Die Schwiegertochter des Tagedieb Roman von Reiner Vial
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Die Schwiegertochter des Tagedieb Roman von Reiner Vial
Die Schwiegertochter des Tagesdieb © 2003 – Reiner Vial, Nachrodt-Wiblingwerde – Alle Rechte bleiben vorbehalten WICHTIG! Ich stelle diesen Roman auf meiner Homepage http://www.reiner-vial.de zum kostenlosen Download zur Verfügung. Dieser darf, ausschließlich unverändert und ungekürzt, auf Datenträger oder als Ausdruck beziehungsweise Kopie, grundsätzlich nur kostenlos, weitergegeben werden. Jede kommerzielle Verwendung und Wiedergabe in Publikationen aller Art, auf privaten wie gewerblichen Homepages und in elektronischen Medien ist nur nach meiner vorhergehenden Zustimmung und eventueller Honorarvereinbarung erlaubt. Dieses gilt sowohl für die vollständige wie auszugsweise Wiedergabe. Grundsätzlich muss immer auf meine Urheberschaft und meine Rechte hingewiesen werden! Bei jeder Verwendung oder Wiedergabe entgegen vorstehender Bedingungen, bei Verfälschung oder nur Veränderung der Texte sowie bei jeder Art des Diebstahls meines geistigen Eigentums, ganz oder teilweise, behalte ich mir sowohl straf- wie zivilrechtliche Schritte vor!
Inhaltsverzeichnis Hinweis: Die unterstrichenen Kapitelbezeichnungen (z.B. Kapitel 1 ) sind Hyperlinks. Wenn Sie hier klicken, gelangen Sie direkt auf die Seite, auf der das gewünschte Kapitel beginnt. Die Schwiegertochter des Tagedieb................................... Vorwort Man kann ihn schon sehen ................................................. Kapitel 1 Eine umwerfende Überraschung zur Silberhochzeit........... Kapitel 2 Eine Wende, die keiner so wollte........................................ Kapitel 3 Wenn Banker tatsächlich mal helfen................................... Kapitel 4 Amoklauf im Waldhotel...................................................... Kapitel 5 Papa, mach mir ein Kind..................................................... Kapitel 6 Eine zerstörerische freudige Nachricht............................... Kapitel 7 Wenn das Herz nicht mitspielt............................................ Kapitel 8 Drohende Enden im Doppelpack......................................... Kapitel 9 Es wäre wirklich zu schön gewesen..................................... Kapitel 10 Glück ist der Normalzustand................................................ Kapitel 11 Björns goldener Schuss........................................................ Kapitel 12 Sündertreffen im Pfarrhaus.................................................. Kapitel 13 Der Kampf eines Glücklosen............................................... Kapitel 14 Neues Leben, zu Ostern erwacht......................................... Kapitel 15 Zeit der Anwälte................................................................... Kapitel 16 Das letzte Fest im Grünen Baum..........................................Kapitel 17 Hei, da sind wir.................................................................... Kapitel 18 Der Tag der beredeten Sprachlosen..................................... Kapitel 19 Johannes, der Täufling......................................................... Kapitel 20 Wenn die Lust nicht wäre.................................................... Kapitel 21 Mit richtigem Geld bezahlen................................................ Kapitel 22 Aufklärende Besuche........................................................... Kapitel 23 Gleiches ist nicht immer gleich............................................ Kapitel 24 Schatten kann man nicht abhängen...................................... Kapitel 25 Gleich Vier an einem Tag.................................................... Kapitel 26 Ehepaar Konrad, die Überraschungsgäste........................... Kapitel 27 Wie ich Schreiberling wurde............................................... Kapitel 28
Zum Vorwort
Zum Inhaltsverzeichnis
Die Schwiegertochter des Tagedieb – Vorwort Moral und Sexualität sind wohl die Dinge im Leben mit denen wir Menschen uns schon seit jeher schwer tun. Zwischen den beiden Extremen, den verlogenen, Sexualität leugnen Moralisten auf der einen Seite und den sich zügellos ihrer urinstinktlichen Begierden ergebenden Sexisten auf der anderen, spannt sich ein ganz weiter Bogen über die Menschen, die wir für ganz normale Mitmenschen halten. Da sind die Leute, die in die Gemeinschaftssauna, zum FKK-Strand oder am normalen Strand Oben ohne gehen und dafür Ausreden finden, die das Ganze als normal und in keiner Weise erotisch bedingt darstellen. In Wirklichkeit sind Exhibitionismus und gleichzeitig Spannen die Haupttriebfeder um entsprechende Orte aufzusuchen. Da spielen sich hinter verschlossenen Türen sexuelle Spielchen zwischen Schwieger- beziehungsweise Stiefeltern auf der einen Seite und erwachsenen Schwieger- beziehungsweise Stiefkindern auf der anderen statt und nach Außen spielt man eine ganz normale und züchtige Familie. Als ich eben von den Schwieger- beziehungsweise Stiefkindern schrieb setzte ich das Attribut „erwachsenen“ davor und darauf lege ich hier an dieser Stelle ganz besonderen Wert. Perversionen, die nach meiner Ansicht nur kranken Hirnen entspringen können, erteile ich hiermit eine ganz klare Absage und behandle sie in keiner Weise. Mit so etwas beschäftige ich mich grundsätzlich nicht. Mir geht es um ganz normale Menschen und ihren angeborenen Trieben, die, wenn man genau hinsieht, nur von den Moralisten, die sich im Grund nur über andere erheben wollen, verurteilt werden können. Was bewegt und treibt diese Menschen, wovon träumen sie? Wenn wir mal die Gründe für Rosenkriege hinterfragen erhalten wir viele Antworten auf die Fragen, die ich zuvor stellte. Wäre es nicht besser, wenn wir uns zu all den Dingen, über die wir auch heute noch verschämt den Schleier legen, bekennen und zu ihnen stehen würden? Mit einer solchen Ehrlichkeit lässt sich nach meiner Überzeugung so mancher Rosenkrieg beilegen und damit lässt es sich auch zu wahrem Glück finden. Ach, was theoretisiere ich hier lange. Lesen sie doch die Geschichte der Familie Wolf, die natürlich frei erfunden ist, mit den Turbulenzen die sich in dieser in den Jahren 2000 bis 2002 ergaben und werfen wir dabei am Rande mal einen Blick auf so manche gesellschaftliche wie auch politische Kuriositäten, die sich in dieser Zeit ergaben. Begeben wir uns einmal in die Position des Beobachters ohne dabei gleich zum Richter zu werden. Dann werden wir so manches wiederentdecken was wir von uns selbst kennen. Und damit entdecken wir uns selbst und lernen den Menschen kennen und besser verstehen. Vielleicht lässt sich diese oder jener dazu verleiten, in Zukunft alles doch ehrlicher und offener zu handhaben. In meinem bisherigen Romanen habe ich mich hauptsächlich mit der Frage, was das Leben eigentlich ist, beschäftigt. Ich bin mir nicht untreu geworden sondern beschäftige mich hier mit einem der Hauptpunkte oder gar dem Hauptpunkt, der das Leben ausmacht. Auch diesmal gebe ich im Inhalt viel von meiner religiösen, calvinistisch geprägten Weltanschauung wieder. Sie werden staunen, wie weit ein Anhänger dieser, allgemein für die am Puritanischsten und für am Strengsten gehaltene protestantische Glaubensrichtung gehen kann. Ich vertrete nämlich mit Calvin die Ansicht, dass Gott alles, Gut und Böse vorausbestimmt hat und so auch die Sexualität, ohne die die Schöpfung nicht fortbestehen könnte. So, und den Rest erlesen Sie sich bitte selbst. Nur noch eine „Warnung“ an die Leute, die diesen Roman zur Hand genommen haben, um sich mit pornografischen Schmuddeleien einzudecken. Diese werden schwer enttäuscht sein, denn ich halte wohl viel von Sinnlichkeit aber gewisse Grenzen halte ich, was für mich selbstverständlich ist, immer ein. Ich verfasse zwar keine Jugendliteratur, aber wenn die dieses Werk mal in den Händen halten, brauch man beim besten Willen nichts befürchten, denn nach wie vor schreibe ich gesellschaftskritische Bücher und keine trivialen Pornos, die man heute oft, offensichtlich in Unkenntnis der ursprünglichen Wortbedeutung, zur Erotik verharmlost. Also meine versumpften Freunde des Grafen Porno, spart euch die Mühe des Weiterlesens, ich werde Sie sowieso nur enttäuschen. Ich möchte mich an Leute mit Anspruch und Niveau wenden um mit ihnen ins Gespräch kommen. Und all denen, die jetzt weiter lesen wollen, wünsche ich dabei ein diskussionsanheizendes Lesevergnügen.
Nachrodt-Wiblingwerde, im Januar 2003
Zum Kapitel 1
Zum Inhaltsverzeichnis
Man kann ihn schon sehen Kennen Sie die Gemeinde Wannebachtal, die bei der letzten kommunalen Neuordnung aus den Dörfern Rainberg, Elfenwiese und Neuweiler zusammengebastelt wurde? Nein? Aber deshalb brauchen Sie jetzt gleich nicht vor Scham in den Boden versinken, denn wer kennt denn all’ die zahlreichen Zwischendinger zwischen größerem Dorf und Kleinststadt, die es heute noch in deutschen Landen gibt. Diese Wannebachtal hat ja gerade mal schlappe 6.800 Einwohner aber immerhin noch eine eigene Miniverwaltung mit einem Bürgermeister an der Spitze und demzufolge auch noch einen eigenen Gemeinderat. Versteht sich von selbst, dass sich die Herren Dorfoberen so vorkommen als bekleideten Sie den gleich Job in einer Millionstadt. Warum sollte man nicht Erbsen mit Kürbissen vergleichen, schließlich ist ja beides nur Gemüse. Na ja, dabei kann ich es hier belassen, denn die Lokalmatadoren und ihre weiblichen Mitstreiter laufen uns in der Geschichte, die ich Ihnen erzählen möchte noch ein paar Mal über den Weg, denn ich bin der Wirt des „Grünen Baumes“ in WannebachtalElfenwiese in dem Rat, Parteien und Fraktionen tagen. Nicht nur die, sondern auch der Heimatverein, der Turnwie der Fußballverein und der Männergesangverein. Außer meinen Festsaal, ein ehemaliges Minikino, und meinem „großen“ Gesellschaftszimmer gibt es in unserem Dorf keine anderen Tagungsmöglichkeiten. Oh pardon, da fällt mir auf, dass ich mit der Tür ins Haus gefallen bin und mich noch gar nicht vorgestellt habe. Also ich bin der am 12. Juni des Jahres 1947 in Wannemünde, der Nachbarstadt von Wannebachtal, geborene Reiner Wolf. Vor zwei Jahren konnte ich mit meiner „Holden“ eine Fete aus Anlass unserer Silberhochzeit veranstalten. Na ja, was danach kam ist der Grund, warum ich überhaupt was zu erzählen habe. Dabei spielt meine Schwiegertochter Heike eine ganz besondere Rolle. Welche? Na, warten wir es ab, lassen Sie mich lieber noch mit meiner einführenden Vorstellung fortfahren. Wenn ich eine Schwiegertochter habe muss eigentlich auch ein Sohn vorhanden sein. Ist er auch: Er heißt Björn und wandelt seit nunmehr 27 Jahre auf dieser Erde. Seine Ankunft war vor 27 Jahren der Anlass, warum ich 1975 meiner Elke das Ja-Wort gab. Apropos Elke, die hat am gleichen Tag Geburtstag wie ich. Wir konnten also immer munter und fröhlich an ein und denselben Tag feiern. Unsere Geburtstage haben uns einstmals sogar mit einem „Hauruck“ zusammengebracht. Nur beim Geburtsjahr unterscheiden wir uns ein wenig, denn ich habe vier Jahre Vorsprung, worauf Sherlock Schnelldenker jetzt messerscharf kombiniert, das Elke 1951 geboren ist. So, damit hätte ich Ihnen meine Familie bekannt gemacht. Es fehlt nur noch ein Familienmitglied, mit dem es eine ganz besondere Bewandtnis hat, welches aber erst im Laufe der Handlung zu uns stoßen wird. Bevor ich aber mit Fullpower in die Story einsteige obliegt es mir noch Sie mit der Vorgeschichte, das heißt mit unserem Vorleben, etwas vertraut zu machen. Ja, mein Leben beruht im Wesentlichen auf meine vorzügliche Lebensplanung, die nie zum gewünschten Ergebnis führte und folglich immer wieder neu in Angriff genommen werden musste. Na ja, erst wollte ich hoch hinaus ... Doktor in irgendwas, am besten Medizin, gedachte ich zu werden. Nun, da konnte nichts raus werden, weil man mich, nachdem ich mir bei einer Mitschülerin mit Gewalt das holen wollte, was sie mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht geben wollte, von der Penne abgeschossen hat. Leute wir sind alle kein Engel, in jedem steckt das Zeug zum Verbrecher, auch wenn viele das entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen, beharrlich leugnen. Ich stehe jedenfalls zu meiner größten „Jugendsünde“: Ich habe während einer Klassenfahrt versucht eine Mitschülerin, die mir noch nicht einmal ungesonnen war, zu vergewaltigen. Es ist es beim Versuch geblieben, weil mir während der Ausführung doch irgendwo das Gewissen schlug. Na ja, trotzdem musste ich die Schule verlassen, obwohl ich voll geständig und reumütig war. Also, zu dem Zeitpunkt dürfte wohl auch festgestanden haben, dass ich nicht für den Job des Politikus geeignet gewesen bin. Die Leutchen, die immer so tun als hätten sie die Weisheit mit der Muttermilch ernuckelt, bauen den größten Bockmist vor aller Augen und denken nicht daran etwas einzugestehen. Nee, die streiten immer alles hartnäckig und beharrlich ab. Ich, der Geständige, musste gehen und verbohrte Politiker werden wiedergewählt. Aber ich muss ja jetzt nicht unbedingt Eulen nach Athen tragen. Die Unehrenhaftigkeit und die Unglaubwürdigkeit ist ja mehr als langläufig bekannt. Darin ist ja auch der Hintergrund zu der Parteienmüdigkeit und insbesondere der Wahlmüdigkeit zu sehen. Statt des erträumten Abis hatte ich nur mittlere Reife und dann war da natürlich nichts mehr mit Onkel Doktor Reiner Wolf, ich musste eine neue Lebensplanung in Angriff nehmen ... und in diesem Fall half mein alter Herr fleißig nach. Seiner Meinung kam es gar nicht in Frage, dass ein solcher Sittenstrolch, wie ich einer in seinen Augen war, faul zuhause rumsitzt. Da gerade zu diesem Zeitpunkt keine Lehrstelle frei war musste ich dann „auf Malloche“, wie die Ureinwohner des Ruhrgebietes so nett sagen. Mit anderen Worten: Ich wurde zunächst einmal Hilfsarbeiter, wie man damals noch ungeschönt zu sagen pflegte. In einer Maschinenfabrik musste ich zeigen was meine Muskeln hergaben. Packer und Versender nannte sich das, was ich dort machte. So etwas war natürlich nichts für meines Vaters Sohn und deshalb versuchte ich mich zu den Leuten, die in seltsamen grauen Gewänder planlos durch die Gegend wandeln, sprich zur Bundeswehr, abzusetzen. Ich meldete mich freiwillig und wurde ... nicht genommen. Grund war ein angeborener Herzfehler, der mir später noch zum Verhängnis werden sollte. Allerdings bin ich heute ganz froh, dass man mich damals nicht genommen hat. Nachdem ich
