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Roy Palmer 1.
Sabreras’ Hütte war nur noch ein schwärzliches Gerippe in den höher und höher leckenden F...
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Seewölfe 115 1
Roy Palmer 1.
Sabreras’ Hütte war nur noch ein schwärzliches Gerippe in den höher und höher leckenden Flammen. Wie heißes Blei schmolzen die letzten Reste des Baus dahin, krümmten sich und stürzten mit Knistern und Knacken in sich zusammen. Der Feuerschein war ein Fanal in der Nacht. Er erhellte die steile Wand des Talkessels und zeichnete geisterhafte Muster darauf. Die Urwaldbäume hockten da wie stumme Riesen, die abwartend dem Prasseln der Flammen und dem Rufen der Männer lauschten. Hasard stand in steifer Haltung vor dem Munitionsdepot der Spanier. Sein Triumphgefühl war empfindlich geschwächt worden. Ihm war zumute, als habe man ihm soeben einen Faustschlag ins Gesicht verpaßt. Denn – bei allem Erfolg der Befreiungsaktion – Sabreras, der verbrecherische Kommandant und Ausbeuter der Smaragdmine, hatte während des Kampfes das Weite gesucht. Niemand hatte ihn stoppen können. Ja, er war entwischt, ohne daß die Seewölfe und ihre Freunde es auch nur bemerkt hatten. „Verfluchter Mist“, sagte Hasard leise. „Das hätte uns nicht passieren dürfen.“ Er blickte zu Siri-Tong, die neben ihm stand, „Aber wir fassen den Hund noch, das schwöre ich dir. Und auch die wertvolle Smaragdkrone der Chibchas holen wir uns wieder.“ „Wir müssen sofort aufbrechen, wenn wir ihn noch einholen wollen“, erwiderte die Rote Korsarin. Mut und unbeugsamer Stolz sprachen aus ihrem Blick. Auch Sabreras hatte sie nicht unterwerfen können. Obwohl er sie mit einem Messer bedroht hatte, konnte sie ihn überrumpeln. Hasard blickte in den verfilzt und undurchdringlich wirkenden Wildwuchs des Busches. Grübelnd zog er die Unterlippe zwischen die Zähne, schüttelte dann den Kopf und sagte: „Zu Land kriegen wir ihn ohnehin nicht mehr: Das ist Tatsache.“
Das Duell
„Und? Meinst du damit etwa, daß er den natürlichen Hafen erreicht, in dem die Smaragdschiffe ankern?“ „Ja.“ „Himmel, Hasard, das hört sich aber entmutigend an“, sagte sie. „Gibst du etwa auf?“, Gewiß, er hatte sich nach dem Ausbruch aus der Höhle und dem Kampf plötzlich unglaublich müde und ausgelaugt gefühlt. Aber das war nur ein Moment gewesen. Aber das war vorbei. Er hob den Kopf, sah sie an und grinste. „Ich gebe mich nur keinen falschen Hoffnungen hin. Auf See haben wir bestimmt mehr Aussichten, Sabreras auch wirklich zu stellen. Das Wasser ist unser Element.“ Er beschrieb eine Gebärde zum Urwald hin. „Nicht der Dschungel, in dem der Spanier garantiert rascher vorankommt als wir.“ „Dann beeilen wir uns doch wenigstens“, forderte Siri-Tong, und ihre dunklen Augen blitzten den Seewolf an. Hasard ging zu seinen Männern. Sie hatten sich auf dem Platz zwischen den Hütten versammelt und blickten auf die toten und verwundeten spanischen Soldaten zu ihren Füßen. Die Chibcha-Indianer wollten die Männer, die sie so furchtbar geknechtet und gequält hatten, bespucken und mit den Füßen treten. Aber Carberry stellte sich mitten zwischen sie und breitete die- Arme aus. „Laßt das!“ rief er in seinem holprigen Spanisch. „Haltet euch zurück. Hölle und Teufel, es hat ‚doch keinen Sinn, daß ihr eure Wut jetzt noch an ihnen auslaßt!“ Es war ein kurzer und heftiger Kampf gewesen, der an Dramatik wohl kaum zu übertreffen war. Praktisch ohne Waffen hatten sich die Seewölfe von ihren Ketten befreit und auf die Spanier gestürzt –und wenn Ferris Tuckers großartige „Höllenflasche“ nicht unter den heranstürmenden Wachtposten explodiert wäre, hätte die ganze Sache ziemlich übel ausgehen können. Hasard und seine Männer hatten auch die Siri-Tong-Piraten befreien können. Unterdessen hatten sich auch die Chibchas, diese armen Teufel, von ihren
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Elendslagern im Freien aufgerafft und den weißen Mitgefangenen angeschlossen. Das war ein Fehler der Spanier gewesen. Sie hatten die Indianer unterschätzt und sie nicht einmal mehr in Ketten gelegt, weil sie geglaubt hatten, sie seien durch die Fronarbeit zu Tode erschöpft. Die Chibchas waren zu wandelnden Skeletten abgemagert, -aber der Haß in ihnen war ein glimmender Funke, der unversehens zur Flamme aufschießen konnte. So hatten die Spanier sich plötzlich einer Übermacht gegenüber gesehen. Als die Sklaven dann auch noch Schußwaffen an sich gerissen hatten, war die Partie so gut wie entschieden gewesen. Siri-Tong hatte sich zur selben Zeit aus dem zudringlichen Griff von Sabreras befreit, dessen Hütte fluchtartig verlassen und war zwischen die Fronten geraten. Die Öllampe, die sie in der Hütte umgerissen, und das Talglicht, das sie auf Sabreras geschleudert hatte, hatten das Feuer entfacht. Der Seewolf hatte eigentlich- das Munitionsdepot in die Luft sprengen wollen, inzwischen aber eingesehen, daß er die von den Spaniern gehorteten Waffen, das Pulver und das Blei noch gut gebrauchen konnte. Dies war der kurze Abriß des Kampfes, der nur Minuten gedauert hatte. Inzwischen schwiegen die Beutewaffen. Ruhe war eingetreten. Carberry schaffte es tatsächlich, die Chibchas dazu zu bringen, daß sie die Feinde nicht weiter mißhandelten. Er sah sich die am Boden liegenden Soldaten an und dann brüllte er plötzlich: „Schockschwerenot, dieser Sargento ist uns durch die Lappen gegangen! Dieser elende Galgenstrick und Lumpenhund!“ Hasard steuerte auf ihn zu. Die Männer wichen zurück und gaben eine Gasse frei, durch die er hindurch konnte. „Der Sargento also auch“, sagte Hasard. „Da haben sich die beiden Richtigen gefunden.“ Carberry sah ihn entgeistert an. „Was denn, wie denn? Mann, Hasard, ich meine, Sir - ist etwa noch jemand ausgerissen?“
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„Du merkst aber auch alles’’, fuhr Ferris Tucker ziemlich bissig dazwischen. Ihm wie den anderen waren die Strapazen der letzten Stunden noch deutlich anzusehen. Und auch der Kampf hatte seine Spuren hinterlassen. Ferris hatte eine Beule auf der Stirn und eine blutige Schramme, die quer über die rechte Wange lief. Shane. der bereits etwas ahnte, fügte noch hinzu: „Dreimal darfst du raten, wer, Ed.“ Matt Davies wollte auch etwas dazu sagen, aber der Profos schoß einen derart wilden Blick auf ihn ab, daß er es lieber sein ließ. Carberry wandte sich wieder dem Seewolf zu. „Sabreras,. nicht wahr? Dieses Rübenschwein. Kaufen wir uns den Hund. Auf was warten wir noch?“ Er fuhr zu den Kameraden herum. „Ihr Stinkstiefel und Kakerlaken, sucht den Dschungel ab!“ „In welcher Richtung denn?“ fragte Smoky. „Zum Hohlweg!“ brüllte Carberry. .“Das ist doch der einzige Ausgang aus diesem Dreckskessel!“ Hidduk, der Häuptling der Santa-BarbaraIndianer, nickte sofort dazu. Carberry sprach nämlich immer noch spanisch, und das verstand der rothäutige Mann. Blacky holte tief Luft, dann entgegnete er: „Hör zu, Ed, es ist doch klar wie Suppe, daß wir Sabreras und den Sargento dort nicht mehr abfangen können, zumal wir jetzt erst bemerkt haben, daß sie abgehauen sind. Irre ich mich, Hasard?“ „Nein. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.“ „Tja.“ Carberry kratzte sich verdrossen an seinem mächtigen Rammkinn. „Trotzdem. Ich melde mich freiwillig, schon mal vorzulaufen und den Hohlweg abzuriegeln. Möglicherweise versuchen die beiden Schweinehunde ja auch, uns dort wieder eine Falle zu stellen.“ „Gut, einverstanden“, erwiderte Hasard. „Dan O’Flynn, Jeff. Bowie und Al Conroy, ihr begleitet den Profos. Nehmt so viele Waffen und Munition mit, wie ihr tragen könnt, verstanden?“ „Aye, Sir!“ rief Carberry. Hasard wandte sich an Hidduk, seinen auf den Galapagos-Inseln neu gewonnenen
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Verbündeten und Führer. „Wenn Sabreras und der Sargento den natürlichen Hafen der Smaragdschiffe erreichen - wohin wenden sie sich dann deiner Meinung nach?“ „Nach Panama.“ „Ganz bestimmt? Nicht nach Süden?“ Der Häuptling schüttelte bedächtig den Kopf. Mit der Hand wies er in nördliche Richtung. „Hidduk ist sicher. Sabreras sagte einmal, wenn Gefahr drohe, wenn ihn hier jemand angreife, dann Durchbruch nach Panama. Dort gibt es Hilfe, Verstärkung. Sabreras wird mit vielen Schiffen erscheinen und Krieg gegen uns führen.“ Hasard warf einen Blick auf seine Männer. „Allein aus diesem Grund dürfen wir den Kerl nie und nimmer ungeschoren abziehen lassen. Außerdem hat er bestimmt eine Ladung Smaragde an Bord und die große Krone der Chibchas. Los, Männer, löschen wir das Feuer, damit es nicht doch noch auf das Depot übergreift. Dann nehmen wir Waffen, Munition und so viele Smaragde mit, wie wir tragen können, und kehren zur ‚Isabella’ und dem schwarzen Segler zurück.“ Die Männer liefen auseinander und führten die Befehle des Seewolfs aus. Carberry, Dan, Jeff und Al waren längst im Urwald untergetaucht. Hasard schritt langsam auf die Minenstollen zu und betrachtete die Leiber der Widersacher, die wie hingesät auf dem Untergrund verstreute lagen. Er zählte mehr als ein Dutzend Tote, drei Schwerverletzte und sechs, sieben Leichtverwundete. Er vergewisserte sich selbst, daß sie ihnen nicht mehr gefährlich werden konnten, dann drehte er sich zu Siri-Tong um. „Wir können die Verwundeten nicht so einfach ihrem Schicksal überlassen“, sagte er. „Ich habe den Kutscher leider nicht dabei, aber ich lasse sie so gut wie irgend möglich verarzten.“ „Deine unverbesserliche Menschlichkeit“, murmelte sie. „Hast du einen besseren Vorschlag?“ „Nein. Natürlich hast du recht“, erwiderte sie. „Wir dürfen nicht die Scharfrichter
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spielen. Daß Soldaten letztlich nur den Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorchen, ist mir auch klar. Aber bedenke eins. Was wir nicht tun, führen die Chibcha-Indianer aus, sobald wir fort sind.“ „Wir werden darüber noch mit ihnen sprechen. Wie sieht es bei deiner Crew aus?“ „Keine ernsten Verletzungen. Nur Kratzer:“ „Bei meinen Männern zum Glück auch.“ Hasard streckte den Arm aus und hielt Ferris Tucker fest, der gerade an ihm vorbeilaufen wollte. „Kümmert euch um die verletzten Spanier“, ordnete er an. „Ich spreche inzwischen mit den Indianern.“ Er winkte Hidduk, Atasc und den anderen beiden Serranos zu, und sie begaben sich gemeinsam zu den Chibchas. Die hatten sich inzwischen vor einer der Hütten zusammengeschart und berieten offenbar miteinander. Sie waren ein Grüppchen jammervoller Gestalten, Männer, Frauen, Kinder, die einem auf den ersten Blick nur Mitleid abverlangen konnten. Und doch wußte der Seewolf, daß er sie auf andere Art nehmen mußte. Sie wollten eher Achtung als Erbarmen und beriefen sich auf ihre Würde. Zwei von ihnen, Halbwüchsige, hatte Hasard vor der’ nute der Aufseher geschützt. Das hatten ihm die Chibchas nicht vergessen. Seine Tat war das auslösende Motiv für ihr Eingreifen während des Kampfes gewesen. In ihren Augen lag ein Ausdruck, der Hoffnung und neuen Lebenswillen verriet. Als Hasard verharrte, trat einer von ihnen dicht vor ihn hin. Er war bis auf die Knochen abgemagert, seine ledrige Gesichtshaut war voller Falten und erfüllte die Höhlungen mit schlaffen Runzeln. Schlohweißes Haar hing in Strähnen bis auf seine Schultern. Er sagte etwas in seiner Sprache. „Verstehst du das?“ wandte sich der Seewolf an Hidduk. „Nur einige Worte. Er spricht von Dankbarkeit der Chibchas.“
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Hasard hob beide Hände, als der alte, weißhaarige Indianer geendet hatte. „Laßt uns spanisch miteinander reden. Ich weiß, daß ihr die Sprache eurer Feinde wie die Pest haßt, aber es ist die einzige Möglichkeit, uns zu verständigen. Ich habe mich übrigens bei euch zu bedanken, denn ohne euch hätten wir leicht scheitern können. So aber haben wir uns gemeinsam die Freiheit erkämpft.“ Der Weißhaarige sah ihm in die Augen. Ihre Blicke schienen sich ineinander zu verfangen. „Lobo del Mar“, sagte der Alte mit hartem Akzent. „Payán, der Häuptling des Chibcha-Volkes, will sich dir anschließen. Er ist dein gehorsamer Diener.“ „Schlag dir das aus dem Kopf“, erwiderte Hasard. „Ihr seid frei und nur euch selbst verantwortlich.“ „Die Götter haben dich geschickt, Lobo del Mar.“ „Nein, das glaubst du nur.“ „Du hast uns gegen die Viracochas, die weißen Männer mit den schwarzen Bärten, geschützt“, sagte Payán. „Das vergessen wir dir nie.“ „Ihr habt euch bereits revanchiert“, erklärte Hasard. „Reden wir nicht mehr davon. Ihr müßt euch jetzt von hier absetzen und euch so tief wie möglich in den Urwald zurückziehen. Die Spanier dürfen keine Spur mehr von euch finden.“ Payán wollte vor ihm niederknien, aber Hasard hinderte ihn daran, indem er ihn an den Armen festhielt. Hidduk war neben ihnen und sagte: „Widersprich dem Seewolf nicht, Payán. Sein Wort ist Befehl.“ Der Chibcha nickte. Plötzlich weiteten sich seine Augen, und er schaute Hasard noch einmal so durchdringend wie vorher an. „Sabreras! Gestern hat er die Esmeraldas, die Tränen der Götter, mit Maultieren auf seine Schiffe bringen lassen — viele grüne Steine ...“ „So viele, wie Fische im Meer sind“, sagte Hidduk. „Gut, daß du mir das gesagt hast“, erwiderte Hasard. „Ich will verhindern, daß Sabreras sie in ein Privatversteck schafft
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— oder aber nach Panama. Die Steine gehören ihm nicht. Auch der spanischen Krone nicht. Sie sind Eigentum der Chibchas.“ Payán wedelte mit der Hand. Er war immer noch sehr erregt. „Nein! Die Chibchas wollen die Tränen der Götter nicht mehr. Sie haben ihnen in der letzten Zeit nur noch Unglück gebracht. Auch die Krone, die den Fluch der Götter von. ihnen abwenden sollte — sie gehört Lobo del Mar. Ihm bringt sie Glück!“ „Das kann ich nicht annehmen“, antwortete Hasard. „Das mußt du annehmen“, erklärte Hidduk lächelnd. Und Siri-Tong meinte: „Ich glaube, wir können es ruhigen Gewissens tun. Auch wenn wir uns hier die Taschen mit Smaragden vollstopfen, bleiben immer noch genügend für die Indianer zurück. Mehr, als sie tragen können.“ Sie wies auf die funkelnde Pracht, die sich mitten auf dem Lagerplatz häufte. Die schimmernden Zweikaräter waren die Ausbeute eines einzigen Tages — im Tagebau und in den Stollen der Mine gewonnen. Das rotgelbe Licht der ersterbenden Flammen brach sich in dem transparenten Gestein und rief bezaubernde Reflexe Allein dieses Anblicks wegen hätten sich Menschen zu Gewalttaten hinreißen lassen. Denn der Glanz der Smaragde siegte über die Vernunft und löste ein Fieber aus, dem nur die Stärksten zu trotzen vermöchten. * Wenig später erreichten Hasard und seine Männer den Hohlweg, der aus dem Kessel führte. Sie hatten sich schwer mit Waffen, Munition und Diamanten beladen und stiegen heftig atmend und fluchend den mit Geröll übersäten Pfad hinauf. Carberry trat ihnen entgegen. Er war ein wuchtiger Schatten in der Nacht. Bei seinem Anblick griff Matt Davies unwillkürlich zur Pistole. „Narr“, zischte der Profos. „Bist du blind, oder was ist los?“
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„Die Nerven spielen mir einen Streich“, sagte Matt ärgerlich. „Paß auf, daß ich dir keinen Streich spiele.“ „Ed“, sagte der Seewolf. „Hör auf. Wir sind alle müde und zerschunden, -’ es hat keinen Sinn, daß wir uns auch noch anblaffen. Was ist, habt ihr etwas entdeckt?“ „Nichts. Aber ich habe Conroy als Posten im Hohlweg aufgestellt und O’Flynn und Bowie als Späher losgeschickt. Sie sollen sofort schießen, wenn sie die beiden Halunken entdecken.“ - Carberrys Stimme klang tief und kehlig, ein Fremder hätte es ihm gegenüber mit der Angst zu tun kriegen können. „Gut.“ Hasard drehte sich um und winkte den anderen zu. „Weiter, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Sie klommen den Hohlweg hoch, der ihnen am Nachmittag zum Verhängnis geworden war. Hier hatten sie der schneidige, karrierebewußte Sargento und die Soldaten gestellt -und Hasard hatte sich die bittersten Selbstvorwürfe gemacht, weil er in die Falle getappt war. Al Conroy erwartete sie am oberen Drittel des Hohlweges. Er gab ihnen ein Zeichen und sagte: „Alles in Ordnung, die Luft ist rein.“ „Sicher“, brummte Juan, Siri-Tongs Bootsmann. „Sabreras und der Narr von einem Sargento werden doch nicht so blöd sein, uns zu zweit einen Hinterhalt zu legen. Das wäre glatter Selbstmord.“ „Unterschätze Sabreras nicht“, sagte SiriTong. „Er ist zu allem fähig. Auch dazu.“ Sie schritten weiter voran, und Al Conroy schloß sich ihnen an. Kurz darauf trafen sie im Busch auf Dan O’Flynn und Jeff .Bowie. Sie waren beide ziemlich außer Atem. „Nichts“, stieß Dan aus. „Wir sind gelaufen, aber die beiden Schufte sind wie vom Erdboden verschluckt. In dieser Fieberhölle ist das keine Schwierigkeit ich meine, ungesehen zu verschwinden. Aber ich bin überzeugt, sie sind gerannt, als hätten sie sämtliche Teufel und Dämonen der Finsternis im Nacken.
