Atlan Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 690
Der Strahlende Die Jagd in der Sonnensteppe
von H.G. Francis
Im Jahr 3818 ...
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Atlan Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 690
Der Strahlende Die Jagd in der Sonnensteppe
von H.G. Francis
Im Jahr 3818 wird Atlan aus seinem Dasein als Orakel von Krandhor herausgerissen. Sein neuer Einsatzort ist die Galaxis Alkordoom, wo eine Entwicklung im Gang ist, die das weitere Bestehen der Mächte der Ordnung in Frage stellt. Bereits die ersten Stunden von Atlans Aufenthalt in Alkordoom zeigen auf, wie gefährlich die Situation ist. Der bestandene Todestest und der Einsatz im Kristallkommando beweisen jedoch Atlans hohes Überlebenspotential. Dennoch hätte der Arkonide längst seine geistige Gesundheit oder gar sein Leben verloren, hätten die Celester, nach Alkordoom entführte Terra-Abkömmlinge, oder ANIMA, das von den Kosmokraten ausgesandte Raumschiff, nicht zugunsten Atlans eingegriffen. Gegenwärtig bewegt sich Atlan mit einer kleinen Gruppe überlebender Forscher an Bord von ANIMA im verbotenen Gebiet der Sonnensteppe. In seinem Bestreben, mehr über die Zusammenhänge in Alkordoom zu erfahren, speziell im Hinblick auf die sogenannten Facetten und deren Lenker, den sogenannten Erleuchteten, ist unser Held bereits große Risiken eingegangen. Atlans Vorgehen muß inzwischen an höchster Stelle unliebsames Aufsehen erregt haben – das beweist die gezielte Jagd auf ANIMA. Einer der Jäger nennt sich DER STRAHLENDE…
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Arkonide und seine Gefährten werden gejagt. ANIMA – Das Raumschiff rettet Atlans Leben. Kolport – Der Steppenforscher findet eine Artgenossin. Uruc – Ein intelligent gebliebener Urucher. Unpjok – Ein Noos-Unoser. Wandler-7 – Er nennt sich der Strahlende.
1. Uruc ließ sich ins Gras sinken und blickte durch die Büsche auf eine Lichtung hinaus, die sanft zu einer Wasserstelle hin abfiel. Dort unten hielten sich eine Reihe von Tieren auf. Die meisten von ihnen ästen am Ufer, verweilten aber nur kurz und zogen dann weiter. Die Urucher allerdings kauerten am Wasser oder hingen in den Ästen der Bäume, als hätten sie vor, für die nächsten Tage bei der Tränke zu bleiben. Uruc schüttelte den Kopf. Kaum zweihundert Meter von der Wasserstelle entfernt standen die Häuser einer ehemaligen Siedlung. In ihnen gab es allen nur erdenklichen Komfort. Die Häuser boten Sicherheit vor den Räubern der Steppe und des Urwalds. Warum gingen die Urucher nicht dorthin? Sie verhalten sich wie Tiere, dachte er. Ein dumpfes Dröhnen ließ ihn in den grünlichen Himmel hinaufsehen. Zwischen den aufgetürmten Wolken zog ein Raumschiff seine Bahn. Es war lang und schlank, und es erinnerte ihn an die Abenteuer, die hinter ihm lagen, und die ihm unvergeßlich bleiben würden. Was hat das alles zu bedeuten? fragte er sich. Wieso verhalten sich die Urucher dort unten so seltsam? Sie sind doch keine Tiere. Bin ich in die Dreharbeiten eines Filmteams geraten? Oder versucht hier ein wirklichkeitsferner Wissenschaftler Szenen aus der Welt der Frühkultur unseres Volkes aufzubauen? Aber wo ist dieser Wissenschaftler? Wo schweben die Kameras? Wo ist der Regisseur mit seinen Helfern? Wo bleiben die Anweisungen für die Schauspieler? Eine grüngefleckte Sprungkatze schob sich durch das Gras. Sie näherte sich der Wasserstelle. Die glühenden Augen waren auf eine junge Frau gerichtet, die eine Wurzel ausgegraben hatte und diese nun untersuchte, als ob sie nie zuvor eine gesehen hätte. Uruc hielt den Atem an. War dies auch ein Teil der Filmarbeiten? Ein Trick? Ein Zwischenspiel, um die Spannung für den Zuschauer zu steigern? Oder war dies Wirklichkeit? Wurde er Zeuge von Ereignissen, die unbeeinflußt von Regisseuren und Wissenschaftlern abliefen? Die Raubkatze duckte sich zum Sprung. Uruc richtete sich auf. Er wollte schreien, doch kein Laut kam über seine Lippen. Er sah, wie die Katze sich auf die Frau warf und sie mit einem einzigen Schlag tötete. Das Raubtier packte sein Opfer mit den Zähnen und schleppte es weg. Keiner der Urucher schien daran zu denken, ihm zu helfen. Die Männer, Frauen und Kinder rannten davon oder flüchteten sich auf die Äste eines Baumes. Einer von ihnen setzte sich auf einen Ast, an dem eine Ploserwaffe hing. Er schien sie nicht zu sehen. Dabei hätte ein einziger Handgriff genügt, sie an sich zu nehmen. Uruc begriff nicht, was er sah. Träumte er? Dies konnte doch keine reale Welt sein. Seit Wochen war er durch die Wildnis geirrt, ohne jeden Kontakt zu einer lebenden Seele. Jetzt endlich stieß er auf Männer, Frauen und Kinder seines Volkes und mußte Zeuge eines solchen Vorfalls werden. In den Büschen hinter ihm knackte es. Erschrocken fuhr er herum. Seine Hand glitt zur Hüfte. Doch da war keine Waffe. Er hatte sie den Fremden übergeben, als diese ihn in ihrem Raumschiff mitgenommen hatten. Später hatten sie vermutlich vergessen, sie ihm zurückzugeben. Er mußte daran denken, daß die grünen Katzen zumeist im Rudel jagten. Hatte ihn ein anderes Weibchen als Opfer ausgewählt? Als er nach einem Baum Ausschau hielt, auf den er sich flüchten konnte, tauchte plötzlich ein breitschultriger Mann zwischen den Büschen auf. Uruc atmete auf. Er entspannte sich und ließ die kampfbereit erhobenen Arme sinken. »Ich dachte schon, jetzt erwischt es mich«, seufzte er. »Hallo, Freund. Ich bin froh, daß ich euch getroffen habe, wenngleich ich nicht begreife, was hier gespielt wird. Aber ich nehme an, du wirst
es mir erklären.« Seine Gegenüber gab einige dumpfe und unverständliche Laute von sich. »Schon gut, schon gut«, wehrte Uruc ab. Er lächelte. »Ich will euch bei eurem Spiel nicht stören. Mir ist ganz gleich, was ihr hier treibt. Und wenn alles möglichst wirklichkeitsnah sein soll, dann ist es eben so. Ich aber habe nichts damit zu tun. Ich werde zu den Häusern dort drüben gehen und mit der nächsten Stadt videophonieren, damit ich in die Zivilisation zurückkehren kann. Einverstanden?« Sein Gegenüber beugte sich nach vorn. Er entblößte die oberen Zähne, doch er lächelte nicht. Er fletschte die Zähne wie ein Tier, und der Speichel lief ihm über die Lippen. Er streckte die Arme vor, und seine Finger krümmten sich zu Klauen. »Hör auf damit«, bat Uruc. »Mir reicht es wirklich. Erst haben mich Fremde in ihrem Raumschiff aufgegabelt und für einige Wochen von unserem schönen Planeten ferngehalten, und dann haben mich diese gleichen Leute in der Wildnis abgesetzt. Weitab von jeder Stadt. Noch nicht einmal eine Waffe habe ich. Aber das war ein Versehen. Jetzt habe ich wirklich keine Lust, mich mit dir zu schlagen. Kapiert?« Der andere hatte nichts begriffen. Er stürzte sich auf ihn und schlug ihn mit einem einzigen, wuchtigen Schlag zu Boden. Uruc stürzte, fiel auf den Rücken und streckte abwehrend die Arme aus, als der andere sich auf ihn warf. Er glaubte noch immer, an einer Art Spiel teilzunehmen oder ungewollt als Komparse in einer Filmproduktion mitzuwirken. Erst als der Mann ihm mit aller Kraft in den Arm biß und ihm dabei eine heftig blutende Wunde beibrachte, erfaßte er den Ernst seiner Lage. Er war ein Kämpfer, der schon immer über ein reichhaltiges Repertoire an Tricks verfügt hatte, und so fiel es ihm nicht schwer, diesen Kampf innerhalb kürzester Zeit zu entscheiden. Er wälzte sich unter seinem Gegner hervor, packte ihn bei den Armen, wirbelte ihn herum und versetzte ihm einen wuchtigen Schlag, als dieser sich verzweifelt bemühte, das Gleichgewicht zu halten. Er traf ihn über dem Herzen und schaltete ihn damit aus. Der verwildert aussehende Mann blieb auf dem Rücken liegen und blickte ihn mit leeren Augen an. »Du hast wohl nicht alle fünf Sinne beisammen, wie?« fragte Uruc ärgerlich. »Oder bin ich in ein Irrenhaus geraten?« Sein Gegner kroch knurrend über den Boden, den Kopf tief gesenkt und die Hände weit hinter den Schultern auf den Boden gestützt. Es war eine überaus eindrucksvolle Haltung der Unterwerfung und der Demut. Überzeichnet, wie Uruc empfand. Noch immer konnte er sich nicht von dem Gedanken lösen, es mit einem Schauspiel irgendeiner Art zu tun zu haben. »Steh auf«, befahl er. Sein besiegter Gegner antwortete mit einer Reihe von Lauten, die nicht von einem zivilisierten Menschen zu kommen schienen, sondern von einem Tier. »Hör jetzt auf mit dem Quatsch«, befahl Uruc. »Ich habe dieses Spiel satt.« Von der Tränke kamen Männer, Frauen und Kinder. Sie blickten ihn schweigend an. Ihre Augen waren leer und seelenlos, so als ob sie träumten und ihn gar nicht sahen. Uruc begann zu zweifeln. Ganz sicher war, daß er sich auf dem Planeten Uruch, seiner Heimatwelt, befand. Somit stand auch fest, daß er es mit seinesgleichen zu tun hatte und nicht mit Bewohnern einer anderen Welt, die ihm zufällig sehr ähnlich waren. Ich bin in einer anderen Zeit gelandet! sagte er sich. Die Fremden haben ein Zeitexperiment mit mir angestellt. Sie haben mich in die fernste Vergangenheit unseres Volkes versetzt. Ich befinde mich in
einer Epoche, die Jahrzehntausende vor der Zeit unserer Hochkultur liegt. Erschüttert sah er sich um. Und ich habe die Fremden die ganze Zeit über für Freunde gehalten. Nicht ein einziges Mal bin ich auf den Gedanken gekommen, daß sie irgend etwas mit mir anstellen könnten, mit dem ich nicht einverstanden bin. Ich war überzeugt davon, daß sie mir und meinem Volk eine bessere Zukunft schenken wollten. Und jetzt dies. Zwei andere Männer traten durch die Büsche. Unterwürfig sanken sie zu Boden. Uruc wandte sich ab. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Und plötzlich fielen seine Blicke auf die Gebäude auf der anderen Seite der Wasserstelle. Es waren Häuser aus seiner Zeit! Es waren keine Zeugen der Vergangenheit. Die Waffe, die am Baum hing. Er rannte zu dem Baum hinüber und nahm die Waffe an sich. Er lud sie durch, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß sie geladen war. Zunächst wollte er sie abfeuern, doch dann verzichtete er darauf, weil er nicht wußte, welche Wirkung der Schuß auf die Männer, Frauen und Kinder haben würde. Keine Zeitreise. Die Fremden hatten ihn nicht betrogen. Aber etwas stimmte nicht! Wieso benahmen sich die Männer, Frauen und Kinder an der Tränke wie Tiere? Wieso taten sie, als hätten sie ihre Intelligenz verloren? Uruc drehte sich um. Erst jetzt merkte er, daß sie ihm gefolgt waren. Mit großen, leeren Augen blickten sie ihn an, zumeist furchtsam, aber auf jeden Fall unterwürfig. Einige halbwüchsige Jungen strichen in seiner Nähe durch die Büsche, als ob sie überlegten, ob sie es wagen könnten, sich ihr Mütchen an ihm zu kühlen. Sie wirken nicht in einem Film mit. Dies ist kein Theater. Dies ist die Realität, hämmerte er sich ein. Da er nicht erwartete, von irgend jemandem angegriffen zu werden, drehte er sich um, schulterte den Ploser und ging zu den Häusern hinüber. Einige Tiere, die in der Nähe des Wassers geäst hatten, flüchteten vor ihm. Er beachtete sie nicht. Hielt sich noch jemand in den Häusern auf? Gab es dort jemanden, der nicht verblödet war? Er zuckte unter diesem Gedanken zusammen. Waren diese Menschen wirklich verblödet? Er blickte über die Schulter zurück und sah, daß ihm alle gefolgt waren. Du wirst sie nicht mehr los, erkannte er. Sie sind wie die Fliegen. Sie werden dir auf Schritt und Tritt folgen, bis sich irgend etwas ändert. Aber was sollte sich ändern? Er betrat eines der Häuser. Es war ein kleiner Bau, in dem vormals ein kinderloses Ehepaar gewohnt haben mußte. Es gab kein Kinderzimmer, sondern nur einen einzigen Schlafraum und einen Wohnraum. Dieser war verwahrlost und verdreckt. Kot lag auf dem Boden. Die Möbel waren umgestürzt und zerrissen. Es erschien Uruc wie ein Wunder, daß noch Licht brannte. Er schaltete das Fernsehgerät ein. Der Bildschirm erhellte sich, aber kein Bild erschien. »Weiß jemand von euch, was passiert ist?« fragte er laut. Ein allgemeines Knurren, Fauchen und Schmatzen antwortete ihm. Ein Junge sprang kreischend auf eine Couch und hüpfte wild darauf herum, offensichtlich bestrebt, ihm zu zeigen, wie geschickt er war.
Uruc ging zum Videophon. Auch hier erhellte sich der Monitor, doch ein Teilnehmer meldete sich nicht. Lediglich die Tonbandstimmen der allgemeinen Auskünfte antworteten. Uruc zuckte erschrocken zusammen, als eine gelbe Schlange unter einem der Sessel hervorkroch und durch ein offenes Fenster ins Freie flüchtete. Er war kurz zuvor nahe an diesem Sessel vorbeigegangen, und er wußte, daß Schlangen dieser Art höchst giftig und angriffslustig waren. Nachdenklich ließ er sich gegen eine Wand sinken. Er mußte doch eine Möglichkeit geben, Informationen einzuholen. Irgend jemand mußte doch in der Lage sein, ihm zu erklären, was geschehen war. Die Menschen einer Welt konnten sich nicht in wenigen Wochen so verändert haben. Seine Blicke fielen auf eine Videokamera, die zwischen verfaulten Obstschalen in der Ecke lag. Vielleicht hat jemand Aufnahmen gemacht? Er nahm die Kamera auf, überzeugte sich davon, daß ein Speicherelement eingelegt worden war, und schloß sie an den Fernseher an. Ein Bild erschien. Es war aus diesem Raum aufgenommen und zeigte einen Teil des Fensters und der Wasserstelle. Ein hochgewachsener Mann schritt auf das Haus zu. Er lachte. In den Händen hielt er große Früchte. »Du glaubst es nicht«, rief er. »Ich habe sie gleich unten am Wasser gefunden. Und wir suchen drüben in den Bergen. Dabei reifen sie direkt vor unserer Haustür.« Er erstarrte mitten in den Bewegung. Die Früchte entfielen seinen Händen, und seine Augen verloren ihren Glanz. Der Mann drehte sich um, entfernte sich, und gleichzeitig schwenkte die Kamera herum. Sie richtete sich gegen die Decke des Raumes und schaltete sich aus. Nicht nur mit ihm ist etwas passiert, sondern auch mit dem Mann oder der Frau an der Kamera, erkannte Uruc. Was auch immer es war, es hat beide erfaßt. Damit entfielen alle Spekulationen, die er vorher angestellt hatte. Er befand sich nicht in einer anderen Zeit und auch nicht in der Dekoration eines wie auch immer gearteten Spiels. Die Wirklichkeit war kein Spiel. Sie war grausam und ernüchternd. Sie war vernichtend. Irgend etwas hat ihnen die Intelligenz geraubt, dachte Uruc. Er verließ das Haus, trat in die Sonne hinaus und lehnte sich draußen gegen die Wand. Irgend etwas hat sie zu primitiven Wesen zurückverwandelt, hat sie zu Tieren gemacht. Sie haben nur noch das Äußere mit mir gemein, sonst nichts. Es wäre sogar falsch, sie Urucher zu nennen. Ich müßte einen anderen Namen für sie erfinden, um sie von den wirklichen Uruchern unterscheiden zu können. Er löste sich von der Wand und ging zu den anderen Gebäuden hinüber. Es überraschte ihn nicht, daß es dort ebenso aussah wie in dem ersten Haus. Überall bot sich ihm das gleiche Bild der Verwahrlosung. Einige Fernsehgeräte liefen noch. Er schaltete sie aus, ohne darüber nachzudenken, was er tat. Ihm fiel auf, daß die Männer, Frauen und Kinder, die ihm folgten, überhaupt nicht darauf reagierten. Sie schienen den Unterschied nicht wahrzunehmen, und sie reagierten auch nicht, als er ein Videogerät anlaufen ließ, und die Bilder eines Filmes auf dem Bildschirm erschienen. Ich muß hier weg! schrie es in ihm. Er begann zu laufen. Er rannte zu einigen Garagen hin, riß die Türen auf, fand jedoch nur einen einzigen Gleiter, der zu allem Unglück auch noch defekt war. Das bedeutete, daß er die nächste Siedlung nur unter großem Zeitaufwand erreichen konnte. Es bleibt mir nichts anderes übrig, dachte er und sah sich dabei die Horde der Männer, Frauen und Kinder an. Ich muß mit ihnen zusammen weiterziehen. Irgendwann werden wir einen Hort der Zivilisation erreichen. Ein dumpfes Donnergrollen kam aus der Ferne. Uruc blickte in den Himmel hinauf. Er sah das Raumschiff erneut, und plötzlich wußte er, was er zu tun hatte. Es lag auf der Hand. Er mußte Verbindung mit den Fremden aufnehmen.
Waren diese nicht überaus freundlich zu ihm gewesen? Er dachte gern an die Zeit zurück, die er bei ihnen verbracht hatte. Das einzige, was ihn gestört hatte, war ihre Entscheidung gewesen, ihn mitten in der Wildnis abzusetzen. Sie hatten ihn dafür um Verständnis gebeten, da sie keinen offiziellen Kontakt mit der Bevölkerung und der Regierung haben wollten. Er brauchte ein Funkgerät, um sich mit ihnen in Verbindung setzen zu können. Der Gleiter hatte ein solches Gerät, doch fehlten die Batterien. Als er danach suchte, folgten ihm mehrere Männer. Neugierig beobachteten sie jede seiner Bewegungen. Sie störten ihn, und er warf sie kurzerhand aus dem Haus. Er schloß die Türen und Fenster, damit sie nicht wieder hereinkamen, fand jedoch auch dann keine rechte Ruhe, weil sie an den Fenstern standen und hereinstarrten. Er setzte sich in einen Sessel, schloß die Augen und stellte sich schlafend. Jetzt verlor sich das Interesse an ihm sehr schnell. Die Urucher wandten sich wieder der Nahrungssuche zu. Uruc holte über den computergesteuerten Informationsdienst einige Auskünfte ein, die ihn jedoch nicht weiterbrachten. Er hatte gehofft, mit Hilfe des Videophons Verbindung mit dem Raumschiff aufnehmen zu können, mußte dann jedoch feststellen, daß die nötigen technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Er schulterte die Schußwaffe und verließ das Haus. Niemand beachtete ihn, als er zu den anderen Häusern hinüberging und sie nach einem Funkgerät durchsuchte. Als er auch hier keinen Erfolg hatte, durchstreifte er die nähere Umgebung der Siedlung. Tatsächlich fand er bald darauf mehrere Gleiter, die zu den Häusern gehört hatten. Die Maschinen waren abgestürzt und lagen zerstört im Gehölz. Als Uruc von einer Anhöhe aus nach weiteren Maschinen Ausschau hielt, entdeckte er einen Gleiter, der in einigen Kilometern Entfernung vorbeizog und dann am Fluß landete. Wie elektrisiert rannte er durch den Wald, beseelt von dem Gedanken, Kontakt mit den Insassen der Maschine aufzunehmen. Er war noch nicht weit gekommen, als die Männer, Frauen und Kinder aus dem Unterholz kamen und sich ihm kreischend und schwatzend anschlossen. Sie sehen den Stammesführer in mir! durchschoß es ihn. Ich bin so eine Art Leitbulle für sie. Welch ein erhebender Gedanke, Anführer einer Horde von Wilden zu sein! Er versuchte, sie zu verscheuchen, doch sie ließen sich nicht vertreiben. Er hatte bewiesen, daß er stärker als ihr bisheriger Anführer war, und da sie ihren Instinkten gehorchten, folgten sie ihm in der Hoffnung, daß er sie zu einem besseren Futterplatz führen werde. Jetzt sah er sie genauer an, und ihm fiel auf, wie schlecht ernährt sie waren. Tatsächlich waren die Frauen und Kinder so geschwächt, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnten. Den Männern ging es dagegen sichtlich besser. Sie schienen sich in der rauhen Natur besser behaupten zu können. Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Uruc. Jetzt habe ich diese Horde am Hals. Ich kann dafür sorgen, daß sie genug zu essen hat, und ich kann sie gegen wilde Tiere verteidigen. Ich werde kaum noch dazu kommen, meine eigenen Interessen zu verfolgen. Das alles wäre nicht weiter schlimm, wenn ich einen Sinn darin sehen würde, mich um sie zu kümmern, wenn eine Aussicht auf Besserung bestünde. Aber es wird sich nichts ändern. Sie werden ihre Intelligenz nicht zurückgewinnen. Es krachte im Unterholz. Erschrocken blieb Uruc stehen. Die Frauen und Kinder seines Stammes rannten zu ihm hin, während die Männer auf die Bäume flüchteten. Einige von ihnen schrien laut vor Angst. Sie wußten recht gut, welche Gefahr auf sie zukam, wußten sie jedoch nicht in Worte zu fassen. Das war auch nicht nötig. Uruc sah den Dornenbüffel bereits. Das gewaltige Tier brach durch das Unterholz. Es hatte meterlange Dornen auf dem Kopf. Damit konnte es jeden Feind durchbohren.
Selbst die größten Raubkatzen mußten dieser Bestie ausweichen. Bei einem Kampf mit ihnen wären sie von vornherein verloren gewesen. Uruc riß das Gewehr von der Schulter, legte an und drückte ab. Krachend schoß die Ladung aus der Mündung. Der Dornenbüffel schien gegen eine unsichtbare Wand gelaufen zu sein. Die Beine knickten ihm weg, und er stürzte brüllend zu Boden. Stöhnend warf er den Kopf hin und her, dann streckte er die Beine und hauchte sein Leben aus. Uruc ging zu ihm. Er wollte ihm eine zweite Kugel in den Schädel schießen, um ganz sicher sein zu können, daß die Bestie tot war, wurde sich dessen jedoch noch rechtzeitig bewußt, daß er keine Reservemunition hatte. Bei der Suche nach einem Funkgerät hatte er nicht daran gedacht, diese einzustecken. Jetzt war es zu spät. Er konnte nicht zum Haus zurückkehren und welche holen. Dabei hätte er zuviel Zeit verloren, und die Gefahr, daß die Fremden inzwischen starteten und verschwanden, war zu groß. Ich habe ohnehin Glück, daß sie hier in der Nähe gelandet sind, dachte er. Wenn sie nur zehn oder zwanzig Kilometer weiter entfernt gewesen wären, hätte ich sie überhaupt nicht gesehen. »Jetzt habt ihr zu essen«, sagte er. »Einige Männer werden hier bleiben und die Beute bewachen. Wir werden ein Feuer machen und das Fleisch braten.« Er stockte. Die Urucher waren verschwunden. Der krachende Schuß hatte sie vertrieben. »Kommt zurück«, rief er. Sie reagierten nicht. Der Wald hatte sie verschlungen und schien nicht bereit zu sein, sie wieder herzugeben. Uruc schulterte den Ploser und ging weiter. »Bleibt, wo der Pfeffer wächst«, sagte er. »Mir soll es nur recht sein, wenn ihr mich allein laßt.« Diese Worte waren kaum über seine Lippen gekommen, als die ersten Männer unter den Bäumen hervorkamen. Sie eilten ängstlich zu ihm hin und bedeuteten ihm gestenreich, daß sie sich nun nicht mehr von ihm entfernen würden. »Ich habe Fleisch für euch geschossen«, erläuterte er ihnen. »Bleibt bei dem Büffel und schlagt euch die Bäuche voll.« Sie verstanden ihm nicht. Sie wichen nicht von seiner Seite, und auch die Frauen und Kinder, die sich hinzugesellten, schienen kein Interesse an dem Fleisch zu haben. Daher blieb Uruc nichts anderes übrig, als mit ihnen zu dem toten Dornenbüffel zu gehen, diesen auszuweiden, ein Feuer zu entzünden und das Fleisch auf einem rasch gebauten Gestell aus Ästen zu garen. Jetzt begriffen die Urucher, die er in Gedanken »meine Leute« nannte. Sie konnten kaum abwarten, bis er ihnen die ersten Brocken gab. Gierig schlangen sie das rohe Fleisch herunter, etwas, was sie vor einigen Wochen, als sie noch zivilisiert waren, auf keinen Fall getan hätten. Nahezu zwei Stunden vergingen, bis alle gesättigt waren, und bis Uruc das restliche Fleisch vergraben hatte, um später wieder darauf zurückgreifen zu können, falls er kein Wild fand, das er ihnen schießen konnte. Er begann damit, einzelnen Mitgliedern seines Stammes Namen zu geben. So benannte er seinen Vorgänger mit »Bulle«, einen anderen mit »Schielauge«, einen weiteren mit »Fresser« und einen anderen mit »Rothaar«. Sie verstanden ihn recht schnell, nachdem sie begriffen hatten, was er damit bezweckte.
