Seewölfe 192 1
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Seewölfe 192 1
Kelly Kevin 1.
Die eisige Luft stach wie mit tausend Nadeln in die Lungen. Von Nordwesten pfiff und jaulte der böige Wind, jagte Nebelschwaden und tiefhängende Wolkenfetzen vor sich her und orgelte durch das Rigg der „Isabella“, als wolle er auf den straff gespannten Wanten und Pardunen zum Tanz aufspielen. Einem gespenstischen Höllentanz, bei dem die Galeone zum hilflosen Spielball der Elemente wurde. Den Schneesturm der letzten Tage hatten sie überstanden. Der glitzernde Reif, der Masten, Rahen, Stage und jeden Zoll der Planken überzog und sie in ein schimmerndes Geisterschiff verwandelte, konnte ihr nicht viel anhaben. Aber rings um den Schiffsrumpf knirschte und knackte das Eis, schob, knisterte und mahlte und schloß seinen tödlichen Würgegriff immer fester und gnadenloser um die „Isabella“. Schlapp und nutzlos hingen die Segel im Gei. Nicht mehr die Seewölfe bestimmten den Kurs, nicht einmal der Wind, sondern nur noch das riesige Eisfeld, das sie eingeschlossen hatte. Unaufhaltsam driftete es nach Nordwesten. Noch war die Küste nah, aber wenn sie keinen Ausweg fanden, würden sie ans Ende der Welt treiben, in eine eisige Hölle, die noch keines Menschen Auge erblickt hatte. Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells und kniff die Augen vor dem kalten Wind zusammen. Wie viele Wochen dauerte ihre Irrfahrt durch den höchsten Norden jetzt eigentlich schon? Er rechnete nicht nach. Sie hatten die Hölle erlebt und endlos gegen die mörderische Natur gekämpft, bis sich endlich ein Hoffnungsschimmer zeigte: die Wasserstraße nach Süden, die ihnen den Weg in den pazifischen Ozean öffnen würde. Sie mußte da sein. Denn die „Isabella“ war auf Menschen gestoßen, die von der Westküste der Neuen Welt kamen, die mit ihrem Schiff, genau wie die
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Seewölfe auf der anderen Seite des Kontinents, von furchtbaren Stürmen nach Norden verschlagen worden waren. Ein paar von diesen Menschen befanden sich immer noch an Bord. Martin Trieberg, der deutsche Kapitän des Walfängers „Helsingborg“. Sein Todfeind Black Jack Jayhawk, der Anführer einer Bande skrupelloser Goldsucher, die die „Helsingborg“ durch Meuterei an sich gebracht und Kapitän und Besatzung im Eis ausgesetzt hatten. Björn Springdaal, der Schwede, der im entscheidenden Kampf auf der Seite der Seewölfe gewesen war. Und die rothaarige, rätselhafte London-Lilly mit ihrem zwölfjährigen Töchterchen eine hartgesottene Abenteuerin auf der Suche nach ihrem verschollenen Mann. Jetzt, angesichts der neuen Bedrohung, dachte der Seewolf nicht mehr über die Vorsehung nach, die die Schicksale all der Menschen auf so seltsame Weise miteinander verknüpft hatte. Die „Isabella“ mußte aus dem Eis freikommen, oder sie würde geradewegs dem Teufel ins Maul fahren. Und es mußte schnell geschehen, sehr schnell! Denn selbst jetzt, gegen Ende des kurzen Polarsommers, waren nur die Küstengewässer einigermaßen eisfrei. Je weiter die Galeone nordwärts driftete, desto geringer wurden ihre Chancen - und irgendwann würde der Zeitpunkt kommen, da keine Macht der Welt sie mehr aus der eisigen Umklammerung retten konnte. Big Old Shane. der ehemalige Schmied und Waffenmeister der Feste Arwenack, umklammerte mit seinen mächtigen behandschuhten Fäusten die Schmuckbalustrade. „Drecksgegend“, murmelte er durch die zusammengebissenen Zähne. „Ich glaube. wir driften immer näher an die ,Helsingborg' heran, eh?“ Der Seewolf nickte. Die „Helsingborg“ war nur noch ein Wrack und saß im Eis fest. Die Goldsucher hatten sie aufgeben müssen. Sie waren in die gleiche verzweifelte Lage geraten wie die Männer, die sie kaltblütig ausgesetzt
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hatten und in letzter Minute von der „Isabella“ gerettet worden waren. Aber ohne die „Helsingborg“, das wußte Hasard, würden die Seewölfe wohl immer noch mit gebrochenem Besanmast und zerfetzter Ruderanlage auf einem Riff sitzen. Mit Bordmitteln waren die Schäden nicht zu reparieren gewesen. Der wracke Walfänger hatte das nötige Holz geliefert - nach einer Expedition über das Eis, die ohne die Hilfe der gastfreundlichen Eskimos mit ihren Hundeschlitten unmöglich gewesen wäre. „Wir müssen endlich freikommen, und wenn wir das ganze verdammte Eisfeld sprengen“, sagte Hasard verbissen. „Am besten versuchen wir, zu Fuß die nächste Wasserstraße zu erkunden und ...“ Er unterbrach sich. Ben Brighton, Bootsmann und Erster Offizier der „Isabella“, enterte den Niedergang hoch. Genau wie die meisten anderen trug er Hosen aus Rentierfellen, eine zottige Eisbärenjacke, Stiefel, Handschuhe und Fellmütze. Zeitweise hatte es das Wetter erlaubt, einen Teil dieser Vermummung abzulegen. An Land hatten sie einmal sogar blühendes Moos gesehen - in Farben, deren Leuchtkraft jeden südlichen Garten übertraf. Jetzt war die Temperatur wieder drastisch gefallen, und der von Ferris Tucker konstruierte Silberbarren-Ofen bildete den unbestrittenen Mittelpunkt des Bordlebens. Ben Brighton kratzte sich am Kopf - oder vielmehr an der zerzausten Fellkapuze. „Verdammt kalt, Sir!“ schrie er gegen das Pfeifen des Windes an. „Vielleicht sollten wir diese miese Kakerlake doch mal zeitweise aus der Vorpiek lassen, bevor er da zum Eisblock wird.“ Mit der „miesen Kakerlake“ meinte er Jack Jayhawk, den Anführer der Goldgräber. Der schwarze Jack hatte seine Komplicen in eine Meuterei gehetzt und versucht, sich auch die „Isabella“ unter den Nagel zu reißen. Durch einen ganz schmutzigen Trick, indem er die beiden Söhne des Seewolfs als Geiseln benutzte. Aber Philip und Hasard, die achtjährigen Zwillinge, hatten das entscheidende Gespräch der
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Meuterer belauscht. Die rothaarige London-Lilly sagte sich endgültig von den gewissenlosen Halunken los, Björn Springdaal schlug sich auf die Seite der Seewölfe - und der heimtückische Plan mußte scheitern. Jayhawks Komplicen waren mit einem Schlittengespann geflohen -dem Geschenk der Eskimos an die „Isabella“-Crew. Den schwarzen Jack hatte Hasard vor die Wahl gestellt, entweder seinen Kumpanen in die Wildnis zu folgen oder in der Vorpiek gefangen gesetzt zu werden. Da er wußte, daß die Männer mit dem Schlitten nur eine dünne Überlebenschance besaßen, hatte Jayhawk die Vorpiek gewählt. Eigentlich verdiente er die Rahnock, aber von den Seewölfen wollte sich niemand die Hände an ihm beschmutzen. Martin Trieberg, auf den sie in der Eskimosiedlung gestoßen waren, hatte dem Kerl zwar den Tod geschworen, aber der Kapitän aus dem Schwarzwald war ein aufrechter Mann, der nicht daran dachte, sich an einem wehrlosen Gefangenen zu vergreifen. In der Vorpiek der „Isabella“ erlebte der schwarze Jack ohnehin die Hölle, daran änderten auch die Felldecken nichts, die man ihm gegeben hatte. Jetzt allerdings wäre es glatter Mord gewesen, ihn weiter in diesem feuchten, eisigen Loch zu lassen. Viel Mitleid verdiente er bestimmt nicht. Im Grunde verdankte er sein Leben nur der Tatsache, daß jeder an Bord sich scheute, die beiden Jungen und die kleine Liza mit der grausamen Realität einer Hinrichtung zu belasten. Aber nachdem man sich nun einmal für Gnade vor Recht entschieden hatte, konnte man auch nicht zusehen, wie der Bursche elend krepierte. „Na schön“, knurrte Hasard. „Holt ihn heraus und bringt ihn in die Mannschaftsmesse. Aber paßt auf, daß Trieberg ihm nicht an die Kehle geht.“ „Aye, aye, Sir.“ Ben Brighton schwang herum und stapfte wieder den Niedergang hinunter. Hasard spähte über die Kuhl. Ein Dutzend Männer standen am Schanzkleid und starrten in die
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ziehenden Nebelfetzen, da es in dieser Situation, driftend im Würgegriff des Eises, absolut nichts für sie zu tun gab. Martin Trieberg und Björn Springdaal waren unter ihnen. Auch sie waren Todfeinde gewesen. Die Schuld am Schicksal der Männer, die von den Meuterern auf der „Helsingborg“ ausgesetzt und im Sturm von Trieberg getrennt worden waren, konnte nichts und niemand Springdaal abnehmen. Aber der blonde Schwede hatte sich von Jayhawk losgesagt, sich gegen ihn gestellt und dabei das eigene Leben in die Schanze geschlagen. Martin Trieberg begriff, daß sein Gegner ein anderer geworden war. Die beiden Männer hatten sich die Hand gereicht — und jetzt sah es fast so aus, als seien sie Freunde geworden. Der Seewolf nickte Big Old Shane zu, löste sich von der Schmuckbalustrade und enterte ebenfalls den Niedergang hinunter. Er wußte, daß seine Männer immer noch eine Menge Wut im Bauch hatten. Trotzdem würden sie Jack Jayhawk nicht anrühren. Das war gar keine Frage, da war das Wort des Seewolfs ehernes Gesetz. Aber Martin Trieberg unterstand nicht Hasards Kommando. Und wenn er ehrlich war, mußte er sich eingestehen, daß er nicht wußte, was er selbst an Triebergs Stelle getan hätte. Die Situation, daß acht Männer der „Isabella“ durch Jayhawks Schuld in der Eiswüste verschollen wären, wollte sich der Seewolf lieber gar nicht erst ausmalen. Er stand neben dem Schwarzwälder, als das Schott zum Vorschiff aufsprang. Ben Brighton und Blacky schoben den schwarzen Jack auf die Kuhl. Er hatte sich eine Felldecke umgehängt und klapperte haltlos mit den Zähnen. Sein bleiches, bärtiges Gesicht war noch gezeichnet von den Strapazen der Überwinterung an der Küste, die ihm und seinen Kumpanen in der elenden, aus Planken zusammengenagelten Hütte fast zum Verhängnis geworden wäre. Niemand konnte bezweifeln, daß die Hölle hinter ihm lag. Aber das hatte ihn nicht geläutert und seine verbrecherische Energie in
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keiner Weise geschmälert. Er war immer noch derselbe hinterhältige Halunke wie vorher. Martin Triebergs Haltung verkrampfte sich. Seine behandschuhte Rechte fuhr zum Griff des Säbels. der an seiner Hüfte hing. Hasard legte ihm ruhig die Hand auf die Schulter. Triebergs Kopf flog herum. Seine hellen Augen flackerten. „Acht Männer!“ stieß er hervor. „Er hat sie auf dem Gewissen, er allein! Dieses Schwein hat ...“ „Das weiß ich, Martin. Aber er ist wehrlos. Wollen Sie ihn wirklich wie eine Ratte erschlagen?“ Triebergs Zähne knirschten. Einen Augenblick sah es so aus, als könne er den Haß, der in ihm tobte, nicht länger ertragen, als werde er im nächsten Augenblick die Nerven verlieren und sich auf seinen gefesselten Gegner stürzen. Dann atmete er heftig aus und schüttelte den Kopf. „Er ist eine Ratte“, sagte er heiser. „Er hat hundertmal den Tod verdient. Aber ich will mich nicht auf die gleiche Stufe mit ihm stellen, ich will nicht auch zum Mörder werden.“ Hasard nickte nur. Er wartete ein paar Sekunden, bis Blacky und Ben Brighton den schlotternden Goldgräber in den Niedergang zur Mannschaftsmesse geschoben hatten, wo er sich aufwärmen konnte. Dann wandte er sich um und ließ den Blick über die Männer gleiten, die von den Strapazen der letzten Tage alle noch mehr oder weniger erschöpft waren. „Wir müssen aus dem Eis heraus“, sagte er. „Jede Stunde, die wir warten, verringert unsere Chancen. Diese verdammte Drift führt uns sonst wohin, aber nicht näher an die Passage nach Süden.“ „Sprengen“, schlug der schwarzhaarige Stückmeister Al Conroy vor. „Sicher, Al Aber zunächst einmal müssen wir wissen, wo wir sprengen können. Deshalb werden wir einen Trupp losschicken, der das Eisfeld untersucht.“ Er lächelte matt. „Ich möchte freiwillige
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Meldungen von denjenigen, die sich tatsächlich noch in Form fühlen.“ Sofort flogen zwölf Arme hoch. Wären mehr als dieses Dutzend Männer auf der Kuhl gewesen, hätte er auch mehr freiwillige Meldungen erhalten. Sie fühlten sich alle in Form, obwohl sie bis zum Umfallen gegen den Schneesturm gekämpft hatten und hinter den meisten ohnehin schon lange, anstrengende Märsche über das Eis lagen. „Die blöden Stinte können wohl den Hals nicht vollkriegen“, knurrte der Profos. Dabei übersah er großzügig, daß er selbst sich natürlich auch gemeldet hatte. Aber für den eisernen Profos galten eben besondere Maßstäbe, der marschierte noch, wenn andere nur noch kriechen konnten. Der Seewolf grinste. „Gut, Ed. Wir beide, Luke Morgan, Sam Roskill und Bob Grey. Einen Materialschlitten brauchen wir nicht, nur Musketen, Handkompaß und eiserne Ration. Al, du kannst inzwischen schon mal alles für die Sprengung vorbereiten.“ „Aye, aye, Sir.“ Der Stückmeister wandte sich um und verschwand im Niedergang. Björn Springdaal folgte ihm. Der Schwede verstand eine Menge von Sprengstoffen und hatte sein Talent schon bewiesen, als sie das Riff in die Luft jagten, auf das der Sturm die „Isabella“ geworfen hatte. Hasard und die anderen brauchten nicht lange, um sich vorzubereiten. Schon eine halbe Stunde später enterten sie über die Jakobsleiter ab: fünf Vermummte, in Felle gehüllte Gestalten. Ed Carberry erinnerte aus der Entfernung an einen zottigen Eisbären. Luke Morgan, Sam Roskill und Bob Grey gehörten alle drei nicht zu den Hünen. Aber sie waren kräftig und zäh, und da sie an einigen der anstrengenden Unternehmungen aus den letzten Tagen nicht teilgenommen hatten, waren sie weniger verausgabt als die meisten anderen. Der Seewolf übernahm die Führung. Schnurstracks marschierte er nach Westen, in die weißen, ziehenden Nebelschwaden. Die anderen folgten ihm, und schon nach
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wenigen Minuten konnten „Isabella“ nicht mehr sehen.
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* Sechs Männer waren es, die das Fellboot mühsam durch das Gewirr der Eisschollen steuerten. Walfänger. Überlebende der „Helsingborg“, von skrupellosen Meuterern mit einer lächerlich geringen Ausrüstung an Land gesetzt. Sie wußten nicht, daß ihr Schiff im Eis festsaß und auch die Meuterer in eine verzweifelte Lage geraten waren. Ein Schneesturm hatte sie von Martin Trieberg getrennt, und genau wie er verdankten sie ihr Leben einer Eskimo-Sippe, die sie gefunden und bei sich aufgenommen hatte. Jetzt versuchten sie, mit dem Boot an der Küste entlang den Weg nach Süden zu finden. Sie waren acht gewesen, als sie vor Wochen aufbrachen. Zwei hatte die eisige See geholt. Und auch die anderen sahen aus, als grinse ihnen der Sensenmann schon über die Schultern. Felle und Decken schlotterten um abgezehrte Gestalten. Die Gesichter waren eingefallen, fiebrig glänzende Augen lagen tief in den Höhlen. Die Lippen der meisten waren mit weißem Schorf bedeckt, Fetzen lösten sich aus ihrer Haut — der Skorbut, dem sie auch im Lager der Eskimos nicht hatten begegnen können. Ihre Gastgeber hatten kaum selbst genug zum überleben. Es grenzte an ein Wunder, daß sie es geschafft hatten, acht Menschen durchzufüttern, die zu schwach waren, um sich an Jagd und Fischfang zu beteiligen. Als der Sommer begann, hatte man ihnen das Boot geschenkt — und damit die Chance, den Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Aber die Vorräte waren schnell zur Neige gegangen, und es hatte Tage gegeben, an denen die Männer in ihrer Verzweiflung ausgekochte Seehundsfelle kauten, um den Hunger zu betäuben. An Land gruben sie Moos und Flechten aus dem Schnee, um den Skorbut niederzuhalten.
