Das Hühnchen Sabinchen Verse von Marianne Speisebecher Bilder von Fritz Koch-Gotha
Der Entwurf zu diesem Buche stammt ...
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Das Hühnchen Sabinchen Verse von Marianne Speisebecher Bilder von Fritz Koch-Gotha
Der Entwurf zu diesem Buche stammt von C. O. Petersen (gest. im Oktober 1939)
Alfred Hahn‘s Verlag • Hamburg Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: Hamburger Druckereigesellschaft Kurt Weltzien KG, Hamburg 76 Printed in Germany 114.—127. Tausend Verlags-Nr. 47
Alfred Hahn‘s Verlag
Sabinchen war im weißen Kleid das schönste Hühnchen weit und breit, doch allen wurde es bald klar, daß es ein kleines Faultier war und gar nicht zu bewegen, auch nur ein Ei zu legen. Es denkt: Dazu sind andre da, die Tante Pips und die Mama und auch die vielen bunten langweil‘gen alten Tunten. Die kratzten Futter aus dem Mist; wenn das noch appetitlich ist? So etwas macht kein feines Huhn! Sabinchen will das niemals tun.
Viel schöner wär‘s, im Sonnenschein zu wandern froh durch Flur und Hain; und lustig rief es in das Haus: „He, Miezekatze, komm heraus! Das Wetter ist so wunderschön, laß uns im Wald spazierengehn! “ Die Katze macht den Buckel krumm: „Spazierengehn ist mir zu dumm und noch dazu mit einem Huhn; da hab‘ ich Besseres zu tun, ich muß in Scheune, Haus und Stall die Mäuse fangen überall.“
Das Hühnchen geht davon und spricht: „Sehr höflich ist die Katze nicht.“ Doch grämt es sich nicht allzusehr, denn Hektor kam des Wegs daher. „Ach, Hektor“, rief es, „welch ein Glück! Komm, und begleite mich ein Stück! Du weißt im Feld und Wald Bescheid und hast gewiß ein wenig Zeit!“ Doch Hektor sprach: „Das kann ich nicht, denn auch ein Hund hat seine Pflicht; geh auf die Jagd mit meinem Herrn, das tu ich für mein Leben gern.“
Sabinchen flog am nächsten Tag hinauf zum hohen Taubenschlag. Dort saß das Täubchen still und fest in einer Ecke auf dem Nest. Sabinchen rief: „Was tust du hier im dunklen Haus, du armes Tier? Komm, flieg mit mir durch Wald und Feld! Der Acker ist so gut bestellt, dort wollen wir spazierengehn und nach den frischen Erbsen sehn.“ Das Töubchen sprach: „Behüte, ich sitze hier und brüte; vergnüg‘ ich mich in Feld und Wald, so werden meine Eier kalt.“
Da kommt des Weges müd und still ein Esel, der zur Mühle will. „He, Grauer“, ruft es, „guten Tag, wirf doch herab den schweren Sack und wandre mit mir durch den Hain, gar herrlich ist‘s im Sonnenschein.“ Der Esel brummt: „Wie lächerlich! Du bist ja dümmer noch als ich. Wie darf ich solche Dinge wagen, ich muß das Korn zur Mühle tragen, und weißes Mehl für Brot und Wecken bring ich zurück in vollen Säcken. Wenn ich dann sonntags fertig bin, leg ich mich gern ein wenig hin.“
Sabinchen ging nun in den Wald, wo laut des Spechtes Klopfen schallt. „Oh“, rief es, „mach nicht solchen Krach, komm lieber mit zum kühlen Bach, wo still die Silberfischchen ziehn und blaue Wasserlilien blühn.“ „Krach?“ sagt der Buntspecht tief gekränkt, „was so ein dummes Hühnchen denkt! Ich bin des Waldes Zimmermann, fang‘ früh schon meine Arbeit an, hab‘ keine Zeit herumzustehn, ich muß nach meinen Bäumen sehn; dort klopfe ich tagein, tagaus die Würmer aus dem Holz heraus. Ja, wenn Familie Specht nicht wär‘, gab es bald keine Wälder mehr.“ Er flog davon und ließ es stehn; betrübt muß es nach Hause gehn.