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Deshalb haben sie einen Vorsprung, den wir nicht mehr einholen können.“ Hasard fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sie waren feucht und klebrig, er hatte wieder zu schwitzen begonnen. Auch die Nacht brachte keine nennenswerte Abkühlung. Ein feucht-stickiger Schleier lastete auf dem Höhenzug der Cordillera Occidental und schien die Menschen, die sich bis hierher verirrten, umklammern zu wollen. „Weiter“, sagte der Seewolf. „Wenn wir zügig marschieren, erreichen wir unsere Schiffe kurz nach Mitternacht. Hidduk führt ins wieder.“ Er schaute zu Bill the Deadhead. „Paßt auf, daß ihr nicht schlappmacht, ausrutscht, einen Fehltritt tut. Ihr wißt, wie leicht man hier krepieren kann.“ „Und ob“, erwiderte Bill. Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Oh, er würde nie vergessen, wie der Seewolf ihn unter Einsatz seines Lebens vor dem Sturz in den Abgrund gerettet hatte. Hasard, Hidduk und Siri-Tong übernahmen die Spitze der Kolonne. Schweigend bahnte sich der Trupp einen Weg durch das dampfende Dickicht — dreißig Männer und eine betörend schöne, hartnäckige Frau. 2. Sabreras stolperte den Hang hinunter, glitt aus, wälzte sich im Morast und blieb in einem Gesträuch hängen. Seine Hände waren um die wenigen Habseligkeiten verkrampft, die er bei der Flucht aus dem Lager der Mine hatte mitnehmen können: einen Jutesack mit der Smaragdkrone und anderem Schmuck darin, eine Ledermappe mit wichtigen Schriftstücken und eine reich verzierte Radschloßpistole. Sein Gesicht war verzerrt. Er fluchte, und beinahe verlor er die Ledermappe, aber er mußte sie festhalten, koste es, was es wolle, denn in den sorgfältig beschrifteten Dokumenten war festgehalten, .daß die Mine Seiner Allerkatholischsten Majestät, Philipp II. von Spanien, gehörte — und
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was’ sie bisher an Produktion abgeworfen hatte. Er mußte sie unbedingt dem Gouverneur von Panama überbringen. Niemals durften sie dem Feind in die Hände fallen. Denn nur der König, kein Spion, hatte das Recht zu wissen, wie reich er war. Und nur einer war im Bilde, wie das Verhältnis zwischen den offiziellen Zahlen und der wahren Produktion an Smaragden war: Sabreras. Er hatte es immer überzeugend darzulegen gewußt. Das war seine Lebensversicherung. Erfuhren seine Befehlshaber, daß er in die eigene Tasche gescheffelt hatte, dann war ihm das Todesurteil durch ein Kriegsgericht sicher. Im Augenblick fühlte er sich dem Tod näher als dem Leben. Er war über und über beschmutzt und stank. Die Flucht durch den Dschungel hatte ihm alles abverlangt. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Oben in den Bergen war er zweimal fast abgestürzt. Einmal hatte ihn beinahe eine giftige Schlange gebissen. Der Sargento hatte ihn vor diesem Ende bewahrt. Er hatte der Schlange mit einem Säbelhieb den Kopf vom Rumpf getrennt. Sabreras hatte diesen Mann unterwegs eigentlich aus dem Weg räumen wollen. Er gehörte nämlich nicht zu den wenigen „Eingeweihten“, die von Sabreras’ Schatzversteck wußten und an der Ausbeute beteiligt waren. Aber ohne den Sargento wäre er niemals bis hierher, ins Vorland der Cordilleras, gelangt. Er hätte sich bei ihm bedanken müssen. Aber das lag ihm nicht. Er fluchte nur, spie Übelkeit und Widerwillen aus und richtete sich halbwegs an dem Gedanken auf, wie er dem Seewolf und seinen Gefährten noch zusetzen würde. Er kroch aus dem Busch und hastete weiter. „Comandante“, keuchte der Sargento hinter ihm. „Ich — ich glaube, die Richtung stimmt nicht. Wir müßten uns weiter nördlich halten.“ „Narr. Wie willst du das wissen?“ „Die Sterne ...“
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„Glaubst du Landratte, dich besser daran orientieren zu können als ein erfahrener Seemann?“ zischte Sabreras. „Schweig jetzt. Ich kann dein Gewäsch nicht mehr hören. Deinetwegen bin ich hingefallen.” Der Sargento wollte aufbegehren, beschränkte sich aber lieber doch auf ein gemurmeltes „Si, Senor Comandante.“ Auf der Kuppe eines der letzten Hügel zwischen Bergland und Küste verhielt Sabreras unversehens seinen Schritt. Sein Begleiter prallte beinahe gegen ihm Verstört blieb er dicht hinter ihm stehen. Sabreras würdigte ihn keines Blickes, er blickte nur starr voraus, nach Westen. „Da ist eine Bucht“, raunte er. „Und es liegen Schiffe darin.“ „Heilige Mutter Gottes, wir haben es geschafft“, sagte der Sargento. „Nein. Das ist nicht unsere Bucht.“ „Nicht - unsere ...“ „Du elender Nichtsnutz“, fuhr der Kommandant ihn an. „Wenn du mich nicht irritiert hättest, wären wir nicht in die verkehrte Richtung gelaufen. Aber ich weiß jetzt, wo wir sind. Das da ist die Bucht, die zehn Meilen südlich unseres natürlichen Hafens liegt. Und die Schiffe gehören dem Seewolf. Hidduk hat ihn dorthin geführt, er wußte von der Bucht, dieser rote Bastard.“ „Senor“, sagte der Sargento. „Wir haben Waffen. Wir können die Kerle auf den Schiffen überfallen. Viele -können es nicht sein. Der Großteil der Besatzungen befindet sich ja noch in der Mine, bei El Lobo del Mar.“ Sabreras musterte ihn von der Seite, als wäre er vom Aussatz befallen. „Por Dios. Wer hat dich bloß befördert? Es wäre unser Ende, wenn wir uns auch nur in die Nähe der Bucht begeben würden. Sie sind auf der Hut, diese Hunde, und sie würden uns aufgrund der Beschreibungen von Hidduk auch sicherlich identifizieren - zumindest mich.“ „Was tun wir dann?“ „Wir wenden uns nach Norden, gehen an Bord der ,Esperanza` und laufen aus, um die Bastarde zu erledigen. Verdammt, die Boten, die ich von der Mine aus zum
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Verband geschickt habe, müssen längst dort eingetroffen sein. Warum suchen meine Männer die Schiffe des- Seewolfs nicht?“ „Sicher tun sie es“, erwiderte der Sargento. „Aber die Bucht liegt versteckt. Wer nichts von ihrer Existenz weiß, segelt unweigerlich daran vorbei.“ Sabreras fluchte wieder leise vor sich hin, aber insgeheim gab er dem Sargento recht. Er, Sabreras, hatte seine Untergebenen nicht über die versteckte Bucht unterrichtet. Absichtlich nicht. Er hatte sich gesagt, eines Tages könne sie ihm irgendwie von Nutzen sein. Daß aber genau das Gegenteil der Fall war, brachte ihn noch mehr zur Raserei. „Gehen wir“, sagte er. „Ich will zu meinen Schiffen - und wenn ich das letzte Stück auf allen vieren kriechend zurücklegen muß.“ * Aber er verfügte doch noch über größere Kraftreserven, als er selbst angenommen hatte. Aufrecht gehend, wenn auch leicht wankend, erreichte er nach Mitternacht den Hafen der Smaragdschiffe. Schon aus einiger Entfernung sah er ihr skeletthaftes Mastwerk in der Dunkelheit aufragen. In der geräumigen Bucht .ankerten auch die Kriegssegler, die die Küste sicherten und den Frachtgaleonen auf dem Weg nach Panama und zurück Geleitschutz gaben. „Sargento“, sagte Sabreras. „Hier bin ich, Comandante. „Lauf voraus und sorge dafür, dass die Posten an Land ein Boot für mich bereithalten.“ „Si, Senor.“ Der Sargento stolperte voran, seine Gestalt wurde von der Dunkelheit verschluckt. Insgeheim malte Sabreras sich schon aus, wie er von einem der Wachtposten erschossen wurde. Durch die Boten, die Sabreras geschickt hatte, waren sie ja von der Anwesenheit des Seewolfs unterrichtet worden. Und sie waren nervös genug, um einen auf sie zuhetzenden Mann durch eine
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Kugel zu stoppen, bevor sie ihn zu identifizieren versuchten. Es kam dann aber doch anders. Sabreras hörte den Sargento rufen. Irgendjemand antwortete ihm, und der Kommandant schloß aus den Wortfetzen, daß der Sargento erkannt worden war. Fahr zur Hölle, dachte er. Selbst konnte er den pflichtbewußten Mann nun nicht mehr töten. Es war zu spät dazu. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder stellte der Sargento in der nahen Zukunft keine kompromittierenden Fragen, dann war alles in Ordnung. Oder er erinnerte sich der Bemerkungen, die der Seewolf, die Rote Korsarin und einige ihrer Männer in der Mine hatten fallenlassen. Bohrte er weiter, um die Wahrheit zu erfahren, würde Sabreras ihn zu bestechen versuchen. Er schritt auf das Ufer der Bucht zu. Der Sargento hatte alles Notwendige veranlaßt. Ein Boot lag im Flachwasser bereit, Soldaten und Seeleute bildeten zwei Reihen und salutierten zur Begrüßung. Sabreras verharrte und schaute zu den Schiffen. Da lag die „Esperanza“, seine Galeone, ein ausgesprochen schönes, aufwendig gebautes und reich verziertes Schiff. In den Frachträumen lagerten die Truhen, die er am Vortag hatte hinschaffen lassen. Sie waren bis zum Rand mit Smaragden und Smaragdschmuck gefüllt. Weiter ankerten da eine unbeladene Transportgaleone, zwei Kriegskaravellenund was war das? Ja, ganz am nördlichen Ufer der Bucht schwojte ein Etwas an der Ankerkette, das man als Schiff kaum noch bezeichnen konnte. Die drei Masten. waren zu Stummeln reduziert, das Schanzkleid und die Aufbauten arg ramponiert - ein Bild des Jammers. „Was ist das? Was hat das zu bedeuten?“ stieß Sabreras hervor. „Senor“, erwiderte einer der Seeleute. „Ich bin einer der Überlebenden des Gefechts, das wir östlich der Isla de Malpelo mit zwei Schiffen gehabt haben. Ich gehöre zur
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Besatzung der Galeone ,Santa Margarita’, die Sie dort liegen sehen.“ „Das ist die ,Santa Margarita`?“ sagte Sabreras entsetzt. „Das war sie“, erwiderte der Seemann erbittert. „Es geschah in der vergangenen Nacht. Wir patrouillierten vor der Küste und trafen mit diesen verdammten beiden fremden Schiffen zusammen. Dann ...“ „Genug“, schnitt der Kommandant ihm das Wort ab. „Den Rest höre ich mir auf meinem Schiff an. Signalisiert sofort allen Schiffsführern. Ich halte eine Lagebesprechung auf der ,Esperanza` ab.“ Das Boot brachte ihn zu der Galeone hinüber. Während die Männer auf den Duchten schweigend pullten, hockte Sabreras tief in seine Gedanken verstrickt da. Einiges konnte er sich bereits zusammenreimen. Ein Seegefecht. Zwei fremde Schiffe, die einen gut armierten spanischen Verband aufgerieben hatten. Das konnten nur der Seewolf und Siri-Tong gewesen sein. Das werdet ihr mir büßen, dachte Sabreras. Er ging an Bord seines Flaggschiffes. Wenig später setzte auch der Sargento mit einem anderen Boot über, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich Sabreras bereits in seiner Kammer im Achterkastell und hieb mit der Faust aufs Pult. Er hatte sich gesäubert, die Kleidung gewechselt und fühlte sich bereits wieder bedeutend wohler in seiner Haut, wenn der Haß ihn auch aufzuzehren drohte. „De Vargas und Mangusto“, sagte er mit bebender Stimme. „Ich verlange augenblicklich eine Erklärung für das, was hier vorgeht.“ Aurelio de Vargas war der Kommandant der „Santa Margarita“, diese wiederum fungierte als Flaggschiff des Geleitschutzes. Er sprach ruhig, war. ein hochgewachsener, besonnener Mann um die Mitte der Vierzig, aber die Spuren des Erlebten zeichneten als Kerben und Schatten sein Gesicht. Er schilderte die Schlacht bei der Isla de Malpelo. Er konnte sogar die Personenbeschreibungen der feindlichen Schiffskommandanten geben.
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„Also doch! Der Seewolf und die Rote Korsarin“, sagte Sabreras, als der Mann geendet hatte. „Das habe ich mir gedacht. Wo sind die Überlebenden der Karavelle, die von diesem schwarzen Viermaster versenkt worden ist, de Vargas?“ „Sie haben sich mit Beibooten absetzen können und sind gestern abend zu uns gestoßen.“ „Und die Galeone, das dritte Schiff des geschlagenen Verbandes?“ „Ist nicht wieder zurückgekehrt.“ „Ich entnehme Ihrem Bericht, daß der Kapitän sich feige aus dem Kampf zurückgezogen hat“, sagte Sabreras. Seine Augen waren schmal und blickten unsagbar kalt. „Das ist Fahnenflucht. Ich verurteile diesen Mann und seine Besatzung mit sofortiger Wirkung zum Tode und werde meinen Schuldspruch vom Gouverneur in Panama bestätigen lassen. Wer immer diese elenden Lumpen entdeckt, kann sie als Vogelfreie töten.“ Er wandte sich seinem Ersten Offizier zu, der bisher schweigend dagesessen hatte. „Mangusto - ich vermisse drei weitere Schiffe unseres Gesamtverbandes hier in der Bucht.“ Lopez Mangusto erhob sich. Er war mittelgroß, stämmig gebaut, muskulös und fast von athletischer Statur. Ein dichter schwarzer Vollbart rahmte sein Gesicht. „Senor Comandante, es handelt sich um die Galeone und die beiden Karavellen, die ich ausgesandt habe, als die Boten aus der Mine eingetroffen sind und mir Meldung erstattet haben. Sie suchen die Schiffe des Seewolfs. Kurz nach ihrem Auslaufen kehrte die Galeone zurück, die ich auf Patrouillenfahrt nach Süden geschickt hatte. Sie brachte die ,Santa Margarita` im Schlepp mit. Die Schiffe des Seewolfs haben wir bisher noch nicht entdeckt. Comandante - wollen Sie uns nicht endlich sagen, was in der Mine vorgefallen ist?“ Sabreras setzte es ihnen auseinander, Ihre Augen weiteten sich, und besonders de Vargas und Mangusto kriegten immer längere Gesichter. Sie gehörten zu den Eingeweihten, die an dem großen Schatz auf San Cristobal beteiligt waren. Als sie
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vernahmen, daß der Seewolf mit den Serranos paktiert hatte, wußten sie natürlich Bescheid. „Der Seewolf wird so viele Smaragde wie möglich auf seine Schiffe schaffen“, sagte Sabreras zum Schluß. „Aber wir werden sie ihm wieder abjagen und ihn und seine Bande von Galgenstricken töten. Wir haben genügend Schiffe, um es schaffen zu können - und ich weiß, wo die Galeone ‚Isabella’ und dieser verfluchte schwarze Viermaster ankern.“ Sie starrten ihn entgeistert an. Sabreras kostete ihre Verblüffung voll aus, er war wieder völlig Herr der Lage und sonnte sich in seiner Führerposition. Eigentlich hatte er im ersten Schreck wirklich. nach Panama flüchten wollen. Aber er hatte eingesehen, daß es töricht war. Es war besser, dem Seewolf eine Falle zu stellen und sich die gesamte Beute zurückzuholen. Dabei würde es ihm schon gelingen, den Anteil von den Galápagos wieder heimlich beiseite zu räumen und zu verstecken. Und wenn er den Seewolf, Siri-Tong und deren Crews zu den Fischen schickte, gab es niemanden mehr, der ihn eventuell beim Gouverneur von Panama anschwärzen konnte -außer dem Sargento vielleicht. 3. Hasard durfte aufatmen. Sie hatten den Weg durch den Dschungel glimpflich hinter sich gebracht -trotz der Dunkelheit und aller anderen Widrigkeiten. Erschöpft trotteten sie aus dem Gebüsch auf den Sandstrand der Bucht. Es gab ein beinahe ergreifendes Wiedersehen mit den zur Wache eingeteilten Männern - und dann. Wenige Minuten darauf, an Bord der Schiffe. Hasard blickte sich erstaunt auf dem Oberdeck der „Isabella um. „He, Ben“, sagte er. „Was wird denn hier gespielt? Ihr seid ja alle auf den Beinen und die alte Lady ist gefechtsklar.“ Ben lächelte grimmig. „Der schwarze Segler auch. Wir halten Augen und Ohren offen und sind auf der Hut. Bill, unser
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Schiffsjunge, hat kurz nach Einbruch der Dunkelheit Schiffe gesichtet. Zuerst die ,Santa Margarita’, die wie eine lahme Ente bei einer anderen Galeone im Schlepp hing, dann zwei Karavellen und eine Galeone der Spanier, die zuerst direkt auf die Bucht zuzulaufen schienen.“ „Sabreras’ Männer“, entgegnete Hasard. „Sie suchen uns. Hört zu.“ In knappen Zügen setzte er ihnen auseinander, was sich in der Mine zugetragen hatte. Ben Brighton blickte dabei zu dem Papagei Sir John, der sich auf Carberrys breiter Schulter niedergelassen hatte und seinen Herrn zärtlich ins Ohr zwackte. „Ich hab’s ja geahnt“, murmelte Ben. „Thorfin Njal, dieser behelmte Nordpolbär, wollte es nicht wahrhaben, aber fast wäre das Ganze in die Hose gegangen, und zwar gründlich. Wir haben hier keine Schüsse und auch keine Explosion vernommen, als ihr euch befreit habt. Sonst hätte ich doch noch einen Trupp Männer losgeschickt.“ „Der Wind hat die Laute davongetragen“, erwiderte der Seewolf. „Außerdem liegt die Mine zu weit landeinwärts. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich habe meinen Plan bereits mit Siri-Tong abgesprochen. Wir ziehen die Landwachen ab. Alle Mann an Bord, und dann nichts wie ankerauf und auf die offene See hinaus! Wir folgen Sabreras!“ Die Männer lösten sich aus ihrer Bewegungslosigkeit. Während der Seewolf sich direkt aufs Achterdeck begab, stürzte die Crew zum Spill von Bug- und Heckanker, schob die Handspaken hinein und begann zu drehen. Die Trossen knarrten, die mächtigen Stockanker hoben sich vom Grund der Bucht und schwebten nach oben. Drüben auf dem schwarzen Schiff gingen die Vorbereitungen zum Auslaufen mit der gleichen Schnelligkeit und Behändigkeit vonstatten. Zwischen Siri-Tong und dem Seewolf bedurfte es keiner weiteren Absprache mehr. Der Aufbruch erfolgte mit großer Routine und in fast gespenstischer Stille. Sogar Carberry verzichtete auf sein übliches Gebrüll, denn
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der Verband, der nach ihnen fahndete, konnte sich in der Nähe befinden. Hasard ließ die Zurrings der Piragua auf dem Achterdeck lösen. Er gab seinen Männern einen Wink, und kurz darauf hob sich das einmastige Gefährt der Indianer ein Stück, schwebte über das Backbordschanzkleid weg und pendelte in seinen Galgen über der schwarzen Wasserfläche. „Was tust du?“ fragte Hidduk überrascht. „Ich lasse deine Piragua abfieren“, erklärte Hasard ihm ruhig. „Unsere Wege trennen sich hier. Du hast dich großartig verhalten und dein Wort nicht gebrochen, Hidduk. Wir sind Freunde geworden. Trotzdem will ich alles Weitere selbst erledigen.“ Hidduk zog überrascht die Augenbrauen hoch. Seine Stirn war gefurcht, seine Lippen aufgeworfen, seine Miene spiegelte einen ärgerlichen Ausdruck. „Du brauchst mich also nicht mehr. Du willst mich und meine drei Krieger ausbooten.“ Hasard lächelte und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Aber nein, so darfst du das nicht auffassen. Ihr - müßt jetzt zu eurem Stamm auf San Cristobal zurückkehren, denn dort werdet ihr dringender benötigt als hier. Was uns betrifft, so hast du bereits mehr als nur deine Schuldigkeit getan, Hidduk.“ „Ich will Sabreras.“ „Überlaß ihn mir.“ „Das ist nicht gerecht, Lobo del Mar.“ Hasard widersprach: „Ich denke dabei an deine Leute. Wenn Sabreras wider Erwarten doch der Durchbruch nach Panama gelingt, könnte er aus Rache einen Verband Kriegsschiffe nach San Cristobal schicken. Ihr müßt auf jeden Fall von dort fort - und wer anders als du soll wohl den Aufbruch veranlassen?“ Hidduk überlegte. „Gut“, sagte er schließlich. „Lobo del Mar ist wie immer ehrlich. Ich lese es in seinen Augen. Aber er soll nicht denken, daß Hidduk sich aus Feigheit zurück-¬ zieht.“ „Niemals würde ich das tun“, erwiderte Hasard ernst.
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Ben Brighton hatte mitgehört und trat näher auf sie zu. „Hasard, mir ist gerade eingefallen, daß ja auch die Chibcha-Indianer gefährdet sind“, sagte er. „Sabreras könnte leicht eine Strafexpedition unternehmen - noch von der Ankerbucht seiner Schiffe aus. Was können wir tun, um die Chibchas vor seiner Vergeltung zu schützen?“ „Ich habe sie bereits in den Urwald geschickt“, sagte Hasard. „Sie sind dort zu Hause, werden sich durchschlagen und irgendwo ein Dorf gründen - tief im Dschungel, wo die Dons sie nicht mehr finden. Auf diese Weise habe ich übrigens auch verhindert, daß sie die verwundeten spanischen Soldaten töteten, die in der Mine zurückgeblieben sind.“ „Na, dann brauchen wir uns darum ja nicht mehr zu kümmern“, sagte Ben erleichtert. „Ben, laß Hidduks Anteil an den Smaragden, die wir aus der Mine mitgebracht haben, in die Piragua verfrachten.“ „Aye, Sir.“ Ben suchte das Quarterdeck auf, um den Befehl weiterzuleiten, aber Hidduk stellte sich mit erhobenen Händen vor den Seewolf hin. „Nein! Niemals! Hidduk lehnt ab! Das können die Serranos nicht annehmen!“ „Du hast dir die Tränen der Götter verdient“, sagte Hasard. „Beleidige mich nicht, indem du ablehnst. Eines Tages wird dein Stamm die Steine gut gebrauchen können. Ich denke, ihr werdet einige Jahre in Ruhe leben können — ohne fremde Schiffe entern zu müssen.“ Hidduk wollte wieder protestieren, aber dann stieß er ein rauhes Lachen aus. „Lobo del Mar hat wieder gesiegt. Hidduk wird dein ewiger Freund bleiben. Er schwört es.“ „Danke. Der Seewolf auch“, erwiderte Hasard. „Wir werden in unsere Heimat zurücksegeln.“ „Nach Neu-Albion?“ „Ja. In das Land, das die Spanier NeuSpanien oder California nennen.“ „Eines Tages besuchen wir euch dort.“
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„Vor der Siedlung Santa Barbara liegen drei große Inseln im Meer“, sagte Hidduk, und es klang feierlich. „Dort warten wir auf euch. Der Seewolf muß sein Wort halten.“ „Das tut er auch”, versicherte Hasard ihm. „Nur den genauen Zeitpunkt kann ich dir nicht nennen. Vorher wollen wir nach China, in das Land der Drachenschiffe und Mandarine, der Zopfmänner und der tausend Rätsel. Aber wir sehen uns wieder — irgendwann.“ Etwas später waren die vier Indianer in die Piragua abgeentert. Sie setzten noch zum schwarzen Schiff über, Hidduk wollte sich auch von Siri-Tong und ihrer Mannschaft verabschieden. Für kurze Zeit begab er sich über die Jakobsleiter auf die Kuhl hinauf. Dort sagte er zu der Roten Korsarin: „SiriTong war mißtrauisch, aber jetzt hat sie keine Zweifel mehr.“ „Das hast du gemerkt?“ erwiderte sie erstaunt. „Der rote Mann liest in den Gesichtern der Menschen.“ Sie sah ihn offen an. „Gut, du hast recht. Ich dachte, du wärst weiter nichts als ein durchtriebener indianischer Pirat, der uns bei der erstbesten Gelegenheit die Gurgeln durchschneiden würde.“ Hidduk lachte wieder auf. „Siri-Tong ist eine ehrliche Frau.“ „Gut, daß wir uns jetzt verstehen ...“ „Wenn Lobo del Mar, der Roten Korsarin oder ihren Männern etwas zustößt, kehrt Hidduk in dieses Land zurück und rächt sie“, sagte der Häuptling noch. Damit wandte er sich ab, kletterte über das Schanzkleid und kehrte in seine Piragua zurück. Atasc und die beiden anderen Krieger verneigten sich vor Siri-Tong und ihrer Crew, dann folgten sie ihm. Die Piragua löste sich von „Eiliger Drache über den Wassern“ und glitt. in die Nacht hinaus. Der Wind hatte gedreht und blies jetzt aus Süden. Er griff in das einzige Segel des kleinen Schiffes, blähte es und verlieh der Piragua mehr Fahrt.