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Schneestürme hielten sie tagelang in ihrem winzigen Zelt fest, und sie kämpften gegen die Versuchung, das Boot zu opfern, um Feuer zu entzünden. Aber Aage Olsen, der schwedische Mitbesitzer der „Helsingborg“, war aus hartem Holz geschnitzt. Immer wieder beschwor er die Männer, nicht aufzugeben. Immer wieder trieb er sie hoch, wenn sie nur noch den Wunsch hatten, im Schnee liegenzubleiben und auf den Tod zu warten. Immer wieder spornte er sie durch sein Beispiel an, und ihm verdankten sie es, daß sie es überhaupt so weit geschafft hatten. Gleichmäßig tauchte er das Stechpaddel ein und trieb das Boot weiter. Auf der anderen Seite des Bootes tat der bärtige Peter Wolf das gleiche. Er und sein Bruder Michael stammten aus dem Schwarzwald wie Martin Trieberg. Jarl Tromsö war Schwede wie Olsen, die beiden anderen stammten aus Norwegen. Es war eine bunt zusammengewürfelte Besatzung gewesen, die die „Helsingborg“ an Bord gehabt hatte. Genauso bunt zusammengewürfelt wie die Gruppe halb verhungerter Goldsucher, die sie in der Bristol Bay auf genommen und die sich zum Dank in den Besitz des Schiffs gesetzt hatten. „Ob wir die ,Helsingborg` je wiedersehen werden?“ fragte eine der erschöpften Gestalten. Olsen hob die Schultern. „Ich weiß nicht. Mir würde es schon genügen, wenn wir unsere Kameraden wiedersähen.“ „Vielleicht suchen sie uns. Vielleicht finden sie unsere Zeichen, eine der Nachrichten, die wir zurückgelassen haben.“ „Vielleicht. Sie können genauso noch am Leben sein wie wir.“ „Aber wir werden nicht mehr lange am Leben bleiben, wenn es so weitergeht“, murmelte Jarl Tromsö. „Ah! Mit welchem Vergnügen würde ich diesen Jack Jayhawk erwürgen.“ Der Zorn weckte ein wenig ihre Lebensgeister. Im Bug des Bootes packte Michael Wolf die Muskete fester. Sie war ihre einzige Waffe außer ein paar Messern. Und sie
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brauchten sie, das wußten sie, seit sie an Land auf einen Eisbären gestoßen waren. Damals hatten sie aus Furcht darauf verzichtet, das verwundete Tier zu verfolgen. Jetzt wären sie froh gewesen, wenn ein Eisbär sie angegriffen hätte, denn jedes erlegte Tier bedeutete eine Spanne Leben. „Weiter“, knirschte Aage Olsen. „Wir schaffen es. Wir müssen es schaffen!“ Es klang wie eine Beschwörung. Und die erschöpften, verzweifelten Männer klammerten sich daran. Denn außer ihrer Hoffnung war ihnen nichts geblieben. * „Vorsicht, du Stint!“ brüllte Ed Carberry. Seine Faust schoß vor, er packte Luke Morgan am Kragen und riß ihn zurück. Der kleinere Mann fuhr herum. Er war ein Hitzkopf, daran konnte auch die nördliche Kälte nichts ändern. „Du bist wohl vom wilden Affen gebissen, du hirnamputierte Kakerlake, du ...“ „Halt die Luft an, Luke Morgan“, sagte Hasard sanft. „Wirf lieber mal einen Blick auf die Stelle, auf die du gerade deine Füße setzen wolltest.“ Morgan wandte sich wieder um – und erblaßte. Unmittelbar vor ihm klaffte ein breiter Spalt im Eis. Er war drauf und dran gewesen, hineinzustürzen. Und dann hätte ihn nichts und niemand mehr retten können. „O verdammt“, murmelte er tonlos. „Das sagst du gut. Noch so eine Unachtsamkeit, und ich schwöre dir, daß du zwei Wochen in der Vorpiek schmorst, sobald wir eine wärmere Gegend erreichen.“ „Und ich ziehe dir eigenhändig die Haut in Streifen von deinem verdammten Affenarsch“, fügte Carberry hinzu. „Und zwar sofort, warme Gegend hin oder her. He! Habe ich Halluzinationen, oder ist das da drüben offenes Wasser?“ Es war offenes Wasser – eine breite Fahrrinne, die sich nach Westen zog. Wenn die „Isabella“ sie erreichte, konnte das Schiff wieder manövrieren, und das
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Wasser war nah genug, um es nicht unmöglich erscheinen zu lassen, den Würgegriff des Eises zu sprengen. Ohne den dicken Nebel hätten sie die „Isabella“ vielleicht sogar noch sehen können. Glück gehabt, dachte der Seewolf. Doppeltes Glück, da die Spalte, die Luke Morgan fast zum Verhängnis geworden wäre, genau in die richtige Richtung wies. Wenn sie die Sprengung geschickt legten, war es möglich, daß die ganze riesige Eisscholle auseinanderbrach. Die Männer grinsten sich an, und Hasard gab das Zeichen umzukehren. Luke Morgan war etwas blaß um die Nase und starrte stur vor seine Füße. Sam Roskill und Bob Grey hatten ebenfalls einen gelinden Schock davongetragen. Und der Profos schnitt ein Gesicht, das für jede weitere Unachtsamkeit sämtliche Höllenstrafen versprach und dessen Anblick allein schon genügte, um die Vorsicht der Männer zu verdoppeln. Ohne weiteren Zwischenfall erreichten sie die _Isabella“. Ein unheimliches Bild: Die glitzernde, von Eis überzogene Galeone schien wie ein Geisterschiff in den ziehenden Nebelschwaden zu schweben. Wenig später waren bereits die Gestalten am Schanzkleid zu erkennen. Dan O'Flynn, der mit seinen scharfen Augen die Ankommenden als erster erspähte, schwenkte die Arme. Die anderen sahen ihnen voller Spannung entgegen. Selbst Siri-Tong. London-Lilly und die Kinder waren an Deck erschienen. Hasard berichtete kurz. Al Conroy hatte bereits Sprengladungen und Zündschnüre vorbereitet, also konnten sie sofort an die Arbeit gehen. Diesmal mußten sie einen der Materialschlitten abfieren, die Ferris Tucker gebaut hatte. Pulverfäßchen wurden gemannt, Lunten. Sandsäcke und Kettenkugeln zum Verdämmen. Ein Dutzend Schritte von der „Isabella“ entfernt fingen sie mit einer leichteren Ladung an, dann ging es weiter. Mit Beiteln und Hämmern, Äxten und
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Dächseln arbeiteten sie sich tief in die Eisdecke hinein, verlegten Lunten und verdämmten alles doppelt und dreifach, damit der Explosionsdruck nicht wirkungslos nach oben verpuffte. Stunden vergingen. Es war eine schweißtreibende, mörderische Arbeit, die die Männer bewältigten. Sie lösten sich ab. Niemand schloß sich aus. auch nicht Martin Trieberg, der immer noch unter den Nachwirkungen der langen Krankheit litt. Die Zwillinge verlegten unter Siri-Tongs Anleitung die Lunten, und zwar so, daß alle Sprengladungen ungefähr gleichzeitig hochgehen würden. Es mußte klappen. Die letzte Ladung wurde unmittelbar am Rand der tückischen Spalte angebracht, und Ed Carberry und der schwarze Herkules Batuti zogen den leeren Materialschlitten zurück zur „Isabella“. Dan O'Flynn und Bob Grey stritten sich darüber herum. wer von ihnen die schnelleren Beine habe, und schließlich marschierten sie beide über das Eis, um die Lunten zu zünden. Im Laufschritt kehrten sie zurück. Blitzartig enterten sie auf, während die anderen die sprühenden Flämmchen beobachteten, die wie Irrlichter durch den Nebel huschten. „Deckung, ihr Rübenschweine!“ brüllte Ed Carberry, und die Seewölfe duckten sich hastig hinter die Schanzkleider. Im nächsten Augenblick ließ der donnernde Krach die Luft zittern. Binnen einer halben Minute detonierten sämtliche Ladungen. Trümmer und Eisbrocken flogen, Kettenkugeln wurden emporgeschleudert, ein Splitterregen prasselte gegen die Schanzkleider der „Isabella“ und ging über der Kuhl nieder. Es handelte sich um Eisstückchen, die zum Teil gefährlich scharf waren, aber diesmal schaffte es sogar Smoky, nichts von dem ganzen Segen an den Kopf zu kriegen. Ein unheimliches Knirschen und Knacken mischte sich in den Nachhall der Explosionen. Dann ein dumpfes Gurgeln – und das war Musik in den Ohren der Seewölfe
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Dan O'Flynn schnellte als erster hoch und starrte auf das Eis hinunter. Sekundenlang verharrte er in atemloser Spannung, während immer noch das Knirschen und Glucksen zu hören war, und schließlich warf er triumphierend die Arme in die Luft. „Wasser!“ schrie er. „Das Eis ist gebrochen! Wir haben's geschafft, wir haben's wirklich geschafft!“ 2. Barry Burns keuchte. Schnee flog unter seinen behandschuhten Fäusten, die wie wahnsinnig den Boden scharrten. Burns' Lippen bewegten sich, die Augen glänzten fiebrig. Ein paar Schritte weiter schoben sich gerade Joe McNickle und der lange Friese Tjarko Michels aus dem Eingang des winzigen Fellzeltes. Sie schwankten. Stumm stierten sie Barry Burns an, über dessen Lippen im selben Moment ein krächzender Schrei der Enttäuschung und Verzweiflung brach. Felsen! Nackter, eisiger Felsen war unter dem Schnee erschienen, keine Spur von Flechten oder Moos. Burns stöhnte auf und ballte die Hände. Er mußte etwas essen! Er mußte einfach! Sie hatten die Huskies geschlachtet und den Schlitten verfeuert, jetzt standen sie vor dem Nichts. Das letzte, was sie zwischen die Zähne gekriegt hatten, war ein Stück ausgekochtes Rentierleder gewesen. Taumelnd stand Barry Burns auf und verkroch sich wieder mit den anderen in dem winzigen Zelt. Dicht aneinander gepreßt fanden sie wenigstens etwas Wärme. Jan Barend, der Holländer, wimmerte vor sich hin und krümmte sich, weil der Hunger in seinen Eingeweiden wütete. Rogier Claasens stumpfer Blick schien durch alles hindurchzugehen. Seine Lippen bewegten sich zuckend. „Jayhawk, dieses Schwein“, murmelte er. „Der Bastard hat uns aufgehetzt. Wir könnten immer noch sicher auf der
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‚Isabella' sitzen. Da hätten wir das Paradies. Wärme, Essen ...“ „Du warst es, der als erster zu dem Schlittengespann gerannt ist“, fauchte McNickle. „Wir hätten bleiben und uns ergeben sollen.“ „Dann hätten sie uns gehängt! Vergiß nicht, daß wir die Schlittenhunde vergiftet haben, damit sie Trieberg nicht erreichen konnten. Daß durch unsere Schuld eine ganze Gruppe von den Seewölfen im Schnee krepiert ist.“ McNickle biß die Zähne zusammen. Er konnte nicht ahnen, daß der heimtückische Anschlag schiefgegangen war und die Opfer noch lebten. Er glaubte auch nicht wirklich, daß Philip Hasard Killigrew hätte Gnade vor Recht ergehen lassen, da er selbst auch dem geschlagenen Feind gegenüber kein Erbarmen kannte. Aber sie waren am Ende und träumten von der Sicherheit der „Isabella“, wie ein Verdurstender in der Wüste von der rettenden Quelle träumen mochte. Tjarko Michels hob plötzlich mit einem Ruck den Kopf. „Die ‚Helsingborg'!“ stieß er hervor. „Wir müssen versuchen, die ,Helsingborg` zu erreichen.“ „Und was hätten wir davon?“ fragte McNickle bitter. „Wir können wenigstens Feuer machen. Vielleicht finden wir sogar noch ein paar Vorräte, auf jeden Fall Harpunen und Waffen, mit denen wir jagen können. Es ist unsere einzige Chance. Ich sage euch, wir hätten die ,Helsingborg' von Anfang an nicht verlassen dürfen.“ Das wußten sie inzwischen alle. Damals hatten sie geglaubt, binnen kurzem auf Eskimos zu stoßen, die ihnen weiterhelfen würden. Es war ein Irrtum gewesen, für den sie teuer bezahlen mußten. Sie hatten überhaupt nur Fehler begangen seit dem verhängnisvollen Entschluß. sich der „Helsingborg“ zu bemächtigen. McNickle dachte an die Plankenhütte an der Küste, an den mörderischen Winter, an die Tage. an denen sie hilflos und zu schwach zu jeder
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Bewegung auf den Tod gewartet hatten. Er schauerte. „Und wenn die ,Helsingborg` längst auf Tiefe gegangen ist?“ fragte er heiser. „Wir müssen es versuchen. Es ist unsere einzige Chance. Hier werden wir krepieren.“ Die anderen nickten. Unruhe packte sie und trieb sie zur Eile. Sie wußten, daß es eine verzweifelte Hoffnung war, an die sie sich klammerten, aber etwas anderes blieb ihnen nicht. Hastig packten sie das kleine Fellzelt zusammen und machten sich auf den Weg, um eine Brücke aus festem Eis zu suchen, die es ihnen gestattete, die Küste zu verlassen. * „Hooo ruck! Hooo ruck!“ Ed Carberrys Stimme dröhnte. Bei jedem „Hooo“ holte ein halbes Dutzend Männer mit Dächseln, Äxten und Kalfathämmern aus, bei jedem „Ruck!“ krachten Spitzen und Schneiden auf das schimmernde Eis. Dan O'Flynns Triumphschrei war etwas zu früh erfolgt. Sie hatten es durchaus noch nicht geschafft, und wie es aussah, würde das wohl auch noch ein paar Tage dauern. Ein paar Tage knüppelharter Knochenarbeit, denn die schmale Rinne mußte erweitert werden, und zwischendurch waren weitere Sprengungen nötig, um zu verhindern, daß sie sich wieder schloß. Die „Isabella“ hatte die Blinde gesetzt, der Wind schob sie inchweise vorwärts. Durchbrechen konnte sie die dicke Eisschicht nicht. Auch nicht, wenn sie Vollzeug setzte — dabei wäre sie lediglich Gefahr gelaufen, daß der scharfe Nordost, der ohnehin schon für eine gefährliche Krängung sorgte, sie endgültig kentern ließ. Nein, es gab keine Möglichkeit, die Sache zu beschleunigen. Sie mußten sich den Weg buchstäblich freihacken, Yard für Yard, unendlich mühsam. Nach allem, was hinter ihnen lag, grenzte es an ein Wunder, daß die Männer
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überhaupt noch so viel Kraft hatten. Sie lösten sich ab. Unermüdlich schwangen sie Äxte und Hacken, droschen auf das Eis ein wie auf einen erbitterten Feind, und es war selbstverständlich, daß sich niemand ausschloß. Am zweiten Tag konnten sie von Bord aus bereits das freie Wasser durch den Nebel schimmern sehen. „Vielleicht sollten wir noch einmal sprengen“, schlug Al Conroy vor. „Pulver haben wir schließlich in rauhen Mengen.“ Hasard nickte. Er hatte das Gefühl, daß jeder einzelne Knochen in seinem Körper schmerzte. Die Erschöpfung lastete wie Blei in den Gliedern und ließ ihn fast schwindlig werden. Aber er wußte, daß es allen anderen nicht besser ging. Niemand beklagte sich. Sogar die Zwillinge schwangen unermüdlich die Werghaken, die ihnen Ferris Tucker gegeben hatte, obwohl sie damit ganz sicher nicht besonders viel ausrichten konnten. Ihre Ausdauer jedenfalls war bewundernswert. Der Kutscher steckte ihnen jedesmal ein paar Rosinen zu, wenn er Suppe, Schiffszwieback oder gebratene Bärenfleisch-Stücke verteilte. Ausnahmsweise duldete er jetzt sogar die Hilfe weiblicher Wesen in seiner Kombüse, denn die Schufterei ließ die Männer schneller hungrig und durstig werden, so daß pausenlos gekocht werden mußte. Geschlafen hatte niemand. Schlafen konnten sie, wenn die „Isabella“ endlich wieder unter Segeln lief und ein vernünftiger Wachtörn gegangen wurde, wie sie es gewohnt waren. Jetzt ließen sie erleichtert die Werkzeuge sinken, als Al Conroy ihnen zuschrie, daß noch einmal gesprengt werde. Diesmal brauchten sie den Materialschlitten nicht, da sie schon ziemlich nah an der Wasserrinne waren. Ferris Tucker, Batuti und Ed Carberry mannten Pulverfäßchen, Al Conroy und Björn Springdaal mit seiner BergwerksErfahrung legten und verdämmten gemeinsam die Ladungen. Dan O'Flynn
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schlug Feuer und setzte die Zündschnüre in Brand. Wieder fraßen sich die kleinen blauen Flammen rasend schnell an den Lunten entlang, und wieder gingen die Männer hinter den Schanzkleidern in Deckung. Ohrenbetäubendes Krachen und Knirschen. Eisstücke flogen, Schollen polterten durcheinander, und noch bevor sich Hasard wieder aufrichtete, war er fast sicher, daß sie es geschafft hatten, sich endgültig den Weg freizusprengen. Ein kurzer Blick bestätigte seine Vermutung. Sekunden später hatten es auch die anderen begriffen. Jubel erhob sich. Ed Carberry hieb Ferris Tucker krachend auf die Schulter und kassierte dafür einen freundschaftlichen Fausthieb in die Rippen, der ihm fast die Luft aus den Lungen trieb. Die Zwillinge tanzten auf der Kuhl herum wie leibhaftige Derwische. Siri-Tong und die rothaarige London-Lilly fielen sich in die Arme, die kleine Liza jubelte, und selbst der sonst so ruhige, beherrschte Ben Brighton schnitt ein Gesicht, als wolle er im nächsten Augenblick einen Luftsprung vollführen. „An die Brassen und Fallen!“ schnitt Hasards Stimme durch den Lärm. „Heißt Fock und Besan! Wenn wir etwas Glück haben, könnten wir jetzt in einem Rutsch durchkommen.“ Die Männer flitzten. „Hopp-hopp, ihr Rübenschweine!“ brüllte der Profos in bewährter Manier. „Hoch mit den verdammten Segeln. aber ein bißchen plötzlich, oder ich ziehe euch die Haut in Streifen von euren Affenärschen und nagele sie an die Kombüse! Gary, du Stint. hast wohl Blei in den Quanten! Jetzt mal hurtig, oder glaubt ihr. heute ist Weihnachten, was, wie?“ Binnen Sekunden blähte sich das Segeltuch. Der Wind fiel raumschots ein und schob die „Isabella“ vorwärts. Eis knirschte, rieb sich ächzend und schabend an der Beplankung. Ein paarmal erschütterte ein Ruck den Schiffsrumpf, neigte sich die
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Galeone beängstigend nach Backbord über, aber die eisige Umklammerung schloß sich nicht von neuem um sie. Sie schafften es. Langsam ging es, unendlich langsam, als wolle das Geschick die Nerven der Männer noch einmal einer Zerreißprobe unterwerfen, aber es ging. Zwanzig Minuten später schob die Galeone ihren schlanken Rumpf ins freie Wasser, und hinter ihr blieb ein gespaltenes, von Detonationen zerrissenes Eisfeld zurück. Hasard atmete tief durch. Die „Isabella“ gewann rasch an Fahrt, als habe sie ein bleiernes Gewicht abgeschüttelt. Vor ihr dehnte sich eine breite Fahrrinne, soweit man im Nebel sehen konnte. Wenn sie Glück hatten, würden sie es bis zu der Passage nach Süden schaffen, ohne noch einmal festzufrieren. Der Seewolf drehte den Kopf, weil er einen Blick zu spüren glaubte. Martin Trieberg stand auf der Kuhl und sah zu ihm hinauf. Das hagere Gesicht des Schwarzwälders hatte sich verkantet. In seinen hellen Augen lag eine unausgesprochene Frage. Eine Frage, die er nicht stellte, weil er wohl glaubte, kein Recht dazu zu haben. Der Seewolf lächelte. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Martin“, sagte er ruhig. „Wir halten unser Wort. Wir werden alles tun, um Ihre verschollenen Kameraden zu finden.“ * „Die ‚Helsingborg'! Seht doch! Es ist die ,Helsingborg'!“ Der heisere Aufschrei riß die schwankenden, erschöpften Gestalten aus ihrer Lethargie. Dicht aneinandergedrängt taumelten sie über das Eis, mit hängenden Köpfen und fiebrigen, brennenden Augen. Schon zweimal hatte Jan Barend geschrien, er sehe die „Helsingborg“. Es war der Hunger, der ihn verrückt werden ließ, Halluzinationen erzeugte und mehr und
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mehr seinen Geist verwirrte. Mühsam hoben die anderen die Köpfe, aber diesmal sahen sie nicht nur die endlose weiße Öde. Dunkle Umrisse schälten sich aus den ziehenden Nebelschwaden. Masten und Spieren! Ein schräg liegender Schiffsrumpf, teilweise aufgerissen. Besanmast und Ruderblatt fehlten, aber das wußten die Männer ja. Schließlich hatten sie mit ihrem Meuterei-Versuch gewartet, bis die Seewölfe mit dem Material zurückgekehrt waren, das sie für die Reparatur der „Isabella“ brauchten. Barry Burns fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. „Die ,Helsingborg'!“ krächzte er. „Wir haben's geschafft! Und es müssen noch Vorräte da sein! Das Faß mit dem Trockenfisch! Das Faß war viel zu schwer, um es mitzunehmen oder auf den Schlitten zu laden.“ „Ja, das Faß! Es muß noch da sein!“ Neue Hoffnung beseelte die Männer und beschleunigte ihre Schritte. Sie torkelten weiter, stürzten, rappelten sich mühsam wieder hoch. Um sie knirschte und knackte es im Eis. doch sie achteten nicht darauf. Ihre Augen hingen an dem Schiffswrack, und wenig später enterte Jan Barend bereits an der außenbords hängenden Jakobsleiter auf. Die anderen folgten ihm. Durch ein Gewirr von losgerissenen Planken, Tauwerk und heruntergefallenen Spieren stolperten sie zum Niedergang. Das Halbdunkel des Laderaums nahm sie auf. Fieberhaft begannen sie, Kisten und Säcke zu durchwühlen, und nach einer Weile stieß Barry Burns einen heiseren Triumphschrei aus. Eins der großen Fässer enthielt tatsächlich noch Reste von getrocknetem Fisch. Steinhart gefroren, scheußlich schmeckend — aber eßbar. Keuchend griffen die Männer zu, schlugen ihre Zähne in die Fischstücke und kauten und schlangen mit stummer Hingabe. Joe McNickle grabschte nach einem Vorrat Fisch und ließ sich damit einfach auf die Planken fallen. Auch seine Kumpane wurden nach den ersten Bissen von der Erschöpfung übermannt.
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Taumelnd sanken sie dort zu Boden, wo sie gerade standen, lehnten sich an Fässer und Kisten und nagten weiter an dem gefrorenen Fisch, bis der schlimmste Hunger gestillt war. Danach bereiteten sie sich gar nicht erst die Mühe, in die Kombüse zu gehen, um ein Feuer anzuzünden. Das hatte Zeit. Die Erschöpfung saß zu tief, überfiel sie mit aller Wucht und. hinderte sie daran, die grimmige Kälte noch zu spüren. Die dicke Fellkleidung schützte sie einigermaßen. Sie streckten sich aus, und trotz des Windes, der durch den beschädigten Schiffsrumpf pfiff, schliefen sie sofort ein. Es war Barry Burns, der als erster erwachte. Die Kälte drang ihm bis auf die Knochen. Sein Körper fühlte sich steif wie ein Brett an, doch das war es nicht, was ihn geweckt hatte. Mühsam richtete er sich auf, kniff die Augen zusammen und lauschte. Das Knirschen und Knacken im Eis klang fast schon vertraut, genau wie das Ächzen des Holzes. Aber da war noch etwas anderes. Ein scharfes, reißendes Geräusch, das von einem dumpfen Gurgeln und Plätschern begleitet wurde ... Mit einem Ruck riß Barry Burns den Kopf hoch. Wasser, durchzuckte es ihn. Die „Helsingborg“ nahm Wasser! Monatelang hatte sie den gefährlichen Eispressungen standgehalten. Jetzt, ausgerechnet jetzt gab der stabile Rumpf dem ständigen Druck nach. Planken und Spanten barsten, eine Serie von Rucken und Stößen erschütterte das Schiff. Die „Helsingborg“ war verloren! Sie würde binnen kürzester Zeit zerquetscht werden und in die Tiefe fahren. „Wahrschau!“ krächzte Burns. „Aufwachen! Wir müssen weg, schnell!“ Mit bebenden Händen rüttelte er die anderen an den Schultern, sprang auf und versetzte Rogier Claasen einen Tritt, weil der sich nicht regte. Fluchend und stöhnend versuchten die Männer, den bleischweren Schlaf abzuschütteln. Die Geräusche, die an ihre Ohren drangen,
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ließen sie erstarren. Sekundenlang lauschten sie mit angehaltenem Atem. Dann rappelten sie sich genauso hastig auf wie vorher Barry Burns, und ihre Gesichter verzerrten sich vor Entsetzen. „Das Faß !“ schrie McNickle. „Wir müssen das Faß retten.“ „Weg hier! Weg! Wir gehen auf Tiefe!“ Heiser schrien die Männer durcheinander. um sie herum knarrte und arbeitete das Holz, als sei es lebendig geworden. Flucht - das war ihr erster Gedanke. Nur nicht mitgezogen werden in den unvermeidlichen Untergang! Aber noch nagte der Hunger an ihnen, noch war die Erinnerung an die letzten Tage zu frisch, um von den neuen Schrecknissen ausgelöscht zu werden. McNickle und die beiden Holländer stürzten sich auf das Faß mit den Resten des Trockenfischs. Auch die anderen kamen zur Besinnung und halfen in fieberhafter Eile, das schwere Ding an Deck zu hieven. Als sie das Schott aufstießen, füllte bereits das unheimliche Gurgeln und Zischen des eindringenden Wassers die Luft. Die „Helsingborg“ sackte über den Bug weg. Nackte Angst schüttelte die Männer, aber sie wußten zu genau, daß das kostbare Faß in Trümmer gehen würde, wenn sie es einfach über Bord warfen. Vorsichtig fierten sie es ab. Bange Minuten verstrichen, dann endlich sprang auch der letzte der Gruppe von der Jakobsleiter auf das Eis. Die beiden Holländer zerrten und rollten das Faß weg. McNickle, Burns und Tjarko folgten ihnen. Stolpernd und taumelnd liefen sie in den Nebel und versuchten, so viel Raum wie möglich zwischen sich und die Katastrophe zu bringen, während hinter ihnen mit berstendem Krach das Schiff auseinanderbrach. Als sie sich umblickten, waren von der „Helsingborg“ nur noch die Mastspitzen zu sehen. Auch die verschwanden unaufhaltsam in den schwarzen Fluten. Der Sog ließ die Eisschollen gegeneinander krachen. Risse entstanden, Barry Burns stieß einen
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gellenden Schrei aus, als unmittelbar vor seinen Füßen der Rand der Scholle wegbrach. Starr vor Angst kauerten die Männer auf dem Eis und klammerten sich an dem Faß fest. Sie kannten die Gefahr und wußten, daß der Grund unter ihren Füßen jeden Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke gehen konnte. Wieder verstrichen endlose Minuten, erfüllt vom Knirschen und Knacken des Eises, dann endlich gelangte das Gewirr auseinander gebrochener Schollen zur Ruhe. Die „Helsingborg“ war verschwunden. Schmale Rinnen und Inseln freien Wassers schimmerten, nur noch ein paar Planken und Wrackteile schwammen. Joe McNickle sah sich um, und sein Magen verkrampfte sich, als er den breiten Riß im Eis entdeckte, der hinter ihnen klaffte. Unmöglich, ihn durch einen Sprung zu überwinden. Sie konnten nicht mehr zu Fuß zur Küste zurück. Sie waren auf einer wenige Quadratmeter großen Scholle gefangen, und es sah nicht so aus, als werde sich die Brücke zum Land wieder schließen. Die Männer brauchten lange, um mit der Erkenntnis ihrer Lage fertig zu werden. Hilflos kauerten sie auf dem Eis, starrten in die Runde und suchten nach einem Ausweg, den es nicht gab. Für eine Weile fiel kein Wort. Tjarko Michels, der Friese, raffte sich als erster auf. „Es hilft nichts“, sagte er heiser. „Reißt euch zusammen, bevor es zu spät ist! Wir brauchen Treibholz. Wir müssen versuchen, uns einen Unterschlupf zu bauen.“ „Hier auf der Eisscholle?“ fuhr Barend auf. „Wo sonst? Und jetzt schnell, bevor auch noch die letzten Planken abtreiben!“ Schweigend gingen sie an die Arbeit. Sie hatten keine Wahl, aber sie hatten auch nicht mehr viel Hoffnung. 3. „Wir kriegen Sturm“, sagte Ben Brighton überzeugt.