2. »Ich bin es leid, ständig vor den Juptern zu fliehen«, sagte Atlan, als sich ANIMA einem grün leuchtenden Planeten näherte. »Ich brauche eine Pause. Ich will wenigstens ein paar Tage lang Ruhe haben.« »Eine gute Idee«, erwiderte Dhonat, der Cheftheoretiker der Steppenforscher. »Eine Pause könnte uns allen guttun. Ich könnte mich völlig ungestört meinen Träumen hingeben, und der Zottige könnte sich in der Wildnis austoben. Er ist schon lange nicht mehr auf die Jagd gegangen.« Kolport schnaufte. Er zerrte an ein paar Barthaaren, als hätte er nichts anderes im Sinn, als sie sich auszureißen. Wie üblich gab er ansonsten keinen Kommentar zu den Worten des Hugerers ab. Er schien – wie eigentlich immer – mit der Entscheidung seines Schutzbefohlenen einverstanden zu sein. »Du scheinst den grünen Planeten zu kennen«, bemerkte Wasterjajn Kaz, das doppelköpfige Katzenwesen. Er stand an einem runden Fenster, das ANIMA gebildet hatte, und blickte in das All hinaus. Ihm waren die feinen Zwischentöne in den Worten des Hugerers nicht entgangen. Aus seinen eigenen Worten klang wiederum für die anderen unüberhörbar heraus, daß er sich von der Begegnung mit der Bevölkerung dieser Welt viel versprach. Er hoffte, Hinweise zu erhalten, die ihnen halfen, das Rätsel der Sonnensteppe zu lösen. Nichts war ihm wichtiger, galt es doch für ihn, eine Spur zu finden, die zu seinem eigenen Volk führte. Wasterjajn Kaz bezeichnete sich selbst als »Staatenlosen«, da er schon in früher Kindheit den Kontakt zu seinem Volk verloren hatte. Er war niemals einem anderen Vertreter seines Volkes oder einem Wesen begegnet, das schon einmal Vertreter seines Volkes gesehen hatte. Sein Leben war daher der Suche nach seinem Volk gewidmet. Er war glücklich über die Begegnung mit Dhonat, da er von dessen Kraft schöpfen konnte, und er hatte sich diesem allzu gern angeschlossen. Das war ihm um so leichter gefallen, als der Steppenforscher ebenso wie er selbst ein erklärter Gegner der Facette Kaz war. Wasterjajn Kaz sah sich als das positive Gegenstück der Facette Kaz, was jedoch kaum mehr als ein Hirngespinst war – ebenso wie seine Vorstellung, mit Gentile Kaz verwandt zu sein. Er glich einer aufrecht gehenden, zweiköpfigen Katze, war etwa anderthalb Meter groß und trug keine Bekleidung. Sein Fell war hellblau und hellgrün gescheckt. Die beiden Köpfe drehten sich und blickten Atlan an. Doch der Arkonide schwieg. Er war nicht bereit, die Hoffnungen des Piloten zu bestärken. Er hatte keine Informationen ^über den grünen Planeten. Es gab daher auch nicht den geringsten Hinweis darauf, daß sich die Hoffnungen des Zweiköpfigen erfüllen würden. Auch ihm war wichtig, daß das Rätsel der Sonnensteppe möglichst bald gelöst wurde. Zur Zeit aber lag ihm nur daran, für einige Tage Ruhe zu finden und neue Kraft zu gewinnen. Auch die beiden Transversal-Teleporter enthielten sich jeglichen Kommentars. Die beiden insektoiden Wesen ruhten in wannenförmigen Gebilden, die ANIMA ihren ameisenähnlichen Körpern entsprechend geformt hatte. Überraschenderweise stritten sie sich nicht. Der grüne Planet gab ihnen keinen Ansatzpunkt. Dhonat verließ den Raum. Er kehrte erst nach etwa einer halben Stunde zurück und teilte den anderen mit, daß er den Planeten mit Hilfe der Bordinstrumente der KORALLE eingehend untersucht hatte. »Ich bin auf nichts gestoßen, was verdächtig erscheint«, schloß er. »Wir werden kaum belästigt werden.« »Irren ist hugerisch«, kommentierte Kjok-Duun mit hoher Stimme. Sie streckte ihre Fühler aus. »Kjok-Almergund, mit der ich nicht verwandt bin, und ich sind beide der Meinung, daß man so was nie ausschließen kann, auch wenn Dhonat keine hochentwickelte Zivilisation geortet hat.« »Das ist richtig«, bestätigte Kjok-Almergund. »Dennoch solltest du nicht jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen. Mir ist es peinlich, wenn du so kleinlich bist, gerade weil wir nicht miteinander verwandt sind. Wenn du eine Schwester oder eine Nichte von mir wärst, wäre es mir egal, aber ich
fühle mich für dich verantwortlich, und da ist es mir wichtig, daß du unseren Freunden nicht mit überflüssigen Befürchtungen auf die Nerven gehst.« »Ich könnte mich totlachen, wenn ich überhaupt lachen könnte«, rief Kjok-Duun mit schriller Stimme. »Du fühlst dich für mich verantwortlich. Als wenn ich nicht schon genug damit zu tun hätte, mir über dich Gedanken zu machen.« »Beruhigt euch, ihr beiden«, sagte Atlan. »Wir werden wachsam sein. Und dann werden wir hoffen, daß es keine Aufregungen gibt, so daß wir in einigen Tagen mit neuer Kraft weitermachen können.« Seine Absicht war, friedlichen Kontakt zu den Steppenpiraten aufzunehmen, da er glaubte, daß der Weg zum Kern von Alkordoom und damit zum Erleuchteten nur über diese führte. Zudem hatte er von Modart einen entscheidenden Hinweis auf das MEMORIUM erhalten. Da er in der Sonnensteppe mit seinen Freunden allein stand, war eine Suche aufs Geratewohl mit einem zu hohen Risiko verbunden. Kontakte zu New Marion bestanden nicht. Daher wollte er die Ruhepause nutzen, um sich darüber klar werden zu können, welche weiteren Schritte zu unternehmen waren. Mit dem Jupter Pleffzar hatte er einen Steppenpiraten an seiner Seite, der zu ihm stand. Ob dieser allerdings in absehbarer Zeit einen Gesinnungswandel bei den Steppenpiraten herbeiführen konnte, war zu bezweifeln. Wir müssen einen entscheidenden Schritt weiterkommen, sagte er sich, während er den Raum verließ, um eine Kleinigkeit zu essen. Wenn wir das nicht schaffen, ist es wahrscheinlich besser, nach New Marion zurückzukehren. Wir könnten eine neue Expedition vorbereiten, die dann besser ausgerüstet einen Vorstoß in den Nukleus von Alkordoom machen kann. Er lächelte, als er sich dessen bewußt wurde, wie ANIMA reagiert hätte, wenn er diese Gedanken laut ausgesprochen hätte. »Sie hätte behauptet, daß meine Sehnsucht nach Sarah das Motiv für die Rückkehr nach New Marion sind«, murmelte er. »Womit du absolut recht hast«, erwiderte das Raumschiff, das seine Gedanken erraten zu haben schien. * Viele Lichtjahre von dem grünen Planeten Uruch entfernt betraten neun Noos-Unoser einen Turm, der sich mitten aus dem Ozean erhob und über tausend Meter in die Höhe ragte. Diese neun Wesen sahen aus wie hominide Kakteen. Ihre menschlich anmutenden Körper waren voller Stacheln, die so dicht standen, daß sie keine Kleidung benötigten. Sie hatten zwei Arme, zwei Beine und winzige Sinnesorgane am Kopf. Schweigend stiegen sie in einen Antigravschacht in der Mitte des Turmes und schwebten darin in die Höhe. Sie waren die letzten ihres Volkes. Bis vor etwas mehr als einer Stunde hatten sie im Tiefschlaf gelegen. Der Unbekannte hatte sie geweckt und ihnen befohlen, von der Insel zum nahen Turm herüberzukommen. Sie hatten gehorcht, so wie sie es immer getan hatten. Gehorsam war etwas, was sie als höchste Tugend ansahen, nachdem sie durch ein ihnen selbst unbekanntes Ereignis auf den Unbekannten fixiert worden waren. Sie bildeten einen Verbund von neun gleichartigen Wesen, und sie standen in einem fortwährenden geistigen, gefühlsmäßigen und telepathischen Kontakt miteinander, so daß man sie auch als psionische Neunlinge bezeichnen konnte. Während sie im Antigravschacht iii die Höhe schwebten, fragten sie sich, was auf sie wartete. Aber keiner von ihnen konnte eine Antwort geben. Sicher konnte nur sein, daß der Unbekannte einen Auftrag für sie hatte.
»So ist es die anderen Male auch gewesen«, klang ein Gedanke Unpjoks in ihnen auf. »Du hast recht«, antwortete Unarkt, und Unnumet, Unyrs, Unkort und die anderen pflichteten ihm bei. »Wahrscheinlich hat es irgendwo Unruhe gegeben«, fügte Unxart hinzu. »Wir werden dafür sorgen müssen, daß alles wieder in die Reihe kommt.« »Ich möchte wissen, wer der Unbekannte eigentlich ist«, dachte Ungart, und die anderen verstanden ihn. »Wer sollte er schon sein?« entgegnete Unpjok. »Er ist der Beauftragte des Erleuchteten. Das sollte uns genügen. Es ist nicht unsere Aufgabe Fragen zu stellen, sondern gehorsam zu sein. Dazu gehört auch, nicht weiter in einer Richtung zu forschen, die uns verschlossen zu sein hat.« »Ich wollte nicht ungehorsam sein«, verteidigte sich Ungart. »Ich war nur einfach neugierig.« »Das ist nicht gut. Neugier lenkt nur ab. Wir müssen uns auf die Dinge konzentrieren, die für den Erleuchteten wichtig sind. Alles andere muß unbeachtet bleiben.« Die anderen gaben ihm recht. Danach befahl Unpjok den anderen, den Gedankenaustausch einzustellen. Sie beugten sich ihm, obwohl er von niemandem als Führer ihrer Gruppe angesehen wurde. Er war Teil ihrer Einheit, und sie sahen ein, daß es Zeit wurde, sich auf die Begegnung mit dem Unbekannten einzustellen. Sie betraten einen kugelförmigen Raum, in den eine schmale Brücke zu einer Plattform im Zentrum führte. Auf dieser war gerade ausreichend Platz für sie. Ein zehnter Noos-Unoser – den es nicht gab – hätte sich nicht zu ihnen gesellen können. Der Raum verdunkelte sich etwas, und eine schimmernde Gestalt erschien. Sie hatte weite, weiße Schwingen und einen langgestreckten Körper. Von dem eiförmigen Kopf erhoben sich mehrere blaue Fächer, an deren Spitzen blaue Augen saßen. Beine waren an dieser holographischen Projektion nicht zu kennen, als sie einem im Wind stehenden Vogel gleich in der Hohlkugel schwebte. »Ich habe euch geweckt, weil ich eine Aufgabe für euch habe«, hallte eine tiefe Stimme auf die Noos-Unoser herab. Der Vogel setzte sich mit trägem Flügelschlag in Bewegung. Er begann, die neun stachelbewehrten Gestalten zu umkreisen. »Wir werden uns bemühen, den Auftrag rasch und konsequent zu erledigen«, antwortete Unpjok. »Das erwarte ich. Das ist eure Pflicht. Der Erleuchtete wird Gehorsam belohnen.« Die neun Gestalten bewegten sich nicht. Wie zu Stein erstarrt standen sie auf der Plattform, so als fürchteten sie, sich gegenseitig herunterzustoßen. »In der Sonnensteppe ist ein Wesen aufgetaucht, das für Unruhe sorgt. Ein Störenfried, der in seinem Übermut glaubt, den Status quo beeinträchtigen zu können. Er nennt sich Atlan. Sein Raumschiff soll die Bezeichnung ANIMA tragen. Er hat mehrere Begleiter, die ihn offenbar in seinen wahnwitzigen Ansichten bestärken. Sie sind allesamt zu entfernen.« »Ich habe’ verstanden«, erwiderte Unpjok. Das hatte er tatsächlich. »Entfernen« bedeutete töten. »Wir werden dir bald den erfolgreichen Abschluß der Aktion melden«, versprach Unpjok. »Das erwarte ich«, dröhnte die Stimme des Unbekannten, der ganz sicher nicht so aussah wie die Projektion des Vogelwesens. »Ein Mißerfolg ist euer Tod.« Niemand brauchte den Noos-Unosern zu sagen, daß diese Warnung ernst gemeint war. Sie kannten ihren Auftraggeber zur Genüge, und sie wußten, wie es anderen ergangen war, die versagt hatten. Sie waren eines grausamen Todes gestorben, nachdem sie in unvorstellbarer Weise gefoltert worden
waren. – »Ihr erhaltet drei Raumschiffe«, fuhr der Unbekannte fort. »Es sind die NOOS-1, die NOOS-2 und die NOOS-3. Jeweils drei von euch werden ein Raumschiff übernehmen. Waffen und die gesamte benötigte Ausrüstung sind an Bord. Euch wird nichts fehlen, so daß ihr euren Gegnern weit überlegen seid. Niemand und nichts darf euch davon abhalten, den Auftrag zu erledigen. Ihr allein habt ihn auszuführen. Wer auch immer euch in die Quere kommen sollte, ist ebenfalls zu entfernen.« »Wir müssen also damit rechnen, daß wir es nicht nur mit diesem Atlan zu tun haben?« fragte Unpjok. »Ihr müßt es einkalkulieren«, korrigierte ihn der Unbekannte. »Ich kann es nicht ausschließen. Wichtig ist allein, daß ihr euch durch nichts ablenken laßt. Und solltet ihr in Auseinandersetzungen mit anderen verwickelt werden, die auch das Ziel haben, Atlan und seine Begleiter zu töten, so konzentriert euch allein auf Atlan. Er ist der Feind!« »Wir haben verstanden«, erklärte Unpjok. »Du wirst keinen Grund zur Unzufriedenheit haben. Atlan ist bereits so gut wie tot.« Die Projektion erlosch, und die Noos-Unoser verließen den kugelförmigen Raum. Wenig später schwebten sie im Antigravschacht nach unten. Als sie ins Freie hinaustraten, sahen sie die drei Kugelraumer, die über dem Wasser schwebten. Jedes dieser Raumschiffe hatte einen Durchmesser von etwa 40 Metern, und schon äußerlich war zu erkennen, daß sie stark bewaffnet waren. »Hochentwickelte Kampfmaschinen«, dachte Unarkt. »Wir haben es mit einem Gegner zu tun, der sich zu wehren weiß.« »Ganz sicher«, stimmte Unyrs zu. »Der Unbekannte hätte uns kaum eine solche Ausrüstung gegeben, wenn es nicht so wäre.« »Ich kämpfe lieber mit so einem Feind als mit einem, den man wie ein Insekt mit den Stacheln durchbohren kann.« Die neun Noos-Unoser betraten die Antigravplattform, auf der sie zur Insel gekommen waren und flogen zu den Raumern hinüber. Etwa eine Stunde später starteten sie zu ihrer Vernichtungsexpedition gegen Atlan. * Die NOOS-Raumer waren kaum verschwunden, als der Unbekannte den Raum verließ, in dem er sich bis dahin aufgehalten hatte. Er wechselte in eine Zuchtkammer über, die den Antigravschacht ringförmig umgab. Kristalle in vielen Farben wuchsen von der Decke herab. Der Unbekannte pflückte neun rosarote Kristalle, nachdem er sie sorgfältig geprüft hatte und trug sie in einen tiefer gelegenen Raum, in dem neun keilförmige Roboter in Gestellen hingen. Es waren schwarze Maschinen, die mit ihren breiten Unterseiten nach oben in die Halterungen eingeklinkt waren, während die schmalen Oberseiten nach unten zeigten. Der Unbekannte legte einen der Kristalle auf den Boden und wartete geduldig. Fast eine halbe Stunde verging, dann verformte sich der Kristall plötzlich. Er verlor seine kantige Form und streckte sich zu einer etwa zwei Meter langen, schwarzen Peitsche. Diese krümmte sich zusammen, schnellte sich dann plötzlich voran und schlug mit äußerster Wucht auf den Boden. Dieser zerplatzte, obwohl er durch eine dicke Metallplatte geschützt wurde. »Ausgezeichnet«, lobte der Unbekannte. »Damit wird keiner deiner Gegner rechnen.« Der Kristall nahm seine ursprüngliche Form wieder an. Der Unbekannte hob ihn auf, öffnete eine Klappe an der Unterseite eines Roboters und legte ihn hinein. Dann verschloß er die Klappe
sorgfältig wieder und sicherte sie, so daß sie nicht unbeabsichtigt aufspringen konnte. »Bist du bereit?« fragte der Unbekannte. »Du kannst mich einsetzen, wozu du immer möchtest«, erwiderte der mit dem Wandelkristall versehene Roboter, löste sich gleichzeitig aus dem Gestell und drehte sich herum, so daß er nun mit dem breiten Ende über dem Boden schwebte. »Deine Bezeichnung ist Wandler-1«, erklärte der Unbekannte. »Die Bezeichnungen der anderen sind entsprechend Wandler-2, Wandler-3 und so fort. Hast du verstanden?« »Ich habe verstanden.« Der Unbekannte versorgte nun auch die anderen Roboter mit Wandelkristallen und gab ihnen die nötigen Erläuterungen. »Ein Störenfried ist aufgetaucht«, fuhr er dann fort. »Sein Name ist Atlan. Ich will, daß er entfernt wird.« Dann folgten die gleichen Erläuterungen, die die Noos-Unoser erhalten hatten, und er gab den Wandelkristallen ebenfalls den Befehl, das anstehende Problem allein und ohne Rücksicht auf andere zu lösen. Anschließend gab er ihnen an, in welchem Raumgebiet er den Arkoniden ermittelt hatte. Die Wandelkristalle schwebten in ihren Robotkörpern durch den Antigravschacht nach unten. Als sie ins Freie hinausglitten, verharrten sie noch einige Minuten bei dem Turm. Der Wind war kräftiger geworden. Hohe Brecher rollten heran und gischteten über die Plattform am Fuße des Gebäudes. Es war, als wollten die Wandelkristalle Abschied nehmen. Dann stiegen sie plötzlich auf und beschleunigten. Sie rasten durch die Stratosphäre in den freien Raum hinaus und steigerten ihre Geschwindigkeit noch weiter. »Wie ist euer Name?« fragte einer von ihnen über Funk. »Wir haben keine Namen«, antworteten die anderen. »Wir haben Bezeichnungen. Sie gehen von Wandler-1 bis Wandler-9.« »Irrtum. Ich habe einen Namen.« »Keiner von uns hat einen Namen. Auch du nicht.« »Ihr werdet begreifen müssen, daß ich der Strahlende bin.« Keiner der anderen Wandelkristalle nahm diese Bemerkung ernst. Sie werteten sie und taten sie dann als inhaltslos ab. Sie waren alle gleich. Keiner von ihnen konnte einen Namen haben, keiner von ihnen konnte so etwas wie Individualität besitzen. So etwas paßte nicht in ihrer Vorstellungswelt. Selbst das Bild eines »kranken« Wandelkristalls paßte nicht in ihre Realität. Deshalb konnte es keinen Grund für sie geben, sich damit zu befassen. Außerdem hatte der Unbekannte keinen Grund zur Kritik gefunden, und das allein genügte ihnen bereits, die Behauptung des Strahlenden als unwichtig abzutun. Dieser verzichtete vorerst darauf, sie zu wiederholen. Schweigend raste er mit den anderen seinem fernen Ziel entgegen. Er war sich dessen bewußt, daß auch der Unbekannte Fehler machen konnte. Ich werde Atlan als erster finden und ihn eliminieren, dachte er. Danach werden sie begreifen, daß ich anders bin als sie, aber das wird ihnen nichts nützen. Der Namenlose hat seine eigenen Pläne mit ihnen.
3. Endlich hatte Uruc es geschafft, seine Leute zum Weitergehen zu motivieren. Bulle und Fresser wären am liebsten in der Nähe des vergrabenen Dornenbüffels geblieben, weil sie wußten, daß sie dort ihren Hunger für einige Tage stillen konnten. Uruc überraschte ein wenig, daß sie so versessen auf Fleisch waren, denn normalerweise machte sich kein Urucher etwas aus tierischer Nahrung. Urucher pflegten pflanzliche Kost allemal vorzuziehen. Es muß mit der Minderung ihrer Intelligenz zu tun haben, sagte er sich. Dadurch sind alte Instinkte wieder aufgebrochen, die im Laufe von Jahrzehntausenden verschüttet worden waren. Rothaar, der der Gruppe weit vorausgeeilt war, stieß eine Reihe von dumpfen Schreien aus. Uruc begriff sofort, daß ihn irgend etwas in unerhörtem Maße entsetzt haben mußte. Er rannte durch das Unterholz zu ihm hin. »Was ist los?« rief er. »Tot«, antwortete Rothaar. Und dann sah Uruc, was ihn hatte aufschreien lassen. Sie standen am Rand einer Senke, in der die rauchenden Ruinen von fünf Häusern standen. Vor ihnen lagen die Leichen von wenigstens zwanzig Uruchern. Sie sind vor jemandem geflohen, erkannte er. Das läßt ihre Anordnung erkennen. Die Köpfe zeigen alle in unsere Richtung, die Füße sind zu den Häusern hin gerichtet. Man hat sie umgebracht, obwohl sie sich nicht gewehrt haben. Er bedeutete seinen Leuten, im Gebüsch versteckt zu bleiben, nahm den Ploser von der Schulter und näherte sich vorsichtig den Ruinen. Bei dem ersten der Toten kniete er nieder, um ihn zu untersuchen. Erschrocken stellte er fest, daß der Urucher eine faustgroße Brandwunde im Rücken hatte. Man hat ihn mit einem Energiestrahler getötet! Uruc richtete sich auf. Er fühlte, wie es ihn kalt überlief. Urucher hatten keine Energiestrahlwaffen. Die Entwicklung solcher Geräte war verpönt gewesen. Energiestrahlen waren nur in Technik und Forschung angewendet worden, nicht aber im Kampf. Daraus folgerte, daß die Urucher nur von außerirdischen Wesen umgebracht worden sein konnten. Raumfahrer! schoß es ihm durch den Kopf, und er dachte an das Schiff, das er gesehen hatte. War es nicht irgendwo in dieser Gegend gelandet? Es hatte eine andere Form als das Raumschiff der Fremden gehabt, die ihn aufgenommen und für einige Tage in den Weltraum entführt hatten, und von diesen Wesen konnte er sich auch nicht vorstellen, daß sie wehrlose Urucher ermorden würden. Sollte der Zufall Raumschiffe von zwei verschiedenen Völkern nach Uruch gebracht haben? Schielauge hustete hinter ihm. Es hängt alles zusammen, überlegte Uruc. Der geistige Verfall meiner Leute und der Mord an diesen Männern und Frauen. Irgend jemand ist von einer fernen Welt zu uns gekommen und richtet hier Unheil an. Unwillkürlich blickte er zu den Wolken empor, und er bemerkte einen Gleiter, der in schneller Fahrt vorbeizog. Die Maschine war zu weit entfernt, so daß er die Insassen nicht identifizieren konnte. Mit beiden Händen umklammerte er seinen Ploser. Wir werden sie rächen! schwor er sich. Für dieses Verbrechen werden sie bezahlen.