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„Erstaunlich, das so was seetüchtig ist“, sagte Ferris Tucker. „Ich hab immer noch nicht begriffen, wie die Indianer damit einen Sturm abreiten wollen. Es will mir einfach nicht in den Kopf.“ „Sie sind Meister der Seefahrt Und des Schiffbaus“, meinte Hasard. Er stand mit verschränkten Armen auf dem Achterdeck und blickte den Serranos nach. „Hidduk hat mir erzählt, daß ihre Frauen als erstes ein kaltes Bad nehmen, wenn sie ein Kind zur Welt gebracht haben - mit dem Neugeborenen. Dies ist ihr erster Kontakt mit der See oder den Flüssen, und sie scheinen nicht nur mit dem Element verwachsen, sondern ihm sogar entsprungen zu sein. Wir werden lernen, diese Menschen immer mehr zu respektieren.“ Die Piragua hatte die Ausfahrt der versteckten Bucht passiert. Ihre Konturen verschmolzen mit den Sträuchern, die über die Ufer hinauswucherten und sich auf dem Wasser zu treffen schienen. Die Piragua steuerte in die Nacht hinaus, nach Westen. Hasard sah als letztes die hoch aufgerichtete Gestalt Hidduks am Heck des seltsamen Gefährts stehen. Dann ging auch die „Isabella“ an den Wind und steuerte auf die Passage zu. * Hasard enterte zu Dan O’Flynn in den Großmars auf. Dan hatte gleich nach dem Eintreffen an Bord wieder seinen gewohnten Posten als Ausguck eingenommen. Er war schmutzig und abgekämpft; aber das beeinträchtigte seine Sehfähigkeit nicht. „Keine Spur von Feindschiffen“, sagte er. „Vielleicht haben sie es aufgegeben, nach uns zu suchen.“ „Glaubst du das im Ernst, Dan?“‘ „Nein, ich sag’s nur so daher ...“ „Ich rechne ziemlich fest damit, auf diesen Dreierverband zu treffen, der nach Bens Aussage beinahe in die Bucht geraten wäre.“ „Und weiter?“ „Wir wagen den Durchbruch.“
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„Und schießen diese Dons zusammen, wolltest du sagen.“ Hasard maß ihn mit einem tadelnden Blick. „Du nimmst den Mund mal wieder zu voll, Dan.“ „Wir sind alle ziemlich fertig, aber wir haben auch immer noch eine Stinkwut auf Sabreras und seine Leute im Bauch, vergiß das nicht“, sagte Dan. Diesmal war er stockernst. „Auf jeden Fall segeln wir stur nach Norden und pirschen uns nach Möglichkeit bis an den natürlichen Hafen der SmaragdFlotte“, sagte der Seewolf. „Dort sehen wir dann weiter.“ Die „Isabella“ hatte sich während ihrer Unterredung platt vor den Südwind gelegt. Das schwarze Schiff folgte ihr im Abstand von etwa einer Kabellänge in schräg versetzter Kiellinie-. Hasard überschlug in Gedanken noch einmal, wie wohl Sabreras’ Überlegungen sein mochten. Nein, nach Süden wandte er sich bestimmt nicht. Auch wenn er ahnte, wo die „Isabella“ und „Eiliger Drache“ zu finden waren, entgegenwerfen würde er sich ihnen nicht. Nach Galápagos segelte er auch nicht, denn dort gab es für ihn nichts mehr zu holen. Die Smaragde, die er einst auf San Christobal versteckt hatte, befanden sich jetzt zum Großteil in den Frachträumen der „Isabella“ und des schwarzen Schiffes. Den Rest hatte Hidduk eingesteckt. Ja - und hier stellte sich wirklich die Frage, ob Sabreras nach Panama floh. Lag es nicht viel näher, daß er die Reste seiner kleinen Flotte zusammenraffte und seinen Feinden einen Hinterhalt stellte? Es lag doch auf der Hand. Hasard mußte ihm eins zugestehen: er war kein Feigling. Er würde mit allen Mitteln versuchen, den verlorenen Schatz wieder an sich zu reißen. Dan O’Flynn richtete sich plötzlich kerzengerade auf. „Hasard’’, raunte er. „Da ist was. Backbord voraus. Der Teufel soll mich auf der Stelle holen, wenn das nicht ein Schiff ist.“
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Hasard blickte voraus und entdeckte ein paar verschwommene Konturen. In schätzungsweise einer Meile Entfernung schien ein Schemen durch die Nacht zu schlüpfen. Hasard sah in die Tiefe und verfolgte die Bewegung der Männer auf Deck. Auch die Crew war aus dieser Höhe kaum zu erkennen. Es war zwar eine recht klare Nacht, aber Hasard hatte untersagt, die große Hecklaterne der „Isabella“ oder irgendein anderes Licht anzuzünden. Ebenso verhielt sich Siri-Tong. Die Männer erledigten alle Handgriffe so leise, daß das Knarren der Blöcke und Rahen und das Rauschen des Wassers an den Bordwänden überlaut klang. Hasard blickte wieder voraus. Die Konturen im Dunkel schälten sich jetzt etwas stärker heraus und. formten die Umrisse eines großen dreimastigen Seglers. Wer immer er war - zu erkennen geben wollte er sich ebenfalls nicht. Auch er fuhr ohne Licht und nutzte die Tarnung der Nacht. „Ich freß einen Besen, wenn das kein Don ist“, sagte Dan. „Mann“, erwiderte Hasard. „Dazu gehört aber nicht viel Scharfsinn. Wir wissen doch, daß außer uns nur Spanier auf dieser Seite der Neuen Welt herumnavigieren.“ „Und Freibeuter aller Nationen ... „Wollen wir wetten, daß wir eine von Sabreras’ Galeonen vor der Nase haben?“ Der junge O’Flynn sann eine Weile nach, dann grinste er dünn und sagte: „Mit dir wette ich nicht. Ich ziehe ja doch bloß den kürzeren dabei.“ Hasard schwang sich wortlos über die Segeltuchverkleidung des Großmarses. Seine Beine baumelten, seine Füße suchten in der Luft und senkten sich auf die Webeleinen der Steuerbordwanten. Er rutschte tiefer und hangelte im nächsten Moment katzengewandt auf die Kuhl hinunter. Unten angelangt, unterrichtete er Carberry und fügte hinzu: „Ed, die Dons scheinen ebenfalls nach Norden zu steuern, aber wenn sie auch nur die kleinste Kurskorrektur vornehmen und auf uns
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zuhalten, eröffnen wir das Feuer. Ich will kein Risiko eingehen. Wir setzen ihnen eine Warnsalve neben die Bordwand, und wenn ihnen das nicht genügt, ziehen wir volles Register.“ „Aye, aye“, sagte der Profos. „Das wäre genau das, wonach mir im Augenblick zumute ist.“ „Es wäre dir nicht lieber, wenn wir uns klammheimlich verhalten und zwei Drittel der Crew endlich ihre wohlverdiente Nachtruhe erhielten?“ fragte Hasard zweifelnd.. „Nein, Sir.“ „Paß auf, Ed - es könnte sein, daß ich dich gleich beim Wort nehme.“ Der Seewolf hastete weiter, klomm zum Ruderhaus hinauf, blickte hinein und sagte seinem Rudergänger: „Pete, den Kurs halten.“ „Aye, Sir. Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich auch nur einen Strich davon abweiche.“ Etwas verwundert eilte Hasard zum Achterdeck. Diese Beteuerungen seiner Männer - die wilde Entschlossenheit, die schon Dan gezeigt hatte, schien ja allenthalben um sich gegriffen zu haben. War das ansteckend? Rachsucht war nicht der richtige Ausdruck für das, was sie empfanden. Vielmehr wollten sie Sabreras einen nachhaltigen Denkzettel verpassen, ein für allemal. Er sollte begreifen, daß man Seewölfe nicht in Ketten legte und zu Sklaven herabwürdigte, daß man sie nicht zu Tode zu quälen versuchte, ohne teuer dafür zu bezahlen. Zwangsarbeit - nichts haßten sie mehr als das! Auf der Teufelsinsel hatten sie bereits unter dieser grausamen Geißel gelitten und sich geschworen, das niemals wieder über sich ergehen zu lassen. Und dann hatte Sabreras sie zu dem gleichen Los verdammen wollen! „Hasard“, sagte Ben Brighton. Er stand ziemlich weit achtern am Backbordschanzkleid und spähte mit bloßem Auge in die Nacht. Mit dem Spektiv war bei dieser Dunkelheit ohnehin
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nichts auszurichten. „Es wird ernst, schätze ich. Sieh doch.“ „Bereitet dir die eine Galeone Kopfzerbrechen?“ Hasard trat neben ihn. „Da ist mehr“, sagte Ben. Hasard folgte seinem Blick und gewahrte nun ebenfalls, daß sich zu der Dreimastgaleone ein zweiter Schemen gesellt hatte. Eine Karavelle. Er spitzte die Lippen und stieß einen verhaltenen Pfiff aus. „Sieh mal einer an. Ben, heraus mit der Sprache. Kommen dir die Schiffe etwa bekannt vor?“ „Ja, sie haben verteufelte Ähnlichkeit mit denen, die uns vor Stunden beinahe direkt in die Bucht gesegelt wären“, sagte Ben. 4. Die spanische Karavelle staffelte immer weiter auf die Galeone zu, und beide bildeten schließlich eine wehrhafte Einheit, die Hasard auf keinen Fall unterschätzen durfte. Er kniff die Augen zusammen und zählte ihre Stückpforten. Zehn auf der Karavelle, das bedeutete, sie hatte zwanzig Geschütze an Bord. Die Steuerbordseite der Galeone wies zwölf Stückpforten auf, folglich verfügte sie über zwei Dutzend Kanonen. Vierundvierzig Geschütze! Hasard beobachtete, wie die beiden Spanier strikten Nordkurs hielten, als hätten sie den Gegner achteraus noch gar nicht bemerkt. „Verflixt“, murmelte er. „Die haben doch keine Scheuklappen auf. Was soll denn das Theater? Wir haben mehr Fahrt drauf als sie, bald laufen wir auf gleicher Höhe. Wollen die uns dann immer noch ignorieren?“ „Ich weiß nicht, Sir“; antwortete Ben. Was sollte er auch sonst sagen? Hasard spähte angestrengt in die Nacht. Ferris, Shane, der alte O’Flynn und Smoky hatten sich dicht hinter sie gestellt. O’Flynn war es dann, der plötzlich einen zischenden Laut ausstieß und nach oben wies. Sein Sohn hatte sich weit über die Umrandung des Großmarses gelehnt und
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gab ein Zeichen. Hasard sah es ganz deutlich, als er den Kopf wandte. Drei Finger streckte Dan aus - drei Schiffe also. Hasard sah wieder nach Backbord. Wenig später hatte auch er das dritte Schiff entdeckt. „Noch eine Karavelle“, sagte er. „Da hätten wir also das Trio beisammen. Und die dritte Karavelle führt auch zwanzig Geschütze. Vierundsechzig Kanonen also. Dagegen stehen unsere sechzehn Culverinen und die zweimal zwölf Fünfundzwanzig-Pfünder des schwarzen Schiffes.“ „Nicht zu vergessen unsere vier Drehbassen“, sagte Ferris Tucker. „Und die Brandsätze der Roten Korsarin“, fügte Shane hinzu. „Hm“, brummte der Seewolf. „Es kommt auch darauf an, wie weit die Burschen feuern können. Ich schätze, sie hören jetzt mit der sturen Dahinsegelei auf. Der Verbandsführer hat anscheinend nur auf seine dritte Karavelle gewartet. Jetzt macht er Nägel mit Köpfen.“ Es bewahrheitete sich. Die Spanier nahmen Segelfläche weg, verlangsamten ihre Fahrt noch mehr und lagen plötzlich auf gleicher Höhe mit der „Isabella“ und dem schwarzen Schiff. Hasard hob die Hand und winkte Carberry zu. Der Profos stand breitbeinig mitten auf der Kuhl, er hielt die Beine abgewinkelt und balancierte gekonnt die Schiffsbewegungen aus. „Al“, knurrte er. „Los geht’s. Setz diesen Oberstinkstiefeln einen Schuß vor den Bug.“ Al stand mit entfachter Lunte hinter dem Bodenstück der vordersten BackbordCulverine bereit. Er senkte das glimmende Ende auf den Zündkanal, sprang dann zur Seite und wartete in geduckter Haltung ab. Sein Gesicht war verkniffen, sein Mund geöffnet, die zusammengebissenen Zähne schimmerten im Dunkeln. Die Culverine brüllte auf und spuckte ihren Gluthauch auf die See aus. Er raste zur Galeone hinüber, drückte das Siebzehnpfünder-Geschoß vor sich her,
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und gleichzeitig ruckte auf der „Isabella“ das schwere Geschütz auf seinen Hartholzrädern zurück. Das Brook tau fing den Rückstoß auf. Al blickte zu Matt Davies. Sie stürmten vor und brachten die Kanone wieder in Ladestellung. In derselben Sekunde rauschte dicht vor dem Bug der spanischen Galeone eine Wasserfontäne hoch. Im Klartext hieß das: Verschwindet, oder es gibt Ärger! Carberry stieß einen glucksenden Laut aus, denn der Seewolf hatte schon wieder die Hand gehoben. „Blacky, Gary, Sam“, sagte der Profos. Und die drei, die ihre Culverinen auch längst in Zielrichtung justiert hatten, zündeten ebenfalls. Einen Augenblick später hatte sich die Glut durch das trockene Zündkraut gefressen, Feuer und Rauch stöben aus den Läufen und sandten die unheilvolle Ladung zum Gegner. Zwischen dem Heck der Galeone und der Karavelle, die ganz dicht hinter ihr hersegelte, standen plötzlich drei Wassersäulen. Sie waren von schäumenden Kränzen gekrönt, fielen aber sofort wieder in sich zusammen. Wer ganz genau hinhörte, konnte den vielstimmigen Wutschrei vernehmen, der sich drüben aus den Kehlen der Spanier löste. „Das soll uns erst mal einer nachmachen“, sagte Carberry voll Stolz. Die Dreifach-Salve war eine ebenso klare Botschaft wie Al Conroys Schuß. Letzte Warnung vor dem Sturm, bedeutete sie. „Heiß Flagge“, befahl der Seewolf. Bill, der Schiffsjunge, stand auf dem Achterdeck bereit und hißte den White Ensign im Besantopp. Die große weiße Flagge mit dem roten Georgskreuz knatterte im Wind, und jetzt zeigte auch Siri-Tong im Großtopp des schwarzen Schiffes die Drachenflagge. Die Spanier konnten diese Zeichen auch in der Dunkelheit mit aller Deutlichkeit erkennen. Drastischer ging es nicht, sie wußten genau, woran sie waren. „Ich bin für klare Verhältnisse“, sagte Hasard. „Sie brauchen jetzt nicht mehr zu signalisieren, wir sollen uns zu erkennen geben.“
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Das taten die Spanier auch nicht. Weiße Qualmwolken pufften von ihren jetzt offenen Stückpforten hoch, der Kanonenböller wälzte sich grollend auf die „Isabella“ zu. Die Galeone und die erste Karavelle feuerten auf die Seewölfe, die zweite Karavelle auf Siri-Tong und ihre Piraten. Hasard ging hinter dem Schanzkleid in Deckung, blickte zu Ben Brighton und rief: „Diese Idioten vergeuden gleich zu Anfang volle Breitseiten!“ Ein wahres Höllenkonzert orgelte auf sie zu. Carberry hatte sich hinter die Kuhlgräting sinken lassen und fluchte in rauhestem, breitestem Cornwall-Englisch. Dabei brachte er auch noch das Kunststück fertig, sich den zeternden Sir John in die Tasche zu stopfen. „Du willst dir wohl ein Ding in den Achtersteven einfangen, du Kanaille, was, wie?“ brüllte er. Sie lagen alle platt auf dem Bauch oder hinter Deckungen verkrümmt und schützten die Köpfe mit den Händen, als die Breitseiten heran waren. Eine Wasserwand richtete sich neben der Backbordseite auf, es knallte, splitterte und krachte, und ein Ruck lief durch das Schiff. Etwas heulte im Tiefflug über die Kuhl, passierte die Gräting, verfehlte den Profos um knapp zwei Handspannen und verlor sich in Feuerlee. Carberry tobte. „Gesengte Säue“ und ..Hurensöhne“ waren noch zwei von den mildesten Ausdrücken, die er den Spaniern entgegenbrüllte. Er sprang auf, sah die Crew in Schwaden von Pulverrauch ebenfalls wieder auf die Beine kommen und schrie: „Feuer!“ „Feuer!“ tönte es auch von Bord des schwarzen Schiffes herüber. Thorfin Njal, der hünenhafte Wikinger, dirigierte den Einsatz der Männer auf der Kuhl. Es dröhnte, als hätten unsichtbare Riesen mit den Fäusten auf die Planken des Schiffes gehämmert. Der Rumpf erzitterte bis in die Verbände, Feuer und Rauch deckten die Backbordseite zu - die Fünfundzwanzigpfünder hatten gesprochen.
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Zur selben Zeit röhrten auch die restlichen vier Culverinen an Backbord der „Isabella“ auf. Al, Matt, Blacky, Gary, Sam und ein paar Helfer luden derweil in aller Eile die vier vorderen Geschütze nach. Der Kutscher schoß wie ein Derwisch hin und her. Er streute Sand aus, damit die Männer einen festen Stand auf den Planken hatten und Feuer rasch gelöscht werden konnte. Außerdem erneuerte er das Wasser in den Holzkübeln, die zum Befeuchten der Wischer bereitstanden. Hasard beobachtete vom Achter. deck aus. Die „Isabella“ hatte ein paar Einschläge im Schanzkleid zu verzeichnen, aber niemand war durch wirbelnde Trümmer oder Splitter ernsthaft verletzt worden. Ferris Tucker war in den Schiffsbauch hinuntergestiegen, um nach Lecks unter der Wasserlinie zu forschen. „Shane!“ rief Hasard dem graubärtigen Riesen zu. „Hinauf mit dir in den Großmars. Und sag auch Batuti Bescheid. Die Dons staffeln näher heran, um mehr Treffer landen zu können. Wir wollen ihnen einen gebührenden Empfang bereiten.“ „Aye, Sir!“ rief Big Old Shane. Er turnte den Steuerbordniedergang hinunter, lief über die Kuhl und brüllte dem GambiaNeger zu: -“Batuti, heb deinen Hintern in die Wanten, wir wollen ein Zielschießen veranstalten!“ Hasard trat selbst an die eine Drehbasse des Achterdecks und drehte sie so weit herum, daß er die Galeone vor der Mündung hatte. Hinter ihm stand Old O’Flynn an dem zweiten Hinterlader. „Donegal!“ rief Hasard ihm zu. „Schieß mich nicht über den Haufen! Warte gefälligst ab, ja?“ „Darauf kannst du Gift nehmen“, knurrte der Alte. „Wer bin ich denn? Ein blutiger Anfänger etwa? Euch jungen Sprintern lauf ich doch noch mit meinem Holzbein davon.“ Ferris kehrte von unten zurück und meldete: „Keine Lecks in den unteren Schiffsräumen. In der einen Achterdeckskammer haben wir ein Loch,
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aber da pfeif nur ein bißchen der Wind durch.“ „Dann bete, daß es dabei bleibt“, sagte Hasard. „Feuer!“ schrie Carberry. Die vier achteren Culverinen wummerten los. Und dann schoß auch das schwarze Schiff wieder auf die Karavellen, die nach wie vor hinter der Galeone hersegelten. Kurz darauf feuerten die Seewölfe mit den vorderen vier Siebzehnpfündern der Backbordseite - und Siri-Tong setzte zum ersten Mal einen der Brandsätze ein. Fauchend verließ das Geschoß die Luke im Vorkastell, stach’ durch die Nacht und raste in die Bordwand der letzten spanischen Karavelle. Hasard gab Shane und Batuti ein Zeichen, noch zu warten. Er wollte sehen, was die Spanier nun unternahmen. Er fühlte sich nicht von vornherein überlegen. Er unterschätzte niemals einen Gegner, denn das konnte ein Fehler mit verheerenden Folgen sein. Aber diesmal lag der Feind mit seiner Taktik deutlich daneben. Er hatte die kompletten Breitseiten leergeschossen und mußte erst wieder nachladen, um erneut einsatzbereit zu sein. So ging wertvolle Zeit verloren, zumal das Gefecht dadurch an Dynamik verlor, daß die Kontrahenten auf Parallelkurs segelten und platt vor dem Wind lagen. „Der Don luvt an“, sagte Hasard plötzlich. „Das habe ich mir gedacht.“ „Er kommt mit dem Laden nicht nach“, erwiderte Ben Brighton. „Darum will er über Stag gehen und uns die Backbordbreitseite entbieten.“ „Wahnsinn“, sagte Hasard. „Der Philipp hat nicht alle Tassen im Schapp!“ rief der alte O’Flynn. Hasard sagte gar nichts mehr. Er korrigierte die Zielrichtung der Drehbasse, stellte sie erneut in ihrer Gabellafette fest und schickte einen prüfenden Blick über den Lauf. Wenn die „Isabella“ eine Aufwärtsbewegung auf der Dünung vollführte, lag die feindliche Galeone genau in der Ziellinie. Hasard stieß die
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Lunte in das Kupferbecken mit der glühenden Holzkohle, zog sie wieder hoch und wartete ab. Als die „Isabella“ sich nach unten neigte, zündete er. In den Sekunden, die die Glut für ihren Weg durch den Zündkanal be- nötigte, hob sich das Schiff wieder. Als es zu verharren schien, hatte der Seewolf den Bug der spanischen Galeone genau im Visier - und die Drehbasse blaffte auf. Sie ruckte in der Lafette. Durch Feuer und Rauch glaubte Hasard die Kugel fliegen zu sehen, aber das war natürlich reine Einbildung. Aber dann sah er, wie es dem Spanier glatt den Bugspriet samt der Blinde weghieb und das war keine optische Täuschung! Bugspriet und Blinde gingen in der See baden. Im Vorsteven der Galeone prangte ein häßliches Loch. Wieder wehte das empörte Gebrüll der Spanier zur „Isabella“ herüber. Sie konnten sich momentan nicht zur Wehr setzen, aber ihr Kapitän schwenkte weiter mit dem Schiff herum und wollte von seinem Plan nicht ablassen. Für eine Weile trat eine Gefechtspause ein. Auch auf dem schwarzen Schiff und den beiden Karavellen schwiegen jetzt die Geschütze. Die Karavellen folgten dem Beispiel der Führungsgaleone und luvten an. Ihre Kapitäne handelten getreu dem Grundsatz: Folge deinem Leithammel, und wenn er in den Bach springt, dann spring auch du! Carberrys heiserer Ruf zerriß die Stille. „Feuer!“ Wieder stoben vier Culverinen-Schüsse auf die gegnerische Galeone zu. * Das typische Knacken und Splittern berstenden Holzes verkündete, daß die Seewölfe eine Serie von Treffern gelandet hatten. Sie johlten und stießen sich mit den Ellbogen an. Gary Andrews warf sogar seine Mütze in die Luft. Er fing sie wieder auf und sagte: „Und das alles mit nur einer Breitseite. Die Steuerbordgeschütze haben wir noch gar nicht zum Einsatz gebracht.“
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„Gut so!“ brüllte Carberry. „Wir werden sie noch brauchen, wenn wir Sabreras aufgestöbert haben!“ „Hey“, stieß Matt Davies aus. „Der Don muß verrückt sein. Er luvt weiter an und geht über Stag.“ Die Distanz zwischen beiden Galeonen war erheblich geschrumpft. Hasard schätzte sie mit einem einzigen Blick ab, während er seine Drehbasse nachlud. Er preßte die Kugel mit einem Satz Kabelgarn fest, rammte das Bodenstück zu und drehte sich zum Hauptdeck um. Er hob den Kopf, stieß einen Pfiff aus und winkte Shane und Batuti zu. Big Old Shane grinste. Er bückte sich und hielt Dan, der mit ihm zusammen im Hauptmars hockte, die wergumwickelte Spitze eines Pfeiles hin. „So, nun zünd mal an“, sagte er. Dan schlug Feuerstahl und Pyrit gegeneinander. Ein kleiner Funkenregen ging auf das ölgetränkte Werg nieder und setzte es in Brand. Shane hob den Pfeil, legte ihn an den Bogenschaft und spannte die Sehne, daß es so aussah, als wolle er sie zerreißen. Er öffnete die Finger der rechten Hand, und der Pfeil huschte von der Sehne. Er strebte in zunächst aufsteigener Bahn durch die Nacht, dann krümmte sich sein Weg, und er senkte sich als zuckender Lichtfleck auf die spanische Galeone. Gleichzeitig sandte auch Batuti seinen ersten Brandpfeil los. Shane wartete nicht ab, bis’ sein Pfeil das Ziel erreicht hatte, er legte schon den nächsten an und schoß. Batuti verfuhr nach dem gleichen Prinzip, und so hagelte es jetzt Brandpfeile. Einige trafen das Rigg des Gegners, einige sein Oberdeck, und im Nu flackerten Brände auf. Siri-Tong setzte wieder Brandsätze ein. Sie hatten eine noch verheerendere Wirkung als die Pfeile von Shane und Batuti. Auch auf den Karavellen brach Feuer aus. Die Kampfmoral der Spanier sank rapide, sie schrien und schienen kurz vor der Panik zu stehen. „Zwei Strich Steuerbord!“ rief der Seewolf.
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Die „Isabella“ luvte nur ein wenig nach Steuerbord an und schob sich näher der Küste zu. Old O’Flynn konnte nun endlich seine Drehbasse auf die Galeone abfeuern, er geriet in, den richtigen Schußwinkel. Hasard zündete auch seine Basse, dann; in breiten Schwaden von Pulverrauch stehend, drehte er sich wieder um und rief seinen Männern zu: „Abfallen! Backbordseite!“ Carberry wiederholte die Befehle. Sein Gebrüll purrte die Männer an die Schoten und Brassen. Pete Ballie kurbelte am Ruderrad. Die „Isabella“ reagierte willig auf die neue Ruder- und Segelstellung. Ihr Vorsteven richtete sich nach Nord-NordWest. Die Mündungen der 17-Pfünder ruckten herum und zielten auf die spanische Galeone, die sich nun auch endlich wieder in Schußposition schob. Die Spanier wollten eine volle Breitseite abgeben, aber der Seewolf kam ihnen zuvor. „Feuer!“ Acht Rohre stießen Feuerblitze aus, achtfacher Tod raste auf die Feindgaleone zu. Sechs oder sieben Treffer waren diesmal drüben zu verzeichnen,- die Seewölfe zählten nicht genau. Die „Isabella“ glitt vor dem Gegner davon. Diese massive Breitseite hatte entscheidende Wirkung im Gefecht. Die drei Spanier blieben zurück. Sie kamen nicht mehr zum Schuß. Sie hatten genug damit zu tun, daß lodernde Feuer auf den Decks und in den Riggs zu löschen. Hasard blickte zum schwarzen Schiff. Er atmete auf. Anscheinend völlig unversehrt zogen sich die Rote Korsarin und ihre Männer aus der Kampfzone zurück, schlossen ein bißchen auf und segelten im Kielwasser der „Isabella“. „Ben, haben wir Verletzte?“ fragte Hasard. „Bis auf ein paar unbedeutende Kratzer nein, Sir.“ „Die Männer sollen nachladen und neue Munition heranschaffen. Mit dem Aufklaren warten wir, dazu ist jetzt keine Zeit. Das Gefecht ist noch nicht vorbei.“ Ben sahen aus schwarz geränderten Augen an. „Sabreras, nicht wahr?“
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„Ja, er muß durch den Kampflärm alarmiert worden sein. Der Dreierverband war auf dem Rückweg zum natürlichen Hafen, und jetzt wird unser Freund nachsehen wollen, was los ist.“ Hasards Züge waren hart, wie gemeißelt. „Wo bleibt er überhaupt?“ „Ich sage, er ist abgehauen“, erklärte der alte O’Flynn mit krächzender Stimme. „Das würde mich wundern“, erwiderte Hasard. „Ich müßte mich in Sabreras gründlich getäuscht haben, wenn er jetzt zu kneifen versucht.“ „Deck!“ schrie in diesem Augenblick Dan aus dem Großmars. „Segler Backbord voraus!“ Ben Brighton wischte sich Ruß aus dem Gesicht. Es war eher ein sinnloser Versuch, denn seine Hände hinterließen lediglich streifige Spuren auf der geschwärzten Haut. „Ho!“ rief er. „Es tut sich wieder was. Lassen wir uns überraschen, Hasard?“ „Was bleibt uns anderes übrig?“ „Wir können immer noch nach Westen ablaufen. Den Dons segeln wir bestimmt davon.“ „Bist du für halbe Sachen, Mister Brighton?“ „Nein.“ . „Aber es kann uns noch den Kopf kosten, meinst du.“ „Wir wissen nicht, wie viele Schiffe Sabreras in seiner Bucht zusammengezogen hat“, erwiderte Ben. Hasard stellte sich ans Backbordschanzkleid des Achterdecks. „Sehr viele können es nicht mehr sein. Da wäre die ,Esperanza` und dann eine weitere Galeone - jene, die während der Nacht die ,Santa Margarita’ gefunden und abgeschleppt hat. Wegen der ,Santa Margarita’ brauchen :wir uns keine grauen Haare wachsen zu lassen, denn die ist so schwer angeschlagen, daß sie unmöglich in ein Gefecht eingreifen kann.“ Die Nacht wich allmählich und löste sich in schwarzgraue Schatten auf. Nach Osten hin schien sich der Himmel schon heller zu färben. Knapp eine Stunde noch, dann würde die Sonne als glühender Ball über
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den Höhenzügen der Kordilleren erscheinen. Hasard versuchte, durch das Spektiv einen Ausblick auf den neuen Gegner zu gewinnen. Und tatsächlich, er entdeckte ihn. Verschwommen hoben sich die Konturen in der Optik ab. „Ein Zweimaster“, sagte er. „Eine Karavelle, nicht besonders groß.“ „Ein Spanier?“ fragte Ferris Tucker. „Warte. Denkst du vielleicht, es handelt sich um Piraten? Blut lockt Haie an, oder? Aber ich glaube nicht daran. Augenblick, ja, es ist ein Don, ich kann das Holzkreuz erkennen, das er unter dem Bugspriet baumeln hat. Und jetzt sehe ich auch die Flagge im Großtopp.“ Hasard ließ das Fernrohr sinken und schaute die Männer an: „Wir verhalten uns ruhig, bis wir dicht an ihn heran sind, klar?“ „Klar, Sir“, antwortete Ben. „Profos“, sagte Ferris zur Kuhl hin. „Was gibt’s, du roter Klamphauer?“ „Halt die Luft an und brüll gefälligst nicht herum. Wir sollen die Klappe halten, hat Hasard gesagt.“ „Wer brüllt denn hier“, brummelte Carberry und zerdrückte einen ellenlangen Fluch auf den Lippen. „Der Don hält Ostkurs“, meldete Dan O’Flynn. „Er kreuzt“, sagte Hasard. „Wenn er so weitersegelt, haben wir ihn gleich in der Zange.“ „Er fällt ab!“ rief der junge O’Flynn. „Nicht so laut“, zischte der Profos. „Jetzt hat er nicht nur uns, sondern auch den schwarzen Segler entdeckt und kriegt das große Sausen“, meinte Smoky. „Er türmt zum Smaragdhafen und holt Verstärkung.“ Hasard beobachtete wieder durch den Kieker und nickte. „Stimmt. Allein kann er es ja nun wirklich nicht mit uns aufnehmen.“ „Er ist Sabreras’ vorgeschobener Posten“, sagte Ben Brighton. „Irgendwo vor der Küste, nur ein paar Meilen entfernt, lauert der Restverband - und wir segeln direkt auf ihn los. Die Lage spitzt sich wieder zu.“ Hasard steckte den Kieker weg, eilte auf die Kuhl und inspizierte kurz die
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Gefechtsstationen. Es war aber soweit alles - in Ordnung, von den Schäden im Schanzkleid und auf Deck abgesehen. Munition stand genügend zur Verfügung nicht zuletzt auch wegen der Vorräte, die sie vorsorglich aus der Mine mitgeschleppt hatten. „Wie ist die Stimmung?“ fragte er seine Männer. „Glänzend“, erwiderte Al Conroy. „Selten so heiter gewesen, Sir.“ „Nun haut bloß nicht so auf die Pauke, ihr Sumpfnelken’’, sagte Carberry. Hasard lächelte ihnen zu, kehrte um und begab sich wieder aufs Achterkastell. „Ferris“, sagte er. „Hol die letzten Brandsätze, die wir noch im Achterkastell aufbewahren. Außerdem hältst du deine Höllenflaschen bereit. Nimm meinen Platz an der achteren Drehbasse ein.“ „Aye, Sir.“ „Shane“, wandte sich der Seewolf an den ehemaligen Schmied von Arwenack Castle. Der graubärtige Koloß war soeben aus dem Großmars zurückgekehrt und stieg den Niedergang hoch. „Du bewaffnest dich zusätzlich mit Pulverpfeilen und enterst sofort wieder in den Großmars auf.“ „Geht in Ordnung, Sir.“ Pulverpfeile — das waren Shanes Spezialanfertigungen mit ausgehöhlten Schäften. Er hatte mit viel Akribie Schwarzpulver hineingefüllt, die Öffnungen mit Wachs versiegelt und die Spitzen auf die übliche Weise mit Werg umwickelt. Die brennenden Spitzen entzündeten das Pulver, wenn die Pfeile im Kampf zum Gegner hinübersurrten. Hasard blickte wieder zur Karavelle. Sie lag jetzt platt vor dem Wind und hatte alles gesetzt, was ihr an Segelfläche zur Verfügung stand. Sie führte Lateinertakelung, was ihr besonders gute Am-Wind-Eigenschaf - ten verlieh. Vor dem Wind konnte sie dem ranken Rahsegler der Seewölfe und auch dem schwarzen Schiff jedoch nicht davonrauschen. Hasard und Siri-Tong blieben ihr also auf den Fersen.