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Der Seewolf nickte nur. Er hatte durch das Spektiv gespäht, jetzt ließ er es sinken. „Eigentlich müßten wir jeden Moment auf die ,Helsingborg` stoßen“, meinte er. „Hast du gemerkt, wie das Eis in Bewegung geraten ist?“ „Sicher.“ Brightons Blick glitt über das Gewirr scharfkantiger Schollen. „Mit dem Hundeschlitten wäre jetzt nichts mehr zu machen. Umso besser für uns! Auf diese Weise brauchen wir nicht zu dicht unter Land zu segeln und auch nicht mühselig eine Passage zu suchen.“ Er kniff die Augen zusammen. „Das heißt, wir brauchten nicht dicht unter Land zu segeln, wenn wir nicht nach Martin Triebergs Kameraden Ausschau halten wollten. Sieht ziemlich hoffnungslos aus, oder?“ Hasard hob die Schultern. „Das will ich nicht sagen. Wir wissen, daß sie mit einer Eskimo-Sippe zur Küste gezogen sind, und wenn sie einen Funken Verstand haben, werden sie auch in der Nähe der Küste bleiben. In dieser verdammten Wildnis ist das so ziemlich die einzige Chance, den Weg nach Süden zu finden und ...“ Er unterbrach sich. „Wal — hol !“ tönte die Stimme des jungen Bill aus dem Großmars. „Steuerbord voraus!“ Die Männer wandten die Köpfe. Deutlich sahen sie eine silbrige Fontäne, die sich mit dem Nebel mischte: die steil aufsteigende Dampfsäule eines Walspautes. Einer der Giganten der Meere zog dort seine Bahn, jener Giganten, denen es die Seewölfe unter anderem verdankten, daß sie nicht längst verhungert waren und noch über ausreichendes Heizmaterial für ihren Silberbarren-Ofen verfügten. Sekundenlang schien die Fontäne stillzustehen, dann bewegte sie sich weiter, von der „Isabella“ weg, und verschmolz schließlich mit dem Nebel. „Weg ist er!“ meldete Bill überflüssigerweise. Der Seewolf grinste matt. Prüfend hob er das Gesicht in den Wind. Es hatte aufgebrist und blies von Minute zu Minute heftiger. Ben hatte recht: es würde tatsächlich Sturm geben. Einen der
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mörderischen Schneestürme, die alles zudeckten, bei denen man kaum noch die Hand vor Augen sah. Diesmal allerdings segelten sie nicht so dicht unter Land, daß sie Gefahr liefen, auf Legerwall geworfen zu werden. Klar, daß sie unter diesen Umständen keine Chance hatten, an der Küste etwas oder jemanden zu entdecken, aber das war im Sturm ohnehin unmöglich. „Fier weg Großsegel, Fock und Marssegel!“ rief Hasard. „Ferris, laß Manntaue spannen und die Luken verschalken, aber ein bißchen plötzlich!“ „Aye, aye, Sir“, antwortete der rothaarige Schiffszimmermann gelassen. „Wollt ihr wohl flitzen, ihr müden Säcke?“ tobte der Profos los. „Hurtig, hurtig, oder der Teufel holt euch lotweise! Zum Henker, ist das hier ein Kaffeekränzchen, oder was ist das?“ „Deck!“ meldete sich in diesem Augenblick Bill aus dem Mars. „Treibende Hütte genau querab Steuerbord!“ „Treibende ...“ Ed Carberry verschluckte sich fast und fand keine Worte, was bei ihm höchst selten geschah. Hasard stand bereits am Steuerbord-Schanzkleid des Achterkastells und setzte das Spektiv an. Auch die meisten anderen spähten angestrengt und gespannt in den Nebel — was dem Profos nur deshalb nicht zu einem Tobsuchtsanfall verhalf, weil ihm selbst fast die Augen aus dem Kopf fielen. Bill hatte recht. Was sich da querab Steuerbord aus dem Nebel schälte, konnte man tatsächlich noch am ehesten als treibende Hütte bezeichnen. Ein aus Planken und Treibholz zusammengebautes Gebilde, gegen das der Unterschlupf der Goldsucher an der Küste ein Palast gewesen war. Ein Faß bildete das Kernstück der windschiefen Bude. Sie stand auf einer driftenden Eisscholle. Ursprünglich mochte diese Scholle einmal ausreichend groß gewesen sein. Jetzt waren Stücke davon abgebrochen, bedrohliche Risse zeigten sich, und den Passagieren dieses
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schwindelerregenden Floßes blieb gerade noch Platz, um sich zusammenzudrängen. Fünf Männer! Deutlich erkannte Hasard durch das Spektiv den langen Friesen Tjarko Michels, die beiden stämmigen Holländer, den Engländer Barry Burns und seinen Landsmann Joe McNickle. Sie starrten die „Isabella“ an wie eine Geistererscheinung. Erst nach Sekunden regten sie sich, hoben die Arme und winkten matt. Der Seewolf konnte sich ungefähr denken, was passiert war. Die Goldsucher mußten ihr Gespann verloren haben: wie er sie einschätzte, waren sie dämlich genug gewesen, die Hunde zu verzehren und den Schlitten zu verfeuern, obwohl ein Funke Verstand ihnen hätte sagen müssen, daß sie sich damit dem sicheren Tod auslieferten. In letzter Verzweiflung hatten sie dann offenbar versucht, die „Helsingborg“ zu erreichen. Und das Wrack des Walfängers mußte praktisch vor ihren Augen gesunken sein, wie die Plankenreste bewiesen, aus denen sie ihren Unterschlupf auf der Eisscholle gebaut hatten. Für die Männer, die da im eisigen Polarmeer trieben, ging es nur noch ums nackte Überleben. Ihre Scholle drohte jeden Augenblick auseinanderzubrechen. Ohne notdürftigen Unterschlupf, ohne das Minimum an Vorräten, das sich vermutlich in dem Faß befand, waren sie verloren. Außerdem wußten auch sie, daß ein Sturm bevorstand. Im Vergleich zu der Hölle, die vor ihnen lag, konnte sie das, was sie ihrer Meinung nach auf der „Isabella“ erwartete, auf jeden Fall nicht mehr schrecken. Sie schwenkten die Arme, brüllten verzweifelt um Hilfe. „Beiboot aussetzen!“ befahl Hasard knapp. Dabei wußte er bereits, daß diese Rettungsaktion ein verdammt schwieriges Stück Arbeit werden würde, das die Kerle dort drüben im Grunde gar nicht verdienten. *
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„Ihr Idioten!“ heulte Jan Barend. „Die hängen uns doch auf, die „Na und?“ fauchte ihn Barry Burns an. „Ich baumele lieber, als daß ich hier elend krepiere, ich ...“ „Da! Sie fieren ein Boot ab!“ Aufgeregt deutete Joe McNickle zu der ranken Galeone hinüber. Auch er war ziemlich sicher, daß man sich an ihnen rächen würde, aber Schlimmeres als das, was sie im Augenblick erlebten, konnten ihnen die Seewölfe auch nicht antun. McNickle überlegte bereits fieberhaft, wie er es anstellen sollte, möglichst alle Schuld auf seine Kumpane abzuwälzen. Er würde behaupten, sie hätten ihn gezwungen, er würde... „Da ist Springdaal!“ schrie Jan Barend neben ihm. Tatsächlich: auch McNickle erkannte den Mann am Schanzkleid der „Isabella“. Der Schwede lebte noch. Sie hatten ihn nicht an die Rah geknüpft, nicht kielgeholt, nicht ausgepeitscht - er sah überhaupt in keiner Weise lädiert aus. Daß sich Björn Springdaal im entscheidenden Augenblick Jack Jayhawk in den Weg gestellt hatte, konnte McNickle nicht wissen. Er schöpfte wieder Hoffnung, und den anderen ging es genauso. Gespannt beobachteten sie, wie das Beiboot der Galeone bemannt wurde. Sie kannten die Männer, die sich auf die Duchten schwangen. Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann. Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, dazu Stenmark, Matt Davies und Smoky, der die Pinne übernahm. Eilig schnappten sich die Männer die Riemen. Der Wind pfiff jetzt schon mit bedrohlicher Schärfe, und einzelne Schneeflocken tanzten durch die dunstige Luft. Klatschend tauchten die Ruderblätter ins Wasser, und Ferris Tuckers sturmerprobte Stimme dröhnte. „Hoool weg! Hool weg! Hool weg ...“ Das Boot schoß durchs Wasser, schor an einer Eisscholle vorbei und wurde etwas langsamer, da es sich mühsam einen Weg suchen mußte. McNickle hörte das Knirschen unter seinen Füßen und murmelte Flüche und Gebete. Neben ihm
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kauerten die beiden Holländer, verkrampft vor Anspannung. Die Scholle schwankte. Barry Burns knirschte etwas von „Gleichgewicht“ und „Austrimmen“, doch im nächsten Moment fuhr die Stimme des langen Friesen dazwischen. „Ein Wal! Verdammt, ein Wal!“ Köpfe flogen herum. Ja, da war ein Wal — unverkennbar die silbrige, steil hochsteigende Fontäne, die den Standort des Riesen verriet. Er glitt näher und bewegte sich auf die Eisscholle und das Boot zu. Auch die Seewölfe hatten ihn gesehen. Ferris Tucker starrte aus schmalen Augen hinüber, dann zuckte er zusammen. „Killer-Wale!“ zischte er. „Mörder-Wale!“ kreischte Joe McNickle im selben Augenblick erschrocken. Wieder wandten die Männer auf der Eisscholle die Köpfe, denn diesmal näherte sich die Gefahr aus der Gegenrichtung. Schwertwale! Schwarze, pfeilschnelle Leiber, sechs bis acht Yards lang, unverkennbar mit den hohen, schwertförmigen Rückenflossen. Sie hatten den mächtigen Pottwal geortet und schossen ihm entgegen. Der Gigant befand sich jetzt in unmittelbarer Nähe sowohl des Bootes als auch der schwankenden Eisscholle. Etwa zwölf Yards offenes Wasser lagen dazwischen — und dieses Wasser wurde im nächsten Augenblick aufgewühlt, als beginne es zu kochen. Die Mörder-Wale griffen an. Nicht die Menschen, sondern die mächtige Beute, die sie jagten. Aber für die Männer, die sich unversehens im Mittelpunkt eines Hexenkessels wiederfanden, bedeutete das keinen Unterschied. * „Steuerbordriemen ein!“ dröhnte Ferris Tuckers Stimme. „Himmelarsch, wollt ihr wohl spuren, ihr Säcke?“ Sie hatten schon gespurt. Blitzartig flogen die Steuerbord-Riemen hoch, eine halbe Sekunde, bevor einer der
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Schwertwale unmittelbar an dem Boot vorbeischoß. Einem Boot, das neben dem mächtigen Körper des Tiers plötzlich lächerlich klein wirkte, leicht wie eine Nußschale. Und wie eine Nußschale tanzte es auch, von zwei, drei kräftigen Stößen erschüttert. Die Männer fluchten und starrten ins brodelnde Wasser. Ein ganzer Schwarm drohender schwarzer Leiber raste an ihnen vorbei, aber sie wußten, daß die Gefahr damit noch lange nicht gebannt war. Das Schlimmste folgte noch. Dort drüben stand immer noch die schimmernde Säule des Walspauts über dem Wasser. Jetzt war sogar der schwarze, gebuckelte Rücken des Giganten zu sehen. Das Gewirr der Eisschollen schwankte, knirschte, schob sich umeinander — und wurde im nächsten Augenblick auseinandergesprengt, als die MörderWale heran waren. „Herum mit dem Kahn!“ brüllte Ferris Tucker. „Schnell, wenn euch euer Leben lieb ist!“ Die gellenden Schreie der Männer von der Eisscholle übertönten fast seine Stimme. Klatschend fuhren die Riemen wieder ins Wasser. Die Seewölfe pullten wie besessen. Sie wußten, daß sie den anderen nicht helfen konnten — nicht jetzt. Verzweifelt versuchten sie, der unvermeidlichen Katastrophe auszuweichen, doch es war schon zu spät. Wie eine unheilvolle Woge aus schwarzen Leibern stürzte sich die Rotte der MörderWale auf die Beute. Blut färbte das Wasser. Drei, vier von den Killern tauchten unter dem Pottwal weg und kreisten ihn ein, während sich andere in seine Flanken und die mächtigen Lippen verbissen. Das Meer schäumte in einem kochenden Wirbel auf. Mit unbegreiflicher Schnelligkeit spielte sich das Drama ab, unwirklich wie eine Schreckensvision — und binnen Sekunden traf das Verhängnis auch die Menschen. Ein Gebirge schien sich durch das Wasser auf die Seewölfe zuzuwälzen, als der riesige Pottwal sich aufbäumte. „Wahrschau!“ brüllte Smoky.
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Das Boot geriet in wilde Schaukelbewegung. Von einem Atemzug zum anderen wurde es in den Hexenkessel hineingezogen. Unmittelbar vor sich sehen die Männer die mächtige Flunke des Giganten hochschnellen. Sie streifte das Boot nur — aber so, daß es wie ein Spielzeug aus dem Wasser gehoben wurde. Niemand konnte sich halten. Die Männer flogen durch die Luft und landeten klatschend in den Fluten. Matt Davies und Stenmark fluchten, bis das eisige Naß die Worte in ein dumpfes Gurgeln verwandelte. Ferris Tucker landete auf dem Rücken und sah die schwarzblaue Walflunke hoch über sich wie eine gigantische Keule. Neben ihm paddelte Smoky und brüllte noch einmal sein „Wahrschau“ mit voller Lungenkraft. Das Boot trieb kieloben. Noch! Gleich würden nur noch Einzelteile treiben — sehr kleine Einzelteile, die sich allenfalls zur Herstellung von Holzspänen eigneten. „Weg!“ gurgelte Tucker, schnappte nach Smokys Kragen und bewegte sich wassertretend rückwärts: Die Walflunke peitschte die Luft, überschüttete alles mit einem Tropfenregen und krachte mit ungeheuerer Wucht auf das kieloben treibende Boot. Kleinholz, dachte Ferris Tucker. Im nächsten Moment zog er den Kopf ein, weil ein Teil des Kleinholzes nach allen Seiten durch die Luft fetzte. Ein Riemen wirbelte davon und knallte zwischen die Männer auf der Eisscholle. Ein zweiter landete da, wo Batutis dunkler Krauskopf aus dem Wasser hervorschaute. Es gab ein dumpfes Geräusch, und Ferris Tucker konnte sehen, wie der schwarze Herkules aus Gambia die Augen verdrehte. „Scheiße!“ schrie Tucker erbittert. Ihm war klar, daß er Batuti nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte. Außerdem schwamm der riesige Gambia-Neger in der gefährlichen Nähe weiterer Eisschollen, die von dem kämpfenden Pottwal wie Papierschnitzel durcheinandergewirbelt wurden. Schon schoß eine blauschimmernde, gefährlich ausgezackte
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Kante auf den schwarzen Krauskopf zu doch im selben Moment schnellte sich eine drahtige Gestalt aus dem Wasser. Matt Davies! Bäuchlings landete er auf der Eisscholle, seine Stahlprothese blitzte. In Nullkommanichts hatte er Batuti im wahrsten Sinne des Wortes am Haken. Jetzt leuchtete plötzlich auch Stenmarks blonder Haarschopf im Wasser. Er schob, Matt zog, und gemeinsam schafften sie es, den hünenhaften Neger auf die Eisscholle zu hieven. Smoky und Ferris Tucker schwammen eilig auf ihre Kameraden zu. Schlotternd und zähneklappernd schwangen sie sich ebenfalls auf die Eisscholle, doch sie spürten kaum den eisigen Wind, der an ihnen zerrte. Immer noch tobte der Kampf Pottwal gegen Mörder-Wale. Ringsum schwankten die Schollen und schienen einen Höllentanz aufzuführen. Ferris Tucker suchte mit den Augen den Holz-Unterschlupf der Goldsucher in dem Hexenkessel -und er entdeckte ihn in der Sekunde, in der die Flunke des Wals darauf niederfuhr. Planken, Eisbrocken und menschliche Körper wirbelten durcheinander und klatschten ins Wasser. Noch einmal bäumte sich der sterbende Wal auf und schleuderte die Killer hoch, die sich in seine Flanken verbissen hatten. Das Wasser teilte sich, rauschte auf, schlug gurgelnd wieder zusammen. Der Gigant ging auf Tiefe, die Mörder-Wale hinter sich herschleppend - und eine purpurne Wolke, die sich rasch ausbreitete und die See tiefrot färbte. „Mann, Mann“, murmelte Ferris Tucker erschüttert. Vor seinen Augen schien sich das Chaos aus Blut, treibenden Planken und paddelnden Körpern mit einem weißen, wirbelnden Schleier zu überziehen. Schneeflocken, dachte er mechanisch, und dann erst wurde ihm bewußt, was das bedeutete. Der Sturm brach los. Nur noch Minuten, dann würde sich alles in eine weiße, tobende Hölle verwandeln.
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Auf der „Isabella“ hatten die Männer das Drama gebannt beobachtet. Hasards Zähne knirschten. Auch er spürte die schneidende Kälte nicht mehr, aber er spürte den Wind, der von Minute zu Minute an bösartiger Schärfe zunahm. Jeden Moment konnte die Hölle losbrechen. Die Galeone hatte beigedreht und wälzte sich mit aufgegeiten Segeln wie eine träge Kuh von Backbord nach Steuerbord und wieder nach Backbord. Aus schmalen Augen verfolgte der Seewolf Ferris Tuckers blitzschnelle Reaktion, die verhinderte, daß die MörderWale sämtliche Steuerbord-Riemen abrasierten, dann den verzweifelten Versuch, das Boot in Sicherheit zu bringen, und schließlich den mörderischen Flunkenschlag, der alles zerstörte. Die Zuschauer stöhnten auf - so laut, daß es selbst im Pfeifen des Windes zu hören war. „Zweites Beiboot aussetzen!“ befahl Hasard wild. „Ed, Blacky, Dan - Tempo!“ „Tempo, ihr Himmelhunde!“ nahm der Profos den Faden auf. „Das ist kein Spaß, ist das nicht! Reißt die müden Knochen zusammen, oder ich fiere euch mit dem nächsten Tampen außenbords und lasse euch hängen, bis euch die verdammten Affenärsche einfrieren, ihr lahmen Säcke, ihr ...“ Er fluchte munter weiter, während er sich in die Talje hängte, die mit einem Stropp an der Rah des Großsegels angeschlagen war. Eilig fierten sie das Boot ab, Sekunden später klatschte es aufs Wasser – in Lee, versteht sich. Blacky und Dan O'Flynn enterten bereits ab. Der Profos folgte ihnen, fluchend und drohend, obwohl das Manöver wie der Blitz geklappt hatte. Das Ganze gipfelte mal wieder in der Ankündigung, die Kombüse mit abgezogenen Häuten zu benageln, und dann brauchte er seinen Atem anderweitig, als sein donnerndes „Hoool weg! Hoool weg!“ über das Wasser schallte.
