Band 06 - Das Gastmahl des Todes Torgo, Prinz von Atlantis von Karl H. Koizar ISBN:
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Band 06 - Das Gastmahl des Todes Torgo, Prinz von Atlantis von Karl H. Koizar ISBN:
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Reros, der Kammandant des Schiffes erkannte voll Staunen, daß sich auf dem Floß eine ganze Anzahl von Personen befunden hatte, vier Männer von denen einer, offenbar ein Zwerg und der andere schwer krank war und noch dazu eine Frau. "Du bist hier der Kapitän, das ist gewiß" plapperte Nebussor, der sich wieder ein wenig erholt hatte "und mein Name ist Nebussor. Du mußt wissen, daß meine Wiege im fernen Persien stand." "In Persien?" staunte Reros. "Und die anderen sind wohl gleichfalls Perser?" Schon lag Nebussor eine Antwort auf der Zunge, als Jargo einfiel: "Ja, Herr, wir sind Perser. Wir befanden uns auf einem Kauffahrerschiff, als die Flutwelle kam und unser Schiff mit Mann und Maus verschlang. Nur wir haben uns retten können. Wir trieben ohne Wasser und Nahrung auf dem Floß und dieser Mann hier ist schwer krank." Reros trat näher und besah sich den Fiebernden, den die Freunde einstweilen auf die Planken gelegt hatten. Ringsum waren Neugierige von der Schiffsmannschaft herzugetreten. Reros sah, daß der Mann aufgescheuerte Gelenke an den Armen und Beinen hatte. Er kannte diese Art von Wunden. "Ein Galeerensklave?" fragte er verwundert. "Ja, Herr" antwortete Jargo schnell. "Unser Kauffahrer war eine Galeere." "Weshalb habt ihr ihn nicht ertrinken lassen?" fragte Reros erstaunt. "Der Kapitän gab ihnen in letzter Minute die Freiheit." "Das muß aber ein merkwürdiger Mann gewesen sein", meinte Reros kopfschüttelnd "und ihr seid nicht weniger wunderlich, da für euch dieses Individuums angenommen habt. Außerdem ist er noch krank." "Er wurde es erst auf dem Floß", log Jargo. "Laßt ihn auf Deck", ordnete Reros an. "Der Heilkundige mag kommen und nach ihm sehen." Einer der Umstehenden kehrte nach einer kurzen Zeit mit einem Manne wieder, der sich über den Kranken beugte, der röchelnd und ohne Besinnung auf den Planken des Schiffsverdecks lag. Der Kreis der Umstehenden hatte ihm und einem zweiten Manne Platz gemacht, der offenbar ein Ägypter war. Er stammte von den Resten der ägyptischen Galeerenbesatzung, welche Reros aufgenommen hatte. Auch er war Heilkundiger und wollte seinem griechischen Kollegen assistieren. Torgo hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Er stand neben Bethseba und hatte kein Wort verloren. Der Prinz war gesonnen, den Dingen zunächst einmal ihren Lauf zu lassen. Der Grieche hatte sich tief über den Kranken gebeugt und wollte ihn schon berühren, als ihn der Ägypter mit einer heftigen Bewegung zurückriß. "Oh, ihr Götter", rief er dabei aus, "hinweg mit diesem Menschen, werft ihn ins Meer, er hat die Pest!" Verwundert sah der Grieche auf. "Siehst du denn nicht die Flecken auf seiner Haut?" rief der Ägypter. "Der Mann ist dem Tode verfallen und wir mit ihm, denn er hat die Krankheit auf unser Schiff gebracht!" Der Umstehenden hatte sich bei diesen Worten eine Panik bemächtigt. Sie stürzten erschrocken nach allen Seiten auseinander. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Werft den Mann ins Meer" brüllte Reros, "werft ihn sofort ins Meer und dann räuchert das ganze Schiff aus!" Er warf wütende Blicke auf die angeblich Schiffbrüchigen. "Ihr seid von Sinnen" rief er, "uns die Pest an Bord zu schleppen! Ich sollte euch gleichfalls ins Wasser werfen lassen, damit ihr von den Haien gefressen werdet!" Erstaunt sah sich Reros um. Bisher war noch niemand seinem Befehl nachgekommen. Keiner wollte den Pestkranken anrühren. "Ihr", brüllte er Torgos Freunde an, "ihr habt ihn hergebracht, nun schafft ihn auch wieder fort und zwar sogleich, bevor ich meine Drohung wahrmache!" Da trat Bethseba vor. "Hast du kein Mitleid?" fragte sie. "Besitzt du kein Herz? Denke, du wärest an seiner Stelle!" "Bin ich ein Galeerensklave?" Reros reckte sich hoch auf. "Wie kannst du es wagen, mich mit ihm gleichzusetzen? Schnell, schafft ihn fort, ich befehle es euch!" Aber auch die Freunde Torgos leisteten ihm keine Folge. "Krieger", rief er, "zwingt sie mit euren Waffen!" Reros stampfte mit dem Fuß auf. Nun erschienen Bewaffnete. Sie hielten sich in vorsichtiger Entfernung, richteten aber ihre Lanzen drohend auf die Geretteten. "Wenn ich der Kranke wäre, würde ich selbst aufstehen und mich ins Meer stürzen, so wahr meine Wiege im fernen Persien stand", rief Nebussor wütend. Doch noch bevor sich die Lage weiter zuspitzte, schleppte der griechische Heilkünstler den Mann an den Bordrand. Ein Schrei aus Bethsebas Mund und der Galeerensklave war im Dunkel der Nacht verschwunden. "Schnell, Wasser" rief der Heilkundige, "ich muß mich waschen! Und mein Gewand muß verbrannt werden und das dieser Leute gleichfalls. Reinigt euch und zwar gründlich, wenn er wirklich die Pest hatte, besteht Gefahr für uns alle." Reros Zorn besänftigte sich. "Daß ihr es wißt, sagte er, "auf diesem Schiff befehle ich im Namen des Königs. Ein jeder hat mir zu gehorchen und ihr habt das genau so zu tun, verstanden? Und nun tut, was euch der Heilkundige befahl. Reinigt euch und verbrennt eure Kleider. Ich werde dafür sorgen, daß ihr andere zum Anziehen erhaltet. Nur das Mädchen muß mit Männerkleidung vorliebnehmen." Man führte sie auf das Hinterdeck, wo man sie allein ließ. Später brachte ein Krieger Bekleidungsstücke, welche er ihnen aus gehörigem Abstand zuwarf. Torgo fand darunter Tuniken, die sich auch für Bethseba eigneten. Sie hatte sich hinter einem Aufbau verkrochen, wo sie niemand beobachten konnte. Er warf ihr die für sie bestimmten Bekleidungsstücke zu. Nach Verlauf einer halben Stunde erschienen sie alle vier wieder vor Reros. Sie waren äußerlich recht verwandelt. Als jedoch Nebussor erschien, brachen alle in lautes Lachen aus. Ihm waren die Sachen viel zu groß und er sah höchst possierlich in seinen großen griechischen Gewändern, über die er bei jedem Schritt stolperte, aus. "Jetzt lacht ihr mich aus, das ist gewiß", sagte Nebussor grimmig. "Aber lernt mich nur erst richtig kennen, dann werdet ihr schon merken, wie man einem Manne zu begegnen hat, dessen Wiege im fernen Persien stand!" Unterdessen hatte der ägyptische Heilkundige Vorkehrungen getroffen, um das ganze Schiff auszuräuchern. Penetranter Geruch von Kräuterwerk verbreitete sich über das Deck und in den unteren Räumen, in denen die Krieger untergebracht waren. "Der arme Teufel", brummte Nebussor, "wozu wir uns die Mühe mit ihm gemacht haben, möchte ich wissen. Und wenn es wirklich die Pest war, die er hatte, dann fürchte ich, wird sie sich vor den Räucherschalen dieses ägyptischen Quacksalbers wenig fürchten." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Die Geretteten lagerten sich am Fuß des Mastes. Man hatte ihnen Wasser und harte Fladen gebracht. Das Wasser war schal und die Fladen schmeckten nach ranzigem Fett. Aber es war etwas anderes als die Fischnahrung, die sie tagelang gegessen hatten und so verschlangen sie, was ihnen gereicht wurde, mit Heißhunger. Nach kaum einer Stunde schien man sich nicht mehr um die Geretteten zu kümmern. Nur Reros erschien von Zeit zu Zeit auf seinem Kommandoplatz und warf ihnen finstere Blicke zu. Nach einer halben Stunde kam er unerwartet zu ihnen. "Hört mir gut zu" sagte er, "wir sind durch euch in eine schlimme Lage geraten. Nicht nur, daß ihr Gefahr über mich und meine Mannschaft gebracht habt, dürften wir nun eigentlich keinen Hafen anlaufen. Niemand von uns dürfte an Land. Begreift ihr? Es ist aber nicht unsere Absicht, zu einem Gespensterschiff zu werden, das ziellos durch die Meere kreuzt, wir wollen alle heim zu unseren Angehörigen. Wir wollen hoffen, daß sich kein Krankheitsfall an Bord ereignet, bis wir vor Anker gehen. Über das Geschehene aber müßt ihr schweigen, so wie jedermann hier vom Schiff darüber Schweigen bewahren wird. Kein Wort über den Galeerensklaven an Land, versteht ihr mich? Sonst ergeht es uns womöglich übel. Es ist auch eure einzige Chance, an Land zu kommen. Ich hoffe, ihr begreift das und handelt danach." Er entfernte sich wieder. Düster brannten an Bord die Fackeln und schwer lagerte sich der Geruch des Räucherwerks auf die Lungen. "Er hat recht", meinte Torgo nach einer Weile. "Wir müssen darüber schweigen, sonst verwehrt man uns womöglich, daß wir an Land gehen." "Wo fährt das Schiff eigentlich hin?" fragte Nebussor. "Nach Griechenland", antwortete Jargo. "Das ist doch klar. Weshalb fragst du?" "Weil ich für meinen Teil wirklich nach Persien will." "Da hast du aber ein schönes Stück Weges, Freund." "Das ist gewiß. Aber ich werde es schaffen. Beinahe bin ich froh, daß alles so gekommen ist. Wer weiß, ob ich sonst jemals meine Heimat wiedergesehen hätte." "Und ich sehne mich heim nach Ägypten", fügte Bethseba hinzu. "Ja nach Ägypten will ich." Torgo und Jargo schwiegen. Ein jeder von ihnen dachte in diesem Augenblick dasselbe. Bethseba fühlte es. "Und ihr?" fragte sie. Torgo hob die Schultern. "Atlantis existiert nicht mehr", antwortete er. "Mein Reich hat die Hölle verschlungen. Niemals werde ich den Thron meiner Väter besteigen. Ich bin ein König ohne Land und ein Mann ohne Heimat. Ich, der vor wenigen Tagen noch alles besaß, allen Reichtum, den man erträumen konnte, habe nun weniger als ein Bettler. Ein Bettler besitzt wenigstens eine Heimat. Aber ich? Wo ist meine Heimat geblieben? Das Meer schlägt dort seine Wellen. Das Land meiner ist in seiner Tiefe versunken." "Ja, es ist schlimm" meinte auch Jargo. "Wir haben keine Bleibe. Wo immer wir auch hingehen werden, es wird die Fremde sein." Bethseba neigte ihr Haupt. "Arme Freunde", sagte sie leise. Kommt mit mir." "Ich danke dir, Bethseba", sagte Torgo. "Aber Jargo hat recht. Wohin wir uns auch immer wenden werden, es gibt keine Heimat mehr für uns, nichts, wofür es sich zu leben, zu lieben und zu kämpfen lohnt. Dein Gott ist ein grausamer Gott, Bethseba, wenn er dies alles wirklich getan und gewollt hat." "Kommt mit mir", schlug Nebussor vor. "In Persien ist es interessant und schön und wir haben einen mächtigen König, an dessen Hof du sicherlich Aufnahme finden würdest. Und (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
wenn nicht, so komm zu Nebussor. Ich werde ein Haus für uns alle bauen." Ich fürchte", meinte Jargo, "daß ich in diesem Haus stets gebückt gehen müßte und von meinem Bett nicht aufspringen könnte, ohne befürchten zu müssen, daß ich mit dem Kopf an der Decke anschlage." "Du hast es nicht nötig, über mich zu spotten", ärgerte sich Nebussor. "Es kommt nicht darauf an, wie groß ein Mann, sondern wie leistungsfähig sein Denkvermögen ist. Und ich glaube, daß ich dir darin in nichts nachstehe." "Zankt euch nicht", verwies Torgo die beiden. "Im übrigen müssen wir in unseren Gesprächen vorsichtig sein. Man kann uns belauschen. Vergeßt nicht, gegen wen dieses Schiff zu Felde zog - gegen Atlantis. Welch ein Triumph für diesen Schiffskommandanten, wenn er den Prinzen Torgo als Gefangenen heimbrächte." "Du hast recht", zischte Jargo. "Wir wollen lieber schlafen. Im Schlaf verrät man sich nicht so leicht, und Ruhe haben wir nötig. Hält jemand von uns Wache?" "Das hätte wenig Sinn. Wenn sie uns überwältigen wollen, so hülfe auch unsere Wache nichts. Unsere Schwerter würden wenig nützen gegen diese Übermacht und zu flüchten vermögen wir von Bord dieses Schiffes nicht." "Das ist wahr", sagte Nebussor. "Wir befinden uns in einer regelrechten Mausefalle." "Es ist keine Gefahr dabei" erklärte Torgo, "solange niemand in uns Atlanter vermutet." Jargo und Nebussor waren müde von dem Erlebten. Sie drehten sich zur Seite und waren bald eingeschlafen. Torgo und Bethseba blieben wach. Stille lag über dem Schiff. Die Sterne standen hoch über den Segeln. Ab und zu knarrte das Tauwerk im Winde und das Meer schäumte rauschend vorne am Bug. Dann klangen die Schritte der Bordwache auf und verhallten wieder. Ein Gefühl unsäglicher Wehmut war Torgo überkommen. Der heimatlos Gewordene sah vor sich die sonnenbeschienen Straßen und Plätze seiner Vaterstadt, den Markt mit den bunten Früchten und es war ihm, als höre er noch das fröhliche Geschrei der Händler. Er sah den Strand vor sich, an dem er und Jargo sich auf schnellen Pferden getummelt und die Gesichter seiner Freunde mit denen er sich im Kampfspiel geübt hatte. All dies war nun vorüber. Atlantis existierte nicht mehr. Es war zugrunde gegangen in einer einzigen, schreckensvollen Nacht. Die Lieder waren verklungen und der Klang der dröhnenden Pauken im Palast war verhallt, wie die Rufe der Priester im goldenen Tempel. Alles war vorbei. Vergangenheit und es würde niemals, niemals wiederkehren. "Torgo", hörte er da mit einem male neben sich Bethsebas Stimme und er fühlte die Wärme ihrer behutsamen Hand auf seinem Arm. Er wusste, dass sie ihn trösten wollte, aber war nicht angesichts dessen, was geschehen war, jedes Trösten sinnlos? "Versuche zu schlafen, Bethseba", sagte er. Er spürte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Doch Bethseba leistete seiner Aufforderung nicht Folge. "Torgo", wiederholte sie, ,du bist nicht allein. Deine Freunde sind bei dir. Sie werden dich nicht verlassen." "Nicht verlassen?" fragte Torgo. "Aber du weißt es doch selbst. Nebussor will nach Persien, du nach Ägypten. Ein jeder von euch wird seinen Weg gehen. Für euch war Atlantis die Fremde, ihr kehrt nun heim, das ist euer gutes Recht, ich würde an eurer Stelle genau so handeln." "Wenn du willst, bleibe ich bei dir", sagte Bethseba. Torgo schwieg betroffen. Das hatte er nicht erwartet. "Du?" fragte er nach einer kleinen Weile. "Du willst bei mir bleiben?"
(C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Ja", antwortete sie einfach. "Ich gehe dahin, wo du willst. Ich will dir eine Schwester sein, Torgo. Du bist nicht allein. Jargo und ich halten treu zu dir. Sieh, Gottes Garten ist groß. Er hat die Erde überall schön gemacht. Öffne deine Augen Torgo und schaue das Wunder dieser Nacht...Im Osten färbt sich der Himmel. Die Sonne steigt herauf. Ein neuer Tag wird kommen. Und für dich, Torgo fängt ein neues Leben an. Wir haben verbrannt, was uns noch an Atlantis erinnerte. Nun macht der Herr alles neu." "Alles neu", murmelte Torgo. "Ja. Du wirst es sehen und erleben. Seine Gnade leuchtet über dir, denn er hat dein Leben verschont. Nun wird er dich den Weg führen, welchen du gehen sollst, um zu erkennen..." Als das Schiff sich der Küste näherte, verbreitete sich die Kunde von seiner Ankunft wie ein Lauffeuer in König Talaus Stadt. "Eines, ein einziges Schiff von der ganzen großen Armada kehrt wieder" riefen die Leute, "nur ein einziges und dennoch ist es ein Wunder!" Noch war der Hafen von der Sturzflut arg beschädigt, wenngleich fleißige Hände bereits eifrig am Werk waren, um alles wieder herzustellen. Auch in der Stadt waren die Zerstörungen an vielen Orten noch sichtbar. Aber auch hier schritt der Wiederaufbau bereits rüstig voran. Auch König Telaus erreichte die Kunde von der bevorstehenden Ankunft das Schiffes und selbstverständlich auch Nif-Iritt, seine Gemahlin. Die ägyptische Prinzessin hatte sich in Griechenland noch nicht eingelebt. Teils verzehrte sie sich mit Sehnsucht nach ihrer Heimat, welche sie um eines Bündnisses willen verlassen mußte, um einen ungeliebten -Mann zu heiraten und teils kehrten ihre Gedanken auch immer wieder nach Atlantis zurück. Dort, in der Gefangenschaft, hatte sie Torgo kennengelernt. Nun galt ihm ihr heimliches Sehnen. Ihm, dem stolzen, unnahbaren Prinzen, der ihr die kalte Schulter gezeigt hatte. Die Rückkehr eines der griechischen Schiffe, welche König Telaus nach Atlantis gesandt hatte, um dieses Land zu bekriegen, löste in ihrem Inneren einen Aufruhr aus." Was war geschehen? Hatte das Erdbeben auch in Atlantis gewütet? War die große, unbegreifliche Sturzflut etwa von Atlantis Küsten gekommen? Dann mußte sich dort Fürchterliches ereignet haben. Und das Schiff brachte wahrscheinlich davon Kunde. Ob Torgo noch lebte? Ob sein Heer gesiegt hatte? Ja, so mußte es sein, denn sonst wäre nicht bloß eines der Schiffe wiedergekommen. Oder waren sie etwa alle ein Opfer der Flutkatastrophe geworden? Aufgeregt ging Nif-Iritt in ihren Gemächern auf und ab. Sie suchte ihren Betraum auf, um sich zu beruhigen, aber sie fand die nötige Sammlung nicht, um zu ihren Göttern zu beten. Was bei ihr Sorge war, war bei Telaus begreifliche Neugierde. Er sandte sogleich einen Boten nach dem Hafen, um den Kommandanten des Schiffes auf dem schnellsten Wege in den Palast bringen zu lassen. Unterdessen sammelten sich am Kai die Neugierigen zu Tausenden an. Als das Schiff einfuhr, wurde es mit brausendem Jubel begrüßt. An Deck standen griechische Krieger und winkten mit ihren Waffen, die Zurufe erwidernd und dann standen noch fremde Männer dort, die gleichfalls winkten. Ihre Hautfarbe war dunkler. Waren das etwa - Atlanten? Nein, Ägypter waren das. Wie kamen sie an Bord eines griechischen Schiffes? Freilich, wie sah das Kriegsschiff aus! Man sah, daß ein Notmast errichtet worden war. Die Reling war notdürftig geflickt. Das Schiff ließ deutliche Spuren überstandener Not erkennen. Aber die Männer auf dem Verdeck zeigten fröhliche Gesichter. Sie waren glücklich, wieder Land vor sich zu haben, wieder ihre Füße auf festen Boden setzen zu dürfen und grüne Bäume und Sträucher anstatt des ewigen Einerleis der Wasserwüste sehen zu dürfen. Auch Torgo, Jargo und Bethseba standen bei den anderen und Ihre Blicke waren auf das Ufer gerichtet. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Torgo gedachte der Zeit, zu der solche Ovationen ihm allein dargebracht worden waren, daß war nun vorbei. Für immer! Der Jubel galt den heimkehrenden Kriegern, welche ausgezogen waren, um gegen sein Land zu kämpfen und es war nur die Fügung des Schicksals gewesen, daß kein einziges der griechischen Schiffe die Küste von Atlantis erreicht hatte. Diese Menschen hier waren Atlantis feindlich gesinnt. Wer wußte, was sie tun würden wenn sie erfuhren, wer er war! Nein, sie durften es niemals erfahren. Den Tod hätte er ertragen, aber niemals den Spott, ein König ohne Land zu sein... Und dabei fühlte er den Blick Reros in seinem Nacken. Empfand, daß dieser Mann ihm mißtraute. Und als er jetzt einen Ägypter, der anscheinend im gleichen Rang wie er war, zu sich winkte, fühlte Torgo, daß das Gespräch der beiden ihm galt und seinen Freunden. Aber er konnte nicht hören, was die beiden miteinander verhandelten. "Was machen wir mit diesen?" "Keine Ahnung. Das Beste ist, du läßt sie einfach an Land gehen und verschwinden, Reros." "Ich denke auch. Ein Glück, daß niemand von uns krank wurde. Wenn sie an Land untertauchen, wird kein Mensch nach ihnen fragen." "So ist es. Sie mögen sehen, wo sie bleiben." "Aber dennoch erscheinen mir diese Leute verdächtig." "Ja, du hast recht, Reros. Auch mir erschien es sonderbar, daß sie so plötzlich auf ihrem Floß auftauchten." "Das weniger. Sie könnten wirklich von einem Kauffahrerschiff stammen, daß wie wir von der Flut überrascht wurde. Aber ihre Herkunft erscheint mir zweifelhaft. Sie gaben sich als Perser aus. Das mag bei dem kleinen Mann stimmen, der so komisch in den großen Kleidern aussieht. Aber die anderen? Sieh dir ihre Physiognomien an! Dieses Mädchen sieht nicht wie eine Perserin aus und die beiden Männer erst recht nicht. Und der eine von Ihnen hat bisher kaum ein Wort fallen lassen. Er blickt stets finster drein und wirkt wie ein Mann, der das Befehlen gewohnt ist." "Was für Leute könnten das sein?" "Weiß ich es? Ich habe keine Ahnung. Wenn ich nicht wüßte, daß die ganze Küste von Atlantis in Schutt und Asche versank und dann noch im Meer, dann würde ich diese Leute für Atlanter halten." Der Ägypter ließ ein gefährliches Brummen hören. "Für Atlanter, sagst du?" "Ja!" "Was willst du tun?" "Sie beobachten lassen. Das Einfachste wäre freilich, sie an Ort und Stelle zu töten und ins Meer zu werfen. Aber auf dem Schiff haben viele Leute ihre Ankunft gesehen. Hier an Land kann man sie jedoch verschwinden lassen, ohne daß es auffällt, vorausgesetzt daß es notwendig ist. Ich werde ihnen zwei von meinen Leuten nachsenden." Das Schiff legte an. Laut gab Reros jetzt seine Befehle für das Landemanöver. Die schwere Holzbrücke rollte hinab ans Ufer und dann war es König Telaus Bote, welcher sie als erster betrat. "Ich bin Telemach, der Bote von König Telaus", begrüßte er Reros. "Und ich Reros, der Kommandant dieses Schiffes." "Lasse deine Männer an Land gehen und komme sogleich mit mir. Der König erwartet dich. Er will von dir Botschaft hören über den Verlauf des Krieges und was sich auf dem Meere zugetragen hat." Reros nickte. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Die Krieger umstanden sie auf Deck, ein jeder konnte die Worte hören, welche gewechselt wurden. "Ich komme sogleich, dem König zu berichten", erklärte Reros und wandte stich zum Gehen. Im Vorbeigehen wandte er sich an den Ägypter. "Übernimm du einstweilen das Kommando hier. Sorge für Ordnung beim an Land gehen und vergiß nicht, was ich dir in bezug auf die Fremden gesagt habe." Der Ägypter nickte vielsagend. Dann schritt Reros dem Boten nach über die Brücke und das Volk jubelte ihm zu. An Land wartete ein weißes Pferd auf ihn. Der Bote des Königs hatte es mitgebracht, um ihn so rasch als möglich nach dem Palast bringen zu können. Reros schwang sich in den Sattel und grüßte nach a1len Seiten. Er fühlte sich wie ein heimkehrender Sieger und doch war er es nicht. An der Seite des königlichen Boten sprengte er durch das dichte Menschenspalier nach dem Palast. König Telaus wartete bereits im Audienzsaal auf ihn. Um seinen Thron hatten sich die Würdenträger des Reiches versammelt, um der Kunde gleichfalls teilhaftig zu werden. Auch Nif-Iritt war gekommen und sah voll kaum verhüllter Erregung dem Nahen das Boten entgegen. Sie saß auf dem Throne der Königin, welcher zur Linken von König Telaus stand. Als des Königs Bote den Palast betrat, stieß ein Herold in sein Horn. "Er kommt", entfuhr es Nif-Iritt. * Telaus warf ihr einen strafenden Blick zu. Er verlor die Beherrschung niemals. Dann hallten die Schritte Telemachs und Reros über die Steinfliesen und sie traten in den Saal ein. Reros schritt an Telemachs Seite bis vor die Stufen des Throns. "Der Kommandant Reros", verkündete Telemach und trat zur Seite. "Hier bin ich mein König", sagte Reros und sah erwartungsvoll auf Telaus empor. Telaus Blicke ruhten forschend auf ihm. Was würde ihm dieser Mann zu sagen haben Gutes oder Unangenehmes? "Ich wünsche aus deinem Mund zu hören, wie sich das Kriegsglück verhielt. Wem hat es sich zugewendet? Uns oder den Feinden? Waren dir und deinen Männern die Götter Griechenlands gnädig? Sprich, wir sind begierig, es aus deinem Munde zu hören." Reros holte tief Luft und blickte in die Runde. Viele Gesichter der im Thronsaal Anwesenden kannte er. Und dann fiel sein Blick auf die junge Königin. Bei allen Göttern, König Te1aus war glücklich zu preisen. Es war das erste Mal, daß Reros die junge Königin sah. Ob sie wohl glücklich war an der Seite dieses gekrönten, alternden Mannes? Er sah, wie ihre Blicke vor Neugier an seinen Lippen hingen und mußte unwillkürlich lächeln. Nein, diese Königin durfte man nicht warten lassen. "Nein König", wandte sich Reros an Telaus, aber so laut, daß es alle im Saale hören konnten. "Du fragst, ob mir und meinen Männern die Götter Griechenlands gnädig waren. Ja, sie waren gnädig, denn sonst stünde ich nicht vor dir als einziger griechischer Kommandant, der noch am Leben ist." Ein lautes Raunen ging durch den Saal und der König erblaßte. "Du wirst deine übrigen Schiffe niemals wiedersehen, König Telaus und der Pharao wird nicht einmal eines wiederbekommen." "So haben die Atlanter gesiegt?" fragte die Königin und sie konnte es nicht verhindern, daß diese unbeherrschte Frage einen anderen Klang hatte, als man es von einer griechischen Königin erwarten durfte. Doch auch König Telaus brannte dieselbe Frage auf der Zunge. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Rede", herrschte er Reros an, "antworte der Königin." Reros reckte sich hoch auf und wandte sich halb Nif-Iritt zu. "Die Atlanter haben nicht gesiegt", antwortete er. "Die griechische und ägyptische Flotte sind ungeschlagen. Gesiegt haben die bösen Mächte, sie haben Atlantis vernichtet, aber uns mit. Von Atlantis ist nichts mehr übrig. Ein schreckliches Erdbeben, eine Gewitterwucht voller Schrecken haben es vernichtet. Die Erde tat sich auf und das Meer goß seine Fluten über das Land. Städte und das Land, Mensch wie Tier wurden verschlungen. Selbst von den Spitzen der atlantischen Berge ragt nichts mehr aus den Wassern. Die Flut, die vom Herd der Katastrophe ausging, hat unsere Flotte vernichtet, als sie gerade im Kampf mit den Schiffen der Atlanter lag. Freund und Feind gingen zugrunde. Du siehst in mir den einzigen griechischen Kommandanten der noch lebt." Schweigen lastete über der Versammlung, als er geendet hatte. Endlich löste sich Nif-Iritts Zunge. "Alle - tot?" fragte sie kaum hörbar. "Ja, alle tot Königin", antwortete Reros. Es war, als habe das Entsetzen über diesen Bericht die Versammlung zu Stein werden lassen. Unbeweglich saßen und standen sie und starrten auf den Mann der solch ungeheuerliche Dinge erzählte. "Ich habe auch einige Ägypter an Bord, die ich von einer sinkenden Galeere retten konnte", schloß Reros. "Und von den Atlantern ist niemand mehr am Leben, sagst du?" fragte Nif-Iritt nochmals. "Was wurde aus Torgo, dem Herrscher?" "Ich weiß es nicht, Königin. Ich selbst habe atlantischen Boden - den Göttern sei gedankt, nie betreten. Die atlantische Flotte stellte sich uns zum Kampf, bevor wir landen konnten. Sie griffen sehr geschickt an und wir hatten Verluste. Aber es ist nicht zu sagen, wie das Kriegsglück schließlich entschieden hätte. Es kam zu keiner Entscheidung mehr. Die Götter sprachen." "Ja, die Götter sprachen", meinte Telaus endlich. "Kommandant, du bringst uns keine gute Kunde, doch wir glauben deinen Worten, denn wir haben die Flut selbst an unserer Küste erlebt. Noch hier war sie schrecklich genug, wie muß da erst das Unglück in Atlantis gewesen sein. Nun, Königin Nif-Iritt, du siehst, daß sich die Götter selbst meines Racheschwurs angenommen haben. Die Schmach deiner Gefangenschaft ist nun auf das Fürchterlichste gerächt. Atlantis ist untergegangen. * Prinz Torgo, Jargo, Betbsetba und der kleine Nebussor waren mittlerweile an Land gegangen. Voll Neugier wurden sie betrachtet und neugierig sahen sie selbst auch das ihnen fremdartige, bunte Treiben ringsum. Der kleine Nebussor erregte überall Aufsehen und Heiterkeit, denn er liebte es begreiflicherweise wenig, Zielscheibe des Spottes zu sein. So kamen sie immer weiter in die Stadt hinein und bemerkten nicht, wie zwei Männer ihnen heimlich folgten. Sie gelangten auf den Markt, aus welchem ein nicht weniger buntes Treiben herrschte als auf dem von Atlantis. "Sieh nur, die vielen appetitlichen Früchte", rief Nebussor, dem bei diesem Anblick das Wasser im Munde zusammenlief, "und Öl in den Krügen und Wein und süßen Honig! Oh, und die Trauben, sieh nur, und Melonen, größer als mein Kopf!" Nebussor wußte sich kaum zu fassen. "Und bunte Stoffe gibt es da in den Läden", beobachtete Bethseba "und kostbaren Schmuck und sieh doch, die seltsame Haartracht, welche die Frauen hierzulande tragen." Torgos Miene erhellte sich nicht. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Wir haben kein Geld um dies alles zu kaufen" bemerkte er und wo wir diese Nacht schlafen werden, weiß ich nicht. Wir können kein Quartier bezahlen." "So werden wir irgendwo im Freien nächtigen", meinte Jargo. "Das können wir Bethseba nicht zumuten." "Dann werde ich Geld beschaffen", erklärte Nebussor. "Wie willst du dies anfangen?" "Laßt mich nur machen. Jargo und Bethseba, ihr beide müßt mir helfen. Ihr geht ringsum sammeln. Ich werde als Spaßmacher auftreten." Durch laute Rufe sammelte Nebussor im Handumdrehen einen Kreis Neugieriger um sich. Dann begann er, komische Grimassen zu schneiden und tolle Sprünge auszuführen, wie er es daheim in Persien bei den Gauklern gesehen hatte. Die Umstehenden lachten und klatschten Beifall. Nebussor gab eine regelrechte Vorstellung und als Jargo und Bethsaba, selbst lachend, am Schluß einsammelten, kam eine ganz erkleckliche Anzahl von Münzen zustande. "Nun laßt einmal den Reichtum sehen, den wir zustande gebracht haben", meinte Nebussor stolz die Münzen betrachtend, welche Jargo und Bethseba zusammentaten. "Jetzt müßte man wissen, wieviel dieses Geld überhaupt wert ist", meinte Torgo. ",Ich habe keine Ahnung, ob das viel oder wenig ist." "Auch das werde ich ergründen." Er wählte mehrere verschiedene Münzen und verschwand mit ihnen im Gewühl der Händler. Als er wiederkehrte, hatte er einige Fladen mitgebracht. Seine Miene war nicht allzu rosig. "Hier ist etwas zu essen", sagte er, "ihr werdet alle Hunger haben." "Nun, weißt du über unseren Reichtum Bescheid?" fragte Jargo neugierig "Gewiß, allzu viel ist es nicht. Ich fürchte, ich muß noch einige Vorstellungen geben." Das tat er tatsächlich. So kam eine größere Anzahl von Münzen zusammen. Bei Nebussors letzter Darbietung allerdings war das Interesse nicht mehr so groß wie bei der ersten. "Wenn ihr mich nicht hättet, stünde es schlimm um euch das ist gewiß", erklärte der Kleine nach getaner Arbeit. "Aber ein Mann dessen Wiege im fernen Persien stand, weiß sich überall zu helfen." "Und was tun wir jetzt?" fragte Bethseba. "Erst einmal suchen wir Quartier für diese Nacht. Morgen früh ziehen wir weiter. Nebussor zieht es heim, wir begleiten ihn, denke ich und reisen dann hinüber nach Ägypten." Dieser Vorschlag Torgos fand allgemeinen Beifall. Sie wanderten durch die Stadt. Wie von ungefähr näherten sie sich dem Königspalast, sahen die Wachen vor dem Tor und gelangten an die Umzäunung des Gartens. Plötzlich hemmte sich Torgos Schritt. Er sah Nif-Iritt, wie sie zwischen den Blumenbeeten umherging und mit den Pflanzen spielte. Auch Bethseba hatte sie erblickt. Sie nahm Torgo beim Arm und zog ihn mit sich fort. "Komm", zischte sie warnend. Schnell verschwanden sie in einer Seitengasse aus der gefährlichen Nähe des Palastes. "Es ist ihr gelungen, hierher zu kommen" murmelte Torgo. "Sicher sind auch Sil und Gül-GüI bei ihr", meinte Bethseba, sich an ihre einstige Gefährtinnen aus der Dienerschaft Nif-Iritts erinnernd "Gewiß, sie hatten alle Glück." "Umso gefährlicher ist es jetzt hier für uns", meinte Jargo. "Gewiß sinnt die Prinzessin jetzt auf Rache und wenn sie jetzt Telaus Gemahlin ist, ist ihre Macht groß." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Ja, du hast recht, sie darf euch nicht in die Hände bekommen", pflichtete Nebussor bei. "Das Beste ist, wir verlassen diese Stadt so schnell als möglich. Sehen wir zu, daß wir heute noch weiter kommen. Es wird gewiß außerhalb der Stadtmauern eine Herberge geben, in der wir um billiges Geld ein Quartier finden." Torgo sah das ein. So lenkten sie ihre Schritte der Stadtmauer zu und fanden schließlich ein Tor, welches sie ungehindert passierten. Die ganze Zeit über hatten Reros Spione sie verfolgt. Der eine war ein geschickter Mann namens Barnos. Seine Schlauheit und Verschlagenheit machten ihn für derlei Aufträge geeignet. Als nun die vier die Stadt verließen, befand er sich einigermaßen in Verlegenheit. Er konnte sie nicht weiter verfolgen, denn wer wußte schon, wohin sich die Fremden wenden würden. An anderen Tagen hätte es ihm vielleicht auch nichts ausgemacht, auch noch ein Stück weiter des Weges zu ziehen, aber heute spürte er eine merkwürdige Müdigkeit in den Knochen, es lag ihm wie ein Schleier vor den Augen und als er einmal zufällig nach der Stirn griff, um sich den Schweiß fortzuwischen, spürte er, daß sie glühend heiß war. Barnos stand im Schatten des Stadttores und sah den vier Leuten nach. Da bemerkte er, wie sie eine knapp neben dem Tor am Straßenrand liegende Taverne aufsuchten. "Das ist gut", murmelte er, "dahin wollen wir auch gehen und uns etwas zu trinken kaufen. Vielleicht erfahren wir dabei noch etwas über sie, das Reros interessiert." Es kostete ihm wirklich Mühe, das Gasthaus zu erreichen. Es lag ihm wie Blei in den Füßen. Er sah die Verfolgten an einem Tische sitzen und wählte selbst einen, der so nahe lag, daß sie hören konnten, was sie sprachen und der doch durch einen Vorhang von dem ihren getrennt war, so daß sie sicher sein konnten, von ihnen unentdeckt zu bleiben. Er sackte förmlich auf seinen Stuhl nieder. "Bring Wein, aber kühlen", verlangte er von dem diensteifrig herbeigeeilten Wirt. Jenseits des Vorhanges unterhielten sich Torgo, Bethseba, Jargo und Nebussor halblaut miteinander. "Wir haben Glück gehabt, daß uns Nif-Iritt nicht gesehen hat", meinte Jargo. "Wenn sie uns erkannt hätte, würde sie vielleicht die Wachen auf uns gehetzt haben." Barnos griff nach dem Wein den der Wirt vor ihm und seinem Begleiter hingestellt hatte. Er fühlte eine Welle von Übelkeit in sich aufsteigen. Aber als er dieses hörte, spitzte er die Ohren. "Das Beste ist, wir kehren nicht mehr in die Stadt zurück, sondern marschieren morgen früh gleich weiter, so wie wir es uns vorgenommen haben", drängte Nebussor. "Übrigens brauche ich dringend einen Esel. Ich muß allerdings noch etliche Vorstellungen geben, bis ich mir so ein Reittier leisten kann." In diesem Augenblick packte Barnos der Schwindel so stark, daß sich alles um ihn drehte und er von seinem Sitz herunterfiel. Im Fallen klammerte er sich noch an den Vorhang, ihn mit sich reißend. Nebussor, Jargo und Bethseba sprangen erschrocken auf, als ihnen Barnos direkt vor die Füße fiel. Barnos Begleiter sprang erschrocken auf und lief davon. Torgo erkannte Barnos sofort. "Dieser Mann ist einer vom Schiff" sagte er "und ich glaubte heute schon mehrmals, ihn in unserer Nähe gesehen zu haben. Nun weiß ich, daß ich mich nicht täusche. Er und der andere, der eben fortlief, hatten uns beobachtet und verfolgt." Bethseba beugte sich über Barnos, um ihm die Stirn zu netzen. In diesem Augenblick schlug Barnos die Augen auf. Erschrocken schrie er auf und rückte von ihr ab. Der Wirt und seine -Angehörigen waren herbeigestürzt und wurden Zeugen der Szene. "Weg! Weg von mir!" keuchte Barnos. "Geht fort, ihr habt die Pest auf das Schiff gebracht...Die Pest, ich spüre sie...Sie hat nach mir gegriffen...Ich spüre ihre (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Knochenfinger...fort, fort von mir, sonst müßt ihr alle sterben!" Erschrocken wichen die vier Freunde zurück. Die Frau des Gastwirtes schlug vor Schreck die Hände über dem Kopf zusammen und der Wirt selbst wies nach der Tür. "Ja, geht", fügte seine Frau mit schriller Stimme hinzu, "geht sogleich, bevor wir die Wachen auf euch hetzen! Hinaus mit euch, ihr habt die Pest in eurem Gefolge!" "Frau", versuchte Torgo sie zu beruhigen, aber Jargo ergriff seine Hand und zog ihn eilends mit sich fort. "Schnell", rief er "bevor sie die Drohung wahrmacht. Wir müssen sehen, daß wir so rasch als möglich von diesem Ort des Aufsehens fortkommen." "Also wird es nichts mit der Herberge", stöhnte Nebussor in komischer Verzweiflung, "na, macht auch nichts, dann werden wir eben noch eine Nacht im Freien schlafen." Eilends marschierten sie weiter, aufs offene Land hinaus, denn es war jetzt noch weniger ratsam, in die Stadt zurückzukehren. Aber das Gerücht hatte schnelle Beine. Als der in die Taverne herbeigerufene Heilkundige kam, fand er Barnos im hohen Fieber. Er ließ ihn sogleich fortschaffen und die Wirtsstube ausräuchern. Es sei nicht ausgeschlossen, daß es sich tatsächlich um einen Pestfall handelte, meinte er. Reros, kaum aufs Schiff zurückgekehrt, wurde von dem aufgeregten Ägypter empfangen. "Mein Bote ist schwer krank, man hat ihn hierher aufs Schiff, gebracht. Er fiel in einer Schenke um." "In Wirtshäusern sind schon viele umgefallen", meinte Reros. "Aber nicht, weil sie die Pest hatten. Ich habe es ja :gesagt. Auch der Heilkundige, der ihn bringen ließ, sagte, daß es die Pest sei. Fahre sofort ab und wirf ihn ins Meer, sobald wir auf hoher See sind. Er wird die Nacht ohnehin nicht mehr überleben." Reros erbleichte. "Ich dachte, du machst einen Scherz", sagte er. "Nein, nein, es ist bitterer Ernst", beteuerte der Ägypter. "Da, sieh das Volk im Hafen - sie stehen am Kai und drohen mit ihren Fäusten." Er deutete nach dem Kai hinab. Dort unten hatte sich tatsächlich eine drohende Menschenmenge zusammengerottet, welche mit wilden Rufen verlangte, daß das Schiff sofort den Hafen verlasse. Nun erschien auch noch der Hafenkommandant. "Weshalb hast du nicht gesagt, daß du Pestkranke an Bord hattest?" fragte er streng. "Ich erteile dir den Befehl, sofort abzulegen. Sucht eine der unbewohnten Inseln auf, dort habt ihr Trinkwasser und Tiere um zu leben. Vor Ablauf von zwei Monaten darfst du nicht wiederkommen und auch dann nur, wenn keine weiteren Erkrankungen auftreten." "Aber - - Reros wollte eine Einwendung machen. "Kein Aber"!" schnitt ihm der Kommandant das Wort ab und ging. Und so verließ das Schiff wieder den Hafen, noch bevor die Sonne sank. Der Kommandant des Landkreises aber gab den Befehl, die vier Unbekannten, welche die Verbreiter einer gefährlichen Krankheit seien, wo man sie anträfe, festzunehmen. Die Umgebung der Stadt bestand aus sanften Hügeln, welche nach dem Landesinneren zu höheren Bergen anstiegen. Als die Sonne sank, hatten die vier Freunde unter Torgos Führung eine Ruine erreicht, welche auf einem einsamen Bergrücken stand. Der Wind heulte um die Reste des alten Bauwerkes, es versprach eine stürmische Nacht zu werden. "Hier finden wir Unterschlupf", meinte Torgo. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Hoffentlich gibt es hier keine Spinnen und Schlangen", brummte Nebussor. "Ich will lieber erst das Viehzeug durch ein Feuer vertreiben, bevor ich mich zur Ruhe lege." Er und Jargo sammelten Holz. Aus einer nahe gelegenen Quelle brachte Bethseba Wasser herbei. "Nun haben wir Geld, aber doch nichts zu essen", klagte Nebussor als er das Feuer entzündete, dessen Rauch schließlich ein paar Fledermäuse aus der Ruine verscheuchte. "Ich werde versuchen, etwas zu beschaffen", erklärte Torgo. "Wo willst du hin, Herr?" fragte Jargo. "Bleib hier bei den Freunden", wies ihn Torgo an. "Ich will dafür Sorge tragen, daß niemand von uns hungert." Er verließ die Ruine und sah sich draußen um. Stürmisch pfiff der Wind über den Bergrücken. Torgo zog seinen Umhang enger um seine Schultern. Der Wind wehte kalt hier oben, sobald die Dämmerung eingetreten war. Torgo überlegte. "Vielleicht gibt es einen Hirten in der Nähe", brummte er. "Von ihm könnte man Schafkäse bekommen und vielleicht auch etwas Milch oder Früchte." Es war ihm, als sähe er jenseits des Berghanges ein Feuer schimmern. Dorthin lenkte er seine Schritte, obgleich es eine gute Weile zu gehen war. Er erreichte ein flaches Tal, überquerte einen Bach und stieg drüben wieder einen kargen, felsigen Hügel hinauf, ohne jemandem zu begegnen. * Unterdessen herrschte im Königspalast die größtmögliche Aufregung. Überall hat man Öllampen entzündet um Helle zu schaffen. Die gleiche Versammlung, die heute Nachmittag den Bericht des Schiffskommandanten gehört hatte, hörte nun einem anderen Mann, einen der Räte des Königs, der sich beim Volk dadurch beliebt gemacht hatte, daß er in eine gewisse Opposition zum Königshaus getreten war. Nur Nif-Iritt war nicht bei dieser Versammlung anwesend. Aber König Telaus hörte mit der größten Aufmerksamkeit zu, was der Mann zu sagen hatte. "Mein König! Männer des hohen Rats" rief der Mann, "soeben hat das Schiff, welches uns die erschütternde Kunde vom Ende von Atlantis und von dem unserer Flotte überbracht hat, den Hafen wieder verlassen. Warum diese schnelle Abreise? Nun, wir wissen es alle bereits, das Gerücht hat schnellere Beine als ich, ich kann es nur bestätigen. Es hat sich heute ein Pestfall in unserer Stadt ereignet. Was dies zu bedeuten hat, das wissen wir alle. Die Pest ist schlimmer als der Krieg und ebenso schrecklich wie ein Erdbeben. Die Pest macht weder vor Frauen noch Kindern, ja wenn es ihr einfällt, selbst nicht vor der Majestät halt. Vor ihr sind alle gleich und hat sie uns einmal in ihre Arme genommen, dann fallen wir alle in die Grube, wer wir auch immer im Leben gewesen sein mögen. Wie konnte es zu diesem Pestfall kommen? Nun, die Gerüchte erzählen von einem Pestfall an Bord des Schiffes schon während der Fahrt hierher. Ich habe den Arzt gesprochen, welcher den Kranken heute zurück an Bord schaffen ließ und er hat es mir bestätigt. Das Schiff ist fort, seine Besatzung ist es gleichfalls, hoffe ich wenigstens, denn es ist sehr gut möglich, daß sich ein Teil der Leute in dem verständlichen Wunsch nach endlicher Heimkehr und Erholung hier irgendwo verkrochen und Unterschlupf gefunden hat. Aber geblieben sind auf jeden Fall vier Fremde, drei Männer und eine Frau. Man hat sie heute mehrmals in der Stadt gesehen. Einer von ihnen ist leicht zu erkennen, er hat die Gestalt eines Zwerges, und erzählt in einem fort, daß er aus Persien stamme. Der Stadtkommandant läßt bereits nach diesen Menschen suchen. Man wird sie einsperren, isolieren, deportieren und was weiß ich, was man mit ihnen vorhat. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Ich aber frage euch: wie kommen diese Leute auf unser Schiff? Woher stammen sie wirklich? Wer sind sie? Sollten sie etwa - - A t l a n t e r sein?!" Bei dieser Frage sprangen etliche der Räte von ihren Sitzen auf und machten ihrer Erregung durch Zwischenrufe Luft. "Nimmt Atlantis an uns so schreckliche Rache, daß es die Pest über unser Land bringt?" fuhr der Redner mit lauter Stimme fort. "Die Vermutung liegt nahe, daß Reros, ohne es zu wissen atlantische Flüchtlinge aufgenommen hat. Ich schlage daher vor, diese Menschen, sobald man sie hat gefangen zu setzen und unter Bedeckung in einen einsamen Turm solange festzuhalten, bis keine weitere Verbreitungsgefahr der Krankheit für uns gegeben ist. Dann aber sind sie einem strengen Verhör zu unterziehen, welches uns über ihre Personen Klarheit verschafft." "Er hat recht!" stimmten die Räte zu. König Telaus strich sich über seinen Bart. "Weise gesprochen", sagte er. "Ich stimme mit dir überein. Ich werde die nötigen Befehle erteilen, daß man mit ihnen so verfährt, sobald man ihrer habhaft wird. Ich hoffe, es wird geschehen noch bevor sie weiteren Schaden anstiften können." * Auch Gül-Gül hatte von der Abreise des Schiffes Kenntnis erhalten. Sie erinnerte sich sehr wohl an den kleinen Nebussor, den sie einige Male im Palast in der atlantischen Hauptstadt gesehen hatte und als sie nun in der Stadt von dem Kleinen und seinen possierlichen Späßen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen und Pestfall erzählen hörte, litt es sie nicht länger. Sie mußte das alles Nif-Iritt erzählen. Sie suchte Nif-Iritt und fand sie in einem ihrer Gemächer, wo sie mit dem Anprobieren neuer Gewänder beschäftigt war. "Ist dies schön?" fragte Nif-Iritt, als Gül-Gül eintrat und legte den Stoff an ihren Körper. "Herrin", plapperte Gül-Gül, "Herrin weißt du, was man sich in der Stadt erzählt?" "Was erzählt man sich denn?" fragte Nif-Iritt gelangweilt. "Ich habe dich gefragt, ob dieser Stoff an meinem Körper hübsch aussieht?" "Du bist wunderschön Herrin, du weißt es. Aber nun höre. Es waren vier Menschen mit auf dem Schiff, vier Fremde, Unbekannte, drei Männer und ein Mädchen und einer von ihnen war klein und possierlich und er sagte allen Leuten, daß er aus Persien sei. So wie der kleine Nebussor, der Diener Rostans aus Atlantis!" Nif-Iritt ließ den Stoff fallen. "Was sagst du da?" fragte die Königin. "Ja doch, es ist so wie ich sage Herrin, der kleine Zwerg benahm sich so wie Rostans Diener in Torgos Hauptstadt." Bei der Erwähnung des Namens "Torgo" war es, als ob ein Blitz die Königin getroffen habe. "Ist der Zwerg noch in der Stadt?" fragte Nif-Iritt. "Ich weiß es nicht, vielleicht. Aber ich glaube, daß sie alle vier geflohen sind." "Ich muß den Zwerg sprechen!" "Ich wußte, daß es dich interessieren würde", sagte Gül-Gül erschrocken, "deshalb habe ich es dir auch erzählt, aber sprechen? Herrin, denke daran, daß er vielleicht von der Pest angesteckt sein kann." "Einerlei", entgegnete Nif-Iritt. "Wenn er wirklich Rostans Diener war, dann weiß er vielleicht, wie es Prinz Torgo erging und kann mir von seinen letzten Stunden erzählen." "Ja das könnte er vielleicht, Herrin, "aber wie soll ich ihn finden?"