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Die Schleier der Nacht verflüchtigten sich noch mehr und öffneten den Blick nach Norden so weit, daß die Karavelle recht deutlich zu erkennen war. Wie ein scheues, verängstigtes Tier floh sie vor dem Gegner. Hasard hätte sie einholen und vernichten können. Aber bei aller Wut auf Sabreras und seine Gefolgschaft— das entsprach ganz und gar nicht seinem Stil. Fairneß war immer noch das oberste Gebot, das er sich gesetzt hatte und rigoros einhielt. „Deck!“ rief Dan plötzlich. „Da sind wieder Schatten, rund zwei Meilen voraus. Ich sehe noch nichts Genaues, aber ich nehme stark an, es sind Schiffe.“ „Jetzt geht’s gleich rund“, sagte Carberry. Aber ganz so enthusiastisch wie vor dem ersten Gefecht klang sein Spruch diesmal nicht. 5. Aurelio de Vargas, der Kapitän der „Santa Margarita“ und Kommandant des Kriegsschiffverbandes, stand mit Sabreras und dem Ersten Offizier Lopez Mangusto auf dem Achterdeck der „Esperanza“. Von hier aus leitete er nach Sabreras’ Anweisungen den Einsatz seiner letzten Schiffe. Die „Santa Margarita“ würde vielleicht nie wieder auf See zurückkehren, denn ihre Wiederherstellung nahm mehr Material und Zeit in Anspruch, als rentabel war. So lag sie in dem natürlichen Hafen und wartete darauf, abgewrackt zu werden, während der Restverband ausgelaufen war, um den Seewolf zu stellen. Der Restverband. Das waren außer der „Esperanza“ nur noch die eine, mäßig armierte Smaragd-Galeone und zwei Karavellen, von denen Sabreras die eine, zweimastige, nach Süden geschickt hatte, als sie den ersten Kanonendonner vernommen hatten. Dieser Aufklärer und die andere DreimastKaravelle waren reine Kriegssegler. Die „Esperanza“ als Flaggschiff des Transportverbandes verfügte auch über zwanzig Kanonen — Culverinen, DemiCulverinen und Minions, die sie zu einem
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vollwertigen Mitstreiter im Kampf machten. „Esperanza“ bedeutete Hoffnung. bislang hatte dieser optimistische Name ihrer Trägerin nichts Nachteiliges eingebracht. Zehn Seemeilen nordwestlich querab ihrer Ankerbucht lagen die drei Schiffe mit aufgegeiten Segeln. Die „Esperanza“ befand sich im Zentrum und die zweite Galeone und die Dreimast-Karavelle hatten im Abstand von jeweils einer halben Seemeile an Backbord und Steuerbord von ihr verhalten. Sabreras hatte hier gestoppt. als der Gefechtslärm von Süden herangerollt war. Die Schiffe lagen mit dem Bug im Wind. Der warme Südwind umfächelte die Vorsteven. Sabreras verließ das Achterdeck und suchte die Back auf. „Falls es diesen wahnsinnigen Narren gelingt, unsere Patrouille zu schlagen, müssen sie hier vorbei“, sagte er im Dahinmarschieren. „Und dann gnade ihnen Gott.“ De Vargas hielt sich rechts neben ihm. „Das will ich auch hoffen“, erwiderte er. „Wir müssen den Schatz zurückerobern. Für die spanische Krone.“ „Es lebe der König“, murmelte Lopez Mangusto, der hinter ihnen schritt. Es klang aber nicht richtig überzeugt. Als sie allein auf der Back standen, blickte Sabreras sie mit verbissener Miene an. „Hört doch mit der Komödie auf. De Vargas, du warst vor Mangusto Erster Offizier auf diesem Schiff, aber ich habe beim Gouverneur von Panama erreicht, daß du zum Kriegsschiff-Kommandanten befördert wurdest. Und ich habe dich neben Mangusto zu meinem engsten Vertrauten ernannt - aber doch nicht so einfach aus heiterem Himmel. Ich baue auf dich, Aurelio. Es hängt maßgeblich von dir ah, ob wir diesen Killigrew und das schwarzhaarige Weib erledigen.“ „Du kannst dich auf mich verlassen“, antwortete de Vargas. „Es ist doch nur in unserem Interesse, die Schiffe dieser Halunken zu kapern“, fügte Mangusto hinzu. „Sonst gehen wir leer
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aus. Ein für allemal. Auf Galápagos gibt es doch auch nichts mehr für uns zu holen, wenn ich richtig verstanden habe.“ „Hidduk, dieser rote Hundesohn“, stieß Sabreras erbittert aus. „Er hat uns verraten und die Steine dem Seewolf übergeben. Aber das wird er mir büßen. Ich töte nicht nur ihn und die drei Krieger, die bei ihm sind. Ich schicke - auch eine Strafexpedition nach San Christobal, sobald ich kann.“ „Du willst seinen Stamm niedermetzeln?“ fragte Mangusto. Auch er duzte den Kommandanten, wenn sie unter sich waren. Nur vor den anderen Offizieren und der Mannschaft bedienten sie sich des reservierteren „Sie“, um nicht an Autorität zu verlieren. „Ich schwöre, daß ich es tun werde“, sagte Sabreras. Über ihnen erscholl ein Ruf. Der Mann, den Sabreras als Fockmastausguck in den Vormars hinaufgeschickt hatte, meldete: „Die Karavelle! Sie kehrt zurück. Ich sehe sie Steuerbord voraus segeln!“ De Vargas hatte das Spektiv ans Auge gehoben. „Der Kapitän gibt Lichtsignale. Verdammt - das darf nicht wahr sein.“ „Was, zum Teufel, ist jetzt wieder los?“ Sabreras entriß seinem Ersten das Fernrohr und schaute selbst hindurch. De Vargas fluchte. „Der Dreierverband, unsere Patrouille - er ist beinahe zusammengeschossen worden und brennt. Der Seewolf und die Rote Korsarin haben zwei große Schiffe, und sie halten auf uns zu.“ „Feuer im Süden!“ schrie der Mann im Vormars. „Du Narr, das siehst du jetzt erst?“ rief Lopez Mangusto. „Das sind unsere Galeone und die beiden Karavellen.“ „Die halten auf uns zu!“ brüllte der Ausguck. „Das heißt, der Feind segelt vor den brennenden Schiffen und hinter der Zweimast-Karavelle“, stieß de Vargas ziemlich verdattert hervor. Sabreras wirbelte herum. „Nach Westen abfallen, am Wind bleiben! Wir bieten ihnen einen heißen Empfang!“
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De Vargas entzifferte die nächste Meldung der -Zweimast-Karavelle. „Eine schlanke, große Galeone mit drei Masten und ein schwarzer Viermaster in ihrem Kielwasser!“ schrie er, „Mangusto, die Männer sollen zu unserer zweiten Galeone und der Dreimast-Karavelle signalisieren, daß sie ebenfalls manövrieren und dem Feind die Breitseiten zeigen.“ „Si, Senor“, erwiderte Mangusto. Der sarkastische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Von de Vargas nahm er nicht gern Befehle entgegen. Überhaupt hätte er ihn gern ausgebootet, denn er wäre gern Kommandant des KriegsschiffKonvois. geworden. Da er aber einsah, daß Widerrede in diesem kritischen Augenblick wenig Sinn hatte, hastete er auf die Kuhl der „Esperanza“ hinunter und sorgte dafür, daß die Zeichen an die Nachbarschiffe weitergegeben wurden. „Sie kommen!“ schrie der Mann im Vormars. Seine Stimme überschlug sich fast. „Sie sind dicht hinter der zweimastigen Karavelle - por Dios, was für riesige Schiffe, Comandante!“ „Der Hund übertreibt“, zischte Sabreras. „Ich kann sie jetzt auch sehen“, meinte de Vargas, der das Spektiv die ganze Zeit über nicht abgesetzt hatte. „Es sind wirklich ausgesprochen große Segler. Ich nehme an, daß sie überragend bestückt sind. Kein Wunder, daß sie unseren DreierVerband außer Gefecht gesetzt haben. Überhaupt - mit der Patrouille brauchen wir nicht mehr zu rechnen. Bis die Mannschaften den Brand gelöscht haben und wieder kampfbereit sind, ist hier bereits alles entschieden.“ „Wir haben vier vollwertige Schiffe!“ schrie Sabreras ihn an. „Vier! Doppelt so viele wie El Lobo del Mar! Wir werden ihn zerreißen, diesen elenden Bastard!“ „Natürlich“, entgegnete Aurelio de Vargas, aber es klang nicht sehr überzeugt. Seine Skepsis wuchs von Minute zu Minute. Die Zweimast-Karavelle staffelte nach Nordwesten ab und gesellte sich zu der zweiten Transport-Galeone. Die Schiffe hatten ihr Manöver fast beendet und
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gingen auf Steuerbordbug liegend mit Backbordhalsen an den Wind. Sie hatten jeweils nur Großsegel und Fock gesetzt, und auch die lateinergetakelte ZweimastKaravelle nahm jetzt Segelfläche weg. Sie dümpelten nur dahin und entboten den anrückenden Feinden ihre vollen Backbordbreitseiten. „Auf was warten wir?“ schrie Sabreras de Vargas an. „Lassen wir sie näher heran.“ Erschüttert und fasziniert zugleich sah de Vargas zu dem erstaunlich hohen, ranken Rahsegler und dem unheimlichen schwarzen Schiff hinüber. „Willst du, daß sie uns zuvorkommen?“ fragte Sabreras. Er hielt die Hände geballt, daß das Weiße an den Knöcheln hervortrat und war äußerst unbeherrscht. „Sie sind noch nicht in der Reichweite unserer Kanonen“, erwiderte der Kriegsschiff-Kommandant. „Wir dürfen uns nicht zu voreiligen Handlungen hinreißen lassen. Wir müssen kaltblütig sein.“ Das saß. Sabreras schwieg. Aurelio de Vargas hatte selbst Schwierigkeiten, sich innerlich zu bezwingen. Der kalte Schweiß trat ihm auf die Stirn. * Hasard blickte vom Achterdeck aus noch einmal zu den brennenden spanischen Schiffen zurück. Sie waren noch zu sehen, doch er wußte jetzt, daß sie ihm nicht mehr gefährlich Werden konnten. Zu weit waren sie achteraus zurückgeblieben. In dem nun folgenden Gefecht hatte er die Luvposition. Sie wäre ihm genommen. worden, wenn sich die angeschossenen drei Gegner wieder an ihn herangepirscht hätten. Aber diese Chance hatten sie zwangsläufig verspielt. Sie konnten nicht aktiv werden. Finsteres Grau lag in dunstigen Streifen auf dem Pazifik. Die vier Feindschiffe im Norden waren eine breite Phalanx, die auf den ersten Blick keinen Durchlaß erlaubte. Aber der Seewolf blieb eiskalt.
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Er setzte alles auf eine Karte. An diesem Punkt angelangt, hatte er keine andere Wähl mehr. Sieg oder Niederlage — für einen Korsaren gab es keinen faulen Kompromiß. In jedem Seegefecht warf er alles in die. Waagschale, was er hatte: sein Schiff, seine Beute, sein Leben. Dan rief: „Im Osten haben wir eine Dreimast-Karavelle, und der Kahn direkt neben ihr kann nur die ,Esperanza’ von Sabreras sein!“ „Hidduk hat uns das Schiff oft genug beschrieben“, sagte Hasard zu Ben und den anderen auf dem Achterdeck. „Es gibt also keinen Zweifel. Wir halten direkt auf diese gottverdammte Galeone zu.“ Ben Brighton eilte zu Pete Ballie hinunter, um ihm entsprechende Anweisungen zu geben. Wenig später stanzten die Geschütze der Spanier grellgelbe Schlitze in die Dämmerung. Wieder heulten die Kugeln auf die „Isabella“ zu. Sie stoben ins Wasser und wühlten es zu Gischttürmen auf, wenn sie zu kurz angesetzt waren. Sie rasten über das Deck der „Isabella“, wenn sie zu weit gezielt waren. Es gab auch zwei, drei Treffer, aber: „Die können uns überhaupt nicht jucken!“ schrie Ferris Tucker im Brüllen und Orgeln der Geschütze. Und jucken konnte ihn so gut wie überhaupt nichts, solange keiner der Kameraden verwundet wurde oder so schwere Schäden am Schiff entstanden, daß sein Zimmermannsgeschick für eine Reparatur nicht mehr ausreichte. Hasard steuerte weiter auf die „Esperanza“ zu. Er präsentierte dem Gegner somit nur die Bugpartie der „Isabella“ und damit die geringste Angriffsfläche. Siri-Tong trieb ihren schwarzen Segler parallel zur „Isabella“ voran. Sie befand sich fast eine Dreiviertel-Meile nach Westen versetzt auf gleicher Höhe mit Hasard und lief die zweite Galeone und die Zweimast-Karavelle an. Und beide warteten sie auf den entscheidenden Moment. Noch schwiegen ihre Kanonen. Die Wirkung der ersten Breitseite der Spanier war sozusagen verpufft, und Dan
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O’Flynn richtete sich hoch im Großmars auf. „Ho, da haben wir’s - die Dons fallen ab und halsen!“ „Jetzt können wir ihnen gleich den Arsch versengen“, sagte Carberry. Er hätte auch Achtersteven sagen können, aber er drückte sich lieber klar und deutlich aus. „Sie wollen uns ihre Steuerbordbreitseite vor den Kopf hauen!“ rief Dan O’Flynn. Er stand immer noch aufrecht. Zu dem Schimpansen Arwenack, der gleich vor ihm auf dem Rand der Segeltuchverkleidung hockte, sagte er: „Junge, verzieh dich lieber. Hier gibt es nämlich gleich Zunder, und zwar ganz dick.“ Arwenack enterte daraufhin nur noch ein Stück höher in den ,Mast auf. Er fletschte die Zähne und schwenkte drohend einen Koffeynagel. Im Sturm hatte er Angst. Dann verbündete er sich sogar mit dem Papagei Sir John, gegen den er sonst glühende Eifersucht hegte. Aber im Gefecht, da langte er mit zu und schleuderte Wurfgeschosse, wenn der Feind ihnen zu nahe auf den Leib rückte. Hasard beobachtete wieder durch den Kieker. „Sie liegen jetzt vor dem Wind und segeln vor uns her, die Burschen. Gleich luven sie wieder an, aber jetzt zeigen wir ihnen, was wir von Taktik halten.“ „Sie befinden sich in Reichweite unserer Culverinen“, sagte Ben Brighton. „Die Distanz reicht auch für Drehbassenschüsse aus“, erwiderte der Seewolf. „Al Conroy“, rief er zum Vorkastell hinüber. „Sir?“ tönte es zurück. „Versuche das Ruder der DreimastKaravelle zu treffen!“ „Aye, aye, Sir.“ Al hantierte an der rechten Drehbasse auf der Back. Das dauerte nur wenige Sekunden, dann zündete er und spähte wie gebannt über den Vorderabschluß des Vordecks. Die Kugel fauchte auf das Heck der Karavelle zu und ereilte sie, als sie sich noch mitten in der Halse befand. Es klirrte und schepperte.
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Und Dan O’Flynn schrie: „Es hat bloß die Hecklaterne und ein Stück Reling erwischt!“ „Mist“, fluchte Al Conroy. „Hasard, es ist noch zu dunkel für einen sicheren Schuß. Oh, ich könnte mir selbst in den Hintern beißen. „Jagt sofort einen Brandsatz hinterher!“ befahl Hasard. Kurz darauf zuckte das gleißende Geschoß flach über die See. Und diesmal saß es! Flammen schossen aus dem Ruder der Karavelle hoch. Gleichzeitig knirschte es, und ganz deutlich konnten die Seewölfe durch ihre Fernrohre erkennen, wie Holztrümmer lodernd vom Schiff wegbrachen. Vom schwarzen Schiff aus huschten ebenfalls Brandsätze los. Sie rasten gen Norden und erreichten die zweite Galeone und die lateinergetakelte Karavelle. SiriTong hatte die Luken im Vorkastell öffnen lassen. Fast pausenlos feuerten ihre Männer die Geschosse von den bronzenen Gestellen ab. Als Hasard seinerseits dann auch noch das Brandpfeilfeuer eröffnen ließ, schien ein regelrechtes Feuerwerk den Himmel zu erhellen. Die Dreimast-Karavelle konnte ihr Manöver nicht mehr vollenden, sie segelte stur nach Norden weiter. Die anderen drei Spanier schwenkten jedoch herum, wandten sich mit dem Bug nach Osten und ließen die Steuerbordgeschütze sprechen. Stakkatohaftes Wummern dröhnte über die See. Hasard hatte die Stückpforten des Gegners zählen können und wußte, daß er wieder mehr als vierzig Kanonen gegen sich hatte - wie beim ersten Angriff der Sabreras-Männer. „Hinlegen!“ schrie er. Sie machten sich auf den Decksplanken platt. Es war keinesfalls eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme, denn der Abstand zwischen beiden Gegnern war erheblich geschrumpft. Diesmal lagen die Schüsse der Spanier denn auch gezielter. Es krachte, heulte und knackte, und der „Isabella“ knickte plötzlich fast das gesamte Vorgeschirr weg. Das Schanzkleid
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mußte wieder ganze Teile einbüßen, und in den Segeln klafften Löcher. Schreie ertönten. Der Seewolf fuhr zusammen, als er hörte, daß seine eigenen Männer sie ausgestoßen hatten. Er sah zu Ben, Ferris, Old O’Flynn, aber die waren nach wie vor wohlauf. Er kroch zur FiveRail und daran vorbei, glitt über den Niedergang der Steuerbordseite aufs Quarterdeck und dann auf die Kuhl und hastete zur Crew. Der Kutscher lief ihm entgegen, sie stießen fast mit den Köpfen zusammen. Ein Wehlaut war zu vernehmen, diesmal über ihnen. Sie blickten beide auf und sahen Batuti, der sich hoch oben im Vormars festhielt. Er kauerte unnatürlich verkrümmt da. „O Hölle und Teufel!“ brüllte Shane aus dem Großmars. „Sie haben ihn erwischt, diese Schweinehunde!“ „Schieß Pulverpfeile ab, Shane!“ schrie Hasard. „Aye, Sir - Pulverpfeile!“ Wieder war ein Schmerzenslaut zu hören, und zwar ganz in der Nähe von Hasard und dem Kutscher auf der Kuhl. Dann fluchte Carberry, gackerte Sir John - und Matt Davies sagte: „Himmel, es ist doch nur ein Kratzer; ein idiotischer, unwichtiger Kratzer…“ Sie krochen zu ihm und sahen, wie er sich die blutende Schulter hielt. Matt saß mit dem Rücken gegen die Kuhlgräting gelehnt und schoß feindselige Blicke auf den Profos ab. Carberry untersuchte die Wunde, packte dann plötzlich zu und riß Matt einen ganzen Streifen Hemd von der Schulter. Matt stöhnte auf. „Unwichtiger Kratzer“, wiederholte Ed. „Dir geht’s wohl nicht gut, was?“ „Vorhin ging’s mir besser“, ächzte Matt. „Ausgerechnet deinen gesunden Arm hat’s erwischt“, sagte Carberry. „Wenn’s der rechte gewesen wäre, wäre es nicht so schlimm gewesen. Den hätten wir auch ruhig amputieren können. Du hast ja schließlich noch den linken als Ersatz. Aber wie wird es denn nun, wenn Ferris
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und Shane dir einen zweiten Haken als Prothese anpassen müssen und ...“ „Sir“, keuchte Matt Davies. Er war blaß wie ein Leinenlaken. „Ich bitte darum, von diesem - diesem Idioten in Ruhe gelassen zu werden.“ „Kutscher, bring Matt ‘runter ins Vordeck und verarzte ihn“, sagte Hasard. „Ich kümmere mich um Batuti.“ Er lief nach Steuerbord, schwang sich in die Fockwanten und hangelte zu dem wankenden Gambia-Neger hoch. In diesem Moment lag nur noch ungefähr eine halbe Kabellänge Distanz zwischen der „Isabella“ und der „Esperanza“. 6. Sabreras stand breitbeinig auf dem Achterdeck der „Esperanza“ und sah die „Isabella“ wie ein monströses Ungeheuer auf sich zugleiten. „Weiter anluven!“ schrie er. „In den Wind! Sie wollen durchbrechen!“ Die Geschütze der linken Schiffsseite waren inzwischen wieder nachgeladen, und wenn der Seewolf an Backbord der „Esperanza“ vorbeisegelte, wie Sabreras es voraussah, wollte der Spanier seinen vernichtenden Schlag landen. Die Dreimast-Karavelle lag mit auf gegeiten Segeln vor dem Wind, mehr konnte ihr Kapitän nicht tun, um das Davontreiben zu verhindern. Er hatte Befehl gegeben, ein Notruder herzustellen, aber das würde, gemessen an dem Tempo, mit dem das Gefecht ablief, ewig dauern. Die Karavelle kriegte die „Isabella“ nicht vor die Rohre. Wenn sie jetzt feuerte, traf sie unweigerlich die „Esperanza“. Unter Sabreras’ heiserem Geschrei zog die „Esperanza“ mit dem Vorschiff allmählich in den Wind. Die Segel wurden ebenfalls aufgegeit, damit sie nicht wie verrückt zu killen begannen. De Vargas und Mangusto befanden sich auf dem Vordeck der Galeone. De Vargas ließ ununterbrochen seinen Schiffen signalisieren, aber seine innere Überzeugung wandelte sich mehr und mehr. Die Smaragde waren in seinem Geist
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viele grüne Schiffe, die durch die Dunkelheit davonsegelten und schließlich verschluckt wurden. Aus und vorbei, dachte er, por Dios, warum bist du nur so pessimistisch? Brandpfeile flogen von der „Isabella“ aus auf die „Esperanza“ und die DreimastKaravelle zu, aber es waren jetzt weniger geworden. Voller Genugtuung sah Sabreras, daß der schwarze Goliath im Vormars des gegnerischen Seglers zusammengebrochen war. Er hielt sich nur noch mit einer Hand fest und drohte jeden Augenblick in die Tiefe zu stürzen. Soviel konnte der Kommandant dank der rasch zunehmenden Helligkeit erkennen. Und noch etwas registrierte er: Jemand enterte in den Fockwanten auf. Er wollte dem Neger herunterhelfen. „Der Seewolf“, flüsterte Sabreras. Er wirbelte herum und schrie: „Eine Muskete! Oder eine Arkebuse! Rasch!“ Es war der Sargento, der eilfertig mit der gewünschten Waffe herbeistürzte. Auf dem Niedergang stolperte er fast, fing sich aber wieder, hastete weiter und verharrte schwer atmend neben Sabreras. „Hier, Comandante - und ich habe auch eine Gabelstütze mitgebracht.“ Ein Brandpfeil senkte sich auf die Galion der „Esperanza“. Im nächsten Augenblick zerriß ein Krachen und Blitzen die Dämmerung, und alle anderen Laute wurden kaschiert. „Verdammt!“ brüllte Sabreras. „Was war denn das? Pulver? Wie ist das möglich?“ „Eine neue Teufelei dieser Bastarde!“ schrie der Sargento. „Ja.“ Sabreras griff sich die Waffe. Es war eine schwere Arkebuse, die man ohne den dazugehörigen Gabelstock überhaupt nicht auf den Gegner anlegen konnte. Sabreras trat damit ans Backbordschanzkleid. Er sah, wie die „Isabella“ noch näher glitt, der Seewolf den schwarzen Riesen im Vormars erreichte und trachtete, den Mann über die Webeleinen der Wanten sicher nach unten auf Deck zu bringen. Sabreras legte die Arkebuse auf die Gabelstütze und zielte.