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Hasard setzte das Spektiv an, um im dichter werdenden Schneetreiben etwas zu erkennen. Mit zusammengebissenen Zähnen schwenkte er die auf gewühlte Wasserfläche ab. Das erste Boot war Kleinholz. Aber die Besatzung war gerade dabei, sich auf eine Eisscholle zu retten. Genau in dem Augenblick, in dem ein weiterer Flunkenschlag die Scholle mit dem notdürftigen Unterschlupf der Goldsucher zerschmetterte. Noch mehr Kleinholz! Von den Menschen war niemand verletzt worden, soweit Hasard erkennen konnte, doch die Erschütterung hatte sie wie Stoffbündel durch die Luft wirbeln und ins . Wasser klatschen lassen. Wasser, das zu einem blutigen Wirbel aufkochte, als der Pottwal auf Tiefe ging. Die Mörder-Wale hingen immer noch an ihm, verbissen sich in dem gigantischen Körper und rissen blutige Fetzen aus den Flanken des Riesen. Jetzt verschwanden sie, eine tiefrote Spur hinter sich herziehend. In dem Chaos aus Wrackteilen, Eisbrocken und Blut schwammen verzweifelte Gestalten. Die Eisschollen schwankten, hüpften und schaukelten in einem makabren Höllentanz, aber die Seewölfe schafften es, sich auf ihrem rettenden Floß zu halten. Von Nordosten heulte eine bösartig pfeifende Bö heran. Die „Isabella“ holte schwer nach Backbord über und knirschte in ihren Verbänden. Hasards Zähne knirschten ebenfalls. Sie würden einen knüppelharten Sturm kriegen. Es ging schon los. In langen, wolkigen Schleiern wurden Schneeflocken über das Wasser gejagt, und das Boot begann abzutreiben, obwohl sich die Männer wie die Berserker in die Riemen legten. „Mister Brighton!“ pfiff der Seewolf seinen Bootsmann an. „Glaubst du, wir sind im Theater, oder was ist los? Manntaue spannen, Luken verschalken!“ „Aye, aye, Sir!“ schmetterte Ben Brighton. Und dann flankte er mit einem Satz über die Schmuckbalustrade, schlidderte über
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die halbe Kuhl und lüftete seine Decksmannen an, daß es nur so rauchte. „Himmelarsch“, knirschte Hasard so leise, daß es nur Old O'Flynn hören konnte, der sich neben ihm auf seine Krücken stützte. „Die Idioten werden abgetrieben!“ fauchte der Alte. „Da! Gleich knallt ihnen 'ne Scholle gegen das Dollbord! Elender Dreck ! Der Teufel soll den verdammten Sturm holen!“ Aber der Teufel würde nicht den Sturm holen, sondern höchstens die Männer, die es gewagt hatten, den tobenden Elementen Trotz zu bieten. Hasard fluchte und hätte sich am liebsten selbst unangespitzt durch die Planken bis zum Kielschwein gerammt, weil er nicht mit ins Boot gegangen war. Nur hätte er auch nicht mehr tun können als die anderen. Ed Carberry, Blacky und Dan O'Flynn waren keine Sonntagsschüler, die wußten, wie man der salzigen See die Zähne zeigt. Aber mit einer Nußschale von Boot mitten im Sturm, umgeben von Treibeis, das das Fahrzeug jeden Augenblick zerquetschen und die Männer erschlagen konnte, mit einer solchen Nußschale war nicht viel anzufangen. „Sie schaffen's nicht“, keuchte Old O'Flynn und hämmerte in verzweifelter Wut mit der Krücke gegen das Schanzkleid. „Vielleicht können sie ein paar von den dreckigen Meuterern auffischen, aber die Eisscholle erreichen sie nie!“ „Abwarten“, stieß der Seewolf durch die Zähne. Sein Gesicht war steinhart geworden: eine blasse, beherrschte Maske. Noch konnte er zumindest Umrisse erkennen. Das Boot, das die Rudergasten mit verbissener Anstrengung auf Kurs zu halten versuchten. Immer noch rot verfärbtes Wasser, Wrackteile, ein paar Köpfe, kämpfende, wild um sich schlagende Gestalten. Und ein Stück weiter weg, nur noch ein Schemen im weißen Chaos, die Eisscholle, auf der ein paar weitere Männer verzweifelt die Balance hielten. Sekunden später überzog sich die Szene mit einem weißen Schleier.
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Rings um die „Isabella“ schien die Welt zu versinken. Der Wind orgelte und heulte, ließ die zum Zerreißen straff gespannten Luvwanten schrillen, und das Schneegestöber tobte sich mit einer Heftigkeit aus, daß der Seewolf nicht einmal mehr die Männer auf der Kuhl erkennen konnte. Aus schmalen, harten Augen starrte er in die weiße Hölle. Es gab nichts, was sie jetzt noch tun konnten. Nichts außer warten, hoffen, vielleicht beten. Aber den Männern, die da draußen um ihr Leben kämpften und nach menschlichem Ermessen verloren waren, würde das auch nicht viel nutzen. * „Hoool weg! Hoool weg!“ Ed Carberrys Donnerstimme übertönte mühelos den heulenden Sturm. Er legte sich selbst in die Riemen, pullte, gab den Schlagrhythmus und spähte immer wieder über die Schulter in den weißen Flockenwirbel. Dan O'Flynn hatte die Pinne übernommen und produzierte Flüche, bei denen der Himmel errötet wäre. Längst konnte er die „Isabella“ nicht mehr sehen. Er konnte überhaupt nicht mehr viel sehen außer treibenden Eisschollen — und auch die erst, wenn sie schon so nah waren, daß nur blitzschnelle Ausweichmanöver das Boot davor retten konnten, sich den Bauch aufzureißen. Eben noch hatte der junge Mann mit dem blonden Haar und den blauen Augen seine Kameraden auf der treibenden Scholle erspäht, jetzt waren auch die verschwunden. Die Hölle tobte, und Dan fluchte erbittert weiter, weil er verdammt genau wußte, daß sie kaum eine Chance hatten. Warum, zum Teufel, mußte dieser Schneeschlamassel ausgerechnet jetzt losgehen? Aber genauso gut hätte er sich fragen können, warum sich die verdammten Killer-Wale ausgerechnet jetzt auf ihre
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Beute gestürzt, warum der Flunkenschlag ausgerechnet das Boot getroffen und warum die Drift ihnen die heimtückische Meuterer-Bande ausgerechnet hier über den Weg geschickt hatte. Ein Sturm ließ sich nicht berechnen, der tat, was er wollte. Und wegen dieses dämlichen Sturms, der ebenso gut auch erst in einer halben Stunde hätte eklig werden können, ihre Kameraden da draußen im Stich zu lassen — das war natürlich nicht angegangen. Dan preßte die Zähne zusammen, bis sein Kiefer schmerzte. Verzweifelt bohrte er den Blick in das weiße Chaos und versuchte angestrengt, mit seinen bekannt scharfen Augen den Flockenwirbel zu durchdringen. Ein Stück schwarzes, aufgewühltes Wasser konnte er gerade noch erkennen. Und Eisschollen, immer wieder Eisschollen, die mit ihren scharfen Zacken lauerten, um bei der geringsten Unachtsamkeit das Boot auf die Hörner zu nehmen. Jetzt schienen Sturm und Schneegestöber wieder ein wenig abzuflauen. Dan beugte sich vor und spähte in die Runde. Sekunden später entdeckte er etwas, das sich als menschlicher Kopf entpuppte. „Schwimmer querab Backbord! Nehmt ihn über Luv herein! Bis wir ihn in Lee haben, ist der Kerl längst abgetrieben.“ „Riemen ein!“ brüllte Carberry. „Hurtig, hurtig, ihr Säcke! Na los, Junge! Komm, komm! Und schmeiß uns nicht den Kahn um, sonst ziehe ich dir eigenhändig die Haut vom Hintern!“ Der „Junge“, nämlich Tjarko Michels, konnte ihn nicht hören. Und der Profos übersah großzügig, daß er wohl nie mehr Gelegenheit finden würde, Hautstreifen von edlen Körperteilen zu ziehen, wenn der Schwimmer das Boot schmiß. Aber Tjarko Michels war an einer windigen Ecke von Friesland aufgewachsen und hatte die Seefahrt sozusagen mit der Muttermilch eingesogen. Er war schon halb tot, doch er sah, daß sich ihm hier die unwiderruflich letzte Chance bot. Wie besessen begann er,
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auf das Boot zuzuschwimmen. Eine Welle hob ihn hoch, er bemühte sich geschickt, seinen Körper so weit wie möglich aus dem Wasser zu schnellen — und er fiel fast von selbst zwischen die Duchten, ohne gegen die Bordwand zu krachen, was eigentlich fast unvermeidlich war, wenn ein außenbords gegangener Mann von Luv übernommen wurde. Michels keuchte, japste, spuckte Wasser und war froh, daß er noch lebte. Im nächsten Moment schoß er senkrecht hoch, weil ihn jemand unsanft in den Achtersteven getreten hatte. „Schnapp dir einen Riemen, du Saftsack!“ donnerte ihn der Profos an. „Wirst du pullen, du karierter Decksaffe? Noch sind wir nicht 'raus aus der Scheiße! Dir wird noch das Wasser im ...“ „Noch einer!“ meldete Dan O'Flynn. „Genau voraus! Jetzt knallt er mit der Rübe gegen 'ne Eisscholle, der Hammel!“ Pullt, ihr Affenärsche! Dan, wenn du außenbords kippst, mach ich aus dir Fischfutter!“ Die Drohung konnte Dan O'Flynn nicht sonderlich beeindrucken. Wenn er außenbords ging, sprach die Wahrscheinlichkeit ohnehin dafür, daß er Fischfutter wurde, da brauchte sich der Profos gar nicht erst groß anzustrengen. Dan dachte unwillkürlich an die MörderWale, von deren Freßgier sie soeben eine Kostprobe erhalten hatten, und er schauerte leicht zusammen. Diesmal konnten sie den treibenden Mann über die Leeseite an Bord ziehen. Rogier Claasen, der Holländer. Er war bewußtlos und hatte eine Beule am Kopf. Viel Wasser konnte er allerdings noch nicht geschluckt haben, und zum Schlafen hatte er später Zeit. Dan klebte ihm eine, schüttelte ihn, klebte ihm noch eine. Blinzelnd schlug Claasen die Augen auf – und zuckte erschrocken zusammen, weil sich über seinem Haupt ein wüstes Donnerwetter entlud. „Fang an zu pullen, du Bilgenratte! Brauchst du Stint vielleicht eine ExtraEinladung? Du denkst wohl, wir sind hier
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schon im Jenseits, und ich bin Petrus, was, wie?“ Dan O'Flynn kicherte. Rogier Claasen fuhr hoch, orientierte sich mit einem raschen Rundblick und knallte unverzüglich einen Riemen in die Dolle. Daß sie pullen mußten, wenn sie nicht zur Hölle fahren wollten, leuchtete auch seinem benebelten Hirn ein. Er begann sofort, sich mächtig ins Zeug zu legen. Einen nach dem anderen zogen sie die halb toten Goldsucher aus dem eisigen Wasser. Nur Jan Barend blieb verschwunden: ihn hatte die See geholt, kein Zweifel. Und die anderen? Batuti und Smoky? Ferris Tucker, Matt Davies und Stenmark? Dan O'Flynn starrte sich fast die Augen aus. Ed Carberry und Blacky pullten. Die Goldsucher, die ohnehin kaum noch wußten, wo Backbord und Steuerbord war und ob sie das alles nicht vielleicht nur träumten, pullten mit den letzten ihnen verbliebenen Kräften mit, weil sie fürchteten, daß dieser tobende, rasende Riese mit dem Narbengesicht sie sonst im hohen Bogen wieder außenbords befördern würde. Noch einmal flaute der Sturm für Minuten ab und verlor etwas von seiner mörderischen Gewalt. Auch die wirbelnden, undurchdringlichen Schneeflocken-Schleier lichteten sich. Von der „Isabella“ allerdings war keine Spur zu entdecken. Aber die Seewölfe konnten wenigstens die Eiswüste in ihrer unmittelbaren Umgebung überblicken -und Dan O'Flynn stieß einen gellenden Triumphschrei aus. „Da sind sie! Backbord voraus!“ „Pullt, ihr Himmelhunde!“ fluchte Carberry. „Ein bißchen schneller! Hool weg, hool weg ...“ Das Boot schoß weiter. Gleichzeitig heulte eine neue Sturmbö heran, peitschte das Wasser und ließ das Treibeis mit schrillem Kreischen gegeneinander reiben. Eine scharfe Kante krachte schräg unter den Dollbord und hob das Boot hoch. Rogier Claasen und Barry Burns sprangen erschrocken auf und verloren prompt das Gleichgewicht.
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„Ihr dämlichen Hunde!“ brüllte Ed Carberry, doch da war es bereits zu spät. Das Boot kenterte. Im selben Moment verloren auch die Männer auf der Eisscholle das Gleichgewicht. Wieder klatschten Körper ins Wasser, schlugen verzweifelt um sich, suchten irgendeinen Halt in dem Chaos. Der Sturm jaulte und pfiff, und selbst der eiserne Profos hatte Mühe, ihn zu übertönen. „Aufrichten, den Kahn! Himmel, Arsch und Ziegenhintern, wollt ihr wohl spuren, ihr verdammten ...“ Er schluckte Wasser, spuckte und gurgelte. Trotzdem gelang es ihm, mit ein paar Schwimmstößen das Boot zu erreichen. Tjarko Michels, Rogier Claasen und die beiden Engländer klammerten sich an dem kieloben treibenden Fahrzeug fest. Carberry brüllte sie an und bedrohte sie mit sämtlichen Höllenstrafen, wenn sie sich nicht zusammenrissen. Auch Dan O'Flynn stieß dazu - und sie schafften es tatsächlich, das Boot wieder aufzurichten. „Die Riemen! Die elenden Landratten haben die Riemen nicht gesichert.“ Es war Dan O'Flynn. der das erbittert hinausschrie. Auch der Profos sah die beiden kostbaren Riemen im Wasser treiben. Dan schwamm bereits hinüber, und Carberry folgte ihm, während die vier Goldsucher keuchend und zitternd in das Boot kletterten. In einiger Entfernung kämpften die übrigen Männer in den eisigen Fluten. Ferris Tucker und Matt Davies versuchten verzweifelt, den immer noch bewußtlosen Batuti wieder auf eine Eisscholle zu ziehen. Blacky paddelte hinüber, um ihnen zu helfen. Stenmark und Smoky stießen fast mit den Köpfen zusammen, weil sie beide auf den abtreibenden Riemen zuschnellten. Dan O'Flynn schnappte nach dem zweiten, erwischte ihn und grinste triumphierend. Der Profos, der ihm ein Stück nachgepaddelt war, atmete erleichtert auf. Eilig warf er sich im Wasser herum - und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Das Boot war verschwunden.
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Einfach weg, als hätten die schwarzen Fluten es verschlungen. Es mußte abgetrieben sein, weil diese lausigen Schlappschwänze von Goldgräbern nicht genug Mumm hatten, um es gegen den Sturm zu halten. Und das hieß, daß es nach menschlichem Ermessen auch nicht wieder auftauchen würde. Nicht einmal bei Edwin Carberry reichte es noch zu einem seiner herzerfrischenden Flüche. Dafür wußten sie alle zu genau, daß ihre Lage tödlich ernst war. * Zehn Minuten später hatten sie es zumindest geschafft, sich auf eine der Eisschollen zu retten. Batuti erwachte allmählich aus seiner Bewußtlosigkeit. Von der Platzwunde, wo ihn der Riemen am Schädel getroffen hatte, war Blut über sein Gesicht gelaufen und verklebte die Wimpern. Er kriegte die Augen nicht auf, fühlte Eis unter seinem Körper, Hände, die ihn festhielten, und bäumte sich wild auf. „Ruhe!“ donnerte der Profos. „Auch das noch!“ stöhnte Dan O'Flynn. „Uuuh!“ seufzte der schwarze Herkules. „Batuti schon in Hölle. Kleines O'Flynn auch! Aber verdammt kalt in Hölle, verdammich ...“ Das Gelächter konnte unter den gegebenen Umständen nur als Galgenhumor gedeutet werden, aber es hob immerhin die Stimmung. „Reiß doch deine Glotzbuchten auf, Mann“, knurrte Carberry. „In der Hölle sind wir wirklich, da kannst du recht haben. Aber der Teufel, dieser Stint, hat vergessen, das Feuer anzuheizen.“ „Mußt du ihm eben die Haut von seinem Affenarsch ziehen“, sagte Dan erheitert. Und Batuti, der inzwischen die verklebten Lider geöffnet hatte, peilte in die Runde, fletschte die Zähne und schien recht zufrieden, daß er sich immer noch auf der alten Erde befand - wenn auch in einer reichlich miesen Lage.
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Der Sturm heulte und brauste, die Eisscholle schaukelte, der Schnee fiel dicht wie ein Leichentuch - falls man sich ein solches wild flatternd und peitschend vorstellen konnte. Wenige Minuten hatten genügt, um die nassen Kleider der Seewölfe bretthart frieren zu lassen. Immerhin: sie waren aus dem Wasser heraus. Aber wie lange sie sich bei dem verdammten Sturm auf der Eisscholle halten konnten, mochte der Leibhaftige wissen. Ed Carberry hatte ein in Buchten aufgeschossenes Tau am Gürtel, mit dem sie sich aneinander banden. Sehr eng aneinander. So, daß sie gerade noch schwimmen konnten, falls sie ins Wasser gewischt werden sollten. Der Profos sah sich mit grimmiger Miene um, dann packte er sein langes Entermesser und begann, entschlossen auf das Eis einzuhacken. Eine schützende Höhle konnten sie auf diese Weise natürlich nicht in die Scholle graben. Aber wenigstens ein paar Löcher, die es ihnen gestatteten, einen festen Halt für ihre Stiefel zu finden, damit sie nicht so leicht abrutschten. Zusammengekauert hockten sie im Halbkreis, mit dem Rücken zum Wind, und hinter ihnen wurde allmählich ein weißer Wall angeweht. „Schnee wärmt, was, wie?“ knurrte Edwin Carberry. Die anderen nickten nur. Und wenn sie auch in Wahrheit den Schnee verdammt kalt fanden - sie waren entschlossen, den Worten des Profos zu glauben. 5. „Klar zur Wende! Ruder hart über!“ Hasards Stimme dröhnte. Pete Ballie legte Ruder, das Rigg ächzte wie ein Chor verdammter Seelen. Die „Isabella“ lief unter Sturmsegeln, kreuzte verbissen gegen den Wind an - ein mörderisches Knüppeln, bei dem sie keinen Yard Raum gewann. Aber darum ging es auch gar nicht. Die Männer kämpften wie die Wilden nur mit dem einen Ziel: nicht zu weit nach Südwesten vertrieben zu werden. Sie
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leisteten knallharte Knochenarbeit, riskierten Kopf und Kragen, Mast- und Ruderbruch - und sie taten. es, weil sie überhaupt keine andere Wahl hatten. Wenn der Sturm sie zu weit vertrieb, konnten sie die Hoffnung begraben, ihre Kameraden jemals wiederzufinden. Für die Männer, die mit zwei Booten in der weißen Hölle verschwunden waren, bestand ohnehin nur eine dünne Chance, den Sturm zu überstehen. Aber wenn sie das schafften, dann mußte sich die „Isabella“ noch in ihrer unmittelbaren Nähe befinden. Wenn der Sturm abflaute, durfte es keine stundenlange Suche mehr geben, denn sonst würden sie mit Sicherheit am Ende nur noch Tote finden. Schnee peitschte in dichten Schleiern fast waagerecht über die Decks der Galeone. Die Sicht war gleich Null und reichte kaum von Backbord nach Steuerbord. Ständig krachten Eisschollen gegen die Bordwände. Aber die „Isabella“ lief immer noch Fahrt, und so konnten sich in Luv wenigstens keine Packeis-Wälle aufbauen, die stark genug gewesen wären, um die Galeone leckzuschlagen. Hasard fragte sich, ob diese verdammte Eiswüste überhaupt irgendwelche Widrigkeiten zu bieten hatte, mit denen sie noch nicht konfrontiert worden waren. Die „Isabella“ schwamm, das mußte man schon als Erfolg buchen. Sie hatten den Würgegriff des Eises gesprengt, sie hatten die Stürme überstanden, ohne zum Wrack zerschlagen zu werden, sie hatten auf den Riffen Schiffbruch erlitten und es aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz geschafft, wieder flott zu werden. Sie würden auch dieses Unwetter überstehen. Und sie würden ihre Kameraden finden, lebendig finden - und wenn sie dem Sensenmann persönlich in den Rachen greifen mußten. Hasards Kiefermuskeln traten hervor. Seine Augen funkelten in einem wilden, durchdringenden Blau, die Zähne blitzten. So sah der Seewolf aus, wenn er sich tollkühn gegen eine Übermacht in den Kampf stürzte, wenn er die Hölle angriff, um den Teufel am Schwanz zu ziehen. Und wenn er so aussah, dann waren sich
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seine Männer einig, daß überhaupt nichts mehr schiefgehen konnte. Diesmal, so wußte er, würde unter Umständen eine ganze Menge schiefgehen. Aber er konnte und wollte es einfach nicht glauben. * „Hoool weg! Hoool weg!“ Es war Rogier Claasen, der sich bemühte, den Sturm zu übertönen, aber seine Stimme klang dünn in dem machtvollen Orgeln und Brausen. Genau wie die anderen legte er sich verzweifelt in die Riemen. Sie waren nur noch zu viert: Jan Barend lebte nicht mehr, konnte nicht mehr leben. Und die anderen, die Seewölfe, hatten auch keine Chance. Das Boot war abgetrieben worden. Die vier überlebenden Goldsucher hatten es sich nicht etwa unter den Nagel reißen wollen, gewiß nicht. Im Gegenteil: sie hätten sonst was darum gegeben, jetzt an Bord. der „Isabella“ zu sein, statt diese Nußschale durch den Sturm steuern zu müssen. Aber sie hatten auch keine Anstrengungen unternommen, die Männer zu retten, die Kopf und Kragen für sie riskiert hatten. Was sie unternommen hatten, war der Versuch, die Galeone zu erreichen — doch um die im Schneegestöber zu finden, fehlten ihnen die Kraft und die seemännischen Qualitäten. Daß das Boot überhaupt noch schwamm, erschien ihnen selbst wie ein Wunder. Tjarko Michels, der die Pinne bediente, starrte aus halbblinden Augen nach vorn und hoffte, daß endlich die Küste auftauchte. Barry Burns benutzte den überzähligen Riemen, um das leichte Fahrzeug vom Treibeis freizuhalten. Immer wieder gerieten sie in die Gefahr, von den übereinander getürmten Schollen gerammt, zerquetscht, erschlagen zu werden, aber bisher waren sie immer wieder, manchmal in letzter Sekunde, entronnen. Im ersten Augenblick glaubte Tjarko Michels, einer Halluzination zu erliegen,
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als er genau voraus den dunklen Buckel aus dem Schneegestöber tauchen sah. „Land!“ krächzte er. „Da ist Land! Land!“ Die anderen fuhren herum. Riemen schnitten unter, das Boot begann zu tanzen. Mit jäher Plötzlichkeit schlug es quer zum Seegang. Erschrockene Schreie gellten. Verzweifelt versuchten die Männer, den Bug wieder nach vorn zu richten — zu spät. Eine Woge packte das Boot, schleuderte es ein Stück hoch und ließ es kentern. Von einer Sekunde zur anderen trieb es kieloben, paddelten die Männer wieder hilflos im Wasser. Aber das, was sich vor ihnen aus den weißen Flockenschleiern schälte, war tatsächlich Land, und zwar der kahle Felsenbuckel einer winzigen Insel. Sie hatten sogar das Glück, mitsamt dem Boot nicht auf den Klippen zerschmettert, sondern in einen kahlen, ein wenig geschützten Einschnitt getragen zu werden. Tjarko Michels war geistesgegenwärtig genug, nach den Riemen zu greifen, die sich aus den Dollen gelöst hatten. Die beiden Engländer warfen sich über das treibende, wild auf den Wellen tanzende Boot und versuchten, es zu bändigen. Mühsam zerrten sie es zwischen die Felsen, hievten es keuchend und schwitzend höher und ruhten nicht eher, bis sie es sicher untergebracht hatten. Das Boot war ihre einzige Hoffnung. Sie wußten, daß die Küste noch fern war und sie das Fahrzeug brauchen würden. Lange blieben sie triefend und erschöpft zwischen den Felsen kauern, um sich zu überzeugen, daß die Brecher tatsächlich nicht bis hierher gelangten. Erst als sie dessen sicher waren, gingen sie daran, ihren Landeplatz näher zu untersuchen. Kahle, vereiste Felsen, sonst nichts. Aber diese Felsen bestanden aus scharfen Zacken und tiefen Rissen und Schründen. In der Mitte des Inselchens gab es eine Mulde, die nach allen Seiten geschützt war. Sogar ein Polster aus Flechten und Algen hatte sich hier angesiedelt, und die Männer ließen sich erleichtert zu Boden sinken.
