement
Hinweisreiz
Hohes emotionales Involvement
Emotionen
Hinweisreiz
Emotionen
Einstellung zur Marke Argument
Gedanken
Einstellung zur Marke Argument
Gedanken
Niedriges kognitives Involvement Niedriges emotionales Involvement Hinweisreiz
Emotionen
Argument
Gedanken
Hohes emotionales Involvement Hinweisreiz
Emotionen
Einstellung zur Marke
Abbildung 4-4:
Einstellung zur Marke Argument
Gedanken
Das Cognition Emotion Modell (in Anlehnung an SILBERER 1999, S. 139)
Auch das CEM eignet sich aus mehreren Gründen als Erklärungsmodell für die Wirkungen emotionaler Kommunikation. Das Modell berücksichtigt, dass Werbestimuli in der Regel sowohl Argumente als auch Hinweisreize beinhalten. Zudem wird das emotionale Involvement einbezogen, das in Hinblick auf die Markenbeziehung von großer Bedeutung ist. Das Modell untermauert zudem die Notwendigkeit einer Produkt- bzw. Markenpassung der emotionalen Reize. Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen emotionalen und kognitiven Prozessen ist es notwendig, dass die Rezipienten das Werbeobjekt mit dem emotionalen Werbereiz verbinden, damit dessen Wirkungen in die richtige Richtung gehen. Allerdings wird auch hier wieder angenommen, dass das kognitive Involvement durch emotionale Werbung nicht verändert werden kann und dessen Auswirkungen „hinzunehmen“ sind. Zudem wird zwar zwischen Hinweisreizen und Argumenten unterschieden, spezifische emotionale Reize finden jedoch keine explizite Berücksichtigung. Hier empfiehlt sich eine differenziertere Betrachtung. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die beiden Modelle eine gute Grundlage für die Erklärung der emotionalen Werbewirkungen darstellen, wobei das CEM aufgrund der Einbe-
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ziehung des emotionalen Involvement den aktuelleren Erkenntnissen entspricht. Zudem beziehen beide Annahmen aus dem ELM mit ein (Existenz und Wirkung peripherer Reize).
4.4.4 Modell der Transformation von Gefühlen In 4.2.3.2 wurden drei Ebenen emotionaler Reaktionen im engeren Sinne unterschieden: deskriptive Ebene, empathische Ebene und individuelle Erfahrungsebene. Es ist zu vermuten, dass in Hinblick auf die Schaffung von Markenbindung insbesondere die empathischen Reaktionen auf Werbestimuli von Bedeutung sind. Hinweise darauf liefert das von WELLS entwickelte Modell der Transformation von Gefühlen (vgl. dazu MATTENKLOTT 2002, S. 547 ff.). Demnach entsteht über das Erzeugen empathischer Reaktionen eine Verbindung zwischen dem Darsteller in der Werbung und dem Rezipienten. Der Rezipient fühlt die Gefühle des Protagonisten in Zusammenhang mit der Produktverwendung nach und verbindet diese mit dem Produkt. Daraus kann wiederum eine enge emotionale Bindung an das beworbene Produkt bzw. die Marke resultieren. In diesem Zusammenhang wird auch von transformationaler Werbung gesprochen (PUTO/WELLS 1984, PUTO/HOYER 1990), die eine Subkategorie der emotionalen Werbung darstellt (JOURDAN 1999, S. 507). Das emotionale Erlebnis wird bei Vorlage der Werbung derart mit der Marke oder dem Produkt verbunden, dass der Konsument nicht an die Marke denken kann, ohne das emotionale Erlebnis zu erinnern (PUTO/WELLS 1984, S. 638). Die Werbung zeigt Menschen, die sich bei der Verwendung oder dem Besitz bestimmter Marken oder Produkte offensichtlich wohl fühlen, weil die Marke relevante Konsummotive trifft. Diesbezüglich lassen sich informationale und transformationale Kaufmotive unterscheiden (siehe 3.3.3.1). Während die transformationalen Motive positiver Natur und mit einer Antriebssteigerung verbunden sind sowie eine Transformation des sensorischen, mentalen oder sozialen Zustandes beinhalten, weisen die informationalen Motive eine negative Richtung auf und führen zu einer Antriebsreduktion. Der Konsument assoziiert die Marke mit den erzeugten Gefühlen und verbindet sie mit dem emotionalen Nutzen, angenehme Gefühle zu erzeugen oder unangenehme zu vermeiden. Dadurch entsteht eine emotionale Bindung an das Produkt bzw. die Marke, die allerdings durch die konkrete Produkterfahrung bestätigt werden muss. Für die Transformationswirkung sind also mehrere Schritte notwendig (KAMP/MacINNIS 1995, S. 21 ff., vgl. auch unten Abbildung 4-5): Die Werbung muss zunächst eine Verbindung zwischen der Marke und dem Werbeprotagonisten herstellen. Dazu müssen die emotionalen Reaktionen des Darstellers unmittelbar mit der Produktnutzung verbunden werden („Emotional Integration“, siehe auch weiter unten). Der Rezi-
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pient muss die dargestellten Gefühle dann nachfühlen, um sie eng mit der Marke und ihrer Nutzung zu verbinden. Durch das Erzeugen empathischer Reaktionen entsteht eine Verbindung zwischen Darsteller und Rezipient.
Protagonisten der Werbung
Produktverwendung verspricht angenehme Gefühle
Stellen Gefühle als Folge der Markennutzung dar (Emotional Integration)
Konsumenten
Gefühle als Motive des Konsumentenverhaltens Transformationell
Informationell
• Sensorische Belohnung • Intellektuelle Stimulation • Soziale Anerkennung
Transformation unangenehmer Gefühle in angenehme
Empfinden dargestellte Situation als glaubwürdig und Marke als relevant Kauf der Marke Empathische Reaktionen Bestätigung der versprochenen Gefühle
Fundament für die Markenbindung
Abbildung 4-5:
Modell der Transformation von Gefühlen (in Anlehnung an MATTENKLOTT 2002, S. 556)
Indem durch die Protagonisten demonstriert wird, welche erstrebenswerten Gefühlserlebnisse mit Kauf oder Verwendung von Marke bzw. Produkt verbunden sind, erfolgt eine Art „Lernen am Modell“. Das Erzeugen empathischer Reaktionen ist Voraussetzung für den Transformationsprozess. Dabei sind wiederum einige Erfolgsbedingungen zu beachten: nach der General Theory of Emotion and Adaption von LAZARUS (1991) muss die Situation von persönlicher Bedeutung für das Individuum sein, damit empathische Reaktionen entstehen können (MATTENKLOTT 2002, S. 548). Voraussetzung dafür ist Erfahrung der Zuschauer mit einer entsprechenden Situation (PUTO/HOYER 1990). Mangelnde Erfahrung, z.B. aufgrund unterschiedlicher Lebensstile von Protagonist und Rezipient, kann die Transformation verhindern. Zudem muss die Werbung relevante Konsummotive und Gefühlserlebnisse adressieren. Dem-
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entsprechend ist ein differenziertes Wissen über die Gefühls- und Motivstrukturen der Konsumenten erforderlich. Die zwingende Basis hierfür ist der Consumer Insight. Eine weitere Voraussetzung für das Entstehen empathischer Reaktionen ist die Glaubwürdigkeit der Situation (BATRA/MYERS/AAKER 1996, S. 292). Werden Szenen als unverständlich, gekünstelt oder albern empfunden, so stellen sich die intendierten Gefühle beim Rezipienten nicht ein. KAMP/MacINNIS (1995) identifizieren mit „Emotional Flow“ und „Emotional Integration“ zwei weitere Erfolgsbedingungen für den Transformationsprozess. Emotional Flow bezeichnet das Ausmaß, in dem die in einem Werbespot dargestellten Emotionen in ihrer Art und/oder Intensität als dynamisch wahrgenommen werden. Um authentisch zu wirken, müssen die Darsteller wie „echte“ Menschen sich verändernde Emotionsmuster zeigen. Emotional Integration bezieht sich auf das Ausmaß der wahrgenommenen Verbindung zwischen der Marke und den emotionalen Reaktionen der Werbe-Protagonisten. Auf die Notwendigkeit einer Integration von Marke bzw. Produkt und emotionalen Erlebnissen wurde wiederholt hingewiesen. Werbemittel mit hohem Emotional Flow und hoher emotionaler Integration lösen stärkere empathische Reaktionen und intensivere Gefühle aus als solche mit geringerer Ausprägung. Sie sind zudem mit weniger unbeabsichtigten negativen Gefühlen verbunden und stärken die Markenbindung. Nach Ansicht von PUTO/HOYER (1990) sorgen zudem erst Informationen für eine gelungene Transformation, was erneut die Forderung nach einer spezifischen Emotio-Ratio-Balance untermauert. Gerade negative Gefühle wie z.B. Ärger, Traurigkeit, Furcht und Spannung führen zu besonders starken Empathiereaktionen (BAGOZZI/MOORE 1994, S. 66). Diese sind insbesondere im Bereich des Social Marketing von Bedeutung, wenn es z.B. darum geht, Menschen durch Werbung dazu zu bringen, anderen zu helfen. Die erzeugten negativen Gefühle lösen wiederum empathische Reaktionen aus, die zur Entscheidung führen zu helfen. Dafür muss die Situation wiederum von persönlicher Bedeutung für das Individuum sein. Eine Erklärung für menschliche Empathiereaktionen liefern Erkenntnisse der Hirnforschung. So werden die Mitte der 1990er Jahre an der Universität Parma entdeckten Spiegelzellen (Audiovisual Mirror Neurons) dafür verantwortlich gemacht, dass menschliche Emotionen, die bei anderen wahrgenommen werden, nachempfunden bzw. nachgefühlt werden können (KEYSERS et. al. 2003, S. 628 ff., GARTNER 2004, BLECH/VON BREDOW 2006, S. 139). Neuere Erkenntnisse von KEYSERS et. al. (2003) zeigen, dass die Spiegelzellen beim Beobachten von Verhaltensweisen ebenso reagieren, als würde die Person dieses Verhalten selbst ausführen (mentale Simulation). Die Spiegelzellen sind auch dann aktiv, wenn
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Emotionen nur beobachtet oder gehört werden. Bereits die Darstellung von Emotionen kann gefühlsmäßige Empfindungen auslösen, was die Existenz von durch Werbung hervorgerufenen Gefühlen untermauert. Die Bedeutung der Spiegelzellen für die Psychologie wird mit der Entdeckung der DNA für die Biologie verglichen (RAMACHANDRAN im Interview mit BLECH/VON BREDOW 2006, S. 138). Da die Spiegelzellen in verschiedenen Hirnregionen sitzen, sind sie womöglich imstande, die ganze Palette menschlicher Gefühle zu imitieren. Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Im Vergleich zu den bisher vorgestellten Modellen erfolgt mit dem Transformationsprozess die stärkste Bindung an die Marke (MATTENKLOTT 2002, S. 556). Die Markennutzung stellt Gefühlserlebnisse in Aussicht, die für die Konsumenten erstrebenswert und glaubwürdig sind. Dadurch, dass emotionaler und funktionaler Nutzen eng miteinander verknüpft sein müssen, erfolgt in diesem Modell auch eine (implizite) Berücksichtigung der spezifischen emotionalen Reize. Des Weiteren wird die Bedeutung von Empathiereaktionen für die Werbewirkung untermauert. Die positiven Transformationswirkungen sind allerdings an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die Hinweise für die Consumer Insight-Findung geben: es gilt, relevante Konsummotive und Gefühlserlebnisse zu ermitteln und zu adressieren sowie relevante und vertraute Situationen darzustellen. Bei der kreativen Umsetzung ist auf Glaubwürdigkeit der Darstellung von Emotionen sowie auf Emotional Flow und Emotional Integration (Produkt- und Markenpassung) zu achten.
4.4.5 MAC-Modell und P-E-M-Modell Diese Modelle berücksichtigen neben den Emotionen auch den Einfluss von Erinnerung und Erfahrungen auf die Werbewirkung. Wie in 3.3.2.4 beschrieben, sind diese als Bestandteile von Schemata Elemente der Konsumentenkenntnis bzw. des Consumer Insight. Das MAC-Modell von AMBLER/BURNE (1999) geht davon aus, dass Gedächtnis bzw. Erinnerung (Memory), Emotionen (Affect) und Kognitionen (Cognition) zusammenwirken. Grundannahme des Modells ist, dass Werbung und Markenwahlentscheidung zwei getrennte Ereignisse darstellen. Das Langzeitgedächtnis erhält damit eine bedeutende Rolle im Werbewirkungsprozess, da es als Bindeglied zwischen Werbekontakt und Kaufentscheidung wirkt. Effektive Werbung muss das Langzeitgedächtnis verändern, um den oft großen Zeitabstand dazwischen zu überbrücken (AMBLER 2000, S. 307). Je nach Zeitspanne können sich Wissen und Einstellungen über ein Produkt drastisch verändern. Untersuchungen der Hirnforschung zufolge wird die Erinnerung durch Emotionen gestärkt (CAHILL et. al. 1995, 1996; vgl. auch 4.3.1.2). Laut AMBLER/BURNE (1999) sind die passive und aktive Werbeerinne-
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rung (Wiedererkennung bzw. -abruf) umso höher, je emotionaler der Inhalt der Werbung ist. Zudem geht das Modell davon aus, dass die Verarbeitung von Werbung und das Treffen von Entscheidungen dem gleichen Muster folgen. Demnach werden diejenigen Werbemittel, die es schaffen, die Wahrnehmungsfilter der Rezipienten zu passieren, auf dreierlei Weise verarbeitet: entweder nur über die Erinnerung (z.B. bei Gewohnheitsentscheidungen), über Erinnerung und emotionale Prozesse (positive Einstellung zur Werbung aktiviert angenehme Produktassoziationen) oder über Erinnerung sowie emotionale und kognitive Prozesse. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Werbung die Rezipienten zusätzlich zum Nachdenken bringt. Entsprechend den bisherigen Ausführungen zur peripheren Wahrnehmung sind Emotionen öfter als Kognitionen an den Verarbeitungsprozessen beteiligt. Auch das P-E-M-Modell von HALL (2002) betont die Wirkungen von bereits gemachten Erfahrungen (Experience). Darüber hinaus wird die Werbewirkung von der Wahrnehmung (Perception) und der Erinnerung (Memory) determiniert. Der Prozess des Lernens von Erfahrungen ist in hohem Maße beeinflussbar, da der Rezipient die Wirklichkeit nicht eins zu eins speichert, sondern sie zunächst interpretiert. Das Modell unterscheidet grundsätzlich zwischen dem Werbekontakt vor und nach der tatsächlichen Produkterfahrung. In Abhängigkeit davon ergeben sich mehrere Funktionen der Werbung. Hat der Konsument noch keine Erfahrungen mit Produkt oder Marke gemacht, soll die Werbung die Wahrnehmung formen. Dabei werden bestimmte Erwartungen erzeugt, emotionales Involvement geschaffen und Gründe dafür geliefert, die dem Konsumenten einen Interpretationsrahmen bieten. Sie müssen nicht unbedingt aus rationalen Argumenten bestehen, sondern können emotionaler Art sein. Zusätzlich stellt ein in der linken Hirnrinde befindlicher „interner Interpretierer“ Gründe für das Involvement bereit. Er reagiert auf Emotionen, Gedanken und Impulse, die das Gehirn generiert. Sowohl in dieser Phase als auch bei Werbekontakt nach der tatsächlichen Produkterfahrung hat Werbung zudem die Aufgabe, die zunächst symbolisch vermittelten und später tatsächlich gemachten Erfahrungen zu erweitern. Dabei geht es um eine Erweiterung auf sensorischer oder sozialer Ebene. So könnte die Werbung z.B. dazu führen, die Erinnerung an das Produkterlebnis noch zu verbessern oder ein Gefühl von Vertrauen in den Anbieter vermitteln, das die Zufriedenheit noch steigert. In der Phase vor der tatsächlichen Produkterfahrung wird die Basis für Vertrauen und Bindung gelegt. Findet der Werbekontakt nach der tatsächlichen Produkterfahrung statt, so soll die Werbung die Erinnerungen organisieren. Sie vermittelt einprägsame verbale, visuelle und akustische Hinweisreize (periphere Reize), um die Erinnerung an das beworbene Produkt
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bzw. die Marke zu aktivieren. Zudem werden wiederum Gründe für das Involvement geliefert, die durch den internen Interpretierer, der durch die Hinweisreize angesprochen wird, ergänzt werden. Abhängig von den Kaufzyklen und dem individuellen Konsumverhalten verschwimmen die Phasen von Werbung vor und nach der Produkterfahrung in der Regel. Werbung sollte demnach sowohl die Erinnerung an die letzte Produkterfahrung fixieren und organisieren als auch die Wahrnehmung für weitere Konsumerfahrungen formen. Durch emotionale Werbebotschaften können Erinnerungen beeinflusst bzw. sogar verändert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Das MAC-Modell betont den Einfluss von Gedächtnisinhalten auf die Werbewirkung. Zudem weist es darauf hin, dass Emotionen eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Erinnerungen spielen und die Erinnerung stärken. Als dynamisches Modell der Werbewirkung bringt das P-E-M-Modell zusätzliche Gedanken ins Spiel. Es berücksichtigt den Status der Produkterfahrung und unterschiedliche Phasen der Werbewirkung, wodurch die Rezeptionssituation noch realitätsnäher abgebildet wird. Zudem betont es, dass emotionale Werbereize in unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Funktionen erfüllen. Indem das Modell davon ausgeht, dass der Rezipient wahrgenommene Sachverhalte vor dem Speichern interpretiert, greift es auch einen zentralen Gedanken des bedeutungsbasierten Modells auf. Die Interpretationen werden stark durch emotionale Faktoren beeinflusst.
4.4.6 Schematheoretische Erkenntnisse zur Informationsverarbeitung Zur Erklärung der Wirkungen emotionaler Kommunikation lassen sich auch Erkenntnisse der Schematheorie heranziehen. Diese beziehen sich zwar nicht speziell auf die emotionale Kommunikation, können jedoch weitere Hinweise für die Consumer Insight-Findung geben. Vorhandene Schemata lenken die Informationsaufnahme und -verarbeitung. Wird ein Schema aktiviert, so werden Erwartungen ausgelöst, die die weiteren Verarbeitungsstufen steuern (BINSACK 2003, S. 58 f.). Jede neue Information, z.B. eine Werbebotschaft, wird dahingehend geprüft, ob sie in ein bereits vorhandenes Schema integriert werden kann. Bei SchemaPassung wird die neue Information in das bestehende Schema eingefügt oder bekräftigt eine bestehende Verknüpfung. Werden mit einem passenden Schema positive Assoziationen verbunden, so wird die Informationsverarbeitung zusätzlich angeregt (GOODSTEIN 1993, S. 90). Sind neue Informationen zu fremd, so kann dies dazu führen, dass sie entweder nicht gespeichert oder vorhandene Schemata verändert, erweitert oder neue Schemata gebildet werden, so dass die neuen Informationen eingefügt werden können (TROMMSDORFF 2004a, S.
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93). Dieses Prinzip bildet aus schematheoretischer Sicht die Grundlage für die Stärkung oder Veränderung von Einstellungen und Markenprofilen. Für die Kommunikationsentwicklung lassen sich hieraus folgende Hinweise ableiten: Zum einen sollten Werbemittel so gestaltet werden, dass der Rezipient passende Schemata aktivieren kann, wodurch die Verarbeitung der Werbebotschaften gefördert wird. Hierbei kann es sich um vorhandene Marken-, Werbe- oder Erlebnisschemata handeln, die durch entsprechende formale Reize (z.B. Bilder) aktiviert werden. Falls sich der Rezipient bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit der Marke befasst hat, werden die damit assoziierten emotionalen Reaktionen aktiviert und kognitive Prozesse vermindert (EDELL/ANDERSON 1990). Zum anderen ist eine gewisse Schema-Inkongruenz von Vorteil. Einerseits werden untypische, nicht in vorhandene Schemata passende Werbestimuli intensiver verarbeitet als typische, schemakongruente Werbestimuli (GOODSTEIN 1993, S. 96, LOEF/VERLEGH 2001, S. 1). Zudem werden sie vorteilhafter bewertet (GOODSTEIN 1993, FORSTER 2003). Diese Umstände können als Erklärung für die Effektivität kreativer Werbung herangezogen werden (FORSTER 2003, S. 23 f., BECKER 2006, S. 95 ff.), wobei kreative Werbung als zum Kategorie- oder Werbeschema inkongruent zu charakterisieren ist. Andererseits kann SchemaInkongruenz zur Veränderung, Erweiterung oder Neubildung von Schemata führen. Dieser Effekt ist z.B. in Hinblick auf die emotionale Markenpositionierung und -emotionalisierung von Bedeutung, insbesondere bei neuen Marken. Um mit einer neuen Marke ins Consideration Set der Konsumenten zu kommen, muss Unerwartetes kommuniziert und ausgelöst werden, damit gelernte Kategorien durchbrochen, die Aufmerksamkeit neu gebunden und die Marke nachhaltig gelernt und verankert werden kann (BBDO 2004). Kreative Werbung aktiviert ungewöhnliche Schemata und führt über neue Schema-Kombinationen zum Verständnis und zum Lernen subjektiv neuartiger Produkteigenschaften und Markenpositionierungen (BECKER 2006, S. 99). Zudem kann der Rezipient durch kreative Werbung dazu animiert werden, neue Schemata zu bilden. Eine gewisse Schema-Inkongruenz ist damit auch Voraussetzung für die Markenemotionalisierung. Bei etablierten Marken wird das bestehende Markenschema durch die Vermittlung spezifischer emotionaler Erlebnisse bzw. Erlebnisschemata um entsprechende emotionale Assoziationen angereichert oder verändert. Bei neu zu etablierenden Marken werden neue, emotional geprägte Markenschemata gebildet. Ausschlag gebend für die positiven Effekte ist das Ausmaß der Schema-Abweichung. Eine zu stark abweichende Werbegestaltung erregt zwar Aufmerksamkeit und regt die Verarbeitung grundsätzlich an, kann jedoch auch das Verständnis beeinträchtigen und den Rezipienten von
210
Emotionale Kommunikation
einer näheren Beschäftigung mit den Werbebotschaften abhalten (WÄNKE 2002, S. 492). Die Wahrnehmung einer Botschaft hängt umgekehrt U-förmig von ihrer subjektiven Schemapassung ab (BINSACK 2003, S. 111 f.). Bei sehr geringer und sehr hoher Passung ist sie schlecht, bei mittlerer Passung jedoch gut, was sich wie folgt erklären lässt: Mit zunehmender Inkongruenz zwischen Schema und Botschaft steigen Aufmerksamkeit und Involvement des Rezipienten, was sich positiv auf Informationsaufnahme und -verarbeitung auswirkt. Gleichzeitig erhöht sich der notwendige kognitive Aufwand, der wiederum die Bereitschaft zur Aufnahme und Verarbeitung beeinträchtigt. BECKER (2006, S. 97 f.) schließt daraus, dass der „optimale Neuigkeitsgrad“ einer Werbebotschaft in einer mittleren Abweichung besteht. Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Die Schematheorie gibt Aufschluss über die Bedingungen für die Einstellungsbildung und -änderung und damit auch wichtige Hinweise für die Consumer Insight-Findung. So gilt es, zunächst die existierenden Marken-, Kategorie- und Werbeschemata zu ermitteln und dann zur Kategorie und zum Werbeschema differenzierende emotionale Erlebnisse zu definieren und in der Werbung zu adressieren.
4.4.7 Bedeutungsbasiertes Modell der Wahrnehmung von Werbung Ein interessanter Ansatz, der weitere Hinweise für die Consumer Insight-Findung geben kann, sich jedoch deutlich von den bisher genannten Werbewirkungsmodellen unterscheidet, ist das „Meaning-based Model of Advertising Experiences“ von MICK/BUHL (1992). Hier geht es weniger um die informationszentrierte Betrachtung der Verarbeitungswege von Werbebotschaften als vielmehr um den individuellen Kontext, in dem die Informationsverarbeitung erfolgt, und um die individuellen Faktoren, die dementsprechend die Werbewirkung beeinflussen. Das „Warum“ der Wirkungsprozesse steht im Mittelpunkt der Betrachtung (LANNON/COOPER 1983, McCRACKEN 1987, MICK/BUHL 1992). Das Modell basiert auf dem bedeutungsbasierten Modell des Konsumentenverhaltens, das den Konsumenten als Individuum in einem kulturell konstituierten Kontext betrachtet (siehe 3.5.4.2). Die Konsumenten screenen Produkte, Marken und Medien nach symbolischen Ressourcen und Anregungen, die ihnen helfen, ihr persönliches „Life Project“ voranzubringen. Durch Werbung werden Bedeutungen aus der kulturell konstituierten Welt auf Produkte und Marken übertragen (McCRACKEN 1987, S. 122). Sie ist als „kultureller Code“ zu verstehen und fungiert als eine Art Wörterbuch, das die Konsumenten über die kulturellen Bedeutungen auf dem Laufenden hält. Marken- und Werbebotschaften bieten Identitätsideale und somit Lösungen dafür, wie das Leben zu leben ist (Rollenvorbilder, Verhaltensanleitungen usw.).
Emotionale Kommunikation
211
Die kulturell bedingte Bedeutungszuweisung erfolgt erst durch den Rezipienten. Die Bedeutungen, die Konsumenten mit Werbebotschaften verbinden, sind wiederum eine Funktion ihrer individuellen „Life Projects“ und damit verbundenen „Life Themes“ (MICK/BUHL 1992). Hiermit lassen sich interindividuelle Unterschiede in der Interpretation von Objekten und Ereignissen erklären. Die „Life Themes“ beeinflussen sämtliche Prozesse der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und des Verhaltens und sind damit wichtige Determinanten des Kaufentscheidungsverhaltens und der Werbewirkung (PARKER 1998). Sie werden geprägt durch den soziokulturellen Hintergrund und einschneidende Erlebnisse im Leben eines Individuums. Wenn Werbung solche „Life Themes“ berührt, steigt die persönliche Relevanz der Werbebotschaften. Die „Life Themes“ können damit möglicherweise auch als Erklärungsansatz für die Entstehung von Involvement dienen. Sie leiten die Auswahl, Implementierung, Beibehaltung und Aufgabe der „Life Projects“. Über Letztere kann wiederum Aufschluss über die individuellen „Life Themes“ erlangt werden. Zur Ermittlung der „Life Themes“ und „Life Projects“ lassen sich z.B. die Life Story Interviews einsetzen (siehe 3.5.4.2). Zu den Prämissen des bedeutungsbasierten Modells der Wahrnehmung von Werbung gehört die Forderung, den Konsumenten ganzheitlich vor dem Hintergrund seiner Historie, seinem soziokulturellen Umfeld und seinen Erfahrungen zu betrachten (MICK/BUHL 1992, S. 318). Diese Forderung wurde schon von FREUD und DICHTER postuliert, in der Konsumentenforschung jedoch lange ignoriert (STERN 2004). Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Das bedeutungsbasierte Modell der Werbewahrnehmung betont die Notwendigkeit, die Konsumentenperspektive einzunehmen, wie sie auch im Rahmen des Consumer Insight-Konzeptes gefordert wird. Es liefert Hinweise für die Analyse des Konsumentenverhaltens, insbesondere für den Einsatz der qualitativen Forschungsmethoden. Dazu zählt z.B. die Notwendigkeit, den kulturellen Bezugsrahmen und damit den Interpretationshintergrund der Konsumenten zu kennen. Menschen nehmen Werbung und deren Elemente sehr unterschiedlich wahr. Insbesondere die konnotative Bedeutung von Werbung wird stark vom Bezugsrahmen des Einzelnen beeinflusst. Die größte Gefahr dabei, dem Konsumenten eine intendierte Bedeutung zu vermitteln, liegt darin, dass der Werbetreibende einen anderen Bezugsrahmen wählt als der Konsument zur Interpretation anwendet (HIRSCHMAN/THOMPSON 1997). Die Werbebotschaften gehen dann möglicherweise am Konsumenten vorbei. In Hinblick auf den Consumer Insight sind somit folgende Sachverhalte zu ermitteln: Kontext, kultureller Bezugsrahmen und (prototypische) Biografien der
Emotionale Kommunikation
212
Konsumenten, um ihr Verhalten besser verstehen zu können, sowie das Emotions-, Motiv- und Wertesystem der Konsumenten bzw. prototypische „Life Themes“ in der Zielgruppe.