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„Sargento!“ rief er. „Wenn ich treffe, dann befördere ich dich, du elender Streber. Zum Kapitän, jawohl, zum Kapitän.“ „Danke, Comandante!“ „Die Lunte entfachen, Sargento!“ Ein Brandpfeil stach in zitternder Bahn auf die Dreimast-Karavelle zu. Er traf ihr Hauptdeck, Sabreras sah es ganz deutlich, und dann stieg ein Feuerball aus dem Schiff auf. Es dröhnte, die Besatzung schrie, Trümmer und Menschen wirbelten, und das Licht der Flammen tauchte die „Isabella“ und die „Esperanza“ in glutigen Schein. „Sie haben ein Pulverdepot der Karavelle getroffen!“ schrie der Sargento. „Der Teufel soll sie holen!“ Sabreras zielte unbeirrt. Er hatte nur noch ein Ziel vor Augen. Er wollte den Seewolf töten. Stirb, dachte er voll Haß, stirb, du hirnverbrannter Narr! Ich wußte ja, daß du zuletzt doch den kürzeren ziehst! Die Zündschnur glomm. Sabreras packte sie, führte das Ende in das Luntenschloß und klemmte es im Hahn fest. Als er abdrückte, wurde die Lunte mittels Federdruck an die Pulverladung geführt. Im selben Augenblick wirbelte etwas von der Back der „Isabella“ herüber. Es schlug knapp vor dem Querabschluß des Achterdecks auf die Kuhl der „Esperanza“, polterte, rollte ein Stück und blieb liegen. „Deckung!“ schrie Lopez Mangusto. Er hatte das Objekt als Flasche identifiziert und sah auch die rotknisternde Lunte, die durch ihren Korken bis auf den Grund führte. Hundert Hämmer schienen jählings auf die Planken der „Esperanza“ zu schlagen, jedenfalls hörte es sich so an. Sabreras drückte noch ab, aber die Druckwelle der Explosion nahm ihn mit und fegte ihn zur Seite. Er verriß den Arkebusenschuß. Die Kugel stob zwar zum Fockmast der „Isabella“, saß aber zu hoch. Sabreras flog bis zur Heckreling, wo er mit dem Sargento zusammenstieß. In seiner ohnmächtigen Wut hieb er mit der Faust auf ihn ein und schrie: „Du Hund, du hättest mich warnen müssen! Jetzt ist es aus mit deiner Beförderung! Lieber
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degradiere ich dich!“ In der Kuhl der „Esperanza“ klaffte ein Loch. Die Höllenflasche, die von Ferris Tucker von der Back der „Isabella“ aus geschleudert worden war, hatte ein halbes Dutzend Spanier getötet und genauso viele verwundet. Sie hatte zwar kein Leck in die Galeone gerissen, aber sie sorgte für ein beispielloses Durcheinander. Schreiend und fluchend liefen Sabreras’ Männer über Deck. De Vargas und Mangusto hatten das Vordeck verlassen und mischten sich unter sie, um sie zu beruhigen. Aber auf dem Schiff der Seewölfe wummerten nun die vorderen Drehbassen, und einer von Big Old Shanes Pulverpfeifen raste wieder auf die Kuhl nieder. Panik entstand. Nur einer der spanischen Geschützführer hatte die Geistesgegenwart, sich mit einem wassergefüllten Kübel zu bewaffnen und damit auf den in den Planken steckenden Pfeil loszustürmen. Er kippte das Naß über der Flamme aus, bevor sie das Pulver zünden konnte. Sabreras hatte sich aufgerappelt. „Allmächtiger“, stammelte er. „Sie wollen entern. Die Smaragde ...“ Er rannte selbst zum Kolderstock. Der Rudergänger hatte sich hingeworfen und deckte seinen Kopf mit den Händen ab. Ein Drehbassenschuß war ganz dicht an ihm vorbeigefegt. Die Angst steckte ihm tief in den Knochen und schüttelte ihn. Sabreras trat ihm in die Seite. „Abfallen!“ brüllte er. „Wir nehmen westlichen Kurs! Wollt ihr wohl parieren, ihr Hunde! Ich stelle euch alle vors Bordgericht!“ Er packte den Kolderstock und legte ihn herum. Unten auf der Kuhl hatten Aurelio de Vargas und Lopez Mangusto ein paar Männer zur Räson bringen können. Und plötzlich fielen die auf gegeiten Segel, wurden angebraßt, fanden sich wieder drei, vier Mutige, die an die Geschütze der Backbordseite zurückliefen und zu den Lunten griffen. De Vargas und Mangusto selbst bedienten zwei Culverinen.
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Feuerblitze zuckten gegen die „Isabella“ an, Rauch breitete sich in Schwaden auf Oberdeck aus und biß in den Atemwegen der Männer. Gleichzeitig eröffnete nun auch die Dreimast-Karavelle wieder das Feuer. Sie hatte eine günstigere Position gewinnen können. Plötzlich befanden sich die Seewölfe in einem todspeienden Kessel. * Hasard war keine Einzelheit entgangen. Er hatte Batuti aus den Wanten des Fockmastes auf Deck hinuntergelassen, war mit einem Satz neben ihm auf der Back gelandet und hatte ihn gleich zum Kutscher und zu Smoky weiterbefördert. Batuti hatte einen Eisensplitter ins Bein erhalten. Er blutete ziemlich stark und hatte mit gewaltigen Schmerzen zu kämpfen. „Ferris!“ rief der Seewolf. „Himmel, wenn du die Flasche nicht geworfen hättest! Sabreras hatte Batuti und mich im Visier.“ Ferris grinste bloß, aber Al Conroy erwiderte: „Deswegen ist Ferris ja plötzlich wie der Teufel vom Achterdeck hierher gewetzt. Mann, das sah aus, als wollte er außenbords springen. Wir dachten schon, er wäre übergeschnappt - verflucht, dabei hab ich nicht gesehen, wie dieser Hund Sabreras mit der Arkebuse herumfummelte und ...“ Weiter gelangte er nicht. Von der „Esperanza“ heulten die Kugeln herüber, und jetzt fing auch die Dreimast-Karavelle an, sie mit massivem Beschuß zu belegen. Hasard ging neben Ferris, Al und Blacky zu Boden. Die „Isabella“ erbebte unter Treffern. Es schien der Moment der endgültigen Vernichtung zu sein. Die „Isabella“ hatte sich aber in die Lücke zwischen der „Esperanza“ und der Karavelle geschoben. Carberry schrie: „Feuer!“ Die Culverinen röhrten los, diesmal auch die der Steuerbordseite. Das Gefecht nahm ein vorher unerreichtes Ausmaß an, es war das tönende, flammende Inferno.
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Hasard huschte zur Kuhl hinunter und sah zu seinem Entsetzen den Schiffsjungen Bill zu Carberrys Füßen liegen. Dann entdeckte er auch den Teil einer Spiere. Das Ding war offenbar bis an die Kuhlgräting gerollt und verharrte nun dort. Was vorher passiert war, ließ sich leicht rekonstruieren: Eine Rah war getroffen worden augenscheinlich die Großmarsrah. Ihr abknickendes Trümmerstück war herabgesaust, hatte Bill erwischt und war dann weitergerutscht. „Bill!“ rief der Seewolf. Er lief zu dem Jungen. Er mußte sich wieder hinwerfen, denn eine neue Salve der Spanier orgelte herüber. Auf dem Bauch schliddernd erreichte er schließlich Bill. Bill war bewußtlos. Er sah in diesem Augenblick mehr tot als lebendig aus. Hasard lief es eiskalt über den Rücken. „Ed!“ schrie er. „Hölle und Teufel — Profos!“ Carberry fuhr zu ihm herum. Noch nie hatte Hasard echte Verzweiflung in seiner Miene gesehen, aber diesmal schienen dem wackeren Profos fast die Tränen zu kommen. „Mist!“ rief er. „Ich weiß ja, daß es den armen Kerl getroffen hat, aber ich — der Kutscher — schockschwerenot, diese Kanaillen von Dons!“ Er machte sich nun ebenfalls auf den Planken platt. „Der Kutscher ist im Vordeck und kümmert sich um Matt und Batuti“, keuchte er dicht neben dem Seewolf. „Und ich kann hier doch nicht weg, verdammt.“ Hasard griff nach dem Jungen. So behutsam wie möglich schleppte er ihn zum Vorschiff. Die 17-Pfünder der „Isabella“ spuckten Feuer, Rauch und Blei. Die Galeone zog mit steif geblähten Segeln an den Feinden vorbei. Der Wind pfiff durch etliche Löcher im Rigg, aber dennoch lief sie gute Fahrt. Sie geriet aus der unmittelbaren Gefahrenzone. Hasard lieferte den ohnmächtigen Bill bei Smoky ab, als dieser gerade aus dem Vordeckschott schaute. Er drehte sich wieder um, hetzte zum Achterdeck und
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verfolgte, wie der alte O’Flynn und Ben Brighton die achteren Drehbassen auf die Dreimast-Karavelle abfeuerten. Im Moment konzentrierte sich das Bestreben der Crew voll auf die Karavelle. Shane deckte sie mit Pulverpfeilen ein. Al Conroy schoß den letzten Brandsatz ab, den sie noch an Bord hatten. Und dann sprachen noch einmal die Culverinen der Steuerbordseite, denn die „Isabella“ hatte so weit nach Osten angeluvt, daß sie den Spanier wieder vor den Mündungen hatte. Die Karavelle, immer noch wegen des zerschossenen Ruders manövrierunfähig, konnte darauf nicht mehr antworten. Zwei Explosionen in den Pulverdepots zerfetzten sie mittschiffs. Hasard langte bei Ben an. Er griff zum Spektiv, richtete es auf die See und verschaffte sich einen Überblick. Die Schatten der Nacht waren nun vollends verblaßt. Die Dämmerung schob sich in diffusen Streifen vom Festland aus über die See. Im Osten kündigte sich das Aufgehen der Sonne durch einen rötlichen Bogen an, der von Sekunde zu Sekunde wuchs. „Siri-Tong hat die zweite Galeone und die Zweimast-Karavelle brennend hinter sich gelassen“, stellte er fest. „Jetzt dreht sie, um sich mit uns zu treffen.“ „Und die ‚Esperanza’?“ fragte Ben. „Verdammt, sie läuft nach Westen ab“, entgegnete der Seewolf. Seine Haltung versteifte sich. „Was hat Sabreras vor? Mit dem hart angeschlagenen Schiff kann er sich unmöglich auf die offene See hinauswagen. Und welchen Sinn hätte das auch?“ Er dachte einen Moment nach, dann meinte er: „Jetzt, nachdem ihm die Felle davongeschwommen sind, sucht Sabreras sein Heil wieder in der Flucht. Er weiß, daß er uns nicht mehr besiegen kann. Darum versucht er einen Bogen zu schlagen. Er wird nach Nordwesten drehen, dann nach Norden abschwenken und trachten, nach Panama zu gelangen.“ „Das lassen wir doch nicht zu, oder?“ „Nein.“
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Hasard drehte sich der Kuhl zu. „Herhören, Männer, wir halten Nordkurs und sehen zu, daß wir Sabreras den Weg abschneiden.“ „Aye, Sir!“ rief der Profos zurück. „Soweit ich sehen kann, haben die Dons uns zwar gerupft, aber die ,Isabella’ ist immer noch einigermaßen seetüchtig.“ Ferris Tucker fügte hinzu: „Keine Lecks unter der Wasserlinie, Sir!“ „Und die Verwundeten?“ Hasard verließ das Achterdeck, Ben schloß sich ihm an. Sie gingen ins Mannschaftslogis im Vordeck, wo der Kutscher die VerletztenStation eingerichtet hatte. Carberry stapfte jetzt auch heran. Dann, als sie in den großen Schiffsraum schauten, krampfte es ihnen fast das Herz zusammen. Matt und Batuti waren verbunden und konnten schon wieder grinsen. Aber Bill lag immer noch in tiefer Besinnungslosigkeit und war so weiß wie eine frisch gekalkte Wand. „Verdammt, Kutscher“, grollte der Profos. Drohend trat er auf den schmalbrüstigen Koch und Feldscher zu. „Ich breche dir sämtliche Gräten, daß du bloß noch zum Wegwerfen taugst, wenn du unseren Bill nicht anständig zusammenflickst und ihm wieder auf die Beine hilfst.“ „Laß den Kutscher in Ruhe“, sagte Matt. „Er kann nichts dafür, daß Bill von der halben Spiere getroffen wurde. Und er tut sein Bestes. Er hat uns zusammengenäht wie ein echter Künstler, und dabei haben wir vom besten Whisky, gesoffen. Narkose nennt man das, falls dich einer fragt, Mister Carberry.“ Carberry änderte die Marschrichtung und hielt nun direkt auf Matt Davies zu. Der Kutscher atmete auf. Mit leicht bebendem Finger wies der Profos auf den reglos daliegenden Bill. „Der Junge ist am Krepieren, und du redest vom Saufen, Davies. Du denkst bloß an dich, was? Ich reiß dir gleich deinen Eisenhaken aus, Mann.“ Matt hob seine scharfgeschliffene Prothese etwas an. „Vorsicht, Ed. Du bist der Profos, aber du hast kein Recht, mich zusammenzustauchen. Und was Bill betrifft, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
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„Keine Sorgen?“ Carberry schnaufte aufgebracht. „Da hört sich doch alles auf.“ „Reiß dich zusammen“, sagte jetzt der Seewolf. „Was ist denn los mit dir, Ed?. Hör dir doch erst mal an, was der Kutscher über Bills Zustand zu sagen hat. Und führe hier nicht so einen Tanz auf.“ „Ja, Sir“, erwiderte Carberry zerknirscht. „Bill nicht sehr kaputt“, sagte Batuti. „Kutscher hat schon gesagt, daß alles halb so schlimm ist.“ „Aha“, meinte Ben. „Dann können wir ja hoffen, oder? Nun rück doch mit der Sprache heraus, Kutscher.“ Der Kutscher sagte: „Natürlich. Ich bin nahezu sicher, daß Bill keine inneren Verletzungen und auch keine Gehirnerschütterung erlitten hat. Nur Prellungen und Blutergüsse. Sein Herzschlag und der Puls sind normal.“ „Warum, zum Teufel, kommt er dann nicht zu sich?“ wollte der Profos wissen. „Vergiß nicht, daß er weniger Substanz hat als ein ausgewachsener Mann“, sagte der Kutscher belehrend. „So ein Unfall setzt ihm schon eine Weile zu. Er verdaut ihn nicht so schnell wie beispielsweise die beiden da.“ Er wies mit dem Kopf zu Matt und Batuti. Carberry trat an das Lager von Bill. „Eins schwöre ich. Lieber beiße ich ins Gras, als daß ich den Jungen abkratzen sehe. Hölle, wir haben’s. dem alten London-Joe versprochen, auf seinen Sohn aufzupassen. Und ich nehme das ernst. Verdammt ernst.“ „Wir auch, Ed“, sagte der Seewolf leise. „Verzeihung, Sir ...“ „Schon gut, Ed.” „Bitte um Erlaubnis, bei Bill wachen zu dürfen, bis er wieder zu sich kommt.“ „Genehmigt“, sagte Hasard. Als die „Isabella VIII.“ und das schwarze Schiff etwa eine Stunde später Cabo Corrientes an der Küste von Neu-Granada passierten, erschien Carberry wieder auf Oberdeck. Und er grinste. Bill war nämlich aus der Bewußtlosigkeit erwacht und hatte als erstes ein echtes Carberry-Zitat vom Stapel gelassen. Darin war von Dons, verlängerten Rückenpartien
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und Haut die Rede, die er, Bill, ihnen noch in Streifen abziehen würde. 7. „Esperanza“— der Name der Galeone klang jetzt wie ein Hohn. Als Aurelio de Vargas sich weit über das Backbordschanzkleid des Vordecks beugte und zusah, wie der letzte Tote in den Fluten verschwand, konnte er den Schriftzug am Bug lesen. Leise fluchend richtete er sich wieder auf und drehte sich um. Lopez Mangusto stand hinter ihm und musterte ihn aus forschenden dunklen Augen. „Auf was sollen wir jetzt noch bauen?“ sagte de Vargas. „Über ein Drittel unserer Mannschaft ist getötet worden. Wir haben die Leichen in der See bestattet, wie es sich gehört. Das ändert aber nichts an unserer Lage und kann auch die Stimmung der restlichen Männer nicht heben.“ „Wir haben ein Schiff, das noch manövrierfähig und schnell genug ist, dem Seewolf davonzulaufen“, erwiderte Mangusto. Es klang lauernd, verschlagen. „Meinetwegen. Aber einem weiteren Kampf hält es nicht stand. Wir müssen kläglich versagen.“ „Wer sagt denn, daß es zu einem weiteren Gefecht kommt?“ „Wir wollen nach Panama.“ „Sabreras ist fest entschlossen, einen starken Verband zur Jagd auf den Seewolf und die Rote Korsarin zusammenzustellen“, erwiderte der Erste Offizier. De Vargas lächelte freudlos. „Und wo steckt der Seewolf jetzt?“ „Es ist Mittag. Seit dem Morgengrauen haben wir ihn nicht mehr gesehen.“ „Das heißt nichts. Er hat sich nicht zurückgezogen. Er segelt dicht unter Land, deswegen sehen wir ihn nicht. Unsere Distanz zur Küste beträgt fünfzig Meilen oder gar mehr, du kannst es: ja mal ausrechnen. Er schneidet uns den Weg nach Panama ab, Lopez.“ „Er wird uns stellen?“
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„Ja, das wird er. Eher ruht er nicht.“ „Das bedeutet Tod, Aurelio.“ „Willst du sterben?“ „Ich nicht“, erwiderte Mangusto ruhig. „Ich will die Smaragde. Sabreras wird aber den Kurs nicht ändern wollen. Das bedeutet ...“ De Vargas blickte zur Kuhl. „Ich war lange wankelmütig. Jetzt weiß ich, was wir zu tun haben. Hörst du das Stöhnen der Verwundeten? Sie sind auf unserer Seite. Und die Gesunden auch. Selbst der Sargento.“ „Ja, ganz gewiß.“ „Wir reden also beide von der gleichen Sache, Lopez?“ „Ich hätte dich ohnehin darauf angesprochen“, erwiderte der Erste Offizier. „Ich wußte dich nur nicht einzustufen und war nicht sicher, ob du auch wirklich mitspielen würdest.“ „Du kannst deine Zweifel ausräumen.“ „Ja. Aber du weißt, was wir riskieren.“ „Höchstens, daß Sabreras Widerstand leistet. Mehr nicht.“ Mangusto blickte ihn verwundert an. „Wir könnten wegen Meuterei zum Tode verurteilt werden.“ „Wer soll uns verraten?“ De Vargas blieb völlig gelassen, er sprach fast gleichgültig. „Wenn wir diesen elenden Narren erst los sind, können wir in aller Ruhe die Smaragde auf einer abgelegenen Insel verstecken. Danach kehren wir nach Panama .zurück, aber erst, wenn wir sicher sind, daß der Seewolf uns nicht mehr packen kann. Dem Gouverneur erzählen wir, dieser englische Korsar habe unser Schiff geentert und ausgeplündert und Sabreras dabei getötet.“ Mangustos Stimme senkte sich zu einem Raunen. „Du willst Sabreras also umbringen?“ „Das nimmt uns der Seewolf ab.“ De Vargas lächelte. „Er will Sabreras fassen, nicht uns. Vergiß das nicht. Ich setze es dir noch genauer auseinander.“ Lopez Mangusto trat noch einen Schritt näher. „Nur eines wollen wir klarstellen, Aurelio. Nach Sabreras’ -hm, Abgang gibt es an Bord der ,Esperanza` zwei
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vollwertige Kapitäne, nicht einen neuen Kommandanten, ist das klar?“ „Einverstanden. Hast du Angst, ich könnte dich ausbooten?“ „Ich will mir nur den Rücken decken“, entgegnete der gerissene Mangusto. Er rieb sich angelegentlich den Vollbart. „Und vergiß nicht, daß ich den Großteil der Mannschaft hinter mir habe.“ „Ich denke daran.“ „Wir erreichen Panama nicht vor morgen abend.“ „Genug Zeit also, mit den Männern zu sprechen und alles vorzubereiten“, sagte Aurelio de Vargas. „Heute nacht schlagen wir zu“, sagte Lopez Mangusto. * Sabreras hatte sich den Tag über kaum auf dem Oberdeck aufgehalten. Im Grunde kümmerte es ihn einen Dreck, wie es um die Mannschaft bestellt war. Auch die Handvoll Soldaten und die Offiziere, die das Gefecht überstanden hatten, interessierten ihn nicht. Im übrigen hatte er bereits gewittert, was auf der Galeone seinen Lauf nahm - und hatte seine Vorkehrungen getroffen. An großen Widerstand und überragende Heldentaten dachte er dabei weniger. Wichtig war ihm nur das persönliche Wohlergehen, denn er sah in allen Dingen sich als den Mittelpunkt seines Daseins, nur sich. Und das hielt er für eine außerordentlich gesunde Einstellung. In der Kapitänskammer trank er nach Einbruch der Dunkelheit ein letztes Glas Wein. Er genoß es. So schnell kriegst du wahrscheinlich einen edlen Tropfen Rio ja nicht wieder, dachte er. Schließlich erhob er sich und trat durch die offene Tür auf die Heckgalerie hinaus. Er durfte nicht zu weit gehen, denn auch die Reling und einige Planken der Galerie waren in der Schlacht in Mitleidenschaft gezogen worden. „ ,Esperanza`, schönes Schiff“, murmelte er. „Erbärmlicher Kahn - ach, der Teufel soll dich holen.“
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Ein Unheil kommt selten allein, dachte er, zwar kannst du die Verfolger auf Abstand halten, weil die ,Esperanza` immer noch ein schneller Segler ist, aber jetzt stehen im eigenen Hause die Zeichen auf Stürm. Ein Komplott. Aber wenige Habseligkeiten genügen, um einen Mann unabhängig und reich zu machen, sagte er sich auch, und dann kann er auf seine Mitmenschen pfeifen. Die Planken der Galerie knarrten bedenklich unter seinen Füßen. Er warf noch einen Blick auf das sanft sprudelnde Kielwasser der Galeone, dann drehte er sich um und kehrte in die Kammer zurück. Nur eine Radschloßpistole steckte er sich in den Gurt. Auf den Degen verzichtete er und nahm nur ein Messer und Pulver, Kugeln und kleine Verdämmungspfropfen aus Filz mit. Er hatte sich nach dem Gefecht neu angekleidet und glaubte, adrett genug zu sein, um mit Würde Abschied von seinem Schiff nehmen zu können. Ohne Zögern schritt er nun den Mittelgang des Achterkastells entlang, trat durchs Schott ins Freie und schaute sich um. Auf der Backbord- und Steuerbordseite der Kuhl lagen die beiden Beiboote der „Esperanza“ in ihren Zurrings. Wie durch ein Wunder hatte das linke in dem Kampf keinen Schaden genommen. Sabreras hatte es am Nachmittag bei einem kurzen Aufenthalt auf dem Oberdeck selbst überprüft. An Steuerbord schälte sich die Gestalt von Aurelio de Vargas aus dem Dunkel. Es war eine -ruhige, sternklare Nacht. Wie mit Silbertupfern durchwirkt erschien der samtene Himmel. Der Mond war als scharfgeschnittene Sichel hineingestanzt. Der Wind fiel immer noch von Süden ein. Er war lauwarm, weil er vom Äquator wehte. De Vargas verstellte seinem Vorgesetzten den Weg. „Ich muß mit dir reden“, sagte er. „Vorsicht mit dem ,Du’ „, erwiderte Sabreras. „Die Wache könnte uns hören. Wo steckt sie überhaupt?“ De Vargas wies nach vorn. Wie durch
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Spuk wuchsen die Gestalten von drei Männern auf der Back hoch. Er schaute nach achtern, und als Sabreras den Kopf wandte, erschienen oben auf dem Achterdeck weitere drei Männer. Und Lopez Mangusto und der Sargento traten nun aus dem Achterkastell. Hinter ihnen befanden sich ein paar andere Uniformierte — die restlichen Offiziere. „Hier scheint ja alles auf den Beinen zu sein“, sagte Sabreras. Es klang leichthin gesprochen. Keiner sollte seine innere Anspannung spüren. „Hast du das Stöhnen der Verwundeten am Tag nicht gehört?“ fragte der KriegsschiffKommandant. „Jetzt schlafen sie endlich, aber sie haben die Unversehrten zur Genüge genervt. Alle haben die Nase voll. Keiner will mehr den Kopf für dich hinhalten, Sabreras.“ „In Panama können sich die Leute ausruhen.“ „Wir erreichen Panama nie.“ „Du solltest dich lieber auch hinlegen“, meinte Sabreras ironisch. „Du scheinst Ruhe nötig zu haben.“ „Es wird einen neuen Kampf mit dem Seewolf geben“, sagte de Vargas beharrlich. „Aber darauf lassen wir uns nicht ein. Wir laufen Panama nicht an und lassen uns nicht von diesem verfluchten englischen Piraten zu den Fischen schicken.“ „Solange ich Kommandant auf diesem Schiff bin ...“ „Du bist es die längste Zeit gewesen“, sagte de Vargas. Vielleicht dachte er, Sabreras würde jetzt auf eine hinhaltende Floskel ausweichen und so tun, als verstünde er nicht. Vielleicht würde er um jeden Preis versuchen, die Autorität zu wahren. Aber de Vargas irrte sich. Sabreras hatte die Radschloßpistole plötzlich wie durch Zauberei in der Faust und richtete sie auf sein Herz. „Jetzt staunst du, wie? Ich habe damit gerechnet, daß ihr Bastarde meutert. Ich hätte dich nie zum Kommandanten meines Schutzverbandes ernennen sollen, Aurelio. Du taugst eben doch nichts. Du hast dich
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von Lopez, diesem durchtriebenen Hurensohn, überreden lassen, wie?“ „Ich treffe meine Entscheidungen allein“, versetzte de Vargas gepreßt. „Paß auf, wie du sprichst, Sabreras“, sagte Mangusto, der unmittelbar vor der Querwand des Achterkastells stand. „Ich könnte dir in den Rücken schießen.“ „Aber de Vargas nehme ich auf jeden Fall noch mit“, erklärte Sabreras scharf. „Männer!“ rief Lopez Mangusto. „Wenn wir auch Opfer bringen müssen, laßt euch von diesem Bastard nicht hereinlegen! Er hat einen Schuß und kann nur einen von uns ins Jenseits schießen — danach ist er dran!“ „Sabreras“, sagte der Sargento mit schneidender Stimme. „Ergib dich! Du hast keine Chance gegen uns.“ „Narr“, murmelte Sabreras. „Ich hätte dich doch lieber gleich degradieren sollen. Du taugst bestenfalls zum Auf klarer.“ Er stellte sich rasch hinter de Vargas, packte ihn am Gürtel und zog ihn mit sich zu dem an Backbord festgelaschten Beiboot. „Siehst du“, sagte er. „Soviel bist du deinen Komplicen wert. Abknallen lassen würden sie dich. Aber keine Angst, ich lege dich nicht um. Ich will nur freien Abzug.“ „Den hast du.“ „Wer garantiert mir dafür?“ „Ich“, sagte de Vargas. „Womit? Mit deinem Wort? Daß ich nicht lache!“ Laut wandte sich Sabreras an den Rest der Besatzung. „Herhören! Ich verlange nichts von euch, nicht einmal Proviant. Ich will nur das Boot. Damit schlage ich mich irgendwie durch. Wenn ihr noch einen Funken Anstand habt, laßt ihr mich weg.“ „Das kann er haben“, meinte der Sargento. „Aber de Vargas nimmt er nicht mit!“ schrie Mangusto. „Das lasse ich nicht zu!“ „Er setzt sich doch für mich ein“, sagte de Vargas triumphierend zu Sabreras. „Narr! Er fürchtet, wir könnten wieder gemeinsame Sache machen, wenn wir mit dem Boot fort sind. Zwei Männer, die beim Gouverneur oder gar beim Vizekönig gegen ihn aussagen — das wäre sein
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sicherer Tod.“ Sabreras stieß einen ärgerlichen Laut aus. „Leider war ich gezwungen, euch beide hei unseren Reisen nach San Cristobal auf den GalapagosInseln in mein Geheimnis einzuweihen. Ihr wart die einzigen, die herausgefunden hatten, was sich wirklich in den Truhen befand, die ich dort ablud. Ich beteiligte euch Bastarde also. Aber ich habe immer gewußt, daß es ein Fehler war, Mitwisser zu haben. Los, hilf mir, wir beide fieren das Boot ab. Aber gib acht. Ich ziele dabei mit der Pistole auf dich.“ Wenig später glitt das Boot außenbords und dann in die Tiefe. Ungeschoren konnte Sabreras die „Esperanza“ verlassen. Er stieg an der Jakobsleiter nach unten, ohne die Landsleute noch eines Blickes zu würdigen. Die Radschloßpistole behielt er in der Hand — für den Fall, daß doch noch jemand auf ihn schoß. Aber de Vargas, Mangusto, der Sargento und die anderen wollten sich die Finger nicht beschmutzen. „Lassen wir ihn abhauen“, sagte der Sargento mit einem dünnen Grinsen. „Weit gelangt er ja doch nicht. Entweder schnappen ihn die Seewölfe oder irgendwelche anderen Piraten. Oder Wilde. Oder er verhungert und verdurstet. Und dann wären da ja noch die Tiburones, die Haie, nicht wahr?“ „Stimmt“, erwiderte Mangusto. „Aber mal angenommen, er schafft es, das Festland zu erreichen.“ Dann muß er einen weiten Fußmarsch bis nach Panama ‚zurücklegen“, sagte de Vargas. „Und auf der Strecke wimmelt es von Strauchdieben und anderen Galgenstricken,“ „Na dann“, meinte der Sargento überzeugt. „Dann ist sein Leben wirklich nur noch einen Pfifferling wert. Oder noch weniger.“ Mangusto wandte sich plötzlich ab, lief durch den Gang bis zur Kapitänskammer und stieß die Tür auf. Ihm war ein Verdacht aufgestiegen. Siedendheiß durchlief es ihn, als er in der Kammer herumstöberte. Er wurde wütend, riß das Pult um, trat gegen die Koje, warf einen Stuhl zu Boden und stürmte wieder zu den. anderen zurück.