trocken hinter den Ohren geworden war bildete sich meine christlich motivierte pazifistische Einstellung, auf die ich sicher noch zu schreiben komme, heraus. Damit habe ich auch gleich, verraten dass ich mich zu meinem christlichen, calvinistisch geprägten Glauben bekenne. Aber dann wurde doch noch was aus mir ... und zwar ein Reiseverkehrskaufmann. Ausgerechnet der Vater des Mädchens, an dem ich beinahe mein Jugendverbrechen begangen hatte, stellte mich zur Ausbildung ein. Er, der auch Presbyter in der evangelisch-reformierten Gemeinde in Wannemünde ist, hat auch mächtige Verdienste an meiner heutigen Glaubenseinstellung. 1974 wechselte ich aber dann zu einem Bustouristikunternehmen. Die reizende, nur vier Jahre jüngere Tochter meines Chefs hatte genau am gleichen Tag Geburtstag wie ich. Na, wie diese Geschichte endete habe ich ja bereits etwas weiter vorne verraten. Und damit erklärt sich auch meine Karriere, die ich danach machte. Es ging uns wirtschaftlich also wunderprächtig und mobil waren wir auch. Warum sollten wir uns nicht schön im Grünen, dort wo wir unsere Ruhe haben, sprich in WannebachtalElfenwiese, ein Häuschen bauen. Da war und ist zwar noch nicht der Arsch begraben aber man kann ihn schon deutlich sehen. Damals war ja hier auch noch ein Bisschen mehr los. Damals gab es neben der Kirche und der „altbäuerlichen Rumpelkammer“, die sich Heimatmuseum nennt, auch noch je ein Lebensmittelgeschäft, einen Schreibwaren- und Lottoladen, einen Bäcker und einen Metzger sowie drei Kneipen. Geblieben sind Kirche, Rumpelkammer und meine Kneipe. Alles andere hat mangels Kundschaft vor Ort bereits geschlossen. Wohl dem, der sich wirtschaftlich ein Auto leisten kann und auch nicht aus gesundheitlichen oder anderen Gründen, zum Beispiel Führerscheinentzug, auf das Lenken von Kraftfahrzeugen verzichten muss .... sonst ist man hier oben wirklich in so einer Art Walachei versetzt. Hier ist zwar der Arsch noch nicht begraben, aber man kann ihn schon deutlich sehen. Aber wer denkt schon, wenn er jung und gesund ist, wenn die Talers ohnehin fließen, schon an die Widrigkeiten einer abgelegenen ländlichen Örtlichkeiten, die auch noch vom ÖPNV, oder ausgeschrieben Öffentlichen Personen-Nah-Verkehr, nur mager bis sehr dürftig bedient werden. Na ja, bis zum heutigen Tage ließen sich in solchen Nestern Baugrundstücke aber immer noch ganz gut verhökern. Den Gedanken an mögliche Widrigkeiten verdrängt man ja ganz gerne, insbesondere wenn man gerade seinen Eigenheimtraum, in dem man immer seine Ruhe haben kann, nicht loswerden kann. Deshalb weisen die Kleingeister im hiesigen Rat und Verwaltung auch fleißig immer noch weitere Neubauflächen aus. Auf den Gedanken, dass sie aufgrund fehlender Infrastruktur – hier ortnahe Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten – und rückläufiger demoskopischer Zahlen mit größerer Wahrscheinlichkeit den Haushalt in vier oder fünf Jahren voll vor die Wand fahren merken sie nicht. Die sollten mal daran denken, dass andere Gemeinden mit wesentlich besseren Möglichkeiten sich auch an der Ausweisungsmanie beteiligen ... und letztlich zählt der Wettbewerb. Die Streichung der Eigenheimzulage, wie sie die alte, neue rot-grüne Bundesregierung sich ins Programm geschrieben hat, und eine wohl nicht mehr so schnell in Fahrt kommende Konjunktur werden ihr Übriges tun. Also, solche mobilen Fortschrittsgläubige, wie wir 1981 waren, wird man wohl so schnell nicht mehr finden. Wir waren eben in unserem Häuschen in der Pastor-Scheuermann-Straße am Rande von Elfenwiese als der Wind, der uns bisher voran getrieben hatte, sich drehte um uns nun deftig ins Gesicht zu blasen. Der Laden von meinem werten Schwiegervater lief immer schlechter und wäre, wenn er nicht von einem größeren Touristikunternehmen aufgeramscht worden wäre, bestimmt vollendens in die Pleite gegangen. Bei dem Ramsch ist für Elke, der Tochter des Hauses, bis auf schlappen 20.000 Märklein, also etwas über 10.000 €, auch nichts besonderes bei herausgesprungen. Mein Schwiegerpapa hatte so gut wie alles für seine Schulden, nicht nur aus dem Geschäft, und für seine eigene Alterssicherung aufgebraucht. Meine Elke zog sich dann in die Position der Hausfrau zurück. Ich konnte allerdings meinen Posten bei dem übernommenen Laden nicht nur behalten sondern sogar noch ausbauen, das heißt, dass ich noch ein kleines Stückchen die Karriereleiter hinauf fiel. Nur am alten Stammsitz des schwiegerväterlichen Unternehmenssitz gingen 1987 die Lichter endgültig und für immer aus und ich musste zum 120 Kilometer entfernten Hauptsitz unseres Unternehmens wechseln. Täglich 120 Kilometer hin und 120 Kilometer zurück ist ja aufgrund guter Autobahnanbindungen doch ein Klacks ... ohne Staus brauch man dafür ja nur zwei Mal anderthalb bis zwei Stunden. Man brauch ja nur an seinem Privatleben den leichten Abstrich, das dieses werktags nicht mehr stattfindet, machen und schon ist alles bestens organisiert. Ich hatte also noch eine doch recht gutaussehende Alternative: Job oder eigens Häusle aufgeben, damit man zur Arbeit ziehen kann. Im Mai 1989 – Deutschland war also noch geteilt – wurde mir die Entscheidung abgenommen. Mein Herzfehler, wegen dem ich nicht zu des Bundes Glanz und Gloria durfte, meldete sich auf die Tagesordnung zurück. Auf der Fahrt zum Dienst bekam ich, während ich mich mit meinem Automatikschlitten in voller Fahrt befand, eine Herzattacke und verursachte einen schweren Unfall mit vier, zum Teil schwerverletzten Personen. Eine von den Vieren war ich selbst. Ein ganzes halbes Jahr habe ich in der Unfallklinik gelegen und danach durfte ich auf ärztliches Anraten zunächst, so etwa für zwei bis drei Jahre, nicht mehr auf der Fahrerseite im Auto Platz nehmen. Meine Vorgesetzten empfahlen mir darüber hinaus mir doch Ruhe zu gönnen und gaben einem anderen mein Job. Na, gefeuert haben sie mich zwar nicht aber mit einer Abfindung wurde ich hinauskomplimentiert. Da
saß ich da mit meinem Häuschen im Grünen und den damit verbunden laufenden Lasten in den blauen Bergen von Wannebachtal. Nur ganze anderthalb Jahre war ich dann arbeitslos und wenn es nach dem Arbeitsamt und/oder diversen nicht vorhandenen Stellenangeboten gegangen wäre, hätte dieses lose Glück noch ein Weilchen angedauert. Sie kennen doch sicher den hübschen Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt“? Nun, ich war zwar zuvor was geworden und wurde trotzdem Wirt. Als Heinz Rupert, der alte Wirt und damalige Besitzer des Grünen Baumes, die Lichter endgültig ausmachen wollte konnte ich, der ein Bisschen Farbe in sein Tagediebdasein bringen wollte, mich ein Wenig als Pächter vordrängeln. Das Drängeln ist mir überhaupt nicht schwer gefallen, den weit und breit war kein anderer Bewerber, zumindestens keiner den der alte Rupert ernst genommen hätte. Bekanntlich gibt es schon eine Reihe Kneipenstrategen, die gerne mal hinterm Tresen stehen würden aber die haben wahrscheinlich noch keine Ein- und Ausgabenrechnung eines gastronomischen Betriebes gesehen beziehungsweise diese nicht lesen können. Sie gehören einer der Gemeinschaften an, die glauben, dass das, was der Wirt einnimmt, ihm auch Netto wie Brutto gehört. Ganz ehrlich gesagt: Eine Kneipe ist heute kein Geschäft mehr. Auf den Dörfern und in den kleinen Städten kann man da, nach Abzug der Pacht, gerade mal den Sozialhilfesatz oder noch darunter mit einem doch riesigen zeitlichen Aufwand erwirtschaften. Dahingehend hatte ich mit dem Grünen Baum ein Wenig Glück. Erstens ist es die einzigste Versammlungsmöglichkeit hier in Wannebachtal und zum anderen habe ich seit 1993 das Monopol hier im Ort. Die beiden anderen Kneipen machten 1992 beziehungsweise 1993 dicht. Aber trotz dieses Glückes kann ich mit dem Schuppen nicht reich werden. Im ersten Jahr wäre es für mich beinahe zu einem wirtschaftlichen Harakiri geworden. Nach dem Bezahlen von Pacht, Nebenkosten, Strom, Wasser, Brauereirechnungen und so weiter sowie der laufenden Lasten auf mein Häuschen in der Pastor-Scheuermann-Straße blieb mir nur soviel wie meine Bank mir leihen wollte. Der Grundstein für einen Schuldenberg war eigentlich gelegt. Luft verschaffte ich uns dadurch, dass ich unser Häuschen zum guten Preis an einen, inzwischen geschäftlich hops gegangenen Fabrikanten, veräußert habe. Im Moment wartet unser Exhäuschen darauf beim Richter unters Hämmerchen zu kommen, also die Zwangsversteigerung steht an. Aber was stört es mich; ich war die Hütte 1992 mit einem guten Schnitt losgeworden. Was ich daraus holte brachte ich postwendend im Grünen Baum ein. Das heißt, dass ich diesen Laden gekauft habe. Der Grüne Baum kostete zwar etliche Scheinchen mehr als unser Häuschen gebracht hatte aber was ich danach in den folgenden zehn Jahre an die Bank abzudrücken hatte entsprach etwa dem, was ich auch an Pacht zu zahlen gehabt hätte. Da wir jetzt auch die Wohnung im Kneipengebäude bezogen verbesserte sich unser Budget zumindestens um den Betrag, den das Häuschen vorher verschluckte. Dann ergab es sich 1994 noch, dass Elke einen Job in einem kleinen Reisebüro in Wannemünde bekam. Und damit kamen wir dann so über die Runde, dass wir nicht gerade stöhnen müssen. Nächstes Jahr wird es noch ein Bisschen besser aussehen, denn die Mittel, die ich für den Grünen Baum aufgenommen habe, sind jetzt im September nebst den dicken Zinsen, die Banken abzuzocken pflegen, zurückgezahlt. So, was Elke und mich anbelangt habe ich ja jetzt alles berichtet, was man zum Verfolgen meiner Erzählung benötigt. Bevor ich aber richtig loslege sollte ich auch noch ein paar Zeilen meinem Sohnemann können. Also unser Björn erblickte am 26. Februar des Jahres 1975 das Licht der Welt. Ja, schon gut, Sie brauchen gar nicht nachzurechnen, er ist eins. Für den- oder diejenige, die das jetzt nicht ganz verstanden haben, sage ich es auch noch einmal im Klartext: Er ist ein Geburtagsnümmerchen. Zwischen dem 12. Juni 1974 und dem 26. Februar des Folgejahres liegen 258 Tage. Wenn man eine normale Schwangerschaft mit 260 Tagen, also nicht genau 9 Monate, berechnet, kam Björn lediglich 2 Tage früher wie vom Frauenarzt voraus berechnet zur Welt. Es hatte auf Anhieb geklappt, denn vor meinem 27. Geburtstag, einem Mittwoch, hatte ich mit Elke Uhlmann, wie sie damals noch hieß, noch nichts zutun. Es ergab sich durch Zufall. Im Büro gab ich aus Anlass des Tages einen kleinen Sektumtrunk als die Tochter unseres Bosses hereinschneite. Die war freudig überrascht, denn sie hatte für sich das Gleiche, wie ich für mich, zu feiern. Und prompt lud sich mich ganz alleine aus Anlass ihres 23. Geburtstages in eine vornehmere Kuscheldisco ein. Was soll’s, da sind wir nicht alt geworden sondern wechselten in ihr Zimmer, zu dem ich eigentlich schon Apartment sagen würde, innerhalb ihres Elternhauses. Und dort vernahm ich dann auch das erste Tageslicht des nächsten Tages. Bis zum Frühstück war ja alles glatt gelaufen aber dann wurden wir, insbesondere ich, vom Ehepaar Uhlmann entdeckt. Elke stellt es clever gleich so da, als hätten wir es schon ein Weilchen miteinander und meinten es ernst. Na, der alte Uhlmann nahm das für bare Münze und bekundete, dass es ihm, weil ich ja ein tüchtiger Fachmann sei, ganz recht wäre. Mir wurde daraufhin auferlegt zu Elkes offiziellen Geburtstagsempfang am darauffolgenden Samstag zu erscheinen, um die Verkündigung der eigenen Verlobung mitzuerleben. Na ja, eigentlich ist das rekordverdächtig: Da kannte ich meine Elke, wenn ich von der anonymen Bekanntschaft „Tochter des Chefs“ mal absehe, gerade mal drei Tage und war schon mit ihr verlobt. Als, nur etwa vier oder fünf Wochen später, Elke nach einem Frauenarztbesuch verkündete, dass ein neuer Erdenbürger unterwegs sei, wurde unser Hochzeitstermin auf Donnerstag, dem 2. Januar 1975 terminisiert. Dafür gab es zwei Gründe: Erstens waren wir so die ersten des Jahres 1975, die sich in diesem Örtchen trauten, und Zweitens war es der