4.4.8
Fazit zu den Erklärungsmodellen
Die Ausführungen zu den Modellen machen deutlich, dass kein universell gültiges Werbewirkungsmodell existiert. Die einzelnen Modelle rücken je nach zugrunde liegenden Annahmen bestimmte Werbewirkungsdeterminanten in den Vordergrund. Einige Modelle eignen sich demzufolge besser zur Erklärung der emotionalen Werbewirkung als andere. Auch wenn im Rahmen dieser Arbeit nicht allen Annahmen gefolgt wird, lassen sich aus den Erklärungsmodellen wichtige Hinweise für die Wirkweisen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Werbung ableiten, die bei der Kommunikationsentwicklung zu berücksichtigen sind. Die wichtigsten Erkenntnisse sind nachfolgend im Überblick dargestellt: Erkenntnisse zu den Wirkweisen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation Emotionale Werbestimuli wirken auf unterschiedlichen Wegen und lösen sowohl emotionale als auch kognitive Prozesse aus, je nach kognitivem und emotionalem Involvement in unterschiedlichem Ausmaß (CEM, Modell der Wirkungspfade). Kognitive und emotionale Prozessen wirken zusammen, wobei die Wirkungen von Emotionen auf Kognitionen stärker sind als umgekehrt (CEM). Da jedes noch so kleine Detail auf peripherem Wege Wirkungen entfalten kann, ist jedem Element der Werbegestaltung Aufmerksamkeit zu schenken (Qualität der Argumente, Qualität der Gestaltung) (ELM, emotionale Konditionierung). Emotionale Werbestimuli lösen sowohl bei hoch als auch bei gering involvierten Rezipienten vorrangig emotionale Prozesse aus (Modell der Wirkungspfade). Bei gering Involvierten ist die gedankliche Kontrolle der Werbebotschaft geringer als bei hoch Involvierten. Die emotionale Werbung wird peripher verarbeitet und wirkt in erster Linie nach dem Prinzip der emotionalen Konditionierung, wobei v.a. die unspezifischen Hinweisreize Wirkungen entfalten (CEM, Modell der Wirkungspfade). Da Werbekontakt und Markenwahlentscheidung oftmals zeitlich auseinander liegen, muss Werbung das Langzeitgedächtnis verändern, um effektiv zu sein. Emotionen spielen eine Schlüsselrolle bei der Bildung und Stärkung von Erinnerungen (MAC-Modell). Erwartungen und Erinnerungen an tatsächliche Produkterfahrungen können durch emotionale Werbebotschaften beeinflusst verändert werden (P-E-M-Modell). Empathische Reaktionen haben über die Transformation von Gefühlen einen besonders starken Effekt auf die Markenbindung (Modell der Transformation von Gefühlen). Werbung muss zu einem gewissen Grad von existierenden Werbe- und Kategorieschemata abweichen, damit vorhandene Einstellungen und Images (Markenschemata) verändert, um emotionale Facetten erweitert oder neu gebildet werden (Schematheorie). Die positiven Wirkungen emotionaler Werbestimuli hängen von einer Reihe von Wirkungsbedingungen ab, allen voran Relevanz, Differenzierung und Glaubwürdigkeit bzw. Markenpassung der eingesetzten emotionalen Reize. Um das Verhalten der Konsumenten wirklich zu verstehen, sollte der Kontext einbezogen werden. Dazu gehört insbesondere der kulturelle Bezugsrahmen, anhand dessen die Rezipienten Werbung und Marken interpretieren (bedeutungsbasiertes Modell der Wahrnehmung von Werbung).
Tabelle 4-4:
Zusammenfassende Erkenntnisse zu den Wirkweisen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation (eigene Darstellung)
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213
Dazu wird folgende Forderung aufgestellt: Der Entwicklung von emotionaler Kommunikation sollten nach Möglichkeit bestimmte Werbewirkungsmodelle zugrunde liegen, um daraus Annahmen über Wirkungen und insbesondere Wirkungsbedingungen ableiten zu können. Aus den Erklärungsmodellen konnten zudem wichtige Hinweise für die Consumer InsightFindung abgeleitet werden. Zusammenfassend sind folgende Sachverhalte zu eruieren:
4.5
•
existierende Marken-, Kategorie- und Werbeschemata,
•
bestehendes kognitives und emotionales Involvement der Konsumenten,
•
Emotions-, Motiv- und Wertesystem der Konsumenten, prototypische „Life Themes“,
•
relevante, differenzierende und zur Marke passende emotionale Reize (Erlebnisse),
•
relevante und vertraute Situationen in Zusammenhang mit der Produktverwendung,
•
Kontext, kultureller Bezugsrahmen und (prototypische) Biografie der Konsumenten.
Schlussfolgerungen für die Consumer Insight-Findung
In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Wirkungen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation beleuchtet. Um die Effektivität der Kommunikation zu optimieren, sollten diese Erkenntnisse als Orientierungshilfe für die Kommunikationsentwicklung herangezogen werden. Die nachfolgenden Abschnitte sind deshalb als eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse zu verstehen. In Abschnitt 4.5.2 werden die zentralen Erfolgsfaktoren der emotionalen Kommunikation diskutiert. Da der Consumer Insight als Basis für die Kommunikationsentwicklung dient, können aus den Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation zudem Anforderungen an die Suche nach Consumer Insight abgeleitet werden. Diese betreffen insbesondere die Suchfelder zur Erlangung von Konsumentenkenntnis, d.h. die Sachverhalte, die im Rahmen der Consumer Insight-Findung zu ermitteln sind und in den vorangegangenen Ausführungen bereits herausgestellt wurden. Zur besseren Orientierung werden diese in Abschnitt 4.5.3 noch einmal in der Übersicht dargestellt. Zunächst wird allerdings auf die Frage der Geeignetheit emotionaler Ansprachestrategien für unterschiedliche Produktkategorien eingegangen.
214
Emotionale Kommunikation
4.5.1 Geeignetheit emotionaler Ansprachestrategien für bestimmte Produktkategorien In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass die Produktart einen signifikanten Einfluss auf die Werbewirkung und dementsprechend auf die Art der einzusetzenden Werbereize hat (STEWART/FURSE 1986, WEINBERGER et. al. 1995, S. 46, FLAHERTY/WEINBERGER/GULAS 2004, S. 28). Die Produktklassifizierung erfolgt dabei üblicherweise anhand des Involvement oder anhand von Produkttypologien wie dem FCB-Grid (VAUGHN 1980, 1986, ZAICHOWSKY 1987, RATCHFORD/VAUGHN 1989), dem ROSSITERPERCY-Grid (ROSSITER/PERCY/DONOVAN 1991) und der Product-Color-Matrix (WEINBERGER et. al. 1995, S. 46 ff.). Diese beziehen neben dem Involvement eine weitere Determinante ein, z.B. die durch das Produkt adressierten Konsummotive (positiv – negativ, vgl. MITTAL 1989) oder die Art der Informationsverarbeitung (kognitiv – emotional, vgl. RATCHFORD/VAUGHN 1989). Die zugeordneten Produkte sind über die verschiedenen Ansätze hinweg relativ konsistent (WEINBERGER et. al. 1995, S. 46). Basierend auf derartigen Klassifizierungen wird angenommen, dass sich emotionale Werbereize für bestimmte Produktkategorien besser als für andere eignen (siehe z.B. YOUN 1998, YOUN et. al. 2001, S. 11, MATTENKLOTT 2002, S. 550 ff.). Der Einsatz emotionaler Werbereize wird eher für Low Involvement-Kategorien wie Massenprodukte des täglichen Bedarfs wie z.B. Snacks, Süßigkeiten, Bier, begehrenswerte Produkte, die Werte wie z.B. Schönheit, Lust, Macht, Erfolg, Genuss, Gemeinschaft adressieren, sowie Prestigeprodukte, die das Selbstkonzept betreffen und ein gewisses soziales Risiko bergen (z.B. Kosmetik, Schmuck, Mode, Sportwagen), empfohlen. Für High Involvement-Produkte wie z.B. Finanzprodukte, Autos, Immobilien oder Industriegüter, für nützliche Produkte sowie für Produkte, die Unangenehmes vermeiden helfen, werden eher informative Ansprachestrategien angeraten. GHAZIZA-DEH (1987) ist der Ansicht, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit einer emotionalen Konditionierung mit zunehmender Komplexität eines Produktes abnimmt. Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht sind pauschale Empfehlungen auf Basis der Produktkategorie allerdings aus mehreren Gründen abzulehnen. Die zugrunde liegenden Strategiemodelle geben mechanistische Handlungsempfehlungen, die nicht auf die spezifische Markensituation zugeschnitten sind und deshalb lediglich als Orientierungsrahmen dienen sollten (LOEF/ANTONIDES/VAN RAAIJ 2001). Nach Meinung von Werbepraktikern fördern pauschale Anspracheempfehlungen zudem die Nutzung generischer Werbeschemata und somit die Austauschbarkeit der Werbung (SCHRADE 2003). In Hinblick auf eine wirksame Markendifferenzierung sollte jedoch gerade versucht werden, aus den gängigen Kategorieschemata auszubrechen. Eine Klassifizierung sollte deshalb eher an Marken als
Emotionale Kommunikation
215
an Produkten festgemacht werden. Zudem kann emotionale Werbung die wahrgenommene Kategoriezugehörigkeit von Marken verändern (YOUN et. al. 2001). Die mit einer Marke verbundenen Motive sind nicht per se durch die Kategorie determiniert, sondern lassen sich durch die Vermittlung emotionaler Benefits beeinflussen. So sind z.B. Sportartikel von der Kategoriezugehörigkeit her eher als nützliche Produkte zu betrachten, können jedoch durch Lifestyle-Werbung zu begehrenswerten Objekten werden (Beispiel NIKE, ADIDAS). Durch emotionale Werbung kann die Erwartungshaltung an eine ganze Kategorie verändert werden. Zudem können sowohl das kognitive als auch das emotionale Involvement durch emotionale Werbung aktiv beeinflusst werden. Die Ableitung der adäquaten Kommunikationsstrategie sollte sich demnach nicht an der Kategorie orientieren, sondern am Consumer Insight. Es muss eine differenziertere Betrachtung erfolgen. Die adäquate Strategie hängt von der spezifischen Marketingsituation, der Markenwahrnehmung und der Konkurrenzsituation bzw. den vorherrschenden Werbeschemata ab. Emotionale Kommunikationsstrategien können unter Berücksichtigung spezifischer Bedingungen für sämtliche Marken und Produkte geeignet sein. So zeigen verschiedene Untersuchungen, dass sich der Einsatz emotionaler Werbestimuli auch für üblicherweise als High Involvement-Produkte klassifizierte Kategorien wie z.B. Finanzprodukte, Industriegüter, B2B-Produkte oder technische Konsumprodukte eignen kann (LASOGGA 1999, DRENGNER et. al. 1999, GIERL/HELM 1999). Auch im B2B-Bereich werden Produkte gekauft und verwendet, um sowohl rationale als auch emotionale Bedürfnisse zu befriedigen. Zudem erhalten rationale Produkteigenschaften ihre Bedeutung erst in Zusammenhang mit Gefühlen bzw. emotionalen Benefits. Laut der Affekt-Heuristik von SLOVIC et. al. (2002) haben Emotionen einen direkten Einfluss auf die Risiko- und Nutzenwahrnehmung von Entscheidungsträgern (vgl. 3.3.2.3). Es ist anzunehmen, dass sich dieser Effekt in nahezu allen Produktkategorien nutzen lässt, so z.B. auch bei Investmentfonds (JORDAN/KAAS 2004). Wenn es gelingt, beim Rezipienten positive Emotionen und einen positiven emotionalen Eindruck gegenüber den beworbenen Anlageprodukten zu wecken, so schlägt sich dies in einer günstigeren Risikowahrnehmung nieder. Demzufolge sollten Kapitalanleger in der Werbung nicht nur mit Sachinformationen, sondern auch emotional angesprochen werden. Bei Produkten, die negative Konsummotive treffen und für die eher informative Ansprachestrategien empfohlen werden, sollte über Informationen hinaus gezeigt werden, dass die Markennutzung für angenehme Gefühle sorgt (MATTENKLOTT 2002, S. 553), indem z.B. unangenehme Gefühle in angenehme transformiert werden.
216
Emotionale Kommunikation
Es lohnt sich demzufolge, den Einsatz emotionaler Werbereize für jede Produktkategorie zu prüfen. Die Produktkategorie beeinflusst lediglich die Voraussetzungen für das Entstehen einer tiefen, emotionalen Markenbindung (AHUVIA 1992, OLIVER 1999, S. 39). Diese sind am vorteilhaftesten in Kategorien wie „Sammlerstücke“, Schmuck und bestimmte Modeartikel. In Hinblick auf die Entscheidung über die Art der einzusetzenden Reize sind im Rahmen der Suche nach Consumer Insight sowohl die (generischen) Kategoriegefühle als auch die bereits mit der Marke verbundenen Gefühle zu eruieren. Erstere sind insbesondere bei unbekannten Marken von Bedeutung, da das Kategorieschema den Rahmen für die Informationsverarbeitung vorgibt. Zudem ist die spezifische Emotio-Ratio-Balance zu beachten.
4.5.2 Zentrale Erfolgsfaktoren der emotionalen Kommunikation Im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen wurden unter anderem die jeweils zentralen Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation herausgestellt. Die unterschiedlichen Kriterien lassen sich zu vier Gruppen verdichten, die im Laufe der Arbeit wiederholt als Erfolgsfaktoren der (emotionalen) Kommunikation genannt wurden. Hierbei handelt es sich um •
Relevanz der Werbebotschaften und Werbestimuli für die Zielgruppe,
•
Differenzierung der Werbebotschaften und Werbestimuli vom Wettbewerb,
•
Glaubwürdigkeit der Werbebotschaften und Werbestimuli sowie
•
Markenpassung der emotionalen Werbebotschaften bzw. der Werbereize und -stimuli.
Die Orientierung am Consumer Insight kann dazu beitragen, relevante, differenzierende, glaubwürdige und zur Marke passende Kommunikation zu entwickeln. Glaubwürdigkeit und Markenpassung der Werbung werden durch die Verknüpfung des Consumer Insight mit dem Brand Insight erreicht. Aus den Erfolgsfaktoren der Kommunikation lassen sich weitere Hinweise darauf ableiten, welche Sachverhalte im Rahmen der Consumer Insight-Findung zu beachten und zu ermitteln sind. Diese werden in Abschnitt 4.5.3 im Überblick dargestellt. Die vier Erfolgsfaktoren sind eng miteinander verknüpft. So beeinflusst z.B. die Markenpassung die wahrgenommene Relevanz sowie die Glaubwürdigkeit der Werbung. Im Rahmen dieser Arbeit wird dementsprechend angenommen, dass alle Erfolgsfaktoren gleichzeitig erfüllt sein und zusammenwirken müssen, um die Werbewirkung zu steigern. Die Erkenntnisse zu den vier Faktoren werden nun noch einmal zusammenfassend dargestellt.
Emotionale Kommunikation
217
Relevanz Menschen beschäftigen sich mit Marken und ihren Werbebotschaften nur dann, wenn diese relevant für sie sind. Bei einer Übereinstimmung von Kommunikationsinhalten mit der persönlichen Relevanz für den Rezipienten wird die stärkste Wirkung erzielt, wobei die Relevanz einer Werbebotschaft stark situationsabhängig ist. Sie hat einen wesentlichen Einfluss auf das Botschaftsinvolvement der Konsumenten und damit auf die Tiefe der Verarbeitung einer Werbebotschaft, die sich positiv auf die Werbewirkung auswirkt. Die Relevanz von Werbebotschaften und dargestellten Situationen ist zudem unter anderem Voraussetzung für das Eintreten des Transformationsprozesses im Rahmen der transformationalen Werbung, der in besonderem Maße zum Aufbau und zur Stärkung von Markenbindung beitragen kann. Die wahrgenommene Relevanz wird insbesondere von folgenden Faktoren beeinflusst: •
Adressierung der tatsächlichen Kaufmotive bzw. des Emotions-, Motiv- und Wertegefüges der Konsumenten mit einem adäquaten Nutzenversprechen,
•
Verstehen des kategoriebezogenen emotionalen Nutzens (Motive und Werte können je nach Kategorie unterschiedliche Bedeutungen haben).
•
Markenpassung, d.h. enge Verknüpfung der emotionalen Reize mit dem Produkt bzw. der Marke (bzw. deren Kauf und/oder Verwendung),
•
Darstellung von Situationen, die der Rezipient aus eigener Erfahrung kennt oder die in anderer Hinsicht für ihn von Bedeutung sind (weil sie z.B. angenehme Gefühle in Aussicht stellen oder erstrebenswerte Ziele darstellen),
•
Emotional Integration, d.h. enge Verknüpfung der bei den Werbedarstellern ausgelösten Gefühle mit Produkt bzw. Marke (bzw. deren Kauf und/oder Verwendung),
•
adäquate Emotio-Ratio-Balance (Beweis des emotionalen Nutzenversprechens durch rationale Leistungsmerkmale, Orientierung für Emotional Integration),
•
ansprechende inhaltliche Gestaltungselemente (Einsatz relevanter emotionaler Erlebnisse),
•
ansprechende formale Gestaltungselemente (z.B. Bilder, Musik, die den Vorlieben entsprechen, Trends setzen, ansprechend oder neuartig/differenzierend sind).
218
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Differenzierung Die Differenzierung der Werbung in inhaltlicher und/oder formaler Hinsicht betrifft die Kreativität der Werbung. Kreative Werbemittel sind anders als das Gewohnte, überraschend und bieten einen Nutzen, den auch andere erkennen bzw. anerkennen. Die Werbebotschaft und ihre kreative Umsetzung müssen sich in der Kategorie, auf ihrer Ebene, in ihrem Bezugsrahmen von der bis dahin geltenden Norm abheben (GAEDE 2002). Dabei kann es sich um Kommunikations-, Gesellschafts-, Erfahrungs- oder Wissens-Normen handeln. Da die Abweichung als zentrale Dimension der Kreativität angesehen wird, wird kreative Werbung auch als „abweichende Werbung“ bezeichnet (GAEDE 2002, SCHIMANSKY 2006). Eine gezielte Abweichung lässt sich z.B. mithilfe der Disruption-Strategie von DRU (1996, 2002) erreichen. Diese geht davon aus, dass die Konsumenten spezifische Erwartungen an die Werbung von Produktkategorien haben, die sich in bestimmten Werbeschemata niederschlagen (= Kommunikationsregeln). So beinhaltet z.B. das Werbeschema für Waschmittel weiße Wäsche, „Side-by-Side“-Vergleiche und glückliche Hausfrauen. Um eine Marke wirkungsvoll zu differenzieren, gilt es, mit den Kommunikationsregeln des Marktes zu brechen. Der Consumer Insight liefert die Basis dafür: „Insight is the father to challenge and disruption“ (TASGAL 2004). Eine Reihe von Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Kreativität und Effektivität der Werbung lässt annehmen, dass die Kreativität der Werbemittel einen bedeutenden Einfluss auf die Effektivität der Kommunikation hat (FELSER 2001, AEBI 2001, 2003, S. 260 ff., TROMMSDORFF 2003, S. 85 ff.; zur Übersicht siehe BECKER 2006). Abweichende bzw. differenzierende Werbung gilt demnach generell als effektiver als nichtdifferenzierende Werbung. Zur Erklärung lassen sich die Erkenntnisse der Schematheorie anführen. Untypische, schemainkongruente Werbestimuli werden generell intensiver verarbeitet, vorteilhafter bewertet und besser erinnert als typische schemakongruente Werbemittel, insbesondere in Kategorien mit stereotyper Werbung (GOODSTEIN 1993, STAFFORD/ STAFFORD 2002). Wenn viele Unternehmen zu ähnlichen Mitteln greifen (Problem der Austauschbarkeit emotionaler Werbung), ist der Wirkmechanismus der emotionalen Kommunikation eingeschränkt (EDELL/BURKE 1987). Die im Gedächtnis repräsentierten Assoziationen zwischen Produkt und Emotion sind dann nicht mehr eindeutig (FLORACK/SCABARIS 2002). Zudem ist eine gewisse Inkongruenz der Werbebotschaften zu vorherrschenden Werbe- und Kategorieschemata sowie den Markenschemata der Wettbewerber (und ggf. dem eigenen Markenschema) gemäß der Schematheorie Voraussetzung für die Veränderung und Erweiterung existierender Markenschemata oder für eine Schema-Neubildung.
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219
Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Kreativität der Werbung sind vor allem: •
Abweichen der emotionalen Kernbotschaft (des emotionalen Benefits) von typischen Werbe- und Kategorieschemata sowie den Markenschemata der Wettbewerber,
•
Abweichen der inhaltlichen und formalen emotionalen Gestaltung von typischen Werbe- und Kategorieschemata sowie den Markenschemata der Wettbewerber,
•
mittlere Abweichung als optimaler Differenzierungsgrad einer Werbebotschaft.
Glaubwürdigkeit Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Werbestimuli ist zunächst zwischen der Glaubwürdigkeit der Kernbotschaft bzw. des Markenversprechens, der eingesetzten emotionalen Reize und der dargestellten Emotionen zu differenzieren. Die Glaubwürdigkeit der Kernbotschaft ist für alle Arten emotionaler Werbestimuli essenziell, da sie Voraussetzung für die wahrgenommene Relevanz der Werbung ist. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der eingesetzten emotionalen Reize und dargestellten emotionalen Reaktionen ist deren Bedeutung abhängig von der Art der Reize (AAKER/STAYMAN 1990). Glaubwürdigkeit ist insbesondere in Zusammenhang mit der Darstellung von Wärme oder Herzlichkeit wichtig. Bei humorvollen Reizen ist sie hingegen in Hinblick auf die dargestellte Situation eher bedeutungslos. Die Glaubwürdigkeit der dargestellten emotionalen Reaktionen ist essenziell für die Transformationswirkung der in der Werbung dargestellten Gefühle. Sie ist Voraussetzung für das Entstehen von Empathie bzw. empathischen Reaktionen. Glaubwürdigkeit wird insbesondere durch folgende Faktoren erreicht bzw. beeinflusst: •
Markenpassung der Werbebotschaft sowie der (spezifischen und unspezifischen) emotionalen Reize.
•
Einlösung der in der Werbung kommunizierten Versprechen in der tatsächlichen Produkt- bzw. Markenerfahrung (Sicherstellen durch Verknüpfung von Consumer Insight und Brand Insight, adäquate Emotio-Ratio-Balance). Ansonsten führen nachfolgende Markenerfahrungen zu Enttäuschung und einer negativen Einstellung zur Marke.
•
Gestaltungsstrategien zur Erzeugung von Glaubwürdigkeit (WILLEMS 1998, S. 52 ff.) sind z.B. Kompetenzinszenierungen und Produktdemonstrationen. Diese sind allerdings eher den informativen Werbereizen zuzurechnen, können jedoch mit spezifischen emotionalen Reizen ergänzt werden.
220 •
Emotionale Kommunikation Darstellung von Emotionen in der Werbung: Durch das Ausmaß, in dem der jeweilige Darsteller dem Rezipienten aufrichtig erscheint, wird die Überzeugungskraft der Werbebotschaft entweder verstärkt oder geschwächt (CAUDLE 1990). Durch eine falsche, unangemessene oder übertriebene Darstellung von Emotionen kann deren Wirksamkeit geschmälert werden.
•
Werden die im Rahmen der transformationalen Werbung dargestellten Szenen als unverständlich, gekünstelt oder albern empfunden, so stellen sich die intendierten Gefühle beim Konsumenten nicht ein. Die Darsteller müssen nicht real sein – wichtig ist, dass sich die handelnden Objekte oder Figuren so verhalten, wie Menschen es in denselben Situationen tun würden (MATTENKLOTT 2002, S. 548).
Markenpassung Der Produktbezug beinhaltet, dass die emotionale Botschaft und die emotionalen Reize eng mit der jeweiligen Marke bzw. dem Produkt und deren Verwendung in Verbindung gebracht werden. Es kommt dabei nicht nur auf Kategoriepassung, sondern spezifischer auf die Markenpassung an, auch in Hinblick auf eine gelungene Differenzierung. Verschiedene Studien zeigen, dass emotionale Reize am effektivsten sind, wenn der Rezipient sie mit dem beworbenen Produkt in Zusammenhang bringen kann (vgl. z.B. KOVER/ GOLDBERG/JAMES 1995). Laut HÖGL/ZWEIGLE (2001, S. 32) ist der Produktbezug der Handlung auch bei emotionaler Gestaltung für eine positive Hinstimmung zur Marke (Markenpräferenz) von zentraler Bedeutung. So erzeugt z.B. Humor, der sich auf die Werbebotschaft bezieht, mehr Sympathie als ein solcher ohne jeden Botschaftsbezug. Zudem werden die Erinnerungswirkung und die Glaubwürdigkeit der Werbung positiv beeinflusst. Bei der transformationalen Werbung gilt: Je größer die Emotional Integration ist, d.h. die Verbindung zwischen Produkt bzw. Marke und den in der Werbung dargestellten emotionalen Reaktionen der Werbedarsteller, desto stärker sind die beim Rezipienten erzeugten empathischen Reaktionen und Gefühle. Hierdurch wird wiederum die Markenbindung gestärkt. Markenpassung wird insbesondere durch folgende Faktoren erzielt: •
Integration von Werbebotschaft und (un)spezifischen emotionalen Reizen,
•
Ausmaß der wahrgenommenen Verbindung zwischen den emotionalen Reaktionen der Darsteller und der Marke (Emotional Integration),
•
adäquate Emotio-Ratio-Balance.