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"Das weiß ich nicht, ich komme fast nie aus dem Palast heraus, aber du kennst dich in dieser fremden Stadt schon beinahe so gut aus, als ob du hier geboren wärest." "Das macht weil ich den Markt und die Läden besuche Herrin, um zu sehen, ob ich für dich etwas Feines bekommen kann, ein paar Ringe, ein kleines Geschmeide und kostbare, duftende Öle, wie du sie so sehr liebst." "Ja, ich muß dich loben, Gül-Gül," versicherte Nif-Iritt. "Doch nun vollbringe ein Wunder und schaffe mir diesen Zwerg herbei." Gül-Gül verwünschte im stillen ihre Mitteilsamkeit. "Der König wird sie ohnehin bald gefangen haben, alle vier", fuhr sie deshalb fort, "er hat bereits Befehl gegeben, sie zu verfolgen und einzukerkern, bis die Gefahr einer Ansteckung vorüber ist." Nif-Iritt erschrak. "Dann werde ich ihn wohl niemals zu Gesicht .bekommen", rief sie aus. "Vielleicht ist er tot, wenn er aus dem Kerker kommt. Nein, nein Gül-Gül, das darf nicht sein. Wir müssen diese vier Leute warnen und außerdem will ich den Zwerg sprechen. Überlege dir etwas, es fällt dir sicherlich etwas ein, du bist ein kluges Mädchen." "Schön Herrin", antwortete Gül-Gül ratlos. "Ich werde versuchen, darüber nachzudenken wie ich deinen Wunsch erfüllen kann." Sie entfernte sich, während die junge Königin aufgeregt zurückblieb. * Torgo hatte einen schmalen Bergpfad erreicht, den er nun höher stieg. Von Zeit zu Zeit verschwand das Licht das vor ihm auf dem Bergrücken leuchtete, zwischen den Büschen und Zweigen der Bäume. Manchmal schien es bereits greifbar nah zu sein. Aber dann erkannte der Prinz, daß er doch noch eine ziemliche Strecke Weges zurückzulegen haben würde, bevor er das unbekannte Ziel erreicht habe. Er verspürte selbst bereits kräftigen Hunger und dachte an seine Gefährten drüben in der Ruine. Er mußte für sie Sorge tragen. Allmählich näherte er sich der Lichtquelle. Dann hörte Torgo das laute Anschlagen eines Hundes. "Wahrscheinlich ist es tatsächlich das Lagerfeuer eines Schäfers", sagte sich der Prinz. Aber dann traten fast plötzlich die Büsche auseinander und er befand sich auf einer großen Wiese, welche sanft bergan lief und an deren oberen Ende sich ein helles, flaches Gebäude erhob, durch dessen von Säulen gesäumten Eingang Licht schimmerte. "Eine Villa", staunte Torgo. Er ging eilends weiter. Das Haus war bewohnt und wahrscheinlich ließ sich dort etwas Genießbares bekommen. Wieder bellte ein Hund, aber dann ließ sich ein anderer Laut vernehmen. Der Wind, welcher immer noch kräftig blies, trug ihm seltsame Laute zu. Es klang wie ein Saitenspiel und gleich darauf vernahm Torgo eine volltönende weibliche Stimme. Überrascht blieb der Prinz stehen, um eine Weile dem Gesang zu lauschen. Plötzlich brach es aus dem Gebüsch hervor: zwei große, scharfe Hunde waren es, die aus dem Dunkel hervorschossen und Torgo ansprangen, noch ehe er eine Bewegung der Abwehr vollbringen konnte. "Zurück!" rief Torgo. "Zurück!" Er bekam eines der Tiere bei der Kehle zu fassen, riß es hoch und schleuderte es mit voller Kraft gegen den zweiten Hund, so daß sich beide Tiere aufbäumend überschlugen. In diesem Augenblick ertönte aus dem Gebüsch heraus ein scharfer Pfiff. "Rix, Sai!" rief eine kräftige Männerstimme. "Hierher, sofort hierher, gehorcht!" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Die Hunde, die schon dabei gewesen waren, Torgo ein zweites Mal anzuspringen, ließen von ihrem Vorhaben ab und schlichen zu ihrem Herrn, der nun aus dem Dunkel hervortrat. Es war ein noch junger Grieche, kaum zwanzig, aber von athletischem Körperbau. "Ich bin der Sohn des Verwalters", sagte er, Torgo mißtrauisch anblickend und wer bist du? Was hast du um diese Stunde hier zu suchen?" "Ich bin ein Wanderer", antwortete Torgo "und meine Gefährten sind hier in der Nähe. Wir waren unterwegs nach der Stadt", sagte Torgo nach kurzem Besinnen, "aber wir haben sie .nicht mehr erreicht und nächtigen nun dort drüben in der Ruine. Da sahen wir das Licht dieses Hauses und ich kam hierher, um zu sehen ob wir nicht etwas zum Essen kaufen könnten. Ich habe Geld bei mir und kann es bezahlen" fügte er noch hinzu, als er erkannte wie ihn der junge Grieche mißtrauisch musterte. "Deinem Gewande nach zu schließen kommst du von der Küste und willst nach der Küste", meinte der andere. "Ich sehe, daß du Dinge trägst, welche zur Gewandung unserer Krieger und Matrosen gehören." "Ich habe diese Dinger erhalten, als mir das Erdbeben alles zerstörte und mein Heim in Schutt und Asche sank", antwortete Torgo. Es entsprach bis zu einem gewissen Grade durchaus der Wahrheit. "Das Erdbeben haben wir hier auf dem Berge nicht sehr gespürt", entgegnete der Grieche. Aber im Tale und an der Küste soll es furchtbar gewütet haben. Du mußt mir davon erzählen. Ich bin die ganze Zeit hier oben in der Einsamkeit und erfahre nicht viel von dem was in der Welt vorgeht. Komm mit in das Haus. Du kannst Nahrung für dich und deine Freunde haben." Er hieß die Hunde, an seiner Seite zu gehen und forderte Torgo auf, ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie dem Hause zu, aus dem noch immer der Gesang erklang. Sie gelangten durch ein von Säulen getragenes Vestibül, welches sie über eine Anzahl von Stufen erreichten, in einen dahinter liegenden Ziergarten, welcher von Fackeln erhellt war, die im Winde prasselten und zischten. Erstaunt blieb Torgo vor dem Bilde stehen, das sich ihm darbot. Unter einer Gruppe von schlanken Zypressen saßen mehrere Personen. Zwei von ihnen schienen den Mittelpunkt dieser Gesellschaft zu bilden: eine junge Frau, welche soeben ihr Lied beendete und ein Greis, der an einem erhöhten Platz saß und die ganze Gesellschaft überblickte. "Das ist Sodon" sagte der junge Grieche, auf den Alten deutend. "Er liebt solches stürmische Wetter und bringt derlei Abende gern im Garten zu.. Klytemnestra ist seine Enkelin. Er läßt sich von ihr alte Lieder vorspielen. Dies hier ist ein Gesang von Helden, welche auszogen, ferne Meere zu befahren und unbekannte Länder zu entdecken." Die Griechen - es waren insgesamt sieben an der .Zahl - gaben ihrem Beifall Ausdruck. In diesem Augenblick wurde Solon auf den Sohn des Verwalters und Prinz Torgo aufmerksam. Solon winkte. "Komme näher, Xynes", sagte er, "wen bringst du da?" "Einen Fremdling, der nach der Stadt will und der für sich und seine Freunde auf Nahrungssuche ist." "Tritt näher, Fremdling", forderte Solon den Prinzen auf. Solon war hochbetagt. Sein Haar war lang und schneeweiß. Aber seine Blicke waren scharf und sie schienen Torgo bis auf den Grund der Seele dringen zu wollen. "Ich heiße - heiße Torgos", veränderte Torgo seinen Namen, dem griechischen Sprachbild entsprechend "und lagere mit meinen Freunden in der Ruine, drüben am anderen Hang." "Man soll nicht sagen, daß Solon einem Wanderer und seinen Freunden kein gastliches Dach geboten hätte", erklärte der Hausherr. "Gehe hin und hole deine Freunde, Torgos und sei für diese Nacht mein Gast. Es soll euch an nichts mangeln." Er betrachtete wohlgefällig die kräftige, sehnige Gestalt des Prinzen und seine edle Haltung.
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Torgos Blick ruhte indessen auf der Enkelin des Alten. Sie war von jener blühenden Schönheit, welche der Süden hervorbringt und welche in von Blütenduft erfüllten Sternennächten voll zu erblühen scheint. Ihr dunkles Augenpaar begegnete dem Blick Torgos. Ihre Wangen von angenehmem hellem Braun färbt sich um eine Schattierung tiefer, als sie sich Torgos Blicken ausgesetzt fühlte. Sie nahm ihre Leier zur Hand und beugte sich über die Saiten. Lächelnd wandte Torgo seinen Blick von ihr ab. "Ich nehme deine Gastfreundschaft gerne an Solon", antwortete er dem Alten. "Wir werden uns eilen, um bald bei dir zu sein." Er machte sich auf den Rückweg und kehrte nach fast einer Stunde wieder. Die Gesellschaft war inzwischen verschwunden, aber die Fackeln brannten noch im Garten. Es war noch stürmischer und unfreundlicher geworden. Wahrscheinlich hatten die anderen die schützenden Räume des Hauses aufgesucht, aber Solon fühlte sich offensichtlich wirklich im Toben der Elemente wohl. "Das ist ein prächtiges Wetter", begrüßte er die Ankömmlinge froh. "Es erinnert mich an so manche abenteuerliche Fahrt in meiner Jugendzeit. Ich war einst ein Jüngling wie du Torgos, doch diese Zeiten sind lange vorbei. Ich bin weit herumgekommen, an den Hof des Pharao nach Ägypten und einmal sogar weit aufs Meer hinaus. Ich hatte mir damals in den Kopf gesetzt, die Insel Atlantis zu finden. In Ägypten hatte ich schon manches über dieses sagenhafte Reich gehört, was meine Neugier geweckt hat." Jargo warf Torgo einen warnenden Blick zu, sich nicht zu verraten. Aber Torgo war auf der Hut. "Man -hört manches erzählen", meinte Torgo. "Viele glaubten, daß dort wo das Meer zu Ende sei, das Nichts begänne. Andere aber meinen, da gäbe es wieder neue Inseln und Länder mit fremden Leuten, deren Sitten und Bräuche man sich gar nicht vorstellen kann." "Ja, ich habe viel darüber gehört und gelesen und auch selbst einiges geschrieben. Etliche haben über meine Ansichten gelacht. Aber das Leben eines Menschen währet nicht lange genug, um ihn all das sehen und kennenlernen zu lassen, wonach sein Wissen dürstet. Es werden noch viele Jahre vergehen und manche Geschlechter werden kommen und gehen, bis wir über alles Bescheid wissen." "Das ist gewiß", sagte Nebussor, sich vordrängend, "meine Wiege zum Beispiel stand im fernen Persien. Dort gibt es viele weise Männer, welche sich mit den Sternen beschäftigten. Ich sage allerdings immer, sie sollen lieber mit der Nase auf der Erde bleiben." Solon lachte, als er das Kerlchen sah und seine Worte hörte. "Dies sind meine Freunde Jargos, Bethseba und Nebussor, den du hier eben hörtest", nannte Torgo ihre Namen. "Seid mir willkommen", begrüßte sie Solon. "Meine Diener werden sogleich Speise und Trank auftragen und ihr könnt mir inzwischen ein wenig erzählen von eurem Woher und Wohin." Er führte sie an einen geschützten Platz, an welchem anscheinend öfter Mahlzeiten eingenommen wurden und wo man sich nun niederließ. Dann klatschte er in die Hände und zwei Sklaven erschienen, welche das Mahl auftrugen. Die Freunde griffen kräftig zu, sie hatten Hunger und Durst und Solon sah mit kaum verhohlenem Staunen, daß seine Gäste anscheinend reichlich ausgehungert gewesen waren. Seine klugen Blicke glitten forschend von einem zum anderen und kehrten immer wieder zu Torgo zurück, der ihm die wichtigste Persönlichkeit in diesem Kreise zu sein schien. "Der Sohn meines Verwalters erzählte mir, daß ihr aus dem Inneren des Landes kommt und nach der Hauptstadt wollt?" fragte er nach einer Weile. "So ist es", antwortete Jargo an Stelle des Prinzen. "So waret ihr vielleicht in Delphi, wo sich wieder wunderbare Weissagungen ereignet haben sollen?"
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"Wir kommen aus Persien", erklärte Nebussor, "und wollen auch wieder dahin zurück. Wir haben nur eine kleine Lustreise unternommen", fügte er lachend hinzu. "Aber ihr müßt doch an der Küste gewesen sein, eurer Kleidung nach zu schließen." "Das habe ich deinem Verwaltersohn bereits erklärt", antwortete Torgo finster. "Ja", meinte Solon nach kurzem Nachdenken, "du erzähltest ihm, daß dein Haus durch das Beben zerstört worden sei. Dieses Haus kann aber unmöglich in Persien gestanden haben, oder? Wo liegt Persien und wo befinden wir uns, Torgos!" Jargo setzte eine geheimnisvolle Miene auf. "Ein Gelübde zwingt uns, Ausgangspunkt und Ziel unserer Reise geheimzuhalten", erklärte er mit wichtiger Miene. Solon schüttelte verwundert den Kopf. "Die Höflichkeit gebietet mir, nicht weiter in euch zu dringen", versetzte er, "aber es wundert mich, daß ihr zu eurem Gastgeber nicht mehr Vertrauen habt." Er wies ihnen einen Raum in seinem Hause zur Übernachtung an und ging dann selbst auch zur Ruhe. Er fand noch eine Weile keinen Schlaf und dachte über die sonderbaren Menschen nach, die ihm das Schicksal da gebracht hatte. Auch Torgo schlief nicht gleich ein. Er horchte noch auf die Geräusche in dem fremden Hause, das ihm nun für eine Nacht als Obdach diente. Er war ein Fremder, der um Obdach und Nahrung betteln mußte und dies noch dazu in Feindesland. Noch jemand schlief in dieser Nacht in Solos Haus nicht gleich ein: seine Nichte Klytemnestra dachte an den hübschen Fremdling, den sie nur kurz gesehen und der doch einen tiefen Eindruck auf sie gemacht hatte. Was die traurigen Augen des Fremden wohl für ein Geheimnis bargen? Sie wußte es nicht, aber sie ahnte, daß dieser Mann Schlimmes durchgemacht haben mußte und ihr Interesse an ihm wuchs in dem Maße, in dem das Mitleid in ihr wach wurde... * Am anderen Morgen berieten im Königspalast Gül-Gül und Sil gemeinsam, wie sie etwas über Nebussor in Erfahrung bringen könnten. "Wenn die Vier gefangengenommen werden, sind sie für uns verloren" sagte Gül-Gül. "Wir müßten sie warnen und mit Nebussor sprechen. Vielleicht genügt das, wir können ja der Prinzessin berichten, was Nebussor über den Prinzen erzählt hat." "Es ist schon eine wunderbare Fügung, daß dieser Nebussor jetzt in Griechenland ist", fand Sil. "Wunderbar oder nicht wunderbar, wir müssen ihn finden." "Das beste wäre es, wenn wir uns selbst auf die Suche machten." "Bist du verrückt! Zwei Frauen in einem fremden Land? Nein, das ist Aufgabe von Männern." "Ich denke da an Sachos", sagte Sil plötzlich. "An den Weinhändler?" "Ja, er kommt viel im Lande herum." "Aber er reist nur auf einem langsamen Karren." "Vergiß nicht, daß das immer noch schneller ist als zu Fuß." "Stimmt. Aber er hat wohl seine Pläne für die nächste Zeit." "Diese Pläne wird er aufgeben, wenn ihm die Königin eine entsprechende Belohnung verspricht." "Das wäre kein schlechter Einfall. Für Geld ist Sachos zu allem zu haben." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Wann kannst du mit ihm sprechen?" "Er ist eben im Palast. Ich sah ihn schon heute morgen. Er hat eine ganze Ladung voll Krüge gebracht." "Das ist gut, Sil. Ich werde es sogleich der Prinzessin sagen." Gül-Gül ging, um die Prinzessin aufzusuchen. Sachos war für Sil leicht zu finden, man traf ihn wenn er im Palast war, hauptsächlich in der Küche an. Sachos hatte den Umfang einer mittleren Tonne, ein Eindruck welcher durch die Bekleidung des Griechen noch verstärkt wurde. Seine listigen Äuglein blinzelten stets vergnügt aus seinem Vollmondgesicht und wenn er die Hände unter dem Bäuchlein gefaltet, durch die Korridore des Palastes watschelte, rief ihm manch einer ein fröhliches Scherzwort zu, daß er aber nie beantwortete. Der Grund hierfür war, daß Sachos, sich geniert den Mund aufzutun. Die Mutter Natur, die es sonst recht gut mit ihm gemeint hatte, hatte ihn leider dazu verurteilt, zu stottern. Und das war bei den oft schwierigen griechischen Wörtern und Namen fürwahr ein Übel für ihn. Eben saß Sachos bei einem fetten Mahle, als Sil, die nach ihm suchte, eintrat. "Sachos", rief sie, "ich muß dich sprechen." "Muß - muß das gerade jetzt sein?" fragte Sachos verärgert. "Du siehst doch, daß ich e-e-eben meinen Ma-Magen stärke." "Du wirst schon nicht verhungern, wenn du dir dabei anhörst, was ich dir zu sagen habe." "Den Gö-Göttern sei gekla-a-a-agt", jammerte Sachos und schlang einen fetten Bissen hinunter, "ich habe heu-heute noch nichts zu mir genommen. Ich ko-ko-komme überhaupt nicht dazu. Du weißt, die Gesch-sch-schäfte." "Ich habe einen Auftrag von der Königin", begann Sil, ohne weiter auf seine Worte zu achten. "Von der Königin? Wi-will sie etwa Wei-Wein von mir kaufen?" "Nein, es handelt sich um etwas anderes. Sie hat einen geheimen Auftrag für dich." "Einen gehei - - -" Sachos blieb der Bissen beinahe in der Kehle stecken. "Das ist ein Beweis dafür, wie sehr dich die Königin ihres Vertrauens würdigt", erklärte Sil wichtig, um Sachos bei seinem Ehrgeiz zu packen. "Und wa-was will die Königin, daß ich für sie tu-tu-tue?" "Es handelt sich um einen kleinen Perser Namens Nebussor." "Diesen Na-Namen werde ich niemals aussprechen können." "Das sollst du jauch nicht. Es genügt, wenn du ihn findest und ihn über den Prinzen Torgo von Atlantis ausfragst." "Von Atlantis?!" Sachos sprang erschrocken auf. "Keine Sorge, Atlantis ist vernichtet und der kleine Nebussor ist ganz ungefährlich. Du erkennst ihn sehr leicht daran, daß er wie ein Zwerg gewachsen ist und eine Kleidung trägt, die ihm viel zu groß ist. Und außerdem wird er dir sofort mitteilen, daß er in Persien geboren wurde, denn das erzählt er jedem." "Und wo ,befindet sich dieser so-sosonderbare Mann?" "Irgendwo, Sachos, irgendwo. Wahrscheinlich hat er die Stadt bereits verlassen. Er ist mit noch zwei Männern und einem Mädchen unterwegs, ich vermute, daß sie ins Landesinnere wollen." "Da mu-muß ich also versuchen, die Spu-pu-pur dieser Leute ausfindig zu machen und ihnen dann folgen?" "Ja, und zwar so rasch als möglich. Wir fürchten nämlich, daß die Wachen hinter ihnen her sind." "Ha-haben sie was ausgefressen?" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Ich weiß es nicht", antwortete Sil, die wahren Gründe verschweigend. "Wenn es dir gelingt, Nebussor auszufragen, ist dir eine Belohnung sicher. Solltest du es aber gar zuwege bringen, den Kleinen heimlich hierher in den Palast zu bringen, dann könntest du des steten Dankes der Königin sicher sein." Sachos kratzte sich hinter dem Ohr. "Ich werde sehen, was sich ma-machen läßt", sagte er. * Klytemnestra erhob sich schon früh am Morgen. Im Garten traf sie auf Bethseba, welche bereits auf war um den Sonnenaufgang zu erleben. Als Klytemnestra Bethseba erblickte, empfand sie plötzlich ein nie gekanntes, bohrendes Gefühl in ihrem Inneren. Sie wußte nicht, was dieses Gefühl bedeutete und wunderte sich, daß es wieder verging, als sich Bethseba nach ihr umwandte und ihr in die Augen blickte. Dann aber fielen ihre Blicke auf Bethsebas Kleidung. "Aber das sind ja Männersachen", rief sie erstaunt. "Hast du denn nichts anderes anzuziehen?" "Nein", antwortete Bethseba. "Wir haben durch ein Unglück alles, selbst unsere Kleidung verloren." "So will ich sehen, ob ich von meinen eigenen Sachen etwas für dich finde", meinte sie, "und vielleicht haben wir auch etwas Passendes für deinen Gatten im Hause." Wieder gab es ihr einen schmerzenden Stich, als sie dies aussprach. Bethseba schien es zu merken. "Er ist nicht mein Gatte, er ist wie mein Bruder", sagte sie mild. "Und er hat ein schweres Schicksal erlitten und leidet es noch." Klytemnestra nickte verwirrt und lief ins Haus, um wie sie angekündigt hatte, nach Bekleidungsstücken zu suchen, welche sie entbehren konnte. Noch während sie im Hause war, kam Torgo in den Garten. Er sog die würzige Morgenluft tief in seine Lungen ein. "Es ist schön hier und friedlich", sagte er zu Bethseba. "Könnten wir doch ein Weilchen hier bleiben!" "Ich glaube, daß du Solons Enkelin sehr gefallen hast", meinte Bethseba ihn neckend. "Wahrscheinlich würde sie es sehr gerne sehen, wenn du bliebest." Torgo schüttelte lächelnd den Kopf. "Wenn sie wüßte wer ich bin, würde sie sich von mir wenden." "Nun, immerhin bist du ein Prinz." "Das darf sie nie erfahren, hörst du? Sie wird auch gar keine Gelegenheit dazu haben. Wir brechen sogleich auf und reisen weiter." "Wenn du willst!" "Ja, ich will." "Vorerst müssen wir aber noch Nebussor wach kriegen", kam Jargos Stimme vom Hause her, "er schläft wie ein Murmeltier." "Das werden wir gleich haben", rief Torgo, nahm eine Schöpfschale vom Brunnen, füllte sie mit Wasser und reichte sie Jargo, welcher sie gleich darauf dem armen Nebussor erbarmungslos über die Nase goß. Mit einem Aufschrei fuhr Nebussor in die Höhe. "Alle Götter, ich ertrinke!" rief er, sich unwillkürlich auf sein Floß versetzt glaubend. "Mit dem Ertrinken hat es keine Gefahr", lachte Jargo. "Aber beinahe hätte dein Schnarchen dies Haus zum Einsturz gebracht!" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Ärgerlich erhob sich Nebussor, stolperte dabei über sein Gewand und schimpfte: "Ihr habt nicht die geringste Ehrfurcht vor mir, das ist gewiß, obwohl es euch bekannt ist, daß meine Wiege im fernen Persien stand!" Unterdessen kam Klytemnestra wieder in den Garten und brachte Bekleidungsstücke für Bethseba und Torgo. "Nun seht ihr wie gesittete Leute aus", sagte sie zufrieden ihr Werk betrachtend, als die beiden, nachdem sie sich im Hause umgekleidet hatten, wieder zum Vorschein kamen. "Und ich", klagte Nebussor, "muß mich noch weiter mit diesem Zeug hier quälen, daß mir weder oben noch unten paßt! Ich hätte dreimal darin Platz, das ist gewiß!" "Wir haben leider kein Kind im Hause", meinte Klytemnestra lächelnd. "Soll ich etwa Kindersachen tragen?" rief Nebussor erbost über diese Zumutung. Torgo beendete die Szene. "Wir sagen Solon, dem Herrn dieses Hauses, Dank", sagte er. "Wahrscheinlich werden wir einander nie Wiedersehen, aber ihr werdet uns angenehm in Erinnerung bleiben." Auch Jargo, Nebussor und Bethseba verabschiedeten sich. Ein Diener brachte ein Päckchen mit Mundvorrat und einen kleinen Tonkrug mit Wasser. Der Hausherr schlief noch, als sich die Freunde, begleitet von den Wünschen Klytemnestras, auf den Weg machten. Unsere Freunde marschierten rüstig weiter. Nur Nebussor stolperte dann und wann über seine griechische Toga und ließ dann jedesmal ein unwilliges Schimpfen hören. Klytemnestra sah, wie sie den Weg über den Bergrücken nahmen. "Diese Richtung führt aber nicht nach der Stadt, sondern umgekehrt", stellte sie verwundert fest. Dann kehrte sie ins Haus zurück, wo Solon sie bereits erwartete. "Sind die Fremden fort?" fragte er. "Ja", antwortete Klytemnestra. "Den Göttern sei Dank. Nach dem letzten Gespräch mit ihnen gestern Abend hatte ich ein übles Gefühl, irgend etwas stimmt mit diesen Leuten nicht. Die Geschichte von dem Gelübde, welche sie mir da auftischen wollten, ist gewiß ein Schwindel." "Aber ich halte Torgos nicht für einen Lügner." Klytemnestra sagte es mit aufrichtiger Überzeugung. Solon lächelte. "Du bist noch jung mein Kind. Du kennst die Welt noch nicht. Nicht jedes glatte Gesicht gehört einem ehrlichen Menschen." Am späten Nachmittag hielt vor dem Hause Solons ein Trupp berittener Krieger. Der Anführer der Leute rief laut: "Heda - ist hier jemand?" Wieder kläfften die beiden Verwalterhunde, aber der Verwalter Solons, der diesmal selbst kam, um nach dem Rechten zu sehen, rief sie sogleich erschrocken zurück. "Wir sind Krieger des Königs", rief der Hauptmann dem Verwalter zu. "Wir .sind auf der Suche nach vier verdächtigen Personen, drei Männern und einem Mädchen. Einer der Männer ist fast so klein wie ein Zwerg. Sind sie etwa hier aufgetaucht?" Der Verwalter besann sich nicht lange. "Ja, Hauptmann", antwortete er, "sie sind gestern Abend hier gewesen." "Habt ihr ihnen etwa Unterschlupf gewährt?" "Nein", kam es vom Hause her. "Sie sind gleich weiter. Sie wollten nur Wasser und etwas Brot, das wir ihnen gaben." Klytemnestra sagte das. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Die Miene des Hauptmannes verfinsterte sich. "Ihr konntet nicht wissen, daß diese Menschen Verbreiter einer gefährlichen Krankheit sind", sagte er. "Wir müssen ihrer habhaft werden, bevor sie die Pest über das ganze Land verbreiten." "Die Pest?" Klytemnestra erschrak. Der Verwalter erbleichte. Er warf dem Mädchen einen hilfesuchenden Blick zu, schwieg aber, als er gewahr wurde, wie sie ihm einen kaum bemerkbaren Wink gab. Ja, die Pest", antwortete der Hauptmann: "Schließt euer Haus, räuchert es aus und reinigt es und bringt den Göttern ein Opfer dar, daß sie das Unheil von eurem Dache abwenden. Und laßt niemand ein, daß ist ein Befehl, den ich euch im Namen des Königs gebe, verstanden? Weist jeden, der zu euch will, von eurer Schwelle. Niemand darf sich, eurem Haus nähern, bis die Gefahr vorüber ist." Der Hauptmann riß sein Pferd herum. "In welche Richtung sind sie?" fragte er barsch. "Nach dort hin", wies Klytemnestra zur Ruine hinüber, die jetzt im Tageslicht, auf der anderen Seite des Berges deutlich sichtbar war. "Gehabt euch wohl", kam es kurz von des Hauptmanns Lippen und dann gab er seinem Pferde Schenkeldruck. Die wilde Kriegerschar trabte auf schnellen Rossen von dannen. Klytemnestra und der Verwalter blieben allein zurück. "Aber", sagte der Verwalter bleich, "du hast sie ja angelogen!" Klytemnestra runzelte die Stirn. "Das weiß ich", antwortete sie. "Und weshalb?" "Weil ich das, was der Hauptmann sagte, für Unsinn halte. Kannst du dir vorstellen, daß einer von diesen Leuten krank ist? Keiner sah mir danach aus. Wer weiß, welchen Grund sie haben, sie zu verfolgen." "Einerlei. Wir verstoßen gegen das Gebot des Königs! Du hättest ihnen die Wahrheit sagen sollen! Was wird der Herr dazu sagen, wenn er davon erfährt!" "Das darf er nicht", erklärte Klytemnestra bestimmt. Sie wollten sich bereits wieder dem Inneren des Hauses zuwenden, als erneut Hufschlag vernehmbar wurde. Diesmal aber war es das mühselige Keuchen von Fuhrwerkspferden und gleich darauf bewies ein Quietschen und Knarren, daß es tatsächlich ein Fuhrwerk war, welches da ankam. Es war Sachos, welcher seinen mit Weinkrügen beladenen Wagen gerade vor Solons Haus zum Halten brachte. "He, i-i-ist da niemand zu Ha-hahause?" fragte er, gerade so wie der Hauptmann vorhin, aber wesentlich freundlicher. Der Verwalter drehte sich nach ihm um und tat, als wolle er den dicken Sachos, den er wohl kannte, verscheuchen. "Bleib uns vom Leib, Sachos...Eben waren Krieger hier und haben uns den Befehl des Königs gebracht...Es waren vier Leute hier, welche eine Krankheit verbreiten. Du darfst uns nicht zu nahe kommen. Man kann nicht wissen, ob sie uns nicht die Krankheit im Hause gelassen haben." Seufzend stieg Sachos vom Wagen als habe er die Rede des Verwalters gar nicht gehört. Er watschelte die Treppen hinauf und grüßte: "Guten Abend, Klytem-tem-temtem - - diesen Na-Namen werde ich nie herausbringen. Guten Abend, also. Was die Krankheit anbetrifft, so kann ich euch verraten, daß ich davon nichts weiß. Es ist die Pest. U"und ich habe ein pro pro ein propates Mittel dagegen, nämlich meinen Wein. Wo-wollt ihr nicht kosten? Ich lasse (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