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„Verdammt!“ brüllte er. „Wir Narren! Er hat die Krone der Chibchas und den anderen Smaragdschmuck mitgehen lassen. Und die Ledermappe mit den geheimen Dokumenten für den Gouverneur, die auch ihren Wert besitzen! He — seht nach, ob er noch mehr von Bord geschmuggelt hat!“ Die Männer suchten das Schiff ab, und nur kurze Zeit später meldete sich einer von ihnen aus dem Kombüsenschott: „Proviant und zwei Schläuche mit Trinkwasser fehlen, verdammt noch mal!“ Mangusto, de Vargas und der Sargento waren zum Backbordschanzkleid gestürzt und spähten in die Nacht, aber von dem Beiboot war nichts mehr zu sehen. Es hatte einen Mast, den man in die Öffnung einer Ducht stecken und verstagen konnte, und war in der Lage, ein Großsegel und eine Fock zu führen. Dadurch hatte Sabreras sehr schnell im Schutz der Nacht untertauchen können. „Wie hat er die Sachen bloß auf das Boot bringen können?“ sagte der Sargento immer wieder. „Wie bloß? Ich begreife das nicht.“ „Aber ich.“ Lopez Mangusto sagte es voll ohnmächtiger Wut. „Wir haben ihn unterschätzt, das ist es. Er wußte, daß eine Meuterei bevorstand. Schon am Tag hat er alles in dem Boot versteckt, was er braucht. Hölle, so bringt er es möglicherweise doch fertig, bis nach Panama zu segeln. Dieser Dreckskerl!“ „Suchen wir ihn“, sagte de Vargas. „Weit kann er nicht sein. Ich schätze, er segelt nach Nordosten. Wenn die ,Esperanza` auch lädiert ist — wir erwischen ihn schon.“ „Und wenn nicht?“ fragte der Sargento. „Dann können wir uns in Panama und der gesamten Neuen Welt nicht mehr blicken lassen, du Schwachkopf“, erwiderte Lopez Mangusto. * Niemals hätten die Meuterer danach trachten dürfen, Sabreras wiederzufinden. Niemals hätten sie eine Stunde und mehr
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darauf verwenden dürfen, in nordöstlicher Richtung zu segeln und bei immer neuen Kurskorrekturen die Wasserfläche nach dem Flüchtigen abzutasten. Niemals — denn sie steuerten selbst in ihr Verhängnis. Lieber hätten sie sich sofort nach Westen wenden sollen. Mit etwas Glück hätten sie wahrscheinlich bald eine Insel erreicht, vielleicht sogar die Isla del Coco nahe des fünften Grades nördlicher Breite, die nicht weit entfernt lag. Doch das Glück war eben nicht auf ihrer Seite. Der Ausguck im Vormars sah als erster den Schatten von Steuerbord nahen. Jawohl, er hielt die Augen offen und schlief nicht, wie man das manchmal bei nicht besonders guten, übernächtigten und erschöpften Wachtposten hatte — er sah diese riesigen Konturen aus der Nacht wachsen, aber im ersten Moment verschlug es ihm regelrecht die Sprache. Danach brüllte er „Alarm“ und „Schiff an Steuerbord“ und noch einiges andere, aber das änderte nichts mehr. Der unheimliche Segler entpuppte sich als Dreimaster. Er schob sich längsseits, bevor die Spanier auf den Gefechtsstationen waren. Spät, viel zu spät rumpelten die Culverinen, die Demi-Culverinen und die Minions der „Esperanza“ aus. Und als sich dann noch ein anderer Geistersegler aus der Dunkelheit schälte, war es mit der Fassung der entnervten Mannschaft völlig vorbei. De Vargas konnte Befehle schreien, soviel und sooft er wollte, Mangusto konnte nach Herzenslust toben, der Sargento Disziplin verlangen — es hatte alles keinen Zweck mehr. Enterhaken flogen, der Dreimaster schor längsseits der „Esperanza“. Menschenleiber quollen über die Schanzkleider. „El Lobo del Mar!“ Der Schrei gellte über Deck und heizte die Panik noch mehr an. Philip Hasard Killigrew und seine Mannschaft hieben ein paar Spanier nieder, die sich ihnen entgegenstellten, aber danach hatten sie leichtes Spiel. Ihre Tromblons und Musketen, Pistolen und
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Arkebusen brauchten sie nicht mehr einzusetzen. Hasard holte sich nur Aurelio de Vargas vor die Klinge und hielt ihn fest. Ben Brighton griff sich Lopez Mangusto, und Carberry packte den zappelnden, zeternden Sargento. „So hab ich mir unser Wiedersehen immer vorgestellt“, brummte der Profos. „Sollen wir jetzt abrechnen, was, wie?“ Das schwarze Schiff legte sich gegen die Backbordseite der spanischen Galeone. Fender aus Kork und Tauwerk fingen den Aufprall ab. Siri-Tong, die Wikinger, der Boston-Mann, Juan und viele andere enterten ebenfalls auf die „Esperanza“ über. „Streicht ihr die Flagge?“ rief der Seewolf. „Si, Senor“, keuchte de Vargas. „Wir ergeben uns. Wir wollen nicht sterben.“ „Zum Teufel mit euch allen!“ schrie Mangusto. Ben schlug ihm die Faust gegen die Stirn. Es war ein Jagdhieb, der den widerspenstigen Mann sofort niederstreckte. Ohnmächtig sank er hin. „Siri-Tong!“ rief Hasard. „Ihr steigt am besten gleich in die Frachträume hinunter und beginnt mit dem Löschen der Ladung.“ Er lächelte den KriegsschiffKommandanten an. „Oder soll ich lieber umladen sagen? Na, ist ja egal. Wo steckt Sabreras?“ „Den haben wir von Bord gejagt.“ „Du lügst, Spanier.“ „Seewolf“, stieß de Vargas hervor. „Mir ist nicht daran gelegen, den Helden zu spielen. Ich will nur die nackte Haut retten. Ich appelliere an deine Ehre. Wenn du uns alles genommen hast, was wir an Bord mitführen, was nutzt dir dann noch unsere Hinrichtung?“ „Gar nichts“, erwiderte Hasard. „Ich bin kein Mörder. Aber bevor wir euch türmen lassen, mußt du mir alles über Sabreras erzählen. Alles, klar?“ De Vargas schwor es. Bei Gott, der heiligen Jungfrau, Spanien und seiner Mutter — bei allem, was ihm lieb und teuer war. 8.
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Im Morgengrauen erreichte Sabreras die Küste. Das Ufer war felsig und steil, wie drohend ragten die wuchtigen Steinmauern in den Himmel. Er hatte ausreichend zu essen und zu trinken, eine Waffe und Munition, und allein die prunkvolle Krone der ChibchaIndianer machte ihn zu einem beneidenswert reichen Mann. Nur eins fehlte ihm an Bord des einmastigen Bootes: die Navigationsinstrumente. Er wußte nicht, wo er war. In der Nähe von Panama auf keinen Fall, dachte er, dort wäre ich frühestens am Abend des heutigen Tages gelandet. Andererseits war er aber sicher, das Festland vor sich zu haben, keine Insel. Er konnte es sich nur so erklären: Er war weiter nach Norden abgetrieben worden, als er dachte. Jetzt befand er sich westlich von Punta Mariato oder gar im Golf von Chiriqui — oder möglicherweise noch weiter westlich versetzt. „Wie auch immer“, sagte er leise. „Es hat keinen Zweck, Panama mit dem Boot erreichen zu wollen. Ich muß landen und mich dann nach Osten wenden. Killigrew und Siri-Tong — das alles werdet ihr mir büßen. De Vargas, Mangusto und alle anderen von der ,Esperanza` — ich werde euch hetzen lassen wie tolle Hunde.“ Als er dicht unter Land war, mußte er aufpassen, nicht von den Brandungswellen erfaßt und gegen die Felsen geworfen zu werden. Das Boot wäre zertrümmert worden. So lavierte er hart am Ufer entlang und forschte nach einem Landeplatz. Aber seine Bemühungen fruchteten nichts. Das Felsenland war schroff und abweisend, es wollte ihn nicht. Nirgends gab es den schmalsten Einlaß, es war wie verhext. Die Sonne kletterte höher und gewann an Macht. Ihre Strahlen setzten ihm zu und trieben ihm den Schweiß aufs Gesicht und auf den Leib. Er begann zu fluchen. War denn alles gegen ihn? Er spielte schon mit dem Gedanken, nur das Notdürftigste an seinem Gurt festzuschnallen, ins Wasser zu springen
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und das Boot aufzugeben. Nur eine Überlegung hielt ihn davon ab. Wenn er am Ufer war, was sollte er dann tun? Klettern? Die Wände waren zu steil, und er hatte keine Übung als Bergsteiger. An den Klippfelsen entlangstolpern also? So war er jedem, der von See aus auftauchte, schutz- und deckungslos ausgeliefert. Und es bestand ja immer noch die Möglichkeit, daß der Seewolf, dieser hartnäckigste aller englischen Korsaren, nach ihm suchte. Endlich fand er einen Landeplatz. Ein kegelförmiger Einlaß, den man leicht übersehen konnte, öffnete sich zu einer Grotte hin. Sabreras steuerte vorsichtig darauf zu, nahm die Segel und- schließlich sogar den Mast weg, damit er hinein konnte. Dann schob er sich mit dem Boot in das Innerste der Wasserkaverne. Ein bläulicher Lichtschimmer empfing ihn. Hier schwappte und schmatzte das Wasser hohl und widerhallend wie ein fremdartiges Element. Staunend blickte der Kommandant sich um. Je weiter er geriet, desto intensiver wurde das Blau. Hoch schob sich die Grotte empor, er konnte kaum ihre Decke erkennen. Er befand sich in einem regelrechten Felsentempel. Etwas Unheimliches, Beängstigendes haftete dem Platz an. Einen Ausgang zum Land hin schien es nicht zu geben. Enttäuscht wollte Sabreras wieder umkehren. Welchen Zweck hatte es, wenn er hier festmachte? Er griff zu den Riemen. Plötzlich hatte er es eilig, wieder das offene Wasser zu erreichen. Aber da wandte er noch einmal den Kopf und schaute nach links. In dem blauen Schillern des Gesteins war doch eine Unterbrechung. Ein Gebilde, das zu untersuchen sich gewiß lohnte. Und noch etwas veranlaßte ihn zum Bleiben. Als er sich umdrehte und durch die spitzkegelige Passage spähte, gewahrte er weit draußen auf See zwei Erscheinungen. Erscheinungen? Er verharrte nur ein paar Minuten und erkannte dann, daß es sich
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um große Segler handelte. Er hatte ein Spektiv bei sich, das nahm er jetzt zur Hand und hob es ans Auge. „Madre de Dios“, flüsterte er. „Das sind ja - die ‚Isabella’ des Seewolfs und das schwarze Schiff der Roten Korsarin! Ihr verfluchtes Pack, die Pest und die Pocken sollen euch dahinraffen!“ Wie sie ihm hatten folgen können, war ihm nicht klar, aber unbewußt begriff er, daß auch dieser Umstand mit den Meuterern von der „Esperanza“ zu tun hatte. Doch er sann nicht weiter darüber nach. „Wichtig ist nur eins“, sagte er sich. „Daß du so schnell wie möglich in den Felsen aufsteigst und dich zum Binnenland hin absetzt!“ Er pullte das Boot zu dem schmalen Streifen Kieselstrand, der sich in dem blauen Licht abzeichnete. Knirschend schob sich der Rumpf darauf. Noch ein Blick aufs Meer, und er stellte fest, daß die Umrisse der Schiffe. an der westlichen Kimm schon wesentlich größer geworden waren. Sie fuhren unter voller Besegelung und. hatten den Wind raumschots. Er raffte seine Habseligkeiten zusammen — den Jutesack mit der Krone der Chibchas und dem anderen Smaragdschmuck, den er aus der Mine gerettet hatte, die Ledermappe mit den wichtigen Dokumenten für den Gouverneur von Panama, Proviant, den letzten Schlauch mit Trinkwasser sowie Munition für die Radschloßpistole. So hastete er auf das zu, was er vorher als „Gebilde“ im Gestein identifiziert hatte. Und tatsächlich, es entpuppte sich als Einstieg. Eine richtige Treppe führte auf verschlungenem Weg aus der blauen Grotte nach oben. Er stieg sie hoch. Wer hatte diese Stufen in den Felsen gehauen? Die Grotte mochte in Jahrtausenden oder Jahrmillionen vom Seewasser in die Klippen gewaschen worden sein, und vielleicht rührte auch das eigenartige blaue Licht von einem Naturphänomen her. Sabreras hatte davon gehört, daß solche Effekte entstanden, wenn Sonnenstrahlen sich in mineralischen Formationen brachen. Aber diese Treppe
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konnte nur Menschenhand geschaffen haben. Indianer vielleicht. Es gab Hunderte von alten Kulturen in diesem Kontinent. Die Mayas, Azteken, Cuna, Chibcha, Inkas waren nur einige von ihnen gewesen. Wenn aber wirklich Rothäute diesen Ausstieg in die oberen Felsenregionen gehauen hatten, dann war es eine Ironie, denn ausgerechnet ihm, Sabreras, dem Indianerhasser, retteten sie jetzt das Leben. Er mußte darüber lachen. Sein Lachen hallte von den Wänden wider, es klang unheimlich. Der Ort schien verwunschen zu sein. Selbst das Tappen seiner Stiefelsohlen auf den Stufen klang ungewöhnlich hell und fast absonderlich. Beirren ließ er sich aber nicht. Als er das ungebrochene Sonnenlicht über sich. sah, kicherte er vor Freude. Die seltsame Wendeltreppe war zu Ende. Er stürmte die letzten Stufen hoch und taumelte ins Freie. Er befand sich jetzt hoch über der See. Wind zerzauste seine Haare und zerrte an seiner Kleidung. Die „Isabella“ und den schwarzen Segler konnte er von hier aus nicht sehen, weil er schon zu viele Felsen im Blickfeld hatte, aber er kümmerte sich auch nicht mehr um die Gegner. Ohne noch einen Gedanken an sie zu verschwenden, wandte er sich landeinwärts. Bis zur nächsten spanischen Siedlung wollte er sich durchschlagen. Dann würde er mit einer Kutsche bis nach Panama weiterreisen und dort dem Gouverneur seine ungeheuerliche, ja, haarsträubende Geschichte vortragen. Sabreras, dir kann keiner mehr am Zeuge flicken, sagte er sich. Du bist von den wüstesten Feinden überfallen worden, die Spanien hat. Du hast gekämpft und verloren. Das kann dir keiner ankreiden. Schon ganz andere Verbände sind vom Seewolf und dessen Verbündeten geschlagen worden. Dann hat auch noch deine Schiffsbesatzung gemeutert, spann er den Faden weiter, und du hast somit das Recht auf deiner Seite. Wer will denn dem
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Gouverneur erzählen, du hättest heimlich in die eigene Tasche gewirtschaftet? Der Seewolf vielleicht? Dem glaubt kein Spanier. De Vargas, Mangusto, der Sargento? Wenn sie es versuchen, kommen sie damit nicht durch. Niemals. Aussage steht gegen Aussage, und mein Wort zählt mehr als das dieser räudigen Hunde. Er war so in seine Überlegungen verstrickt, daß er nicht mehr bemerkte, was um ihn herum vorging. De Vargas könnte ich in einem Prozeß auch leicht auf meine Seite reißen, sagte er sich. Er ist wankelmütig. Wenn es hart auf hart geht, fällt er um und bekennt sich zu mir. Er schritt über eine Geröllhalde in eine dunkle, geduckte Schlucht hinunter. Die Marschrichtung lag fest, und es schien keine großen Hindernisse zu geben, zumal das Land allmählich nach Norden hin abfiel und das Wandern ihm von Meile zu Meile leichter fallen würde. Endlich, dachte er, endlich habe ich das Glück wieder auf meiner Seite. Den Smaragdschmuck werde ich irgendwo verstecken. Nur ich kenne den Platz. Dann kehre ich zurück und hole mir, was mein ist... Sabreras sah nicht, wie rechts oben am Schluchtrand die Umrisse eines menschlichen Kopfes erschienen. Erstens fühlte er sich bereits zu sicher, und das war ein klarer Fehler. Zweitens war die Bewegung hinter ihm, und auch bei größerer Aufmerksamkeit hätte er sie deshalb wohl nicht zur Kenntnis genommen. Etwas huschte von schräg hinten auf ihn zu. Diesmal konstatierte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Er wandte sich um und fand gerade noch Zeit, den Mund zu öffnen. Der entsetzte Ruf, den er ausstoßen wollte, blieb ihm in der Kehle stecken. Ein Stein traf seine Stirn. Lautlos sank er zu Boden. Alles ging in bodenloser, erstickender Finsternis unter. *
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In jener Sphäre war es erträglicher zugegangen als im Diesseits. Das Bewußtsein breitete sich mit hämmernden Schmerzen in ihm aus, ihm war speiübel, und er glaubte, sich übergeben zu müssen. Und dann dieses Gelächter über ihm! Es schien geradewegs aus der Hölle zu ertönen. „Paßt auf, daß er nicht einfach aufsteht und wegläuft, Männer“, sagte jemand auf spanisch. „Seiner Montur nach ist er ein hoher Offizier, wahrscheinlich ein Kommandant, und er wird vielleicht versuchen, durch einen Trick zu entwischen.“ Die Stimme klang rauh und im tiefsten Baß, aber Sabreras hörte doch an seinem Akzent, daß er ein reinblütiger Katalane war. Ein zweiter Sprecher wollte sich über diese Worte vor Lachen ausschütten. Er prustete: „Das wäre die Spitze, jawohl, das Allergrößte, Almirante. Sag jetzt bloß noch, dieser Bastard sei nicht auf den Kopf gefallen.“ „So ein fauler Witz“, erwiderte Almirante. „So hart hat er sich den Schädel nicht gestoßen, Julian. Halt jetzt dein verdammtes Maul.“ „Ich finde das alles so herrlich komisch!“ Der Mann, der Julian hieß, kicherte. „Julian hat zuviel Schnaps gesoffen“, bemerkte ein dritter. „Dir renke ich den Arm aus“, drohte Julian zischend. „Schweigt!“ fuhr Almirante sie an. „Seht euch lieber den Kerl an. Da, er hat sich bewegt!“ „Was ist, schlagen wir ihn nicht tot?“ fragte der mit Julian Angesprochene. „Nein, wir warten noch.“ „Warum ?” „Narr“, sagte Almirante. „Ich vermute, daß er weiß, wo noch mehr von diesem phantastischen Zeug liegt. Vielleicht werden wir Esmeralderos, Smaragdsucher. Wir werden ihn ausquetschen wie eine Zitrone, Julian.“ „Jetzt kapiere ich.“ „Das ist ja ein Wunder“, meinte ein vierter Kerl, und auch er handelte sich eine
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gezischte Drohung von Julian ein. Sie warfen sich ein paar Verwünschungen zu, die so ziemlich das Unflätigste und Gemeinste waren, das Sabreras je vernommen hatte. Sabreras schlug die Augen auf und sah sie. Wüste Kerle mit schmutzigen Gesichtern und wirren, verfilzten Haaren - er zählte mehr als ein Dutzend. Ja, es schienen zwanzig zu sein. Wegelagerer, Totschläger. Die niederste Sorte Menschen, so fand Sabreras insgeheim und ausgerechnet ihnen hatte er in die Hände fallen müssen. Ein Kerl mit dichtem schwarzem Vollbart verbeugte sich hohnvoll vor ihm. Das Bartgestrüpp reichte ihm bis auf die Brust. An seiner Stimme erkannte Sabreras, daß er Almirante war. „Hochwohlgeboren“, sagte er. „Wollen Sie uns nicht Ihren werten Namen anvertrauen?“ Die Männer in seinem Rücken kicherten und stießen sich mit den Ellenbogen an. Almirante hielt Sabreras Messer, die Radschloßpistole - und die Smaragdkrone der, Chibchas. Demonstrativ ließ er sie dicht vor seinem Gesicht pendeln. „Du hüllst dich in Schweigen?“ fragte er drohend. „Das fängt ja gut an. Ich habe Angst, du könntest ernsthaft erkranken, mein Freund.“ Ein kleiner, drahtiger Mann mit buschigen Augenbrauen und breitem, schmallippigem Mund begann wieder loszuprusten. „Julian, muß ich dir das Maul stopfen?“ stieß Almirante grollend hervor. Julian verstummte, und der Bandenführer richtete seinen Blick wieder auf den Gefangenen. „Soll ich dir einen Tritt in deinen edlen Hintern verpassen, du Himmelhund?“ „Nein.“ Der Kommandant schaute ihm fest in die Augen. „Mein Name ist Sabreras. Ich will alles sagen, was ich weiß, ich habe wohl keine andere Wahl.“ „Sehr vernünftig“, erwiderte Almirante. Er rieb sich den Bauch: Er war ein großer, beleibter Mensch, aber das täuschte nicht über seine Gefährlichkeit hinweg.