Emotionale Kommunikation
4.5.3
221
Zusammenfassung der für den Consumer Insight zu ermittelnden Sachverhalte
Im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen wurden die Sachverhalte herausgestellt, die im Rahmen der Consumer Insight-Findung ermittelt werden sollten, um die Effektivität der emotionalen Kommunikation zu erhöhen. Damit ergeben sich konkrete Suchfelder für die Erlangung von Konsumentenkenntnis. Nachfolgend sind die Erkenntnisse noch einmal zusammenfassend dargestellt:
Suchfelder für die Erlangung von Konsumentenkenntnis als Basis für die Consumer Insight-Findung
Erfolgsfaktoren der emotionalen Werbung Relevanz Differenzierung Glaubwürdigkeit Markenpassung
Abbildung 4-6:
• Markennutzung: · Ausmaß, Intensität, Informationsbedürfnis · Generelle Phasen des Entscheidungsprozesses und aktuelle Phase · Consideration Set • Markenwissen: · Markenbekanntheit, -etabliertheit · Existierendes Markenschema (Klarheit, Komplexität, Einstellungen zur Marke, emotionale Assoziationen, kognitive Assoziationen, Defizite, Emotio-Ratio-Balance, differenzierende Produkt-/ Markenattribute aus Konsumentensicht ( Brand Insight)) • Weitere existierende Schemata: · Markenschemata der Wettbewerber (emotionale und kognitive Assoziationen) · Kategorieschemata (emotionale + kognitive Assoziationen, kategoriespezifische Emotio-Ratio-Balance) · Kategorietypische Werbeschemata (Kommunikationsregeln des Marktes), Einstellung gegenüber Werbung generell · Relevante emotionale Erlebnisse (Erlebnisschemata): Generell (biologisch vorprogrammiert, kulturell geprägt, gelernt) und in Zusammenhang mit Kategorie, Produkt, Marke; Mythen und Geschichten etc. • Bedeutungen: · Rolle und Relevanz von Kategorie, Produkt, Marke für das Leben der Zielgruppen · Ausmaß kognitives und emotionales Produkt- und Markeninvolvement in unterschiedlichen Entscheidungsphasen · Kontext, kultureller Bezugsrahmen • Markenbindung: · Vertrautheit, Ausmaß Markenbindung, Identifikation · Qualität und Dimensionen der Markenbeziehung • Persönlichkeitsbezogene Aspekte: · Emotions-, Motiv- und Wertesysteme in Zusammenhang mit Kategorie, Produkt und Marke, Barrieren, prototypische „Life Themes“ · Selbstkonzept · Emotionsintensitätsmuster, emotionale Reaktionsbereitschaften · Biografie
Erfolgsfaktoren der emotionalen Kommunikation und im Rahmen der Consumer Insight-Findung zu ermittelnde Sachverhalte (eigene Darstellung)
222
5.
Empirischer Teil
Empirischer Teil
5.1 Methodische Einführung 5.1.1 Untersuchungsziele Zur wissenschaftlichen Klärung des Praxisthemas Consumer Insight wurde in den vorangegangenen Kapiteln sekundäranalytisch deduktiv anhand der relevanten und verfügbaren Literatur ein Theoriegerüst zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Kommunikation erarbeitet. Wie eingangs in Abschnitt 2.3 erwähnt, müssen durch Deduktion ermittelte Aussagen empirisch überprüfbar sein, um einen wissenschaftlichen Wert zu besitzen. Im Rahmen des vorliegenden empirischen Teils der Arbeit erfolgt nun die kritische Prüfung des erarbeiteten Theoriegerüstes. Im Sinne eines konfirmatorischen Vorgehens wird die Frage geklärt, ob die in den empirischen Daten vorgefundenen Beobachtungen mit der theoretisch unterstellten Struktur hinreichend konsistent sind und diese somit bestätigen können (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 272). Da sich das betrachtete Wirkungsgefüge als sehr komplex erwiesen hat und eine quantitativ orientierte, konfirmatorische Datenanalyse eine im Rahmen dieser Arbeit kaum darstellbare Datendecke erfordern würde, erfolgt die Theorieprüfung anhand eines qualitativen Untersuchungsansatzes. Folgende Fragen sind klären: •
Inwieweit stimmt das aus der Literatur abgeleitete Theoriegerüst zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Werbung mit der Werbepraxis überein?
•
Welche Erkenntnisse lassen sich aus dem Abgleich zwischen Theorie und Empirie als Handlungsempfehlungen für die Werbepraxis ableiten?
5.1.2 Untersuchungsdesign 5.1.2.1
Untersuchungsmethode
Die vorliegende Untersuchung wurde auf Basis von qualitativen Experteninterviews durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eine Sonderform des qualitativen Interviews, die innerhalb der Sozialforschung bislang nur geringe Beachtung erfährt (BOGNER/MENZ 2005, S. 19 ff.). Die theoretisch-methodologische Fundierung dieser Erhebungsform ist vergleichsweise wenig ausgeprägt. Als grundlegend gilt die Arbeit von MEUSER/NAGEL (1991, vgl. ebd. 2005). Nach PFADENHAUER (2005, S. 121) ist jene Gesprächsform als Experteninterview zu bezeichnen, die sich auf die Kurzformel „auf gleicher Augenhöhe reden“ bringen lässt. Das Experteninterview wird als informatorisches Interview klassifiziert (LAMNEK 2005, S. 334). Es
Empirischer Teil
223
dient der deskriptiven Erfassung von Tatsachen aus den Wissensbeständen der Befragten. Ziel ist es, Strukturen und Strukturzusammenhänge des Expertenwissens und -handelns zu analysieren. Gegenstand der Analyse ist nicht die Gesamtperson, sondern ein spezifischer organisatorischer oder institutioneller Zusammenhang, womit nur bestimmte Ausschnitte individueller Erfahrungen in den Mittelpunkt der Befragung gerückt werden (MEUSER/ NAGEL 2005, S. 72). Als qualitative Forschungsmethode zählt das Experteninterview zudem zu den interpretativen Verfahren, an welche die in Abschnitt 3.5.4.2 genannten Gütekriterien anzulegen sind. Dazu zählt unter anderem die Transparenz des Forschungsprozesses, wonach im Interesse einer intersubjektiven Nachprüfbarkeit die Einzelschritte einer Untersuchung offen gelegt werden sollten, um deren Akzeptanz zu erhöhen. Das Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird deshalb im Folgenden ausführlicher beschrieben.
5.1.2.2
Stichprobe
Bei Experteninterviews ist auf eine sorgfältige Auswahl der Experten unter den Gesichtspunkten der Vergleichbarkeit ihrer Positionen sowie der vermuteten Verwandtheit ihres Erfahrungswissens zu achten (MEUSER/NAGEL 2005, S. 80). Das Erfahrungswissen der Experten betrifft das Begriffsverständnis sowie Anwendungsprozesse und Entscheidungsabläufe. Zunächst ist zu klären, welche Personengruppe hier als Experte zu klassifizieren ist. Als Experten gelten in der Regel Funktionsträger innerhalb des untersuchungsrelevanten Organisationskontextes. Im Rahmen dieser Arbeit steht der Organisationskontext Werbeagentur im Fokus. Die interessierende Untersuchungseinheit sind diejenigen Funktionsträger, die hauptverantwortlich mit der Consumer Insight-Findung betraut sind. Hierbei handelt es sich i.d.R. um die Planner oder, falls keine spezielle Planning-Abteilung vorhanden ist, die mit der Entwicklung der Kommunikationsstrategie betrauten Personen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung beschränkt sich die Betrachtung auf die Führungsebene (Abteilungsleiter, Geschäftsführer, Vorstand, Inhaber), um sicherzustellen, dass die Interviewpartner über einen breiten Wissensund Erfahrungshintergrund sowie Entscheidungsgewalt für den Funktionsbereich verfügen. Bei qualitativen Untersuchungen ist die Repräsentativität der Stichprobe von untergeordneter Bedeutung (LAMNEK 2005, S. 384). Es geht nicht um eine große Zahl von Fällen, sondern um für die Fragestellung typische Fälle. Demzufolge weisen qualitative Untersuchungen häufig kleinere Stichprobengrößen auf. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird eine Fallzahl von elf Interviews als ausreichend für die Abbildung typischer Fälle angesehen.
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Empirischer Teil
Für die konkrete Auswahl der Interviewpartner ist zunächst zu klären, welche Merkmalskombinationen theoretisch bedeutsam sind. Der Markt der Werbeagenturen in Deutschland ist sehr heterogen. Um die Stichprobe angesichts der geringen Fallzahl nicht zu stark zu zersplittern, werden zur Auswahl der Interviewpartner zusätzlich zur grundlegenden Merkmalskombination „Funktion als Planner bzw. Stratege auf der Führungsebene einer deutschen Werbeagentur“ zwei weitere Kriterien herangezogen, die (in Vorgriff auf die Ergebnisse) keine inhaltlichen Konsequenzen haben. Dabei handelt es sich zum einen um den Management-Kontext, wobei Network-Agenturen und inhabergeführte Agenturen in ungefähr gleichem Verhältnis einbezogen werden. Zum anderen wird das Geschlecht der Interviewpartner berücksichtigt. Da laut Mitgliederliste der apgd männliche Strategen bislang in der Überzahl sind, werden hier mehr männliche als weibliche Experten befragt (im Verhältnis 8:3). Auf Basis dieser Merkmalskombination werden elf Interviewpartner ausgewählt (siehe Anhang A.2). Es handelt sich dabei um Werbestrategen, die im Laufe ihres Berufslebens bereits Hunderte von Strategien erarbeitet haben und ein breites Spektrum ihrer Erfahrungen in die Ergebnisse einfließen ließen. Es gibt eine Ausnahme: Eine Interviewpartnerin ist Geschäftsführerin einer Agentur, die zwar einem internationalen Werbeagentur-Netzwerk angehört, sich jedoch eher mit strategischen Marken- und Produktinnovationen befasst. Diese Ausnahme wird bewusst in die Stichprobe einbezogen, um Hinweise auf mögliche Unterschiede zu den WerbeagenturStrategen zu generieren. Es lassen sich in der Tat Abweichungen feststellen, die in weiteren Arbeiten genauer untersucht werden sollten. Bei einer der Werbeagenturen, aus denen die Befragten stammen, ist zudem keine klassische Planning-Funktion (vgl. 3.2.2) installiert.
5.1.2.3
Durchführung und Auswertung
Die Feldphase der Untersuchung fand zwischen dem 2. und 15. Februar 2006 statt. Von der Autorin der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt elf qualitative Experteninterviews in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Köln durchgeführt. Die Interviewdauer betrug durchschnittlich neunzig Minuten, wobei die Interviews auf Tonband mitgeschnitten wurden. Das begrenzte Zeitfenster für die Interviewdurchführung erforderte eine Fokussierung auf wenige zentrale Themenbereiche des Theoriegerüstes. Dabei handelt es sich um die Themen •
Begriffsklärung Consumer Insight,
•
Prozess der Consumer Insight-Findung (Ablauf, Methoden, Erfolgsfaktoren) sowie
•
Begriffsklärung und Besonderheiten der emotionalen Kommunikation.
Empirischer Teil
225
Um eine fokussierte und erkenntnisreiche Interviewführung zu gewährleisten, wurde den Interviewpartnern vor Durchführung der Interviews eine Zusammenstellung der wesentlichen Aussagen der Arbeit in elektronischer Form (PDF-Datei) zugeschickt. Wie bei qualitativen Interviews üblich, erfolgte die Interviewdurchführung leitfadenbasiert (siehe Anhang A.3). Der Leitfaden stellt die thematische Vergleichbarkeit der Expertenaussagen sicher (MEUSER/NAGEL 2005, S. 80). Zudem schneidet er die interessierenden Themen aus dem Horizont möglicher Gesprächsthemen heraus und ermöglicht es, das Interview auf diese Themen zu fokussieren. Kennzeichnend für qualitative Interviews ist, dass keine strikte Abfolge der Themen existiert, sondern sich diese im jeweiligen Gespräch ergibt (MASON 2002, S. 62). Die einzelnen Themenbereiche wurden in den Interviews unter anderem anhand typischer Fallbeispiele aus dem Agenturalltag diskutiert. Nach Durchführung der Interviews lagen elf so genannte Interviewtexte in Form von Tonband-Mitschnitten zur Auswertung vor. Dazu wurde auf die von LAMNEK (2005, S. 402 ff.) vorgeschlagene allgemeine Handlungsanweisung für die Auswertung qualitativer Interviewtexte zurückgegriffen, wonach die Auswertung den vier Phasen Transkription, Einzelanalyse, generalisierende Analyse und Kontrollphase folgte. Die Transkription der Interviewtexte, d.h. das Übertragen der auf Tonband aufgenommenen Originale in eine lesbare Form, ist notwendige Voraussetzung für die weiteren Analyseschritte. Zudem soll sie eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Analyse ermöglichen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde auf eine komplette Transkription der Tonaufnahme verzichtet. Eine solche wird bei Experteninterviews als nicht notwendig angesehen (MASON 2002, S. 77, MEUSER/NAGEL 2005, S. 83), da lediglich Interesse an solchen Interviewinhalten besteht, die sich direkt auf den Forschungsgegenstand beziehen. So wurden z.B. solche Inhalte ausgespart, die keinen unmittelbaren Beitrag zur Klärung der Forschungsfragen leisten konnten (z.B. eine Diskussion der Vor- und Nachteile von Printwerbung). Die vorliegenden Transkripte fallen dennoch insgesamt sehr ausführlich aus und enthalten eine Fülle relevanter Informationen, womit die Diskursverläufe als gelungen bezeichnet werden können (ebd., S. 83). Die Einzelfallanalyse sowie die generalisierende Analyse orientierten sich an den von MEUSER/NAGEL (ebd., S. 80 ff.) vorgeschlagenen Unterschritten. Im Rahmen der Kontrollphase wurden die vollständigen Transkripte immer wieder zum Abgleich mit den verdichteten Erkenntnissen herangezogen, um etwaige Fehlinterpretationen infolge der sukzessiven Verringerung des Datenmaterials auszuschließen.
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Empirischer Teil
5.2 Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse Gemäß dem Falsifikationsprinzip von POPPER sind Hypothesen solange beizubehalten, wie sie nicht falsifiziert sind. Insgesamt ist festzustellen, dass sich das erarbeitete Thesengerüst bewähren kann. Die Erfahrungen der Befragten stimmen in hohem Maße mit der theoretisch unterstellten Struktur überein, vor allem hinsichtlich der generellen Auffassung des Consumer Insight, der konstituierenden Merkmale, des Prozesses und der Erfolgsfaktoren. Darüber hinaus bieten die vorliegenden Interviewdaten eine Fülle von relevanten Informationen über die Auffassung von und den Umgang mit Consumer Insight in der deutschen Werbepraxis. Zu einzelnen Aspekten sei der interessierte Leser auf die ausführliche Ergebnisdarstellung in Anhang A.4 verwiesen. Die sich aus dem Abgleich zwischen Theorie und Empirie ergebenden Handlungsempfehlungen für die Werbepraxis werden in Kapitel 6 aufgeführt.
5.2.1 Consumer Insight 5.2.1.1 Rolle des Consumer Insight und Begriffsklärung Dem Consumer Insight wird ein hoher Stellenwert als Basis der Kommunikationsentwicklung eingeräumt, wobei auch die Experten einen inflationären und unscharfen Gebrauch des Consumer Insight-Begriffs beklagen. Zudem gilt der Consumer Insight als kaum greifbares Mysterium, weshalb von allen Interviewpartnern Klärungsbedarf gesehen wird. Die Aufarbeitung des Themas im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit wird dementsprechend begrüßt, was sich auch positiv auf die Teilnahme- und Antwortbereitschaft der Interviewpartner auswirkt. In der Stichprobe ist eine hohe Vertrautheit mit dem Konzept des Consumer Insight festzustellen. Bis auf eine Ausnahme orientieren sich sämtliche der befragten Experten bei der Kommunikationsentwicklung am Consumer Insight, wobei ein enger Zusammenhang mit der Anwendung des klassischen Modells der strategischen Planung zu bestehen scheint. In vielen Agenturen ist der Consumer Insight Bestandteil interner Instrumente wie z.B. des Creative Brief. Die Aussagen der Experten sind insgesamt sehr konsistent, auch was den verwendeten Sprachcode betrifft. Die Bedeutung des Consumer Insight geht nach einhelliger Meinung weit über Kommunikation hinaus – er sollte Basis für die gesamte Marktbearbeitungsstrategie sein. Der Consumer Insight gilt als treibende Kraft für effektive Kommunikation, sollte allerdings nicht die einzige Messlatte der Kommunikation sein. Zu berücksichtigen sind z.B. auch die strategische Intention des Management, der Brand Insight, Wettbewerbsaktivitäten sowie Zukunftspotenziale, die über die heutige Vorstellungswelt des Konsumenten hinausgehen. Die Antizipation von Zukunftspotenzialen wurde in zwei Interviews intensiv diskutiert und wirft
Empirischer Teil
227
interessante Fragen auf: Betrifft der Consumer Insight nur die Gegenwart oder ist es auch möglich, in die Zukunft gerichtete Sachverhalte zu antizipieren? Ist es möglich, auf Basis des Consumer Insight Produkte, Marken und Kommunikation zu entwickeln, die über die heutige Vorstellungswelt des Konsumenten hinausgehen? Nach Meinung der betreffenden Interviewpartner ist die Antizipation von Zukunftspotenzialen eher eine Sache der unternehmerischen Intuition sowie von intensiven Potenzialanalysen, die über den Consumer Insight hinausgehen. Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht kann der Consumer Insight allerdings durchaus eine Basis für neuartige Angebote und Kommunikation bieten, indem er auf Angebotslücken, unerfüllte Bedürfnisse oder brachliegende Botschaftsfelder hinweist. Zudem geht es beim Consumer Insight weniger um das, was die Konsumenten bewusst wollen, als vielmehr um die „wahren“, vielfach unterbewussten Antriebskräfte des Verhaltens. Möglicherweise können neue Produkt- oder Kommunikationsideen gerade deshalb eine große, unvorhergesehene Relevanz entfalten, weil sie verborgene, bereits vorhandene Emotions-, Motiv- und Wertegefüge im Konsumenten bedienen. Gleichwohl sollten die obigen Fragen in weiterführenden Forschungsarbeiten genauer betrachtet werden. Hinsichtlich der groben Bedeutung des Consumer Insight herrscht Einigkeit unter den befragten Experten. Demnach geht der Consumer Insight über „bloße“ Erkenntnisse über die Zielgruppe hinaus. Er lässt sich vielmehr auf die Formel „Erkenntnisse über den Konsumenten plus Inspiration“ bringen. Hinsichtlich der Konkretisierung des Consumer Insight weichen die Meinungen allerdings teilweise voneinander ab. Die begriffliche Unklarheit in Zusammenhang mit dem Consumer Insight spiegelt sich somit auch in dieser relativ homogenen Gruppe der Werbestrategen wider. Einige Experten unterscheiden verschiedene Arten („Banalitätsgrade“) von Consumer Insights, die sich auf einem Kontinuum zwischen „tief verborgen“ und „oberflächlich vorhanden“ einordnen lassen. Für das Gros der Befragten ist die tiefenpsychologische Richtung, die sich auf die unterbewussten Antriebskräfte bezieht, die viel versprechendere, die oftmals die stärksten und interessantesten Insights hervorbringt. Zumindest ist der Consumer Insight in der Regel „verdreckt oder versteckt“ und muss erst freigelegt werden. Andere sind hingegen der Meinung, dass die besten Consumer Insights oft an der Oberfläche liegen, sei es in Form von bislang übersehenen „Banalitäten“ oder bestimmten Arten der Produktverwendung, die in der Kommunikation aufgegriffen werden könnten. Nach Meinung der Autorin handelt es sich bei Letzterem jedoch weniger um einen Consumer Insight als vielmehr um eine Erkenntnis über das Verwenderverhalten, die sich z.B. im Rahmen der Werbegestaltung aufgreifen lässt. Hier zeigen sich Abgrenzungsprobleme, denen durch die Einführung der konstituierenden Merkmale begegnet werden soll.
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Das Vorhaben, den Consumer Insight anhand der sechs definierten konstituierenden Merkmale greifbarer zu machen, wird sehr begrüßt. Die Merkmale des Consumer Insight finden insgesamt breite Zustimmung, womit die erarbeitete Nominaldefinition des Consumer Insight der Überprüfung standhalten kann. In Nuancen bestehen unterschiedliche Auffassungen, vor allem aufgrund abweichender begrifflicher Abgrenzungen. In den Interviews ist festzustellen, dass sich die befragten Experten bislang kaum in systematischer Weise mit dem Consumer Insight und dessen Such- bzw. Findungsprozess beschäftigt haben, obwohl oder gerade weil Consumer Insight für sie zur alltäglichen Berufspraxis und zum Sprachgebrauch gehört. So ist vielfach zu beobachten, dass bei näherer Erläuterung der Aussagen und im weiteren Verlauf des Interviews vorher geäußerte Meinungen relativiert werden. Abgrenzungsfragen tauchen bei dem Merkmal „Neuartigkeit“ auf. Sie entstehen insbesondere in Zusammenhang mit dem erforderlichen Neuartigkeitsgrad. Manche der Befragten sind der Ansicht, dass auch auf bereits bestehenden Consumer Insights Kampagnen entwickelt werden können (z.B. die „alte Sehnsucht der Menschen nach Liebe“), wobei die notwendige Differenzierung dann eher im Rahmen der kreativen Umsetzung erfolgt oder aus der Marke kommt (Verknüpfung mit dem Brand Insight). Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht, die im weiteren Interviewverlauf von den meisten Interviewpartnern geteilt wird, lässt sich in solchen Fällen jedoch nicht von einem Consumer Insight sprechen, sondern lediglich von „bestehenden Erkenntnissen“. Bei den von den Interviewpartnern angeführten Beispielen für „bekannte“ Consumer Insights, auf denen neue Kommunikation entsteht, handelt es sich bei näherer Betrachtung immer um zumindest geringfügige Variationen (wenn z.B. ein bestehender Markenwert wie „Zuverlässigkeit“ bei VW immer wieder markenspezifisch und zeitgemäß neu interpretiert wird). Bereits minimale Veränderungen und Verfeinerungen einer bestehenden Erkenntnis sorgen nach Meinung der meisten Experten für Neuartigkeit und können somit zu einem Consumer Insight führen. Die „Neuartigkeit“ wird somit als konstituierendes Merkmal des Consumer Insight beibehalten. Geteilt wird von den Interviewpartnern auch die Auffassung, dass der Consumer Insight mit der Anbieterperspektive (Brand Insight) verknüpft werden muss, um für Markenpassung und Glaubwürdigkeit der Kommunikation zu sorgen. Die Unterscheidung wird als sinnvoll betrachtet. Der Begriff „Brand Insight“ wird vereinzelt bereits verwendet, allerdings in anderem Zusammenhang (Markenwahrnehmung aus Konsumentensicht, die nach der hier vertretenen Auffassung Teil des Consumer Insight ist). Das Gros der Experten hält den Begriff für passend und geeignet, die Anbieterperspektive zum Ausdruck zu bringen.