Er erhob sich und untersuchte die anderen Toten und die Häuser. Überall bot sich ihm das gleiche Bild der Zerstörung. Die Spuren ließen eindeutig erkennen, daß eine weit überlegene Macht rücksichtslos gegen die Siedlung vorgegangen war und niemandem auch nur die geringste Chance gelassen hatte. Es überraschte ihn schon nicht mehr, daß die vier Gleiter, die es in der Siedlung gab, ebenfalls zerstört worden waren, und daß es auch keine Waffen mehr gab. »Wir müssen die Toten vergraben«, erklärte er Schielauge. »Wir dürfen sie nicht so liegenlassen.« Er mußte seine Worte noch einige Male wiederholen und schließlich selbst mit dem Graben beginnen, bevor Schielauge und die anderen begriffen. Sie empfanden die Arbeit als äußerst lästig, die er ihnen abverlangte, beugten sich jedoch seinem Willen. Wiederum gingen nahezu zwei Stunden verloren, bevor sie weiterziehen konnten, und Uruc fragte sich, ob das Raumschiff überhaupt noch dort war, wo es gelandet war. Er war entschlossen, es anzugreifen, einen möglichst großen Schaden anzurichten und die Insassen nach Kräften zu töten. Er war sich klar darüber, daß er einen Angriff auf das Schiff nicht überleben würde. Aber das spielte keine Rolle mehr für ihn. Immer wieder fragte er sich, wozu er noch leben sollte, da es doch so schien, als gäbe es nichts mehr auf dieser Welt, wofür zu leben sich lohnte. »Ich bin sicher, daß die Fremden überall gewütet haben«, sagte er zu Bulle. »Nicht nur hier in dieser Gegend, sondern auf dem ganzen Planeten.« Sein Vorgänger blickte ihn mit großen, leeren Augen an. Er legte den Kopf schief, als habe er nicht richtig verstanden, und ein verlegenes Grinsen überzog sein Gesicht. »Du weißt nicht, wovon ich rede«, resignierte Uruc. »Schon gut. Die Fremden haben ganze Arbeit geleistet. Wahrscheinlich warst du einmal ein kluger Bursche. Davon ist jetzt nichts mehr geblieben.« Er überzeugte sich davon, daß alle Toten bestattet worden waren, und führte die Gruppe dann weiter durch den Wald. Jetzt aber hielt er sie dazu an, ruhig zu sein. Er verbot ihnen, laut miteinander zu reden und sich allzu weit von den anderen zu entfernen. Um seinen Befehlen Nachdruck zu verleihen, mußte er einen der jüngeren Männer verprügeln. Er glaubte, seine Leute im Griff zu haben, als etwa eine Stunde verstrichen war. Dann aber ertönte ein Schrei, und eine der Frauen rannte auf ihn zu. Aufgeregt wedelte sie mit den Armen. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet. Uruc fürchtete bereits, daß sie erneut auf eine zerstörte Siedlung mit vielen Toten gestoßen waren. Doch er irrte sich. Die Frau griff nach seiner Hand und führte ihn geräuschlos durch den Wald, so als könne das leiseste Knacken eines Zweiges oder das Rascheln von Laub den sofortigen Tod für sie zur Folge haben. An einem von Moos überwucherten Felsen verharrte sie und zeigte in eine kleine Mulde hinab. In dieser erhob sich ein keilförmiges Gebilde. Es war etwa zwei Meter hoch und überragte damit jeden Urucher um wenigstens einen Meter. Die Sonnenstrahlen brachen sich an seiner Oberfläche und ließen diese hell aufblitzen. Die Frau blickte ihn fragend an. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß auch nicht, was das ist. Es sieht aus, als hätte jemand einen Keil mit dem dicken Ende zuerst in den Boden gerammt.« Bevor er es verhindern konnte, rannte Bulle zu dem Gebilde hin. Er war offensichtlich bestrebt, sein Ansehen in der Gruppe wieder aufzubessern. Doch der Mut verließ ihn, als er den Keil erreicht hatte. Er blieb mit hängenden Armen davor stehen. »Los«, brüllte Fresser. »Los«. Sie bringen noch einzelne Worte hervor, dachte Uruc erschüttert. Das ist aber auch alles. Zusammenhängend reden können sie nicht mehr. Von dem Ruf Fressers angestachelt, streckte Bulle eine Hand aus und berührte das Metallgebilde.
Nichts geschah. Der abgelöste Anführer der Gruppe richtete sich stolz auf und blickte zu den anderen hoch. In seinem Gesicht spiegelten sich seine Gefühle wider. Für ihn war dieser Auftritt zu einem einmaligen Triumph geworden. Seine Haltung drückte aus: »Jetzt bist du dran, Uruc. Beweise, daß du ein würdiger Anführer bist, oder überlasse mir das Feld.« »Komm her«, befahl Uruc. Bulle dachte nicht daran, ihm zu gehorchen. Grinsend entblößte er seine Zähne, die unter der mangelnden Pflege erheblich gelitten hatten. Uruc vernahm das Murren und Wispern seiner Leute. Er wußte, daß sie sich über seine Haltung wunderten. Sie erwarteten, daß er Bulle in die Schranken verweisen und noch mehr Mut an den Tag legen würde als er. Uruc kam nicht dazu, diesen Beweis zu erbringen. Zwei schwarze Gebilde kamen aus dem Keil hervor. Sie ähnelten Schlangen, und Bulle wich erschrocken vor ihnen zurück. Er wollte fliehen. Doch jetzt schnellten sich, die Tentakel in die Höhe und peitschten dann auf ihn herab. Sie trafen ihn mit solcher Wucht, daß sie ihn auf der Stelle töteten. Uruc riß den Ploser hoch, zielte kurz und schoß. Krachend flog die Kugel aus dem Lauf. Er sah, daß sie gegen einen der beiden Arme schlug, jedoch von diesem abprallte. Sirrend verschwand sie im Gebüsch. »Lauft«, brüllte Uruc. Er sprang auf und flüchtete in den Wald. Die anderen, die gesehen hatten, wie Bulle getötet worden war, schlossen sich ihm augenblicklich an. Schreiend rannten sie hinter ihm her. Plötzlich war Bulle nicht mehr der große Held. Er war bereits aus dem Bewußtsein der Urucher verschwunden. Nicht aber der Keil! Das Metallgebilde brach krachend und dröhnend durch das Gehölz. Uruc hörte es kommen. Er drehte sich um und blickte zurück. Im gleichen Moment verfing sich sein Fuß in einer Baumwurzel. Er stolperte und fiel der Länge nach hin. Der Keil raste wie ein fliegendes Beil mit der Schmalseite voran über ihn hinweg. Es zerschnitt Bäume, zerfetzte Äste und zerschmetterte einen Felsen, der sich in seiner Flugbahn befand, als bestünde dieser nur aus morschem Holz. Schwarzen Schlangen gleich zündelten die Wandelkristalle aus seinen Seite und schlugen blindlings zu. Glücklicherweise trafen sie keinen der Urucher. Uruc blieb liegen. Er preßte das Gesicht gegen den Waldboden und verhielt sich still. Er atmete so flach wie möglich, weil er fürchtete, sich durch das geringste Geräusch zu verraten. Was war nur geschehen, während er fort war? Was hatte den grünen Planeten in ein Irrenhaus verwandelt? Er konnte es sich nicht erklären. Niemals zuvor in der Geschichte der Urucher war es zu so dramatischen Begegnungen mit Fremden aus dem All gekommen. Mehrere Male waren Fremde auf Uruch gewesen, aber die Kontakte mit ihnen waren farblos und zumeist enttäuschend verlaufen. Was veranlaßte die Fremden jetzt, sich wie die Berserker zu benehmen? Ich muß es herausfinden! schwor er sich. Wenn sie meinen Leuten Intelligenz und Seele genommen haben, dann muß es eine Möglichkeit geben, diese auch wieder zurückzugewinnen. Ich werde es ihnen entreißen.
Er legte den Ploser zur Seite, obwohl er sich mit ihm sicher gefühlt hatte. Die Fremden sollten nicht auf Anhieb erkennen können, daß er seine geistigen Fähigkeiten noch besaß. Wenn er ihnen begegnete, dann würde er so tun, als sei er auf das gleiche Niveau abgesunken wie sie auch. Das wird meine Chance sein, dachte er grimmig. Ich werde sie überraschen und sie in die Knie zwingen. Sie werden noch bereuen, uns das angetan zu haben. * Kolport trat zögernd in die Wildnis hinaus, als ANIMA gelandet war. Er blickte blinzelnd zur grünen Sonne hinauf, atmete die aromatische Luft tief ein und schien doch noch kein Zutrauen zu seiner neuen Umgebung finden zu können. »Was ist los?« fragte der Arkonide. »Gefällt es dir hier nicht?« Der Zottige brummte etwas Unbestimmtes in seinen Bart, fuhr sich mit beiden Händen durch das graue Haar und wölbte seine Lippen noch weiter auf als sonst. »Dies ist eine friedliche Welt«, fuhr Atlan fort. »Wir werden einige Tage hier bleiben. Du kannst die Zeit für die Jagd nutzen, wenn du willst, oder ziehst du es vor, dich einmal richtig auszuschlafen?« Kolport zerrte an seinen Barthaaren, und plötzlich überzog ein Lächeln seine wulstigen Lippen. Es war ihm gelungen, sich ein paar Haare auszureißen. »Ich werde jagen«, verkündete er. »Es wird Zeit, den Zentralen ein Opfer zu bringen. Die Zeichen stehen gut. Grün ist die Farbe der Heiligen.« Der Aktivatorträger glaubte sich verhört zu haben. Bisher hatte er so gut wie nichts über Kolport erfahren, denn der Zottige hatte buchstäblich nichts über sich verraten. Niemand außer ihm selbst wußte, woher der muskelbepackte Koloß kam, der meist mit dunkler, grollender Stimme sprach, dabei schnaufte wie ein Walroß, und der sich gebärdete wie ein treuer Hund. »Habe ich richtig gehört?« entgegnete der Arkonide. »Du willst ein Opfer bringen? Wem?« »Sagte ich doch. Den Zentralen.« »Den Zentralen? Wer ist das?« Kolport ballte seine Hände zu Fäusten und richtete die Daumen auf den Boden. »Sie leben da unten. Im Zentrum.« »Im Mittelpunkt des Planeten?« »Sagte ich doch.« Der Zottige schien höchst verwundert zu sein, daß Atlan nicht längst begriffen hatte, was er seiner Meinung nach so deutlich erklärt hatte. »Die Zentralen sind deine Götter?« »Unsinn. Wir haben keine Götter.« »Wer sind sie dann?« Kolport atmete schnaufend, fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar und wandte sich kopfschüttelnd ab. Atlan war überzeugt davon, daß er in diesen Sekunden erheblich an Achtung bei ihm verloren hatte. Er lächelte. Er erinnerte sich nicht, den Zottigen einmal so gesprächig vorgefunden zu haben. Dieser hatte also
schon eine gewisse Entspannung gefunden und Abstand von den schrecklichen Ereignissen der Sonnensteppe gewonnen. Wir können nur hoffen, daß wir wirklich einige Zeit Ruhe haben, dachte der Arkonide. Immerhin befinden wir uns noch immer in der Sonnensteppe. Kolport entfernte sich etwa fünfzig Meter von ANIMA. Dann drehte er sich um und hob einen Arm. Atlan sah ein Messer in seiner Hand blitzen. »Ich bin bald zurück«, verkündete der Zottige mit abgrundtiefer Stimme. »Niemand soll mir folgen. Das heilige Opfer verträgt keine Zeugen.« »Keine Angst«, entgegnete der Unsterbliche. Kolport ließ die Augenbrauen so tief herabsinken, daß von seinen Augen buchstäblich nichts mehr zu sehen war. Er schien von tiefem Mißtrauen erfüllt zu sein. »Du hast einige dumme Fragen gestellt«, bemerkte er. »Beruhige dich«, erwiderte Atlan. »Das hatte nichts weiter zu bedeuten. Ich wollte nicht neugierig, sondern nur höflich sein.« Kolport schüttelte den Kopf, als habe der Arkonide einen noch größeren Beweis von mangelnder Intelligenz geliefert als zuvor, drehte sich um und verschwand im Gehölz. Dhonat verließ ANIMA durch eine Öffnung unmittelbar neben Atlan, dessen silbernes Haar im Licht der Sonne von Uruch einen grünlichen Schimmer erhielt. Seine Augen erschienen gelb. Der Hugerer legte seine verkrüppelte Hand an den kugelförmigen Bauch. Seine sonst gelbliche Haut wirkte grünlich, wodurch der Eindruck entstand, daß es ihm ausgesprochen schlecht ging. »Ich habe geträumt«, verkündete er. »Es war kein schöner, sondern ein bedrohlicher Traum.« »Sind wir hier nicht sicher?« fragte Atlan. »Ganz und gar nicht. Diese Welt ist von einer mordlüsternen Bande heimgesucht worden – wenn mein Traum mich nicht täuscht.« Gestenreich unterstrich er seine Worte mit der rechten Hand, die er »Ordermann« zu nennen pflegte, während er für die andere den Begriff »Dampfhammer« geprägt hatte. »Ich nehme an, du hast konkrete Hinweise?« »Bis jetzt nicht. Die Ortungsergebnisse der KORALLE sind nicht besonders aussagekräftig und überzeugend.« »Was schlägst du vor?« »Wir sollten uns eingehend umsehen und zumindest unsere nähere Umgebung genau unter die Lupe nehmen. Ich fürchte, wir werden eine unangenehme Überraschung erleben.« Atlan nickte. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, sich von ANIMA zu entfernen, sagte sich nun aber, daß ein Ausflug mit der KORALLE nicht schaden konnte. Die Luft war warm und angenehm. Er würde die Fenster offenlassen und sie genießen. Die positronischen Anlagen der KORALLE würden ihn warnen, wenn es galt, irgend etwas in der Nähe besonders zu beachten. »Ich werde mich davon überzeugen, daß deine Träume dich diesmal getäuscht haben«, entgegnete er. »Es soll mir recht sein, aber du solltest meine Träume nicht herabsetzen.« Atlan lächelte. Anscheinend war nicht nur Kolport etwas empfindlich an diesem Tag. »Das habe ich nicht vor, Dhonat«, erwiderte er. »Lieber wäre es mir allerdings, wenn sich erweisen sollte, daß wir sie nicht ernst zu nehmen brauchen.«
»Da muß ich dir recht geben. Also gut, ich höre später von dir.« Mit diesen Worten zog der Cheftheoretiker der Steppenforscher sich wieder ins Raumschiff zurück, das die Form und die Farbe der Felsen in der Umgebung angenommen hatte und dadurch von Fremden ganz sicher nicht als solches erkannt werden konnte. * Uruc richtete sich vorsichtig auf. Der fliegende Keil war verschwunden. War er aber wirklich weitergeflogen? Oder verharrte er irgendwo lautlos schwebend zwischen den Büschen und wartete darauf, daß sie sich zeigten? Er eilte einige Schritte weiter zu Fresser hinüber, der zitternd hinter einem Baumstamm kauerte. »Los. Folgt mir«, befahl er. Fresser kämpfte mit sich. Die Furcht vor dem fliegenden Metall war offensichtlich groß, der Respekt vor Uruc jedoch noch größer. Er wagte es nicht, sich ihm zu widersetzen. Jetzt kamen auch die anderen aus dem Gebüsch hervor und schlossen sich ihnen an. Uruc lief schneller. Er wurde von Minute zu Minute mutiger, und er war schließlich geradezu erleichtert, als er den fliegenden Keil erneut sah. Das Gebilde glitt langsam durch den Wald und näherte sich der zerstörten Siedlung, in der sie die Toten begraben hatten. Es will sich die Folgen seiner Tat ansehen, dachte Uruc. Vielleicht hofft es, noch jemanden anzutreffen, den es töten kann. Mehr und mehr Männer und Frauen rückten zu ihm auf, während sich die Kinder nach wie vor im Hintergrund hielten. Einige der Männer zitterten vor Furcht. »Wir haben niemals einen schlimmeren Feind gehabt«, sagte er, wobei er sich darüber klar war, daß sie ihn kaum verstanden. »Wir dürfen ihm nicht ausweichen, sondern wir müssen ihn überlisten und vernichten.« Kaum waren diese Worte über seine Lippen gekommen, als der Keil sich umdrehte, beschleunigte und auf ihn zukam. Erstarrt vor Schreck blieb er stehen. Er wußte nicht, was er tun sollte. Auch die anderen Urucher konnten sich nicht bewegen. Möglicherweise aber warteten sie auch darauf, daß es zu einem Kampf zwischen ihm und dem Keil kommen würde, bei dem er seine Überlegenheit beweisen konnte. Uruc selbst gab sich verloren. Er machte sich heftige Vorwürfe, weil er sich einen Schritt zu weit vorgewagt hatte. Jetzt war es zu spät. Er hatte noch nicht einmal mehr eine Waffe. In diesem Moment höchster Gefahr blitzte es unter den Bäumen auf. Ein Energiestrahl zuckte blendend hell an ihm vorbei und traf den Keil am unteren Ende. Er durchschlug den Metallmantel des Gebildes und brachte in seinem Innern irgend etwas zur Explosion. Der Keil stieg noch einige Meter weit auf, schwankte und stürzte dann ab. Dabei drehte er sich, so daß er sich schließlich mit dem schmalen Ende in den Waldboden bohrte. Die Urucher jubelten. Die meisten von ihnen schienen zu glauben, daß ihr Anführer den unheimlichen Feind erledigt hatte. Sie umringten ihn, während er nach dem Schützen Ausschau hielt. Als er diesen endlich sah, erschrak er erneut. Der Fremde war etwa doppelt so groß wie er selbst, und auf seinen ausladenden Schultern konnten sicherlich vier Urucher zugleich sitzen. Der Riese hatte zwei Arme und zwei Beine, ebenso wie sie selbst auch, aber einen langen, dünnen Kopf, der zur Seite gebogen war und einer Bohne glich. Schwarze Haare fielen ihm bis fast zu den buschigen Augenbrauen herab.
»Hallo, Freunde«, rief er mit tiefer Stimme, die wie Donnergrollen klang. »Hallo, Fremder«, antwortete Uruc mühsam. »Hast du was gesagt?« fragte der andere. Er trat näher und beugte sich zu ihm herab. »Ja, ich habe dich Freund genannt«, schrie Uruc. »Ich sehe, wir haben uns verstanden«, rollte es donnernd auf ihn herab. Der Anführer der Urucher spürte eine bedrohliche Schwäche in den Knien. Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre weggelaufen. Doch seine Beine gehorchten ihm nicht, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mutig zu stellen. Das aber fiel ihm ausgesprochen schwer. Allzuviel war in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt. Er war ein friedlicher Mann, der seinen Lebensunterhalt mit dem Handel von Nahrungsmitteln aus allen Teilen der Welt verdient hatte. Mit der Waffe konnte er umgehen, weil er hin und wieder zur Jagd ging. Ein Kämpfer war er nicht. »Danke«, stammelte er. »Sah bedrohlich aus«, stellte der Riese fest. Er streckte Uruc eine seiner gewaltigen Hände entgegen, während er mit den Fingern der anderen Hand an seinem Bart zerrte und zupfte, als habe er nichts anderes im Sinn, als die Haarpracht aus seinem Gesicht zu entfernen. Uruc tippte die Hand ängstlich mit seinen Fingern an und zuckte dann hastig zurück. »Ohne deine Hilfe wären wir wohl verloren gewesen«, erwiderte er. Dann richtete er sich auf. »Allerdings hast du uns daran gehindert, dem fliegenden Etwas zu zeigen, das es falsch wäre, uns zu unterschätzen.« Der Fremde lachte dröhnend. »Das würde ich nie tun, Freundchen«, erwiderte er. »Ich kann ja sehen, wie gefährlich ihr seid.« »Meinst du das ehrlich?« »Selbstverständlich. Würde ich es sonst sagen?« Er streckte Uruc erneut die Hände hin, zeigte ihm jetzt aber die offenen Handflächen. »Ich komme in friedlicher Absicht, Freunde. Also, verzichtet bitte darauf, mich anzugreifen. Es ist nicht nötig, daß wir miteinander kämpfen. Ich respektiere euch.« Er ließ sich ächzend auf den Boden sinken. Als er saß, befanden sich seine Augen annähernd in der gleichen Höhe wie die Urucs. Dieser empfand es als angenehm, den Kopf nicht mehr so weit in den Nacken legen zu müssen. »Was ist los mit deinen Freunden?« fragte der Riese. »Fehlt ihnen etwas?« Urucs Argwohn erwachte. Wußte der Riese tatsächlich nicht, was geschehen war? Oder tat er nur so? Machte er sich über ihn lustig? »Ich weiß es nicht«, erwiderte er wahrheitsgemäß. »Irgend etwas hat sie verändert. Vielleicht so ein fliegender Keil wie der da drüben, möglicherweise auch etwas anderes. Ich werde es herausfinden.« »Mein Name ist Kolport«, stellte das riesige Wesen sich vor. »Ich werde dir helfen, wenn es dir recht ist. Ich habe den Eindruck, daß du Hilfe gebrauchen kannst.« Uruc wartete mit seiner Antwort. Er überlegte sich sorgfältig, was er sagen sollte. Durfte er es wagen, die volle Wahrheit zu sagen? Mußte der Fremde dann nicht erfassen, wie hilflos er tatsächlich war? »Irgendjemand hat ihnen die Intelligenz und die Seele geraubt«, erklärte er schließlich. »Fremde haben unsere Siedlungen zerstört und viele von uns getötet. Wir haben unsere Leute gefunden und begraben. Man hat sie ermordet. Sie waren unbewaffnet, und man hat ihnen mit Energiestrahlern in
den Rücken geschossen, als sie fliehen wollten.« Er blickte bedeutungsvoll auf die Waffe, die an der Seite Kolports hing. »Wir waren es ganz sicher nicht«, beteuerte dieser. »Es waren die Horden des Erleuchteten oder die seiner Helfer. Wir sind auf der Suche nach ihnen. Damit meine ich meine Freunde und mich. Was wißt ihr von ihnen?« »Wir? Nichts. Absolut nichts. Ich höre zum erstenmal von ihnen«, gab Uruc verwundert zurück. »Ich war erst vor kurzem in einem Raumschiff von Fremden, aber auch dort hat man mir nichts von ihnen gesagt.« Er schilderte die Begegnung mit den Fremden aus dem All und ihr Aussehen. Es mußten Jupter gewesen sein, denen offenbar nur an Informationen gelegen gewesen war. In der kurzen Zeit, in der Uruc im All gewesen war, hatten andere Raumfahrer die Bevölkerung von Uruch überfallen und sie der Psi-Potentiale beraubt. Uruc hatte Glück gehabt. Er war ungeschoren davongekommen, weil er weit von der grünen Welt entfernt gewesen war. Ein grauenvoller Schrei schreckte Kolport aus seinen Gedanken auf. Er fuhr herum. Vier Urucher, die kaum zehn Meter von ihm entfernt waren, kämpften verzweifelt gegen zwei schwarze schlangenartige Gebilde. Kolport rannte zu ihnen hin, obwohl er ahnte, daß er sich auf einen auch für ihn aussichtslosen Kampf einlassen würde. Er konnte nicht anders. Es war ihm unmöglich zuzusehen, wie die pygmäenähnlichen Urucher ermordet wurden.
4. Atlan öffnete alle Fenster der KORALLE und genoß die laue Luft, die zu ihm hereinwehte. Jetzt war er froh, daß er sich für einige Zeit von ANIMA entfernte. Es tat gut, mal wieder allein zu sein und sich mit seinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Er drängte die Stimme seines Logiksektors zurück, die sich kritisch melden wollte. Er glaubte nicht daran, daß irgend etwas seine Ruhe stören würde. Der Gleiter folgte dem Fluß, in dessen Nähe ANIMA gelandet war. Massige Tiere wälzten sich in den Fluten. Sie waren röhrenförmig und etwa zweihundert Meter lang. Schnaufend hoben sie ihre Köpfe über den Wasserspiegel und blickten zu ihm hoch. Er lachte, als er sah, wie sie sich empört aufrichteten und Wasser in die Höhe sprühten, um ihn zu vertreiben. Es waren harmlose Pflanzenfresser, die die Horden ihrer Jungen vor ihm schützen wollten. Wenig später erstarb das Lachen auf den Lippen des Arkoniden. Ihm fiel auf, daß es im Flußdelta immer wieder aufblitzte, und daß dort Rauch aufstieg. Jemand schießt mit einem Multitraf! erkannte der Logiksektor. Diese Welt ist also doch nicht so ganz jungfräulich. Er ließ die Maschine absinken und zu den Büschen am Ufer hinübergleiten, um besseren Sichtschutz zu haben. Vorübergehend erwog er, sich zurückzuziehen und eine andere Gegend anzufliegen, da er nicht in interne Auseinandersetzungen der Planetenbevölkerung verwickelt werden wollte. Aber dann erinnerte er sich daran, daß sie beim Anflug auf den grünen Planeten keine Anzeichen einer Zivilisation entdeckt hatten. Die Schützen kommen nicht von dieser Welt, meldete das Extrahirn mit unbestechlicher Logik. Mit der Ruhe ist es also vorbei. Vor allem dann, wenn es sich um eine Falle handelt. »Eine Falle? Habe ich richtig gehört?« Es könnte sein, daß man dich nur durch dieses Feuerwerk aufmerksam machen will. »Das wäre nur logisch, wenn irgend jemand weiß, daß ich hier bin.« Das kann niemand ausschließen. Atlan schüttelte den Kopf. Er flog nur wenige Meter an den Büschen vorbei. Dabei scheuchte er zahlreiche Vögel und Insekten auf. Der Gleiter war zu auffällig. Es war besser, zu Fuß weiterzugehen. Er lenkte die Maschine auf eine freie Fläche am Ufer und setzte sie dort ab. Er nahm einen Kombistrahler an sich und schlich sich vorsichtig am Fluß entlang, bis einige Häuser in Sicht kamen. Flammen stiegen von ihnen auf. Atlan sprang über einen Wassergraben hinweg, eilte zwischen zwei Büschen hindurch und stolperte über etwas, was auf dem Boden lag. Er fiel zu Boden und blickte unwillkürlich zurück. Zwei große, fragende Augen sahen ihn an. Es waren menschliche Augen. Ein humanoides Wesen, das ihn an die Pygmäen der unendlich fernen Erde erinnerte, stand vor ihm. Sein Gesicht war von Angst und Entsetzen gezeichnet. Es trug einige Fetzen am Körper, die die Reste einer einst eleganten Kleidung darstellen mochten. Atlan legte den Zeigefinger an die Lippen, und das Wesen verstand ihn. Es ließ sich in die Hocke sinken und verhielt sich still, wobei es unverwandt zu den brennenden Häusern hinüberspähte. Der Arkonide sprach es flüsternd an, wobei er sich um einen beruhigenden Tonfall bemühte. Er wollte das Vertrauen dieses kleinen Wesens gewinnen und ihm vor allem deutlich machen, daß er mit den Vorfällen in der Siedlung nichts zu tun hatte.