Zur Mittagszeit das Hühnchen spricht: „Wie heiß doch heut die Sonne sticht“, und nimmt als Schirm ein Klettenblatt. Wie eine Dame aus der Stadt stolziert es auf dem Hof umher; die andern ärgerte das sehr, und kichernd flattern sie heran: „Seht euch doch nur Sabinchen an.“ Die Hühner alle gackern: „Wie müssen wir uns rackern, Sabinchen will spazierengehn, das geht nicht gut, ihr werdet‘s sehn! “ Die Puten lachten wie noch nie, laut schrie der Gockel: „Kikeriki! Was ist doch das Sabinchen für ein verrücktes Hühnchen!“
Sabinchen kehrt sich nicht daran im Feld trifft es den Hamster an und fragt: „Was tust du so allein? Das kann nicht unterhaltend sein. Hier ist es heute auch so schwül, komm in den Wald, dort ist es kühl.“ „Nein“, knurrt der Hamster, „tut mir leid, ich habe wirklich keine Zeit im kühlen Wald herumzulungern, sonst müssen wir im Winter hungern, die Kinder, meine Frau und ich, und hungern! — das ist fürchterlich! Drum sammle ich, so schnell ich kann, von Korn den Wintervorrat an — ich habe beide Backen voll und weiß kaum, wie ich reden soll.“
Beleidigt kehrt Sabinchen um, — doch plötzlich klingt es: „Summ, summ, summ“; ein Bienchen, honiggelb und braun, kann es auf einer Blüte schaun. „Ach“, fleht es, „spiele doch mit mir, so schön ist‘s auf der Wiese hier. Du kannst auf jeder Blüte ruhn und hast gewiß nicht viel zu tun.“ Das Bienchen aber summte froh: „Sabinchen, ach, das scheint nur so, — ich sammle fleißig Honig ein, trag‘ Blütenstaub an jedem Bein, ich kann nicht zum Vergnügen nur in der Welt ‚rumfliegen, doch Arbeit ist mein größtes Glück.“ Sabinchen schleicht beschämt zurück; Wenn alle Tiere froh sich regen, so will es jetzt auch Eier legen.
Doch wie‘s im Leben manchmal geht: Der gute Vorsatz kommt zu spät; denn eben hat der Koch gesagt im Hofe zu der Hühnermagd: „Ich brauch am Sonntag einen Braten, zu welchem Huhn kannst du mir raten?“ „Nun, alle Hennen, wie ich meine, sind brav und fleißig, bis auf eine. Sabinchen ist‘s im weißen Kleid, das schönste Hühnchen weit und breit, doch stolz und schrecklich faul dabei, noch niemals legte es ein Ei. Ich fang‘ es dir am Sonntag ein.“ Sabinchen denkt: Das kann nicht sein.
Die Mutter schluchzt vor Herzeleid: „Häft´st du gehört zur rechten Zeit.“ Die andern freuen sich nicht schlecht: „Ei, das geschieht Sabinchen recht.“ Der Truthahn höhnt: „Das kommt davon, jetzt kriegt es den verdienten Lohn. “ Mitleidig sieht der gute Hahn das weinende Sabinchen an. Das hübsche Hühnchen tut ihm leid, zur Bess‘rung hätte es noch Zeit, und freundlich kollernd naht er sich: „Sabinchen, ach, du dauerst mich, ich glaube nicht, daß man dich ißt, wenn du von heut ab fleißig bist.“
Am nächsten Tag, gleich in der Früh‘, gibt sich das Hühnchen große Müh‘; wie alle andern sitzt es jetzt ein Weilchen still auf seinem Nest; und fröhlich wurde bald sein Sinn, denn als es aufstand, lag darin ein wunderschönes, weißes Ei. Der Hahn macht gleich ein Mordsgeschrei, und auch die Mutter ruft bewegt: „Sabinchen hat ein Ei gelegt!“ — Das junge Hühnchen hat fortan nun selbst die größte Freude dran; es legte jeden Tag ein Ei, am Sonntag waren es gar zwei. Und als der Koch nach ihm gefragt, sagt nur die dicke Hühnermagd: „Davon ist keine Rede mehr, mein bestes Huhn geb ich nicht her.“
Sabinchen war im nächsten Jahr umringt von einer Kinderschar; spaziert nicht mehr im Feld allein, will nur bei ihren Kindern sein. Es ist so glücklich wie noch nie. — Im Hof das ganze Federvieh schaut jetzt Sabinchen freundlich an, und gar ihr Freund, der gute Hahn, zeigt ihr die besten Krümchen für ihre kleinen Hühnchen. Das Täubchen schaut vom Dach und lacht: „Das hast du aber gut gemacht, ich habe höchstens viere, — doch sechzehn, — gratuliere!“