Empirischer Teil
5.2.1.2
229
Prozess der Consumer Insight-Findung
Die vorliegende Arbeit konzeptualisiert den Prozess der Consumer Insight-Findung als kreativen Prozess (vgl. Abbildung 3-6 in Abschnitt 3.4.1). Dieser wird von den Experten als adäquate Darstellungsform begrüßt. Der Erfahrung der Experten nach bilden die vier Stufen Vorbereitung, Inkubation, Illumination und Verifikation auch die Vorgehensweise im Rahmen der Consumer Insight-Suche bzw. -Findung ab. In dem Modell erkennen sich die Experten mit ihrer Arbeitsweise wieder. Nahezu alle Befragten differenzieren zudem zwischen den auch hier unterschiedenen Phasen Hypothesenbildung und -überprüfung (Entdeckungs- bzw. Begründungszusammenhang). Diese Unterscheidung hat z.B. Einfluss auf die Maßstäbe, die an den Prozess der Consumer Insight-Findung angelegt werden. Zur Hypothesenbildung sind alle Wege erlaubt – die Hypothesenüberprüfung wird kritischer betrachtet und systematischer angegangen. Wenn ein Consumer Insight entdeckt wird, äußert sich dies in einem AhaErlebnis. Allerdings betonen die Experten, dass ein solches eher selten ist. Die Suche nach Consumer Insight führt keineswegs immer zum Erfolg, weshalb von fast allen Interviewpartnern in Zusammenhang mit der Consumer Insight-Suche Vergleiche wie das Schürfen nach Gold bemüht werden. Dem Gros der in Deutschland geschalteten Kampagnen liegt demnach nach Meinung der Befragten kein Consumer Insight zugrunde. Das Finden eines solchen lässt sich nicht erzwingen, die Consumer Insight-Suche kann allerdings unterstützt werden. Da die befragten Experten bislang kaum strukturiert über den Consumer Insight nachgedacht haben, wird der gesamte Prozess der Consumer Insight-Findung in der Werbepraxis eher intuitiv angegangen, während das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte Theoriegerüst darauf abzielt, den Prozess der Consumer Insight-Findung zu systematisieren. Für das Gros der befragten Werbestrategen gilt die Intuition als Schlüssel zum Consumer Insight. Eine systematischere Vorgehensweise auf Basis von Suchheuristiken oder Kreativitätstechniken wird vielfach sogar abgelehnt. Gründe hierfür dürften zum einen in den generell knappen und zunehmend knapper werdenden Zeit- und Geldbudgets liegen, die für die Kommunikationsentwicklung zur Verfügung stehen und die die per se anspruchsvolle Consumer Insight-Suche unter erschwerten Bedingungen stattfinden lassen. Zum anderen ist die Betonung der Rolle der Intuition vor dem Erfahrungshintergrund der Befragten zu relativieren. Die Befragten haben unzählige Cases bearbeitet und im Zuge dessen eine breite theoretische Wissensbasis angesammelt, auf die die Intuition zurückgreifen kann. Das implizit vorhandene Theoriewissen in den Werbeagenturen bildet demnach die Basis für die Intuition. Dazu gehört auch ein breites Methodenwissen. Daneben betonen die Experten selbst, dass die Schaffung einer Informa-
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Empirischer Teil
tionsbasis notwendige Voraussetzung für die Wirkkraft der Intuition ist. Dementsprechend greifen sie auf vielfältige Sekundärdaten zurück und setzen Primärforschung ein. Wie der Vergleich mit der Innovationsagentur zeigt, scheint die Betonung der intuitiveren Herangehensweise charakteristisch für die Werbepraxis zu sein. Auch in der Innovationsagentur findet das Konzept des Consumer Insight Anwendung, wobei dort bei der Suche nach Consumer Insight systematischer vorgegangen wird. Die zur Verfügung stehenden Zeit- und Geldbudgets sind bei Innovationsprozessen deutlich ausgedehnter als die, die die Auftraggeber für die Kommunikationsentwicklung einräumen. Die intuitivere Vorgehensweise gegenüber einer Orientierung an Systematiken und Modellen scheint ein Charakteristikum der Werbepraxis zu sein, wie auch andere Autoren feststellen (MEYERS-LEVY/MALAVIYA 1999, S. 56 f., HALL 2002, S. 30). Weitere Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung sind neben der Intuition auch aus Sicht der Befragten Empathie, Neugier und Offenheit. Erfahrung erweist sich als zweischneidig: im Rahmen der Hypothesenüberprüfung wird sie als vorteilhaft betrachtet, da mit zunehmender Erfahrung das Gespür dafür sicherer wird, ob bereits ein Consumer Insight entdeckt wurde oder nicht. Bei der Hypothesenbildung kann Erfahrung hinderlich sein, indem sie das intuitive Moment blockiert, das erst den kreativen Sprung ermöglicht. Während der Erfolgsfaktor „Systematische Prozesse“ von den Experten zwiespältig betrachtet wird, teilen diese die Ansicht, dass die Verantwortlichkeit für den Consumer Insight bzw. den Prozess der Consumer Insight-Findung in einer Hand liegen sollte – soweit vorhanden im Planning. Zeit- und Geldbudgetengpässe sind nach Auffassung der Befragten immanente Eigenschaften der Werbebranche, auf die sie sich eingestellt haben. Sie wirken sich insbesondere darauf aus, welche Maßnahmen zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung eingesetzt werden. Im Rahmen dieser Arbeit werden vielfältige Möglichkeiten aufgezeigt, die Suche nach Consumer Insight zu unterstützen. Wie sich in den Interviews zeigt, werden diese Möglichkeiten in der Praxis längst nicht ausgeschöpft, da sich die erfahrenen Strategen in erster Linie auf ihre Intuition und ihr Know-how verlassen und sich bislang kaum in strukturierter Weise mit dem Consumer Insight und dessen Suchprozess auseinandergesetzt haben. Die in der Werbepraxis zur Anwendung kommenden Maßnahmen zur Unterstützung der Consumer InsightFindung betreffen insbesondere die in Abschnitt 3.5.3 aufgeführten Techniken zur Förderung des Perspektivwechsels. Dazu gehören vor allem die Gewinnung von innerem Abstand („physische und geistige Entrückung“), Interaktion und Austausch mit Dritten (Konsumenten, Kollegen oder generell Menschen, die „kreative Fragen stellen“) sowie die Introspektion. Die Förderung der Consumer Insight-Suche erweist sich bisher als sehr individuelle Angelegen-
Empirischer Teil
231
heit – jeder der befragten Experten vertraut auf seine ganz persönliche Inkubationsstrategie. Kreativitätstechniken werden bislang nur in der Innovationsagentur gezielt zur Unterstützung der Consumer Insight-Suche eingesetzt. In den Werbeagenturen werden dazu lediglich kleinere Anleihen der bekannten Techniken genutzt (z.B. Brainstorming-Prinzipien wie der Verzicht auf Kritik). Der systematische Einsatz von Kreativitätstechniken spielt dort bislang so gut wie keine Rolle bzw. wurde bislang noch nicht ausprobiert, zumindest nicht im Rahmen der Suche nach Consumer Insight. Meist werden hierfür Zeitgründe angeführt. Der Stellenwert von Primärforschung zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung wird von den Experten unterschiedlich gewichtet. Einigkeit herrscht darüber, dass Consumer Insight in der Regel kein unmittelbares Ergebnis einer Primärstudie ist, sondern deren Ergebnisse immer einer (kreativen) Verdichtung und Verfeinerung bedürfen. Im Umgang mit Primärforschung herrscht bei den befragten Werbepraktikern zumindest bei der Hypothesenbildung der pragmatische Ansatz vor. Es kommt demnach weniger auf methodische Genauigkeit an als darauf, unter Zeit- und Kostendruck inspirierende Einblicke in das Konsumentenverhalten zu erlangen. Hinsichtlich der eingesetzten Forschungsmethoden besteht bei den meisten der Befragten eine klare Präferenz für qualitative Methoden und insbesondere für die Tiefenpsychologie, die am ehesten geeignet sei, einen Beitrag zur Consumer Insight-Findung zu leisten. Allerdings kann auch quantitative Forschung zur Hypothesenbildung beitragen, wenn z.B. ein bestimmtes Verhalten der Konsumenten offenkundig wird, aus dem sich Consumer Insights ableiten lassen. Insgesamt ist festzustellen, dass hinsichtlich der aufgezeigten qualitativen Forschungsmethoden (vgl. Abbildung 3-8, Abschnitt 3.5.4.1) nur ein eingeschränktes Spektrum zur Anwendung kommt. Meist werden die herkömmlichen Befragungsmethoden Einzelinterview oder Gruppendiskussion eingesetzt. Viele der Experten versuchen, den Grenzen von Befragungsmethoden mit dem Einsatz indirekter Methoden zu begegnen, wie sie in 3.5.4.2 vorgeschlagen werden. Ein systematischer bzw. methodisch fundierter Einsatz von Beobachtungstechniken findet durch die Werbeagenturen bei der Kommunikationsentwicklung vor allem wegen Zeit- und Geldbudgetrestriktionen so gut wie gar nicht statt. Eine Ausnahme bildet wiederum die Innovationsagentur, bei der ethnografische Methoden im größeren Stil zum Standardrepertoire gehören. Hirnforschungsmethoden werden von sämtlichen der Befragten nicht genutzt, da bislang die praktische Nutzenanwendung fehlt und der Interpretationszusammenhang unklar bleibt. Allerdings werden die Entwicklungen interessiert beobachtet, zumal manche Konkurrenten hier bereits aktiv sind und in neue Forschungsinstrumente investieren (siehe z.B. BBDO 2004).
232
Empirischer Teil
5.2.2 Emotionale Kommunikation Auch von den befragten Experten werden Begriffsverwirrungen und Missverständnisse in Zusammenhang mit der emotionalen Kommunikation beklagt. Mit dem Begriff „emotionale Kommunikation“ tun sich die Befragten generell schwer. Er wird als diffus und akademisch wahrgenommen. Die Auffassungen der befragten Experten darüber, was emotionale Kommunikation eigentlich ist, sind uneinheitlich. Vereinzelt wird emotionale Kommunikation mit Imagewerbung, emotionalen Markenwelten und „Werbung mit Menschen“ verbunden. Die meisten Befragten teilen die im Rahmen dieser Arbeit vertretene Auffassung, dass die Emotionalität der Werbung an den Reizeigenschaften der Werbung und den entsprechenden Reaktionen der Rezipienten festgemacht werden sollte. Emotionalität ist eine Eigenschaft der Person. Emotionale Kommunikation ist demnach Kommunikation, die bewegt und begeistert. Eine Differenzierung zwischen emotionaler und rationaler Kommunikation wird weder für möglich noch sinnvoll erachtet, da jede Kommunikation sowohl emotionale als auch rationale Aspekte enthält. Werbung sollte nach Meinung der Experten generell emotionalisieren, da sie nur dann Wirksamkeit entfalten kann, wenn sie die Menschen berührt. Die Befragten unterstreichen den Punkt, dass die Emotionalisierung gezielt erfolgen muss und emotionale Reaktionen nicht dem Zufall überlassen werden dürfen. Demnach sollte vor der Umsetzung klar definiert werden, welche Gefühle durch die Werbung ausgelöst werden sollen, für welche emotionale Kerndimension die Marke stehen und mit welchen Emotionen sie angereichert werden soll. Zudem unterstützen die Experten die Forderung nach einer marken- und kategorieadäquaten Emotio-Ratio-Balance. Emotionale Kommunikation braucht eine Erdung im Produkt. Einige Interviewpartner fordern eine differenziertere Betrachtung der emotionalen Kommunikation. So können die emotionalen Reizeigenschaften zum einen die Botschaft, zum anderen die Machart bzw. Tonalität betreffen. Auch Kampagnen mit einem eher rationalen Nutzenversprechen können sehr emotional umgesetzt sein. Entsprechend der von einigen Befragten spontan geäußerten Auffassung, dass Consumer Insight und emotionale Kommunikation eng zusammenhängen, geht Kommunikation, die auf Basis eines Consumer Insight entwickelt wird, per se eher in die emotionale Richtung – sei es auf Ebene der Botschaft, der Tonalität oder auf beiden Ebenen. Die Suchfelder für den Consumer Insight sind dabei nach Ansicht der Experten unabhängig von der letztendlichen Ausgestaltung der Kommunikation immer dieselben, da sich die Art der Ansprache im Zuge des Analyse- und Strategieentwicklungsprozesses ergibt, zu dem auch die Consumer Insight-Findung gehört. Werbewirkungsmodelle werden der Kommunikationsentwicklung zumindest explizit nicht zugrunde gelegt.
Empirischer Teil
233
Ein interessanter Diskussionspunkt betrifft die Frage, ob die Suche nach Consumer Insight immer, d.h. bei jeder kommunikativen Aufgabenstellung sinnvoll ist. Ein Consumer Insight ist vor allem für die emotionale Kommunikation von Bedeutung, da es sich immer um eine emotional behaftete Erkenntnis handelt. Nach Meinung einiger der Befragten bietet der Consumer Insight dann keinen Mehrwert, wenn die Werbung eher rationale Aspekte wie günstige Preise transportieren soll oder die Beweggründe auf der Hand liegen (z.B. Jagd nach Schnäppchen). In Vorgriff auf das Fazit der Arbeit wird im Rahmen dieser Arbeit allerdings die Auffassung vertreten, dass es sich immer lohnt, nach Consumer Insight zu suchen.
5.3 Limitationen Abschließend zum empirischen Teil der Arbeit ist auf einige Limitationen hinzuweisen, die die Untersuchungsmethode sowie die gewählte Stichprobe betreffen und sich auf die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auswirken könnten. Die Erkenntnisse sollten deshalb in weiterführenden Forschungsarbeiten auf breiterer Basis validiert werden. Untersuchungsmethode Auf die Grenzen qualitativer Marktforschung wurde bereits in Abschnitt 3.5.4.2 eingegangen. Hierzu zählen unter anderem Interaktionseffekte. Zudem konnten die Befragten vor Durchführung des Interviews durch die Zusendung des Thesengerüstes im Vorhinein Kenntnis über die Interviewinhalte erhalten. Dieses Vorgehen diente dem Ziel einer fokussierten und erkenntnisreichen Interviewführung, könnte allerdings den Vorwurf der Beeinflussung mit sich bringen. „Nicht-Beeinflussung“ wäre jedoch lediglich bei einem explorativen Vorgehen von Bedeutung – hier wurde ausdrücklich nichtexplorativ vorgegangen. Davon abgesehen haben sich die meisten Befragten nach eigenem Bekunden „aus Zeitgründen“ vorher nicht näher mit dem Thesengerüst beschäftigt. Stichprobe Die Stichprobe der vorliegenden Untersuchung beschränkt sich auf Strategen in deutschen Werbeagenturen. Dazu ist zweierlei anzumerken: Zum einen betrifft der Prozess der Consumer Insight-Findung neben dem Planner weitere Personenkreise. Hierzu zählen neben agenturinternen Funktionsträgern wie z.B. den Kundenberatern insbesondere die Auftraggeber bzw. Kunden, d.h. die Marketingverantwortlichen im Unternehmen, sowie die Marktforschungsinstitute. Die Perspektiven dieser Gruppen können im Rahmen dieser Arbeit nicht
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Empirischer Teil
berücksichtigt werden, sollten jedoch in weitere Forschungsarbeiten zum Consumer Insight einbezogen werden. Zum anderen wäre es interessant zu überprüfen, inwieweit sich die für die deutsche Werbepraxis erhobenen Erkenntnisse auf andere Länder übertragen lassen. Weitere Limitationen könnten sich aus der persönlichen Biographie der Autorin ergeben, die seit mehreren Jahren als Plannerin in unterschiedlichen Werbeagenturen tätig ist. Teilweise existieren persönliche Beziehungen zwischen den Befragten und der Autorin, die sich in Form von Interviewereffekten auf das Antwortverhalten der interviewten Personen auswirken könnten. Dieser Punkt muss allerdings in Kauf genommen werden, da die Zahl der in Deutschland tätigen Planner überschaubar ist (laut Mitgliederliste der apgd ca. 190 Personen, davon etwa 30 Führungskräfte) und persönliche Begegnungen zum Berufsalltag gehören. Zur Gefahr von Interviewereffekten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist Folgendes zu sagen: Es ist anzunehmen, dass die Interviewerin von den Befragten als „Co-Experte“ bzw. als „Komplize“ wahrgenommen wird (vgl. die Typologie bei BOGNER/MENZ 2005, S. 50 ff., 59 f.). Diesen Wahrnehmungssituationen werden spezifische Vorteile zugeschrieben. So ist der Befragte zu entsprechendem Engagement bereit und gibt Informationen und Wissen preis, die bei anderen Kompetenzzuschreibungen (z.B. „potenzieller Kritiker“, „Laie“) kaum zugänglich wären. In der Wahrnehmungssituation „Komplize“ wird der Interviewer als Vertrauensperson angesehen (hier repräsentiert durch Sätze wie „Du weißt ja, wie das ist“), der Geheimnisse anvertraut, verdeckte Strategien erläutert und vertrauliche Informationen mitgeteilt werden. Ob im Rahmen der Interviews ein Konkurrenzdruck aufgetreten ist, der sich ebenfalls auf das Antwortverhalten auswirken könnte und nach PFADENHAUER (2005, S. 120) typischerweise Begegnungen zwischen Experten der gleichen Provenienz prägt, lässt sich nicht nachvollziehen. Allerdings waren die Interviewsituationen durchweg von einer offenen, lockeren Atmosphäre geprägt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Biographie der Autorin und die daraus resultierende Wahrnehmung durch die befragten Experten nicht limitierend, sondern eher positiv auf deren Antwortverhalten und somit auf den Output der Studie ausgewirkt haben dürften.
Zusammenfassung der Ergebnisse
6.
235
Zusammenfassung der Erkenntnisse und Implikationen für die Praxis
6.1 Zusammenfassung Nachfolgend werden die wichtigsten theoretisch und empirisch gewonnenen Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit im Überblick dargestellt. Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil der Arbeit: •
Die Orientierung am Consumer Insight erhöht die Effektivität der Marketingkommunikation. Als neuartiger, erleuchtender Einblick in die wahren Beweggründe der Konsumenten in Bezug auf den Kauf oder die Verwendung bestimmter Kategorien, Produkte oder Marken ist der Consumer Insight der Schlüssel zur Relevanz von Markenund Werbebotschaften.
•
Der Consumer Insight wird durch sechs Merkmale konstituiert: Kombination von Sachverhalten, Situationsbezogenheit, Neuartigkeit, Wissensbasiertheit, Anwendungsorientiertheit und Psychologische Wahrheit. Sind alle Merkmale erfüllt, so handelt es sich bei einer Erkenntnis über den Konsumenten um einen Consumer Insight.
•
Kurzformel: Consumer Insight = Erkenntnisse über den Konsumenten + Inspiration.
•
Eine erfolgswirksame Werbebotschaft muss glaubwürdig sein, d.h. zu Produkt bzw. Marke passen und nach Möglichkeit im Produkt verankert sein. Der Consumer Insight ist um den Brand Insight (Anbieterperspektive) zu ergänzen.
•
Basis für die Consumer Insight-Findung ist eine umfassende und tiefe Konsumentenkenntnis. Es gilt, die Emotions-, Motiv- und Wertegefüge der Konsumenten in Zusammenhang mit Kategorie, Produkt, Marke zu ergründen.
•
Als grundlegende menschliche Antriebskräfte haben Emotionen eine zentrale Bedeutung für das gesamte menschliche Verhalten und damit für den Consumer Insight. Emotionen wirken als Markierungssignale und lenken die Gedanken. Marken, die mit emotionalen Assoziationen verknüpft und vertraut sind, werden intuitiv ausgewählt.
•
Suchfelder für die Erlangung von Konsumentenkenntnis als Basis für die Consumer Insight-Findung sind Markennutzung und -wissen, Markenschemata der Wettbewerber, Kategorieschemata, relevante emotionale Erlebnisse (Erlebnisschemata), Rolle und Relevanz von Kategorie, Produkt, Marke, kognitives/emotionales Involvement, Markenbindung, persönlichkeitsbezogene Aspekte (vgl. Abbildung 4-6 in Abschnitt 4.5.3).
Zusammenfassung der Ergebnisse
236 •
Kreativität spielt auch im Rahmen der Strategieentwicklung eine wichtige Rolle, nicht nur bei der kreativen Gestaltung.
•
Der Prozess der Consumer Insight-Findung ist als kreativer Prozess mit vier Phasen (Vorbereitung, Inkubation, Illumination, Verifikation) zu verstehen.
•
Zu den endogenen Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung zählen psychodynamische Antriebskräfte wie Empathie und Neugier sowie Mechanismen der Wissensverarbeitung wie Intuition und Erfahrung. Voraussetzung für die Wirkkraft der Intuition ist eine breite Wissensbasis.
•
Exogene Erfolgsfaktoren sind die verfügbare Konsumentenkenntnis, Strukturen (z.B. Freiheit zur Entfaltung, zentrale Verantwortlichkeit), systematische Prozesse und Einzelfallorientierung sowie ausreichende Realisationspotenziale (ausreichende Zeit- und Geldbudgets, adäquate Instrumente zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung).
•
Die Suche nach Consumer Insight führt nicht immer zum Erfolg, kann jedoch unterstützt werden. Ein systematischer Prozess erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit.
•
Die Hypothesenbildung lässt sich gezielt fördern. Dazu können die endogenen und exogenen Erfolgsfaktoren gezielt beeinflusst sowie verschiedene Techniken zur Unterstützung des Perspektivwechsels, „klassische“ Kreativitätstechniken und Methoden der Primärforschung eingesetzt werden.
•
In Hinblick auf die Consumer Insight-Findung sind insbesondere die qualitativen Forschungsmethoden von Bedeutung, da viele der Sachverhalte, die den Consumer Insight ausmachen, eher auf unterbewusster Ebene vorhanden sind.
•
Alle Erkenntnisquellen sind zulässig, die dabei helfen, Consumer Insight zu finden.
•
Der Consumer Insight betrifft emotional behaftete Sachverhalte und dient in erster Linie als Basis für eine emotionale Ansprache.
•
Mit Hilfe der emotionalen Kommunikation können Marken erfolgswirksam differenziert und enge Bindungen zwischen Marken und Konsumenten geschaffen werden. Allerdings ist die Wirksamkeit der emotionalen Kommunikation von vielfältigen Bedingungen abhängig. Zentrale Erfolgsfaktoren sind Relevanz, Differenzierung, Glaubwürdigkeit und Markenpassung der eingesetzten Werbereize.
•
Der Einsatz emotionaler Werbereize sollte für jede Produktkategorie geprüft werden.
Zusammenfassung der Ergebnisse
237
Erkenntnisse aus dem empirischen Teil der Arbeit: •
Das erarbeitete Theoriegerüst stimmt in hohem Maße mit der Auffassung und dem Vorgehen in der Werbepraxis überein und kann sich bewähren.
•
Die Vertrautheit mit dem Konzept des Consumer Insight scheint eng mit der Anwendung des klassischen Modells der strategischen Planung in der Werbeagentur zusammenzuhängen.
•
Eine systematische Auseinandersetzung mit dem Consumer Insight steht auch in der (deutschen) Werbepraxis noch aus.
•
Viele der aufgezeigten Möglichkeiten zur Unterstützung der Consumer InsightFindung liegen brach, da die Werbestrategen in der Regel auf ihre gewohnte Inkubationsstrategie vertrauen. Neue Wege werden kaum beschritten.
•
Die Werbepraxis setzt die Methoden der Primärforschung aufgrund von Zeit- und Geldbudgetrestriktionen eher pragmatisch ein. Im Zuge der Hypothesenbildung werden alle Wege, Erkenntnisse zu generieren, als legitim betrachtet.
•
Der systematische Einsatz von Kreativitätstechniken spielt in den Werbeagenturen im Rahmen der Suche nach Consumer Insight bislang keine Rolle.
•
Es scheint ein Unterschied zwischen den Vorgehensweisen in Werbeagenturen und in solchen Agenturen zu bestehen, die mit der Entwicklung von Marken- und Produktinnovationen betraut sind.
•
In den Werbeagenturen wird in erster Linie die Intuition als Schlüssel zum Consumer Insight gesehen. Die Innovationsagentur geht systematischer vor und bedient sich verschiedenster Techniken. Mögliche Gründe: für Innovationsprojekte werden von den Auftraggebern umfangreichere Zeit- und Geldbudgets eingeräumt.
•
Es ist allerdings anzunehmen, dass die Experten in den Werbeagenturen über ein breites implizites Theoriewissen verfügen, auf Basis dessen die Intuition wirken kann.
Auf Basis dieser Erkenntnisse können nun Implikationen für die Praxis abgeleitet und entsprechende Handlungsempfehlungen aufgezeigt werden.
238
Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Implikationen für die Praxis und Handlungsempfehlungen Starke Marken gelten als zentraler Erfolgsfaktor der Unternehmensführung. Gleichzeitig sieht sich die Markenführung immer größeren Herausforderungen gegenüber. Es wird zunehmend anspruchsvoller, eine Marke wirksam zu profilieren und eine enge Bindung zum Konsumenten zu schaffen. Die Orientierung am Consumer Insight kann hier einen wirkungsvollen Ausweg bieten. Der Consumer Insight stellt ein wirkungsvolles Konzept zur Steigerung der Effektivität der Marketingkommunikation dar, da er es ermöglicht, relevantere, differenzierendere und demzufolge treffsicherere Botschaften zu entwickeln. Die Bedeutung des Consumer Insight geht allerdings über die Kommunikation hinaus – er sollte Basis für sämtliche Marketingmaßnahmen sein. Der Mehrwert des Consumer Insight liegt nicht nur darin, als wirkungsvolle Orientierungshilfe für relevante Produkte und Botschaften zu sorgen und dadurch die Effektivität des Marketingmixes zu erhöhen. Erkenntnisse über den Konsumenten bilden (idealerweise) auch ohne Orientierung am Consumer Insight den Ausgangspunkt von Marketingaktivitäten. Der Consumer Insight geht allerdings noch einen wichtigen Schritt weiter. Die Orientierung am Konzept des Consumer Insight zwingt dazu, immer noch ein Stück weiterzudenken, die Erkenntnisse über den Konsumenten noch weiter zu verdichten und aus anderen Perspektiven zu betrachten – quasi „noch eins draufzusetzen“. Im Grunde handelt es sich bei der Orientierung am Consumer Insight um eine spezifische Denkmechanik, eine Kreativitätstechnik oder einfach eine bestimmte Art, über den Konsumenten nachzudenken. Ziel ist es, einen klaren Gedanken, eine zentrale Idee über den Konsumenten zu haben, auf dem das Marketing aufsetzen kann. Bei der klassischen, „herkömmlichen“ Vorgehensweise fehlt dieser spezifische Ansatzpunkt, das Herausstellen der differenzierenden Perspektive. Hier wird dementsprechend die Auffassung vertreten, dass es sich unabhängig von der Aufgabenstellung immer lohnt, nach Consumer Insight zu suchen, auch dann, wenn die Lösung auf der Hand zu liegen scheint – eben weil es sich um eine spezifische Denkmechanik handelt, die die Beteiligten dazu bringt, kreativ und fokussiert zu denken und ein relevantes, differenzierendes und glaubwürdiges Sprungbrett für die Marketingaktivitäten zu entwickeln. Consumer Insight zu finden ist anspruchsvoll und nicht immer von Erfolg gekrönt. Die Suche nach Consumer Insight lässt sich jedoch unterstützen. Das Durchlaufen eines systematischen Prozesses ist keine Garantie dafür, dass die Suche zum Erfolg führt, maximiert jedoch die Erfolgswahrscheinlichkeit. Wesentliche Voraussetzung ist das Verstehen der konstituierenden Merkmale des Consumer Insight und der Mechanismen des Prozesses der Consumer Insight-
Zusammenfassung der Ergebnisse
239
Findung. Auf Basis der im Rahmen dieser Arbeit erlangten Kenntnis des kreativen Prozesses können ein systematisches Vorgehen etabliert, kreativitäts- bzw. insightfördernde Bedingungen in Werbeagenturen und Unternehmen geschaffen und Techniken zur gezielten Unterstützung der Consumer Insight-Findung eingesetzt werden. Wie die empirische Untersuchung ergeben hat, wird das breite Angebot an Möglichkeiten zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung noch nicht umfassend ausgenutzt. Wie beschrieben, scheint die intuitivere Vorgehensweise statt einer Orientierung an Systematiken und Modellen ein Charakteristikum der Werbepraxis zu sein. Im Zuge dessen beklagen MEYERS-LEVY/MALAVIYA (1999, S. 56 f.) eine Kluft zwischen Werbeforschung und -praxis, wie sie auch in der hier durchgeführten Untersuchung offenbar wurde. Es bleibt zu hoffen, dass die vorliegende Arbeit für eine Annäherung sorgen kann und nicht nur den Transfer Praxis – Wissenschaft, sondern auch den umgekehrten Weg vollziehen kann. Anliegen dieser Arbeit ist es, durch die wissenschaftliche Klärung und Systematisierung der Consumer Insight-Findung das intuitive Moment nicht zu zerstören, sondern zu unterstützen. Nachfolgend werden die vielfältigen, im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigten Handlungsempfehlungen noch einmal im Überblick dargestellt: Generelle Handlungsempfehlungen: •
Frühzeitige Weichenstellung für den Markterfolg: Orientierung am Konzept des Consumer Insight nicht erst bei der Kommunikationsentwicklung, sondern im Rahmen der gesamten Markenführung (u.a. Ableitung von Impulsen für die Produktentwicklung).
•
Orientierung am Consumer Insight als generelle Denkmechanik etablieren und in die Prozesse in Unternehmen und Werbeagenturen integrieren.
•
Frühzeitige Suche nach Consumer Insight auch im Kommunikationskontext, idealerweise bereits vor dem Briefing der Werbeagentur. Auf Basis des Consumer Insight lässt sich ein fokussiertes Briefing erarbeiten.
•
Strategieentwicklung erfordert Zeit! Der Consumer Insight-Findung ausreichend Raum geben (mindestens zwei, besser vier Wochen). Mit dem Consumer Insight wird die Basis für eine zielgerichtete kreative Entwicklung geschaffen.
•
Entsprechende Sensibilisierung der Auftraggeber, auch in Hinblick auf benötigte Geldbudgets – Investition in den Consumer Insight zahlt sich aus!
Zusammenfassung der Ergebnisse
240 Prozess der Consumer Insight-Findung: •
Etablierung und Anwendung eines systematischen Prozesses der Consumer InsightFindung mit vier Phasen (Vorbereitung, Inkubation, Illumination, Verifikation), um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu steigern, einen Consumer Insight zu finden.
•
Keine strikte Trennung zwischen Strategie- und Kreationsentwicklung, fließender Übergang. Briefing der Kreation ggf. auf Basis eines vorläufigen Creative Brief.
•
Zentrale Verantwortlichkeit für den Consumer Insight etablieren.
•
Interdisziplinäres Team für die Consumer Insight-Findung bilden, unterschiedliche Erfahrungshintergründe und -stände einbeziehen.
•
Kreativitätsfördernde Bedingungen in Agentur und Unternehmen schaffen: z.B. Aufmerksamkeit gegenüber neuen Ideen, Möglichkeiten zur Gewinnung von innerem Abstand geben (z.B. Ortswechsel), „Wohlfühl-Umgebung“ (z.B. inspirierende Räumlichkeiten), hohes Anspruchsniveau, offene Atmosphäre für Diskussionen, ausgewogenes Verhältnis zwischen individuellem Wettbewerb und sozialer Gemeinsamkeit.