Doch in den Augen seines Gegenübers leuchtete kein Verstehen auf. Sie blieben leer. Wie bei einem streunenden Hund, der Schutz und Liebe sucht, dachte er. Es ist ein wenig Intelligenz vorhanden, aber das reicht gerade dazu aus, die Situation zu verstehen. Mehr aber auch nicht. Atlan versuchte nun, sich mit Gesten verständlich zu machen, und dies gelang überraschenderweise leichter als mit Worten. Das zwergenhafte Wesen lächelte scheu und fuhr sich dann einige Male mit dem Finger über den Hals. »Das paßt nicht ganz zusammen«, sagte der Unsterbliche verwirrt. »Oder ist es so, daß du dich über meine Anwesenheit freust, während es dich entsetzt, daß deine Leute in dem Dorf umgebracht worden sind?« In den Augen seines Gegenübers leuchtete es auf, und abermals erschien ein fast spitzbübisches Lächeln auf den dunklen Lippen. Es erinnerte den Arkoniden in unglaublicher Weise an Gucky, den Mausbiber. »Ich werde dich Gucky nennen, mein Freund«, sagte er. »Einverstanden?« »Gucky« verstand ihn nicht, lächelte aber freundlich. Dann aber veränderte sich sein Gesichtsausdruck wieder. Erneut fuhr er sich mit dem Finger über den Hals, zeigte zur Siedlung hinüber und gab einige Zischlaute von sich. »Du willst also, daß ich deine Leute räche«, erkannte Atlan. »Bevor wir dazu kommen, wollen wir uns erst einmal informieren. Ich muß genau wissen, was da drüben geschehen ist.« Er winkte Gucky zu, ihm zu folgen, und kroch dann weiter durch das Unterholz. Das pygmäenähnliche Wesen schloß sich ihm ohne zu zögern an. Es schien froh zu sein, jemanden zu haben, an den es sich anlehnen konnte. Sekunden später entdeckte der Arkonide einen etwa zwei Meter hohen Metallkeil, der mitten zwischen den brennenden Häusern schwebte. Ein Energiestrahl schoß aus seiner breiten Unterseite hervor und ließ das letzte noch unversehrte Haus in Flammen aufgehen. Gucky gab einige dumpf klingende Laute von sich, die für Atlan keinen Sinn ergaben. Er klammerte sich an seinen Arm und zeigte auf den Roboter. Atlan konnte seine Erregung verstehen, denn überall zwischen den Häusern lagen die Leichen von erschossenen Pygmäenwesen auf dem Boden. Sie wiesen alle Spuren von Energieschüssen auf. Waffen konnte der Arkonide nicht entdecken. Sie sind alle ermordet worden, stellte der Logiksektor fest. Der Überfall erfolgte, nachdem man ihnen die Psi-Komponente genommen hatte, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie absolut wehrlos waren. Atlan war sich darüber klar, daß er den Roboter angreifen mußte, wenn er Gucky nicht enttäuschen, und wenn er sichergehen wollte, daß er vom Roboter nicht verfolgt wurde. Er überlegte, an welcher Stelle die Maschine am verwundbarsten sein mochte, und er kam zu dem Schluß, daß die wichtigsten Aggregate im unteren Bereich des Keils untergebracht sein mußten. Dort war am meisten Platz für die diversen Geräte, die zu einem so hochentwickelten Automaten gehörten. Er beobachtete, wie der Wind den Rauch des Feuers an dem Roboter vorbeitrieb. Er hat keinen Schutzschirm eingeschaltet, erkannte das Extrahirn. Bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder er rechnet nicht mit einem Überfall, oder er will einen Überfall provozieren. Atlan dachte daran, daß sie zufällig zu diesem Planeten geflogen waren, und er schloß aus, daß irgend jemand von seiner Anwesenheit hier wußte. Er schoß. Der Energiestrahl schlug dicht über der unteren Kante des Keils ein, durchdrang die Schutzhülle
und zerstörte etwas im Innern des Roboters. Während dieser explodierte, schleuderten zwei schwarze, tentakelähnliche Gebilde aus ihm heraus und fielen auf den Boden, wo sie aus dem Gesichtsfeld des Arkoniden verschwanden. Gucky sprang jubelnd auf. Er rannte im Kreis herum und flatterte mit den Armen wie ein Jungvogel, der vergeblich versucht, sich in die Lüfte zu erheben. Atlan richtete sich vorsichtig auf. Er fragte sich, was die beiden dunklen Gebilde zu bedeuten hatten, die aus dem explodierenden Roboter hervorgekommen waren. * Kolport stürzte sich blindlings in den Kampf, nachdem er sich entschlossen hatte, den Uruchern zu helfen. Jetzt dachte er nicht mehr daran, ob er gewinnen konnte oder nicht. Als seine Hände die schwarzen Gebilde berührten, meinte er, einen elektrischen Schlag zu bekommen. Er zuckte zusammen, sah, wie die schlangengleichen Wesen sich von ihren bisherigen Opfern lösten und mußte erleben, wie sie sich um seine Arme schlangen. Er versuchte, die Arme zu den Seiten hin auszustrecken und die geheimnisvollen Gebilde zu zerreißen, doch das gelang ihm nicht. Vielmehr schoben sich diese völlig unbeeindruckt von seinen Bemühungen an seinen Armen hoch zu seinem Hals und bildeten eine Schlinge um diesen. Kolport ließ sich entsetzt auf die Knie fallen. Er sah, daß die Urucher ihn umringten, und er hörte sie verzweifelt schreien. Keiner von ihnen konnte ihm helfen. Er griff nach seinem Energiestrahler und wollte ihn an eines der beiden Gebilde heranheben, um es zu zerschießen. Doch er verzichtete darauf, weil er sich dabei fraglos selbst schwer verletzt hätte. Und dann war es zu spät. Die Waffe entfiel seinen Händen, als sich die schwarzen Schlangen zusammenschnürten. Er schrie gepeinigt auf. Seine Arme schienen zerquetscht zu werden. Es soll mich töten! dachte er in höchstem Entsetzen. Sie sollen es kurz machen. Ich ertrage es nicht länger. Er wußte, daß er sich nicht mehr aus eigener Kraft retten konnte, und daß es niemanden gab, der ihm zu Hilfe eilen konnte. Langsam zog sich die Schlinge zu, bis er schließlich nicht mehr atmen konnte. Vor seinen Augen begann es zu flimmern, und die Bäume in seiner Umgebung schienen sich zu grotesken Standbildern zu verformen. Die Schreie der Urucher schienen aus immer größerer Ferne zu kommen. Kolport fühlte, wie der Boden unter ihm nachgab, und wie sein Gewicht sich verlor. Er schien schwerelos zu werden. Eine durchaus nicht unangenehme Schwäche erfüllte seinen Körper und zwang ihn zu Boden. Wenn nur die Schmerzen der entsetzlichen Atemnot in seiner Brust nicht gewesen wären. Unmittelbar bevor er das Bewußtsein verlor, glaubte er das haarlose Gesicht einer Frau zu sehen, die mit weit hochgezogenen Augenbrauen auf ihn herabblickte. Ein eigentümliches Lächeln lag auf ihren Lippen. Streckte sie ihm nicht die Hände entgegen? Hielt sie darin nicht einen schimmernden Edelstein, der heller und heller zwischen ihren Fingern wurde, als sei er eine winzige Sonne? Kolport versank in
grundloser Schwärze. Er hatte oft über den Tod nachgedacht, und er hatte sich immer wieder gefragt, wie es sein würde, wenn er starb. Er hatte stets geglaubt, der Übergang in die Welt der Zentralen sei mit großen Schmerzen verbunden, und diese Befürchtung war es eigentlich gewesen, die ihn mit einer heimlichen Furcht vor dem Tod erfüllt hatte. Er war stolz darauf, daß die anderen von dieser Furcht niemals etwas bemerkt hatten. Für sie war er immer der etwas unbeholfene und vielleicht gar primitive Muskelprotz gewesen, der mit stupider Kraft kämpfte, wann immer er dazu herausgefordert wurde. Jetzt war er geradezu angenehm überrascht. Der Übergang in die Welt der Zentralen war mit keinerlei Schmerzen verbunden. Er war leicht, fast angenehm, da er sich von jeglicher Last befreit fühlte. Er bedauerte lediglich, daß er vor seinem Ende kein Opfer mehr erbracht hatte, so wie er es sich vorgenommen hatte. Ich habe es gewußt, klang ein letzter Gedanke in ihm auf. Dies ist eine grüne Welt. Eine Welt der Zentralen. Danach wurde es dunkel um ihn – jedoch nicht lange. Kolport vernahm eine Stimme, die aus unendlicher Ferne zu ihm zu kommen schien, und ihm war, als gleite er aus dem schwerelosen Nichts hinüber zu einem Raumschiff mit einem eigenen Schwerefeld, von dem er ganz allmählich erfaßt und aufgefangen wurde. Es war die Welt der Zentralen! Also gibt es ein Leben nach dem Tod! jubelte er. Verwirrt horchte er in sich hinein und verbesserte sich dann: Nein – es gibt keinen Tod. Es gibt nur eine Existenz auf verschiedenen Ebenen. Du hast die Wahrheit schon immer geahnt. Er erinnerte sich an das gütige Gesicht eines Priesters, das sich irgendwann in ferner Vergangenheit über ihn gebeugt hatte, und er glaubte die Stimme des Mannes zu hören, der ihm vorausgesagt hatte, daß er mehr Welten sehen würde, als jeder andere seines Volkes zuvor. Jemand zupfte an seinem Bart. »Wach schon auf, du zottiger Kerl«, rief eine Frauenstimme. »Wie lange willst du eigentlich noch im Gras liegenbleiben und dich pflegen lassen?« Kolport schluckte. Der Hals tat ihm weh. Es war ein höchst weltlicher Schmerz, der ihn quälte, und er riß ihn in die Wirklichkeit zurück. Er schlug die Augen auf. Abermals sah er das Gesicht einer Frau. Es war ein schönes Antlitz mit breiten Wangenknochen, wulstig aufgeworfenen Lippen, einer kräftigen Nase und einem Kinn, das einen mächtigen Schlag vertrug. Die Augenbrauen waren so buschig, daß sie die halbe Stirn bedeckten, und das Haar war struppig und kurz. Die dunkelbraune Haut hatte die weißen Flecken der Frauen aus dem Hochland, und die heraushängende Zunge war mit feinen Höckern bedeckt. »Die Welt der Zentralen«, röchelte er. »In ihr gibt es sogar Frauen.« Sie versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. »Von wegen Frauen«, sagte sie mit grollender Baßstimme. »Du bist noch halbwegs bewußtlos und denkst schon an andere? Ich werde dir zeigen, was ich davon halte. Sei froh, wenn ich dich in meiner Nähe dulde.« Danach klatschte ihm die andere Hand an die Wange, so daß sein Kopf wie von einem Hammer getroffen zur Seite flog. Kolport lachte, und seine Sinne klärten sich.
»Nicht die Welt der Zentralen?« fragte er. »Von wegen«, schnaufte sie. Er richtete sich auf und sah sich um. Unter den Bäumen kauerten die Urucher. Sie winkten ihm zaghaft zu, so als könnten sie noch nicht so recht glauben, daß er überlebt hatte. Auf dem Boden lagen Dutzende von blitzenden Kristallen. Die Frau war Wirklichkeit! Kolport schüttelte sich wie ein nasser Hund. Ächzend erhob er sich. Eigentlich wollte er aufspringen, aber das schaffte er nicht, weil seine Beine ihm noch nicht gehorchten. Er mußte sich an einem Baum abstützen, und er war froh, daß er nicht gleich wieder zu Boden stürzte. Vor ihm im Gras saß eine Frau. Ihr hing die Zunge bis fast auf das Kinn herab. Es war die schönste Zunge, die er je gesehen hatte. Wie lange war es her, daß er jemandem aus seinem Volk begegnet war? Jahre. Es mußten mehr als fünfzehn Jahre gewesen sein. »Woher kommst du?« stammelte er und ließ sich auf die Knie herabfallen. »Wer bist du, und wieso lebe ich noch?« Erschrocken fuhr er herum, als ihm einfiel, daß er gegen schwarze, schlangengleiche Gebilde gekämpft hatte. Er betastete seine Arme. Sie waren mit grünen und blauen Flecken bedeckt. Dies waren allzu deutliche Spuren des Kampfes. Er wurde sich dessen bewußt, daß er diesen nicht aus eigener Kraft überlebt haben konnte. »Du hast mich gerettet«, sagte er. »Richtig?« »Richtig«, bestätigte sie und zeigte ihm fröhlich ihre Zähne. Er zerrte aufgeregt an seinen Barthaaren. »Aber wie? Diese schwarzen Dinger hätten mich umgebracht. Wie bist du mit ihnen fertig geworden? Und wo sind sie geblieben? Ich sehe sie nicht mehr.« Sie hob einige der Kristalle auf und zeigte sie ihm. »Das sind die Reste.« Er schüttelte ratlos den Kopf. »Als ich sie berührt habe, zerbrachen sie«, berichtete sie. »Danach verwandelten sie sich in diese Kristalle.« »Du hast sie berührt? Und das brachte sie um? Einfach so?« Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Nicht einfach so. Ich habe sie damit berührt.« Aus ihrer lederartigen Kleidung, die an verschiedenen Stellen mit zottigen Fellen geschmückt war, zog sie einen faustgroßen, rubinroten Stein hervor. Kolport kniete neben ihr auf dem Boden. Er konnte seine Blicke nicht von ihrem Gesicht lösen. »Was ist das?« »Ein magischer Stein. Ich habe ihn einmal von dem Priester eines fremden Volkes bekommen, das ich auf einem Planeten besucht habe. Es war ein düsterer Planet, der kaum Licht von seiner roten Sonne erhielt. Ich habe dort einige Jahre lang gelebt und Freundschaft mit seinen Bewohnern geschlossen. Der Stein war der Lohn. Er hat mir schon mehrfach geholfen. Er ist von geheimnisvollen Kräften er^ füllt.« »Wie heißt du?« »Ich bin Erlfret.«
»Ich danke dir, daß du mich gerettet hast.« »Nichts zu danken, mein Lieber. Sollte ich zusehen, wie du erwürgt wirst?« Sie lachte dröhnend und schlug ihm die Hand mit einer solchen Wucht auf die Schulter, daß er zusammenbrach. Vergnügt blieb er auf dem Boden liegen. Er hatte sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt wie in diesen Minuten, und an den Tod dachte er schon lange nicht mehr. Er hatte ein unfaßliches Glück gehabt. Ausgerechnet in dem Moment der höchsten Gefahr, war nicht nur eine Frau seines Volkes aufgetaucht, sondern hatte auch noch das vermutlich einzige Mittel in Händen gehabt, die schwarzen Schlangenwesen zu besiegen. * Gucky steckte vier Finger zwischen die Zähne, pfiff schrill und hüpfte vergnügt von einem Bein auf das andere. Den schwebenden Keil vernichtet zu sehen, erfüllte ihn offensichtlich mit größter Freude. Atlan näherte sich den qualmenden Resten des Roboters. Sei vorsichtig, du Narr! Warum? Der Roboter war viel zu leicht zu besiegen. Er konnte sich diesem Gedanken nicht verschließen. Seltsam, daß du mich darauf aufmerksam machen mußte. Eigentlich hätten mich meine Instinkte warnen müssen. Du bist eben ein Narr. Was ist nicht in Ordnung? Das entzieht sich meiner Kenntnis. Unbestreitbar richtig war die Überlegung, daß der Roboter allzu leicht zu zerstören gewesen war. Woher war der Automat gekommen? Die Ortungsgeräte der KORALLE hatten nicht reagiert. Die Positronik hatte kein landendes Raumschiff gemeldet. War der keilförmige Roboter also ein Produkt dieser Welt? Atlan beschloß, sich zunächst die Häuser anzusehen. Da diese in Flammen standen, blieb ihm nicht mehr lange Zeit, ihre Einrichtung zu inspizieren. Bald würde nichts mehr von ihr übrig sein. Er entfernte sich von den Trümmern des Roboters und eilte zu einem Haus hinüber, das noch weitgehend intakt war. Er hörte es hinter sich klatschen, blickte flüchtig zurück, sah jedoch nur ein dünnes schwarzes Gebilde und hielt es für eine Schlange. Gucky wich dieser in weitem Bogen aus. Er klatschte in die Hände, und so nahm der Arkonide an, daß er es auch zuvor getan hatte. Ein kurzer Blick in das Haus brachte bereits die Erkenntnis, daß auf dem grünen Planeten vormals eine hochstehende Zivilisation bestanden hatte. Als die Bewohner ihrer Psi-Potentiale beraubt worden waren, hatten sie eine Technik zurückgelassen, die durchaus auch den Bau solcher Roboter eingeschlossen haben konnte. Atlan drang in das Gebäude ein. Er fand ein Gerät, das er für einen Feuerlöscher hielt. Als er eine Sperre beseitigt hatte, schoß ein grüner Schaum aus einer Düse hervor, der die Flammen in kürzester Zeit erstickte, jedoch nicht den ganzen Brand löschte. Immerhin gewann der Arkonide ein wenig Zeit. Er durchsuchte das Haus, soweit es unter den gegebenen Umständen möglich war, fand ein
Videogerät und hantierte daran herum, bis plötzlich das Gesicht einer Sprecherin auf dem Bildschirm erschien. Doch seine Hoffnungen, weitere wichtige Informationen zu bekommen, erfüllten sich nur zum Teil. Er hatte einen Ansagedienst erreicht, der über gewisse technische Dienstleistungen unterrichtete. Hochentwickelte Technik, stellte das Extrahirn fest, aber keine Antigravitation. Energiestrahlwaffen wahrscheinlich nicht. Ebenso vermutlich keine Schutzschirme. Der Roboter hatte keinen Schutzschirm! Er hatte ihn nicht eingeschaltet, korrigierte der Logiksektor. Ob er einen Schutzschirmprojektor hatte, müßte erst noch untersucht werden. Ich gebe dir recht, du Besserwisser. Klang ein Lachen in ihm auf? Solche Gedanken lassen den Schluß zu, daß mit dir etwas nicht in Ordnung ist. Mir fehlt nichts. Wen willst du davon überzeugen? Mich doch wohl nicht? Atlan zog es vor, darauf nicht zu antworten. Er verließ das Haus, da sich die Flammen nun wieder von außen hereinfraßen. Gucky kauerte etwa zehn Meter von ihm entfernt auf einem Stein und kratzte sich am Kopf. Der Unsterbliche spürte plötzlich Stiche in der Brust. Verwundert blieb er stehen. Er legte eine Hand an die Brust. Schmerzen in der Brust? Er näherte sich dem Urucher einige Schritte und horchte dabei in sich hinein. Solange er den Zellschwingungsaktivator trug, hatte er nichts in sich verspürt, was auf irgendeine gesundheitliche Beeinträchtigung schließen ließ. Wieso jetzt? Verschwinde! So schnell wie möglich. Irgend etwas stimmt hier nicht. »Komm«, rief er dem pygmäenähnlichen Wesen zu. Er rannte quer durch die brennende Siedlung in Richtung zum Fluß. Doch er kam nicht weit. Schon nach wenigen Schritten bemerkte er ein dunkles Gebilde vor sich im Gras. Er wollte ausweichen, doch es war schon zu spät. Das Ding schnellte sich hoch und schlang sich um seine Beine. Atlan stürzte zu Boden. Er hörte, wie Gucky aufschrie. Hastig griff er nach dem tentakelartigen Gebilde und versuchte, es abzustreifen. Es war hart wie Stahl und ließ sich keinen Millimeter weit verrücken. Weiter! Bleib nicht hier! Er reagierte sofort, schnellte sich hoch und warf sich nach vorn. Er rollte über die Schulter ab, bemerkte dabei, daß er einem zweiten Gebilde der gleichen Art um Zentimeter entging, katapultierte sich erneut hoch und flüchtete mit einem Satz weiter, obwohl er rasende Schmerzen in den Beinen verspürte. Weiter! Gib nicht auf! Wieder und wieder schnellte er sich durch das Gelände, bis er plötzlich eine Wasserfläche vor sich sah. Er zögerte. Es ist eine Chance. Mehr nicht. Er stürzte sich ins Wasser, und noch während er abtauchte, fühlte er, daß sich der ungeheure Druck
auf seine Beine verminderte. Er streckte die Hände nach der schwarzen Fessel aus, und tatsächlich gelang es ihm, sie abzustreifen. Um nicht erneut angefallen zu werden, entfernte er sich so rasch wie möglich von der Stelle, an der er ins Wasser gesprungen war, schwamm zum Ufer zurück und atmete auf, als er dort Gucky stehen sah. Wo der Kleine ist, kann nicht noch so ein Ding sein, es sei denn, daß Gucky dich damit töten will. Aber das ist unwahrscheinlich. Er stieg aus dem Wasser. Der Urucher wedelte begeistert mit den Armen auf und ab und lachte. Seine Augen leuchteten. Er war sichtlich froh, daß er den Angriff überlebt hatte. Vorsicht! Zwei von diesen schwarzen Gebilden wurden aus dem Roboter geschleudert. Wo ist das andere? Kaum hatte das Extrahirn diese Frage gestellt, als sich unter einem Busch neben Atlan etwas regte. Instinktiv sprang er zur Seite, war jedoch wiederum nicht schnell genug. Ein schwarzer Tentakel streckte sich nach ihm aus, erfaßte ihn am Arm und schlang sich ihm im nächsten Moment um die Oberschenkel. Atlan schrie unwillkürlich auf. Er sah, daß Gucky von Entsetzen gepackt davonrannte. Ins Wasser! Er drehte sich um und wollte dem Rat seines Sonderhirns folgen, doch da sah er, wie ihm aus dem Fluß das zweite Gebilde dieser Art entgegenschnellte. Bevor er ausweichen konnte, hatte es sich um seinen Oberkörper geschlungen. Wie Schlangen schoben sich die unheimlichen Wesen an ihm hoch, obwohl er alles versuchte, sie abzustreifen. Sie ringelten sich um seinen Hals und zogen sich mehr und mehr zusammen. Atlan gab sich verloren. In diesen Sekunden, in denen er dem Tod so nah war wie kaum jemals zuvor in seinem langen Leben, sah er ANIMA. Das Raumschiff senkte sich über ihm herab. Es stürzte sich förmlich auf ihn und nahm ihn in sich auf. Er fühlte, wie ANIMA um ihn herum pulsierte. »Keine Angst«, wisperte das Raumschiff. Er fühlte sich zwischen titanischen Kräften hin und her gerissen. Der Druck um seinen Hals lockerte sich, und er konnte wieder atmen. Neben ihm entstand eine Öffnung, durch die er hinaussehen konnte. So erfaßte er, daß ANIMA sich von dem Fluß und der brennenden Siedlung entfernte. Sie stieg auf. Zwei dünne, schwarze Gebilde erschienen vor ihm in der Öffnung. Sie fuhren peitschend hin und her, versuchten, sich aus der Körpersubstanz ANIMAS zu befreien, von der sie wie von einem lebenden Schraubstock festgehalten wurden. Als ANIMA eine Höhe von etwa dreihundert Metern erreicht hatte, bemerkte der Arkonide vier keilförmige Roboter, die tief unter ihnen flogen und nun zu ihnen emporschwenkten. Er schloß geblendet die Augen, als gleißende Energiestrahlen von den Keilen zu ANIMA heraufschossen. Die Öffnung vergrößerte sich, so daß die schwarzen Gebilde zu langen Schnüren in die Länge gezogen wurden. Das belastete sie so stark, daß sie schließlich mit einem häßlichen Knirschen vergingen. Gleichzeitig verloren sie ihre Geschmeidigkeit, wurden zu schimmernden Kristallen und zersplitterten. Das Raumschiff stieß sie aus. Die Öffnung schloß sich. »Wir werden von allen Seiten angegriffen«, teilte ANIMA mit. »Ich muß ausweichen.« Atlan hörte kaum hin. Ihm war in diesen Sekunden nur wichtig, daß er den unheimlichen Gebilden
entkommen war, die ihn beinahe umgebracht hätten. Er spürte schwere Erschütterungen, als das Raumschiff von Schüssen getroffen wurde. »Sind alle an Bord?« fragte er. »Du bist allein«, antwortete ANIMA. »Die anderen waren draußen, als ich starten mußte.« »Woher wußtest du, daß ich Hilfe brauchte?« »Ich wußte es nicht, aber ich sah einen Roboter in deine Richtung fliegen.« »Was auch immer geschieht, wir müssen zurück und die anderen holen.« »Das ist das Problem«, erwiderte ANIMA. »Wir haben es nämlich nicht nur mit diesen keilförmigen Robotern zu tun. Ich sehe auch ein kugelförmiges Raumschiff, das sich uns nähert, und ich glaube nicht, daß uns die Insassen freundlich gesinnt sind.«
5. Kolport fuhr erschrocken zusammen, als er Schüsse hörte, und auch die schwatzenden Urucher verstummten. »Was ist los?« fragte Erlfret. »Wir kennen uns kaum, und schon interessierst du dich für andere Dinge.« »Verzeih mir«, stammelte er. »Meine Freunde sind in Gefahr.« Er sprang auf, und dieses Mal gehorchten ihm seine Beine. Die junge Frau, die seine Sinne betört hatte, griff nach seinem Arm. »Ich wüßte nicht, daß du Freunde hast«, entschuldigte sie sich. »Komm schnell. Vielleicht können wir ihnen helfen.« Uruc eilte zu Kolport. »Ich wußte, daß etwas passieren würde«, sagte er hastig. »Ich hätte dich früher darauf aufmerksam machen sollen.« Kolport überlegte kurz, dann packte er den Urucher, der als einziger seines Volkes intelligent geblieben war, und hob ihn auf seine Schultern. »Halte dich gut fest, Freund«, brüllte er, während er zusammen mit Erlfret losrannte. Wie ein Panzer brach er durch das Unterholz, als sei er durch nichts aufzuhalten, und die junge Frau hinter ihm trieb ihn an, bis sie eine Lichtung erreichten. Dann hielt sie ihn fest. »Es hat keinen Sinn mehr«, stöhnte sie und wies in den grünen Himmel hinauf. »Sieh doch.« ANIMA raste zu den Wolken hinauf, verfolgt von mehreren keilförmigen Robotern. Erneut zerrissen Energieschüsse die Stille, und grelle Blitze zuckten zum Raumschiff hinauf. »Sie fliehen«, sagte Erlfret mit einer gewissen Zufriedenheit in der Stimme. Sie war keineswegs enttäuscht darüber, daß Kolport nun wohl oder übel auf Uruch und bei ihr bleiben mußte. »Sie lassen dich zurück.« »Sie kommen wieder«, entgegnete Kolport. Er zerrte an seinen Barthaaren. »Und außerdem steht noch lange nicht fest, daß alle Besatzungsmitglieder an Bord sind«, fügte Uruc mit heller Stimme hinzu. Er lächelte. Erlfrets Gedanken und Gefühle waren ihm keineswegs entgangen. »Genau das ist es«, schnaufte Kolport erleichtert. Er klopfte Uruc dankbar auf die Schenkel, da dieser ihm die Gedankenarbeit abgenommen hatte. »Wir sehen nach, ob noch jemand da ist.« Erlfret war klug genug einzusehen, daß es falsch gewesen wäre, ihm zu widersprechen. Sie fühlte, daß Kolport eine starke Bindung zu den anderen Besatzungsmitgliedern des Raumschiffes hatte, und ihr weiblicher Instinkt verbot ihr, irgend etwas dagegen zu unternehmen – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Sie schlug Kolport krachend die Faust zwischen die Schulterblätter. Der Hieb war so wuchtig, daß er nach vorn taumelte und auf die Knie stürzte. Doch er nahm ihn ihr keineswegs übel. Glücklich lächelnd richtete er sich auf und blickte die Urucher stolz an, als erwarte er, Beifall von ihnen zu hören. »Weiter«, rief Uruc. »Worauf wartest du denn noch? Oder soll ich dir Schreckspinnen in die Ohren stecken, damit sie dich antreiben?« »Nicht nötig«, brüllte Kolport und rannte weiter. »Erlfret hat mir nur gezeigt, wie nett sie mich findet. So was kann ich mir doch nicht entgehen lassen!« Uruc stöhnte erschrocken auf.