Geburtstag meiner Schwiegermutter. Wir sind doch wohl eine besonders fixe Truppe: Nicht einmal neun Monate nach dem „Kennenlernen“ hatten wir unsere Familie rundherum komplett. Ich persönlich habe das, wenn wir mal von der Krise, die den Stoff für diese Geschichte liefert, absehen, allerdings nie gereut – und Elke sagt umgekehrt das Gleiche. Pünktlich zu Björns Einschulung hatten wir dann unsere Hütte in Elfenwiese bezogen und so konnte unser Junge auch hier zur Grundschule gehen. Eigentlich fanden wir es ganz gut, dass er die paar Schritte vom Elternhaus zur Schule von Anfang an selbständig gehen konnte. Alleine kann man ja nicht sagen, denn er brauchte nur vor der Haustüre einen Moment zu warten, bis der erste Trupp von Nachbarskindern vorbeikam, denen er sich anschließen konnte. Na ja, die waren dann auch am Nachmittag nach der Schule immer zusammen. Weniger auf dem Spielplatz als auf dem Feld oder im Wald. Ich glaube, dass so etwas doch ein Riesenvorteil einer dörflichen Umgebung ist. Das Vorurteil gegen die Dorfschulen stammt aus Uropas Zeiten. Was Lernen und schulische Erziehung anbelangt bekommen die Kinder dort genau so viel wie in Stadtschulen mit. Man kann sogar sagen, dass es vielleicht noch ein Bisschen mehr ist, denn die noch weitgehenst intakten sozialen und familiären Strukturen, wie man sie in den Städten wohl nicht mehr so findet, wirken sich doch positiv auf den Verlauf des Unterrichts aus. Auch bei den Elternabenden kann man deutliche Unterschiede zwischen Dorf und Stadt ausmachen. Während man bei städtischen Elternabend immer zittern muss ob überhaupt jemand kommt ist auf dem Dorf fast immer volles Haus. Das liegt einerseits daran, dass die Leute, die hier aus den dörflichen Ureinwohnerfamilien stammen und sich meist selbst schon von Kindesbeinen auf kennen, keine Gelegenheit auslassen um zu einem Döneken zusammenzutreffen. Diese Elterngruppe sorgt auch kontinuierlich dafür, dass auf den Elternabend auch noch über Dinge, die nichts mit Kindern und Schule zutun haben, geplaudert wird. Die zweite Gruppe, die da immer erschien, waren die Elfenwieser Neusiedler. Obwohl wir ja selbst zu dieser Gruppe gehörten fühlte ich mich doch eher zur ersten Truppe hingezogen. Da ja alle Neusiedler Eigenheime bewohnten und daher von Vornherein einer, ein klein Wenig besser gestellten Einkommensgruppe angehörten, war dieser „Haufen“ offensichtlich in der etwas bonierteren Bevölkerungsschicht angesiedelt, also bei den Leuten, die unter der Einbildung, dass sie was Besseres seien, leiden. Die kamen natürlich um die Interessen ihrer Kinder auf ein Numerus Clausus fähiges Abitur zu wahren ... und das schon in der Grundschule. Na ja, jedem seinen eigenen Tick; was anderes kann ich dazu nicht sagen. Während die dörfliche Idylle für den Grundschüler Björn Wolf direkt erstklassig war stellte sie sich dann später bei den weiteren schulischen Lebensweg doch mehr als nachteilig heraus. An weiterführenden Schulen hat Wannebachtal nur eine Hauptschule und diese nicht in Elfenwiese sondern in dem sechs Kilometer entfernten Neuweiler. Realschulen, Gymnasien oder Gesamtschulen sucht man hier vergebens; dazu muss man sich schon in die Nachbargemeinden begeben. Normalerweise sind wir diesbezüglich ganz gut mit Schulbussen ausgestattet, was auch immer ganz gut klappt, wenn die Kinder zur ersten Stunde in der Schule sein müssen und nach der letzten nach Hause können. Dazwischen ist dann ziemlich Essig. Wer erst zur dritten Stunde Schule hat, muss entweder auf dem Schulgelände zwei Stunden abgammeln oder Taxi Mama beziehungsweise Papa in Anspruch nehmen. Erzählt man so etwas unseren Kommunalpolitikussen, schauen die einen nur ganz groß an und beteuern treuherzig: „Was willst Du denn, die Schulbusverbindung sind hier doch wohl gut.“. Unser Björn besuchte die Gesamtschule in Heimar. Da kam er dann mal mit einer Ortsbeschreibung für Elfenwiese nach Hause, die ich mir bis heute auch ganz gerne zunutze mache: „In Elfenwiese ist zwar der Arsch noch nicht begraben aber man kann ihn schon ganz deutlich sehen.“. Aber was soll’s, Björn hat diese Zeit auch hinter sich gebracht und auf der Gesamtschule auch sein Abitur gemacht. Bevor ich jetzt weiter von seinem Werdegang erzähle muss ich erst noch erwähnen, dass sich mit dem zunehmenden Jugendalter bei ihm ein ziemliches Contraverhältnis zwischen Vater und Sohn aufgebaut hatte. Wenn ich „hüh“ sagte, kam von ihm prompt „hott“. Beim Austragen des Konflikts gab es zu allerlei Gelegenheiten wie Mittags- und Abendessen manches Zimmertheater. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich im Laufe meines Erwachsenenlebens zu einem überzeugten Pazifisten geworden bin und prompt verkündete mir Björn, dass er Berufssoldat werden wolle. Aber Björns Widerspruch gegen dem Alten verkehrte sich außerhalb des Hauses immer ins Gegenteil. Da vertrat er, teilweise sogar recht emotional, meine Meinung. In diesem Fall führte dieses zu einer positiven Überraschung für mich: Björn leistet nach seinem Abitur erst einmal seinen Zivildienst ab. Danach verließ unser Junge dann das Haus, aber nicht im Zorn, sondern um im westfälischen Münster Medizin zu studieren. Offenbar wollte er mir zeigen, dass er das, was ich mir vorgenommen und nicht geschafft habe, bewerkstelligen könne. Aber wie es so ist, durchkreuzten diverse Dinge auch seine Lebensplanung. So ein Medizinstudium kostet ja auch eine ganze Menge Geld und so dicke, dass wir unentwegt zuschießen können, haben wir es ja auch nicht. Da musste Björn schon etwas unternehmen um seinen Etat aufzufrischen. Was läge bei einem Wirtssohn näher als es als Kellner zu versuchen. Dabei hat er es mit der Arbeit wohl ein Wenig übertrieben. Er schwänzte Vorlesungen und danach sahen dann auch seine Klausuren aus. Im dritten Semester
brach er dann entnervt sein Studium ab und wechselte zwecks Ausbildung in das Hotelfach. Auf meine Frage ob er mal was aus dem Grünen Baum machen wolle habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Ich nehme mal an, dass er selber noch nicht weiß wie er sein Leben endgültig gestalten soll. Und jetzt, an dieser Stelle, kann ich meine Einführung abschließen. Es dürfte alles gesagt sein was aus unserem Vorleben wichtig erscheint. Wer nun wissen möchte, was mit der erwähnten Heike, unserer Schwiegertochter ist, der sollte einfach mal umblättern. Mit ihrem Erscheinen beginnt meine Geschichte, deren Hauptperson sie ist. Das kann man wohl auch aus dem Titel „Die Schwiegertochter des Tagedieb“ schließen. Aber wenn Heike die Schwiegertochter ist, muss ich doch wohl der Tagedieb sein. Na ja, den „Spitznamen“ habe ich mir damals, als ich arbeitslos war und ich mich ausgestoßen fühlte, selbst gegeben. Zur Eröffnung des Grünen Baumes habe ich den noch richtig publik gemacht, in dem ich tönte, dass die Kneipe eigentlich „Zum Tagedieb“ heißen müsse. Danach bin ich diesen „Kosenamen“ nicht mehr los geworden ... und verschiedene meinen sogar hinter meinem Rücken, dass wäre der treffende Name für mich. Dazu gehörte zu einem bestimmten Zeitpunkt sogar meine Elke, wie wir noch an passender Stelle erfahren werden.
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Eine umwerfende Überraschung zur Silberhochzeit Sie erinnern sich doch sicherlich noch an den Riesenwirbel, den der Jahreswechsel von 1999 auf 2000 ausgelöst hat. Daran konnte man richtig sehen wie verbreitet doch die Seuche „Verblödung durch Massenmedien“ mittlerweile schon ist. 2000 ist sicherlich eine schöne runde Zahl aber nicht das erste Jahr im 3. Jahrtausend sondern das letzte im zweiten. Ein Jahrtausend kann ja erst nach Ablauf von tausend Jahren beendet werden und diese tausend Jahre sind nicht am ersten sondern erst am letzten Tag des Jahres vollendet. Also nicht am 1. Januar sondern erst am 31. Dezember. Somit begann das 3. Jahrtausend erst am 1. Januar 2001. Na, haben Sie denn jedenfalls den richtigen „Millenniumswechsel“ gefeiert? Millennium (lateinisch = Jahrtausend) selbst ist ja auch so ein Wort, das von den Halbwissensprofis, sprich Medienjournalisten, in die Nachplappergesellschaft gepowert wurde; zuvor war es so gut wie gar nicht gebräuchlich. Bei der Gelegenheit denke ich auch an den „elektronischen“ Schwachsinn der zur Massenhysterie ausgewalzt wurde. Da sah man Kraftwerke abstürzen, Mikrowellen explodieren und Fahrstühle abstürzen, nur weil angeblich die Elektronik den Sprung von 1999 auf 2000 nicht schaffen würde. Mich wunderte richtig, wie so Elektroniker und Informatiker wild und fröhlich mitmischten, denn die Elektronik arbeitet bekanntlich binär und von 11111001111 (dezimal 1999) auf 11111010000 (2000) zu springen ist für Rechner nichts von Besonderheit. Na ja, die Leute die es besser wussten haben bestimmt nur deshalb mitgespielt weil es sich damit gut abzocken ließ. Aber zurück von der Binärrechnung zum falschen Millenniumswechsel. Für Elke und für mich lagen wirklich Gründe für die Ausrufung des Ausnahmezustandes vor. Schließlich zählen wir zur edlen Garde der Gastwirte, die da einfach mitziehen mussten ... wer lässt schon Geld auf der Straße liegen. Wir hatten in der besagten Silvesternacht ein volles, sogar überfülltes Haus. Bis auf ganz wenige Ausnahmen war die ganze Dorfbevölkerung von Elfenwiese hier versammelt. Das ging schon am Silvester um 18 Uhr los und endet erst am nächsten Morgen um Neun. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, dass Elke und ich die einzigsten Dorfbewohner waren, die der Teufel Alkohol nicht in seine Rauschhölle geholt hatte. So einen Umsatz hatten wir, seit dem wir den Grünen Baum hatten, noch nicht gehabt. So was tut ja auch mal gut, insbesondere dann, wenn etwas droht wo man Spendierhosen anhaben muss. Nach der Nacht rechneten wir natürlich nicht mit noch einem großen Andrang zum Katerfrühstück, das wir traditionell am 1. Januar über Mittag von Elf bis Zwei veranstalten. Wir hatten schon Sorge auf unseren Rollmöpsen, die wir trotz allem vorsorglich eingekauft hatten, hängen zu bleiben. Aber weit gefehlt: Wir hatten wieder volles Haus, zwar nicht im Saal, den wir bei dem Anlass natürlich geschlossen hielten, aber im Gast- und Gesellschaftszimmer, und an Rollmöpsen hätten wir bestimmt die doppelte Menge gebrauchen können. Wir bekamen die Leute auch nicht, wie üblich zwischen Zwei und Drei, wieder los sondern die letzten Neujahrsfeierer schlichen sich erst kurz nach Fünf von dannen. Jetzt könnte man sagen, dass wir uns wirklich eine Mütze Schlaf verdient hätten. Wenn wir nicht den 1. Januar 2000 sondern ein anderes Jahr gehabt hätten, wären wir wirklich dieser Überzeugung gewesen und hätten alles liegen und stehen lassen und uns, nur zum Schlafen, ins Bett zu begeben. Wie in den vorangegangen Jahren hatten wir zwar auch zu diesem Neujahr für den Rest des Tages geschlossen. Von daher wäre es schon möglich gewesen. Aber, aber ... Wenn ich 1974 beziehungsweise 1975 schon gewusst hätte, dass ich im Jahre 2000 Gastwirt und Tagedieb sein würde, hätte ich bestimmt einen anderen Termin für unsere Hochzeit vorgeschlagen. Jetzt standen wir da auf Neujahr und mussten unser Etablissement noch gründlich reinigen und aufräumen, damit wir es am nächsten Tag wieder für unsere eigene Silberhochzeit herrichten konnten. Das ging uns gar nicht so leicht von der Hand. Selbst im Stehen hatten wir so einen komischen Hang zum Einschlafen. Wir setzten uns daher das Zeitlimit „9 Uhr“ und was bis dahin nicht geschafft war wollten wir dann gleich, wenn wir ausgeschlafen haben, in Angriff nehmen. Aber wie es bei Plänen so üblich ist, wurde auch dieser durchgekreuzt. Kurz nach Acht bekamen wir Unterstützung in Form unserer ersten „Silberhochzeitsgäste“. Unser Björn war vorgefahren und wollte, so wie wir bis zu diesem Moment annahmen, anlässlich des elterlichen Jubelfestes einen 14-tägigen Urlaub bei uns verbringen. Nun, das kam natürlich nicht überraschend sondern dieses war schon im Sommer des frisch verflossenen Jahres mit uns vereinbart worden. Selbstverständlich hatten wir das auch in unserer Planung berücksichtigt. Als wir unseren Aufräumplan verabschiedeten sagte Elke noch: „Ach, lass mal was wir bis Neun nicht geschafft haben kriegen wir Morgen schon in die Reihe, zumal uns Björn dabei tatkräftig unterstützt.“. Bis jetzt also kein Grund um sich aufzuregen. Auch das Björn nicht alleine kam, dürfte an der Sache nichts ändern. So dachten wir jedenfalls. Aber ... In Björns Begleitung war eine echte tolle Maid erschienen. Als ich sie sah dachte ich mir: „Mensch, du warst der Überzeugung, dass Du über jungen Damen, die deine Tochter sein könnten, erhaben. Und jetzt? Dieses Girl könnte auch mir verdammt gefährlich werden.“. Die schlanke junge Frau war beziehungsweise ist immer noch etwas über 1,70 Meter groß. Ihr langes blondes, krauses Haar trug sie elegant über die linke Schulter. Aus ihrem Gesicht leuchten einem stahlblaue Augen entgegen. Alles an ihrem Körper war an der richtigen Stelle. Die
