Erich Weinert
Das pasteurisierte Freudenhaus
Politische Satire vom Feinsten; "Agitprop" Lyrik aus den Jahren 1920 – 45...
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Erich Weinert
Das pasteurisierte Freudenhaus
Politische Satire vom Feinsten; "Agitprop" Lyrik aus den Jahren 1920 – 45. Ihren Biß und ihre sprachliche Pointiertheit verdanken sie nicht zuletzt der Tatsache, daß Weinert seine Gedichte selbst vor »seinem« proletarischen Publikum vortrug und immer wieder an den Textstellen feilte, die nicht die gewünschte Wirkung hervorriefen. © Alle Rechte - Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1978
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Erich Weinert spricht - diese lapidare Ankündigung hat zu Lebzeiten des Dichters, besonders in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren, Hunderttausende mobilisiert. Kein anderer deutscher Schriftsteller - Lyriker gar! - ist vorstellbar, der so beliebt (bei seinen Freunden) und so gefürchtet (bei seinen Feinden) war wie er. Erich Weinert, der Dichter, und beredte Anwalt der Arbeiterklasse, hat sich nie geschont. An keiner Front des internationalen Klassenkampfes hat er gefehlt: Er hat sich in der Weimarer Republik mit der deutschen Reaktion herumgeschlagen, er hat teilgenommen am spanischen Freiheitskampf, und er lag im Schützengraben vor Stalingrad. Und so wirkungsvoll Weinert mit dem schweren Säbel gegen die Führer und Verführer zu kämpfen verstand, so exzellent führte er das Florett der Satire gegen die Schwächen der Geund Verführten, seiner mehr oder weniger lieben Mitmenschen. Und weil er diese - typisch deutschen? - Schwächen so gut kannte, hat er sie so brillant vorgeführt, daß sehr vie le seiner meist bissigen, oft auch „nur" humorvoll ironisierenden, immer aber leicht eingängigen, zum Sprechen gemachten und zum Nachsprechen reizenden Verse bis zum heutigen Tag lebendig, brauchbar geblieben sind.
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"Wem fällt da wohl nichts ein, wenn er in dieser schmalen Auswahl blättert? Gewiß, die „Gottesgnadenhechte" sind in unseren Breiten verschwunden, und auch die Freuden selbst eines „pasteurisierten Freudenhauses" liegen uns schon etwas fern - aber werfen wir doch einen kurzen Blick auf die „besseren Leute" westlich unserer Landesgrenzen... Freilich, auch an unserer eigenen Nase zupft da wer nicht grade sanft! Oder können wir nicht bis zur Stunde unser „Lied von der Behörde" singen? Vielleicht lie ber das vom „geretteten Wochenendidyll"? Ist der „Stammtischwitzbold" 1929 ausgestorben? Ging Molle 1930 zum letzten Mal maifeiern? Sahn Sie nicht erst gestern jemanden „mit einer Stoppuhr als Gehirn" rekordefordernd „durch die Gegend schwirrn"? Und wie wird Ihnen bei jenen „Sommerfrischlern", die „Gedichte oder Initialen voll Gefühl an jeden Lokus malen"? Weit mehr also denn ein lustiges historisches Panoptikum ist dies Büchlein. Merkt ihr nischt? flüstert es uns zu - Erich Weinert spricht!
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Erich Weinert
Das pasteurisierte Freudenhaus Satirische Zeitgedichte
Aufbau-Verlag
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Ausgewählt von Herbert Greiner-Mai Textgrundlage: Erich Weinert, Gesammelte Gedichte, Band 1-6, herausgegeben von der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik, Aufbau-Verlag 1970-1976
21. Auflage 1978 Alle Rechte Aufbau-Verlag Berlin und Weimar Einbandgestaltung Hans-Dieter Noll Erich Rohde III/9/1 Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden Printed in the German Democratic Republic Lizenznummer 301. 120/92/78 Bestellnummer 612 411 3 DDR 1, 85 M
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Der Akadem In Rothenburg ob der Tauber, Da saß ein Akadem; Und was er fühlt, ist sauber, Und was er denkt, System. Er singt in feuchtem Eifer Vom deutschen Gaudio; Es wackelt ihm der Kneifer Bei jedem Tremolo. Er singt das Lied der Fremde Und Liebesleid und -lust. Wie schlug im Turnerhemde Die goldgelockte Brust! Ein Hürlein auf der Brücke, Das schaut ihn schmachtend an, Doch er steht gen die Tücke Des Lasters wie ein Mann. Er schreibt im Wartesaale Ein Distichon nach Haus, Doch streicht das carte postale Er dick mit Tinte aus. Er tunkt in seine Tasse Ein ernstes Butterbrot Dann fährt er vierter Klasse Ins teutsche Morgenrot. 1921
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Republikanischer Abend Im Parke schweift Frau Rechnungsrat Mit einem Schwanz von Pensionetten; Die Mädels wandeln wie auf Draht Und träumen heimlich von Kadetten. Und plötzlich singt der ganze Schwanz, Daß man nicht ohne hohe Wonne Der Abendsonne ihren Glanz Und ohne Lust betrachten könne. Ergriffen steht ein Protestant Und schaut gedankenschwer gen Abend; Ein Kontorist grinst arrogant, Kein Herz in seinem Busen habend. Am Wege sitzt ein halber Mann, Der war einmal im Krieg gewesen; Man schaut ihn mitbeleidigt an Vonwegen seiner Beinprothesen. Mit einem Darlehnskassenschein Bedenkt Frau Rat die brave Seele; Die Jugend singt die „Wacht am Rhein" In holder Quintenparallele. Ein Polizist der Republik Gedenkt gerührt in diesem Falle: Wie wohl tat solcherlei Musik! Und faßt sich an die Ordensschnalle. Frau Rätin kauft ein Abendblatt Und faltet feierlich die Runzeln. Der Schwanz verklingt. Die gute Stadt Versinkt in abendlichem Schmunzeln. Auf einer Schreberlaube grämt Ein rotes Fähnchen sich mit Zittern; Es hat sich schon ganz blaß geschämt
Und wird bald ganz und gar verwittern.
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Aus: Der verbogene Zeitspiegel
Kulturhistorisches Nocturno Es sitzen die würdigen Bürger der Republik Nachts zwischen zwölfen und eins bei Mampe** Und treiben Partikularpolitik Und gießen Öl auf die Meinungslampe. – Ein Oberlehrer mit Röllchen und Kneifer Vertritt die Demokratie und mit Eifer; Nur hätten die führenden Männer im Staate Nicht die entsprechenden Formate; Und er redet von Bismarck mit großer Gebärde (Und dabei haut er ein Glas auf die Erde), Und gleich verklären sich die umwölkten Stir nen, Aus Gummikragen recken sich Nacken, Die Augen funkeln wie Osram-Birnen, Die Schnäpse schwappern, die Sehnen knacken. Da erhebt sich ein alter Gesangvereinsbarde: Ja, hätten wir noch unsere alte Garde! Meine Herren, Frankreich kriegte nicht eine Millia rde! Ein Mann mit Försterbart dazwischen lullt: An allem sind doch bloß die Juden schuld! Ein weißblonder Volkshochschulautodidakt Fühlt sich an seiner Überzeugungsgurgel gepackt Und entwirft, mit nicht ganz einwandfreier Grammatik, Eine bunte Weltanschauungs-Batik. Einer Dame mit Non-plus-ultra-Busen zur Linken Verdirbt dies den Appetit an gekochtem Schinken. Max, sagt sie, gib es ihm, aber feste! Und mit Bismarck-Blick blickt ihn der Gatte an Und lächelt herablassend: Junger Mann! Und sein Vorhemdchen entringt sich der Weste. Und die Dame, die jetzt Mokkabohnen knabbert, Bläht ihren Busen wider die schwarze Schmach;
*
„Mampes Gute Stube", ein damaliges Lokal in Leipzig.
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Und der Subalterne, der durch die Zahnlücke sabbert, Kuckt ein paar tramaseidenen Waden nach; Darauf wettert er gegen Luxus und Schiebergewinne, Gegen Verwahrlosung der Jugend und ausgeschweifte Laster. Das wäre auch ganz in seinem Sinne, Sagt der Akademiker, abgeklärt wie ein Paster. Und den jungen Leuten fehle heut der Tornister (Dabei beseitenblickt er den jungen Polemiker), Und er wünschte, Brunner** würde Kultusminister; Und der Reichspräsident wäre wenigstens Akademiker. Der Mann am Nebentisch kaut an der Vorstenlanden, Entblättert die Berliner Illustrierte Und weist auf das Bild eines Konfirmanden: Meine Herren, das wäre Wilhe lm der Vierte! Es waren doch andere Zeiten, als wir die noch hatten! Wenn Sie gütigst gestatten! Und der Mann mit der Zivil-Versorgungs-Physiognomie Meint überzeugt, Rußland würde auch wieder Monarchie, Und wenn die Preise so weiter stiegen, Dann gäb es bald einen Knalleffekt, Und dann wär überhaupt nischt mehr zu kriegen. Er persönlich habe sich zwar gut eingedeckt, Vor allem mit Kartoffeln und Zucker. Aber man hätte doch auch ein Herz für die armen Schlucker. Worauf die Dame, die sich jetzt manikürt, Plötzlich energisch mit dem Busen vibriert Und bemerkt: Wo sind denn die armen Schlucker, mein Lieber? Es gibt doch überhaupt bloß noch Schieber! Und wozu wäre man denn heute noch intelligent, Und sie interessiere sich überhaupt nicht für Politik. Und sie bestellt eine Runde für die Jazzbandmusik, Denn die finde sie außerordentlich dezent.
*
Professor Karl Brunner war damals „Kunstsachverständiger" in Prozessen gegen „unsittliche Kunst".
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Und der Militäranwärter singt mit der Musik um die Wette, Daß er Marie, die Maus, nach Haus gebracht hätte; Und die Dame tanzt unterm Tisch mit dem Bauche Und betont mit eurhythmischer Überzeugungskraft, Daß jedermann eine kleine Freundin brauche, Und der Wonnebusen bebbert vor Leidenschaft. Der Försterbart, der mit dem Spazierstock säbelt, Ist überzeugt, daß an der ändern Ecke schon eine andre stände. Und so fühlt man sich stimmungsvoll eingenebelt. Der Oberlehrer sammelt für eine Denkmalsspende; Dann funkelt er durch seine Fensterscheiben Und versucht, einen Salamander zu reiben*, Und brüllt: Ad exercitium Salamandris! Doch der Militäranwärter denkt, das ist was andres. Er hat was vom Exerzieren gehört, Und nun kommandiert er: Stillgestanden! Ganze Abteilung kehrt! Und dabei wird er rot wie Zinnober. Der Subalterne kriegt inzwischen Krach mit dem Ober. Der Fürstenbart beschwert sich über die Kellnermanieren; Und früher sollte so was mal passieren! So benehmen kann sich ja ein Strolch bloß! Und das hätten wir nun von dem Dolchstoß! Der Oberlehrer erhebt sich, wenn auch ein bißchen schräg, Und führt ein anmutiges Selbstgespräch; Die ändern tun mehr oder minder desgleichen; Die Jazzbandkapelle hört auf zu seichen. Der Försterbart fragt den Barden: Sagen Sie mal: Wissen Sie nicht irgendwo ein intimes Lokal? Sie kennen doch so stimmungsvolle Bordelle! Und der Oberlehrer brüllt: Ganz egal! Als Kulturvolk stehn wir an erster Stelle! 1922
*
Ein Trinkbrauch der Korpsstudenten.
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Der Gottesgnadenhecht Dem Hecht Ging's einmal schlecht. Er hing in der Reuse In sicherem Gehäuse. Da gab's nichts zu prassen und schlarpfen, Weder Brassen noch Karpfen. Die junge Karpfenbrut Fand das gerecht und gut. Nun hätten sie Ruh und Genuß In ihrem Loche; Das wäre der Schluß Der feudalen Epoche. Jedoch die Altern Befreiten ihn aus seinen Behältern. Sie sprachen: Wir hängen am Alten, Die eherne Tradition wird heilig gehalten. Jedem Karpfengeschlecht Gab Gott einen Hecht. Sein Privileg ist göttliches Recht. Der Hecht, die Situation ausnutzend, Fraß von den Jüngern Volksgenossen Ein gehäuftes Dutzend Nebst Flunsch und Flossen. Die Alten wedelten mit dem Schwanz Und sangen: Heil dir im Siegerkranz! 1923
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Mondorgelmalzkaffeeromantik Eine Jungnickeliade* Der Kantor mit dem Mondscheinblick Sein Abendlied gen Himmel dudelt; Der Dorfpoet lehnt an der Brück, Von Orgeltönen sanft umnudelt. Frau Kantorn dreht die Betten um; Der Kantor träumt noch in der Kirchen. Das Stundenglöcklein macht bumbum! Frau Kantorn leert ihr Nachtgeschirrchen. Du stehst, vom evangel'schen Zwirn In Harmonien eingewickelt, Den Kaffeewärmer ums Gehirn. – Wer fühlt sich da nicht jungvernickelt? 1923 Das Antisemeeting Nachts um zwölfe Versammelten sich die blonden Wölfe Mit großem Gebelfe. Und einer hielt ein Referat: Es dürften im Blonde-Wölfe-Staat Die proletarischen Hammelherden Nur von blonden Wölfen gefressen werden, Und deshalb könne nur eines helfen: Nieder mit den schwarzen Wölfen! Und als man zu Tätlichkeiten schritt, Da machten sogar die Hammel mit. 1923 *
Anspielung auf den von der bürgerlichen Jugendbewegung propagierten neuromantischen Schriftsteller Max Jungnickel.
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Die Geistersitzung Bei Kohlrauschs ist man fieberhaft gespannt. Die Familie sitzt schon auf den Stühlen Mit immerhin gemischten Gefühlen. Herr Kohlrausch, mit der Uhr in der Hand, Ist schon zwanzig Mal auf und ab gerannt. Auf einem Etagerenbrette, Zur Geisterlampe promoviert, Thront das Nachtlämpchen aus der Toilette Mit rosa Seidenpapier drapiert. Fräulein Käte, schon in etwas reiferem Alter, Erhöht ihre Reize per Büstenhalter. Früher, da hatte sie mal Verkehr Mit einem heilkundigen Magnetiseur. Bei dem war sie als Medium und Braut Und deshalb schon mit höheren Mächten vertraut. Artur, Kolonialwarenlehrling en gros, Behauptet natürlich, es gäbe gar keinen Himmel, Und die Chose mit dem Geisterfimmel Wäre gar nichts weiter als Radio. Herr Kohlrausch betont mit seriösem Gesicht, So einfach läge die Sache nun nicht; Denn es handele sich hier doch um Phänöme, Wo nicht mal die Wissenschaft dahinterkäme. Endlich erscheinen Herr Stengel nebst Frau und Schwager Von unten aus dem Produktenlager. Dann kommen noch einige Hausbewohner, Herr Hille, Aftermieter vom selben Flur, Ein Herr in Kamelhaarsocken und Kragenschoner Und Fräulein Paetz mit der vegetarischen Frisur. Dann erscheint auch Frau Krebs, die Hellsehtante, Von allen Seiten feierlichst berochen; Sie setzt sich auf das Sofa mit Umbaukante, Und Frau Kohlrausch geht inzwischen Kaffee kochen. Der Geisterzirkel sitzt schon wie entrückt, Herr Kohlrausch versucht ein Gespräch anzubahnen,
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Aber das wird schon im Keime erstickt. Nur Artur ist noch völlig ohne Konflikt Und singt für sich: Yes, we have no Bananen! Endlich, beim traulichen Geklirre Der silbernen Hochzeitskaffeegeschirre Kommt ein bescheidenes Gespräch ins Rollen Über die Dinge, die da kommen sollen – Zwecks Erzeugung von Geistertelegrammen Rückt man jetzt eng um den Tisch zusammen, Und Frau Krebs vermutet, es ginge gleich los, Denn ihr Astralleib wäre heute ziemlich groß. Nun sollten sie alle die Fingerspitzen Ganz sachte auf die Tischplatte legen, Aber sonst recht ruhig sitzen Und nicht die Beine und das Gesäß bewegen. Schon gibt die Tischplatte etwas nach, Die Portiere kriegt schon einige Beulen, Artur dreht die Gaskrone schwach, Die fängt unheimlich an zu heulen. Trotz der Nähe von Geistergewalten Kann Herr Hille sich nicht vor Lachen halten, Denn die Lampe jault wie ein junger Köter Und die Geister verduften natürlich im Äther. Frau Krebs ist wieder aufgewacht Und klagt über Mangel an Konzentration, Und Frau Stengel meint, das hätte der mißratene Sohn Wahrscheinlich nur mit Absicht gemacht. Nach einem väterlichen Griff ins Genick Tritt Artur von seinem Amt zurück. Jetzt blakt nur noch die Lokusfunzel: Frau Krebsens Antlitz wird eine Runzel; Und jetzt ist die Stimmung, wie sie muß: Man hört nur noch die Krebsen schnarchen, Sie lallt was von Fridericus, Fidibus, Rhabarber, Barbarossa und ändern Monarchen, Der Tisch bewegt sich, der Tisch geht los, Die einen stehen, die ändern hocken,
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Der Herr mit den Kamelhaarsocken Sitzt schon beinahe Fräulein Paetz auf dem Schoß, Und jetzt sieht man im Dunkeln Nur noch Herrn Kohlrauschs Glatze funkeln. Es tönt ein Geräusch wie aus weiter Ferne, Der Tisch kommt weiter ins Schunkeln, Und unheimlich blakt die Klosettlaterne. Das vegetarische Fräulein seufzt unbändig, Das wirkt auf Frau Stengel fast unanständig. Die Stube ist voll von Geisterfluiden,, Frau Krebs verdreht die Augen und schluckt, Einer äußert sich hörbar von Süden, Fräulein Paetz fühlt sich an die Backe gespuckt, Frau Stengel hätte ein überirdischer Gast Soeben direkt an den Busen gefaßt, " Und Käte meint, ihr war's auch bald so, Aber nicht an den Busen, sondern anderswo, Und die Tassen klirren auf dem Vertiko. Jetzt wird die Klosettlampe ausgedreht, Und keiner weiß mehr, was vor sich geht: Die Menschen fallen, die Stühle kippen, Frau Krebs beschwört Johannes, den Täufer, Einer kriegt 'nen harten Gegenstand in die Rippen, Und Herrn Stengels Schwager vermißt seinen Kneifer, Käte umarmt einen Kragenschoner, Und das Fräulein mit dem Reformkattun Hat's oberhalb mit dem möblierten Zimmerbewohner Und unterhalb mit Herrn Stengel zu tun, Und Frau Stengel verlangt energisch nach Licht, Es hätte sie einer von hinten gepackt, Doch Herr Hille stammelt, das ginge jetzt nicht, Er stände gerade mit 'nem Geist in Kontakt Plötzlich fällt einer mit vollem Gewicht und großem Radau ins Vertiko, Und Büsten und Nippsachen klingeln en gros. Frau Krebs ist wieder aufgewacht, Mit aller Eile wird Licht gemacht:
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Da sitzt Frau Stengel erschreckt im Nassen Zwischen Kaiserfragmenten, Kaffeetassen, Familienbildern und Aschenbechern Mit total verblakten Nasenlöchern. Die Gäste, schon gänzlich außer Fasson Verduften sachte aus dem Salon. Nur der Kragenschoner stottert erschrocken, Es fehle ihm ein Kamelhaarsocken, Und Käte, mit überirdischer Miene, Sitzt auf einer Kamelhaarpantine Und seufzt mit weltentrückter Gebärde, Es gäbe Dinger zwischen Himmel und Erde Nur Frau Kohlrausch heult: Jetzt hätte sie's satt, Und bei ihr fände keine Sitzung mehr statt! 1923
Die neue Nationalhymne Es braust ein Ruf wie Donnerhall, Wie Jazzgeklirr, Gehirnverfall, Im Hinterhaus, im Grafenschloß, Der letzte Hauch von Mann und Roß, Der neue Nationalgesang. Stimmt an mit hellem hohen Klang, Ihr West- und Ostgermanen: Ausgerechnet Bananen!* Was frag ich viel nach Schwarz-Weiß-Rot, Nach Hakenkreuz und Heldentod, Zehnstundentag, Justizabbau, Ob Deutschland nächstes Jahr k. v.? Bei Gerstenkaffee, -saft und Punsch Hat jedes Herz nur einen Wunsch *
Der international bekannte amerikanische Schlager „Yes, I have bananas... " grassierte während der Inflationszeit in Deutschland mit dem. Kehrreim „Ausgerechnet Bananen l" Vgl. auch 5. 13.
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(Wer konnte so was ahnen?): Ausgerechnet Bananen! Revanche, Fridericus Rex, Marx, Hitler, Stinnes, alles ex. Der deutsche Aar schwingt sich empor; Das ganze Volk ein Männerchor! Soweit die deutsche Zunge klingt, Soweit man große Töne schwingt, Was blasen die Germanen? Ausgerechnet Bananen! 1924
Das pasteurisierte Freudenhaus Auch die sexuelle Frage Trat im neuen Staat zutage. Ganz besonders für Betriebe Öffentlicher Nächstenliebe Gab's noch keine feste Norm; Und sie schrien nach Reform. Schon von Seiten teutscher Frauen Scholl der Ruf, sie abzubauen. Doch auf männlichen Kongressen Fand für ihre Interessen Nirgends sich das nöt'ge Drittel. Und so blieb kein andres Mittel, Als besagte Lasterhöhlen Völkisch-christlich zu durchseelen. Auch erwog man, und ganz richtig (Dies erschien besonders wichtig): Schon zu Zeiten unsrer Kaiser Gab es solche Freudenhäuser. Doch bei Schaffung höhrer Ebne Stieß man auf naturgegebne Hindernisse und Gefahren,
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Die nicht zu umgehen waren. Da, in einer Stadt im Norden War sie bald gefunden worden Und von einer Dame zwar, Welche aus der Branche war. Dieses war die Mutter Klippschen, Die Besitzer eines hübschen Kleinen Freudenhauses war, Wo die zarte Kinderschar, Die sie zwar nicht selbst gebar, Teils aus Lust, teils aus Prinzip, Ihre muntren Spaße trieb. Eines Nachts, im Glorienschein, Trat ein Geist zu ihr herein, Der sie freundlich interviewt; Und das ganze Institut War von Sphärenklang durchläutet. Sie verstand, was das bedeutet, Und erwog, vom Geist durchdrungen, Wesentliche Änderungen. Himmelwärts, wie eine Lerche, Flog sie in den Schoß der Kerche. Sie besuchte Pastor Quandte, Den sie schon von früher kannte, Dem sie ihre neuerbaute Mädchenseele anvertraute. Pastor Quandte, sanft geölt. Sprach: Das ist es, was uns fehlt! Ein für sittenreine Freude Eingerichtetes Gebäude, Das in jeder Hinsicht frei Von gemeiner Wollust sei. Man verpöne das Obszöne, Damit auch der angesehne Ältre Herr sich hin gewöhne! Denn man weiß ja aus Erfahrung, Daß die eheliche Paarung
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Einmal nicht mehr den Effekt hat. „Variatio delectat."* Worauf er, für den Bedarf, Einen schlichten Plan entwarf, Wie die schwüle Atmosphäre Gründlich zu berein'gen wäre': Schlichte Kleidung, hochgeschlossen, Alkohol wird nicht genossen, Keine Akte, dafür schmucke Sonnige Dreifarbendrucke. Kurz, man fühle sich inmitten Guter bürgerlicher Sitten. Mutter Klippschen, so beschieden, Wandelte, im Herzen Frieden, Heimwärts in ihr Freudenhäuschen Und eröffnete den Mäuschen Bürgerliche Perspektiven Bei ermäßigten Tarifen. Feierlich im nächsten Lenz, Unter Quandtes Assistenz, Ward in aller Heimlichkeit Die Geschichte eingeweiht. Alle prominenten Geister Bis hinauf zum Bürgermeister, Meistens schon gewohnte Gäste, Kamen zum Eröffnungsfeste. Pastor Quandte, stante pede, Schlug ans Glas und hielt die Rede. Hierauf folgte Rektor Müller; Dieser brachte was von Schiller: Freude, schöner Götterfunken! Und dann wurde Wein getrunken. Später sang man frohe Lieder: „Deutsches Mädchen, keusches Mieder Steh allein auf weiter Flur Gaudeamus igitur. " *
(lat.) Abwechslung erfreut.