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Der Sturm konnte ihnen nicht viel anhaben. Der Hunger war vorerst zurückgedrängt. Er würde ihnen erst später wieder die Klauen in die Eingeweide schlagen. Und die unveränderte Hoffnungslosigkeit ihrer Lage vergaßen sie für eine Weile über der Erschöpfung. Es dauerte nur Sekunden, bis sie dicht aneinandergedrängt eingeschlafen waren. * Der Sturm flaute so plötzlich ab, wie er losgebrochen war. Immer noch blies es kräftig von Nordosten, heulte durch das Rigg der „Isabella“ und ließ die Galeone wie eine kranke Kuh im Seegang rollen. Aber das dichte Schneetreiben ließ nach, der Flockenwirbel lichtete sich, und der Seewolf spürte deutlich, daß sie beim nächsten mühsamen Kreuzschlag etwas Höhe gewannen. Minuten später hörte es endgültig auf zu schneien. Der Wind jagte schwarze, tiefhängende Wolkenfetzen vor sich her, Dunst waberte über dem Wasser. Von einigermaßen guter Sicht konnte immer noch nicht die Rede sein, aber miserable Sicht war schon mal besser als überhaupt keine. Hasard enterte über die vereisten Webleinen der Luvwanten in den Großmars und setzte das Spektiv an. Treibeis! Graue, wogende, sich zu verschachtelten Wällen türmende Schollen, so weit das Auge reichte. Und ein Stück von einem solchen Eisklotz hatte der Seewolf auch im Magen — so war ihm jedenfalls zumute. Eine unsichtbare Schlinge schnürte ihm die Kehle zusammen. Dan, Ferris, hämmerte es in seinem Schädel. Batuti und Stenmark! Blacky und Smoky! Matt Davies und der eiserne Carberry! Acht Männer, die im ewigen Eis verschollen waren. Verschluckt von der weißen Hölle, als sie versucht hatten, ein paar ehrlose Halunken zu retten. Hasards Gesicht wirkte fahl unter der Sonnenbräune, so fahl wie der frisch
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gefallene Schnee auf den Decks. Der Blick durch das Spektiv sagte ihm, daß es hoffnungslos sei. Aber sein Innerstes sträubte sich gegen die Erkenntnis, und als er abenterte, traten seine Kiefermuskeln vor Anspannung wie Stränge hervor. Fragend sahen die Männer ihm entgegen. Er zuckte mit den Schultern. „Wir gehen auf Westkurs!“ ordnete er an. „Mit dem Boot konnten sie wegen der Eisschollen nicht zu weit nach Süden geraten. Wenn man Sturm und Drift zusammennimmt, dürften wir ungefähr richtig liegen.“ „Aye, aye, Sir!“ Ben Brighton holte tief Luft. „Klar zum Abfallen! Hurtig, hurtig! Neuer Kurs West, Pete!“ „Liegt an“, meldete Pete Ballie wenig später mit belegter Stimme. Die Männer flitzten und arbeiteten schnell und präzise wie immer. Und doch war alles anders als sonst, schien etwas Dunkles, Ungreifbares über dem ganzen Schiff zu liegen. Ein unheilvoller Schatten, der sich erst verflüchtigen würde, wenn wieder jemand über die Kuhl tobte - jemand, der fluchte, lamentierte, mit Hautabziehen und Kielholen drohte und nicht müde wurde, jeden einzelnen mit den erlesensten Bezeichnungen aus dem Tierreich, der Hölle und jener merkwürdigen Phantasiewelt zu belegen, in der Heringe verlaust waten und notfalls auch noch über Affenärsche verfügten, von denen man die Haut in kleinen Streifen abziehen konnte. Die „Isabella“ ohne den eisernen Profos? Undenkbar! Genauso undenkbar wie die Vorstellung, ohne Dan O'Flynn, Batuti, Ferris Tucker und die anderen weiterzusegeln. Nein, es konnte und durfte einfach nicht wahr werden. Hasard biß sich auf die Unterlippe, bis er Blut schmeckte. Sein Gesicht glich einer Marmormaske, als er den Moses Bill heranwinkte und ihm das Spektiv in die Hand drückte. „Ab in den Großmars! Halt nach dem Boot Ausschau, aber such auch die Eisschollen
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ab. Und vergiß nicht, auf treibende Gestalten im Wasser zu achten.“ „Aye, aye, Sir.“ Bills Stimme klang erstickt, seine Augen schimmerten verräterisch. Hastig enterte er auf - doch die Eile wäre gar nicht nötig gewesen. Aus dem einsamen, herumgestoßenen Jungen, den sie damals auf Jamaica gefunden hatten, war längst ein Mann geworden, aber auch ein Mann brauchte sich nicht zu schämen, wenn er um seine Freunde trauerte. Da war niemand, der Bill nicht verstanden hätte, niemand, der gar auf den Gedanken verfallen wäre, ihn wegen seiner Tränen auszulachen. Auf der Kuhl bewegten sich die Männer immer noch wie unter einem schwer lastenden Bann. Am Schanzkleid drängten sich die Zwillinge und die kleine Liza um SiriTong und die rothaarige London-Lilly. Das Gesicht der Roten Korsarin wirkte versteinert: sie empfand das gleiche wie jedermann an Bord. Hasard und Philip rührten sich nicht, schienen nahezu in sich zusammenzukriechen. Normalerweise konnte nichts sie so leicht erschrecken und waren sie stets vorneweg, wenn es galt, sich die rauhesten Winde um die Nase wehen zu lassen und möglichst ein bißchen Pulverdampf zu schnuppern. Aber es war ein Unterschied, ob man von Seeschlachten, wilden Kämpfen und verwegenen Abenteuern träumte oder ob Kampf und Abenteuer plötzlich ihr anderes Gesicht zeigten — das tödliche, erschreckende Gesicht des unerbittlichen Schicksals. Nie mehr Ed Carberrys Donnerstimme hören, die so herrlich fluchen konnte? Nie mehr mit Smoky schaurig-schöne Geschichten über Wassermänner, Nebeldämonen und orientalische Dschinni austauschen? Nie mehr Blacky beim Schnitzen zusehen oder Batuti zuhören, wenn er von seiner afrikanischen Heimat erzählte? Nie mehr Dan O'Flynn ein Loch in den Bauch fragen nach ihrer eigenen fernen Vergangenheit, ihrer unbekannten Mutter und den seltsamen Wegen der
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Vorsehung, die sie schließlich in den Orient verschlagen hatten? Nein, das war ausgeschlossen, sagten sich die Zwillinge. Die Männer konnten nicht tot sein. Bestimmt hatte das zweite Boot alle aufgefischt und sicher durch den Sturm getragen. Hasard und Philip waren sich da ganz sicher, und deshalb überraschte es sie auch nicht, als plötzlich vom Großmars her ein heller Jubelschrei erklang. „Deck ho! Ich habe sie! Sie leben! Sie leben!“ Köpfe ruckten hoch. Bill führte auf der Plattform hinter der Segeltuchverkleidung fast einen Veitstanz auf. In jeder anderen Situation hätte ihm jemand die Aufforderung um die Ohren gehauen, verdammt noch mal endlich eine anständige Meldung zu formulieren, andernfalls man ihm das Fell über die Ohren ziehen würde. Aber jetzt waren die Männer viel zu erleichtert, um sich mit derlei Nebensächlichkeiten aufzuhalten. „Wo, verdammt?“ brüllte Hasard. „Backbord voraus!“ tönte es zurück. Aber da enterte der Seewolf schon selbst wie der Blitz in den Mars auf, nahm Bill das Spektiv aus der Hand und schwenkte die bewegte, schimmernde Eisfläche ab. Zwei Sekunden brauchte er, um die Männer auf der treibenden Scholle ebenfalls zu sichten. Sekunden, in denen es auf der „Isabella“ so still wurde, wie es auf einer Galeone unter Segeln überhaupt nur werden konnte. „Beiboot abfieren!“ dröhnte Hasards Stimme — und damit stand fest, daß sich Bill nicht geirrt hatte. Der Seewolf enterte ab. Big Old Shane, Luke Morgan. Sam Roskill und Bob Grey stürzten sich bereits auf das Beiboot. Die Blicke der anderen hingen an Hasards Gesicht. Daß die Verschollenen nicht über ihr Fahrzeug verfügten, sondern sich auf eine Eisscholle gerettet haben mußten, ging aus dem Befehl zum Beibootaussetzen hervor. Aber eine andere Frage brannte in den Augen der Männer, und es war Ben Brighton, der sie aussprach.
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„Alle, Hasard?“ „Das weiß ich nicht“, sagte der Seewolf gepreßt. „Sie drängen sich im Pulk zusammen, das kannst du dir ja denken.“ Er wandte sich abrupt ab und starrte in die Richtung, wo sich die schattenhaften Gestalten auf der Eisscholle jetzt bereits mit bloßem Auge erkennen ließen. „Etwas abfallen, Pete! Wir segeln näher heran und drehen dann bei, damit wir sie in Lee kriegen.“ Fünf Minuten später war es soweit. Sie nahmen die große Pinasse. Das Dingi hätte die Männer nicht alle gleichzeitig aufnehmen können. Big Old Shane, der graubärtige Riese mit den Bärenkräften, hängte sich zusammen mit Ben Brighton an die Talje und fierte. Das Boot klatschte ins Wasser, Sam Roskill, Luke Morgan und Bob Grey flitzten an der rasch ausgebrachten Jakobsleiter abwärts. Hasard enterte ebenfalls ab und lächelte leicht, als sich über ihm auch der ehemalige Schmied von Arwenack mit grimmigem Gesicht über das Schanzkleid schwang. Ein flüchtiges Lächeln, das sofort wieder erlosch. Sie verzichteten darauf, den Mast aufzurichten und Segel zu setzen: mit den Riemen ließ sich das Boot in dem Gewirr der Eisschollen besser manövrieren. Hasard übernahm die Pinne und starrte aus schmalen Augen voraus. Inzwischen hatten die Männer auf der Eisscholle sie natürlich längst gesichtet. Sie richteten sich auf, winkten und schwenkten die Arme, aber immer noch war es unmöglich, sie genau zu zählen. Der rothaarige Ferris Tucker ließ sich nicht übersehen. Genauso wenig wie Edwin Carberry, der eiserne Profos mit seiner Hünengestalt und den rahsegelbreiten Schultern. Unter zweien der nassen, verrutschten Fellmützen glaubte Hasard, flachsblonde Haarsträhnen zu erkennen: Dan O'Flynn und Stenmark. Blitzte da Matt Davies' Hakenprothese? Und hatte der Bursche, der sich eben mühsam aufrichtete, nicht die bullige Figur des Decksältesten?
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Aber wo waren Blacky und Batuti? Wo steckten diese verdammten Halunken von Goldsuchern? Hasard biß sich auf die Lippen. Seine Begleiter pullten wie besessen und hatten verbiesterte Gesichter. Ein paar Blicke über die Schultern hatten ihnen gezeigt, daß es jedenfalls keine dreizehn Männer waren, die sich auf der Eisscholle drängten. Die See hatte sich Opfer geholt. Und sie alle ertappten sich in diesen Sekunden bei dem Wunsch, daß es keinen der ihren getroffen hatte -einem verständlichen, nur zu menschlichen Wunsch, von dem sich auch der Seewolf nicht freisprechen konnte. Der Jubel, der wenig später zu ihnen herüberklang, bewies eindeutig, daß die Seewölfe vollzählig waren. Ein paar Minuten noch, dann ging die Pinasse an der Scholle längsseits. Halb erfrorene, zu Tode erschöpfte Gestalten balancierten auf dem Eis, Männer, die durch die Hölle gegangen und fast am Ende ihrer Kräfte waren. Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle! „Wahrnehmen!“ donnerte Ed Carberry und lüftete den bewußtlosen Blacky, diesen Brocken von Kerl, am Kragen seiner Felljacke an, als ob es gar nichts wäre. „Nix wahrnehmen!“ protestierte im Hintergrund eine gutturale Stimme. „Batuti steigen von verdammtes Scholle auf eigene Beine! Nimm Pfoten weg, du rothaariges Riesenaffe!“ Der schleppende Tonfall und das schauderhafte Englisch bewiesen, daß Batuti wohl doch noch nicht ganz sicher auf den eigenen Beinen war. „Rothaariges Riesenaffe“ Ferris Tucker mußte ihn stützen, und das Wahrnehmen besorgte Big Old Shane, dem der schwarze Herkules benommen in die Arme taumelte. Behutsam wurde er neben Blacky gebettet, und ein paar Sekunden später war auch der letzte Mann an Bord. Klar, daß die Begrüßung rauh und herzlich ausfiel. Da wurde auf Schultern geklopft, daß die Planken zitterten, da hagelte es freundschaftliche Rippenstöße, da gab der
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eiserne Profos strahlend seiner Freude Ausdruck, die „verdammten Rübenschweine und Affenärsche“ endlich alle wiederzusehen. Luke Morgan, Sam Roskill und Bob Grey zahlten prompt zurück, indem sie liebevoll erklärten, was sie von hirnkastrierten Hammeln hielten, die es fertigbrachten, wegen einiger Killer-Wale und eines lächerlichen Stürmchens zwei Boote zum Teufel gehen zu lassen. Carberry erklärte, daß gleich noch etwas zum Teufel gehen würde, nämlich die Zähne von Sam Roskill, Bob Grey und Luke Morgan. Worauf die drei miteinander wetteiferten, die Abstammung des Profos auf triefäugige Gewitterziegen, verlauste Kanalratten, des Teufels Großmutter und ähnlich abenteuerliche Ahnen zurückzuführen. Kurz gesagt: es war alles in schönster Ordnung. Ferris Tucker grinste, steuerte ein paar saftige Flüche bei und wurde dann ernst, als er erzählte, was mit dem zweiten, heilgebliebenen Boot geschehen sei. Das hatten die Goldsucher. Nicht geklaut, das nicht. Sie waren mit dem Ding ganz einfach abgetrieben worden - und jetzt bezogen sich die allgemeinen Kommentare auf den Geisteszustand von Leuten, die mit einem Beiboot offenbar nicht besser umgehen konnten als der JungfrauenVerein von Plymouth, wenn er eine Kahnpartie unternahm. Na ja, die Kahnpartie der Goldsucher würde recht unerfreulich werden. Zu übergroßem Mitgefühl konnte sich niemand aufraffen. Man winkte zur „Isabella“ hinüber, von dort antworteten Jubelrufe, und dann, als die Männer an Bord enterten, begann der Begrüßungstrubel von neuem. Carberry kriegte wahrhaftig rote Ohren, als ihm die Zwillinge um den Hals fielen ihm, dem eisernen Profos, der zwanzigmal pro Tag mit dem Tauende drohte und ihnen auch schon mal gewaltig den Hintern versohlt hatte. Und der Moses Bill, der sah doch wahrhaftig so aus, als hätte er einen Kloß in der Kehle. Carberry räusperte sich
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energisch. Und dann war plötzlich auch noch die Rote Korsarin da. Nein, das ging zu weit! Da sollte doch dieser und jener... Siri-Tongs Mandelaugen funkelten vergnügt, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und dem Profos blitzschnell einen Kuß auf die zernarbte Wange drückte. Jetzt waren nicht nur seine Ohren rot. „Jaja“, sagte Ferris Tucker erheitert. Und der Profos stand da, schluckte, räusperte sich, schluckte wieder - und fand wahrhaftig keine Worte. Eine Tatsache, die es nach der einhelligen Meinung der Seewölfe verdiente, im Logbuch festgehalten zu werden. 6. Der Schneesturm hatte das kleine Fellzelt fast zugeweht. Drinnen war es einigermaßen warm gewesen - ein Geschenk des Himmels für sechs halb verhungerte Männer am Ende ihrer Kräfte. Jetzt hatte der Sturm nachgelassen, und Aage Olsen, der Schwede, versuchte mit Stiefeln und Handschuhen, den Schnee vom Eingang wegzuräumen. Hinter ihm krochen die anderen Überlebenden der „Helsingborg“ aus ihrem Unterschlupf. Sie schwankten, atmeten tief die klare Luft ein und sahen sich um. Das Fellboot bildete einen Buckel im Schnee. Die Männer preßten die Lippen zusammen und fragten sich unwillkürlich, ob das Boot sie wohl wirklich jemals zurück in die Zivilisation tragen würde. Es gab einen Weg nach Süden. Sie wußten es, denn die „Helsingborg“ war von der Westküste der Neuen Welt gekommen und vom Sturm durch die Wasserstraße gedrückt worden, die den pazifischen Ozean mit dem Nordpolarmeer verband. Aber der Weg war weit, die Männer wurden ständig vom Hungertod bedroht - sie zweifelten daran, daß sie es schaffen würden. „Paddeln wir sofort weiter?“ fragte Nisse Fjälldin, der hagere Norweger. Olsen schüttelte den Kopf. „Wir müssen versuchen, etwas Sauerampfer oder ein
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paar Gräser auszugraben, sonst bringt uns der Skorbut um. Und dann werden wir irgendein Zeichen hinterlassen, genau wie beim letztenmal.“ „Beim letztenmal hatten wir das zersplitterte Paddel“, wandte Jarl Tromsö ein. „Noch eins können wir nicht opfern.“ „Dann müssen wir eben in den Klippen Geröll zusammensuchen und es aufschichten. Ich schlage vor, wir teilen uns. Nisse und Jonas graben nach etwas Eßbarem, Peter und Michael machen das Boot klar, Jarl und ich sorgen für das Zeichen.“ Die Männer nickten nur. Im Grunde waren sie viel zu entkräftet, um eine zusätzliche Anstrengung wie das Herumklettern in den Klippen auf sich zu nehmen, aber niemand wollte auf das Zeichen verzichten. Denn sie hofften immer noch, daß Martin Trieberg wieder zu ihnen stoßen würde, der Kapitän der „Helsingborg“, von dem sie in einem mörderischen Sturm getrennt worden waren. Schweigend gingen sie an die Arbeit. Während die beiden Norweger im Schnee herumkratzten und den Boden der Bucht absuchten, schaufelten Peter und Michael Wolf, die Brüder aus dem Schwarzwald, das Boot frei. Nachdem sie Zelt und Muskete hineingepackt hatten, halfen sie Aage Olsen und Jarl Tromsö dabei, Geröllbrocken aus den Klippen zum Strand zu schleppen. Sorgfältig schichteten sie sie zu einem kegelförmigen Berg auf, bis sie sicher waren, daß niemand diesen Steinhaufen mehr für ein natürliches Gebilde halten konnte. Aage Olsen schrieb einen Zettel und verstaute ihn in einer flachen Tabaksdose, die er sorgfältig zwischen die Steine schob. Inzwischen hatten Nisse Fjälldin und Jonas Jonasson tatsächlich eine Stelle entdeckt, wo der Boden unter dem Schnee bewachsen war. Moose und Flechten, ein paar Gräser, sogar etwas Sauerampfer. Es spielte keine Rolle: jede Sorte Grünzeug, sofern es nicht giftig war, trug dazu bei, die allgegenwärtige Drohung des Skorbuts zurückzudrängen. Die Männer teilten die
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Ausbeute, verzehrten zuerst den einigermaßen wohlschmeckenden Sauerampfer und kauten dann auf Gräsern, Moos und Flechten herum, bis nur noch die bitteren, holzigen Reste übrig waren, die sie ausspuckten. In ihrem Zustand genügte schon wenig, um den quälenden Hunger für eine Weile erträglich werden zu lassen. Da die Küsten dieser Gegend durchaus nicht überall bewachsen waren, beschlossen die Männer, ein paar Stunden zu opfern, um einen gewissen Vorrat mitnehmen zu können. Zäh und geduldig kratzten sie die Schneedecke auf. Was sie fanden, sammelten sie in einem Fellbeutel. Viel war es nicht, aber die letzten mörderischen Wochen hatten sie alle gelehrt, daß Leben oder Sterben mitunter von einer winzigen Kleinigkeit abhängen konnten. Sie waren hart, die Männer der „Helsingborg“. Hart und ausdauernd und unbeugsam, auch wenn es so aussah, als bleibe ihnen keine Hoffnung. Sie waren genauso hart und zäh wie ihr verschollener Kapitän, wie die Seewölfe der „Isabella“, von deren Existenz sie noch nichts ahnten. Allen voran war Aage Olsen, der Miteigner des Walfängers, wild entschlossen, unter keinen Umständen aufzugeben. Aus schmalen Augen spähte er über das Meer, um zu prüfen, ob sie sich jetzt wieder mit dem Boot hinauswagen konnten. Die anderen standen neben ihm. Auch bei ihnen gab es jemanden mit besonders scharfen Augen. Es war der Norweger Jonas Jonasson, und der zuckte plötzlich zusammen. „Ein Wal!“ stieß er hervor. „Seht doch, da drüben! Er bläst!“ Auch die anderen entdeckten Sekunden später die schimmernde Säule des Walspautes. Sie rückte rasch näher, ein dunkler Buckel pflügte durch das Eis, und Aage Olsen sog scharf die Luft ein. „Er ist zu dicht unter Land!“ flüsterte er. „Er wird stranden! Gütiger Himmel! Er
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wird auf den Strand geraten und uns alle retten!“ Wie erstarrt standen die Männer da und beobachteten den Giganten, der im Küstengewässer offenbar die Orientierung verloren hatte. Schon hob sich der mächtige Schädel aus dem Wasser. Der Riesenkörper zuckte, die Flunke peitschte die Eisschollen. Warum das Tier nicht umkehrte und in tiefere Gewässer zurückschwamm, warum es mit so wilder, fast zielstrebiger Kraft auf den Strand drängte — die Männer konnten es sich nicht erklären. Sie wollten es auch gar nicht wissen. Nur die Tatsachen zählten. Sie würden diesen Wal erlegen können — und sie würden mit seiner Hilfe am Leben bleiben. Nicht einer war unter ihnen, der in diesen Sekunden nicht ein stummes Dankgebet zum Himmel schickte. * Edwin Carberrys Gesicht verkündete Unheil. Breitbeinig stand er in der Mannschaftsmesse, die Fäuste in die Hüften gestützt, und starrte mit finster dräuendem Blick auf den Kutscher hinunter. „Bin ich ein Säugling?“ donnerte er. „Ich bin der Profos, du Mißgeburt von einer Kombüsenwanze! Ich hab noch ein paar Kleinigkeiten zu tun, falls das in deinen Schädel geht! Also halt die Klappe, oder ich verarbeite dich zu Hacksteak und haue dich in deine eigene Pfanne, kapiert?“ Der Kutscher war nur mittelgroß und etwas schmalbrüstig. Aber das hieß nicht, daß er sich hätte einschüchtern lassen. Auch er hatte beide Hände in die Hüften gestemmt, stieß das Kinn vor und funkelte sein Gegenüber an, daß es eine Pracht war. „Du hältst jetzt deine große Klappe!“ fauchte er. „Ab in die Koje, du Holzklotz!“ „Sagtest du Holzklotz?“ „Jawohl! Du verschwindest jetzt in der Koje, oder ich hau dir eine Bratpfanne über den Schädel. Das gilt für euch alle, ihr kopfkranken Rübenschweine, verstanden?“
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„Der spinnt“, sagte Smoky. „In die Koje, haha“, amüsierte sich Dan O'Flynn. „Das fehlte noch! Demnächst gehen wir nach jedem Windstoß alle Mann in die Kojen, und die alte ‚Isabella' segelt von ganz allein —was, wie?“ „Was, wie?“ war eindeutig eine Formulierung, die dem Profos gehörte. Der fühlte sich prompt veräppelt. „He, du Laus ...“ begann er, aber weiter gelangte er nicht. Im Schott der Mannschaftsmesse war der Seewolf aufgetaucht. Sein Blick wanderte von einem zum anderen. „Habt ihr noch alle Mucks im Schapp?“ erkundigte er sich freundlich. Ed Carberry schnaufte. „Der Kombüsen-Hering muß mit dem Kopf gegen den Mast gerannt sein“, behauptete er. „Der will uns doch glatt, in die Kojen schicken, der ...“ „Sicher“, sagte Hasard gelassen. „Und da er der Feldscher an Bord ist, werdet ihr euch gefälligst nach seinen medizinischen Anweisungen richten. Klar?“ Carberry schnaufte. „Ist das ein Befehl — Sir?“ wollte er wissen. „Jawohl, Mister Carberry, das ist ein Befehl.“ Hasard sagte das ganz sanft. Aber wenn der Seewolf sanft wurde, dann wußten die Männer, daß es besser war, den Kopf einzuziehen und keine Diskussionen anzufangen. Ferris Tucker seufzte. Ed Carberry schnitt ein Gesicht, als habe man von ihm verlangt, auf der Kuhl Hula zu tanzen, mit einem Blumenkranz um den Hals. Aber auch er schwang schicksalsergeben herum und marschierte zu der Koje, die der Kutscher ihm angewiesen hatte. Blacky und Batuti waren ohnehin in einem Zustand, in dem sie gar nicht recht mitgekriegt hatten, daß sie flach lagen. Die anderen fügten sich achselzuckend den Anweisungen des Kutschers. Nur Dan O'Flynn sagte noch etwas, das ziemlich unfreundlich klang, das er aber wohlweislich so vor sich hin brummte, daß es niemand verstehen konnte.