Wölbungen unter ihrem schicken Rollkragenpullover ließen auf besser proportionierte Busen schließen; auf keinem Fall klein aber beim besten Willen nicht zu groß. Ihren Pullover trug sie über ihren mittellangen, tollaussehenden Faltenrock, der bis zu ihren Schienenbeinen reichte. Obwohl er super aussah konnte der Rock einen ein richtiges Schade entlocken, denn das, was man von ihren Beinen noch sehen konnte ließ darauf schließen, dass er ein „Fahrgestell“, nach dem sich die Männer umdrehen, weitgehenst verstecken würde. Und so schüchtern wirkend, wie sie da stand, wirkte sie echt zum Anbeißen. Mein zweiter Gedanke war: „Ja, das ist mein Junge ... angelt sich die besten Fische aus dem Teich.“. Dann wurde es aber lustig. Björn stellte sie uns, während sie Elke die Hand hinreichte, mit den Worten „Das ist Heike, meine Frau“ vor. Elke fragte etwas vorsichtig: „Björn ich kann doch nicht auf Anhieb Deine Freundin mit Vornamen anreden. Wie heißen Sie denn mit Nachnamen?“. „Wolf“, erwiderte sie ganz verschüchtert „Wolf geborene Kreisler“. Elke hatte schon scherzend „Welch ein Zufall ... Wolf wie wir“ getönt als sie plötzlich abrupt abbrach und kreidebleich wurde. Nach einer Denkpause kam dann langsam und leise „Wolf geborene Kreisler ... Björn, du hast Deine Frau gesagt?“ heraus. Da kullerten dann Tränen. Heike weinte auf einmal los und legte ihren Kopf auf Björns Schultern auf. Björn, auch nicht mehr so erheitert aussehend, zog ein Buch, dass sich in diesem Moment als Familienstammbuch entpuppte, heraus, schlug die Seite mit dem Trauschein auf und hielt sie uns entgegen. Kein Zweifel, unser Sohn hatte geheiratet und wir haben nichts davon gewusst. Das war zuviel für meine Elke. Ganz langsam ging sie förmlich ineinander. Björn konnten sie soeben noch auf einen schnell hinzugezogenen Stuhl geleiten. Mir war es nicht möglich zu reagieren, da ich wie vom Blitz getroffen angewurzelt dastand. „Das ist ja eine umwerfende Überraschung zu unserer Silberhochzeit“, gab ich von mir, als ich das Gefühl hatte, wieder etwas Luft zu kriegen, „Wir haben zwar manchen Vater-Sohn-Streit gehabt, aber trotzdem haben wir immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Manch einer wäre stolz eine solche intakte, harmonische Familie gehabt zu haben. Welcher Teufel ist denn in Dich gefahren, dass Du uns einen solchen üblen Scherz spielst ... zu heiraten ohne uns etwas davon zu sagen. Mensch, du hast doch wohl nicht geglaubt, dass wir Dir eine solche nette Frau ausreden würden.“. Björn wollte gleich etwas darauf erwidern aber ich unterbrach ihn noch einmal: „Kreisler? Sage mal ist das etwa die Tochter deines Chefs?“. „Meines ehemaligen Chefs.“, konnte jetzt Björn erwidern, „Er hat Heike rausgeworfen und mich gekündigt. Offiziell bin ich noch bis zum 31. März bei ihm beschäftigt, ... ich kriege auch noch mein Geld, aber ich darf ihm nicht mehr unter die Augen treten. Das ist ja der Grund warum wir hoppla hopp geheiratet haben und euch nicht informieren konnten. Papa ... Mama, hört uns doch bitte, bitte an.“. Jetzt begann auch unser Sohn zu Weinen und wir, also Elke und ich, kamen uns vor als hätten wir soeben Bahnhof verstanden. Einen Moment herrschte ein betroffenes Schweigen und dann rang sich unser Sohn zu einer Beichte durch: „Ach wisst ihr, Heike ist doch wohl eine süße Maus. Ich liebe sie über alles. Aber bis Nikolaus, Heikeleins Geburtstag, haben wir nichts miteinander gehabt ... schließlich war sie ja die Tochter meines Chefs. Bei ihrem Geburtstagsumtrunk im Kreis der Mitarbeiter hat sie sich fast nur mit mir unterhalten. Dabei ist es mir rausgerutscht ... ich habe ihr meine Liebe gestanden. Ich dachte schon jetzt knallst, aber das Gegenteil war der Fall. Sie bekundete mir, dass das Ganze auf Gegenseitig beruhe und nahm mich mit auf ihr Zimmer, wo uns ihr Vater dann in Flagranti erwischte.“. Jetzt musste Elke doch lachen und „Wie der Vater so der Sohn“ rutschte ihr raus. Verdutzt schauten die jungen Leute auf mich. Es war mir zwar nicht ganz recht aber ich gab der Wahrheit die Ehre und beichtete ihnen nun: „Ach, was soll’s, bei uns war es genauso. Nur wir hatten beide am gleichen Tag Geburtstag,.“. „Das beste Zeugnis unserer Nacht am 12. Juni 1974 bist du, Björn.“, unterbrach mich meine bessere Hälfte jetzt, „Wir haben dich bei der Gelegenheit gezeugt. ... Aber das war kein Grund, heimlich zu heiraten.“. Zum Schluss klang Elke jedoch wieder energischer und verärgerter.“. „Nee, das wäre es auch nicht.“, fuhr unser doch reumütige Sohnemann jetzt fort, „Ich weiß zwar nicht, wie Opa reagiert hat aber Heikes Vater machte einen riesigen Terz. Er hat mich, so nackt wie ich war, aus dem Zimmer rausgefeuert und hat dann Heike verprügelt.“. Jetzt mischte sich auch Heike erstmalig ein: „Mein Vater wollte mich eigentlich mit Mike Goldwater, dem Erben der Goldwater-Hotelkette in England, Holland und hier, verkuppeln. Aber ich wollte dieses Ekelpaket nicht, ich wollte mir meinen Mann selbst aussuchen.“. Jetzt erzählten uns beide die Geschichte im Wechsel weiter. Na ja, der alte Kreisler war nicht einzuhalten. Erst hat er unseren nackten Sohn quer durchs Hotel getrieben und dann, auf dem Personalzimmer unseres Sohnes, hat er ihm die fristlose Kündigung sowie sofortiges Hausverbot ausgesprochen. Björn hat – vermutlich heulend – seine Koffer gepackt und das Haus in Richtung seines Autos verlassen. Wie er sagte war ihm in diesem Moment nichts besseres eingefallen als nach Hause zukommen. Am Wagen angekommen wurde er, von ihm selbst unerwartet, schon erwartet. Heike stand dort mit ihren ebenfalls gepackten Koffern. Die Beiden haben dann beraten was sie nun machen sollten. Auf Heikes Vorschlag haben sie sich in der Nähe in einer kleinen Pension eingemietet und wollten am nächsten Tag noch mal mit ihrem Vater verhandeln. Der Weg in Kreislers Waldhotel ist ihnen verdammt schwer gefallen. Im Chefbüro mussten sie sich dann aber noch eine gewaltige Standpauke anhören. Einzigste Ergebnis war nur, dass Kreisler aus arbeitsrechtlichen Gründen, er
wollte sich mit dem Schänder seiner Familienehre nicht vor dem Arbeitsgericht streiten, Björns außerordentliche Kündigung in eine ordentliche zum nächstmöglichen Termin umwandelte. Den Lohn wollte er zahlen aber von der Arbeitsleistung stellte er Björn frei, da es bei dem Hausverbot bleiben sollte. Unser Sohn musste nach dem Bürodonnerwetter das Hotel wieder verlassen und Heike „durfte“ sich noch in der Wohnung von ihrer Mutter verabschieden. Die Mutter sah die Sache etwas anders wie ihr Mann und drückte Heike ihre Geburtsurkunde mit den Worten: „So, jetzt heirate den Mann deiner Träume und dann kommt mal Anfang des nächsten Jahres, wenn bei Vati der Dampf abgelassen ist, als Ehepaar wieder. Dann dürfte er froh sein, das sein Schwiegersohn zumindestens ein Fachmann ist und dann sehen wir weiter.“. Heike war dann zumindestens ihrer Mutter gegenüber ein gehorsames Mädchen und versuchte Björn auch für diesen Plan zu gewinnen. Unser Junge dachte sofort daran, dass er noch eine beglaubigte Kopie seiner Geburtsurkunde, die er mal beim Studium zu irgendeinen Zweck gebraucht hatte, in seinen mitgeführten Unterlagen hatte und kurz entschlossen erschienen Sie etwa eine Stunde später beim Standesamt in Neustadt und ließen sich einen Termin geben. 14 Tage später, am Dienstag, dem 21. Dezember 1999, sollte es um zehn Uhr soweit sein. Wäre es jetzt nach Björn gegangen, wären die Beiden unmittelbar danach zu uns gekommen. Aber wieder einmal kam es anders wie gedacht. Nach Verlassen des Neustädter Rathauses rief Heike zuhause an um ihre Mutter von den Stand der Dinge zu unterrichten. Sie hatte gerade verraten, dass sie zu uns wollten, als Kreisler, der sich heimlich in die Leitung eingeschaltet hatte, schrie dass er den Beiden auflauern und sie umbringen wolle. Die junge Frau, die ihren Vater als gewalttätig kannte, bekam Angst und überredete ihren Zukünftigen, dass sie sich bis zur Hochzeit verbergen wollten. Na ja, dann hatten sie zwei Wochen lang ein ermarternden Kampf zwischen ihrer fürchterlichen Angst und ihrem schlechten Gewissen. Immer ging es darum ob sie uns nicht doch informieren sollten oder es besser aus Sicherheitsgründen sein lassen sollten. Die panische Angst blieb in diesem Gefecht Sieger, die Beiden trauten sich kaum aus ihrem Pensionszimmer heraus. Elke sagte mir später, als wir unter uns waren: „Was muss dieser Kreisler für ein fürchterlicher Mensch sein, dass sich die Kinder so vor ihm fürchten. Ich will wohl eingestehen, das einem in einer maßlosen Wut mal ‚Ich bring dich um’ rausrutschen kann. Aber zwischen verbalen Wutäußerungen und wirklichen Taten liegt aber noch eine lange Wegstrecke. Was muss das nur für ein Mensch sein, dessen eigene Tochter solche Worte ernst nimmt und sich vor Angst verkriegt. ... Und dabei macht Kreisler doch so einen vornehmen und weltmännischen Eindruck.“. Ich konnte ihr darauf nur erwidern, dass solcherlei äußere Masken antrainierbar seien, wie man an vielen Politikern und Managern sähe. Gerade im Hotelfach würde man so etwas ja professionell erlernen. Unter diesen Masken könnten sowohl Gangster wie normale, umgängliche Menschen stecken. Nur weichen, mitfühlenden Menschen passt diese Ganzkörpermaske nicht. Die verraten sich immer wieder und sind letztendlich die scheinbaren Looser. Nun, am 21. Dezember „schlichen“ sich dann Heike und Björn mit schlackernden Knien zum Standesamt und als sie da wieder raus kamen, ließ auch die Angst langsam wieder nach. Dafür wurde das schlechte Gewissen bei Björn immer mächtiger. Er traute sich nicht, zwar nicht aus Angst sondern aus Gewissensgründen, uns unter die Augen zu treten. Erst brachte er sich und Heike gegenüber die Ausrede, dass er uns das Weihnachtsfest nicht verderben wolle. Heilig Abend hatte er noch mit uns telefoniert und uns vor gekrückt was sie Weihnachten alles im Waldhotel zutun hätten und wie leid es ihm tät diese Weihnachten nicht zuhause sein zu können. Nach Weihnachten baute er dann die Ausrede auf, dass er sowieso Neujahr nach Hause und vorher seine Eltern nicht erschrecken wolle auf. Als er dann am Neujahrsmorgen das nächste „Fluchtargument“ aufbauen wollte, ließ ihn seine junge Frau nicht mehr gewähren. Heike bestand nun endgültig darauf, dass sie uns kämen und zu ihrer „Sache“ stünden. Was soll ich sagen, nach dieser Story war für Elke und mich alles nachvollziehbar geworden aber wohl war uns jetzt immer noch oder erst recht nicht. Was hatten wir getan, dass unser Sohn so wenig Vertrauen zu uns hatte und sich lieber versteckte? Warum hatte er sich uns nicht von Anfang an vertraut? Das wir, weil es bei uns im Ansatz genauso gelaufen ist, beim besten Willen nichts getan hätten um zwischen die Beiden zu fahren, konnte er ja nicht wissen. Unseren „Einstand“ hatten wir ihm ja bis zu diesem Tag „sittsam“ verheimlicht. Aber trotzdem ... womit hatten wir dieses Misstrauen verdient. Elke und ich waren uns nach dieser Berichterstattung, die fast bis halb Zehn dauerte, nicht schlüssig darüber, was wir nun machen sollten. Und so saßen wir jetzt erst einmal, weil wir uns nicht absprechen konnten, ein paar Minuten schweigend in der Runde. Björn verschaffte uns aber mit der Frage, ob sie denn schon einmal auspacken dürften, dann doch eine entsprechende Möglichkeit. „Was machen wir denn jetzt?“, fragte ich zunächst einmal meine Holde, die mir daraufhin antwortete: „Mensch, wir sind ja alle keine Engel. Denk nur mal daran, was Du alles gemacht hast und ich glaube, dass ich bei Dir in entsprechender Anzahl mit Fehltritten und Schandtaten mithalten kann. Öfters denkt man dann auch von Links nach Schräg. Wenn wir aus allem ein Welttheater machen wollten kämen wir nie zu einem Frieden. Am Besten belassen wir es dabei und nehmen unsere Schwiegertochter als solche auf ... Scheint mir ja ein ganz nettes Mädchen zu sein.“. Was da meine Angetraute von sich gegeben hatte war ganz in meinem Sinne und ich stimmte
ihr zu. Fast wie ein Wunder kamen wir uns beide danach erleichtert vor. Es scheint schon zu stimmen, was Pastor Grabbert, unser Gemeindepfarrer, neulich in der Predigt sagte: „Vergebung wirkt Wunder“. Na ja, ganz übertreiben wollen wir es mit den Worten nicht, denn Vergebung scheint hier in unserem Fall doch wohl etwas übertrieben. Was unser Junge da gemacht hat, hätte mir in der gleichen Situation, wenn ich ehrlich bin, auch passieren können. Auch ich hätte wahrscheinlich genauso wenig daran gedacht wie man mit so einer heimlichen Hochzeit die Eltern kränken und verletzen kann. Es soll ja sogar junge Leute geben, die so etwas aus Jux und Tollerei machen und dabei die ganze Sache noch sehr witzig finden. Und so oberflächlich ist unser Sohn nun beim besten Willen nicht, er hatte schon Gründe, die man irgendwo verstehen können muss. Ruckzuck hatten die Beiden ihre Koffer nach Oben gebracht und hatten sich offenbar auch miteinander abgesprochen. „Mami,“, begann Jörg jetzt, wie ein lieber Junge, erneut „ihr beide seht müde und abgespannt aus. Der Millenniumswechsel hat euch sicher eine Menge Arbeit bereitet ... und im Bett wart ihr auch höchstenfalls nur für ein oder zwei Stündchen. Heike machte mir eben den Vorschlag, dass wir, die wir ja noch recht ausgeruht sind ... wir haben ja seit Nikolaus außer heiraten nichts getan – jetzt den Laden übernehmen sollten. Wir machen Klar Schiff und bereiten alles für euere Ehrenfeier vor. Das ist doch für uns kein Problem .... wir sind ja vom Fach. Und hier kenne ich mich ja nun auch noch aus. Wenn ihr noch einen kleinen Augenblick aushaltet und uns kurz erläutert, wie ihr euch euere Silberhochzeit vorgestellt habt, seit ihr anschließend mit sofortiger Wirkung in euerem Silberhochzeiturlaub entlassen.“. Sie kennen doch sicherlich, wie so etwas dann abläuft: Man ziert sich erst ein Wenig und schlägt nach einen paarmaligen Hin und Her doch erfreut und erleichtert ein. Nach der Unterbreitung unserer Vorstellung von unserer Silberhochzeitfeier gedachten wir soweit zu sein, dass wir nach einem fast 40-stündigen Dauerdienst endlich in die Horizontale kommen zu können, da kam Heike doch noch ein Blitzeinfall: „Wie wollen sie es denn jetzt halten? Ich würde ihnen vorschlagen morgen nicht vor Mittag aus dem Bett zukommen. Wir werden dafür sorgen, dass sie nicht gestört werden. Also, für wann soll ich ihr Frühstück vorbereiten?“. Mit einem leichten überlegenen Lächeln hörte sie dann von Elke: „Ich glaube, dass hört sich jetzt etwas komisch an. Du bist doch unsere Schwiegertochter und redest uns mit Sie an. Also Heike, was möchtest Du denn zu mir sagen: Heike oder Mama, wie Björn oder ...“. Da wurde sie von Heike, die ihr spontan, recht glücklich wirkend, um den Hals fiel, unterbrochen: „Ach, selbstverständlich Mama wie Björn sagt. Die Mama meines Schatzes ist auch meine Mama.