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Sabreras setzte sich auf, obwohl es ganz gemein in seinem Kopf schmerzte. Er kämpfte mit aller Macht gegen die Qual an. Mit zwei Fingern befühlte er die Beule auf seiner Stirn, zog die Hand aber sofort wieder zurück. Bei der geringsten Berührung durchzuckte es ihn an dieser Stelle wie Nadelstiche. Er überlegte sich genau, was er zu sagen hatte. Unvermittelt war ihm eine großartige Idee eingefallen. Sie stand in direktem Zusammenhang mit der Tatsache, daß er nicht nur eine, sondern noch zwei andere, größere Horden von Männern auf den Fersen hatte. „Almirante“, sagte er eindringlich. „Ich bin ein spanischer Kommandant, wie du ja schon festgestellt hast. Aber auch du scheinst mehr zu sein als ein primitiver Strandräuber. Wie kann ein stolzer Katalane sich selbst so herabwürdigen?“ „Gib acht“, warnte Almirante. „Ich kann sehr leicht aus der Haut fahren.“ „Ich spreche ja nur in deinem Interesse.“ „In meinem Interesse?“ Der Bandit lachte, „Das mußt du mir noch genauer erklären. Also gut, ich war Bootsmann auf einem Schiff Seiner Allerkatholischsten Majestät, Philipp II. Aber ich und die meisten meiner Männer haben gemeutert und sind abgehauen, verstehst du? Das war vor fast zwei Jahren. Bislang haben uns die lieben Landsleute noch nicht wieder eingefangen, und wenn du glaubst, du könntest uns durch eine. List an den Gouverneur ausliefern, dann hast. du dich gründlich getäuscht – ist es so, Julian?“ „Ja“, sagte Julian gedehnt und mit hämischem Grinsen. Er schien so etwas wie die rechte Hand von Almirante zu sein. Vom Regen in die Traufe, dachte Sabreras, aber ich muß das Beste daraus machen. Laut erwiderte er: „Du bist auf dem Holzweg, Almirante. Ich bin selbst ein Verfolgter, ein Desperado, ein Verzweifelter, wenn du so willst. Die Smaragdkrone, die du mir abgenommen hast, ist eine Million spanischer Piaster wert, vielleicht auch noch mehr. Aber sie ist nur ein Teil der Ausbeute einer Mine in Neu-Granada.“
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„Von dort unten her kommst du?“ Almirante warf einen Blick auf die Geheimdokumente aus der Ledermappe. Julian hatte sie ihm gereicht. Nach kurzem, hastigen Studieren erklärte Almirante: „Wie gut, daß ich lesen kann, Amigo. Ja, hier wird bestätigt, was du eben gesagt hast. Du wirst uns also zu deiner Mine führen.“ Sabreras schüttelte den Kopf. „Sie ist von Piraten ausgeplündert worden.“ Er berichtete in knappen Zügen, was sich zugetragen hatte. Zum Abschluß sagte er: „Auf den beiden Schiffen, die sich gerade der Küste nähern, lagern haufenweise Smaragde und Smaragdschmuck. Für euch lohnt es sich wirklich nicht, wenn ihr mich totschlagt. Ich schlage euch etwas anderes vor. Verbünden wir uns. Ich habe auch schon einen Plan, wie wir den Seewolf, das schwarzhaarige Weib und deren Gesindel erledigen können.“ Almirante starrte sein Gegenüber mit offenem Mund an. Seine Augen waren verklärt, sein Blick entrückt. Dann nickte er. 9. In der Optik des Spektivs nahm sich das Felsenufer als eine einzige graue, schartige Wand aus. Hasard verzog den Mund, setzte das Glas ab und wandte sich Ben, Ferris, Shane, Old O’Flynn, Smoky und Carberry zu, die sich zur kurzen Lagebesprechung mit ihm auf dem Achterdeck versammelt hatten. „Ausgerechnet in diese Gegend hat Sabreras sich zurückgezogen?“ sagte er zweifelnd. „Na, wir werden ja sehen. Ehrlich gesagt hätte ich die Suche nach ihm längst abgebrochen, wenn wir nicht den Chibchas und den Serranos einen Vorsprung zu sichern hätten. Sabreras ist wirklich imstande, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um Strafexpeditionen nach Neu-Granada und auf die Galapagos zu senden.“ „Was hast du also konkret vor?“ erkundigte sich Ben.
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„Ich will ihn gefangen nehmen und auf einer einsamen Insel aussetzen. Bis seine Landsleute ihn dort gefunden haben, sind sowohl die Chibchas als auch Hidduk und sein Stamm längst über alle Berge.“ „Tja, dann wollen wir mal“, sagte Carberry ohne Begeisterung. „Wo suchen wir denn zuerst?“ „Wir ankern, fieren die Beiboote ab und gehen an Land. Smoky, laß Siri-Tong ein Flaggensignal geben.“ „Aye, Sir.“ „Ich habe etwas vorzuschlagen“, sagte Ferris Tucker. „Die Beiboote haben wir ja schon repariert, und auch das Vorgeschirr habe ich wieder einigermaßen instand setzen können. Wenn ich jetzt an Bord bleibe, könnte ich wieder einiges reparieren, zum Beispiel die Großmarsrah.“ „Natürlich, du sollst sogar hierbleiben“, entgegnete der Seewolf. „Danke für das Angebot, Ferris. Das wird schon keiner als Feigheit auslegen.“ Ferris grinste schief. „Was will dieser Wurm Sabreras noch gegen uns ausrichten? Den rammen wir doch unangespitzt in die Erde.“ „Wir sollten ihn nicht unterschätzen“, gab Hasard noch einmal zu bedenken. „Sind wir denn ganz sicher, daß er hier an Land gegangen ist?“ sagte Old O’Flynn. „Er kann doch auch weiter nach Westen oder Osten abgehauen sein.“ „Donegal“, antwortete Hasard. „Dein Sohn hat das einmastige Beiboot der ,Esperanza` doch vor kurzem gesichtet. Und jetzt ist es mit einemmal wie weggewischt. Was schließt du denn daraus?“ „Daß sich dieser dreimal verfluchte Don irgendwo verkrochen hat“, erwiderte der Alte gallig. „Na also. Wir sehen zwar nirgendwo ein Schlupfloch, aber von den Booten aus können wir die Steilküste viel genauer untersuchen. Hat jemand einen besseren Vorschlag?“ Natürlich gab es keine Alternative. Die Schiffe lagen bald darauf mit aufgegeiten Segeln im Wind, ihre Buganker rauschten an den Trossen aus. Nur zwei Beiboote
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glitten auf das Ufer zu, eins von der „Isabella“ und eins von „Eiliger Drache über den Wassern“. Hasard hatte als Begleiter Edwin Carberry, Big Old Shane, Blacky, Matt Davies, Luke Morgan und Bob Grey ausgewählt. Dan hatte auch mitwollen, aber der Seewolf hatte ihn lieber als Ausguckposten im Großmars zurückgelassen. Irgendwie spürte er, daß ihm diese Maßnahme noch von Nutzen sein würde. So scharfe Augen wie Dan hatte nun mal keiner. Der junge Mann hatte die Aufgabe, unausgesetzt die Küste und die See zu beobachten. Siri-Tong winkte Hasard zu. Sie trug heute eine weiße, keine rote Bluse, und hatte sich diese engsitzenden weißleinenen Schifferhosen angezogen, die dem Seewolf so gut gefielen. Sie sah hinreißend aus, geradezu verlockend. Sie trafen sich kurz vor dem Ufer. Siri-Tong rief Hasard zu: „Wir pullen nach Osten, einverstanden?“ „Gut“, erwiderte er. „Wir schlagen also die westliche Richtung ein. Wer als erster Sabreras oder Spuren von ihm entdeckt, gibt ein Zeichen.“ So trennten sie sich wieder und pirschten hart unter Land am Ufer entlang, wobei sie darauf achten mußten, nicht gegen scharfkantige Felsen geworfen zu werden. Knapp eine halbe Stunde war vergangen, da entdeckte Siri-Tong den kegelförmigen Eingang zur blauen Grotte. „Wir fahren hinein“, sagte sie. „Haltet die Waffen bereit. Wir wissen ja nicht, was uns drinnen erwartet.“ Thorfin Njal, Eike, Arne, Oleg, der Stör, Mike Kaibuk und Missjöh Buveur - ihre kleine Bootsmannschaft spannten die Hähne der Pistolen, Musketen und Blunderbüchsen. Sie staunten nicht schlecht, als sie in die Grotte glitten und die tempelähnliche Struktur gewahrten. „Bei Odin, hier ist man den Göttern näher als anderswo“, raunte Thorfin Njal. „Hört ihr, wie hell die Wellenschläge klingen? Und haben nicht auch unsere Stimmen einen ganz anderen Ton?“ „Einen ganz anderen Ton“, sagte der Stör.
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Thorfin drehte sich mit finsterer Miene zu ihm um. „Wenn du mich noch mal nachäffst, du, dann zieh ich dir den Hals so lang wie einem Brathuhn.“ „Still“, flüsterte Siri-Tong. „Da liegt ein Boot auf dem Kieselstrand. Ich kann den Mast mit dem Großsegel und der Fock erkennen, er liegt auf den Duchten. Männer, das ist Sabreras’ Boot!“ „Wir müssen sofort die anderen verständigen“, sagte Mike Kaibuk. „Erst landen wir“, bestimmte die Rote Korsarin. „Da ist so was wie ein Treppenaufzug, und Sabreras ist getürmt. Wir müssen dem Hund nach.“ Sobald sie auf dem steinigen Ufer angelangt waren, sprang sie aus dem Boot. „Die Wikinger mit mir“, wisperte sie. „Mike Kaibuk und Missjöh Buveur, ihr legt sofort wieder ab und pullt zu Hasard. Gebt auch den Männern auf der ‚Isabella’ und auf unserem Schiff ein Zeichen, daß wir Sabreras’ Spur aufgenommen haben.“ „Wir müssen erst um eine Felsennase herum, um die anderen sehen zu können“, sagte Kaibuk. „Dann beeilt euch, ihr Heringe“, sagte Thorfin Njal. „Auf was wartet ihr noch?“ Sie schoben das Boot ins tiefere Wasser der Grotte. Kaibuk und der Franzose legten sich mächtig in die Riemen. In Sekundenschnelle hatten sie das Boot gewendet, und dann pullten sie so hastig ins Freie, daß sich fast die Bootswände an den Wänden des schmalen, kegelartigen Auslasses rieben. Siri-Tong hatte die Stufen der steinernen Wendeltreppe erklommen. Die Wikinger folgten ihr auf dem Fuß. Sie erreichten den oberen Ausgang, stürmten auf ein kleines Plateau hinaus und entdeckten einen winzigen, grünlich schillernden Stein auf dem Untergrund. Siri-Tong bückte sich danach. „Ein Smaragd“, murmelte sie. „Merkwürdig, daß er den verloren hat.“ „Er hat ihn sich aus der Krone gebrochen“, sagte Arne, aber so recht lachen konnte darüber keiner. „Da vorn liegt noch was“, sagte Oleg.
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Sie liefen weiter und lasen ein Stück Schiffszwieback vom Boden auf. „Von Sabreras’ Proviant“, meinte die Korsarin. „Er scheint sich ja mächtig sicher zu fühlen, daß er so arglos durch die Weltgeschichte wandert. Vielleicht hat er uns noch gar nicht bemerkt.“ Sie kniff die Augen zusammen und kräuselte die Lippen, denn so recht glaubte sie auch nicht an das, was sie selbst gesagt hatte. „Die Spur führt über eine Geröllhalde in eine kleine Schlucht hinunter“, sagte Eike, der ein Stück vorausgegangen war. „Also weiter“, ordnete Siri-Tong an. „Aber geben wir besonders in der Schlucht acht. Vergeßt nicht, wie wir im Hohlweg am Kessel der Smaragdmine hereingelegt worden sind.“ Oh, sie hatten es nicht vergessen. Und sie trafen alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen, als sie nun in die Schlucht eindrangen. Aber es geschah nichts. Kein Sabreras, der im Hinterhalt lag und mit der Pistole auf sie feuerte niemand zeigte sich. Es war ruhig, fast zu ruhig. Und dann, am Ausgang der Schlucht, flogen ihnen plötzlich Steine entgegen. Gestalten wuchsen hinter Felsenquadern hoch und legten Schußwaffen auf sie an, als sie die Wurfgeschosse aufgebraucht hatten. Arne und Oleg waren zu Boden gesunken. Thorfin Njal feuerte seine Pistole ab, traf auch, zückte dann sein Schwert und drang wutbrüllend gegen die Feinde vor. SiriTong schoß auch. Danach griff sie zum Degen und fällte mit zwei, drei Streichen zwei Kerle, die sie packen und zu Boden reißen wollten. Eike wurde durch einen Schuß am Arm verletzt. Der Stör kriegte einen Pistolenkolben aufs Haupt und brach stöhnend zusammen. Dann wurden Thorfin und Siri-Tong von immer mehr fluchenden Kerlen umzingelt - und sie mußten sich ergeben. Es war ein kurzer, erbitterter Kampf gewesen, aber jetzt hatten sie keine Chance mehr, sich zu befreien.
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Sabreras trat auf sie zu. „Ich wollte euch lebend haben, sonst hätten meine neuen Verbündeten euch bedenkenlos abgeschlachtet. Bin ich nicht nett zu euch?“ „Der Blitz soll dich treffen!“ schrie Thorfin Njal ihn an. „Drei meiner Männer sind tot!“ rief Almirante. Er schüttelte in glühendem Zorn die Faust. „Noch ein Wort, ihr Bastarde, und ich steche euch höchstpersönlich ab.“ „Aber vorher nehmen wir uns noch das Weib vor“, sagte Julian mit verschlagenem Grinsen. Sabreras trat dicht vor die Rote Korsarin hin. Sein Blick glitt ungeniert an ihrem Körper auf und ab. „So trifft man sich also wieder, du Satan von einem Frauenzimmer. Ich habe immer noch vor, dich zu bändigen. Ich werde nun endlich tun, was du mir in meiner Mine versagt hast. Es gibt keinen Ausweg mehr für dich.“ Thorfin Njal wollte sich auf ihn stürzen, aber drei Strandräuber hielten ihn fest und prügelten mit den Fäusten auf ihn ein. „Ich will dich wie nichts auf der Welt“, sagte Sabreras zu der schönen Frau. „Aber vorher habe ich noch eine Kleinigkeit zu erledigen.“ Er drehte sich zu Almirante um: „Du wirst sehen, ich habe dich nicht belogen, mein lieber Freund.“ „Das will ich dir auch nicht geraten haben“, antwortete der „liebe Freund“. * Hasard und seine Männer in dem Boot der „Isabella“ hatten eine Felsenbucht entdeckt, die sich etwa eine halbe Meile nordwestlich vom Ankerplatz der Schiffe öffnete und wie ein Fjord tief ins Landesinnere führte. „Erforschen wir, wie es da drinnen weitergeht“, sagte der Seewolf gerade, da richtete sich Carberry steil auf seiner Ducht auf und meldete: „Da! Das Boot von Siri-Tong pullt zu den Schiffen. Ich glaube, es sitzen nur noch zwei Männer drin.“
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„Sie geben Blinkzeichen mit einer Glasscherbe“, fügte Shane hinzu. „Sie haben eine Grotte entdeckt.“ Plötzlich krachten Schüsse. Sie schienen von oberhalb der Steilküste zu kommen. Hasard begann loszuwettern, er konnte sich ausmalen, was geschehen war. „Verdammt, Siri-Tong hat einen Aufstieg durch die Felsen gefunden“, sagte er. „Und jetzt steckt sie in der Klemme. Aber Teufel noch mal, ich kann mir nicht vorstellen, daß Sabreras ihr derart zusetzen kann.“ „Ich würde mir keine Sorgen bereiten“, meinte Blacky. „Die Rote Korsarin und die fünf Wikinger haben Sabreras aufgestöbert wie einen Hasen, und jetzt veranstalten sie ein Zielschießen auf ihn.“ Hasard schüttelte den Kopf. Er glaubte nicht daran. Siri-Tong würde auch einen Schurken wie Sabreras niemals vorsätzlich töten. Ihr Gewissen -verbot es ihr, außerdem hatte sie in bezug auf Fairneß viel von dem Seewolf gelernt. Nein, da stimmte etwas nicht. Und dann signalisierte plötzlich auch Dan O’Flynn aus dem Großmars der „Isabella“. „Ja, gibt’s denn so was?“ sagte Matt Davies. „Hat der Bursche etwa beobachtet, was an Land vorgeht?“ „Ruhe“, sagte Carberry. „Dan bedeutet uns, daß Siri-Tong und die Wikinger gefesselt auf ein Plateau getrieben werden. Sabreras ist bei ihnen und eine Horde wüster Halunken.“ „Da haben wir’s“, stieß der Seewolf aus. „Sabreras hat sich neue Kumpane gesucht. Wahrscheinlich haben ihn Strauchdiebe überrascht und er hat sie herumgekriegt, uns aufzulauern.“ „Wir können mit unseren Kanonen auf sie feuern“, sagte Luke Morgan. „Bist du wahnsinnig?“ fragte Bob Grey. „Wir gefährden doch nur Siri-Tong und ihre Männer.“ „Was sollen wir denn sonst tun?“ sagte Luke hitzig. „Wir rühren uns hier nicht fort“, erwiderte der Seewolf leise und mit mühsam erzwungener Ruhe. Daß ausgerechnet SiriTong sich wieder in der Gewalt des Spaniers befand, brachte sein Blut zum
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Sieden – aber er bezwang seine aufwallenden Gefühle. „Noch haben sie uns hier nicht entdeckt“, fuhr er fort. „Möglicherweise ist das der einzige Trumpf, der uns noch bleibt.“ * Sabreras prüfte die Fesseln seiner Gefangenen. Als er sie für ausreichend straff befunden hatte, packte er Siri-Tong bei den Schultern und stieß sie vor sich her. Die Hände hatte Almirante ihr auf dem Rücken zusammenbinden lassen, ihre Fußknöchel waren auch durch einen Strick verbunden, dessen Kürze ihr nur kleine, trippelnde Schritte erlaubte. Sabreras steuerte mit ihr an dem oberen Ausgang der steinernen Wendeltreppe vorbei und hielt auf den Rand des Plateaus zu. Julian und zwei andere Männer hasteten die Treppe hinunter. Sie sollten die Grotte gegen Angriffe schützen. Sabreras blieb stehen und blickte gelassen zu den Schiffen. Da lagen sie, stolze, aber lädierte Riesen der See, die zu finsteren Monumenten an den Abgründen seines Schicksals geworden waren. „Zur Hölle mit euch“, sagte Sabreras. „Stoß mich in die Tiefe“, sagte Siri-Tong. „Das hast du doch vor, oder?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete nicht darauf. Almirante hatte inzwischen die gefesselten Wikinger ebenfalls an den scharfen Felsenabbruch dirigieren lassen. Siri-Tong, Thorfin Njal, Eike, Arne, Oleg und der Stör waren lebende Schutzschilde für die Banditen, und die Crews der Schiffe konnten nicht feuern, ohne zumindest einen von ihnen tödlich zu verletzen. Niemals würden sie das tun. Sabreras warf einen Blick nach unten. Schätzungsweise dreißig Yards tief fiel der Steilfelsen ab. Die Brandung war ein dünner, weiß gekräuselter Streifen über den im flachen Uferwasser liegenden Gesteinsblöcken.