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Der Seewolf grinste, als er das Schott hinter sich schloß. Wenig später stand er wieder an Deck — und dort empfing ihn spürbare Aufregung. Bill rief etwas aus dem Großmars. „... ein Zeichen, glaube ich“, hörte Hasard gerade noch. „Scheint ein zersplittertes Stechpaddel zu sein oder so etwas.“ Mit ein paar Schritten erreichte der Seewolf das Backbord-Schanzkleid und zog das Spektiv auseinander. Nach dem Abflauen des Sturms segelten sie wieder dichter unter Land und beobachteten die Küste. Martin Trieberg hoffte immer noch, ein Lebenszeichen von seinen Kameraden zu entdecken. Langsam schwenkte Hasard die Küstenlinie ab, und nach ein paar Sekunden sah auch er, was Bill aus dem Mars entdeckt hatte. Tatsächlich: auf dem felsigen Strand einer Bucht war ein geborstenes Stechpaddel aufgerichtet worden, eins der Dinger, wie sie die Eskimos in ihren Kajaks benutzten. Es gab keinen Zweifel daran, daß da jemand ein Notsignal gesetzt hatte, ein Zeichen für jeden, der zu Wasser oder zu Lande vorbeikam. Ob die Unbekannten in dieser Gegend ein Schiff erwarteten, war fraglich. Aber genauso gut, wie Martin Trieberg nach seinen Kameraden suchte, konnten auch die Verschollenen hoffen, daß ihr Kapitän wieder zu ihnen stoßen würde. Hasard zögerte nicht lange. Er ließ beidrehen, und ein paar Minuten später wurde bereits das Dingi abgefiert und klatschte auf das Wasser. Ein Stück mußten sie es über das Eis ziehen, dann standen sie am Strand. Gary Andrews und Jeff Bowie begutachteten fachmännisch das beschädigte Paddel. Der Seewolf sah sich um. Die Bucht lag recht geschützt, die Felsen einer vorspringenden Landzunge boten eine gewisse Deckung gegen den Sturm. Spuren gab es nicht, die waren längst von Wind und Schneegestöber verweht. Aber das Paddel wies deutlich darauf hin, daß hier jemand vor nicht allzu langer Zeit ein Lager aufgeschlagen hatte. „He! Was ist denn das?“
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Jeff Bowie beugte sich vor und scharrte am Fuß des fest verkeilten Paddels mit seiner Hakenprothese im Schnee. Als sich Hasard umwandte, hielt der drahtige dunkelblonde Engländer mit den grauen Augen bereits einen kleinen, eisüberzogenen Gegenstand in der Rechten. Einen Augenblick starrte er verständnislos auf das Ding, dann reichte er es dem Seewolf. Eine kleine runde Blechdose. Hasard hauchte den Deckel an und rieb darüber, bis er die Reste eines bunten Bildes und eine Aufschrift erkennen konnte. „Old Bill's Best Pipe-Tobacco“, entzifferte er und grinste. „Eine Tabaksdose“, stellte er fest. Dabei schraubte er bereits an dem Deckel herum, und nach ein paar Sekunden gelang es ihm, ihn zu öffnen. Ein kleines Stück Pergament lag in der Dose. Kostbares Pergament, von dem die Besitzer offenbar nicht viel zur Verfügung hatten. Das bewies die Winzigkeit der Buchstaben, mit denen es beschriftet war. „Eine Nachricht?“ fragte der hagere Gary Andrews gespannt. Hasard nickte. Dann las er vor: „Gegeben Anno Domini 1589. Wer immer unsere Nachricht findet und entziffern kann: wir bitten um Hilfe. Sechs Männer der ,Helsingborg' versuchen, mit einem Fellboot an der Küste entlang den Weg nach Süden zu finden. Unser Schiff ist verloren, unser Kapitän verschollen. Wenn ihr auf Martin Trieberg trefft und außerstande seid, ihm zu helfen, dann sagt ihm, daß er uns an der Küste finden wird. Aage Olsen, Steuermann der Helsingborg.“ Für einen Moment blieb es still. Die Seewölfe sahen sich an. Sie wußten, daß kein Grund zum Triumph bestand – noch nicht. Die Nachricht konnte schon sehr lange hier liegen, und die Männer, die sie hinterlassen hatten, waren vielleicht längst tot. Aber immerhin: es war eine erste Spur, und sie berechtigte zur Hoffnung. Vorsichtshalber durchsuchten die drei Männer gründlich die Bucht, doch es fanden sich keine weiteren Hinweise.
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Ein paar Minuten später enterten sie wieder an Bord der „Isabella“. Während das Dingi hochgehievt wurde, trat Hasard zu Martin Trieberg und reichte ihm schweigend das Pergament-Stück. Der Schwarzwälder schluckte hart, als er die kurze Nachricht überflog. Björn Springdaal und die rothaarige London-Lilly sahen ihm über die Schulter. Beide waren schweigsam, und ihre Gesichter spiegelten das schlechte Gewissen. Sie hatten sich auf die Seite der Seewölfe gestellt und verhindert, daß ihre skrupellosen Komplicen Philip Hasard Killigrews Söhne als Geiseln benutzten. Aber die Schuld daran, daß die Hälfte der „Helsingborg“-Crew den Tod gefunden hatte und sechs Männer in der Eiswüste verschollen waren, konnte ihnen niemand abnehmen. Martin Trieberg grub die Zähne in die Unterlippe. „Sechs Männer der Helsingborg“, wiederholte er leise den Satz der Botschaft, der ihn am härtesten getroffen hatte. „Das heißt, daß zwei von ihnen tot sind. Und die anderen ...“ „Sie haben immerhin ein Boot“, sagte Hasard ruhig. „Und wenn sie unterwegs an der Küste gelagert haben, weist das darauf hin, daß sie auch über ein Zelt verfügen. Vergessen Sie nicht, daß sie den Winter hei Eskimos verbracht haben, Martin. Sicher sind sie nicht völlig ohne Vorräte und Ausrüstung losgezogen.“ Der Schwarzwälder nickte. „Aalte Olsen ist der Diaeigner der ‚Helsingborg'„, erklärte er leise. „Das heißt, jetzt muß man wohl sagen, er war es. Himmel, wenn ich daran denke, mit welchen Hoffnungen wir damals aufgebrochen sind, wieviel wir uns vom Walfang im hohen Norden versprochen haben ...“ Er sprach nicht weiter. Es war sinnlos, der Vergangenheit nachzutrauern: Für die Männer, die — hoffentlich — immer noch ihr Boot an der Küste entlang paddelten, ging es nur noch darum, das nackte Leben zu retten. Der
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Schwarzwälder wischte sich das helle Haar aus der Stirn und atmete tief durch. „Sie leben noch“, murmelte er. „Ich weiß, daß sie noch leben.“ Die Wahrscheinlichkeit sprach zwar dagegen, aber es gab niemanden, der das ausgesprochen hätte. Dafür wußten sie zu gut, was Martin Trieberg fühlte — denn sie alle hatten noch vor kurzem, als sie nach ihren verschwundenen Kameraden suchten, das gleiche empfunden. Minuten später segelte die „Isabella“ weiter, und jeder, der konnte, spähte angestrengt nach Westen in der Hoffnung, irgendwo zwischen den treibenden Eisschollen ein Fellboot zu entdecken. * „Wal ho! Ein gestrandeter Wal! Wir sind gerettet!“ Das Beiboot der „Isabella“ kenterte fast, als Joe McNickle aufsprang und triumphierend die Arme schwenkte. Tjarko Michels fluchte, Rogier Claasen zog den Engländer auf die Ducht zurück. Hastig bemühten sich die Männer, ihren schwankenden Kahn wieder unter Kontrolle zu kriegen, und dann erst reckten sie die Köpfe, um zu der öden, unwirtlichen Küste hinüberzuspähen, an der sie seit endlosen Stunden entlangpullten. Sie hatten sich entschlossen, den Weg nach Süden auf eigene Faust zu suchen. Auf der Eisscholle waren sie in Gefahr gewesen, jede Sekunde von der stürmischen See verschlungen zu werden, da hatten sie den sicheren Tod vor Augen gehabt und wie Ertrinkende nach einem Strohhalm gegriffen. Jetzt besaßen sie immerhin ein Boot, die Küste lag zum Greifen nahe, sie konnten wieder Hoffnung schöpfen. Unter diesen Umständen erschien es ihnen wenig ratsam, nach der „Isabella“ zu suchen. Im Gegenteil: Sie pullten wie besessen und hielten dicht unter Land, um von der Galeone aus nicht gesichtet zu werden, wenn sie sich näherte. Die Seewölfe würden sie allesamt an die Rahnock knüpfen, davon waren die
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ehemaligen Goldsucher mehr denn je überzeugt. In den Augenblicken höchster Gefahr und Panik hatte sie das nicht schrecken können, da hielten sie alles für besser als die Hölle, die um sie herum drohte. Jetzt glaubten sie, wieder eine Chance zu haben und zogen das ungewisse Schicksal, das vor ihnen lag, dem Strafgericht vor, das ihrer Meinung nach auf der „Isabella“ über sie hereinbrechen würde. So jedenfalls hatten sie gedacht, als sie nach dem Sturm von der winzigen Felseninsel aufgebrochen waren. Jetzt, da Hunger, Kälte und Erschöpfung ihnen immer heftiger zusetzten, sah die Sache schon wieder anders aus. Konnten sie mit dieser Nußschale wirklich die Durchfahrt nach Süden erreichen? Konnten sie einen weiteren Sturm überstehen -ohne Vorräte, ohne Unterschlupf? Sie hatten nicht einmal eine Schußwaffe. Die Hoffnung, mit den Messern vielleicht eine Robbe zu erlegen, hatte sich bisher als trügerisch erwiesen. Deshalb glaubten sie auch zuerst, daß Joe McNickle nur einer der Halluzinationen erlegen sei, die der Hunger hervorbrachte. Ein paar Riffe versperrten die Sicht. Erst Minuten später gaben sie wieder den Blick auf die Bucht frei - und jetzt konnte es keine Täuschung mehr geben. „Ein Wal!“ flüsterte Rogier Claasen. „Es ist wirklich ein Wal! Er liegt auf dem Strand! Wir brauchen uns nur zu bedienen.“ „Gütiger Himmel“, brachte der lange Friese hervor. Die anderen schwiegen. Nach allem, was hinter ihnen lag, waren sie kaum noch fähig, ihre Erleichterung auszudrücken. Schneller pullen konnten sie auch nicht mehr. Wieder dauerte es Minuten, bis Barry Burns, der sich im Bug aufgerichtet hatte, Genaueres zu erkennen vermochte. Ja, da war ein Wal. Einer jener Giganten der nördlichen Meere, den tückische Strömungen oder was auch immer hatten stranden lassen. Nur noch die mächtige Flunke und ein Teil
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des Hinterleibs lagen im Wasser. Wie ein Gebirge hob sich der Riese von der verschneiten Küste ab, ein Gebirge aus Speck und Fleisch, das mehr Vorräte liefern würde, als sie in ihrem kleinen Boot transportieren konnten. Burns stöhnte auf und biß sich auf die Lippen, weil der Hunger plötzlich mit doppelter Wildheit in seinen Eingeweiden wühlte. Sie würden Feuer entfachen können, fiel ihm ein. Die Speckseiten des Wals ergaben ein ausgezeichnetes Brennmaterial. Und aus den mächtigen Barten, die immerhin gut vier Yards groß waren, ließ sich vielleicht ein Unterschlupf herstellen, der es ihnen ermöglichte, den nächsten Schneesturm an der sicheren Küste zu überstehen. Barry Burns glaubte schon, die endgültige Rettung dicht vor sich zu sehen - und dann entdeckte er etwas, das seine Hoffnungen zumindest im ersten Moment wie Seifenblasen platzen ließ. „Menschen!“ zischte er. „Da treiben sich ein paar Kerle herum! Wir sind zu spät gekommen!“ „Wer? Wo? Was für Kerle?“ Die Stimmen gingen erregt durcheinander. Barry Burns winkte ab und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Sechs Männer zählte er. Ihre Gestalten wirkten winzig gegen den schwarzen Koloß des Wals. Sie standen am Strand, starrten den Giganten an, und es war offensichtlich, daß auch sie den gestrandeten Fleischberg als Geschenk der Vorsehung betrachteten. Burns konnte nur ihre Rücken sehen. Eskimos? Nein, dachte er. Sie waren zu groß für Eskimos. Oder täuschte er sich, waren sie noch zu weit weg, um das richtig einzuschätzen? „So ein Wal reicht doch für 'ne ganze Armee“, meldete sich McNickle heiser. „Die Kerle können das Biest doch gar nicht für sich allein ausschlachten. Warum sollen sie nicht mit uns teilen?“ „Und wenn es Eskimos sind, die ein paar Völkerschaften für den Winter bevorraten müssen?“ knurrte Barry Burns.
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„Die Eskimos sind gastfreundlich. Sie werden ...“ „Sie werden gar nichts! Jedenfalls nicht, wenn es sich bis zu ihnen herumgesprochen hat, daß wir ihren Leuten weiter im Osten die Schlittenhunde vergiftet haben. Und es hat sich garantiert herumgesprochen. Ihr wißt doch, daß die Kerle nur im Winter in ihren Iglu-Dörfern leben und im Sommer mit den Zelten herumzigeunern.“ Schweigen. Barry Burns hatte den Kopf eingezogen und gab den Männern durch Zeichen zu verstehen, in welche Richtung sie pullen sollten. Obwohl es völlig ausgeschlossen war, daß sie in der Bucht gehört wurden, senkten sie ihre Stimmen unwillkürlich zum Flüstern. „Erst mal die Lage peilen“, schlug Burns vor. „Am besten gehen wir auf der Ostseite der Bucht im Sichtschutz der Klippen an Land. Vorsicht ist der bessere Teil der Tapferkeit.“ Niemand widersprach. In ihrem Fall wäre alles andere als Vorsicht reiner Wahnsinn gewesen. Ausgehungert, erschöpft und nur mit Messern bewaffnet konnten sie sich auf keinen Fall auf einen Kampf einlassen. Schweigend pullten die Männer weiter und lavierten vorsichtig zwischen den Riffen hindurch, die der Küste vorgelagert waren. Sie hatten Glück und waren die meiste Zeit gegen Sicht geschützt. Davon abgesehen kümmerten sich die Männer in der Bucht ohnehin um nichts anderes als den gestrandeten Wal - das war deutlich zu sehen, wenn sie ab und zu für kurze Zeit ins Blickfeld von Barry Burns gerieten. Der braunhaarige, untersetzte Engländer hatte sich im Bug aufgerichtet und versuchte, zwischen den Riffen hindurchzuspähen. Einmal konnte er für Sekunden die ganze Bucht übersehen. Er entdeckte das Fellboot, das Fellzelt - und den großen Kegel aus aufgetürmten Geröllbrocken. „Jedenfalls scheinen sie nicht zu einer größeren Gruppe zu gehören“, stellte er fest. _Sie sind mit Zelt und Kajak
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unterwegs. Aber was der Steinhaufen zu bedeuten hat, das möchte ich wirklich wissen.“ „Steinhaufen?“ fragte McNickle. ”Eine Art Kegel, ja. Sieht aus wie ein Zeichen.“ „Zeichen?“ Das klang entsetzt. Barry Burns biß sich auf die Lippen. Ihn hatte der gleiche Verdacht durchzuckt wie die anderen - und genauso wenig wie die anderen wagte er es, ihn auszusprechen. Wenn es etwas gab, das die ehemaligen Goldsucher noch mehr fürchteten als die feindliche Natur und sogar das Strafgericht, das sie ihrer Meinung nach auf der „Isabella“ erwartete, dann war es die Rache der Männer von der „Helsingborg“. Schon die Tatsache, daß Martin Trieberg noch lebte, war ihnen so bedrohlich erschienen, daß sie die Schlittenhunde der Expedition vergiftet hatten, die den Schwarzwälder auf die „Isabella“ holen sollte. Triebergs Kameraden waren von ihm getrennt worden und in der Eiswüste verschollen. Sie mußten tot sein, konnten unmöglich überlebt haben. Das jedenfalls hatten sich die Goldsucher wieder und wieder eingeredet, aber jetzt begannen sie plötzlich, daran zu zweifeln. Schweigend und verbissen pullten sie auf die Landzunge zu. Furcht verzerrte ihre Gesichter. Wenn sie auf die Männer der „Helsingborg“ stießen, würde es einen Kampf auf Leben und Tod geben. Einen Kampf sechs gegen vier. Und wenn die Überlebenden der „Helsingborg“-Crew Boot und Zelt von den Eskimos erhalten hatten, dann verfügten sie vielleicht auch über die besseren Waffen. Im Schutz der Klippen auf der Landzunge zogen die vier ehemaligen Goldsucher ihr Boot über das Eis zum Strand. Vorsichtig stiegen sie in die Felsen hinauf, bemüht, nicht das geringste Geräusch zu verursachen. Die Kletterei bewies ihnen endgültig, daß sie mit ihren Kraftreserven am Ende waren. Keuchend und völlig ausgepumpt erreichten sie den Grat und
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ließen sich bäuchlings auf die vereiste Schräge sinken. Die Bucht lag offen unter ihnen. Immer noch standen die sechs Unbekannten vor dem riesigen Wal. Aber jetzt redeten sie aufeinander ein, wandten ein paarmal die Köpfe—und die Männer zwischen den Felsen konnten ihre Gesichter sehen. „Olsen“, sagte Barry Burns tonlos. „Und Jarl Tromsö“, fügte McNickle hinzu. „Die Wolf-Brüder sind auch da. Die beiden anderen ...“ „Die Norweger!“ knurrte Tjarko Michels. „Verdammt, die sechs sind die härtesten Brocken der ,Helsingborg-Crew.“ „Logisch“, murmelte McNickle. „Diejenigen, die überleben, sind immer die härtesten Brocken.“ Er biß knirschend die Zähne zusammen und straffte sich. „Wollt ihr euch vielleicht von denen ins Bockshorn jagen lassen?“ zischte er. „Schließlich haben wir die ganze Bande schon einmal von ihrem Schiff verjagt, oder?“ „Ja“, brummte Michels. „Indem wir sie im Schlaf überwältigten und Trieberg die Pistole an die Schläfe setzten, vergiß das nicht.“ „Na und? Schaut euch mal das Fellboot an! Seht ihr, was ich sehe?“ „Eine Muskete'', sagte Rogier Claasen nach sekundenlangem Schweigen. „Eben! Und kein Mensch paßt auf das Ding auf. Wenn sich einer von uns heranpirscht, sich die Waffe unter den Nagel reißt ...“ „Und wer soll das machen?“ fragte Tjarko Michels sachlich. Joe McNickle schob die Kinnlade vor. Er hatte noch nie besonders viel Mut bewiesen. Und auch jetzt war es nur der Mut der nackten Verzweiflung, der ihn erfüllte. Martin Triebergs Leute würden nicht das Schwarze unter dem Nagel mit ihnen teilen, sondern ihnen ohne viel Federlesens die Köpfe einschlagen. Aber wenn sie nicht an den Wal gelangten, waren sie verloren. Also blieb ihnen keine Wahl, als die Männer der „Helsingborg“ auszuschalten.
