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Silber � Dollar � ar Nr. 28 � 28
Ben Tucker �
Cowboytreue �
Sahara
Craig Bishop hatte sich bis über den Hals in Verdruß gestürzt, um sich ein Leben aufzubauen, fern von der Diamond-H-Ranch und fern von Rita Hartley, der Tochter des Ranchers, die zugleich seine Pflegeschwester war. Denn Hartley hatte seinerzeit den Waisenjungen Craig in die Familie aufgenommen. Nicht, daß Craig der neue Beruf, den er sich erwählt hatte, besonders gefiel. Aber er hatte sich nun einmal dazu entschlossen, und nun mußte er sich damit anfreunden. Er hatte den Frachtzug in Cooper City bestiegen und saß nun schon einige Stunden im Perspnalwagen, den auch gelegentlich Fahrgäste benutzen durften. Er lag auf der harten Bank des Dienstwagens und stemmte sich gegen das Schwanken des Zuges. Zwischen seinen buschigen Brauen stand eine tiefe Falte, während seine rauchgrauen Augen auf die Lampe über ihm gerichtet waren und ihr Pendeln verfolgten. Trotz seiner Verlorenheilt in schwere Gedanken überhörte er nicht, wie die Maschine zu stampfen begann. Das bedeutete, daß der Zug durch den Lost-Man-Canyon fuhr und bald die Verladecorrals erreichen würde, die eine Viertelmeile vor der Stadt Sunset lagen. Nun zog der Maschinist die Bremsen. Das Stoßen der Kupplungen pflanzte sich von der Maschine durch den Zug fort. Mit entschlossenem Blick setzte Craig sich auf, ergriff seinen Koffer aus Rindleder und betrat die Plattform. Als die Maschine wieder Geschwindigkeit aufnahm, sprang er ab. Elastisch landete er auf dem Boden, lief noch ein Stück neben dem Zug her und sah den in der Nacht verschwindenden roten Schlußlaternen nach. Dies ließ ihn an seinen neuen Beruf denken, an das RodeoGeschäft, in das er einsteigen wollte. In diesem Geschäft gab es in jeder Richtung rote Gefahren-Signale. 2 �
Aber das sollte ihm gerade recht sein. Er brauchte etwas, wogegen er ankämpfen konnte. Er konnte nicht gegen seinen Freund Oran Sand kämpfen, nur weil Rita ihn liebte. Rita hatte das Recht, zu lieben, wen sie wollte. Aber mit Wade Morte, der ein Monopol auf das Rodeogeschäft zu. haben glaubte, konnte Craig sich raufen, wenn dieser Morte Lust dazu hatte. Und daran hatte Craig keinen Zweifel. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit grimmiger Befriedigung. Seine Gedanken waren so düster wie seine Augen, als er den Koffer absetzte und sich eine Zigarette rollte. Wütend riß er das Streichholz am Daumennagel an. Kaum war es aufgeflammt, als ihn ein Instinkt warnte. Er blies das Streichholz aus, und unmittelbar darauf zerschmetterte ein Schuß die trügerische Nachtstille. Zorn sprang in Craig auf. Er riß den Navy Colt aus der Tasche des Überrockes und feuerte auf die Stelle, an der bei den Verladecorrals die fußlange Mündungsflamme auf gezückt war. Er feuerte noch einmal und rannte auf den hedmtückischeh Schützen zu, ohne jede Rücksicht auf die lauernde Gefahr. Bevor er die Corrals erreichte, hörte er das Trommeln von Hufen und erkannte einen dahinrasenden Schatten, der sich schnell in der Dunkelheit der Prärie verlor. Er blieb stehen. Der schnelle Spurt hätte einen Teil seines Zornes verbraucht. »Well, so ist es also«, murmelte er. »Auch gut.« Es war ihm beinahe willkommen, daß Wade Morte so frühzeitig seine Revolverschwinger auf'ihn losließ. Nun war es klar, daß Morte auch vor einem Mord nicht zurückschreckte, um Konkurrenten zu entmutigen. Er ging zurück, um seinen Koffer zu holen. In einiger Entfernung konnte er über die Prärie hinweg die Lichter von Sunset sehen. Er marschierte darauf zu und hatte an die hundert Meter 3 �
zurückgelegt, als er Huf schlag vernahm. Er blieb stehen, wachsam und bereit, die Waffe in der Hand. Seine scharfen Augen erkannten schließlich den herannahenden Schatten. »Wer ist da?« fragte er scharf. Ohne Antwort zu geben, kam der Reiter näher. Craig spannte den, Hammer seines Colts. »Bleib, wo du bist!« warnte er. »Was ist denn eigentlich los?« Es war Bennie Fays Stimme. Graig entspannte sich. Er steckte den Revolver in den Mackinaw, während Bennie, ein Handpferd führend, herankam. Nur fünf Tage war Craig von der Diamond-H weggewesen. Aber nun freute er sich über das Wiedersehen mit Bennie, der unter ihm Weideboß der Diamond-H war. »Was hat die Schießerei zu bedeuten?« fragte Bennie unbeeindruckt. Bennie war ein kleiner Mann in den Fünfzigern und der Diamond-H so treu ergeben wie ein Hund seinem Herrn. Craig fühlte sich ihm besonders verbunden, seit Bennie ihn vor fünfzehn Jahren aufgefunden und zur Diamond-H gebracht hatte, mit einer«Fürsorge, wie er sie auch einem kranken Kalb hätte angedeihen lassen. Craig hatte sich im Wald versteckt, nachdem sein Vater ermordet worden war. Zack Hartley, der DiamondRancher, hatte damals gefragt: »Wo hast du das Maverick gefunden, Bennie?« So hatte Zack sich ausgedrückt aber er hatte den Waisenjungen nicht wie ein Maverick behandelt. Deshalb war es so schwer, die Diamond zu verlassen. Zack hatte ihn wie einen Sohn gehalten… »Jemand wollte mir eine Kugel verpassen«, beantwortete er Bennie Fays Frage. »Geschieht dir recht«, erwiderte Bennie. »Was mußt du dich in 4 �
das Geschäft eines anderen drängen, besonders wenn der andere Wade Morte heißt.« Sie hatten sich darüber schon so oft auseinandergesetzt, daß Craig keine Lust fühlte, es wieder durchzukauen. »Fein, daß»du mir mein Pferd gebracht hast«, sagte er und schwang sich in den Sattel. Sie ritten schweigend durch die Dunkelheit. Schließlich fragte Bennie: »Hast du den Kontrakt für eine Rodeo-Schau in Cooper City bekommen?« »Nein, sie wollen erst sehen, was ich in Devil's Pocket hinlegen kann.« »Du würdest besser auf der Diamond bleiben«, sagte Bennie. Craig fühlte Ärger in sich aufsteigen und entgegnete barsch: »Hast du die Jährlingsrinder zum Elk Creek treiben lassen?« »Du dickköpfiger Narr!« Bennies Stimme hob sich vor Zorn. »Du liebst Rita, und das frißt an dir. Diese Rodeo-Sache ist nur ein Vorwand für dich, um wegzulaufen. Aber man kann nicht vor etwas weglaufen, das man liebt. Du wirst das noch merken.« »Was weißt denn du schon von der Liebe?« fragte Craig verächtlich. Schweigend erreichten sie Sunset, hielten vor Chip Durhams Saloon – und betraten das Lokal. Craigs graue Augen überblickten den Raum. Der Mann, der auf ihn geschossen hatte, könnte hier sein. Die anwesenden Bergleute und Holzarbeiter ignorierten ihn. Für einen Cowboy gab es in diesem Montana-Land keine Berührungspunkte mit ihnen, wenigstens keine freundlichen. Der Bartender, den man den; »freundlichen Joe« nannte, lächelte etwas dünn und schob ihnen Gläser und Flasche zu. Während sein Blick durch das Lokal flitzte, fragte er mit gesenkter Stimme: »Glück gehabt in Cooper City?« 5 �
»Einigermaßen«, sagte er. Er hob das Glas und bückte Joe scharf an. »Ist in den vergangenen fünfzehn Minuten jemand hereingekommen – einer, dem man es zutrauen kann, aus dem Dunkel auf einen Mann zu schießen?« Das Gesicht des »freundlichen Joe« wurde so ausdruckslos wie der polierte Bartisch. »Die ganze Zeit kommen Leute und gehen wieder«, erwiderte er. Seine Halbglatze reibend, zog er sich an das andere Ende der Bar zurück. »Man sollte ihn den ,neutralen Joe’ nennen«, murmelte Craig. Er schüttete den Drink hinunter und fühlte Benmies Ellenbogen an seinen Rippen. Er drehte den Kopf und sah Wade Morte eintreten. Morte blieb an der Tür stehen und rollte sich eine Zigarette. Er trug hohe Texasstiefel aus rotem Ziegenleder, die seine Füße zierlich wie die eines Mädchens erscheinen ließen. Er war ein kleiner Mann, und die besonders hohen Absätze, die er an den Stiefeln hatte, ließen erkennen, daß er seine geringe Körpergröße als Mangel betrachtete. Sein brauner Mackmaw war aufgeknöpft, an der rechten Seite zurückgeschlagen und ließ den Beingriff eines 44ers sehen. Morte zündete die Zigarette an und kam auf Craig zu. »Du bist Bishop«, nicht?« fragte Morte überheblich .wie ein Mann, der gewohnt ist, Befehle zu geben und sie befolgt zu sehen. »Craig Bishop«, erwiderte Craig. »Morte – Wade Morte.« Er kniff Beine dunklen Augen zusammen, als erwarte er, daß sein Name eine besondere Wirkung zeitigen würde. »Yeah, habe von dir gehört«, erwiderte Craig unbeeindruckt. Er lehnte sich! mit dem Rücken gegen die Theke und stützte die Ellenbogen auf. »Ich hab« gehört; daß es dir nicht gefällt, Kon6 �
kurrenz zu haben.« »Ganz richtig, Bishop. Ein Mann in diesem Geschäft genügt vollauf.« Craig zuckte die Schultern. »Kann sein. Aber ich bin jetzt auch in dem Geschäft tätig.« »Damit machst du einen Fehler – einen ziemlich gefährlichen.« Craig lächelte. »Komisch«, sagte er. »Dasselbe dachte ich von dir.« Das Lächeln verschwand, und nur Härte blieb auf Craigs Gesicht zurück. In seinen rauchgrauen Augen stand eine Warnung. »Schick nie wieder einen deiner Revolverburschen in die Nacht hinaus, um auf mich zu schießen. Mach deine Schmutzarbeit doch selbst.« Zorn färbte Mortes Gesicht dunkler. »Vielleicht gar kein schlechter Gedanke, Bishop.« »Du bist aber mächtig hinter Verdruß her«, sagte Bennie nun zu Craig. »Gehen wir, wir haben einen langen Ritt vor uns.« »Jetzt wird es vielleicht erst interessant«, erwiderte Craig. »Warten wir noch ein wenig.« Drei riesige Baumfäller an einem Ecktisch erregten Craigs Aufmerksamkeit. Sie ließen eine Whiskyflasche kreisen. Einer, der Rothaarige, der die anderen noch an Körpergewicht übertraf, erwiderte Craigs Blick herausfordernd. Craig hatte sich nicht getäuscht. Der Holzarbeiter schob den Stuhl zurück und stapfte auf Craig zu. »Spendier' mir einen. Drink«, sagte der Mann befehlend. »Einen Freundschaftsdrink oder was?« fragt Craig. Er hatte einen, der wenigen Männer vor sich, zu denen sogar er aufblicken mußte. »Ich habe einen Drink verlangt, kein Geschwätz.« »Yeah. Und wenn ich dir keinen kaufe?« Der Holzarbeiter tippte mit dem Finger auf Craigs Schulter. »Niemand schlägt Rory McCork etwas ab, Kuhtreiber, Bekomme 7 �
ich den Drink, oder muß ich dich vorher behandeln?« Langsam wandte Craig McCork den Rücken zu. Er wartete darauf, daß der Mann ihn an der Schulter packte und herumwirbelte. Als es geschah, verstärkte er noch die drehende Bewegung mit der Wucht seines Körpers. Seine Rechte traf voll den Backenknochen McCorks. Der Schlag ließ McCork zurücktaumeln. Er stolperte über seine Füße und schmetterte wie ein gefällter Baum zu Boden. Craig schlüpfte aus dem schweren Überrock und reichte ihn Beides. »Steh auf!« sagte er scharf. Langsam, vorsichtig, stand McCork auf. Craig griff blitzschnell an und landete eine Rechte in die Magengrube. McCork krümmte sich zusammen. Craig setzte die Linke auf McCorks Kinnspitze, und der Holzarbeiter, fiel aufs Gesicht. Aber McCork. war noch nicht am Ende. Er regte sich wieder und versuchte aufzustehen. Schließlich kam er taumelnd auf die Füße. Als er Craig erkennen konnte, faßte seine Hand in den Stiefelschaft und holte ein langes Messer hervor. Ein Schauder überlief Craig, als McCork geduckt auf ihn zuschwankte. »Laß fallen, Holzfäller!« rief .Bennie Fays Stimme drohend. Und Wade Morte meinte: »Misch dich nicht ein, Cowboy. Das hier ist ein besonderes Spiel – zu hoch für dich!« Craig drehte sich um. Mortes narbiges Gesicht war angespannt und wirkte entschlossen. Der 44er in seiner Hand war auf Bennie gerichtet. Craigs zorniger Blick vertiefte nur den teuflischen Ausdruck auf Wade Mortes Gesicht. »Steck deine Waffe weg.« befahl Craig Bennie und wandte sich wieder McCork zu. Der Holzfäller, immer noch geduckt und mit gezücktem Mes8 �
ser, belauerte den Mann, der ihn besiegt hatte. Keine überhebliche Sicherheit war jetzt auf seinem Gesicht zu lesen, sondern der Wille, den Mann mit List zu töten, den er mit brutaler Kraft nicht hatte bezwingen können. Bennies Stimme zitterte vor Zorn. »Nimm eine Waffe, Craig, und schieß den Skunk nieder!« »Nur mit der Ruhe«, sagte er, während er langsam an McCork heranging. »Du wirst dein eigenes Messer zu schmecken bekommen…« Mit einem letzten schnellen Schritt streckte er die Hand aus und wollte McCorks Zustoßen verhindern. McCork wich zurück. Bevor er mit dem Messer ausholen konnte, hatte Craig jedoch aufgeschlossen, und McCork konnte nur einen kurzen Stoß ausführen, der fehlging. Dann gelang es Craig, McCorks Arm mit einem Zangengriff zu erfassen. Während Craig ständig den Druck verstärkte, fühlte er, wie sich McCorks Arm unter seinem Griff krümmte. Schließlich ließ McCork mit einem seltsam hohen und schrillen Schrei das Messer fallen. Craig stieß ihn zurück und hob das Messer auf. »Nun, was habe ich dir gesagt, McCork?« fragte er. Wilde Furcht in den Augen, wandte McCork sich ab, stapfte, halb taumelnd, auf die Tür zu und verschwand in der Dunkelheit. Bennie Fay hielt Craig den Mackinaw hin. »Die Schau ist vorbei, schätze ich«, sagte er. »Reiten wir.« Craig schlüpfte in die Überjacke. Bennie ging zur Tür voraus. Craig nahm an der Tür den Koffer auf und spähte in die Dunkelheit, dann ging er zu seinem Pferd. Als sie durch die nachtdunkle Straße ritten, blickte Bennie immer wieder nach allen Seiten. Craig beobachtete ihn Und war gerührt. Bennie war ein wirklicher Freund, ein Mann, der jeder9 �
zeit für ihn sein Leben opfern würde, für ihn und für die Diamond. Und das ließ ihn wieder an sein eigenes Verhältnis zur Diamond-H, zu Zack Hartley und Rita denken. Er wünschte, Gefühle wären wie Kleider, die man nach Belieben wechseln konnte. Aber die Verbundenheit mit der Diamond gehörte zu seinem Leben wie das Atemholen. Craig sagte im Tone des Bedauerns: »Ich werde Zack morgen sagen, daß ich weggehe. Es hat keinen Zweck, die Diamond in meine persönlichen Angelegenheiten zu verwickeln.« »Du hast gesagt, du würdest erst weggehen, wenn Rita verheiratet ist.« »Ich tue das, was ich für richtig halte«, erwiderte Craig. Bennies Antwort war ein verächtliches Schnauben. Als sie in den Hof ritten, bog Bennie zum Pferdecorral ab, während: Craig zur Veranda ritt, um seinen Koffer abzusetzen. Nun erst bemerkte er den matten Lichtschein, der durch die Vorhänge von Zack Hartleys Zimmer drang. Mitternacht war bereits vorbei, Licht zu dieser Stunde war eine Seltenheit. Craig stellte den Koffer auf der Veranda ab. Als er sich im Sattel aufrichtete, sah er Rita groß und aufrecht im Dunkel stehen. Sie kam auf ihn zu. »Hello«, grüßte er. »Du bist aber noch' spät auf.« Als sie vor ihm stehenblieb, fühlte er, daß sie von Trauer und Schmerz erfüllt war. Es mußte etwas Furchtbares geschehen seih. »Craig«, sagte sie tonlos, »Zack ist tot – ermordet.« * Ermordet! � Ein Keulenschlag hätte nicht betäubender wirken können als � 10 �
diese Worte. Vor Craig tauchten Bilder auf: Zack, wie er den Waisenjungen zu sich nahm – Zack, wie er ihn, Craig, in die Rolle eines Sohnes hineinwachsen Heß, wie er ihm immer mehr die Leitung der Ranch übergab, bis er, Craig, wie der Herr schaltete und waltete – Zack, der grenzenlos in seinem Vertrauen zu ihm war. Und nun war er tot? Craig stieg schwerfällig ab. »Es war nach dem Abendessen«, berichtete Rita. »Ich war im Haus und Zack auf der Veranda. Wie immer, wenn es nicht zu kühl war. Ich hörte einen gedämpften Schuß und dachte, irgend jemand jagte in der Nähe. Als ich hinausging, saß Zack zusammengesunken in seinem Stuhl. Oh, Craig…« Er legte ihr die Hand auf die Schulter und fühlte ihr Zittern. »Wo ist Zack, Rita?« fragte Craig. Sie ging voraus in Zacks Schlafzimmer, das auch als Wohnund Arbeitsraum diente. Craig blickte auf die eiserne Bettstatt und die große, schweigende Gestalt. Zacks weißes Haar wirkte wie ein heller Rahmen um Kopf und Gesicht. Seine Lider waren geöffnet, eine leichte Falte stand zwischen seinen Augenbrauen, als spähe er auf etwas, was er nicht genau erkennen konnte. Diesen Ausdruck hatte er gezeigt, als ihn die Kugel traf. Er war auf seinem Gesicht erstarrt. »Wer konnte so etwas tun«, flüsterte Rita schluchzend. »Vielleicht weiß Craig die Antwort.« Bennie, der ihnen gefolgt war, drehte sich um und ging hinaus. »Was meinte er damit, Craig?« fragte Rita. »Das möchte ich auch wissen. – Bennie, komm zurück und erkläre das.« – Bennie drehte sich um. Sein Gesicht war finster vor Zorn und Schmerz. »Du und dein verdammter Rodeo-Unsinn!« Bennies Augen zuckten kurz zu Rita. »Ich habe euch aufwachsen sehen. Ich 11 �
kenne euch besser als ihr euch selbst. Als Kinder habt ihr es nicht so schlecht gemacht wie jetzt.« Er blickte von einem zum anderen. »Weiß Gott, die Diamond bedeutet mir viel, aber ihr beiden noch mehr. Deshalb ist es schwer für mich zu ertragen, wie ihr Dinge auseinanderreißt, die nun einmal zueinander gehören.« Craig blickte zu Boden. Er wagte weder auf Bennie noch auf Rita zu blicken. »Was hat das mit Zack zu tun«, sagte er. »Er hatte keine Feinde.« »Jeder hat Feinde. Du hast dir eben einen gemacht.« »Das hängt nicht mit Wade Morte zusammen. Zack war schon tot, bevor das war.« Wer will das sagen? Bleibe auf der Diamond, dann wirst du es herausfinden.« Craig wußte, was Bennie ihm damit erklären wollte: Er schuldete es Zack, daß er auf der Ranch blieb. Rita blickte ihn fragend an, »Er meint, daß ich Zack versprochen habe zu bleiben«, wandte Craig sich an sie, »bis du und Oran Sand geheiratet habt. Ich habe mich heute anders entschlossen, da ich nicht möchte, daß die Diamond in meinen Verdruß verwickelt wird. – Hast du den Tag der Hochzeit schon festgesetzt?« »Nein, Craig, noch nicht.« »Well«, sagte er mit einem Seufzer; »ich wollte, du tätest es, und die; Sache wäre bald im reinen.« Sie: erwiderte darauf nichts Ihre Augen Verrieten nicht, was sie fühlte oder dachte. . »Bennie, schicke einen von den Jungs zu Oran. Er kann bis Tagesanbruch hier sein«, befahl Craig. Bennie ging hinaus. »Ist es dir recht, Rita, wenn die Beerdigung übermorgen statt12 �
findet? Ich werde den Prediger in Hellgate und Zacks Freunde verständigen lassen«, meinte Craig. Sie nickte. »Ich nehme an, für .heute nacht gibt es nichts mehr zu tun«, sagte sie. »Die Fährte des Mörders aufzunehmen wird morgen meine erste Arbeit sein«, versprach Craig. Sie erwiderte nichts, wandte sich ab und ging langsam die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Craig sah ihr nach, die Finger über der Hutkrempe verkrampft. Er fühlte körperlich die Einsamkeit, die ihn umgab. Dann trat er in das Totenzimmer zurück und blickte auf Zacks ernstes Gesicht. »Verurteile mich nicht zu hart, Zack«, murmelte er. Er drehte den Hut in seinen kräftigen Händen, und plötzlich hatte er den Eindruck, als lächle der Tote ihm zu. Ein wenig. getröstet ging er hinaus und stieg zu seinem Zimmer hinauf. * Im Licht der Dämmerung wurde Craig geweckt. Er sah Bennie Fay vor seinem Bett stehen. Noch jemand stand an der Tür, schattenhaft im Zwielicht. Craig brauchte einen Augenblick, um den Cowboy Horny zu erkennen. »Die Rinder am Elk Creek sind abgetrieben worden«, berichtete Bennie. »Horny kam von der Wasserscheide herunter und traf auf ein Dutzend Kerle, die sie den Creek hinauftrieben. Es war dunkel, deshalb konnte er die Männer nicht erkennen. Als er sie anrief, eröffneten sie das Feuer. Er flüchtete in den Wald und kam her.« Craig schwang sich aus dem Bett und kleidete sich an. Er war 13 �
noch steif von dem Kampf mit McCork. »Bring die Jungs in den Sattel«, befahl er. Nun werde ich keine Zeit haben, nach der Fährte des Mörders zu suchen, dachte er. Doch er hatte das Gefühl, daß die beiden Ereignisse zusammenhingen. Auch die Fährte der Viehdiebe würde ihn näher an den Kern der Sache bringen. Wade Morte? – Nein, das hier war ein anderes Spiel. Aber Morte mochte im Komplott sein, um an ihn heranzukommen. In der Küche wartete Bennie auf ihn. Old Ching, der Chinesenkoch, murmelte »morning« und stellte eine Tasse dampfenden Kaffee vor Craig. Bennie setzte sich neben Craig auf die, Bank. »Oran war nicht zu Hause. Tennessee ließ an der Tür eine Nachricht zurück.« Craig nickte und schlürfte den heißen Kaffee. Rita kam zur Tür herein. Ihr Gesicht hob sich bleich von ihrem schwarzen Haar ab, und ihre Augen waren rot vom Weinen. »Könnte ich dich sprechen, bevor du aufbrichst, Craig?« fragte sie. Er folgte ihr ins Wohnzimmer. Sie drehte sich um und erkundigte sich geradeheraus: »Warum mußt du die Diamond verlassen, wenn ich Oran heirate?« Er spürte den schwachen Duft ihres Haares. Diese Frage mußte einmal kommen. Er konnte« sie nicht wahrheitsgemäß beantworten, aber er war auf sie vorbereitet. »Man wird mich dann nicht mehr brauchen«, erwiderte er. »Du und Oran, ihr werdet eure eigenen Ideen über das haben, was auf der Diamond geschehen soll, und mir könnten diese Änderungen vielleicht nicht gefallen.« Er sah in ihren Augen, daß sie verletzt war, und fügte hastig hinzu: »So ist es das beste für uns alle.« 14 �
»Nein!« widersprach sie. »Nein. Seit Zack krank ist, hast du die Diamond allein geleitet, und Zack hätte es nicht besser machen können. Außerdem bin ich. der Meinung, daß die Hälfte der Diamond dir gehört.« Er hob die Hand. »Ich habe das immer wieder mit Zack besprochen. Er war deiner Meinung, aber ich kann gm nicht teilen.« Er zuckte die Schultern. »ich bin es nun so gewohnt, selbständig zu arbeiten, daß ich mich Oran nicht unterordnen könnte. Je eher du also Oran heiratest, desto besser wird es für uns alle sein.« »Craig«, sagte sie scharf, »mir gefällt nicht, daß du mich so drängst zu heiraten.« Weicher und mit einem kleinen Lächeln fügte sie hinzu: »Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich mich auf dich verlasse. Freilich, wir sind nicht mehr die Kinder von damals. Aber«, sie legte ihm die Hand auf die Schulter, »du bist immer noch mein Bruder, und so wird es bleiben.« »Sicher.« Er nickte. »Aber du weißt schon, daß eine Frau, die heiratet, sich in erster Linie auf ihren Mann verlassen wird.« Sie trat zurück. »Ja, ich glaube, du hast recht, Craig.« Sie wandte sich um und verließ das Zimmer. Er blickte ihr nach und wußte, daß sie tief verletzt war. Aber das war nun einmal der Preis, den sie zahlen mußte. Er konnte ihr das nicht abnehmen. Dann dachte er an Oran Sand. Wo war Sand die ganze Zeit gewesen? Vielleicht war das völlig unwichtig, vielleicht auch nicht. Mißtrauen gegen Oran Sand zu haben, war etwas Neues für ihn, und es gefiel ihm nicht. Er nahm ein Gewehr aus dem Ständer und eine Schachtel Patronen aus der Kiste. Als er hinauskam, warteten Bennie und fünf Cowboys am Corral. Sie schwangen sich in den Sattel, die Gesichter grimmig im Licht der aufgehenden Sonne. Craig schob das Gewehr in den Scabbard am Sattel des Rehbraunen, den man für ihn gesattelt hatte. Dann blickte er auf die 15 �
Männer. »Ich weiß nicht, womit wir es zu tun haben werden«, sägte er. »Vielleicht wird es zu einer Schießerei kommen. Es steht euch allen frei, mitzukommen oder hierzubleiben.« Sie zogen die Pferde herum ohne darauf zu antworten und ritten aus dem Ranchhof. Craig, an der Spitze, führte sie den Klippentrail zum Fluß hinunter. Die Pferde waren übermütig in der kalten Morgenluft, ihre Reiter von Tatendurst erfüllt. Aber Craig wußte, daß dies nicht anhalten würde. Die Verfolgung von Rinderdieben war immer eine Arbeit voll von Mühsal und unangenehmen Überraschungen. Hier unten war das Land flach. Bald kamen sie an einer Pferdeherde vorbei, fast nur Braune, die alle irgendwie gut zusammenzupassen schienen. Es waren die Rodeopferde, die Craig gekauft hatte. Große, grobknochige Tiere, Teufelspferde, die jedem Rodeo-Reiter rauheste Minuten abverlangen würden. Sie sahen friedlich aus, wie sie hier weideten. Aber sie waren wie dieses Land, in dem man immer nur einen Schritt von Gewalttat entfernt war. Sie bogen zum Elk Creek-Trail ab, der sich in weiten Windungen zur Wasserscheide emporschlängelte. Doch beiderseits waren lange, schmale Wiesen, von denen die hundert Jährlinge abgetrieben worden waren. Die Rinderspuren auf dem Trau zeigten an, daß die Rustler die Rinder scharf getrieben und einen Vorsprung von sechs bis sieben Stunden hätten. Craig brachte das Pferd in Trab. Es würde eine lange Jagd werden – und Old Zack wartete auf der Diamond auf sein Begräbnis/Sicher hatten die Rastler dies bei ihrem Zeitplan in Rechnung gestellt. Rita Hartley stand an ihrem Fenster und sah die Reiter aus dem Hof galoppieren und über den Rand der Steilwand verschwin16 �
den. Fast immer ruhten dabei ihre Augen auf Craig Bishop, dessen breiter Rücken in der Bewegung des Galopps auf und nieder schwang. Eine Falte stand zwischen Ritas Brauen. Das erste Mal verglich sie Craig Bishop mit Oran Sand, dem Mann, den sie heiraten würde. Jeder war in seiner Weise eindrucksvoll. Oran war groß, blond, sieghaft, mit einem besitzergreifenden Lächeln und Lachen. Craig dunkel, schweigsam, die Augen ein rauchiges Grau, mit einem Lächeln, das fast immer nur schmal und verhalten war. Immer noch klangen Craigs Worte in ihr nach: »Du weißt, daß eine Frau sich in erster Linie auf, ihren Mann verlassen wird.« Es war seine Weise gewesen, ihr mitzuteilen, daß sie und die Diamond nun auf sich allein gestellt waren. Er würde weggehen, ohne zu offenbaren, was ihn vertrieb, und er würde nicht zurückkommen. Das wußte sie. Sie merkte, daß sie schauderte und fühlte sich plötzlich verloren. Aber schnell spannte sie ihre Schultern straffer. Sie würde den Hochzeitstag festsetzen; Craig, der ihr wie ein Bruder war, wollte es ja so. * Morte trank sein Glas aus, verließ den Saloon, schwang sich auf sein Pferd und schlug den Trail zu der Minenstadt Pevil's Pocket ein, die auf der anderen Seite der Wasserscheide lag. Doch nicht Devil's Pocket war sein Ziel. Es war nahe Mitternacht, als er von dem Trail abbog. Nach einiger Zeit erreichte er eine Berg wiese, die im Sternenlicht grau vor ihm lag. Auf ihr befand sich eine Hütte, aus deren Fenster trübes Licht drang. Wade Morte hielt dreißig Meter vor der Hütte und rief: »Jenner!« 17 �
Sofort erlosch das Licht, und die Hütte wurde dunkel. »Ich, Wade Morte, bin es«, rief er nochmals. Eine dünne Stimme rief von der Tür her: »Komm herein!« Dann flackerte ein Zündholz auf, und die Lampe begann wieder zu brennen. In der Hütte saß Morgan Jenner im Schatten einer Ecke, ein Klotz von einem Mann, mit einer Mähne drahtigen, roten Haares, das mit Grau gemischt war. Sein Oberkörper war so kräftig, daß seine Beine dagegen spindeldürr wirkten. Morte schmeichelte sich mit der Überzeugung, daß er die Schwächen dieses Mannes ebenso kannte wie seine Stärken. Die kleinen grünen, rotgeränderten Augen zeigten nackte Gier. Morte sagte sich, daß man deshalb diesen Mann leicht falsch beurteilen konnte. Denn größer noch als Jenners Gier war, seine Geduld. Daß er fünfzehn Jahre auf seine Rache hatte warten können, bewies diese Geduld. Vor fünfzehn Jahren hatte Jenner auf der Diamond gearbeitet, und er war der Mann, der Craigs Vater erschossen hatte. Seine Tätigkeit damals auf der Diamond war außerordentlich einträglich gewesen. Er hatte nämlich mit den Rustlern in den Bergen zusammengearbeitet und ihnen die Rinder der Diamond in die Hände gespielt. Craig Bishop, damals ein elf Jahre alter Junge, hatte den ersten Verdacht gegen ihn gefaßt. Craig hatte seinem Vater, einem kleinen Rancher, von seinen Wahrnehmungen erzählt, und die beiden hatten Jenner eine Falle gestellt. Doch Jenner hatte flüchten können. Dabei hatte er Craigs Vater erschossen und den Jungen mit dem Revolverlauf so übel geschlagen, daß er ihn irrtümlich für tot liegen ließ. Er selbst war, mit einer Kugel im Knie billig weggekommen. Fünfzehn Jahre war er der Sunset-Weide ferngeblieben, hatte eine gefürchtete Bande aufgebaut und Rachepläne geschmiedet. »Well?« fragte Jenner, als Morte die Hütte betreten hatte. 18 �
Morte ließ sich müde auf einen Stuhl sinken. Er faßte nach der Flasche auf dem Tisch und goß sich einen Drink ein. »Bishop ist ein harter Bursche«; sagte er daran, »aber er hat zuviel Glück. Diese Art Glück bleibt keinem Mann für immer treu.« »So«, erwiderte Jenner und verzog seine dicken Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Du hast ihn also davonkommen lassen, und nun möchtest du, daß ich die Arbeit übernehme. Well, ich hätte es auf jeden Fall getan, aber es wird dich etwas kosten.« »Ich werde zahlen«, stimmte Morte zu. »Wenn du mich nicht ausnehmen willst Aber Bishop ist nicht mehr der Junge, den du vor fünfzehn Jahren beinahe erschlagen hast.« »Die Zeiten ändern sich«, gab Jenner zu. »Und mit ihnen die Menschen. Aber man kommt ihnen trotzdem bei, wenn man es richtig anstellt.« »Zack Hartley ist deshalb auch für Immer von der Bildfläche verschwunden.« Er runzelte die Stirn und fügte mit einem gewissen Bedauern hinzu: »Es war nicht ganz so, wie ich es mir gewünscht habe.« Er zuckte die Schultern. »Man muß eben die Gelegenheiten ergreifen, wie sie sich bieten.« »Natürlich«, stimmte Morte zu. »Aber . was nun?« Morte war ungeduldig, denn er hatte nicht soviel Zeit wie Jenner. Wenn Bishop die Rodeo-Sehau in Devil's Pocket durchführen konnte, würde er weitere Kontrakte erhalten und zu einer ernsten Konkurrenz werden. Schlauheit zwinkerte in Jenners Augen. »Bishops RodeoPferde, wären die nicht wichtig für dich? Was sind sie dir wert?« Morte überlegte. Ohne Pferde konnte Bishop kein Rodeo durchführen. Das wäre ein guter Anfang. Aber er wollte sich von Jenner nicht ausnehmen lassen. »Fünfzig Dollar pro Kopf. Dreißig sind es, das macht fünfzehn19 �
hundert Dollar – weit mehr, als sie wert sind.« Jenner lächelte listig. »Aber dir kommen sie teurer. Einer oder auch zwei von meinen Männern könnten dabei dran glauben müssen.« Morte gab das Lächeln zurück. »Männer kommen dir billiger als Pferde.« Jenner soll ruhig wissen, dachte er, daß er mir nichts vormachen kann, »Achtzehnhundert«, gab Jenner zurück. »Die Hälfte jetzt, die andere bei Lieferung.« Morte schenkte sich einen weiteren Drink ein und tat so, als müsse er nachdenken. »Klingt soweit ganz gut«, sagte er. »Aber welche Gantie habe ich? Treibt also die Pferde nach Rendez, und ich zahle den vollen Betrag.« »Die Hälfte jetzt«, beharrte Jenner. »Dir könnte es schon genügen, daß die Pferde überhaupt gestohlen werden. Vielleicht willst du sie dann gar nicht haben.« Morte erkannte, daß er Jenners Mißtrauen nicht beschwichtigen konnte. Er nahm ohne weiteren Einwand das Scheckheft aus der Tasche und schrieb einen Scheck aus. »Zahlbar bei der Bank in Hellgate.« Er übergab den Scheck. Jenner überlas ihn mit gerunzelten Brauen und steckte ihn ein. Er stemmte sich hoch und hinkte zur Tür. »Illes!« rief er mit schriller, hoher Stimme. Kurz darauf zog ein kleiner, finster blickender Mann die Tür auf. Er blinzelte gegen das Licht, griff hinter sich, und .die Tür Schloß sich mit einem Knall, der Morte zusammenzucken ließ. Jetzt erst bemerkte Morte den Haken, der bei Illes Ansel die linke Hand ersetzen mußte und mit dem er die Tür ins Schloß geworfen hatte. Offenbar war es bezeichnend für die Wachsamkeit des kleinen Revolvermannes, daß er seine Rechte freigehalten hatte. 20 �
»Illes, das ist Wade Morte«, stellte Jenner vor. Dann fuhr er in knappem, befehlendem Ton fort: »Ich habe zwei Jobs für dich. Die Jungs sollen Bishops Rodeo-Pferde wegtreiben. Aber erst, wenn die Diamond-Mannschaft auf der Verfolgung der Rinderherde vorbeigekommen ist. Treibt die Pferde nach Rendez, aber auf dem Summit-Trail, damit es kein Durcheinander mit den Rindern gibt.« »Und was ist mit Bishop und der Diamond-Mannschaft?« »Schätze, ihr werdet etwas dabeihaben, womit ihr schießen könnt, ja?« Illes Ansel nickte und ging hinaus. Der Stahlhaken betätigte sich wieder und Schloß die Tür mit einem Knall. Ein gefährlicher Mann, obwohl er nur eine Hand hat, dachte Morte. »All right«, sagte Jenner und stemmte sich wieder hoch. »In drei Tagen in Rendez. Sieh zu, daß du die zweite Hälfte in bar zahlst.« Er hinkte zur Tür und öffnete sie. »Ich werde da sein«, versprach Morte. Er ging hinaus zu seinem Pferd. Als er sich in den Sattel schwang, hörte er Jenners schrille Stimme: , »Illes! Schick' jemand zu Oran Sand! Ich will ihn morgen in Devil's Pocket sprechen.« * Das Bewußtsein schwerer Schuld ritt mit Oran Sand, als er seine Augen gegen das grelle Licht des Sonnenuntergangs zukniff und dabei bemüht war, ein noch flammenderes Bild von seinem inneren Auge zu verscheuchen: Die Vorstellung von Old Zack, den man ermordet hatte… »Ich habe nichts damit zu tun«, murmelte er immer wieder ver21 �
zweifelt. »Ich wollte sie sogar aufhalten!« Aber es war hur ein schwacher Trost. Er konnte sein Gewissen nicht einschläfern und seine Furcht nicht loswerden. Er war auf dem Weg zu Diamond gewesen, und nun ritt er in entgegengesetzter Richtung. Es war eine Flucht vor Rita und vor der Diamond geworden. Denn er hatte Jenner auf dem Weg getroffen, und Jenner hatte ihm mitgeteilt, daß Zack Hartley tot war. »Ich habe dir doch gesagt, ich bin fertig mit dir, wenn du das tust!« hatte Qran geschrien. und ihn mit einer Flut von Beschimpfungen überhäuft. Jenner hatte nur kalt gelacht, und der Ausdruck in seinen Augen war nicht weniger eine grimmige Drohung, gewesen als – seine Worte: »Vielleicht glaubst du, mit uns fertig zu sein. Aber wir, sind es nicht mit; dir, Sand! Denke daran!« Auch daran dachte Oran Sand jetzt. Sie waren seine Freunde gewesen: Old Zack, Craig und Bennie. Jetzt waren sie seine Feinde. Nur wußten sie es noch nicht, und Old Zack war tot. Das Entsetzen ritt mit Oran als Sattelgefährte. Bis zu diesem Tag hatte er wenig Zweifel gehabt, daß er sich von Jenner endgültig lösen konnte, daß ein glückliches und ehrliches Leben vor ihm liegen würde, sobald Jenner genügend Rinder von der Sunset-Weide gestohlen hatte und mit seiner Bande verschwinden würde. Nun wußte er es besser und fürchtete, daß es für ihn keinen Ausweg mehr gab. Soviel Glück er auch in seinem Leben gehabt hatte, das war 'nun alles vorbei! Er begann den Tag zu verfluchen, an dem er Jenner kennengelernt hatte… Er dachte zurück an die prächtige Kameradschaft, die Craig, ihn und Rita in ihrer Kinderzeit verbunden hatte. Später war Oran außer Landes gegangen. Er wollte Abenteuer erleben, die 22 �
Ferne kennenlernen, während Craig auf der Diamond zurückgeblieben war. Irgendwie fühlte er unbestimmt, daß dies schicksalhaft gewesen war und sehr viel dazu beigetragen hatte, daß er und nicht Craig Rita errungen hatte. Und in der Tat war es auch so gewesen. Während Craig zum bedeutendsten Mann im Sunset-Land geworden und sich zum eigentlichen Boß der Diamond emporgearbeitet hatte, war er, in Ritas Augen immer nur der Bruder geblieben. Und dann war Oran Sand zurückgekehrt, blond, sieghaft und mit seinem gewinnenden Lachen, vom romantischen Schimmer der Fremde umgeben; und das Herz der zur Frau gereiften Rita war ihm entgegengeflogen. Aber nun hatte die Vergangenheit Oran Sand eingeholt und war im Begriff, ihn zu vernichten. Er war in Idaho auf Jenner getroffen, und in seiner leichtsinnigen Abenteuerlust hatte Oran sich seiner Bande eingeschlossen. Nie hatte er geglaubt, daß ihm dies im seiner Heimat, im SunsetLand, schaden könnte. Die Welt ist so klein, sagt man. Aber so klein war sie doch nicht, daß Jenner es je wagen würde, sich im Sunset-Land sehen zu lassen, wo der Strick auf ihn wartete. Doch Jenner war gekommen, bald nachdem Oran sich mit Rita verlobt hatte. Und er hatte Oran nur zu deutlich begreiflich gemacht, daß sein Glück bei Rita und seine Aussicht auf die Diamond-Ranch davon abhing, daß er, seine Befehle befolgte. Wenn nicht, würde man auf der Diamond erfahren, daß er zwei Jahre lang einer der berüchtigtsten Banden angehört hatte und ein Komplice des Mannes geworden war, der die Diamond einmal schmählich verraten hatte * Noch stundenlang ritt Oran Sand in die Nacht hinein, ein Spielball von Gewissensbissen, Furcht und Hoffnung. 23 �
Irgendwann sah er Licht vor sich. Er orientierte sich und erkannte, wo er war. Bei der Hütte der Templetons, die sie in der Nähe ihrer wenig ertragreichen Goldmine gebaut hatten. Oran Sand war gewohnt, alle Annehmlichkeiten mitzunehmen, die er am Wege fand. Und dieser Gewohnheit wollte er auch heute nachgehen. Heute war er trostbedürftig. Heute war der Gedanke an das Mädchen Trace Templeton besonders einladend. Er ritt zum Waldrand zurück, band das Pferd an, schlich zum Fenster und spähte hinein. Nichts war zu sehen, nichts als der handgefertigte Tisch, die Stühle, ein Doppelbett in der Ecke und der eiserne Ofen. Ein schmutziger Vorhang aus einer Wagenplane trennte eine Ecke ab. Dort schlief Trace. Er ging zur Vordertür und betrat die Hütte. »Trace!« rief er leise, und nach einer Weile wieder. Der Vorhang teilte sich. Trace tauchte auf, gekleidet in eine schwere und ihr zu große Männerjacke, in die sie geschlüpft war. Darunter trug sie einen Leinenrock. Ihre Lippen teilten sich zu einem schnellen Lächeln. »Oran, du?« Auf Orans hübschem Gesicht zeigte sich das sieghafte Lachen. »Wo ist Mitch und dein Pa?« »Ich weiß nicht.« Oran grinste. »Komm, komm, Trace, wo werden sie schon sein? Sie holen sich ein Rind, nicht?« Sie zuckte die Schultern. »Wir müssen schließlich auch essen. – Bist du wegen der Rinder gekommen?« Oran lachte. »Aber nein, Trace!« Er trat auf sie zu. Er hörte nicht, wie sich die Hüttentür öffnete. Aber er wandte sich um, da sie ihn zur Seite schob. Der alte Templeton, so groß, daß er sich bücken mußte, stand an der Tür, ein Gewehr in den Händen. Er trug schmutzige 24 �
Köperhosen, deren Hosenträger längst ihre Elastizität verloren hatten. Die Krempe seines verschlissenen Hutes hing schlaff herunter, graue Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht. »Wolltest du mich sprechen oder meine Tochter?« fragte er spitz. Die Mündung des Gewehrs hob sich, bis sie auf Orans Magen gerichtet war. »Ich bin eben erst gekommen«, sagte Oran. »Ja? Dann bist du aber ein fixer Junge!« Templetons Hand schloß sich um den Kolbenhals mit einer Kraft, die seine Knöchel wie Marmorkugeln herausstehen ließ. »Das Rind, das du heute nacht geholt hast, könnte dich in Verdruß bringen«, bluffte Oran. »Bishop ist kein Narr.« Templeton blickte anklagend auf seine Tochter. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts gesagt. Er wußte es bereits. Ehrlich.« Oran erkannte seinen Vorteil und meinte nun: »Das nächste Mal, wenn du ein Rind brauchst, laß es mich wissen. Ich werde dir sagen, wann die Gelegenheit günstig ist. In Kürze werde ich die Diamond übernehmen und dann dafür sorgen, daß du zu deinem Fleisch kommst.« »So, du wirst bald der große Bulle im Land sein, ja?« Templeton spuckte verächtlich aus und spannte den Hahn. Oran wurde steif. »Verschwinde!« brüllte Templeton. »Wenn du die Diamond heiratest, dann halte dich von dieser Weide fern!« Das Gewehr krachte, und Oran fühlte den Einschlag der Kugel zwischen seinen Füßen. »Komm noch mal in Sichtweite von Trace, und du bist ein toter Mann! Raus jetzt!« schrie Templeton. »Wie ich mich fürchte«, spöttelte Oran, obwohl seine Knie weich wurden. 25 �
Templeton hebelte die nächste Patrone in die Kammer. Vor der Hütte erklangen Schritte. Der junge Mitch Templeton tauchte in der Tür auf, einen 45er in der Faust. Er war aus demselben Holz geschnitzt wie sein Vater, nur seine Augen blickten wilder. »Was ist los?« fragte er. »Geh zur Seite, Sohn«, schnarrte Templeton, »und laß diesen schleichenden Coyoten hinaus, bevor ich ihn umbringe!« Oran ging vorsichtig mit der Seite voran zur Tür, um die beiden vor sich zu halten. Als er die Tür gewonnen hatte, ging er nach rückwärts zu seinem Pferd, schwang sich in den Sattel und trieb das Pf erd hart an. Als er fünfzig Meter entfernt war, blickte er zurück. Templeton stand vor der Tür. Oran hielt an und gab einen hocbgezielten Schuß in Richtung der Tür ab. Templeton sprang zurück, und einen Augenblick später ging die Lampe aus. Oran grinste und fühlte sich nun ein wenig besser. * Craig Bishops düstere Gedanken führten zu keinem Ziel. Der Mord an dem alten Rancher, der Rinderdiebstahl – das ergab keinen Sinn, wenn Wade Morte, wie Bennie meinte, dahinterstecken sollte. Damit konnte Morte nicht verhindern, daß Craig Bishop ihm Rodeo-Konkurrenz machte. Aber was, was steckte dahinter? Diese Frage war wie eine unübersteigbare' Wand. Und was bedeutete das seltsame Benehmen Ritas? Es gefiel ihr nicht, daß er auf baldige Heirat drängte! Sie liebte doch Oran! Nach acht Meilen den Trail hinauf kamen sie zu Reynolds City. Es war eine alte Goldsucherstadt aus Bretterhütten und eine Geisterstadt gewesen, soweit Craig zurückdenken konnte. Ein großes, weißes Blatt Papier an der Vorderseite einer Hütte erregte seine Aufmerksamkeit. Er ritt über die Straße, um einen 26 �
Blick darauf zu werfen. Zu seiner Verwunderung las er: Craig Bishop – schau über den Creek! Craig schaute hinüber, aber zugleich! riß er sein Pferd zurück. Etwas traf sein Sattelhorn und riß eine Furche ins Leder. Unmittelbar darauf vernahm Craig das Krachen des Schusses. Die Kugel war vom Waldrand jenseits des Baches gekommen. Die Diamond-Männer spritzten auseinander und suchten Deckung. Alle mit Ausnahme des jungen Tennessee. Er sprengte schnurstracks auf den Fluß zu und verschwand im Wald auf der anderen Seite. Craig hatte sich aus dem Sattel geworfen und war in das Haus gelaufen, an dem das Blatt Papier steckte. Er horchte. Mit gezogenem Revolver. Nichts geschah, nichts rührte sich drüben im Wald. Craig fragte sich, ob der junge Tennessee ein Spion war, den man auf der Diamond eingeschmuggelt hatte. War er deshalb so irrsinnig waghalsig, weil er wußte, daß man nicht auf ihn schießen würde? Die Minuten vergingen. Ein weiterer Aufenthalt war reiner Zeitverlust, erkannte Craig. »All right!« rief er und kam aus dem Haus. Die Männer machten ihre Gewehre frei und hielten sie quer über dem Sattel bereit, als sie weiterritten. Der Wald rechts und links zog sich bis an die Straße heran und ließ diese wie einen Tunnel erscheinen. Das Echo eines Schusses weit hinter ihnen rollte heran, und die Männer sahen sich gegenseitig fragend an. Eine halbe Stunde später näherte sich hinter ihnen das Trommeln von Hufen, Die Diamond-Reiter lenkten ihre Pferde zwischen die Bäume. Es war Tennessee. Craig rief ihn an. Der Junge zügelte hart und zog sein Pferd herum. Ein Grinsen war auf seinem Gesicht. Er zog einen Hut unter der Jacke hervor. Um seine schmale Taille 27 �
war ein zweiter Revolvergurt geschnallt. »Er wird sich nicht mehr mit uns anlegen«, prahlte Tennessee und ließ den Hut auf den Weg fallen. Eine Weile später ging es steil zur Wasserscheide hinauf. Oben konnten sie die dunklen Bergwälder unter sich liegen sehen. Craig wußte, daß es weniger darum ging, der Rinder wieder habhaft zu werden. Weit wichtiger war, zu erfahren, wer hinter den Angriffen auf die Diamond steckte. Die Treiber der Herde mußten es wissen. Aber sie würden vielleicht nicht sprechen. Deshalb hielt Craig an der Gabel an, wo ein Weg zur Minenstadt Devil's Pocket hinunterführte. »Ich habe die Ahnung, daß Jimmy Liberty mir etwas erzählen kann. – wenn er will. Ich werde deshalb hinunterreiten«, kündigte er an. Jimmy Liberty war der Mann, der es gewagt hatte, mit Craig den Vertrag über die Rodeoschau in Devil's Pocket abzuschließen, von der für Craig soviel abhing. Er war der Besitzer der Braunbär-Bar in der Minenstadt. Craig nickte. »Reitet auf der Fährte weiter. In zwei Stunden werde, ich euch eingeholt haben. Wenn ihr auf stärkeren Widerstand stoßt, wartet auf mich.« Er lenkte sein Pferd den Hang hinunter, wandte sich um und rief zurück: »Laßt euch nur nicht in eine Falle locken!« Jimmy Libertys Braunbär-Bar, ein großer, stallartiger Bretterbau, beherrschte die Stadtmitte. Ein Schild mit riesigen Goldbuchstaben ließ keinen Zweifel darüber, wo sich die BraunbärBar befand. Aber damit war Jimmy nicht zufrieden gewesen. An einem Stahlmast vor dem Lokal war ein Braunbär angekettet. Jimmy hatte sich früher als Besitzer einer Tierschau sein Brot verdient und hatte sich ein Herz für Tiere bewahrt. Deshalb hatte es der Bär gut bei ihm, und kein Bär war länger als vom Frühjahr bis zum Herbst gefangen. Kurz vor der Zeit des Win28 �
terschlafes ließ er immer das gefangene Tier frei. Dies gestaltete er zu einer Feierlichkeit, bei der es freie Drinks gab. Jedes Frühjahr setzte er zweihundertfünfzig Dollar für einen neuen Bären aus, und eine fröhliche und unblutige Jagd begann. Der, Einzug des neuen Bären gab wieder Grund zu einem Fest. Für dieses Jahr hatte Jimmy sich noch etwas einfallen lassen: Craigs Rodeo. Die Schau würde auf der Mainstreet abgehalten werden, vor der Braunbär-Bar, was ihm einen guten Umsatz verschaffen sollte. Jimmy Liberty stand vor der Tür der Bar, ein rundlicher, kleiner Mann mit einer geblümten Weste. Ein brauner Derby-Hut saß verwegen auf seinem blonden Haar. An seiner Weste baumelte eine großgliedrige Goldkette, an der die Nachbildung eines Bären aus Gold hing. Aus träumerisch wirkenden blauen Augen betrachtete er Craig, während er an einer langen, schmalen Zigarre zog. »Wie geht's, wie steht's in Sunset, Sohn?« fragte er wohlwollend grinsend, wurde dann aber ernst. »Tut mir leid, daß es in Cooper City für dich nicht geklappt hat.« Craig lächelte. »Dich erreichen Nachrichten wie immer schneller als jeden anderen. Well, ich habe in Cooper City nicht so gute Freunde wie hier.« »Thanks, Sohn. Und warum bist du diesmal zu mir gekommen?« »Wir haben heute, nacht hundert Rinder verloren.« Jimmy nahm einen kräftigen Zug aus der Zigarre. »Ist das alles?« »Nein«, knurrte Craig. »Jemand erschoß Zack. Deshalb bin ich hier. Kannst du mir einen Tip geben, Jimmy?« Jimmy betrachtete die Asche der Zigarre und streifte sie dann ab. »Du verlangst viel, Craig. Ich muß doch schließlich hier leben. 29 �
Aber weil du es bist, Sohn. Hier ist der Tip.« Damit deutete er mit der Zigarre auf zwei Pferde, die ein Stück die Straße hinunter vor dem Lucky-Strike-Saloon standen. Craig kniff die Augen zusammen, erkannte Oran Sands Pferd und fühlte einen Stich. Was tat Oran Sand hier, statt in diesen schweren,' Stunden bei Rita zu sein? Craig drehte sich auf dem Absatz um und ging die Straße hinunter. Oran Sand saß an einem Tisch in einer dunklen Ecke bei einem Mann. Eine Flasche Whisky stand zwischen ihnen. Bei Craigs Eintritt blickten sie auf. Craig entging nichts der Ausdruck auf Orans Gesicht, und wieder gab es ihm einen Stich. Der andere war ein Mann mit tonnenförmiger Brust und ergrauendem roten Haar. Seine Hände glitten vom Tisch in die Nähe des Halfters. Seine ganze Haltung war lauernd geworden. Craig betrachtete ihn aus engen Augen. »Kann ich dich einen Augenblick sprechen, Oran?« fragte er und wandte sich zur Bar. Ein Stuhl scharrte hinter Craig, und Schritte kamen näher. Oran trat neben Craig an die Bar. »Einen Drink?« fragte Craig, und Oran nickte. Craig musterte Oran befremdet. Orans Hut war zurückgeschoben und ließ die reiche Lockenpracht seine»blonden Haares sehen. Aber sein hübsches Gesicht wirkte hager, die blauen Augen waren blutunterlaufen. »Was ist denn los?« fragte Oran mürrisch. »Eine ganze Menge«, erwiderte Craig rauh. »Du solltest auf der Diamond bei' Rita sein. Weißt du denn nicht Bescheid?« »Worüber?« Es klang beinahe, als wüßte Oran es schon, und er blickte an Craig vorbei. »Zack wurde gestern von einem unbekannten Täter erschos30 �
sen. Und gegen Morgen wurden hundert Jährlinge abgetrieben.« Oran blickte ihn verstört an. »Mein. Gott!« sagte er und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Was kann ich tun?« »Dich schleunigst zu Rita, begeben«, erwiderte Craig zornig und warf einen' Dollar auf den Bartisch. Craig wollte sich abwenden, drehte sich aber noch einmal zurück. »Wer ist dein Freund dort drüben?« fragte er. Ein zorniges Glitzern trat in Orans Augen, als er erwiderte: »Soll das ein Verhör sein?« »Du bist aber heute empfindlich«, gab Craig zurück. »Doch damit du es weißt: Ich hätte fast Lust dazu. Es schien keine große Überraschung für dich zu sein, was ich dir zu sagen hatte.« Damit wandte er sich endgültig ab. »Augenblick!« rief ihm Oran nach. »Ich reite mit!« Jimmy Liberty stand noch an der Tür, als Craig sein Pferd holte. Er blickte Craig forschend an, wollte etwas sagen, schien es sich aber anders zu überlegen, als er Oran heranreiten sah. . Craig nickte Jimmy zu und ritt mit Oran weg. Plötzlich blickte Craig noch kurz zurück. Der Mann, der mit Oran am Tisch gesessen hatte, stand auf der Veranda des Lucky-Strike und sah ihnen nach. Craig hatte das Gefühl, als würde er diesen Mann kennen. An der Weggabel sagte Craig: »Ich biege hier ab. Bestelle Rita, daß ich gegen Morgen zurück sein dürfte.« Oran zögerte. »Meinst du nicht, daß ich mit euch reiten sollte?« »Das meine ich nicht«, erwiderte Craig. »Ich glaube, daß dein Platz jetzt an Ritas Seite jst.« Oran nickte düster. »Yeah, du wirst wohl recht haben.« Er zog sein Pferd herum und setzte es in Galopp. Craig sah ihm nach. Hatte Oran bereits von Zacks Tod gewußte und war trotzdem nach Devil's Pocket geritten? Und 31 �
was wollte er überhaupt in der Minenstadt? Kopfschüttelnd ritt Craig weiter und fand keine Antworten auf diese Fragen. * Ein dünner Staubschleier lag über dem Trail, ein sicheres Zeichen, daß die Rustler nur einige Meilen vor ihnen waren. Wieder blickte Bennie zurück. Craig sollte sie eigentlich schon lange eingeholt haben. Wo blieb er nur? Bald mußte es zum Kampf mit den Rustlern kommen, und Craigs Platz wäre jetzt an der Spitze der Mannschaft gewesen. Sie kamen zu einem breiten Fluß, und Bennie, ermüdet und mit hängenden, mageren Schultern, lenkte sein Pferd hinein. Sofort spürte er den Zug der Strömung, und sein Pferd begann zu schwimme«. Er blickte zurück. Die anderen folgten ihm und ritten, unregelmäßig ausgeschwärmt, in den Fluß. Ein Schuß krachte. Die Kugel ließ das Wasser vor dem Kopf von Bennies Pferd hochspritzen. Das Tier schnaubte und wollte umdrehen. Bennie lenkte es mit eiserner Hand auf das andere Ufer zu. Er feuerte zwei schnelle Schüsse aus dem 45er in Richtung auf die großen Felsen am anderen Ufer. Dann glitt er nach rechts von dem Pferderücken, klammerte sich mit der Linken am Sattelhorn fest und hielt mit der Rechten den Colt über dem Wasser. Auf diese Weise bot er ein viel kleineres Ziel als im Sattel. Wieder krachte das Gewehr. Als das Heulen der Kugel erstarb, begann ein Mann zu schimpfen. Diesmal erkannte Bennie die dünne Rauchwolke des Mündungsfeuers. Das Ziel war zu weit entfernt für einen Colt, doch Bennie leerte ihn in Richtung auf die Felsen. Es war das einzige, was er als Abwehr tun konnte. 32 �
Die Hufe des Pferdes faßten Grund. Dann kam es triefend aus dem Wasser auf den felsigen Strand. Bennie lud hastig nach, schwang sich in den Sattel und galoppierte auf die Felsen zu. Als er sie umrundete, erhaschte er einen Blick auf einen Reiter, der, tief über das Pferd gebückt, den Ufertrail hinuntersprengte. Bennie schickte blindlings einige Schüsse hinter ihm her. Dann verschwand der Mann hinter einer Biegung. Die anderen Diamond-Reiter preschten heran. »Wer ist getroffen?« fragte Bennie. »Tennessee bekam sein Ohr besäumt«, berichtete ein Cowboy» »Das war nur ein Vorgeschmack«, sagte Bennie finster. Er hob die Zügel und setzte sein Pferd in schwingenden Galopp. »Wartet hier«, befahl Bennie und ritt weiter.«Sein Blick glitt pfeilschnell von einer Seite auf die andere. Hier roch es geradezu nach einem Hinterhalt. Aber nirgends war etwas zu entdecken. Schließlich trabte er zurück. »Gefällt mir gar nicht hier«, sagte Tennessee. Sein linkes Ohr war mit angetrocknetem Blut verklebt. Der Schuß hatte sein Draufgängertum stark gedämpft. »Möchtest du umkehren?« fragte Bennie. »Niemals!« »AU right, dann los! Schwärmt aus, während wir über die Wiese reiten!« Unbehagliche Sekunden vergingen. Bennies scharfe Augen durchforschten immer wieder den Waldrand. Dann krachten die Gewehre – in ihrem Rücken! Bennie sah einen seiner Männer aus dem Sattel stürzen. Er schlug sein Gewehr an und schoß auf ein kaum erkennbares Ziel. Ein Pferd schrie schrill und brach plötzlich ab. Sie waren in der Falle. Jetzt hieß es kämpfen oder sterben. * 33 �
Craig wußte eine Abkürzung durch einen seichten Canyon, die ihm einige Meilen ersparen würde. Er lenkte sein Pferd durch ein Kieferndickicht, dann erreichte er den Wildtrail, den er im Gedächtnis hatte. Dünne Staubschichten waren über dem Weg in der Sonne zu sehen. Jemand mußte vor kurzem durch den Canyon gekommen sein. Craig bemerkte einen Zigarettenstummel, der noch qualmte. An der nächsten scharfen Biegung des Canyons sah er sie vor sich. Ein Reiter war an der Spitze, ihm folgten an die dreißig sattellose Pferde. Zwei Männer hinter ihnen waren die Treiber. Es waren Craigs Rodeo-Pferde! Craig lenkte sein Pferd den Hang hinauf, zog das Gewehr aus dem Scabbard und setzte eine Kugel vor den Spitzenreiter. Der Mann riß sein Pferd herum. Die Rodeo-Pferde rasten an ihm vorbei den Canyon hinauf. Die Reiter flüchteten in die entgegengesetzte Richtung. Offenbar hatte das Echo sie getäuscht, sie glaubten den Schützen vorn. Craig gab weitere Schüsse auf sie ab, bis sie hinter einer Biegung außer Sicht waren. Er horchte auf die verklingenden Hufschläge. Dann galoppierte er an der Höhe entlang, bis er die Rodeo-Pferde unter sich überholt hatte. Er ritt hinunter, trieb – die Pferde zurück und brachte sie auf den Rückweg. Also ist es doch so, dachte er sich. Morte steckt hinter all den Anschlägen. Der Rinderdiebstahl war nur ein Trick gewesen, um ihn von der Ranch zu locken und die Rodeo-Pferde zu entführen. Keine Pferde – kein Rodeo. So einfach war das, und es wäre um Haaresbreite geglückt. Bennie und die Mannschaft würde auf die im Stich gelassenen Rinder stoßen und sie ohne einen Schuß Pulver auf die Weide zurückbringen. 34 �
Das war aber das einzig Erfreuliche an der Sache. Craig wurde hart wie Granit bei dem Gedanken an Morte. Er wollte ihn auf dem Umweg über die Diamond treffen. Craigs Rodeo-Idee war schuld an Olc Zacks Tod! Es war Mittag vorbei, als die Redeo-Pferde sich wieder auf ihrer Weide tummelten. Craig ritt zur Diamond weiter, sattelte müde ab und ging zum Haus. Old Ching hatte ihn kommen sehen. Das Essen wartete bereits auf ihn. Craig aß gierig. Dann fragte er: »Ist Miß Rita hier?« Ching nickte. Craig fand sie im Wohnzimmer. Sie war unnatürlich blaß. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet. Craig mußte den .Drang unterdrücken, sie in die Airoe zu nehmen und zu trösten. Deshalb war seine Stimme scharf, ohne daß er es beabsichtigte. »Wo ist Oran?« fragte er. »Ich habe ihn nicht gesehen«, erwiderte sie. Craig hatte erwartet, daß Oran sofort zu ihr reiten würde. Oran wurde für Craig immer unbegreiflicher. Er unterdrückte seinen Zorn und sagte tröstend: »Er muß bald kommen. Ich traf ihn, und er war auf dem Weg hierher. Er ist durch irgend etwas aufgehalten worden.« »Danke, Craig«, murmelte Rita. »Aber eigentlich bin ich über dich mehr bestürzt als über Oran. Ich«habe mich immer so sehr auf dich verlassen. Und nun ist Zack tot, und du gehst!« Sie sah den weichen Ausdruck in seinen Augen, und sie hatte das Gefühl, daß sie sich wieder ganz nahe waren wie einst als Kinder. »Aber«, fuhr sie fort, »natürlich kann ich nicht verlangen, daß du deine Pläne meinetwegen aufgibst. Sobald Oran kommt, werden wir den Hochzeitstag festsetzen.« Craig nickte. »Tu das, Rita.« Er lächelte krampfhaft »Oran wird 35 �
dich glücklich machen. Ich will es ihm jedenfalls geraten haben. Ich würde jeden Mann zur Rechenschaft ziehen, der dir wehtut. Sogar Oran!« »Oh, das klingt ja erschreckend! – Was wirst du jetzt tun?« fragte Rita. »Ich muß einen Mann sprechen.« »Hat es mit Zacks Tod zu tun?« »Ich fürchte, ja. Ich werde es herausgefunden haben, bevor ich zurückkomme«, gab er kurz zur Antwort Er ging zum Corral, um für die Jagd auf Wade Morte ein neues Pferd zu satteln. Er erstarrte beim Anblick des Pferdes, das mit einem schleifenden und einem zerrissenen Zügel über den Hof auf den Corral zukam. Es war Bennie Fays Pferd! Übelkeit stieg in Craig auf. Bennie und die Mannschaft waren in eine Falle geritten. Craig hatte die Lage völlig falsch beurteilt. Er lief zum Corral und sattelte einen zähen und feurigen Grulla. Als er sich hinaufschwang, sah er den alten Templeton mit seinem Sohn Mitch in den Hof reiten. Beide hatten Gewehre über dem Sattel, Sie saßen auf grobknochigen Pferden»deren Zaumzeug mit Rohleder geflickt war. Sie hielten an, ihre schwarzen Augen, blickten böse. »Was wollt ihr?« fragte Craig barsch. Templeton antwortete mit der Frage: »Hast du Oran Sand irgendwo gesehen?« Ihrem Aussehen nach handelte es sich um keinen Freundschaftsbesuch. »Er ist nicht hier. Habt ihr schon in seiner Hütte nachgesehen?« »Das haben wir«, erwiderte Templeton. »Wir sahen einen Zettel an seiner Tür, auf dem stand, daß er gleich zur Diamond kommen sollte. Deshalb sind wir hier«, erklärte Mitch. »Er ist aber nicht da. Wollt ihr nachsehen?« 36 �
Templeton rutschte unbehaglich im Sattel. »Dein Wort ist uns genug. – Aber sag deinem Freund, daß ich das nächste Mal nicht nur reden werde.« Er klopfte auf den Kolben des alten Gewehrs. »Verdammt sei die Haut eines Mannes, der aus dem Dunkel auf jemand schießt.« Das gab Craig einen Stoß. »Wann?« stieß er hervor. »Gestern nacht. Er hofierte meine Tochter Trace, während ich und Mitch außer Haus waren. Wir haben ihn laufenlassen. Und dann schoß er aus dem Dunkeln auf uns.« ' »Was? – Vielleicht Wollte er euch nur erschrecken.« »Kann sein«, gab Templeton mürrisch zu. »Aber die Kugel hat Trace an der Schulter gestreift. Ich lasse niemand in mein Haus schießen und dann entwischen.« »Trotzdem, er ist nicht hier«, wiederholte Craig. Templeton nickte und zog sein Pferd herum. Mitch drohte zornig: »Wir werden weiter suchen und ihn finden.« Craig blickte ihnen nach. Er. mußte an die Worte denken, die er eben zu Rita gesagt hatte: »Ich würde jeden zur Rechenschaft ziehen, der dir wehttut. Sogar Oran!« Er schauderte unwillkürlich. Der Grulla scharrt»ungeduldig. Craig hob die Zügel, und der Grulla setzte sich in donnernden Galopp. Es war drei Uhr, schätzte Craig. Würde er noch zur rechten Zeit kommen? * Als Wade Morte nach Devil's Pocket kam, sah er eben noch Craig und Oran wegreiten. Er bemerkte Morgan Jenner auf der Veranda des Lucky Strike, stieg vor dem Saloon ab und ging mit Jenner hinein. »Hat Bishop dich gesehen?« fragte Morte. 37 �
»Ja. Aber er hat mich nicht erkannt.« »Oran Sand ist sein Freund. Meinst du, daß er dichthält?« Jenner lachte hart. »Er steckt zu tief drinnen. Und er kennt Bishop. Er weiß, Bishop wird ihn umbringen, wenn er die Wahrheit erfährt. Nur keine Sorge wegen Sand.« . »Was wollte Bishop hier?« wollte Morte wissen. »Das frage ich mich auch.« Morte trank und setzte das Glas mit einem Knall ab.:«Verdammter Bursche!« grollte er. »Er sollte doch bei der Rinderherde sein und in den Hinterhalt rennen. Ein Mann mit einer solchen Glückssträhne ist schon höllisch schwer zuschlagen.« Jenner trank behaglich. »Das Leben ist wie ein Rad, es dreht sich ständig. Jetzt ist seine Nummer oben, bald ist sie unten«, meinte er. Doch das Rad ließ sich Zeit, stellte sich eine halbe«Stunde später heraus, als Illes' Ansel mit schleifenden Sporen in den Saloon kam. »Bishop hat uns erwischt und seine Pferde wieder zurückgetrieben«, berichtete Ansel gelassen. Jenner gab es einen Ruck. Mortes Gesicht verzog sich finster. »Was hast du vorhin von dem Rad gesagt?« spöttelte er, bereute es aber, als er Jenners kaltem Blick begegnete. »Ich weiß noch mehr über Räder«, sagte Jenner dünn. »Sie fahren tote Männer zu ihren Gräbern.« Morte hatte durchaus ein Ohr für die gefährliche Stimmung Jenners. Er zuckte die Schultern. »Es ist deine Schau. Ich bezahle nur den Stehgeiger.« »Dann halt' die Klappe!« Morte fand es an der Zeit, sich zurückzuziehen. Er konnte sich keinen Streit mit Jenner leisten, so sehr ihn der Fehlschlag mit den Pferden auch ärgerte. Innerlich kochend, ging er hinaus. 38 �
Jimmy Liberty stand wieder vor der Tür der Braunbär-Bar. Sein Anblick erinnerte Morte daran, daß er es war, der Craig ins Geschäft gebrach indem er ihm einen Vertrag für seine Show gegeben hatte. Wie ein zorniger Zwerghahn stolzierte er auf Jimmy zu. »Lange nicht gesehen, Wade«, sagte Jimmy beiläufig. »Spar dir dein müßiges Geschwätz«, knurrte Morte. »Man sagt, du veranstaltest ein Rodeo. Warum habe ich den Job nicht bekommen? Jimmy, klopfte die Asche von seiner Zigarre. »Vielleicht, weil du dich nicht darum bemüht hast.« »Das sind Ausreden. Du weißt, ich bin der einzige Mann hier im Geschäft.« »Warst«, verbesserte Jimmy ihn. »Außerdem leben wir in einem freien Land, Wade. Ich mache Geschäfte mit meinen Freunden, und du mit den deinen – wie zum Beispiel mit Jenner.« Er wandte sich um und ging die Straße hinauf. Als er' sein Pferd erreichte, blickte er auf und sah Jenner und Ansel auf der Veranda des Lucky Strike stehen. Er warf Jenner einen, zornigen Blick zu. »Unser Geschäft ist hinfällig«, erklärte er. »Ich verdiene mir jetzt das Geld selbst.« Aniseis Hand griff zum Kolben, und er sagte zu Jenner: »Hast du gehört?« »Natürlich.« Jenner blickte Morte finster lächelnd nach. »Und?« fragte Ansel ungeduldig. Jenner zuckte die Schultern. »Laß ihm doch seinen Spaß. Er wird wieder angekrochen kommen.« Plötzlich kniff er seine Augen zusammen. »Das heißt, – da ist noch etwas Eiliges, Illes.« Er zog den Scheck über neunhundert Dollar aus der Tasche, 39 �
den Morte ihm in der Nacht vorher gegeben hatte. »Kassiere das sofort ein, auf der Bank in Hellgate.« Ansel ging zu seinem Pferd und schwang sich hinauf, indem er den Stahlhaken um das Sattelhorn legte und sich so hinaufzog. An der Wegegabel studierte er die Spuren. Die Rinderspuren führten nach Westen. Er sah auch die Spuren der DiamondMannschaft und die von der abzweigende Fährte Bishops. Dies lenkte seine Gedanken auf die Falle, die er für Bishop am Elk Creek aufgebaut hatte. Er hatte Jeb Lerch auf der anderen Seite des Silk Creek gegenüber der Geisterstadt Reynolds City postiert, von Jeb aber nichts mehr gehört. Er entschloß sich festzustellen, was dort geschehen war. Nachmittags hatte er sein Ziel erreicht. Er las den Zettel an dem .Haus mit der Aufforderung an Bishop, über den Creek zu sehen, und fragte sieh, ob Bishop darauf hereingefallen war. An den Spuren bemerkte er, daß sein Pferd sich von der Verfolgergruppe abgesondert hatte und auf den Creek zugaloppiert war. Er folgte der Spur in den Wald am anderen Ufer. Der Reiter war dort abgestiegen und hatte sich zu Fuß weitergepirscht. Ansel folgte der Fährte, sie führte ihn zu Jeb Lerchs Leiche. Ansel starrte ohne besondere Gemütsbewegung auf Jeb Lerch herab. Der Bandit hatte das Ziel erreicht, das früher oder später auf jeden von ihnen wartete. »Schlimm, Jeb«, murmelte er, zog das Pferd herum und ritt zurück. Als er sich« dem Waldrand näherte, hörte er ein Pferd die Straße heraufkommen. Er zügelte und spähte durch die Zweige. Er riß die Augen überrascht auf, als er den Reiter erkannte. Es war Craig Bishop! *
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So sehr er es wünschte und das Schuldbewußtsein ihn plagte, Oran Sand konnte es nicht mehr länger hinausschieben, Rita gegenüberzutreten. Frisch rasiert, in einem weißen Hemd und frischgewaschenen Denimhosen ritt er in den Hof der Diamond, ein Mann, mit sich selbst zerfallen und mit der Furcht im Sattel. Wohin er auch blickte, er sah keine Rettung. Bald würde Craig Bishop die ganze Wahrheit wissen. Und wenn er – Oran – dann noch im Lande war… Kalte Furcht überkam ihn bei diesem Gedanken. Er stellte das Pferd ab und ging zum Haus, fühlte sich aber dabei wie ein Mann auf dem Weg zum Galgen. Rita saß im Wohnzimmer. Oran kniete sich neben sie und nahm ihre Hand. »Es tut mir so leid um Zack, Rita«, beteuerte er. »Warum geschah das, Oran?'« fragte sie leise. »Er hatte doch keine Feinde.« »Ich weiß auch keinen Grund«, log er. »Was meint Craig?« »Craig ist so verschlossen«, sagte Rita tonlos. »Er verbirgt seine Empfindungen. Aber ich weiß, daß er nicht rasten wird, bis er den Mörder, gefunden hat. Vorerst steht auch er vor einem Rätsel.« »Darling«, sagte Oran sanft. »Es ist entsetzlich für dich – für uns alle.« Er umschlang sie. »Ich werde dich nach der Beerdigung eine Weile wegbringen. Das wird dir helfen.« Sie hob den Kopf und lächelte weich. Wenn sie jetzt nachgibt, wäre das die Chance, die letzte Chance, dachte er. Sie würden nie wieder zurückkehren. Wie er dies erreichen konnte, wußte er noch nicht. Das wichtigste war vorerst, wegzukommen, weg von Craig, weg von Jenner und Rita doch nicht zu verlieren. »Wir sollten sofort heiraten, Darling. Es wäre alles leichter für dich, wenn wir allein sein könnten, in California, oder wohin du gehen möchtest.« 41 �
»Oran, ich kann doch Craig jetzt nicht allein lassen. Gerade jetzt ist mein Platz auf der Diamond.« Die Hoffnung, die in Oran aufgestiegen war, zersplitterte wie Glas. Er empfand dumpfen Zorn bei dem Gedanken, wie sehr Rita und Craig zusammengehörten. Dieses Bewußtsein hatte er schön immer wie eine Wunde in sich getragen. Und diese Wunde hatte Rita nun berührt. Das Gift der Eifersucht und Haß auf Craig begannen in ihm zu wühlen. Rita trat neben ihn. »Ich habe dich verletzt«, murmelte säe. »Aber es ist mehr, als das, Oran. Irgend etwas beunruhigt dich. Willst du es mir nicht sagen?« Er zuckte die Schultern. »Es gibt nichts zu sagen, Rita – außer – soll Craig immer zwischen uns stehen?« fragte er plötzlich. Sie war betroffen. »Wie kannst du das sagen? Er ist doch unser bester Freund!« Er nickte. »Natürlich. Trotzdem wirst du zwischen uns wählen müssen.« »Aber Oran! Ich; habe mich doch entschieden, du weißt das. Wenn du willst, können wir sofort heiraten. Aber wir bleiben hier. Ich kann jetzt unmöglich weggehen. Siehst du das nicht ein?« »Natürlich, ich verstehe«, zwang er sich zu sagen. Er küßte sie auf die Stirn. »Du solltest dich hinlegen. Craig sagte mir, daß die Beerdigung für morgen angesetzt ist. – Ja, du solltest dich hinlegen. Der morgige Tag wird schwer für dich werden.« Er führte sie zur Treppe und sah ihr nach, wie sie hinaufging. * Craig kürzte den Weg um zwei Meilen ab, indem er durch den � Wald ritt. Unterhalb der alten Geisterstadt kam er auf die Straße. � 42 �
Er dachte an den Vorfall am Morgen und lächelte schief. Kein Blitz schlägt zweimal an der selben Stelle ein, sagt man. Der weiße Zettel an der Front des einen Hauses leuchtete grell in der Sonne. Unwillkürlich wanderte Craigs Blick über den Creek. In diesem Augenblick spitzte der Grulla die Ohren und schnaubte in die gleiche Richtung. Das genügte. Craig warf sich vor und setzte zur gleichen Zeit hart die Sporen ein. Der Grulla machte einen Satz und stolperte, als ihn die Kugel mit einem satten Klatschen traf. Mit versagender Kraft aber trug er Craig Bishop weiter, bis zum Wald, der nach fünfzig Metern die Straße berührte. Die Kugel hatte das Pferd tief am Hals in die Luftröhre getroffen. Es war zum Tode verurteilt. Craig sattelte ab und gab ihm einen sanften Schlag auf die Kruppe. Das Pferd wanderte langsam weiter, mit hängendem Kopf. Craig musterte die Länge der Schatten. Höchstens noch drei Stunden Tageslicht. Er hatte keine Zeit, sich auf ein langes Wartespiel einzulassen. Und wichtiger als der hinterhältige Schütze war dessen Pferd irgendwo dort im Wald. Craig blickte noch einmal in die Runde und schlich auf den Bach zu. Hier war der Bach fünf Meter breit und würde wohl nicht weiter als bis zu den Knieen reichen. Craig zog die Stiefel aus und klemmte sie unter die Arme. Vom Wasser hart gewordene Stiefel waren beschwerlich. Die Kälte des Bergwassers wirkte wie ein Schlag, als Craig hineinstieg. Hier im Bach bot er ein gutes Ziel für den Gewehrschützen, wenn dieser vermutete, daß er, Craig, bachaufwärts hinüberwatete und seine Stellung entsprechend verändert hatte. Die scharfen Kanten des Gerölls schnitten in Craigs Fußsohlen. Er versuchte sich möglichst leicht zu machen. Dann zwang ihn die stärkere Strömung, die Füße fest aufzusetzen. An seinem 43 �
rechten Schenkel drang die Strömung bis zu seiner Hüfte hinauf. Nun nur noch fünf Schritte, schätzte er. Da kam der Schuß, flach und peitschend. Craig fühlte den Einschlag an der Seite und stürzte auf die Knie. Ein Stiefel entglitt ihm, drehte sich zweimal füllte sich mit Wasser und ging unter. Wasser drang auch in seinen Gewehrlauf. Craig watete wild und spritzend durch den Bach, erreichte das Ufer und war unter den Weiden, Er tastete über Seine Seite und sah die Hand an. Kein Blut war daran, wie er erwartet hatte, Ein Blick auf den Stiefel, den er an Land gebracht hatte, zeigte ihm, was passiert war. Die unter den Arm geklemmten Stiefel hatten die Kugel abgelenkt. An dem einen, der ihm geblieben war, fehlte der Absatz. Er ließ den Stiefel fallen, blies das Wasser aus dem Gewehrlauf, trocknete die Patronen und schob sie wieder in das Magazin. Dann pirschte er sich vorsichtig den Hang hinauf. Auf Strumpfsocken konnte er sich völlig geräuschlos bewegen. Der Luftzug ließ ihn in seinen durchnäßten Kleidern schaudern. Tief gebückt schnellte er sich von Deckung zu Deckung. Sicher war der Heckenschütze überzeugt, ihn schwer getroffen zu haben. Aber der Bandit war zu klug, um sich zu verraten. Nirgends zeigte sich Bewegung. Als Craig hoch genug zu sein glaubte, schlug er einen Haken und glitt auf halber Höhe den Hang entlang. Ein Eichhörnchen setzte sich vor ihm auf und blickte ihn an. Er verharrte, um zu verhindern, daß es Laute von sich gab und dem Heckenschützen dadurch seinen Standort verriet. Das Eichhörnchen stob in langen Sätzen davon. Craig schlich weiter. Unter ihm war plötzlich ein Geräusch, wie das Stampfen eines Pferdes auf Waldboden, Er änderte die Richtung und arbeitete sich hangabwärts. Seine rauchgrauen Augen 44 �
spähten durch Blätterwerk und Schatten. Schließlich sah er das Pferd – und den Mann. Er stand auf der anderen Seite des Pferdes. Craig konnte nur seinen Hut sehen, der sich hin und her drehte, je nach der Richtung, in die der Mann beobachtete. Der Hut war ein zu schwieriges Ziel. Craig wollte unter keinen Umständen das Pferd treffen. Er nahm einen Stein auf und stellte sich hinter eine Gelbkiefer. Der Stein sauste durch die Luft und traf den Hinterfuß des Pferdes. Es sprang erschrocken weg. Der Heckenschütze, nun, ungedeckt, wirbelte herum. Craig trat mit angeschlagenem Gewehr hinter dem Baumstamm hervor. Es widerstrebte ihm, sich dem Gegner nicht offen zu zeigen. Die Rechte des Mannes bewegte sich mit der Schnelligkeit einer zustoßenden Klapperschlange. Die Kugel zerrte an Craigs Hemd. Craig drückte ab und sprang wieder hinter den Baumstamm, um nachzuladen. Er schien nicht getroffen zu haben, denn der Mann rannte auf die nächste Deckung zu. Craig ließ das Gewehr fallen und gab zwei schnelle Schüsse mit dem Colt ab. Der Mann blieb stehen, wandte sich langsam um und blickte zu ihm hinauf. Er hatte immer noch die Waffe in der Hand. Craig war im Begriff, noch einmal zu schießen, als der Mann zusammenbrach. Craig trat vorsichtig heran. Dann halfterte er den Colt. Der Mann war tot. An Stelle der linken Hand hatte er einen glänzenden, stählernen Haken, bemerkte Craig. Er bückte sich und durchsuchte die Taschen des Toten. Er fand einen Scheck und las: »Zahlen Sie dem Überbringer aus meinem Guthaben 900 Dollar. Wade Morte.« Craig nickte und steckte den Scheck ein. 45 �
Er holte sein Gewehr und ging zu dem Pferd. Dabei bemerkte er tiefer in den Schatten einen zweiten Toten. Es ist der Heckenschütze, den Tennessee getötet hat, folgerte Craig. Da er seine Fußbekleidung verloren hatte, zog er dem größeren Toten die Stiefel aus. Er mußte die Spitzen wegschneiden und über dem Spann einen Schmitt anbringen, um sie für sich passend zu machen. Wenigstens waren nun seine Fußsohlen geschützt. In den Stiefeln des Toten schwang er sich in den Sattel des fremden Pferdes und ritt weiter, um den Platz zu finden, wo Bennie Fay kämpfte – oder schon tot war. * Die Steigbügel waren für Craigs lange Beine zu kurz. Dies ließ sich erst ab; stellen, als er zu seinem eigenen Sattel kam und diesen aufschnallte. Hier lud er auch den Colt und das Gewehr nach. Ein Stück weiter sah er den Grulla am Boden. Bei Craigs Anblick hob er den Kopf und versuchte zu wiehern. Craig haßte, was er tun mußte und war froh, daß es niemand sehen konnte; Der Braune des Rustlers war ein gutes Tier. Er fraß die Meilen förmlich unter seinen Hufen, ohne Ermüdung zu zeigen. Schließlich kam Craig an einen Fluß Am anderen Ufer bemerkte Craig eine Patronenhülse. Er hob sie auf, roch daran und spürte schwachen Pulvergeruch. Diese Patrone war heute abgefeuert worden. Einige Minuten später hörte er das ferne, verrollende Echo eines Gewehrschusses. Er trieb den Braunen noch schärfer an. Weitere Echos von Schüssen dröhnten. Der Trail wand sich wieder durch Wald. Das Grau der Däm46 �
merung lag über allem. Ein Pferd wieherte schrill, der Laut ging unter im Krachen eines Gewehrschusses, nicht mehr wert entfernt. Craig spannte sein Gewehr. Er bemerkte Bewegung im Wald, gleich abseits des Trails. Craig riß das Gewehr an die Schulter. Der Braune blieb stehen und witterte. Zwei Pferde weideten neben der Straße und hatten die Köpfe gehoben. Diamond-Pferde, erkannte Craig. Die Dämmerung war tiefer geworden, als er an den Rand der Lichtung kam. Fast in der Mitte der Lichtung lagen zwei regungslose Gestalten. Bennie und die Diamond-Mannschaft waren in eine Falle geritten! Düsternis, finsterer als die vorgeschrittene Dämmerung, senkte sich über Craig Bishop. Gewehrschüsse, rechts von ihm am Waldrand rissen ihn aus seinen trüben Gedanken. Er glitt aus dem Sattel und tauchte im Wald unter. Mindestens zwei von seinen Männern waren tot Sie würden nicht die einzigen seih, wenn es vorbei war. Vielleicht war Bennie einer von ihnen und hatte den Preis für seine Treue zur Diamond gezahlt Craig hatte gehofft, Morte würde sich an ihn allein halten. Es war schwer zu begreifen, warum, er es nicht tat. Aber die zwei Männer auf der Wiese waren stumme Zeugen dafür, daß Craig den Mann falsch eingeschätzt hatte. Trügerisch war die Stille. Die Bäume waren nur Schatten in der Düsternis. Irgendwo kauerten Männer im Zwielicht, die starren .Zeigefinger an den Drückern. Bald würden sie nicht mehr in der Lage sein, Feind und Freurad zu unterscheiden. Craig schlich sich vorwärts. Er kauerte gerade an einem mächtigen Baumstamm, als ihn ein Flüstern erreichte: »Hast du einen von ihnen gesehen?« 47 �
Craig spähte hinter dem Baumstamm hervor. »He!«, rief der Mann erstaunt. »Du bist gar nicht…« Craig sprang vor und schlug mit dem Gewehr zu. Er traf den Mann nicht voll, trotzdem stürzte dieser zu Boden. Doch der Mann war noch nicht kampfunfähig. Craig sah gerade noch, wie der Bandit die Waffe hob. Da drückte Craig ab. Nur langsam erstarb das rollende Echo, dann herrschte wieder lastende Stille. Von dem nahen Hang fragte jemand: »Ned?« »Yeah«, antwortete er in der Hoffnung, daß das kurze Wort ihn nicht verraten würde. Er lauschte angestrengt und wartete. Minuten verstrichen. Es hatte nicht geklappt. Deshalb war es höchste Zeit, den Platz zu Wechseln. Er drückte einen Schuß in die Richtung ab, aus der die Stimme gekommen war, duckte sich und rannte los. Er lief im Zickzack den Hang hinauf, schlug einen Bogen, kam auf zwölf Schritte zu dem Toten zurück, kauerte sich nieder und wartete. Schattenhaft tauchte der Mann auf. Er bückte sich über den toten Komplicen und blickte dann von einer Seite zur anderen. »Komm näher!« sagte Craig leise. »Mein Gewehr ist auf dich gerichtet.« Der Bandit wirbelte herum, die Waffe halb erhoben. Er spähte in die falsche Richtung. »Laß fallen – oder…« drohte Craig. Langsam öffnete der Mann die Finger. Der Revolver prallte dumpf auf dem Nadelboden auf. »Dreh mir den Rücken zu, und geh rückwärts!« »Du bildest dir ein, du kannst…« Der Bandit wollte Zeit gewinnen, deshalb unterbrach Craig ihn: »Ich kann schießen, und in drei Sekunden bist du tot, wenn du nicht parierst.« 48 �
Der Mann drehte sich um und ging rückwärts. . »Jetzt ist es genug«, sagte Craig und berührte ihn mit der Gewehrmündung. Er wartete, bis dem Mann das Schweigen unheimlich wurde. »Was jetzt?« fragte der Bandit. � »Jetzt redest du. Wie viele seid ihr.« � »Mehr als genug.« � Craig drückte die Mündung fester an. »Zwölf.« � Das war eine ganze Menge. Craig rechnete nach. Drei hatten � die Pferde abgetrieben. Einer von den Rinderdieben lag tot in der Nähe der Geisterstadt, Ned war eben von seinem Schicksal ereilt worden, einen hatte er vor dem Gewehr – blieben also mindestens noch sechs. »Wer hat euch befohlen, die Rinder abzutreiben?« � Der Bandit drehte sich halb um. »Bist du Bishop?« � »Ja.« � »Verdammt«, murmelte er. »Du hast Ned erwischt. Und wahrscheinlich auch Jeb, den am Elk Creek, ja?« Craig gab keine Antwort und ließ die Stille an den Nerven des Banditen zerren. Erst nach einer Weile wiederholte er drohend: »Wer gab euch den Befehl? Morte?« Der Bandit schüttelte den Kopf. »Kenne ich nicht.« »Wer dann?« zischte Craig. »Rede!« »Wenn du soviel wissen willst, frag doch deinen Freund Oran Sand!« erwiderte der Bandit. Was hat Oran Sand mit euch zu tun? Die Wahrheit – oder ich drücke ab!« »Ich habe gesagt, Was ich weiß.« Der Bandit blickte über die Schulter und versuchte den Ausdruck in Craigs Augen zu erkennen. »Ich rede kein Wort mehr, Mister. Ich bin fertig.« Es klang entschlossen. Craig zögerte, dann sagte er: »All right Geh zehn Schritte auf die Lichtung. Bort bleibst du stehen und 49 �
hältst deinen Mund.« »Zur Hölle…« setzte der Mann an. Craig stieß ihm die Gewehrmündung in den Rücken »Willst du Ned Gesellschaft leisten?« Der Bandit fluchte wieder, setzte sich aber in»Bewegung. Nach zehn Schritten blieb er stehen und blickte zurück. Craig konnte das Weiße in seinen Augen schimmern, sehen, wenn er zur Seite schielte. Craig stieß einen langen, hohen Ruf aus. Es war ein Signalruf, den Bennie Fay kannte. Keine Antwort. Dann krachte ein Zweig rechts von Craig. Der Kopf des Banditen ruckte in die Richtung herum. Craig stellte sich so, daß er in Richtung des Geräusches beobachten konnte und: auch den Banditen auf der kleinen Lichtung nicht aus dem Gesichtsfeld verlor. Es war ein tödliches Katz- und Maus-Spiel. Craig beobachtete, bis sich alles um ihn zu regen schien. Er blickte eine Weile weg, um seine Augen zu beruhigen, dann wieder in die alte Richtung. Jetzt sah er den anderen Mann. Der Bandit auf der Lichtung hatte ihn zur selben Zeit entdeckt. Er ruderte mit einem Arm und rief: »Hier stehe ich, George!« Craig und sein Gegner feuerten zur gleichen Zeit. Der Bandit auf der/Lichtung rannte im Zickzack davon. Craig schwenkte das Gewehr herum und drückte ab. »Schieß, George, das ist Bishop, schieß!« brüllte der Flüchtende, warf sich zu Boden und rollte außer Sicht Aber George schoß nicht. Er stand nur da. Craig glaubte ein Geräusch zu hören und sah einen Augenblick weg. Als er wieder zurückblickte, stand George nicht mehr. Er lag am Boden. Craig holte Patronen aus der Tasche und lud die Winchester nach. Die übrigen Banditen würden sich bald hier versammeln, nach all dem Schießen, und Rufen. Da sie nun wußten, wen sie vor. sich hatten, würde ihr Eifer angespornt werden. 50 �
Wie zur Bestätigung seiner Gedanken krachte es auf sechs Meter Entfernung, und Craig wurde zu Boden geschleudert. * Craig wußte nicht, wie schwer er getroffen war. Etwas Feuriges war an seinen Rippen entlanggeschrammt. Er rollte sich weiter. Eine Kugel wuchtete in seiner Nähe in den Boden. Er kam auf die Füße und rannte. Seine Beine arbeiteten wie die Kolben einer Maschine. Er brach durch Buschwerk, sein Hut wurde ihm vom Kopf gerissen, Zweige schlugen nach seinem Gesicht. Die Kugeln aus zwei Gewehren suchten fieberhaft nach ihm Er stolperte, ein Zweig bohrte sich in seine Wange. »Es ist Bishop!« hörte er hinter sich rufen. Die Gewehre schössen weiter nach Ihm, hämmerten ihre Kugeln in Richtung der Geräusche, die er verursachte. Ein Schatten tauchte auf und bewegte sich auf ihn zu. Craig schoß. Der andere erwiderte das Feuer. Craig feuerte auf die Mündungsblitze, während Blei in den Baumslamm vor ihm klatschte. Es war nur ein Gewehr, das ihn beschossen hatte. Das bedeutete, daß die anderen ihm in die Flanken und in den Rücken kommen wollten. Trügerische Stille trat ein. Seine Seite war wie taub und das Hemd klebrig.«Wo blieben Bennie und die anderen DiamondCowbovs? Sie konnten doch nicht alle tot sein. Aber keiner hatte sich bis jetzt gezeigt. Seine Augen spähten in die Dunkelheit. Er dachte, daß ein Mann jetzt nur ein Schatten unter Schatten war. Man schoß auf alles, was sich bewegte, selbst auf eingebildete Bewegungen und Geräusche. Die Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Etwas bewegte sich unter den Bäumen, ein geduckter, ver51 �
wischter Schatten. Craig blinzelte, und die Bewegung war verschwunden. Hatte er sich mir getäuscht? Nein, da regte es sich wieder! Geräuschlos brachte er das Gewehr in die Richtung. Vielleicht war dies sein letzter Schuß. Er konnte sie spüren, überall um sich, herankriechende, geisterhafte Schatten, wie der, den er jetzt beobachtete. Er zielte sorgfältig. Dieser Schuß mußte zählen. Doch der Mann bewegte sich wieder, wie Nebel gleitend. Jetzt verhielt er. Craig drückte ab. Der Schatten ruckte hoch, sank nieder und stöhnte. Craig sprang auf, bog um den Mann aus, auf den er geschossen hatte, und lief auf die Wiese zu. . Er hörte eine schwache Stimme rufen, dann krachte ein Schuß und eine Kugel knallte in den Baumstamm, hinter dem er gelegen hatte. Er erreichte den Waldrand und pirschte sich an ihm entlang weiter. Er hatte die Lichtung beinahe halb umrundet, als ihn ein Flüstern anhielt. »Bishop?« Er erstarrte, da sie zugleich eine Gewehrmündung in seinen Rücken drückte. Er dachte an das Gewehr in seiner Hand, an den Colt im Halfter – nutzlos für einen Mann, der ein Gewehr im Rücken spürte. Was er jetzt auch sagen mochte, es konnte den anderen veranlassen abzudrücken. So blieb er lieber bei der Wahrheit. »Ich bin Bishop«, antwortete er und straffte sich für die Kugel. Aber der Druck in seinem Rücken verschwand. Ein leises Lachen ertönte. »Wo, zur Hölle, warst du die ganze Zeit?« Craig drehte sich um. »Tennessee!« Erleichterung durchflutete ihn. »Wo ist Bennie?« »Auf der anderen Seite im Wald. Wir beide sind alles, was übrig ist Sie waren vor uns und hinter uns. An die zwanzig müssen hier herumkriechen. Wie hast du mich gefunden?« 52 �
»Reines Glück, schätze ich. Well, wir müssen Bennie finden.« »Das nächste Gewehr in deinem Rücken wird nicht so freundlich sein, wenn du weiter so herumschleichst«, meinte Tennessee. »Deshalb wollte ich auch Bennie zurückhalten. Er hörte einen Ruf, von dem er meinte, daß er von dir stammte, und wollte nachsehen.« Craig war beruhigt. »Sind seitdem Schüsse gefallen?« »Zwei, in einigem Abstand.« Die letzten zwei Schüsse! Craigs Unruhe wuchs. »Ich muß nachsehen«, murmelte er und wandte sich um. In der Gebend, aus der Graig gekommen war, wurde eine Stimme laut: »George! Ned! So kommt doch. Wir haben sie alle erwischt!« »Sie verdrücken sich«, flüsterte Tennessee. Craig blieb stehen und horchte. Nicht etwa danach, ob George oder Ned sich melden würde. Die beiden würden nie wieder aufstehen. Aber andere konnten in der Nähe sein. Dabei bohrte eine Frage unablässig in ihm. Der dritte, den er getroffen hatte, wurde der nicht vermißt?' »Bald darauf ertönte die Stimme wieder: »Kommt nach – wir reiten!« Hufschläge erklangen, Craig versuchte zu ermessen, wie viele Pferde es waren. Rasch verklangen die Huftritte in der Nacht. Er wartete noch einige Minuten, dann rief er: »Bennie!« Er vernahm nichts als Tennessees Atem in seinem Rücken. »Bennie!« Keine Antwort. Craig ging weiter, von düsteren Zweifeln gequält. Bald darauf begann er im Wald Haken zu schlagen. Tennessee folgte hinter ihm und verursachte einen Lärm, als finde er es genußvoll, sich wieder bemerkbar machen zu können. Craigs Stiefelspitze stieß gegen etwas Weiches. Er kauerte sich 53 �
nieder und tastete über die Kleider eines Mannes. Er hatte gefunden, was er suchte. »Nimm mein Gewehr!« sagte er tonlos. Übelkeit stieg in ihm auf. Sein Magen verkrampfte sich. Er hatte den Drang, sich über die reglose Gestalt zu werfen und zu weinen. Er setzte zu einer Erklärung an, zu einer Verteidigung, dann verschloß er seine Bitterkeit in sich. Er bückte sich, hob Bennie in seine Arme und trug ihn mit schweren Schritten hangauf warte durch den Wald. * Tennessee, die beiden Gewehre tragend, ging hinter ihm her. Er hätte nicht mehr das Bedürfnis, Lärm zu machen. Der Mann vor ihm verblüffte ihm. Craig Bishop mußte hier im Wald gewesen sein und' die zwei Banditen erschossen haben. Aber er sprach nicht darüber. Oder waren es mehr? Der dritte Mann, den er wie ein Kind in den. Armen trug? Sah der nicht aus wie der kleine Bennie Fay? Er hatte ihn gefunden, als wüßte er genau, wo er lag, obwohl man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Er hatte auch kein Zündholz angerissen. Er schien es einfach, zu wissen, wen er gefunden hatte. Er dachte an heute morgen, als sein Pferd durchgegangen war, schnurstracks auf den Elk Creek zu, nachdem der Heckenschütze auf den Boss geschossen hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wie es gekommen war – ob er so erschrocken war, daß der dem Pferd die Sporen in die Weichen gerammt hatte. Jedenfalls war es verrückt gewesen, einfach so gegen einen versteckten Schützen anzurennen. Am Waldrand hatte er sich aus dem Sättel geworfen und im Gebüsch versteckt. Er hatte gesehen, wie der Boss und die ande54 �
ren weiterritten. Und dann hatte ihn der Heckenschütze entdeckt. Tennessee erinnerte sich, wie seine Hand gezittert hatte, als er den alten ,44er seines Vaters aus dem Halfter zog. Und mit zitternder Hand hatte er geschossen und war fast noch mehr überrascht als erleichtert gewesen, als der Bandit zu Boden ging und am Boden blieb. Aber natürlich hatte er dem Boss und den anderen nicht auf die Nase gebunden, wie das alles gewesen war. Auch später, als sie in der Falle steckten, war Tennessee nicht stolz über seine Rolle gewesen. Er hatte ein Loch gefunden und war in der Deckung geblieben. Deswegen vermutlich war er jetzt noch am Leben. Aber was hatte der Boss demgegenüber getan? Allein, und ohne nach Hilfe Ausschau zu halten, hatte er sich in die Mitte der Feinde gewagt und es mit ihnen allen aufgenommen. Yeah, der Boss war alles das, was Tennessee gern gewesen wäre. Sie kamen an den Waldrand. Craigs Stimme klang angestrengt und müde, als er sagte: »Tennessee, wir reiten zurück. Ein Stück den Trail hinauf wirst du drei Pferde finden. Hol sie!« Tennessee nickte. Er lehnte das Gewehr gegen einen Baumstamm, ging müde den Trail hinauf, fand die Pferde und kehrte mit ihnen zurück. Der Boss kauerte auf den Fersen und rauchte eine Zigarette. »Tennessee«, sagte er, »vermutlich wunderst du dich über einiges.« Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. Tennessee hatte Mühe, ihn zu verstehen. »Ich erschoß Bennie. Er schlich sich an mich heran, und ich erkannte ihn im Dunkeln nicht. Ich hielt ihn für einen von den verdammten Banditen.« Tennessee stand da, groß, hager, verlegen. Er fühlte sich fast so, als wäre er es gewesen, der Bennie erschossen hatte. Und er glaubte zu spüren, daß der Boss jetzt reden mußte, wenn er nicht 55 �
an seiner Verzweiflung ersticken wollte. »Du kannst nichts dafür«, entgegnete Tennessee. »Niemand hätte das ahnen können. Und niemand wird auch nur ein Wort gegen dich sagen dürfen.« »Ich werde sie fassen. Alle Banditen werde ich fassen«, fuhr Craig fort, als hätte er nicht gehört. »Aber ich werde die Diamond heraushalten. Alle werde ich heraushalten. Auch dich, Tennessee.« »Mich nicht, Boss, mich nicht!« Tennessee war überrascht über die Hitzigkeit, mit der er dies sagte. Und es war kein Bluff. Er begriff die Veränderung nicht die mit ihm vorgegangen war, aber er fühlte sie. »Ich bin nicht viel wert«, gestand er und setzte leise hinzu: »Aber heute nacht bin ich ein Stück gewachsen.« Es Wurde ein langer, schweigender Ritt zurück zur Diamond. Bennie Fay war eine schlaffe Gestalt. Doch Craig fühlte seine Gegenwart, als lebe er noch, als sitze er aufrecht im Sattel und reite zusammen mit ihm, wie es tausendmal vorher gewesen war. Die Dinge ändern sich. Aus Leben wird Tod, aber die Gefühle eines Mannes, das Bewußtsein der Freundschaft bleibt bis über das Grab hinaus. Die verlorenen Rinder bedeuteten nichts, die Rodeo-Pferde waren für Craig völlig gleichgültig. Nur eines hatte Bedeutung, nur eines war Wirklichkeit – er mußte Wade Morte zur Strecke bringen. Es wurde zu einem verzehrenden Drang, in dem alles andere unterging. Craig schaute sich um. Sein Blick glitt über Bennie zu Tennessee. Tennessee war eingeschlafen. Sein Kopf nickte mit der Bewegung des Pferdes. Der Junge ist wacker und zeigt Gefühl, dachte Craig. Die Lohnliste der Diamond war bis auf einen Namen zusammengeschrumpft, wurde ihm bewußt. 56 �
Craig hatte sich bisher wenig um Tennessee gekümmert. Tennessee war für ihn irgendein Junge gewesen, der einen Job brauchte. Und wie die meisten Jungen, die mit Männern leben müssen, hatte er gern geprahlt. Aber in dem Jungen steckte etwas. Craig nickte bei diesem Gedanken. Hufschlag hämmerte über die Lichtung vor Morgan Jenners Hütte. Er stammte von dem Pferd eines Reiters, der Jenner von dem Kampf in der Nacht und von Craig Bishops angeblichem Tod berichten wollte. Jenner rieb sich den Schlaf aus seinen rotgeränderten Augen, während er dem Mann zuhörte. »Wer hat gesehen, daß Bishop tot ist?« fragte er schließlich. »Pringle sagt, er hat ihm auf sechs Meter Entfernung eine Kugel gegeben, und dann noch eine, als der Kerl weglief.« »Aber wieso konnte er noch weglaufen, wenn er ihn auf sechs Meter getroffen hat?« Jenner rollte aus dem ächzenden Bett und griff nach seinen Stiefeln. »Das weiß ich doch nicht, Boss. Pringle sagte, ich soll es dir melden.« Der Mann zog mit dem Fuß einen Stuhl heran und setzte sich müde. »Habt ihr seine Leiche gefunden?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Es war zu dunkel. Wir haben auch Ned und George nicht gefunden.« Zwei, dachte Jenner. Von Ansels und Lerchs Tod wußte er noch nichts. Jenners Gedanken wandten sich Oran Sand zu. Der Mann wurde bedenklich weich. Die Aussicht auf Rita und die Diamond hatte ihn zum Schwächling werden lassen. Er war auch dagegen gewesen, Zack zu erschießen, und jetzt hätte er am liebsten gesehen, daß man überhaupt aufhörte. Er wollte sich in ein warmes, nicht in ein ausgeplündertes Nest setzen, selbst 57 �
wenn dies bedeutete, daß Bishop weiter herumlaufen Würde. Aber Jenner besaß ganz andere Vorstellungen von dem, was zu geschehen hatte, »Suche Sand und sag ihm, er soll sofort herkommen«, befahl er. Der Mann runzelte die Stirn. »Wo soll ich ihn denn finden?« »Hölle, das ist mir völlig egal!« * Oran Sand war auf der Diamond ebenfalls mit seinen Gedanken beschäftigt Er ging in dem Schlafzimmer, das ihm auf der Diamond zur Verfügung stand, auf und ab. Er hatte keinen Schlaf finden können. Als es dämmerte, kleidete er sich an. Ununterbrochen zerquälte er sich mit Überlegungen, wie er den Dingen, die immer bedrohlicher wurden, entrinnen konnte. Wohin er auch blickte, er sah entweder Craig Bishop oder Morgan Jenner als unübersteigbares Hindernis vor sich.' Weder von dem einen noch von dem anderen konnte er Gnade erwarten. Rita war und blieb seine letzte Hoffnung. Aber wie – wie konnte er sie von hier wegbekommen? Halb angezogen setzte er sich auf den Bettrand, die Ellenbogen auf die Knie gestützt mit den Fingern sein blondes Haar kämmend. Im Hof ertönte Hufschlag. Er eilte zum Fenster, wirbelte herum und faßte nach der Waffe, die im Halfter am Bettpfosten hing. Wieder am Fenster, zielte er auf den alten Templeton. Der und Mitch waren es, die mit Gewehren über dem Sattel in den Hof geritten kamen. Sie machten Jagd auf ihn. Well, denen war er noch gewachsen… Der Schuß erschütterte den Raum. Sein Echo dröhnte durch das Haus. Oran sah den alten Templeton aus dem Sattel stürzen. 58 �
Bevor er die Waffe herumgerissen hatte und auf Mitch abdrücken konnte, hatte dieser das Pferd herumgewirbelt und war hinter der Ecke des Hauses verschwunden. Eine Tür im Gang wurde aufgerissen. »Oran, Oran!« rief Rita. »Was ist los?« Er hörte ihre Schritte, dann hastete sie in sein Zimmer, einen Morgenmäntel um die Taille festziehend. Ihre aufgerissenen Augen blickten auf die Waffe in seiner Hand. Ihr Blick glitt zu seinem Gesicht hoch. »Was ist geschehen, Oran?« Er starrte zum Fenster. »Bleib weg! Geh auf dein Zimmer!« Er war sich nicht bewußt, wie, hart er ihren Arm packte, bis er den Schmerz auf ihrem Gesicht sah. »Jemand ist unten, der es auf mich abgesehen hat«, sagte er. »Ich gehe hinunter.« »Warum hast du geschossen?« Er konnte ihr nicht erzählen, was er sich bei den Templetons geleistet hätte. So zog er schweigend das Überhemd an und schnallte den Waffengurt um. »Mußt du wirklich hinuntergehen?« fragte Rita ängstlich. Im stillen verwünschte er sich dafür, daß er sich hinreißen lassen hatte, den alten Templeton niederzuschießen. Vielleicht wären sie bald weggeritten« Aber nun mußte er auch noch Mitch erschießen. Er ging hinunter, öffnete spaltbreit die Hintertür und rief hinaus: »Mitch – jetzt kaufe ich dich mir!« Er hoffte, Mitch würde irgend etwas antworten und sich dadurch verraten. Aber damit hatte er sich getäuscht. Der Blick aus dem Vorderfenster zeigte nichts als das weite Gelände bis zum Wald. Oran trat auf die Veranda, die Waffe in der verschwitzten Hand. Er ging zur Ecke der Veranda und spähte vorsichtig aus. Mitch War vermutlich irgendwo beim 59 �
Stall oder bei den Corrals. Wo war dieser verdammte Mitch? Irgendwo hinter dem Bunkhouse? Es war nicht weit zum Bunkhouse. Von dort aus konnte er sich um die Corrals zum Stall arbeiten. Er rannte auf das Schlafgebäude zu und hatte den halben Weg zurückgelegt, als keinen Viertelmeter vor ihm eine Kugel etwas Erde hochspritzen ließ. Er rannte weiter, in der Erwartung des nächsten Schusses. Doch es kam keiner. Er wunderte sich darüber, als er die Veranda des Bunkhouses erreichte. Sollte sich Mitchs Gewehr verklemmt haben? Mit langen Säteen eilte er in der fragwürdigen Deckung der Corrals auf den Stall zu. »Halt, Oran!« schrillte eine Stimme. Oran wirbelte mit angeschlagener Waffe herum. Craig war hinter der anderen 'Ecke des Stalles hervorgetreten. Er war von Schmutz bedeckt und ohne Hut Sein langes Gesicht wirkte verschlossen und müde. »Halte dich heraus!« rief Oran und lief weiter. Er spähte um die Ecke des Stalles, aber dann ging er langsam weiter. Unentschlossen ruhte sein Finger am Abzug. Mitch kauerte an der Hinterwand des Stalles und Tennessee stand mit gezogener Waffe vor, ihm. Mußten, sie gerade jetzt dazwischen kommen! Heiser vor Zorn bellte Oran: »Geh weg!« »Nur mit der Ruhe, Oran«, murmelte Craig hinter ihm. Oran wirbelte zu ihm herum. »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Ihn laufen lassen, damit er aus dem Hinterhalt auf mich schießen kann?« In Mitchs zusammengekniffenen dunklen Augen ''glitzerte Haß. »Hört ihn nur, den Feigling! Von Hinterhalt redet er, gerade er!« Tennessee blickte verblüfft von Mitch auf Oran. 60 �
»Mitch«, sagte Craig müde, »steig auf»dein Pferd und reite fort. Wenn du jagen willst nicht auf der Diamond. Laß dein Gewehr hier, ich Werde es dir später zustellen lassen.« »Nein! Kommt nicht in Frage!« brüllte Oran und richtete den Colt auf Mitch. »Lebend kommt er mir nicht mehr aus, den Augen!« Craigs Hand schnellte vor und schlug Oran die Waffe aus der Hand. Oran wirbelte herum, das Gesicht puterrot, und schrie: »Auf welcher Seite stehst du?« Er trat zurück, um die Waffe aufzuheben. Craig, gab ihm einen Stoß, so daß er vorbeigriff, hob die Waffe auf und steckte sie in den Hosenbund. Er blickte düster auf Oran. »Hier geschieht das; was ich bestimme. Mitch verschwinde!« befahl er. , Mitch stand auf. »Well, Bishop, ich werde gehen, und meinen Vater mitnehmen. Bilde dir aber nur nicht ein, daß damit alles erledigt ist. Bis ich Oran Sand erwischt habe, gibt es für' mich nichts anderes mehr zu tun.« Er ging zu seinem Pferd, stieg auf, und starrte auf Oran herab. »Nicht lange mehr, dann wird Bishop alles über dich wissen, Sand.« Sie sahen zu, wie er zu seinem Vater ritt und ihn auf das Pferd band. Als er das Gewehr des alten Templeton aufhob, sprang Oran in die Deckung. »Ich könnte es ihm nicht verdenken, wenn er auf dich schießen würde«, knurrte Craig. »Warum hast du uns dann aufgehalten?« »Der Diamond wegen. Wir haben genügend Verdruß, wir brauchen nicht noch mehr.« »Du kannst mich nicht für deine Schwierigkeiten verantwortlich machen.« 61 �
»Vielleicht nicht«, erwiderte Craig. »Immerhin sagte gestern nacht einer der Banditen, du wüßtest, Wer hinter dem Rinderdiebstahl steckt.« Craig beobachtete ihn aus engen Augen. Orans Wangen röteten sich. Sein Blick wurde unsicher. Doch dann plusterte er sich auf: »Das Wort eines Rinderdiebes gilt dir mehr als das meine?« »Nein.« Craig schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich sagte nur, was ich hörte.« Tennessee räusperte sich und fragte: »Soll ich Bennie ins Haus tragen?« Oran blickte auf Tennessee, dann zurück auf Craig. Ein eigentümlicher Ausdruck trat auf sein Gesicht »Was ist mit Bennie?« »Er ist tot.« Craigs Worte waren tonlos. »Ich kümmere mich um ihn, Tennessee. Du solltest dich besser hinlegen.« »Tot«, murmelte Oran und starrte stumpf vor sich hin. »Bennie tot?« Craig seufzte. Worte, die ihn selbst anklagten, waren auf seinen Lippen. Aber er schwieg. Heute war der Tag von Zacks Beerdigung. Nun würden es zwei Beerdigungen sein. »Du kannst mir helfen«, sagte er zu Oran. »Wir haben unsere Pferde in den Stall gebracht. Dort ist er.« »Mein Gott!« erwiderte Oran heftig. »Wann wird das alles aufhören? Craig, es ist, als ginge alles in die Brüche. Ich hatte nicht den Wunsch, Templeton zu erschießen. Er kam mit gespanntem Gewehr. Es hieß er oder ich.« Er wischte seine schwitzenden Hände an den Hosen ab. »Ich, muß weg von hier, oder ich werde verrückt Bennie tot! wer wird der nächste sein – du – ich? Ich muß Rita für einige Zeit von hier wegbringen.« Craig starrte ihn an. Der Mann war ja zu einem Nervenbündel geworden. Er redete von Davonlaufen. Wovor? Doch nicht vor 62 �
Mitch Templeton! »Wovor fürchtest du dich, Oran?« Ernüchtert erkannte Oran den Fehler. Er hatte zuviel gesagt und preßte nun die Lippen zusammen. »Gibt es nicht etwas, was du mir lieber erzählen solltest?« drängte Craig. »Was könnte das sein?« stellte Oran sich verwundert. Craig faßte ihn an der Schulter. »Tu nicht so einfältig! Du redest davon, wegzulaufen und Rita mitzunehmen. Wovor mußt du davonlaufen?« Oran wollte Craigs Hand abstreifen, aber es gelang ihm nicht. »Was Rita und ich tun, ist unsere Angelegenheit, Craig. Was ist denn mit dir los? Bist du etwa eifersüchtig?« Craig gab ihm eine Ohrfeige. »Sag das nie wieder, Oran!« entgegnete er und trat zurück. Oran betastete seine Wange. Craig sagte sich, daß er selbst aus den Fugen zu geraten begann. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Aber du kannst einem Mann zusetzen. Spiele nicht Rita gegen mich aus oder umgekehrt. – Nun komm, und hilf mir mit Bennie! Er wandte sich um und ging zum Vordereingang des Stalles. Oran folgte ihm. Der Schlag schmerzte noch auf seiner Wange. Rita beobachtete sie aus der Küchentür. Ihre Hand lag am Hals. Schrecken zeichnete ihr blasses Gesicht. Als sie den Toten in das Haus trugen, wich sie zurück. Ihre Schultern hingen herab. »Ja, es ist schrecklich, Rita«, sagte Craig. »Ich weiß, was dir Bennie bedeutete.« Sie legten Bennie auf eine Couch. Oran ging zu Rita in die Küche. Craig blieb noch stehen Und sah mit feuchten Augen auf Bennie herab. Er mußte an Bennies anklagende Worte denken: »Du und dein verdammtes Rodeo!« 63 �
Der Gedanke schmerzte. Er wandte sich ab und ging in die Küche. Oran hatte seinen Arm um Rita gelegt Sie hielt ein Taschentuch an die Augen. »Ich muß dich von hier wegbringen, unbedingt«, sagte Oran eben. »Ich kann nicht weggehen und Craig hier alleinlassen«, erwiderte Rita. »Nicht nur die Diamond gehört mir, auch ihre Sorgen gehören mir. Ich muß sie mittragen.« Sie hat von mir gesprochen, aber sie meint nicht mich, dachte Craig. Sie denkt an Old Zack, an Bennie, an all die Jahre voll Beschwerden und Arbeit, an die Mühen, die es gekostet hatte, die Diamond zu dem zu machen, was sie ist. »Du meinst, du kannst Craig nicht alleinlassen?« fragte Oran verletzt »Wenn das so ist, warum heiratest du nicht ihn?« Craig hatte sich zurückziehen wollen, doch dies, konnte er nicht überhören. »Wie kannst du so etwas sägen, Oran! Du weißt, daß sie es nicht persönlich meint Warum quälst du sie? Gerade jetzt wo sie sich um so viel kümmern und sorgen muß.« »Ja, zuviel um dich«, sagte Oran gehässig. »Merkst du nicht, daß du schon die ganze Zeit zuviel redest Oran?« Craig hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Zuviel, was dir nicht paßt, nicht? Du hältst mich wohl für einen Narren?« »Augenblicklich bist du ein Musterbeispiel von einem Narren.« Rita mischte sich ein. »Hört auf! Keiner von Uns zeigt augenblicklich Vernunft Da drinnen liegen Zack und Bennie – und wir – Die Nachbarn werden bald zur Beerdigung eintreffen. Die Gräber müssen ausgeworfen werden, und eine Menge anderes gibt es zu tun – außer streiten.« Craig nickte. Oran zog ein finsteres Gesicht.