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Darauf las Herr Pastor Quandte Noch was von der Waterkante. Und zum Schluß der Kommissar, Der schon ungeduldig war, Brachte auf die polygamen, Venusdienstbeflissenen Damen Einen sehr galanten Toast. Und dann wurde ausgelost. Jeder war befriedigt worden. Unter „Lohengrin"-Akkorden Wandelten die frohen Zecher In die schlichten Schlafgemächer. Und, von allen Lastern frei, Schlief man dort den Damen bei. – Bald trug Minna auf der Taille Freudig die Verdienstmedaille, Und ihr Venusschwesternorden War zur Sensation geworden. Hier roch nichts mehr nach Verführung; Und in strengster Rationierung Wurde, je nach Interessen, Freie Liebe zugemessen. Auch die sonst fast monogamen Bessersituierten Damen Sah man, frei von Vorurteilen, Hier in Andacht still verweilen. Abends wurde temperenzelt, Nachmittags gekaffeekränzelt. Und so blühte still in wahrem Teutschem Geist der neue Harem. 1924
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Aus: Onkel Stefans Kinderfestchen
Reigenliedchen für verarmte Landwirtchen Eins zwei drei vier fünf sechs sieben, Heut gibt's nischt mehr zu schieben. Ach wie bald, ach wie bald Schwindet Schönheit und Gehalt! Zwei drei vier fünf sechs sieben acht, Rentenmark ist bald verkracht. Ist sie tot, Morgenrot! Preise gehn nach Höchstgebot. Drei vier fünf sechs sieben acht neun, Vollerlein, bring Glück herein! Bist du da, fern und nah, Alle Schieber sind schon da!
Am ersten Mai zu singen Maikäfer flieg! Noch sind wir Republik. In Bayern und in Pommerland, Da tut sich ja schon allerhand. Maikäfer flieg! Maikäfer flieg! Es war mal Republik. Laß dir die Flügel amputieren! Jetzt brauchst du bloß noch zu marschieren. Maikäfer flieg!
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Tanzliedchen der kleinen Cellydereiterei Ringelringelreigen! Kein Blättchen vor den Feigen. Es bleibt dabei kein Ooge kalt; Nur manchmal das vom Staatsanwalt. Ringelringelrübe! Wir tanzen rein aus Liebe. Man schaut uns ohne Ärgernis Bis an den montem Veneris*. Ringelringelrosen! Wir tanzen ohne Hosen; Wir tanzen nur mit Baumbehang. Der Schurz ist kurz, der Bauch ist lang. Ringelringelrentenmark! 1924 Der Cabaret-Humorist Ein Wasserkopp mit rotgetuschten Backen! Kanone, Stimmung, Witz, Humor! God save the smoking**! Die Pointen knacken! Ihm kommt die ganze Welt nur rosig von Er ist ein Matador ia Herrenwitzen; Doch sagt er alles so dezent verblümt. Die jungen Damen rutschen auf den Sitzen Bei so Pointen, die er schweigend mimt. Und singt er gar pikante Sektcouplets, Pervers durchbläht von oriental'schen Brünsten, Verdreht die Augen oder das Gesäß, Dann fängt's in allen Logen an zu dünsten. Schon dreht sich alles um das Genitale; *
(lat ) Venusberg
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(engl.) Gott schütze den Smoking I Eine Anspielung auf die englische Nationalhymne,. God save the King" (Gott schütze den König).
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Die Stimmung steigt und auch der Schnapskonsum. Die Pauke dröhnt. Jetzt kommt das Nationale. Ein Blick zu Gott! Jetzt steigt das Heldentum. Wie kriegerisch die goldne Plombe funkelt! Ha, wie die Männerfaust ans Frackhemd knallt! Der Sänger wird ins Rötliche verdunkelt. Er steht wie auf dem Teutoburger Wald. Noch nicht genug! Es schmettern Schlachtfanfaren. Mitsingen jetzt! - Der ganze Saal stimmt ein. Und in der Brust berauschter Bar-Barbaren Steht wieder einmal fest die Wacht am Rhein. 1924
Deutsche Walpurgisnacht Hei, das geht ja drunter, drüber! Was das bloß noch werden soll! Patridioten, Meinungsschieber, Schnauzen von Rekordkaliber! Bürgerblocksberg doll und voll! Christuslocken, Hurratüte, Pickelhaube, Jottes Jüte, Deutsche Helden jeder Branche Stehn jeschlossen zwecks Revanche. Schwarzweißrotationsmaschinen, Neues Leben aus Ruinen! Ludendorff auf Eisenbesen. Hinter ihm das große Heer. Stahlhelm mit Gehirnprothesen. Deutsches Wesen, Welt genesen! Alles hakenkreuz und quer! Vorneweg mit Referaten Neue Spitzenkandidaten, Mzig neue Staatspartein Stellen sich begeistert ein.
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Oben in dem Mordsschlamassel Unaufhörliches Gequassel! Erfurt, Weimar, Marx und Bebel! Und es reckt sich aus dem Nebel Die verdorrte Hand von Kassel* , Schwingend den Cheruskersäbel. Deutschen Geistes Irrelichtchen! Freie Eisenbahn dem Tücht'gen! Abgebaute Staatsminister Mit und ohne Portefölchen, Männerfaust in Gummiröllchen, Neckisches Kulturgeflüster. Oben quirlt ein Wasserkopp Ernst im Demagogentopp. Thron, Altar und Opferflamme, Gott, der Eisen wachsen ließ, Rentenmark, Aktionsprogramme, Steige aus dem Sündenschlamme, Deutsche Jungfrau! Gott, wie süß! Unten in dem Jammertale Wimmelt es mit einem Male: Hoch, die Internationale! Oben auf der Teufelskanzel Singen Männer, schwarztalart, Mit und ohne Bardenbart, Evangelische Gestanzel. Eine sanfte Demokröte Predigt was von Kant und Goethe. Bei dem Homo Häusseri** Hockt die Ledebourgeoisie***. *
Gustav Scheidemann, 1918 Gründer der großbürgerlichen Deutschen Volkspartei und 1920-1925 Oberbürgermeister von Kassel, hatte vor der Weimarer Nationalversammlung (1919) gegen die Bedingungen des Versailler Vertrags protestiert mit Worten wie: „Welche Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legt?" **
Der Sektengründer Ludwig Christian Haeußler (1881-1927) gab sich als neuer Christus und Retter Deutschlands aus. ***
Der Sozialdemokrat Georg Ledebour hatte 1920 die Vereinigung der USPD mit der KPD abgelehnt und distanzierte sich zusehends von der Arbeiterbewegung.
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Immer toller wird das Treiben, Einmal unten, einmal oben. Weiterjehn! Nicht stehen bleiben! Glaubst zu schieben, wirst jeschoben! Säbel rasseln, Mäuler klaffen Von der Etsch bis an den Belt: Deutschbelange, Jeisteswaffen Über alles in der Welt! 1924
Einheitsvolkslied Für Gesang- und andere Gemütsvereine als Ausflugshymne sehr geeignet. Der Text ist in sinniger Weise aus allen Schätzen des deutschen Liederhorts, ohne Unterschiede der Partei, zusammengetragen worden, und legen wir dieses Einheitslied allen Sangesfreunden warm in die Kehle. Melodie: „Stimmt an" usw. Stimmt an mit hellem hohen Klang! Nun muß sich alles wenden. Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang Mit Herzen, Mund und Händen. Das Wandern ist des Müllers Lust. Was blasen die Trompeten? Wir treten mutig Brust an Brust Zum Beten, ja zum Beten. Stolz weht die Flagge schwarzweißrot An uns und allen Dingen. Wir sterben gern den Heldentod. Es muß uns doch gelingen!
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Ich schieß den Hirsch im wilden Fürst. Wie brennt mein Eingeweide! Ein frischer Trunk, ein deutscher Durst Im Wald und auf der Heide. Ich steh allein auf weiter Flur. O Täler weit, o Höhen! Drum Brüder, reicht die Hand zum Schwur! Sie blieb von selber stehen. Ein freies Leben führen wir. Ich trage, wo ich gehe Ein treues, deutsches Herz bei mir. Was kommt dort von der Höhe? Die Lerche schmettert himmelan. Es geht von Mund zu Munde. Der Kaiser ist ein lieber Mann. In einem kühlen Grunde. 1924
§218 So lebt das alte Scheusal immer noch In Pfaffendunkel und Gesetzeskälte? Das grinsend über Liebesträume kroch Mit Leichenfingern frommer Staatsanwälte? So dient ein Weib, das noch was auf sich hält, Teils der Moral und teils dem Nationalen. Wer wahrhaft christlich ist, der braucht kein Geld; Der Himmel wird die Alimente zahlen. Jawohl es lebt, als sittliches Prinzip, Besonders für die niedren Atmosphären. Ein deutsches Weib hat nur den einen Trieb, Soviel als möglich Kinder zu gebären.
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Denn einmal braucht man Menschenmaterial Für Unternehmer und für künft'ge Schlachten. Und zweitens auch im Hinblick der Moral Muß jedes Weib nach vielen Kindern trachten. Der Sensationsprozeß zeigt uns erneut: Entsittlichung herrscht nur in untern Schichten. Indes die bessern Stände jederzeit Sich streng nach jenem Paragraphen richten. Deshalb vermehret euch mit Gottvertrauen, Ihr Proletarier und ihr Angestellten! Nehmt euch ein Vorbild an den echten Frauen Von sittlichkeitsdurchtränkten Staatsanwälten. 1924
Die große Zeit Lese- und Vortragsstück für bessere Schulbücher Kaiser Wilhelm fuhr ganz heiter Nach Rominten und so weiter Von der Etsch bis an den Belt. Deutsch im Dichten, deutsch im Trachten, Sang an Ägir, malte Schlachten Als ein Kaiser und ein Held. Ein augustisch Alter blühte Unter Wilhelms Messingtüte. Dieses war die kleine Zeit. Und auch Ostreichs greiser Kaiser Hielt es mit die Friedensreiser. Das erweckte Feindbundneid. Schon umkreisten, mit Geheulen, Unsre ehrnen Friedenssäulen
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Russenbär und gall'scher Hahn. Wilhelm schwur's dem Franz aufs neue, Denn die Nibelungentreue Ist kein Oberlehrerwahn, Während schon (Gott strafe England!) Unsern Kaiser sein Cousinland Heimlich Bajonette schluff. Wilhelm klappte mit den Hacken. Mit zusammgebißnem Nacken Rief der Sohne: Feste druff! Ha, wie zog der Friedenskaiser, Gegen alte Deutscheinkreiser Siegreich in den Heldentod. Jeder, der sich redlich nährte, Griff zu Leier und zu Schwerte Gegen sichres Höchstgebot. Während man den Feind zerfetzte, Brachte jedermann das letzte Oberhemd, was nicht mehr ganz. Und den opferwill'gen Kreisen Gab der Kaiser Gold für Eisen Am Altar des Vaterlands. Alle, die noch kriechen konnten, Drängten siegreich an die Fronten, Ach, sie kamen oft nicht weit. Und der Drang zum "Heimatlande Galt als schnöde Schmach und Schande. Dieses war die große Zeit. Ludendorff, der edle Ritter, Mähte als ein Kaiserschnitter Ganze Divisionen ab,
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Die das Feindland bis zum letzten Hauch von Mann und Roß besetzten Bis ins kühle Massengrab. Und so wurden sechs bis sieben Neue Feinde aufgetrieben, Endlich auch Amerika. Wilhelm dankte, Tirpitz lachte, der uns X für U-Boot machte. Und der Sieg war schrecklic h nah. Doch so dicht vor dem Patentsieg, Fünf Minuten vor dem Endsieg Wurden, schon im Feindesherz, Unsre unentwegten Stürmer Durch entdeutschte Hinterwürmer Angefault und rückenwärts. Düster tragisch war das Ende. Die erdolchten Schlachtverbände Kehrten um und allerseits. Wilhelm nur mit seinen Besten Schlug sich siegreich durch gen Westen Bis nach Holland und der Schweiz. Kinder, so ist das gewesen! Fragt die Leute mit Prothesen! Wer was andres sagt, der lügt. Deutschland steht in jeder Branche Fest geschlossen zwecks Revanche, Hinterdolcht, doch unbesiegt. 1924
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Liedchen für den Verfassungstag Der Refrain darf öffentlich gesungen werden. Wenn du am Sonntag buntbetünchte Mannen Mit umgestülpten Kinderbadewannen Und Fahnen durch die Gegend schweifen siehst, Die durchgedrückt, wie sie's vom Kaiser lernten, Vorüberziehn an Voll-und-ganz-Besternten, Als Volk in Waffen feierlich begrüßt, Und wenn in Siegerkranz-Musik Geschlossen steht die Wacht am Rheine, Dann fühlst du tief Und sehr massiv, Das ist die Freiheit, die ich meine! Das Deutsche Reich ist eine Republik! Und was für eine! Wenn du im Kreis von Stammtischfeldmarschällen Und an politischen Begeistrungsquellen Den teutschen Mann das Feld behaupten siehst, Und wenn die Barden, die hier dicht- und denkern, Die Staatsverfassung unentwegt bestänkern, Bis jede Kehle trunken überfließt, Und kommt dann noch Commentmusik Im Geist: Alt Heidelberg, du feine Da fühlst du ganz Im Thronesglanz: Das ist die Freiheit, die ich meine! Das Deutsche Reich ist eine Republik! Und was für eine! Und wenn, als sonnigste Kulturerscheinung, Der Produzent der öffentlichen Meinung Der Republik eins vor die Türe kackt Und Jünglinge, die auf Minister schießen, Die Achtung eines freien Volks genießen,
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Indes der Pazifist die Sachen packt, Und wenn Zensur und Gcistkritik In Händen biblischer Vereine – Dann fühlst du hold, Wie du's gewollt: Das ist die Freiheit, die ich meine! Das Deutsche Reich ist eine Republik! Und was für eine! Und wenn du siehst, wie man auf höchsten Posten Der freien Republik auf deine Kosten Dem Ausland in die offnen Hände spuckt; Und wie nach der Verfassung Grundartikeln Die Dinge sich im alten Geist entwickeln Mit Achtung! Augen rechts! und keiner muckt, Und schwarzweiß roter Schlachtmusik, Und deine Farben siehst du keine – Dann singe traut, Doch nicht zu laut: Das ist die Freiheit, die ich meine! Das Deutsche Reich ist eine Republik! Und was für eine! 1924
Anonyme Grabschriften Ein Unentwegter Hier ruht ein Patriot Und Mann der Presse. An ihm ist alles tot. Bis auf die Fresse.
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Ein Abstraktum Es liegt in diesem Grabe "Eine-Kulturaufgabe. Sie hat nicht bewältigt werden gekonnt. Drum ging sie uns übern Horizont. Hier ruhen ihre Gebeine. Vielleicht war es gar keine!
Ein Liberaler Er liebte, umzufallen, Das war sein Lebenslauf. Doch stand er meist nach allen Debakeln wieder auf. Trostlos ist seine Lage. Doch wird er unbesehn Am jüngsten „Deutschen Tage" Noch einmal auferstehn.
Ein Kommandeur Ach, der hier liegt, war vom Militäre Und ein Mann der Disziplin. Wird er jetzt im Engelsheere Seine Konsequenzen ziehn? Ach, ich sehe ihn als Hauptmannsengel, Wie er dort organisiert Und mit aufgepflanztem Palmenstengel Flügelrollen exerziert! Deutsches Wesen Hier ruht es unter grünem Gras, An dem die Welt noch nicht genas. Doch wird an seinem Verwesen Noch mancher Wurm genesen.
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Ein Industrieller Unter diesem pompe funèbre* Ruht ein wackrer Arbeitgeber. Arbeit gab er, und mit offnen Händen Jeder Kreatur. Für sich selber nur Nahm er ganz bescheidene Dividenden.
Ein Friedensengel Hier ruht ein guter Mensch im dunklen Drange Und Pazifist. Er weiß noch nicht, daß er schon lange Gestorben ist. Es war ein friedliches Begängnis So still und froh. Sein einziger Sohn sitzt im Gefängnis. Man weiß nicht wo.
Ein Psychosynthetiker Synthese war sein großes Wort; Synthese hier, Synthese dort. Jetzt liegt er unter der Wiese Als unvermeidliche Analyse,
Eine Totgeburt In diesem Grabe ruht Revolucinde. Sie starb an der Sünde Wider das Blut. 1924 *
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(franz.) pompösen Grabmal.
Und so was wählt! Da sitzen sie und meckern sachverständig Um einen Grand mit Einem aus der Hand. Doch plötzlich wird der deutsche Geist lebendig, Furor teutonicus im Skatverband. Heil Wilhelm! Nieder mit dem Sattlermeister*! Das Vorhemd kracht im kriegerischen Zorn. Es riecht so muffig nach Gesinnungskleister Wie Sauerteig von altem Schrot und Korn. Man steht geschlossen wie die Wacht am Rheine, Für Kaiser und für Reich, beseelt Vom Geist der Militärvereine. Und so was wählt! Da sitzen sie, die Streuselkuchenschwestern Und sticken Kissen oder sonst so was. Man liest Romanfortsetzungen von gestern; Da werden Augen und so weiter naß. Es war so schön mit Prinzen und Prinzessen! Dann protestiert man gegen schwarze Schmach. Die wird man den Franzosen nie vergessen. Ein echter Deutscher hält, was er versprach! Das ist die deutsche Treue deutscher Frauen, Mit Rudolf Herzog** sanft vermählt, Im Drange, wiederaufzubauen! Und so was wählt! Da sitzen sie, bei hochprozentiger Lösung, Die Sekundaner mit Bewährungsfrist, Und saufen Mut zum Zweck der Volksgenesung Und brüllen Hurra über ieden Mist. Epheben mit bemalten Hühnerbrüsten Umarmen sich in Selbstbefriedigung
* **
Friedrich Ebert, der erste Präsident der Weimarer Republik, war von Beruf Sattler Ein vom Bürgertum vielgelesener nationalistischer Unterhaltungschriftsteller.
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Und leisten Schwur auf Handgranatenkisten Und bringen die Franzosen auf den Schwung. Dem deutschen Barden straffen sich die Nerven Ob dieser Jugend, die krakeelt. Das sind des Vaterlands Reserven! Und so was wählt! 1924
Von allerhand Tieren Einst hatt ein Löwe sein Getier versammelt Und hatte la nge und ergrimmt Im Gottesgnadenton gestammelt Und schließlich feierlich bestimmt: Man müsse sich zum heil'gen Kriege rüsten, Zur Rettung der Nation und Dynastie! Da scholl, bewegt aus Untertanenbrüsten, Ein Hoch dem Kriege und der Monarchie. Da stiegen alle Esel von Kathedern Und zeigten militärische Allüren. Die Füchse spitzten ihre Gänsefedern Und schrieben Leitartikel und Broschüren. Der Löwe schrieb: „An meine braven Schafe! Die Stunde ruft! Erwacht aus eurem Schlafe! Verkennt den Ernst der großen Stunde nicht!" Da taten auch die Schafe ihre Pflicht. Sie stürmten wild an ihre Landesgrenzen, Dem Feind die Hörner in das Herz zu bohren. Im Lande blieben die Intelligenzen Als unabkömmliche Kulturfaktoren. Die Esel stiegen wieder aufs Katheder Und sprachen von heroischer Verklärung. Die Schweine handelten mit Fett und Leder Und garantierten so die Volksernährung. Die Geier stürzten sich auf die Tribute
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Und schufen mit den Wölfen Syndikate.Die Schafe aber zahlten treu dem Staate Mit ihrer Wolle und mit ihrem Blute. Man schreit Hurra. Es hagelt nur von Siegen. Rein überschaflich sind der Schafe Kräfte. Die Wälder füllen sich mit Beutezügen. Und alle Welt macht glänzende Geschäfte. Die Wölfe schmücken sich mit hohen Orden. Die Schweine werden schier zum Platzen mollig. Doch nur die Schafe scheinen nicht mehr wollig Und sind erheblich magerer geworden. Die kamen furchtbar auf den Hund. Die Sache hatte einen tiefern Grund: Das Schweinevolk in höhern Positionen, Das fraß begeistert doppelte Rationen.Doch so was war den Schafen selbst zu bunt. Und eines Nachts beschleicht ein düstres Fatum Die Gottbegnadeten im fetten Schlafe: Die Hammelschaft erläßt ein Ultimatum Und konstituiert die Republik der Schafe.Da flohn die Heimathelden in die Wälder; Der Löwe selbst verschwand im Siegerkranz; Das Schweinevolk versteckte seine Gelder. Man zitterte vor jedem Lämmerschwanz. Nun fühlten sich, von Etsch bis Belt, Die Schafe über alles in der Welt. Dann gaben sie, als einig Volk von Brüdern Für jedes Raubtier volle Amnestie. Das kroch sogleich heran, sich anzubiedern, Und predigte von Gleichheitsharmonie. Es fühlte sich als Schafe unter Schafen Und huldigte Verfassungsparagraphen. Gefallen waren die sozialen Hürden, Und Wölfe, Geier, Esel, Schweine Bekamen wieder Amt und Würden Und gaben wieder iedem Schaf das Seine. Der Oberhammel sprach zu seinen Heeren:
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Wir brauchen nichts als unsers Leibes Nahrung! Die uns regieren, haben die Erfahrung. Drum laßt euch nur verfassungsmäßig scheren! Da wurden gleich die Esel wieder keck. Die Schweine wurden wieder fett und fetter. Die Füchse schufen nationale Blätter, Und selbst der Löwe kroch aus dem Versteck. Die Wölfe trugen Orden auf den Lenden. Die Geier schluckten hohe Dividenden.Und eh man sich versehn, war weit und breit Auf einmal wieder gute, alte Zeit.Und auch die Wölfe harten unterdessen, Wo sie als Staatsanwälte figuriert, So manchen armen Hammel aufgefressen, Der einst für Hammelfreiheit agitiert. Die Schafe lagen bei den Wiederkäuern Und kauten Gras und zahlten ihre Steuern. Und riß zuweilen eine Lammsgeduld, Dann rief das Oberschaf: Nur kein Tumult! Ertragen wir mit Würde Gottes Strafe! Denn wir sind auch nicht ohne Schuld. Das sahen denn die treuen Lämmer ein, Die nichts verstehn und alles gern verzeihn, Und kehrten heim zum großen Dauerschlafe.Es waren eben verkable Schafe! 1924
Geist und Stoff Die Eingeschriebene Frida Stumpf Verließ eines Tages den Sündensumpf An der Hand eines Philologen. Er sagte: Fräulein, ich liebe Sie! Worauf sie in seine chambre garnie Nach der Uhlandstraße gezogen.