»Hoffentlich kommt sie nicht auf den Gedanken, mir auch so einen Freundschaftsbeweis zu geben«, stammelte er. »Sie würde mir das Kreuz brechen.« »Keine Sorge«, lachte Kolport. »Du bist ihr zu winzig.« »Den Göttern sei Dank.« Uruc krallte sich an den Barthaaren des Riesen fest. Dennoch rutschte er von dessen Schultern, als dieser unvermittelt stehen blieb. Sie hatten eine freie Fläche erreicht. Auf dieser standen Dhonat, Wasterjajn Kaz, Kjok-Duun und Kjok-Almergund. Kolport fing den Urucher auf und hob ihn auf die Schulter zurück. »Das sieht nicht gut aus«, sagte er, während er langsam weiterging. »Wo ist Allan?« Dhonat kaum ihm entgegen. Erst als er unmittelbar vor ihm war, schien er zu bemerken, daß Kolport eine Frau seines Volkes gefunden hatte. Zu den Uruchern, die sich scheu zurückhielten, blickte er nur kurz hinüber, und auch Uruc schien er nicht wahrzunehmen. »ANIMA ist gestartet«, berichtete er. »Ist Atlan an Bord?« fragte Kolport. »Nein. Er ist mit der KORALLE unterwegs.« Kolport hob Uruc von seiner Schulter, setzte ihn sich auf den rechen Unterarm, beugte sich linkisch vor und sagte: »Das ist Erlfret. Sie hat mich gerettet.« Dhonat nickte würdevoll. »Sie ist uns willkommen«, antwortete er, »obwohl sie vorläufig nicht besonders gut bei uns aufgehoben ist. Ich fürchte, wir werden Schwierigkeiten haben.« Er eröffnete Kolport, daß sie drei kugelförmige Raumschiffe beobachtet hatten, die auf ANIMA gefeuert hatten. »Außerdem sind da noch diese keilförmigen Roboter. Sie jagen ANIMA, und ich kann mir nicht vorstellen, daß diese so bald zu uns zurückkehren wird. Das heißt, daß wir uns allein durchschlagen müssen.« Uruc zerrte heftig an den Barthaaren Kolports, und er schlug ihm – als er damit seine Aufmerksamkeit nicht erregen konnte – die Faust gegen die Nase. »Was ist los, Kleiner?« fragte Erlfret. Stumm zeigte der Urucher zu einem Felskegel hinüber, der etwa einen Kilometer von ihnen entfernt war. Über ihm schwebte ein keilförmiger Roboter. »Wir sollten verschwinden«, riet der doppelköpfige Wasterjajn Kaz. »Wenn er uns bemerkt, wird es gefährlich für uns.« »Er hat uns schon gesehen«, schrie Kjok-Duun mit schriller Stimme. »Er kommt.« »Wir müssen uns verstecken«, sagte Dhonat hastig zu Kolport. »Kann uns einer deiner neuen Freunde dabei helfen?« Der Keilroboter näherte sich schnell. Die grüne Sonne spiegelte sich an ihm. »Ich führe euch«, versprach Erlfret. »Schnell. Beeilt euch.« Sie wandte sich um und lief in den Wald hinein. Dhonat und Kolport warteten noch einige Sekunden, während alle anderen ihr folgten. Sie hatten als einzige Schußwaffen, und sie eröffneten das Feuer, als der Roboter bis auf etwa zweihundert Meter herangekommen war. Wirkungslos glitten die Energiestrahlen an dem Schutzschirm ab, den die Maschine um sich herum errichtet hatte.
»Los. Hinterher«, brüllte Kolport erschrocken. Da es ihm bereits einmal gelungen war, einen dieser Roboter zu zerstören, hatte er nicht mit einer derartigen Defensivwaffe gerechnet. Unmittelbar hinter ihm schlug ein Energiestrahl ein und ließ einen Baum in Flammen aufgehen. Erlfret hörte es. Sie zeigte Kaz, Kjok-Duun, Kjok-Almergund und den Uruchern, in welche Richtung sie laufen sollten, und kehrte dann zu Kolport zurück. Der hielt Uruc mit der rechten Hand fest. Mit der linken packte er die Frau und wollte sie mit sich ziehen. Doch sie streifte seine Hand energisch ab und hob dem nahenden Keil den rubinroten Stein entgegen. Im gleichen Moment schoß der Roboter. Kolport fuhr entsetzt zurück. Er glaubte, getroffen zu werden. Doch der Energiestrahl erreichte ihn nicht. Er glitt von einem unsichtbaren Hindernis ab, das sich überraschend zwischen ihm und dem Automaten errichtet hatte. Der Roboter schoß erneut, erzielte das gleiche Ergebnis und zog sich etwa fünfzig Meter weit zurück. Erlfret hielt den Stein hoch, während sie sich rückwärts schreitend von ihm entfernte. »Kommt. Bleibt bei mir«, sagte sie heiter. »Ich beschütze euch.« Fassungslos blickte Dhonat auf ihre Hand mit dem rubinroten Stein. Er konnte sich nicht erklären, daß sie mit diesem einfachen Mittel eine derartige Wirkung erzielte. »Was hat das zu bedeuten?« fragte er. »Später«, antwortete Kolport. »Sie wird uns alles erzählen.« Uruc seufzte erschrocken, als neben dem Roboter eine zweite Maschine dieser Art auftauchte. Hilflos blickte er zu den anderen Uruchern hinüber, die schreiend durch den Wald flüchteten. Er fragte sich, ob es diese Roboter gewesen waren, die sein Volk um Jahrzehntausende in der Entwicklung zurückgeworfen hatten. Die Keile schossen. Wieder und wieder blitzten die Projektoren an ihnen auf, und die Blitze schlugen in Bäume und Büsche. Der Wald brannte, und die Flammen verbreiteten eine unerträgliche Hitze. Diese wurde seltsamerweise von dem rubinroten Stein in der Hand Erlfrets nicht zurückgedrängt. »Wohin führt sie uns?« fragte der Cheftheoretiker der Steppenforscher. »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Kolport wahrheitsgemäß. »Ich weiß nicht, woher sie gekommen ist.« Wenig später erreichten sie eine steil aufragende Felswand. Erlfret blieb an einer Öffnung stehen, die etwa drei Meter hoch und zwei Meter breit war. »Geht hinein«, rief sie. »Alle. Da drinnen seid ihr sicher.« Zusammen mit Kolport harrte sie an der Felswand aus und wehrte die Energieschüsse mit ihrem magischen Stein ab, bis alle durch die Öffnung verschwunden waren. Dann stieß sie Kolport mit der Faust an, und sie folgten den anderen. Sie gelangten durch einen dunklen Gang und eine primitiv erscheinende Holztür in eine Höhle, die aus verbotener Quelle mit einem rötlichen Licht erhellt wurde. Wenige Schritte von der Tür entfernt erhob sich eine Säule aus einem transparenten Material. Über ihr schwebte eine blaue Kugel. Daneben gab es ein breites Bett in der Höhle, einige Hocker, Felle auf dem Boden und einige technische Geräte, die Erlfret einen bescheidenen Komfort ermöglichten. Die junge Frau legte den rubinroten Stein an der Holztür auf den Boden. »Wir sitzen in der Falle«, stellte Dhonat nüchtern fest. »Irgendwann werden sie uns ausräuchern.« »Du bist zu ungeduldig, Kugelkopf«, erwiderte Erlfret herablassend.
»Er ist Dhonat«, bemerkte Kolport hastig, wobei er den Cheftheoretiker um Verzeihung bittend anblickte. »Er ist ein sehr kluger Mann.« »Dann soll er nachdenken, bevor er spricht«, sagte die junge Frau unbeeindruckt. Sie ging zum Bett, legte sich hin und schloß die Augen. »Du kannst doch jetzt nicht schlafen«, stammelte Kolport verlegen. »Doch nicht jetzt.« Er griff nach seinem Bart und zerrte daran, als laute Schnarchtöne verrieten, daß Erlfret eingeschlafen war. Uruc hielt sich die Ohren zu. »Ich habe nicht gewußt, daß ein lebendes Wesen solche Töne von sich geben kann«, stöhnte er. Kolport ließ sich neben dem Bett auf den Boden sinken. Verzückt lächelnd betrachtete er Erlfret. Er hatte sich damit abgefunden, daß er ihr ihren Willen lassen mußte. * Immer wieder erschütterten schwere Treffer das Raumschiff. Atlan sah eine Öffnung vor sich, die ins Innere des Schiffes führte, und kroch hindurch. -Gleich darauf erreichte er eine geräumige Kammer mit einem Seitenfenster. Durch dieses konnte er in den Raum hinaussehen. Er entdeckte vier blitzende Punkte, die sich ANIMA näherten. »Die Roboter sind schnell«, teilte das Raumschiff mit. »Sie halten mühelos mit.« »Wir müssen ihnen irgendwie entkommen und uns auf dem grünen Planeten verstecken, bis wir die anderen gefunden haben.« »Das ist selbstverständlich. Die Frage ist, wie wir sie täuschen können.« Atlan verfolgte, daß ANIMA mehrere Manöver flog, um die Roboter abzuschütteln, und sie brauchte ihm nicht zu sagen, daß ihr dies nicht gelang. »Bleibt nur noch eine Möglichkeit«, sagte sie schließlich. »Ich muß versuchen, sie in der Atmosphäre loszuwerden. Dort wird sich zeigen, was sie leisten.« Sie näherte sich der grünen Welt wieder und tauchte in die oberen Luftschichten ein. Die Automaten feuerten erneut auf sie, obwohl ihre Positroniken doch längst erfaßt haben mußten, daß sie sie auf diese Weise nicht zur Strecke bringen konnten. Ein Beweis ihrer Hilflosigkeit, stellte der Logiksektor nüchtern fest. ANIMA schuf eine Außenhaut, die praktisch keine Leitfähigkeit besaß, so daß ihr die Reibungshitze nicht schaden konnte. Sie beschleunigte immer mehr und schob sich damit bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit heran. »Der Abstand wird größer«, meldete sie nach einiger Zeit triumphierend. »Die Keile können nicht mithalten. Sie würden sich selbst zerstören.« Einige Minuten vergingen. Dann änderte das lebende Raumschiff seinen Kurs und steigerte seine Geschwindigkeit noch mehr. Schließlich seufzte es vernehmlich. »Das muß genügen, Atlan. Mehr geht nicht.« »Wie lange hältst du noch durch?« »Einige Minuten.« »Können wir entkommen?«
»Ich bin sicher, daß sie mich bereits jetzt nicht mehr orten können.« »Wir müssen eine Pause einlegen und später zu den anderen zurückkehren.« »So sehe ich es auch. Wenn wir jetzt zu ihnen fliegen, sind die Keile auch gleich da.« »Hast du eine Idee?« »Die habe ich immer«, antwortete sie in einem geradezu schnippischen Ton. Der Arkonide spürte, daß sie verzögerte. Er blickte hinaus und sah, daß sie sich über einen riesigen Seenplatte mit zahllosen kleinen und großen Inseln befanden. ANIMA stürzte sich auf eine der Inseln herab und glitt in eine Mulde. »Wenn die Roboter kommen, werden sie nur einen kleinen See erkennen, der sich an seiner Oberfläche durch nichts von Tausenden von anderen unterscheidet«, teilte sie ihm belustigt mit. »Sie würden sich die Köpfe einrennen, wenn sie welche hätten.« Die Öffnung schloß sich, und es wurde dunkel. »Du könntest ein wenig schlafen«, schlug ANIMA vor. »Wir sind in Sicherheit.« »Solange ich nicht weiß, ob die anderen es auch sind, kann ich nicht schlafen.« »Wir können ihnen zur Zeit auf keinen Fall helfen. Das weißt du ebensogut wie ich.« Sie hat recht. Gedulde dich. Dir bleibt keine andere Wahl. Atlan streckte sich aus und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Absolute Stille umgab ihn. Dennoch glaubte er, die Roboter hören zu können, die suchend über sie hinwegzogen. Er lächelte. Mit ANIMA hatte er eine ideale, Partnerin gefunden. Etwa eine Stunde verstrich. Atlan nickte kurz ein, wurde aber bald wieder wach. Er fand keine Ruhe, solange nicht feststand, daß die Freunde außer Gefahr waren. Er wollte sich gerade an ANIMA wenden und sie zum Start auffordern, als diese eine Kontaktstelle direkt neben seinem Ohr bildete und flüsterte: »Ein Keil kommt auf uns zu. Ich glaube, er hat etwas gemerkt.« »Unmöglich.« »Warum? Weil die anderen sich nicht sehen lassen?« »Allerdings. Ein Roboter würde die anderen Maschinen augenblicklich informieren.« »Sagt dir das dein Logiksektor?« »Der findet es unter seiner Würde, sich zu einer so eindeutigen Lage zu äußern.« So etwas wie Lachen klang auf. »Er würde sich wundern.« Atlan wartete geduldig, bis ANIMA fortfuhr, um ihm zu erklären, warum sich das Extrahirn in diesem Fall getäuscht hatte. Währenddessen grübelte er darüber nach, was den Roboter auf ihre Spur gelenkt haben konnte. Er fand die Antwort nicht. »Er schwebt direkt über uns«, eröffnete ihm das Raumschiff nach einiger Zeit. »Es ist kaum drei Meter über mir. Genau über der Mitte des Sees, den ich vorzutäuschen versucht habe.« »Und die anderen?« »Die lassen sich nicht blicken.« »Ich begreife das nicht.«
»Das hast du mit mir gemein. Ich glaube jedoch nicht, daß der Roboter zufällig über mir ist.« Atlan wurde ungeduldig. Ihn störte, daß er nichts sehen konnte. »Kannst du eine Fläche schaffen, durch die ich von innen heraus sehen kann, ohne daß der Robot mich wahrnimmt?« »Kein Problem. Steh auf und geh einige Schritte.« Sekunden später stand der Arkonide an einem kleinen, runden Fenster und blickte nach oben. Die breite Unterseite des Keils war nunmehr keinen Meter mehr von ihm entfernt. Unwillkürlich wich er zurück, obwohl er wußte, daß der Automat ihn mit einem Energiestrahl nicht erreichen und verletzen konnte. »Er hat uns wirklich gefunden«, betonte ANIMA. »Er spricht.« »Ihr da unten«, ertönte eine leicht verzerrt klingende Stimme. »Ich bin sicher, daß ihr mich hören könnt.« »Können wir«, antwortete der Unsterbliche laut. »Was willst du von uns?« »Nur mit euch reden.« »Dazu hast du jetzt Gelegenheit, vorausgesetzt, daß du auf eine Funkverbindung mit den anderen verzichtest.« »Wenn ich die gewollt hätte, wäre ich schon längst nicht mehr allein.« »Wie ist dein Name?« fragte Atlan. »Ja, du hast recht. Ich habe einen Namen«, antwortete der Roboter und betonte diese Tatsache zur Verwunderung des Arkoniden auf eigentümliche Weise. »Die anderen Roboter, die so aussehen wie du, haben also keinen«, stellte er fest. »Nein! Wie könnten sie auch? Ich bin anders als sie, aber das haben sie mir nicht geglaubt. Es ist übrigens falsch, uns als Roboter zu bezeichnen. Wir sind keine Maschinen.« »Sondern?« »Ist das wichtig für dich?« »Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe. Da du einen Namen hast, kann ich wohl davon ausgehen, daß du ein lebendes Wesen bist.« »Nein, das ist nicht richtig. Ich bin in diesem Robotkörper, aber ich lebe nicht in dem Sinne wie du lebst. Ich bin ein Kristall, genaugenommen ein Wandelkristall.« »Ich verstehe«, erwiderte der Arkonide, der sich daran erinnerte, wie die schwarzen Gebilde sich nach ihrer Zerstörung in Kristalle verwandelt hatten. »Mein offizieller Name ist Wandler-7, aber tatsächlich heiße ich der Strahlende.« »Ich freue mich, dich kennenzulernen, Strahlender.« »Das ist nicht mehr als eine Höflichkeitsfloskel.« »Nein, durchaus nicht«, beteuerte der Arkonide. »Mir ist es auf jeden Fall lieber, mich mit dir zu verständigen, als mit dir zu kämpfen, so wie ich es mit den anderen getan habe.« Atlan war sich längst darüber klargeworden, das er es mit einem Wesen zu tun hatte, das sich erheblich von den anderen unterschied. Es war neugierig und darüber hinaus nicht bereit, bedingungslos zu vernichten. Ihm kam es nun darauf an, möglichst viele Informationen zu erhalten. Er mußte beispielsweise wissen, ob die Wandelkristalle aus eigenem Willen heraus handelten, oder ob sie von jemandem beauftragt worden waren.
»Erzähle mir etwas über dich«, forderte er daher. »Warum nennst du dich der Strahlende, und warum bist du anders als die anderen Wandelkristalle?« »Die anderen würden sagen, ich bin entartet.« Folgte diesen Worten ein Lachen? »Bei meiner Aufzucht ist eine Abweichung vom Plan aufgetreten. Der Unbekannte hat es nicht bemerkt. Ich habe es den anderen sagt, aber sie haben es nicht geglaubt.« »Der Unbekannte?« »Ich kann dir nichts über ihn sagen. Er ist unbekannt.« »Er hat euch zu diesem Planeten geschickt?« »Nicht direkt.« »Wie soll ich das verstehen?« »Er hat uns nicht befohlen, diese grüne Welt aufzusuchen, sondern lediglich, dich aufzuspüren und zu töten, wo immer du bist.« Die Antwort überraschte den Arkoniden. Unwillkürlich fragte er sich, wo er mit dem Unbekannten zusammengeraten war, so daß er dessen Zorn hervorgerufen hatte. »Das kann ich mir nur schwer vorstellen«, erwiderte er. »Weshalb sollte der Unbekannte mich töten wollen? Lebt er auf dieser Welt?« »Nein. Natürlich nicht. Wir kommen von einem Planeten, der Lichtjahre von hier entfernt ist.« Du bist dem Unbekannten in die Quere gekommen, stellte der Logiksektor fest. Deine Aktivitäten in der Sonnensteppe behagen ihm nicht. »Aber du willst den Befehl des Unbekannten nicht ausführen?« »Nein. Auf keinen Fall. Ich werde die Auseinandersetzungen lediglich beobachten. Ich werde nicht in sie eingreifen, weder auf der einen, noch auf der anderen Seite.« Atlan seufzte. Im Grunde genommen waren sie keinen einzigen Schritt weitergekommen. Er wußte nun zwar, daß die keilförmigen Roboter den Auftrag hatten, ihn zu töten, aber daran hatte er auch vorher nicht gezweifelt. Wichtig war allein, daß es jemanden gab, für den sein Tod offenbar äußerst wichtig war. Er ist ein Rebell, bemerkte das Extrahirn. Damit ist der Konflikt mit den anderen Wandelkristallen vorgezeichnet. Er wird Schwierigkeiten bekommen. »Mußt du nicht befürchten, daß die anderen aufmerksam werden?« fragte der Aktivatorträger. »Sie werden dich vermissen und nach dir suchen.« »Diese Gefahr besteht allerdings, aber im Grunde genommen spielt es keine große Rolle, was geschieht. Der Unbekannte wird uns alle töten, sobald der Auftrag erledigt ist. Die anderen haben das nur noch nicht begriffen.« »Und das stört dich nicht? Du mußt nicht zu ihm zurückkehren und dich umbringen lassen. Du könntest fliehen und irgendwo leben, wo der Unbekannte dich nicht erreichen kann.« »Ich habe das erwogen«, erklärte der Strahlende, ohne anzudeuten, ob er auch entsprechende Entschlüsse gefaßt hatte. »Wir benötigen deine Hilfe«, sagte Atlan, nachdem der Wandelkristall eine Weile schweigend über ihm verharrt hatte. »Wir müssen wissen, wo die anderen Mitglieder unserer Mannschaft sind. Wahrscheinlich werden sie von deinen Freunden bedroht.« »Wandler-1 und fünf andere sind weit von hier entfernt an der Stelle, an der dein Raumschiff ursprünglich gelandet ist. Sie wissen nicht, wo du bist. Sie haben deine Mannschaft gefunden, aber noch ist es ihnen nicht gelungen, sie zu töten.«
»Gib ihnen falsche Informationen«, forderte der Arkonide. »Wir müssen sie von meinen Freunden weglocken.« »Du solltest auf solche Forderungen verzichten«, antwortete der Keil. »Wenn du es nicht tust, zwingst du mich, dein Feind zu sein und dich zu töten.« Atlan preßte ärgerlich die Lippen zusammen. Wenn du uns nicht helfen willst, dachte er, dann verschwinde endlich. ANIMA konnte ihr Versteck nicht verlassen, solange der Keil über ihr war, und er selbst durfte dem Roboter auch nicht so ohne weiteres gegenübertreten. Vorläufig gab es noch keinen Beweis dafür, daß der Strahlende die Wahrheit gesagt hatte.