Vorbereitung, Gewinnung von Konsumentenkenntnis als Basis für den kreativen Sprung: •
Schaffung einer breiten Informationsbasis, Kombination von Datenquellen: o Sekundärdaten: Ausnutzen der vorhandenen Informationsquellen (intern: z.B. Außendienstberichte, Statistiken, frühere Primärerhebungen; extern: z.B. Experten, Marktstudien, Statistiken, Datenbanken, Veröffentlichungen von Verlagen, Marktforschungsinstituten, wissenschaftlichen Instituten), o Primärdaten: auch bei knappem Geld- und Zeitbudget Möglichkeiten nutzen, um direkte Erkenntnisse über Konsumenten zu gewinnen (z.B. Befragung von Kollegen, Freunden, Verwandten, Experten, Beobachtung von Konsumenten).
•
Informationsüberladung vermeiden (Intuitionsblockade).
•
Tiefer Einstieg in die unterbewussten psychischen Strukturen der Konsumenten mithilfe geeigneter Methoden der qualitativen Marktforschung.
•
Aufgezeigte Suchfelder als Orientierungshilfe für die Erfassung der relevanten Elemente der Konsumentenkenntnis nutzen.
•
Hypothesengeleitetes Vorgehen.
Zusammenfassung der Ergebnisse
241
Inkubation, Hypothesenbildung: •
Strukturierung der Aufgabe: Suchfelder eröffnen, Fragestellung zerlegen und verschiedene Blickwinkel definieren, aus denen sie betrachtet werden kann.
•
Als Inspirationsquellen zur Ideengenerierung existierende Emotions-, Motiv- oder Wertelisten aus der Literatur nutzen (siehe 3.3), als Suchheuristiken einsetzen.
•
Introspektion zur Generierung erster Hypothesen, z.B. Selbstbeobachtung bei der Produktverwendung, Festhalten der damit verbundenen Erlebnisse und Gefühle.
•
Gezieltes „Empathietraining“, Training der emotionalen Intelligenz (Perspektivenübernahme, Introspektion).
•
Inneren Abstand gewinnen, damit das Unterbewusstsein arbeiten kann: Beschäftigung mit anderen Dingen, „Flow-Situationen“ suchen (z.B. Sport, Spaziergänge, Reisen), Gespräche, die nichts oder entfernt etwas mit dem Themengebiet zu tun haben.
•
Die kreativen Potenziale der Beteiligten fördern und nutzen: gezieltes Kreativitätstraining (z.B. spezielle Kreativitätsseminare für Planner, Aneignung von Kreativitätstechniken), systematischer Einsatz von Kreativitätstechniken, um die Phantasie, Originalität und Intuition anzuregen und das Herangehen an die Consumer Insight-Findung stärker zu systematisieren, z.B. Einsatz des Kollektiven Notizbuchs.
•
Gezielte Anregung der Neugier der Träger des Consumer Insight-Prozesses: z.B. Ermunterung, Kunstausstellungen zu besuchen, Vorträge von Forschern aus fachfremden Disziplinen anzuhören oder in die Werbeagentur bzw. das Unternehmen einzuladen.
•
Aus dem reichhaltigen Fundus der qualitativen Marktforschung schöpfen, sorgfältige Auswahl geeigneter Methoden vor dem Hintergrund der spezifischen Fragestellungen. Ergänzung um geeignete quantitative Methoden und Daten.
•
Die gewohnten Pfade verlassen, „neue“ Methoden zur Gewinnung von Konsumentenkenntnis ausprobieren. Bereits ein Methodenwechsel kann inspirierend sein.
•
Perspektivwechsel fördern, ungewöhnliche Fragen „suchen“: Interaktion und Austausch mit Dritten (z.B. Einsatz „kreativer“ Marktforschungsmethoden, Gespräche mit anderen Teammitgliedern, Außenstehenden, Experten, Einbeziehung von extremen Blickwinkeln (Austausch mit Jugendlichen, Kindern)), Einsatz von 6-Hüte-Methode, Clicking-Fragenkatalog, Disruption Methode, Suche nach Analogien.
Zusammenfassung der Ergebnisse
242 Hypothesenüberprüfung, Verifikation: •
Verifizierung der Hypothese anhand von Primärforschung (insbesondere dann, wenn diese auf Selbstbeobachtung oder wenigen Gesprächen gebildet wurde), ggf. Überprüfung ihrer Gültigkeit für breitere Zielgruppenkreise auf Basis quantitativer Verfahren.
•
Begeisterungsfähigkeit des Consumer Insight (Aha-Erlebnis bei Dritten) als Indikator nutzen.
•
Aufbereitung des entdeckten Consumer Insight, um ihn anschaulich zu machen: z.B. durch Formulierung in der „Ich-Form“, Beschreibung eines typischen Zielgruppenmitglieds (mit Worten, Bildern usw.), Nutzung von Metaphern, Zitaten etc.
Soweit die Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem theoretischen und dem empirischen Teil der Arbeit sowie der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen für die Werbe- und Marketingpraxis.
Fazit und Ausblick
7.
243
Fazit und Ausblick
Der Consumer Insight stellt ein wirkungsvolles Konzept zur Steigerung der Effektivität der Marketingkommunikation dar, da er es ermöglicht, relevantere, differenzierendere, glaubwürdige und somit treffsicherere Kommunikation zu entwickeln. Consumer Insight ist in der Werbepraxis ein viel diskutierter und geläufiger Begriff und erfährt aktuell auch bei den Marketingverantwortlichen der Unternehmen zunehmende Beachtung. Trotz seiner Popularität erweist sich der Consumer Insight jedoch als Mysterium. Es herrscht keineswegs eine einheitliche Auffassung darüber, was genau ein Consumer Insight eigentlich ist oder wie ein solcher gefunden werden kann. Eine umfassende wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Consumer Insight fehlte bislang. Mit der vorliegenden Arbeit ist nun erstmals eine wissenschaftliche Klärung des Praxisthemas Consumer Insight erfolgt. Indem die Arbeit Aussagen zum Consumer Insight und zum Prozess der Consumer Insight-Findung im Werbekontext trifft, macht sie das Thema einer breiteren Diskussion und weitergehenden Forschungsarbeiten zugänglich. Zudem macht sie den Consumer Insight und den Prozess der Consumer Insight-Findung transparent und liefert dadurch vielfältige Handlungsempfehlungen für die Praxis. Basierend auf der grundlegenden Annahme, dass die Orientierung am Consumer Insight die Effektivität der Marketingkommunikation erhöht, sollte die Arbeit folgende Forschungsfragen beantworten: •
Wie lässt sich Consumer Insight konzeptualisieren?
•
Wie sollte bei der Suche nach Consumer Insight vorgegangen werden und welches sind die Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung?
•
Welche spezifischen Anforderungen an den Consumer Insight ergeben sich aus den Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation?
Im theoretischen Teil der Arbeit wurde auf Basis einer Sekundäranalyse unter Ausnutzung der gesamten relevanten und verfügbaren Literatur ein umfassendes Theoriegerüst zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Kommunikation erarbeitet. Dabei wurde eine umfangreiche Systematik entwickelt, in die bestehende Aspekte und Konzepte aus Wissenschaft und Praxis integriert wurden. In Hinblick auf die Konzeptualisierung des Consumer Insight wurde eine Begriffsklärung vorgenommen, im Zuge derer sechs konstituierende Merkmale erarbeitet wurden. Anhand dieser Merkmale lässt sich feststellen, ob es sich bei einer Erkenntnis über die Konsumenten bereits um einen Consumer Insight handelt. Basis der Consumer Insight-Findung ist die Konsumentenkenntnis. Da deren Elemente somit den Fun-
244
Fazit und Ausblick
dus darstellen, aus dem bei der Suche nach Consumer Insight geschöpft werden kann, wurden wesentliche Elemente (Emotionen, Motive und Bedürfnisse, Werte, Einstellungen, Persönlichkeit) näher beleuchtet. In Vorgriff auf die emotionale Kommunikation wurden die Emotionen besonders detailliert behandelt, wobei die zentrale Bedeutung der Emotionen für das menschliche Verhalten anhand verschiedener Theorien untermauert wurde. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass die Bedeutung der Emotionen nach wie vor in vielen Modellen der Konsumentenverhaltensforschung vernachlässigt wird. Um konkrete Empfehlungen dahingehend ableiten zu können, wie bei der Suche nach Consumer Insight vorgegangen werden sollte, wurde der Prozess der Consumer Insight-Findung unter Rückgriff auf die Kreativitätsforschung als kreativer Prozess mit vier Phasen (Vorbereitung, Inkubation, Illumination und Verifikation) konzeptualisiert. Auf Basis dessen wurden die endogenen und exogenen Erfolgsfaktoren des Prozesses der Consumer Insight-Findung erarbeitet und verschiedene Möglichkeiten zur gezielten Unterstützung des Prozesses aufgezeigt. In Hinblick auf die Primärforschung wurde die Bedeutung der qualitativen Marktforschungsmethoden für die Consumer Insight-Findung herausgearbeitet. Auf Basis einer Abgrenzung des sehr breiten und unübersichtlichen Feldes der qualitativen Marktforschung wurden vier Grundrichtungen unterschieden und diverse Forschungsmethoden vorgestellt, die geeignet sind, den Prozess der Consumer Insight-Findung zu unterstützen. Zudem wurde geprüft, welche spezifischen Anforderungen an den Consumer Insight bzw. die Consumer Insight-Findung aus den Wirkungen und Wirkungsbedingungen der emotionalen Kommunikation abgeleitet werden können. Da der Begriff der emotionalen Kommunikation unscharf verwendet wird, wurde zunächst ein umfangreiches Begriffssystem dazu geschaffen. Basierend darauf wurden konkrete Wirkungen der emotionalen Kommunikation auf ausgewählte Werbe- und Markenreaktionen aufgezeigt. Die vielfältigen, in der Literatur existierenden Erkenntnisse wurden in Zusammenhang gebracht und um diverse Erklärungsmodelle ergänzt, um die Wirkmechanismen und -bedingungen der emotionalen Kommunikation transparent zu machen. Basierend darauf wurden die Erfolgsfaktoren der emotionalen Kommunikation herausgearbeitet und spezifische Suchfelder für den Consumer Insight abgeleitet, die als Orientierungshilfe für die Consumer Insight-Findung dienen können. Im empirischen Teil der Arbeit wurde zusätzlich im Rahmen einer qualitativen Untersuchung überprüft, inwieweit das deduktiv gewonnene Theoriegerüst zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Werbung mit der Werbepraxis übereinstimmt. Dazu wurden insgesamt elf Experteninterviews geführt, die eine Fülle von relevanten Informationen über die Auffassung von und den Umgang mit Consumer Insight in der deutschen Werbe- und
Fazit und Ausblick
245
Marketingpraxis lieferten. Das erarbeitete Thesengerüst zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Kommunikation konnte sich bewähren. Auf Basis der gewonnenen theoretischen und empirischen Erkenntnisse wurden schließlich konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet. Da sich die vorliegende Arbeit erstmals grundlegend und systematisch mit dem Konzept des Consumer Insight auseinandersetzt, haben sich im Zuge der Forschungstätigkeit vielfältige Ansatzpunkte für weiterführende Forschungsarbeiten ergeben. An dieser Stelle bleibt zu wünschen, dass das Themenfeld Consumer Insight weitere wissenschaftliche Beachtung erfährt. Überprüft werden sollten insbesondere folgende Aspekte: •
Zusammenhang zwischen der Orientierung am Consumer Insight und der Effektivität der darauf entwickelten Werbung auf Basis einer breiten Kampagnenstichprobe.
•
Status der Berücksichtigung des Consumer Insight bei der Entwicklung von Marktbearbeitungsstrategien (jenseits der Kommunikationsentwicklung).
•
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Auffassung und Anwendung des Consumer Insight im Bereich der Kommunikationsentwicklung in Werbeagenturen und im breiteren Marketingkontext.
•
Verallgemeinerbarkeit der hier vertretenen Auffassung des Consumer Insight inklusive der sechs konstituierenden Merkmale über den Kommunikationskontext hinaus.
•
dynamische Betrachtung des Consumer Insight (insbesondere: Wie lange ist eine Erkenntnis neuartig? Wie verläuft der Diffusionsprozess?).
•
Perspektive der Marktforschungsinstitute und Unternehmen in Hinblick auf den Consumer Insight sowie etwaige Unterschiede zu den Werbeagenturen in Wahrnehmung und Herangehensweise, um Missstände aufzudecken und Handlungsempfehlungen für eine optimierte Praxis zu geben.
•
Aktivitäten der Unternehmen im Rahmen der Consumer Insight-Findung (laut den befragten Experten investieren bereits einige wenige Kundenunternehmen, vor allem große Markenartikelhersteller, in aufwändige Consumer Insight-Findungsprojekte).
•
Consumer Insight-Management in unterschiedlichen Organisationsformen (Vergleich Werbeagenturen – Unternehmen – Marktforschungsinstitute).
•
Geeignetheit und Anwendung einzelner Kreativitätstechniken zur Unterstützung der Consumer Insight-Findung.
Fazit und Ausblick
246 •
Entwicklung eines speziellen Trainingskonzeptes auf Basis der Empathieforschung (Perspektivenübernahme) mit dem Ziel, sich bei der Entwicklung von Marketing- und Kommunikationsaktivitäten besser in die Konsumenten hineinzuversetzen.
•
Übertragbarkeit der für die deutsche Werbepraxis erhobenen Erkenntnisse auf andere Länder bzw. internationaler Vergleich.
•
Erweiterung des Konzeptes des Consideration Set um die Erkenntnisse zum Einfluss von Emotionen auf das Entscheidungsverhalten.
Neben den vielfältigen aufgezeigten Handlungsempfehlungen für die Marketingpraxis sollen abschließend noch einmal folgende zentrale Schlussfolgerungen herausgestellt werden: Zum einen sollte die Consumer Insight-Findung nicht dem Zufall überlassen, sondern systematisch angegangen werden. Die vorliegende Arbeit macht den Prozess der Consumer Insight-Findung transparent und zeigt vielfältige Möglichkeiten auf, ihn gezielt zu unterstützen. Wie die Praxisstudie ergeben hat, nutzt jeder Werbestratege seine individuelle Toolbox, wobei längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Durch Rückgriff auf die im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigten Möglichkeiten lässt sich diese erweitern. Zudem können Anregungen für ein gezieltes „Nachwuchstraining“ gewonnen werden. Zum anderen sollten alle an der Kommunikationsentwicklung Beteiligten beachten, dass die Strategieentwicklung Zeit und auch Geld braucht. Dieser Appell wird in besonderem Maße an die Auftraggeber, d.h. die werbetreibenden Unternehmen, gerichtet, die dazu tendieren, den Werbeagenturen immer kürzere Zeiträume für die Kommunikationsentwicklung einzuräumen sowie Werbebudgets und speziell die Agenturhonorare zu kürzen. Der höhere Aufwand wird sich letztendlich durch eine höhere Effektivität der Kommunikation auszahlen und zur Steigerung des Unternehmenserfolgs beitragen. Wenn die Weichen von Anfang an richtig gestellt werden und eine Basis für treffsicherere Kommunikation geschaffen wird, können Werbegelder sinnvoller, effektiver und effizienter eingesetzt werden. Der höchste Mehrwert könnte allerdings dadurch geschaffen werden, dass der Prozess der Consumer Insight-Findung nicht länger als Teil der Kommunikationsentwicklung betrachtet, sondern an vorgelagerter Stelle angesiedelt wird. Idealerweise sollte er zum festen Bestandteil der Situationsanalyse im Rahmen der Marketingplanung und zu einer generellen Denkweise im Marketing werden. Die Orientierung am Consumer Insight sollte zu einem neuen Paradigma der Markenführung werden. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die vorliegende Arbeit nicht nur in Werbe- und Planningkreisen, sondern weit darüber hinaus Beachtung findet.
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Anhang
301
Anhang A.1 Die Rolle des Limbischen Systems für den Einfluss der Emotionen auf das Verhalten Erkenntnisse aus der Hirnforschung können Aufschluss darüber geben, auf welche Weise Emotionen das Entscheidungsverhalten beeinflussen. Eine zentrale Rolle spielt das Limbische System (Limbic Brain; siehe auch Abbildung A-1). Das Stichwort „Limbic“ ist aktuell in aller Munde und erfährt – ähnlich wie der Consumer Insight – in der Marketingpraxis viel Aufmerksamkeit. Die „Entdeckung des Limbic Brain“ wird hoffnungsvoll als Schlüssel zum Verstehen des Konsumenten gefeiert. Hieran dürften die Veröffentlichungen von HÄUSEL (2000/2003, 2002, 2004, 2005) einen nicht unerheblichen Anteil haben. Diese liefern zwar nicht die ersehnten innovativen Marketing-„Rezepte“, bieten jedoch einen reichhaltigen Fundus an aktuellen Erkenntnissen zu Hirnforschung und emotionalem Erleben. Als „Entscheidungszentrale“ des Gehirns wird bislang meist das Großhirn (Neokortex) betrachtet, das als „Sitz“ von Bewusstsein, Vernunft, Wille, Intelligenz, Gedächtnis und Lernfähigkeit gilt. Das Limbische System wird demgegenüber vielfach als „Sitz der Emotionen im Gehirn“ und damit als eine Art „Gefühlszentrale“ (KORTE im Interview mit MIKETTA 2002, S. 117) angesehen. Zurückgehend auf MacLEAN (1949, 1952, zitiert in LeDoux 2001) wird angenommen, dass das Limbische System das emotionale Erleben steuert. Das „Limbische System“ ist eine Sammelbezeichnung für unterschiedlichste Gehirnbereiche, die bis ins Großhirn reichen. Demnach gehört auch ein Teil des Neokortex, der orbitofrontale Kortex, zum Limbischen System. Dessen Bedeutung als „Steuerungszentrale“ der Emotionen ist allerdings umstritten. So führen neuere Erkenntnisse der Hirnforschung zu der Annahme, dass es verschiedene emotionale Systeme im Gehirn gibt und verschiedene Klassen von Emotionen von eigenen neuronalen Systemen vermittelt werden (ebd., S. 83 f.). Die Identifizierung von Hirnregionen mit bestimmten Hirnfunktionen sollte nicht allzu wörtlich genommen werden, da die Hirnfunktionen von untereinander verbundenen und zusammenwirkenden Systemen vermittelt werden, nicht durch isolierte Regionen (THOMPSON 1988, LeDOUX 2001, S. 85). Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht hat es sich bewährt, das Limbische System zumindest als Zentrum der emotionalen Informationsverarbeitung aufzufassen (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 15). Es ist eng mit anderen Systemen im Gehirn vernetzt, insbesondere mit dem Neokortex als System der kognitiven Informationsverarbeitung. Die aufgeführten Erkenntnisse zum Einfluss der Emotionen auf das Verhalten lassen inzwischen Zweifel an der Annahme aufkommen, dass der Neokortex die Entscheidungszentrale des Gehirns darstellt. Es ist viel-
Anhang
302
mehr davon auszugehen, dass das Limbische Systems bei Entscheidungen eine zumindest gleichwertige Rolle spielt, worauf auch dessen Struktur hinzuweisen scheint.
Abbildung A-1: Das menschliche Gehirn und das Limbische System (Quelle: THOMPSON 1994, S. 23 und 31)
Das Limbische System ist hierarchisch strukturiert und umfasst drei Ebenen (ROTH 2001, S. 318). Auf der untersten Ebene befinden sich angeborene Emotionen wie z.B. Wut, Furcht und Lust, die einen Teil der Persönlichkeit ausmachen. Die hier ausgelösten Emotionen beein-
Anhang
303
flussen die bewusste Wahrnehmung, können jedoch kaum über das Bewusstsein gesteuert werden. Auf der mittleren Ebene des Limbischen Systems werden Erfahrungen quasi automatisch und kontinuierlich mit Emotionen verknüpft. Das Abrufen von gespeicherten Informationen verläuft über die Suche nach emotionalen Etiketten (ZAJONC 1980). Jede Situation und jedes Objekt, mit dem ein Individuum Erfahrungen gesammelt hat, hinterlässt nach der Somatic Marker Hypothese von DAMASIO (1996) emotionale Markierungssignale, die somatischen Marker (BECHARA/DAMASIO 2002, S. 1675 ff., HEATH 2002, S. 40, PLASSMANN et. al. 2005, o.V. 2005f, S. 13). Diese speichern eine Bewertung der erlebten Situation (angenehm/unangenehm, Wiederholungs- bzw. Vermeidungstendenz). Diese Bewertungen werden im unterbewussten emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert und können zukünftige Verhaltensweisen beeinflussen. Ähnlich argumentiert auch das Schema-Triggered Affect-Model von FISKE/PAVELCHAK (1986). Defizite im emotionalen Markieren führen zu einer Beeinträchtigung des Entscheidungsverhaltens (BECHARA/DAMASIO 2002, S. 1675 ff.). Alle wahrgenommenen Informationen, auch Werbebotschaften, durchlaufen diese Ebene und werden emotional eingefärbt. Unterbewusst findet eine Verknüpfung des Werbeobjekts mit der gleichzeitig wahrgenommenen emotionalen Ausstrahlung des Hintergrundes statt, in die das Werbeobjekt eingebettet ist. Das Werbeobjekt wird zusammen mit der emotionalen Bewertung gelernt. Dies lässt sich mit dem Prinzip der emotionalen Konditionierung erklären und weist zugleich auf die Bedeutung peripherer Hinweisreize wie z.B. der Attraktivität eines Darstellers hin. Die oberste Ebene des Limbischen Systems bildet dessen Schnittstelle mit dem Neokortex, dem kognitiven System (ROTH 2001, S. 318). Hier werden bewusste Wahrnehmung und Wissen aus dem System der kognitiven Informationsverarbeitung mit den Bewertungen aus der emotionalen Informationsverarbeitung verbunden. Die „rationale Vernunft“ wird durch die „emotionale Intelligenz“ ergänzt (BEHRENS/NEUMAIER 2004, S. 17). HÄUSEL (2005, S. 75) geht davon aus, dass Entscheidungen sogar in erster Linie im Limbischen System getroffen werden. Er hält das Limbische System für das eigentliche „Machtzentrum im Kopf“, wobei er seine Aussagen auf neuere Erkenntnisse der Hirnforschung stützt. Im Limbischen System erfolgt demnach die eigentliche Bewertung von Situationen und Objekten auf Basis des individuellen Emotions-, Motiv- und Wertesystems des Menschen. Die Aufgabe des Neokortex ist es lediglich, vorhandene Informationen zur Verfügung zu stellen, da dort alle Erfahrungen des Individuums nebst der entsprechenden Konsequenzen gespeichert sind. Der Neokortex wird dann eingeschaltet, wenn das Individuum mit Neuem und
304
Anhang
Unbekanntem konfrontiert wird, intellektuelle Probleme oder Entscheidungskonflikte zu lösen sind und das Limbische System dazu Erfahrungen und Entscheidungsvorschläge abruft. Der Neokortex besteht aus zwei anatomisch identischen Hälften, den so genannten Hemisphären. Zwischen diesen findet selbst dann ein Austausch statt, wenn sie durch einen Unfall oder einen chirurgischen Eingriff getrennt sind. Die Hemisphären-Theorie geht davon aus, dass die beiden Hirnhälften eine unterschiedliche Spezialisierung aufweisen (SPRIN-GER/DEUTSCH 1995, S. 19). So wird vermutet, dass die linke Hemisphäre für das logisch-analytische und rationale Denken sowie die Sprachverarbeitung und -steuerung zuständig ist, während sich die rechte Hemisphäre mit der Wahrnehmung visueller Reize, dem räumlichen Vorstellungsvermögen, der Gesichtswiedererkennung sowie den abstrakten Fähigkeiten Kreativität und Intuition befasst (ZDENEK 1988, TRAMO et. al. 1995, MADDOCK/FULTON 1996, S. 16). Die Hemisphären-Spezialisierung wird heute zumindest teilweise als überholt angesehen (POIESZ/ROBBEN 1994, ROTH 2004, KENNING 2005). So scheint die Spezialisierung weniger extrem als angenommen zu sein. Zum anderen existieren möglicherweise in beiden Hemisphären Strukturen, die für das emotionale Erleben von Bedeutung sind (NAGAE/ MOSCOVITCH 2002). Untersuchungen zufolge scheint jedoch zumindest die Wahrnehmung und Verarbeitung von Emotionen primär in der rechten Hemisphäre des Gehirns stattzufinden (SCHMITT/HARTJE/WILLMES 1997, BOROD/MADIGAN 2000, S. 7). Zu Hirnregionen und emotionaler Verarbeitung siehe auch PLASSMANN et. al. (2005). In beiden Hirnhälften befindet sich ein Mandelkern, die so genannte Amygdala (siehe z.B. ADOLPH/DAMASIO 2000, S. 197, THOMPSON 1994, S. 29 ff.). Die Amygdala wird als zentral für das emotionale Lernen und die emotionale Erinnerung angesehen (GRIFFITHS 1997). Menschen, bei denen die Amygdala durch Operation oder Betäubung vom restlichen Hirn abgetrennt ist, können die emotionale Bedeutung von Situationen nicht mehr erfassen, womit z.B. Freundschaften oder Trauer jegliche Bedeutung verlieren (GOLEMAN 1997, S. 33). Emotionen können dann wichtige Funktionen nicht mehr übernehmen. So treffen Personen, die an einer Fehlfunktion der Amygdala leiden, bei Versuchen regelmäßig schlechtere Entscheidungen als gesunde Individuen (BECHARA/DAMASIO 2001, S. 1675).
305
Anhang
A.2 Liste der Interviewpartner (in alphabetischer Reihenfolge)
1)
BENDIG, Europa:
Managing Director TBWA\STURM und DRANG, The Disruption Consultancy GmbH, Agentur für Strategische Innovation, Hamburg
2)
HEUMANN, Karen:
Vorstand Strategie, Jung von Matt AG, Hamburg; Mitglied des Vorstandes der apgd
3)
LEVEN, Wilfried Prof. Dr.:
Inhaber Agentur+Leven+Hermann GmbH & Co. KG, Köln; Universität Trier, FB IV, BWL
4)
LUSTY, Jason:
Head of Strategic Planning, DDB Group Germany GmbH, Berlin
5)
NIELSEN, Johannes:
Geschäftsführer Strategie, AIMAQ RAPP STOLLE Werbeagentur GmbH, Berlin
6)
SASSERATH, Marc:
Geschäftsführender
Gesellschafter
PUBLICIS
SASSERATH Brand Consultancy GmbH, Berlin/Frankfurt/Hamburg 7)
SCHMIDT, Frank-Michael:
CEO Deutschland, Scholz & Friends Group, Berlin/Hamburg
8)
SEGAR, Alison:
Head of Strategic Planning, GREY Worldwide GmbH, Düsseldorf
9)
VEKEN, Dominic:
Geschäftsleiter Strategie, Partner KOLLE REBBE Werbeagentur GmbH, Hamburg; Mitglied des Vorstandes der apgd
10)
VILMAR, Answin Dr.:
Inhaber VILMAR Markenberatung und Kooperationsmarketing e.K., Düsseldorf
11)
VOLKERS, Jochen:
Geschäftsführer
Strategische
Planung,
Partner
FLEMMING-PFUHL Werbeagentur, Hamburg
306
Anhang
A.3 Leitfaden Experteninterviews
Einleitung •
Forschungsinteresse der Dissertation, Fokus, Sprachgebrauch „Consumer Insight“ geläufig?