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Er las ihr vor aus der Odyssee; Frida lag auf dem Kanapee. Er nannte sie seine Hetäre. Und abends, da saß sie auf seinem Knie. Da sprach er von seliger Harmonie Und ob sie zufrieden wäre. Im Sexuellen verstand er keinen Spaß; Er nahm es ernst und tat es mit Maß An Hand einer kleinen Tabelle. Selbst Fridas Technik verlockte ihn nicht. Punkt zehn Uhr fünfzehn nahm er das Licht Und verließ ihre Kammerschwelle. Doch einmal, da folgte sie ihrer Natur, Denn ihr Zimmer lag separat am Flur. Und schon war sie wieder im Sumpfe. Der Doktor kam früh um sieben ans Bett, Da fand er bei ihr ein neues Korsett Und einen Hundertmarkschein im Strumpfe. Da nahm er das Mädchen Frida Stumpf Und stieß es zurück in den Sündensumpf. Sie sei ein verworfenes Mädchen! Doch ging die Sache ihm sehr ans Herz. Er schrieb Elegien im Stil von Properz Und auch soziale Tragödchen. Die Tabelle reichte noch bis zum April. Und manchmal des Abends küßte er still Ihr Strumpfband, das violette. Und sprach, indem er sich langsam besoff: Das ist der Konflikt zwischen Geist und Stoff! Und ging mit sich selber zu Bette. 1925
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Das Lied von der Behörde Wie du auch das Licht der Welt beschnupperst, Standesamtlich oder hintenrum, Wenn du mal ins Dasein überschwupperst, Einer hängt dir gleich die Marke um. Mit dem ersten Klacks, der dir entpurzelt, Fühlst du dich im Staate festverwurzelt. Nimmt auch keiner sie für voll, Deine erste Darmbeschwerde, Einer führt schon Protokoll: Die Behörde! Wenn dich dein Erzeuger mal vermöbelt, Das ist noch nicht tragisch im Prinzip. Erst vom wahren Lebensernst umnebelt, Fühlst du dich im Lehr- und Lernbetrieb. Hierorts wirst du langsam verdurchschnittlicht Und durch höhere Gewalt versittlicht! Hierorts hebt sie dich empor Aufs Niveau der braven Herde! Denn sie hat was mit dir vor, Die Behörde. Fühlst du dich dem Jugendglück entwachsen Und das Weibliche zieht dich hinan, Sei enthaltsam! Mache keine Faxen! So was regelt die Behörde dann. Machst du dich dann schwärmend auf die Strümpe, Richtung: überirdische Olympe, Denke dran: das Individuum Rechnet nicht auf dieser Erde! Einer nimmt dir alles krumm: Die Behörde. Ob du dich als Vagabund entweitet Oder glücklich in Familie schiebst, Ob du dich bei Mutter Grün erkältet
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Oder dich ins beßre Nichts begibst. Bist du auch ein unscheinbares Pflänzchen, Einer weiß schon um die Existenzchen, Einer rubriziert von dir Jede Miene und Gebärde, Einer bringt dich zu Papier: Die Behörde. Wo du hinguckst, sitzt sie hinterm Schalter, Die sich streng in deine Seele schraubt. Von der Wiege bis zum Greisenalter Schwebt ein Gleitschutzengel dir zu Haupt. Selbst im Grabe wirst du umgekrempelt, Ob du vorschriftsmäßig abgestempelt. Denn mit höherem Bedacht Regelt sie dein Stirb und Werde. Alles schläft, doch einsam wacht Die Behörde. 1925
Walter Kornfrank Eine sächsische Revolutionsballade Waldr Gornfrangg schdand in dr Edabbe Achdzen grichd er denn ä schdeifes Gnie. Waldr Gornfrangg war de greesde Glabbe Und Scherschand dr Arweedsgombanie. Waldr gwadschde gerne vonn Argonn, Gasangriff un Schidsengrabendregg. Und so hadde er den Griech gewonn Und drzu noch eene Braud mit Schbegg.
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Wie nu achdzn alles rumgragehlde, Haddr geene schdeifen Beene mehr. Waldr war dabei und Waldr grehlde, Denn nu war er Rewwoludsjonär. Da hadd Waldr mächdch rumgeschlenggerd Und sich Gaisr Willem vorgegnebbd Und die gandsn Schiewer angeschdänggerd Und am liebsdn egalwech gegebbt. Egal baude Waldr Barrigahdn. Awwr wenns mal richdch wo gegnalld, Denn saß Waldr bei dr Braud im Laden In Zewihl un alles abgeschnalld. Wie nu endlich dissr Draadsch voriewwr, Had er sich ne neie Braud gefischd. Emmas Vadr war ä Seifnschiwwr; Doch das machde Waldrn weidr nischd. Awwr manchmal, wennr een geschmeddrd, Dann hubbd Waldr uffm Schdammdisch rum, Wie er uff die Barrigahde rumgegleddrd, Un denn schmeisdr zwanzch Gosn um. Dann erzähldr widdr von Granadn, Gasangriff und Schidsngrabndregg, Und die Sache mid den Barrigahdn Hädde schlieslich iwwrhaubd geen Zwegg. Heide hat nu Waldr seine Bleibe. Eemal muß sich ja doch alles gääm! Waldr hadd die gleene Nuddngneibe „Friderugus Rägs". Dr Mensch muß lääm! Und die Griechr aus den grosn Daachn Sidsn da bei ä baar Bullen Schbridd,
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Un da wolln se siegreich Franggreic h schlaachn Un da schläächd ooch Waldr fesde mid. 1925
Sonntagsausflug im Jahre 2000 Extrabillige Exkursionen Sonntags übern Ozean, Zum Besuch antiker Zonen, Mit dem Ultra-Veloplan! Frühstück 8 Uhr 10 im Äther! Zirka eine Stunde später Wandelt man erstaunt herum Im Europanoptikum. Zwischen Nationalruinen, Monumente großer Zeit, Primitive Mordmaschinen! Prima Sehenswürdigkeit! Und als größte Sensation Zeigt man oxydierte Kronen Aus der Zeit der Republik. Alles garantiert antik! Imitierte Kriegerfeiern Sorgen reichlich für Humor. Hier sieht man die letzten Bayern, Schützengilden mit Komfort. Abgestammte Potentaten, Letzte lebende Magnaten Werden, wenn es intressiert, In natura vorgeführt. Doktor Stresemann sein Gehrock, Angehabt zum letzten Gang, Hindenburgen sein Armeerock,
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Unter Glas mit Vollbehang, Heldenbäuche, fünfzig Stücker Ausgestopfte Volksbeglücker, Große Zeit von A bis Z: Raritätenkabinett. Unsre Kindeskinder werden Lachend vor dem Krempel stehn, Daß man jemals hier auf Erden Soviel Albernheit gesehn. Und sie werden schnell entsummen Aus Europanoptikummen Und der guten, alten Zeit Möglichst schnell und möglichst weit! 1925
Dichtograph D. R. P. Warum lernen Sie Brandmalerei oder Skat? Lernen Sie Dichten! Es ist auch nicht schwerer! Sie beherrschen in einer Stunde den Apparat So gut wie jeder versierte Oberlehrer. Leiden Sie an Schwächezuständen? Oder können Sie vielleicht nicht schlafen? Lassen Sie's nicht dabei bewenden! Beziehen Sie meinen Dichtographen! Waren Sie kahl? Haben Sie Angst im Dunkeln? Machen Sie Poesie mit moderner Richtung! Sie vergessen Kukirol und Karbunkeln! Werfen Sie sich auf die neueste Dichtung! In einem sauberpolierten Kasten (Luxusausstattung in Eiche fourniert) Finden Sie alles, was Sie interessiert. Es genügt ein leiser Druck auf die Tasten: Und Sie sind dichterisch inspiriert!
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Bitte auf dem Bestellschein anzugeben, Ob national, revolutionär oder demokratisch? Die entsprechenden Reime stehen daneben. Resultate sind garantiert sympathisch. Sie können die Rechte und Linke bedichten Oder Unruh-volle* Jamben verrichten. Bestellungen werden jederzeit angenommen. Lassen Sie sich den Apparat zur Ansicht kommen! Wollen Sie in die Illustrierte oder die „Woche"? Betreiben Sie den deutschen Dichtungssport! Postkarte genügt. Bestellen Sie sofort! Jeder seine eigene Literaturepoche! 1925
Der Akademokrat Er ist ein Kampfgeist mit der Wärmeflasche; Er hat die ganze Menschlichkeit im Bauch, Die kleine Freiheit in der Westentasche Und auch ein Volksgefühl zum Hausgebrauch. Er spricht wie kolorierte Abendröte; Olympisch wandelt er durch sein Gespräch. Du kommst dir vor wie Eckermann bei Goethe, Vor seinen Postulaten stehst du schräg. Er balanciert Bejahung und Verneinung Und gießt in alle Spalten der Idee Den Zuckerguß der öffentlichen Meinung. So tut er allen wohl und keinem weh. Zwar hat er's immer noch mit den Tyrannen Und schmettert klassischen Zitatenschwur. Denn seine Freiheit läßt er nicht entmannen; Er bleibt Rebell (wenn auch zu Hause nur!). *
Anspielung auf den expressionistischen Schriftsteller Fritz von Unruh.
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Mit Rücksicht auf die höhren Vorgesetzten Jedoch gibt er sich öffentlich gedämpft. Er braucht nun einmal das Gehalt am Letzten, Weshalb er nur mit geist'gen Waffen kämpft. Er legt sich aus Räson aufs Halb und Halbe Und hat ein Bartgewächs wie Vater Jahn; Und seine Seele ist wie graue Salbe, Mit einem Tropfen Garibaldrian. Ist er auch innen noch verburschenschaftlicht, So ist er doch nach außen abgeklärt. Er ist ein Kämpfer mit beschränkter Haftpflicht, Der Revolutionär am eignen Herd. 1926
Autorenabend in Berlin W Zuerst betritt ein Herr mit Doktorgrad, Den Vorhang teilend, streng das Podium, Und rührt ein bißchen im Gehirnsalat, Und steht zwo Meter überm Publikum, Und macht in Meinung zehn Minuten In dialektischen Voluten. Ein Drittel Publikum, zwo Drittel Saal, Die machen Resonanz und schweigen mit. Der Doktorgrad verstummt in seiner Qual; Ihm gab kein Gott, zu sagen, was er litt. Das Manuskript zusammenlegend, Verläßt er würdevoll die Gegend. Nun kommt ein Geist, ätherisch und verkannt, Mit einem Motto, schmerzlich hingesummt: „Hat man von je gekreuzigt und verbrannt",
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Der leider nicht in seiner Qual verstummt. Er produziert Rebellenseele, Sie rinnt ihm düster aus der Kehle. Das Publikum schwingt untertönig mit; Die Osrambirne bebt am Vortragspult. Man kalkuliert am Daseinsdefizit: Selbst das Reale dämmert leicht okkult. Man wittert hier Zusammenhänge, Trotz fünfundvierzig Seiten Länge. Nun kommt ein Mann mit Manifest, Mit Weltgefühl im Unterleib, Der deutlich sich vernehmen läßt: Die Hure sei das reine Weib! Mißachtend bürgerliche Grenzen, Brüllt er poetische Lizenzen. Am Schlüsse, frei nach Alfred Kerr, Entlädt sein schwangres Manuskript Ein bleicher Revoluzifer, Der mit den Augenbrauen wippt. Nach dieser geist'gen Entbanausung Verläßt man schauernd die Behausung. 1926
Rekorde Ob Wassersport, ob Massenmord, Das Vaterland macht in Rekord; Der Irrsinn kriegt Methode. Der eine rennt, der andre pennt Sechs Tage lang ums Weltpatent. Die große Frühjahrsmode!
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Hier wird gequatscht, dort wird geschnorrt. Durch alle Adern rollt der Sport. Rekord! Rekord! Der eine hungert hinter Glas, Der andre rollt sein Heringsfaß, Der rezitiert die Bibel, Der tanzt aus musikal'schem Drang Sechs Tage lang, sechs Nächte lang. Und uns wird langsam übel. Es rast der Sport in Süd und Nord; Die Presse preßt in einem fort: Rekord! Rekord! Es rhythmust die Sekundenuhr Durch die gesamte Nervatur Beim Weltrekordgeboxe. Wohin man geht, wohin man kuckt: Rekorde werden ausgespuckt. Das geht ins Paradoxe! Selbst auf dem düstersten Abort Begleitet dich das Zauberwort: Rekord! Rekord! Es wird die ganze Republik Zu einer Weltrekordfabrik. Hier starten die Monarchen. Wir können unter Staatsmiliz, Beschützt von der Parteijustiz Acht lange Jahre schnarchen. Uns ist so manche Hand verdorrt Bei Kriegersport und Fememord: Rekord! Rekord! Der Weltrekord! 1926
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Aus: Porträts der Zeit
Hauptmann Hier hat die Natur Charakterköpfe zusammengelötet, Vom Doppelkinn bis zur Bühnenfrisur Alles leicht übergoethet. Doch ließ sie zum Glück Hie und da noch ein bißchen Hauptmann zurück. So lassen sich die gewaltigen beiden Wenigstens äußerlich unterscheiden. 1926
Sommerfrischler Leute wandeln schweigend durch die Stille Der Verschönerungsvereinsidylle, Die auf imitierten Birkenbänken Sich mit Andacht in die Landschaft senken. Leute, die, verkrümelt in Gehölzen, Mit Natur und Gott zusammenschmelzen, Abgewandt polit'schen Hypothesen, Und die Föjetongs von gestern lesen. Leute, die auf grünen Liegeplätzen Die Verdauung unter Vollmilch setzen, Die ihr Innres biochemisch pökeln Und was Warmes für den Winter häkeln. Leute, die elegisch an Gedanken Ungelöster Silbenrätsel kranken, Die sich an Ruinen ganze Haufen Kolorierter Ansichtskarten kaufen.
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Leute, die geräuschvoll in den obern Waldregionen den Ozon beschnobern, Die Gedichte oder Initialen Voll Gefühl an jeden Lokus malen. Leute, hingewälzt im Sommerabend, Die Beamtenweste offen habend, Leute, die an schroffen Wasserfällen Freundliche Familiengruppen stellen. Leute, die phlegmatisch ihre vollen Doppelzentner durchs Gebirge rollen, Die sich an romant'schen Felsenrissen Dauernd gegenseitig knipsen müssen. O Naturfreund, flieh in alle Öden! Hüte dich, die Leute anzureden! Denn sie haben außer dem Genießen Den immensen Drang, sich anzuschließen. 1926
Bessere Leute Der kleine Tisch ist ringsherum beklebt Mit Leuten, die sich vornehm unterhalten; Sie zeigen laut und deutlich, wie man lebt; Selbst die Gespräche haben Bügelfalten. Den Kellner schnauzt man durch die Nase an (In diesem Ton verkehrt man mit den Leuten), Weil man von Hause aus nicht anders kann, Und auch, um die Distangssen anzudeuten. Wer fein ist, der benimmt sich vorgesetzt Und hat die Pflicht, den Ober anzuekeln,
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Und wenn man ihn gehörig abgehetzt, Sehr laut an alles Speisen rumzumäkeln. Ein Herr, mit steiler Halsmanschette um, Bemüht in einem fort die Steißgelenke Und demonstriert dem p. t. Publikum, Wie er als Leutnant der Reserve denke. Ein Fräulein schlängert wie ein Mannekäng Und sagt, uns fehle nationale Ehre, Sie hätte nämlich einen Herrn Kusäng, Der Offizierverstellvertreter wäre. Ein Herr mit Gardebart „jestattet sich", der Ellenbogen schwappt in Schulterhöhe. Beim fünften Kognak wird man öffentlich, Daß jeder hört, wo man politisch stehe. Nun macht ein Herr mit Frack den Flügel auf. Da wird Gemüt geschwitzt aus allen Poren; Man tremoliert mit Blick nach oben rauf, Daß man sein Herz in Heidelberg verloren. Der Mannekäng gerät in Seelenschwips Und rührt mongdähn in seinem Eisgemische. Der Herr mit Kriminalbeamtenschlips Liegt schon in Fehde mit dem Nebentische. Denn wenn man fein ist, wird man leicht brüskiert. „Verbitte mir das! Frechheit! Ober, zahle!" Man rauscht hinaus, man rülpst und protestiert. Der feine Ton verklingt aus dem Lokale. 1926
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Journalisten Herr Kauz, obwohl aus dem Zeitungsgewerbe, Ein Mann, mit dem ich mich gut verstand (Wir hauten dieselbe geistige Kerbe), Geriet eines Tags außer Rand und Band. Und das kam so: Ich sagte, so einen guten Stilisten wie Dr. Müller (Auch aus der Branche der Zeitungsfüller) Fände man wirklich sehr selten wo. Hier wurde Herr Kauz auf einmal verrückt, Als hätte man ihm mit dem Füll ins Gehirn gepickt: „Der Müller? Und ein guter Stilist? Mist, sage ich Ihnen, vollendeter Mist! Außerdem ist ja der Kerl korrupt. Der hat sich mal ganz übel entpuppt!" Darauf hörte ich noch eine Viertelstunde: „Übler Kunde! Ganz übler Kunde!" Dann hab ich auch den Dr. Müller kennengelernt Und zu meinem größten Erstaunen gefunden: Hochanständiger Mensch, und weit entfernt Vom dem bewußten üblen Kunden! Ich fragte Herrn Müller: Sin d Sie nicht mal Mit einem Herrn Kauz zusammen gewesen? „Nein", sagte er, „in irgendeinem Winkeljournal Hab ich mal diesen Namen gelesen. " Ich sagte: Ein glänzender Stilist! Da wurde Herr Müller auf einmal verrückt, Als hätte man ihm mit dem Füll ins Gehir n gepickt: „Kauz? Mist, sage ich Ihnen, vollendeter Mist! Außerdem ist der Kerl korrupt! Der hat sich mal von einer ganz üblen Seite entpuppt! Natürlich kenn ich den Kauz! Im Grunde Ein übler Kunde! Ganz übler Kunde!"
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Man sieht: Sogar bei geistigen Leuten Gibt's schauerliche Berufskrankheiten. 1926
Wohltäter Etwas animiert durch den lieben Gott, Entschloß sich Frau Oberstudienrat Eines Sonntags zu einer sozialen Tat, Und skizzierte zwischen Filet und Kompott Ein Referat. Auf die Damen der Gehaltsklasse VIII Hatte die Sache großen Eindruck gemacht. Es wurde der unteren Schichten gedacht: Man fördere dort den Putz der Zähne, Etwas mehr Sonne und Hygiene, Und überhaupt alles Wahre, Gute und Schöne. Hierauf inszenierte man einen Basar Für Wohltätlichkeiten Mit kaltem Büfett und Bar, Um die Werbetätigkeit einzuleiten. Es gaben sich die übliche Ehre Mannequins, Tombola und Tenöre, Bis der Werbeabend zu Ende war. Als Frau Oberstudienrat sodann Gegen Mitternacht Die Damen der Gehaltsklasse VIII An den Wagen gebracht, Sprach sie ein Junge mit Streichhölzern an. Frau Oberstudienrat gab ihm schlicht Ein kleines Merkblatt für Körperkultur. Geld gäbe sie solchen Kindern nicht, Denn das vernaschten sie nur.
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Nach dieser sozialen Tat Hat Frau Oberstudienrat In tiefem Seelenfrieden geruht. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! 1926
Circulus vitiosus „Der Geist der Medizin ist schwer zu fassen... " Goethe Herr Müller hatte Ohrensausen Und damit ging er zu Doktor Hausen, Spezialist für Nasen und Ohren. Der begann sofort in den Ohren zu bohren Und sagte am Ende, er sei der Meinung, Das sei eine rein nervöse Erscheinung. Er solle sich untersuchen lassen Vom Nervenspezialisten Dr. Brassen. Herr Müller eilte mit gelindem Grausen Und unvermindertem Ohrensausen, Sich Doktor Brassen zu unterwerfen, Zwecks Reparatur seiner Nerven. Der perkutiert ihm sämtliche Teile, Fragt Müllern nach seiner Weltanschauung Und eröffnet ihm nach einer Weile, Er leide nur an schlechter Verdauung. Als Magen- und Darmspezialist Empfehle er ihm Professor Quist. Herr Müller eilte mit gewaltigen Sprüngen; Er hörte die Engel im Himmel singen. Professor Quist wühlt ernst und stumm In Müllers Eingeweiden herum Und fragte, nach Magen- und Leberstößen, Wo eigentlich die Beschwerden säßen.
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Herr Müller entgegnete, über den Magen Wie auch die sonstigen Eingeweide Habe er keinen Anlaß zu klagen; Nur daß er seit Tagen sozusagen An schrecklichem Ohrensausen leide. Professor Quist macht hm hm! und so so! Das wäre so was wie Hysterie. Die Krankheit säße ganz anderswo Und gehöre in die Psychiatrie. Als Spezialisten für solche Fälle Empfehle er ihm Sanitätsrat Nölle. Herr Müller eilte wie das Donnerwetter, In beiden Ohren Posaunengeschmetter. Sanitätsrat Nölle, mit freundlicher Brille, Guckt ihm bedächtig in die Pupille, Fordert Herrn Müller zum Sitzen auf, Fragt nach Glaubensbekenntnis und Lebenslauf Und verkündet ihm schließlich das Resultat: Herr Müller wäre kein Psychopath. Und die Geräusche von Trommeln und Pfeifen Im Gehörgang ließen sich leicht begreifen. Hier handle es sich nach seiner Meinung Um eine relativ harmlose Erscheinung, Nämlich um sogenanntes Ohrensausen. Er empfehle ihm Herrn Doktor Hausen. Herr Müller rast, ihm ist nicht geheuer, In beiden Ohren Trommelfeuer. Herr Doktor Hausen versichert ihm nur, Sein Leiden wäre nervöser Natur; Und er rate ihm nochmals zu Doktor Brassen, Der würde die Sache richtig anfassen. Herr Müller, gepeitscht von Erinnyen und Furien, Herr Müller greift zu Verbalinjurien. Dr. Hausen ist davon so wenig erbaut, Daß er ihm eins hinter die sausenden Ohren haut. — Ha, ruft Herr Müller, das Sausen ist aus, Zahlt fünfzehn Mark, begibt sich nach Haus,
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Und sagt sich ernst: Mag es sein, wie es ist; Ein Spezialist bleibt ein Spezialist! 1926
Weltrekorde Mit einer Stoppuhr als Gehirn Sieht man sie durch die Gegend schwirrn Um hundertstel Sekunden. Wer gestern noch im Lorbeer saß, Ist heute schon ein armes Aas. Der Ruhm ist schnell geschwunden. Er hatte grade schlecht verdaut. Nun ist die Meisterschaft versaut. Es telegrammt in einem fort: Rekord von gestern über Bord! Vier Spaltenbreiten knallt das Wort: Der Weltrekord! Der Weltrekord! Hier huppt ein Weib in Tenniskluft Mit Enthusiasmus durch die Luft. Dort rasseln Rennmaschinen. Mit Vollgas drauf! Nun noch ein Punkt! Ha, wie das durch die Nerven funkt! Ein Wirbel Dreck! - Ruinen! Die Abendpresse bringt Bericht. Die Titelseite faßt ihn nicht. Vom Oberkellner bis zum Lord, Durch alle Adern rollt der Sport Das eine Wort, das große Wort: Der Weltrekord! Der Weltrekord! Hier rast die stinkmondäne Welt. Rekord ist Trumpf! Wer fällt, der fällt! Wenn nur die Schnauzen bluten!