“. Ein paar Minuten hielten sich die Damen im Arm und dann war ich dran. Mit „Ach Papa“ nahm sie mich auch in den Arm. Was mir damals seltsam ankam und wo ich anschließend mit niemanden drüber sprach war, dass mich Heikes Umarmung doch irgendwo etwas stärker sexuell anregte. Das eine solche junge Frau entsprechendes in mir auslösen könnte hätte ich eigentlich nicht gedacht. Na ja, der Tag war gelaufen. Wir lagen eben im Bett als wir schon tief und fest schliefen. Wir waren halt vollkommen übermüdet. Fast zwölf Stunden später, kurz vor Elf am Morgen machte ich die Augen wieder auf. Elke war schon wach und lag zur Feier des Tages splitternackt neben mir und lächelte mich an: „Herzlichen Glückwunsch mein allerbester Schatz.“. Nachdem ich den Glückwunsch erwidert hatte, taste ich sie mit meinen Augen am ganzen Körper ab, als hätte ich sie noch nie im Evas Kostüm gesehen. Ich war doch richtig begeistert, was ich doch nach all den Jahren immer noch so eine hübsche, knackige Frau hatte. Und das machte mich so heiß, dass wir den Tag mit dem begannen, womit die ganze Geschichte vor mehr als 25 Jahren begonnen hatte. Natürlich war das keine einseitige Angelegenheit, denn an Elkes Nachthemdabstreifen vor meinem Aufwachen war ja eindeutig erkennbar, dass sie so etwas erwartete und provozieren wollte. Als wir danach, richtig relaxt, noch ein Weilchen neben einander lagen und noch diese und jene Zärtlichkeit austauschten, durfte ich feststellen, dass mich Elke nicht nur sehr genau kannte sondern mich auch ebenso genau beobachtete: „Du Mausi, ich habe Dich gestern Abend ein Wenig beobachtet. Dir ist doch klar, dass Heike deine leibliche Tochter sein könnte und sie die Frau deines Sohnes ist?“. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“, antwortete ich mich entrüstet stellend. Elke konnte darauf nicht antworten, denn es klopfte zärtlich an der Tür. Wir schlüpften schnell unter die Decke und Elke tönte „Herein“. Und das kam dann auch die eben Besprochene. „Ich wollte nur mal schauen ob ihr schon wach seid und ob ich euch das Frühstück bringen kann. Zur Feier des Tages erhaltet ihr heute Zimmerservice.“, teilte uns unsere Schwiegertochter mit gekonnter Freundlichkeit mit. Man merkte schon, dass sie im Hotelfach aufgewachsen war. Elke protestierte, das diese nicht nötig sei und richtete sich spontan im Bett auf, wodurch sie jetzt mit freien Oberkörper da saß. Das machte Heike dann doch etwas verlegen: „Oh, habe ich gestört. ... Pardon das wollte ich nicht.“. Worauf ihr Elke dann ganz keck erwiderte: „Nein mein Mädchen, wir waren schon vor ein paar Minuten fertig.“. Beide Frauen lachten und ich hatte irgendwie das Gefühl als würden die beiden sich schon sehr lange kennen und ein offenes Verhältnis zueinander haben. Schwiegermutter und –tochter hatten sich ganz offensichtlich inzwischen voll angenommen. Na ja, diese Zwischenepisode ist eigentlich nicht so wichtig aber ich habe sie nur mal niedergeschrieben um anzudeuten, das erstens die Liebe zwischen meiner Frau und mir immer noch auf jugendlichen Trieben blüht und
zweitens, das trotz heimlicher Heirat das Eis zwischen uns und unserer Schwiegertochter, die uns nach diesem kleinen netten Vorfall blitzartig ein fürstliches Frühstück mit allen Pipapo ans Bett brachte, auch sehr schnell aufgetaut war. Nun, nach unserer „Frühstücksorgie“ erhoben wir uns, duschten gemeinsam und begaben uns nach dem Ankleiden hinunter in die Gasträume. Was wir da zusehen bekamen ließ uns tatsächlich die Augen überlaufen. Es war schon alles topp hergerichtet, als solle die Feier bereits jeden Moment beginnen. Unsere „Kinder“ hatten sich wirklich ins Zeug gelegt und alles mit ihrem Fachkönnen so arrangiert wie wir es nicht hinbekommen hätten. Viel später erfuhr ich, dass sie, um das alles zu bewerkstelligen schon am Morgen um Vier aufgestanden waren. Beide hatten das Gefühl bei uns etwas gut machen zu müssen und gingen von der Devise aus, dass man mit Geld und Worten nichts gut machen kann aber mit Taten die von Herzen kommen. Und dass das, was sie gemacht hatten, von Herzen kam merkte man an den doch sehr liebevollen Arrangements und ihren glücklichen Gesichtern. Jetzt hätten wir eigentlich noch bis zum Empfang, den wir auf 18 Uhr terminisiert hatten, einen netten Nachmittag zu Viert verbringen können, wenn nicht kurz nach Eins eine unerwartete, uns bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Besucherin erschienen wäre. Es war eine elegante, doch sehr attraktive Dame mit dunkelroten Haaren. An der unübersehbaren Ähnlichkeit zu Heike sah ich gleich, dass es sich nur um die Schwiegermutter unseres Sohnes handeln konnte und deshalb begrüßte ich sie auch gleich mit den Worten „Schönen guten Tag, Frau Kreisler.“. Das war also die Dame die „unserer“ Heike den Vorschlag zur Blitzhochzeit gemacht hatte. Man merkte auch gleich, dass sie ein ganz besonderes Herz für unseren Sohn hatte. Frau Kreisler entschuldigte sich dann gleich für ihr Erscheinen an diesem Tage, denn sie konnte ja nicht wissen, dass es sich um unseren 25 Hochzeitstag handelte. Sie war eigentlich gekommen, um den Konflikt „ihrer“ Kinder zu bereinigen. Ihr Mann wusste natürlich nichts von ihrer Visite und sie musste auch schnellstens zurück, weshalb sie dann auch unsere Einladung bis zum Empfang zu bleiben dankend ablehnen musste. Ich muss sagen, dass ich sie gerne da behalten hätte, denn mir gefiel nicht nur die Tochter sondern auch die Mutter. Ausgerechnet an unserem Silberhochzeitstag musste ich feststellen, dass ich gegenüber anderen Frauen noch nicht blind geworden bin. Wenn ich eben schrieb, dass es um Konfliktbereinigung ging, dann könnte man blitzschnell und messerscharf daraus schließen, dass es um den Konflikt zwischen den Kindern und dem Hause Kreisler ging. Aber nein, es ging um den Konflikt Wolf gegen oder zu Wolf. Das junge Paar war so gut abgetaucht, dass sie nicht einmal für die Mutter der Braut, die sie eigentlich auf die Idee gebracht hatte, erreichbar waren. Die Pension hatten die Beiden gleich nach dem Telefonvorfall mit Kreisler verlassen um in einem Privatzimmer Unterschlupf zu finden. Ihr Handy hatte Heike im elterlichen Hotel vergessen und über Festnetz wollte sie keine Verbindung aufnehmen. Frau Kreisler kombinierte in dieser Zeit, wie einst ein gewisser Sherlock Holmes, dass die jungen Leute über kurz oder lang bei uns auftauchen müssten. Sie war also die „komische Anruferin“, die in letzter Zeit häufig bei uns anrief und sich nach unserem Sohn erkundigte. Elke und ich hatten schon vermutet, dass es eine junge Dame, die sich in unseren Sohn verguckt habe, sei. An diesem Tage hatte sie allerdings nicht vorher angerufen sondern war gleich losgefahren. Aus ihren Anrufen konnte sie sicher schließen, dass wir von der Eheschließung keine Ahnung hatten. Weiter vermutete sie, das Björn uns eine Komödie vorspielen würde, das heißt, tatsächlich zu seinem ursprünglichen ersten Urlaubstag bei uns auftauchen würde und uns seine Frau als seine neue Freundin vorstellen würde. Um aber der Wahrheit zur Geltung zu verhelfen und einen dabei möglicher Weise entstehenden Krieg zu vereiteln war sie erschienen. Und natürlich, wer kann es einer Mutter verübeln, wollte zumindestens sie ihren Draht zu den „Kindern“ behalten. Wie Sie ja bereits lesen konnte, hatten die jungen Leute die Geschichte Wolf und Wolf selbst erledigt und das Heike den Kontakt zu ihrer „Mamuschka“ halten wollte, stand auch fest. Deshalb hätte sich Frau Kreisler also keine Sorgen machen zu müssen. Aber trotzdem war, abgesehen von der Wiedersehensfreude von Mutter und Tochter, der Besuch von Frau Kreisler nicht ganz umsonst. Sie gestand zur Beruhigung aller ein, dass auch sie, wo die Angelegenheit heiß war, durchgeknallt sei und überzogen habe. Natürlich wäre ihr Mann eine zwiespältige Persönlichkeit. Nach Außen der aalglatte Hotelier und nach Innen, also innerhalb der Familie, jemand, der schnell durchknallt und dann auch mal gegenüber Frau und Tochter zuschlägt aber bis zum Zusammenschlagen wäre es ja nie gegangen und einen Mord würde der, nach ihrer Überzeugung, wohl nie begehen. Im Grund wäre es ja doch irgendwo doch ein Softi, der immer, wenn es mal tätlicher geworden war, anschließend bitterlich weinen würde. Am Besten könnte man ihn als krankhaften Jähzornigen klassifizieren, der im Grunde sonst nicht einmal übel wäre. Ansonst wäre sie, wie sie sagte, sicherlich nicht mehr mit ihm verheiratet. Kreisler machte sich, wie seine Frau berichtete, inzwischen auch große Sorgen um die Beiden und würde sich laufend Vorwürfe machen, was Schlimmes angerichtet zu haben. Von daher könnte man wieder zur Eintracht zurückkehren. Das Problem, was sich jetzt aber auftat, ist das Kreisler keine blasse Ahnung von der Hochzeit hatte. Er hatte bei dem abgehörten Gespräch zwar mitbekommen, dass sie zu uns wollten aber nicht, dass sie heiraten wollten. Seine Frau vermutete, dass, wenn er von dem Ehestand erfährt, dann zunächst der Zustand vom
Nikolaustag wieder hervorgerufen sei. Daher hielt sie es für besser, dass das junge Paar erst einmal bei uns in der Unterschlupf bleibt. Sie wollte dann tröpfchenweiße ihren Mann in die Gegebenheit einweisen und wenn dann der neue Rauch verzogen ist sollte man doch zur Normalität übergehen. Na, dann ist ja alles in Butter – oder? Das hätte ich zumindestens geglaubt, wenn nicht Heike gefragt hätte, warum ihr „Alter“ denn so überzogen aufgetreten wäre. Sie meinte: „Ich kann es ja verstehen, dass es für ihn nicht erfreulich war seine Tochter beim Bumsen mit dem Personal zu erwischen, aber deshalb treibt man doch niemanden nackt durchs Hotel und spricht Morddrohungen aus.“. „Ach Mäuschen,“, begann Frau Kreisler ihrer Erwiderung, „wir haben verdammt große Sorgen. Wir haben uns vor fünf Jahren beim Um- und Ausbau des Hotels doch erheblich übernommen. Ich weiß nicht ob wir noch lange durchhalten können. Da hat Vati mit Watergate hinsichtlich einer Übernahme verhandelt. Seine Überlegung war, aus der Geschichte plus und minus Null herauszukommen und trotzdem danach der Chef des Hauses bleiben zu können. Die Verhandlungen liefen aber nicht wie gewünscht. Vati hatte neue Hoffnung geschöpft als Mike Watergate dich gesehen hatte und haben wollte. Dann, so meinte Vati, ließe sich das, was sich auf normalen Geschäftswege nicht erreichen lässt auf familiären Wege regeln. Da du diesen Mike Watergate als Ekelpaket bezeichnetest und dir dann noch ein anderen Mann ins Bett holtest hatte er den Strohhalm verpasst, an dem er sich hochziehen wollte. Es ist nicht immer so leicht wie man sich das denkt.“ Ich muss sagen, dass dieser Kommentar uns alle doch ein Bisschen betroffen machte. Auch Heike, für die diese Sache auch völlig neu war. Kreislers hatten ihre Probleme vor ihrer Tochter quasi geheim gehalten. Später sagte mir Elke mal, dass sie in diesem Moment irgendwie eine Genugtuung darüber, dass wir immer alles offen im Familienkreis, auch zusammen mit Björn, be- und ausgesprochen hätten, empfunden habe. Als sich Frau Kreisler verabschiedete fasste sie noch einmal zusammen: „Ich bin ja froh, dass hier doch alles im Trocknen liegt. Dann bleibt ihr Beiden erst einmal hier. Habt keine Angst, Vati macht nichts. Ich werde ihm jetzt schonend beibringen, dass ihr verheiratet seid und er das zu akzeptieren hat. Dann wird er zwar erst mal wieder den Mont Everest hochschießen aber wenn er wieder unten ist, gebe ich euch Bescheid. Und dann kommt ihr wieder dahin, wo ihr hingehört ... auf eueren Platz im Hotel. Macht keine Dummheiten und wartet ab. Ich melde mich regelmäßig bei euch. ... So, jetzt kann ich ja beruhigt heimfahren. Mir bleibt nur noch allen ... und insbesondere ihnen Frau und Herr Wolf, eine schöne Silberhochzeitsfeier zu wünschen.“. Sie sprach es, reichte allen Urwolfs die Hand, umarmte ganz herzlich ihre Tochter und begab sich davon. So, das waren jetzt die wichtigsten Ereignisse jenes 2. Januars 2000 und ich könnte jetzt eigentlich zum nächsten Kapitel übergehen. Was soll ich viel von unserer Silberhochzeitsfeier sagen. Als Wirtsleute des Versammlungszentrums in der Gemeinde Wannebachtal und insbesondere im Gemeindeteil Elfenwiese mussten wir schon zuvor alle möglichen Leute einladen. Bürgermeister und andere „Verwaltungsspitzen“ sowie alle Gemeinderäte, Pastor und Presbyter, Vorstände von Heimat-, Turn-, Fußball-, Schützen-, Angler-, Imker- und Hausfrauenverein sowie die Mitglieder des Hegeringes und unseres Laientheaters. Das hört sich jetzt phänomenal an aber es ist in dörflichen Gefilden halb so schlimm, denn es sind ja immer die selben Pöstchenjäger, die an allen Ecken und Enden auftauchen, was mit anderen Worten heißt: Das mal gerade so etwa 50 Leute zusammen kamen. Für meinen Geschmack allerdings schon viel zu viel aber was will man sonst machen, wenn man sich die Leute, von denen der Grüne Baum lebt, bei der Stange halten will. Gleich zu Beginn konnten wir den Gästen mit einer umwerfenden Überraschung aufwarten. Ich konnte den Leuten „verklickern“, das mein Sohnemann geheiratet habe. Natürlich tat ich so als wären wir zu jedem Zeitpunkt eingeweiht gewesen. Das die Hochzeit heimlich und überraschend erfolgt war verschwieg ich natürlich tunlichst. Als ich dann meine Schwiegertochter vorgestellt hatte, schien der Anlass des Empfanges umfunktioniert gewesen zu sein. Nicht wir, das Silberpaar, sondern meine Schwiegertochter stand im Mittelpunkt des Abends. Dabei konnte ich feststellen, dass ich mit meinen speziellen Empfindungen gegenüber einer jungen Frau doch kein Sonderling war sondern das allen Herren, auch im meinen Alter und älter, etwas bei ihrem Anblick regte. Heike ist ja auch eine verdammt hübsche Maid. Und mich macht es richtig stolz, dass es mein Sohn war der ein solch tolles Geschöpf zur Seinigen machen konnte.