•
Hintergrund des Interviews
•
Vorgehen (Beispiel-Case für Überprüfung der Übereinstimmung Theoriegerüst - Realität)
Begriffsverständnis •
Diskussion: Thesen zum Begriffsverständnis
•
Diskussion: Voraussetzung dafür, dass es sich um einen Consumer Insight handelt, ist die Erfüllung sechs konstituierender Merkmale
•
Konsumentenkenntnis und ihre Elemente
•
o
Consumer Insight zielt v.a. auf mittleren Bereich der Konstrukte (dauerhafte).
o
Allgemeine Auflistung = generelles Suchfeld – für speziellen Anwendungsfall relevante Erkenntnisbereiche ermitteln (spezifische Situation, Kommunikationsziele).
Brand Insight
Prozesse •
Prozess Kommunikationsentwicklung und Einordnung des Consumer Insight
•
Zusammenfassende Einordnung des Consumer Insight
•
Erfolgsfaktoren, Schwerpunkte setzen: o
Größter Problembereich limitiertes Zeit- und Kostenbudget – Umgang damit?
o
Zentrale Verantwortlichkeit (Planner)
o
Priorisierung?
•
Subprozess Consumer Insight-Generierung (= kreativer Prozess)
•
Unterstützung der Consumer Insight-Generierung (Kreativitätstechniken, qualitative Forschung, pragmatischer Ansatz) o
Anwendung Kreativitätstechniken
o
Qualitative Forschung
o
Pragmatischer Ansatz: Existenz, Berechtigung, Gütekriterien
Sonderfall der emotionalen Kommunikation •
Begriffsverständnis („Man kann nicht nicht emotional kommunizieren“)
•
Wird bei der Werbeentwicklung ein Werbewirkungsmodell zugrunde gelegt?
•
Besonderheiten? Abweichungen in den diskutierten Punkten?
•
Erfolgsfaktoren
•
Suchfelder
Anhang
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A.4 Ausführliche Darstellung der Untersuchungsergebnisse Die Untersuchung dient der Überprüfung des im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelten Theoriegerüstes zum Consumer Insight als Basis der Entwicklung emotionaler Werbung. Insgesamt wurden elf qualitative Experteninterviews mit männlichen und weiblichen Strategen in Führungspositionen bei deutschen Werbeagenturen geführt. Die Untersuchung gibt Aufschluss darüber, inwieweit dieses Thesengerüst mit der Werbepraxis übereinstimmt, welche Handlungsempfehlungen sich hieraus ableiten lassen und welche Ansatzpunkte sich für weitere Forschungsarbeiten ergeben (vgl. dazu Kapitel 6 und 7).
A.4.1. Generelle Erkenntnisse „Das Thema Consumer Insight zu klären ist eines der großen Enigmen“ (HEUMANN 2006). Da der Consumer Insight auch unter den Experten als kaum greifbares Mysterium gilt, wird von allen Interviewpartnern Klärungsbedarf gesehen. „Consumer Insight“ hat sich ihrer Ansicht nach teilweise zum inflationären, oftmals missinterpretierten Modewort entwickelt. Nichtsdestotrotz wird dem Consumer Insight ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die Aufarbeitung des Themas im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit wird dementsprechend begrüßt, was sich auch positiv auf die Teilnahme- und Antwortbereitschaft der Interviewpartner auswirkt. „Consumer Insight“ wird als nicht ins Deutsche übersetzbar angesehen – zumindest nicht in einem Begriff, da es sich hierbei um eine Verdichtung von Sachverhalten handelt (was dem Merkmal „Kombination von Sachverhalten“ entspricht). In der Stichprobe ist eine hohe Vertrautheit mit dem Konzept des Consumer Insight zu verzeichnen. In vielen Agenturen ist der Consumer Insight Bestandteil interner Instrumente wie z.B. des Creative Brief. Lediglich in derjenigen Werbeagentur, in der keine PlanningFunktion installiert ist, wird bislang nicht auf Consumer Insights gearbeitet. Als Basis für die Strategie- und Kreationsentwicklung dienen dort allgemeinere Zielgruppenprofile. Die Vertrautheit mit dem Konzept des Consumer Insight scheint vor allem von der Anwendung des klassischen Modells der strategischen Planung sowie der persönlichen Biographie der Befragten (Tätigkeit in großen, internationalen Agenturen), weniger von Faktoren wie z.B. der Agenturgröße abzuhängen. Das in den Kapiteln 3 und 4 erarbeitete Thesengerüst kann sich bewähren. Insgesamt lässt sich eine hohe Übereinstimmung der Erfahrungen der Befragten mit der theoretisch unterstell-
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ten Struktur feststellen, vor allem hinsichtlich der generellen Auffassung des Consumer Insight, der konstituierenden Merkmale, des Prozesses und der Erfolgsfaktoren. Die Aussagen der Experten sind insgesamt als sehr konsistent zu bezeichnen, auch was den verwendeten Sprachcode betrifft. In Nuancen bestehen unterschiedliche Auffassungen. Einige Kernergebnisse der Untersuchung sollen an dieser Stelle vorweggenommen werden: Der kreative Prozess wird von den Experten als adäquate Darstellungsform für den Prozess der Consumer Insight-Findung angesehen (vgl. Abbildung 3-6 Abschnitt 3.4.1). Der Consumer Insight lässt sich auf die auch im Rahmen dieser Arbeit vertretene Formel „Erkenntnisse über den Konsumenten plus Inspiration“ bringen. Wenn ein Consumer Insight entdeckt wird, äußert sich dies in einem Aha-Erlebnis. Allerdings betonen die Experten, dass ein solches eher selten ist. Die Suche nach Consumer Insight führt keineswegs immer zum Erfolg – dem Gros der in Deutschland geschalteten Kampagnen liegt kein Consumer Insight zugrunde. Von vielen der Befragten wird die Entdeckung eines echten Consumer Insight vielmehr als „Glücksfall“ gesehen. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sich die befragten Experten bislang kaum in systematischer Weise mit dem Consumer Insight und dessen Suchprozess beschäftigt haben, obwohl oder gerade weil Consumer Insight für sie zum alltäglichen Sprachgebrauch gehört. Infolgedessen wird der gesamte Prozess der Consumer InsightFindung in der Werbepraxis eher intuitiv angegangen, während das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte Theoriegerüst darauf abzielt, den Prozess der Consumer InsightFindung zu systematisieren. Beim Gros der Befragten gilt die Intuition als Schlüssel zum Consumer Insight, wobei eine systematischere Vorgehensweise vielfach sogar abgelehnt wird. Allerdings ist diese Haltung vor dem Erfahrungshintergrund der Befragten zu relativieren. Die Befragten haben unzählige Cases bearbeitet und im Zuge dessen eine breite theoretische Wissensbasis angesammelt, auf die die Intuition zurückgreifen kann. Dazu gehört auch ein breites Methodenwissen, das quasi intuitiv zur Anwendung kommt. Zudem greifen die Experten auf vielfältige Sekundärdaten zurück und setzen Primärforschung ein. Wie der Vergleich mit der Innovationsagentur zeigt, scheint die Betonung der intuitiveren Herangehensweise charakteristisch für die Werbepraxis zu sein. Auch in der Innovationsagentur findet das Konzept des Consumer Insight Anwendung, wobei dort bei der Suche nach Consumer Insight systematischer vorgegangen wird. Gründe für die unterschiedliche Herangehensweise im Werbe- und Innovationskontext scheinen in erster Linie in den unterschiedlichen Zeit- und Geldbudgets zu liegen, die von den Auftraggebern für die Entwicklung eingeräumt werden. Die Werbeagenturen sehen sich in der Regel knappen (und zunehmend knapper werdenden) Zeit- und Geldres-
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sourcen gegenüber, womit die per se anspruchsvolle Consumer Insight-Suche unter erschwerten Bedingungen stattfindet und die Intuition eine höhere Betonung erfährt.
A.4.2.
Consumer Insight
A.4.2.1 Rolle des Consumer Insight Grundlegende Arbeitshypothese: Die Orientierung am Consumer Insight erhöht die Effektivität der Marketingkommunikation. Diese Auffassung wird von den Experten geteilt. Der Consumer Insight wird als eine treibende Kraft für gute Kommunikation angesehen, die für Relevanz der Werbebotschaften sorgt. Zudem herrscht Einigkeit darüber, dass der Consumer Insight als Basis für die Kommunikationsentwicklung Mittel zum Zweck ist. Allerdings wird die obige Aussage von den Experten als selbstverständlich und damit fast schon als banal betrachtet. Darüber hinaus teilen sie die Ansicht, dass der Consumer Insight nicht nur für die Kommunikationsentwicklung bedeutsam ist, sondern vielmehr Basis für die gesamte Marktbearbeitungsstrategie sein sollte. Suche nach Consumer Insight = Suche nach Gold Von fast allen Interviewpartnern werden in Zusammenhang mit der Consumer Insight-Suche Vergleiche wie das Schürfen nach Gold oder die Trüffelsuche bemüht. Das Finden von Consumer Insight wird keineswegs als Selbstverständlichkeit, sondern eher als Glücksfall gesehen. Viele so genannte „Consumer Insights“ sind generisch und bieten für die Kommunikationsentwicklung keinen Mehrwert. Nur wenige Kampagnen arbeiten auf einem „echten“ Consumer Insight. Das Finden eines solchen lässt sich nicht erzwingen. Die Befragten teilen allerdings die Auffassung, dass die Consumer Insight-Suche unterstützt werden kann. Der Consumer Insight ist nicht der einzige Maßstab Mehrere Interviewpartner betonen, dass der Consumer Insight nicht die einzige Messlatte der Kommunikation bilden darf. Vielmehr sind weitere Faktoren zu berücksichtigen, darunter die Managementperspektive (strategische Intention hinter der Kommunikation), der Brand Insight (Markenpassung), die Aktivitäten der Wettbewerber sowie Zukunftspotenziale, die über die heutige Vorstellungswelt des Konsumenten hinausgehen. Die Antizipation von Zukunftspotenzialen wurde in zwei Interviews intensiv diskutiert und wirft interessante Fragen auf: Betrifft der Consumer Insight nur die Gegenwart oder ist es auch möglich, in die Zukunft gerichtete Sachverhalte zu antizipieren? Ist es möglich, auf Ba-
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sis des Consumer Insight Produkte, Marken und Kommunikation zu entwickeln, die über die heutige Vorstellungswelt des Konsumenten hinausgehen? Der Consumer Insight betrifft nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen (und von den Experten geteilten) Auffassung einen Ausschnitt aus der Konsumentenkenntnis. Es handelt sich um aktuell im Konsumenten vorhandene Emotions-, Motiv- und Wertegefüge. Ein zukunftsbezogener Consumer Insight müsste nach Ansicht der beiden Interviewpartner antizipieren, was Konsumenten in Zukunft wollen werden und wie sich die Wünsche ändern könnten. Möglicherweise können Marken und Kommunikation sogar für eine Änderung der seelischen Strukturen, also der Basis des Consumer Insight, sorgen, z.B. indem sie den Wertewandel beeinflussen. Nach Meinung dieser Interviewpartner ist die Antizipation von Zukunftspotenzialen eher eine Sache der unternehmerischen Intuition sowie von intensiven Potenzialanalysen, die über den Consumer Insight hinausgehen. Der Consumer Insight sollte demnach nicht verabsolutiert werden. Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht kann der Consumer Insight allerdings durchaus eine Basis für neuartige Angebote und Kommunikation bieten, indem er auf Angebotslücken, unerfüllte Bedürfnisse oder brachliegende Botschaftsfelder hinweist. Zudem sind nicht alle Sachverhalte, die Inhalt des Consumer Insight sein können, dem Konsumenten bewusst. Möglicherweise können neue Produkt- oder Kommunikationsideen gerade deshalb eine große, nicht vorhergesehene Relevanz entfalten, weil sie verborgene, jedoch bereits vorhandene Emotions-, Motiv- und Wertegefüge im Konsumenten bedienen. Zudem geht es beim Consumer Insight weniger um das, was die Konsumenten bewusst wollen, als vielmehr um die „wahren“, vielfach unbewussten Antriebskräfte des Verhaltens. Gleichwohl sollten die obigen Fragen in weiterführenden Forschungsarbeiten genauer betrachtet werden. Nicht jede Art von Werbung benötigt einen Consumer Insight Einige der befragten Experten sind der Auffassung, dass ein Consumer Insight nicht für jede Art von Werbung einen Mehrwert bietet. Demnach ist ein Consumer Insight vor allem für emotionale Kommunikation von Bedeutung, da es sich immer um eine emotional behaftete Erkenntnis handelt. Für eher rationale Werbung, die sich z.B. um günstige Preise dreht, oder wenn „die Dinge auf der Hand liegen“ (Bsp. „Geiz ist geil“), liefert er demnach keinen Mehrwert. Im Rahmen dieser Arbeit wird allerdings die Ansicht vertreten, dass ein Consumer Insight auch in einem solchen Fall zur Entwicklung von differenzierender Kommunikation beitragen kann, indem er z.B. neue Perspektiven in Themen wie die Schnäppchenjagd bringt.
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A.4.2.2. Begriffsklärung bzw. konstituierende Merkmale des Consumer Insight Grundlegende Erkenntnisse Solange es um die grobe Bedeutungsrichtung des Consumer Insight geht, herrscht Einigkeit unter den Befragten. Sobald jedoch eine Konkretisierung ansteht, weichen die Meinungen teilweise voneinander ab. Die begriffliche Unklarheit in Zusammenhang mit dem Consumer Insight spiegelt sich somit auch in dieser relativ homogenen Gruppe der Werbestrategen wider. Diese sind sich einig, dass ein Consumer Insight mehr ist als „bloße“ Erkenntnisse über den Konsumenten. Entsprechend der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht bilden die Erkenntnisse über den Konsumenten vielmehr die Basis für den Consumer Insight. Dieser wird somit als „Konsumentenverständnis plus Inspiration“ aufgefasst. Einige Experten unterscheiden verschiedene Arten („Banalitätsgrade“) von Consumer Insights, die sich auf einem Kontinuum zwischen „tief verborgen“ und „oberflächlich vorhanden“ einordnen lassen. Für das Gros der Befragten ist die tiefenpsychologische Richtung, die sich auf die unterbewussten Antriebskräfte bezieht, die viel versprechendere, die oftmals die stärksten und interessantesten Insights hervorbringt. Zumindest ist der Consumer Insight in der Regel „verdreckt oder versteckt“ und muss erst freigelegt werden. Andere sind hingegen der Meinung, dass die besten Consumer Insights oft an der Oberfläche liegen, sei es in Form von bislang übersehenen „Banalitäten“ oder bestimmten Arten der Produktverwendung, die in der Kommunikation aufgegriffen werden könnten (z.B. essen viele Konsumenten NUTELLA gerne mit dem Messer und lecken dieses hinterher ab – in einem älteren NUTELLA-TV-Spot macht Boris BECKER genau das). Nach Meinung der Autorin handelt es sich bei letzterem jedoch weniger um einen Consumer Insight, der als Basis für eine Kernbotschaft dienen kann, als vielmehr um eine Erkenntnis über das Verwenderverhalten, die sich z.B. im Rahmen der Werbegestaltung aufgreifen lässt. Hier zeigen sich Abgrenzungsprobleme in Zusammenhang mit dem Consumer Insight, denen durch die Einführung der konstituierenden Merkmale begegnet werden soll. Unabhängig vom Banalitätsgrad geht es darum, dass sich der Konsument in der Kommunikation wieder erkennt und verstanden fühlt. Der Grad der Verborgenheit wirkt sich nach Auffassung mancher Interviewpartner allerdings darauf aus, ob ein Consumer Insight im Rahmen internationaler Kampagnen über kulturelle Grenzen hinweg tragfähig ist. Tragfähig sind demnach solche Consumer Insights, die menschliche „Urmotive“ und Triebe betreffen, was den Ausführungen zu den biologisch vorprogrammierten und kulturell übergreifenden Erlebnisschemata entspricht (vgl. Abschnitt 4.2.2.3).
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Merkmale des Consumer Insight Hinsichtlich der konkreten Begriffsklärung erweist es sich in den Interviews als praktikabel, nicht die zusammenfassende Definition zu diskutieren (siehe Abschnitt 3.2.3.7), sondern sich der Begriffsklärung über die einzelnen Merkmale zu nähern (vgl. Abschnitt 3.2.3). Zu prüfende Aussage: Der Consumer Insight wird durch sechs konstituierende Merkmale beschrieben. Ein Consumer Insight liegt dann vor, wenn alle diese Merkmale erfüllt sind. Diese These kann sich unter anderem aufgrund der nahezu vollständigen Akzeptanz der Merkmale durch die Experten bewähren. Diese sind der Ansicht, dass eine derartige Eingrenzung des Consumer Insight sinnvoll ist, um zukünftig Umschreibungen wie „echter“ oder „relevanter“ Consumer Insight zu vermeiden. Abgrenzungsfragen tauchen bei dem Merkmal „Neuartigkeit“ auf. Da die befragten Experten bislang nicht strukturiert über den Consumer Insight nachgedacht haben, korrigieren sich einige Interviewpartner während des Interviews häufiger selber und revidieren vorher geäußerte Ansichten. Kombination von Sachverhalten Zu prüfende Aussage: Ein Consumer Insight beinhaltet eine spezifische Kombination von Sachverhalten (Emotions-, Motiv- und Wertegefüge des Konsumenten, das durch Einstellungen und Wissen beeinflusst wird). Sämtliche Experten stimmen dieser Auffassung zu, ebenso der Übersicht über die Elemente der Konsumentenkenntnis (vgl. Abbildung 3-4 in Abschnitt 3.3.1). Manche der Befragten haben Präferenzen, bei welchem Zustandskonstrukt die Suche nach Consumer Insight ansetzten sollte (z.B. bei den Motiven), während andere der Auffassung sind, dass die Konstrukte nicht voneinander zu trennen sind und von daher nicht isoliert betrachtet werden sollten. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass existierende Barrieren (z.B. Ängste, Motivkonflikte) oft den besten Ansatzpunkt für die Formulierung der Werbe- bzw. Kernbotschaft bieten und es erlauben, eine klare „Lösung“ zu formulieren. Diese Auffassung findet teilweise Zustimmung. Nach Meinung mancher Experten besteht das größte Problem heute jedoch weniger in harten Barrieren als vielmehr im häufigen Markenwechsel und einer gleichgültigen Haltung gegenüber Marken. Zudem wird hervorgehoben, dass Barrieren nicht nur auf Motivebene, sondern auf Ebene aller Zustandskonstrukte bestehen können.
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Situationsbezogenheit Zu prüfende Aussagen: Der Consumer Insight wird für die spezifische Situation erarbeitet. Er gilt für eine ganz bestimmte Konstellation „Konsument – Produktkategorie/Produkt/Marke“. Dieses Merkmal erfährt breite Zustimmung, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Die Kontextbezogenheit macht aus den Erkenntnissen über den Konsumenten die Metaphysik.“ (NIELSEN 2006) Der Consumer Insight kann an der Kategorie, der Marke oder dem Produkt ansetzen. Vereinzelt sind Experten der Meinung, dass ein Consumer Insight per se generisch ist und sich nicht auf eine Marke, sondern immer auf eine bestimmte Kategorie bezieht. Diese Ansicht wird jedoch vom Gros der Befragten nicht geteilt. Allerdings knüpft der Consumer Insight nach Erfahrung der Befragten häufig an der Kategorie an. Neuartigkeit Zu prüfende Aussagen: Der Consumer Insight beinhaltet eine neue Perspektive auf den Konsumenten (Differenzierungsstrategie). Die Neuartigkeit kann darin bestehen, dass 1) ein bislang unbekanntes Emotions-, Motiv- und Wertegefüge in Zusammenhang mit Kategorie, Produkt oder Marke entdeckt wird, 2) bislang noch nicht in der Werbung genutzte Sachverhalte aufgegriffen oder 3) bereits bekannte Aspekte in Zusammenhang mit Marke, Produkt, Kategorie verfeinert bzw. neu aufgeladen werden. Das Merkmal „Neuartigkeit“ erfährt in der obigen Form allgemeine Zustimmung. Neuartigkeit gilt für viele der Befragten als das zentrale Abgrenzungs- und Bewertungskriterium für einen Consumer Insight. Es besteht ein enger Zusammenhang mit der Konzeptionalisierung der Consumer Insight-Suche als kreativem Prozess. Auch die Befragten berichten von einem Aha-Erlebnis in Zusammenhang mit der Entdeckung eines Consumer Insight. Es handelt sich um ein intensives Erlebnis, ein „Adrenalingefühl“, das von den Experten als Indikator für einen Consumer Insight gesehen wird. Entsprechend der aufgestellten These unterscheiden auch die Experten verschiedene Arten von Neuartigkeit. Oft besteht die Neuartigkeit darin, dass eine Erkenntnis als „Knotenpunkt“ für eine Kommunikationsentwicklung unentdeckt ist, was auch beinhaltet, dass sie möglicherweise schon bekannt ist, jedoch bislang nicht aufgegriffen wurde. Allerdings wirft das Merkmal der Neuartigkeit auch Abgrenzungsprobleme auf. Die Abgrenzung der Neuartigkeit dreht sich dabei immer wieder um die Frage, wo Neuartigkeit anfängt
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und wo sie aufhört. Dabei ist zu beobachten, dass die befragten Experten bei näherer Erläuterung der These und im weiteren Verlauf des Interviews ihre vorher geäußerte Meinung relativieren. Einige wenige der Befragten bezweifeln zunächst, dass ein Consumer Insight per se neuartig sein muss. Sie sind der Überzeugung, dass auch auf bereits bestehenden Consumer Insights Kampagnen entwickelt werden können (Bsp. die „alte Sehnsucht der Menschen nach Liebe“). Die Differenzierung würde dann eher im Rahmen der kreativen Umsetzung erfolgen oder aus der Marke kommen (Verknüpfung mit dem Brand Insight). Nach der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Ansicht, die im weiteren Interviewverlauf von den meisten Interviewpartnern geteilt wird, lässt sich in solchen Fällen jedoch nicht von einem Consumer Insight sprechen. Die Kommunikationsentwicklung basiert dann eher auf „bestehenden Erkenntnissen“. Damit von einem Consumer Insight gesprochen werden kann, sind zumindest minimale Veränderungen und Verfeinerungen einer bestehenden Erkenntnis notwendig. Bei den von den Interviewpartnern angeführten Beispielen für „bekannte“ Consumer Insights handelt es sich bei näherer Betrachtung immer um zumindest geringfügige Variationen. Eine bestehende Erkenntnis wird in dem Moment zum Consumer Insight, in dem eine neuartige Perspektive eingebracht wird, z.B. indem ein bestehender Markenwert wie „Zuverlässigkeit“ markenspezifisch und zeitgemäß neu interpretiert wird (Bsp. VW). Schon kleinste Variationen bestehender Erkenntnisse können somit zu einem Consumer Insight führen. Die diskutierten Abgrenzungsfragen können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht vertiefend behandelt werden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Punkte in weiterführenden Forschungsarbeiten Berücksichtigung finden. Dazu gehört unter anderem die Klärung der Frage, ob nicht per se in jedem neuen Kommunikationskontext eine gewisse Weiterentwicklung bestehender Erkenntnisse stattfindet, die dem Merkmal der Neuartigkeit standhält und somit zu einem Consumer Insight führt. Wissensbasiertheit Zu prüfende Aussage: Ein Consumer Insight entsteht auf der Basis von Wissen über den Konsumenten – erst die Wissensbasis ermöglicht einen kreativen Sprung. Auch diese These kann sich bewähren. Konsumentenkenntnis gilt bei allen befragten Experten als Basis dafür, Consumer Insight zu erlangen, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Der Zufall trifft nur den vorbereiteten Geist“ (HEUMANN 2006).
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Intuition alleine reicht nach Meinung der Befragten nicht aus – ohne Informationsbasis kann kein kreativer Sprung zustande kommen. Eine mehr oder weniger intensive Beschäftigung mit Produkt, Marke und Konsumenten ist essentiell, um auf Ideen zu kommen. Die InsightFindung erfordert das „Aufsaugen“ von Informationen und eine gewisse Inkubationszeit. Der Umfang der benötigten Konsumentenkenntnis hängt nach Meinung der Befragten unter anderem davon ab, wie schnell man auf einen Consumer Insight stößt. Nach dem Prinzip der Effizienz gilt es, bei gegebenem Zeit- und Geldbudget den größtmöglichen Umfang an Wissen zu generieren. Ein Zuviel an Wissen sollte allerdings vermieden werden, da hierdurch die empathischen Fähigkeiten der Beteiligten eingeschränkt werden könnten: „Zu viel Wissen kann verhindern, dass man so denkt wie die Konsumenten“ (Jean-Remy VON MATT, zitiert von VEKEN 2006). Anwendungsorientiertheit Zu prüfende Aussage: Ein Consumer Insight bietet immer eine Basis für die Kommunikationsentwicklung. Eine Erkenntnis ist nur dann von Wert (und ein Consumer Insight), wenn sie es ermöglicht, überzeugende, verhaltensrelevante Kommunikation zu entwickeln. Dieses Merkmal erfährt breite Zustimmung. Der Consumer Insight ist Mittel zum Zweck und dient als Basis für die Kommunikationsentwicklung (bzw. Produktentwicklung). Auch nach Meinung der befragten Experten verdient eine Erkenntnis nur dann die Bezeichnung „Consumer Insight“, wenn auf ihrer Basis überzeugende, verhaltensrelevante Kommunikation entwickelt werden kann, d.h. dass sie den zentralen Trigger beim Konsumenten berührt, der sich auf dessen Verhalten auswirkt. Demnach gibt es viele Erkenntnisse, die zwar originell sind, die jedoch entweder nicht diesen Hebel beim Konsumenten treffen, nicht differenzierend genug sind oder ähnliches. Manche Erkenntnisse, wie das Beispiel der „männlichen Kastrationsangst beim Rasieren“ aus Abschnitt 3.2.3.5, sind zwar interessant, bringen jedoch auch aus Sicht der befragten Experten noch nicht den zentralen Hebel beim Konsumenten zum Ausdruck. Sie können allerdings ein Sprungbrett für den Consumer Insight bilden. Die Befragten teilen die hier vertretene Ansicht, dass ein als solches bezeichneter Consumer Insight das Aha-Erlebnis, das bei seiner Entdeckung empfunden wurde, auch bei anderen auslösen muss. Dieses Aha-Erlebnis bei Dritten lässt sich somit als Indikator dafür heranziehen, ob es sich bei der gefundenen Erkenntnis wirklich um einen Consumer Insight handelt. Letzten Endes sind die Konsumenten ausschlaggebend, auf dem Weg dahin z.B. die Kreativen, die auf Basis von Consumer Insight und Kernbotschaft Kreativkonzepte entwickeln sollen:
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Anhang „Der Insight ist die Flanke, die in die Seele des Kreativen reinspielt“ (VOLKERS 2006).