euch ein paar Krüge da zu einem gü-günstigen Preis. Ich se-selbst habe einen Za-za- einen Zacken, wollte ich sagen, seit ich weiß, daß ich hinter der Pest her bin. Aber hick, bis jetzt bin ich, wie ihr seht, ganz gesund geblieben." Er lallte tatsächlich wie ein Betrunkener und vermochte sich nicht gerade auf seinen Beinen zu halten. "Was bist du, Sachos? Hinter der Pest her?" fragte Klytemnestra erstaunt. "Ja, die Kö-Königin schickt mich. Ich soll ihren Popo-popo- wieder so ein schweres Wort", jammerte Sachos und wischte sich den Schweiß von der Stirn, ich soll ihren - Poseidon seis geklagt, pestverdächtigen Bekannten aus Atlantis in den Palast bringen, noch bevor die Po-popo-" "Poseidon seis geklagt", meinte der Verwalter, der Sachos zu Hilfe kommen wollte. "Aber nein, bevor die Polizei etwas merkt, wollte ich sagen", beendete Sachos seinen Satz. "Einen Pestverdächtigen aus Atlantis?" fragte Klytemnestra erschrocken. "Ja, es ist der kleine Zwerg, den sie bei sich haben", meinte Sachos. "Wa-waren sie bei euch?" Klytemnestra nickte. Ein Zug von Entschlossenheit zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. "Vielleicht weiß Torgos gar nichts davon, daß der Zwerg pestverdächtig ist und aus dem Land der Feinde dazu", meinte sie, "man muß ihn warnen." "Dazu hic-ha-habe ich keine Zeit", erklärte Sachos. "A-a-also ihr wollt keinen Wein? Dann sagt mir wenigstens welchen Weg sie genommen haben." "Ich fahre mit dir, Sachos", rief Klytemnestra, einem plötzlichen Entschluß folgend. "Ich kann dir die Richtung weisen." "Gu-gut, aber was den Wein betrifft, so werdet ihr es bereuen", meinte Sachos bedauernd. "Er ist das ei-ei.-einzige, was gegen Pest hilft." "Klytemnestra", rief der Verwalter erschrocken., "du kannst doch nicht einfach ohne Solon etwas zu sagen "Er wird mich verstehen", rief ihm Klytemnestra zu, sich neben Sachos auf den Karren, den dieser mit lautem Stöhnen erklettert hatte, schwingend. "Sage ihm, daß ich gefahren bin, um die Freunde zu warnen. Ich komme ba1d wieder, er möge ohne Sorge sein." "Aber denke an die Worte des Hauptmanns! Du darfst das Haus nicht verlassen! Wenn man dich irgendwo antrifft, so - "Ich habe den Hauptmann in die falsche Richtung geschickt. Nun siehst du wie gut das war", lachte Klytemnestra, und Sachos brachte seufzend seine Pferde in Trab. Der Verwalter blieb mit einer hilflosen Gebärde zurück. * In der Nacht, die diesen Ereignissen folgte, wurden in der Residenz des Königs zwei weitere Pestfälle bekannt. Schon am frühen Morgen wälzte sich daraufhin ein Strom aufgeregter Flüchtlinge nach den Stadttoren. Auch im Palast des Königs herrschte eine bedrückte Stimmung. Der König hatte Anweisung gegeben, alles für eine baldige Abreise vorzubereiten. Der Hof wollte tief in das Innere des Landes übersiedeln. Diese Anordnung schien Nif-Iritts Pläne zu durchkreuzen. Sie hatte es gut geheißen, daß sich Sachos auf die Suche nach Nebussor machte. Und sie fürchtete nun, daß es ihm nicht mehr möglich sein werde, ihr Nachricht zukommen zu lassen. Denn es war anzunehmen, daß Sachos sie nicht mehr antreffen werde. Aber sie konnte natürlich König Telaus nichts von ihren Besorgnissen verraten. Die Stadt schien sich in den folgenden Tagen unter den Schlägen einer Geißel zu winden. Diese Geißel war die Pest. Immer neue Krankheitsfälle ereigneten sich. Auf den Straßen, auf (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
dem Markte brachen die Leute im Fieber zusammen. Im Tempel wurden Opferfeiern veranstaltet. Aber das Blut von Schafen und Lämmern vermochte das Geschick nicht zu wenden. Die von dem Schiffe eingeschleppte Krankheit breitete sich aus. Dann verließ eine Kolonne dicht verhangener Sänften die Stadt. Der König und die Königin und die höchsten Beamten des Reiches begaben sich aus der von giftigen Miasmen verseuchten Stadt hinaus aufs Land. Es war eine regelrechte Flucht. Aber wohin sie auch kamen, in den Dörfern ringsum herrschte das gleiche Elend. "Es ist nicht zu fassen", klagte König Telaus. "Und das alles durch die Schuld des Kommandanten Reros. Wenn er nicht ein verdienter Kriegsheld wäre, würde ich ihn hinrichten lassen." "Wohin ziehen wir?" fragte Nif-Iritt ihren Gemahl während einer kurzen Rastpause. "Hoch in den Bergen steht eine Festung. Sie steht schwer zugänglich auf steilen Felsenklüften. Dorthin zogen sich die Könige stets zurück, wenn im Lande Krieg oder Unruhe herrschte. Ich hoffe, daß auch die Krankheit die Felsen nicht bezwingen wird. Oben ist die Luft rein und das Wasser ist nicht vergiftet." Immer mehr befürchtete Nif-Iritt, daß die Kunde von Torgo, die Sachos ihr bringen sollte, sie niemals erreichen werde. Der königliche Tross bewegte sich mit der größtmöglichen Geschwindigkeit vorwärts. Schon nach einigen Tagen erreichte man eine wildromantische, schauerliche Einöde aus Felsengestein. Drückend brannte die Sonne hernieder. Himmelhoch ragten die Felsen gegen den tiefblauen Himmel. "Hier gefällt es mir wenig", erklärte Nif-Iritt. "Aber es ist eine sichere Gegend", meinte der König. Er ahnte nicht, daß jede Bewegung der Karawane von den Gipfeln und von verborgenen Höhlen aus beobachtet wurde. * Bei dem Dorfe Xenos brachte Sachos sein Gefährt zum Halten. "Bis jetzt ist alles gut gegangen", sagte er zu Klytemnestra. "Bis hierher haben wir die Spur der Wanderer einwandfrei verfolgen können. Auch sind wir schneller als sie. Wir ha-haben sie daher auch schon fast eingeholt." "Wann werden wir sie erreichen?" fragte Klytemnestra ungeduldig. "Solon wird um mich in Sorge sein." "Das ga-la-la-laube ich nicht. Der Verwalter hat ihm sicher Besch-Beschun, sagen wir Nachricht gegeben. AA-aber ich fürchte, wir werden sie nicht mehr vor den Bergen einholen und dort o-o-oben kommen wir mit unserem Gefährt nicht mehr weiter. Dazu wü-wü-würden wir keinen Wagen, sondern zwei Esel benötigen. Ein Fußgänger hat es leichter." "Und wenn wir uns beeilen?" "Ei-ei-einmal müssen wir auch den Tieren eine kleine Rast gönnen." Das war freilich wahr. "U-u-unid wir selbst haben auch eine kleine Stärkung nötig." Er hielt vor einer Schenke, die einem seiner Kunden gehörte, um für sein und Klytemnestras leibliches Wohl zu sorgen. In diesem Augenblick lief die Dorfbevölkerung, alles was nicht auf den Feldern war, zusammen.. Man hörte das Geräusch des Herannahens eines größeren Zuges Reisender. Voran ritt ein Trupp Krieger. Hernach kam eine Anzahl kostbar geschmückter Sänften.
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"Der König und die Königin", rief ihm jemand zu, "sie ziehen durch unser Dorf! Wahrscheinlich wollen sie in die Festung ins Gebirge!" "Das trifft sich gut", sagte Sachos erfreut. Er blieb auf seinem Platz sitzen und sah, wie die verhangenen Sänften durch das -Dorf getragen wurden. Der Wirt gesellte sich zu ihm. "Du machst doch Geschäfte mit dem König", meinte er. "Ge-wi-wiß, er ist mein Kunde", bestätigte Sachos stolz. "Ich fürchte, du wirst diese Kundschaft bald verlieren", meinte der Wirt finsteren Blicks. "Was so-o-oll das heißen?" fragte Sachos erstaunt. Der Wirt beugte sich zu ihm nieder und senkte seine Stimme zum Flüstern. "Hast du denn noch nichts von Roduros gehört?" "Den Räuber? Den hat man doch geha-hahang-en!" "Denkst du! Er entkam aber wenige Stunden vor der Hinrichtung.. Seither hat er sich mit seiner Bande oben in den Bergen festgesetzt und hat dem König ewige Rache geschworen." "Und der König hat davon keine Ahnung?" "Wahrscheinlich kennt er die Gefährlichkeit dieses Räubers nicht und ebenso wenig die Macht seiner Bande. Er hat da oben in den Bergen ein eigenes Reich aufgerichtet, dessen König er selbst ist. Er verlangt sogar Tribut von allen, welche durch dieses Gebiet reisen. Jeder Kaufmann muß ihm zahlen." "Ei-ein Glück, daß ich bis dorthin noch nie meinen Wein geliefert habe", meinte Sachos. "Für solche Ku-kukundschaft bedanke ich mich schön." "Das glaube ich dir gern, Sachos. Na, es ist ja nicht meine Sache, ob du den König warnst oder nicht." "We-werde mich hüten. Er wü-würde schön lachen, wenn ich ihm erzählen wollte, daß es da oben einen anderen König gibt, der mit knapper Not dem Galgen entronnen ist. Nei-nein das riskiere ich lieber nicht, er hat Krieger bei sich, die sollen ihn schützen." "Na, die Krieger helfen vielleicht", tröstete sich auch der Wirt. "Aber wie willst du dann der Königin Nachricht zukommen lassen?" fragte Klytemnestra. "Keine A-ahnung", erklärte Sachos. "Vorerst müssen wir die Gesuchten erst finden, dann wird sich zeigen, was ich für sie tun kann." * "Es sind wieder Reiter des Königs", meinte Torgo aus der Krone eines Baumes spähend. "Seit ein paar Tagen kreuzen sie immer wieder unseren Weg. "Es sieht so aus, als ob sie uns suchen" meinte Jargo, unten am Stamm stehend. "Bisher sind wir ihnen ausgewichen, aber einmal können wir Pech haben das ist gewiß", gab Nebussor zu bedenken. "Vorsicht ist angebracht, du hast recht", pflichtete Torgo bei. "Wir werden diese Ortschaft und die nächste in weitem Bogen umgehen. Dann sind wir .bereits in den Bergen. Dort scheint mir die Gefahr nicht mehr so groß zu sein!" "Wenn ich nur einen Esel hätte", klagte Nebussor. "Du mußt vorläufig mit dir selbst vorlieb nehmen", grinste Jargo. "Du darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich manchmal die Gesellschaft eines Esels die der Menschen vorziehe", erklärte Nebussor. "Ein Esel weiß wenigstens mit Sicherheit, daß er einer ist. Von den Menschen jedoch kann man dies nicht immer behaupten. Sieh nur dich zum Beispiel an!"
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Immer näher kamen sie den Bergen. Auch Bethseba hielt wacker und ohne zu klagen mit den Männern Schritt., "Dies hier", erklärte Nebussor, "ist trotz allem die schönste Wanderung meines Lebens, denn ich weiß, daß mich jeder Schritt meiner Heimat näher bringt." "Was wirst du aber dann bloß machen?" fragte ihn Jargo. "In Persien wird es die Leute wenig interessieren, daß deine Wiege in diesem schönen Lande stand, denn dort ist es wohl nichts Außergewöhnliches. Du mußt dir also ein neues Sprüchlein ausdenken, mein lieber Freund Nebussor." "In Persien wird mir jedermann Respekt zollen", erklärte der Kleine großsprecherisch, "weil ich darauf hinweisen kann, daß ich im Fernen, nun gar nicht mehr existierenden Atlantis gewesen bin." Der Pfad wurde immer beschwerlicher, je näher sie ins felsige Gebiet kamen. Schließlich sahen sie in weiter Ferne die grauen Schluchten des Felsgesteins, welche drohend und düster gegen den Himmel ragte und ganz noch eben erkannten sie auf einem der Felsgrate, schon nah dem Himmel, das schimmernde Weiß einer stolzen, das Land beherrschenden kleinen Festung. "Was ist das?" fragte Jargo erstaunt. "Es scheint eine Königsburg zu sein!" "Ist es wohl auch", antwortete Torgo finster. "Es gleicht einer unbezwinglichen Festung." "Diese Griechen sind geschickte Baumeister das ist gewiß", bemerkte Nebussor. "Bei manch einem von ihnen ist es direkt bedauerlich, daß seine Wiege nicht im fernen Persien stand." "Ich glaube nicht, daß einer von ihnen diesen Umstand bedauern wird", antwortete Jargo lachend. "Was mich angeht, so habe ich nur die eine Hoffnung, daß wir noch vor Eintritt in das Felsgewirr ein Rasthaus oder eine Herberge erreichen, wo uns niemand kennt und wir etwas Ordentliches zu Essen bekommen. Einen guten Schluck Wein nicht zu vergessen!" Bethseba nickte müde. Auch ihr war nach einer Herberge zumute. Gegen Abend erreichten sie einen Weg, dessen breit eingefahrene und deutlich sichtbare Radspuren bewiesen, daß er auch öfter von Fahrzeugen benutzt wurde. "An solchen Straßen gibt es meistens Herbergen", meinte Torgo "Und die Krieger des Königs scheinen noch nicht hier gewesen zu sein. Das trifft sich gut. Vielleicht haben wir Glück." Die Hoffnung beflügelte ihre Schritte. Mit neuem Mut marschierten sie weiter. Die Fahrtrinne verlief zwischen den hoch ansteigenden Felswänden bergan. Der Abend dunkelte. "Ich sehe schon, es wird wieder nichts", meinte Jargo nach einer Weile. Doch Torgo blieb stehen. Sein feines Ohr hatte aus der Ferne die Töne einer Flöte vernommen. "Hier ist jemand", sagte er, "und zwar ganz in der Nähe. Wir wollen machen, daß wir weiter kommen. Bevor es dunkel wird wollen wir noch ein Obdach erreichen." Der Fahrweg machte eine scharfe Biegung. Als sie diese passiert hatten, blieben die Wanderer überrascht stehen. An eine Felswand scheinbar angeklebt, sahen sie eine primitive Hütte, welche aus Lehm und Holz errichtet worden war. Das Dach war mit Stroh gedeckt. Eine Laterne, welche über der niedrigen Türe baumelte, verriet daß es das war was sie a11e suchten: eine Herberge. Vor dieser Herberge stand ein Wagen mit Weinkrügen voll beladen. Zwei müde Pferde fraßen hungrig und aus der Schenke ertönten Stimmen und Flötenspiel. "Ich kann es ni-ni-nicht begreifen", erklang eben ein fettes Organ, "daß sie noch nicht hi-h,-hier gewesen sind. Meines Erachtens müssen sie einfach hier vorbei gekommen sein, es sei denn, sie wären durch die Felsen geklettert, wa-was ich aber nicht glauben kann, weil sie ein Mä-Mä-Mädchen bei sich haben." "Anscheinend ist hier von uns die Rede", meinte Torgo und furchte die Stirn. "Soweit ist also die Kunde von uns bereits ins Land gedrungen." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Hier dürfen wir auf keinen Fall hinein", meinte auch Jargo. "Den Göttern sei es geklagt, aber wir müssen auf diese Herberge verzichten." Sie wandten sich zum Gehen. In diesem Augenblick wurde der schmutzige Vorhang, welcher den Eingang verdeckte, beiseite gerissen und ein junges Mädchen starrte geradewegs in Prinz Torgos Augen - es war Klytemnestra. "Torgos!" rief sie und die Röte der Freude und der Verlegenheit ergoß sich über ihr hübsches Antlitz. "Torgos, welch ein Glück! Wir suchen dich überall...". "Wie, du suchst mich?" fragte Torgo erstaunt. "Ja, tritt ein, hier bist du in Sicherheit. Ich muß dir alles erzählen. Doch zuerst iß und trink, ihr müßt alle sehr hungrig sein" Die Freunde atmeten erleichtert auf und betraten die Schenke. Das erste, was ihnen in die Augen fiel, war Sachos, und der wiederum sah Nebussor und wußte sofort, daß er der Gesuchte war. "Die Götter seien gelobt", entfuhr es ihm. "Hast du etwas zu mir gesagt?" fragte ihn Nebussor. "Ich bin Nebussor und ziehe schon seit Tagen durch diese schöne Gegend, um nach Persien zu gelangen, in das ferne Land in dem meine Wiege stand." "Pe-Pe-Persien, sagst du?" fragte Sachos, um nur irgend etwas zu fragen und suchte seine Verlegenheit zu meistern. Er wollte Nebussor nicht merken lassen, daß er seinetwegen hier war. "Nein, nicht Pe-Pe-Persien, sondern Persien heißt das Land", erklärte Nebussor. "Mei-Meinetwegen", sagte Sachos grob. Er wandte sich ab. "Grober Flegel", murmelte Nebussor. Er setzte sich zu den anderen, die mittlerweile in einer Ecke Platz genommen hatten und während der Wirt ein einfaches Mahl und Getränke vorbereitete, dem lauschten was Klytemnestra ihnen zu berichten hatte. "Höre, Torgos", erzählte eben Klytemnestra eifrig, "kaum, daß ihr von Solos Haus fort ward, kam ein Trupp berittener Krieger mit einem Befehl des Königs. Es heißt, daß ihr eine gefährliche Krankheit verbreitet und aus diesem Grunde sollt ihr verhaftet und eingekerkert werden." "So eine Gemeinheit", entrüstete sich Nebussor. "Und du bist uns nachgeeilt, um uns zu warnen?" fragte Torgo gerührt. "So ist es", antwortete Klytemnestra. Und du fürchtest dich nicht vor dieser gefährlichen Krankheit?" Klytemnestra schüttelte den Kopf. "Ich danke dir, Mädchen." Torgo drückte ihr die Hand. ,,Kehre nun heim zu Solon", fügte Jargo hinzu, ,,du hast ein gutes Werk getan. Wir waren allerdings bereits auf der Hut, obgleich wir nicht genau wußten, was man gegen uns vorhatte." "Ja, ich kehre heim", nickte Klytemnestra. "Ich habe euch noch einmal gesehen und wünsche euch viel Glück auf eurer weiteren Reise. Wir werden uns wohl nie wieder sehen." "He, ehe", brummte Sachos, "meine liebe Kly-Kly-K,ly- na ist ja egal, heute breche ich nicht mehr auf. Du mußt dich schon gedulden mit der Rückkehr bis morgen." "Aber du wolltest doch sogleich", meinte Klytemnestra, sich an den dicken Weinhändler wendend, erstaunt. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Und hast du schon - - - "Ich ha-habe bereits." Er schnitt ihr kurz das Wort ab und warf ihr einen warnenden Blick zu. Klytemnestra begriff ihn nicht, aber sie ahnte, daß ein besonderes Vorhaben Ziel seiner gegenwärtigen Überlegungen sei. "Was hast du vor?" fragte ihn Klytemnestra leise und besorgt. "Ich sehe", antwortete Sachos gleichfalls im Flüsterton, "daß dieser Mann aus Pe-Pe-Persien zu den anderen gehört Er ist ihnen sehr zugetan und wird sich auch kaum von ihnen trennen." "Aber weshalb soll er sich denn von ihnen trennen?" fragte Klytemnestra. "Wei-weil dann meine Belohnung eine noch viel größere ist", antwortete Sachos, dumpf vor sich hin brütend. "Ich begreife dich nicht, Sachos." "Das ist auch nicht nö-nötig, die Hauptsache ist, daß ich es begreife. Wir übernachten heute noch hier in dieser el-eleganten Herberge. Es wird bereits dunkel und es hätte keinen Sinn mehr, bei Nacht durch dieses Land der Räuber zu fahren", erklärte er. Klytemnestra nickte. Das begriff sie und sie billigte es auch. Es drängte sie zwar, so rasch als möglich zu Solon, der nun gewiß bereits in Sorge um sie war, zurückzukehren, aber es war ein leicht einleuchtendes Gebot der Sicherheit, die Nacht lieber in einem geschlossenen, wenn auch einsamen Hause zuzubringen als auf offener Landstraße. Als sie dann später ihre Schlafstellen aufsuchten, hatte ihr Sachos immer noch nicht gesagt, was der eigentliche Grund für diese Übernachtung war und was für Hintergedanken er dabei hegte. Sachos war noch vor Einbruch der völligen Dunkelheit vors Haus getreten und hatte die Entfernung von der Herberge zu der Bergfestung abgeschätzt. Er rechnete damit, daß der Fahrweg zumindest bis zum Fuße des Felskegels, auf dem die Burg errichtet worden war reichen würde und für den Rest des Weges mußte man sich dann eben etwas einfallen lassen. Sachos pries die Götter, die es gerade jetzt hatten sein lassen, daß sich der Königshof in eben diese Burg begeben hatte und die ihm den kleinen Nebussor grade auch in diesem Zeitpunkt so günstig in den Weg führten. An Torgo und den anderen Wanderern hatte er kein Interesse. Sein Auftrag lautete nur auf Nebussor. Und nun da er den kleinen Perser mit eigenen Augen gesehen hatte, reifte in ihm ein toller Plan, bei dessen Ausführung ihm allerdings Klytemnestra hinderlich war. Als die Fackeln in der Herberge niederbrannten, - Öllämpchen konnte sich der Wirt nicht leisten, und weitere Gäste waren nicht gekommen, - suchte sich ein jeder einen Winkel, wo er sich so gut als möglich zur Ruhe bettete. Schließlich verloschen die Lichter ganz. Mit einem letzten Blick auf Nebussor schloß Sachos die Augen, aber keineswegs um einzuschlafen. Wer kurz zuvor vor das Haus gegangen wäre, hätte Sachos bei einem höchst merkwürdigen Tun beobachten können. Er löste nämlich einen seiner mächtigen tönernen Weinkrüge von dem Wagen und schleppte ihn mit Aufbietung aller Kraft hinter das Haus, wo er den kostbaren Weineinfach auslaufen ließ. Dann stellte er den Tonkrug griffbereit neben den Wagen. Als er diese Vorbereitungen getroffen und auch noch mehrere feste Stricke und ein Tuch sich zurechtgelegt hatte, war er in die Herberge zurückgekehrt. Alsbald begannen den kleinen Raum die rhythmischen Laute des Atmens der Schlafenden zu erfüllen. Sachos schlief noch immer nicht. Er war zwar müde, aber er hielt sich gewaltsam wach und wartete.
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Bleiern verrann die Zeit. Noch immer geschah nichts. Drüben schlief Torgo, herüben Bethseba, in der Nähe von Klytemnestra. Die beiden Mädchen hatten noch viele Worte miteinander gewechselt. Nun endlich hielt Sachos die Zeit für gekommen. Er kroch zu Nebussor hin, dessen Lage er sich genau gemerkt hatte. Als er fühlte, daß er nun neben dem Körper des kleinen Persers lag, tippte er ihm leicht auf die Schulter. "Du", zischte er leise, "wache auf!" Nebussor fuhr erschrocken aus seinem Schlafe auf. "Was ist?" fragte er verwundert. "Still - - niemand braucht es zu hören...Komm mit mir, soeben ist ein Reisender aus Persien angekommen, er will gleich wieder weiter und steht draußen vor dem Hau-Haus." "Was? Einer aus Persien? Den muß ich sehen, den muß ich sprechen das ist gewiß!" "Das dachte ich mir. Aber deswegen brauchst du deine Gefährten nicht zu wecken. Sie haben den Schlaf nötig." "Wahr gesprochen. Führe mich aber gleich zu ihm, damit ich ihn noch zu sehen kriege. Du ahnst nicht, wie lange ich schon keine Neuigkeiten aus Persien gehört habe." "So komme mit, edler Nebussor." "Du bist ein verständiger und höflicher Mann und weißt es zu würdigen, wenn die Wiege eines Menschen im fernen Persien stand'", raunte Nebussor geschmeichelt. "Selbstverständlich! Folge mir leise. Der Mann wartet draußen bei meinem Wagen. Ich habe ihm von meinem guten, griechischen Wein zu trinken gegeben und dich lasse ich auch davon kosten, denn beim Trinken redet siehe lei-lei-leichter." "Mein Dank ist dir gewiß", flüsterte Nebussor und im Vorgefühl der zu erwartenden Freuden schlich er sich hinter dem dicken Sachos drein. Als sie ins Freie kamen, herrschte in der Schlucht vollständige Finsternis. Aber Sachos wußte ganz genau wo sein Wagen stand. Er nahm die Hand des kleinen Persers und führte ihn bis vor den Wagen hin. "So", sagte er zu Nebussor "und hier nimm erst einen kräftigen Schluck. Ich hole inzwischen den Reisenden. Ich kann ihn im Augenblick nicht sehen. Vielleicht ist er hinters Haus gegangen, um sich ein wenig die Beine zu vertreten." Sachos hatte eine große Schale mit dem vergossenen Wein gefüllt und drückte sie nun Nebussor in die Hand. Der merkte gleich beim ersten Schluck, daß es ein köstliches Getränk war und tat dann ein paar tiefe, kräftige Züge. "Möchtest du noch eine Schale?" fragte Sachos hinterlistig. "Oh ja das ist gewiß. So einen herrlichen Wein habe ich schon lange nicht getrunken, so wahr meine Wiege im fernen Persien stand." "Hier ha-hast du noch eine. Es ist der beste Wein, den es weit und breit gibt. Die Weine von Sa-Sachos sind berühmt in ganz Griechenland." Nebussor setzte an und tat einen tiefen, gewaltigen Zug. Die Sterne begannen ihm gleich darauf vor den Augen zu flimmern, aber daran war nicht der Wein schuld, sondern der Knüppel, den ihm Sachos von hinten über den Schädel schlug. Das kleine Kerlchen sackte fast augenblicklich zusammen. "Gut", brummte Sachos zufrieden, steckte Nebussor einen Knebel in den Mund und fesselte ihm noch Arme und Beine so an den Körper, daß er sie nicht bewegen konnte. Daraufhin holte er den geleerten großen Krug herbei und stapfte den Zwerg hinein. Nebussor paßte der Krug ausgezeichnet. Es guckte gerade nur noch seine Nase oben heraus. Sachos stemmte den Krug hoch und rollte ihn zu den anderen Krügen auf seinem Wagen. Zum Schluß breitete er noch eine Decke über alle, so daß der Krug mit Nebussor von den anderen nicht mehr unterschieden werden konnte.