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„Ich tue es“, sagte Joe McNickle entschlossen. „Mehr als krepieren kann ich dabei nicht. Und krepieren werden wir ohnehin, wenn wir jetzt nichts unternehmen ...“ 7. Der gestrandete Wal setzte ein wesentlich deutlicheres Zeichen als der Steinkegel, den die Männer der „Helsingborg“ aufgeschichtet hatten. Luke Morgan war es, der auf seiner Wache im Großmars das gewaltige Tier entdeckte. Die Männer drängten sich am Schanzkleid der Kuhl, auch Siri-Tong, London-Lilly und die drei Kinder, für die ein Wal immer noch ein unvergleichliches Wunder darstellte. Hasard stand auf dem Achterkastell. Er zog das Spektiv auseinander, und durch das Fernglas sah er, was Luke Morgan mit bloßem Auge noch nicht hatte erkennen können. Menschen! Sechs Männer, ein winziges Zelt und ein Fellboot, auf dem sich Ausrüstungsgegenstände türmten. Der Seewolf ließ das Spektiv wandern. Auf der Ostseite der Bucht erwischte er gerade noch einen Blick auf einen siebenten Mann, der mit einer Muskete zwischen den Felsen verschwand, und fragte sich flüchtig, wer der Bursche sein mochte, da in der Nachricht, die sie gefunden hatten, nur von sechs Überlebenden die Rede gewesen war. Ein Eskimo? Oder ein weiterer Verschollener, der wie durch ein Wunder noch zu der Gruppe gestoßen war? Hasard wußte es nicht. Im Augenblick grübelte er auch nicht weiter darüber, nach. Er gab Martin Trieberg ein Zeichen, und Sekunden später enterte der Schwarzwälder zum Achterkastell hoch. Eine steile Falte stand auf seiner Stirn, als er das Spektiv entgegennahm und hindurchsah. Zwei Sekunden lang starrte er gebannt zur Küste, dann fuhr er zusammen. Seine Hand
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zitterte, als er das Fernglas absetzte, die hellen Augen brannten. „Aage Olsen“, sagte er tonlos. „Jarl und Nisse! Jonasson und die Wolf-Brüder! Sie sind es! Sie sind es wirklich!“ Hasard lächelte. Noch hatten die Männer in der Bucht die „Isabella“ nicht gesehen, weil sie zu sehr mit dem gestrandeten Wal beschäftigt waren. Und der Bursche, der mit der Muskete in den Klippen verschwunden war? Wenn er Wache halten sollte, hätte er die Galeone längst entdecken müssen. Es sei denn, daß irgendeine Gefahr dort oben in den Felsen lauerte. Oder daß der Musketen-Mann etwas ganz anderes war als ein Wachtposten. „Setzt die Pinasse aus!“ befahl Hasard knapp. „Wir pullen an Land und ...“ Weiter gelangte er nicht. Jäh peitschte ein Schuß auf und brach sich hallend zwischen den Felsen. Einer der Männer am Strand schrie auf und taumelte, die anderen fuhren herum. Sekunden später fiel am Rand der Klippen der zweite Schuß, und damit war endgültig klar, daß der Musketen-Mann kein Wachtposten war, sondern ein Angreifer. Die Musketenkugel hatte Peter Wolf an der Schulter gestreift und taumeln lassen. Brennender Schmerz zuckte durch seinen Arm, seine Augen verschleierten sich, und sekundenlang drohten die Knie unter ihm nachzugeben. „Peter!“ schrie sein Bruder erschrocken. Gleichzeitig sprangen bereits die anderen hinzu. Carl Tromsö und Michael packten den Verletzten unter den Achseln, schleppten ihn durch den Schnee, und im selben Moment peitschte bereits der zweite Schuß durch die Stille. Aage Olsen sah es zwischen den Klippen aufblitzen und warf sich zur Seite. Wirkungslos schlug die Kugel gegen einen vereisten Felsen. Olsens Blick zuckte umher. „Deckung!“ schrie er, während er wieder hochschnellte. Doch das wäre gar nicht mehr nötig gewesen. Seine Männer reagierten blitzschnell und taten das einzig Richtige: sie gingen hinter
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dem mächtigen Körper des Wals in Deckung. Bevor der Angreifer zwischen den Felsen ein drittes Mal schießen konnte, gab es schon kein Ziel mehr. Der Wal war der beste Schutz, den man sich überhaupt wünschen konnte. Keuchend kauerten die Männer am Boden. Zwei von ihnen kümmerten sich um Peter Wolfs Wunde, die anderen spähten zu den Klippen hinauf – und niemand dachte daran, einen Blick auf das offene Meer zu werfen, wo die „Isabella“ jetzt deutlich zu erkennen war. „Die Muskete!“ zischte Nisse Fjälldin. „Verdammt, Aage, diese Dreckskerle haben unsere Muskete!“ Das hatte Aage Olsen inzwischen auch bemerkt. Wütend knirschte er mit den Zähnen, seine Gedanken überschlugen sich. Jemand war kaltblütig genug gewesen, sich hinter ihrem Rücken an das Fellboot heranzuschleichen und die Waffe zu stehlen. Kaltblütig genug – oder verzweifelt genug. Wahrscheinlich das letztere: nur wer völlig am Ende war, nahm ein solches Risiko auf sich, um sich eine einzige Muskete und etwas Munition anzueignen. Bestimmt keine Eskimos, und damit kam eigentlich nur noch eine Gruppe von Leuten in Frage. Zwei Sekunden später hatte Aage Olsen die Bestätigung. Da nämlich sah er die Gestalt, die sich vorsichtig zwischen den Felsen aufrichtete, um eine bessere Schußposition zu gewinnen. Eine kleine, untersetzte Gestalt, zerknitterte Züge. Der Anblick schien Olsen wie ein Schlag in die Magengrube zu treffen. „McNickle!“ knirschte er. Neben ihm warf Jonas Jonasson den Kopf herum. Seine hellen Augen wurden weit. „McNickle, dieser Hund? Bist du sicher?“ „Ganz sicher! Und wo McNickle ist, kann der Rest der Drecksbande nicht weit sein.“ Auch die anderen hatten sich umgewandt. Haß zeichnete ihre Gesichter. Ein jäher, tödlicher Haß, der den Angreifern da drüben nichts Gutes versprach. Selbst Peter Wolf vergaß seine Verletzung und richtete
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sich ruckartig auf. Die Augen des jungen Deutschen funkelten. „Jetzt wird abgerechnet!“ flüsterte er. „Endlich! Auf diese Stunde habe ich gewartet, auf diese Stunde ...“ „Sie haben die Muskete“, sagte sein Bruder sachlich. „Und? Sind wir vielleicht nicht Manns genug, ein paar dreckige Halunken mit bloßen Fäusten zu Paaren zu treiben?“ „Wir sind Manns genug dafür“, sagte Aage Olsen hart. „Aber es wäre sinnlos, die Kerle direkt anzugreifen. Was sie vorhaben, ist klar: sie bilden sich ein, daß wir die Flucht ergreifen werden. Das werden wir auch tun ...“ „He!“ protestierte Fjälldin. „Ich denke nicht daran, vor diesen Ratten den Schwanz einzukneifen!“ „Sollst du auch nicht. Wir fliehen nur zum Schein, arbeiten uns durch die Felsen an die Kerle heran und fallen ihnen in den Rücken. McNickle wird wahrscheinlich dort oben bleiben, um die anderen mit der Muskete zu decken. Den Kerl übernehme ich persönlich, danach schlagen wir alle gemeinsam los. Soweit klar?“ „Klar-, bestätigte Jarl Tromsö. Die anderen nickten. Ihre ausgemergelten Gesichter wirkten hart und entschlossen, und in ihren Augen brannte in diesen Sekunden ein wildes, fast fiebriges Feuer. * Immer noch schien niemand an Land die „Isabella“ entdeckt zu haben. Auch nicht die Pinasse, die mit acht Männern besetzt auf die Kette der Riffe zuglitt. Martin Trieberg hatte die Pinne übernommen. Auch Björn Springdaal war entschlossen gewesen, die Seewölfe zu begleiten —er hatte sich einmal entschieden und wollte beweisen, daß er diese Entscheidung ernst meinte. Dennoch hatte Hasard ihn zurückgelassen. Er wußte, daß es für den jungen Schweden trotz allem schwer gewesen wäre, gegen Männer zu kämpfen, die er früher als Freunde betrachtet hatte. Vor allem ließ
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sich nicht voraussehen, was für Verwicklungen es geben konnte, wenn Triebergs Männer plötzlich völlig unvorbereitet Björn Springdaal gegenüberstanden, der für sie immer noch zu ihren verhaßten Feinden zählte. Ben Brighton, Big Old Shane, Pete Ballie, Gary Andrews, Al Conroy und Luke Morgan legten sich in die Riemen. Der Seewolf stand aufrecht im Bug und spähte aus schmalen Augen zur Küste hinüber. In den letzten Minuten war es dort fast unnatürlich still gewesen — jetzt entstand jäh wieder Bewegung. Die Männer, die hinter dem gigantischen Körper des Wals Schutz gesucht hatten, lösten sich aus ihrer Deckung. Geduckt huschten sie über den Strand und strebten der Landzunge zu. Oben auf den Klippen peitschte die Muskete, doch der Schütze hatte zu spät reagiert und zu schlecht gezielt. Auch der zweite Schuß traf offenbar nicht. Sekundenlang entzogen die Riffe die huschenden Gestalten Hasards Blick, doch als sie wieder auftauchten und gleich darauf im Gewirr von Felsen und Geröll verschwanden, waren sie immer noch vollzählig. „Eh!“ brummte Ben Brighton, der über die Schulter gesehen hatte. „Gehen die etwa türmen?“ „Nein“, sagte Martin Trieberg überzeugt. „Glaube ich auch nicht“, gab ihm Hasard recht. „Aber sie können schließlich nicht stundenlang einem toten Wal Gesellschaft leisten. Ich vermute, daß sie den Angreifern in den Rücken fallen wollen.“ So war es auch. Im Schutz der Felsen konnten die Männer der „Helsingborg“ sehr schnell die Landzunge überwinden -schneller jedenfalls, als es sich ihre Widersacher träumen ließen. Die tauchten zögernd und sehr vorsichtig aus ihren Deckungen auf. Offenbar wußten sie genau, daß ihre Gegner alles andere als Feiglinge waren, und trauten dem Frieden nicht recht. Der Musketen-Mann blieb mit der Waffe an seinem Platz, um den anderen den Rücken zu decken. Nach einer Weile richtete er sich auf, und der Seewolf erkannte das
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zerknitterte Gesicht des Engländers Joe McNickle. Die Pinasse hatte inzwischen den Gürtel der Riffe erreicht. Die Männer brauchten ihre Aufmerksamkeit für die schwierige Durchfahrt. Hasard lotete Tiefe: sie hatten schon das Boot verloren, das durch den Flunkenschlag des Wals zerstört worden war, und mußten auf jeden Fall vermeiden, daß auch noch die Pinasse beschädigt wurde. Der Seewolf warf nur noch ab und zu einen Blick zum Strand, doch das genügte. Als er das erstemal hinsah, stand McNickle hoch aufgerichtet wie ein Triumphator auf der Klippe. .Ein paar Sekunden später schnellte hinter ihm zwischen den Felsen eine Gestalt hoch. „Olsen“, zischte Martin Trieberg, der ebenfalls einen kurzen Blick riskiert hatte. Seine Augen funkelten auf, als der Halunke dort oben einen kurzen, trockenen Fausthieb an die Schläfe erhielt und lautlos zusammensackte. Die Muskete wechselte den Besitzer. Aage Olsen feuerte. Auf halber Höhe zwischen Klippen und Strand machte Tjarko Michels einen Luftsprung, weil ihm die Kugel fast die Zehen versengte, und das war für den Rest der „Helsingborg“Crew das Zeichen zum Angriff. Sie hatten unsägliche Strapazen hinter sich, sie waren halb verhungert und erfroren, aber in diesen Sekunden schienen sie sich in rasende Teufel zu verwandeln. Empörung und heiliger Zorn verliehen ihnen neue Kraft. Von allen Seiten stürmten sie, schwangen Dolche, Entermesser und handliche Steinbrocken und die drei ehemaligen Goldsucher prallten zurück, als sei vor ihnen der Leibhaftige selbst aus der Kiste gefahren. „Schieß doch, Joe!“ kreischte Barry Burns, der zweite Engländer. Aber McNickle konnte nicht mehr schießen. Stattdessen feuerte Aage Olsen, der flachshaarige Schwede. Die Kugel riß Barry Burns die Fellmütze vom Kopf, und
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die Halunken begriffen endgültig, was die Stunde geschlagen hatte. Burns war der erste, der sich herumwarf und Fersengeld gab. Rogier Claasen und Tjarko Michels folgten ihm. Alle drei rasten davon wie vom Teufel gehetzt, stolperten, rissen sich verzweifelt wieder hoch und begannen, die Klippen emporzuklimmen. Die „Helsingborg“-Männer folgten ihnen. Als wenig später die Pinasse der Seewölfe auf das Eis gezogen wurde, lag der Strand wie leergefegt. Aber aus den Klippen klangen Stimmen, die sich verständigten, die wilde Jagd zu organisieren versuchten, und es war klar, daß es den Flüchtenden verdammt dreckig gehen würde, wenn die Verfolger sie erwischten. Ihre eigene Schuld! Trotzdem setzten sich die Seewölfe auf Hasards Wink in Bewegung und enterten in die Klippen. Martin Triebergs Gesicht verriet, daß er nur zu gern ein paar von den Goldsuchern eigenhändig massakriert hätte. Pete Ballie, Gary Andrews, Al Conroy und Luke Morgan sahen auch so aus, als würden sie den Halunken mit Freuden die längst fällige Tracht Prügel verpassen. Nur Ben Brighton und Big Old Shane wirkten wenig kampflustig. Sie teilten Hasards Ansicht über die Sache: es war einfach verrückt, daß diese halbverhungerten Elendsgestalten auch noch übereinander herfielen, und als ernsthafte Gegner konnte man die ehemaligen Goldsucher ohnehin nicht mehr betrachten. Der erste, auf den sie stießen, war Joe McNickle. Er taumelte gerade hoch und stierte wild um sich. Luke Morgan, fauchend vor Wut, wollte sich auf ihn stürzen, doch der Seewolf stoppte ihn. „Na, na“, sagte er kopfschüttelnd. „Man schießt doch auch nicht mit Kanonen auf halbtote Möwen, oder?“ Luke bremste sich. McNickle dachte sowieso nicht an Gegenwehr.
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„Mitnehmen!“ befahl Hasard kurz, und Big Old Shane packte den schlotternden Mann kurzerhand am Kragen. Mit zwei Sprüngen erklomm Hasard einen vereisten Felsengrat und ließ den Blick schweifen. Ein Gewirr von Steinblöcken lag unter ihm, von schimmerndem Eis überzogen, teilweise noch halb zugeweht von dem Schnee, den der Sturm zwischen die Klippen getrieben hatte. Ein großer, breitschultriger Mann bewegte sich langsam vorwärts. Hasard kannte ihn nicht, aber er wußte, daß er zu Martin Triebergs Kameraden gehören mußte. Denn bei dem Kerl, der sich halb links von dem Seewolf gerade aufrichtete und einen kindskopfgroßen Stein hochstemmte, handelte es sich eindeutig um den holländischen Goldsucher Rogier Claasen. Kein Zweifel: Er wollte seinem Gegner mit dem Brocken den Schädel einschlagen. Heimtückische Ratte, dachte Hasard erbittert. Blitzartig wollte er hinzuspringen, aber Luke Morgan, froh über die gute Gelegenheit, war schneller. Mit einem gewaltigen Satz sprang der drahtige Mann dem bulligen Holländer in den Nacken. Rogier Claasen schrie auf. Er torkelte, kämpfte um sein Gleichgewicht und ließ den Steinbrocken fallen. Aber das schwere Ding landete nicht auf dem Kopf seines Opfers, sondern auf seinen eigenen Zehen —und daher brauchte Luke Morgan überhaupt nichts weiter zu unternehmen. Claasen kriegte den Veitstanz, hüpfte auf einem Bein herum und schrie. Luke Morgan hätte ihn mit einem Fausthieb von seinen Schmerzen erlösen können, doch er dachte gar nicht daran. Er gönnte dem Kerl sein Mißgeschick — schon weil die Erinnerung an den feigen Plan der Goldgräber noch zu frisch war. Luke verschränkte die Arme, lehnte sich an einen Felsblock und wartete in aller Seelenruhe ab, ob sein Gegner umfallen oder gar noch einmal angreifen würde. Claasen war damit in sicherer Obhut. Die restlichen Seewölfe drangen weiter vor, Big Old Shane immer noch mit dem
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zitternden, jammernden McNickle am Kragen. Bisher hatte der Engländer keinen Widerstand geleistet. Jetzt sperrte er sich verzweifelt, und der Grund war klar: der breitschultrige Mann, der den Stein hatte auf den Kopf kriegen sollen und jetzt herumfuhr. „Michael!“ schrie Martin Trieberg. „Martin! Das ist doch nicht möglich!“ Sekunden später lagen sich die beiden Männer in den Armen, klopften sich auf die Schultern, hieben sich die Fäuste in die Rippen und überschütteten sich gegenseitig mit einer Flut von Fragen, Freudenrufen und wieder Fragen. Der Kampflärm aus den Klippen veranlaßte Hasard dazu, die Wiedersehensszene zu stören. Er brauchte Martin Trieberg. Die Männer um Aage Olsen kannten die „Isabella“-Crew nicht, jemand, dem sie vertrauten, mußte ihnen erklären, daß die Seewölfe keine Feinde waren. Der Schwarzwälder sah das auch ein, und sein Landsmann Michael Wolf brannte ohnehin darauf, an den Platz zu gelangen, wo in diesem Augenblick 'Schreie gellten und Entermesser gegeneinander klirrten. Sie mußten nur noch ein paar Felsblöcke überwinden. dann lag die Mulde vor ihnen, in der die restlichen „Helsingborg“Mannen die beiden letzten Goldsucher eingeholt hatten. Barry Burns und Tjarko Michels kämpften mit dem Rücken zur Wand — beziehungsweise mit dem Rücken zu einem Felsen. Aage Olsen hatte sie als erster erreicht und sich auf den baumlangen Friesen gestürzt: sie kreuzten die Entermesser, als lieferten sie sich ein klassisches Degenduell. Ein Entermesser hielt auch Barry Burns in der Faust. Nisse Fjälldin, mit einem Krummdolch bewaffnet, umkreiste ihn wie eine Katze, die ihre Beute beschleicht und auf die Möglichkeit zum Sprung lauert. Noch hielten sich die beiden Goldsucher und wehrten die Angreifer mit dem Mut der Verzweiflung ab. Aber da war noch Jarl Tromsö, den ein Sturz für ein paar Sekunden aufgehalten
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hatte. Da war Peter Wolf, zwar verletzt, aber wild entschlossen, sich ebenfalls in den Kampf zu stürzen, da war Jonas Jonasson, der zweite Norweger - es konnte nur noch Minuten dauern, bis die Männer an dem Felsen endgültig untergingen. Sie wußten es. Barry Burns war der erste, der aufgab. Er sah die Männer, die da plötzlich zwischen den Klippen auftauchten, und vermutlich begriff er, daß er jetzt seine unwiderruflich letzte Chance hatte, mit dem Leben davonzukommen. Eine wilde Bewegung er warf das Entermesser von sich und hob in einer flehenden Gebärde beide Arme. „Hilfe!“ schrie er. „Ich ergebe mich! Hilfe!“ Michels warf den Kopf herum und starrte seinen Komplicen verblüfft an. Für den Bruchteil einer Sekunde war er abgelenkt, und diese winzige Zeitspanne genügte für seinen Gegner, um mit dem Entermesser auszuholen. Der Seewolf kannte den Mann -Martin Trieberg hatte ihm den Namen genannt, als er von der „Isabella“ aus durch das Spektiv blickte. „Halt, Olsen!“ gellte Hasards Stimme. Und damit rettete er nicht nur dem Friesen, sondern auch Barry Burns das Leben. Aage Olsen stockte mitten in der Bewegung. Fjälldin schwang, ungerührt von Burns' Gejammer, den Dolch und hätte sein Opfer wohl niedergestochen - jetzt wirbelte er wie von einer Bogensehne abgeschnellt herum. „Martin!“ schrie er auf. Olsen hörte es und zuckte zusammen. Trotzdem überstürzte er nichts und beging vor allem nicht den Fehler, dem immer noch bewaffneten Friesen den Rücken zuzuwenden. Aber er hatte auch Hasards Worte verstanden, und da ihm die Lage im Augenblick völlig unklar erschien, bereinigte er sie, indem er seinem Gegner kurzerhand die flache Klinge des Entermessers auf den Kopf schlug. Tjarko Michels sackte zusammen. Erst jetzt fuhr auch Olsen herum -und seine Augen weiteten sich vor Überraschung.