Falls sich derjenige, der mit der Consumer Insight-Suche betraut ist, nicht sicher ist, ob es sich bei einer Erkenntnis um einen Consumer Insight handelt, oder falls mehrere Erkenntnisse vorliegen, die einen Consumer Insight darstellen könnten, könnte die Verifikation z.B. auch durch die Kreativen erfolgen. Nach Ansicht einiger weniger Experten entscheidet die „richtige“ Formulierung des Consumer Insight darüber, ob Kreative etwas mit ihm anfangen und darauf arbeiten können. Das Gros der Experten ist jedoch der auch in der vorliegenden Arbeit vertretenen Meinung, dass es keine Frage der Formulierung ist, ob es sich bei einer Erkenntnis um einen Consumer Insight handelt oder nicht. Beim Consumer Insight steht vielmehr der richtige Gedanke im Vordergrund, der begeistern muss. Das Sprungbrett für die kreative Entwicklung bildet die Kernbotschaft, die dementsprechend inspirierend formuliert werden sollte. Im Idealfall ist allerdings auch der Consumer Insight spitz formuliert und löst sofort Bilder aus. Dazu eignet sich unter anderem der Einsatz von Zitaten, z.B. aus Fokusgruppen (Bsp. „WELLA-Friseure – das sind die mit den Fliegen im Fenster“ (SEGAR 2006)). Psychologische Wahrheit Zu prüfende Aussagen: Beim Consumer Insight handelt es sich um eine unentdeckte oder vergessene Wahrheit. Der Consumer Insight existiert bereits im Konsumenten, vielfach auf unbewusster Ebene. Deshalb leuchtet er auch Dritten sofort ein. Diesem Merkmal wird uneingeschränkt zugestimmt. Nur dann, wenn es sich beim Consumer Insight um eine Wahrheit handelt, entsteht Relevanz für den Konsumenten. Wahrheit bedeutet, dass sich der Konsument in der Kommunikation wieder erkennt, weil sie sich z.B. auf bereits erlebte Situationen bezieht. Weil der Consumer Insight eine psychologische Wahrheit darstellt, leuchtet er jedem sofort ein – auch den Kreativen. Ein Consumer Insight kann deswegen nicht an der Formulierung scheitern. Von den befragten Experten wird vielfach bemängelt, dass „Insight-Reengineering“ zum Alltag in deutschen Unternehmen gehöre, da viele nach wie vor F&E- statt marketinggetrieben agierten. Die Konsumentenperspektive wird demnach häufig erst im Nachhinein einbezogen, wenn es darum geht, ein bereits entwickeltes Produkt zu verkaufen:
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„Consumer Insight ist immer eine emotionale Wahrheit, nicht lediglich die Antwort auf ein Verwendungsproblem. Viele Insights sind deshalb keine Consumer Insights. Ein Beispiel: ‚Ich würde so gerne eine Dose öffnen, habe aber so selten einen Dosenöffner dabei’. Und die Lösung ist: Die neue Büchse hat jetzt auch einen Selbstöffner. Das ist völlig konstruiert.“ (VOLKERS 2006) Der Unterschied zwischen einer psychologischen Wahrheit und einer politisch-taktischen oder konstruierten Aussage ist nach Meinung der Experten spürbar – gerade für den Konsumenten.
A.4.2.3. Abgrenzung des Consumer Insight Zu prüfende Aussage: Consumer Insight und Kernbotschaft sind voneinander zu unterscheiden – die Kernbotschaft ist die Antwort auf den Consumer Insight bzw. die Lösung für das darin zum Ausdruck gebrachte „Problem“. Wie bereits erwähnt, herrschen hinsichtlich der Trennung zwischen Consumer Insight und Kernbotschaft teilweise unterschiedliche Auffassungen bei den befragten Experten. Die im Rahmen dieser Arbeit vertretene Ansicht, dass im Interesse begrifflicher Klarheit differenziert werden sollte, wird von den meisten der befragten Experten geteilt. In Ausnahmefällen kann der Consumer Insight gleichzeitig die Kernbotschaft sein. Einige wenige Interviewpartner sind hingegen der Meinung, dass Consumer Insight und Kernbotschaft identisch sein sollten. Damit einher geht die Auffassung, dass der Consumer Insight die Markenpassung, also den Brand Insight, bereits einschließen sollte. Für diese Befragten ist eine inspirierende Formulierung des Consumer Insight von großer Bedeutung. Zu prüfende Aussagen: Während der Consumer Insight die Konsumentenperspektive widerspiegelt, betrifft der Brand Insight die Anbieterperspektive (= Ausschnitt aus dem Herstellerwissen über Marke/ Produkt/Unternehmen). Erst die Verknüpfung von Consumer und Brand Insight bildet die Basis für die Entwicklung einer relevanten, differenzierenden, glaubwürdigen Kernbotschaft. Die Auffassung, dass der Consumer Insight mit der Anbieterperspektive verknüpft werden muss, um für Markenpassung und Glaubwürdigkeit der Kommunikation zu sorgen, wird von allen Experten geteilt. Der Begriff „Brand Insight“ wird vereinzelt bereits verwendet, allerdings in anderem Zusammenhang (Markenwahrnehmung aus Konsumentensicht, die nach der hier vertretenen Auffassung Teil des Consumer Insight ist). Der Brand Insight kann nicht nur die Marke, sondern auch das Produkt, das Unternehmen, bestimmte Produktionsabläufe etc.
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betreffen. Ein Interviewpartner schlägt vor, den Begriff „Brand Insight“ zu überdenken, da er nur einen Part der Anbieterperspektive abdecke. Das Gros der Experten hält den Begriff jedoch für passend und geeignet, die Anbieterperspektive zum Ausdruck zu bringen. Einige der Befragten betonen, dass die beiden Faktoren Consumer Insight und Brand Insight je nach Situation eine unterschiedliche Gewichtung erhalten können. Die Kommunikation wird entweder stärker auf der Konsumenten- oder der Anbieterperspektive aufgebaut. Manchmal spielt der Consumer Insight in Abhängigkeit von der Marke oder dem Differenzierungsgrad der Produkteigenschaften gegenüber dem Brand Insight eine untergeordnete Rolle: „Viele Premiummarken setzen beim Brand Insight an. Beispielsweise bei Autos: Mercedes, BMW oder Audi reden eher über sich als dass sie über den Konsumenten kommen.“ (SEGAR 2006) Der Brand Insight gewinnt auch dann für die Kommunikation an Bedeutung, wenn kein Consumer Insight gefunden werden kann.
A.4.2.4. Prozess der Consumer Insight-Findung Consumer Insight-Findung als kreativer Prozess Forderung: Der Prozess der Consumer Insight-Findung sollte als kreativer Prozess mit vier Phasen verstanden werden. Die Darstellung des Prozesses der Consumer Insight-Findung als kreativer Prozess wird von allen befragten Experten als passend angesehen. Ein Interviewpartner verwendet von sich aus Begriffe wie „kreativer Sprung“ und „Inkubation“ – ohne nach eigener Aussage das Theoriegerüst durchgearbeitet oder den Prozess systematisch reflektiert zu haben. Der Erfahrung der Experten nach bilden die vier Stufen Vorbereitung, Inkubation, Illumination und Verifikation auch die Vorgehensweise im Rahmen der Consumer Insight-Suche ab. In diesem Modell erkennen sich diejenigen Experten, die Consumer Insights in ihrer täglichen Praxis nutzen, mit ihrer Arbeitsweise wieder: „Bei mir läuft der Prozess so: Suchen, lernen, verstehen, erleuchten“ (SASSERATH 2006). Die befragten Experten teilen die Auffassung, dass die Phasen des kreativen Prozesses nicht linear-sequenziell verlaufen, sondern sich vermischen. Im Rahmen dieser Arbeit wird neben den vier Phasen des kreativen Prozesses zwischen den beiden Phasen der Hypothesenbildung
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und -überprüfung differenziert, um eine klare Unterscheidung von Entdeckungs- und Begründungszusammenhang einer Hypothese herbeizuführen. Auch nahezu alle Experten unterscheiden in der weiteren Diskussion zwei entsprechende Phasen, wobei diese Differenzierung wie oben angenommen z.B. Auswirkungen auf die „Gütekriterien“ hat, die an den Prozess der Consumer Insight-Findung angelegt werden. Hypothesenbildung Im Rahmen der Hypothesenbildung sind nach Ansicht der Interviewpartner alle Wege erlaubt, um einen Consumer Insight zu finden. Im Prinzip ist es ihnen egal, auf welche Weise eine Hypothese entstanden ist. Zur Hypothesenbildung steht aus Sicht der befragten Experten ein breites Methodenspektrum zur Verfügung, wobei dieses allerdings bislang nicht ausgeschöpft wird (siehe unten). Zudem wird bei der Erlangung von Konsumentenkenntnis eher der pragmatische Weg beschritten (vgl. Abschnitt 3.5.4.2). Die Hypothesenbildung ist eine individuelle Angelegenheit. Während manche mit Gedankenspielerei unter Rückgriff auf das vorhandene Wissen und eigene Erfahrungen starten, beschäftigen sich andere zunächst intensiv mit Sekundärforschungsdaten. Generell geht es allen Befragten darum, einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Bezüglich der Methodenauswahl ist die Kreativität des Planners gefragt, da angesichts zeitlicher und budgettechnischer Engpässe meist eine Fokussierung erforderlich ist. Für die Inkubation ist es essentiell, inneren Abstand zu gewinnen. Sie wird von manchen als physisch wahrnehmbarer Prozess bezeichnet. Demnach entstehen die besten Insights dann, wenn man sich ernsthaft mit einer Aufgabe rumquält und „die Dinge ausbrütet“. Hypothesenüberprüfung Hier kommt es darauf an, eine Hypothese zu rechtfertigen und überzeugende Argumente dafür zu sammeln. Die Rechtfertigung bzw. Begründung einer Hypothese bzw. eines Consumer Insights wird überwiegend sehr ernst genommen. Ein Bewertungsmaßstab bzw. ein Teil der Verifikation ist bereits das Erleben eines Aha-Moments, das allerdings eher selten vorkommt: „Man spürt es intuitiv, wenn man einen Consumer Insight gefunden hat“ (SASSERATH 2006). Das Aha-Erlebnis muss auch durch Dritte erfahrbar sein und wird dementsprechend als Indikator für einen Consumer Insight herangezogen. Für viele Experten besteht der wichtigste „Torture Test“ für einen Consumer Insight somit darin, andere damit zu begeistern (Agentur-
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mitarbeiter, Kunden). Es handelt sich hierbei quasi um eine „psychologische Verifikation“. Die Art der Verifikation hängt darüber hinaus insbesondere vom Kunden und der Überzeugungskraft des Consumer Insight ab. Auch etwaige Potenzialschätzungen basieren meist nicht auf quantitativen Modellrechnungen, sondern auf Erfahrung, Expertise und Intuition basierenden Schätzungen. Quantitative Forschungsmethoden werden nur auf besonderen Wunsch der Kunden herangezogen. Normalerweise verlassen sich die meisten Experten bei der Verifikation weniger auf „handfeste“ Tests als vielmehr auf ihre Intuition und Erfahrung: „Für die richtige Entscheidung ist Intuition unerlässlich. Marketingerfolg hängt insbesondere mit dem Mut zusammen, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, für die faktische Absicherungen fehlen. Intuition kann dabei helfen. Auch wenn subjektive Gewissheit keine Unfehlbarkeit des Urteils bedeutet.“ (SCHMIDT 2006), „Bei mehreren möglichen Insights entscheidet der Instinkt – Instinkt produziert bessere Insights als ein Test“ (VOLKERS 2006). Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Frage, ob es vorkommen kann, dass zwischen mehreren Consumer Insights entschieden werden muss. Manche bejahen diese Frage und versuchen, den Consumer Insight mit dem größten Potenzial zu identifizieren. Allerdings scheint dies nicht die Regel zu sein: die meisten Experten berichten davon, dass es schwierig sei, überhaupt einen Consumer Insight zu finden. Wenn mehrere gefunden würden, sei vielmehr die Frage, ob es sich dabei wirklich um Consumer Insights handelt: „Die Erfahrung entscheidet, ob man einen oder mehrere Insights findet – mit Erfahrung schließt man die, die kein Aha-Erlebnis verursachen, von vornherein aus“ (VEKEN 2006). Zu prüfende Aussage: Consumer Insight-Findung und Strategieformulierung sind zu Beginn der kreativen Gestaltung nicht immer abgeschlossen, sondern können sich überschneiden bzw. vermischen. Auch diese Aussage kann sich bewähren, wobei die befragten Experten in ihren Agenturen eine enge Verzahnung zwischen Strategieentwicklung und kreativer Umsetzung bewusst fördern. Hierbei scheint es sich um eine neuere Entwicklung zu handeln. Nach Erfahrung der Befragten wird in vielen Agenturen klassischerweise so vorgegangen, dass mit dem Briefing der „Staffelstab“ an die Kreation übergeben wird, was jedoch nach Ansicht der Experten ein Frontendenken innerhalb der Agentur fördert. Zudem überschneiden sich die Prozessphasen. Eine stärkere Verzahnung zwischen Strategie und Kreation wird in der Praxis z.B. durch flie-
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ßendere Übergänge erreicht. So werden die Kreativen schon während der Strategieentwicklung in die Gedankengänge einbezogen, z.B. in internen Workshops oder Gruppendiskussionen. Das Briefing hat eher den Charakter einer gemeinsamen Diskussion. Unter starkem Zeitdruck kann es vorkommen, dass die Kreativen auf vorläufigen Creative Briefs gebrieft werden und die Planner diese während der kreativen Entwicklung optimieren. Umgekehrt wirkt die strategische Planung auch in der Phase der kreativen Umsetzung weiter. Sie gibt Anregungen und wird in den kreativen Prozess eingebunden, z.B. bei der Ideenselektion: „Der Planner ist Sparringspartner, Leitplanke, Befruchter und Wissender im kreativen Prozess“ (HEUMANN 2006).
Erfolgsfaktoren der Consumer Insight-Findung Endogene Erfolgsfaktoren Zu prüfende Aussage: Zu den endogenen Erfolgsfaktoren des Prozesses der Consumer Insight-Findung zählen Erfahrung, Intuition, Empathie, Neugier und Offenheit. Auch dieser Aussage wird zugestimmt, wobei der Stellenwert der einzelnen Faktoren variiert. Intuition Die Bedeutung der Intuition scheint in der Werbepraxis deutlich ausgeprägter zu sein als im Rahmen dieser Arbeit bisher angenommen. Intuition gilt bei nahezu allen befragten Experten als zentraler Erfolgsfaktor der Consumer Insight-Findung. Demnach kann der Prozess zwar systematisch angegangen werden – letzten Endes führt jedoch nur die Intuition zum Erfolg. Diese gilt auch als Indikator dafür, ob überhaupt ein Consumer Insight gefunden wurde. Die Bedeutung der Intuition dokumentiert sich auch im so genannten Intuitionsmanifest, das zum Zeitpunkt der Feldphase (Februar 2006) von der apgd veröffentlicht wurde, deren Vorstand zwei der Befragten angehören. Es hebt die Kraft der Intuition hervor und richtet sich z.B. gegen den übertriebenen Einsatz von Markentools (HEUMANN/BAUMANN/VEKEN 2006). Die Betonung der Intuition führt dazu, dass die meisten Experten eine systematischere Vorgehensweise bzw. den Einsatz von Systematiken oder Kreativitätstechniken ablehnen. Allerdings betonen einige der Befragten, dass eine Informationsbasis Voraussetzung für das Wirken der Intuition ist: „Die Struktur ist am Anfang extrem wichtig und später kommt die Intuition dazu, die sich der Struktur bedient“ (SASSERATH 2006).
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Zudem ist die ablehnende Haltung gegenüber einer systematischeren Herangehensweise vor dem Erfahrungshintergrund der Befragten zu relativieren. Die Befragten haben unzählige Strategien erarbeitet und im Zuge dessen eine breite Wissensbasis angesammelt, auf die die Intuition zurückgreifen kann. Dazu gehört auch ein breites Methodenwissen, das quasi intuitiv zur Anwendung kommt. Zudem greifen die Experten bei der Suche nach Consumer Insight auf vielfältige Sekundärdaten zurück und setzen (eher pragmatische) Primärforschung ein (siehe unten). Die Betonung der Intuition dürfte auch mit den relativ knappen Zeit- und Geldressourcen in der Werbepraxis zusammenhängen. Das zeigt der Vergleich mit der Innovationsagentur, wo Projekte meist zeitlich ausgedehnter sind und Budgets für umfangreichere Primärstudien zur Verfügung stehen. Dementsprechend wird dort Wert auf ein systematischeres Vorgehen gelegt: „Es geht bei uns um mehr als um ein Aha-Erlebnis, das eine Kommunikationsidee trägt. Unsere Insights sollen ja die Basis von Marken- und Produktinnovationen sein, die langfristig ganze Märkte erschließen. Wir wenden bei der Generierung von Insights Kreativitätstechniken an. Wir nennen das geführte oder strukturierte Kreativität.“ (BENDIG 2006). Die befragten Experten sind überwiegend der Auffassung, dass fachliche Qualitäten trainiert werden können, menschliche Fähigkeiten wie die Intuition hingegen nur in einem gewissen Umfang. Intuitive Fähigkeiten sollten möglichst schon in der Person vorhanden sein, was z.B. bei der Personalsuche als Auswahlkriterium herangezogen wird. Nach Meinung der Experten hängen intuitive Fähigkeiten vor allem von der Persönlichkeit und den individuellen Lebensumständen ab. Ansatzpunkte zur Förderung der Intuition bieten die Beschäftigung mit unterschiedlichsten Themenfeldern, eine gezielten Erweiterung des eigenen Horizonts (z.B. durch Lesen, Reisen, sozialen Austausch) sowie eine generellen Offenheit für neue Erfahrungen. Empathie Nach einhelliger Meinung der Experten sind zudem ausgeprägte empathische Fähigkeiten Voraussetzung dafür, Consumer Insight finden zu können. Nur durch tiefes Einfühlen in die Zielgruppen können psychologische Wahrheiten entdeckt werden. Empathische Fähigkeiten sind insbesondere dann von Bedeutung, wenn keine direkte Kontaktmöglichkeit zu den Konsumenten besteht, z.B. aus Zeit- oder Geldbudgetgründen. Die Empathie weist der Intuition die Richtung. Die Bedeutung der Empathie wird im Planning-Kontext allerdings als selbstverständlich angesehen und nicht weiter diskutiert.
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Erfahrung Auch das Ausmaß der Erfahrung der beteiligten Personen gilt nach Ansicht der befragten Experten als Erfolgsfaktor im Prozess der Consumer Insight-Findung. Allerdings wird hier nicht per se eine positive Korrelation zwischen dem Ausmaß der Erfahrung und einer erfolgreichen Consumer Insight-Findung gesehen – die Erfahrung erweist sich vielmehr als zweischneidig und ist differenzierter zu betrachten. Die Interviewpartner unterscheiden diesbezüglich wiederum zwischen den beiden Phasen Hypothesenbildung und -überprüfung. Erfahrung ist insbesondere für die Hypothesenüberprüfung notwendig. Sie dient als eine Art „Katalysator“ dafür, die Relevanz sowie Verwertbarkeit bzw. Anwendungsmöglichkeit einer Erkenntnis zu beurteilen. Mit zunehmender Erfahrung steigt die Treffsicherheit bezüglich des Gefühls, einen Consumer Insight gefunden zu haben. Erfahrung hängt nach Auffassung der Experten eng mit Intuition zusammen. Intuition lässt sich durch Erfahrung speisen, während Erfahrung die Intuition absichert. Dementsprechend wirkt sich Erfahrung auch auf die Schnelligkeit bzw. der Dauer der Insight-Findung und die Geradlinigkeit des Prozesses aus. Im Rahmen der Hypothesenbildung kann Erfahrung hingegen eher hinderlich sein: „Bei der Insight-Findung sind naiver Zugang, Vorstellungsvermögen und Lebenserfahrung von Vorteil“ (VOLKERS 2006), „Erfahrung ist gut – manchmal kann aber erst eine schräge Perspektive eine neue Tür aufstoßen“ (BENDIG 2006). Auch unerfahrene Agenturmitarbeiter können Consumer Insight generieren, wenn sie über entsprechende intuitive und kreative Fähigkeiten verfügen. Für die Planning-Abteilungen empfehlen sich interdisziplinäre Teams mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen. Neugierde und Offenheit Neugierde und Offenheit hängen nach Ansicht der Experten eng mit Intuition und Empathie zusammen. Bei zunehmender Erfahrung sollte nach Meinung der Experten gezielt darauf geachtet werden, die eigene Neugier und Offenheit zu bewahren, da diese den für den kreativen Prozess der Consumer Insight-Findung notwendigen Perspektivenwechsel begünstigen.
Exogene Erfolgsfaktoren Zu prüfende Aussage: Zu den exogenen Erfolgsfaktoren des Prozesses der Consumer InsightFindung zählen zentrale Verantwortlichkeit und systematische Prozesse.
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Zentrale Verantwortlichkeit Entsprechend der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung sind die Experten einhellig der Meinung, dass die Verantwortlichkeit für den Consumer Insight bzw. den Prozess der Consumer Insight-Findung zentral in einer Hand liegen sollte. Soweit vorhanden, sollte die Verantwortlichkeit im Planning angesiedelt sein. Zwar kann jeder im Agenturteam und auch beim Kunden Consumer Insight finden – die Kernkompetenz wird jedoch im Planning gesehen. Wichtigste Aufgabe des Planners ist es, den gedanklichen Prozess zusammenzuhalten. Systematische Prozesse Wie schon in Zusammenhang mit der Intuition zum Ausdruck kam, wird dieser Erfolgsfaktor in fast allen Interviews kontrovers diskutiert. Die überwiegend ablehnende Haltung auf Seiten der Werbestrategen bezieht sich allerdings weniger auf eine systematische Vorgehensweise an sich als auf den Einsatz standardisierter Methoden und Prozesse. Der Erfolg ist bei der Suche nach Consumer Insight keineswegs garantiert – der kreative Sprung lässt sich nicht planen, sondern nur unterstützen: „Es gibt keine Rezepte für die Entwicklung von guter Kommunikation – je mehr man sie kennt, die Rezepte, desto weniger hat man eins. Die Consumer InsightFindung kann man kaum systematisieren – es gibt keinen Prozess, bei dem unten garantiert ein echter Consumer Insight herauskommt. Insights lassen sich nicht mechanisch herbeiführen.“ (HEUMANN 2006), „Der Consumer Insight ist empirisch stützbar, aber nicht empirisch herleitbar“ (NIELSEN 2006), „Standardisierte Vorgehensweisen und Methoden bringen nichts, da jede Aufgabe individuell ist“ (SCHMIDT 2006). Die kritische Haltung zieht sich auch durch die Diskussion der Kreativitätstechniken und Suchheuristiken (Motivlisten etc.). Die existierende Vorgehensweise lässt sich als intuitivpragmatisch bezeichnen, was sich mit der Beobachtung deckt, dass sich die Interviewpartner bis dato nicht tiefer mit dem Prozess der Consumer Insight-Findung auseinandergesetzt haben. Systematische Prozesse zur Consumer Insight-Findung werden vom Gros der Befragten bislang nicht angewendet. Demzufolge werden auch Suchheuristiken, Markenmodelle o.Ä. vielfach als überflüssig betrachtet, insbesondere in der Phase der Ideen- bzw. Hypothesenbildung. Begründet wird die meist heftige Ablehnung von Systematiken unter anderem dadurch, dass jede Kommunikationsaufgabe sehr individuell ist (Merkmal „Situationsbezogenheit“) und eigene Vorgehensweisen und Tools erfordert. Standardisierte Prozesse und Instrumente
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gelten als zu pauschal und können dazu führen, den Blick für das Wesentliche im speziellen Fall zu verlieren. Zudem können Modelle und Prozesse zur „Denkschablone“ werden und das intuitive Moment zerstören. Allerdings ist hier erneut darauf hinzuweisen, dass die Befragten im Zuge ihres Berufslebens einen breite Erfahrungs- und Wissenshintergrund angesammelt haben, also über ein breites implizites Theoriewissen verfügen, auf das die Intuition zurückgreifen kann. Dazu gehört auch ein breites Methodenwissen, weshalb auch die meisten Interviewpartner nicht ausschließen, intuitiv bestimmte Modelle und Vorgehensweisen anzuwenden. In der Werbepraxis dürften dem breiteren Einsatz von Systematiken zudem der allgegenwärtige Zeit- und Kostendruck im Wege stehen. In der Innovationsagentur werden aufgrund der generell systematischeren Herangehensweise gezielt Suchheuristiken wie z.B. der „semiotische Raum“ als Orientierungs- bzw. Sortierungshilfen eingesetzt, die die systematische Suche nach Innovationspotenzialen unterstützen sollen. These: Die Erfolgsfaktoren „Monetäre Ressourcen“ und „Zeitbudget“ sind in der Werbepraxis häufig nur eingeschränkt vorhanden (= akuter Problembereich). Zeit- und Budgetdruck werden von den befragten Experten als immanente Brancheneigenschaften empfunden. Sie haben sich längst darauf eingestellt und damit umzugehen gelernt. Manche sehen den allgegenwärtigen Zeitdruck auch als sportliche Herausforderung. So steht z.B. bei Pitches (in der Regel) allen teilnehmenden Agenturen die gleiche Zeit zur Verfügung. Zudem entstehen unter Zeitdruck oft die besten Ideen. Gerade dann verlassen sich die Befragten auf die eigene Intuition und Erfahrung: „Bei limitiertem Zeitbudget passiert vieles intuitiv und assoziativ – auf Basis von Erfahrung, auch aus anderen Märkten“ (SASSERATH 2006), „Gerade unter Zeitdruck durchläuft man keinen strikten Prozess – es ist wichtig, mit den richtigen Leute zu reden und sich durch die richtigen Quellen inspirieren zu lassen.“ (HEUMANN 2006). Zeitdruck wirkt sich auch auf die Durchführung der Primärforschung aus – zum einen auf die generelle Durchführungsentscheidung, zum anderen auf die Art des zum Einsatz kommenden Forschungsansatzes. In der Werbepraxis herrscht der pragmatische Forschungsansatz vor, d.h. dass die Agentur z.B. in Eigenregie Gruppendiskussionen durchführt, um sich schnell ein Bild über den Konsumenten zu machen.