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Nach dieser letzten Maßnahme kroch er auf seinen Bock und schnalzte mit der Peitsche. Die Pferde zogen an und fort ging die Reise. Einige in der Herberge hörten wohl das Abfahren des Wagens, aber keiner dachte sich etwas Böses dabei. So drehte sie ein jeder, der durch das Geräusch erwacht war, auf die andere Seite und schlief weiter. Auch Nebussor schlief, seine Ohnmacht war infolge des vorangegangenen Weingenusses in den bleiernen Schlaf des Berauschten übergegangen. Damit hatte der schlaue Sachos gerechnet. Er trieb seine Tiere zu einer schnellen Gangart an, um so rasch als möglich von der Herberge wegzukommen. Himmelhoch ragten die Felswände zu beiden Seiten der Schlucht, durch welche der Fahrweg führte. Kaum ein Stückchen des nachtschwarzen Himmels war zu sehen. Der Wind pfiff um die Felsgrate und einmal flatterte eine Eule direkt gegen Sachos. Erschrocken fiel der Dicke beinahe von seinem Sitz. Er zog seine Toga fester um sich zusammen. "Eine u-u-unheimliche Nacht", murmelte er, "wi-wirklich beinahe zum Fürchten. Wäre ich doch nur schon am Ziel. Wenn ich an die Räu-Räu-Räuber denke, wird mir ganz übel!" Er umklammerte fest den Stiel seiner Peitsche, obwohl er wußte, daß sie im Ernstfall keine hinreichende Waffe bilden würde, um seine Person und sein Gut zu verteidigen. Weiter rollte der Wagen und das dumpfe Rollen der Räder über den steinigem Boden fand ein seltsames Echo, das beinahe wie das Donnern eines fernen Gewitters klang. Ängstlich nach allen Seiten blickend, fuhr Sachos durch die Schlucht, der nicht mehr fernen Königsburg zu, um Nebussor dort oben einzuschmuggeln, so wie es die Prinzessin gewollt hatte. Er bemerkte nicht, wie sich zwischen den Felsen zu beiden Seiten des Weges finstere Männer mit Keulen, Schleudern und Speeren bewaffnet, sammelten und dem Wagen jede Deckung geschickt nutzend, folgten. Aber Sachos hörte doch von Zeit zu Zeit verschiedene verdächtige Geräusche und es wurde ihm immer unheimlicher zumute. Die Augen traten ihm fast aus den Höhlen, indem er sich bemühte, die Umgebung zu erkennen und schließlich begann er um sich selbst Mut zu machen, ein Lied zu pfeifen. Er wußte, daß jetzt eine besonders enge Stelle der Schlucht kommen würde. Man nannte sie die "Werkstatt der Zyklopen", weil hier die Steine nach einem Felssturz auf dem Grunde der Schlucht wildaufgetürmt lagen, so daß nur mehr ein schmaler, in vielen Windungen verlaufender fahrbarer Weg blieb, auf welchem man die unheimliche Stelle passieren mußte. Diese Stelle wählte Roduros mit Vorliebe für seine Angriffe. "Die Götter mögen mir beistehen", flehte Sachos und in diesem Augenblick war es ihm, als ob er von rückwärts, wo die Weinkrüge standen, ein letztes "Hick" als Zustimmung gehört hätte. Sachos sandte einen Blick zum Himmel. Und da kam die Zyklopenwerkstatt. Unter lautem Ächzen und Krachen der Räder fuhr der Wagen des Weinhändlers in die gefährlichen Windungen ein. Die Tonkrüge klirrten aneinander, die Erschütterungen waren der Unebenheiten wegen beträchtlich. Doch Nebussor erwachte nicht. Er war von süßen Träumen umfangen, in denen das ferne Persien und der nahe, griechische Wein eine gleichmäßig bedeutende Rolle spielten. Oben auf einem der Zyklopensteine stand Roduros, der Räuberkönig der Berge, der mit knapper Not dem Galgen entgangen war und nun hier ein bedrohliches Regiment mit seiner Bande errichtet hatte. Neben ihm standen einige seiner Leute. Sie spähten in die Dunkelheit und lauschten auf den Lärm, den der näherkommende Weinwagen verursachte. "Den König haben wir passieren lassen", brummte .'Roduros, "aber nur, um ihn oben in der Burg auszuhungern. Jetzt darf nichts mehr passieren, was da oben hinauf will. Und (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
anscheinend will der Kerl nach oben." Eben kam ein Melder. Er tauchte unmittelbar aus der Dunkelheit auf und berichtete: "Es scheint ein Weinhändler zu sein, Roduros." "Ah, das ist gut. Wein können wir immer gebrauchen. Und die Weinhändler haben meist viel Geld, er wird ein fettes Lösegeld bezahlen müssen." Die Umstehenden lachten halblaut. "So bereiten wir alles zum Angriff vor. Ein jeder auf seinen Platz! Auf mein Zeichen fallen wir über ihn her, verstanden?" Der Melder nickte und verschwand, um die Order an die Banditen weiterzugeben. Sachos Ängste waren mittlerweile noch weiter angestiegen. Fledermäuse umflogen die Felsgrate und als jetzt ein unheimlicher Eulenruf erklang, der sich von Fels zu Fels, einem Echo gleich fortpflanzte, stieg dem Weinhändler der kalte Angstschweiß auf die Stirn. "Oh - oh, ihr Gögögötter!" jammerte er, "Hätte ich doch nie diese Fahrt unternommen...Wegen der paar Goldstücke, welche mir die Prinzessin geben wird...Das steht gar nicht dafür, daß ich mich deswegen diesen Ängsten und Gefahren aussetze und womöglich, wenn die Räuber kommen gar noch sterben muß!" Er zitterte bereits am ganzen Leibe, als plötzlich ein neuerlicher Eulenruf ertönte, diesmal aber ganz nah. Jetzt glaubte Sachos, darin ein Zeichen zu erkennen. Er schlug wie wild auf die Pferde ein, daß sie einen förmlichen Satz nach vorn taten und die Tonkrüge erheblich gegeneinander krachten. In diesem Augenblick erklang aus nächster Nähe ein schriller Pfiff. Drei, vier Männer sprangen von Felsblöcken herab und fielen den Pferden in die Zügel. Sachos stieß einen entsetzten Schrei aus. Aber schon ergriffen ihn rauhe Hände und zerrten ihn von seinem Wagen herunter. "Hilfe! Hi-ilfe! Ihr Gögötter, helft!" schrie Sachos in seiner Not und stieß wild mit Armen und Beinen um sich. Er wollte seine Peitsche gebrauchen, aber die war ihm im ersten Schreck entfallen und zu weiteren Überlegungen kam er nicht mehr. Die Pferde wieherten erschrocken auf und Sachos tobte und schrie, sein Geschrei hallte von den Felsen wider. "Halt den Mund" herrschte ihn einer an, während der Weinhändler überwältigt wurde, "sonst stopfen wir dir den Mund mit einem Knebel. Dein erbärmliches Geschrei ist nicht mit anzuhören." "A-aber... "Halt den Mund, sage ich dir nochmals. Wir bringen dich jetzt zu Roduros, unserem Hauptmann. Er ist der mächtige Herr dieses Felsengebirges. Benimm dich mit dementsprechender Ehrfurcht, verstanden?" "Ja-a-a..." stotterte Sachos. "Der Schreck scheint dir die Sprache geraubt zu haben. Du brauchst aber keine Furcht zu haben. Wenn du tust, was der Hauptmann von dir verlangt, wird dir kein Haar gekrümmt werden. Andernfalls allerdings kostet es dich das Leben!" Diese drohend gesprochenen Worte verfehlten auf Sachos nicht ihre Wirkung. Das bißchen Widerstandsgeist das er sich gerettet hatte, schwand dahin wie Schnee unter der Sonne. "Los, bringt ihn zum Hauptmann", befahl der Unteranführer, der bisher mit ihm geredet hatte. Zwei der Räuber packten den dicken Weinhändler und stießen ihn nicht eben sanft vor sich her. Sachos mußte es auch erleben, daß man sich seines Fuhrwerkes bemächtigte. Räuber ergriffen die Pferde, die sich inzwischen wieder beruhigt hatten am Zügel und führten sie mit sich und das Fuhrwerk samt seiner kostbaren Ladung nahm den gleichen Wag wie der unglückliche Sachos.
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Das Schlimmste für ihn war aber, daß er Nebussor in einem der Krüge wußte. Nebussor, der noch immer ahnungslos seinen Rausch ausschlief und keine Ahnung davon hatte, in welch doppelt schlimmer Lage er sich nun befand. Zum einen war er nämlich Sachos Gefangener und zum anderen darüber hinaus nun auch noch der der Räuberbande des grimmigen Roduros. Was war da zu tun? Sollte Sachos dem Räuber sein Geheimnis entdecken? Denn sogleich würden sie ja wohl kaum bemerken, daß einer der großen Tonkrüge etwas anderes barg als Wein. Oder sollte Sachos schweigen? Wer wußte schon, was geschehen würde. Vielleicht ließ man ihn mit dem verborgenen Gefangenen ziehen, wenn er es geschickt anstellte. Vielleicht aber erwachte auch Nebussor gerade zur Unzeit und machte Lärm. Was dann? Am Ende würden ihn die Räuber gar für einen Spion halten und töten. Sachos befand sich in tausend Ängsten und Nöten und war so ratlos wie noch nie in seinem Leben, als er jetzt dem Räuberhauptmann gegenübertrat. Unterdessen war Roduras von seinem Felsen gestiegen und erwartete den gefangenen Weinhändler finsteren Blicks im Kreise seiner engeren Kumpane. Als er die Umrisse das Dicken erkannte, vermochte er sich eines Grinsens nicht zu erwehren. "Zündet Fackeln an, damit wir dieses Monstrum von einem Menschen ordentlich bei Licht besehen können", befahl er, "ich glaube beinahe, daß dieser Mann ebenso breit als hoch ist! Er gleicht fürwahr einer Tonne!" "Ich bin Sachos, der Weinhändler" erklärte der Dicke mit einem letzten Rest von Selbstbewußtsein, während die Räuber dem Befehl ihres Hauptmannes Folge leisten. "Bei allen Göttern, er stottert auch noch", dachte Roduros. "Dann fürchte ich, wird es eine langwierige Unterhaltung werden." "Ich habe keine Lust, mich mit dir zu -unterhalten", erklärte Sachos, "ich will wei-wei-weiter, ich muß noch diese Nacht hinauf in die Burg und es wird dir schl-sohle-ich meine, es wird dir übel ergehen, wenn du mich nicht sofort freiläßt. Tust du es aber, so will ich dem König nicht verraten, daß ihr mich belästigt habt." Sachos hatte sich diese Worte genau zurechtgelegt und er brachte sie beinahe ohne zu stottern vor. Er gab sich die größte Mühe, um bei dem Räuberhauptmann Eindruck zu machen. Roduros aber wußte dieses Bemühen keineswegs zu würdigen. Er lachte herzlich. "Deinen König fürchte ich ebensowenig wie dich selbst, ja ganz Griechenland schlage ich ein Schnippchen, wenn es sein muß." "Lassest du mich zie-zie-ziehen?" fragte Sachos unsicher. "Gewiß lasse ich dich ziehen", antwortete Roduros, "Nein was sollten wir mit dir fettem Rüsseltier schon anfangen? Glaubst du etwa, wir wollen dich braten?" "Braten? Nein!" schrie Sachos entsetzt. "Da-da-da-das würde euch schlecht bekommen!" "Das glaube ich auch", nickte Roduros, "du würdest uns im Magen hängen bleiben. Du kannst also ziehen. Aber nicht heute und auch noch nicht morgen." "Also übermorgen?" "Das kommt ganz auf dich an!" ".Auf mich? Ich möchte sofort, wewe-we-wenn es recht ist!" "Es ist da noch eine kleine Formalität zu erfüllen." "Eine Formalität?" "Ja. Du hast mein Gebiet betreten und bist mir also Tribut schuldig." "Wieviel verlangst du.?" "Laß sehen, was du bei dir hast." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Roduros griff nach Sachos Gürtel, um ihm den darin verborgenen Beutel abzunehmen, aber Sachos quiekte auf und tat einen entsetzten Satz zurück, so daß Roduros von seinem Beginnen abließ. "Durchsucht ihn und gebt mir alles, was er bei sich hat", befahl daraufhin der Hauptmann. Alles Klagen, Kreischen und Jammern half dem Dicken nichts. Nach ein paar Minuten war er seinen Geldbeutel los und Roduros ließ mit befriedigtem Grinsen Münze um Münze in seine gierigen Finger gleiten. Das gab jedesmal einen metallischen Klang, der Sachos sonst der süßeste aller Wohllaute war. Diesmal aber zuckte er bei jeder Münze zusammen und seine Miene wurde immer saurer. "Hast du denn noch nicht genug? Willst du mir alles nehmen?!" rief er schließlich, als der Räuber gar nicht einhalten wollte. Aber Roduros zählte alles durch, strich das Geld ein und sagte mit bedauernder, scheinheiliger Miene: "Es reicht nicht, mein lieber Sachos. Es ist nicht einmal ein Achtel von dem, was ich sonst für den Durchlaß durch dieses Gebirge zu fordern pflege und da du gar hinauf in die Königsburg willst, ist es natürlich noch teurer." "Wo soll ich denn noch Geld hernehmen?" jammerte Sachos verzweifelt, "ich habe nicht mehr bei mir!" "Ich kann aber deinetwegen keine Ausnahme in meinen Tarifen machen das wirst du einsehen", sagte Roduros spöttisch. "Es wird dir also wohl nichts anderes übrig bleiben, als an deine Angehörigen zu schreiben, damit sie dir das nötige restliche Geld schicken. Du brauchst dich deswegen nicht selbst zu bemühen. Wir werden einen Boten an die Adresse senden die du uns angibst. Du siehst, alles geschieht zu deiner Bequemlichkeit." Und nun trat der Räuber einen Schritt näher und senkte seine Stimme zum drohenden Flüsterton. "Solltest du uns aber dafür keinen Dank wissen und uns etwa in eine Falle locken oder betrügen wollen, dann ist dein Leben verwirkt." "Oh, oh", jammerte Sachos. "Andernfalls geschieht dir überhaupt nichts. Du kannst sogar dein Fuhrwerk und deine Pferde wieder haben. Nur des Weines werden wir uns inzwischen annehmen. Man soll solche Weine nicht zu lange stehen lassen, das schadet ihrer Qualität. "Aber das schadet ihm überha-hahaupt nichts!" rief Sachos. "Sei still, von Weinen verstehe ich mehr als du. Du kannst von mir noch etwas lernen. Und nun schaffen war dich hinauf in unser Räuberlager. Damit du denn Weg nicht siehst, werden wir dir jetzt die Augen verbinden. Es ist zwar ohnehin stockdunkel, aber sicher ist sicher!" Vergeblich zermarterte Sachos sein Gehirn, um einen Ausweg zu finden. Er konnte sich noch immer nicht dazu entschließen, sein Geheimnis, den gefangenen Nebussor zu verraten. Zwei der Räuber packten ihn und umwickelten seinen Schädel mit einem Tuch. Sachos merkte, daß es über Stock und Stein steil bergauf ging. Einigemal hörte er auch das unwillige Wiehern seiner Pferde und dann ein verdächtiges Splittern. "Schnell... Eine Amphore ist zerbrochen!" rief einer. "Der Wein fließt aus!" "So trinkt ihn meinetwegen!" gab Roduros zurück. Sachos rang im Geiste die Hände. "Vorwärts mit dir, Dicker", hieß es aber gleich wieder und eine Lanzenspitze kitzelte ihn im Rücken, so daß es Sachos für angezeigt fand, sogleich wieder seinen guten Willen zu beweisen. Schnaufend stolperte der Dicke weiter. Die Binde um den Kopf behinderte nicht nur seine Sicht, sondern auch seinen Atem. Durch Brummen gab er seinem Unmut darüber Ausdruck, aber niemand kümmerte das. Endlich hielt die ganze Kolonne an. Jemand nahm ihm die Binde vom Kopf und ,Sachos holte erst einmal tief Atem. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"So, wir sind hier", erklärte Roduros. Und zu Sachos gewendet, fuhr er fort: "Du schreibst jetzt sogleich, was ich dir diktiere. Ich hoffe, du kannst schreiben." "Gewiß kann ich das:" "Dann setz dich hin und verfertige ein paar Zeilen. Schreibe: Ich, Sachos, benötige dringend 20 Beutel--" "Zwanzig Beutel?" rief Sachos entsetzt. "Scheint dir dass zu wenig? Gut, dann schreibe fünfundzwanzig...", lachte Roduros und diktierte weiter: "und bitte sie dem Überbringer dieses Schreibens sogleich mitzugeben. Nur so kann ich meine Freiheit wiedererlangen. Dann setze noch deinen Namen darunter. Und nun die Adresse, an wen soll der Brief gerichtet sein? Und an wen soll sich der Bote wenden?" Sachos hatte sich die Physiognomien der Banditen genau angesehen. Sein Verstand war rege genug, um ihn erkennen zu lassen, daß wohl kaum ein einziger dieser Räuber, den Hauptmann eingeschlossen, tatsächlich schreiben und lesen konnte. Man wollte ihn bluffen. Das Spiel war wohl schon oft genug gelungen. Sachos aber war gesonnen, alles auf eine Karte zu setzen. Fünfundzwanzig Beutel wollte er niemals riskieren, dann noch eher sein Leben. Sein Geiz und seine Habgier, die ihn ja eigentlich in diese schlimme Lage gebracht hatten, verliehen seinem Verstande Flügel. Sachos Griffel flog nur so dahin. Er kritzelte Zeichen um Zeichen. Schließlich reichte er das Geschriebene ohne dazu aufgefordert worden zu sein, Roduros. "Da lies, ob es richtig ist." Mit dieser Frage setzte er den Räuberhauptmann in nicht geringe Verlegenheit. Aus der Offenherzigkeit, mit der ihm der Gefangene das Schreiben hinhielt, schloß Roduros, daß dieser ihn nicht zu betrügen beabsichtige. Er tat daher, als lese er aufmerksam und meinte sodann gnädig: "Ja, ja, es ist alles in Ordnung. Wohin soll daß nun?" "Zu der Schenke am Ausgang der Schlucht." "Wie? Der Herbergswirt hat so viel Geld?" staunte Roduros. "Das nicht", wehrte Sachos erschrocken ab, "aber es ist jemand bei ihm, der deinen Boten mit sich nehmen kann." Roduros nickte begreifend. "Ich verstehe dich. Du hast recht. Für dich ist es das Beste, wenn du so rasch als möglich aus dieser Lage kommst." Er reichte das Schreiben einem der Räuber und dieser schwang sich sogleich auf sein Pferd. Nach wenigen Augenblicken war der Bote bereits im Dunkel der Nacht verschwunden. Hätte Roduros geahnt, welchen Inhalt Sachos Schreiben hatte, er wäre weit weniger vergnügt gewesen. * Als Nebussor aus seinem süßen Schlummer erwachte, merkte er, daß er sich in einer ganz außergewöhnlichen Lage befand. Er vermochte weder Arme noch Beine zu bewegen und hatte das Gefühl, einen engen Panzer zu tragen. Gerade nur sein Kopf war frei, aber auch dieser war mit einer übelriechenden Decke zugedeckt und außerdem merkte der kleine Perser, als er seinen Mund zu einem lauten Protestruf auftun wollte, daß diesem Unternehmen der Erfolg versagt bleiben würde. Er spürte nämlich im gleichen Augenblick den Knebel auf seiner Zunge. Die Summe dieser unangenehmen Entdeckungen machten Nebussor sogleich hellwach. Er fuhr förmlich in die Höhe und ein Stückchen aus seiner Amphore heraus.