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Ein Uppercut! Die Braue klafft. Die Loge kreischt vor Leidenschaft: Jetzt nur noch zwei Minuten! Die Brühe rinnt. Der Haken klatscht... Der alte Meister ist zermatscht! Ein Fetzen kommt zum Abtransport. Zehn Runden - aus! Ein halber Mord. Es brüllt der Snob: Das nennt man Sport! Der Weltrekord! Der Weltrekord! 1926
Post festum! Nun ist es Schluß mit dem Geschenkgeschiebe, Vor lauter Stimmung ist man schon ganz krumm. Bedarf gedeckt an Tannenduft und Liebe! Man krempelt seine Seele wieder um. Ja, omne animal post festum triste*! Man holt mit einem wehen Abschiedsblick Den letzten Strunk aus der Zigarrenkiste, Und rechnet ab mit seinem Weihnachtsglück. Noch rauchen leicht die letzten Christbaumtrümmer, Es tropft die letzte Träne Stearin. Es träumt das Grammophon im Nebenzimmer, Das man vergessen, wieder aufzuziehn. Ein dumpfes Grollen tönt aus allen Mägen, Die alles zu verdaun sich heiß bemühn, Worüber melancholisch Nadeln regnen; Und manche Glatze färbt sich wieder grün. Der Grog ist kalt und will sich nicht mehr leeren, Die Erdbeerbowle sickert ins Klavier, Es glimmen still, wo sie nicht hingehören, Zigarrenstummel zwischen Schnaps und Bier.
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(lat.) Jedes Wesen ist nach dem Fest traurig.
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Der Lautsprechtrichter spricht nur noch gebrochen; Und nur die Eingeweide sprechen mit. Sonst wird kein stimmungsvolles Wort gesprochen. Und sanft darüber schwebt ein Defizit. So kippt man langsam aus den Feiertagen Gut bürgerlich zurück in sein Kontor, Die Seele überfüllt und auch den Magen, Und kommt sich ziemlich ausgemistet vor. Der Strahl der Liebe hat uns hell geschienen. Und war das Ende auch nicht ganz so schön: Der Mensch kann nicht das ganze Jahr verdienen; Er muß auch einmal seelisch in sich gehn! 1926
Bei Dichters Neulich war ich bei Dichters eingeladen. Da roch es nach Lorbeern und Gesprächen mit Gott. Es gab lyrische Hammelkarbonaden Und hinterher Aphorismenkompott. Herr Dichter sprach über die letzte Schaffensepoche Und kaute gedankenvoll Petersilie. Es kam mir vor wie ein Bild aus der „Woche": Der Dichter im Kreise seiner Familie. Frau Dichter machte in Seelenergüssen Und sprach, als Herr Dichter mal austreten ging, Von der Tragik derer, die dichten müssen, Wobei sie nochmal mit Kompott anfing. Nach Tisch kamen noch zwei weitre Genies, Beide mit katafalkischen Mienen, An denen sich unschwer erkennen ließ: Es lebte die gleiche Tragik in ihnen.
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Herr Dichter schob uns in seine Zelle; Da war er eben von einem Drama genesen. Wir lagerten uns pittoresk an der Quelle. Herrn Dichter drang es, was vorzulesen. Und er las, bis seine Bronchien pfiffen, Die lautesten Stellen aus jedem Akt. Wir saßen finster und angegriffen, Von seiner starken Dynamik zerhackt. Dann klappte er zu, mit verhängten Pupillen. Frau Dichter schmolz über seine Knie. Im Dunkeln funkelten hörnerne Brillen, Die räusperten was von Kosmosophie. Hierauf traten die ändern Herrn aus dem Schatten; Manuskripte wurden heftig gezückt, Die sie beide zufällig bei sich hatten; Und jeder las seinen eignen Konflikt. Herr Dichter sah ganz von oben runter, Das geschlossene Auge nach innen getunkt. Doch die ändern wurden gewaltig munter Und deklamierten geballt, ohne Reim und Punkt. Das eine Genie kriegte tragische Inspiration, Die eine Hand im Klavier, die andre am Schlipse, Und melodramte lyrisch und kakophon. Es war eine atemberaubende Apokalypse. Dann redeten sie mit verstauchten Manschetten: Sie wären innerlich völlig Kristall, Und wie sie mit Gott zu ringen hätten Und glühend dahinzuschweifen durchs All. — Ich bin leise weinend davongelaufen; Mir hing schon die ganze Seele raus.
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Denn soviel Tragik auf einem Haufen, Das hält ja die beste Gesundheit nicht aus! 1927
Das gerettete Wochenendidyll Am stillen See, wo keine Ruderboote Und Strandlokale die Natur versaun, Beliebte Generaldirektor Knote Im Biedermeierstil sich anzubaun. Dorthin entfloh er vor den Alltagssorgen Und vor dem unpoet'schen Arbeitsdunst, Und siedelte sich ein bis Montagmorgen (Er schwärmte nämlich für Natur und Kunst). Und wenn er Sonntag früh im Sonnenscheine, Mit Gott versöhnt, auf der Veranda saß, Und zwischendurch die „Deutsche Allgemeine", Die Autobörse oder Nietzsche las, Dann fühlte er, beim Vollduft der Importe, Das Innre leicht bespült vom Moselwein, Den tieferen Gehalt der Dichterworte: Hier bin ich wieder Mensch; hier darf ich's sein! Zu seiner Gattin sprach er: „Ach, Yvonne, Hier schweigen die sozialen Kämpfe still. Ich wünschte allen Menschen diese Sonne Und dieses feiertägliche Idyll!" Und eines Sonntags kamen Paddelboote, Und Wandrer klampften von den Bergen her, Und Zelte standen rings um Villa Knote, Und jeden Sonntag wurden's ein paar mehr.
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Vorbei war Knotes stilles Wochenende! Soo war die Menschenliebe nicht gemeint! Da kaufte er das ganze Seegelände Und hat es stacheldrähtlich eingezäunt. Nun macht er wie vordem mit Gott Bekanntschaft, Der ihm das nöt'ge Kapital verlieh, Und saugt sich voll, in abgesperrter Landschaft, Von Weisheit und Natur bis Montag früh. 1927
Lustbarkeitsgesetz Gesetz zum Schutz! Gesetz zum Schmutz! Es pufft aus dem Talare, Der Sittlichkeit zum Schutz und Trutz, Das Schöne, Gute, Wahre! Das Hemd der Sexualität, Das heute etwas offen steht, Das wird verflucht und zugenäht. Es steckt den Operngucker Durch jedes Astloch sehr diskret Der Mucker. Germania steigt ins keusche Bett Und schnallt das stolze Brustpaar Ins Bäumersche Reformkorsett; Da wirkt es nicht mehr lustbar. Der Pastor wandelt Arm in Arm Mit Wohlfahrtstante und Gendarm Und mit verstopftem Tugenddarm. Sie streuen Glaubenszucker Und schlagen sittlichen Alarm, Die Mucker.
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Man steigt voll Mut in jeden Schlamm, Von Wedekind bis Schnitzler, Und nimmt errötend Anstoß am Perversen Seelenkitzler. Der kulturelle Restbestand Wird bald gekreuzigt und verbrannt. Dann stehn sie wieder Hand in Hand, Die zugeknöpften Ducker Denn es regiert im Vaterland Der Mucker! 1927
Das Parlament Überall laufen Aktenmappen Mit Gesichtern herum. Du guckst dich feierlich um. Wie im Panoptikum: Attrappen! Da spuken Kathederscheuchen Mit Krampfadern hinter den Ohren, Leicht angestaubte Pastoren Mit Umhängebäuchen. Camembärtige Schädel schwanken Zwischen Brillen mit Hintergedanken. Andre wirken okkulter, Zum liberalen Schatten verdünnt, Die an der eigenen Schulter Wie an Kleiderbügeln aufgehängt sind. Verordnungsstützen, die beamtisch Nach oben ragen, Biederleute, die ihren Stammtisch Im Busen tragen. Und hier und da herumlemurt Eine uniformlose Kommißgeburt. -
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Auf einmal hörst du's klingeln und tuten. Dann rennen sie alle schnell mal regieren. Aber nach fünf Minuten Gehn die Aktenmappen wieder spazieren. Manchmal aber sitzen sie alle Stundenlang in der lebenden Leichenhalle. Da redet einer so lang und so breit, Daß es zur dritten Dimension nicht mehr reicht. Und wenn er von Zeit zu Zeit Einen Gedankenstrich unterstreicht, Dann machen sie stürmische Heiterkeit. Weil du nicht aus der Branche bist, Weißt du nicht, wo die Pointe ist. Dann kommt ein Paragraphenspeier Mit saurem Geseier. Hierbei zerstreut sich wieder die Menge In die Handel- und Wandelgänge. Plötzlic h fängt einer an zu vesuven. Da rennen sie alle wieder rein, Um wenigstens mit Zwischenrufen An der Weltgeschichte beteiligt zu sein. Da sie nun immer mit dem einen Bein Auf Standpunkten stehn, Und mit dem ändern die Volksvertretmühle drehn, Schlafen sie manchmal ein. Alle Redner stehen still, Wenn der liebe Gott es will. Und wenn die letzte Redewendung verhallt, Nimmst du doch einen Trost mit nach Haus: Sie sind die Staatsgewalt Und gehen vom Volke aus. 1927
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Tanzsport Wo der Mensch die Kraft- und Schönheitsfehler Weggemensendieckt* aus der Figur, Wird das Äußere immer paralleler Mit der Schlankheit innerer Kultur. Aber weil wir nicht nur Kraft benöt'gen Und die Schönheit auch nach Ausdruck ringt, Muß der Mensch sich anmutvoll betät'gen, Wenigstens, soweit ihm das gelingt. Deshalb sieht man ihn in Tanzbetrieben Öffentlich als Schönheitstrunkenbold Peristaltisch durch die Gegend schieben, Wo die schlanke Linie wallt und rollt. Tango, Onestep, Boston und Black-Bottom Rasseln epileptisch durch die Knie; Dabei exponieren sie in flotten Kurvenschlag die hintere Partie. Wenn die Hüfte sich vor Wonne schüttelt Und der rhythmisch ausgerenkte Fuß Ausdruck innrer Leidenschaft vermittelt, Schwingt der Nerv in Charleston oder Blues. Wenn die Ellenbogen wild vibrieren Und das Rückgrat sich in Krämpfen krümmt, Ist kein innrer Halt mehr zu verlieren, Weil die Seele mit der Form verschwimmt. Saxophonisch läßt man sich durchrhythmen. Zehenspitzenleistung? Na und ob! Doch nun laßt uns ganz den Nerven widmen! Nächsten Winter tanzt man auf dem Kopp.
1927 *
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Anspielung auf die Körperkulturschule Mensendieck
Internationaler Schieberchor Wir haben geschoben als Kriegslieferant, Kanonen, Klamotten, Konserven. Wir haben verdient fürs Vaterland; Wir hatten die besten Nerven. Und war auch die Kriegsanleihe ein Dreck, Wir hatten unsere Millionen weg Und saßen im Speck! Wir gaben dem Feind die Bruderhand Und machten ein Inflatiönchen. Wir haben verdient fürs Vaterland Die wertbeständigen Milliönchen. Mit dem Feinde standen wir Brust an Brust, Wir haben nichts von Papiergeld gewußt. Es war eine Lust! Der Krieg war aus und die Inflation. Doch wir sind nicht kleinzukriegen. Jetzt schieben wir bei der Reparation. Wir lassen uns nicht besiegen! Und gibt's mal wieder den Kriegszustand, Dann schieben wir treu fürs Vaterland Als Kriegslie ferant! 1928
Sechstagerennen Allen Freunden der Six days Ging ein Kribbeln durchs Gesäß, Als die strampelnden Lemuren Ihre ersten Runden fuhren.
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Ach, es hat so seinen Kitzel, Wenn man mit der Nebenbraut Nächtens seinen Schweineschnitzel In der Sportarena kaut. Ja, man kommt aus den Provinzen, Und man opfert, was man kann. Selbst depossedierte Prinzen Geben aus und geben an. Damen, die im öffentlichen Interesse sonst dezent Um die Straßenecken strichen, Machen hier in Temprament. Nach den ersten Kilometern Kommt die Galerie in Schwung; Wenn sie unten hackepetern, Platzt man vor Begeisterung. Laßt die Elemente rauchen Null bis vierundzwanzig Uhr! Endlich wieder, was wir brauchen! Endlich wieder mal Kultur! 1928
Die lyrischen Wandervögel Der Frühling braust. Wir ziehn fürbaß, Und zupfen unsre Geigen. Wir hüpfen froh ins nasse Gras Und tanzen unsre Reigen. Die Klampfe klirrt im Schritt und Tritt, Die Kochgeschirre klirren mit. Der Wald ist voll Akustik. Wir sind so schrecklich lustig!
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Und sitzen wir am Waldesrand, Dann schweigen unsre Klampfen. Dann lassen wir durchs stille Land Die Hafergrütze dampfen. Die Maggisuppe duftet weit In Wald- und Bergeseinsamkeit. Wie lustig schmort die Soße In der Konservendose! Und ist die Grütze aufgekaut, Dann wird in blau und rosa Das Seelenleben ausgebaut, Teils lyrisch, teils in Prosa. Hoch in die Wolken flieht der Blick. Wir ziehn uns aus der Welt zurück Und sprechen leis im Chore Rabindranath Tagore. Wir fühlen uns nicht bürgerlich Und auch nicht proletarisch. Wir wandeln auf dem Himmelsstrich Und leben literarisch. Die schnöde Welt, wir hassen sie. Nur abgeklärte Poesie Ist unsre Seelenspeise. Wir sind so schrecklich weise! 1928
Osterspaziergang Die Männerchöre zwitschern schon In allen Wartesälen. O Mensch, vergiß den Hungerlohn, Und laß dir mal beseelen!
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Wenn's aus den Kellerlöchern stinkt, Dann weißt du, daß der Frühling winkt. Dann mach die Fenster offen! Der Lenz ist eingetroffen. Die Sonne scheint schon mächtig warm Durch die gestopften Hosen. Geht nicht ein Jubel durch den Darm Bei allen Arbeitslosen? Setzt euch beim Osterglockenklang Im Park auf eine Rasenbank! Da wandeln durchs Gesträuche Die wohlgenährten Bäuche. Sie wandeln da im Sonnenschein Mit Klassikerzitaten: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!" Und freun sich auf den Braten. Nicht wahr, die Welt ist doch so schön! Man möchte alle glücklich sehn, Und hat heut für die Armen Fünf Pfennige Erbatmen. Und wenn du nichts zu fressen hast, Mensch, freue dich mit ihnen! Sie sehn nicht gerne den Kontrast Und lieben heitre Mienen. Doch siehst du gar zu hungrig aus, Dann scher dich aus dem Park heraus! Du paßt nicht in den Rahmen Der frohen Herrn und Damen. Bist du nicht satt vom Frühlingshauch? Was hängt dein Herz am Gelde? Der liebe Gott ernährt ja auch Die Lilien auf dem Felde!
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Das kannst du an den Bürgern sehn, Die satt und froh spazieren gehn. Und wozu willst du diesen Das Osterfest vermiesen? 1928
Wahltag Apothekereibesitzer Meckel Krabbelt schon um achte aus dem Bett, Bürstet feierlich den Sonntagsdeckel Und begibt sich ernst in seinen Cut. Vom Balkon entrollt er seine schönen Fahnen, die er noch vom Kriege hat. Darauf läßt er seinen Weckruf tönen An Familie Meckels Lagerstatt. Meckels Gattin, Sohn und Tochter fassen Würd'ge Sachen aus dem Kleiderspind, Sich dem Ernst des Tages anzupassen, Weil sie heute wahlberechtigt sind. In der Kirche fördert man sich seelisch, Wo der deutsche Gott gewaltig zürnt. Meckels, national und evangelisch, Fühlen sich im Innern frischgekirnt. Hierauf wird die Staatsgewalt geregelt; Und man tritt mit frommem Schauder ein Ins Lokal, wo sonst Herr Meckel kegelt, Um das Volk mal wieder zu befrein. Abends hört man schauerliche Zahlen. Meckel senior flucht bis nachts um zwei,
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Daß das deutsche Volk in nationalen Dingen leidet völlig unreif sei. Keine Ruhe findet man im Bette. Und Frau Meckel geht ein Seufzer ab: „Wenn die Masse nicht das Wahlrecht hätte, Hätten wir gesiegt, und nicht zu knapp!" 1928
Der aufgeblasene Mussolini Seht dies vor Eitelkeit erstarrte Gesicht, umfunkt von Größenwahn! Ein Abziehbild von Bonaparte! Ein aufgebauschter Filmtitan! Heroisch reckt er den polierten Cäsarenschädel, wenn er spricht; Der knallt aus jeder Illustrierten Und jeder Wochenübersicht. Er spricht wie unser sel'ger Kaiser, Wie ein geborner Komödiant. Er war ein großer Kassenreißer Für jeden Schmierenintendant. Da steht er mit der schiefen Kappe. Wie er das große Maul aufreißt! Ganz wie ein Hampelmann aus Pappe, Der immer irgendwen verspeist. Er kräht bei jedem Furz Evviva, Daß Rom in allen Fugen klirrt. Doch lächelt er wie eine Diva, Wenn er privat gekodakt wird.
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Zur Hebung seines Glorienscheines Wird immer etwas arrangiert, Wobei dann meistens so ein kleines, Mißlungnes Attentat passiert. Dann gibt's ein großes Wutgeheule. Der ganze Duce wird Vesuv. Dann schwingt er die Liktorenkeule, Als Obermetzger von Beruf. Er weiß zwar gut, von wem die Bombe -Doch spielt er prahlend Rachegott Und liefert eine Hekatombe Von Proletariern aufs Schafott. Dann stellt er sich zur Großaufnahme, Und steht, wie aus Granit gehaun, Als welthistorische Reklame, In Wichs und Waffen, wie ein Clown! 1928
Der Landfriedensbrecher Herr Kränkebiel aus Oebisfelde Kauft vom erspekulierten Gelde Ein Tropfenauto, schnittig, scharf, Das er in Raten zahlen darf. Im Vollbesitz des Führerscheines Ist dieses Kraftfahrzeug nun seines. Und fröhlich sucht Herr Kränkebiel Ein schöngelegnes Reiseziel. Er rast vorbei am Hause Olgas, Der Braut von ihm, mit Lärm und Vollgas.
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Sie steht und winkt, er hupt und rast; Die halbe Straße ist vergast. Dann fuhr er mit dem Kraftfahrzeuge Ein Stückchen auf dem Bürgersteige. Die Kurve wird leicht überschätzt. Passanten wurden nicht verletzt. Doch draußen bei den letzten Lauben Ließ er die Pferdekräfte schnauben Und demolie rte da und hie Ein Stückchen Laubenkolonie. Am Wege stand ein alter Wagen; Herr Kränkebiel hat ihn erschlagen. Der Weg war eng, es mußte sein. Die Bremse fiel ihm später ein. Die Hupe dröhnte durch die Gegend, Das Fahrzeug kurvte angsterregend. Schon kam das nächste Dorf in Sicht. Vermeiden ließ sich's leider nicht. Am Wege lag ein Hauten Düngung; Der brachte Kränkebiel in Schwingung. Auch graste friedlich Huhn bei Huhn; Er wollte keinem etwas tun. Dann opferte er eine Ziege. Das war ein Grund zum Bauernkriege. Das Dörfchen, das so friedlich schlief, Das wurde plötzlich offensiv. Zum Glück erreichte er die Wiese; Doch leider plätscherte durch diese Ein Bach mit hohem Uferrand; Und solcher leistet Widerstand.
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Die angezahlte Rennmaschine Halbierte sich und flog ins Grüne. Was übrig blieb von der Partie, War Kränkebiel und ein Chassis. 1928
Olympiade Es ist wirklich jammerschade, Daß die schöne Olympiade* Wieder mal zu Ende geht. Wenn da auch die deutschen Mannen Keinen Blumentopf gewannen, Siegten sie doch früh und spät. Wenn sie auch an vielen Fronten Meist nur rückwärts siegen konnten, Ficht das unsre Helden an? Bitte sehr, die deutsche Klappe, Die war wieder nicht von Pappe; Die ist überall voran! Täglich schrieben mit Geknatter Hugenbergs Berichterstatter**, Wie dereinst in großer Zeit: Niederlagen sind nur taktisch Zu bewerten. Aber faktisch Sei der Endsieg nicht mehr weit. Dieses las dann Kunz und Krause Morgens in der Frühstückspause, Voller Nationalgefühl. *
1928 nahm Deutschland nach dem Weltkrieg erstmals wieder an Olympischen Spielen (in Amsterdam) teil - mit mäßigem Erfolg. **
Die Blätter des (nationalistischen) Hugenberg-Pressekonzerns überboten sich in triumphalen Berichten über die deutschen Sportler.
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Vorne standen Großkampftage; Hinten kam die Niederlage; Doch die ließ sie meistens kühl. Wenn die deutschen Sportlerscharen Wieder in die Heimat fahren, Und vom Siege weit entfernt, Wird sich für die Lesermassen Schon ein Dolchstoß finden lassen. Denn das haben wir gelernt. 1928
Wohltätigkeitsfeste Nun fängt es an, in allen Marmorsälen, Mit Frack, Brillanten, Sekt und Tombola. Und all die guten Christenseelen, Die sich so gern mal für die Armen quälen, Sind wieder da! Da sind asthmatische Kommerzienräte Und korpulente Damen, nackt und bloß. Ein Krachen geht durch alle Nähte. Dann geht bei Tanz, Champagner und Pastete Der Rummel los. Ein Witzbold unterhält mit einem warmen Prolog das Publikum und klopft ans Glas: Nun denkt auch mal an unsre Armen! Dann macht man fünf Minuten in Erbarmen Und zahlt etwas. Wohltätigkeit wird immer gern begossen. Der Andrang zum Champagnerzelt ist stark. Dann wird die Rechnung abgeschlossen:
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An Überschüssen sind zusammgeflossen Dreihundert Mark. Das kriegen dann die vaterländ'schen Frauen. Die häkeln Baumwollkaffeewärmer draus, Und bringen die mit Gottvertrauen, Nebst einem Bibelsprüchlein, zum Erbauen, Ins Hinterhaus. Da sage einer, daß die höhre Klasse Nichts für die armen Unterdrückten tut! Was weiß man dort vom Klassenhasse, Man frißt und sauft zum Wohl der Armenkasse. Der Mensch ist gut! 1928
Wie hetze ich erfolgreich? Rezept für Lokalberichterstatter Du hörst zum Beispiel: Da im Norden Ist jemand totgeschlagen worden! Nimm eine Taxe! Fahr hinaus! Und horche die Umgebung aus! Du interviewst dort im Vertrauen Zuerst Portiers und Lokusfrauen; Und da erfährst du erst einmal: Nicht weit sei ein Rotfrontlokal! Das wäre schon ein Hauptindiz! Drum überschreibe die Notiz: „Der Geist der Zeit! Schon wieder mal Ein Mord vor dem Rotfrontlokal!"