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Es war Abend. Fast alle Rancher hatten die Diamond verlassen. Keiner war dabeigewesen, der, nicht seine Hilfe angeboten hätte. Conrad Osgood, ein kleiner, hartbeiniger und drahtiger Rancher vom Cleawater, war noch auf der dunklen Veranda. Er war als einer der ersten ins Tal gekommen und hatte sich bald nach Zack Hartley hier niedergelassen. Er ging schon eine Weile unruhig auf Und ab. Nun rief er leise: »Craig!« Als dieser herangeschlendert war, kam er geradeheraus zur Sache: »Rinderdiebstahl geht jedermann hier im Tal an. Zuerst trifft man die Diamond, dann jemand anderes – vielleicht mich, Ich habe mit den Nachbarn heute gesprochen. Sie sind bereit, unter deiner Führung mit den Rustlern aufzuräumen.« Es war ein faires Angebot Aber Craig wußte, daß man die Sache falsch betrachtete. Die Diamond wurde nur seinetwegen angegriffen. Es war ein persönlicher Kampf zwischen Morte und mm. Darin wollte er nicht noch weitere Leute verwickeln.… »Danke, Con«, sagte er deshalb. »Aber ich glaube nicht, daß man es auch auf andere Ranches abgesehen hat. Ich bin das Ziel der Angriffe. Wir werden schon damit fertig.« »Ohne Mannschaft?« »Oran und Tennessee werden die Ranch bewachen. Ich werde neue Reiter anwerben«, erwiderte Craig. Der Ersatz machte ihm Sorge. Aber er wollte es nicht zugeben. »Unsinn«, sagte Osgood wieder rundheraus. »Du bist blinder, als ich dachte. Ich rede nicht gerne auf diese Weise mit dir – aber schätze, es ist das Beste.« Er begann wieder hin und her zu gehen. »Oran Sand ist dein Freund, das weiß ich natürlich.« Er wirbelte herum und stach mit dem Zeigefinger auf Craig zu. »Aber bist du seiner auch sicher? – Ich bin zu meiner Zeit eine Menge herumgekommen und habe eine Menge gesehen. Und 65 �
was ich jetzt sehe, ist nicht das, was mir gefällt.« Craigs Neugier war erwacht. »Was hast du denn gesehen?« forschte er. Osgood senkte die Stimme, sprach aber immer noch scharf: »Ein Dutzend Fremde reiten in den Bergen umher. Was wollen sie wohl dort? Leute ihrer Sorte habe ich schon oft genug gesehen – sie sind Revolverfalken, jeder von ihnen. Etwas braut sich hier zusammen, Craig. Und die Diamond ist nur der Anfang. Nun ja, sie ist ja auch die fetteste Kuh und wird zuerst gemolken.« Craig war wenig überzeugt. Die älteren Rancher rochen immer Verdruß. Sie konnten die Zeit nicht vergessen, in denen sie gegen Rustler um ihre Existenz kämpfen mußten. Aber diesmal ging es um etwas anderes. Ein verrückt gewordener Gernegroß bekämpfte eine Konkurrenz, die mit Rinderzucht nichts zu tun hatte. Doch Osgood war ein Mann, den Craig achtete, und so hörte er höflich zu. »Du baust auf Oran Sand wie auf Granit«, fuhr Osgood fort »Well, ich nicht Ich war Von ihm noch nie recht überzeugt. Und nun habe ich ihn mit diesen fremden Reitern gesehen.« Craig war betroffen. Oran würde demnächst die Diamond übernehmen, und es wäre gut, wenn er das Vertrauen der Nachbarn hätte. Obwohl er Orans keineswegs mehr so sicher war wie noch vor einigen Tagen, fühlte er sich gezwungen, ihn in Schutz zu nehmen. »Aber das gibt doch keinen Sinn, Osgood«, sagte er, »was du da kombinierst Denke doch daran, welcher Narr er wäre, etwas zu zerschlagen, was ihm in Kürze gehören wird.« Osgood hakte den Daumen in den Revolvergurt und blickte langsam zu Craigs Gesicht hoch. Craig las einen eigentümlichen Ausdruck in seinen Augen. Beinahe Mitleid. Ahnte Osgood seine heimlichen Gefühle für Rita? Aber Craig 66 �
wollte kein Mitleid, nichts davon. Er wollte, daß niemand an die Sache rührte. »Was wissen wir schon von Sand«, sagte Osgood. »Ich meine von der Zeit, in der er nicht hier war. Nur das, was er erzählt. Ich habe meine eigenen Meinungen darüber. Vielleicht könnte er etwas über diese Zeit erzählen, was ganz anders klingt Vielleicht weiß er von dem Verdruß der Diamond mehr, als du annimmst. Vielleicht…« Das zweite Mal dieser Hinweist Und von ganz anderer Seite. Es war sonst nicht Osgoods Weise, sich so zögernd auszusprechen. Hölle, dachte Craig, jedermann scheint mehr zu wissen als ich! Was ist denn nur los? »Laß die Katze aus dem Sack, Con«, verlangte er. »Du hast etwas zu. sagen – also rede!« »Das sollte ich wohl auch«, gab er zu. »Nun also: Morgan Jenner ist wieder im Land. »Jenner?« Craig atmete langsam aus. Er trat zur Hauswand und lehnte sich dagegen. Während er zu Osgood blickte, ohne ihn zu sehen, stürmten fast vergessene Bäder auf ihn ein. Jenner – Morgan Jenner! Old Zack ermordet – Diamond-Rinder gestohlen. Jenner! Wie das Kreischen eines Stahlbohrers fraß sich der Name in Craig hinein. Er sah sich wieder als Junge, als Junge von elf Jahren, der den Vater unter Jenners Blei zu Boden gehen sah – er sah das Grinsen auf dem Gesicht des Mörders. Er hatte gedacht, daß dieses Gesicht niemals seiner Erinnerung entschwinden würde. Und doch hatte er es nicht erkannt! Die Jahre hatten es zu sehr verändert. Der Mann, der sich gestern mit Oran Sand im Lucky Strike getroffen hatte, war Jenner! Morgan Jenner war also zurückgekommen. Das bedeutete Lebensgefahr für die Diamond. Es ging nicht mehr nur um 67 �
einige Rodeo-Pferde und um einen kleinen Mann namens Wade Morrte. Dieser Morte war mit von der Partie, klar. Ein gefährlicher Mann, wenn man ihn im Rücken hatte. Einer, auf den man aufpassen mußte. Aber nichts im Vergleich mit Jenner. Craig hörte seinen eigenen schnellen Atem, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als er fragte: »Woher weißt du das?« »Er war in Devil's Pocket, gestern, als ich einige Fleischrinder für die Minen hinbrachte«, erklärte Osgood. »Ich ging in den Lucky Strike, um einen Drink zu nehmen. Dort war er mit einem dieser Revolverfalken. Und diesen Mann wiederum habe ich schon zusammen mit Oran Sand gesehen.« »Ich glaube immer noch nicht, daß Oran damit zu tun hat«, sagte Craig. Er wurde sich selbst bewußt, wie hohl und ohne Überzeugung sein Einwand klang. »Jeder, wie er meint«, gab Osgood, die Schulter zuckend, zurück. »Aber ich dachte, du solltest es wissen. Jedenfalls ist Jenner so gefährlich, daß man ihn endgültig ausschalten sollte, bevor er richtig in Fahrt kommt.« »Weiß sonst noch jemand, daß Jenner zurück ist – einer von den anderen Ranchern?« »Noch nicht. Du bist meiner Meinung nach der Marin, der die Führung übernehmen sollte. Deshalb wollte ich es dir überlassen, mit den anderen zuerst darüber zu reden.« »Gib mir, Zeit, die Sache zu überlegen. Ich lasse dich meine Entscheidung wissen, Con.« Er mußte sich erst einmal ausschlafen, bevor er Entschlüsse faßte. Und er mußte vorher mit Oran sprechen. »Laß es nicht zu lange dauern«, warnte Osgood und wandte sich zum Gehen. Craig sah Osgood aufsteigen und hörte das schnelle Trommeln 68 �
der Hufe sich in der Ferne verlieren. Im Haus war es ruhig. Eine Lampe brannte im Wohnzimmer und warf gedämpftes Licht durch Tür und Fenster. Immer wieder überdachte er Osgoods Mitteilungen und versuchte Oran Sand aus dem Spiel zu halten. Aber es gelang nicht. Zu eigentümlich war Orans Benehmen in der letzten Zeit – seine seltsame Stimmung im Luky Strike, sein Zusammentreffen mit Jenner dort, wenn dieser Mann wirklich Jenner gewesen war. Orans Wunsch, davonzulaufen und Rita mitzunehmen. Irgend etwas fraß an Oran. Und dann der Bandit von gestern nacht, der gesagt hatte: »Frag deinen Freund Sand…« Craig drückte sich von der Wand ab. Er würde Oran finden, und Oran würde ihm Rede und Antwort stehen. Rita blickte auf, als er das Wohnzimmer betrat. »Wo ist Oran?« fragte er. »Weggegangen. Er wollte noch etwas ausreiten.« Sie runzelte die Stirn. »Ich verstehe ihn nicht, Craig. Er ist so anders. Vorhin saß er lange im anderen Zimmer, im Dunkeln, Als fürchte er sich Vor dem Licht.« Craig blickte zur Tür. Wie ein Schlag traf ihn die Erkenntnis, daß er und Osgood vor dem Fenster dieses Zimmers gesprochen hatten! , »Wann ist Oran weggegangen?« fragte Craig. »Vor zehn Minuten ungefähr.« Sie stand auf. »Craig, irgend etwas ist mit ihm nicht in Ordnung. Was ist es? Ich glaube, du weißt es.« Er wußte nicht, was er antworten sollte. Wenn Oran in dem Zimmer gesessen hatte, mußte er gehört haben, was Osgood über ihn sagte. Warum war er dann heimlich weggeritten, statt Osgoods Verdächtigungen zurückzuweisen? Er fühlte sich unbehaglich. Und als er ihr in die Augen blickte, wußte er, daß er kein guter Lügner war. Der Tod Zacks und Ben69 �
nies hatte sie so schrecklich mitgenommen. Er wollte ihr nicht noch mehr Kummer bereiten. Aber er wollte sie doch etwas fragen, und er wußte nicht, wie er es anstellen Sollte. »Oran und du seid ihr nun entschlossen?« fragte er plötzlich. Sie hob die Augenbrauen. »Ist das so .wichtig für dich, Craig?« »Nicht für mich«, antwortete er hastig, »für dich.« »Für mich?« Sie blickte ihn nachdenklich an. Wie schön und begehrenswert sie ist, dachte Craig. Er würde nicht zulassen, daß sie etwas tat, was sie ihr Leben lang bereuen mußte. »Ich möchte dich nicht beunruhigen, sagte er. »Aber bist du dir ganz sicher, daß du Oran heiraten willst?« Im Zimmer war es so still, daß Craig die Petrollampe zischen hörte. »Ja«, erwiderte sie schließlich, ohne ihn anzublicken. »Nichts hat sich geändert, Craig.« Er spürte aber, daß mit ihr eine Veränderung vorgegangen war und sie dies nicht zugeben wollte. Trotzdem konnte er sich nicht dazu überwinden, ihr Osgoods Verdacht mitzuteilen. Auch von Jenners Rückkehr sagte er nichts. Er zuckte die Schultern, »Nun, dann ist ja alles in Ordnung. Ich wollte es nur wissen.« Er wandte sich der Treppe zu. »Schätze, ich kann einigen Schlaf brauchen.« »Augenblick, Craig.« Ein kleines Lächeln war auf ihrem Gesicht, als sie auf, ihn zukam. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn. Er war versucht, sie an sich zu pressen. Aber es war kein Kuß, der dies erlaubt hätte. So küßte sie ihn, wenn sie für längere Zeit verreiste oder von einer Reise zurückkehrte. »Willst du verreisen?« fragte er deshalb. »Aber nein.« Sie lachte leise. »Ich verlasse die Diamond nicht. Aber ich war dir dies schuldig, weil du dich so um mich sorgst. 70 �
Du bist ein wirklicher Bruder!« Er nickte. »Thanks. Und gute Nacht.« * Oran Sand hatte gehört, was Craig und Osgood zusammen sprachen. Ihm war, als wanke der Boden unter ihm. Nicht lange, und Craig würde die ganze Wahrheit wissen. Craig hatte ihn zwar verteidigt, trotzdem aber waren seine – Orans – Tage hier auf der Diamond vorbei. Wenigstens so lange, Wie Craig hier im Wege war. Sobald Osgood gegangen war, würde Craig zu ihm kommen und Fragen stellen. Und diesmal würde er Craig nicht mehr beschwichtigen können… Mit verzerrtem Gesicht Verließ Oran das Haus durch die Hintertür und eilte schnell und leise zum Stall. Er hatte noch keine Idee, die er ergreifen würde. Nur eines wußte er – er mußte weg. Er gab dem Pferd die Sporen und schlug die Richtung zu Jenners Hüttenversteck ein. Um Mitternacht erreichte er den abgelegenen Platz. Nichts regte sich, nur der Wind sauste in den Kiefern. Aber Oran wußte Bescheid, unter welchen Vorsichtsmaßregeln man sich trotzdem Jenners Hütte zu nähern hatte. Er hielt auf fünfzig Meter, rollte eine Zigarette und riß ein Streichholz an. Er ließ es flackern, als die Zigarette schon brannte. Man sollte nicht im Zweifel . darüber sein, wer gekommen war. Eine, heisere Stimme mit bösartigem Unterton«kam durch die Nacht: »Wird Zeit, daß du dich zeigst Der Boss läßt dich schon seit dem Morgen suchen.« Er stellte sein Pferd hinter der Hütte neben dem Buschcorral ab. Als er um die Hütte zur Tür ging, brannte innen Licht Jenner war aufgewacht. 71 �
»Eh!« war Jenners ganzer Gruß. Er saß auf der Bettkante, in schmutzigem Unterzeug. Mit einem bloßen Fuß kratzte er den anderen. Ein Colt lag neben dem Kopfkissen. »Ich habe wichtige Neuigkeiten«, sagte Oran schnell. »Well, plätschere. Dafür wirst du ja bezahlt.« »Craig weiß, daß du hinter allem steckst. Er organisiert die Rancher.« Jenner starrte ihn an. Seine kleinen Augen kniffen sich zusammen. »Weiß er es von dir?« Jenners Hand griff nach der Waffe. Oran schluckte. »Ich bin doch nicht verrückt, Morgan. Wäre ich dann gekommen, um es dir zu sagen?« »Vielleicht nicht. Was weißt du sonst?« »Schätze, .du wirst rechtzeitig erfahren wollen, wann die Rancher fertig zum Zuschlagen sind. Das hängt von Craig« ab. Ich bin der einzige, der es vor jedem anderen wissen wird.« »So wertvoll bist du?« Jenner blickte ihn schlau an. »Das wird mein Abschiedsgeschenk sein – daß ich dir das berichten werde. Dann verlasse ich das Land und nehme das Mädchen mit mir.« Heller Spott blickte ihm aus Jenners Augen entgegen. Oran begann zu ahnen, daß er die Sache falsch berechnet hatte. Ein schiefes Grinsen hob Jenners Oberlippe. »Welche hübschen Gedanken du in deinem Kopf hast! Ich übernehme die Diamond, und dazu gehört auch das Mägdelein! Sie wird mir außerdem einen so rechtmäßigen Besitztitel auf die Ranch verschaffen, daß kein Richter daran mäkeln kann.« Oran stand langsam vom Stuhl auf. Seine Finger in der Nähe der Hüften waren steif und gespreizt. »Gib dich keinem Irrtum hin, Morgan. So ist es nicht verabredet Das Mädchen ist mein Teil von dem Handel«, entgegnete er. Jenner grinste, aber seine Augen waren eiskalt Mit einer 72 �
schnellen Bewegung hatte er den Colt vom Bett aufgenommen und auf Oran gerichtet. »Du bist im Irrtum, Sand – in dem größten deines Lebens. Du bekömmst weder das Girl noch ihr Bankkonto. – Du kannst froh sein, wenn ich dich weiter in meiner Bande herumlaufen lasse.« Oran steckte in der Falle. Er war nun wohl schlimmer dran als je, ohne Chance, ohne Hoffnung. In diesem Augenblick sah er sich so, wie er war – schwach und feig. Alles, was er wagen würde, war zuzusehen, wie Jenner seine Pläne ausführte. . »Jenner«, sagte er verzweifelt, »du kannst…« Er machte einen Satz, als das Fenster zerklirrte, die Lampe zerschmettert und das Zimmer in Dunkelheit getaucht wurde. Gleichzeitig hörte er das Krachen eines Gewehres. * Conrad Osgood hatte zu lange im Rinderland gelebt, um aufflackernden Rinderdiebstahl auf die leichte Schulter zu nehmen. In diesem Land gab es noch kein organisiertes Gesetz. Die Rückkehr von Morgan Jenner konnte daher nur bedeuten, daß er bleiben und das ganze Tal unter seine Gewalt bringen wollte. Für Osgood waren die Anzeichen deutlich genug. Damals, als Jenner in der Maske eines ehrlichen Cowboys die Diamond ausraubte, war Osgood einer der wenigen gewesen, die ihn beargwöhnt hatten. Da kein Beweis zu erbringen war, hatte er geschwiegen. Aber diesmal würde er dafür sorgen, daß rechtzeitig reiner Tisch gemacht wurde. Den ganzen Nachmittag hatte er über Jenner nachgedacht. Daß der Bandit sich in Devil's Pocket zeigte, war' sein grundlegender Fehler gewesen. Er hatte sich zu sicher gefühlt und auf die Veränderung gebaut, die fünfzehn Jahre an einem Mann bewirken. Aber Osgood hatte nicht nur eine Adlernase, sondern auch 73 �
Augen, die scharf wie die eines Adlers waren. Um die Lage des Bandenverstecks kreisten seine weiteren Gedanken. Und dann hatte er eine Idee. Er kam selten weit nach Norden, aber dort wußte er einen prächtigen Platz, den' eine Bande zu ihrem Versteck wählen konnte. Gleich unterhalb der Wasserscheide befand sich eine alte Blockhütte, versteckt unter Kiefern. Ganz in der Nähe gab es auch eine prächtige Weide, auf der die Pferde grasen konnten. Dabei lag sie abseits der begangenen Wege, doch nahe genug, um sie schnell erreichen zu können. Der Gedanke, daß Jenners Versteck dort sein könnte, bohrte unablässig in ihm. Deshalb bog er jetzt nach Norden ab. Er wollte in der alten Forsyth-Hütte nachsehen. Zufrieden tastete er nach der Winchester im Gewehrschuh. Seit er Wußte, daß Jenner im Land war, ritt er nicht ohne Gewehr. Wie ein Wildtier der Nacht prüfte er die Luft und merkte schließlich, daß es schwach nach Staub roch. Bei der herrschenden' Windstille konnte dies nur bedeuten, daß irgend etwas vor ihm war. Ein Elchhirsch, der, erschreckt von seiner Annäherung, flüchtete? Das war natürlich denkbar. Er stieg ab, riß ein Zündholz an und prüfte den Trail. Er fand viele Spuren, die in beide Richtungen führten. Er verstand sich auf das Fährtenlesen. Kaum wahrnehmbarer Staub befand sich über den Spuren eines Pferdes, das sich in der gleichen Richtung wie er bewegte. Aus der Entfernung zwischen den Eindrücken und aus ihrer Tiefe konnte er entnehmen, daß der Reiter im Gebrauchsgalopp geritten war. Osgood stieg auf und setzte sein Pferd ebenfalls in Galopp. Die Staubfahne wurde allmählich deutlicher. Offenbar war der Reiter vor Osgood zeitweise langsamer geritten. Schließlich erreichte der Rancher die von Fichten gesäumte Waldwiese, eben in dem Augenblick, als in der Hütte am ande74 �
ren Ende ein Licht aufflackerte. Der Schatten eines Mannes erschien kurz, als sich die Tür öffnete und wieder schloß. Sich an den Waldrand haltend, näherte Osgood sich vorsichtig der Hütte. Schließlich stieg er ab, zog das Gewehr aus dem Sattelschuh und schlich, noch näher. Auf dreißig Meter verharrte er geduckt, er wagte sich nicht weiter vor. Vermutlich befand sich irgendwo eine Wache. Immerhin konnte er schließlich den einen Mann in der Hütte erkennen. Es war tatsächlich Morgan Jenner. Der Bandit hielt den Revolver auf jemand gerichtet Osgood unterdrückte die Aufregung, die ihn beim Anblick Jenners ergriffen hatte. Er zielte und feuerte. Ob er getroffen hatte, konnte er nicht erkennen, denn zugleich mit dem Schuß verlöschte das Licht. Nun war es höchste Zeit, zu verschwinden. Osgood lief geduckt auf sein Pferd zu. Bevor er es erreichte.« hörte er noch Jenner haßerfüllt rufen. »Verdammt, du hast uns Bishop auf den Hals gebracht!« Oran Sand stand einen Augenblick wie betäubt in der plötzlichen Dunkelheit. Jenners wütendes Gebrüll und der Revolverschuß, den er unmittelbar darauf abgab, machten Oran schnell wieder lebendig. Infolge des Sprunges, den er im Dunkeln machte, hatte Jenners Kugel das Ziel Verfehlt. Trotzdem wußte Oran, daß er binnen einer Minute tot sein würde, wenn er nicht schleunigst Fersengeld gab.« Er riß die Waffe aus dem Halfter und feuerte dorthin, wo der Mündungsblitz erloschen war. Dann wirbelte er herum und raste zur Tür. Er rannte einen Mann über den Haufen, der eben hereinwollte. Schnell gab er einen weiteren Schuß in die Hütte ab, stürmte um die Ecke und zu seinem Pferd. Er warf sich in den Sattel, während die Nacht von Mündungsflammen durchzuckt wurde. Blei 75 �
kreischte an ihm vorbei. Sein Pferd schnaubte erschrocken und wieherte schmerzlich auf, als er ihm die Sporen brutal in die Weichen stieß. Oran Sand raste blindlings durch die Nacht. Erst die Erschöpfung des Pferdes ließ ihn anhalten. Er war dem Tod näher gewesen als jemals und zitterte an allen Gliedern. Er legte sich auf den Boden und sog gierig die kühle Nachtluft ein. Langsam kehrte etwas wie Vernunft zu ihm zurück, und er begann nachzudenken. Nun fragte er sich, wer den Schuß, der ihn rettete, abgegeben hatte. War es wirklich Craig gewesen, wie Jenner vermutet hatte? Dann war ihm Craig. bereite auf den Fersen. Nicht, daß dies noch viel bedeutete. Nach den Eröffnungen Osgoods konnte es sich nur um Stunden handeln, bis er Craig auf jeden Fall auf der Fährte hatte. Von nun an würde er von jedermann im Tal' gejagt werden. So sehr sie sich gegenseitig haßten, Jenner und Craig, in diesem Punkt würden sie sich einig sein. Nach einer Weile stieg er wieder auf Und ritt ziellos umher. Er wußte nicht, daß er dabei der Diamond immer näher kam. Der neue Tag fand ihn an einem Platz, von dem aus er auf die Ranch hinuntersehen konnte. Mutlos blieb er im Sattel sitzen und wartete Nach einer halben Stunde sah er Craig und Tennessee aufsatteln. Jeder hatte sich mit einem Spaten versorgt, als sie wegritten. Er dachte darüber nach und kam zu dem Schluß, daß sie zu den anderen Toten der Diamond ritten, die am Kampfplatz zurückgeblieben waren. Damit würden sie den größten Teil des Tages unterwegs sein: Eine Idee kam ihm. Craig war ihm mindestens für Stunden aus dem Weg. Das war die Chance, mit Rita zu flüchten. Er wußte auch schon, wie er Rita zwingen konnte, die Diamond zu verlassen. 76 �
Drei Stunden, nachdem Craig und Tennessee die Ranch verlassen hatten, saß Oran immer noch an seinem Beobachtungsplatz. Die ganze Zeit sagte er sich, daß er längst Meilen hinter sich gebracht haben sollte. Jenners Männer ritten vielleicht jetzt schon durch die Wälder und kontrollierten die Trails. Diesmal würde es sein Ende bedeuten, wenn sie ihn erwischten. Aber er konnte sich nicht entschließen. Bas Glück, das ihm so verführerisch gelächelt hatte, war zu groß. Er wollte wenigstens« Trümmer davon retten. Und das war Rita und ihr Bankkonto, möchte auch die Diamond verloren sein. Er konnte aber mit der Ausführung seines Planes erst beginnen, wenn er Craig ausreichend Zeit gegeben hatte, in eine Klemme zu geraten. Endlich stieg er auf und ritt zur Ranch. Als er in einer Entfernung war auf die er von der Ranch aus leicht bemerkt werden konnte, gab er dem Pferd die Sporen. Im Galopp stürmte er in den Hof und bog zur Veranda auf der Vorderseite ab. Er warf sich aus dem Sattel und rannte ins Haus. Zusammen mit seinem Aussehen wirkte sein Auftritt echt. »Rita!« rief er atemlos. »Rita!« Sie antwortete aus der Küche. Als sie ihn sah, seine zerrissenen Kleider, sein verschrammtes Gesicht, prallte sie zurück und unterdrückte einen Schrei. »Oran – was ist geschehen?« fragte sie, die Augen schreckhaft aufgerissen. »Craig, Rita!« rief er gehetzt. »Er ist verwundet! Er verlangt nach dir, Rita! Du müßt zu ihm – sofort!« Das Blut wich so völlig aus ihrem Gesicht, daß er befürchtete, sie würde ohnmächtig. Dann faßte sie sich. Trotzdem war ihre Stimme so tonlos, daß er sie kaum verstehen konnte. »Wo ist er? Was ist geschehen?« flüsterte sie erschrocken. Nur nicht zuviel reden, dachte Oran, du mußt sie in Atem hal77 �
ten. »Später! Keine Zeit jetzt… Kleide dich zum Reiten an, ich sattle dir dein Pferd«, gab er zurück. Er wirbelte auf dem Absatz herum, lief hinaus, sattelte ein Pferd, das so aussah, als sei es zäh und ausdauernd. Wieder in der Küche, nahm er einen Mehlsack, warf Zwieback hinein und den aufgeschnittenen Braten, den er auf einem Servierteller bemerkte. Er rollte den Sack zusammen und steckte ihn unter das Hemd. Aus einer Kanne goß er sich eine Tasse Kaffee ein und trank. Er hörte Ritas Schritte auf der Treppe, jetzt nicht mehr zögernd, sondern entschlossen. »Komm schon«, drängte er. »Wir müssen uns beeilen!« Er ging über den Hof voraus. Sie mußte laufen, um mit ihm Schritt zu halten. Ihr Reitrock wippte gegen ihre Beine. »Wie schwer ist er verletzt?« fragte sie. »Schlimm genug«, antwortete ex über die Schulter. Sein Blick hetzte über das freie Gelände um die Ranch. Nichts war zu sehen. »Bemühe dich, mein Tempo zu halten. Wir müssen schnell reiten, obwohl wir Abkürzungen nehmen«, munterte er sie auf. Sie ritten, im Galopp nach Nordwesten. In diese Richtung waren Craig und Tennessee geritten, wie Rita wissen mußte. Aber später, im Wald, wenn er einige angebliche Abkürzungen geritten war, würde sie wohl die Orientierung verlieren. Well, sie waren unterwegs. Er hätte am liebsten gelacht und hinausgeschrien, daß er frei war, daß er all die furchtbaren Gefahren hinter sich hatte. Er war auf dem Weg nach California und nicht mit leeren Händen… Bäume ragten über ihnen auf, die Sonne warf verflochtene Muster auf den Nadelboden. Oran zügelte das Tempo seines Pferdes etwas, damit Rita Schritt halten konnte. Er hütete sich aber, zu langsam zu werden. Er mußte sie mit den Schwierigkei78 �
ten des Weges, beschäftigen, durfte ihr keine Gelegenheit zum Denken geben. »Oran, nun erzähle endlich, was passiert ist. Und wie weit ist es überhaupt noch?« drang ihre Stimme in seine Überlegungen. Meilen, hätte er am liebsten gesagt, Meilen über Meilen, den ganzen Weg nach California. Er versuchte ihr beruhigend zuzulächeln. Aber es klappte nicht. Es wurde nur eine verzerrte, gehetzte Grimasse. »Nicht mehr weit.« log er. »Man hat ihn angeschossen. Ich hoffe, es ist nicht so schlimm.« Eine Stunde ging vorbei, eine zweite. Die Pferde glänzten vom Schweiß. Plötzlich hielt Rita an. »Wie weit ist es noch, Oran! Ich will es jetzt wissen.« Er' blickte abschätzend umher. »Wir Bind schon nahe«, behauptete er. »Was ist denn? Traust du mir nicht?« Nur nicht viel reden, dachte er. Du mußt sie im Trab halten. Nur weg – mit ihr. Später war Zeit, ihr begreiflich zu machen, daß er das alles nur ihretwegen getan hatte. Daß er sie auf diese Weise aus der Gefahrenzone hatte bringen müssen, weil sie sich geweigert hatte, die Diamond zu verlassen. Nach Westen, immer nach Westen, wo die Sonne in California unterging. Er sah die Unentschlossenheit auf ihrem Gesicht und erkannte ihr wachsendes Mißtrauen, Sie blickte nach allen Seiten und setzte dann ihr Pferd wieder in Gang. »Es würde jetzt wirklich besser sein, wir wären bald da, Oran«, sagte sie. Plötzlich brachte er sein Pferd mit einem Zügelruck zum Stehen. Wolfsähnlich hatte sich der heulende Schrei eines Mannes erhoben. Das Echo rollte durch die bewaldeten Berge, bald« stärker, bald schwächer, und verklang. Oran blickte wild umher. 79 �
Sie hatten eine freie Fläche überquert Dabei mußte man sie bemerkt haben! »Was war das?« Rita blickte ihn entsetzt an und sah dann in die Richtung des Rufes. »Weiter, weiter!« schrie er wild. »Das sind die, die Craig angeschossen haben! Wir müssen weg! Los!« Er wußte – das waren Jenner und seine Leute. * Craig und Tennessee kamen kurz nach Mittag zurück. Schweißkrusten hatten sich auf ihren Hemden gebildet, und an ihren Händen befanden sich Blasen. Es war mühsam gewesen, in dem felsigen Boden Gräber auszuwerfen. »Wem gehört das Pferd?« fragte Tennessee und deutete auf einen großen Rappen an der Ecke der Vorderveranda. Craig blinzelte gegen die Sonne und erkannte Osgoods Pferd. Der alte Rancher war also zurück, um sich die Antwort zu holen. »Geh in die Küche und iß«, sagte Craig. Er selbst ging um das Haus zur Vorderseite. Osgood saß auf der Veranda und hatte den Hut im Schoß. Ein leichtes Lüftchen spielte mit seinem spärlichen, grauen Haar. Seine lange, schmale Nase ragte gebogen aus dem Gesicht, und seine kleinen, grauen Augen blickten ruckhaft umher, als habe er Angst, etwas Wichtiges zu übersehen. Craig wurde an einen alten, fast kahlen Adler erinnert, der hier bereit war, die Diamond mit Schnabel und Klauen zu verteidigen. Der Gedanke ließ ihn flüchtig lächeln. »Hast du nachgedacht?« fragte Osgood. »Yeah. Con.« »Well, es ist jetzt an der Zeit, etwas zu unternehmen. Ich habe herausgefunden, wo Jenner sein Versteck hat. Wir holen die Rancher zusammen und schlagen ihn nieder, so schnell, daß er gar keine Zeit hat, zu erkennen, was ihn getroffen hat.« Osgood 80 �
knallte seinen Hut auf den Kopf und lehnte sich vor. »Ich habe ihm gestern nacht einen Besuch abgestattet und ihm meine Visitenkarte zurückgelassen.« – Craig nickte. Wenn er jetzt nicht zustimmte, würde Osgood ohne ihn die Rancher zusammenrufen. Dann war er aus dem Spiel und konnte keinen Einfluß mehr ausüben. Und das war ihm besonders im Hinblick auf Oran unangenehm. Osgood hatte Oran im Verdacht, ein Komplice der Rustler zu sein, und ein aufgebrachtes Aufgebot neigte dazu, Verdacht mit Beweis gleichzusetzen und einen Mann, der im Zwielicht stand, kurzerhand aufzuhängen. »Bis morgen früh könnte wohl das Aufgebot versammelt sein«, sagte Craig deshalb. »Wäre dir das recht?« »Ich werde die Männer vor Tagesanbruch hier haben«, sagte Osgood, schlug sich auf den Oberschenkel und stand auf. »Acht Meilen sind von hier aus zu Jenners Versteck. Wenn wir in der Morgendämmerung über sie kommen, haben wir eine gute Chance, die ganze Bande zu schnappen.« Craig war dessen nicht so sicher. Jenner konnte sein Versteck verlegt haben, nachdem Osgood seine »Visitenkarte« zurückgelassen hatte. »Ich werde bereit sein«, stimmte er zu. Osgood kletterte, sehr munter für sein Alter, in den Sattel und ritt weg. Craig sah ihm nach und dachte dabei, daß er innerhalb zwei Tagen sechs Männer begraben hatte. Er hatte keinen Wunsch, es noch mehr werden zu lassen, jedenfalls nicht, soweit es sich um Männer handelte, die mit der Diamond befreundet waren. Er ging ins Haus und blickte umher. Rita War nicht da. Er vermutete, daß sie auf ihrem Zimmer war und ging in die Küche. Tennessee saß am Tisch und knabberte an einem Knochen. Old Ching knurrte, schenkte Kaffee ein und begann wieder mit Töpfen und Pfannen zu rasseln. 81 �
Craig war hungrig. Nach dem Essen würde er Rita veranlassen, eine der Ranchersfrauen zu besuchen und dort zu bleiben, bis alles vorbei war. Dann würde er Oran suchen. Wenn Oran morgen mit dem Aufgebot ritt, würde das den Verdacht gegen ihn entkräften. »Nimm dein Gewehr«, befahl er Tennessee, »und such dir einen Platz, von dem aus du meine Rodeo-Pferde im Tal unten bewachen kannst. Morte könnte den Einfall haben, es noch einmal zu versuchen.« Tennessee wischte mit dem Ärmel über den Mund. »Ich werde zuerst schießen und dann fragen.« Er ging hinaus, um sein Gewehr zu holen. Als Craig fertig war, ging er zur Treppe und rief: »Rita.« Old Ching trat vor die Küchentür, seine Hände an der Schürze abwischend. »Nicht hier«, sagte er mit seiner singenden Chinesenstimme. »Weggeritten mit Mister Sand.« Er schüttelte den Kopf. »Er kommen, sie reden und reiten weg.« »Wohin?« »Nicht sagen. Einfach reiten.« »Wann?« Er kratzte sich den Kopf. Drei Stunden, vier Stunden? Er zuckte die Schultern. Sie sind ausgeritten, dachte Craig und sagte: »Wenn sie zurückkommen, sage Mister Sand, ich Will ihn sprechen. Er soll unbedingt auf mich warten.« Craig ging, um sich ein frisches Pferd zu satteln. Die Abwesenheit der, beiden gab ihm Gelegenheit, noch etwas zu erledigen, bevor er das Aufgebot gegen Jenner führte. Er würde Morte fragen, wieso sein Scheck über neunhundert Dollar in die Tasche des Heckenschützen kam, der auf ihn geschossen hatte. Was Morte auch gesagt hatte, eines war richtig gewesen – es gab hier nicht genügend Platz für sie beide. 82 �
Craig ging zum Canyonrand, wo Tennessee mit dem Gewehr über den Knien an einer Kiefer saß und die Rodeo-Pferde auf der Wiese unten bewachte. Craig dachte daran, daß er in wenigen Tagen vertragsmäßig die Rodeo-Schau in Devil's Pocket durchführen mußte. Da er in Devil's Pocket Wade Morte zu finden hoffte, würde er besser die Pferde gleich dorthin bringen. Die Pferde bedeuteten für Craig dreitausendfünfhundert Dollar. Weitere fünfzehnhundert Dollar waren in Sätteln und anderer Ausrüstung angelegt Die Anlage hatte fast sein ganzes Sparkapital verzehrt. Wenn er nicht ins Geschäft kam, würde er ruiniert sein. Deshalb war die Show in Devil's Pocket so wichtig. Wenn diese ein Erfolg würde, würde er auch in Cooper City einen Kontrakt erhalten, und damit wäre ein guter Anfang gemacht. Nach zwei Meilen schlossen die Pferde auf und kreisten. Tennessee mußte angehalten haben. »Was ist denn los?« rief Craig. Tennessee befand sich bereits hinter der nächsten Biegung, so daß Craig ihn nicht sehen konnte. Wenn er aber nachschaute, mußte er um die Pferde reiten, und diese würden umdrehen und zur Weide zurücklaufen. »Tennessee!« Keine Antwort kam. Craig versuchte die Pferde zu treiben, aber diese drängten sich nur dichter zusammen, schnaubten und rollten die' Augen. Irgend etwas war hinter der Biegung nicht in Ordnung. Craig lenkte sein Pferd in den Wald und bog um die Herde aus. Vorn krachte ein Revolver. Die nervös gewordenen Pferde stürmten den Weg zurück. Craig fluchte und trieb sein Pferd schneller an. Als er aus dem Wald kam, sah er Tennessee steif im Sattel sitzen, den alten 44er auf das Sattelhorn stützend. Er starrte auf, Mitch Templeton. Mitch blickte aus zusammengekniffenen, haß83 �
erfüllten Augen und hatte die Hand auf seine blutende Schulter gepreßt Sein Gewehr lag am Boden. »Er wollte auf mich schießen«, erklärte Tennessee, »weil ich ihm gestern den Colt vor die Nase hielt.« Craig wandte sich zornig Mitch zu. »Habe ich dich nicht gewarnt! Wenn du mir noch einmal in die Quere kommst, ist es das letzte Mal. Nun verschwinde!« Mit zuckendem Gesicht zog Mitch das Pferd herum. »Weil du schon so gerne warnst, Bishop, habe ich auch eine Warnung für dich»Ich setze deinen Namen auf meine Liste.« Die Hand auf der Schulter, ritt er weiter. Als Craig ihm nachsah, legte sich sein Zorn. Man konnte es dem Jungen nicht verdenken, daß er sich wild aufführte. »Er ist an dem Durcheinander schuld«, sagte Tennesee. »Ich wollte wahrhaftig nicht gegen ihn ziehen und schon gar nicht schießen.« Craig nickte. »Bleib hier. Ich werde die Pferde zurücktreiben.« Er trieb sein Pferd so schnell wie möglich durch den' Wald und befand sich endlich vor der Herde, die längs des Trails zu grasen begonnen hatte. Gegen vier Uhr befanden sie sich an der Wasserscheide und sahen auf Devil's Pocket hinunter. Craig hatte in der Nähe der Minenstadt eine Weide gemietet dorthin trieben sie die Herde. Bald darauf ritten sie in das Minencamp, das unter der Sonne döste. Devil's Pocket war eine Stadt des Nachtlebens. Liberty stand vor der Tür seines Saloons. »Hast du eine Idee, wo sich Morte herumtreibt?« »Er ist im Camp. Aber du solltest vorsichtig sein. Er ist empfindlich wie ein Nest Hornissen, in das ein Bengel einen Stein geworfen hat.« Nach dieser Warnung wechselte er das Thema. Einem Mann wie Craig Bishop gegenüber wäre es unhöflich gewesen, das 84 �
Kindermädchen zu spielen. »Du hast deine Pferde ziemlich früh gebracht«, meinte er. Craig trat unter dem Haltegeländer durch, und Tennessee folgte ihm. »Könnte sein, daß ich die nächste Zeit ziemlich beschäftigt bin. Kannst du zwei Männer stellen, die die Pferde bewachen?« Jimmy nickte. »Gerne. – Womit wirst du denn beschäftigt sein?« Er zog eine Zigarre aus der oberen Hemdtasche und zündete sie an. »Es gibt Leute, die sind mit Informationen nicht so knapp wie du, Jimmy«, meinte Craig darauf. »Aha«, sagte Jimmy und betrachtete die Zigarre, als spräche er mit ihr. »Nun, jedenfalls kannst du bei deiner bevorstehenden Beschäftigung auf mich zählen.« »Du meinst gegen Morte?« »Ich meine gegen jedermann. Well, Craig, ich hätte dir gleich reinen Wein einschenken sollen. Immerhin glaubte ich aber, du würdest Jenner erkennen, wenn du ihn siehst.« Craig zog den Scheck über neunhundert Dollar heraus und reichte ihn Jimmy. »Schau dir das an. Soviel bin ich Morte wert.« Jimmy studierte den Scheck und nickte ernst. »Er ist im Lucky Strike. Aber es gibt dort Leute, die etwas auf ihn halten.« »Ich werde es nicht vergessen.« Craig lächelte dünn. Tennessee lehnte am Haltebalken und hatte jedes Wort gehört. Als Craig sich abwandte und die Straße hinunterging, stemmte er sich ab und setzte sich an seine Seite. Sie überquerten die Veranda des Lucky Strike und betraten das Lokal. Tennessee zog seinen Hut fest, als fürchte er, etwas könnte ihn von seinem Kopf blasen. Seine rechte Hand war bereit für ein schnelles Ziehen. Seine Oberlippe war etwas gehoben und ließ 85 �
die vorstehenden Schneidezähne sehen. Craig blieb in der Nähe des Eingangs stehen und blickte sich um. Morte saß bei einem Pokerspiel zusammen mit vier anderen. Er mischte eben die Karten. Als er Craig bemerkte, warf er die Karten in die Mitte des Tisches und fingerte an seinen Chips herum. »Ich steige aus«, sagte er schließlich. Die anderen Spieler blickten von ihm zu Craig und regten sich unbehaglich. Tennessee stand gespannt da, Seine Rechte schwebte über dem Kolben seines Colts. »Am besten stellst du dich drüben an der Wand auf«, flüsterte Craig ihm zu. Dann ging er zu dem Tisch, zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Warum bleibst du denn nicht im Spiel, Morte?« fragte er, zog den Scheck aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. »Das sollte eine Menge Chips wert sein.« Die anderen blickten verwirrt drein. Mortes Gesicht wurde dunkel. Craig lachte grimmig und sagte: »Falls du neugierig bist: Ein Mann versuchte mich aus dem Hinterhalt zu erschießen – und hatte dieses Papierchen in der Tasche.« Morte plusterte sich auf. »Davon weiß ich überhaupt nichts. Und was den Scheck betrifft, so bezahlte ich damit eine ehrliche Rechnung, und zwar an einen Mann namens Jenner. Du hast ihn doch nicht…?« »Erschossen meinst du? Noch nicht. Ich habe den Scheck auch nicht von ihm, sondern von einem Mann mit einem Stahlhaken statt einer Hand. Kennst du den?« »Bist du auf Verdruß aus, Bishop?« Mortes Augen blitzten. »Den habe ich schon. Du hast dafür gesorgt Ein Mann ver86 �
suchte mich umzubringen. Ich erwischte ihn, und er hatte dieses Blutgeld bei sich, auf das dein Name geschrieben steht.« Nach dieser Feststellung war die Zeit für Worte vorbei. Aber Morte wußte, was ihm passieren konnte, wenn Craig Bishop nicht mehr redete. Er hatte ja einen Kampf, mit dem Holzfäller McCork gesehen!. Mit Verzweiflung in den Augen griff er zur Waffe. Craig schlug zu, Morte taumelte zurück. Mit einem Satz war Craig am Mann und schlug ihm die Waffe aus der Hand. »Dachte mir schon', daß du es probieren willst«, sagte Craig. »Aber für dich weiß ich etwas anderes, du Bastard!« »Craig – aufgepaßt!« Auf den schrillen Warnruf Tennessees warf Craig sich zu Boden. Das Krachen eines Revolvers dröhnte an sein Ohr. Craig rollte sich auf die linke Seite, stemmte sich auf den Ellenbogen und griff mit der Rechten zur Waffe. Er hielt ein, als er in die Mündung des Revolvers blickte, den einer der Pokerspieler auf ihn gerichtet hatte. Mortes schriller Schrei klang wie ein Messerhieb: »Schieß ihn nieder, Josh!« Von der Wand her krachte ein Schuß. Craig sah den Revolvermann zucken. Seine blassen Augen begannen glasig zu werden. Er taumelte zurück und stürzte. Craig stand auf, sein Blick glitt über die anderen Pokerspieler. Sie schüttelten die Köpfe und behielten ihre Hände auf dem Tisch Tennessee versuchte mit einem Grinsen die Spannung auf seinem Gesicht zu überdecken. Rauch kräuselte aus der Mündung seines 44ers. . »Ich hatte Angst, dich zu treffen«, erklärte er heiser, »darum rief ich zuerst.« Craig grinste ihm flüchtig zu. 87 �
Morte lag noch am Boden. Craig packte ihn an der Hemdbrust und zerrte ihn auf die Beine. »Komm mit, du Skunk«, sagte er. Mit einem Ruck schleuderte er. ihn auf die Tür zu. »Ich werde mit dir das Rodeo in Devil's Pocket eröffnen. Mit einer Ein-Mann-Schau. Du bekommst eine prima Chance. Die neunhundert Dollar sind dem Einsatz. Gewinnst du, bekommst du meine dreißig Pferde. Zweimal kannst du dein Glück versuchen auf den tüchtigsten Teufelspferden, die unter den dreißig sind. Verliere – und du verläßt das Land. Ist das fair?« Angst stand in Mortes Augen. Craig hatte ihn bereits wieder am Kragen. Morte versuchte vergeblich, sich loszumachen. Craig zerrte ihn die Straße hinunter. Tennessee ging hinter Craig und Morte, die Hand am Kolben. Seine drohenden. Blicke ließen es keinem geraten sein, sich einzumischen. Craig brachte Morte in die Braunbär-Bar. Jimmy Liberty starrte, als wolle er seinen Augen nicht recht trauen. Aber in ihrem Hintergrund lauerte ein belustigtes Zwinkern. »Wir halten ein Rodeo, Jimmy«, erklärte Craig. »Das heißt, Morte wird es bestreiten. Er behauptet, er habe neunhundert Dollar, die besagen, daß er meine zwei wildesten Bocker reiten kann. Well, wenn er das fertigbringt, gehört ihm die ganze Herde und mein Vertrag mit dir. Geht das in Ordnung?« Jimmys Mund verzerrte sich verächtlich. »Ich bin etwas eigen darin, mit wem ich Verträge abschließe. Aber .wenn ihr Jungs es so haben wollt, so soll es mir recht sein.« »Fein«, sagte Craig. »Jimmy, laß einige Pfosten auf der Straße einschlagen. Diesmal muß es ein Seilcorral als Rodeo-Koppel tun.« Mortes Gesicht war scharlachrot. Er starrte wild umher. »Leiste dir nur deinen Spaß, Bishop. Verdammt sei deine Haut! 88 �
Ich bringe dich um dafür!« zischte er. »Aber später, Morte. Später.« Er wandte sich an Tennessee. »Ich brauche die Stute mit der Blesse und den einohrigen Wallach Bring sie hierher. Aber du wirst einige Männer als Hilfe brauchen.« Tennessee hatte keine Mühe, Helfer zu finden. Die Straße war voll von Minenarbeitern und Goldgräbern, die ihre Arbeit verlassen hatten. Die Nachricht von dem Spaß, der bevorstand, hatte sich wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Morte vor sich herschiebend, betrat Craig die Straße. Die Miner bildeten eine Gasse. Als die zwei Bocker im Corral waren, wurde die letzte Öffnung verschlossen. »Werft ein Seil über die Stute!« befahl Craig. »Brate in der Hölle dafür«, schimpfte Morte. »Jimmy, du nimmst die Zeit ab!« rief Craig. Jimmy zog die Uhr aus der Westentasche, blickte auf das Zifferblatt und steckte sie wieder ein. »Fertig, Morte?« »Du meinst wohl, ich fürchte mich?« Er duckte sich in den Corral, prüfte fachmännisch den Sattel. Die geblendete Stute stand breitbeinig und zitternd da. Morte kletterte behutsam in den Sattel, mit grimmigem und entschlossenem Gesicht »Gebt mir das Halfter. – Nehmt die Blende weg!« Die Stute brauchte einen Augenblick, um zu erfassen, was geschehen war. Sie rannte los, blieb stehen, Wirbelte wie ein Tiger herum, dem man eine Rassel an den Schwanz gebunden hat Morte kämpfte um den Sitz im Sattel, hielt nicht mehr länger das Halfter, sondern hatte das Sattelhorn umklammert Die Stute kam aus dem Kreisel mit einer Serie von steifen Bocksprüngen, die den Boden erzittern ließen. Blut rann aus Mortes Nase und Mund, sein Gesicht wurde aschfahl. 89 �
»Er reitet ihm!« brüllten die Miner begeistert. »Er ist ein TopBuckaroo, he!« Morte hielt sich gut Craig mußte es widerstrebend anerkennen. Aber bald darauf war er dennoch fertig. Er segelte durch die Luft, prallte auf, war sofort auf den Beinen und gab vor den trampelnden Hufen Fersengeld. Ein Hoch belohnte seine Leistung. »Wie ist die Zeit, Jimmy?« fragte Craig. Liberty zog die Uhr aus der Tasche, schnitt ein finsteres Gesicht und schüttelte den Kopf. »Schlechte Zeit« »Trotzdem, wir wollen ihm den Ritt anrechnen«, sagte Craig. Zehn Mann wurden gebraucht um die Stute abzusatteln, und ebenfalls zehn, um den Wallach zu fangen und unter den Sattel zu bringen. Es waren Minenarbeiter und keine Cowboys. Ein Miner mußte mit einem gebrochenen Bein weggetragen werden. . »Du bringst mich nicht mehr hinauf!« wehrte Morte sich heftig. »Wenn du den Schneid hast schieß mich nieder. Noch' mal auf so einen Teufel bringst du mich nicht!« »Wie steht es, Männer?« fragte Craig seine raube Zuhörerschaft. »Wollt ihr Morte noch einmal reiten sehen?« »Klar! Setz ihn hinauf!« »Reite ihn, Top-Buckaroo!« Morte war außer sich. »Schämst du dich nicht, Morte?« sagte Craig. »Hungerleidende Landstreicher mit ein paar Bucks verführen, sich von deinen Killer-Pferden werfen zu lassen, das kannst du. Aber du selbst möchtest dich drücken! Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du keine Rodeo-Schau mehr veranstalten. Du bist dann erledigt in diesem Land, verstanden! Das ist eine bessere Chance, als du mir gegeben hast du Skunk. Jetzt hinauf mit dir!« »Nein! Ich will nicht, ich kann nicht!« 90 �
»Holt Striekel« rief Craig. »Er wird reiten – und wenn ich ihn hinaufbinden muß!« * Morte, von Furcht besessen, wehrte sich verzweifelt, schwang seine Fäuste, stieß mit den Stiefeln. Aber schließlich saß er doch oben. Craig hatte einen Tritt auf eine Augenbraue bekommen, aber das hinderte ihn nicht, Mortes Füße an die Steigbügel zu binden. So schlimm der einorige Teufelsgaul war, er hatte die Eigenschaft, sich nie zu werfen und sich auf seinen Reiter zu wälzen, und so konnte Morte nicht viel passieren. »Jetzt!« keuchte Craig. »Nun reite, du Heckenschützen bezahlender Schurke!« Craig riß die Blende von den Augen des Rodeopferdes. Das große Pferd wieherte schrill und bockte mit gesenktem Kopf. Mortes Kopf ruckte hoch und zurück, sein Körper tanzte über dem Sattel. Er erhielt nun eine »Abreibung«, die ihm menschliche Fäuste nicht hätten erteilen können. Schweigen lag über der Menge, als man zu begreifen begann, welcher Strafe hier ein Mann unterzogen wurde. Als es genug war, zerschnitt Craig die Corralseile am unteren Ende der Straße und winkte die Miner zurück. Das Pferd bemerkte die Öffnung, tobte bockend aus dem Corral und donnerte die Straße hinunter. Bald würde es sich müdegelaufen haben, und Morte konnte sich von den Steigbügeln losschneiden, »Den einen Gaul kann er als Erinnerung an seine Schandtaten haben«, murmelte Craig, während er ihm nachsah. Craig hatte noch den größeren Kampf vor sich Im Morgengrauen Würde er die Rancher gegen Jenner führen. Wenn alles 91 �
glückte, hatte er seine Schuld bei Zack und Bennie dann beglichen. Von da an würde er sein eigener Mann sein, frei. Und er konnte dann tun, was er wollte. Aber er fand keine Befriedigung bei diesem Gedanken. Würde er je Rita vergessen können? »Weißt du, wo Jenners Versteck ist«, fragte er, seine Gedanken zurückdrängend, »und wie viele Männer er bei sich hat?« Jimmy runzelte die Stirn. Wissen? Ich kann dir nur sagen, was Ich gehört habe. Er soll in der alten Frosyth-Hütte unterhalb des Kammes hausen. Aber er hat keine Männer bei sich, sondern die hartgesottensten Banditen, die man finden kann. Vielleicht ein Dutzend oder mehr. Du wirst zwanzig bis dreißig von unseren Männern brauchen, um Jenner zu vertreiben. Und dann möchte ich noch nicht darauf wetten.« »Well, wir werden es jedenfalls' versuchen. Kommt er öfter in die Stadt?« »Bisher nur einmal. Damals, als du ihn ebenfalls gesehen hast – und er sich mit…« Jimmy brach hustend ab. »… mit Oran traf«, ergänzte Craig. Jimmy blickte an Craig vorbei. »Was weißt du von Oran Sand?« Craig zückte die Schultern. »Er Wird Rita heiraten und die Diamond übernehmen. Weißt du noch mehr von ihm, Jimmy?« Jimmy schüttelte den Kopf. »Wissen? Nur gehört. Aber darüber möchte ich nicht reden. Entweder stimmt es, dann wirst du es bald selbst herausgefunden haben. Oder es stimmt nicht. Dann habe ich über keinen Freund von dir wie eine ehrabschneidende Klatschbase gelästert. Das war« ein Standpunkt, den Craig anerkennen mußte. Well, es wurde immer dringender, mit Oran zu reden. Jedermann schien etwas über ihn zu wissen, nur er nicht. Er blickte sich um. Tennessee stand in der Nähe, wachsam und bereit. 92 �
»Reiten wir, Partner«, sagte Craig. In den Augen des Jungen leuchtete es auf. Der Boss hatte zu ihm »Partner« gesagt! * Als sie bei eintretender Dunkelheit die Diamond erreichten, war Rita immer noch nicht zurückgekehrt Sorge erwachte in Craig. Er nahm Old Ching ins Gebet. Der wußte nur wenig, aber das klang nicht beruhigend. Sie waren überstürzt weggeritten und Oran war ohne Hut gewesen. Craig konnte sich keinen Vers darauf machen. Wenn Oran sie überredet hätte, mit ihm die Diamond zu verlassen, hätte Rita auf ihn – Craig – gewartet. Oder zumindest eine Nachricht hinterlassen. Plötzlich kam ihm eine Idee. Waren sie nach Hellgate geritten, um sich trauen zu lassen? Der Gedanke war wie ein Schock – obwohl er selbst Rita gedrängt hatte, bald zu heiraten. Hufschläge erklangen im Hof. Er ging hinaus und sah Osgood vor der Veranda halten. »Ich habe die Rancher verständigt«, berichtete er. »Sie kommen im Lauf der Nacht. Ist es dir recht, wenn ich hier schlafe?« »Stell dein Pferd ein und versorge es. Old Ching wir dir ein Essen richten.« Con ritt, zum Stall und ging dann zur Küche. Old Ching setzte ihm Essen vor. Craig lehnte an der Küchentür. »Hast du Oran gesehen, während du herumgeritten bist?« fragte er und war bemüht, es möglichst beiläufig klingen zu lassen. Con. blickte ihn an. »Deswegen wollte ich dich ohnehin fragen. Ja, ich habe sie gesehen – ihn und Rita, Westlich von hier. Drü93 �
ben bei den Twin Peaks. Ich habe sie durch .das Glas erkannt. Sie ritten am Wald entlang. Stimmt etwas nicht?« Craigs Gefühl nach nicht. Was sollten sie in dieser Richtung, zwanzig Meilen entfernt? Heiraten konnten sie dort jedenfalls nicht. »Warum sie wohl noch nicht zurück sind?« murmelte er für sich. , »Twin Peaks«, murmelte Craig. »Con, um welche Zeit war das?« »Am Frühnachmittag. Stimmt etwas nicht, Craig?« »Nicht, daß ich wüßte.« Um seine Sorge zu verbergen, ging er zum Gewehrständer, nahm seine Winchester heraus, reinigte sie und öffnete eine Schachtel Patronen. »Wieviele Männer werden es sein, Con?« Er dachte an Jimmys Meinung, daß sie zwanzig bis dreißig Männer haben sollten. »Zwölf bis fünfzehn, schätze ich. Wenn wir es richtig anpacken, sollte es genug sein.« Er wischte sich den Mund. Craig bemerkte den zweifelnden Ausdruck auf seinem Gesicht. Osgood fuhr fort. »Hast du Oran Sand etwas von dem Unternehmen gegen Jenner gesagt?« »Nein. Ich habe ihn seit der Beerdigung nicht mehr zu sehen bekommen.« »Gut«, sagte Osgood zufrieden. »Ich traue ihm nicht.« Er fügte offenherzig hinzu: »Es wäre schlimm, wenn die Jungs in eine Falleritten.« Craig dachte daran, daß Oran sein Gespräch mit Osgood belauscht haben mußte. Er entschloß sich, davon nichts zu sagen. Umsomehr würde er seine Augen offenhalten. Während der Nacht trafen die Rancher nacheinander ein. Um drei Uhr früh brach das Aufgebot auf. 94 �
Craig schlug den Trail entlang dem Canyonrand ein. Osgood ritt neben ihm. »Die Forsyth-Hütte, nicht?« fragte er Osgood. Con blickte ihn scharf an, »Ich kann nach nicht erinnern, mit dir darüber gesprochen zu haben.« »Hast du auch nicht, Liberty hatte diese Idee.« Erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß Osgood ihm das Versteck nicht mitgeteilt hatte, weil er Oran mißtraute. Es war noch Nacht, als sie eine Steile eine halbe Meile von der Hütte entfernt erreichten. Osgood sagte: »Nur du weißt noch, wohin wir unterwegs sind. – wie willst du den Angriff durchführen?« Craig hielt an, und die anderen schlossen auf. Es waren vierzehn Männer. »Con hat es euch bisher noch nicht gesagt, Leute«, nahm Craig das Wort, »aber er hat herausgebracht, daß Jenner die ForsythHütte als Unterschlupf benutzt Wir werden von vier Seiten angreifen. Tennessee und ich von vorne, das gibt vier Männer für jede der drei anderen Seiten. Bleibt im Sattel, bis ihr in Sicht der Hütte seid, dann arbeitet euch zu Fuß heran. Con, Rocker und Sweet, bestimmt die Männer, die mit euch reiten.« Das erste Grau der Dämmerung zeigte sich im Osten, als Craig und Tennessee den bewaldeten Rand der Wiese vor der Hütte erreichten. »Nichts rührt sich«, sagte Tennessee gedämpft. Der Platz lag dunkelgrau und öde vor ihnen. Die Nerven gespannt und mit bereitem Gewehr ritt Craig über die Wiese. Tennessee hielt sich links von ihm. Ein Gewehr krachte – zu seiner Rechten. Craig wandte sich in die Richtung, sah zwei Gestalten aufspringen und auf die Hütte zulaufen. Ein zweiter Schuß schmetterte in die Morgenstille, und eine der Gestalten brach zusammen. 95 �
Craig schoß auf den anderen Mann. Dieser warf sich zu Boden, und Craig lief auf die Hütte zu. Seine Schulter rammte gegen die Tür und riß sie aus den Angeln, Er sprang innerhalb der Tür zur Seite, spähte und lauschte m den einzigen Raum der Hütte. Er hörte draußen die Schritte seiner Männer, und Tennessee erschien in der Tür. »Hinaus!« sagte Craig scharf. Tennessee sprang zurück. Auf dem Bett war ein regungsloser Klumpen zu erkennen. Craig trat vorsichtig näher, fand aber nichts als zerknüllte Decken. Die Männer stapften herein. »Niemand hier«, sagte Craig. Osgood blickte ihn nachdenklich an. »Schaut so aus, als wären sie gewarnt worden.« Craig und die anderen gingen hinaus. Der Bandit, der von zwei Männern des Aufgebots bewacht wurde, war ohne Stiefel und Hut. Sein Haar hing in sein bärtiges und trotziges Gesicht. »Gehörst du zu Jenners Bande?« fragte Craig. »Und wenn?« »Wo sind Jenner und die anderen?« fragte Craig. »Keine Ahnung, Mister. Sie waren nicht mehr da, als Pebbly und ich gestern kamen.« »Bringt ihn weg!« sagte Osgood. Craig ging in die Hütte, schraubte die Fassung des Dochtes aus der Lampe und schüttete das Öl auf das Bett. Er zog das Bett in die Mitte des Raumes und setzte es in Brand. Nachdem er Tisch und Stühle über den Brandherd getürmt hatte, trat er zurück und sah eine Zeitlang zu, wie das Feuer um sich griff. – Dann ging er hinaus. * 96 �
Osgood trat zu Craig, seine Adlernase vorgestreckt. »Was nun?« fragte er. »Sie sind noch irgendwo. Sie haben das Land bestimmt noch nicht verlassen.« »Nein«, stimmte Craig zu. »Sie sind nur vorsichtig geworden, seit du deine Visitenkarte zurückließest. Hast du schon einmal daran gedacht?« »Hm, scheint, ich war ein Narr«, gab er zu. Er blickte auf die Flammen, die an den Wänden der Hütte emporkletterten. »Well, hierher werden sie nicht zurückkommen. Und damit weiß ich nicht, was wir noch tun könnten.« »Möchtest du nach Hause gehen und später wieder von vorne anfangen?« Die Männer des Aufgebots hatten zu ihren Pferden gehen wollen, blieben aber jetzt nachdenklich stehen. »Wenn ihr jetzt aufhört, werden sie einzeln über euch herfallen'', erklärte Craig ihnen. »Allerdings ist bis jetzt keiner von unseren Sätteln leer geworden. Und das könnte sich ändern. »Er hat recht«, sagte Osgood zu den anderen. »Und schließlich waren wir auf einen Kampf gefaßt, als wir heute morgen weggeritten sind. Bleiben wir also zusammen, bis wir endgültig aufgeräumt haben.« Die Männer murmelten zustimmend. »Aber wo sollen wir die Schufte suchen?« fragte einer. »Reiten wir nach Devil's Pocket«, bestimmte Craig. Vielleicht können wir dort etwas erfahren.« Craig wollte nicht, daß die Männer sich in einem Saloon festsetzten und sich zu einem gemütlichen Tag entschlossen. Deshalb ließ er am Stadtrand halten und sagte zu Tennessee: »Reite zu Liberty und sage ihm, daß Jenner sein Versteck aufgegeben hat. Vielleicht weiß er etwas, was uns weiterhelfen kann.« 97 �
Tennesse ritt weg, und Craig betrachtete die Stadt. Auf den Straßen war wenig Verkehr. Rauch stieg aus Bretterbuden und Blockhütten. Nur drei Pferde standen an Haltegeländern, zwei davon vor dem Lucky Strike. Ein leerer Erzwagen holperte die Steigung zur Naney-Hank-Mine hinauf. Sein Rattern hallte in der leeren Straße! Plötzlich bemerkte Craig, daß Tennessee vor, dem Lucky Strike sein Pferd herumriß. Ein Mann stand dort auf der Veranda, die Sonne blitzte auf die Waffe in seiner Hand. Wade Morte! Craig spornte sein Pferd, ließ die Zügel fahren und faßte das Gewehr mit beiden Händen. Ein Schuß krachte. Tennessee stürzte aus dem Sattel, sprang aber sofort wieder auf und lief in die Deckung eines Hauses. Morte wirbelte herum und richtete die Waffe auf Craig. Craig feuerte, ohne das Gewehr zur Schulter zu heben. Holzsplitter flogen neben Morte von einem Verandapfosten. Craig fühlte das Sausen von Mortes Kugeln. Craig riß sein Pferd hart herum, in die Spalte zwischen dem Lucky Strike und dem Haus davor. Er warf sich aus dem Sattel und taumelte gegen die Seitenwand des Lucky Strike. Auf der Straße hörte er den donnernden Hufschlag der Rancherpferde. Dies war sein persönlicher Kampf. Er hätte es ihnen gerne zugerufen, aber, dazu war keine Zeit. Er lief um die Ecke und drückte die Klinke der Hintertür. Die Tür war versperrt und zu schwer gebaut, um ei« aufzubrechen. Er lief weiter und um die andere Ecke zur Vorderfront. . Morte war nicht mehr auf der Veranda. Craig rannte über die Veranda. Eine Kugel sauste durch ein Fenster, als er vorbeilief. Unmittelbar vor der Tür blieb Craig stehen. Er nahm den Hut ab und warf ihn durch die .Schwingtür in das Lokal. Ein Schuß krachte, Craig stürmte durch die Schwingtür, bog scharf nach 98 �
links und warf sich hinter den Bartisch. »Morte«, rief er grimmig, »wolltest du es so, oder ist dir ein Irrtum unterlaufen?« Craig hob den Colt über den Rand des Barausschanks, drückte schnell ab und hörte die Kugel in die Tischplatte klatschen. »Ein Fenster befindet sich hinter deinem Rücken, Morte«, rief Craig spöttisch. »Willst du nicht davon Gebrauch machen?« Er warf zur Ablenkung eine Flasche in seitlicher Richtung. Craig war schon an der anderen Seite der Tischplatte. Er stemmte die Schulter gegen diese und schob an. Morte sprang seitlich hervor und schoß. Craig hatte dies erwartet. Die Tischbeine befanden sich auf seiner Seite. Er hatte zwei Beine gepackt, den, Tisch herumgeschwungen und deckte sich weiter hinter der Platte, Mortes Kugel knallt« in die Platte. Während Morte wieder schoß, rannte Craig mit der Tischplatte gegen ihn. Morte wirbelte herum und lief auf die Tür zu. Er stolperte über einen Stuhl und schlug zu Boden. Während Craig einen gedämpften Schuß hörte, stolperte er über Morte und stürzte zusammen mit dem Tisch über ihn. Als Craig sich erhoben und den Tisch beiseite geschleudert hatte, lag Morte immer noch' regungslos da. Die Waffe auf ihn gerichtet, drehte Craig Morte auf den Rücken. Nun sah er es. Morte hatte sich selbst erschossen. Gaffende Männer drängten sich am Salooneingang. Er bahnte sich den Weg hinaus und traf auf der Veranda Osgood. »Was ist mit dem Jungen?« fragte Craig besorgt. v »Er hat seine Jacke mit ein wenig Blut verschmiert«, erwiderte Osgood. »Sonst ist er in Ordnung. Wir hatten alle Hände voll zu tun, um ihn aus dem Saloon zu halten.« Craig holte erleichtert Atem. »Wo ist er jetzt?« 99 �
»In der Braunbär-Bar bei Liberty. Er ist jetzt überzeugt, daß sein Boss der verkleidete Pecos Bill ist.« Osgood lachte. »Der Junge hat das in sich, was immer Männer macht«, sagte Craig. »Well, da wir nun schon einmal hier sind, können wir Jimmy selber fragen.« Jimmy Liberty, trat ihnen an der Tür entgegen. »Machst du alles auf die härte Weise, Craig?« fragt er lächelnd. »Well, Morte wird dir jetzt nicht mehr in die Quere kommen.« Er zog eine Zigarre aus der Tasche. Seine Augen glitten über die Männer des Aufgebots. »Ihr interessiert euch für Jenner. Vierzehn, hm.« Er schüttelte bedenklich den Kopf. »Wartet hier, und in einer Stunde wird Jenner sich für euch interessieren. Einer seiner Männer ist eben aus der Stadt gejagt, um ihn zu unterrichten, was hier passiert ist. – Well, kommt herein, und nehmt einen Drink auf Kosten des Hauses.« Liberty schaute in seinem Saloon umher, blickte stolz auf die ausgestopften Köpfe von Bären, Hirschen und Bergziegen. Auf die Ölgemälde von Jagdszenen, die er gesammelt hatte, auf die aus – farbigen Gläsern zusammengesetzte Spiegelwand hinter der Bar. »Würde mir schon gar nicht gefallen, das alles zertrümmert zu sehen«, murmelte er. »Allerdings, wenn ihr Jenner nicht stoppt, wird er es ohnehin zerstören. Immerhin…« Er streichelte Nachdenklich sein Kinn. »Wenn ihr schon ein paar von euren Sätteln leerbekommen wollt – ihr würdet ihn in Stump Town finden. Kämpfen müßt Ihr, ob ihr dies oder jenes tut.« Er ging sein Office und kam mit einer abgesägten Schrotflinte zurück. Seine Taschen waren prall mit Patronen gefüllt. »Was mich betrifft, ich bin fertig«, verkündete er. Craig betrachtete, ihn, wollte etwas sagen, überlegte es sich anders und zuckte die Schultern. Dann wog er die Chancen 100 �
gegeneinander ab. Hier bleiben und auf Jenner warten – oder ihn ausräuchern. Craig entschloß sich anzugreifen. Wer angreift, fühlt sich stärker als der Verteidiger. Dieses Bewußtsein würde seinen Männern helfen. »Meinst du, du kannst es schaffen?« fragte Craig Tennessee. Tennessee bewegte mühsam den Arm, dann krümmte er wiederholt den Zeigefinger. »Das Wichtigste ist in Ordnung«, antwortete er. »Und nichts kann mich zurückhalten.« »Well, dann reiten wir.« Sie ritten mit entschlossenen Gesichtern aus Devil's Pocket. Not und Gefahr wartete in Stump Town auf sie. Aber nicht auf sie allein. * Als Oran Sand den wolfsähnlichen Ruf vernommen hatte, wußte er, was es für ihn bedeutete: davonlaufen – oder Sterben. »Halte Anschluß!« rief er über die Schulter Rita zu. Er lenkte sein Pferd hangabwärts auf den Waldrand zu. Im Wald hoffte er die Verfolger abzuhängen. Ein Canyon verlegte unerwartet den Weg zum! Waldrand. Oran trieb sein Pferd im Zickzack hinunter. Unten, auf der Sohle, geriet er in dichten, verfilzten Busch. Er trieb sein Pferd verzweifelt hinein und gebrauchte den Revolverkolbeh als Reitgerte. Schließlich mußte er doch umkehren und wieder zum Canyonrand hinauf reiten. Sie sträubte sich nicht länger, Oran zu folgen, da sie sich der Gefahr bewußt geworden war. Aber ihr Pferd konnte nicht lange mit dem von Oran Schritt halten. Er spielte mit dem Gedanken, sie alleinzulassen. Allein hatte er 101 �
eine bessere Chance, sich zu retten. Aber damit würde er sie Jenner preisgeben. Der Tod würde für sie gnädiger sein. Seine Hand krampfte sich um den Revolverkolben, daß die Knöchel weiß hervortraten. Wieder erklang der Ruf. Diesmal näher. Und dann kam die Antwort von der anderen Seite, ebenfalls nähe. Panik überfiel Oran. Sie waren abgeschnitten. Durchbrechen? Er wußte, daß dies hoffnungslos war. , Ruckartig riß er sein Pferd in den Stand und zwang auch Rita zum Halten. »Wir sind verloren«, sagte er. »Sie werden mich umbringen. Gott weiß, Was sie mit dir anstellen werden.« Sein Atem kam keuchend. Plötzlich begann er zu lachen, zugleich rollten Tränen über seine Wangen. Es war ein völliger Nervenzusammenbruch. Laß sie kommen, dachte er, kaum bei Sinnen. Rita werden sie nicht erwischen. Jenner wird sie nicht bekommen. Darum wenigstens werde ich ihn prellen. Sie gehört mir, für immer. Zusammen mit ihr werde ich den Tod suchen. Rita starrte auf ihn, ungläubig und entsetzt, als er zitternd die Waffe hob und auf sie richtete. »Oran!« schrie sie und erkannte den Wahnsinn in seinen Augen. »Bitte, Oran, nicht! Nein! Nein!« Das Krachen eines Schusses rollte durch die Berge. Rita sah, wie Oran zusammenzuckte. Ein erstaunter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Die Waffe fiel aus seiner Hand, er sank zusammen. Ein Mann ritt auf Rita zu, mit rauchendem Revolver. »Sie haben ihn getötet!« Ritas Stämme war schrill, von Entsetzen erfüllt. »Unsinn«, sagte Morgan Jenner. »Das hebe ich mir für später auf. Ich lasse ihn zusammenflicken für einen Tod, wie er einem Verräter zusteht.« 102 �
Andere Reiter kamen heran. Jenner befahl einem: »Kümmere dich um Sand.« »Wer sind Sie?« fragte Rita. »Morgan Jenner«, erwiderte er grinsend. »Der neue Besitzer der Diamond, sobald ich mit dir fertig bin.« Er musterte sie abschätzend, mit glitzernden Augen. Alles, was sie über Jenner gehört hatte, als sie noch ein Kind war, kam in ihr Gedächtnis zurück. »Was beabsichtigen Sie?« Die dicken Lippen verzerrten sich zu einem häßlichen Grinsen. »Kommt darauf an. Tu das, was ich dir sage, und wir werden prächtig, miteinander auskommen.« Sie blickte auf den Kreis hartgesichtiger Männer, der sich um sie gebildet hatte. Sie begriff, daß Oran gewußt hatte, was ihnen bevorstand. Er hatte sie töten wollen, um sie davor zu bewahren. Sie kämpfte gegen das Zittern an, das säe überkommen hatte. Jenners Augen, waren mit Hohn und Triumph gefüllt. »Augenblicklich reiten, wir ins Camp, mein Mädchen«, sagte er. »Die Diamond kommt später dran.« Er faßte Ritas Zügel und zog ihr Pferd mit. Gegen Dunkelheit erreichten sie einen engen Trail im Wald. Jenner ritt voran, hinter ihm folgte Rita, dann die anderen Banditen. Jenner hielt auf eine von den anderen, abseits gelegene Gruppe von Hütten zu. Er zügelte vor einer der Hütten und stieg ab. »Nicht so schön wie die Diamond«, meinte er. »Aber sie tut es schon für die Nacht. Steig ab.« Rita regte sich nicht. Er trat heran und hob sie einfach aus dem Sattel. Sie wehrte sich und schlug ihm ins Gesicht. Als Jenner sie abgesetzt hatte, versetzte er ihr eine Öhrfeige. »Dir werde ich beibringen, dich nett zu betragen und mir zu gehorchen«, drohte er. 103 �
Er hielt sie am Handgelenk gepackt; zerrte sie zur Hütte und stieß eine Tür auf. Es war stockfinster in der Hütte. Rita spürte gestampften Erdboden unter den Füßen. Jenner riß mit der freien Hand ein Streichholz an und entzündet seine Lampe. Trüber, gelber Schein beleuchtete den einzigen Raum der Hütte. Sie Möbel bestanden aus Kisten, das Bett bestand aus raunen Brettern. Jenner ließ Rita frei. »Mach' es dir bequem. Dies ist jedenfalls besser als die Kugel, die Sand dir zugedacht hatte.« »Was werden Sie mit ihm tun?« fragte Rita. »Ihn mir zunutze machen, solange er einen Nutzen für mich hat.« Er lachte schief. »Was aber nicht mehr lange der Fall sein wird. Bei. dir, denke ich, wird es anders sein.« Sie war erschrocken und zugleich todmüde. Aber die Abneigung, die Jenner ihr einflößte, fachte ihren Zorn an. Jenner hatte sie wieder abschätzend betrachtet und sagte: »Kein Wunder, daß Oran Sand mit dir zusammen aus dem Land Wollte.« Dies erregte ihr Interesse. »Wieso nehmen Sie an, daß er mich wegbringen wollte?« forschte sie. »Wollte er das nicht?« gab er zurück. »Er war doch eben dabei, als wir ihn aufhielten.« »Das stimmt nicht«, erwiderte sie. »Er wollte mich…« Sie erkannte, daß Jenner die Wahrheit gesagt und Oran sie betrogen hatte. Zugleich fühlte sie sich unsagbar erleichtert. Dann war Craig ja gar nicht verwundet! »Ja, was wollte er?« Jenner lachte. Sie achtete nicht auf ihn, so war sie mit den neuen Erkenntnissen beschäftigt. Die Jenner war ein Verbrecher und eine Bestie. Rita war froh, die Wahrheit über Orans Charakter entdeckt zu haben, bevor es zu spät war. Denn noch war es nicht zu spät. 104 �
Craig lebte. Craig war nicht verwundet. Craig würde sie… Jenner unterbrach ihre Gedanken. »Eine Wache wird die ganze Nacht vor der Hütte sein. An deiner Stelle würde ich also nichts versuchen. Jedenfalls wird es nichts nützen.« Er hinkte zur Tür. Mit einem letzten tückischen Blick ging er hinaus. Oran Sand befand sich in einer anderen Hütte. Er fühlte sich unsäglich elend, mehr in geistiger als in körperlicher Beziehung. Gleichwohl spürte er das Brennen in seiner Schulter. »Wasser, Ike. Ich verbrenne.« »Bevor Jenner mit dir fertig ist, wirst du noch mehr brennen als jetzt«, höhnte Ike. »Und ich habe ebenfalls für Burschen wie dich nichts übrig. Trotzdem will ich dir Wasser bringen.« Er ging hinaus, Schloß die Tür und verriegelte sie. Oran wollte kein Wasser, und er verbrannte auch nicht. Was er wollte war, daß Ike wieder hereinkam, ohne dabei so auf der Hut zu sein wie das erste Mal. Oran schlug die Decke zurück und stand auf. Der Boden schien unter seinen Beinen zu wanken, beruhigte sich aber bald. Oran legte die Decke so, daß Ike nicht auf den ersten Blick Verdacht fassen würde. Er ging zu dem Stück Holz, das er schon vorher bemerkt hatte, hob es auf, preßte sich neben der Tür an die Wand und hob den Arm schlagbereit. Der Arm Wurde müde, die Wunde in der Schulter pochte. Aber die schwache Hoffnung, die in ihm war, ließ ihn das alles ertragen. Als Schritte ertönten, war der Schmerz in der Schule vergessen. Ike schob mit dem Gewehrlauf in der Rechten – den Wasserkrug er in der Linken – den Riegel hoch und stieß die Tür auf. Als er eintrat, traf ihn das Stück Holz. Er brach auf dem gestampften Erdboden zusammen, ohne einen Laut von, sich zu geben. 105 �
Oran zog den Toten ganz herein und Schloß die Tür. Er versteckte das Gewehr unter den Bettdecken, Ikes Revolver schob er hinter den Hosenbund. Mit einer Anstrengung, die seine ganze geschwächte Kraft beanspruchte, zerrte er Ike zum Bett und schob ihn darunter. Dann legte er sich zitternd auf das Bett. Kurz darauf hörte er einen Reiter, in das Camp galoppieren und nach Jenner rufen»Unruhe entstand. Dann hörte er Jenner mit scharfer Stimme die Männer zusammenrufen. Der Reiter mußte wichtige Neuigkeiten gebracht haben. Das war auch Ritas Vermutung, die sich in der nächsten Hütte befand. Sie preßte das Gesicht an das Fenster. »Holt eure Gewehre!« hörte sie Jenner befehlen. »Das ist es, worauf wir gewartet haben. Verteilt euch, wie ich euch sagte und haltet euch sorgfältig außer Sicht. Wenn sie in die Stadt reiten – dann nehmt sie euch vor!« Sie sah Männer umhereilen, die ihre Waffen prüften. Kurz darauf wurde es in der Stadt völlig ruhig. Sie lief zur Tür, wollte sie öffnen. Sie war von außen verriegelt. Verzweifelt stieß sie gegen die Tür. »Ruhe da drinnen!« brüllte eine Stimme. Die Wache war immer noch da, vermutlich irgendwo in Deckung, aber doch auf dem Posten. Rita verhielt sich ruhig, wartete, lauschte und hoffte. Eine Meile außerhalb Devil's Pocket führte der Trau über den Benedict Creek. Craid hielt an der Furt und ließ sein Pferd trinken. Die anderen Pferde schlossen auf und! tauchten ihre Mäuler in das Wasser. Die Morgenkühle lag noch in der Luft, denn die Sonne konnte kaum das dichte Dach aus Fichten und Kiefern durchdringen. Hinter ihnen begann die Erzmühle von Devil's Pocket ihr Werken und Stampfen. Vor ihnen lief der enge, gefurchte Trail auf Stump Town zu. 106 �
Craig wandte sich an Tennessee mit der Frage: »Bist du wirklich in Ordnung?« Tennessee hatte die Zähne zusammengepreßt. Doch während des Sprechens konnte er ihr Klappern nicht verhindern. 'Als er zurückblickte, sah er einen leeren Erzwagen den Trail heraufkommen. Sie warteten, bis er heran war. Craig hielt den Wagen mit erhobener Hand an. »Wohin fährst du?« fragte er den Fahrer, einen Mann mit rötlichem Gesicht, der mit hochgezogenen Schultern auf dem Bock saß. »Nach Stump Town, um eine Ladung Erz für die Mühle zu holen. Was dagegen?« »Sicher nicht, Freund«, erwiderte Craig. »Könntest du vier von uns im Wagen mitnehmen?« Das Auftauchen des Wagens hatte Craig eine Idee eingegeben. »Warum denn? Ihr habt doch Pferde«, fragte der Fahrer mißtrauisch. »Hello, Quimby«, sagte Jimmy Liberty. »Wir müssen einige von uns ungesehen in die Stadt bringen. Wenn du uns hilfst, wartet in der Braunbär-Bar ein Fünfzig-Dollar-Schein auf dich.« Die Augen des Fahrers leuchteten auf. »Schätze, es ist kein Verbrechen, wenn ein Mann ein paar sattelwunde Jungs in seinem Wagen mitfahren läßt, was? Steigt ein!« »Wer von euch ist für eine Spazierfahrt?« fragte Craig. »Tennessee, du?« Tennessee stieg von seinem Pferd und kletterte über ein Rad auf den Wagen. Als er stand, konnte er kaum über die hohe Bretterwand sehen. Rancher Sweet und zwei andere stiegen ebenfalls ab und kletterten in den Wagen. »All right, Quimby«, erklärte Craig. »Laß den Wagen in der Mitte der Stadt stehen. Dann verdrück dich schleunigst. Und halte deinen Mund über deine Fracht. – Ihr vier«, fuhr er, zu den Männern im Wagen gewandt, fort, »bleibt außer Sicht, bis die 107 �
Schießerei beginnt und ihr ein lohnendes Ziel vor euch habt. Okay?« »Okay.« * Der Wagen holperte weiter. Craig wartete, bis er hinter der nächsten Biegung außer Sicht war. Ein zweistöckiges Gebäude beherbergte den einzigen Generalstore und Saloon und im Oberstock befand sich eine Art Hotel. Schräg, gegenüber war eine große Scheune gegen eine hohe Kiefer gebaut und trug die Aufschrift »Leihstall«. Diese zwei Gebäude waren der Mittelpunkt der Stadt, die in einem kleinen, beckenförmigen Tal lag. Craig gab die weiteren Befehle: »Con, du nimmst fünf Männer und schlägst einen Bogen um die Stadt bis zur anderen Seite.« Craig hatte seinen ursprünglichen Plan völlige umgestaltet »Jenner und seine Schurken werden sich, versteckt halten und auf uns warten. Deshalb haltet ihr euch ebenfalls außer Sicht bis wir anderen von dieser Seite aus eindringen und sie aus den Löchern locken. Dann gebt ihr ihnen Blei zu schmecken, soviel die Läufe hergeben.« Osgood nickte, teilte fünf Männer ab und ritt mit ihnen fort. Craig wartete zehn Minuten. Dann lenkte er sein Pferd vom Trau in den Wald und stieg bald darauf ab. Die anderen waren ihm gefolgt. »Wir lassen die Pferde hier«, erklärte Craig, während er das seine anband. »Ihr beide«, er zeigte auf zwei Männer, »dringt diesseits der Straße vor. Wenn ihr auf einen Banditen trefft, schießt. Ich und die übrigen tun dasselbe auf der anderen Seite der Straße.« 108 �
Craig wartete auf keine Antwort. Er überquerte die Straße. Mit. ihm waren Liberty und ein Rancher namens Abbott. Sie schwärmten ein wenig aus und, bahnten sich den Weg durch Wald und Gebüsch den leichten Hang hinunter. Sie erreichten den Waldrand an der Rückseite des zweistöckigen Hauses. Am Ende der Straße Waren drei rasengedeckte Hütten. Auch dort regte sich nichts. Craig richtete seine Aufmerksamkeit auf das zweistöckige Haus. »Ich werde mich dort drinnen umsehen«, sagte er zu Jimmy. »Es scheint mir der Platz zu sein, wo wir anfangen sollten. Ihr wartet vorerst hier.« Das Gewehr unter dem Arm, näherte er sich der Rückseite, sich einen Weg zwischen Haufen von Konservenbüchsen und anderen Abfall suchend. Er drückte die Klinke der Hintertür nieder und drückte langsam die Tür auf. Vor ihm lag ein dunkler Raum. Die Lichtbahn, die von der Tür hereinfiel, zeigte ihm Stapel von Kisten aller Art. Er betrat den Vorratsraum, in dem es dumpf und muffig roch. Sich zwischen Kisten weitertastend, kam er zu einer Tür auf der gegenüberliegenden Seite und legte sein Ohr an die Füllung. Undeutlich waren Stimmen zu vernehmen. Er öffnete leise die Tür und glitt in einen großen Raum, der sich über die ganze Breite des Hauses erstreckte. Eine Bar aus rohen Brettern befand sich vor der rechten Wand. Craigs Eintritt war nicht bemerkt worden. Er lehnte sich gegen die Rückwand und sah sich in Ruhe um. Craig ging an der Wand entlang bis zum diesseitigen Ende der Theke. Als er mit einer Münze auf die Platte klopfte, öffnete der Bartender seine Augen, stand überrascht auf und watschelte heran. »Sah dich gar nicht hereinkommen«, sagte er verlegen. »Was soll es sein?« 109 �
»Whisky.« Der Mann setzte ein Glas auf und griff nach einer Flasche. Jetzt erst bemerkte er das Gewehr und zuckte zusammen. Zwei hartgesottene Kerle hatten sich umgedreht und studierten Craig aus zusammengekniffenen Augen. Ihre Gesichter nahmen einen grimmigen Ausdruck an, so wenig gefiel ihnen, was sie sahen. Sie begannen sich .rückwärts auf die Vordertür zurückzuziehen. Die Mündung von Craigs« Gewehr senkte sich und richtete sich auf sie. »Ich würde nicht hinausgehen.« Sie blieben stehen, ihre Hände hingen schlaff herab. »Ich werde Jenner selbst sagen, dass ich hier bin«, fuhr Craig fort. »Wo werde ich ihn finden?« Sie blickten einander an. Es schien Craig, als verständigten sie sich über irgend etwas. Der Größere sagte mit engen Lippen: »Du hast uns falsch gepeilt, Mister, »wir wissen nichts worüber du redest.« Craig hatte seine Aufmerksamkeit zu stark auf die Beiden gerichtet So bemerkte er den Mann an der Tür erst, als es bereits zu spät war. Er fluchte im stillen. Jenner würde in Kürze wissen, daß er hier war. »Schnallt ab«, befahl er den beiden Banditen barsch. Ohne die beiden aus den Augen zu lassen, ging Craig zum Fenster. Ein schneller Blick zeigte ihm, wohin der dritte Mann unterwegs war. Er hatte die drei Hütten am Ende der Straße fast erreicht. Craig ging in die Warenabteilung hinüber und schnitt von einer Rolle Seil, die von der Decke hing, zwei Stücke ab. Er warf sie dem Bartender zu. »Binde ihnen die Hände auf den Rücken!« Der Bartender hielt es nicht für geraten, sich zu sträuben. »Los, ihr zwei«, befahl er, »hinaus durch die Hintertür! Wenn ihr wißt was für euch gut ist so werdet ihr euch hüten, auch nur laut zu husten.« Er trieb die beiden vor sich her durch die Hin110 �
tertür und auf den Waldrand zu. Liberty und Abbott kamen heran. »Überprüft ihre Fesseln«, sagte Craig. »Aber zieht euch vorher tiefer in den Wald zurück und sucht Anschluß an die anderen. Bei dem Haus da werden nämlich in Kürze mehr Jenner-Banditen sein, als für euch beide gut ist. Ich sehe mich indessen am anderen Ende der Seite um.« Als Craig sich der ersten Hütte näherte, hatten die Banditen das zweistöckige Haus umstellt. Craig preßte sich an die Hinterseite der Hütte und beobachtete scharf seine nähere Umgebung. Nirgends regte sich etwas. Er wollte gerade die zweite Hütte anschleichen, als bei dem Stockwerk-Haus eine hohe Stimme schrillte: »Er ist nicht mehr da!« Nun werden sie die anderen Häuser durchsuchen und auch in« die Nähe, des Wagens kommen, dachte Craig. Er glitt zu der anderen Hütte hinüber. Er horchte wieder, hörte nichts, spähte um, die Ecke – und blickte in das Gesicht eines Mannes, der diese Hütte zu bewachen schien. Craig, der besser darauf vorbereitet war, unvermittelt einen Gegner vor sich auftauchen zu sehen, kam vor dem anderen zum Schuß. Das Knallen des Gewehres rollte über die kleine Stadt hinweg und wirkte wie ein Signal. Denn fast unmittelbar darauf krachte eine unregelmäßige Salve. Die Männer in dem Wagen hatten ihre Gelegenheit wahrgenommen und mitten in den Banditeshaufen gefeuert, der noch debattierend vor dem zweistöckigen Haus stand. Mehrere Banditen gingen zu Boden, die anderen rannten schreiend und fluchend in Deckung. Wieder krachte eine Salve und forderte ihren Zoll. 111 �
Der Wachposten lag regungslos »zu Craigs Füßen. Craig lief zur Ecke der Hütte. Die Banditen hatten Deckung gegen den Wagen genommen, aber verschiedene Männer waren Craig als Ziel ausgesetzt, da sie aus seiner Richtung kein Feuer erwarteten. Weitere Gewehre mischten sich vom Waldrand her in das Feuergefecht. Rings um das zweistöckige Hau« war eine Hölle aus Mündungsfeuern, pfeifenden Kugeln und Pulverrauch. Irgendein Schütze hatte Craig bemerkt und nahm ihn unter Feuer. Kugeln knallten neben Craig in die Blockhauswand. Craig wechselte deshalb seine Stellung. Auf Tennessee und seinen Kameraden lastete die Schwere des Vergeltungsfeuers. Aber auch sie schössen weiter. Craig sah aus den Spalten zwischen den Seitenbrettern die Mündungsflammen von Gewehren stechen. Seine Stellung hier war nicht günstig. Sie bot ihm zu wenig Möglichkeit, entscheidend in den Kampf einzugreifen. Deshalb rannte er durch den Wald zur Hinterseite des zweistöckigen Hauses zurück. Er traf auf Liberty, der hinter einem Baum kauerte. »Nieder!« schnappte Jimmy. »Sie haben uns erkannt und nehmen uns von den Fenstern aus unter Feuer.« Abbot lag hinter einem anderen Baumstamm. Craig lud in der Deckung nach Der Anfang war gut gewesen, überlegte er. Aber nun konnte sich der Kampf hinziehen und entscheidungslos enden, wenn sich das Blatt nicht sogar gegen sie wandte. Es war Zeit, wieder etwas zu unternehmen. »Gebt mir Feuerschutz!« rief er Liberty und Abbott zu. »Ich mache noch mal einen Besuch in dem Haus.« Als Liberty und Abbott die Fenster des Hauses unter Feuer nahmen, rannte Craig auf die Hintertür zu. Er erreichte sie unverletzt, sprang hinein und gleich zur Seite. Geduckt ver112 �
harrte er, um sich an die Düsternis zu gewöhnen. »Wer ist da?« ertönte eine vorsichtige Stimme. Die Gewehre an der Vorder- und der Hinterseite schossen weiter. Craig konnte den dumpferen Laut von Jimmys Schrotflinte deutlich unterscheiden. Craig überging die Antwort auf die Frage und sagte: »Hölle, ist das ein Zauber draußen! Ist Jenner bei euch hier?« Der Mann gab keine Antwort, ein Zeichen, daß er dem Eingetretenen mißtraute. Craig hörte das Knirschen von Stiefeln und wandte sich in diese Richtung, angespannt in die Schatten spähend. Er stieß mit seinem Ellenbogen gegen eine Schachtel, die auf einer Kiste lag. Die Schachtel fiel zu Boden. Gleich darauf krachte ein Revolver. Pulverrauch brannte in Craigs Augen, Er schoß auf das Mündungsfeuer und sprang zur Seite. Ein langer Seufzer klang durch die Dunkelheit. Craig tastete sich weiter und kam zu der Tür, die in den großen Saloon- und Ladenraum führte. Seine Hand war schweißfeucht, als er sie auf die Klinke legte. Ein schmales Lichtband fiel in den Lagerraum, als er die Tür zollbreit öffnete. Totenstille herrschte hinter der Tür. Craig, seitlich von der Tür stehend, steckte den Gewehrlauf durch den Spalt und stieß die Tür auf. Blei sauste ihm entgegen. Craig gab blindlings einige Schüsse ab, zog sich dann noch weiter zurück. Eine Salve Schüsse pfiff durch die offene Tür und krachte in die Kisten des Lagerraumes. Da lief Craig mit hallenden Schritten auf die Hintertür zu, zog sie auf und schlug sie wieder zu. Dann schlich er sich auf den Zehenspitzen hinter eine große Kiste. »Er ist hinten hinausgelaufen!« rief jemand im Saloon. Von verschiedenen Seiten näherten sich hastige Tritte. Craig 113 �
erkannte dunkele Gestalten, die durch den Lagerraum eilten. Als die vordersten an der Hintertür erschienen, begannen Jimmy und Abbott zu schießen. »Zurück, zurück!« ertönte die schrille Stimme eines Banditen. Craig war bereits auf dem Weg zur Saloontür. Er betrat den großen Raum, das Gewehr in der Linken, den erhobenen NavyColt in der Rechten. Niemand verwehrte ihm den Eintritt. Denn es war niemand anwesend, außer dem Bartender, dem inzwischen alle Schläfrigkeit vergangen war. Als er Craig erblickte, starrte er ihn erstaunt an. Seine Hände höben sich unwillkürlich, sanken dann wieder herab. »Ich bin nicht im Spiel«, sagte er. »Dann sieh zu, daß es so bleibt«, warnte Craig ihn. »Stell dich an das andere Ende der Bar, und rühr dich nicht von der Stelle!« Craig ging zur Bar und duckte sich hinter das: diesseitige Ende. Auf der Straße wurde nur noch vereinzelt geschossen. Hinter die Bar geduckt, lauschte er angespannt. Die Ohren mußten zugleich seine Augen sein. Das Schießen im Lagerraum hört« auf. Jimmy und Abbott hatten ihr Feuer eingestellt, weshalb die Banditen kein Ziel mehr hatten. »Wir müssen weg von hier«, ertönte eine Stimme drängend – der Mann hatte bereits den Saloon betreten, bemerkte Craig – »oder sie hauen uns hier in die Pfanne. Jenner hat diesmal einen richtigen Blödsinn angestellt« »Wahrscheinlich denkt er jetzt nur, daran, wie er seine eigene Haut rettet«, knurrte ein anderer. »Dieser verdammte Bishop ist das reinste Gespenst.« »Ach was, ob Mann oder Teufel«, sagte ein dritter, »eine Kugel hält ihn genauso auf wie jedem anderen.« Sie waren auf dem Weg zur Vordertür. Er stand hinter der Bar auf und sagte schneidend: 114 �
»Richtig! Das gilt für jeden! Kugeln sind nicht wählerisch.« Die Banditen wirbelten herum und starrten ungläubig auf den Mann. Einer hielt seinen Colt noch in der Hand und riß ihn plötzlich hoch. Craigs Kugel schmetterte ihn zu Boden. Die zwei, die der Vordertür am nächsten waren, stürzten hinaus auf die Straße. Die anderen drei sahen kein« Chance. Sie rissen ihre Hände hoch, als wollten sie Schmetterlinge fangen. In den oberen Räumen, zu denen eine Treppe hinaufführte, knarrte ein Dielenbrett. Craig warf einen schnellen Blick auf die Treppe und stellte sich so, daß er diese im Auge behalten konnte. Ein forschender Blick auf die Banditen verriet ihm nichts. Ihre Gesichter waren ausdruckslos. »Du dort«, schnappte Craig und deutete mit der Waffe auf den Mann. »Schnall deinen Gurt los! Aber langsam!« Der Bandit gehorchte, und der Gurt fiel zu Boden. »Nun stoß ihn von dir weg.« Als dies geschehen war, deutete Craig auf den nächsten. »Du auch.« Der letzte Bandit war entwaffnet, und Craig«sagte: »Jetzt könnt ihr eure Hände herunternehmen.« Er blieb hinter der Bar stehen. Sie gab ihm von der Hüfte ab Deckung, und er brauchte sich im Notfall nur zu bücken. »Wo ist Jenner?« »Du bist doch so gut im Katz-und-Maus-Spiel«, erwiderte einer. »Warum suchst du ihn nicht?« Oben zerklirrte ein Vorderfenster. Die Scherben fielen vor die Saloontür. Kurz darauf krachte in dem Zimmer ein Gewehr. Die Männer im Wagen auf der Straße begannen wieder zu schießen. Jemand hatte also erkannt, wie man den Männern im Wagen beikommen konnte. Gegen Schüsse von oben gab es keine ausreichende Deckung für sie. 115 �
»Hei! Lauft, ihr Klepper, lauft!« Das war Tennessees Stimme, erkannte Craig. Durch das Saloonfenster sah er den Wagen anfahren und im Zickzack die Straße hinunterrollen. Tennessee feuerte die Pferde weiter mit gellenden Rufen an. Kurz darauf gab es ein splitterndes Krachen. . Als die Fensterscheibe klirrte, blickte Tennessee hoch. Jenner war am Fenster und hatte sein Gewehr angeschlagen. Das Gewehr krachte, und der Rancher Sweet, der sich neben Tennessee duckte, stöhnte auf. Tennessee feuerte, verfehlte, und Jenners Schüsse zwangen ihn, sich auf den Boden des Wagens zu ducken. Der. Wagen war nun zur Falle geworden. Sie mußten aus der verhängnisvollen Nähe des zweistöckigen Hauses weg. Tennessee feuerte über die Rücken der Pferde hinweg und brüllte kreischend auf sie ein. Die Pferde setzten sich in Bewegung. Weitere Schüsse und Rufe ließen sie schneller werden. Tennessee Wußte nicht, daß. die Straße in einer Sackgasse endete. Er wurde es erst gewahr, als einer der beiden anderen rief: »He, wir müssen 'raus!« Tennessee sah Bäume vor sich aufragen, während die zwei Männer aus dem Wagen sprangen. Er wollte ihnen folgen. In diesem Augenblick bog das Gespann scharf nach links ab, und das Hinterteil des Wagens prallte gegen eine Hütte. Tennessee wurde herausgeschleudert und blieb keuchend und mit schmerzendem Kopf am Boden liegen. Oran Sand, das Gesicht totenblaß und einen Revolver in der Hand, starrte aus der zertrümmerten Hütte auf ihn. »Ja, was tust denn du da?« fragte Tennessee, der immer noch vermutete, daß ihm seine Sinne einen Streich spielten. Er wollte aufstehen. »Bleib lieber liegen, stehen ist augenblicklich ungesund«, sagte Oran und kroch aus der Hütte. »Wo ist Craig?« 116 �
»Nicht gesehen, seit die Schießerei begann«, erwiderte Tennessee. »Wo kommst du denn her? – Sag mal hast du eine Reservewaffe?« Tennessee hatte Gewehr und Revolver verloren. »Was würdest du denn damit tun?« fragte Oran. Tennessee sah ihn halb verächtlich, halb verständnislos an. »Ja, was denn nur! Seifenblasen fliegen lassen! – Jenner ist in dem großen Haus. Ich werde ihn besuchen. Und vielleicht würdest du mitkommen, ja?« Er sah den blutigen Fleck an Orans Jacke. »Scheint, du hast auch eine abbekommen?« »Ja. – In der Hütte unter der Bettdecke ist ein Gewehr. – Wo habt ihr die Pferde gelassen?« Tennessee kroch auf die Hütte zu. »Wahrscheinlich hinter der ersten Trailbiegung. Ich weiß es nicht. Ich bin mit dem Wagen in die Stadt gekommen.« Er suchte unter den Decken, fand das Gewehr und prüfte es. Es war voll geladen. Als er wieder hinauskroch, war Oran. verschwunden. Die Pferde hatten den Wagen noch ein Stück mitgeschleift und waren vor« einer anderen Hütte stehen geblieben. Jetzt erst sah Tennessee Sweet ein Stück weiter unten in der Nähe des Wagens liegen. Er ging zu ihm hin. Sweet war tot. Der Revolver steckte noch in Sweets Halfter. Tennessee nahm die Waffe an sich. Dann tauchte er in dem Waldrand hinter der Hütte unter und ging auf das zweistöckige Haus zu. Er näherte sich ihm vorsichtig über den Hinterhof, bemerkte eine Bewegung, in einem der Fenster und warf sich zu Boden. Der Schuß peitschte über ihn hinweg. Tennessee rollte sich verzweifelt zur Seite. Plötzlich wurde er gebremst, indem er hart gegen einen Baumstamm schlug. Das ist das Ende! dachte er nur. Jetzt muß es dich erwischen!
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Der Schuß krachte, und in kaltem Schweiß gebadet wartete Tennessee auf den Einschlag. Er wartete vergebens. Etwas fiel in seiner Nähe zu Boden. Tennessee begriff, daß auf. ihn gar nicht geschossen worden war. Er blinzelte verwirrt. Ein Gewehr lag am Fuß der Hauswand, Aufblickend sah er einen Mann halb aus dem Fenster hängen. Als er sich umblickte, grinste Oran Sand hinter einem Baumstamm hervor. »Du solltest dir ein Kindermädchen anschaffen, Junge«, sagte Oran. »Das war Hackett dort oben, ein gefährlicher Bursche. Sag, weißt du nicht genauer, wo die Pferde sind?« Tennessee erhob sich, bückte sich nach seinem Hut und setzte ihn auf. Er hatte für Oran Sand noch nie viel übrig gehabt Deshalb gefiel ihm nicht sehr, daß er ihm nun zu Dank verpflichtet war. »Ich sagte doch schon, daß ich mit dem Wagen in diese Stadt gekommen bin«, gab er mürrisch zurück. »Danke für deine Hilfe.« Flüchtig fragte er sich, warum Oran Sand sich so für die Pferde interessierte. »Gern geschehen, Junge.« Oran wandte sich ab, drehte sich aber noch einmal um. »Sage Craig, er findet Rita in einer der Hütten da unten.« Damit verschwand er zwischen den Häusern. Tennessee hob das Gewehr auf, eilte zur offenen Hintertür und befand sich plötzlich in einem dunklen Raum, umgeben von Kistenstapeln. Sein Fuß stieß gegen etwas Weiches. Er bückte sich und erkannte einen Toten. Er trat über ihn hinweg und ertastete die Hintertür. Als er sie spaltbreit öffnete und in den großen Raum, spähte, sah er Liberty und Abbott an der Bar stehen. Sie hatten ihre Waffen auf drei gefangen« Banditen gerichtet.« Er trat ein. Abbotts Gewehr schwang herum. 118 �
»Halt Feller!« rief Tennessee. »Ich bin's! Gosh, in dieser Gegend laufen aber eine Menge nervöser Zeigefinger herum. – Wo ist der Boss?« »Er ist weggegangen, um nach dir zu ' sehen. – Wo sind die anderen?« »Weiß ich nicht genau. Einige habe ich im Mietstall gesehen. Schätze, sie haben da welche von den Banditen hineingejagt.« Er bemerkte die Treppe, die in den Oberstock führte, und duckte sich hinter die Bar. »Jenner ist dort oben! Wißt ihr das nicht?« fragte er. »Jenner?« »Ja, er schoß von dort in unseren Wagen.« »Himmel!« sagte Abbott und duckte sich ebenfalls. »Du solltest besser Craig finden und es ihm, sagen.« »Warum?« »Wir können von den Gefangenen nicht weg.« Jetzt bin ich aber noch da! Einer reicht für die Jiggers und der andere kann mit hinaufgehen und Jenner schnappen.« »Wir warten lieber auf Craig«, erwiderte Liberty. Tennessee horchte in sich hinein. Würde er den Mut haben, allein zu Jenner hinaufzugehen? Liberty schien zu ahnen, was in ihm vorging. »Du solltest besser warten, Sohn«, sagte er. Tennessee glitt an der Wand entlang auf die Treppe zu. Als Craig das splitternde Krachen des Wagens hörte, hatte er den Bartender mit dem Auftrag hinausgeschickt, Abbott und Liberty zu holen. Bald darauf waren sie hereingekommen. Liberty hatte den Bartender mit der Schrotflinte vor sich hergeschoben, als Sicherheit, falls er sie in einen Hinterhalt locken wollte. Craig hatte dann den anderen die Gefangenen übergeben, den Saloon durch die Vordertür verlassen und arbeitete sich, von Hütte zu Hütte springend, die Straße hinunter. So kam er zu dem umgeschlagenen Wagen. 119 �
Schließlich wandte Craig sich den drei Hütten zu. Die eine war halb zerstört von dem Aufprall des Wagens und leer. An der nächsten hing ein Vorhängeschloß, während die dritte ebenfalls leer war. Als er umkehrte, erregte das Vorhängeschloß seine Neugierde. Ein Schuß riß das Schloß aus der Haspe. Craig schob den Riegel zurück und betrat die Hütte mit schußbereitem Colt. Auf den ersten Blick schien auch diese Hütte leer. Dann erst bemerkte er die gefesselte und geknebelte Gestalt auf dem Bett. »Rita!« keuchte er und war mit drei langen Schritten am Bett. Er zog ihr den Knebel aus dem Mund und schnitt die Fesseln durch. Rita setzte sich auf, holte tief Atem und rieb ihre Gelenke. »Rita, wie kommst du nur hierher?« »Jenner hat uns gefangengenommen und hergebracht.« »Du bist mit Oran ausgeritten, hörte ich. Wo ist er?« Sie bemerkte den harten Ausdruck in seinen rauchgrauen Augen und fragte sich, was er tun würde, wenn er über Oran die Wahrheit erfuhr. Sie war darüber beunruhigt, aber sie hielt es doch für besser, ihm alles zu erzählen.« Sie sah die tiefe Traurigkeit auf Craigs Gesicht. Es war, als wolle er nicht glauben, was er hörte. Trotzdem wußte er, daß es die Wahrheit war. »Ich hoffe, er kann sich retten, Craig«, sagte sie. »Ich möchte nie daran denken müssen, daß du ihn getötet hast.« Craig starrte vor sich hin. Bei Zack und Bennie waren seine Gedanken. Und bei anderen, die ebenfalls sterben mußten, weil Oran Sand ein Verräter war. Auch an Rita hatte Oran sich schwer vergangen. Rita würde einmal darüber hinwegkommen. Aber Zack und Bennie waten tot… Er nickte schwer. Dann sagte er: »Komm, es gibt noch, eine Menge zu tun'. – Sei vorsichtig, und halte dich dicht hinter mir!« 120 �
Als sie den Waldrand erreicht hatten, krachten in der Nähe des Mietstalles wieder Schüsse. Ihr Echo rollte zwischen den Waldrändern hin und zurück. »Hier kannst du nicht bleiben, Rita«, sagte Craig. »Ich bringe dich zu den Pferden. Von dort führt der Weg direkt nach Devil's Pocket. Du wirst es nicht verfehlen und kannst es in einer halben Stunde geschafft haben.« Da klang hinter ihm eine schneidende Stimme: »Bleib so stehen, Craig! So bist du gerade recht! »Oran!« schrie Rita. »Nein! Nein! Du hast schon genug Böses getan!« Craig drehte den Kopf und sah Oran mit der Waffe in Anschlag zwischen zwei Büschen hervortreten. Etwas Wildes, Finsteres lag auf. dem Gesicht des früheren Freundes. Blinder Haß stand in seinen Augen. »Du meinst jetzt gehört sie dir, Craig, was?« schnarrte er. »Ja, immer hast du zwischen uns gestanden. Du und dein verdammtes Glück! Aber nun ist dein Glück zu Ende!« . Seine Stimme war mit jedem Wort schriller und wilder geworden. Sie verriet die Hölle, die in seinem Innern kochte. Die Muskeln seines Gesichtes zuckten krampfhaft. »Oran«, bat Rita. »Nimm ein Pferd und reite aus dem Land. Das hier ist deine Chance. Niemand wird dir folgen, ich versprech es dir.« »Ich soll ihn verschonen, damit er dich haben kann?« Oran lachte wie ein Irrer. »Aber du hast ganz recht – dies ist meine Chance – meine wirklich große Chance. Ich glaubte schon nicht mehr, daß ich sie bekommen würde. – Dreh dich um, Craig! Mir ist es lieber, du bekommst das Loch nicht in den Rücken. Well, das einzige, was mir nicht gefällt, ist, daß ich damit Jenner einen Dienst erweise.« Craig drehte sich langsam um. 121 �
»Du kannst es nicht tun, Oran«, schrie Rita. »Es ist Mord!« »Rita, reite hinüber zu den Bäumen«, sagte Craig tonlos. Blicke nicht zurück, Wenn er schießt. Denke immer daran, daß dieser Wahnsinnige nicht Oran Sand ist. Oran ist schon vor langer Zeit gestorben.« Craig holte mit der linken Hand aus und versetzte Ritas Pferd einen heftigen Schlag auf den Hinterschenkel. Die deutlich sichtbare Bewegung lenkte Oran ab. Zu spät bemerkte er den gleichzeitigen schnellen Griff von Craigs Rechter. Und dann krachte Craigs Colt – einmal, zweimal. Beide Kugeln trafen, und ein entsetzter Ausdruck erschien auf Orans, Gesicht »Craig!« Er hörte weniger seinen Namen als den Ausdruck des Schmerzes in ihrer Stimme. Er blickte auf und sah Rita, blaß und zitternd. »Reite jetzt, Rita«, sagte er tonlos. »Denn es ist immer noch nicht vorbei.« Fast alle Männer des Aufgebots hatten sich eingefunden. Craig überzählte sie schnell. Zehn, einschließlich ihn selbst, waren es. Osgood stand in der Nähe der Vordertür. Einige der Männer hielten zwei weitere gefangene Banditen in Schach. Osgood und die anderen schienen eben erst gekommen zu sein. Denn Osgood sagte, auf seine zwei Gefangenen deutend: »Das wären alle, die noch übrig sind. Jenner ist entkommen. Wir fanden ihn nicht unter den Toten.« »Jenner ist oben«, berichtete, Liberty, »und Tennessee ist hinaufgegangen.« Craig wandte sich sofort zur Treppe. Als er sie erreichte, drehte er sich noch! einmal zurück. »Bleibt unten. Es ist mir lieber, wir stehen uns nicht gegenseitig 122 �
im Weg«, sagte er kurz. Auf der Treppe blieb Craig stehen und blickte den Gang entlang, auf dem sich zu beiden. Seiten Türen befanden. Weder von Tennessee noch von Jenner war etwas zu sehen. »Tennessee!« rief er. »Tennessee!« Keine Antwort. Seine Sinne aufs äußerste gespannt, stieß er eine Tür auf. Es war der Rauch von Jenners Zigaretten, den Tennessee roch und den er aus der unteren Türspalte hervorquellen sah. Da wußte er, daß Jenner hinter der Tür saß und vermutlich mit angeschlagenem Revolver wartete. Ein Knall zerrte an seinen Nerven. Er war durch Craig verursacht, der die erste Tür im Gang auf stieß. ' Tennessee hörte nun, wie Craig von Tür zu Tür ging und jede öffnete. Schließlich spähte Craig in das Zimmer, in dem sein junger Partner saß. Tennessee legte den Zeigefinger auf die Lippen und deutete auf die Tür gegenüber. Craig nickte Und drehte sich um. »Jenner!« rief er. »Willst du herauskommen, oder soll ich dich holen?« Jenner erwiderte schrill und giftig: »Ich warte hier auf dich, Bishop. Komm nur herein!« Craig stellte sich seitlich neben die Tür, faßte nach der Klinke, drückte sie herunter und versetzte der Tür einen Stoß. Kein Schuß fiel, während sie aufschwang. »Traust du dich nicht Mann gegen Mann?« fragte Jenners Stimme ausdruckslos. Craig konnte schräg in Tennessees Zimmer sehen und bemerkte, daß der Junge zur Tür glitt. »Halte dich heraus, Tennessee«, befahl er scharf, und Tennessee trat ins Zimmer zurück. Craig dachte nach, welche Gründe Jenner haben konnte, einen 123 �
Kampf Mann gegen Mann zu veranstalten. Er sagte sich, Jenner vertraue auf seine Revolvergewandtheit – und wollte ihn unbedingt mit in den Tod nehmen. Obwohl er auf einen Trick Jenners gefaßt war, trat Craig in das Zimmer. Jenner stand vor ihm, wie er es angekündigt hatte. Und es gab keinen sofortigen Schuß Wechsel. Die Todfeinde blickten sich schweigend in die Augen. Und dann kam – es war nur eine verwischt wirkende Bewegung – Jenners Waffe ohne Warnung hoch… Der Raum war ein einziges Dröhnen, so betäubend wirkte der Schuß in dem kleinen Zimmer. Und dann war Entsetzen auf Jenners Gesicht. Denn Craig hatte etwas anderes getan, als zu schießen. Er hatte nicht den Arm, sondern die Beine bewegt und war zur Seite geglitten. Bevor Jenner wieder zum Schuß kam, saß ihm Craigs Kugel in der Brust Er taumelte zurück und setzte sich auf das Bett Sein Gesicht war eine Maske aus Schmerz – und aus Wut über vereitelte Rache. Die Waffe hatte Jenner noch in der Hand. Sie kam aber nicht mehr hoch, sondern sank auf das Bett herab. Craig stand da, den Colt auf den Bandenboss gerichtet Er wüßte, daß: kein Schuß mehr notwendig sein würde. Plötzlich fiel Jenner zur Seite. Tennessee kam herüber und starrte auf Jenner, dann auf Craig, der immer noch mit erhobener Waffe dastand. Dann ging er hinunter, trat an die Bar, goß sich einen Drink, ein, stakste zu einem Tisch und setzte sich nieder. Bald darauf erklangen schleppende Schritte auf der Treppe. Craig kam herunter. Er wirkte um Jahre gealtert. Dieser Tag war der schwerste seines Lebens gewesen. 124 �
»Gehen wir«, murmelte er und wandte sich ab. Tennessee ging hinter ihm her. Schweigend verließen sie Stump Town. Erst bei den Pferden sagte Craig müde: »Tennessee, wenn es dir nichts ausmacht, reite nach Devil's Pocket und bringe Miß Hartley auf die Ranch, Ich reite voraus.« Er ging zu seinem Pferd, schwang sich in den Sattel und lenkte das Tier auf den Trail nach Devil's Pocket. Später nahm er eine Abkürzung zur Ranch. Auf dem Weg dorthin hörte er immer wieder, die Worte Bennie Fays: »Man kann nicht vor etwas weglaufen, was man liebt. Du wirst es noch merken.« Well, er merkte es, und trotzdem würde er es müssen. Es gab keine Möglichkeit mehr für ihn, dort zu leben, wo. Rita war, auch nicht als ihr Bruder. Sie hatte gesehen, wie er Oran tötete. Das würde immer zwischen ihnen stehen. Dies war es – und der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie gesagt hatte: »Ich möchte nie daran denken müssen, daß du ihn getötet hast« Als er die Ranch erreichte, ritt er zu den frischen Gräbern unter den Cottonwood-Bäumen. Er nahm den Hut ab, saß lange da und blickte auf die Kreuze. »Das war alles, was ich für euch tun konnte«, murmelte er. »Ihr werdet verstehen, daß ich nicht auf der Diamond bleiben kann.« Er ließ das Pferd gesattelt stehen und ging müde in das Haus. Seine Schritte 'klangen höhl, während er durch die Küche ging und das Wohnzimmer betrat. Er blieb stehen, als er Rita sah. »Du!« sagte er. »Wie…« Er sah sie an, suchte nach Worten und fühlte, daß der Schatten von Oran Sand, der Schatten dieses schrecklichen Tages wie eine Scheidewand zwischen ihnen stand. Unterdrückter Schmerz war in seiner Stimme, als er rauh sagte: »Ich gehe weg, Rita. Du brauchst einen neuen Vormann.« 125 �
»Kannst du jemand vorschlagen, Craig?« »Ich müßte darüber nachdenken. Jedenfalls wird Tennessee hier sein. Der Junge ist zum Mann geworden.« Sie nickte. »Ja. Und wir sind auch älter und klüger geworden. Jeder von uns.« Sie wußte, daß er nicht sprechen würde. Nicht, solange er den Schatten von Oran Sand zwischen ihnen sah. Nicht, solange er nicht wußte, daß sie zu ihm gefunden hatte, daß sie ihn liebte, ja, immer geliebt hatte. Sie hatte es nur nicht gewußt. Sie hatte es das erste Mal undeutlich erkannt, ohne es sich eingestehen zu wollen, als er erklärte, daß er von der Diamond weggehen müsse. Darum hatte sie sich geweigert, mit Oran die Ranch zu verlassen. Von da an hatte sie immer deutlicher erkannt, daß ein Leben ohne Craig Bishop wie ein Leben ohne Sonne für sie war. Und während der schlimmen Nacht in. Stump Town war sie endgültig mit sich ins reine gekommen. Sie trat auf ihn zu und legte ihr« Hand auf seinen Arm. »Craig, ich weiß jetzt alles, über dich und über mich. Wie blind bin ich gewesen«, flüsterte sie. Er nahm sie in die Arme, zögernd noch. Aber als auch sie ihn umschlang, preßte er sie an sich. Sie hörten weder das Pferd, das in den Hof kam, noch hörten sie Tennessee eintreten. Er stand in der Tür und starrte, während ihm das Blut in die Wangen stieg und sein Adamsapfel zuckte. Einmal zweimal räusperte er sich, ehe er sprechen konnte. »He, Boss, ich soll fragen, was mit dem Rodeo ist. Liberty möchte heute noch Bescheid wissen, ob es stattfindet.« Craig drehte langsam den Kopf und antwortete: »Liberty soll zum Teufel gehen. Ich habe jetzt alle Hände voll zu tun!« 126 �
Tennessee starrte Craig verwundert an. � »Yeah, das sehe ich«, schnaubte er und ging hinaus. � Mürrisch dachte er: Hoffentlich entschließt sich der Boss, mich � als Rodeohelfer mitzunehmen. Doch draußen im Hof ging ihm ein Licht auf. »Well, er hat sich ja schon entschlossen, und goldrichtig dazu«, murmelte er. ENDE
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