6. Plötzlich änderten sich die Schnarchgeräusche, die Erlfret von sich gab. Es schien, als sei ihr etwas in die Luftröhre geraten, und als müsse sie ersticken. Während Uruc und Dhonat erschrocken auffuhren, blieb Kolport gelassen neben ihr sitzen. Er schien nicht im mindesten beunruhigt zu sein, obwohl die junge Frau sich nun röchelnd und hustend hin und her warf. »Wir müssen ihr helfen«, sagte Wasterjajn Kaz. »Siehst du denn nicht, wie es um sie steht?« »Das ist normal«, erwiderte Kolport gelassen. »Gleich wird sie aufwachen und jedem fürchterlich eins auf die Nase geben, der ihr zu nahe kommt. So sind die Frauen nun mal bei uns.« Er behielt recht. Kaum eine Minute später fuhr Erlfret wie von der Tarantel gebissen hoch, und ihre Faust schoß auf ihn zu. Sie verfehlte ihn, da er sich gerade noch bücken konnte. »Ist sie nicht wundervoll?« fragte Kolport. »Sie hat einen umwerfenden Charme.« Sie stand auf und schlug erneut zu. Dieses Mal landete ihre Faust krachend an seiner Stirn. Kolport schwankte, fiel aber nicht. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen, und für einen kurzen Moment schien es, als werde er vor Wut explodieren. Doch er lächelte nur und trat zur Seite, um Erlfret Platz zu machen. »Diese Grazie«, spöttelte Dhonat, als sie sich über ein Wasserbecken beugte, um sich das Gesicht zu waschen. »Hoffentlich werdet ihr nicht zärtlich miteinander. Die ganze Einrichtung der Höhle könnte dabei zu Bruch gehen.« »Keine Sorge«, erwiderte Kolport respektvoll. »Ich würde niemals etwas tun, was dich in Gefahr bringt.« »Wir sind in Gefahr«, betonte er. »Draußen lauern die Roboter. Es wird höchste Zeit, daß wir verschwinden. Könntest du ihr das klarmachen?« Kolport lachte. »Das kannst du doch auch«, sagte er. »Sie hat ihre Eigenarten, aber sie ist ein umgängliches Weib. Man kann vernünftig mit ihr reden.« »Den Eindruck hatte ich bisher eigentlich nicht«, murmelte der Hugerer. Erlfret trocknete sich das Gesicht mit einem Tuch und kehrte zu ihnen zurück. »Wir werden die Höhle jetzt verlassen«, erklärte sie. »Schließlich können wir hier drinnen nicht ewig warten, daß die Roboter abziehen.« »Die Höhle hat also noch einen zweiten Ausgang?« fragte Kaz. »Natürlich. Oder glaubst du, ich würde mich in meiner eigenen Falle fangen? Früher oder später werden die Keile energischer gegen unser Versteck vorgehen. Dann müssen wir verschwunden sein.« Sie nahm den rubinroten Stein auf und ging tiefer in die Höhle hinein, ohne darauf zu achten, ob ihr die anderen folgten. Kolport grinste breit. »Los. Wir müssen uns beeilen«, sagte er zu Dhonat. »Sie bringt es fertig und verschwindet irgendwo in einem Felsspalt. So etwas halten die Frauen meines Volkes für witzig.« »Sie würde nicht zurückkommen, um uns zu holen, wenn wir sie aus den Augen verlieren?« fragte Kjok-Almergund überrascht. »Auf keinen Fall«, beteuerte Kolport. »Damit würde sie sich ihren eigenen Spaß verderben.« »Dann wollen wir uns beeilen«, erwiderte der Hugerer. »Wir wollen doch nicht, daß sie alleine lacht.« Kolport zerrte an seinem Bart und eilte hinter Erlfret her. »Hast du schon mit ihr über deine Heimat
gesprochen?« fragte Kjok-Duun. Kolport schüttelte den Kopf. »Dazu hatten wir bisher noch keine Gelegenheit. Ich freue mich darauf, das nachzuholen. Meine Güte, wie lange war ich schon nicht mehr in den endlosen Sümpfen! Die tropische Hölle, in der ich aufgewachsen bin, sie kommt mir jetzt wie das Paradies vor. Ich wollte weg. Ich konnte diese ständige Hitze und die Feuchtigkeit nicht mehr ertragen. Und jetzt? Es zieht mich mit aller Macht dorthin zurück.« Erlfret stand vor einem Spalt, von dem aus ein Gang steil in die Tiefe führte. Wortlos ging sie weiter. Sie streckte lediglich die Hand nach Kolport aus. Dieser ergriff sie und blieb von da an an ihrer Seite. Sekunden später traten sie in eine Schlucht hinaus. »Die Sonne geht unter«, stellte Dhonat fest. »Es wird dunkel.« Erlfret führte sie durch eine zerklüftete Felslandschaft, die sich nach einiger Zeit zum Flußdelta hin öffnete. »Da steht die KORALLE«, flüsterte Wasterjajn Kaz und deutete zum Flußufer hinüber. »Atlan hat sie hier abgestellt.« Erlfret hob mahnend die Hand, horchte in die Dunkelheit hinaus, die erfüllt war von den Stimmen zahlloser Tiere, und eilte dann lautlos davon. Es war erstaunlich, wie geschickt sich diese große, plump wirkende Frau bewegen konnte. Wie ein Schatten glitt sie durch das Unterholz. Nach einigen Minuten wurde Dhonat unruhig. Er wollte Erlfret bereits folgen, als diese plötzlich neben ihm stand, ohne daß er sie gehört hatte. »Es ist niemand in der Nähe«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme. »Da drüben ist eine Siedlung. Sie ist zerstört worden. Es hat eine Reihe von Toten gegeben.« »Haben die keilförmigen Roboter das getan?« fragte Uruc. »Ich weiß nicht«, antwortete die Frau. »Das läßt sich jetzt nicht mehr erkennen.« Dhonat fragte sie nach Atlan, den er ihr kurz beschrieb. Sie schüttelte wortlos den Kopf und hob warnend eine Hand. »Was ist los?« fragte Kaz. »Ich höre nichts Verdächtiges.« »Raumschiffe«, erklärte sie leise. »Ich höre mehrere Raumschiffe. Sie kommen hierher.« Fast eine Minute verstrich, bis die anderen das Grollen endlich wahrnahmen, das aus der Ferne kam. Dhonat eilte zur KORALLE hin und schaltete die Ortungsgeräte ein. »Es sind drei kugelförmige Raumschiffe«, erläuterte er, als die anderen zu ihm kamen. »Erlfret hat recht. Sie kommen direkt auf uns zu.« »Sie werden die KORALLE orten«, befürchtete Kjok-Almergund. »Wir müssen sie in Sicherheit bringen. Erlfret, kennst du eine Höhle, zu der wir fliegen können?« »Hast du vergessen, daß die Keilroboter noch in der Nähe sind?« entgegnete sie mit grollender Baßstimme. »Sobald du mit diesem Gleiter startest, sind sie da.« »Wir müssen es dennoch versuchen«, drängte der Transversal-Teleporter. »Wir dürfen die KORALLE nicht verlieren, also dürfen wir sie hier nicht in offenem Gelände stehenlassen.« »Immer mit der Ruhe.« Dhonat versuchte, die aufkommende Nervosität zu dämpfen. »Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, daß die KORALLE geortet wird. Die Gefahr besteht eigentlich nur, wenn wir starten.« Die Raumschiffe rasten heran, und ihre brüllenden Triebwerke übertönten die letzten Worte des
Hugerers. Sie flogen in einer Höhe von kaum fünfhundert Metern, und sie entfesselten einen Sturm. Die verdrängten Luftmassen fauchten über das Flußdelta hinweg und wirbelten Laub und morsche Äste durch die Luft. Erlfret, die Urucher und die Steppenforscher warfen sich auf den Boden. »Sie haben die KORALLE nicht bemerkt«, schrie Kolport. »Abwarten«, antwortete Dhonat. »Das steht noch nicht fest.« Die drei Raumschiffe verschwanden dumpf grollend in der Ferne. »Richtig«, sagte Erlfret. »Sie kommen zurück.« Dhonat griff mit der gesunden Hand nach dem Arm Urucs. »Könnten das Raumschiffe deines Volkes gewesen sein?« fragte er. »Nein. Natürlich nicht«, antwortete der Urucher. »Wir hatten keine solchen Raumschiffe. Wir standen erst am Anfang der Raumfahrt. Wir wußten, daß es viele Sternenvölker gibt, und wir haben den Kontakt mit ihnen gesucht, aber eigene Sternenschiffe konnten wir noch nicht bauen. Wir hatten gerade erst zwei Expeditionen zu dem zweiten Planeten unseres Systems abgeschlossen, als es über uns kam und mein Volk in den Urzustand zurückversetzt wurde.« »Also Raumschiffe des Erleuchteten«, überlegte der Hugerer. Er richtete sich auf. »Sie sind auf der Suche nach uns. Wir müssen so schnell wie möglich mit ANIMA starten und von hier verschwinden.« Wasterjajn Kaz schüttelte die beiden Köpfe. »Es liegt mir fern, an dir Kritik zu üben«, entgegnete er, »aber wir können nicht so ohne weiteres verschwinden. Die keilförmigen Roboter können überall sein, und sie schlagen sofort zu, wenn sie uns sehen.« »Und die Raumschiffe kommen tatsächlich zurück«, fügte Kjok-Duun mit schriller Stimme hinzu. Dieses Mal flogen die drei Kugelraumer langsamer und in einem Abstand von jeweils etwa zweihundert Metern voneinander. Sie näherten sich dem Flußdelta, und die Projektoren ihrer Energiekanonen begannen zu glühen. »Sie werden auf uns schießen«, schrie Uruc in höchster Panik. Er rannte davon, und die anderen Urucher folgten ihm. Sie heulten und schrien in ihrer Angst. »Wir dürfen nicht hier bleiben«, rief Wasterjajn Kaz. »Sie bringen uns um.« Als alle erwarteten, daß die Kugelraumer über sie hinwegfliegen würden, fächerten sie weiter aus und landeten einige Kilometer von ihnen entfernt. »Wir schleichen uns mit der KORALLE davon«, beschloß Dhonat. »Ich bleibe bei Erlfret«, erklärte Kolport zur Überraschung des Hugerers. »Wir kümmern uns um Uruc und seine Leute. Sie brauchen dringend Hilfe. Wir stoßen dann später wieder zu euch.« »Einverstanden«, erwiderte der Steppenforscher. Erstaunt musterte er Kolport, von dem er eine derartige Haltung nicht gewohnt war. Bisher hatte dieser sich stets wie ein treuer Hund gebärdet, der geradezu abhängig von ihm war und nie eine eigene Meinung vertreten hatte. Die Begegnung mit Erlfret hatte ihn vollkommen verändert. Kolport hob grüßend eine Hand, dann eilte er zusammen mit Erlfret davon. Er bewegte sich beinahe ebenso geschickt wie sie und verursachte nur wenige Geräusche. * »Die Lage hat sich verändert«, verkündete der Strahlende. »Noos-Unoser sind gelandet. Damit ist genau das eingetroffen, womit ich gerechnet habe. Der Unbekannte als Beauftragter des Erleuchteten hat also nicht nur uns geschickt, um dich zu vernichten, sondern auch sie. Damit wird
eure Lage noch schwieriger. Für mich wird sie allerdings reizvoller. Ich möchte etwas erleben, bevor ich liquidiert werde, und ich denke, meine Vorstellungen erfüllen sich.« »Warte noch«, sagte Atlan, der spürte, daß der Wandelkristall das Gespräch beenden wollte. »Ich habe noch eine Frage, die du mir beantworten mußt.« »Ich höre.« »Ihr habt Siedlungen auf diesem Planeten angegriffen und zerstört. Ihr habt die Bewohner dieser Siedlungen getötet, ohne ihnen eine Abwehrmöglichkeit zu lassen. Ihr habt sie mit euren überlegenen Waffen ermordet. Warum?« »Diese Aktion hatte nur den einen Zweck, dich aus der Reserve zu locken. Wir wußten nicht, wo du bist, und wir hofften, deine Aufmerksamkeit damit zu erregen. Das ist uns gelungen.« Mit diesen Worten verabschiedete sich der Keil von Atlan und ANIMA. Er raste mit plötzlicher Beschleunigung davon und verschwand schon bald aus dem Gesichtsfeld des Raumschiffes. Der Arkonide stieg durch eine Öffnung nach oben und stellte sich auf ANIMAS Oberfläche. Für einen Unbeteiligten sah es aus, als ob er auf der Wasseroberfläche eines Sees stünde. »Hast du eine Ahnung, was das zu bedeuten hat?« fragte das Raumschiff. »Noos-Unoser sind gekommen«, erwiderte der Unsterbliche. »Offenbar höchst unangenehme Burschen, die uns ebenfalls den Garaus machen wollen. Das alles wäre nicht so schlimm, wenn wir nicht von Dhonat und den anderen getrennt wären. Wir könnten uns davonmachen.« »Und was werden wir statt dessen tun?« »Wir pirschen uns an das Flußdelta heran, holen unsere Freunde und die KORALLE, und dann verschwinden wir.« »Das hört sich einfacher an, als es wahrscheinlich ist«, erwiderte ANIMA mit kritischem Unterton. Sie formte sich um zu einem Gebilde, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit einer Meduse hatte, und schwebte über die nächste Insel hinweg in Richtung Südwesten. Atlan blieb auf ihrer Oberfläche stehen. Er atmete die frische Luft tief ein und überlegte, wie er vorgehen sollte, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Auch als ANIMA ihm mitteilte, daß sie nur noch wenige Kilometer von ihrem Ziel entfernt waren, wußte er nicht, was er zu tun hatte. Mittlerweile hatte sich das Raumschiff gestreckt. Es glich nun einer etwa hundert Meter langen, grünen Plattform, auf deren Oberfläche Steine herumlagen und Bäume, Gras und Blumen wuchsen. Im Gefahrenfalle brauchte es sich lediglich abzusenken, um mit der Landschaft unter sich zu verschmelzen und somit für ihre Feinde unsichtbar zu werden. Als das Flußdelta in Sicht kam, entdeckte Atlan das erste Raumschiff. Die obere Rundung der Kugel hob sich über die Kuppen einiger Hügel hinweg. Und dann fiel ihm eine Art Kaktus auf, der sich mitten zwischen Sumpfpflanzen erhob. Der paßt nicht dorthin, alarmierte ihn der Logiksektor. Entweder ist es keine Pflanze, oder jemand hat es dorthin gestellt, um dich zu irritieren. Das Gebilde sah aus wie ein Mensch, der mit gespreizten Beinen Halt auf dem unsicheren Boden suchte, und beide Arme in die Höhe streckte. In dem diffusen Licht nach Sonnenuntergang waren gerade noch die zahllosen Stacheln zu erkennen, die seinen Körper überdeckten, weitere Einzelheiten jedoch nicht. Atlan hatte das Gefühl, von ihm angestarrt zu werden, und er meinte, an den Beinen Ausbuchtungen wahrnehmen zu können. Waren es Waffen? Ausrüstungsgegenstände? Er gab ANIMA zu verstehen, daß sie sich absenken sollte. Er griff zum Kombistrahler und schaltete ihn auf Paralysewirkung, ohne das rätselhafte Gebilde aus den Augen zu lassen. Als er meinte, eine Bewegung zu sehen, löste er die Waffe aus.
Das stachelbewehrte Etwas kippte augenblicklich um und stürzte klatschend in den Sumpf. »Also doch«, triumphierte der Arkonide. »Wir müssen ihn haben, ANIMA.« Das Raumschiff bildete einen Greifarm, schob diesen vorsichtig unter das gelähmte Wesen und hob es aus dem Sumpf, bevor es darin versinken konnte. »Wir bleiben vorerst hier«, entschied Atlan. »Ins Innere mit ihm.« ANIMA schuf eine Öffnung und beförderte das stachelige Wesen in einen beleuchteten Raum, wo der Unsterbliche es untersuchen konnte. Zufrieden stellte er fest, daß er sich nicht geirrt hatte. Im Licht zeigte sich deutlich, daß er es keineswegs mit einer Pflanze zu tun hatte. Unter dem Stachelpanzer waren Augen, Mund, Nase und Ohren gut zu sehen. Die Ausrüstungsgegenstände, die in Taschen an den Beinen untergebracht waren, verrieten, daß er es mit einem hochintelligenten Geschöpf zu tun hatte. Die Lähmstrahlen hatten das Stachelwesen nur gestreift, so daß die Paralysewirkung bald abklang. »Wie heißt du?« fragte der Arkonide, als er merkte, daß sein Gefangener sich wieder erholt hatte. »Unpjok vom Volk der Noos-Unoser«, antwortete dieser mühsam, aber durchaus bereitwillig. »Glaube nur nicht, daß ich dir etwas nützen kann. Ganz und gar nicht.« »Das wird sich zeigen«, erwiderte der Arkonide gelassen. Er, ahnte nicht, daß die neun letzten Noos-Unoser in einem ständigen emotionellen, geistigen und telepathischen Kontakt miteinander standen, und daß somit jedes seiner Worte an die anderen weitergeleitet wurde. »Zunächst möchte ich wissen, weshalb du auf diesem Planeten bist.« »Das ist kein Geheimnis«, antwortete Unpjok. »Ich habe die Aufgabe, dich zu entfernen.« »Also zu töten.« »Das ist nur ein anderes Wort.« »Welch eine Ehre für mich«, spöttelte der Arkonide. »Der Unbekannte, als Beauftragter des Erleuchteten, ist also der Ansicht, daß die Wandelkristalle allein es nicht schaffen werden, den Befehl wunschgemäß auszuführen.« »Ich weiß nichts von Wandelkristallen«, erwiderte der Noos-Unoser. »Meines Wissens sind wir die einzigen, die den Auftrag haben, deine Existenz zu beenden.« »Das ist eben der Irrtum. Ihr seid nicht allein.« »Der Unbekannte hat uns gesagt, daß wir jeden aus dem Weg räumen sollen, der uns in die Quere kommt.« »Tatsächlich? Wenn es so ist, dann kümmert euch doch erst einmal um die Wandelkristalle in ihren keilförmigen Robotmaschinen. Ich fürchte, euer Herr und Meister hat ihnen ebenfalls den Befehl erteilt, gegen alles zu kämpfen, was sie bei ihrer Aufgabe behindert.« »Ich kann das nicht ausschließen«, gab Unpjok zu. Du willst sie gegeneinander ausspielen, erkannte das Extrahirn. Aber das ist nicht nötig. Die Auseinandersetzung dieser beiden Gruppen ist bereits programmiert. Ausdruck einer fremden Mentalität, die für uns schwer zu verstehen ist. Kümmere dich nicht darum, du Narr. Konzentriere dich auf die Flucht. Sie ist wichtiger als alles andere, und sie ist die einzige Möglichkeit, die du hast. Unpjok sprang plötzlich auf, holte mit beiden Armen aus und schlug wuchtig nach Atlan. Dieser fuhr erschrocken zurück. Er hatte nicht damit gerechnet, daß der Noos-Unoser seine volle Aktionsfähigkeit so schnell zurückgewinnen würde. Ganz knapp nur entging er dem Schlag, der fürchterliche Folgen gehabt hätte, wenn er getroffen hätte. Er wich weiter zurück. »Hör auf damit, Unpjok«, sagte er. »Oder willst du, daß ich auf dich schieße?«
»Das wagst du nicht. Du würdest dieses seltsame Ding töten, in dem wir uns befinden.« Atlan zog den Kombistrahler, war jedoch nicht schnell genug. Der Noos-Unoser griff so vehement an, daß Atlan sein Heil erneut in der Flucht suchen mußte. Voller Schrecken dachte er daran, was geschehen würde, wenn ihn die mit Stacheln bewehrte Faust erfassen würde. Doch Unpjok kam nicht zu einer weiteren Attacke, denn ANIMA schalte sich ein. Sie bildete eine Stolperschwelle, über die der Noos-Unoser prompt stürzte, und fing ihn dann mit zwei Schlingen ein, die sich um seinen Körper legten und ihn mit unwiderstehlicher Kraft festhielten. »Wir müssen ihn irgendwie loswerden«, sagte Atlan, während er sich über Unpjok beugte und ihm seine Ausrüstung abnahm. »Wir werden ihn weit genug von den Schiffen absetzen und paralysieren, damit er uns nicht in die Quere kommen kann.« ANIMA nahm keine Stellung zu diesem Vorschlag, doch sie handelte. Atlan bemerkte erst, daß sie Fahrt aufgenommen hatte, als sie mitten in einem felsigen Tal eine Öffnung schuf, durch die sie Unpjok nach draußen beförderte. Er folgte dem Noos-Unoser und lähmte ihn. »Es geht leider nicht anders, mein Freund«, sagte er. »Wir müssen verhindern, daß du uns verrätst.« Ein Ruck ging durch ANIMA, und ein Blitz erhellte die Nacht. Er schlug nur wenige Meter neben dem Arkoniden ein. Dieser wurde von der Wucht der sich ausdehnenden Luftmassen zur Seite geschleudert, prallte gegen die augenblicklich nachgebende Körpermasse ANIMAS und wurde von dieser aufgenommen. Er spürte, wie das lebende Raumschiff beschleunigte. »Sie wissen bereits, wo Unpjok ist«, teilte ihm ANIMA mit. Atlan erfaßte die Bedeutung dieser Worte. Unpjok ist Telepath. Unter diesen Umständen war es geradezu unbegreiflich, daß die Noos-Unoser nicht schon früher angegriffen hatten. Atlan spürte, daß ANIMA einige weitere Male getroffen wurde, dann aber war alles ruhig. Es ist ihr gelungen, sich ihrer Umgebung so anzupassen, daß Unpjoks Leute sie nicht mehr finden können. Jetzt bereute der Aktivatorträger, daß er den Noos-Unoser freigelassen hatte, denn nun konnte er ihn nicht mehr verhören. Dabei gab es noch genügend Fragen. Konnten die Noos-Unoser nur untereinander telepathisch kommunizieren, oder konnten sie ANIMA mit ihren besonderen Psi-Fähigkeiten abhören? Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Sie können sie nicht genau lokalisieren. »Aber sie sind bis in ihre unmittelbare Nähe gekommen, und sie sind ihr einige Zeit gefolgt. Außerdem ist Unpjok sicherlich nicht zufällig in die Nähe von ANIMA geraten.« Deine Gedanken können sie jedenfalls nicht lesen. »Das ist richtig.« Der Arkonide, der bis dahin auf dem Boden gelegen hatte, setzte sich aufrecht. Er glaubte zu wissen, wie er zum Gegenangriff übergehen konnte. »Ich muß es allein versuchen«, sagte er laut. Er blickte auf die Ausrüstung, die er dem Noos-Unoser abgenommen hatte. Darunter war zumindest ein Gegenstand, der ihm als Waffe dienen konnte, vielleicht sogar noch mehr. Das mußte eine genauere Untersuchung ergeben. »Was hast du vor?« fragte das lebende Raumschiff. »Bringe mich in die Nähe der Noos-Unoser«, bat der Arkonide. »Ich werde aussteigen und mich ein wenig in ihrer Nähe umsehen. Du könntest währenddessen die KORALLE aufnehmen. Vielleicht findest du Dhonat und die anderen.«
ANIMA hatte keine Einwände.