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Und dann ist sicher jemand da, Der den Verbrecher türmen sah. Bist du geschickt, bekommst du raus: Der Mann sah kommunistisch aus! Ein Wach- und Schließmann wird dir sagen: Er habe in den Parkanlagen Gleich um die Ecke, elf Uhr zehn, Zwei rote Frontler stehen sehn! Indizien hast du jetzt in Menge; Das reicht für hundert Zeilen Länge. Nun zeige auch im Stil Geschmack; Schreib immer: Kommunistenpack. In Logik sei recht unverfroren! Gib deiner Phantasie die Sporen! Das Blättchen, dem du dienen mußt, Nimmt solches Manuskript mit Lust. Und stellst du dann, mit leiser Klage, Am Schluß die aktuelle Frage Ans Polizeipräsidium: „Wie lange geht der Geist noch um?", Wirst du der allgemein gegebnen Verbotstendenz die Wege ebnen Und nicht nur Rotationsmaschinen, Nein, auch der Staatserhaltung dienen! 1929 Gustav Kulkes seliges Ende Auf den Höfen zu singen Gustav Kulke war zu Kaisers Zeiten Ein berittner Schutzmann in Berlin.
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Gustav durfte durch die Straßen reiten Und am Ersten Mai den Säbel ziehn. Gustav ritt die schneidigsten Attacken. Manche Schwarte hat er abgepellt. Grimmig kriegte er den Feind zu packen, Denn er war ein Preuße und ein Held. Kam der Kaiser in die Ordenswochen, War für Gustav auch ein Blech dabei; Dieses ward ihm dankbar angestochen Von dem Präsident der Polizei. Aber ach, sein Kaiser kam abhanden, Gustav Kulke wurde abgebaut. Böse knirschend stand er nun am Brandenburger Tor und räsonierte laut. Gustav kaufte eine Bierbudike In der Krümelstraße Nummer drei. Und er fluchte auf die Republike Und die schla ppe grüne Polizei. Ach, und immer, wenn der Erste Mai kam, Putzte er sein Polizistenschwert. Und bei jedem Aufzug, der vorbeikam, Scharrte er wie ein Soldatenpferd. Gustav spülte seinen Kummer runter. Aber Gustav spülte allzuviel. Und auf einmal war er nicht mehr munter Und begab sich auf den Sterbepfühl. Eines Tags, schon wollte seine Seele Still entfliehn - es war der Erste Mai -, Da vernahm er preußische Befehle. Durch die Straßen klirrte Polizei.
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Gustav ging ein Ruck durch alle Glieder, Als er morgens in die Zeitung sah. Gustav sprach: Nun kommt mein Kaiser wieder! Denn der Preußengeist ist wieder da! Gustav ließ sich seinen Säbel reichen, Griff noch einmal um den Messingknauf, Schlug aufs Bett und gab mit einem weichen Lächeln seinen Polizeigeist auf. 1929
Neues Berliner Studentenlied Ein freies Leben führen wir, Ein Leben voller Wonne. Die Republik beschmieren wir, Wir sind die Putschkolonne. Heil Hakenkreuz und Helm von Stahl! Wir sind auf Kampf versessen. Drum haun wir uns im Kneiplokal Mit Säbeln in die Fressen. Wir saufen Mut zum Rassenhaß Und reiben Salamander. Der Herr Minister kann uns was, Und alle miteinander. Uns imponiert kein Parlament, Kein Rektor, kein Gelehrter. Und wenn der ganze Schnee verbrennt, Wir schlagen an die Schwerter. Wir demonstrieren mit Krawall, Uns ganz egal, wogegen.
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Es braust ein Ruf wie Donnerhall, Wo unsere Knüppel fegen. Wir ziehn vors Ministerium, Uns kann man nichts verbieten. Wir spucken auf das Publikum Und Rote und Semiten. Wir brüllen laut pro patria, Als Deutschlands Geistestruppe. Bannmeilen sind für uns nicht da, Gesetze sind uns schnuppe. Und wenn uns auch der Staat verläßt, Wir haben einen Rektor, Der steht zu uns in Treue fest, Als wackerer Protektor. Wir saufen unser deutsches Bier Und steigen in die Tonne. Ein freies Leben führen wir, Ein Leben voller Wonne. 1929
Die Ferienbahn Gemütlich braust die Bimmelbahn Durch richt'ge Wälder mit Naturlaub. Die Seele schmilzt wie Marzipan, Im Hinblick auf den Sommerurlaub. Nicht nur die Seele schmilzt, es schmilzt Die Butter in den Freßpaketen. Man schwitzt im Abteil wie verfilzt Und fühlt sich beinah totgetreten.
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Sechs Stunden fährt die Bimmelbahn In schöngeschwungenen Voluten Durch Heidekraut und Löwenzahn, Und hält nach allen fünf Minuten. Die Menschen schnappen nach Ozon. Man kaut geweichte Schokolade Und schreit bei jeder Bahnstation Nach Bier und Brauselimonade. Die Sommerfrische kommt in Sicht. Schon winken stille Waldlokale. Aus den verdorrten Kehlen bricht Das Lied vom kühlen Wiesentale. Da ist Pension Eulalienruh. Im Garten warten schon die Enten. Am Bahnsteig wandelt eine Kuh Und harrt der Vollmilchkonsumenten. Nun schüttelt man den Staub der Stadt Von allen eingeschlafnen Füßen, Die vierzehn Tage, die man hat, In Badehosen zu genießen. Nicht jeder hat das kleine Glück, So fröhlich durch den Wald zu traben. Die meisten bleiben ja zurück, Weil sie doch keine Arbeit haben. Doch die noch heut in Flur und Wald Ihr bißchen Sommerfrische schlürfen, Wer weiß, ob die nicht selber bald Auch wieder stempeln gehen dürfen! 1929
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Der Stammtischwitzbold Wenn sie beim ersten Schoppen hocken Und klönen über Politik, Dann ist die Stimmung noch sehr trocken, Trotz Groschenautomatmusik. Der Klatsch ist auch bald breitgetreten; Dann gähnen sie und stieren stumm Auf angeräucherte Tapeten Und geben Lagen ringsherum. Erst wenn Herr Apotheker Wendig Um zehne das Lokal betritt, Dann wird der Gähnverein lebendig; Denn der bringt neue Witze mit. Er kennt die neusten Anekdoten; Die bringt er abends ins Lokal. Er macht aus allen Witzen Zoten; Denn ferkeln kann er ganz genial. Die meisten Witze spieln im Bette. Es gibt kein Bettgeheimnis mehr, Das Wendig nicht gelüftet hätte. Und das gefällt natürlich sehr. Herr Wendig ist zum Brüllen drastisch. Und ist ein Witz besonders säu'sch, Den unterstreicht er meistens plastisch Mit einem Grunz- und Schnalzgeräusch. Und bringt er mit pikantem Schnörkel Die Zote vom Klosettpapier, Dann wiehern alle Stammtischferkel, Verschlucken sich und prusten Bier.
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Sie grunzen bis zu später Stunde. Am Ende ist das Resultat: Es wandert die gesamte Runde In ein gewisses Pensionat. Hier kümmelt man bis früh um sechse Und richtet seelisch sich empor. Das sind die üblichen Reflexe Von Wendigs göttlichem Humor! 1929
Molle geht maifeiern Nachmittags um drei verläßt Herr Molle, Funktionär der SPD, Neukölln, Seine buntgestickte Schlummerrolle, Seinen Mann am Ersten Mai zu stelln. Denn es findet beim Genossen Meyer, Etablissement „Luisenstadt", Eine revolutionäre Feier Mit Familie, Bier und Kuchen statt. Molle sucht nach seiner rosa Nelke, Diese hat er noch vom letzten Mai. Und er schaut vom Fenster ins Gewölke, Ob ein Regenschirm vonnöten sei. Und bei Meyers, zwischen Fliedersträuchen, Dröhnt bereits der Sang- und Klangverein. Weiße Westen leuchten über Bäuchen. Weithin schallt ein Lied von Rhein und Wein. Eine Blechkapelle macht Gequäke. Eine Wagneroper klingt und klirrt.
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Molle treibt es mächtig nach der Theke, Wo gewaltig maigefeiert wird. Aber leider nach der sechsten Runde Muß Herr Molle auf das Podium. Molle redet eine Viertelstunde Um den Geist vom Ersten Mai herum. Tief ergriffen von der schönen Predigt Sitzt das Volk. Der Referent ist naß. Das Politische ist nun erledigt. Und was nun kommt, ist Fidelitas! Über Alkohol und schwache Stunden Meckert ein Klamottenhumorist. Molle kommandiert drei Kognakrunden, Weil es heute so gemütlich ist. Aus dem Saale blökt ein Blechgebläse. Molle macht den Mäterdepläsier. Nach der schwarzrotgoldnen Polonäse Steigt Herr Molle wieder tief ins Bier. Nachts um zwölfe hört man Molle röcheln; Keiner weiß es, was dem Manne fehlt. Aber Molle lallt mit sanftem Lächeln, Daß der Geist von Weimar ihn beseelt! 1930 Die Retter Rußlands Habt ihr das gelesen, was die Zweite Internationale* sich entrang? Als sie wieder mal die Welt befreite, *
Auf der Exekutivtagung der II. Sozialistischen Internationale im Mai 1930 erging man sich u. a. in Hetzreden gegen die Sowjetunion, deren, „baldiger innen- und wirtschaftspolitischer Zusammenbruch" prophezeit wurde.
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Und zu diesem Zwecke lang und breite Reden in der Hasenheide schwang? Aus den demokratischen Trompeten Quoll am Schluß ein rührender Erguß: An den armen russischen Proleten Mittels Manifests heranzutreten, Daß er für die Freiheit kämpfen muß! Welche Freiheit? wird der Leser stieren. Hak dich fest, sonst fällste auf den Ast! Nämlich jene, die sie präsentieren, Wann und wo die Brüder auch regieren! Die du hundertmal genossen hast. Unternehmerherrschaft, Pfaffenhetze, Arbeitslosigkeit in jedem Haus, Polizeimassaker, Spitzelnetze, Zuchthaus, Staatszensur und Schandgesetze l So, mein Freund, sieht ihre Freiheit aus! Das Gelächter möcht ich drüben hören, Wenn der Muschik das zu lesen kriegt! Diese Freiheit, diese goldnen Lehren, Wird er schleunigst in die Ecke kehren, Wo der Schutt der Weltgeschichte liegt! 1930
Ferientag eines Unpolitischen Der Postbeamte Emil Pelle Hat eine Laubenlandparzelle, Wo er nach Feierabend gräbt Und auch die Urlaubszeit verlebt.
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Ein Sommerläubchen mit Tapete, Ein Stallgebäude, Blumenbeete, Hübsch eingefaßt mit frischem Kies, Sind Pelles Sommerparadies. Zwar ist das Paradies recht enge, Mit fünfzehn Meter Seitenlänge; Doch pflanzt er seinen Blumenpott So würdig wie der liebe Gott. Im Hintergrund der la usch'gen Laube Kampieren Huhn, Kanin und Taube Und liefern hochprozentigen Mist, Der für die Beete nutzbar ist. Frühmorgens schweift er durchs Gelände Und füttert seine Viehbestände. Dann polkt er am Gemüsebeet, Wo er Diverses ausgesät. Dann hält er auf dem Klappgestühle Sein Mittagschläfchen in der Kühle. Und nachmittags, so gegen drei, Kommt die Kaninchenzüchterei. Auf einem Bänkchen unter Eichen, Die noch nicht ganz darüber reichen, Sitzt er, bis daß die Sonne sinkt, Wobei er seinen Kaffee trinkt. Und friedlich in der Abendröte Beplätschert er die Blumenbeete Und macht die Hühnerklappe zu. Dann kommt die Feierabendruh. Dann haut er sich auf die Matratze, Die Schafskopfhörer um die Glatze,
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Und lauscht verträumt und etwas doof Der Tanzmusik im Kaiserhof. Er denkt: Was kann mich noch gefährden! Hier ist mein Himmel auf der Erden! Ach, so ein Abend mit Musik, Da braucht man keine Politik! Die wirkt nur störend in den Ferien, Wozu sind denn die Ministerien? Die sind doch dafür angestellt, Und noch dazu für unser Geld! Ein jeder hat sein Glück zu zimmern! Was soll ich mich um andre kümmern? Und friedlich, wie ein Patriarch, Beginnt Herr Pelle seinen Schnarch. 1930
Massenstrandbad Die Hitze brummt, man drängt zum Massenbade. Der Vorortzug ist restlos vollgequetscht. Was drin ist, ist lebendige Marmelade. Man wird zermalmt, da gibt es keine Gnade! Und wenn man noch so sehr die Zähne fletscht. Am Bahnhof draußen wälzt sich in der Sonne, Drei Kilometer lang, in Staub gehüllt, Die abgekämpfte Strandbadsturmkolonne. Da in der Ferne winkt die kühle Wonne; Doch da ist auch schon alles überfüllt! Ein Platz im Grünen? Scheibe im Kalender! Man muß erst eine Stunde draußen stehn.
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Der Waldesrand ist Garderobenständer Und Sammelplatz für Fruchteismarketender. Vom Strand ist überhaupt nichts mehr zu sehn! Es wälzt sich hier ein Chaos Sonnenbrander, Wild über'nander, denn hier ist kein Platz. Das wimmelt wie ein Haufen Salamander. Familien kleben restlos aneinander. Der Seegrund ist wie warmer Kaffeesatz. Es ist ein großes Ineinanderschmelzen. Und nichts Lebendiges bleibt unversehrt. Worauf sich immer neue Leiber wälzen. Man weiß nicht mehr, wem die und jene Stelzen, Wem anatomisch dies und das gehört. Und abends, wenn die ersten Lichter flimmern, Kriecht man zur Bahnstation, verbeult und steif. Die Alten fluchen, und die Kinder wimmern. Der Zug ist vollgestopft mit Menschentrümmern. Dann ist man für die Krankenkasse reif! 1930
Scheidemann spricht Bitte sehen Sie mich an! Ich bin der berühmte Scheidemann! Und wie Sie mich sehn, so sehn Sie mich hier Als ein lebendiges Beispiel dafür, Wie weit man's im Leben bringen kann! Ich verheimliche nicht in falscher Scham, Daß ich aus dem Arbeiterstande kam! Aber ich habe mich schon in jungen Jahren Mit besseren Manieren befaßt.
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Ich bin immer sehr gut dabei gefahren Und wurde bald ein gerngesehener Gast. Das haben selbst höchste Kreise anerkannt. Sogar der Kaiser gab mir einmal die Hand! Meine Damen und Herren! So überbrückte Ich damals die leidigen Klassenkonflikte. Ich wurde befördert zum Kaiserlichen Staatssekretär; Und daher kannte ich keine Parteien mehr! Was ich am 9. November tat* Gott ist mein Zeuge, Daß ich die Wahrheit nicht beuge! -, Das war alles andere als Hochverrat! So niedrige Handlungen lagen mir fern! Ich läutete nur den Frieden ein, Und schenkte Ihnen die Republik, meine Herrn! Und mit der kann doch wohl jeder zufrieden sein! Sogar die besten Kreise, wo ich täglich verkehre, Geben der Wahrheit heute die Ehre. Sie haben, obwohl ihre Macht doch gebrochen, Sich rückhaltlos für die Republik ausgesprochen! Sie sehen das nämlich heut selber ein: Gegen den Fortschritt kann niemand sein! Viel hat sich doch geändert im Vaterlande! Z. B. ich als Mann aus dem Arbeiterstande Werde von denen, die uns früher befehdet, Heute sogar als Exzellenz angeredet! Oben und unten verbrüdern sich! Ein Volk, ein Herz! und vor allen Dingen:
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Um die Weiterentwicklung der Revolution zu vereiteln, mißbrauchte Scheidemann (vgl. Fußnote zu S. 23) 1918 seine Funktion als Mitglied des Rates der Volksbeauftragten; er tat alles zur Erhaltung des alten Staatsapparates und der Macht der Monopolkapitalisten, Großagrarier und Militaristen.
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Wenn jeder Arbeiter so denkt wie ich, Dann wird er es auch zu etwas bringen! 1931
Kunst und Leben Musik erfreut des Menschen Herz, Besonders die des Blechkonzerts Von zarten Schupolippen. Gewaltig braust der Zapfenstreich. Die Bürgerseelen werden weich Wie eingetunkte Schrippen. Die Schupo hat nicht nur Talent Fürs Polizeischlaginstrument: Sie hat auch Seelenleben! Drum übt sie auch mit Innenbrunst Harmonische Gebläsekunst, Die Leute zu erheben. Die Hand, die gestern für den Staat Die Gummikeule schwingen tat, Hält zierlich die Fanfare. Aus zwanzig Trichtern schallt es laut: Der Dompfaff, der hat uns getraut! Das ist das einzig Wahre! Dann schütteln sie die Spucke raus Und bringen ihr Gerät nach Haus. Pistole an den Gürtel! Den Tschako auf! Den Riemen um! Dann kommt der Dienst am Publikum Im Proletarierviertel.
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Da wird nun nicht Musik gemacht: Steh ich in finstrer Mitternacht! Da gibt's eins auf die Schwarten. So eng verbunden, wie man sieht, Mengt sich im Polizeigemüt Das Strenge mit dem Zarten! O Postillon von Lonjumeau! O preußisches Kulturniveau! Prolet, sei guter Laune! Vergiß die Schüsse und das Blut Und fühle tief: Der Mensch ist gut Beim Klang der Schuposaune! 1931
Ei, warum? Ei, darum... ! Was ist des Deutschen Höhepunkt? In Uniform zu gehen! Wenn Knopf und Tresse blitzt und funkt, Der Bauch von Blechgehänge prunkt, Dann ist man angesehen! So stülpt man schon den Messingtopf Dem kleinsten Hosennässer Auf seinen deutschen Wasserkopf. Da fehlt auch nicht Gefreitenknopf Und umgeschnalltes Messer. Auch den Lakai steckt man in Lack; Man gibt ihm goldne Schnüre Und einen bunten Zirkusfrack, Damit er vom Proleten pack Sich sichtbar distanziere.
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Der Korpsstudent ist eine Pracht Als nationaler Kämpe, Wenn er Parademätzchen macht Mit Phantasiehusarentracht Und Operettenplempe. Und so was liebt der kleine Mann. Die Uniform tut Wunder! Drum macht er sich bei Hitlern ran; Der zieht ein braunes Hemd ihm an Und noch diversen Plunder. Und sah man erst nach gar nichts aus Im Zivilistenröckchen Die Uniform reißt einen raus! Drum läuft das ganze Irrenhaus In bunten Affenjäckchen. Des deutschen Volkes Zierde sei Die Uniform, die stolze! Das ist der nationale Schrei. Der „Herrenmensch" und der Lakai, Die sind vom selben Holze! 1932
Ballade von der gebrochenen Zinsknechtschaft Der Herr Gerichtsvollzieher erschien Beim kleinen Landwirt Mosenthien Und klebte an die letzte Kuh Sein Vögelchen und sprach dazu: „Das nächste Mal, wie Sie wohl wissen, Werd ich das Haus bekleben müssen!"
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Und Mosenthien nahm seinen Hut Und ging hinaus aufs Rittergut. Denn Herr von Zitzow ist ein Mann, Der, weil er Geld hat, helfen kann. Auch ist der Herr ja Naziführer Und deshalb gegen Halsabschnürer. Der Herr von Zitzow fragte ihn: „Was brauchen Sie, Herr Mosenthien? Pro forma nehme ich als Pfand Ihr Haus und Vieh und Ackerland. Ein Hitlermann, wie Sie hier sehen, Läßt keinen Landmann untergehen!" Doch als die Frist verstrichen war, Kam Zitzow mit dem Hausnotar Und sagte: „Lieber Mosenthien, Ihr Haus zu schützen vorm Ruin, Muß ich's dem Gute einverleiben. Sie wollen bitte unterschreiben!" Da hat der Mosenthien gegafft! „Sie sind doch gegen Zinsknechtschaft!" „Sehr richtig!" sprach der Hitlermann. „Damit man's nicht versteigern kann, Und Zinshyänen danach gieren, Will ich's für mich expropriieren! So rett ich Sie vor dem Ruin! So kommen Sie, Herr Mosenthien, Mit keinem Gläub'ger in Konflikt, Sind nicht von Zinsknechtschaft bedrückt! Und Wohnung geb ich Ihnen gerne. Es ist noch Platz in der Kaserne. " Doch Mosenthien, der dieses Glück Nicht recht begriff, nahm einen Strick
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Und hängte in der Nacht darauf Sich am Gemeindehause auf. Weshalb entfloh er wohl als Leiche So dicht, so dicht vorm Dritten Reiche? 1932
Deutsche Sittlichkeit In einer Zeit, wo sittliche Erneurung Aus jedem braunen Leitartikel quiemt, Bedarf es völkisch-christlicher Durchsäurung, Damit der Deutsche wisse, was sich ziemt. So hat ein Sittlichkeitsverein verkündigt, Daß, wer beim Baden das Trikot vergißt, Sich an der christlichen Kultur versündigt, Und dementsprechend zu bestrafen ist. Es häufen sich in letzter Zeit die Klagen, Daß die man baden sieht in See und Fluß, Zu kleine oder keine Hosen tragen, Was kulturell zersetzend wirken muß. Den Anstoß gaben ein paar Hitlerdamen. Sie suchten mit dem Opernglas am Strand, Nicht müde werdend, bis sie Anstoß nahmen An einem Mann, der ohne Hose stand. Sie sahn sogar Details in ihren Prismen (Doch wurden sie zum Glück davon nicht blind). Sie stellten fest, daß solche Bolschewismen In deutscher Landschaft nicht zu dulden sind. Da ist ja nun ein Riegel vorgeschoben. Der Badestrand wird christlich kostümiert,
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Daß das Gewühl von nackten Hemigloben Die Bürgerdamen nicht mehr irritiert. Nun geht der fromme Bürger durch die Gegend. Vorbei die Orgie der Nacktkultur, Die ekelhaft und ärgerniserregend Ihm durch die zugeknöpfte Seele fuhr. Nein, niemals würde er die Blößen zeigen, Und niemals gar im hellen Sonnenlicht So schamlos aus den Unterhosen steigen! Doch das ist gut! Er soll auch lieber nicht! Denn wenn so eine ausgedörrte Lilie Und so ein Fettwamp nackt am Ufer strich, Dann flüchtete die ganze Strandfamilie! Denn dieser Anblick wäre schauerlich! 1932
Ein übereilter Schritt Das war der Hauskassierer Lehmann, Ein guter Mensch und SPD-Mann; Dem hatte nachts ein Mann in Braun Zwei Backenzähne eingehaun. Hier mußte Lehmann nun erfahren, Daß gegen 's Rüstzeug der Barbaren Die geistige Waffe nicht genügt, Wenn man eins in die Fresse kriegt. Zum Glück erschienen da zwei starke Rotfrontier aus dem nahen Parke; Die haben den im braunen Hemd Ein bißchen auf und ab gestemmt.