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Eine Wende, die so keiner wollte „Alle Jahre wieder“; wenn man es bei diesen drei Worten zu Beginn des Weihnachtsliedes beließe könnte man es das ganze Jahr über treffender Weise singen. Das gilt insbesondere für meine Kollegen und mich, dem Wirt des Grünen Baumes in Elfenwiese. Hartnäckig tauchen Jahreshaupt- beziehungsweise Mitgliederversammlungen, Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Weihnachtsfeste Jahr für Jahr an gleicher Stelle, immer die gleiche Kalenderwoche, in meinen Terminkalendern auf. Auch was sich da auf politischer Ebene abspielt, also Rats- und Ausschusssitzungen, unterliegt einer stereotypen Kontounität. In allen ungeraden Monaten, also Januar, März, Mai und so weiter, ist am zweiten Mittwoch , wenn dieser nicht in die Ferien fällt, eine Ratssitzung und die Ausschusssitzungen finden in den 14 Tagen davor in gleichbleibenden Abständen zur Ratssitzung statt. Nur höchst selten, etwa alle zwei Jahre einmal, tritt mal eine Ausnahme zur Bestätigung der Regel an. Warum sollte ich darüber stöhnen, wenn mir dieses doch Alles in Allem eine Menge Planungssicherheit gibt. Es gibt nur zwei Anlässe im Jahr, die hier in Elfenwiese zu einer heißen Schlacht um den besten Platz in meinem Terminkalender führen. Die eine davon nennt sich Karneval. Obwohl wir hier in einer Gegend, mit der überwiegend protestantischen Bevölkerung, also im Gegenteil von Pappnasen-Hochburgen, zuhause sind, wollen hier alle Vereine vor Ort mit einem Albernheits- und Kampftrinker-Festival mitmischen. Man sollte annehmen, dass das in Jahren mit langen Sessionen, wo also die drei tollen Tage spät fallen, zu keinen Problemen führen sollte. So ein Jahr war beispielsweise anno 2000, wo der Rosenmontag auf den 6. März fiel. Aber auch in solchen Jahren ist immer das Gleiche, alle „kloppen“ (kohlenpöttisch für prügeln oder nur streiten) sich um die gleichen Termine. Fast alle wollen den Samstag vor dem eigentlichen Karnevalswochenende haben. Ach, ich kann es ja nachvollziehen, da es noch ein paar Tage früher hier in der Gegend so aussieht, als gäbe es den Karneval gar nicht – da stimmungsmäßig, wenn man weit vom eigentlich Termin ist, der Bezug zum Anlass immer erst im Laufe der Veranstaltung aufkommt. In den Hochburgen singt man: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“ Und hier könnte es heißen: „Schon an Altweiberfastnacht ist alles vorbei.“. Die Hausfrauengaudi, auf der in den letzten Jahren immer Männerstriptease stattfand, ist immer das letzte was diesbezüglich stattfindet – an den eigentlichen tollen Tagen ist hier in Elfenwiese tote Hose. Aber der Karnevalfez ist für mich persönlich kein umwerfendes Problem, denn darum wird immer bereits im Oktober auf den sogenannten Ortversammlungen gefochten. Da brauche ich gar nicht mitwirken sondern nur die ausgeklüngelten Termine entgegennehmen und aufzuschreiben. Das ist bei den heißumkämpften Terminen zum zweiten Anlass ganz anders. Da muss ich als Wirt schon mein ganzes Moderatorengeschick in die Waagschale werfen. Immer wenn die Verwaltung den neuen Haushaltsentwurf vorlegt wollen postwendend alle vier im Rat vertretenden Fraktionen – CDU, SPD, UWG und Grüne, eine F.D.P. konnte sich hier noch nie etablieren – bei mir zwecks Haushaltsberatung in Klausur gehen. Jedes Jahr das gleiche Spielchen: Alle vier Fraktionsvorsitzende erscheinen in kürzesten Abständen bei mir – es kommt sogar hin und wieder vor, dass sie sich bei mir im Lokal mit ihren gleichen absichten treffen – und wollen just den gleichen Samstag buchen. Gebe ich diesen, weil ihr Fraktionsvorsitzender zuerst da war, der CDU tönen die andern: „Ja, ja, Gastwirt, das heißt selbstständig, dann muss man ja im schwarzen Unternehmerclub sein.“. Hat die SPD das große Los gezogen, dann war immer schon klar, dass ich ein roter Amtsschimmelbüttel bin. Sind die Grünen der Sieger, dann wussten schon alle, dass ich schon immer so ein Alternativer, der auf Krankenschein in die Steinzeit will, gewesen sei. Und sind die Unabhängigen die Glücklichen, dann stand natürlich schon immer fest, dass ich sowieso mit diesem Klüngelhaufen paktierte. Damit habe ich jetzt gerade an Hand von vorurteilsbegründeten Vorwürfen die langläufigen Entscheidungen für oder gegen eine politische Partei aufgeführt. Man entscheidet sich nicht, wie es eigentlich sein sollte, aus Überzeugung oder aus ideologischen Gründen für oder gegen eine Partei sondern man gleicht Vorurteile mit seiner Herkunft ab und trifft danach die Entscheidung. Leute aus kirchlichen Kreisen gehen wegen des hohen C und Kaufleute wegen ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zu Wirtschaftskreisen in die CDU, also ist es für die anderen der schwarze Unternehmerclub. Die SPD rekrutiert sich in erster Linie aus Angehörigen des Öffentlichen Dienstes. Ich habe den Eindruck, dass die ÖTV – beziehungsweise Ver.di, wie sich diese Gewerkschaft jetzt nennt – identisch sind. Also ist man für die anderen der rote Amtsschimmelbüttel. Die Grünen rekrutieren sich bei uns aus den Schickimicki-Neusiedlern, die gegen alles sind, was ihre Ruhe oder sonst was beinträchtigen könnte, also die sind vom Mobilfunkmasten bis zu Stichstraße gegen alles, aber fordern alles zum Wohl ihrer privaten Sphäre, vom öffentlichen Spielplatz neben jedem zweiten Haus bis zur Sperrung ihrer Straße für den Durchgangsverkehr. Folglich wollen sie in den Augen der Anderen auf Krankenschein in die Steinzeit. Unsere Lehrer sind es, die sich zur UWG hingezogen fühlen. Da Lehrer nach Ansicht ein breiter Öffentlichkeit fast alles auf den Schulfluren und in den Lehrerzimmern zusammenklüngeln sind sie eben für die anderen ein Klüngelhaufen. Diese Vorurteilsdrescherei pflegen in der Regel immer nur die Betroffenen selbst; für die breite Öffentlichkeit ist, wenn ich den Gesprächen an meinem Tresen Glauben schenke, sowieso alles der gleiche Haufen. Von nichts haben sie Ahnung aber spielen sich auf als hätten sie die Weisheit mit der
Muttermilch eingesogen. Natürlich sind dieses nur Stammtischsprüche, sind aber nach meiner Auffassung nicht von außer der Welt hergeholt. Was hat das ganze nun mit Politik zu tun? Ja Leute, das weiß ich auch nicht. Auf den meisten Dingen, wo Politik draufsteht ist nichts von Politik drin. Was sich so auf den kommunalpolitischen Ebenen abspielt hat eigentlich mit Politik im Sinne des Wortes nichts zutun. Man ist für eine Sache weil der „politische Gegner“ dagegen ist und umgekehrt. Oft habe ich den Eindruck, dass auf kommunaler Ebene überhaupt keine Politik stattfindet. Politik heißt doch vom Ursprung des Wortes her das Gemeinwesen gestalten und fördern. Das Ausführungsorgan, die Verwaltung (Exekutive) ist dann dazu da, lediglich die Entscheidungsvorlagen zu liefern und den politischen Willen hinterher auch auszuführen. Schon an den Terminen der Haushaltsberatungen sehe ich, dass kein Politiker ans Gestalten denkt sondern man lässt die Verwaltung schalten und walten wie man will. Wenn man sich erst nach Vorlage des Haushaltsentwurfes zusammensetzt und bereits im Folgemonat darüber abstimmt, kann aus logischen Gründen nicht mehr viel gestaltet werden. Da können die Sachen doch lediglich nur noch ein Bisschen bewurstelt werden. Die Haushaltsentwürfe sind keine Entscheidungsvorlagen sondern fix und fertige Jahrespläne, die man an diesem oder jenem Detail benörgelt und dann doch genehmigt. So werden Bürgermeister zu Dorfkönigen. Und die „großen politischen Schlachten“ gehen dann hinter nur noch um Spielplatz hier oder Parkbucht dort – wo kann man nur vermeintlich mehr Wählerstimmen kaschen. Du meine Güte, da bin ich doch über dörfliche Veranstaltungspraktiken in die allgemeine Kritik an der Kommunalpolitik gekommen und wollte doch eigentlich die Geschichte von der Schwiegertochter des Tagedieb, also von Heike und mir, erzählen. Na ja, der Samstag, von dem ich jetzt ureigentlich berichten wollte, war so ein Tag, der von solchen Dingen geprägt war. Von Zehn bis Nachmittags um Fünf war die SPD mit ihrer Haushaltsklausur angesagt und schon um 18 Uhr wollte der Anglerverein zu seiner Jahreshauptversammlung antreten. Die Angler sind die Einzigsten, die so etwas noch an einem Samstag veranstalten. Dafür haben sie auch gute Gründe: Sie erledigen ihre Hauptversammlung im Schnelldurchgang, eine halbe bis längstenfalls eine Stunde, und veranstalten anschließend ein Ringelpietz mit Anfassen, sorry: ein gemütliches Beisammensein. Letzteres zieht sich dann in der Regel allerdings bis zwei oder drei Uhr des Nachts hin. Was war ich froh, dass ich an diesem Tag auch noch Heike und Björn zur Unterstützung im Hause hatte. Zwar war der zweiwöchige Urlaub von Björn bereits abgelaufen aber von Frau Kreisler war noch kein Signal zur Rückkehr gekommen. Aber das hing damit zusammen, dass es Heikes Vater nicht besonders gut ging – was er allerdings hatte, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Bereits morgens um Fünf wurde meine Pläne für diesen Tag tragisch durchkreuzt. Heike stand im kurzen durchsichtigen Nachthemd, weinend in unserem Zimmer und versuchte uns wachzurütteln. Was ich, als ich sie gerade erwacht sah, dachte schreibe ich wegen des Anlasses hier mal nicht. Ich kann nur sagen, dass es meine Begehrlichkeit auf meine Schwiegertochter förderte. „Papa, Mama“, schluchzte sie, „könnt ihr mir helfen. Eben hat Mutti angerufen, mein Vati ist tot. Er hatte einen zweiten Herzinfarkt, den er nicht überlebte. Jetzt möchte ich ganz schnell nach Hause aber Björni hat gestern, als er mit seinen Freunden zusammen war, ein Bisschen mehr getrunken und ist bestimmt noch nicht promillefrei. Und ich habe bisher nur Automatik gefahren und habe Angst, gerade jetzt, Björns geschaltetes Auto zu fahren.“. Elke erhob sich als erste und zwar blitzartig. Ich hatte zum Glück daran gedacht, dass ich in der Regel nur mit einem Unterhemd bekleidet im Bett liege. Meine bessere Hälfte nahm erst einmal ihre Schwiegertochter in den Arm und sprach ihr das Beileid aus. Immer noch Heike umarmend wandte sie sich an mich: „Ich würde ja fahren aber ich glaube, dass ich in der Küche besser klar komme als du. Wer weiß wie lange es dauert und da meine ich, dass es besser ist, dass du fährst. Ich kann mir ja Rolf und Frauke (Stammgäste, die in der Nachbarschaft wohnen und uns schon bei verschiedenen Anlässen in der Gaststätte geholfen haben) zur Unterstützung holen. Dann komme ich, zumindestens so lange die Sozis tagen, klar. Hautsache Du bist heute Nachmittag wieder da ... die Anglerfete schaffe ich nicht alleine. Die Kneipe lassen wir dann am Tage zu.“. Da sieht man wie schnell meine Frau auf Touren kommen kann. Bevor ich Morgenmuffel die Situation überhaupt erfassen konnte hatte Elke schon das Richtige ausgesprochen. Jetzt erhob ich mich, trotz meiner spärlichsten Bekleidung, auch spontan; dieses nicht aus schusseliger Morgenmuffellichkeit sondern weil an Sex und Erotik in diesem Moment sowieso niemand mehr dachte. Ich wollte gerade hinaus ins Badezimmer als Björn, bereits ausgehfähig bekleidet, hereinstürmte und sofort erfasste, was wir beschlossen hatten: „Mann Papa, das finde ich nett, das du uns fahren willst. Ganz toll würde ich es finden, wenn Du bist Mittag bleiben könntest. Dann ist mein Alkoholpegel bestimmt wieder auf Null. Ich fahre dann mit um unsere Sachen zusammenzupacken und mit meinen Auto zurückzufahren. Ich glaube Frau Kreisler benötigt uns jetzt dringender als ihr.“. Mit den Worten „Du hast recht mein Junge“ nahm mir Elke die Entscheidung ab. In der Angelegenheit Kreisler war jetzt eine Wende eingetreten, die aber so keiner wollte. Noch am Tag zuvor hatte Heike noch gesagt, dass sie hoffe, dass die Angelegenheit mit ihren Vater, den sie doch gerne hatte, bald in Ordnung käme und es wie früher sein könnte. Auch Björn sah inzwischen seinen Chef,
der eigentlich gar nicht so schlecht war, schon wieder mit anderen Augen und hoffte bald an seinen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Sein plötzlicher Tod war dem jungen Paar doch kräftig in die Seele gefahren und beide machten sich, wie man schon aus Björns Rede hören konnte, Sorgen um Frau Kreisler. Knapp eine Stunde später waren wir dann im Waldhotel in Neustadt. Frau Kreisler machte wirklich einen geschafften und abgekämpften Eindruck. Björn und ich hielten es für angebracht Mutter und Tochter erst einmal alleine unter sich zu lassen und uns zurückzuziehen. Wir hatten uns eben in je einem Clubsessel in dem Salon neben der Rezeption niedergelassen als die Leiterin des Zimmerservices, die eben ihren Dienst begonnen hatte, zu uns herantrat: „Schönen guten Morgen. Björn, Friedrich (der Nachtportier) hat mir gerade gesagt, dass wir uns auf Frau Kreisler Geheiß ab sofort immer, in allen Gelegenheiten, an dich wenden sollen. Du wärst ab sofort Frau Kreislers Stellvertreterin und Boss hier im Haus. Kann ich dich denn gleich mal in Anspruch nehmen?“. Etwas verduzt schaute Björn auf und sagte: „Entschuldigung Tina, davon weiß ich selbst noch nichts. Macht es Dir was aus, wenn ich erst einmal mit meiner Schwiegermutter darüber spreche?“. Jetzt war aber Tina überrascht und stieß ein „Wieso Schwiegermutter?“ aus. „Na, hat sich denn hier im Hotel noch nicht rumgesprochen, dass ich Heike geheiratet habe und deshalb Zoff mit meinen Schwiegervater hatte.“, antwortete ihr Björn im ruhigen Ton und bekam darauf ein noch verblüffteres „Nö“ staunend vorgetragen. Also hier im Hotel war außer Gerüchten und Mutmaßungen, die, wie sich später rausstellte, alle in die falsche Richtung liefen, noch nichts von der Sache bekannt. Da war es wohl besser, wenn, bevor Björn handelt, erst einmal die Chefin etwas dazu sagt. Die kam auch in diesem Moment wie gerufen und ließ über die gerade anwesende Tina den Rest der Belegschaft zusammentrommeln. Als alle versammelt waren, teilte sie der Belegschaft mit ruhigem Ton offiziell den Tod ihres Mannes mit. Dann fuhr sie fort: „Bei der Gelegenheit kann ich ihnen gleich noch eine weitere familiäre Mitteilung, die ursprünglich erst für Ende nächster Woche eingeplant war, machen. Es tut mir leid, dass diese erfreuliche Mitteilung mit dem plötzlichen unerwarteten Tod meines Mannes zusammenfällt. Also meine Tochter Heike und Björn Wolf haben geheiratet. Heike und Björn sind also ab sofort hier im Hause meine Stellvertreter und ich bitte sie mit meinen Kindern so zusammenzuarbeiten wie sie es mit mir tun würden. Sie werden verstehen, dass Heike und mir nach dem Tode meines Mannes nicht der rechte Sinn nach geschäftlichen Dingen steht. ... Wir können aber schlecht die Gäste heraus werfen und das Hotel zu machen und deshalb bitte ich sie sich in dienstlichen Belangen an meinen Schwiegersohn, Herrn Wolf, zu wenden“. Während der Ansprache von Frau Kreisler ging mein Blick in die Runde der Mitarbeiter und ich simulierte was in den Köpfen wohl vorgegangen war. Na ja, jetzt war mein Sohnemann erst einmal dienstlich eingespannt und ich saß für zirka zehn Minuten verlassen am Salontisch. Da trat dann Heike zu mir: „Papa, komm doch bitte mit in die Wohnung.