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Förderung der Consumer Insight-Findung Zu prüfende Aussagen: Die Consumer Insight-Findung lässt sich ebenso wenig wie kreative Ideen systematisch planen. Der kreative Prozess der Consumer Insight-Findung kann jedoch gefördert werden, z.B. durch die Schaffung von kreativitätsfördernden Bedingungen in den Werbeagenturen sowie den Einsatz bestimmter Techniken. Die befragten Experten teilen die Ansicht, dass die Insight-Findung gefördert werden kann, wobei auch hier ein intuitiv-pragmatischen Vorgehen überwiegt. Im Mittelpunkt steht die Förderung des Perspektivwechsels. Dazu werden von den befragten Experten einige der in Zusammenhang mit dem Perspektivwechsel in Abschnitt 3.5.3 aufgeführten Techniken eingesetzt, allerdings mit unterschiedlichen Präferenzen. Die Unterstützung der Illumination wird als sehr individuelle Angelegenheit gesehen, da Menschen auf unterschiedliche Weise zu Ideen kommen, dafür andere Impulse benötigen und in verschiedenen Momenten kreativ sind. Förderung des Perspektivwechsels Die Interviewpartner stimmen mit der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung überein, dass ein Perspektivwechsel herbeigeführt werden muss, um im kreativen Prozess auf neuartige Ergebnisse zu kommen. Es geht darum, die Konsumenten und ihr Verhalten auf eine neue, ungewöhnliche Art und Weise zu betrachten. Perspektivwechsel kann auf verschiedene Arten und mehr oder weniger systematisch herbeigeführt werden. In der Agenturgruppe, zu der auch die Innovationsagentur gehört, ist der Perspektivwechsel systematisiert. Dort gehört die Disruption-Methode (DRU 1996, 2002), bei der es darum geht, die Kommunikationsregeln eines Marktes aufzudecken und gezielt zu brechen, zu den grundlegenden Arbeitsinstrumenten. Entsprechend der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Auffassung sind sich die Experten einig, dass vor allem innerer Abstand die Inkubation fördert. Demnach haben die meisten ihre besten Ideen in Momenten, in denen sie sich mit etwas anderem beschäftigen, getreu dem Motto: „Nicht nichts tun, sondern etwas anderes tun.“ (SASSERATH 2006). Als typische Illuminationssituationen nennen die Befragten Spaziergänge, Reisen (im Flugzeug, beim Auto- oder Zugfahren), Urlaub, Joggen, das Anhören von Vorträgen, das Bearbeiten anderer Aufgaben, Rotwein trinken etc. Im Grunde bildet diese „physische und geistige Entrückung“ das Herzstück der Inkubation. Bislang hat allerdings keiner der Experten diese
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Mechanismen bewusst reflektiert. Ihrer Meinung nach verbessert die Inkubationszeit das Ergebnis enorm, fällt jedoch häufig der Zeitnot zum Opfer. Einige Interviewpartner weisen darauf hin, dass Pausen für den kreativen Prozess wichtig sind. Demnach können sich Überlastung und Überarbeitung negativ auf die Intuition auswirken. Nach Meinung aller befragten Experten sind auch Interaktion und Austausch ein zentraler Hebel auf dem Weg zum Consumer Insight: „Der Schlüssel für jegliche Form von Kreativität ist es, mit anderen Leuten zu sprechen“ (VOLKERS 2006). Die Strategen suchen gezielt die Interaktion und den Dialog mit anderen – dazu zählen die Konsumenten ebenso wie Teammitglieder innerhalb der Werbeagentur. Es geht darum, „PingPong mit den Gedanken zu spielen“ und die eigenen Gedanken mit den Erlebnissen anderer abgleichen. Die gedankliche Verdichtung findet in der Regel alleine statt. Interaktion und Austausch können in Form von Primärforschung (vor allem qualitative Untersuchungen, siehe unten) oder auf eher informeller, pragmatischer Ebene innerhalb der Agentur stattfinden. Viele Experten suchen den Austausch mit excellenten Werbekreativen, die „per se anders denken“ und deswegen automatisch kreative Fragen stellen, die einen Perspektivwechsel ermöglichen: „Es gibt Leute, die können die Welt komplett anders aufzäumen und komische Fragen stellen. Die kommen auf die besten Ideen, aber es gibt sie nur sehr selten.“ (HEUMANN 2006). Gezielte kreative Fragen werden generell als hilfreich für den Perspektivwechsel angesehen: „Der Schlüssel zum Consumer Insight ist eine kreative Frage, die versucht, das Bestehende aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Ein Beispiel dafür wäre das vermeintliche Paradigma: Bier braucht Heimat – Frage: was bedeutet Heimat heute?“ (VOLKERS 2006). Als wichtige Quelle von Consumer Insight gilt auch die Introspektion, die allerdings ausgeprägte empathische Fähigkeiten erfordert. Viele der Befragten horchen zu Beginn eines Consumer Insight-Findungsprozesses zunächst in sich selbst hinein. Nach Meinung mancher Experten macht die Introspektion Primärforschung häufig überflüssig – nicht nur dann, wenn man selbst zur Zielgruppe zählt. Als Mittel zur Hypothesenbildung werden des Weiteren Empathieübungen genannt, jedoch selten systematisch durchgeführt. So berichtet ein männlicher
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Experte davon, dass er in einem Projekt zum Thema Damenbinden die Produkterfahrung am eigenen Leib ausprobierte, um sich besser in die Zielgruppe einfühlen zu können. Einsatz von Kreativitätstechniken Obwohl die Konzeptionalisierung der Consumer Insight-Findung als kreativer Prozess breite Zustimmung unter den befragten Experten findet, spielt der systematische Einsatz von Kreativitätstechniken bislang so gut wie keine Rolle bzw. wurde bislang noch nicht ausprobiert. Ein Grund hierfür könnte im hohen Zeitbedarf vieler Kreativitätstechniken liegen (vgl. auch 3.5.3). Lediglich in der Innovationsagentur werden Kreativitätstechniken systematisch zur Consumer Insight-Findung eingesetzt. Die Prozesse sind dort in der Regel deutlich ausgedehnter, Zeitdruck spielt eine im Vergleich zur Werbepraxis untergeordnete Rolle. Von den Werbestrategen werden lediglich kleinere Anleihen der bekannten Techniken genutzt (z.B. Brainstorming-Prinzipien wie der Verzicht auf Kritik). Eine Ausnahme bilden bei einigen Experten Workshops mit Kunden oder interne Workshops, die meist jedoch bei zeitlich aufwändigeren Projekten und nur selten zur Consumer Insight-Findung durchgeführt werden. Das Gros der befragten Werbeexperten hält den Einsatz von Kreativitätstechniken für die Consumer Insight-Findung nicht für sinnvoll, hat einen solchen allerdings bislang auch noch nicht ausprobiert. Insbesondere angesichts der knappen Zeitbudgets werden Intuition, Erfahrung und Austausch mit anderen bevorzugt. Primärforschung zur Gewinnung von Konsumentenkenntnis Der Primärforschung sprechen die befragten Experten einen unterschiedlich hohen Stellenwert zu. Manche halten sie für sehr wichtig, andere hingegen für nicht unbedingt notwendig. Letztere vertrauen auf die vorhandene Sekundärdatenbasis und ihre Intuition. Allerdings ist festzustellen, dass generell auf eine Fülle von Sekundärdaten zurückgegriffen wird, darunter vorhandene Markt- und Zielgruppenstudien, Zielgruppenzählungen der Verlage u.Ä. Primärforschung wird demnach nur dann eingesetzt, wenn Produktkategorien als fremd empfunden werden, keine Sekundärdaten über einen Markt erhältlich sind, man sich nur schwer in den Konsumenten hineinversetzen kann oder die Aufgabenstellung sehr spezifisch ist. Allerdings wird in der Sekundärforschung auch eine Gefahr gesehen: der Rückgriff auf vorhandene Studien ist zwar bequem, kann allerdings dazu führen, dass alle Agenturen auf gleichen oder ähnlichen Insights arbeiten, womit generische Kommunikation quasi vorprogrammiert ist.
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Einhellige Meinung besteht darüber, dass Primärforschung zwar zur Consumer InsightFindung beitragen kann, ein Consumer Insight jedoch in der Regel kein unmittelbares Ergebnis einer Studie ist. Bei der Verdichtung von Erkenntnissen bleibt immer ein subjektives Moment. Bei Kunden führt dies nach Erfahrung der Experten häufig zu Enttäuschung. Manche initiieren von sich aus Consumer Insight-Findungsprojekte und investieren viel Geld. Nach Erfahrung der Interviewpartner sind diese Prozesse meist langwierig und führen häufig zu „platten“ Erkenntnissen, die auf einfachere Weise hätten generiert werden können und i.d.R. weder Consumer Insight darstellen noch zielführend sind. Generell ist zu differenzieren zwischen Primärforschung, für die Marktforschungsinstitute eingeschaltet werden, wobei hier entweder der Kunde oder die Agentur als Auftraggeber fungiert, sowie Primärforschung, die von den Agenturen in Eigenregie durchgeführt wird. Der Fall, dass Agenturen Marktforschungsinstitute auf eigene Rechnung ins Boot holen, ist nach Erfahrung der Experten sehr selten, da sich die oftmals hohen Investitionen für Werbeagenturen „nicht rechnen“. Diese werden in der Regel nur dann getätigt, wenn der Kunde sie trägt. Nach Ansicht der Befragten legen immer mehr Kunden Wert auf Primärforschung und beauftragen von sich aus Untersuchungen, zunehmend auch auf qualitativer Ebene. Gründe dafür liegen nach Ansicht der Befragten in erster Linie im Wunsch nach Absicherung der Marketing- und Werbeinvestitionen. Allerdings wird hier nach Meinung der befragten Experten viel Geld sinnlos vergeudet, da vielfach Banalitäten zutage gefördert werden, relevante Erkenntnisse eher Zufall sind und die Ergebnisse gar nicht in die Kommunikationsentwicklung einfließen. Aus Sicht der Befragten wäre dementsprechend eine engere Verzahnung der Forschungsaktivitäten des Kunden mit den Belangen der Kommunikationsentwicklung wünschenswert. Wenn Agenturen Primärforschung in Eigenregie durchführen, kommen in der Regel Gruppendiskussionen und Einzelinterviews zum Einsatz, die zum klassischen Methodenrepertoire des Planners gehören. Meist fungiert der Planner dabei selbst als Moderator bzw. Interviewer, selten werden hierfür Institute eingeschaltet. Ein Grund hierfür ist das limitierte Zeit- und Geldbudget. Zudem werden in der Selbstdurchführung klare Vorteile gesehen. Einerseits sind die Ergebnisse unverzerrter, andererseits kann auf gewonnene Erkenntnisse schon innerhalb der Erhebung flexibel reagiert werden: „Der Planner muss selber beobachten, befragen, lernen, verstehen – das kann man nicht an ein Institut delegieren“ (HEUMANN 2006).
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Methodisch orientierter vs. pragmatischer Ansatz Zu prüfende Aussagen: Beim Einsatz von Primärforschung lässt sich zwischen einem methodisch orientierten Vorgehen und einem pragmatischen Ansatz unterscheiden. Der pragmatische Weg spielt in der Werbepraxis die größere Rolle. Diese Annahme wird durch die Interviews bestätigt. Der pragmatische Ansatz steht bei der Kommunikationsentwicklung klar im Mittelpunkt: „Pragmatismus ist bei der Insightfindung manchmal wichtiger als methodische Genauigkeit“ (VOLKERS 2006), „Der pragmatische Ansatz reicht öfters als man denkt zur Hypothesengenerierung – das kann auch ein Gespräch mit dem Pförtner oder eine Zeitschriftenanalyse sein“ (VILMAR 2006). Statt aufwändiger Konsumentenbefragungen werden z.B. interne Workshops mit Teammitgliedern durchgeführt, die als Heavy Users eine besondere Affinität zur fraglichen Produktkategorie haben (vgl. das Beispiel eBay in Abschnitt 2.2.3). Nach Meinung einiger Experten können interne Workshops Gruppendiskussionen mit Konsumenten komplett ersetzen, wenn die Teammitglieder über ausgeprägte empathische Fähigkeiten verfügen. Allerdings werden auch beim pragmatischen Ansatz gewisse „Gütekriterien“ betont, insbesondere hinsichtlich der Rekrutierung der Probanden und der zum Einsatz kommenden Techniken. Die Bedeutung des pragmatischen Ansatzes scheint darüber hinaus stark mit dem Kommunikationskontext zusammenzuhängen – sie sinkt, wenn Consumer Insights für über die Kommunikation hinausreichende Aufgabenstellungen gesucht werden: „Für Innovationsprojekte werden richtige Insight-Studien und Gap-Analysen gemacht – der pragmatische Ansatz herrscht nur bei der Kommunikationsentwicklung vor“ (BENDIG 2006). Möglicherweise liegt dies darin begründet, dass Innovationsprojekte einen höheren Stellenwert für die Kunden besitzen und demzufolge mehr Zeit und Geld zur Verfügung steht. Methoden der Primärforschung Entsprechend der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Sicht besteht unter den Experten eine klare Präferenz für die qualitative Richtung. Allerdings kann auch quantitative Forschung zur Hypothesenbildung beitragen, wenn z.B. ein bestimmtes Verhalten der Konsumenten offenkundig wird, aus dem sich Consumer Insights ableiten lassen.
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Hinsichtlich der Grundrichtungen der qualitativen Forschung besteht bei den meisten Interviewpartnern eine klare Präferenz für die Tiefenpsychologie. Nach Ansicht der meisten Befragten ist die Tiefenpsychologie am ehesten geeignet, brauchbare Erkenntnisse zutage zu fördern. Verfahren der Tiefenpsychologie werden auch im Rahmen eigener (pragmatischer) Primärforschung genutzt, z.B. assoziative, projektive und visuelle Techniken. Einige Interviewpartner sind regelrechte „Fans“ der Tiefenpsychologie, auch von bestimmten Marktforschungsinstituten. Populär ist insbesondere die morphologische Tiefenpsychologie. So wird z.B. die von den einschlägigen Instituten verwendete Sprache als „inspirierend“ geschätzt. So werden z.B. das Fernsehen als „Hausapotheke fürs Gemüt“ und stilles Mineralwasser als „Versorgungs-Talisman“ betitelt (GRÜNEWALD 2006, S. 226). Einige wenige Experten halten nur wenig von tiefenpsychologischen Methoden, unter anderem weil sie befürchten, dass diese in die Irre führen können und auf der Hand liegende, relevante Sachverhalte übersehen werden. Im Zusammenhang mit der Frage nach kreativen Marktforschungsmethoden werden oftmals assoziative, projektive und visuelle Techniken genannt. Andere Experten verstehen darunter weniger bestimmte Methoden als vielmehr eine spezifische Herangehensweise: „die Zielgruppe auszuhorchen, ohne dass sie es merkt“ (LUSTY 2006) oder „sich unkonventionell und nicht linear zu überlegen, wie man am besten lernen kann“ (SASSERATH 2006). Die Grenzen von Befragungsmethoden sind allen Experten bewusst. Viele versuchen, ihnen mit dem Einsatz indirekter Methoden zu begegnen (vgl. Abschnitt 3.5.4.2), darunter z.B. Storytelling oder Rollenspiel, die über die Art der Markenbeziehung oder die Rolle der Marke im Leben der Konsumenten Aufschluss geben können. Für die Exploration der Markenpersönlichkeit wird z.B. das Erzählen von Marken-Lebensläufen empfohlen. Zudem wird die Beachtung von nonverbalen Signalen als wichtig erachtet. Bei einigen wenigen Experten kommen auch inhalts- oder sprachanalytische Verfahren und semiotische Analysen zum Einsatz. Beobachtungstechniken werden eher pragmatisch eingesetzt, z.B. im Rahmen von Storechecks. Ein systematischer bzw. methodisch fundierter Einsatz findet durch die Werbeagenturen bei der Kommunikationsentwicklung so gut wie gar nicht statt. Gründe liegen nach Aussage der Experten vor allem in Zeit- und Budgetrestriktionen, wobei sich einige zudem bislang noch gar nicht eingehender mit den Möglichkeiten befasst haben. Eine Ausnahme bildet wiederum die Innovationsagentur, bei der ethnografische Methoden im größeren Stil zum Standardrepertoire gehören. Einige wenige Werbeexperten berichten immerhin davon, dass
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manche Kunden wie z.B. ein großer Automobilhersteller (vgl. auch SEITH 2006) Beobachtungsmethoden systematisch einsetzen. Hirnforschungsmethoden werden von den Experten bislang nicht genutzt. Die Hirnforschung bietet ihrer Ansicht nach heute noch keinen Mehrwert, da bislang die praktische Nutzenanwendung fehlt und der Interpretationszusammenhang unklar bleibt. Allerdings werden die Entwicklungen interessiert beobachtet, zumal manche Konkurrenten hier bereits aktiv sind und in neue Forschungsinstrumente investieren (siehe z.B. BBDO 2004).
A.4.3.
Emotionale Kommunikation
A.4.3.1. Begriffsklärung Die meisten Interviewpartner tun sich mit dem Begriff „emotionale Kommunikation“ sehr schwer – er wird als diffus und akademisch wahrgenommen. Zudem beklagen sie Begriffsverwirrungen und Missverständnisse in Zusammenhang mit emotionaler Kommunikation. So wird emotionale Kommunikation z.B. ihrer Ansicht nach entsprechend der in 4.2.1.2 geäußerten Annahme häufig mit bildhafter Werbung gleichgesetzt: „Emotionen werden nicht nur über emotionale Bilder geweckt – das ist das größte Missverständnis, wenn es um das Potenzial emotionaler Werbung geht.“ (LUSTY 2006). Zu prüfende Aussagen: Die Begriffe „rational“ und „emotional“ bezeichnen keine dichotomen Kategorien, sondern sind als zwei Pole auf einem Kontinuum zu begreifen. Dementsprechend existieren in der Regel Mischformen zwischen emotionaler und rationaler Kommunikation. Die obige These wird durch alle befragten Experten bestätigt. Demnach ist die begriffliche Trennung zwischen emotionaler und rationaler Kommunikation rein akademischer Natur. Die Befragten sträuben sich teilweise gegen die ihrer Meinung nach in dieser Trennung zum Ausdruck kommende „mechanistische“ Auffassung von emotionaler Kommunikation. Sie wird weder als möglich noch als sinnvoll angesehen und hilft der Praxis nicht weiter, da jede Kommunikation sowohl emotionale als auch rationale Aspekte hat. Zudem können auch Emotion und Kognition nicht voneinander getrennt werden. Eine interessante Erklärung für die Probleme, Missverständnisse und Unklarheiten in Zusammenhang mit der emotionalen und rationalen Kommunikation bietet folgendes Zitat:
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„Diese Differenzierung emotional – rational ist ein Modell, mit dem man Verhaltensweisen erklären will. Diese Modellwelt ist in der Medizin und der klinischen Psychologie entstanden. Der Verdacht liegt nahe, dass wir uns einer Nomenklatur bedienen, die eigentlich nicht für unsere Bedürfnisse geschaffen wurde. Dadurch entsteht dieses Problem zwischen emotionaler und rationaler Werbung.“ (LEVEN 2006) Zu prüfende Aussagen: Gefühle sind Eigenschaften der Person bzw. des Rezipienten. Der Begriff „emotionale Kommunikation“ bezieht sich somit auf die Reizeigenschaften, die ein Werbemittel aufweist. Die Auffassungen der befragten Experten darüber, was emotionale Kommunikation eigentlich ist, sind uneinheitlich. Für manche Interviewpartner ist emotionale Kommunikation per se Kommunikation, die bewegt und begeistert. Diese Auffassung unterstützt die obige These: Demnach macht sich Emotionalität an den Reizeigenschaften der Werbung und den entsprechenden Reaktionen der Rezipienten fest. Emotionalität ist eine Eigenschaft der Person, allerdings kann das Ziel „Emotionalität“ der Werbung zugeschrieben werden. Vereinzelt wird emotionale Kommunikation mit Imagewerbung, emotionalen Markenwelten und „Werbung mit Menschen“ verbunden. Einige Interviewpartner fordern eine differenziertere Betrachtung der emotionalen Kommunikation. So können die emotionalen Reizeigenschaften zum einen die Botschaft, zum anderen die Machart bzw. Tonalität betreffen. Dementsprechend können auch Kampagnen mit einem eher rationalen Nutzenversprechen sehr emotional umgesetzt sein. So basiert z.B. die Kampagne für DEKA Investmentfonds auf einer eher rationalen Kernbotschaft („Da steckt mehr für Sie drin“), wird jedoch auf emotionale Weise umgesetzt (durch ein rotes Tuch, das unterschiedliche Anleger-Träume verbirgt, z.B. eine Yacht oder einen Oldtimer). Zu prüfende Aussage: Jede Art von Kommunikation löst emotionale Reaktionen aus. Man kann nicht nicht emotional kommunizieren. Entsprechend der These sind die meisten Interviewpartner der Ansicht, dass jede Art von Kommunikation auch emotionale Aspekte berührt. Auch eher informative Werbung kann Emotionen auslösen. Z.B. kann für Menschen, die eine Affinität zu Uhren haben, auch eine diesbezügliche, eher informative Printanzeige mit hohem Textanteil hochemotional sein. Informative TV-Spots mit Demosequenzen können Gefühle von Langeweile oder Ärger auslösen. Nach Ansicht der meisten Experten existiert somit keine unemotionale Kommunikation.
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Kommunikation sollte nach Meinung der meisten Experten generell emotionalisieren – unabhängig von der Tonalität, die eher emotionaler oder eher rationaler ausfallen kann: „Emotionale Wirkung ist wichtig: der Verstand lässt nichts hinein, was nicht vorher das Herz bewegt hat.“ (SCHMIDT 2006). Dementsprechend sollten auch rationale Faktoren emotional beworben werden, da emotionale Kommunikation „bewegt“ und man näher an die Menschen herankommen kann. Die Schaffung von Identifikation mit der Marke wird angesichts austauschbarerer Produkte immer wichtiger – es geht darum, ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen. Allerdings hängt die Art der Kommunikation auch vom Wettbewerbsumfeld ab: In Hinblick auf eine wirksame Differenzierung kann es nach Meinung der Experten manchmal angebracht sein, eher rational zu kommunizieren – z.B. dann, wenn sämtliche Wettbewerber sehr emotional werben. Einige der befragten Experten weisen auf den engen Zusammenhang zwischen emotionaler Kommunikation und Consumer Insight hin. Demnach ist ein Consumer Insight immer eine emotional behaftete Erkenntnis. Emotionale Kommunikation ist wiederum Insight-getrieben. „Ein starker Consumer Insight schafft Identifikationspotenziale und Zugehörigkeit“ (SEGAR 2006). Consumer Insight und emotionale Kommunikation gehören demnach zusammen. Emotionale Kommunikation bewegt – Consumer Insight offenbart die Beweggründe. Der Consumer Insight erfährt hier eine stärkere Betonung als bei eher rationaler Kommunikation, da es darum geht, die Emotionen der Zielgruppe zu treffen. Einige der Befragten sind gar der Ansicht, dass das Konzept des Consumer Insight nur in Zusammenhang mit eher emotionaler Kommunikation relevant ist. Eher rationale Kommunikation wie z.B. Ankündigungen von Rabattaktionen oder Demo-Spots benötigen demnach gar keinen Consumer Insight, da die relevante Botschaft nach Ansicht der Interviewpartner in diesen Fällen auf der Hand liegt und Anstrengungen zur Consumer Insight-Findung überflüssig sind. Einschränkend ist hierzu anzumerken, dass in der Regel nicht im Vorhinein klar ist, ob eher emotional oder rational geworben werden sollte – die adäquate Machart ergibt sich erst im Laufe des Analyseprozesses. Zu prüfende Aussagen: Emotionale Kommunikation = Oberbegriff für Kommunikationstechniken, die darauf abzielen, durch die Reizeigenschaften der eingesetzten Stimuli bestimmte emotionale Reaktionen beim Rezipienten (eine Emotionalisierung) zu erzeugen, um vorher
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definierte Kommunikationsziele zu erreichen. Die Emotionalisierung muss demnach gezielt erfolgen. Nach Erfahrung der Interviewpartner geben viele Kunden das Ziel „Emotionalisierung“ an – häufig allerdings ohne eine bestimmte inhaltliche Zielrichtung. Die Befragten unterstreichen den Punkt, dass die Emotionalisierung gezielt erfolgen muss und emotionale Reaktionen nicht dem Zufall überlassen werden dürfen. Demnach sollte vor der Umsetzung klar definiert werden, welche Gefühle durch die Werbung ausgelöst werden sollen, für welche emotionale Kerndimension die Marke stehen und mit welchen Emotionen sie angereichert werden soll. Entgegen der Kritik von BRANDMEYER, wonach das Spektrum der positiven Emotionen nicht ausreicht, vielen Marken eine Identität zu verleihen (Abschnitt 4.1), sind auch die Befragten der Auffassung, dass sich Emotionen vielfältig nuancieren und interpretieren lassen: „Der Emotionalitäts-Cocktail ist beliebig gestaltbar. Emotionale Aspekte kann man auf Milliarden Arten und Weisen zu einem Consumer Insight kombinieren. “ (VOLKERS 2006), „Ein Blick in IZARD würde vielleicht helfen – über die Standardemotionen hinaus gibt es ein paar tausend Nuancierungen“ (LEVEN 2006). Allerdings werden eine allgemeine Austauschbarkeit und Ideenlosigkeit emotionaler Kampagnen beklagt.
A.4.3.2. Emotio-Ratio-Balance Zu prüfende Aussage: Eine adäquate Balance von emotionalen und rationalen Elementen (Emotio-Ratio-Balance) ist zentraler Erfolgsfaktor für Markenpassung und damit für die Kommunikation. Auch diese These kann sich bewähren. Die Experten unterstützen durchweg die Forderung nach einer Emotio-Ratio-Balance: „Die Menschen kaufen Marken und Produkte, aber sie kaufen eine Marke nicht ohne Blick auf Produkteigenschaften. Die schönste Marke ist irrelevant, wenn man vom Produkt enttäuscht ist.“ (SCHMIDT 2006), „Emotionale Kommunikation braucht eine rationale Erdung – sonst wird sie willkürlich und weich. Wie viel, hängt vom Markt ab.“ (VEKEN 2006). Die spezifische Emotio-Ratio-Balance wird unter anderem von der Produktkategorie und dem entsprechenden Involvement der Konsumenten, den Wettbewerbsaktivitäten sowie dem Vor-
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handensein von überzeugenden Produkteigenschaften abhängig gemacht. Wenn derartige Leistungsmerkmale vorhanden sind, sollten diese nach Ansicht der Experten auch betont werden. Anders verhält es sich bei Kategorien wie Zigaretten, Mode und Parfum, bei denen eine rationale Erdung kaum möglich bzw. sinnvoll ist. Wie oben herausgestellt, kann Kommunikation stärker aus dem Consumer Insight oder aus dem Brand Insight herauskommen. Diese Abwägung entspricht in etwa der Emotio-Ratio-Balance.
A.4.3.3. Suchfelder des Consumer Insight Zu prüfende Aussage: In Hinblick auf die Entwicklung emotionaler Kommunikation lassen sich spezifische Suchfelder für den Consumer Insight identifizieren. In Zusammenhang mit dieser These betonen die befragten Experten, dass die Entscheidung, eher emotionale Kommunikation zu entwickeln, Ergebnis des Analyse- und Strategieentwicklungsprozesses ist, zu dem auch die Consumer Insight-Findung gehört: „Ob emotional geworben wird oder nicht, ergibt sich meist erst im Prozess – das wird nicht von vornherein geplant“ (VEKEN 2006), „Die grundsätzliche Erkenntnis ‚ich will emotional oder rational kommunizieren’ beeinflusst nicht bei der Insight-Suche: Die Insight-Suche führt einen eher dahin, zu überlegen: was ist die Zielsetzung der Werbung, was muss ich erreichen, um bestimmte Effekte zu erzielen?“ (LUSTY 2006). Dementsprechend sind die Interviewpartner der Meinung, dass die Suchfelder für den Consumer Insight unabhängig von der letztendlichen Ausgestaltung der Kommunikation immer dieselben sind. Entsprechend der Auffassung, dass Consumer Insight und emotionale Kommunikation eng zusammenhängen, geht Kommunikation, die auf Basis eines Consumer Insight entwickelt wird, per se eher in die emotionale Richtung – sei es auf Ebene der Kernbotschaft, auf Tonalitätsebene oder auf beiden Ebenen.