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Er merkte, daß er in etwas Festem stak und unternahm den Versuch, sich unter Schnaufen und Brummen aus seinem engen, tönernen Gefängnis herauszuwinden. Dabei geriet die ganze Amphore ins Wanken und stürzte mit lautem Krachen vom Wagen, wobei sie beim Aufschlag auf die Felsen in tausend Splitter zersprang. Der Wachposten, der bei dem Wagen stand, stieß vor Schreck einen lauten Schrei aus und verschwand um die nächste Felskante. Nebussor fühlte sich plötzlich seiner engen Behausung ledig und wälzte sich, so rasch er konnte unter den Wagen, wo er sich zwischen den Rädern verkroch. Der abergläubische Posten, der an Spuk glaubte, hatte durch seinen Schrei die anderen Räuber auf den Plan gerufen. Sie erschienen mit Fackeln und sahen die zersplitterte Amphore. "Was ist geschehen?" fragte einer. "Keine Ahnung", gab der Posten zur Antwort. "Diese Amphore hier tat plötzlich einen Satz und sprang zu Boden." "Du bist wohl übergeschnappt" rief der Unteranführer, der gleichfalls herbeigeeilt war, "wie kann eine Amphore einen Satz tun! hast du etwa von dem Wein getrunken?" "Oh nein", beteuerte der Posten, "ich bin ganz und gar nüchtern, obgleich es eine schwere Versuchung für mich ist" "Diese Amphore war leer", stellte der Unteranführer fest. "Hoffentlich sind es nicht auch die anderen!" "Das müßte man probieren!" schlug jemand vor. "Ja, Roduros muß uns die Erlaubnis geben!" Da erschien Roduros in der Dunkelheit. "Was geht denn hier vor?" rief er unwirsch. "Deine Männer haben Lust, den Wein zu verkosten", meinte der Unteranführer. "Meinetwegen", genehmigte es der Hauptmann. "Aber hebt zwei Amphoren für mich auf, verstanden?" "Hauptmann, wir tragen sie am besten sogleich in deine Höhle. Da kannst auch du dich daran gütlich tun", schlug der Unteranführer vor und unter lautem Jubelgeschrei wurden die beiden Amphoren vom Wagen gehoben und in die Höhle gebracht. Unterdessen machten sich die übrigen Mitglieder der Bande sogleich über den Wein her. Sachos hörte von weitem unter Schaudern, wie sie schmatzten und gröhlten und berechnete im Stillen seinen Verlust. "Sie werden es bi-bi-bi-bitter bereuen", tröstete er sich, "das hei-,heiheißt, wenn der Bote an den richtigen Mann kommt." Einer nach dem anderen glitt betrunken neben dem Wagen nieder. Nebussor, der sich eng an die schützenden Wagenräder gedrückt hatte, welche wie damals üblich, keine Speichen hatten, sondern aus zwei kompakten Holzscheiben bestanden, wagte sich nun aus dem schützenden Dunkel hervor und tastete mit den gefesselten Händen nach dem Gewande eines der betrunkenen Räuber. Schließlich hatte er gefunden was er suchte: ein Messer. Mit diesem schnitt er sich die Fesseln auf und als er sich so weit befreit hatte, konnte er sich endlich den Knebel aus dem Munde nehmen. Er stieß einen erleichterten Seufzer aus. "Wenn ich nur wüßte, wo ich hier bin? Ganz sicher nicht im fernen Persien!" Vorsichtig blickte er sich nach allen Seiten um. Da standen oder lagen einige wild aussehende Männer. Sie tranken Wein oder waren bereits betrunken. "Scheußlich", fand Nebussor. "Sicher haben mich diese schlechten Menschen überwältigt. Was war doch nur gleich? Richtig, ich wollte doch mit einem Reisenden aus Persien (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
sprechen! Ich hoffe doch nicht, daß sie diesen gleichfalls gefangen genommen haben!" Er beschloß, sogleich Nachschau zu halten und kroch unter dem Wagen hervor. Sich immer in der Deckung der Felswände haltend, gelangte er auf diese Weise bis zur Höhle des Räuberhauptmanns, ohne von jemandem bemerkt worden zu sein. * Der Bote Roduros strengte sich an. Trotz der Dunkelheit nahm er seinen Weg so schnell als möglich und das war für ihn nicht weiter schwierig, weil sowohl er als auch sein Pferd jeden Weg und Steg und jeden Stein im Wege auf dieser Strecke kannten. Es war gegen drei Uhr morgens, als er vor der Schenke anlangte und von dem schäumenden Pferd sprang. Er pochte wild gegen das nun fest verschlossene Tor und als der verschlafene Wirt endlich sichtbar wurde, stieß er ihn in den Raum hinein und hielt ihm Sachos Schreiben vor die Nasse. "Du bist doch der Herbergswirt hier", herrschte er ihn am. "Ich komme von Sachos und habe dieses Schreiben für dich." "Ich - ich kann es doch gar nicht lesen bei dieser Dunkelheit!" rief der erschrockene Wirt. "So zünde ein Licht an wenn es dir zu dunkel ist, Tölpel!" "Bei Licht kann ich ebenso wenig lesen", bekannte der Herbergswirt. Da regte es sich hinter ihm. "Von Sachos?" Es war Klytemnestras Stimme. Sie fragte es sehr verwundert. "Ja, richtig, Sachos? Ja ist er denn fort?" rief auch der Wirt erstaunt. "Ich dachte doch, sein Gespann stünde noch hier!" "Sperre die Augen auf, hier steht nichts als ich und mein Pferd", erklärte der Räuber ungeduldig, "nun mach endlich Licht und lies, was Sachos da geschrieben hat. Du sollst ihm Geld schicken und zwar gleich!" "Geld?" Nun war der Wirt zu Tode erschrocken. Es schwante ihm Schlimmes. Er lief in die Schenke, um eine Fackel zu entzünden. Das weckte Torgo, Jargo und Bethseba auf. "Was ist denn los?" fragte Jargo. "Und wo ist Nebussor?" "Nebussor? Keine Ahnung, ich habe ihn nicht gesehen, aber Sachos ist weg und braucht dringend Geld", antwortete der Wirt konfus. Nun trat der Abgesandte Roduros in den Raum, der vom Licht der Fackel notdürftig erhellt wurde. Er hielt Sachos Tafel in seiner erhobenen Rechten. "Also", fragte er, "wer kann hier lesen? Es geht um Sachos Leben!" Torgo erhob sich. "Ich werde es lesen", entbot er sich, nahm die Tafel und entzifferte das Schreiben des Weinhändlers. Ich bin in eine Falle geraten. Ich befinde mich in den Bergen unweit der Burg in der Gewalt des Räuberhauptmannes Roduros. Er verlangt von mir als Lösegeld 25 Beutel Gold. Aber die soll er niemals erhalten. Kommt und befreit mich! Auch der kleine Perser befindet sich in Gefangenschaft. Sachos. Als Torgo gelesen hatte, schaute er finsteren Blicks auf den Räuber. Das Schicksal von Sachos ging ihm weniger nahe, aber mit Nebussor war das schon eine andere Sache. "Mein Freund und ich kommen mit dir!" sagte er. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Das ist nicht nötig", entgegnete der Räuber. "Gib mir das Geld mit und Sachos wird wiederkehren." "Und der andere?" "Welcher andere?" Der Räuber sah ihn erstaunt an. "Nun, der kleine Perser?" "Von einem kleinen Perser weiß ich nichts." Das klang aufrichtig. Und doch glaubte ihm Torgo nicht. Hier stand es schwarz auf weiß, daß auch Nebussor in Roduros Gewalt sei. Und Nebussor war spurlos verschwunden! Torgo trat einen Schritt zurück und warf Sachos Schreibtafel fort. "Zieh dein Schwert", forderte er den Räuber grimmig auf "und du wirst sogleich deinen Lohn erhalten!" Der Abgesandte Roduros war über diese Wendung der Dinge überrascht. Auf Widerstand war er nicht gefaßt gewesen. Aus diesem Grunde wartete er gar nicht ab, bis Torgo sein Schwert selbst gezogen hatte, sondern sprang ihn an. Aber Jargo hatte seine Absicht rechtzeitig erkannt und stellte ihm ein Bein, so daß der Räuber mit lautem Gepolter zu Boden krachte. Im nächsten Augenblick waren Torgo und Jargo über ihm. Während die Umstehenden und namentlich Bethseba und Klytemnestra erschrocken zurückwichen, entspann sich ein kurzes, heftiges Handgemenge. Das Ende war leicht vorauszusehen und es trat auch bald genug ein. Der Räuber wurde gebunden und schnaufte wütend: "Das wird Sachos mit dem Leben bezahlen! Ihr habt ihn umgebracht! Schreibt es euch zu, wenn er sterben wird! Glaubt ja nicht, daß Roduros das ungestraft mit seinem Boten geschehen läßt!" "Wer ist denn dieser Roduros?" fragte Torgo spöttisch. Aber er sah, wie die Fackel in der Hand des Herbergswirtes zitterte. "Herr, Roduros ist der mächtigste Räuber des Landes", erklärte der Wirt "und ich fürchte, du hast großes Unheil über Sachos und auch über mein Haus gebracht. Denn es ist so, wie dieser Mann sagt. Roduros duldet keinen Widerstand und wenn ihm welcher entgegengebracht wird, so kennt er keine Gnade." "Da, höre, was der Herbergswirt zu sagen weiß", trumpfte der Räuber auf. "Er kennt Roduros. Ihr aber werdet ihn kennen lernen. Ich sage euch, laßt mich sofort frei, damit ich ein gutes Wort für euch einlege." Torgo und Jargo lachten. "Wenn dieser Roduros ein solches Großmaul ist wie du, dann ist er nicht zu fürchten." "Was wollt ihr beide gegen eine ganze Räuberbande ausrichten?" fragte der Wirt zitternd. "Kommt zur Vernunft und gebt diesen Mann frei, es ist für uns alle das Beste!" Torgo schüttelte den Kopf. "Ich wollte ihn in das Hauptquartier von Roduros begleiten, aber er hat es abgelehnt, mich freiwillig dorthin zu bringen. Nun gut, wenn er es nicht aus freien Stücken tun will, dann muß ich wohl oder übel Gewalt anwenden. Wir fürchten diesen Roduros nicht. Los Bursche, du bringst uns jetzt zu deinem Hauptmann Großmaul. Und wenn du uns unterwegs zu entfliehen versuchen solltest, wird es dir nicht gut bekommen. Der Räuber erhob sich und fletschte die Zähne. "Ich und entfliehen?" lachte er. "Ich denke gar nicht daran. Ich will es erleben, wenn ihr von Roduras in kleine Stücke geschnitten und wie Hammelkeulen gebraten werdet." "So schlimm wird es ja wohl nicht werden", meinte Jargo spöttisch. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Führe keine großen Reden, sondern komm mit", forderte Torgo den Räuber auf. Draußen stand das Pferd des Räubers. Torgo setzte sich darauf. "He, das ist mein Pferd!" schrie der Gefangene. "Es wird dir nichts schaden, wenn du ein bißchen zu Fuß läufst, das erhält jung!" erklärte Jargo und stieß den Mann vor sich her. "Los, gib die Richtung an!" Die in der Herberge Zurückbleibenden sahen die drei Männer mit großer Sorge verschwinden. * Nebussor war vor der Höhle des gefürchteten Roduros angelangt, ohne daß ihn einer der Banditen entdeckt hätte. Sie waren alle so betrunken, daß sie nicht mehr auf ihre eigene Sicherheit achteten. Möglicherweise fühlten sie sich aber auch so sicher in ihrer Macht und dachten nicht daran, daß jemand es wagen könne, ihnen ein Schnippchen zu schlagen. Aus dem Inneren der Höhle - es handelte sich um einen schmalen Einschnitt im Felsgestein drang der rötliche Schein eines Feuers. Nebussor sah sich vorsichtig um und wagte dann noch einen Schritt, als er sich leise beim Namen gerufen hörte. "He, Nebussor!" Der Kleine erstarrte in seiner Bewegung und hielt sich mäuschenstill. Er war zu Tode erschrocken. Wer in aller Welt kannte hier seinen Namen? "He, Nebussor", klang es noch einmal und dann erkannte er einen dicken Mann, der in der Nähe der Höhle gefesselt auf dem Boden lag. "Sachos!" entfuhr es ihm erstaunt. "Wie kommst du hierher?" "Auf die gleiche Weise wie du. Sie haben mich überfallen, gerade, als ich dabei war, den fremden Perser zu suchen." "Und ist dieser vielleicht auch hier?" "Nein, wir beide ganz allein. Er ergriff noch rechtzeitig die Flucht. Glüglü-glüglücklicherweise!" "Zu dumm! Und ich habe mich schon so darauf gefreut, etwas Neues aus Persien zu hören." "Dazu ist jetzt keine Zeit. Komm und knüpfe mir die Fesseln auf. Wir müssen sehen, daß wir von hier verschsch-schwinden." "Das ist gewiß. Doch sei still, erst möchte ich noch sehen, was in dieser Höhle drin ist." "Ge-gehe nur ja nicht da hinein, da drin sitzt der Hauptmann der ganzen Bande. Er heißt Ro-ro-roduros." "So? Na, dann werde ich diesem Mann einmal beibringen, wie er sich demgegenüber zu benehmen hat, dessen Wiege im fernen Persien stand!", "Haha-ha-halt! Du willst mich doch nicht etwa hier liegen lassen?" "Bis ich wiederkomme, liegst du gut." "Aber du ko-ko-ko-kommst ja niemals wieder!" "Das wird sich erst noch herausstellen", erklärte Nebussor und verschwand nach der Höhle hin. "Der Ke-kerl ist verrückt", stöhnte Sachos, "der A-a-aufenthalt in den Wed-weinkrug hat seine Sinne benebelt!" Er versuchte verzweifelt von seinen Fesseln freizukommen, aber es gelang ihm nicht. Nebussor hatte indessen die ersten Schritte in das Innere der Höhle getan, die nach kurzer Zeit einen scharfen Knick machte. Jetzt hörte er das Prasseln des Feuers ganz deutlich und es wurde auch merklich heller. Nebussor bewegte sich mit aller Vorsicht und war bestrebt, kein Geräusch zu verursachen.
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Als Nebussor sich vorsichtig noch ein wenig weiter vor wagte, sah er Roduros, wie er gerade eine Schale mit Wein zum Munde führte. Laut schmatzend genoß der Räuber das Getränk mit sichtlichem Behagen. Auch er stand augenblicklich nicht mehr ganz fest auf den Beinen. Aber Nebussor sah sehr wohl, daß dies ein Gegner war, mit dem man noch rechnen mußte. "Geduld, Geduld", murmelte Nebussor, "nur noch ein Weilchen und auch du bist reif." Er zog sich zurück bis zu Sachos, der ihn schon ungeduldig erwartet hatte und begann, seine Stricke aufzuknoten. * Mittlerweile hatte der Prinz die "Werkstatt der Zyklopen" erreicht. "Von hier aus ist es nicht mehr weit", grinste der Räuber, "es führt ein schmaler Pfad nach oben. Ich wünsche dir viel Vergnügen zu dem Empfang, den man dir bereiten wird." Er rechnete mit den Posten, die Roduros hier sonst immer aufzustellen pflegte und die sich auch heute wie stets dort befanden, nur mit dem Unterschied, daß man sie jetzt nur in horizontaler Lage hätte antreffen können, in der sie ihren Rausch ausschliefen. Torgo stieg vom Pferd und führte das Tier am Zügel. Jargo drückte dem Räuber die Spitze des Messers leicht in den Rücken und knurrte bedrohlich: "Kein Laut jetzt!" Das besagte genug. Der Räuber verstand und gehorchte zähneknirschend. Die drei Männer stiegen aufwärts. Im Osten färbte sich bereits der Himmel hell. Der Räuber wunderte sich. Die Posten ließen das vereinbarte Zeichen nicht hören - den Eulenruf. Irgend etwas stemmte da nicht. Langsam wurde dem Burschen mulmig zumute. Nun erreichten sie einen der Orte, an denen Posten aufgestellt waren. "Da!" zischte Jargo. "Dort vorn liegt einer auf der Erde Herr." Der Räuber erschrak. "Man wird doch nicht etwa unser Lager überfallen haben?" murmelte er. Torgo war mit einem Sprung bei dem am Boden Liegenden und untersuchte ihn. Er hob den Schädel des Räubers auf, der sich mit einem unwilligen Laut auf die andere Seite drehte. "Der Kerl ist betrunken", stellte Torgo fest. Und zu dem Gefangenen gewendet, fuhr er fort: "Das also ist die gefürchtete Bande deines berühmten Roduros? Siehst du nun wohl ein, daß man nicht viel Respekt vor ihr zu haben braucht? Jargo, fessele auch diesen da und folge uns dann, ich gehe schon inzwischen voran." Er übernahm selbst den Gefangenen und während sich Jargo um den Posten kümmerte und ihn mit Stricken unschädlich machte, setzte Torgo seinen Weg fort. Sie erreichten das Räuberlager. Dort bot sich ihnen ein merkwürdiger Anblick. Das erste was sie sahen, war das Gefährt von Sachos. Vor diesem lagen, fein säuberlich nebeneinander gelegt, sämtliche Mitglieder der Bande. Sie alle schliefen und waren so gefesselt, daß sie beim Aufwachen keinen Widerstand leisten konnten. "Da kannst du dich gleich dazulegen", meinte Torgo zu seinem unfreiwilligen Reiseführer. Indessen kam Jargo. "Was ist hier los?" staunte er. Da ertönte vorne bei der Höhle, ein schreckliches Geheul. Gleich darauf kam Sachos, wie aus einer Kanone geschossen, über den Platz gerannt. "Hi1hi=hilfe", schrie er, "er ist hinter uns her!" Hinter ihm kam ein kleines Männchen dahergeflitzt, stolperte über seine Toga und wäre beinahe hingefallen, wenn Jargo ihn nicht aufgefangen hätte. "Nebussor!" rief Jargo erstaunt.
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"Gewiß, der bin ich! Ein Glück, daß ihr kommt, Roduros wütet. Wir wollten auch ihn gefangen nehmen, aber der Kerl ist nicht kleinzukriegen." Wieder ertönte das schauerliche Wutgeheul und dann erschien Roduros selbst auf der Bildfläche. Er wankte, aber der Rausch hatte ihm nur neuen Auftrieb gegeben. Er tobte und schäumte vor Wut, daß es jemand gewagt hatte, ihn aus seinem Schlaf zu stören, in den er nach Nebussors heimlichem Besuch gefallen war und noch dazu mit der Absicht, ihn in Fesseln zu legen. "Zwerg", schrie Roduros und kreischte mit den Zähnen, "Zwerg, wo bist du, ich zermalme dich!" Er streckte beide Arme aus, als wollte er seine Worte wahr machen und bot dabei wirklich einen furchterregenden Anblick. Torgo trat ihm entgegen. "Wer bist du?" fragte Roduros. "Gehr mir aus dem Weg! Ich kenne dich nicht. Und überhaupt, wie kommst du hierher? Bist du ein Gefangener?" "Nein, aber du wirst bald einer sein, Roduros. Deine Schreckensherrschaft in diesen Bergen ist zu Ende." Roduros erkannte jetzt in Torgo einen neuen Gegner. "Du wagst es, mir entgegenzutreten?" schrie er und seine Augen schimmerten grünlich vor Wut. Im fahlen Licht des aufkommenden Tages maßen sich die beiden Männer drohend. "Ja, ich wage es", antwortete Torgo. "Zieh dein Schwert und verteidige dich." Roduros wich einen Schritt zurück, während Torgo sein Schwert aus der Scheide zog. Hinter Torgo waren nun auch Nobussor und Sachos, der sich wieder hinter seinem Wagen hervorgewagt hatte, aufgetaucht. Jargo stand Torgo zur Seite. "Ich kämpfe nur gegen einen zur gleichen Zeit", lallte Roduros. "Feigling", antwortete ihm Torgo, "gebrauche keine Ausflüchte. Niemand hat dir zugemutet, gegen diese Männer zu kämpfen. Du hast dich mir zu stellen und sonst niemandem. Schlage ich dich, so bist du mein Gefangener." "Ich werde dich töten" knurrte Roduros drohend, "ich schlage dir den Kopf ab oder bohre dir mein Schwert in das Herz, wenn du unterliegst." "So weit wird es nicht kommen" lachte Torgo spöttisch. "So sei es", antwortete Roduros. "Ich kenne dich zwar nicht, doch du scheinst ein mutiger Mann zu sein. Vielleicht wären wir Freunde geworden, wenn du mir nicht auf diese Weise entgegen getreten wärest." "Mit einem Räuber schließe ich keine Freundschaft", sagte Torgo. "Ich war nicht immer Räuber, Fremder. Die Verhältnisse haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Doch nun laß uns nicht mehr viele Worte wechseln und schreiten wir zum Kampf. Es gilt auf Leben und Tod. Siegst du, so nimm mir das Leben, denn wenn ich gewinne, so fordere .ich deins." Auch Roduros zog nun das Schwert. Man sah, daß die Wirkung des Weines sichtlich von ihm wich. Er nahm sich zusammen und gewann wieder einen klaren Kopf. Zwar spürte er noch eine gewisse Schwere in seinen Gliedern, aber er stand fest auf seinen beiden Beinen und erwartete Torgos Angriff.Sie umkreisten einander mit gezogenen Schwertern, um den richtigen Zeitpunkt zu einem überraschenden Angriff zu finden. Hie und da wagte der eine eine Finte, aber die Schwerter berührten einander nur mit kurzem, hellem Klange, um sogleich wieder von einander abzuprallen.
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Nebussor und Sachos standen nebeneinander. Beide waren aufs Höchste gespannt und aufgeregt. "Ist es nicht besser wir verduften gleich?" schlug Sachos zitternd vor. "Zwar ist, wie ich sehe, mein Schreiben in die richtigen Hände gelangt, aber ich hatte nicht gerechnet, daß deine Freunde allein kommen würden. Ich dachte mir, sie würden die Krieger des Königs verständigen. Und nun tritt dieser To-To-Torgos ihm allein im Kampf gegenüber. Wa-was wird aus uns, wenn er verliert?" Diese Frage war nicht ganz unberechtigt. "Die Möglichkeit, die Krieger des Königs zur Hilfe zu rufen, haben wir nicht", erklärte ihm Nebussor. "Aber sei beruhigt, er wird gewinnen das scheint mir gewiß und sollte es doch nicht der Fall sein, dann bin immer noch ich da, ein Mann dessen Wiege im fernen Persien stand..." "Und dessen Grab dann in Griechenland gelegen sein wird", vervollständigte Sachos mit einem Blick zum Himmel. "Si-si-siehst du denn nicht, daß du ihm nicht gewa-gewachsen sein würdest? « "Haben wir denn nicht bereits seine ganze Bande besiegt?" brüstete sich Nebussor. "Ja, als sie im Rausch lag", brummte Sachos. Unterdessen nahm der Kampf der beiden nunmehr ernstere Formen an. Roduros ging wütend auf Torgo los. Aber Torgo war im Kampf geübt und wich geschickt aus, so daß das Schwert des Räubers durch die Luft zischte ohne Torgo Schaden zuzufügen. Und da, der erste Hieb Torgos traf krachend den harten Stahl. Die Funken stoben. Roduros spürte die Wucht des Hiebes und wankte. Er faßte sich schnell wieder und stemmte sich mit der Ferse gegen den Fels. Torgo parierte seinen nächsten Hieb. Die Klingen schliffen aneinander bis sich die Hefte der Schwerter berührten. Dicht standen die beiden Männer einander gegenüber. Ihre Muskeln waren gespannt und ein jeder spürte den heißen Atem des anderen. Ihre Blicke bohrten sich ineinander. Wieder sprangen sie voneinander zurück und gingen nach kurzem Geplänkel von neuem aufeinander los. "Ich werde dich töten", zischte Roduros drohend. "Rede nicht, sondern kämpfe lieber", antwortete Torgo die Hiebe, die Roduros mit seinem Schwert austeilte parierend. "Ich hätte gar nicht nötig, mit dir zu kämpfen. Deine Bande ist wehrlos und wir könnten dich leicht überwältigen. Aber es ist nicht meine Art, einen einzelnen Mann von meinen Leuten niederwerfen zu lassen." Hell klang Stahl auf Stahl. Der Schweiß stand den beiden Kämpfern in hellen Tropfen auf der Stirn. Das Gewicht der Schwerter und die Wucht der gegnerischen Hiebe erforderten die Aufbietung ihrer ganzen Kraft. Und während des aufregenden Zweikampfes stieg die Sonne höher und höher über den Bergen herauf und tauchte die Burg des Königs in ihren strahlenden Schein. Und da, plötzlich flog Roduros Schwert in hohem Bogen davon, polterte hinab in den Abgrund. Verdutzt stand der Räuber und sah dem Schwerte nach. Torgo hätte ihn jetzt leicht niedermachen können. Er unterließ es aber und schob mit einem verächtlichen Blick sein Schwert in die Scheide. Nun erst besann sich Roduros. Die Röte seines Zornes wich der Verlegenheit. "Du hast mich besiegt", sagte er mit heiserer Stimme, "nun bin ich wehrlos. Stoße mich nieder." "Ich töte keinen Wehrlosen", sagte Torgo kalt. "Es genügt, daß du ohne Waffe vor mir stehst und dein Schwert unten im Abgrund liegt." "Du bereitest mir die tiefste Schande." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Du wirst es überleben. Meine Freunde gehen mit mir. Du aber versprich mir, aus dieser Gegend abzuziehen und friedliche Wanderer künftig in Frieden zu lassen." Roduros blickte finster zu Boden. "Ich bin der Sohn eines geachteten Mannes, den man zu Unrecht beschuldigte eine üble Tat begangen zu haben. Der Henker des Königs hat meinen Vater gemordet. Ich habe dem König deshalb blutige Rache geschworen." "Deine Fehde mit dem König trägst du aber auf dem Rücken unschuldiger Menschen aus." "Was soll ich tun? Auch ich stand bereits unter dem Galgen. Freunde haben mir geholfen, so daß ich mich befreien konnte. Ich habe auf den Tag der Rache gewartet. Nun ist er nahe. Der König, mein Todfeind, ist dort oben in seiner Burg. Er wird sie nicht lebend verlassen." "Ich sagte dir bereits, daß mich deine Fehde mit König Telaus nichts angeht. Versprich mir aber, künftig keine friedlichen Reisenden zu überfallen." "Du verlangst viel von mir. Wir müssen leben. Wir alle sind Flüchtlinge." "Das ist kein Grund für euch, vom Raub zu leben", sagte Torgo finster. Roduros trat vor und reichte Torgo die Hand. "Ich erkenne deine gute Absicht", sagte er "und es ist schon viel für mich, daß du meinem Wort trauen willst. Ich gebe es. Ich will in Hinkunft friedliche Reisende nicht mehr belästigen." "Dann habe ich mein Ziel erreicht", sagte Torgo befriedigt. "Deine Spießgesellen kannst du selbst befreien Roduros. Sie mögen nachher in der Schlucht nach deinem Schwerte suchen." Roduros brummte unwillig und ging zu seinen gefesselten Männern, während Torgo zu seinen Freunden trat. "Na, was habe ich dir gesagt, Sachos?" fragte Nebussor den dicken Weinhändler. "Torgo schafft es. Für ihn war es eine Kleinigkeit, Roduros zu besiegen." "Ku-ku-kunststück, nachdem Roduros vorher meinen Wein getrunken hatte", erklärte Sachos achselzuckend. Da tauchte Roduros nochmals auf. "Du kannst dem König jetzt nichts mehr liefern", sagte er zu Sachos, "aber wenn du trotzdem noch hinauf in die Burg willst, dann melde es ruhig, daß alle Wege besetzt sind. Niemand kann hinauf oder herab, ohne daß ich es will. Der König mag sich mir freiwillig zum Zweikampf stellen, so wie vorhin Torgos. Ich will meine Rache haben. Tut er es nicht, dann hungern wir die Burg aus und es ist das Ende aller, die da oben sind." "Ich we-we-werde es ausrichten", antwortete Sachos furchtsam. Roduros kehrte zu seinen Kumpanen zurück, um sein Werk zu vollenden. Sachos nahm seine Pferde beim Zügel und brachte seinen Wagen in Gang. Torgo, Jargo und Nebussor folgten ihm bergabwärts. Als sie sich umwandten, sahen sie, wie ihnen Roduros nachblickte. "Ein sonderbarer Mann", meinte Jargo. "Sicher hat auch er ein ungewöhnliches Schicksal hinter sich", pflichtete Torgo bei "und dennoch entschuldigt ihn das nicht. Ein aufrechter Mann bleibt stets auf dem Pfade des Rechts und der Gerechtigkeit." Schließlich waren sie auf der Talsohle bei den Zyklopensteinen angelangt. "Hier trennen sich nun unsere Wege, Sachos", meinte Torgo zu dem Weinhändler. "Ja, leider", antwortete der verlegen. "Ei-eigentlich frage ich mich, was ich jetzt in der Burg noch soll, da ich meinen ganzen Wein ohnehin los geworden bin. E-etwas a-a-anderes wäre es freilich, wenn mich Ne-ne-nebussor mit hinauf begleiten würde. Der Pe-perser hat gesagt, daß er in die Burg will. Wahrscheinlich könnte Nebussor ihn dort antreffen." "Du würdest, nur um Nebussors willen, mit dem leeren Karren hinauf in die Burg fahren?" fragte Torgo mißtrauisch, dem schon die ganze Geschichte, die ihm Sachos und Nebussor (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
auftischten, nicht gefallen hatte. "Wa-warum nicht?" fragte Sachos scheinheilig. "Das glaube ich dir nicht", erklärte Torgo rundheraus. "Da steckt etwas dahinter. Wie kam Nebussor überhaupt hierher in das Räubernest, du weißt es Sachos. Gib ehrliche Antwort!" "I-ich sagte es ja schon, die Räu-räuräuber haben uns überfallen", sagte Sachos ängstlich. "Stimmt das, Nebussor?" "Davon weiß ich nichts. Sachos holte mich ins Freie, um mich mit dem Perser bekannt zu machen das ist gewiß. Dann gab er mir auch noch Wein zu trinken. Und dann weiß ich von nichts mehr." Torgos Miene verfinsterte sich. "Sachos, das ist sehr verdächtig", erklärte er. "Du verbirgst mir die Wahrheit. Du selbst hast Nebussor unschädlich gemacht und dann kamen die Räuber dazwischen und verhinderten die Ausführung deines Planes. Ist es nicht so? Sag die Wahrheit, ehe ich andere Mittel anwende, um sie von dir zu erfahren!" Drohend kam Torgo auf Sachos zu. Dieser erbleichte. "Ja, es ist so", gab Sachos kleinlaut zu. Die Angst vor Torgo ließ ihn beben. "Wer hat dich dazu bestochen, Nebussor in die Burg zu bringen und zu welchem Zweck?" "Die Königin selbst hat mir eine hohe Belohnung geboten für den Fall, daß ich ihr den Zwerg herbeischaffe." "Nif-Iritt?" "Ja, Ni-ni-ni - - oder so ähnlich heißt sie wohl." Torgo runzelte die Stirn. "Höre, Sachos, du kehrst jetzt mit uns unverrichteter Dinge um. Du wirst nicht in die Burg gehen und auch niemandem sagen, daß du Nebussor getroffen hast. Ich weiß nicht, was die Königin mit meinem Freunde vorhat, aber ich fürchte, es ist nichts Gutes." "Oh", antwortete Sachos, "was sie mit ihm vo-vo-vorhat, weiß ich wohl. Sie trug mir auf, wenn Nebussor nicht mitkommen wolle, es selbst von ihm in Erfahrung zu bringen." "Und was ist das?" "Sie wollte wissen, wie es einem gewissen Prinzen Torgo - Torgo - Torgo - oh, sage mir, nennst du dich nicht selbst so ähnlich? Bist du es etwa, nana-nach dem sich die Kö-kö-königin erkundigt?" "Über mich also wollte sie ihn ausfragen", sagte Torgo leise. "Sie dürstet nach Rache." "Da-davon weiß ich nichts." "Sie ist schlau, mich kennt hier niemand, aber Nebussor hat man wohl erkannt und auf dem Wege über ihn wollte sie deinen jetzigen Aufenthalt in Erfahrung bringen Herr", pflichtete auch Jargo bei. "Herr, wir müssen uns vor dieser Frau hüten. Sehen wir zu, daß wir so rasch als möglich aus dieser Gegend kommen." Sachos fuhr wohl oder übel mit Torgo und Jargo zurück zu der Herberge, wo sie bereits von Klytemnestra und Bethseba voll Sorge erwartet wurden. Während dieser Zeit des Wartens hatte Klytemnestra mit Bethseha gesprochen. "Bethseba, du sagtest mir, daß du zu Torgo gleich einer Schwester stündest." "So ist es. Wir haben keine Geheimnisse voreinander." "Dann ist es mir recht, wenn du ihm etwas sagst, was mir sehr am Herzen liegt." "Was ist es? Sage es mir und ich will deinen Wunsch gern erfüllen." "Vielleicht weiß Torgo nicht, daß euch der kleine Perser gefährlich ist. Von ihm glaubt man nämlich, daß er eine schreckliche Krankheit verbreite. Wäre es nicht zweckmäßiger, ihr würdet euch von ihm trennen?" Bethseba lachte. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Nein, Klytemnestra, diese Lüge dichtet man uns allen an. Keiner von uns ist krank. Wir haben uns nur eines Sterbenden angenommen. Ob durch ihn der Keim der Krankheit auf das Schiff und von da an Land gebracht wurde, oder ob es vielleicht die Erdbeben und Flutkatastrophe, die eure Küste heimsuchte war, welche zu ihrem Entstehen beitrug, wissen wir nicht. Wir jedoch sind gesund und wollen den Herrn bitten, daß er uns am Leben läßt." "Welchen Herrn?" fragte Klytemnestra erstaunt. "Gott, welcher der Vater aller Menschen ist und der Herr über unser aller Leben. Ihn bitte ich." "Ist dies ein unbekannter Gott, Bethseba?" "Nein, Klytemnestra. Du magst ihn vielleicht nicht kennen, aber du fühlst ihn und er offenbart sich dir ebenso wie mir. Im kleinsten Sandkorn, auf welches dein Fuß tritt, offenbart sich seine Größe so wie in der Sternen am Himmel. Alles ist sein Werk.""Du mußt mir, wenn wir einander einmal wiedersehen sollten, mehr von diesem Gotte erzählen. Ich glaube, es würde auch Solon interessieren, von ihm zu erfahren. Solon ist ein weiser Mann. Er hat viele große Gedanken, denen ich gar nicht zu folgen vermag." Bethseba nickte stumm... * Wie freuten sich alle, als Torgo, Jargo und auch der dicke, stotternde Sachos, welcher mit dem gegen ihn aufgebrachten Nebussor in eine eifrige Debatte verwickelt war, heil und gesund auftauchten. "Ihr habt doch nicht etwa über Roduros einen Sieg davongetragen?" fragte der Herbergswirt erstaunt. "Das wäre eine Tat, von der sich noch Kinder und Kindeskinder erzählen würden!" "Do-do-doch", erklärte Sachos, "und der Hauptsieg ist mei-mei-meinem Wein zu verdanken. Du-du solltest gleich noch we-we-welchen bestellen. Es i-ist ein Wein, welcher sogar Räuber umwirft." "Vorläufig bin ich mit Wein versorgt", wehrte der Wirt ab. "Aber du mußt es mir genau erzählen." "Schön, ich Blei-blei--bleibe noch ein wenig. Diese Herren aber wollen schon weiter. Sie haben es ei-eilig, aus der Nähe der Königsburg zu kommen." "So ist es", erklärte. Torgo. "Bethseba, mach dich bereit. Lebe wohl, Klytemnestra und grüße Solon von uns. Wir danken dir für deine Hilfsbereitschaft." Sie trat zu ihm und drückte ihm die Hand. "Lebe wohl, Torgo", sagte sie leise. "Der Friede sei auf deinen Wegen. Vielleicht erinnerst du dich zuweilen an Solons Haus." "Und auch an dich Klytemnestra", versprach er ihr. Das Pferd des Räubers hatte Torgo als Beute behalten. Er hieß Bethseba sich auf dessen Rücken zu setzen, nahm es selbst am Zügel und dann machte sich die kleine Karawane wieder auf den Weg. Kaum waren sie außer Sichtweite, als sich Sachos an den Herbergswirt wandte. "Kannst du dir vorstellen, welchen Weg sie nehmen?" fragte er. "Ja", antwortete dieser. "Sie werden durch das östliche Tal wandern." "Dann halte du Klytemnestra einstweilen unter einem Vorwand fest. Ich will nicht all-all-" "Nun, was denn?" drängte der Wirt. "A-a-alle Strapazen umsonst auf mich genommen haben. Nun will ich auch meinen Lohn dafür. Deshalb gehe ich jetzt hi-hinauf zur Burg." "Aber die Räuber!" "Die fü-fü-fürchte ich nicht. Roduros hat versprechen müssen, keinem friedlichen Wa-wa-wanderer mehr zu überfallen. Außerdem gab er mir eine Botschaft für den König mit auf den Weg." (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Schön. Wenn du es willst, werde ich sie hier festhalten. Finde du nur einen Vorwand, um dich unauffällig zu entfernen." Eine Viertelstunde später war Sachos auf einem seiner Gäule nach dem Schloß unterwegs, während Klytemnestra nichtsahnend in der Herberge saß und auf die Abreise wartete. Sachos hatte wohl noch in Erinnerung, was Roduros in bezug auf die Burg gesagt hatte. Er glaubte, nun eine doppelte Mission erfüllen zu müssen und sah sich schon im Geiste im Besitz einer unermeßlichen Belohnung für all seine treuen Dienste gegenüber dem Königshaus. Er passierte unangefochten die "Werkstatt der Zyklopen" und nahm dann den Serpentinenweg, welcher steil nach aufwärts zu der Festung führte. Roduros hatte seine Posten längst wieder aufgestellt, nachdem er ihnen vorher allen ein gehöriges Donnerwetter gehalten hatte. Aber allzu schlimm trieb er es nicht, weil er es schließlich selbst gleichfalls nicht viel besser gemacht hatte als sie. Als er sein Schwert wiederhatte, war er zufrieden. Er schärfte den Posten erhöhte Wachsamkeit ein und begab sich dann in seine Höhle, um nach den überstandenen Anstrengungen und Ärgernissen eine wohlverdiente Siesta zu halten. Als man ihm meldete, daß sich ein Reiter auf dem Serpentinenpfad zur Burg befände und daß dieser Reiter allem Anschein nach der dicke Weinhändler von gestern Nacht sei, sagte Roduros finster: "Lassen wir ihn ziehen. Nun überbringt er dem König wohl meine Botschaft. Einen besseren Botschafter als ihn hätten wir gar nicht haben können. Dadurch erspart er einem von uns, sich der Gefahr auszusetzen, von den Kriegern des Königs gefangen genommen zu werden." * Torgo und seine Freunde hielten tatsächlich auf das östliche Tal zu, um auf diesem Weg die Burg zu umgehen. Sachos der Weinhändler, langte in den frühen Vormittagsstunden reichlich erschöpft vor dem Burgtor an. Nicht weniger erschöpft war sein Pferd, daß die gewaltige Last hier herauf hatte schleppen müssen. Sachos klopfte mit einem Stein dreimal gegen die Pforte. "Wer ist da?" klang von drinnen eine rauhe Stimme. "Sachos der Weinhändler. Ich will zuerst zum König, dann zur Königin, welche mich erwartet. Ich ha-habe wichtige Botschaften für beide." "Bist du bewaffnet?" "Nein. Ich wurde unterwegs überfallen. Man hat mir alles abgenommen, se-se-selbst meinen Wein." Das Tor wurde geöffnet. Ein Krieger überzeugte sich, daß Sachos Angaben auf Wahrheit beruhten, dann ließ er ihn passieren. Sachos trottete müde, sein Pferd am Zügel führend, in den Burghof, wo er sich an einen der Wächter wandte, der ihm den richtigen Weg wies. Obwohl er zuerst zum König wollte, gelangte er zunächst zu Sil. "Du hier?" rief sie erfreut. "Wir haben dich nicht mehr erwartet. Hattest du Glück?" "Wi-wie mans nimmt." "Was willst du damit sagen?" "Ich ha habe in Erfüllung meines Auftrages sch-sch-schwere Verluste erlitten." "Man wird sie dir ersetzen. Hast du Nebussor getroffen?" "Ja, das habe ich. Und sogar diesen To-To-Torgos. Sie sind ü-übrigens alle ga-ganz in der Nähe. Deshalb muß ich sofort die Königin sprechen."