“. Dort traf ich dann nicht nur Frau Kreisler sondern auch meinen Sohn wieder. Frau Kreisler wandte sich gleich an mich, wobei sie sich bemühte zu lächeln: „Herr Wolf, ich bin eben mit ihrem Sohn zur Mutti-Björn-Übereinkunft gekommen. Darf ich ihnen auch das Du anbieten? Ich bin Karin.“. „Und ich, Reiner“, antwortete ich prompt. Als ich später über diese Situation nachdachte fand ich es schade, dass dieses ausgerechnet am Todestage des Mannes der schönen Frau eintrat, denn ich hätte bestimmt gerne mit ihr einen Bruderschaftskuss ausgetauscht. Sie hatte mich hergebeten, damit ich am Familienfrühstück teilnehmen konnte. Während des Frühstückes erklärte sie mir, dass ich ruhig nach dem Frühstück nach Hause fahren könnte. Björn solle nach ihrem Willen sowieso den Wagen ihres verstorben Mannes haben und mit dem könnten Heike und er ja am Nachmittag oder besser noch am nächsten Tag, wenn wir auch ein Bisschen Zeit hätten, kommen und ihre Sache holen. Nun, dieses war jetzt kein Hinauskomplimentieren sondern Karin hatte als erstes von ihrer Tochter erfahren, dass ich sie trotz der stressigen Tagesaussicht hergebracht hatte – und das meine Frau alleine da stand wollte Karin, die ja jetzt Björn und Heike hatte, auch nicht. Also begab ich mich dann auch gleich nach dem Frühstück wieder in Richtung Elfenwiese. Ich war kaum wieder zuhause als sich Heike bei uns telefonisch meldete. Sie bedankte sich nochmals „für alles“ und kündigte uns an, dass wir an diesem Tag nicht mit den Beiden zurechnen hätten. Sowohl im Grünen Baum wie im Waldhotel wäre der allgemeine Ablauf doch ein Wenig stressig und wenn sie kämen wollten sie doch ein Weilchen mit uns zusammensitzen, da ihr Wiederauszug bei uns doch ein wenig plötzlich gekommen wäre. Sie schlug daraufhin den Nachmittag des darauffolgenden Tages, also des Sonntags, vor. Sonntagnachmittag ist außerhalb der Sommermonate immer ein guter Termin für solche Zwecke, da ich seit etwa fünf Jahren des Sonntags nur zum Frühschoppen von Elf bis Eins geöffnet habe. Da gibt es doch hier im Dorf verschiedene ältere Herren, die seit jeher, wenn sie aus der Kirche kamen, sich noch auf ein Bierchen trafen. Nun, in die Kirche gehen die meisten nicht mehr aber ihr Bierchen gönnen sie sich nach wie vor. Aber diese Sitte wird wohl in absehbarer Zeit auch aussterben, denn neben den älteren Herren sind beim sonntäglichen Frühschoppen nur mal diese oder jene ganz junge Leute unter Zwanzig vertreten. Diejenigen, die „mitten im Leben stehen“ halten es entweder familiär oder sind auf irgendwelchen Wochenendtrips. Also könnte man den sonntäglichen Frühschoppen auch als Rentnertreff bezeichnen. Die Rentner werden älter und sterben weg und die jungen Leute verhalten sich, wenn sie erst einmal eine Familie gegründet haben mit Sicherheit mal so, wie die Leute, die jetzt
schon mitten im Leben stehen. Es ist also nur eine Frage der Zeit bis der Sonntagsfrühschoppen auch gestorben sein wird. Die Zeiten, wo man mit Kneipen reich werden konnte, sind halt vorbei. Was ich eben vom Frühschoppen berichtete könnte ich praktisch auf den ganzen Sonntag ausdehnen und müsste nur noch ergänzen, dass die Rentner ab des Nachmittags auch nicht mehr kommen. Im Grunde würde ich, wenn ich nicht geschlossen hielt, auf Gelegenheitskunden wartend hinterm Tresen stehen und Energie verprassen. Für Tourismus wird hier in Wannebachtal so gut wie nichts getan. Die Bürger stöhnen in Unkenntnis der Situation, dass sie ihre Ruhe haben wollen und Amtsschimmelreiter wie kommunale Möchtegernpolitiker zeigen in der Regel nicht das sie über Weitsicht verfügen. Tourismusförderung steht für Stadt- oder Gemeindemarketing. Da man ja wohl kaum aus den Stand heraus einen Rummelplatz für all-inclusive-Pauschis aus dem Boden stampfen kann, geht es bestenfalls darum Nachbarn einzuladen. Da aber alles, was man für die Besucher schafft, in erster Linie den Einwohner zugute kommt und die Leute bekanntlicher Weise ihr verfügbares Geld da ausgeben, wo sie ihre Freizeit verbringen, ist jede Bemühung um Touristen Dienst am Gemeinwesen. Und wenn man es nicht macht programmiert man das Sterben der Gemeinde voraus. Kneipen und Einzelhändler machen mangels Kunden dicht und wenn der Arsch, den man zur Zeit schon deutlich sehen kann, erst mal hier begraben ist, kommen auch keine Neusiedler mehr und junge Leute von hier ziehen von dannen. Und die Räte, die das Gemeinwesen gekillt haben, werden tönen, dass ihre Nachfolger unfähig wären; bei ihnen wäre ja noch alles in Ordnung gewesen. Ach, nach diesem Ausschweif in die Kunst der Kommunalpolitik, die von denjenigen, die sie machen, nicht verstanden wird, zurück zu meinem Grünen Baum. Der Zusammenhang ist klar: Weil Einheimische ihre Freizeit woanders verbringen und Besucher nicht kommen, hätte ich Sonntags statt Gästen nur Kosten und da lasse ich lieber den Laden zu. Nur in den Sommermonaten verlaufen sich schon mal Nachbarn in die Gartenwirtschaft und dann lasse ich auch die Kneipe von morgens um Elf bis Acht oder Neun am Abend auf. Aber jetzt, wo die Geschichte handelt, haben wir Januar 2000 und Heike und Björn hatten sich also, wohl wissend über die Verhältnisse, den richtigen Termin für ihren „Abschiedsbesuch“ ausgesucht. Der Samstag wäre ja auch wirklich wegen den eingangs erwähnten Veranstaltungen wirklich schlecht gewesen. Allerdings hätten wir es den Beiden auch nicht übel genommen, wenn sie nur zum Zusammenpacken gekommen wären und gleich wieder von dannen gezogen wären. Aber so war es doch schon besser. Am Sonntagnachmittag erschien dann ein elegantes junges Ehepaar bei uns. Björn hatte ein modern geschnittenen, recht teuer aussehenden Anzug an. Er sah richtig aus wie ein renommierter Hotelier. Praktisch hatte er ja nur die Sachen, mit denen er am Vortag nach Neustadt gefahren war, im Waldhotel – alles andere war ja hier in Elfenwiese. Da mag es Glück im Unglück gewesen sein, dass Björn die gleiche Größe und Figur wie sein verstorbener Chef und Schwiegervater hatte. Praktisch war der junge Hotelkaufmann im wahrsten Sinne des Wortes vollständig in die Rolle seines Chefs geschlüpft. Er befand sich jetzt in dessen Klamotten und fuhr seinen Schlitten. Heike war mit einem tollen, sehr fraulich wirkenden schwarzen, knielangen Kleid bekleidet. Die schwarzen Strümpfe ließen ihre Beine, die man ja bis zum Knie sehen konnte, zum Anbeißen wirken. Aber alles habe ich wesentlich weniger beachtet als das vornehme und doch recht freizügige Dekollete. Laufend lagen meine Augen auf dem, was man von ihren sehr fleischigen Busen sehen konnte. Björn fiel mein häufigster Blickwinkel, glaube ich, wohl nicht so sehr auf ... aber dafür den Damen um so mehr. Zwischendurch lächelte mich Heike mal ironisch an, unternahm aber nichts um mein Zublick zu verhindern. Als Björn mal zur Toilette war fragte Elke: „Gefällt es dir denn?“. Als ich, als habe ich nicht verstanden, „Was“ fragte, klärte mich Heike auf: „Welche Frau hat es nicht gerne wenn man ihre Busen bewundert“, worauf Elke „Hoffentlich vergisst er dabei nicht, dass du seine Schwiegertochter bist“ hinzufügte. Aber man kann nicht sagen, dass ich während den Gesprächen, die wir in diesen drei Stunden führten, wegen der wohlig fleischigen Ansichten nicht bei der Sache gewesen sei. Jetzt erfuhren wir, was sich während der Zeit, wo die Kinder bei uns im Haus waren, im Waldhotel abspielte und was dann zum Tode Kreislers führte. Heikes Vater, der unter ständig Bluthochdruck litt, hatte schon bereits 1997 einen Herzinfarkt, von dem er sich allerdings den Umständen entsprechend gut erholt hatte. Heike mutmaßte einen Zusammenhang zwischen dem Bluthochdruck und dem unbeherrschten Jähzorn ihres Vaters. In der ersten vollständigen Januarwoche hatte Kreisler einen Termin mit seiner Hausbank. Die Bankfiosis – dieses Wort habe ich von meinem Schwiegervater und ist eine Kombination aus Banker und Mafiosi - machten ihm klar, dass die bisherige Kreditlinie nicht mehr erweitert werden könnte. Ihm war bewusst, dass er dann nach Zahlung der Januargehälter insolvent sein würde. Da hat er sich so aufgeregt, dass er einen „leichten“ Herzinfarkt bekam. Nur zwischendurch bemerkt: Deshalb konnte Karin Kreisler also nichts in der Vermittlungsangelegenheit ihrer „Kinder“ mit ihrem Mann unternehmen. Was Kreisler jetzt gebraucht hätte, wäre Ruhe, Schonung und Pflege gewesen. Aber er setzte sich über ärztliche Anweisungen und flehentlichen Bitten seiner Frau hinweg. Immer wieder war er vor Ort und kümmerte sich um alle Abläufe im Hotel. Wie Karin den Beiden berichtet hat, sagte er häufig, dass er es sich in dieser Situation
nicht leisten könne, schlapp zu machen. Häufig hatte er absolute Schwächphasen; er konnte nicht mehr und kippte um. Am Freitagabend war er, als er sich von abreisenden Gästen verabschieden wollte, vor der Rezeption bewusstlos geworden und zusammengeklappt. Der Notarzt war da und wollte ihn ins Krankenhaus einweisen, was Kreisler, der inzwischen wieder halbwegs zu Bewusstsein gekommen war, aber energisch ablehnte. Auch die strenge Aussage des Arztes „Wenn sie nicht ins Krankenhaus kommen, leben sie Morgen nicht mehr“ konnte ihn genauso wenig wie die mit Tränen vorgetragenen Bitten seiner Frau dazu bewegen, das Richtige geschehen zu lassen. Der Arzt machte Karin den Vorschlag, dass sie ihn, falls er noch mal das Bewusstsein verliert, was sehr wahrscheinlich sei, sofort, auch gegen seinen Willen ins Krankenhaus bringen lassen sollte. Karin hat dann die ganze Nacht am Bett ihres Mannes gewacht. Er hat zwar zwischendurch sehr unruhig geschlafen, ist aber nicht wieder in die Bewusstlosigkeit gefallen. Das war erst am nächsten Morgen um Vier infolge eines erneuten Herzinfarktes, aus dem er dann nicht mehr erwacht ist, der Fall. Jetzt steht Karin Kreisler vor einem Gebirge von Problemen. Sie muss sich jetzt tief in die Buchhaltung und den Geschäftsverkehr des Hotels einarbeiten. Ihr Mann hatte ihr zuvor nur oberflächlichen Einblick gewährt und dieses obwohl sie, bevor sie heiraten, Betriebswirtschaft studiert hatte. Eigentlich sollte sie ja zusammen mit ihrem Bruder die Armaturenfabrik ihres Vaters übernehmen. Zu der Übernahme ist es nicht gekommen, da die Firma schon vor Beendigung ihres Studiums in Konkurs ging. Dann muss Karin Verhandlungen mit sturen Bankern, möglichen Übernahmewilligen und Partnern führen. Dabei gibt es noch das Nebenproblem, dass diese Kreise weitgehenst von Machos dominiert werden und sie sich denen gegenüber Gehör und Respekt verschaffen muss. Wahrlich Karin ist wirklich nicht zu beneiden. Währendessen muss aber das Hotel, um das sich Karin wegen der anderen Dinge wenig kümmern kann, weiterlaufen. Da trifft es sich mit dem Hotelkaufleuten Heike und Björn recht gut. Aber auch das ist ebenfalls mit schweren Problemen behaftet. Selbst haben sie Angst, die ihnen gestellte Aufgabe nicht bewältigen zu können. Sie haben zwar beide mit sehr guten Abschluss die Hotelfachschule besucht aber ob ihrer Jugend haben sie so gut wie keine Erfahrung. Für Björn gibt es die Hürde, dass er zuvor zum Personal gehörte. Er steht mit allen auf Du und hatte mit den anderen einen kollegialen bis kumpelhaften Umgang. Zur Führungsaufgabe gehört aber Autorität, die Distanz voraussetzt. Er muss sich jetzt vor allen Besprechungen und Anweisungen überlegen, wie er vorgeht, damit die notwendige Distanzgrenze nicht überschritten wird. Da hat Heike, die Tochter des Chefs, zu der man zuvor doch diesen gewissen Abstand gewahrt hat, es doch ein Wenig leichter. Trotzdem muss sie bedacht sein, dass sie die älteren, langjährigen Mitarbeiter, die sie schon als Mädchen kannten, auch für voll nehmen. Irgendwie ist es doch gar nicht gut, wenn man ein Unternehmen, in dem man groß geworden ist oder in dem man seine berufliche Laufbahn begonnen hat, übernimmt. Das dickste Problempaket, das die beiden hinsichtlich ihrer Autorität hatten, kann sich die aufmerksame Leserin beziehungsweise der aufgeweckte Leser lebhaft vorstellen. Es ist deren eigene Geschichte. Natürlich kennen alle Angehörigen des Hotelpersonals die Geschichte des nackten Hotelflitzers. Wer es nicht live erlebt hat, konnte über den Hotelklatsch davon erfahren. Genauso bekannt ist, dass die Tochter des Hauses mit ihm verschwunden war. Und als beide nach dem Tode des Bosses wieder aus der Versenkung auftauchten waren sie verheiratet. Na ja, sind wir doch mal ehrlich: Wie denken Sie über ihnen vorgesetzte Menschen, die ihnen mal nackt in einer höchstfragwürdigen Situation begegnet sind? Wenn man sich auch müht, den durch die Hierarchie gebotenen Respekt zu wahren, klickt doch manch abwegiges in den grauen Zellen. So etwas müssen sich exhibitionistisch veranlagte weibliche aber auch männliche Vorgesetzte überlegen bevor sie sich Nackedie und Nackedei für ein Magazin oder fürs Internet ablichten lassen. An den Führungsfähigkeiten gibt es immer in den Augen der untergebenen dicke Abstriche. Ursprünglich war eine „tolle Story“ im Klatschumlauf. Man ging davon aus Björn habe Heike vergewaltigt und Kreisler habe das falsch verstanden und beide rausgeworfen. Björn wäre dann auf der Flucht vor weiteren Konsequenzen gewesen und habe Heike, die ihm in Folge ihres Rauswurfes über den Weg gelaufen sei, als Geisel mitgenommen. Diese Tina, die ich am Samstagmorgen auch kennen gelernt hatte, hatte Heike, zu der sie immer schon ein gutes Verhältnis unterhielt, hiervon berichtet. Ich glaube, dass Heike dahingehend richtig gehandelt hat, in dem sie ihr die Wahrheit erzählte und sie bat diese berichtigend in Umlauf zu bringen. Allerdings schönte sie, wie es damals Elke in unserem Fall auch getan hatte, den Anfang. Sie behauptete Björn schon ein ganzes Jahr heimlich geliebt zu haben. Heike meinte: „Wenn Vati nicht am Herzinfarkt gestorben wäre, könnte es damit schon richtig gut sein. Man hat ihn zwar nie als schlechten Chef angesehen aber so richtig leiden konnte ihn keiner. Da war Björni sogar noch eine Ausnahme; die beiden mochten sich vor dem Zwischenfall eigentlich ganz gut leiden. Und so Geschichten von romantischer Liebe kommen immer ganz gut an. Da ich vorher keine Männergeschichte hatte und Björni auch nicht diesbezüglich aufgefallen ist, klingt meine Version auch ganz glaubhaft. Damit hätten wir eigentlich gewonnen. Jetzt lässt es sich aber nicht vermeiden, dass man unsere Hochzeit mit dem Tod meines Vaters in Verbindung bringt. ... Ach, es ist ja auch gar nicht so abwegig. Wenn er noch die Hoffnung gehabt hätte mich an die Familie Watergate ‚verkaufen’ zu können, wäre es vielleicht nicht dazu gekommen.“.