7. Kolport sah, daß Dhonat, Wasterjajn Kaz und die beiden Transversal-Teleporter zur KORALLE liefen und damit starteten während er Erlfret und den Uruchern folgte. Er wunderte sich, daß es ihm leichtfiel, sich von dem Steppenforscher zu trennen, dem er so lange ergeben gedient hatte. »Wahrscheinlich wird der Hugerer nie erfahren, warum ich es getan habe«, dachte er, während er durch das Gras schritt. »Vielleicht hätte ich ihm sagen sollen, daß vor mehr als dreißig Jahren der Hugerer Kvortrak in den Sümpfen von Kresheram gewesen ist und uns Kobranern einen unvergleichlichen Dienst erwiesen hat. Aber nein. Dhonat ist nicht der Mann, der mich wirklich verstehen würde. Wie könnte er sich auch vorstellen, daß ein kleines Stückchen Holz für uns von überragender Bedeutung ist. Kvortrak hat das Holz aus dem Feuer gerettet und damit eine Reliquie vor der Vernichtung bewahrt. Er hat dafür gesorgt, daß unser Volk auch weiterhin voller Selbstachtung in den Sümpfen leben kann. Und dafür war ich ihm Dank schuldig.« Kolport lächelte. Er wurde sich dessen bewußt, daß Dhonat seine linke Hand bei einer ganz anderen Gelegenheit verstümmelt hatte, die nichts das geringste mit Kvortrak und dessen Tat zu tun hatte. Doch diese Hand hatte ihn stets daran erinnert, was Kvortrak getan hatte. Durch sie hatte er sich Dhonat zur Treue und Ergebenheit verpflichtet gefühlt. Er erreichte eine kleine Lichtung. Auf ihr hatten sich etwa hundert Urucher um Uruc und Erlfret versammelt. Die ihrer Psi-Potentiale beraubten Bewohner von Uruch sahen verschüchtert und verängstigt aus. Sie drängten sich um Erlfret, von der sie am meisten Schutz erwarteten. Zwei kleine Mädchen kauerten jenseits der Lichtung unter zwei Büschen. Uruc rief sie, aber sie kamen nicht heran. Da legte Erlfret den rubinroten Stein ins Gras, streifte die haltsuchenden Hände einiger Urucher ab und eilte zu den beiden Kindern hinüber. In diesem Moment entdeckte Kolport einen keilförmigen Roboter, der mit dem in ihm verborgenen Wandelkristall zwischen den Bäumen schwebte. »Vorsicht«, brüllte er. »Ein Roboter.« Erlfret fuhr erschrocken herum. Zugleich packte sie die beiden Kinder bei den Händen und zog sie hoch. Der Roboter setzte sich in Bewegung. »Lauft«, schrie sie, und die Kinder rannten zu Uruc hinüber. Sie aber zögerte. Sie wußte, daß sie zu weit von ihrem roten Stein entfernt war. Sie konnte ihn nicht mehr erreichen, wenn der Keil angriff. »Bleibe doch nicht stehen, Erlfret«, keuchte Kolport. »Weg da.« Sie hätte sich umdrehen und ins Unterholz fliehen, oder sie hätte zu Uruc laufen könnten. Doch sie war wie gelähmt. Es schien, als fehle ihr mit dem magischen Stein auch die Entschlußkraft. Der Keil und Kolport feuerten gleichzeitig. Zwei Energiestrahlen erhellten die Nacht. Der eine zuckte von dem Robotwesen hinüber zu Erlfret und tötete sie, der andere vernichtete Bruchteile von Sekunden später den Wandelkristall. In einer donnernden Explosion verging der Keil. Kolport ließ die Waffe fallen. Er raste mit weiten Sätzen über die Lichtung zu Erlfret hin, doch er wußte, daß er zu spät kam. Der Keil hatte allzugut getroffen. Kolport brach zusammen. Schluchzend zog er die Tote an sich. Eine ohnmächtige Wut stieg in ihm auf. Er ließ Erlfret ins Gras sinken, sprang schweigend auf und raste in der Richtung davon, in der er die anderen Keile vermutete. Über eine Stunde lang rannte er durch die Dunkelheit, ohne einem der Wandelkristalle zu begegnen. Dann kehrte er, erfüllt von dumpfer Trauer, zur Lichtung zurück. Uruc und seine Leute waren verschwunden. Ein Grabhügel zeugte davon, daß sie Erlfret bestattet hatten. Der magische Stein war nicht mehr da. Kolport vermutete, daß sie ihn mit ins Grab gelegt
hatten. Er sank ins Gras und kauerte mehrere Stunden trauernd auf der Stelle, bis er endlich durch das Zischen und Blitzen einiger Energieschüsse aufgeschreckt wurde. Er erhob sich, von dem einzigen Gedanken beseelt, Rache zu nehmen. Sein eigenes Leben bedeutete ihm nichts mehr. Er wollte nur noch, daß diejenigen bestraft wurden, die Jagd auf sie gemacht und Erlfret dabei getötet hatten. Sie konnten nur Machtinstrumente der Facette sein und gegen diese wollte er kämpfen. Er verließ die Lichtung und eilte in Richtung Flußdelta. Allmählich wurde es heller, und er konnte die oberen Rundungen der drei Raumschiffe sehen. Er zweifelte keine Sekunde lang, daß sie im Dienste der gleichen Macht standen wie die robotischen Keile, und er beschloß, sie zu zerstören. Er wußte nicht, wie er das anstellen sollte, doch er hoffte, daß ihm das Schicksal einen Hinweis geben würde, wenn er nahe genug bei den Raumschiffen war. * Als die Sonne aufging, erhob sich Colemayn, der Weltraumtramp von dem Feuer, an dem er gesessen hatte. Er spuckte den Saft des Kautabaks aus und spähte zu den drei Kugelraumern hinüber, die unweit von ihm gelandet waren. Es steht schlecht um den Arkoniden, dachte er. Dieses Mal schafft er es nicht. Die Übermacht ist zu groß. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, ist er erledigt. * Der Strahlende verhielt sich über Stunden hinweg völlig passiv, als ginge ihn nichts an, was im Flußdelta geschah, und er antwortete auch nicht auf die Rufe der anderen Wandelkristalle. Er sah es als sinnlos an, mit ihnen zu reden, da sie sich seinen Gedanken doch nicht beugen wollten. Er schwebte zwischen meterhohen Schilfgräsern in der Nähe der drei Kugelraumschiffe und wartete ab. Erst als die Nacht nahezu vorbei, und eines der Noos-Unoser-Schiffe vorübergehend weggeflogen war, wurde er aktiv. Über Funk setzte er sich mit einem der Raumer in Verbindung. Unyrs meldete sich. Er war der Kommandant der NOOS-2. »Ich war ebenso wie du in dem Turm, der sich aus dem Meer erhebt«, eröffnete Wandler-7 das Gespräch. »Ich habe einen Auftrag vom Unbekannten erhalten. Ebenso wie du und die anderen deines Volkes. Das ist der Grund, weshalb ich mit dir reden möchte. Öffne die Schleuse, damit ich an Bord kommen kann.« Unyrs ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Etwa eine halbe Stunde verstrich, dann glitt eines der Schleusenschotte zur Seite, und der Strahlende kam in die NOOS-2, obwohl Unyrs sich nicht zu seiner Bitte geäußert hatte. Der Noos-Unoser erwartete ihn in einem Hangar hinter der Schleuse. Groß und unerschrocken stand er ihm gegenüber, die stacheligen Arme wie zur Abwehr erhoben. In den Händen hielt er einen schweren Kombistrahler, mit dem er den Abwehrschirm von Wandler-7 ohne weiteres überwinden konnte. »Du warst im Turm«, sagte Unyrs. »Und?«
»Ich habe nicht die Wahrheit gesagt«, erwiderte der Wandelkristall. »Tatsächlich bin ich vom Unbekannten im Turm gezüchtet worden, während ihr Noos-Unoser von außerhalb gekommen seid. Aber das spielt keine Rolle. Entscheidend ist, daß der Unbekannte uns ebenso wie euch beauftragt hat, Atlan zu töten.« »Das ist richtig.« »Und er hat befohlen, jeden rücksichtslos zu beseitigen, der uns dabei in die Quere kommt, auch wenn es jemand ist, der die gleichen Interessen verfolgt wie wir.« »Auch das stimmt.« »Und dir fällt gar nichts auf?« »Was sollte mir auffallen?« »Erstens: Atlan und sein Raumschiff ANIMA sind unbesiegbar.« Unyrs schüttelte unwillig den Kopf. Er war ganz und gar nicht dieser Ansicht. Er war davon überzeugt, daß sie sehr schnell zu einem Erfolg kommen würden, sobald es hell geworden war. »Zweitens: Noos-Unoser und Wandler werden diese Unbesiegbarkeit nur dann überwinden, wenn sie gemeinsam gegen Atlan und ANIMA vorgehen, anstatt sich gegenseitig zu behindern.« »Bis jetzt haben wir noch nichts gegen euch unternommen. Wir haben euch zwar geortet, aber wir haben euch noch nicht angegriffen«, erklärte Unyrs. »Doch davon abgesehen, sind wir zu unbedingten Gehorsam verpflichtet. Eine Zusammenarbeit kommt auf gar keinen Fall in Frage. Wir würden darin einen Verrat gegen den Erleuchteten sehen.« »Das stand zu befürchten. Ihr seid nicht darauf programmiert, eine Entscheidung zu treffen, die euren eigenen Interessen dient«, stellte der Strahlende fest. »Doch jetzt werdet ihr umdenken müssen. Ihr habt gar keine andere Wahl, denn erstens könnt ihr eure Aufgabe nicht allein lösen, und zweitens verurteilt ihr euch selbst zum Tode, wenn ihr euch nicht dagegen wehrt, programmiert zu sein.« Unyrs – der ständig mit den anderen Noos-Unosern in Verbindung stand und jede seiner Antworten mit ihnen abstimmte – schüttelte erneut den Kopf. »Ich habe keine Lust, mir diesen Unsinn noch länger anzuhören. Wir sind nicht hier, um miteinander zu diskutieren, sondern um Atlan zu liquidieren.« »Ich bin noch nicht zum dritten Punkt gekommen, den ihr unbedingt beachten müßt, NoosUnoser!« rief Wandler-7. »Ihr werdet alle getötet, wenn ihr zum Turm zurückkehrt, egal, ob ihr erfolgreich gewesen seid oder nicht!« »Du erhebst dich gegen den Erleuchteten«, erwiderte Unyrs mühsam beherrscht. »Das ist Verrat. Dafür hast du allerdings den Tod verdient.« »Ich spreche nicht von mir, sondern von euch. Ich werde diesen Planeten nicht mehr verlassen. Ihr aber werdet zum Turm zurückkehren, obwohl euch dort der Tod erwartet.« »Das ist eine Lüge. Der Unbekannte wird uns nicht töten, sondern belohnen.« »Noch nie durfte ein Kommando nach seiner Rückkehr aus der Sonnensteppe weiterexistieren.« »Woher weißt du das?« »Hast du vergessen, daß ich schon immer im Turm gelebt habe? Daß ich stets in der Nähe des Unbekannten war?« »Ich glaube dir nicht. Es ist eine Lüge. Und jetzt verschwinde. Ich dulde dich nicht länger in meinem Schiff.« »Ein Wort noch.«
Unyrs hob den Kombistrahler und richtete ihn auf den schwebenden Keil. »Ein Wort noch, und ich töte ich.« Das Schleusenschott glitt auf. Der Strahlende zog es vor, unter diesen Umständen zu verschwinden. Er glitt durch die Schleuse hinaus und entfernte sich rasch von der NOOS-2. Dabei ließ er seinen Schutzschirm eingeschaltet, doch die Noos-Unoser konnten sich nicht dazu durchringen, auf ihn zu schießen, obwohl sie den Befehl des Unbekannten dazu hatten. Irgend etwas an ihm ließ sie zögern, und nur dadurch überlebte Wandler-7. Er hatte die neun Stachelwesen nicht umstimmen können, aber unbewußt hatte er sie abgelenkt – und Atlan hatte den Vorteil davon. * Atlan hatte sich der NOOS-2 bis auf etwa hundert Meter genähert, als Wandler-7 durch die Schleuse in das Schiff glitt. Der Arkonide hatte sich mit Zweigen und Gräsern getarnt, so daß er sich kaum von seiner Umgebung abhob und nicht so leicht entdeckt werden konnte. Am Gürtel trug er verschiedene Ausrüstungsgegenstände – unter anderem einen Sprengsatz, den er aus der Energiepatrone des von Unpjok erbeuteten Strahlers gefertigt hatte. Er hoffte, diesen im Noos-Raumer anbringen und zünden zu können. Erschrocken fuhr er herum, als plötzlich etwas an seinem Hosenbein zupfte. Gucky blinzelte ihn freundlich an. »Ich kann dich jetzt nicht gebrauchen«, seufzte der Arkonide. »Tut mir leid, Kleiner.« Der Urucher schlug die Arme wedelnd auf und ab. Er freute sich, daß Atlan mit ihm sprach. Abermals versuchte der Unsterbliche, ihm zu erklären, daß er keine Verwendung für ihn hatte, doch Gucky verstand nicht oder wollte nicht verstehen. Daher schlich sich der Arkonide schließlich näher an die NOOS-2, ohne sich noch länger um ihn zu kümmern. Er hörte, daß er ihm folgte, und er hoffte, daß er irgendwann das Interesse an ihm verlieren würde. Doch er täuschte sich. Je näher er dem Raumer kam, desto eifriger wurde Gucky. Er kroch schneller voran, überholte ihn schließlich gar und versuchte, die Vorhut zu übernehmen. Atlan hielt ihn am Bein fest. »Hiergeblieben, Freundchen«, sagte er. »Wir wollen nicht übermütig werden.« Er preßte sich an den Boden und drückte den Kopf des Uruchers nach unten, da er sah, wie Wandler-7 aus der Schleuse der NOOS-2 hervorschwebte. Der Urucher begriff. Er verhielt sich still. Atlan beobachtete den Wandelkristall, bis dieser außer Sicht war, dann richtete er sich vorsichtig auf und eilte geduckt weiter. Er erreichte die Schleuse des Raumschiffes, die nach wie vor offen war. Jetzt kam es darauf an. Gucky wollte in die Schleuse kriechen, doch der Arkonide hielt ihn zurück. »Wenn du doch nur verschwinden würdest, Kleiner«, seufzte er. »Du hast keine Ahnung, wie gefährlich es hier für dich ist.« Gucky lächelte in entwaffnender Weise und streichelte seine Hand. Voller Vertrauen blickte er zu ihm auf. Du kannst ihn nicht wegschicken. Es würde ihm das Herz brechen.
Einen Moment lang ließ sich Atlan durch die Bemerkung seines Logiksektors ablenken. Gucky entglitt seiner Hand und hüpfte in die Schleuse. Der Arkonide wollte nach ihm greifen, fuhr aber zurück, als er einen Noos-Unoser sah, der plötzlich in der Schleuse auftauchte. Er hörte das stachelige Wesen schimpfen. Dann schrie Gucky schmerzgepeinigt auf, als der Noos-Unoser ihm einen Fußtritt versetzte und ihn damit aus der Schleuse katapultierte. Blutend und kreischend vor Wut kehrte der Urucher zurück und stürzte sich auf seinen vielfach größeren Gegner in der Schleuse. Dieser griff nach seinem Energiestrahler und wollte auf den Urucher schießen. Gucky schnellte sich hoch und biß ihm in die Unterseite seines Handgelenks, das nicht mit Stacheln bedeckt war. Unwillkürlich feuerte der Noos-Unoser die Energiewaffe ab, und ein Blitz zuckte in den Morgen hinaus. Atlan sprang in die Schleuse. Ein zweiter Blitz fuhr zischend an ihm vorbei. Die Waffe polterte auf Boden, Gucky ergriff sie triumphierend und flüchtete damit, während der Arkonide den NoosUnoser paralysierte. Da er sich der Wirkung der Lähmstrahlen nicht sicher war, schlug Atlan dem Stachelwesen kurzerhand den Kolben der Waffe über den Kopf. Er betäubte seinen Gegner damit, sorgte zugleich aber unwissentlich dafür, daß die anderen Noos-Unoser alarmiert wurden. Zwischen den Bäumen blitzte es immer wieder auf. Atlan zögerte, ins Innere des Raumschiffs zu gehen. Er sah, daß Gucky den Energiestrahler in seinen kleinen Händen hielt und immer wieder abfeuerte. Der Urucher hielt die Waffe für ein Spielzeug. Der Arkonide wollte bereits umkehren, um ihm den Strahler wegzunehmen. Doch da entfiel die schwere Waffe den Händen des Uruchers, dieser blickte sie einige Sekunden lang an, verlor das Interesse an ihr und trabte davon. Er hat dich vergessen, stellte das Extrahirn fest. Du brauchst dich nicht mehr um ihn zu kümmern. Er eilte ins Innere des Raumschiffes, und er war kaum zehn Meter weit gekommen, als er die Stimmen einiger Noos-Unoser vernahm. Sie befanden sich in einem Antigravschacht und kamen nach unten. Noch waren sie so weit entfernt, daß er sie nicht verstehen konnte, aber sie kamen bedrohlich schnell näher. Atlan lief bis zu einer Schalteinheit, von der er vermutete, daß sie wichtig für den Betrieb des Raumschiffes war, brachte dort einen Sprengsatz an und warf einen weiteren durch einen Schlitz im Boden, den er mit einem Desintegratorstrahl geschnitten hatte. Dann hastete er zur Schleuse zurück, sprang über den paralysierten Noos-Unoser hinweg und wollte ins Freie flüchten. Ein Schrei ertönte. Atlan sah, daß zwei Noos-Unoser den Hangar betreten hatten. Sie hielten Waffen in den Händen. Ein Schlag traf seine Beine und riß sie unter ihm weg. Er stürzte zu Boden und versuchte vergeblich, wieder auf die Beine zu kommen. In drei Minuten zünden die Sprengsätze! * Uruc brauchte lange, bis er sich wieder gefaßt hatte. Der Tod Erlfrets hatte ihn tief erschüttert, so daß er zunächst nicht fähig war, sich um die Männer, Frauen und Kinder seines Volkes zu kümmern, die mit ihm durch den Wald flüchteten. Er rannte, bis ihn die Atemnot zwang, stehenzubleiben. Keuchend lehnte er sich gegen einen Baum. Er sah, daß sich viele andere Urucher zu ihm gesellten, aber das berührte ihn nicht. Er wollte sich
nicht mit ihnen beschäftigen. Er hatte nur eines im Sinn – er wollte eine möglichst große Entfernung zwischen sich und den Ort legen, an dem Erlfret gestorben war. Immer mehr Männer, Frauen und Kinder holten ihn ein und kauerten sich um ihn herum auf den Boden. Am liebsten hätte er alle weggeschickt, doch er konnte sich der Verantwortung nicht entziehen. »Was fange ich nur mit euch an?« fragte er atemlos. »Ich weiß es nicht, aber ich fürchte, ihr kommt nicht über die Runden, wenn ich mich nicht um euch kümmere.« Er wartete noch einige Minuten, bis er sich besser fühlte, und ging dann langsam weiter. Wortlos schlossen sich ihm die anderen an. Du wirst sie nicht mehr los, sagte er sich. Du hast keine andere Wahl. Also überlege dir, wie es weitergehen soll. Die Intelligenz kannst du ihnen nicht zurückgeben, aber du kannst dafür sorgen, daß sie überleben. Eine der Frauen schrie auf. Uruc fuhr herum, und dann meinte er, das Herz müsse ihm stehenbleiben. Etwa dreißig Meter hinter ihm glitt ein blitzendes Metallungeheuer aus dem Unterholz. Einer der todbringenden Keile. Uruc war wie gelähmt. Er wartete darauf, daß der Metallkeil einen Energiestrahl auf ihn schleudern würde. Seine Leute ließen sich auf den Boden fallen. Einige weinten. Sie hatten alle Angst. Und dann blitzte es tatsächlich auf. Ein fingerdicker Energiestrahl schoß aus dem Keil heraus, zuckte einige Meter an Uruc vorbei und traf ein Ziel, das hinter ihm war. Der Urucher hörte eine donnernde Explosion. Eine Druckwelle erfaßte ihn und warf ihn zu Boden. Im Fallen sah er, daß der Wandelkristall auf einen anderen Keil geschossen und diesen zerstört hatte. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Ein weiterer Keil erschien zwischen den Bäumen, und auch er verging im Energiefeuer. Dann wurde es still. Uruc blieb zitternd im Gras liegen. Er wagte nicht, den Kopf zu heben. »Ich bin der Strahlende«, ertönte eine Stimme. »Steht auf und seht mich an.« Uruc gehorchte instinktiv. Die anderen wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Einige erhoben sich, andere kauerten auf dem Boden oder versuchten, ins Unterholz zu kriechen. »Ich bin der Strahlende«, wiederholte der schwebende Metallkeil. »Ich bin euer Herr und Meister. Ihr dürft mich bewundern. Niemand darf mich Wandler-7 nennen. Wer es dennoch tut, hat sein Leben verwirkt. Meinen Namen! Ich will meinen Namen hören. Es ist der Name eures neuen Herrn.« »Du bist der Strahlende«, schrie Uruc, so laut er konnte. Er wußte sich keinen Reim aus dem Verhalten des Keils zu machen, den er nach wie vor für einen Roboter hielt, aber er war sich klar darüber, daß sich eine wunderbare Lösung für seine Probleme abzeichnete. Wer konnte besser für seine Leute sorgen als ein Roboter, selbst wenn dieser offenbar größenwahnsinnig geworden war? Er wollte sich diesem gern unterwerfen, und er war sicher, daß er sich ihm jederzeit entziehen konnte, wenn er wollte. »Du bist der Meister, Strahlender«, erklärte er. »Wir freuen uns über deine Herrschaft und über den Schutz, den du uns gewährst. Steht auf, Leute. Bewundert den Strahlenden. Nennt seinen Namen.«
Die ihrer Psi-Potentiale beraubten Urucher reagierten wie erwartet. Sie feierten ihren neuen Herrn. Uruc lächelte. Er fühlte sich von einer großen Last befreit. »Der Unbekannte irrt sich, wenn er glaubt, daß er mich liquidieren kann«, sagte der Keil. »Mich doch nicht. Kommt. Folgt mir in die Berge, wo wir für alle Zukunft sicher sind.«
8. »Das ist ANIMA«, rief Dhonat, als das lebende Raumschiff plötzlich vor ihnen aus einer Senke aufstieg. Es hatte die langgestreckte Form einer Rakete angenommen. »Schnell an Bord«, drängte Wasterjajn Kaz. Er lenkte die KORALLE. Als sich eine Öffnung an der Flanke des Raumschiffs auftat, flog er hinein. »Danke«, sagte Kjok-Duun mit schriller Stimme. »Du glaubst gar nicht, wie sehr wir dich vermißt haben, ANIMA.« »Ich euch auch«, antwortete das Raumschiff, »jetzt fehlt nur noch Atlan. Wo ist er?« »Keine Ahnung«, erwiderte Dhonat. »Ich dachte, du könntest uns uns sagen.« »Er wollte eines der Kugelraumschiffe sprengen«, berichtete ANIMA. »Er ist in der Nähe des Flußdeltas ausgestiegen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.« »Wir werden versuchen, ihn zu holen«, bemerkte Kjok-Almergund. »Bis jetzt hat er noch keinen Erfolg gehabt. Ich habe nichts von einer Explosion gehört.« »Es hat auch noch keine gegeben«, entgegnete ANIMA. »Atlan ist erst seit etwa fünfzehn Minuten unterwegs. Für eine Explosion ist es noch zu früh.« »Ich steige aus«, erklärte Kjok-Duun entschlossen. »Ich gehe zu ihm. Vielleicht können wir zusammen an Bord teleportieren.« »Einverstanden«, sagte Dhonat. »Beeilt euch. Je schneller wir hier verschwinden, desto besser.« »Ich habe nicht vor, lange zu bleiben«, erwiderte das insektoide Wesen pikiert. ANIMA öffnete sich, und Kjok-Duun rannte hinaus. Sie hatte sich kaum zweihundert Meter von ANIMA entfernt, als zwei Noos-Raumer heranrasten. Sie hatten sich im Ortungsschutz einer Hügelkette genähert und eröffneten sofort das Feuer auf das lebende Raumschiff. Kjok-Duun warf sich entsetzt in eine Bodenhöhle und legte die Arme über den Kopf, um die Augen vor dem grellen Licht zu schützen. ANIMA startete und versuchte, steil aufsteigend zu entkommen. Doch jetzt feuerten die beiden Noos-Raumer nicht nur mit Energiekanonen, sondern sie richteten auch ihre Traktorstrahler auf sie. Kjok-Duun kroch aus der Höhle und rannte über einen der Hügel. Sie sah, daß ANIMA in einer Höhe von etwa tausend Metern verharrte. Immer wieder zuckten gleißend helle Energiestrahlen zu ihr hoch, richteten jedoch nichts gegen sie aus. Die unsichtbaren Traktorstrahlen hielten das lebende Raumschiff fest. Dieses schwankte heftig, glitt ruckend und zuckend mal zur einen, mal zur anderen Seite, entkam der Traktorklammer jedoch nicht. Kjok-Duun stöhnte entsetzt. Irgend etwas mußte geschehen. ANIMA konnte sich nicht ewig auf diese Weise halten. Weiter! befahl die Transversal-Teleporterin sich. Sie wird es schon schaffen. Atlan braucht deine Hilfe. Es fiel ihr schwer, die Blicke von ANIMA abzuwenden, doch sie sah ein, daß sie nicht länger bleiben durfte. Atlan muß zu seinem Ziel kommen, sagte sie sich. Wenn er es schafft, eines der Schiffe in die Luft zu jagen, werden die anderen abgelenkt, und ANIMA kann fliehen. *