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"Das wird Nif-Iritt sicher interessieren. Und wie steht es im Lande? Weicht die Krankheit oder greift sie weiter um sich?" "Das weiß ich nicht. Viel gefährlicher ist hier der Räuber Roduros, in dessen Gewalt ich geriet. Weißt du übrigens, daß er diese Burg belalala-, ich meine, eingeschlossen hat?" "Vorgestern verschwand einer unserer Krieger und ist nicht wiedergekommen. Man fand heute früh seine Leiche an einer Felswand. Aber er war nicht zerschmettert, sondern von einem Pfeil getötet. Wir dachten schon an Roduros." "Er ist es. Ich weiß es ganz genau, nämlich von ihm selbst. Deshalb muß ich sofo-fo-fort zum König." "Sprich zuerst mit der Königin. Ich werde dir inzwischen eine Audienz beim König erwirken." Sachos war damit einverstanden Nif-Iritt traute ihren Ohren kaum, als sie wenig später von Sachos vernahm, daß sich der Prinz ganz in der Nähe befände. Sie überlegte, wie sie es anstellen könne mit Torgo zusammen zu kommen. Einfach selbst sich aufs Pferd setzen und die Burg heimlich verlassen? Nein, das war unmöglich. Es wäre ihr auch wohl kaum gelungen. Man musste also den Prinzen hierher locken... Und wie, wenn sie ihn gefangen nehmen ließ? Gründe dafür gab es genug. Allerdings war dann das weitere Schicksal des Prinzen ungewiß. Aber vielleicht ergab sich ein Mittel, ihm wieder zur Freiheit zu verhelfen und dann war er ihr zu tiefstem Dank verpflichtet. Wenn es ihr aber nicht gelang, ihm die Freiheit wiederzugeben, so hatte sie Torgo doch wenigstens wiedergesehen!" Im Grunde war es ihr gleichgültig, was mit dem Gegenstand ihrer Leidenschaft dann geschah, wenn sie nur ihre eigene Sehnsucht befriedigen zu können glaubte. Als sie sich zu dem Entschluß durchgerungen hatte, ihrem Gatten von der Anwesenheit des atlantischen Thronprinzen auf griechischem Boden Mitteilung zu machen, war sie sich in ihrem kindlichen Sinn wohl kaum ganz über die Tragweite ihres Beginnens im Klaren. Sie selbst fand, daß dieser Weg der Gangbarste sei, weil sie auf diese Weise sogar behaupten konnte, als Königin die Interessen des Reiches wahrzunehmen. Sachos befand sich eben in Audienz beim König, als Nif-Iritt in dessen Zimmer eintrat. "Was willst du hier?" fragte Telaus unwillig. "Ich habe mit dir zu sprechen", antwortete sie. "Du siehst, daß ich einen Mann hier habe, der mir eine wichtige Mitteilung zu machen hat, welche die Sicherheit aller Burgbewohner betrifft." "Dieser Mann war bereits bei mir und machte mir eine andere Mitteilung, die gewiß nicht weniger wichtig ist." Telaus zog erstaunt seine Augenbrauen hoch. "Ich wei-weiß nicht, was die Königin meint", antwortete der Weinhändler. "Aber wenn es sich um diesen Ne-NeNebussor handelt und den anderen Mann, welcher sich Tor-Tor "Torgo ist hier", schnitt ihm Nif-Iritt das Wort ab. "Der Prinz der Atlanter?" fragte Telaus ungläubig. "Jawohl, den meine ich. Dieser Mann hat sie beide gesehen und mit ihnen gesprochen heute morgen erst, ganz in der Nähe der Burg! Schicke deine Reiter aus und du kannst den Prinzen in wenigen Stunden gefesselt hier vor dir stehen haben." "Du hast nichts als deine Rache im Kopf", brummte Telaus. "Manchmal bist du mir unheimlich." "Du hast geschworen", erinnerte ihn Nif-Iritt, "die Schmach meiner Gefangenschaft zu rächen."
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"Ja, ja, ich weiß es" antwortete Telaus. "Und ich halte diesen Schwur auch, vorausgesetzt, daß ich kann." "Weshalb solltest du nicht können?" "Da lebt ein Mann draußen in den Bergen, von dem du noch nichts weißt, Nif-Iritt. Er nennt sich Roduros." "Der Räuber?" fragte Nif-Iritt lachend. "Das Gesinde erzählt sich Schauergeschichten über ihn." "Es sind leider keine Schauergeschichten. Sachos wurde selbst von ihm gefangen genommen, bevor er hierher kam." "Ich weiß es, Sachos hat es mir schon erzählt. Er ist ein verdienter Mann, dieser Sachos." "Ja-a-a, gewiß, ich habe Lohn verdient!" pflichtete der Weinhändler sofort bei. Du wirst ihn auch erhalten", erklärte der König. "Du hast doch nicht etwa vor diesem Räuber Angst?" fragte Nif-Iritt ihren Gatten spöttisch. "Du kennst dieses Land, seine Menschen und Bräuche noch zu wenig Nif-Iritt", antwortete ihr Telaus. "Dieser Roduros schickt mir durch Sachos eine Herausforderung zum Zweikampf, welche ich durchaus ernst nehme. "Das ist doch lächerlich!" rief Nif-Iritt und lachte. "Er will uns hier in der Burg sonst aushungern", sagte der König ohne seine Miene zu verziehen. "Und was gedenkst du zu tun? Willst du etwa warten, bis wir alle des Hungers gestorben sind? Oder willst du persönlich mit einem Räuber kämpfen!" "Natürlich nicht." Der König verschränkte die Arme hinterm Rücken und begann, unruhig auf und ab zu gehen. Als er zu einem Balkon kam, blickte er auf das gewaltige Gebirgspanorama hinaus. "Wenn ich wüßte, wie viele Männer er zur Verfügung hat", meinte er nach einer kleinen Weile. "Hast du viele bei ihm gesehen?" wandte er sich an Sachos. Sachos hob bedauernd die Schulter. "O-oben in seinem Hau-Hauptquartier waren höchstens zwanzig Mann Herr", antwortete er. "A-aber wieviele er sonst noch in den Bergen versteckt hat, kann ich natürlich nicht ahnen." "Wahrscheinlich werden es geschickte Schützen sein, welche hinterlistig mit Pfeil und Bogen aus guter Deckung hervorschießen." "Ich glau-lau-laube das hat Roduros gemeint, pflichtete Sachos bei. "Und was gedenkst du dagegen zu tun?" fragte Nif-Iritt noch einmal. "Bedenke, es ist nicht viel Zeit zu verlieren. Während du darüber nachdenkst, wie du dich zu dem Räuber stellen sollst, entkommt uns der Prinz von Atlantis." Telaus ballte die Fäuste. "Ich weiß es", sagte er zornig, "mache du einen Vorschlag, wenn du so weise bist!" Nif-Iritt lachte. "Wenn ich ein Mann wäre", sagte sie, "würde ich ganz einfach die Krieger sammeln und die Räuber vertreiben, dann aber so schnell als möglich nach denn östlichen Tal hinab reiten, um Torgo gefangen zu nehmen." "Du sagst das so leicht, weil du die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens nicht kennst", antwortete König Telaus ernst. "Aber wahrscheinlich wird uns tatsächlich nichts anderes übrigbleiben, als es zu riskieren." Sachos wurde in Gnaden entlassen und begab sich auch hier wieder hinab in die Küche, um sich zu stärken. Er wartete darauf, daß man ihm die versprochene Belohnung zukommen lassen werde.
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In der Küche verspürte er zum ersten Mal eine leise Übelkeit, die er aber auf die überstandenen Strapazen schob. Unterdessen setzte sich König Telaus selbst gewappnet zu Pferd, um an der Spitze seiner Krieger auszureiten und Prinz Torgo gefangen zu nehmen. Telaus trug einen funkelnden Harnisch, in dem er sich von Pfeilen sicher fühlte. Wie die wilde Jagd preschten die Reiter hinter ihm drein zum Tor hinaus, das sogleich wieder geschlossen wurde. Die Melder Roduros sandten ihrem Hauptmann sofort Botschaft. "Er wagt es also tatsächlich, aus seiner Burg hervorzukommen", knurrte Roduros drohend und ballte seine Fäuste. "Nun, anscheinend hat er meine Herausforderung angenommen!" Aber kurz darauf meldeten ihm seine Posten, daß der König den Weg nach dem östlichen Tale nahm, in dem sich Torgo mit seinen Freunden bewegte. "Er wird doch nicht etwa diese Leute überfallen wollen?" fragte sich Roduros überrascht. "Mit diesem Mann, den sie Torgos nannten, hat es anscheinend eine besondere Bewandtnis. Aber wie dem auch sei, er hat mir das Leben geschenkt und dafür bin ich ihm Dank schuldig. Außerdem ist es eine prächtige Gelegenheit, den König zum Kampf zu stellen." Er gab den Befehl, zum östlichen Tale aufzubrechen. Als sie alle zu Pferde saßen, war es eine kleine Streitmacht, die an Stärke der Truppe des Königs in nichts nachstand. Und zudem waren diese Menschen zum Äußersten entschlossen. Ein jeder von ihnen hatte seine Rechnung mit der Staatsgewalt, die er jetzt dem König zu präsentieren gesonnen war. Torgo und seine Freunde wanderten unterdessen ahnungslos durch das östliche Tal. "Geht es hier geradeaus nach Persien?" fragte Nebussor. "Geradeaus wohl nicht, aber auf einigen Umwegen werden wir schon eines Tages hinkommen", meinte Jargo lachend. "Das wird auch höchste Zeit für mich, daß ist gewiß. Dieses Griechenland mit seinen Krankheiten und Leuten wie Sachos, welche einen ehrlichen Mann, dessen Wiege im fernen Persien stand, hinterrücks verschleppen wollen, ist mir schon bald über. Machen wir, daß wir weiter kommen!" Der Kleine schritt wacker aus, stolperte dabei gelegentlich über seine zu lange Toga und war den anderen immer um ein Stück voran, trotzdem er nur kleine Schritte machen konnte. Die Wanderer hatten fast den Ausgang des mit blühenden Sträuchern bewachsenen Tales erreicht, als Bethseba eine Quelle sichtete. "Hier können wir rasten", sagte sie "und unseren Krug mit frischem Wasser füllen." Dieses Ziel beflügelte die Schritte der Wanderer. Die Quelle war von einem zierlichem kleinen Tempelbau überdacht, dessen schlanke Säulen ein gewölbtes Dach trugen. Das helle, freundliche Bauwerk leuchtete angenehm aus dem Grün der blühenden Sträucher, welche in der Umgebung der Quelle üppig wuchert. Die Wanderer stillten ihren Durst, setzten sich auf die Stufen des Tempels und Bethseba war eben dabei den Tonkrug zu füllen, als Jargo in der Ferne eine Staubwolke entdeckte, welche von einer ganzen Anzahl von Reitern herzurühren schien. "Da seht", rief er aus. Torgo legte die Hand über die Augen und schaute in die angegebene Richtung. "Das sind Reiter", rief er, "und wenn mich nicht alles täuscht, sind es Krieger des Königs. Ab und zu sehe ich das Aufblitzen eines Harnisches." "Ja, es sind königliche Krieger", rief nun auch Jargo "und sie halten direkt auf uns zu!" "Sachos!" rief Nebussor. "Das ist Sachos Werk das ist gewiß!" "Schon möglich", meinte Torgo ernst. "Was tun wir? Flüchten hat wenig Zweck, sie sind uns mit ihren Pferden überlegen und würden uns in kurzer Zeit eingeholt haben!" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Bleiben wir hier und verteidigen wir uns", schlug Jargo mit finsterer Miene vor. Torgo zog sein Schwert. "Du hast recht", sagte er entschlossen. "Wir werden uns verteidigen und unser Leben und unsere Freiheit so teuer als möglich verkaufen!" Des Prinzen blanke Klinge blinkte in der Sonne und auch Jargo gesellte sich mit gezogenem Schwert zu ihm. Mittlerweile kamen die Reiter immer näher. "Sie sind dort vorn beim Brunnen", sagte einer der Anführer zu König Telaus, " man kann sie bereits deutlich erkennen." "Es wird nicht viel Beschwer machen, sie zu fangen", meinte der König. "Gegen unsere Übermacht kommen sie nicht an." "Halte dich trotzdem zurück, König. Du hast nicht mehr die jungen Jahre dieses Prinzen. Wir fangen ihn auch ohne dich." Telaus nickte. Als sie sich dem Brunnen auf Rufweite genähert hatten, zügelte er sein Pferd und hielt an. Der ganze Reitertrupp kam zum Stehen. Torgo und Jargo standen Seite an Seite auf den Stufen des Tempels, die Schwerter kampfbereit gezogen. Hinter ihnen hatten Bethseba und Nebussor an der Quelle Deckung gesucht. "Wer von euch ist Torgo, der Prinz von Atlantis?" rief Telaus mit dröhnender Stimme. "Ich bin es" kam es aus Torgos Mund zurück. "Du wagst es, mein Land zu betreten?" rief Telaus zornbebend. "Ich hatte keine andere Wahl, König." "So bist du mein Gefangener." "Noch nicht. Kämpfe mit mir, wenn du dazu Lust hast." "Du bist verrückt! Hier bin ich König und du bist ein Niemand." "Ich bin königlichen Geblüts wie du." "Was schert mich das! Leute, ergreift ihn!" "Halt!" rief Torgo. "Wer auch nur einen Schritt gegen mich wagt, ist des Todes!" Er hob drohend sein Schwert. Unwillkürlich reckte sich seine Gestalt hoch auf. "Laßt ihr euch von zwei Männern einschüchtern?" rief der König seinen Kriegern zu. "Los, macht ein Ende! Überwältigt und bindet sie! Auch der Zwerg soll mit. Das Mädchen laßt meinetwegen laufen!" Die Krieger des Königs trieben ihre Pferde vor. Die Situation wurde für Torgo und seine Freunde bedrohlich. In diesem Augenblick erdröhnte der Boden des Tales unter den Hufen einer wilden Reiterschar. Am Ausgang des Tals wurden Roduros Banditen sichtbar. "Das ist Roduros Räuberbande!" schrie einer der Krieger. "Los", befahl der König, "nehmt sie gefangen und dann stellt euch den Räubern zum Kampf!" Er selbst drängte sein Pferd Torgo entgegen. Auf diesen Augenblick hatte Torgo gewartet. Mit kühnem Mut warf er sich mitten unter das Getümmel von Pferdeleibern und saß in nächsten Augenblick selbst auf dem Roß des Königs. Er war hinter Telaus aufgesprungen und hielt den König mit der Linken umklammert. Die Rechte aber hielt drohend das Schwert auf den König gerichtet. "Zurück!" rief er. "Zurück! Wer Hand an mich oder einen meiner Freunde legt, verschuldet den Tod des Königs!" Dieser kühne Vorstoß kam so unerwartet, daß die Krieger erschrocken zurückwichen. Der König als Geißel in Torgos Gewalt! Das war unerhört. Auf eine solche Wendung der Dinge (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
war niemand gefaßt gewesen. Torgo trieb das laut aufwiehernde Pferd über die Stufen des Tempels zur Quelle. "König", raunte er Telaus zu, der regungslos und mit schreckgeweiteten Augen vor ihm auf dem Pferde saß, "da kommt Roduros. Er hat eine Rechnung mit dir. Es war nicht klug von dir, dich auf dieses Abenteuer einzulassen." "Du hast die Königin in Atlantis gefangen gehalten", gab Telaus zurück. "Diese Schmach erfordert Rache." "Damals war sie noch nicht Königin", versetzte Torgo. "Aber ich wußte, daß es Nif-Iritts Werk ist. Steige ab und stelle dich dort an diese Säule. Ich will sehen, was ich für dich tun kann, obwohl du mein Feind bist. Ich will es nicht mit ansehen, wie ein Räuber einen König besiegt." Zitternd gehorchte Telaus. Die Jahre in denen er den Mut eines Jünglings bewiesen hatte, waren dahin. Es war wirklich nur der Wunsch gewesen, seiner jungen Frau zu imponieren, welcher ihn bewogen hatte, persönlich an dem Ausritt teilzunehmen. Unterdessen waren die Reiter Roduros mit lautem Geschrei durch das Tal gerast. Immer näher kamen sie. Und die Krieger des Königs hielten unschlüssig auf ihren tänzelnden Pferden und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. "Los, formiert euch zum Kampf gegen die Banditen", rief endlich der Anführer der Truppe, "zieht eure Schwerter, haltet die Lanzen bereit!" Doch er hatte noch nicht geendet, als sich ein Regen von Pfeilen über die königliche Truppe ergoß, welchen die Räuber im Reiten abgeschossen hatten. Viele Reiter und Pferde wurden getroffen. Wildes Schreien und Lärm hub an. Nun setzten sich die Königlichen zur Wehr. Mit blankem Schwerte stürmten sie gegen die Banditen. Ein wütender Einzelkampf Mann gegen Mann begann. "Haltet ein!" rief Torgo, "haltet ein!" Doch niemand hörte auf ihn. "Kämpft, kämpft!" schrie der König. Doch auch seine Stimme ging im Kampfeslärm unter. Und da galoppierte einer auf seinem Pferd heran, sprang ab und stand im nächsten Augenblick vor Torgo und dem König. "Roduros!" rief Torgo. "Sei gegrüßt" antwortete der Räuber. "Ich danke dir, du hast meinen Todfeind dingfest gemacht." "Du irrst Roduros", antwortete Torgo, "ich liefere dir keinen wehrlosen Mann aus." "Wehrlos?" Der Räuber lachte. "Sieh ihn an, wie sein Harnisch blitzt und wie er in Waffen starrt und wie er feige zittert, der große Held und König!" "Du vergißt, daß viele Sommer in seinem Leben dahingegangen sind. Der König ist nicht mehr so jung, um mit dir kämpfen zu können." "Danach hat er auch bei meinem Vater nicht gefragt." "Was willst du, Roduros?" "Sein Blut." "Und dann?" "Nichts weiter." "Du wirst gehetzt und gejagt sein im Lande und keine Heimstatt haben wie ich. Die Geschichte Griechenlands ist voll von gräßlichen Fehden und von blutigen Geschehnissen. Mach ein Ende Roduros! Sei großmütig." "Und er?" fragte Roduros finster. "Was sagt er dazu?" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Er möchte wohl. Aber sein Stolz verbietet ihm, zu sprechen. Gib deinem Herzen einen Stoß, König und biete Roduros und seinen Männern Gnade an. Sie sollen in ein geordnetes friedliches Leben zurückfinden." Mittlerweile zeichnete sich immer mehr eine gewisse Überlegenheit der Räuber ab. Die Krieger Telaus waren gut ausgerüstet, aber es fehlte ihnen der Rachegeist, der Roduros Kämpfer beflügelte. Der König sah es wohl. "Gut denn", sagte er notgedrungen, "es sei. Sie werden amnestiert, obgleich sie es nicht verdienen. Doch befiehl deinen Männern, den Kampf einzustellen", befahl er Roduros. Roduros wandte sich um und stieß unter Zuhilfenahme zweier Finger einen Pfiff aus, der so schrill war, daß er selbst den Kampfeslärm übertönte. Die Kämpfenden ließen voneinander ab. "Der Kampf ist einsgestellt" rief er, "der König hat etwas zu sagen." Aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf Telaus, der vom Pferd gestiegen war und nun einen Schritt vortrat und die Hand hob. "Roduros und seine Leute werden amnestiert" erklärte er, "unter der Bedingung, daß sie künftighin wie friedliche Leute leben und einem ordentlichen Erwerb nachgehen." Mehr hatte er nicht zu sagen. Er fühlte sich überrumpelt und sah finster zu Boden. Unter den Räubern erhob sich ein großes Freudengeheul. Viele hatten Angehörige, die sie verlassen hatten, um hinauf in die Berge zu ziehen und ein gefahrvolles, unstetes Leben zu führen. Roduros wandte sich ernst an Torgo. "Das ist dein Werk", sagte er. "Wir alle haben dir zu danken, auch der König." "Mag sein", sagte Telaus, "Ohne ihn lebtest du jetzt nicht mehr", erklärte Roduros mit Bestimmtheit. ' "Ohne ihn wäre ich überhaupt nicht aus der Burg geritten", widersprach Telaus. "Ich kam seinetwegen, um ihn gefangen zu nehmen." "Daraus wird nichts" erklärte Roduros, sich neben Torgo stellend. Telaus machte eine abwehrende Handbewegung. "Wir wollen friedlich auseinandergehen", sagte er, "ich lade dich und Prinz Torgo zu einem Gastmahl ein. Alles sei vergeben und vergessen." "Ob Nif-Iritt damit einverstanden wäre?" fragte Torgo zweifelnd. "Laß uns besser ziehen, König." Telaus schüttelte den Kopf. "Du weißt, was das Wort eines Königs bedeutet", erklärte er. "Ich schulde dir nunmehr Dank. Du bist mein Gast. Und auch Roduros mag zum Zeichen der Versöhnung mitkommen." "Und meine Leute?" fragte Roduros. "Ich kann sie nicht alle bewirten. Sie mögen vor der Burg lagern. Ein paar Krüge Wein und ein Ochse, den sie am Spieß braten können, werden für sie bereit sein." Diese Einladung war schwer abzuschlagen. Die Verwundeten bildeten die Nachhut, als sich Freund und Feind gemeinsam auf den Rückweg nach der Burg machten. Roduros schien guter Dinge. Eine Last schien von ihm genommen zu sein. Er hielt sich an Torgos Seite, den er offenbar als Freund betrachtete. Torgo aber ging mancherlei durch den Kopf. Gewiß, das Gastrecht war heilig. Und dennoch war es dem König Ernst? Hatte Telaus tatsächlich die Absicht, sich mit Roduros an einen Tisch zu setzen? Konnte er eine solche Absicht überhaupt haben? (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Der Prinz war schweigsam, während Roduros redete. "Nun wird es endlich wieder wie früher. Ich kann heimkehren in das Haus meiner Väter. Ich brauche mich nicht mehr zu verstecken und werde des Nachts in Frieden schlafen können." "Was hältst du von dieser Wendung der Dinge?" fragte Nebussor den neben ihm reitenden Jargo. "Es ist äußerst seltsam das ist gewiß." "Wäre das Wort eines Königs nicht heilig, so würde ich sagen, daß es sich um eine hinterlistige Falle handelt", brummt Jargo. "So aber erscheint es mir möglich, daß der König sich auf diese Weise aus der Affäre ziehen will, indem er sozusagen tut als hätte er freiwillig Gnade walten lassen." Bethseba ritt schweigend an der Seite der Männer. Roduros hatte Jargo und Nebussor zwei Pferde verschafft, so daß sie jetzt endlich alle beritten waren. Allerdings wankte der kleine Perser bedrohlich im Sattel auf und nieder. Ein Esel wäre ihm das sah man ihm an, entschieden lieber gewesen. * "Bleibe ruhig, KJytemnestra" redete der Herbergswirt, "ich weiß, daß Sachos nichts geschehen ist. Er ist nur hinauf zur Burg geritten um seine Geschäfte zu erledigen." "Zur Burg? Also doch...Und Torgos hat ihm ausdrücklich verboten, es zu unterlassen" rief das Mädchen aufgebracht und besorgt zugleich. "Dieser Torgos hat Sachos nichts zu befehlen, vergiß das nicht. Du gehst ein wenig zu weit in deiner Fürsorge für Torgos. Ich weiß nicht, was Solon dazu sagen würde." Klytemnestra wurde verlegen. "Solon wird schon sehr um mich in Sorge sein", sagte sie, "ich hätte sein Haus überhaupt nicht verlassen dürfen. Des Königs Hauptmann hat es verboten." "So wollen wir hoffen, daß dich niemand verrät und daß Sachos bald zurückkommt." "Und wenn er nicht kommt? Wer wird mich dann zu Solon zurückbringen?" Der Herbergswirt hob die Schultern. "Keine Ahnung", sagte er. "Aber Sachos kommt bestimmt zurück. Was sollte ihm denn widerfahren?" Sachos saß auf einer Bank im Hofe der Burg und starrte vor sich hin. Er hatte sich in den Schatten gesetzt denn er glaubte, daß die Hitze daran schuld sei, daß es ihm vor den Augen flimmerte. Er hatte schon eine ganze Menge getrunken, aber die Zunge klebte ihm am Gaumen und seine Kehle war wie ausgedörrt. "Wa-wa-was ,habe ich :bloß?" fragte er sich und wollte sich erheben. Aber es lag ihm wie Blei in den Knochen. "Ich ka-kann nicht", lallte er ratlos und blieb sitzen. Und allmählich beschlich ihn fürchterliche Todesangst. * Nif-Iritt stand unter den Säulen der Halle, als sie das Nahen der Reiter hörte. Sie lief zur Brüstung und sah hinab. Dort unten auf dem Felspfad bewegte sich eine starke Reiterkolonne auf die Burg zu. "Sil, Gül-Gül", rief sie ihre beiden Dienerinnen. "Seht doch nur - daß sind doch viel mehr Leute als von hier weggeritten sind!" "Wahrscheinlich sind es Gefangene", meinte Gül-Gül. "Ja, so wird es sein. Oh, nun sehe ich Telaus. Doch wer reitet da an seiner Seite?" "Das ist doch Torgo! Wahrhaftig, es ist Torgo der Prinz der Atlanter!" rief Sil aus, die sich sehr wohl noch an den Prinzen erinnerte. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Aber er scheint nicht gefangen zu sein", wunderte sich Gül-Gül. "Er reitet neben dem König wie ein freier Mann. Und er trägt sein Schwert an der Seite." "Macht nichts", rief Nif-Iritt fröhlich aus, "Hauptsache er kommt!" "Wollen wir nicht den Männern entgegengehen und begrüßen?" schlug Sil vor. "Das ist ein guter Einfall", rief Gül-Gül begeistert und klatschte die Hände zusammen, "was meinst du, Herrin?" Nif-Iritt nickte leuchtenden Auges. Er - er kam: Torgo der Gewaltige, dem ihre Sehnsucht galt. In all den Tagen und Wochen an König Telaus Seite war sein Bild anstatt zu verblassen, nur immer klarer und deutlicher vor ihrem inneren Auge entstanden. Und sie erinnerte sich an die Tage ihrer Gefangenschaft in Atlantis. An Torgos Vater, König Amur, der um ihre Hand geworben hatte und dann so schmählich ermordet worden war... Damals war sie sich wohl nicht klar darüber gewesen, was es war das ihre Blicke immer wieder zu Torgo hinzog. Aber nun wußte sie es. Sie liebte ihn. Leidenschaftlich und selbstsüchtig war die Liebe dieser jungen Königin und heiß wie die glühende Sonne ihres Heimatlandes Ägypten. "Kommt", rief sie ihren Dienerinnen zu und ging mit entschlossenen Schritten voran. Ihr Weg führte sie durch die weite Vorhalle bis vor das Portal, von dem aus Stufen zum Schloßhofe hinabführten. Die Frauen schritten bis an die Schwelle der obersten Stufe. Dort blieben sie wartend stehen. Nicht lange und es ertönten Kommandorufe. Knarrend öffnete sich das Tor und die Reiter erschienen. Eine ganze Anzahl von Männern blieb draußen. Nif-Iritt sah zu Ihrer Verwunderung, daß es wilde, verwegene Kerle waren und sie vermutete mit Recht, daß es sich um die Räuber Roduros handelte. Aber sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken. An der Seite des Königs und in seinem Gefolge nahmen Torgo, Jargo, Bethseba und Nebussor, aber auch der Räuber Roduros selbst ihren Einzug. Es war eine recht sonderbare Gesellschaft, die der König da mit sich führte. Da waren weder Sieger noch Besiegte, weder Freie noch Gefangene. Des Königs Miene war ernst und verschlossen. Der Reiterzug hielt vor den Stufen und Telaus schwang sich vom Pferd. "Ich bringe Gäste, Nif-Iritt", sagte er laut. "Gäste?" fragte Nif-Iritt verwundert. "Du hörst, was ich sage. Rufe deine Dienerinnen und lasse alles für ein Gastmahl vorbereiten." Auch die Gäste König Telaus stiegen von ihren Tieren. "Dies ist die Königin", sagte Telaus, auf Nif-Iritt weisend, "und dies sind Torgo der Prinz der Atlanter, seine Freunde und Roduros, welcher mir Rache geschworen hatte. Er hat dieser Rache entsagt und ich habe ihm Gnade gewährt." "Ich wußte nicht, daß Griechenland eine so schöne Königin hat", sagte Roduros, mit ehrlicher Bewunderung auf Nif-Iritt blickend. Nif-Iritt hörte ihn nicht. Sie sah nur Torgo. Torgo schaute ihr in die Augen. Er verstand ihren Blick nicht. Er sah ihre Pupillen weit geöffnet und merkte, daß die Königin Mühe hatte, ihre Erregung zu beherrschen. "Einst war ich in deinem Hause zu Gast, sei es nun du in dem meinen", sagte sie. Torgo glaubte Hohn aus diesen Worten herauszuhören.
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"Ich kam, weil mich der König einlud", erklärte er sein Kommen. "Ich werde dir nicht zur Last fallen. Ich gedenke überhaupt nicht in Griechenland zu bleiben. Ich werde es so schnell als möglich verlassen." "Weshalb so schnell?" fragte Nif-Iritt. "Ein kleiner Aufenthalt würde dir gut tun." "Ich werde rasten sobald ich einen Ort finde, den ich für geeignet halte" sagte Torgo kühl und abweisend. Nif-Iritts Miene verfinsterte sich. Es war, als sprühten ihre Augen Blitze. Und was eben noch Leidenschaft gewesen war, verwandelte sich wieder wie einst in Haß. "Dann genieße dieses Gastmahl" siegte sie drohend, wandte sich ab und ging gefolgt von Sil und Gül-Gül eilig davon, noch bevor ihnen die Männer folgen konnten. Jargo hatte mittlerweile Bethseba und Nebussor vom Pferd gehoben. Der König rief seinen Kriegern Befehle zu und wandte sich dann an die herbeigeeilten Diener. Er trug ihnen auf, Wein und einen Ochsen vor das Tor zu schaffen, um den Durst und Hunger von Roduros Männern zu stillen. Dann schritt Telaus seinen Gästen voran. "Erlaubt" sagte er, "daß ich mich säubere und den Harnisch ablege." Ein Diener wird euch unterdessen in den Saal des Gastmahles weisen." Er erteilte einem seiner Untergebenen einen dementsprechenden Auftrag und entfernte sich dann. Torgo und seine Freunde, begleitet von Roduros, folgten dem Diener in ein großes Gemach, in dem ein langer Tisch seine Aufstellung gefunden hatte. Hier pflegte der König offensichtlich öfter Gäste zu empfangen. Roduros setzte sich ohne viel Umstände auf eine mit Kissen belegte Bank. "Nehmt Platz", forderte er die anderen auf "und laßt uns erwarten, was uns König Telaus zu bieten hat." Der König war unterdessen seiner Gemahlin nachgeeilt. Er erreichte sie in einem der Korridore. "Nif-Iritt", rief er ihr nach. Nif-Iritt wandte sich um und stampfte als sie ihn erblickte zornig mit dem Fuß auf. "Hältst du so deinen Schwur?" zischte sie ihm entgegen und ballte ihre Hände zu Fäusten. "Ist das die Art in der du die Ehre deiner Gattin rächst?" "Nif-Iritt höre mich an, versuchte Telaus zu erklären. Doch Nif-Iritt ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Das ganze Volk wird lachen über dich und deine Nachbarn werden dich verspotten" fuhr sie fort "und denkst du, daß es für mich eine Ehre ist, die Frau eines solchen Mannes zu sein und deinen verhöhnten Thron mit dir zu teilen? Ich will heim, bringe mich heim nach Ägypten, damit ich meinem Vater erzählen kann, was mir in Griechenland widerfahren ist!" Nun wurde auch Telaus zornig. "Hat deine Zunge endlich geendet?" fragte er. "Dann lasse auch mich einmal zu Wort kommen. Ich fühle, daß dein Haß gegen diesen Mann zwischen dir und mir steht. Und ich habe meinen Schwur nicht vergessen. Heute ist der Tag gekommen, an dem du deine Rache erleben sollst. Diese Leute werden meine Burg nicht lebend verlassen. Noch ehe die Sonne hinter den Bergen untergeht, werden sie des Todes sein." Nif-Iritt schwieg betroffen. Sie traute ihrem Ohren kaum. "Und du wirst sehen, daß niemand meiner spotten wird" fuhr der König fort. "Im Gegenteil, man wird meine Weisheit preisen. Die Götter haben mich heute gesegnet, daß sie mir Gewalt gegeben haben über meine beiden großen Feinde und das zur selben Zeit! Es ist eine wunderbare Fügung, die ich wohl zu nützen weiß!" "Aber du hast ihnen doch das Gastrecht geboten", entgegnete Nif-Iritt. ".Selbst den ärmsten Wüstensöhnen im Land meiner Väter ist das Gastrecht heilig!" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Telaus lachte höhnisch. "Glaubst du im Ernst, daß ein König sich mit einem Räuber und einem Prinzen ohne Land an einen Tisch setzt? Ich habe sie aufgefordert in mein Haus zu kommen und sie taten es. Dumm genug von ihnen. Aber zu spät, es zu bereuen." "Also willst du sie ermorden lassen." "Das will ich. Ihre Speisen werden vergiftet sein." "Und du? Sie werden nicht essen, wenn nicht auch du davon ißt. Willst du dich selbst mit in den Tode befördern?" Sie lachte schrill. Telaus ballte die Fäuste. "Du machst mich rasend Nif-Iritt, mit deinem Spott", stieß er hervor. "Siehe nur zu, daß dir der Prinz deine Rechnung nicht verdirbt", sagte sie höhnisch. "Keine Sorge. Du brauchst den Prinzen nicht zu überschätzen. Ich werde alle Anordnungen treffen. Auch werde ich ihnen die Waffen abverlangen. Bei einem Gastmahl legt man seine Waffen ab." Nif-Iritt verzog ihr Gesicht zu einer verächtlichen Grimasse. "Wie schändlich", sagte sie und ließ den König stehen. "Lasse alles vorbereiten", rief er ihr noch nach und ging dann selbst, um seine Anordnungen für den Verrat zu treffen. Im Saale hatte sich Bethseba an Torgos Seite gesetzt. Sie warteten. Bleiern schlich die Zeit dahin. "Der König war nicht auf solche Gäste vorbereitet", sagte Nebussor. "Wir haben seine Einladung auch gar nicht erwartet", meinte Jargo. "Ja das ist wahr", pflichtete Roduros bei. "Ich glaube, an diesen Tag werde ich mich mein Leben lang zurückerinnern." In diesem Augenblick erschien ein Diener des Königs. Er tat, als wolle er nach den Gästen sehen und sagte dann erstaunt: "Wie, ihr habt eure Waffen bei euch? Wollt ihr den König beleidigen?" "Wie? Mein Schwert soll ich ablegen?!" fragte Roduros erstaunt. "Gewiß" antwortete der Diener. "Ich bringe alle in den Nebenraum. Auch der König wird unbewaffnet erscheinen. Es ist nicht Sitte, bewaffnet bei Tisch zu sitzen." Auch Torgo trennte sich nur ungern von seinem Schwert, aber er erinnerte sich daran, daß er -selbst, als er noch Prinz von Atlantis war, jeden geschmäht hatte der offen oder heimlich eine Waffe zu einem Mahle unter Freunden mitnahm. Sein Ehrgefühl gebot ihm, nach diesem Grundsatz zu handeln und er entledigte sich aller Waffen, die er dem Diener reichte. "Hat niemand mehr eine Waffe bei sich?" fragte .der Diener, als auch Nebussor und Jargo die ihren abgegeben hatten vorsichtig und ein prüfender Blick flog über die Gestalten der Männer. Als alle verneinten, entfernte er sich zufrieden. Draußen stand bereits der König und erwartete ihn. "Hier sind alle Waffen, die sie bei sich hatten", meldete der Diener. "Gut. Es geht vortrefflich. Bringe die Waffen fort. Nun mögen die Musiker kommen und sogleich zu spielen beginnen, damit man im Saale nicht hören kann, wie die Krieger an den Türen Aufstellung nehmen." Der Diener nickte und entfernte sich mit ernster Miene, um den schurkischen Auftrag auszuführen. (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
Wenig später kamen ein Flötenbläser und ein Mann mit einem Saiteninstrument. Sie setzten sich wohlweislich in eine geschützte Ecke nahe dem Ausgang und begannen sogleich mit ihrem Konzert. "Sie spielen eine fröhliche Weise. König Telaus sorgt sich um das Wohlergehen seiner Gäste", stellte Torgo fest. "Das ist gewiß" pflichtete Nebussor bei. "Aber schließlich ist auch ein Mann darunter, dessen Wiege im fernen Persien stand." "Wie seltsam traurig mich doch diese fröhlichen Weisen stimmen", meinte Roduros unvermittelt. "Weshalb stimmt dich diese Melodie traurig" fragte Nebussor verwundert. "Ich finde doch, daß es ein fröhliches Lied ist." "Freilich ist es das und doch ... Es erinnert mich an die Lieder der Schafhirten, die ich abends immer von den Bergen hörte, als ich noch ein Kind war...Diese Zeiten sind weit. Sie werden nie mehr wiederkehren. Die Jahre vergehen und das Leben ist hart." In diesem Augenblick trat der König ein. Er hatte einen purpurfarbenen weiten Mantel über den Harnisch geworfen, den er vorsichtshalber nicht abgelegt hatte. Vergebens sah er sich nach Nif-Iritt um. Aber die Königin erschien nicht. "Wir essen ohne die Königin" sagte er deshalb entschuldigend, "sie fühlt sich nicht wohl und bittet um Nachsicht." Er setzte sich an das Ende der Tafel, bat die Freunde die sich bei seinem Eintritt erhoben hatten, wieder Platz zu nehmen und klatschte dann laut in die Hände. Nun erschienen Bediente. Sie trugen Teller auf mit kalten Gerichten und brachten Schüsseln voll Trauben, und Krüge mit Wein. "Trinkt nur, trinkt", forderte Telaus die Männer auf. Er selbst nippte nur von dem Becher, den man ihm reichte und Torgo erkannte, daß er wohl seinen Teller belud, aber nicht aß. Roduros erhob sich, um einen Trinkspruch auf den König auszubringen. "Heute ist ein großer Tag, an dem ich meine Rache begrabe. Die Klugheit Torgos und die Gnade des Königs sind es, denen ich mein künftiges Leben zu verdanken habe. Mögest du, König Telaus, noch lange und weise regieren." Telaus nickte. "Trinkt nur, trinkt", wiederholte er und verbarg nur schlecht seine Ungeduld. Er wollte darauf warten, bis seine Gäste berauscht waren, weil er hoffte, daß dann alles viel leichter gehen würde. "Aber du gibst uns ja nicht Bescheid" bemerkte Torgo, in dem sich sein kaum eingeschläfertes Mißtrauen erneut bemerkbar machte. Der König sah, wie der Prinz die Stirn runzelte und führte notgedrungen seinen Becher an den Mund. "Auf wahre Gastfreundschaft und daß jeder, der sie verrät, eines elenden Todes sterben möge!" sagte Torgo plötzlich. Er hob den Becher und leerte ihn bis auf den Grund, ohne daß seine Blicke sich von den Augen des Königs wandten. Der König aber stellte seinen Becher auf den Tisch zurück, ohne getrunken zu haben. Torgo sah, wie seine Finger zitterten. In diesem Augenblick wurde von Ferne jäh Geschrei vernehmbar das gleich darauf wieder erstarb. "Spielt", rief der König den Musikanten zu, "spielt lauter, ihr faulen Tröpfe!" Die beiden gaben sich Mühe und übertönten den fernen Lärm.
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"Was hat das zu bedeuten?" fragte Roduros. "Das kam von draußen her, wo meine Männer lagern." "Gewiß", lächelte Telaus. "Wahrscheinlich sind sie froh und guter Dinge. Ich habe ihnen schließlich genügend Wein geschickt." Roduros schüttelte den Kopf. "Nein das klang anders", sagte er besorgt und legte das Stück Fleisch, daß er eben hatte verzehren wollen auf seinen Teller zurück. "Das klang nicht so wie vergnügtes Rufen. Das klang eher nach - Seine Rede stockte. Er sah den König groß an. Telaus erbleichte. Er fühlte, daß jetzt der Moment gekommen war. "Nun, wonach klang es?" fragte er heiser. "Es klang nach - Roduros Atem stockte. Es schien, als sei er nicht imstande, hervorzubringen was er sagen wollte. Telaus schlug, die Beherrschung verlierend, mit der Faust drohend auf den Tisch. "Nach was klang es?!" "Nach - Mord König", antwortete Roduros und seine Augen funkelten wie die Lichter eines gestellten Tieres. Da sprang der König auf. "Wachen!" schrie er. "Wachen! Ich werde beleidigt!" Er versuchte selbst jetzt noch, den Schein zu wahren. Aber es gelang ihm nicht mehr. Die Musikanten hatten auf dieses Zeichen nur gewartet. Sie ergriffen ihre Instrumente und verließen fluchtartig den Saal, während an allen Seiten die Türen aufgerissen wurden und Bewaffnete erschienen. Nun sprangen auch Torgo, Jargo und Nebussor von ihren Sitzen auf. "Verrat!" schrie Torgo. "Das ist gemeiner Verrat! König Telaus, bewirtest du so deine Gäste?" Mit einem Satz sprang er vor. Ein paar Schritte noch und er hätte Telaus erreicht. Aber schon waren Krieger zur Stelle und warfen sich zwischen ihn und den zurückweichenden König. "Gäste?!" lachte Telaus. ,,Habt ihr wirklich geglaubt, daß ihr meine Gäste seid? Die Sonne Griechenlands hat euch den Verstand geraubt, wenn ihr das wahrhaftig annehmen konntet. Ihr seid nicht meine Gäste, ihr seid meine Gefangenen!" "Du bist ein Verräter!" schrie Roduros, auf den sich gleichfalls eine ganze Anzahl von Kriegern geworfen hatte. Die Männer hatten Mühe, ihn niederzuhalten. Um Jargo war gleichfalls ein Handgemenge entstanden. Nur Nebusssor war auf den Tisch gesprungen und zeterte: "Und das mir, einem Manne dessen Wiege im fernen Persien stand!" Der König hatte nichts zu fürchten. Die kleine- Schar war von der Übermacht leicht überwältigt worden. Nur Bethseba hatte man ungeschoren gelassen. Sie war von den Kämpfenden zurückgewichen und schaute schreckerfüllt auf die Szene, die sich ihr bot. "Sie werden dich den Verräterkönig heißen", schrie Roduros "und du wirst in die Geschichte eingehen als ein Mann, der das Gastrecht brach! Wie habe ich dir trauen können! Hätte ich dich doch niedergemacht, als du dich in meiner Gewalt befandest! Aber ich habe Großmut geübt, eine Großmut, die du sicher nicht kennen wirst!" rief Roduros keuchend. "Gewiß nicht", lachte Telaus. "Du hast recht, wenn du annimmst, daß dir meine Großmut niemals zuteil werden wird, elender Räuber. Ein Mann wie du gehört nicht in die Gemeinschaft der Lebenden. Charon, der Fährmann wird dich noch heute über den Styx in die Unterwelt fahren!" (C) eBook-Edition 2003 by readersplanet GmbH, Passau
"Und Torgo, dem du dein Leben verdankst?" Telaus schwieg. Seine Blicke schienen sich in die des Prinzen bohren zu wollen. "Mit ihm habe ich eine besondere Rechnung", sagte er nach einer Weile gefährlich leise, "er hat Nif-Iritt gefangen gehalten, als sie meine Braut war. Sie selbst entkam, aber ihre Seele blieb bei ihm. Sie wird ihn erst verlassen, wenn seine eigene Seele in den Hades gefahren ist." In diesem Augenblick wurden draußen, außerhalb des Saales erschreckte Rufe laut. Unwillkürlich wandten sich alle Blicke nach einer der Türen um, von der jetzt die Krieger zurückwichen. "He-he-,he-helft!" erklang eine lallende Stimme. Ein dicker Mann taumelte in den Saal. Es war Sachos. Er vermochte sich kaum noch auf den Beinen zu halten. "Helft mir, helft!" rief er und riß die Toga auf, so daß man seine schweißbedeckte Brust sehen konnte. "Was will dieser Mensch hier?" riet der König ärgerlich. "Los schafft ihn fort!" Aber niemand wagte es, Hand an Sachos zu legen. Er baumelte noch ein paar Schritte und brach dann vor dem Tisch auf die steinernen Fliesen nieder. "Ich sterbe", hauchte er, "ich sterbe." "Dieser Mann hat die Pest!" schrie jemand. Der Ruf ließ alle erstarren. Der König wich entsetzt nach dem Ausgang zurück und spreizte abwehrend seine Finger. "König Telaus" rief ihm Torgo nach, "du hast den Tod zu deinem Gastmahl geladen, - er ist gekommen!" Röchelnd zuckte der Körper des Weinhändlers auf dem kalten Steinboden. Das Fieber schüttelte ihn und er sprach wirre Worte, die untergingen im Lärm derer, die aus dem Saale flüchteten. ,,Das ist seine Strafe", rief Nebussor, "und auch die des Königs. Das ist gewiß..." Die Kunde des Schreckens lief durch alle Gänge und Gemächer in des Königs Burg. Der Tod saß an König Telaus Tisch. ENDE
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