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Und was war schließlich das Ergebnis? Beeindruckt stark von dem Erlebnis, Trat Lehmann von der SPD Ins rote Einheitskomitee. Die Sache aber sprach sich weiter Und kam vor den Abteilungsleiter, Der Lehmanns Seelenheil betreut; Der war nun weniger erfreut. Er schrie ihn an: „Genosse Lehmann, Sie sind nicht länger SPD-Mann, Sieht man Sie noch ein einziges Mal Als Gast in dem Rotfrontlokal!" Darob erschrak der Lehmann höllisch. Und da nicht von Natur rebellisch, So sagte er: „Genosse Schmidt, Es war ein übereilter Schritt!" Die Sache hat sich zugetragen. Nun möchte man bescheiden fragen, Wie er sich nächstes Mal verhält, Wenn man ihn wieder überfällt. Er würde, die zu Hilfe kämen, Wahrscheinlich nicht in Anspruch nehmen, Damit, was hinterher passiert, Nicht wieder zu Konflikten führt. Und wird er auch halbtot geschlagen, Er wird es im Bewußtsein tragen: Es blieb bei dem Zusammenstoß Doch sein Parteiherz makellos! 1932
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Ein neuer Verein Von Leuten verschiedener Gesellschaftsstufen Wurde ein Verein ins Leben gerufen Gegen das Tragen von Vereinsabzeichen, Parteiemblemen und sonst dergleichen. Als die Vereinsmitglieder zusammentraten, Wurde zuerst das Wichtigste beraten: Es seien Vorschläge einzureichen Für ein geschmackvolles Vereinsabzeichen. 1932
Hellseherei Hör auf zu denken, Zeitgenosse! Nein, schau hinauf zum Sternenlauf! Im Zeichen der Prophetenhausse Tu deine Brust dem Kosmos auf! In manchem stillen Gartenhause, Den Vollbart himmlisch onduliert, Wohnt ein Messias namens Krause, Der dir sich horoskopuliert. Hast du zum Beispiel Wahlbeschwerden; Der Seher weiß es. Sprich dich aus! Es muß doch einmal anders werden! Dein Tierkreis geht durchs braune Haus. Wenn dich die Hämorrhoiden zwacken So laß dich einmal hellbesehn. Der Seher schaut dir in die Backen, Ob die Gestirne günstig stehn.
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Ob Bierherz, ob Kartoffelpreise; Bei allem sind die Sterne mang. Denn ihre vorgeschriebne Reise Vollenden sie mit Donnergang. Der Erik Jan* kennt die Gestirne Und weiß, wie man das Schicksal packt. Denn selbst die allerweichste Birne Steht mit dem Kosmos im Kontakt. Und hat der kosmische Athlete Dir nicht Gesundheit eingebracht, Eins kann dich trösten: der Prophete Hat sich dabei gesund gemacht! 1932 Der von der höheren Warte Verehrte Anwesende! Lassen Sie mich Ein bescheidenes Wort in die Waagschale werfen! Ich finde es unverantwortlich, Die Gegensätze im Volk zu verschärfen! Ich bin nicht von der modernen Art. Ich habe noch meinen deutschen Glauben Und schlichten Ochsenverstand bewahrt! Den kann man mir Gott sei Dank nicht rauben. Sie vertreten heute so radikal Umsturz und Auflehnung gegen das Schlachten. Ich meine, man sollte die Dinge mal Von einer höheren Warte betrachten! Den Schlächterstand und den Ochsenstand Gab es zu allen Zeiten auf Erden; *
Der Hellseher Erik Jan Hanussen, er stand bis 1933 den Nazis nahe, später wurde er von ihnen ermordet.
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Sie sind geschaffen, fürs Vaterland Zu schlachten und geschlachtet zu werden. Und wenn der Schlächter sein Banner entrollt, Dann müssen wir Ochsen zu sterben wissen! Das hat die Vorsehung so gewollt, Vor der auch die Ochsen sich beugen müssen. Nur eine gottverlassene Partei Bezeichnet die heilige Sache mit Morden. Und außerdem ist die Schlächterei Doch heute wirklic h human geworden! In dieser zivilisierten Zeit Hat jeder Schlächter seinen Betäuber. Was tun die nicht für die Ochsenheit! Und so was nennen Sie Mörder und Räuber? Nein, freiwillig gehen wir in den Tod! Sie treffen mich nicht mit Ihrem Gelächter! Ich bin ein Ochse von altem Schrot; Ich stehe in Treue zu meinem Schlächter! 1932
Speierle Es ist der Speierle, von dem ich spreche, Zwar einer nur, doch dieser ist Legion. Er wurzelt tief in jeder Oberfläche Der zeitgebundnen Meinungskonfektion. Einst stand er ratlos in Novemberwettern, Mit Friedrichaugustband und Ekazwei*, Ob vor dem Schloß die Carmagnole schmettern, Ob Heimatdienst am Volk das Richtige sei. *
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Eisernes Kreuz II Klasse, eine preußisch-deutsche Kriegsauszeichnung.
Er wußte nicht, in welchen Hintern kriechen, Weil alles noch im Ungewissen war. Und schien's im einen mehr nach Ruhm zu riechen, So doch im ändern mehr nach Honorar. Dann kam der Tag für solcherlei Gestalten: Die Republik! Sie hatte jedermann Den Hintern wie ein Stadttor hingehalten. Und Speierle marschierte vornean. Nun fehlte Speierle auf keinem Podium, Zertrat die Reaktion mit Haferlschuhn* Umbrandet teils von Jakobinerodium Und teils von schwarzrotgoldnem Staatskattun Doch in der Folgezeit, wo selbst bei Mosse Die Vetterfahne** ultralinks tendiert, War Speierle als feuriger Genösse In Rotgardistenstiefeln aufmarschiert. Nicht lange zwar. Die braunen Bataillone Vermehrten sich. Und Speierle bezog Die Quarantäne der neutralen Zone Und lernte still den fälligen Prolog. Das braune Hemd begann ihm wohlzuriechen. O Blutbandsweihe, die er jetzt empfing! Er hatte wieder wo hineinzukriechen. Hier war es etwas enger; doch es ging. Doch seine Überlaufbahn ist zu Ende; Es findet keine Wiederholung statt. Herr Speierle, es geht schon die Legende Von einer Zeit, die keinen Hintern hat!
1933 *
Von den Mitgliedern der bürgerlichen Jugendbewegung („Wandervögel") getragener Reform- und Wanderschuh. **
Karl Vetter, der später Verbindung zur antifaschistischen Widerstandsbewegung hatte, war 1930-1933 Verlagsdirektor im Konzern Mosse, der bürgerliche Tageszeitungen herausgab.
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Nachtgesang Wir singen hier jeden Abend Ein monotones Sextett Und atmen die Abendkühle. Wir sind der Mieter so viele, Und haben nur ein Klosett. Einst hatten wir jeder sein eignes; Das steht heute unberührt. Ist alles verstopft und verrostet. Weil die Reparatur etwas kostet, So wurde nichts repariert. Nun haben wir eins für sechzig, Das reicht für unser Asyl. Einmal ist genug in drei Tagen, Man hat ja so wenig im Magen; Da macht man ja auch nicht viel. Jetzt sind wir im dritten Reiche. Wir dachten, nun gibt es Speck! Damit hat man Mäuse gefangen. Doch der Speck, der ist ausgegangen, Und auch die Butter ist weg. Dafür ist was andres versprochen: Die Häuserreparatur. Die Regierung ist ja nicht kleinlich. Dann kriegt jeder Mieter wahrscheinlich Ein neues Klosett auf dem Flur. Doch werden wir von Raketen Und Suppenwürfeln nicht satt. Bald fressen wir bloß noch Blätter. Was nutzen die schönsten Klosetter, Wenn keiner was in sich hat!
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Das darf man ja laut noch nicht sagen, Drum summen wir leise in Moll: Der Fackelzugsozialismus Ist aufgelegter Beschißmus! Wir haben die Näse voll! 1933
Das große Schaltjahr Man hat in Peitschland seine Not, Zu schalten und zu walten. Das Walten ist noch nicht im Lot, Doch um so mehr das Schalten. Man schaltet aus und ein und um: Gleichschaltung der Gehirne! Drum läuft das halbe Volk herum, Das Schaltbrett vor der Stirne. Wer noch am alten Schalter sitzt Und seines Amtes waltet, Sich umzuschalten gar verschwitzt, Wird klanglos ausgeschaltet. Die außerhalb des Drahtverhaus Noch Meinungsneigung zeigen, Die schalten eo ipso aus (Vom Geiste ganz zu schweigen!). Sie sehn die Welt vom Schalter aus, An dem sie einmal hängen, Von wo aus sie ins Weltgebraus Sich einzuschalten drängen. Doch strömt nur Blut- und Erdgeruch Aus jeder Sprechmaschine, Ein Schauderwelsch aus Lesebuch Und Militärkantine.
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So wird das Hörspiel dieser Zeit Gewaltsam umgeschaltet Auf Welle Mittelmäßigkeit, Die schallend sich entfaltet. Denn all ihr geistiges Gerät Ist Bruch und längst veraltet. Die heilige Inferiorität Ist gründlich gleichgeschaltet! 1933
Der neue Sport Das ist ein neuer Sport geworden, Und zwar ein exklusiver Sport. Man darf jetzt wieder straflos morden. Es lebe der legale Mord! Man schießt ihn ab wie einen Spatzen, Wer sich am Fenster sehen läßt. Wie leuchten da die Schnöselfratzen! Das geht wie auf dem Schützenfest. Im Finger zuckt die Lust am Morde. Zielscheiben gibt es massenhaft. Neun Schüsse raus! Man schießt Rekorde. Blut ist ein ganz besondrer Saft. Es ist so süß, hineinzuschießen Ins blasse Menschenangesicht. Man sieht die rote Brühe fließen. Der Schuß war gut! Der rührt sich nicht. Weh dem gejagten Wild, das wehrlos Den Würgern in die Hände fällt! Sie morden schamlos, feig und ehrlos. Elitekorps der Unterwelt!
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Seht sie euch an, die kalten Fressen! Sie sollen unvergessen sein! Wir Deutsche liebten zu vergessen. Das sei vorbei! Prägt sie euch ein! Wir ließen diese Mörderbande Uns fünfzehn Jahre lang bedrohn. Doch unsre Langmut ward zur Schande Und unsre Menschlichkeit zum Hohn. Was wir gelernt in diesen Zeiten, Das soll, wenn unsre Fahne weht, Uns nie zur Nachsicht mehr verleiten! Es gibt auch Unerbittlichkeiten Im Namen der Humanität. 1933
Die braune Kuh Für ein deutsches Kabarett Refrain nach der Horst-Wessel-Melodie* Ach bitte, nicht mehr Frau Direktor sagen! Man nennt mich heut Frau Führer, Gott sei Dank. Ich spreche gern mit Leuten ohne Kragen Und setze mich zu ihnen auf die Bank. Mein Mann gab jetzt im Direktionsgebäude Ein Fest fürs Personal mit Bier und Wurst. Denn man erhöht jetzt Arbeitskraft durch Freude. Und wirklich, keiner trank da übern Durst. *
Das von dem Berliner SA-Führer Horst Wessel verfaßte und nach ihm benannte Lied („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen! SA marschiert... ") wurde von den Nazis an das Deutschlandlied angeschlossen und so zur Nationalhymne erhoben.
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Gott, dem Betrieb hat's weiter nicht geschadet; Mein Mann zog's ab vom Lohn, prozentual. Und alles freut sich, wenn er wieder mal einladet Die Kosten trägt ja gern das Personal. Sieg Heil! Ach, bei den Roten gab es immer Feindschaft. Ausbeuter sagten sie zu meinem Mann. Doch unser Führer schuf die Volksgemeinschaft, Wo keiner meinem Mann diktieren kann. Er hatte schon vor Ärger Rheumatismus. Doch plötzlich gab's für uns die neue Zeit. Nun kam von oben her der Sozialismus; Denn der von unten war nur blasser Neid. Heut braucht man nicht mehr der Gewerkschaft Segen. Und wird die Dividende etwas schmal: Heut kann man den Verlust ja auf den Lohn umlegen. Da opfert gern das ganze Personal. Sieg Heil! Jetzt tu ich viel fürs Volk im engsten Kreise. Vier Mädchen hab ich. Kosten ja nichts mehr! Man nimmt sich immer neue, probeweise. Und so vermindert man das Arbeitslosenheer. Wohltätigkeit, wer sollte sie denn üben, Wenn wir nicht! Und das sieht man jetzt auch ein. Ja, sehn Sie doch einmal nach Rußland drüben! Wo man die Reichen abschafft, wird das Volk gemein! Heil unsrem Führer, der uns rettete vor ihnen, Die neidisch sind auf unser Kapital! Er schuf ein Volk, das wieder glücklich ist im Dienen. Ein dankbar und bescheidnes Personal. Sieg Heil! Mein Mann sagt oft: Bald kommen große Zeiten! Das Vaterland ist wieder eingekreist. Wir werden auf dem Feld der Ehre streiten
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Und tragen in die Welt den neuen Geist! Mein Mann hofft, im Vertraun, auf Staatsaufträge. Die Wirtschaft wird dann fabelhaft gedeihn. Wir Damen widmen uns der Heldenpflege. Das werden intressante Zeiten sein! Mein Mann sagt: Siegen wir nach heißem Ringen, Dann setzt er im Betrieb ein Ehrenmal (Auch die Gefolgschaft wird hier gern ein Opfer brin gen) Für das für uns gefallne Personal. Sieg Heil! 1933
Der braune Parnassier Nachdem der intellektuelle Pöbel Als laureati* schweigend abgedankt, War ein gewisser Götzhorst Lanzenknöbel**, Im engsten Kreis seit langem sakrosankt, Zur Offizialität emporgerankt. Geschult an Wessels trittgefaßten Jamben***, Vom Skrupel der Grammatik nicht befleckt, Litt Lanzenknöbel nie am Intellekt. In seinen eisernen Bandityramben War nichts als Aufbruch, der im Blute steckt. Er brauchte keinen Wortschatz auszugraben. Den liefert die Partei ihm frei ins Haus, Als Lieferant des geistigen Überbaus. Wo andre Wahl und Qual der Fülle haben, Kommt er mit wenigen Prussianismen aus.
*
(lat. ) Preisgekrönter Dichter.
**
Gemeint ist der faschistische Schriftsteller Hanns Johst, ab 1933 Präsident der Deutschen Akademie der Dichtkunst, ab 1935 der „Reichsschrifttumskammer". ***
Vgl. Fußnote zu S. 101.
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Er schreibt mit Blut; das kriegt er auch vom Staate, Und wenn er schreibt, es fließt ihm nur so zu. Und jedes Wort ist schwer, als ob es wate. Der Stil krepiert wie eine Handgranate. Das Endprodukt ist heldisches Ragout. In anderen Zeiten, wo sich relativ Noch ungeniert benahmen die Gazetten, Kam, was er schrieb, zurück mit Vordruckbrief, Bedauernd, daß sie nicht Verwendung hätten. So häufte, was er schuf, sich zum Archiv. Nun, wo ihm jede Spalte offen steht, Da es verboten ist, ihn abzuweisen (Denn Lanzenknöbel ist laut Staatsdekret Seit kurzem diplomierter Reichspoet), Räumt er sein Lager jetzt zu festen Preisen. Auf dem Parnaß steht ein verlaßnes Möbel: Der Sprache tausendstimmiges Instrument; Das überließ man Götzhorst Lanzenknöbel. Was aber nutzt das erdigste Talent, Wenn man nicht die Gebrauchsanweisung kennt! Doch Lanzenknöbel, der mit seinen Jüngern Auf jenem geistverlaßnen Hügel haust, Zeigt, wie es, statt zu klingen, jetzt nur braust, Geschworner Feind den sensitiven Fingern, Traktiert er es mit militanten Schwingern, Dem neuen Geist gemäß, auf eigne Faust. 1934
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Heil Hitler! „Der Führer des Betriebs entscheidet der Gefolgschaft gegenüber in allen betrieblichen Angelegenheiten. " Fundamentalsatz aus dem neuen Arbeitsgesetz, das am l. Mai in Kraft tritt Laßt singen uns ein Lied aus vollem Magen, Zu preisen den, der uns die Freiheit gab, Tarif und Arbeitsrechte zu zerschlagen, Sich im Betrieb zu fühlen als Satrap! Reicht eure Hand dem schlichten Händeschüttler! Heil Hitler! Wir sind die Führer! Unser Wort entscheide! Wir machen jetzt die Löhne, wie's uns paßt. Knurrt die Gefolgschaft mit dem Eingeweide, Dann wird sie militärisch angefaßt. Denn dazu haben wir die braunen Knüttler! Heil Hitler! Aus den Betrieben machen wir Kasernen. Wer sein Kommißbrot hat, der braucht nicht mehr! Die Kerle müssen wieder schuften lernen! Jetzt kommt uns ja kein Streik mehr in die Quer, Kein Schutzgesetz und kein Sozialfortschrittler. Heil Hitler! So herrlich haben wir uns noch vorm Jahre Den Sozialismus gar nicht vorgestellt! Die Arbeitsteilung ist das einzig Wahre: Für die die Arbeit, und für uns das Geld! Lobsinget ihm, dem Schutzgott der Profitler! Heil Hitler! 1934
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Die Geschichte vom Witz Das kam so: in einer Bedürfnisanstalt, Worin zwei Männer beim Austreten waren, War einem ein Stoßseuzer in Gestalt Eines Witzes entfahren. Der Mann wußte gar nicht, wie ihm geschah. Der Witz war nämlich ungelogen Wie frisch aus der Miesmacherei bezogen. Doch war es zu spät; er war schon da. Der Mann stürzte unausgetreten hinaus. Doch der andere nahm den Witz mit nach Haus. So kam er am Abend spät nach Britz. Da fühlte sich wohl der kleine Witz. Am nächsten Morgen hüpfte er munter Alle Britzer Treppen hinauf und hinunter, Zum Bäcker, zum Milchmann, zu Müllers und Schmidts. Und am Abend kannte ihn schon ganz Britz. Am nächsten Nachmittag wurde er schon In Tempelhof, dann im Zentrum gesichtet. Dort hat er in einer Redaktion Einen Haufen Unheil angerichtet Leider gelang es nicht, ihn zu fassen. Drum wurde der Chefredakteur entlassen. Nach vierzehn Tagen kannte man ihn In jedem Winkel von Großberlin. Schließlich kam er sogar vor Gericht. Man verurteilte ihn, doch man faßte ihn nicht. Da hatte man dann zu guter Letzt Die Polizei in Bewegung gesetzt. Die Polizei ging von Haus zu Haus. Doch wo sie hineinkam, war er schon heraus. Da kam ein Gesetz heraus: wer ihn sichtet Und meldet es nicht, der wird hingerichtet!
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Es hat ihn trotzdem keiner gefunden. Aber seitdem blieb er wie verschwunden. Doch er ist nicht verduftet und nicht verblutet; Er hockt nämlich, wo man ihn gar nicht vermutet: Der Kanzler saß auf dem Thron, allein, Und sagte: „Hier muß doch ein Holzwurm sein! Der bohrt doch dauernd im Sesselbein! Schließlich bricht mir der Thron noch ein!" Da lachte ein Stimmchen unter dem Sitz: „Das ist gar kein Holzwurm; das ist ein Witz!" 1934 Ernteeinsatzlied Melodie: „Wohlauf, die Luft geht frisch und rein!" Wohlauf, die Luft geht frisch und rein! Hinaus zum Ernteeinsatz! Vor Kohldampf klappert das Gebein. Das ist die wahre Schweinshatz! Von Sonnenauf- bis -untergang Kaum Zeit, mal abzuprotzen! Und nachts bei warmem Kuhgestank! Es ist zum Knochenkotzen! Valeri valera, valeri valera, Es ist zum Knochenkotzen! Herr Bauer und Frau Bäuerin, Die fressen Speck und Butter. Uns stelln sie nur ein' Eintopf hin, Der riecht nach Schweinefutter. Der Osaf* schläft im Federbett Und frißt auf unsre Kosten, *
Der Oberste SA-Führer.
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Und dabei wird er dick und fett. Das ist ein ruhiger Posten! Valeri valera, valeri valera, Es ist zum Knochenkotzen! Die letzte Hose zieht mit raus, Die hängt schon ziemlich lose. Doch ziehn wir einst damit nach Haus, Dann ist's mehr Loch wie Hose. Herr Vater und Frau Mütterlein, Ihr kauft mir keine neue. Heil Hitler! Hoch das Hosenbein! Dem halten wir die Treue! Valeri valera, valeri valera, Es ist zum Knochenkotzen! Wer einen reichen Vater hat, Ja, dem passiert das selten. Dem schreibt der Doktor was aufs Blatt: Er darf sich nicht erkälten. Der ein' ist arm, der andre reich! Doch darum keine Feindschaft! Wie schön ist doch im dritten Reich Die wahre Volksgemeinschaft! Valeri valera, valeri valera, Es ist zum Knochenkotzen! 1934
Das Lied vom braven Mann Sein Kreuz ist hart, sein Geist ist weich. Er muß nach oben schauen. Drum füllt ihn auch das dritte Reich Mit Ehrfurcht und Vertrauen. Da gibt es wieder Rang und Stand. Das ist sein wahres Vaterland.