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Zwei Minuten später sah es in der Mulde so aus, als sei dort die Hölle losgebrochen, obwohl den Männern -jedenfalls den meisten der Männer -die Ereignisse eher so erschienen wie eine wundersame Fügung des Himmels. Die Überlebenden der „Helsingborg“ umringten ihren Kapitän, schüttelten ihm die Hände, redeten auf ihn ein, stellten Dutzende von Fragen, die Martin Trieberg unmöglich alle auf einmal beantworten konnte. Barry Burns hatte die Szene sekundenlang mit aufgerissenen Augen verfolgt und dann versucht, sich seitwärts zwischen die Felsen zu schlagen. Aber da war plötzlich jemand im Weg gewesen: ein nicht besonders großer, nicht besonders kräftig gebauter Mann mit dunkelblondem Haar und blauen Augen. Barry Burns konnte sich schwach an den Namen erinnern: Luke Morgan. Aber zu seinem Pech hatte er während des kurzen Aufenthalts auf der „Isabella“ keine Gelegenheit gehabt, diesen Luke Morgan richtig kennenzulernen. Solange der nicht in Fahrt war, sah er gar nicht so besonders gefährlich aus. Barry Burns glaubte, ihn mit ein paar Boxhieben aus dem Weg räumen zu können. Luke Morgan lächelte. Er lächelte so richtig genuß - voll, als seien Ostern, Weihnachten und ein Fäßchen Rum auf den selben Tag gefallen. Damit ihm niemand etwas vorwerfen konnte, wartete er sogar noch ab, bis sein Gegner wirklich zuschlug, wich geschmeidig aus –und dann legte er los, daß dem bulligen Burns Hören und Sehen verging. Bevor das Zwischenspiel im allgemeinen Trubel auffiel, war Barry Burns schon so weichgeklopft wie ein zähes Steak unter dem Fleischhammer. Die Männer der „Helsingborg“ sahen hingerissen zu. Ein paar von den Seewölfen rieben sich die Hände. Hasard schüttelte den Kopf und atmete tief durch. „Luke!“ sagte er mißbilligend. Luke Morgan bediente seinen Gegner mit einer gestochenen Geraden. „Der Saftsack hat mich angegriffen, Sir“, erklärte er,
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während er einen rechten Haken hinterherschickte. „Stimmt“, bestätigte Ben Brighton ruhig. „Ich hab's auch gesehen“, bekräftigte Gary Andrews. Im selben Moment beging Barry Burns zudem den Fehler, sich noch einmal auf Luke Morgan zu stürzen und ihn mit voller Wucht vors Schienbein zu treten. „Au!“ brüllte Luke erbittert. Dabei mußte er blitzschnell zur Seite ausweichen, da sein Gegner ihm mit beiden Fäusten an die Kehle fahren wollte, und der Seewolf sah ein, daß er keinen Anlaß hatte, sich einzumischen. Ein paar Minuten später schrie Barry Burns zum zweitenmal um Hilfe und beteuerte, daß er sich ergeben wolle. Enttäuscht ließ Luke Morgan die Fäuste sinken. Burns kauerte am Boden, wackelte mit dem Kopf und hatte glasige Augen. Mitleidlos starrten die Männer der „Helsingborg“ auf ihn hinunter, dann wandten sie sich mit unheildrohenden Blicken den anderen Goldsuchern zu. „Halt!“ sagte Hasard scharf. „Ich dulde keinen Racheakt. Sie haben sich ergeben, also bleiben sie ungeschoren.“ „Diese Dreckskerle haben ...“ begann Aage Olsen. „Ich weiß, was sie getan haben. Trotzdem werden sie an Bord der „Isabella' als Gefangene behandelt, solange sie sich danach benehmen. Sprechen Sie mit Ihrem Kapitän, er wird Ihnen erklären, wie wir darüber denken.“ Aage Olsen atmete tief. Sein wettergegerbtes, abgezehrtes Gesicht war blaß. Man sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, den mörderischen Haß herunterzuschlucken. „Var bra“, sagte er leise auf Schwedisch. „Es ist gut. Ich denke, wir haben es auch so begriffen. Wir alle schulden Ihnen Dank, Sir, wir ...“ „Wir haben nicht mehr getan als das, was Sie und Ihre Kameraden in der Bristol Bay für Jayhawks Goldsucher taten“, sagte Hasard lächelnd. „Nur mit dem Unterschied, daß Sie an hinterhältige Halunken gerieten und wir an aufrechte
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Männer. Seien Sie an Bord der ‚Isabella' willkommen, Mister Olsen. Ich denke, Sie alle können zunächst einmal eine Stärkung gebrauchen.“ Olsens Augen brannten, als er nickte. Auch seinen Kameraden war plötzlich wieder die Erschöpfung anzumerken. Jetzt, da die Anspannung des Kampfes und der Wiedersehensfreude nachließ, konnten sie sich kaum noch auf den Beinen halten. Der verletzte Peter Wolf schwankte und mußte sich an einen Felsen lehnen. Es wurde höchste Zeit, daß sie alle eine kräftige Mahlzeit, einen guten Schluck Rum und eine warme Koje erhielten. 8. Der Kutscher kümmerte sich um die überlebenden der „Helsingborg“ und – widerstrebend – um die vier letzten Goldsucher, die in einem Zustand waren, in dem man sie unmöglich in die Vorpiek sperren konnte, wenn man sie nicht umbringen wollte. Die Seewölfe, die den Sturm auf der treibenden Eisscholle abgeritten hatten, erklärten einstimmig und mit großem Nachdruck, daß jeder weitere Aufenthalt in den Kojen ihre Gesundheit in Gestalt von Platzangst, Tobsuchtsanfällen, Nervenflattern, Atemnot und Pulsjagen schädigen würde. Der Kutscher erklärte sie zu hoffnungslosen Fällen, weshalb sie seinetwegen tun könnten, was sie wollten. Nur bei Blacky und Batuti sträubte er sich, aber auch das war vergeblich. „Batutis Rübe ist hart genug, um ein ganzes Boot auszuhalten, nicht nur einen dämlichen Riemen“, erklärte der hünenhafte Gambia-Neger gelassen. „Dir hat der Sturm wohl das Stroh im Kopf durcheinander geblasen, du Quacksalber“, knurrte Blacky erbittert. „Rück meine Stiefel 'raus, oder ich zieh dir die Hammelbeine lang und wickele dich um den Großmast!“ Der Kutscher rückte die Stiefel heraus und seufzte über die Starrköpfigkeit gewisser nicht namentlich genannter Hammel, die dermaleinst wohl gerade anderweitig
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beschäftigt gewesen seien, als der Schöpfer den Verstand verteilte. Batuti und Blacky überhörten die Beleidigung und enterten vergnügt an Deck. Dort erklärte der Profos gerade, daß ihm auf der Eisscholle zwar der Hintern eingefroren sei, daß er aber, verdammt noch eins, beim Abspecken des Wals am Strand schließlich seine Hände und nicht seinen Hintern brauche. Der Seewolf blieb hart. Eingefrorene Hintern müßten vorsichtig trainiert werden, erklärte er todernst. Und das lasse sich am besten bewerkstelligen, indem man sich darauf setze. Der Profos hielt sich für den Rest des Tages mit erlesenen Flüchen warm, die den Wortschatz des roten Ara-Papageis Sir John mal wieder ein Stück erweiterten. Der Wortschatz von Hasards Söhnen blieb diesmal unberührt, da die beiden zusammen mit Siri-Tong, London-Lilly und der kleinen Liza an Land pullten. Das Abspecken und Zerlegen des Wals war zwar harte Knochenarbeit, aber zumindest für die Kinder auch ein aufregendes Ereignis. Alles in allem dauerte es zwei Tage, bis die „Isabella“, mit frischen Vorräten versehen, wieder ankerauf ging. In diesen zwei Tagen hatten sich die Überlebenden der „Helsingborg“ unter der Fürsorge des Kutschers zusehends erholt und in diesen zwei Tagen war auch das bereinigt worden, was zwischen ihnen und Björn Springdaal zu bereinigen war. Der junge Schwede bereute aufrichtig, daß er sich in Jack Jayhawks Verbrechen hatte hineinziehen lassen. Die Männer spürten das, und sie waren bereit, ihm die Hand zu reichen. Gegen die rothaarige London-Lilly richtete sich ihre Wut ohnehin nicht. Sie war eine Frau, sie war schwach, ihre Schuld wog nicht so schwer - eine Ansicht, die wiederum die Rote Korsarin fuchsteufelswild werden ließ. Zu sagen brauchte sie allerdings nichts. Das besorgten Hasard junior und Philip junior, die ihre Ansichten über Frauen inzwischen nicht mehr am Beispiel von orientalischen
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Haremsdamen, sondern von weiblichen Piratenkapitänen orientierten. Zum Gaudium der Crew setzten sie Aage Olsen wortreich auseinander, daß das mit dem „schwachen Geschlecht“ ja wohl blühender Blödsinn sei, und schilderten als Beweis ausgiebig die diversen Taten der Roten Korsarin. Nur einmal gab es beinahe Ärger: als Black Jack Jayhawk die Unvorsichtigkeit beging, sich an Deck zu zeigen, weil er wegen eines menschlichen Bedürfnisses dringend zur Galion mußte. Jarl Tromsö und die Wolf-Brüder stürzten sich auf ihn, ehe es jemand verhindern konnte. Hasard und Ben Brighton gingen dazwischen und beendeten die Kampfhandlungen, aber da sah der schwarze Jack schon gar nicht mehr gut aus. Martin Trieberg donnerte seine Leute zusammen, die Missetäter waren hinreichend kleinlaut, da es ja wirklich keine Heldentat gewesen war, sich zu dritt auf einen einzelnen zu stürzen, doch es gab niemanden, der bereit gewesen wäre, das Opfer zu bemitleiden. Die „Isabella“ segelte an der Küste entlang nach Süden. Das Wetter blieb klar, es gab keine weiteren Probleme. Weder Sturm noch Nebel, noch tückische Riffe noch Ärger mit den Gefangenen, die sich an Bord, wenn auch unter der Aufsicht mißtrauischer Augen, frei bewegen konnten. Fast war den Seewölfen die Ruhe schon unheimlich geworden, und das änderte sich erst, als sie die Passage hinter sich hatten und Backbord voraus die Umrisse der Insel Nuniwak auftauchten. Die Eskimos dort waren friedlich, hatten schon öfter Berührung mit der Zivilisation gehabt und trieben Handel mit den Walfängern. London-Lilly und ihre Tochter, Björn Springdaal und die Überlebenden der „Helsingborg“-Crew wollten vorerst dortbleiben. Jack Jayhawk und seine Komplicen wollten das zwar gar nicht so gern, aber sie hatten keine andere Wahl. Martin Trieberg versprach, daß es keinen Racheakt geben würde. Der schwarze Jack und die vier anderen
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würden wohl in nächster Zeit ziemlich kleine Brötchen backen müssen, aber da sie immer noch ihr Gold besaßen, konnten sie mit einem gewissen Optimismus warten, bis irgendwann ein Walfänger auftauchte, der sie weiter mitnahm. London-Lilly und die kleine Liza standen am Schanzkleid, als die „Isabella“ Nuniwak anlief. Das Zeltdorf der Eskimos war deutlich zu sehen. In dem kleinen Naturhafen lagen Kajaks, und es dauerte nicht lange, bis die ersten winkenden Gestalten zusammenliefen. Kleine, vermummte Gestalten mit den gelblich-braunen Gesichtern der Eskimos – und ein hochgewachsener Mann, den der struppige blonde Bart als Europäer auswies. Minuten später war er deutlich zu erkennen. Die rothaarige London-Lilly zuckte zusammen. Hasard konnte sehen, wie sich ihre grünen Katzenaugen jäh mit Tränen füllten. Ihre Stimme klang heiser und zitterte. „John!“ stieß sie hervor. „Es ist John! Liza, es ist dein Vater ...“ * Noch einmal gab es eine Wiedersehensszene, diesmal allerdings mit weniger Rippenstößen und Schulterklopfen, dafür umso mehr Tränen. John Heston, London-Lillys goldsuchender Ehemann und Lizas Vater, entpuppte sich als knorriger, schweigsamer Abenteurer, einer jener Typen, die immer irgend etwas suchten: Gold, verborgene Schätze oder die fremden Länder hinter dem Horizont. Für den häuslichen Herd hatte er ganz offensichtlich nicht viel übrig, aber London-Lilly war ja auch nicht die Frau, die sich damit begnügt hätte, das Feuer im heimischen Herd in Gang zu halten. Die Lagerfeuer eines Goldgräber-Camps kamen da wohl schon eher in Frage. Auf jeden Fall begann die wiedervereinigte Familie sofort, Pläne für eine neue Expedition nach Alaska zu schmieden, Listen für die benötigte Ausrüstung
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zusammenzustellen und von der fabelhaften Ausbeute zu träumen, mit der sie rechneten. Björn Springdaal war ein wenig enttäuscht: er hatte wohl gehofft, daß es in Zukunft sein Lagerfeuer sein würde, das LondonLilly in Gang hielt. Er tröstete sich schnell. Schließlich war er Seemann, und die Vorstellung, zusammen mit Martin Trieberg und den anderen wieder auf Walfang zu gehen, lockte ihn nicht minder. Vom Goldsuchen hatte er ohnehin die Nase voll. Mit Jack Jayhawks Halunkenbande wollte er nichts mehr zu tun haben. Er hielt sich abseits von ihnen und quartierte sich auch nicht in dem Zelt ein, das den fünf Goldgräbern zur Verfügung gestellt wurde. Die Eskimos behandelten Jayhawks Halunken als Gefangene und ließen sie bewachen. Das würde sich auch in Zukunft nicht ändern: Niemand wollte riskieren, daß sich die Kerle etwa bewaffneten und es irgendwie schafften, das Heft wieder an sich zu reißen. Sonst waren auch die Eskimos von Nuniwak ausgesprochen freundlich und gastfrei. Sie begannen sofort, ein großes Fest für die Besucher vorzubereiten, und diesmal hatten die Seewölfe keinen Grund, die Einladung auszuschlagen. Nur Batuti und Dan O'Flynn blieben als Ankerwachen an Bord. Donegal Daniel junior zweifelte an der Gerechtigkeit der Welt. Was die Gerechtigkeit anlangte, hatte er allerdings keinen Grund, sich zu beklagen, denn er mußte schließlich selbst einsehen, daß er mal wieder an der Reihe war. Aber immerhin hatte auch er eine Menge hinter sich, und die Aussicht auf eine Extrabuddel Rum bei der nächsten Freiwache tröstete ihn ein wenig. * Um Mitternacht war das Fest immer noch im Gange, aber da es nicht dunkel wurde, fiel niemandem auf, wie die Zeit verging.
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Dan O'Flynn stand auf der Kuhl und schmollte. „Verrückt“, knurrte er. „Sogar die Kinder dürfen mitfeiern! Und wir ...“ „Du bist blöd im Kopf“, erklärte Batuti gelassen. „Kinder können nicht Ankerwache gehen, oder?“ Da hatte er recht. Dan wußte es, aber er war nun mal entschlossen, sich zu fuchsen. Mit vorgeschobener Unterlippe starrte er aufs Meer hinaus, kehrte der Siedlung den Rücken — und daher hatte er auch keine Chance, das Boot zu bemerken, das vom Anlegesteg aus auf die „Isabella“ zu gepullt wurde. Jack Jayhawk und seine Genossen hatten in ihrem Zelt Zeit genug gehabt, um neues Unheil zu brüten. Zwei Mann Ankerwache — das war ihrer Meinung nach kein Problem. Die Hoffnung, daß sich die Eskimos nicht um ihre Untaten aus der Vergangenheit scheren würden, hatte sich als trügerisch erwiesen. Sie hatten keine Lust, vielleicht monatelang auf der Insel zu bleiben, wo man sie wie Aussätzige behandelte. Deshalb wollten sie versuchen, sich die Pinasse der „Isabella“ unter den Nagel zu reißen, um auf eigene Faust nach Süden zu gelangen. Das Boot vertäuten sie an der ausgebrachten Jakobsleiter. Bewaffnet waren sie nur mit Knüppeln und zwei Messern, die sie vorher in ihren Stiefeln versteckt hatten. Ihrer Ansicht nach reichte das. Jack Jayhawk hatte aus der Vergangenheit nichts gelernt — und die anderen waren zunächst zwar skeptisch gewesen, hatten sich dann aber doch überzeugen lassen. Das Plätschern der Wellen und das Stimmengewirr von der Siedlung her übertönten die leisen Geräusche, die die fünf Männer beim Aufentern verursachten. Dan O'Flynn stand am BackbordSchanzkleid. Batuti kauerte auf der Nagelbank des Großmastes und summte leise vor sich hin. Beide rechneten mit keiner Gefahr — und beide wurden völlig überrascht, als plötzlich an Steuerbord die Planken vibrierten.
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Mit triumphierenden funkelnden Augen schwang sich Black Jack Jayhawk über das Schanzkleid und landete auf der Kuhl. Die anderen folgten ihm. Dan O'Flynn und Batuti fuhren herum. Der schwarze Jack hatte erwartet, auf den Gesichtern der Ankerwachen Panik und heilloses Entsetzen zu sehen — stattdessen sah er etwas ganz anderes. Batuti fletschte die Zähne und rollte die Augen. Dan O'Flynn wirkte sekundenlang überrascht — und dann begann er, geradezu andächtig zu lächeln. „Auf sie mit Gebrüll!“ feuerte er Batuti an. Und das klang so tatendurstig und ausgesprochen vergnügt, daß Black Jack Jayhawk mitten in der Bewegung zurückprallte. * Sekunden, bevor auf der „Isabella“ der Tanz losging, wurde das Fest in der Eskimo-Siedlung unsanft unterbrochen. Ein paar aufgeregt gestikulierende gelbhäutige Männer erschienen, sprangen in den Kreis und redeten wild auf ihre Landsleute ein. John Heston, der die Sprache verstand, übersetzte, und seine Stimme klang heiser. Die Goldsucher waren aus ihrem Zelt ausgebrochen. Dabei hatten sie einen der Eskimo-Wächter niedergeschlagen und einen zweiten erstochen. Niemand wußte, wo sie jetzt steckten, aber die Seewölfe konnten es sich denken. Wie ein Mann sprangen sie auf. Eilig strebten sie dem kleinen Naturhafen zu. Die meisten Eskimos folgten ihnen — und auf halben Wege bestätigte sich Hasards Vermutung. Von einer Sekunde zur anderen brach auf der „Isabella“ die Hölle los. Schreie, Gepolter, eine Stimme, die zweifelsfrei Batuti gehörte und wüste Flüche von sich gab. Der Seewolf erreichte den Rand der Siedlung als erster — und im selben Augenblick flog dort einer der Angreifer außenbords.
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Es war Tjarko Michels, der lange Friese, der schreiend ins Wasser klatschte. Rogier Claasen folgte Sekunden später. Er fiel seinem Komplicen sozusagen auf den Kopf, sie schrien im Duett und versuchten, an Land zu paddeln. Das schafften sie auch. Aber es brachte ihnen nichts ein — denn an Land warteten inzwischen die wütenden Seewölfe. „Diese Rübenschweine!“ sagte Ed Carberry grimmig. Angesichts der Situation war das ein überraschend zahmer Fluch. Weniger zahm war das, was im nächsten Moment über die beiden Halunken hereinbrach. Rogier Claasen fühlte sich am Kragen gepackt und angelüftet. „Halt ihn mal!“ brummte der Profos, warf die schlotternde Gestalt kurzerhand Ferris Tucker zu und griff sich den Friesen, um ihn mit einer Serie klatschender Maulschellen zu bedienen. Inzwischen suchten auch Barry Burns und Joe McNickle das Wasser auf. Nur Jack Jayhawk blieb an Deck. Mit dem spielten Dan O'Flynn und Batuti Ball. Ferris Tucker überlegte, ob er Rogier Claasen schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf Carberrys Ohrfeigen geben sollte, doch dann hielt es der hünenhafte Schiffszimmermann für eine viel wirksamere Strafe, den Halunken zusehen zu lassen, was mit seinem Komplicen passierte. Der Seewolf dachte nicht daran, einzugreifen. Das Maß war voll. Die Kerle hatten sich ihre Lektion mehr als verdient —und es wurde eine Lektion, wie sie nur der Profos der „Isabella“ austeilen konnte. Irgendwie ergab es sich ganz von selbst, daß der lange Friese bei den wütenden Eskimos landete, nachdem Carberry mit ihm fertig war. Der Profos fletschte die Zähne und wandte sich um. Ferris Tucker warf ihm den kreischenden Rogier Claasen zu. Barry Burns und Joe McNickle, die sich bis zum Anlegesteg vorgearbeitet hatten. drehten spornstreichs um, offenbar entschlossen, lieber ins nördliche Polarmeer
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zurückzuschwimmen, als dem Profos in die Hände zu fallen. Aber auf dem Steg standen inzwischen Matt Davies und Jeff Bowie und fischten die Kerle mit ihren Hakenprothesen auf. Burns und McNickle entgingen ihrer Abreibung nicht. Black Jack Jayhawk hatte die seine schon erhalten, als er außenbords flog. Die Eskimos taten das ihre, indem sie die fünf lädierten, zerschrammten Figuren mit dünnen Renntierleder-Schnüren fesselten und wieder in das Zelt brachten, aus dem sie kein zweites Mal flüchten würden. John Heston wußte aus Erfahrung, was die Männer erwartete. Sie würden als Gefangene auf Nuniwak bleiben. Und sie würden sich nicht auf ihrem Gold ausruhen können, sondern arbeiten müssen —schwer arbeiten, um die umfangreiche Sippe des Mannes zu ernähren, den sie getötet hatten. Die Seewölfe fanden, daß das ein
Die Mörderwale
ausgesprochen eindrucksvolles Beispiel für eine gerechte Strafe war. * Früh am nächsten Morgen ging die „Isabella“ ankerauf. London-Lilly, ihr Mann und die kleine Liza, Martin Trieberg und die Überlebenden der „Helsingborg“, der junge Björn Springdaal und die meisten Eskimos standen am Anleger und winkten. Die Seewölfe winkten zurück. Sie würden die Insel Nuniwak in guter Erinnerung behalten -genau wie all die anderen Stationen ihrer großen Fahrt in den hohen Norden, deren Gefahren und Widrigkeiten verblaßten gegen die unwiderstehliche Lockung des Unbekannten. Aber noch war die Fahrt nicht zu Ende. Die „Isabella“ segelte unter Vollzeug nach Süden - und jenseits der Kimm warteten neue Abenteuer ...
ENDE