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Er war schwindelfrei, und doch rieselte es ihm frostig über den Rücken. Rasch hob er wieder den Kopf. „Wer hat euch den Weg hierher gewiesen, Siri-Tong?“ fragte er. „Doch die Männer der ,Esperanza`, nicht wahr? Sie haben gemeutert, aber dann habt ihr die Galeone geentert. Das geschieht ihnen recht.“ „Es wäre uns lieber gewesen, wenn auch du an Bord gewesen wärest“, sagte sie kalt. Er lachte. „Ja, das- hätte euch so passen können. Aber ich habe euch einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.“ Er legte die Hände als Schalltrichter an den Mund und schrie zu den Schiffen hinüber: „Ihr dort - Engländer und Piraten! Ich weiß, daß ihr mich verstehen könnt. Und euer Ausguck schaut mit dem Fernrohr herüber. Ihr seht also, daß wir eure Kumpane gefaßt haben und euch nicht täuschen!“ Eine Antwort wehte nicht von den Schiffen herüber. Sabreras sah wieder in die Tiefe und entdeckte ein Boot mit zwei Männern darin, das ziemlich schnell auf den schwarzen Segler zuglitt. Von hier oben wirkte es wie ein Spielzeug. „Gut so!“ brüllte er. „Alle Mann an Bord! Bleibt dort und wagt nicht, wieder in die Grotte vorzudringen. Ich stelle meine Bedingungen: Händigt mir eure Schiffe aus, oder ich stürze die Gefangenen einen nach dem anderen hier vom Felsen!“ „Das wäre dein Ende, Sabreras“, tönte es jetzt zurück. „Wer ist das?“ wollte Sabreras von der Roten Korsarin wissen. „Rede, oder ich opfere. als ersten diesen behelmten Idioten.“ Er wies auf Thorfin Njal. Siri-Tongs Stimme klang gepreßt und unnatürlich. „Ben Brighton, der Bootsmann und Erste Offizier auf der ,Isabella’.“ „Brighton!“ schrie der Kommandant. „Willst du es wirklich darauf ankommen lassen? Sollen wir ein Exempel statuieren?“ „Nein!“ „Dann verlaßt die Schiffe. Setzt euch in eure Beiboote und haut ab!“
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„Erst müßt ihr uns Siri-Tong und die Wikinger übergeben!“ rief Ben Brighton. Er hatte sich auf die Back der „Isabella“ begeben und stand mit verzerrtem Gesicht neben den Kameraden. Almirante sagte: „Das Beiboot ist beim Viermaster, und die Besatzung und der andere Kerl im Großmars des Dreimasters haben aufgehört, sich Blinkzeichen zu geben. Es scheinen also alle an Bord zu sein, die vorher in der Grotte herumgeschnüffelt haben.“ In diesem Augenblick erschien auch wieder Julian und meldete: „Unten ist die Luft rein. Da befindet sich nur ein Boot mit einem Mast, den man umlegen kann.“ „Das Boot gehört mir“, erklärte Sabreras. „Gut“, sagte Almirante. „Du kannst gleich hier oben bleiben, Julian. Zwei Mann unten genügen als Wachtposten, zumal wir es ja sehen würden, wenn auch nur ein Mann von den Schiffen ‘rüberzuschwimmen versuchte.“ „Wir haben die Situation in der Hand“, sagte Sabreras mit siegessicherem Lächeln. Er hob wieder die Stimme und wandte sich von neuem an Ben Brighton. „Wo ist der Seewolf? Ich will mit ihm verhandeln!“ „Er ist im Gefecht verwundet worden!“ schrie Ben zurück. Sabreras blickte Siri-Tong von der Seite an. „Stimmt das? Wage es nicht, mich anzulügen. Ich sehe es dir an, wenn du schwindelst.“ Sie schaute ihn offen und fest an. „Hasard ist verwundet worden, als er Batuti, dem Gambia-Neger, vom Vormars half.“ Sabreras fuhr sich mit der Hand über das stoppelbärtige Kinn. „Zum Teufel, dann habe ich ja doch nicht vorbeigezielt, als ich mit der Arkebuse auf ihn feuerte!“ Er legte wieder die Hände an die Mundwinkel. „Brighton!“ brüllte er. „Trotzdem will ich den Seewolf sehen! Sofort!“ Siri-Tong hatte innerlich schon aufgeatmet, aber jetzt durchfuhr es sie glühendheiß. Wie sollte Hasard sich auf Oberdeck zeigen, wenn er gar nicht an Bord der „Isabella“ war? Er versuchte auf irgendeine Art, sich mit dem Beiboot anzuschleichen. Aber
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innerhalb der nächsten Minuten mußte alles auffliegen, denn länger konnte Ben Brighton die Spanier nicht hinhalten. 10. Hasard hatte Ben Brighton noch rasch ein Signal geben lassen, dann hatte er das Beiboot in die fjordartige Bucht gesteuert. Er saß auf der Heckducht und hielt die Ruderpinne. Carberry, Shane, Blacky, Matt, Luke und Bob hockten ihm’ gegenüber und pullten schweigend und mit verkniffenen Mienen. Der Seewolf war außer sich vor Wut. Sabreras gerufene Worte hatte er nur allzu deutlich verstehen können. Diese Drohung - er wußte, daß der Kerl sie wahrmachen würde, wenn Ben und die anderen Männer auf den Schiffen nicht auf seine absurde Forderung eingingen. Angenommen, Siri-Tong und die Wikinger. hätten keine Fesseln getragen und Arme und Beine frei bewegen können - selbst ein ausgezeichneter Springer mußte beim Sturz in die Tiefe auf den vorgelagerten zackigen Felsen zerschmettert werden. Er konnte nicht so viel Distanz von der Stellmauer gewinnen, daß er in die tiefere Wasserregion geriet. Am liebsten wäre er direkt zur Grotte gefahren und hätte versucht, auf die Verbrecher zu feuern. Aber das war Wahnwitz. Sicher hatten Sabreras’ Komplicen Wachen in die Grotte hinuntergeschickt. Somit wäre das Urteil perfekt gewesen. „Ben muß Sabreras so lange wie möglich hinhalten“, sagte Hasard. „Dann schaffen wir es schon irgendwie, diese gemeinen Hunde zu überrumpeln.“ „Wir brauchen nur einen Platz zu finden, von wo aus wir die Felsen hinaufklettern können“, entgegnete der. Profos. „Verdammt, diese Bucht muß doch irgendwohin führen.“ „Das schon“, meinte Big Old Shane. Er hob den Kopf .und blickte an den steilen, glatten Uferfelsen hoch. „Aber wenn dieses Gestein nicht wenigstens ein
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bißchen abflacht, haben wir keine Chance, den Aufstieg heil zu überstehen.“ „Moment“, sagte der Seewolf plötzlich. „Seht doch mal nach vorn.“ Sie wandten die Köpfe und registrierten, daß die enge Bucht in nicht allzu großer Entfernung einen Bogen beschrieb. Diese Krümmung führte offensichtlich in östliche Richtung. „Weiter, weiter“, sagte Blacky. „Schneller!`’ stieß der Profos erregt hervor. Sie trieben das Boot voran, so schnell sie konnten. Mehrmals schlugen die Riemenblätter hart gegen die Felsen, und Matt Davies’ Ruder splitterte sogar ein Stück in Längsrichtung auf, aber darum kümmerten sie sich nicht. Sie brachten die Biegung hinter sich und tasteten sich weiter. Nach rund sechs- bis siebenhundert Yards war die Wassertiefe immer noch ausreichend, um das Boot durchzulassen, aber die Steilwände wuchsen enger zusammen. Zum Glück entdeckte der Seewolf eine Lücke, die rechts im Felsen klaffte. Sie war auf ihrem Grund mit Blöcken und Geröll angefüllt, mit einigem Geschick konnte man in ihr hochklettern. Eine Steigung im Untergrund schien, soweit sich das vom Wasser aus feststellen ließ, bis ganz nach oben zu führen. „Nichts wie ‘raus und in die Bresche hinein“, sagte Hasard. „Los, vielleicht können wir den Schuften tatsächlich in den Rücken fallen.“ Kaum waren sie an Land und hatten das Boot vertäut, da schlüpfte Sir John, der karmesinrote Papagei, aus Carberrys Tasche. Er war sozusagen als „blinder Passagier“ mitgefahren. Jetzt schwang er sich in die Lüfte hoch, bevor der Profos es verhindern konnte. Carberry raufte sich die Haare. „Schockschwerenot“, ächzte er. „Sir John, wenn du uns verrätst, hast du die längste Zeit gelebt. Jawohl, das schwör ich dir, du Nebelkrähe!“ *
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Ferris Tucker hatte ziemlich tief unten im Vorschiff gekauert, in einem Raum über der Vorpiek. Er hatte geprüft, ob der Vorsteven an dieser Stelle noch intakt war, denn das Vorgeschirr der „Isabella“ war in dem Gefecht ja beschädigt und der Vorsteven ein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. So begriff er erst spät, daß etwas nicht in Ordnung war. Schreie hallten vom Schiff zum Land — Ben Brighton war es, der da irgendetwas rief. Und jemand brüllte zurück. Sabreras! Als Ferris das bewußt wurde — er kannte die Stimme des Kommandanten —, rappelte er sich auf, stieß sich fast den Kopf und eilte auf den nächsten Gang hinaus. Er lief zum Niedergang, der ihn weiter nach oben führte. Vor dem Mannschaftslogis prallte er dann fast mit dem Kutscher zusammen. „Augenblick, Ferris“, sagte der schwer atmend. „Ich habe dich schon gesucht. Du mußt für den Seewolf einspringen.“ „Ich muß was? Bist du plemplem?“ Der Kutscher setzte ihm die Lage auseinander. Ferris fluchte und rieb sich das Kinn, aber damit änderte er auch nichts an der Situation. Schließlich hastete er mit dem Kutscher in die Kombüse, und hier packte der Kutscher sein gesamtes Verbandszeug aus. Wenig später turnte Ferris durch die Frachträume bis ins Achterkastell. Von hier aus gelangte er über den Mittelgang ins Freie. Er taumelte zu Ben, Smoky und den anderen, die sich auf der Back versammelt hatten. Die Männer erkannten ihren rothaarigen Schiffszimmermann selbst kaum wieder. Sein Schädel war so mit weißen Streifen Leinentuch umhüllt, daß nur die Ohren, der Mund, die Nase und die Augen hervorschauten. Er trug einen Arm in der Schlinge und auch das linke Bein im dicken Verband, und beim Gehen stützte er sich auf eine grob zusammengehauene Krücke.
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„Da bleibt einem doch die Spucke weg“, flüsterte Old O’Flynn. „Der kann das ja fast noch besser als unsereiner!“ „Hasard“, sagte Ben laut. Sabreras und die Banditen oben auf dem Klippfelsen konnten es vielleicht doch nicht verstehen, aber Ben verlieh sich selbst und der ganzen Szene mehr Glaubwürdigkeit, indem er den guten Ferris so titulierte. „Komm her und stell dich hier neben mich. Sabreras will dich sehen und mit dir sprechen.“ „Ich kann nicht schreien“, krächzte Ferris. „Ich kann mich kaum auf den Beinen halten.“ „Sie beobachten uns durch Fernrohre“, zischte Smoky. „Aufpassen also.“ „Wo sind die anderen?“ raunte Ferris. „Pete, Gary, Stenmark, Al und Sam? Ich sehe sie nicht:’ „Sie hängen außenbords an der Steuerbordseite“, erwiderte Ben ebenso leise. „Sie warten nur auf ein Zeichen, dann tauchen sie unter unsrer alten Lady hindurch und versuchen, zur Grotte zu gelangen.“ „Seewolf!“ brüllte jetzt Sabreras. Breitbeinig stand er am Rand des steil aufragenden Felsens. „Ich will dein Wort, daß ihr keine faulen Tricks versucht, wenn ihr die Schiffe verlaßt.“ „Liefere die Gefangenen aus“, keuchte Ferris, so laut er konnte. „Ich verstehe nicht!“ schallte es zurück. „Die Gefangenen sollst du freilassen!“ schrie Ben. Sabreras lachte. „Ja, aber erst pullt ihr in den Booten bis dicht ans Ufer. Ohne Waffen. Wir lassen das Weib und die fünf Wikinger dann von der Grotte aus zu euch schwimmen.“ „Ihr wollt uns erschießen!“ rief Ben. „Ich will den Seewolf hören“, erwiderte Sabreras mit gellender Stimme. „Sabreras soll selbst die Geiseln bringen“, stieß Ferris mit krächzender Stimme hervor. „Er hat ja das Boot. Wir gehen auch in die Boote, und er läßt einen nach dem anderen frei.“ „Ich verstehe kein Wort!“ brüllte der Kommandant vom Felsen herunter.
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Ben Brighton wiederholte, was Ferris gesagt hatte. Sabreras lehnte es ab und drohte wieder, einen der Wikinger als ersten in die See zu stoßen, falls die Seewölfe nicht bedingungslos auf seine Forderung eingingen. * Hasard und seine sechs Begleiter hatten die geröllgefüllte Bresche hinter sich, jetzt schlichen sie über das felsige Gelände. Sie nutzten Steinblöcke und Krüppelsträucher als Deckungen aus. Plötzlich war Sir John wieder heran. Er ließ sich auf Carberrys Schulter nieder. „Mastspitzen an der Kimm“; plapperte er. „Backbord voraus. Klar zum Entern!“ „Will der uns auf den Arm nehmen?“ raunte Bob Grey. „Mann ...“ „Quatsch, er weist uns den Weg“, sagte Carberry mit grimmigem Blick. Er streckte die Hand aus. „Da lang geht’s.“ Hasard eilte ihnen voran. Als er wenig später auf eine Schlucht traf, an deren Eingang deutliche Spuren eines Kampfes zu erkennen waren, begann sein Herz schneller zu schlagen. Er vernahm jetzt auch die schneidende, ätzende Stimme von Sabreras. „Niemals!“ brüllte der Mann gerade. „Niemals lasse ich mich darauf ein!“ Hasard hastete durch die dunkle Schlucht. Dabei stolperte er fast über die Leichen von drei Männern. Er untersuchte sie flüchtig, stellte erleichtert fest, daß keiner der Wikinger dabei war, und glitt weiter. „Lumpenhunde“, zischte Carberry beim Anblick der Toten. „Um die ist es nicht schade.“ „Still“, raunte Blacky ihm zu. Sie erreichten die Geröllhalde und mußten hier besonders aufpassen, keinen Laut zu verursachen. Behutsam schoben sie sich immer weiter nach oben. Hasard sah die Gestalten auf dem Plateau als erster. Er spähte zu ihnen und stellte fest, daß keiner sich nach hinten umschaute. Dies war der entscheidende Augenblick. Jetzt oder nie, dachte Hasard. Er erhob sich und riß die doppelläufige Reiterpistole aus
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dem Gurt. Die Hähne hatte er längst gespannt. Hinter ihm waren Carberry, Shane und Blacky, dann Matt, Luke und Bob. „Keine Bewegung!“ rief Hasard den Galgenstricken zu. „Wir strecken euch nieder, wenn ihr euch nicht ergebt!“ Sabreras, Almirante, Julian und die anderen Kerle wirbelten herum. Sie heulten auf. Nein, sie dachten nicht daran, zu kapitulieren, sie zückten ebenfalls die Waffen und legten auf den heranstürmenden Trupp an. Im Nu war der Teufel los. Hasard drückte ab. Krachend brachen die Schüsse, fauchten aus den Läufen und rissen zwei Banditen um. Dann warfen sich die Seewölfe unter dem Gegenfeuer hin, entgingen so dem sicheren Tod und antworteten mit einer Salve aus Musketen und Pistolen. Als sie die leergefeuert hatten, griffen sie zu ihren Säbeln und Degen. Shane hatte den Bogen von der „Isabella“ mitgenommen. Im richtigen Augenblick sandte er einen Pfeil auf einen Kerl ab, der Oleg in die Tiefe. stürzen wollte. Der Schuft brach in die Knie und kippte dann vornüber. Oleg ließ sich klugerweise auch fallen. Hasard stürmte auf Sabreras zu. Der Kommandant hatte Siri-Tong gepackt, aber sie trat ihm mit voller Wucht gegen das Schienbein, ließ sich hinsinken und rollte sich zu Hasard hin ab. Julian legte mit einer Muskete auf den Seewolf an. Doch wieder sirrte ein Pfeil durch die Luft und bohrte sich in seine Brust. Julian taumelte zurück, verlor die Balance und rutschte vom Rand des Klippfelsens ab. Sein langgezogener Schrei war das letzte, was er von sich gab. Almirante brüllte: „Schlagt diese Bastarde tot!“ Er hielt einen riesigen Säbel und zog ihn wie eine Sense kreuz und quer durch die Luft. Es entstand ein unglaubliches Handgemenge, in dem die Seewölfe gegen die Übermacht der Strandräuber keinen leichten Stand hatten.
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Die beiden Banditen, die die Grotte sichern sollten, blickten sich unschlüssig an. Oben tobte der Kampf. Wurden sie dort gebraucht? „Ich laufe nach oben“, sagte der eine. „Du bleibst“, erwiderte sein Kumpan scharf. „Almirante und Julian haben uns nicht den Befehl dazu gegeben.“ „Sie können es nicht.“ „Sie werden schon mit den Kerlen fertig, die sie angegriffen haben.“ „Wer, glaubst du, sind sie?“ Der andere Mann konnte nicht mehr antworten, denn in diesem Augenblick regte sich im Wasser etwas. Etwas Schemenartiges fuhr aus den grünlich schillernden Fluten hoch. Es entpuppte sich als ein menschlicher Körper. Die Banditen fluchten beide und legten mit den Musketen auf den Eindringling an. Es war Stenmark, der da aus dem Wasser stieg und sein gedrungenes Entermesser auf die Kerle schleuderte. Gleich nach ihm tauchten Pete Ballie, Gary Andrews, Al Conroy und Sam Roskill auf - und dann die Männer vom schwarzen Schiff, die gleichfalls herübergetaucht waren. Als oben auf dem Felsen der Kampf eröffnet worden war, hatten sie alle die Gelegenheit genutzt. Stenmarks Waffe hieb in den Leib des ersten Halunken. Gurgelnd brach er zusammen. Der zweite konnte noch feuern, zielte aber daneben. Stenmark, Pete und Gary stürmten auf ihn zu und fochten ihn` nieder. Dann hetzten sie die steinerne Wendeltreppe hinauf. „Auf sie!“ schrie Stenmark. Und Carberry antwortete mit dem alten Schlachtruf der Seewölfe: „Arwenack!“ „Ar-we-nack!“ tönte es über den Kampfplatz, und von den Schiffen kehrte der Ruf als Echo zurück. Wenig später war die Entscheidung da. Nur Almirante, Sabreras und fünf andere Kerle waren noch am Leben. Almirante ließ den Säbel fallen und hob die Hände. Seine Kumpane folgten seinem Beispiel.
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Sie konnten die Wikinger nicht mehr bedrohen oder als Faustpfand benutzen, denn die hatten sich zu ihren Kameraden hin gerettet. Nur Sabreras hielt noch Siri-Tong am Arm fest. „Keinen Schritt weiter!“ schrie er Hasard an. „Sie stirbt!“ „Hasard“, sagte sie so ruhig wie möglich. „Dieses Opfer bringe ich.“ „Für unsere Sache?“ „Für unsere Sache. Sabreras darf nicht siegen.“ Hasard schritt auf die beiden zu. Sabreras’ Augen weiteten sich, das hatte er nicht erwartet. Er gab einen Laut von sich, der wie ein tiefer Seufzer klang, dann stieß er Siri-Tong auf den Seewolf zu. „Da hast du sie!“ Die Korsarin stolperte auf Hasard zu, hielt sich an seinem Arm fest und sagte: „Gut, daß du mitgespielt hast.“ „Es ist mir schwer genug gefallen“, erwiderte er. „Männer, sammelt jetzt den Schmuck der Chibchas und die Geheimdokumente ein, die Sabreras aus der Mine mitgenommen hat. Dann fesseln wir diese Schurken, schaffen sie an Bord und setzen sie auf der nächsten Insel aus.“ Sabreras trat plötzlich vor. „Nein. Ich fordere dich zum Duell, Engländer. Du bist ein Feigling, wenn du diese Forderung eines spanischen Edelmannes ausschlägst.“ Hasard blickte ihn lange an. „Über die Bezeichnung Edelmann läßt sich wahrhaftig streiten, aber ich akzeptiere. Und ich lasse dir sogar die Wahl der Waffe, Sabreras. Entscheide dich, Rasch.“ „Pistole“, sagte der Spanier heiser. * Das Duell fand auf dem Felsenplateau statt. Stenmark und Matt Davies waren mit Sabreras’ Boot zur ,Isabella“ gepullt. Matt war dort geblieben und ließ die Kratzer, die er davongetragen hatte, vom Kutscher verarzten. Ben Brighton, Smoky, Old O’Flynn, sein Sohn und ein paar andere kehrten mit dem Boot in die blaue Grotte zurück und brachten die Duellpistolen aus
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Hasards Kapitänskammer mit. Diese Anweisung hatte der Seewolf Stenmark mit auf den Weg gegeben. Die Leichen waren vom Felsen geräumt worden, und nun standen sich die Kontrahenten gegenüber. Sabreras hatte sich seiner Jacke entledigt und die Ärmel seines Hemdes aufgekrempelt. „Die Bedingungen“, sagte er. In seinen grauen Augen lag ein kalter Schimmer, sein Gesicht war eine Maske. „Siege ich, bin ich frei - und Almirante und seine Männer auch. Dann nehmen wir die Krone der Chibchas, den anderen Smaragdschmuck und die versiegelten Pergamentrollen aus der Ledermappe mit und haben freies Geleit.“ „Einverstanden“, erwiderte Hasard. Er stand dreißig Schritte von dem Kommandanten entfernt. „Und wenn ich den Triumph davontrage, bleibt es bei dem, was ich vorhin gesagt habe. Wir setzen euch auf einer einsamen Insel aus.“ Ben Brighton und Big Old Shane fungierten als Sekundanten für Hasard, Almirante und ein zweiter Strandräuber übernahmen diese Aufgabe für Sabreras. „Ich schlage Thorfin Njal als Unparteiischen vor“, sagte Hasard. „In Ordnung, Sabreras?“ Erst nach einigem Zögern willigte der Spanier ein. Er ließ sich die gefütterten Holzschatullen öffnen, in denen die Pistolen ruhten, und inspizierte sie sehr genau, bevor sie von Ben Brighton geladen wurden. Thorfin Njal mußte auf Sabreras’ Verlangen hin sogar einen Schwur ablegen, daß er für die Einhaltung der Bedingungen sorgen würde. Danach sagte Siri-Tong: „Jetzt reicht’s aber, Sabreras. Du hast uns lange genug zum Narren gehalten. Willst du den Zweikampf hinauszögern? Hast du Angst?“ Das saß: Sabreras erbleichte, er sprach jetzt nur noch zwei Worte: „Die Pistole.“ Hasard schritt bis zu ihm, und dann händigte Ben ihnen die Pistolen aus. Hasard Und Sabreras stellten sich mit dem
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Rücken gegeneinander, hielten die Waffen senkrecht hoch und spannten die Hähne. Es waren kostbare, reich verzierte Steinschloß-Modelle mit sehr langen Läufen, Pistolen von größter Treffgenauigkeit. Thorfin Njal prüfte den Stand der beiden Männer. „Jeder geht auf mein Zeichen hin fünfzehn Schritte, dreht sich dann um und feuert“, sagte er. Er trat zurück und gab das Zeichen. Der Seewolf schritt in die Richtung, aus der er soeben gekommen war. Er zählte die Schritte: neun, zehn, elf, war schließlich bei vierzehn angelangt, sagte leise „fünfzehn“ -und fuhr herum. Im selben Augenblick wirbelte auch Sabreras herum, stieß die Pistole aus der Senkrechten nach Unten und drückte ab. Hasard stand still und schoß im selben Sekundenbruchteil: Die Schüsse krachten, der weiße Pulverqualm stieg auf und wurde vom Wind davongetragen. Durch die verfliegenden Schwaden sah Hasard, wie Sabreras sich krümmte und die Pistole fallen ließ.’ Er war an der Schulter verletzt. „Du Hund“, keuchte er. „Du bist unversehrt ...“ „Die Kugel ist haarscharf an meiner rechten Wange vorbeigesaust“, entgegnete Hasard. „Ich habe ihre Hitze gespürt.“ „Säbel“, keuchte Sabreras. „Wir kämpfen weiter.“ „Sabreras — sei vernünftig.“ „Feigling!“ schrie der Spanier. „Seht ihn euch an, er unternimmt einen Rückzieher, weil er weiß, daß ich Zn doch noch schlagen werde!“ Achselzuckend wandte sich der Seewolf an Ben Brighton. „Ben, zwei Säbel. Das ist ein Befehl. Gebt Almirante Verbandszeug, er soll die Blessur des Kommandanten verbinden.“ Kurze Zeit später nahm Sabreras den Säbel entgegen und strich zweimal probeweise mit der Klinge durch die Luft. Er rückte entschlossen auf Hasard zu, tänzelte, wippte in den Kniekehlen und bewies, daß
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er eine ausgezeichnete Ausbildung genossen hatte. Hasard ließ ihn fast auflaufen, dann baute er aus dem Nichts seine Verteidigung auf. Zunächst hielt er sich in der Defensive, dann aber unternahm er einen Ausfall und führte zwei glänzende Paraden gegen den erstaunten Spanier. „Noch kannst du kapitulieren, Sabreras!“ rief er. „Niemals.“ „Dann also — bis zum letzten?“ „Bis zum letzten!“ Hasard drängte ihn an den Rand des Plateaus, aber hier fing Sabreras sich wieder. Die maskenhafte Starre war von seinem Gesicht abgefallen, er hatte jetzt eine verbissene Miene, in der es ständig zuckte und arbeitete. Klirrend fuhren die Klingen gegeneinander und lösten sich wieder. Sabreras tauchte weg, holte aus und stieß den Säbel zu einem Stich in Hasards Unterleib vor. Nur knapp konnte Hasard ausweichen. „Unfair!“ rief Thorfin Njal. „Du weißt, daß das nicht erlaubt ist, Spanier!“ „Fahr zur Hölle!“ schrie Sabreras. Er wiederholte die heimtückische Attacke. Aber diesmal war der Seewolf mehr auf der Hut. Er konterte und fegte die gegnerische Klinge mit einem mächtigen Hieb zur Seite. Er riß den Säbel wieder an sich, sprang vor und stach zu. Die Spitze traf Sabreras Brust dort, wo das Herz sitzt. Hasard zog den Säbel wieder heraus. Zuerst sah es so aus, als würde Sabreras weiterkämpfen. Er hielt den Säbel noch erhoben. Doch die Kraft wich aus seinem Arm, aus allen Gliedmaßen. Seine Finger öffneten sich, und die Waffe fiel scheppernd auf den Fels. Sabreras taumelte rückwärts. Hasard wollte ihn festhalten, aber es war schon zu spät. Sabreras kippte in die Tiefe — fast an derselben Stelle, an der auch der Galgenstrick Julian hinuntergestürzt war. Nur gab Sabreras keinen Schrei mehr von sich. Er war schon tot, bevor er unten auf den schroffen Felsen aufschlug und in die Brandung rutschte.
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Hasard wandte sich um und blickte zu Almirante und dessen Spießgesellen. „Ihr könnt abhauen“, sagte er. „Laßt eure Habseligkeiten hier und lauft meinetwegen nach Norden, so schnell ihr könnt. Bleibt nicht stehen, ich will euch nicht mehr sehen.” Almirante stand eine Weile mit ungläubiger Miene da. Dann drehte er sich um, winkte den Kumpanen zu und stürmte los. Sie liefen, als hätten sie sämtliche Ausgeburten der Hölle hinter sich.
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„Brechen wir wieder auf“, sagte Hasard. „Unsere Mission ist erfüllt. Daß sie so blutig endet, ist allein Sabreras’ Schuld. Narren wie ihn wird es leider immer geben. Sie sind von dieser Welt nicht wegzudenken.“ Er sah zu Siri-Tong. Ihre Blicke verfingen sich ineinander, und Hasard spürte, wie ihn etwas Warmes, unbeschreiblich Wohliges durchlief. Dieses Gefühl half ihm, alles Geschehene mit einem Ruck von sich abzuschütteln. Und er wußte, daß es der Roten Korsarin genauso ging.
ENDE