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Da denkt der Vorgesetzte mit Für seine Untergebnen, Und sorgt, daß keiner übertritt Die zugewiesnen Ebnen. Denn denken, denkt der brave Mann, Ist, was nicht jeder darf noch kann. Wird sein Gehalt auch minimal, Er spricht mit leerem Magen: Es kann nicht nur der Prinzipal Die Krisenlasten tragen l Weshalb er auch dem Chef gefällt. Und das ist soviel wert wie Geld. Der brave Mann marschiert im Glied Mit Hurra und Geheule. Und wenn er seinen Führer sieht, Knackt ihm die Wirbelsäule, Als trat ihm wer ins Hinterteil. Das tut ihm wohl; drum brüllt er Heil. Denn ihm ist traditionsgemäß, Daß einer nur befehligt. Nur wenn den Stiefel im Gesäß Er fühlt, ist er beseligt. Und deshalb imponiert es ihm, Das militärische Regime. Doch eins versichern wir ihm zart: Es wird, was dieses angeht, Die Kontinuität gewahrt, Wenn's einmal drauf und dran geht. Nur fraglich, ob der brave Mann Auch den Tritt noch vertragen kann! 1934
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Vereinfachtes Verfahren „Bei der jetzigen deutschen Strafgesetzreform wird eine neue Strafart vorgesehen sein, die Acht oder Ächtung. Der Geächtete wird friedlos und vogelfrei erklärt werden; wer ihn tötet, soll straflos bleiben. " Deutsche Zeitungsmeldung Es war bisher, Mißliebige kaltzumachen, Nur altverdienter Kämpfer Privileg. Doch, streng genommen, stand bei solchen Sachen Noch eigentlich der Staatsanwalt im Weg. Und war es auch pro forma nur gewesen, Daß er mit Mord und Totschlag sich befaßt, Es war doch manchmal lästig, machte Spesen Und fiel nicht selten dem Regime zur Last. Um dies Betätigungsfeld nicht einzuschränken, Wird dem Gesetz ein Zusatz einverleibt, Damit nicht, aus juristischen Bedenken, Ein guter Fangschuß ungeschossen bleibt. Wozu auch noch forensischen Palaver! Wozu den Ritus mit dem Hackebeil! Nicht nur der Henker sorge für Kadaver! Denn heut verlangt der Volkszorn auch sein Teil. Ihr rauhen Kämpfer, auf zur frohen Treibjagd! Der Reichskopfjägermeister stößt ins Horn. Wenn ihr dem Freiwild heut was in den Leib jagt, Dann nimmt kein Staatsanwalt euch mehr aufs Korn. Justiz wird als Privatsport nun betrieben. Die Polizei darf zusehn. Wundervoll! Der Lümmel war ja vogelfrei geschrieben; Da braucht man Gottseidank kein Protokoll.
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Wie schlicht und einfach ist das doch gefingert! Man spart bei dem Verfahren Zeit und Geld. Auch wird damit das Risiko verringert, Daß einer vor Gericht noch Reden hält. O Beßres Deutschland, vogelfrei geschrieben, Bist heut du ausgeliefert jedem Schwein. Die letzte Freiheit, die dir noch geblieben, Wird schließlich nur die Vogelfreiheit sein! 1935
Die Herrenrasse kauft ein Da streiten sich die Leut herum: Ich hab nichts anzuziehn! Mein Gott, wie sind die Leute dumm! Wer kauft noch in Berlin? Das wird doch anderswo bestellt Im frischbesetzten Land! Und jeder hat doch wen im Feld Als Heimatlieferant! Mein liebes Kind, was willst du denn? Das muß man nur verstehn! Du hast vielleicht so 'n Stippcousin Als Leutnant in Athen. Dem schreibst du mal ein Scherzgedicht, Und fragst recht zärtlich an, Ob er für die Verwandtschaft nicht Mal was besorgen kann. Die Mama braucht ein Seidenkleid, Der Papa ein Paar Schuh, Und Puder braucht die Adelheid, Und ein Kostüm brauchst du.
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Der Werner braucht 'ne goldne Uhr Und Lottchen ein Kollier. Sei nicht bescheiden, schreib das nur! Dem tut das gar nicht weh. Und hab nur keine Angst, mein Lieb, Das kostet zu viel Geld! Ein Nazi kauft nach dem Prinzip: Erlaubt ist, was gefällt! Der geht in jeden Laden rein Und sucht das Beste aus; Das packt er sich dann gratis ein Und nimmt es mit nach Haus. Und schreit das ganze Ausland gleich, Das war doch ein Skandal, Das ist nun mal im dritten Reich Die herrschende Moral. Dahinter steht doch die Nation. Denn alles, was ihr stahlt, Das hat mit seiner Ehre schon Das deutsche Volk bezahlt! 1941
Die Fahne hoch! Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen! SA marschiert* nach Rußland mit Siegheil. Kamraden, die schon anderswo kaputtgeschossen, Die nehmen nun am Blitzkrieg nicht mehr teil. In Dänemark, da gab es saft'gen Schinken, Und duft'ge Nutten gab's in Rotterdam. In Rußland aber gibt es guten Schnaps zu trinken; In Rußland sind die Bauernmädels stramm. *
Parodie auf das Horst- Wessel-Lied; vgl. Fußnote zu S. 101.
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Nach Rußland ging's mit allen Bataillonen. Doch ach, das war ein trauriger Beschiß. Da gab es jeden Tag nur heiße blaue Bohnen Und ein paar harte Brocken ins Gebiß. Statt Kaviarbrötchen gab es Futterrüben, Und statt Burgunder Jauche aus dem Faß, Und nirgends stand ein parfümiertes Bett zum Lieben; Und so ein Bett im Sumpf ist kalt und naß. SA marschiert, doch nicht dem Feind entgegen; Der Feind ist vorn und hinten, überall. Aus allen Büschen heimlich pfeift der heiße Segen. Ade nun, Schwertgeklirr und Wogenprall! Die Fahne hoch! Jetzt geht es ans Krepieren! Der Heldentod für Hitler ist doch schön! Was übrigbleibt, mag sich im Urwald etablieren! Denn in der Heimat gibt's kein Wiedersehn! 1941/1942
Das Lied vom braunen Maikäfer Maikäfer, flieg! Was wird noch aus dem Krieg? Der Führer wollt nach Engelland, Wohin er nur den Weg nicht fand. Maikäfer, flieg! Maikäfer, flieg! Wohin ist Rommels Sieg?* Er wollte bis nach Indien doch. Nun pfeift er auf dem letzten Loch. Maikäfer, flieg! *
Im Sommer 1942 wurde der in Nordafrika zunächst erfolgreich operierende General Rommel entscheidend geschlagen.
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Maikäfer, flieg! Dein Vater ist im Krieg. Deine Mutter ist im Kohlenschacht. Dein Bruder sitzt auf Luftschutzwacht. Maikäfer, flieg! Maikäfer, flieg! Die Kleinen fraß der Krieg. Die Reih ist nun am Mittelstand. Mittelstand ist abgebrannt. Maikäfer, flieg! Maikäfer, flieg! Vier Jahr ist nun schon Krieg. Und kahl gefressen ist dein Baum. Wo ist denn nun dein Lebensraum? Maikäfer, flieg! 1941/1942
Die Wacht im Osten Das Haar wächst uns zur Mähne, Die Seife wird uns fremd. Wir putzen keine Zähne Und wechseln knapp das Hemd. Verdreckt sind alle Kleider, Oft bleibt der Magen leer. Von Bier und Wein gibt's leider Auch keinen Tropfen mehr. Doch dieser Heroismus Hat auch besondren Reiz. Es schlägt der Rheumatismus Fürs Vaterland aufs Kreiz.
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Kein Dach und kein Gehäuse, So geht's im Schritt und Tritt. Nur unsre braven Läuse Marschieren wacker mit. Doch wer im Schützengraben Fürs Vaterland erfror, Den finden dann die Raben Als frisches Eisbein vor. So geht es ohne Pause Rückwärts im Siegeslauf. Und gehn wir nicht nach Hause, So gehn wir alle drauf.
1941/1942 Landserbrief an Hitler „Ich habe den Oberbefehl übernommen, um noch näher bei meinen Soldaten zu sein. " Hitler*
„Siehst du, Adolf, das ist recht! Sei kein Pharisäer! So ein Einfall ist nicht schlecht. Komm ein bißchen näher I Sieh man, wo du unterkrauchst! Ist noch Platz im Graben. Wenn du sonst noch etwas brauchst, Alles sollst du haben! Komm, hier hockt man ziemlich dicht! Such dir Platz im Dunkeln! Aber bitte tritt uns nicht Auf die Frostkarbunkeln! *
Nach dem Fehlschlagen des „Barbarossaplanes" (Niederschlagung der Sowjetunion in einem „Blitzfeldzug") kam es zu einer Fuhrungskrise in der faschistischen Wehrmacht Am 19. Dezember 1941 ernannte sich Hitler selbst zu ihrem Oberbefehlshaber.
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Hier gibt's frischen Fleischsalat Und die schönste Krätze. Und die Läuse suchen grad Neue Kriegsschauplätze. Kippen wirst du auch nicht schnorrn, Bist ja wohl kein Raucher. Denn mit so was steht's hier vorn Schlecht für den Verbraucher. Unser Vegetariermahl Wird dir sehr behagen. Denn hier lebst du ideal, Ohne Fleisch im Magen. Leider kommt dein Sprechtalent Hier nicht zur Entfaltung Denn hier gibt es permanent Andre Unterhaltung. Vor dem kalten Heldenloch Hab man keine Bange! Denn auch hinten lebst du doch Nicht mehr allzulange. Und womöglich wirst du hier Mit Musik begraben. Diesen Tag begießen wir, Schon, weil wir doch dann vor dir Endlich Ruhe haben!" 1942
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Der Führer Deutsches Volkslied Manch gekrönter Abenteurer Hat in Deutschland schon regiert, Manche polternden Erneurer Haben uns schon angeführt. Viel war nie davon zu halten; Doch man könnt es noch verstehn. Diese, auch als Staatsgewalten, Waren immerhin Gestalten. Aber ausgerechnet den? War nun in der Zeit der Krise Irgendeiner aufgetaucht, Ein Prophet, ein Kerl, ein Riese, Wie die rauhe Zeit ihn braucht. Gleich als Tempelstürmer kenntlich, Ein Rebell, ein Phänomen, Wo die Menge ruft: Na endlich! Alles wäre noch verständlich. Aber ausgerechnet den? Diesen Hindenburgumschwänzler, Diesen tristen Hampelmann, Diesen faden Temperenzler, Der's nicht mal mit Weibern kann, Diesen Selterwassergötzen, Dies Friseurmodell auf schön, Davon laßt ihr euch beschwätzen? Und man fragt sich mit Entsetzen: Aber ausgerechnet den? Später einmal unsere Kinder Sehn ihn im Panoptikum. Um den ausgestopften Schinder Stehn sie dann verwundert rum.
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Und sie werden von euch sagen: Alles könnte man verstehn, Was das Volk in früheren Tagen An Gestalten schon ertragen... Aber ausgerechnet den? 1942
Bald kommen die letzten Lumpen dran! Mensch, kiek mal in de Rumpelkammer! Da findste noch en linken Strump. Nach Lumpen is jetz jroßer Jammer. Laß dir nich lumpen, sei keen Lump! Und haste wo noch wat zu bammeln, Und wär det Fetzken noch so kleen, Der Fiehrer ruft zum Lumpensammeln, Da darfste nich beiseite stehn. Jib hin die Puls- und Magenwärmer! Da komm ja bloß de Motten rin. Det bißken macht dir ooch nich ärmer. Drum jib de letzten Fummeln hin, Den abjelatschten Bettvorlejcr Und Mutterns abjeschabten Muff, Det Bruchband und de Hosendreejer, Schmeiß allens uff den Wagen druff! Wat willste denn mit det Jefetze? Im Jejenteil, die Welt soll sehn, Wat noch fier unjehobne Schätze Dem Fiehrer zur Verfiejung stehn! Wat brauchen wir bei solchen Reichtum Noch Rohstoffmarcht und Weltverkehr ? Denn so vill Lumpen wie bei Hitlern Jibts in der janzen Welt nicht mehr.
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Wat braucht en Heldenvolk Kleedasche? Zieh kunstjestoppte Lumpen an! Doch falln uns die erst mal vom Aasche, Denn komm die jroßen Lumpen dran! Da helfen nich die scheensten Titteln. Denn hat det Lumpensammeln Zweck! Die wem wir aus de Lumpen schitteln, Bis nischt mehr bleibt als Stoob und Dreck! 1942
Eener macht Propajanda fürn Propajandaminister Wat seid ihr denn so eklich, Leute, Und nehmt den Joebbels allens krumm? Der jeht doch jetzt so freundlich rum Und kloppt euch uff de Backen heute Und sagt: „Ihr mißt doch so nich sind, Wenn unsereens mal 'n bißken spinnt, Is doch keen Jrund, son Krach zu schlagen Und jahrelang det nachzutragen!" Nanu, ihr seid doch sonst nich so! Uff eemal seid ihr so versessen Und sucht nach jeden kleenen Floh, Der längst verjeben und verjessen. Jott, bei die allerkleenste Lüje, Da jeht ihr jleich wie Blücher ran. Mein Jott, wir sind doch jetz in Krieje, Da kommt's nich so jenau druff an. Da wird ooch mal vorbeijeschossen. Da jibt et denn noch Volksjenossen, Die immer noch uff Flohfang jehn, Und die nu eemal nicht verstehn: Der Mann schreibt täglich wat fürt Blatt. Da kann er doch nich allens priefen,
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Wo der so ville Arbeit hat, Kann er sich da nich drin vertiefen. Der schreibt sich schon de Fingern wund. Die hat er sich schon leerjesogen. Und denn bei den sein Muskelschwund. Mit Wissen hat der nie jelogen. Mal schreibt er links, mal schreibt er rechts. Und in der Zeit der Katastrophen Kann in der Hitze des Jefechts Ooch mal en Irrtum unterloofen. Wie war det früher doch so scheen! Da warn de Leute noch verjeßlich Und haam so manchet iebersehn. Nu werdt ihr jetzt uff eemal häßlich Und macht den Mann das Leben schwer, Als wenn er 'n Volksbetriejer wär. Nee, dat is jarnich mehr jemietlich, Wat da zurechtjemeckert wird! Nu seid doch endlich wieder friedlich! Er hat sich eben mal jeirrt! Er jibt sich selbst sozar die Bleeße! Wollt ihr denn noch mehr Seelenjreeße? Da heer ick immer wieder Leute, Die kieken mir unjläubig an: Na, Josef riecht woll schon de Pleite! Und mosert sich en bißken ran! Da muß ick jejen protestieren! Det paßt sich nich! Det is nich scheen! Muß man denn immer quengelieren, Wo wir so dicht vorn Sieje stehn? Da bin ick mal bei een jewesen, Der hat vont janze letzte Jahr De Frontberichte nachjelesen, Wat da an Siejesziffern war. Er hat en janzen Tag jerechent. Da kamen dolle Ziffern raus. Er sagt: Nu sehn Se, dementsprechend
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Is doch der Krieg schon lange aus! Ick sage: Juter Mann, Sie spinnen! Den Krieg, den wolln wir erst jewinnen! Wie komm Se denn uff die Idee? Er sagt: Nach dieset Resultat Is in de russische Armee Nich mehr een eenzijer Soldat! Wat da in 'n Feldzuch umjekommen Und wat wir letztes Jahr jeschnappt, Die janze Zahl zusammjenomrnen: Sovill hat Rußland nie jehabt! Ick habe janz jenau jerechent. Det Resultat is widersprechend. Hier ham Se die jenauen Posten! Und darum bin ick mir jewiß, Det unser Kriegsschauplatz im Osten Nischt als en großer Irrtum is! Ick sage: Mann, det kommt daher, Der Joebbels hat sich bloß jedacht: Ick schreibe en paar Nullen mehr, Weil det doch nach jewonn'ner Schlacht Ufft Volk en jreßern Indruck macht. Den ändern Tag, da traf ick een, Der hat en abjefrornet Been. Der sagt: Ach bleim Se mir von Leibe Mit Ihren Joebbels sein Jeschreibe! Wat ham Se damals denn jelesen, Wat da in Osten losjewesen? Als wir da drieben abjetürmt, Hat Joebbels immer noch jestürmt. Na, heute is det jeden klar, Dat det en kleener Irrtum war! Ick sage: Mann, wat wolln Se denn? Da is doch Absicht bei jewesen! Und wenn wir mal nach hinten renn', Braucht det der Feind doch nich zu lesen! Det hat doch Joebbels selbst jesagt.
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Und sind wir ooch mal ausjerissen, Denn hat er nischt davon jebracht. Det braucht der Feind doch nic h zu wissen! Denn hab ick wieder een jetroffen, Son pangsionierten bessern Herrn. Der sagt mir neulich mal, janz offen: Verstehn Se mir, ick rechne jern! Mein Junge hat mir da jeschrieben, Da war in seine Kompanie Bis jetz de Hälfte dot jeblieben. Nu heern Se mal! Wat sagen Sie? Hier jebm Se jetzt de Ziffern an: Zweehundertsiebzigtausend Mann! Det is mir komisch vorjekommen: Da ha'ck mir 'n Bleistift herjenommen: Dreizehn Millionen harn wer doch! Ick rechne schnell mal durch und denke: Nanu, die Rechnung hat en Loch! Wat machen die da fier Menkenke! Det sind nich mehr als zwee Prozent! Uff jede Kompanie drei Dote! Det stimmt nich, sag ick, een Moment! Sie rechnen da ne falsche Quote! Und wie ick nachjerechnet habe, Da hats jestimmt, ick bin nich blind. Ick sage: Heern Se, alter Knabe. Hier muß en kleener Irrtum sind! Sie könnens doch so weit nicht treiben, Hier war en Schwindel uffjetischt! Hier hat woll Joebbels bloß beim Schreiben Ne Null verjessen, weiter nischt! Da hat er denn jesagt: Na also! Son kleener Irrtum kommt mal vor. Det war ja woll in manchen Fall so! Doch dafür hab ick keen Humor!
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Ick kann die Leute nich bejreifen! Wat machn die heute fiern Jesicht! Die sehn nich mal den Silberstreifen, Von den doch Joebbels dauernd spricht! Wat kann die Stimmung bloß noch halten? So wie die Dinge sich jestalten, Is doch mit damals keen Verjleich? Und wenn die nich mehr an die da oben Und nich mal mehr an 'n Irrtum jlooben, Denn seh ick schwarz fiert dritte Reich! 1942
So lehn wir alle Tage in 't Naziparadies! Wat klönste denn, wat stöhnste denn, Det dir der Magen knurrt. Denn machste dir von Zeit zu Zeit En neuet Loch in 'n Jurt. Und jehste krumm und spuckste Blut Und is dir noch so mies, Verjiß det nich, du lebst dafür In ’t Naziparadies! Und latschst du ooch uff Pappkartong Und wäschst de dir mit Lehm Und sitzt dein Komfermandenrock Nich jrade mehr bequem Und schürfst du dein Zijorjentrunk Schon lange nich mehr sieß, Wat macht det schon, du lebst dafür In 't Naziparadies! Und sagste über Jöring mal: Der wird ja schrecklich fett, Und dafür schickt dir Himmler denn Uff Urlaub in 't KZ,
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Und wenn du denn de Lore schiebst Und kullerst mang den Kies, Det machste jern, du lebst dafür In 't Naziparadies! Und jibt der Staat dir 'n Schießjewehr Und stilpt dir 'n Stahlhelm uff Und jibt dir seinen Sejen mit: Nu jeht man feste druff! Und kommste ohne Been nach Haus, Der Anblick is zwar mies, Doch so wat opfert man doch jern Für 't Naziparadies! Dafür jehts denn die andern jut, Wie Jöring, Krupp und Ley. Und wat sich so als Führer fiehlt, Wird dick und fett dabei. Da hört der Wohlstand nich mehr uff, Det funkzjoniert präzis! Und darum heeßt det ooch mit Recht Det Naziparadies! 1942
Lied der totalmobilisierten deutschen Frau So leb denn wohl, du stilles Haus, Auf Nimmerwiedersehen! Ich zieh beim Morgengraun hinaus. Jetzt heißt's: Granatendrehen! Mein Kind, geh mit dem fremden Mann Und hör jetzt auf zu weinen! Du kommst aufs Dorf, da teilst du dann Das Futter mit den Schweinen. Schon rollt der Zug durch Berg und Tal.
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Das ist die Fahrt ins Blaue. Nun endlich seh ich wieder mal Die schönen deutschen Gaue. Und seh ich an der Strecke stehn Zertrümmerte Gebäude, Da braucht man ja nicht hinzusehn! Wir brauchen Kraft durch Freude*! Zu Hause ist die Wohnung leer. Mag drein die Bombe sausen. Da drin ist sowieso nichts mehr. Mag drin ein andrer hausen. Der Vater ist auf Osteinsatz, Hat keine Wohnungssorgen. Der hat im Bunker seinen Platz, Da ist er wohlgeborgen. Und kommt er wirklich mal nach Haus, Das regelt sich geschwinde, Dann gräbt er sich 'nen Bunker aus, Da braucht man keine Spinde. Dem Führer Heil, der uns regiert! Erheben wir die Hände! Bis hierhin hat er uns geführt. Das ist ein heitres Ende! Drum hängen wir ihm jedenfalls Ein Ehrenkränzchen um den Hals Aus frischer Petersilie Und hängen ihn am Schleifchen auf Und malen eine Inschrift drauf: „Dem Retter der Familie!" 1943
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Anspielung auf die Unterorganisation der faschistischen Deutschen Arbeitsfront „Kraft durch Freude", deren laut propagierte soziale Vergünstigungen (Urlauberschiffe, Volkswagen) nunmehr ausschließlich dem „totalen Krieg" zugute kamen
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Die Ballade vom großen Zechpreller Der Führer sagte: „Zu Haus ist's zu knapp! Wir müssen uns auswärts versorgen! Klappern wir mal die Gasthäuser ab! Und will der Wirt uns nichts borgen, Dann werden wir hausen nach unsrem Geschmack! Wir haben ja die Pistolen im Sack. Dem werden wir schon was malen! Der Wirt muß selber bezahlen!" Er sagte: „Zuerst muß ein Frühstück sein!" Drum kehrten sie früh am Morgen Nebenan in der „POLNISCHEN WIRTSCHAFT" ein. Dort fraßen sie ohne Sorgen Die Wurstkammern leer auf einen Sitz Und gössen drauf einen Slibowitz, Und hatten beim alten Polen Auch gleich das Geschirr mitgestohlen. Da sagte der Führer: „Ihr seid noch nicht satt! Im, FLIEGENDEN HOLLÄNDER' drüben, Da weiß ich, daß der noch was Besseres hat. Bei dem wird auch angeschrieben. " Und alle lachten und machten sich hin Und fraßen Schinken mit Bier und Gin, Und wenn sie mal ausgetreten, Dann nur in den Tulpenbeeten. Der Führer rief: „Im, HOTEL DE LAVAL', Da gibt es französische Küche. " Sie stürmten hinüber. Der Speisesaal War voll erlesner Gerüche. Sie hatten da auch einen Kellner Doriot, Der klaute ihnen den feinsten Bordeaux. Und alle soffen und fraßen Und kotzten dann auf die Straßen.