Zwei der drei Raumschiffe starteten. Kolport hörte das Dröhnen der Triebwerke, und die heißen Abgase schlugen ihm entgegen. Er kämpfte sich gegen sie vor, denn er hatte Angst, daß auch der dritte Raumer wegfliegen könnte, so daß ihm keine Gelegenheit für Rache mehr blieb. Vergeblich hielt er nach den schwebenden Keilen Aussah. Allzugern hätte er auf sie geschossen. Doch die Wandelkristalle schienen abgezogen zu sein. Als er noch etwa hundert Meter von dem Noos-Raumer entfernt war, sah er Atlan in der Schleuse liegen. Er beobachtete, daß der Arkonide versuchte, auf Händen aus dem Schiff zu fliehen, da die Beine ihm den Dienst versagten. Kolport bemerkte aber auch die beiden Noos-Unoser, die sich Atlan näherten. Sie veranlaßten ihn zur Vorsicht. Tief geduckt rannte er durch das Schilfgras, wobei er sich bemühte, so leise wie nur eben möglich zu sein. Er dachte an Erlfret und daran, wie sie sich im Gelände bewegt hatte. Er wollte es ihr gleichtun. Sie hätten dich niemals erwischt, wenn die beiden Kinder nicht gewesen wären! dachte er. Die beiden Noos-Unoser beugten sich über Atlan. Einer von ihnen stieß den Arkoniden zurück, als dieser sich aufrichten wollte. »Lauft«, rief der Unsterbliche ihnen zu. »Ich habe Sprengsätze im Schiff versteckt. Ihr habt nur noch eine Minute.« »Du lügst«, antwortete einer von ihnen. »Nein. Es ist wahr. Die Bomben explodieren gleich. Schnell. Bringt euch in Sicherheit.« »Wo sind die Bomben?« »Das verrate ich euch nicht.« Sie schlugen ihn. Kolport sah rot. Er ertrug es nicht, Atlan in dieser Weise mißhandelt zu sehen. Er rannte los. Kaum noch zehn Meter trennen ihn von der Schleuse. Er überwand sie so schnell, daß die beiden NoosUnoser ihn erst bemerkten, als er vor ihnen stand. Mit einem Fußtritt schlug er dem ersten der beiden Stachelwesen den Energiestrahler vom Oberschenkel. Dem zweiten schmetterte er seine Waffe vor die Brust und warf ihn dadurch um mehrere Meter zurück. »Schnell«, drängte Atlan. »Die Bomben. Wir haben nur noch Sekunden.« Kolport hatte seine Warnung schon vorher gehört. Er riß den Arkoniden hoch und warf ihn sich über die Schultern. Dann sprang er aus der Schleuse und rannte vom Schiff weg. Er hörte, wie die beiden Noos-Unoser hinter ihm schrien. »Deckung«, rief der Arkonide. »Kolport, wir müssen in Deckung gehen.« Einer der Noos-Unoser feuerte auf sie. Der Energiestrahl zuckte dicht an ihnen vorbei, traf einen Baum und setzte ihn in Brand. Kolport warf sich nach vorn in eine Mulde und wälzte sich über den Arkoniden. Die Sprengsätze explodierten. Mit ohrenbetäubendem Krachen zerrissen sie das Raumschiff. Die Trümmer eines Schleusenschotts wirbelten über Kolport und den Arkoniden hinweg. Dann wurde es still. »Vorsicht. Nicht bewegen«, sagte der Unsterbliche. »Da passiert noch mehr.« Er behielt recht. Wenige Sekunden später explodierte etwas im Inneren des Noos-Raumers. Eine
Stichflamme stieg in den grünen Himmel hinauf, und dann bäumte sich der Boden unter Atlan und Kolport auf. Eine Druckwelle erfaßte die beiden Männer und schleuderte sie in ein nahes Gebüsch. Tausende von Trümmerstücken rasten bis zu den Wolken hoch. »Weg hier«, rief der Arkonide. Kolport sprang auf und zog ihn mit. Zusammen rannten sie auf den Fluß zu, während hinter ihnen das Wrack des Raumschiffs in Flammen aufging. Erste Trümmerstücke regneten herab. Sie kamen mit einer erschreckenden Geschwindigkeit herunter und gruben sich tief in den Boden ein. »Schneller«, drängte Kolport, der erst jetzt begriff. Entsetzt blickte er nach oben. Er sah ein zerfetztes Metallteil auf sich zukommen, und wollte ausweichen. Doch es war heran, bevor er reagieren konnte. Es zermalmte einen Baumstamm neben ihm. Kolport verschränkte die Arme über dem Kopf, obwohl er wußte, daß er sich auf diese Weise kaum schützen konnte. »Wir sind zu nah«, keuchte er. »Viel zu nah.« Dies waren seine letzten Worte. Wie vom Blitz gefällt brach er neben Atlan zusammen. Der lief noch einige Schritte weiter, bis er merkte, was geschehen war. Er kehrte zu dem Freund zurück. Auf den ersten Blick sah er, daß niemand Kolport noch hätte helfen können. Ein kleines Metallstück hatte seinen Kopf getroffen und durchbohrt. Er war sofort tot gewesen. Atlan sank neben ihm auf die Knie und beugte sich über ihn. Wie gern hätte er noch ein Wort mit ihm gewechselt, dem Freund ein letztes Wort mit auf den Weg gegeben. Keine fünf Meter von ihm entfernt schlug ein Trümmerstück auf, das größer war als er selbst. Schmutz und Wasser spritzten ihm über den Kopf. Doch er bemerkte es kaum. Geradezu gleichgültig blickte er zur Aufschlagstelle hinüber. Ihm wurde bewußt, daß er immer besondere Sympathien für Kolport gehegt hatte, dessen unbeholfene Art ihn oft hatte primitiv erscheinen lassen. Verzweifelt fragte er sich, warum das Metallstück unbedingt den Kopf hatte treffen müssen. Mit dem Zellschwingungsaktivator hätte er Kolport helfen können, wenn das Gehirn nicht zerstört gewesen wäre. Doch bei der vorliegenden Verletzung war auch er machtlos. Aus der Ferne klang das Dröhnen von Triebwerken zu ihm herüber. Er vernahm es und blickte auf. Du mußt verschwinden. Ein anderes Raumschiff wird kommen. Wenn die Besatzung dich hier sieht, ist es aus. Dem war nichts entgegenzusetzen. Er bot sich den Noos-Unosern an wie auf dem Präsentierteller. Er erhob sich, sah sich um, entdeckte eine Stelle, an der der Sumpf offenlag, schleppte Kolport hinüber und legte ihn behutsam hinein. Er blieb bei ihm, bis er darin versunken war. Das Dröhnen des Triebwerks wurde lauter. Atlan konnte das Kugelschiff bereits sehen. Es näherte sich dem Delta. Er rannte durch das Schilfgras bis zu einigen Büschen hinüber und warf sich hinein. Sekunden später war die grün glänzende Kugel über ihm. Sie schwebte in einer Höhe von etwa zweihundert Metern über dem brennenden Wrack, und er war sicher, daß die Besatzungsmitglieder zu ihm herabblickten. Narr! Du hättest längst in Sicherheit sein können. Minuten verstrichen, ohne daß etwas geschah. Atlan wagte nicht, sich zu bewegen. Immer wieder sagte er sich, daß die Noos-Unoser an Bord des Schiffes ihn orten konnten. Sie brauchten lediglich eine Infrarotkamera nach unten zu richten oder einen Individualtaster einzusetzen. Doch das taten
sie anscheinend nicht, denn nach Ablauf von etwa zehn Minuten setzte sich das Raumschiff in Bewegung und verschwand. Als Atlan sich erhob, um das Gebüsch zu verlassen, raschelte es plötzlich neben ihm, und dann brach ein großes Tier aus dem Dickicht hervor. Es flüchtete mit weiten Sätzen in den Sumpf hinaus. Es hatte vier Beine, einen langgestreckten Körper und einen breiten Kopf, der mit wehrhaften Hörnern besetzt war. Hast du endlich begriffen? Sie haben gesehen, daß etwas im Busch war, aber sie haben dich für ein Tier gehalten. Atlan zuckte mit den Schultern und lief zu der Stelle, an der er die KORALLE abgestellt hatte. Betroffen blieb er stehen, als er sah, daß sie nicht mehr da war. »Wir haben sie mit zu ANIMA genommen«, ertönte eine schrille Stimme. »Dort ist KjokAlmergund jetzt auch noch.« Kjok-Duun kam durch das Schilfgras heran. Sie streckte ihren rechten Arm aus und zeigte zu der Rauchwolke hinüber, die von dem zerstören Raumschiff aufstieg. »Gute Arbeit.« »Danke«, erwiderte Atlan und berichtete dann von dem Tod Kolports. Kjok-Duun hörte bestürzt zu. Traurig ließ sie die Fühler hängen. »Ich habe ihn gemocht«, sagte sie leise. »Er war mein Freund. Ich werde ihn vermissen.« Sie erzählte dem erstaunten Arkoniden nun seinerseits von dem tragischen Verlust, den Kolport mit dem Tod Erlfrets erlitten hatte. Atlan wollte dazu noch einige Fragen stellen. Doch plötzlich tauchte ein Wandelkristall in seinem Keilrobot in ihrer Nähe auf. Kjok-Duun griff nach dem Arm des Unsterblichen und teleportierte mit ihm, als der Sendbote des Unbekannten herumschwenkte und auf sie zuschoß. * In ANIMA herrschten chaotische Zustände. Das lebende Raumschiff schwankte und bebte unter den ständigen Treffern und unter der Gewalt der Traktorstrahlen und Hyperfelder, mit denen die NoosRaumer angriffen. Dhonat, Kjok-Almergund und Wasterjajn Kaz lagen auf dem Boden und klammerten sich aneinander. Das Insektenwesen war einer Ohnmacht nahe. Er reagierte nicht auf die Ankunft von Atlan und Kjok-Duun. Der Cheftheoretiker blickte den Arkoniden ebenso hilflos wie entsetzt an. »Können wir denn nichts tun?« fragte er. »Ich wüßte nicht, was«, erwiderte der Unsterbliche. »Wir haben keine Waffen, mit denen wir uns wehren können.« »Das ertrage ich nicht«, schrillte Kjok-Duun. Sie preßte beide Hände an den Kopf und brach dann besinnungslos zusammen. Wasterjajn Kaz kauerte wie ein Häuflein Elend auf dem Boden. Er schüttelte seine beiden Köpfe. »Nun werde ich die Rätsel der Sonnensteppe niemals lösen«, klagte er. »Und ich werde nichts mehr über mein Volk erfahren. Nicht einmal seinen Namen.« Er verdrehte die Augen, versuchte, sich aufzurichten, stürzte dann nach vorn und blieb bäuchlings
auf dem Boden liegen. Ein gequältes Stöhnen ging durch ANIMA. »Hilf mir, Atlan«, brachte sie mühsam hervor. »Ich brauche eine Atempause, um fliehen zu können.« Verzweifelt fragte der Arkonide sich, was er tun konnte. Nur noch Dhonat und er waren Herr ihrer Sinne, aber sie waren eingeschlossen im Schiff, das unter ständigem Beschuß stand. Es war ein Fehler, zurückzukehren, erkannte er. Ich hätte draußen bleiben müssen. Nur dann hätte ich die beiden Schiffe angreifen können. ANIMA schuf ein kleines Fenster, durch das er hinaussehen konnte. Sie hoffte, daß er auf eine Idee kommen würde. Doch er sah keine Möglichkeit, sich gegen den Beschuß zu wehren. Im Gegenteil. Die beiden Noos-Raumer schwebten etwa dreihundert Meter über ANIMA. Er konnte sie nicht erreichen, und mit der KORALLE gegen sie vorzugehen, wäre absolut tödlich für ihn selbst gewesen. »Es ist aus«, ächzte der Hugerer. »Dieses Mal ist es wirklich vorbei.« Er legte die Hände gegen den kugelrunden Kopf und brach ebenso zusammen wie die anderen zuvor. Atlan ließ sich auf die Knie sinken. Er hatte bohrende Kopfschmerzen, obwohl der Zellaktivator intensive Impulse aussandte. Gab es wirklich keinen Ausweg? ANIMA wurde so heftig erschüttert, daß er den Halt verlor und zur Seite kippte. Er streckte die Arme aus, um sich abzustützen, doch abermals ging ein Ruck durch das lebende Raumschiff. Atlan rutschte mehrere Meter weit über den Boden. Dann schien etwas in seinem Kopf zu explodieren. Er schrie auf. Feurige Kreise tanzten um seine Augen. »Was ist los, ANIMA?« rief er. »Die Hyperfelder«, klagte das Schiff. »Sie bringen mich um.« Es schien sich aufzubäumen. Der Boden wurde zur Schräge, so daß Atlan sich kaum noch halten konnte. Die bewußtlosen Freunde rollten bis zur Wand. »Es schleudert mich hinaus«, schrie ANIMA. »Ich kann mich nicht mehr halten.« Das Licht erlosch. Atlan fühlte sich herumgeschleudert. Beängstigend hohe Beschleunigungswerte kamen durch. War ANIMA zum Spielball fremder Kräfte geworden? Irgend etwas, schlug gegen den Kopf des Arkoniden. Dieser hatte das Gefühl, in einen Abgrund gestoßen zu werden. Er stürzte in die Tiefe. Vergeblich streckte er die Arme zu den Seiten hin aus. Seine Hände griffen ins Nichts. Atlan verlor das Bewußtsein. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als er wieder zu sich kam. Es war dunkel und geräuschlos im Schiff. Der Arkonide hörte noch nicht einmal seinen eigenen Atem. Er schnippte mit den Fingern, weil er fürchtete, taub geworden zu sein. Deutlich vernahm er das Knacken. »Atlan? Bist du es?« fragte Dhonat. »Bist du in Ordnung?« »Mir ist nichts passiert. Ich habe nur Kopfschmerzen. Das ist alles. Sie werden bald abklingen.
Doch das interessiert mich nicht. Wichtig ist jetzt allein die Frage, wo wir sind.« Allmählich wurde es hell. ANIMA spendete Licht. »Und wie geht es dir, ANIMA?« fragte der Arkonide. »Wir sind durch den Hyperraum, geschleudert worden«, antwortete sie nach einiger Zeit. Sie sprach langsam, so als ob sie Mühe hätte, sich zu konzentrieren. »Wo sind wir?« »Ich weiß es nicht. Irgendwo in Alkordoom. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.« Atlan erhob sich und lockerte Arme und Beine. Er erholte sich rasch. »Ich muß zur KORALLE«, sagte er. »Mir ihrer Hilfe kann ich feststellen, wo wir sind.« Das lebende Raumschiff öffnete ihm einen Gang zum Gleiter. Atlan schaltete die Ortungs- und Beobachtungsgeräte ein, nachdem ANIMA ihm ermöglicht hatte, ins All hinauszusehen und die Sternenkonstellationen zu erfassen. Er brauchte etwa eine halbe Stunde, bis er mit Hilfe der positronischen Bordinstrumente herausgefunden hatte, daß sie sich im Sektor Janzonborr befanden. Dieser unterstand Yog-Mann-Yog, dem Zwilling. Das war alles, was Atlan und die anderen über diesen Sektor wußten. Ihre Lage war alles andere als rosig. Der Arkonide war sich dessen sicher, daß sie entweder schon geortet worden waren oder aber bald geortet werden würden. Dann würde alles von vorn beginnen. Sie würden erneut in Auseinandersetzungen mit anderen Raumschiffen verwickelt werden, denen sie unterlegen waren. Die nächsten Schritte mußten sorgfältig überlegt werden, wenn sie nicht zum Fiasko führen sollten… Er kehrte zu Dhonat, Wasterjajn Kaz und den beiden Kjokern zurück, um mit ihnen über ihre Lage zu sprechen. »Hinausgefeuert aus der Sonnensteppe«, sagte der Hugerer. »Ich hätte mir alles mögliche träumen lassen, aber das nicht.« * Sturm peitschte die See, als die überlebenden Wandelkristalle vom grünen Planeten zum Turm des Unbekannten zurückkehrten. Sie schwebten lautlos über die hochgehenden Wellen heran und glitten durch den Eingang am Fuß des Gebäudes. Wandler-7 war nicht unter ihnen. Sie hatten den Kontakt zu ihm verloren. Sie hatten nach ihm gesucht, doch als sie registriert hatten, daß ANIMA durch den Hyperraum davonkatapultiert worden war, hatten sie die Suche nach ihm eingestellt und die grüne Welt verlassen. Sie stiegen im Turm bis zu seiner Spitze auf, erfüllt von dem Gedanken, daß sie ihre Aufgabe vollbracht hatten. Als sie in die Hohlkugel glitten, zuckten grüne Desintegratorstrahlen aus den Wänden. In Bruchteilen von Sekunden war alles vorbei, und es gab keine Wandelkristalle mehr. Sie begriffen in der Sekunde ihres Todes, daß Wandler-7 als einziger richtig gehandelt hatte. Ihn hatten sie für entartet gehalten. Jetzt wußten sie, daß er es nicht wahr, doch dieses Wissen half ihnen nicht mehr. *
Der Sturm flaute langsam ab, als die NOOS-1 und die NOOS-3 zurückkehrten. Die beiden Kugelraumer näherten sich dem Turm langsam. Sie landeten auf einer kleinen Insel in der Nähe, und die überlebenden sechs Noos-Unoser flogen auf Antigravplattformen zum Turm hinüber. »Ich bin froh, daß wir es geschafft haben«, sagte Unnumet, als sie den Turm betraten und im Antigravschacht nach oben schwebten. »Wir waren besser als die Keile.« Die anderen nickten. Sie waren sicher, daß sie belobigt werden würden, wenn sie dem Unbekannten gegenüberstanden, denn sie hatten ihren Auftrag erfüllt. Sie hatten den Arkoniden entfernt, und vielleicht hatten sie ihn sogar getötet. Sie wußten nicht, wo er jetzt war. Trotz größter Anstrengungen war es ihnen nicht gelungen, ANIMA ortungstechnisch zu verfolgen. Sie betraten die kugelförmige Halle in dem Bewußtsein, daß sie gehorsam gewesen waren und damit der höchsten Tugend ihres Volkes genügt hatten. »Wir haben Atlan und seine Begleiter mit ihrem Raumschiff entfernt«, meldete Unnumet. »Wo ist Unpjok?« fragte der Unbekannte, der sich dieses Mal nicht durch eine Projektion zeigte, sondern unsichtbar blieb. »Er ist gefallen«, antwortete Unnumet. »Er befand sich in der NOOS-2, als diese explodierte.« »Die keilförmigen Wandelkristalle waren vor euch hier. Sie sind vom grünen Planeten zurückgekehrt und haben mir berichtet, was dort geschehen ist. Warum habt ihr nicht gegen sie gekämpft?« »Das erwies sich als nicht unbedingt notwendig«, erwiderte Unnumet arglos. Er war überzeugt davon, keinen Fehler gemacht zu haben, und er glaubte, daß sie eine gewisse Entscheidungsfreiheit hatten. »Ihr habt meinem Befehl zuwider gehandelt«, erklärte der Unbekannte mit schneidend scharfer Stimme. »Ihr habt einen meiner Befehle mißachtet.« »Aber das Ergebnis entspricht deinen Wünschen«, rief Unnumet verzweifelt. »Es kommt nicht auf das Ergebnis an, sondern auf Gehorsam«, betonte der Unbekannte. »Ich kann niemanden gebrauchen, der ungehorsam ist.« »Nein, Herr«, rief Unnumet verzweifelt. »Wir haben in deinem Interesse gehandelt. Wir haben…« Er kam nicht weiter. Energiestrahlen schossen aus den Wänden und töteten die sechs Noos-Unoser. Der Unbekannte war konsequent, und er duldete keine Eigenständigkeit. Er nahm Verbindung mit dem Juwel auf und teilte diesem mit, daß Atlan und ANIMA aller Voraussicht nach noch lebten, und daß mit ihrem erneuten Auftreten in naher Zukunft gerechnet werden mußte. Der Erleuchtete nahm die Nachricht kommentarlos entgegen. * Uruc blickte in die untergehende Sonne. Er hatte seinen inneren Frieden gefunden, nachdem seine Leute, der Strahlende und er eine verlassene Stadt in den Bergen erreicht hatten. Aasfresser hatten die wenigen Leichen beseitigt, die auf den Straßen gelegen hatten. Während der Wandelkristall sich um die Männer, Frauen und Kinder kümmerte, hatte Uruc sich in der Stadt umgesehen. Er hatte eines der Häuser bezogen und sich dort eingerichtet, so gut es ging. Aus den anderen Häusern hatte er sich geholt, was er zum Leben brauchte. Es war nicht viel.
Er war bescheiden geworden. Hohe Ansprüche stellte er nicht mehr. Ihm war bewußt geworden, wie vergänglich die Werte der Zivilisation waren. Ihm fehlte das technische Wissen, die Schäden in den Häusern zu beheben, und ihm war klargeworden, daß die Spuren der Zivilisation früher oder später ganz verschwinden würden. Die Häuser würden verfallen. Die technischen Einrichtungen würden nach einiger Zeit nicht mehr funktionieren. Der Verfall würde sich durchsetzen, ob es den Strahlenden und ihn gab oder nicht. Sie konnten die Entwicklung nicht mehr aufhalten. Dazu war es zu spät, denn sie waren die einzigen intelligenten Wesen auf diesem Planeten, der keine Zukunft mehr hatte. Keine Zukunft? Uruc beobachtete den Strahlenden, der sich mit den Männern und Frauen seines Volkes beschäftigte, um ihnen einiges beizubringen. Falsch! dachte Uruc. Er wird dafür sorgen, daß wir wieder eine Zukunft haben. Und ich sollte nicht klagen, sondern ihm zur Seite stehen und dafür sorgen, daß es für uns alle wieder aufwärtsgeht. Resignation darf es nicht geben. ENDE
Nach den gefährlichen Abenteuern in der Sonnensteppe ist Atlans Raumschiff ANIMA in den Sektor Janzonborr verschlagen worden, der von der geheimnisvollen Facette Yog-Mann-Yog beherrscht wird. Was Atlan dort erlebt, das schildert Peter Terrid im nächsten Band der Serie. Der Roman erscheint unter dem Titel: DIE BIO-BRÜTER
ATLANS EXTRASINN Eine hoffnungslose Lage? Das Bild über Alkordoom rundet sich nur langsam ab. Zu vielfältig sind die Gefahren, die uns hier drohen, zu verwirrend die Kräfteverhältnisse, zu exotisch die Völker, zu unklar die Ziele der Mächtigen dieser Galaxis. Aus den Grenzen, die Atlan aufgezeigt wurden, wird dennoch einiges erkennbar, was die weitere Durchführung des Auftrags der Kosmokraten erleichtern könnte. Das täuscht mich jedoch nicht darüber hinweg, daß eine Lösung des Gesamtproblems noch nicht in Sicht ist. Wenn ich dem umgekommenen Torso Modart glaube, dann liegt in dem geheimnisvollen MEMORIUM vielleicht der entscheidende Schlüssel zum Nukleus, zum Erleuchteten und damit zu EVOLO. Doch wo dieses Objekt sich befindet, ist unklar. Die Grenze zwischen Sonnensteppe und Nukleus ist nun, da ANIMA nach Janzonborr verschlagen wurde, weiter entfernt denn je. Und diese Grenze ist ein Raumgebiet, in dem eine gezielte Suche ohne weitere Informationen völlig sinnlos ist. Diese Suche könnte Jahrhunderte dauern, und soviel Zeit hat Atlan nicht. Ganz abgesehen davon, hat uns der Erleuchtete durch seine Helfer mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß er sich nicht ins Handwerk pfuschen läßt. Er besteht darauf, daß der Status quo oder das Tabu der Sonnensteppe erhalten bleibt. Atlans Bemühungen verdienen Anerkennung, aber realistisch betrachtet ist das, was er macht, weniger als ein Herumstochern im sprichwörtlichen Heuhaufen, in dem die Nadel EVOLO versteckt ist. Die Zusammenhänge um die Psi-Potentiale sind klargeworden. Das Juwel Sammelt diese. Die Facetten sind zur Abgabe von Potentialen verpflichtet. Der Erleuchtete muß ein Druckmittel besitzen, das die Leuchtenden veranlaßt, unablässig nach Psi-Potentialen zu suchen. Worin dieses Druckmittel besteht, habe ich noch nicht erfahren, denn weder im Machtbereich des Gentile Kaz, noch in Kontagnat, wo jetzt die Celesterin Flora Almuth die Macht in Atlans Sinn in den Händen hält, sind Häscher des Erleuchteten direkt in Erscheinung getreten. Es bleibt zu hoffen, daß Flora mehr über diese Zusammenhänge in Erfahrung bringt und Atlan dies mitteilt. Vorerst wird das nicht möglich sein, denn Atlan muß erst einmal mit der augenblicklichen Situation um ANIMA fertig werden und dann versuchen, aus Janzonborr zu entkommen. Die Häscher der noch unbekannten Facette Yog-Mann-Yog, die man den Zwilling nennt, werden bestimmt nicht schlafen. Atlans Lage ist also alles andere als rosig. Doch zurück zum Bild über Alkordoom. Die kugelförmige Galaxis besteht aus acht äußeren Sektoren, in denen jeweils ein Leuchtender, auch Facette genannt, herrscht. Zulgea von Mesanthor aus Kontagnat konnte beseitigt werden. Bei Gentile Kaz aus Ordardor ist das nicht gelungen. Es fragt sich, ob es überhaupt sinnvoll ist, in den äußeren Sektoren weiter zu suchen, denn die Schlüssel zur Lösung des Auftrags liegen zweifellos jenseits der Grenze, die die Sonnensteppe mit den acht Sektoren bildet. Die Eindrücke, die ich in der Sonnensteppe gewonnen habe, sind auch für mich als logisch denkendes Bewußtsein nur schwer zu verarbeiten. Am meisten leidet Wasterjajn Kaz, der das Schicksal seines Volkes aus verschiedener Sicht erfahren hat, ohne etwas daran ändern zu können. Die Steppenpiraten sind ein Machtfaktor, der aber in Anbetracht der Greueltaten, die die hier nun lebenden Restvölker erleiden mußten, verblaßt. Ein Völkchen wie die Urucher kann man fast noch beneiden, weil ihre auf die tierische Instinktebene zurückgebildeten Persönlichkeiten die Tragweite des erlittenen Schicksals nicht mehr verstehen können. Die Kosmokraten haben von den Mächten des Chaos gesprochen, die hinter dem Erleuchteten stehen. Dieser Begriff »Chaos« ist aber gewiß nicht gleichzusetzen mit dem Chaos, das hier an allen bisher erlebten Orten von Alkordoom vorherrscht. Atlan empfindet die hiesigen Verhältnisse mit Recht als chaotisch. Ich denke einen Schritt weiter. Dieses reale Chaos muß einen bestimmten Sinn
haben, der mit der noch zur Gänze unbegreiflichen Mentalität des Erleuchteten zusammenhängt. Denn dieser hat mit Sicherheit diesen Zustand herbeigeführt. Die Ziele des Juwels sind jedoch unbekannt. Ich weiß nur, daß durch ihn und EVOLO den Kosmokraten eine immense Gefahr droht. Wo sind die Mächte des Chaos? Auch jenseits der Materiequellen? Oder gar in einer anderen Existenzebene? Ich weiß es nicht, denn sie sind so wenig faßbar wie die Kosmokraten selbst. Ist das Juwel für die Chaosmächte das, was Atlan für die Kosmokraten darstellt? Ich vermute es. Wenn das zutrifft, dann sind die Karten in dieser Auseinandersetzung sehr schlecht verteilt, denn das Juwel hat schier unbegrenzte Hilfsmittel, praktisch eine ganze Galaxis mit ihren Völkern, auf seiner Seite. Was hat Atlan? ANIMA, eine Handvoll Helfer, die ehemaligen Steppenforscher, die Celester, die ihre Ruhe haben wollen, und Flora Almuth, der der Erleuchtete auch über kurz oder lang auf die Schliche kommen wird. Atlans Lage ist nicht nur hoffnungslos. Sie ist – realistisch betrachtet – sinnlos. Haben die Kosmokraten nichts anderes aufzubieten als den Arkoniden und sein lebendes Raumschiff ANIMA? Ein Plus besitzt Atlan jedoch. Das ist sein ungebrochener Wille. Er lacht nicht über meine Zweifel, aber er sagt mir deutlich, daß er allein entscheidet, was geschieht.