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Da sagte der Führer: „Nun fühl ich mich stark. Jetzt braucht's noch was Leckres, Kumpane! Im Gasthof, ZUM KÖNIG VON DÄNEMARK' Gibt's Kuchen und Kaffee mit Sahne. " Das war ein Geschlecker. Und hinterher Gab's Aquavit und Eierlikör. Worauf sie das Tischtuch versauten Und die silbernen Teelöffel klauten. Da sagte der Führer: „Die Stunde ist da. Solide zu vespern. Ich denke, Wir ziehn mal zur, SCHÖNEN HELENA'! Da gibt's Seelachs und süße Getränke. " Und als sie dann voll von Samoswein, Da hauten sie alles kurz und klein Und bemalten die Götterfiguren Mit schweinischen Karikaturen. Da sagte der Führer: „Im, PRINCE OF WALES' Wird jetzt noch ein Nachtmahl genossen, Ein Rumpsteak mit ein paar Whiskys und Ales! Damit wird der Tag dann beschlossen. " Doch leider war schon verschlossen das Tor. Sie standen fluchend und fröstelnd davor. Sie rochen den Whisky und dachten: Ach, könnten wir hier übernachten! Da sagte der Führer: „Ach, schlafen wir aus! Und morgen ist Sonntag, ihr Brüder! Ich weiß noch ein leistungsfähigeres Haus, Da lassen wir morgen uns nieder! Da stehlen wir uns schon vor Tage hinein. Da gibt's Kaviar, Wodka, kaukasischen Wein. Da braucht man auch nicht zu zahlen. Da werden wir morgen uns aalen!" Am nächsten Morgen, als alles noch schlief, Da krochen sie heimlicherweise
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Ins reichste Gasthaus. Doch hier ging es schief. Da fanden sie wenig Speise. Der Wirt, der immer auf Ordnung bedacht, Hatte alles schon in den Keller gebracht Und ließ für solcherlei Gäste Im Gastzimmer nichts als Reste. Da sagte der Führer: „Das erstemal, Daß man uns so schmählich empfangen! Los! Brechen wir ein in den nächsten Saal! Da wird's schon zum Fressen langen!" Doch plötzlich erschien der Wirt vom Haus. Sie zogen ihre Pistolen raus. Doch der Gastwirt und seine Söhne, Die zeigten ihnen die Zähne. Der Führer rief: „Geht rein mit Gewalt! Wir haben das Recht hier als Gäste. Wir nehmen hier vorn erst mal Aufenthalt Und fressen und saufen die Reste. Schießt doch dem Hausherrn ein Loch in den Bauch!" Doch der Wirt und die Söhne, die schössen auch! Und mancher hat da aufs Fressen Und aufs weitere Zechen vergessen. Da sagte der Führer: „Wie werden wir satt? Sollen wir ums Fressen uns raufen?" Doch die anderen Gastwirte in der Stadt, Die kamen herzugelaufen. Sie hatten nämlich das Schießen gehört. Drum kamen auch sie mit Pistolen bewehrt, Mit all ihren kräftigen Gesellen, Die Zechprellerbande zu stellen. Sie liefen herbei aus der ganzen Stadt. Keine Rechnung blieb da vergessen: „Jetzt wird bezahlt, und ohne Rabatt! Ihr habt uns bankrott gefressen!
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Ihr wißt wohl auch, was mit euch jetzt geschieht!" Das ist nun endlich das Ende vom Lied: Man hängt die sauberen Gäste An alle soliden Äste. Doch schreit dann einer: „Ich habe nichts bestellt; Der Führer hat's doch befohlen!" Dem werden sie sagen: „Du trauriger Held, Du hast bis zuletzt mitgestohlen!" Drum hört meinen Rat: Wer die Zeit verpaßt Und wird mit denen zusammen gefaßt, Dem hilft dann keine Schwäche, DER HAFTET MIT FÜR DIE ZECHE! 1943
Trostworte eines Totalmobilisierten Ottilie, trockne deine Tränen! Der Laden bringt schon so nichts mehr. Es ist jetzt keine Zeit, zu stöhnen. Wer gibt heut nicht sein Letztes her? Zieh dir den Mantel an, Ottilie! Denn es ist kalt im Viehwaggon. Der Seifenhändler mit Familie Saß gestern noch auf dem Perron. Was schielst du nach Direktors drüben? Ob die nicht auch zum Bahnhof gehn? Nein, die sind noch uk. * geschrieben. Die Frau? Die schläft doch bis um zehn! Die Köchin, meinst du? Nein, Ottilie, Die ist uk., die braucht der Mann. Wer kocht denn sonst für die Familie, Wo doch die Frau nicht kochen kann? So, komm! Nun mach den Laden dichte!
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unabkömmlich, d. h. vom direkten Kriegsdienst freigestellt.
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Laß deinen Regenschirm nicht stehn! Zieh auf der Straße kein Gesichte! Der Führer will uns freudig sehn, Du hast ja keine Ahnung, Mutter, Wie sanft sich's in Baracken pennt. Für alle gibt's dort gleiches Futter, Und reich und arm nicht mehr getrennt! Und lieg ich dann auf meiner Pritsche Und mach nicht gleich die Augen zu, Liegt nebenan vielleicht Herr Fritsche* Und redet, bis ich schlafen tu. Bei dir in der Granatenmühle, Ottilie, wird's nicht anders sein. Du sollst mal sehn, da treffen viele Von unsren Führerdamen ein. Da wirst du Magda Goebbels sehen. Früh, nach dem frischen Morgenritt, Wird sie an ihrer Drehbank stehen Und macht wie alle ändern mit. Da ist der Bahnhof schon, Ottilie. Ich muß auf I, du mußt auf IV. Der Seifenhändler mit Familie, Die sitzen ja noch immer hier! Was macht denn der für finstre Blicke? Denkt der denn gar nicht drüber nach? Zehn Jahre lebten sie im Glücke, Wie es der Führer einst versprach. Statt fröhlich heute zu frohlocken: Was schert mich Weib, was schert mich Kind, Fängt der vielleicht noch an zu bocken! Wie undankbar die Leute sind! Ottilie, auch in dieser Stunde Soll er uns treu und dankbar sehn! Und gehn wir alle vor die Hunde, Der Führer darf nicht untergehn!
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Hans Fritsche, faschistischer Ministerialdirektor, einer der eifrigsten Verfechter der Durchhaltepropaganda der Nazis.
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Laß froh uns auseinandergehen! Wer weiß, wohin der Wagen rollt! Und wenn wir uns nicht wiedersehen, Der Führer hat es so gewollt! 1943
Die Geschichte vom Heldenfriseur Es war in der Reichshauptstadt ein Friseur, Dem war sein Laden fast immer leer. Drum ließ er, die Leute zu animieren, Einen Führer aus Gips ins Fenster postieren. Aber dann kam überhaupt keiner mehr. Sein Sohn war in Rußland, natürlich ein Held. Von dem hat er neulich ein Bild ausgestellt, Vorne im Schaufenster, hoch zu Roß. Doch jeder weiß, der Held ist beim Troß. Der konnte ihm also allerhand schicken An interessanten Beutestücken. Und weil er gern Raritäten sammelt, Die er dann stolz in den Laden bammelt, So hat der ihn laufend damit beglückt Und Sowjetsterne und Bilder geschickt, Auch alles, was er sonst an der Front An Feindpropaganda auftreiben gekonnt. Das hat nun den Alten in einer Nacht Auf eine geniale Idee gebracht. Er hat im Laden eine Wand klar gemacht Und alles, was ihm sein Held geschickt, Mit Reißzwecken an die Mauer gespickt, Die Flugblätter über die ganze Wand Und die ändern Sachen ringsum am Rand,
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Worauf er ein gemaltes Plakat An die Schaufensterscheibe kleben tat, Weit sichtbar für Passantenblicke: HIER AUSSTELLUNG RUSSISCHER BEUTESTÜCKE! In seinem Laden, der sonst so leer, Wurden der Kunden nun immer mehr, Und wer dort zum Rasieren gewesen, Der wollte auch alle Flugblätter lesen. Und mancher hat Papier mitgebracht Und Abschriften von den Texten gemacht. Einer hat sie sogar photographiert; Die sind dann überall zirkuliert. Die ganze Straße lang standen sie Schlange. Doch ach, die Freude währte nicht lange. Denn eines Nachts kam die Polizei, Und mit dem schönen Geschäft war's vorbei. Der Haarkünstler wurde eingebuchtet, Da hat denn keine Beteurung gefruchtet. Nun steht er in dringendem Verdacht, Er hätte Feindpropaganda gemacht. Wie hat da die ganze Straße gelacht! Daß grade dem das mußte blühn, Der immer am lautsten für Hitler geschrien. Aber was auf den Flugblättern stand, Geht jetzt in der Stadt von Hand zu Hand. Doch im Laden, zwischen Perücken und Nipps, Steht immer noch schweigend der Führer aus Gips. 1944
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Zeitgemäße Betrachtungen eines Nazi Weiß der Teufel, manche Nächte schlummr ich Nicht mehr gut, wie ich das sonst gewohnt. Fang ich an zu grübeln, wird mir schwummrig. Und dann guck ich lange in den Mond. Für die Zukunft seh ich ziemlich duster. Irgend was ist los hier im Revier: Zeitungsmann, Barbier, Portier und Schuster Sagen kaum noch guten Tag zu mir. Und ich hab doch mein Parteiabzeichen Längst schon hintern Rockaufschlag getan. Doch ich fühl ein Unheil mich umschleichen. Oder ist das bloß Verfolgungswahn? Manchmal, wenn die Leute mich fixieren, Krieg ich jetzt schon eine Gänsehaut. Was soll bloß einmal mit uns passieren, Wenn der Führer oben abgebaut? Gottverdammt, das wird kein Zuckerlecken! Könnte sagen: Hab mich nur geirrt! Doch ich habe so viel Dreck am Stecken, Daß mir heute schon ganz mulmig wird. Was sagt gestern unsere freche Emma? „Na, es kommt ja mal 'ne andre Zeit!" Ja, das ist ein schreckliches Dilemma. Ist die Sache wirklich schon so weit? Müßt ich bloß nicht mehr den Blechknopf tragen Und ich könnte raus aus der Partei, Könnt ich schließlich noch den Leuten sagen: Ich war bloß versehentlich dabei!
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Ganze Nächte grübl ich so: Ja, könnt ich. Aber so was glaubt mir ja kein Schwein. War ich früher hundertzehnprozentig, Kann ich jetzt nicht nullprozentig sein! Eine Hoffnung könnt es nur noch geben: Ich geh rum als schwarzer Pessimist Und vermiese jedem Mann das Leben, Der bloß noch 'ne Spur für Hitlern ist. Was kann mir denn heute noch passieren? Gut, dann holen sie mich aus dem Bett! Denn um mich zu rehabilitieren Bleibt mir jetzt bloß eins noch: das KZ! 1944 Der Mitläufer Hier sehn Sie mich, Herrn von Papen*, im Bilde. Ich führte schon damals nichts Böses im Schilde. Da lief ja alles im gleichen Schritt; Ich war dazwischen und lief bloß mit. Ganz zufällig kam ich hinein in den Haufen, Da bin ich eben so mitgelaufen. Sie sehn doch an meinem Gesicht, was ich litt. Es gab kein Entweichen, ich mußte mit. Rechts Hitler, links Hindenburg, hinten die Massen, Die hätten mich gar nicht weggelassen. Ich mußte mit, obwohl ich nicht wollte, Weil ich doch kompromittiert werden sollte. Sie brauchen ja nur das Bild zu studieren: Wie Hitler und Hindenburg sicher marschieren, *
Franz von Papen (1879-1969) war 1932 als deutscher Reichskanzler unmittelbarer Wegbereiter des Faschismus. In der Nazidiktatur fungierte er zunächst als Vizekanzler, 1934-1938 bereitete er als Gesandter in Wien die Annexion Österreichs mit vor; 19391944 war er Botschafter in der Türkei. Im Nürnberger Prozeß als einer der Hauptkriegsverbrecher angeklagt, wurde er gegen den Protest der Sowjetunion freigesprochen.
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Und wie ich dazwischen unsicher schleiche; Ich paßte ja gar nicht zum dritten Reiche. Betrachten Sie auf dem Bild die Gestalten, Wie die sich fühlen, wie die sich halten, Und ich dazwischen, wie häßlich und klein. Es fiel mir vom Herzen wie ein Stein, Als endlich das dritte Reich verrauchte Und ich nicht mehr mitzulaufen brauchte. Die ganze Situation zeigt doch klar, Daß ich nur ein gezwungener Mitläufer war. Drum bitt ich um meine Entnazifizierung, Damit ich der künftigen Reichsregierung Meine Dienste wieder als kleiner Mann Und gelernter Reichskanzler anbieten kann. 1947
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Inhaltsverzeichnis Der Akadem 5 Republikanischer Abend 6 Kulturhistorisches Nocturno 7 Der Gottesgnadenhecht 10 Mondorgelmalzkaffeeromantik. Eine Jungnickeliade Das Antisemeeting 11 Die Geistersitzung 12 Die neue Nationalhymne 15 Das pasteurisierte Freudenhaus 16 Reigenliedchen für verarmte Landwirtchen 20 Am ersten Mai zu singen 20 Tanzliedchen der kleinen Cellydereiterei 21 Der Cabaret-Humorist 21 Deutsche Walpurgisnacht 22 Einheitsvolkslied 24 §218 25 Die große Zeit. Lese- und Vortragsstück für bessere Schulbücher 26 Liedchen für den Verfassungstag 29 Anonyme Grabschriften 30 Und so was wählt! 33 Von allerhand Tieren 34 Geist und Stoff 36 Das Lied von der Behörde 38 Walter Kornfrank. Eine sächsische Revolutionsballade 39 Sonntagsausflug im Jahre 2000 41 Dichtograph D. R. P. 42 Der Akademokrat 43 Autorenabend in Berlin W 44 Rekorde 45 Hauptmann 47
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Sommerfrischler 47 Bessere Leute 48 Journalisten 50 Wohltäter 51 Circulus vitiosus 52 Weltrekorde 54 Post festum! 55 Bei Dichters 56 Das gerettete Wochenendidyll 58 Lustbarkeitsgesetz 59 Das Parlament 60 Tanzsport 62 Internationaler Schieberchor 63 Sechstagerennen 63 Die lyrischen Wandervögel 64 Osterspaziergang 65 Wahltag 67 Der aufgeblasene Mussolini 68 Der Landfriedensbrecher 69 Olympiade 71 Wohltätigkeitsfeste 72 Wie hetze ich erfolgreich? Rezept für Lokalberichterstatter 73 Gustav Kulkes seliges Ende. Auf den Höfen zu singen 74 Neues Berliner Studentenlied 76 Die Ferienbahn 77 Der Stammtischwitzbold 79 Molle geht maifeiern 80 Die Retter Rußlands 81 Ferientag eines Unpolitischen 82 Massenstrandbad 84 Scheidemann spricht 85 Kunst und Leben 87 Ei, warum ? Ei, darum... ! 88 Ballade von der gebrochenen Zinsknechtschaft 89 Deutsche Sittlichkeit 91
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Ein übereilter Schritt 92 Ein neuer Verein 94 Hellseherei 94 Der von der höheren Warte 95 Speierle 96 Nachtgesang 98 Das große Schaltjahr 99 Der neue Sport 100 Die braune Kuh. Für ein deutsches Kabarett 101 Der braune Parnassier 103 Heil Hitler! 105 Die Geschichte vom Witz 106 Ernteeinsatzlied 107 Das Lied vom braven Mann 108 Vereinfachtes Verfahren 110 Die Herrenrasse kauft ein 111 Die Fahne hoch! 112 Das Lied vom braunen Maikäfer 113 Die Wacht im Osten 114 Landserbrief an Hitler 115 Der Führer. Deutsches Volkslied 117 Bald kommen die letzten Lumpen dran! 118 Eener macht Propajanda fürn Propajandaminister 119 So lebn wir alle Tage in 't Naziparadies! 123 Lied der totalmobilisierten deutschen Frau 124 Die Ballade vom großen Zechpreller 126 Trostworte eines Totalmobilisierten 129 Die Geschichte vom Heldenfriseur 131 Zeitgemäße Betrachtungen eines Nazi 133 Der Mitläufer 134
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Elke Erb
Gutachten Poesie und Prosa Mit einer Nachbemerkung von Sarah Kirsch Edition Neue Texte 223 Seiten • Pappband 5, 40 M Best. -Nr. 6115268
Elke Erb, Jahrgang 1938, wird hier erstmals mit einer umfassenden Auswahl vorgestellt. Der Band enthält Gedichte und Miniaturen, Kurzprosa, Nachdichtungen und Aufsätze aus zehn Jahren. Das Sprachbewußtsein der Autorin, ihr bildhaftes und assoziatives Denken bedingen Klarheit und Genauigkeit der Texte, im besonderen der ausdrucksstarken Lyrik. Die Aufsätze zu Themen der georgischen Literatur und die Übertragungen von Alexander Block und Marina Zwetajewa zeigen die kenntnisreiche und einfühlsame Analytikerin und Nachdichterin.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 140
Leseprobe Gutachten
Der Schriftsteller lernt ein mit wenigen Angaben über Blick und Stimme als reizend gekennzeichnetes Mädchen in einer Kleinstadt kennen, welches einen anderswo verheirateten, vorzüglich gebauten Burschen (Vater von Kindern) liebt, bedeutend seelische Anlagen besitzt (z. B. ein Empfinden für die Natur), aber sich, ges ellschaft- lich gesehen, leider in unmoralischer Position befinden muß, weil es die Einsamkeit nicht verträgt, und welches nunmehr auch noch mit ihm, dem Schriftsteller, ins Gerede kommt, unschuldig; denn er bleibt seiner mit nichts anziehenden, mit ihre m gesellschaftlichen Karrierismus (Modernismus) sogar abstoßenden Xanthippe treu, und zwar anscheinend von einem wehmütigen Fatalismus dazu bestimmt. Daß doch das Innenleben von wahrscheinlich „ganz normalen" und „vollblütigen" Menschen, kaum, daß sie es zu einem solchen Ausdruckstanz von Novelle arrangieren, in diesem Grade unselbständig geborgt, arm, hilflos, dürr und so verloren wirken muß wie z. B. ein Stück zerrissene Gardine auf dem großen, groben Schuttplatz! Wissen sie nicht, daß man im literarischen Handel nur mit selbstgeprägten Münzen zu Reichtum kommt, und alles andere Falschgeld ist? Übrigens stirbt der Ge - liebte, nachdem sie seiner entsagt hat, sogar einen Helden- tod, und sie liegt am Ende mit abgemagertem Hals und weinend im Krankenhaus.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 141
Sowjetische Autoren in der „Edition Neue Texte"
Sergej Woronin
Mandarinenschalen Erzählungen Aus dem Kussischen übersetzt von Margit Bräuer und Charlotte Kossuth Auswahl und Nachbemerkung von Herbert Krempien 234 Seiten • Pappband 5, 40 M Best. -Nr. 6117458 Sergej Woronin (geb. 1913) hat vor allem im Genre der Kurz- geschichte eine an Tschechow erinnernde Meisterschaft er- reicht. Seine Erzählungen zeichnen sich durch psycholo- gische Aussagekraft, poetische Verdichtung, atmosphäri- sche Naturschilderung und eine bemerkenswerte Sprach- kultur aus. Sein Anliegen ist die Gestaltung des intimsten Spannungsfeldes, in das sich jeder Mensch in seinem alltäg- lichen Leben gestellt sieht.
Jaan Kross
Vier Monologe Anno Domini 1506 Historische Novellen Aus dem Russischen übersetzt von Hilde Angarowa und Werner Creutziger 169 Seiten • Pappband 5, 40 M Best. -Nr. 6113887 Zwei brillant geschriebene Novellen über den estnischen Maler und Bildhauer Sittow, der 1506 vom spanischen Königshof nach Tallinn zurückkehrt, und über Michelson, den Bezwinger Pugatschows.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 142
Sowjetische Autoren in der bb-Taschenbuchreihe
Konstantin Paustowski • Kostbarer Staub Erzählungen bb 352 • 1, 85 M • Best. -Nr. 6120665 Mit tiefem Einfühlungsvermögen erzählt der Autor von Problemen des künstlerischen Schaffens, von Episoden aus dem Leben einfacher Menschen und von seinem Erlebnis der Natur.
Anatoli Kalinin • Es gibt kein Zurück bb 354 • 1, 85 M • Best. -Nr. 6120681 Kalinin (geb. 1916) erzählt von der bitteren Liebe der Bäuerin Kaschirina zu einem jungen Mann, dem sie im Krieg das Leben rettete, der sie später aus Dankbarkeit heiratet, aber dann mit einer jüngeren Frau betrügt.
Sergej Antonow • Der zerrissene Rubel bb 351 • 1, 85 M • Best. -Nr. 6120657 Vitali Pastuchow ist voller Enthusiasmus aufs Land ge- gangen. Doch durch falsch verstandene Erziehungsmetho- den gehen seine Erfindungen und Ideen dem Kollektiv verloren.
Michail Kolesnikow • Das Recht der Wahl bb 308 • 1, 85 M • Best. -Nr. 6114740 In dem preisgekrönten Buch steht ein begabter junger Brigadier vor der Wahl, an ein berühmtes Forschungs- institut nach Moskau zu gehen oder als Parteisekretär auf der Großbaustelle eines Kernkraftwerkes im hohen Norden zu wirken.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 143
Aus unserem bb-Taschenbuchprogramm 1978 Harald Gerlach: Das Graupenhaus Herbert Nachbar: Ein dunkler Stern Rosemarie Schuder: Der Ketzer von Naumburg Bertolt Brecht: Ein gemeiner Kerl Erich Weinert: Das pasteurisierte Freudenhaus F. C. Weiskopf: Das Eilkamel Erich Kästner: Als ich ein kleiner Junge war Otto Ludwig: Die Heiteretei Ilse Molzahn: Der schwarze Storch Glück ohne Ruh • Deutsche Liebesgedichte aus hundert Jahren Wilhelm Hauff: Die Karawane • Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven Adalbert Stifter: Die Mappe meines Urgroßvaters Petron: Satiricon Lilija Beljajewa: Sieben Jahre zählen nicht Jaroslav Hasek: Wie ich dem Autor meines Nachrufs begegnete Ulrich Becher: William's Ex-Casino Honoré de Balzac: Ferragus Die Heirat des Franziskaners • Alte französische Liebesgeschichten Robert Merle: Die geschützten Männer Vitaliano Brancati: Bell'Antonio Syed Waliullab: Baum ohne Wurzeln Daniel Defoe: Die Pest in London Francis Scott Fitzgerald: Der große Gatsby Ernest ]. Gaines: Die Geschichte der Jane Pittman Patricia Highsmith: Die zwei Gesichter des Januars
Einfachband 1, 85 M Doppelband 2, 95 M Dreifachband 3, 75 M
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Erich Weinert (1890—1953); als Sohn eines Ingenieurs in Magdeburg geboren; 1905—1908 Lehrling in einer Maschinenfabrik, 1908—1910 Besuch der Kunstgewerbeschule in Magdeburg und 1910-1912 der Kunsthochschule in Berlin; Soldat im ersten Weltkrieg; 1919 zunächst Kunstgewerbelehrer und Schauspieler, dann arbeitslos; ab 1922 Auftreten in politisch-satirischen Kabaretts in Leipzig und Berlin; seit 1924 mit der o rganisierten Arbeiterklasse verbunden, 1928 Vorstandsmitglied des Bundes Proletarisch- Revolutionärer Schriftsteller; 1929 Eintritt in die KPD; 1933 Emigration, 1935 nach Moskau; 1937 Teilnahme am II. Internationalen Schriftstellerkongreß in Madrid und (bis 1939) am Kampf der Internationalen Brigaden; 1941 bis 1945 Soldat und Propagandist im Vaterländischen Krieg der Sowjetunion, 1943 Mitbegründer und Präsident des „Nationalkomitees Freies Deutschland"; 1946 Rückkehr, 1950 Gründungsmitglied der Akademie der Künste, 1949 und 1952 Nationalpreis der DDR. Die wichtigsten Ausgaben seines umfangreichen Werkes sind: Gesammelte Werke, 9 Bände, 1955-1960; Gesammelte Gedichte, 6 Bände, 1970-1976; Weinert. Ein Lesebuch für unsere Zeit, 1975.
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