„Aber Mädchen, du willst doch wohl nicht mit dem Schuldbewusstsein, am Tode deines Vater schuld zu sein, leben.“, warf Elke darauf ein. „Ach nee,“, fuhr Heike darauf etwas bekümmert fort, „ich habe doch mein eigenes Recht auf Leben. Mit dem Ekelpaket Mike Watergate wäre ich todunglücklich geworden. Und ob die den Laden, auch wenn ich die Schwiegertochter gewesen wäre, genommen hätten ist doch mehr als fraglich. Schließlich liegt Neustadt genauso wie Wannebachtal am Ende der Welt. Für Stadtmarketing wird dort genauso wenig getan wie hier. Weder Neustadt noch Wannebachtal sind dreißig Kilometer weiter noch groß bekannt. Um jetzt Leute in dieses Nest zuholen, muss Du einen enormen Marketingaufwand betreiben. Alles was die Stadt umsonst im redaktionellen Teil der Medien machen könnte um den Flecken bekannt zu machen, muss du als Unternehmen im Werbeteil teuer bezahlen. Da ist kein Markt, da kommt keiner hin und so findest du auch keinen Investor der einsteigt oder übernimmt. Weiß du, wenn das Richtige von den Pennbrüdern im Rat getan worden wäre, wären wir ja nicht in die Situation geraten. Der Marketingaufwand, den wir betreiben mussten, um überhaupt eine wirtschaftliche Belegung zu erreichen, hat uns an die Grenzen unserer Möglichkeit getrieben. Also, wenn wir das Waldhotel zu machen müssen, ist der letzte touristische Betrieb in Neustadt gestorben. Den macht mit Sicherheit keiner mehr auf ... da ist kein Nährboden für Investitionen.“. „Was wollt ihr denn jetzt machen?“, erkundigte ich mich. „Ja, wenn ich das wüsste,“, setzte Heike nach einem leichten Stöhner fort, „dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter. ... Ich kann nur das sagen, was ich will und das ist, in dieser Sache mein Bestes geben, insbesondere das Mutti da mit heiler Haut rauskommt und dann will ich nur noch mit meinem Björni glücklich werden.“. An dieser Stelle musste Elke doch mal einhaken: „Das hört sich fast so an, alles wärest du schon eine ganze Weile hinter unserm Jungen her und hättest auf deinem Geburtstag ...“. „War ich auch,“, warf Heike jetzt eifrig ein, „was meinst du, wie ich den schon bezirzt habe ... Aber der ‚blöde’ Kerl hat davon doch nichts gemerkt.“. Elke lachte und ergänzte: „Ja, Vater und Sohn sind aus dem gleichen Holz. Mir ist es genau wie dir ergangen. Hätte ich nicht die Konsequenzen gezogen und ihn ins Bett geholt, liefe ich immer noch hinter ihm her.“. Jetzt lachte Heike auch und setzte noch einen Scherz drauf: „Obwohl es biologisch nicht erklärbar ist, scheinen aber auch Mama und Schwiegertochter aus dem gleichen Holz zu sein. Wenn ich an euere Silberhochzeit denke, sind das aber sehr günstige Zukunftsperspektiven für mich.“. Als die Beiden am späten Nachmittag wieder von dannen waren, meinte ich zu Elke: „Ich glaube da entwickelt sich mit dem Hotel eine ganz spannende Geschichte. Ich wünsche den Dreien alles Gute.“. Darauf schaute mich Elke ganz ernst an und erwiderte: „Ja, ich sehe noch eine andere spannende Geschichte heraufziehen ... und zwar die zwischen Schwiegervater und Schwiegertochter. Als ich sagte, dass Vater und Sohn offensichtlich aus dem gleichen Holz wären, dachte ich auch an den gleichen Geschmack. Man, wie du Heike mit den Augen begrabscht hast. Du ziehst sie pausenlos mit deiner Fantasie aus. Am liebsten hätte ich dir vorhin ein Paar gescheuert. ... Sehe dich vor, es ist deine Schwiegertochter.“. „Wenn ich unvernünftig bin, wird doch Heike den Kopf oben behalten. Was will die denn mit einem ‚alten’ Mann, der ihr Vater sein könnte.“, tröstete ich Elke kleinlaut. Mit „Hoffen wir es“ schloss Elke unser kleines Nachgespräch ab. Im Nachhinein frage ich mich, ob es nur Eifersucht oder wirklich eine Ahnung war.
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Wenn Banker tatsächlich mal helfen Jetzt habe ich schon einiges zusammengeschrieben und noch gar nicht verraten, warum ich dieses überhaupt mache. Ja Leute, da sieht es bei meiner lockeren Schreibe, wie ich sie bis jetzt an den Tag zulegen versuchte, gar nicht nach aus: Ich muss mir etwas von der Seele schreiben, ich muss die Beichte eines unseligen Tagediebs ablegen. Ich muss mir mittels eines schriftlich niedergelegtes Bekenntnis einen dicken Felsbrocken von meinem Gewissen wälzen. Die letzten beiden Jahre waren, wenn es auch bis jetzt in dieser Niederschrift wirklich noch nicht so aussieht, wohl die wildesten Jahre meines ganzen Lebens. In einen solchen Bericht gehört im Grunde nur etwas, was ich selbst erlebt habe beziehungsweise nur solche Dinge, an denen ich auch selbst beteiligt war. Nun lege ich aber allen zum Trotz ein Kapitel auf, in denen ich überhaupt nicht mitwirke. Wie bitte, was das soll? Ganz einfach, wenn ich den Kampf der drei Neustädter, also von Karin, Heike und Björn, um das Waldhotel nicht schildern würde, wäre hier tatsächlich eine Lücke in der Chronologie entstanden, die dieser oder jenem dann später doch einiges seltsam erscheinen ließe. Lange Rede, kurzer Sinn: In diesem Kapitel spielt zwar die Schwiegertochter eine der Hauptrollen aber der Tagedieb wirkt nicht mit. Wenn man das so ließt, könnte man annehmen, dass wir, nach jenem Sonntag, den ich im vorangegangenen Kapitel beschrieben habe, keinen Kontakt mehr miteinander gehabt hätten. Jetzt müsste ich mit „Jein“ antworten. Persönlich hatten wir zwischen Ende Januar und Ostern 2000 tatsächlich keinen Kontakt miteinander. Womit die Neustädter zu schaffen hatten wird es in diesem Kapitel zu lesen geben und wir, Elke und ich, waren durch die alljährliche heiße Gastronomiephase – ich habe ja schon am Anfang des letzten Kapitels geschrieben, was üblicherweise am Jahresanfang in der einzigsten Elfenwieser Versammlungsstätte anfällt – in Elfenwiese ortsgebunden, das heißt fernab vom Geschehen. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir jetzt gegenseitig nichts voneinander hören ließen. Wir haben recht häufig miteinander telefoniert – mindestens zwei Mal pro Woche hatten wir über die Telefondrähte miteinander zu schaffen. Zu 90 Prozent war es Heike, die mal das Bedürfnis hatte mit uns zu plaudern. Offensichtlich hat sich doch ein sehr guter Draht zwischen den Schwiegereltern und der Schwiegertochter aufgebaut. Aber die Dinge, von denen ich hier berichtete, hat sie immer nur am Rande angesprochen ... Richtig informiert waren wir erst eine erhebliche Zeit später. Nach dieser, vielleicht diesem oder jener langatmig erscheinenden, erklärenden Einleitung jetzt aber ohne weitere Umschweife hinein in die Story. Vielleicht entsinnen Sie sich, dass ich ziemlich zum Ende des letzten Kapitels schrieb, das Heike „Ich kann nur das sagen, was ich will und das ist, in dieser Sache mein Bestes geben, insbesondere das Mutti da mit heiler Haut rauskommt ...“ gesagt habe. Nun, dabei hat sie offensichtlicher Weise leider verkannt, dass sie nicht nur ihrer Mutti helfen musste sondern sich auch selbst darum mühen musste, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Es hätte nämlich nicht nur ihre Mutter geerbt sondern Heike saß mit gleichen Anteilen selbst mit im Boot. Man hört zwar immer, dass man keine Schulden erben oder vererben kann. Das ist aber mehr als theoretisch und trifft lediglich auf Verbraucherkredite und Abzahlungsgeschäfte zum Beispiel bei Versandhäusern zu. Wenn man Autos, Firmen, Häuser und so weiter erbt, bekommt man diese mit Aktiva und Passiva aufgebrummt. Mit anderen Worten: Wer ein überschuldetes Objekt erbt landet ohne eigenes zutun im Schuldenturm und darf mitunter dafür noch Erbschaftssteuer zahlen. Da hat schon manch einer, der ursprünglich dachte mit dem Ableben seines Vorfahrens reich geworden zu sein, ganz dumm aus der Wäsche geguckt. Viele Dinge glänzen aber die meisten haben nichts mit Gold zutun. Na ja, man kann auch ein Erbe ablehnen, aber erstens steckte viel Herzblut von Karin und Heike in diesem Hotel, das schon Johann Kreisler von seinem Vater geerbt hatte, und überschuldet war es noch nicht so ganz. Es drohte nur die Insolvenz, die Zahlungsunfähigkeit, das heißt, dass es an laufenden Mitteln zur Fortführung des Ladens fehlte. Jetzt kann man dem verstorbenen Herrn Kreisler auch kein Missmanagement oder sonstige wirtschaftliche Verfehlungen vorwerfen. Er hatte mit dem Rücken an der Wand offensichtlich immer das Richtige getan. Noch vor zwei Jahrzehnten war Neustadt ein recht begehrtes regionales Ausflugziel und im Ort gab es noch ein mannigfaltiges mittelständisches Gewerbe. Da war das alte Hotel Kreisler durch Kurzurlauber und Geschäftsbesucher immer ganz gut ausgebucht; an manchen Tagen war es sogar vollausgebucht. Und dieses, obwohl es durch Pension und Gasthöfe mit Fremdenzimmern sogar noch Konkurrenz gab. Sicher war es Mitte der 80er-Jahre nach dem damaligen Stand eine richtige Entscheidung das Hotel Kreisler zum etwas gehobenen Waldhotel auszubauen. Das neue Hotel war zirka 1990 so eben fertiggestellt als es, erst langsam und dann immer schneller, in Neustadt bergab ging. Den Betrieben fehlte es in diesem Städtchen an Expansionsmöglichkeiten und einige wanderten ab, die meisten zogen unter Subventionsmitnahme in den, für die Marktwirtschaft und insbesondere für die Banken wiedererschlossenen Osten. Irgendwie gab es da einmal die Mentalität den Aufbau Ost durch den Abbau West zu realisieren und das den Steuerzahler über den Soli bezahlen zu lassen. Weniger Firmen bedeutet grundsätzlich
immer weniger Geschäftskunden und dieses bedeutet dann weniger Hotelgäste. Natürlich gingen damit auch andere Dinge zurück: Die Zahl der Arbeitsplätze, die Bevölkerungszahlen und natürlich insbesondere auch die Gemeindeeinnahmen sanken spürbar. Statt jetzt die Flucht nach Vorne anzutreten zogen sich Verwaltung und Räte auf die Position der Kaputtsparer zurück. Dringend notwendige Investitionen in eine Freizeitinfrastruktur und in kulturelle Highlights, die Besuchern aber insbesondere der einheimischen Bevölkerung dienen, sowie Aufwendungen für Stadtmarketing wurden unterlassen und stattdessen sparte man die Haushalte nach des Dorfschullehrers Rechenkünsten zusammen. Die logische Folge: Weitergehender Bevölkerungsrückgang und ausbleibende Besucher. Die Falschsparer bohrten immer tiefer in den Sumpf, in dem Neustadt stirbt. Na ja, auch für Städte gilt, dass derjenige, der nichts investiert auch nichts verdienen kann und wer nichts verdient „geht hopps“. Da blieb dem guten Kreisler nichts anderes als mit wesentlich verstärkten eigenen Marketinganstrengungen Leute in sein Hotel zu holen. Aber womit sollte er werben? Na gut, die Landschaft um Neustadt herum ist wirklich wunderschön ... aber das ist sie woanders, zum Beispiel hier in Wannebachtal auch, dafür muss man nicht extra nach Neustadt fahren. Und sonst? Na, da ist nicht mehr viel. Sogar das Freibad wurde vor zwei Jahren geschlossen und über die Schließung des Hallenbads wurde zu der Zeit, von der ich hier berichte, nachgedacht – inzwischen ist dieses auch dicht. Was soll man denn in Neustadt machen? Etwa nur Wandern und Spaziergehen – und das auch bei Regen, Sturm und Schnee. Mal gemütlich in einer Kneipe oder Café sitzen ist auch nicht angesagt, denn was da war hat inzwischen dicht gemacht. Aber die Neustädter können sich trösten, denn in vielen deutschen ländlichstrukturierten Städten und Gemeinden am Rande der Zentren ist es genau so; meine Heimatgemeinde Wannebachtal gehört ja auch dazu. Hier gibt es nur einen kleinen Unterschied: Die Rechnung mit der Ausweisung von Neubaugebieten funktionierte bisher immer noch täuschend vortrefflich. Wannebachtal ist im letzten Jahrzehnt sogar noch gewachsen. Das auch hier die Sache jetzt aufgrund rückläufiger demografischer Zahlen und konjunktureller Schwäche nicht mehr funktionieren kann, hat man offensichtlich, zumindestens im Amtshaus, noch nicht gecheckt. Die Vermarktung des nächsten Neubaugebietes für Wannebachtal dürfte, nach meiner Einschätzung, ein Flop werden und dann stirbt auch diese Gemeinde. Na ja, nach diesem Ausflug in unsere Heimatgemeinde zurück ins Neustädter Waldhotel, wo sich die Katze in den Schwanz zu beißen schien. Zumachen konnte Kreisler nicht, denn dann wäre er ohne Einnahmen auf den Mitteln, die er vor 1990 für dem Umbau und für die Renovierung aufgenommen hat, sitzen geblieben. Dann wären die Geier 30 Jahre hinter ihm hergewesen. Wenn er aber nicht zumacht, fressen die Kosten die Mittel, die er für Tilgung und weitere Investitionen gebraucht hätte, kontinuierlich auf. Um besseren Umsatz zu machen hätte er seine Marketingbemühungen noch verstärken müssen aber stattdessen zwangen ihn die Kosten und die Kreditlinien der Banken seine bisherigen Bemühungen noch zurückzufahren. Er hätte dringend einen Partner gebraucht um seiner Marketingtorte noch ein paar Sahnehäubchen aufzusetzen, sprich Ausbau in ein Konferenzund Tagungszentrum beziehungsweise um ein Fitness- und Wellnessbereich anzugliedern. Aber da hätte er bessere Zahlen vorweisen müssen – und genau die wollte er ja damit erreichen. Bliebe noch der Verkauf. Aber wo gibt es Investoren, die bei solchen Vorgaben noch zuschlagen. Und die Banken? ... Ja, die vergessen wir am besten gleich. Banker sind lebende Taschenrechner, die man nicht mit schlüssigen Konzepten sondern nur mit Zahlen – und wenn es haarsträubend windige sind – überzeugen kann. Und nun hat sich der gute Kreisler von den Lebenden verabschiedet und damit ist der ganze Wirbel der Witwe und der Tochter angelastet, die sich zudem in die Geschäftsvorgänge erst noch richtig reinknien mussten. Nachträglich muss ich sagen, dass die beiden Frauen wirklich erstaunliches geleistet haben. Sie überließen die Hotelführung unseren jungen und unerfahrenen Sohn Björn und powerten, powerten, powerten ... . Mit anderen Worten heißt, dass sie pausenlos mit Bankern, Hotelketten, Maklern und möglichen Investoren verhandelten. Ein Termin jagte den anderen und trotzdem bemühte sich Karin Kreisler um immer mehr Gesprächspartner. In den meisten Fällen traf sie auf typische Vertreter einer Machogesellschaft und hat sich dabei mehr als einmal recht unsittliche Angebote eingehandelt. Na ja, so etwas bleibt bei attraktiven Frauen, die sich ständig unter Machos begeben, halt nicht aus und Karin steckte dieses auch gelassen weg. Ende Februar blieb ihr dann doch nichts anderes, als ihren schwersten Gang anzutreten um einen Insolvenzantrag zu stellen. Das sollte sich dann aber später als Glück im Unglück herausstellen. Der Insolvenzverwalter hatte einen Freund, der doch wirklich helfen wollte. Und dieser Herr war ausgerechnet ein Bankfiosi. Genauer gesagt er war Direktor einer namhaften Bank in Düsseldorf. Mein Schwiegervater sagte immer: „Wenn Bankfiosis tatsächlich mal helfen ist bestimmt was faul und das dicke Ende kommt nach.“. In diesem Fall kam aber das dicke Ende gleich mit ihm. Dabei handelte es sich um die wohlbeleibte Anita von Koschenburg, der Nichte des Bankers. Diese Dame hatte nicht nur viel Fett am Leibe sondern auch solches auf dem Konto. Wenn Sie die Dame kennen würden, könnte Sie verstehen, dass sie einiges von ihrem Konto in Richtung Fitness, Wellness und Beauty verschob. Bislang hatte aber offensichtlich nichts genutzt. Die hatte sich jetzt in den Kopf gesetzt, ein eigenes diesbezügliches Schickimicki-Sanatorium mit allen Drum und Dran zu eröffnen. Alles Drum und Dran heißt, kleines Hallenbad, exklusive Sauna und Fitnessstudios, Einrichtungen für alle möglichen Anwendungen
und Massagen plus einer Tennishalle. Das Waldhotel, in dem sie mal zwei Jahre zuvor als Gast gewohnt hatte gefiel ihr so wohl vom Haus wie von der Lage. Weiß der Teufel woher sie von der misslichen Lage der Kreislers erfahren hatte aber auf jeden Fall hatte sie ihren, in Finanzgeschäften erfahren Onkel gebeten ihr bei der Erfüllung ihres Traumes zur Verfügung zu stehen. Zu erst ging es darum, dass sie das Ganze im Ramsch haben wollte. Dann wäre nachträglich noch Einiges an Karin und Heike hängen geblieben. Darauf ließ sich Karin aber nicht ein. Wenn man schon down ist, muss man deshalb nicht gleich Gesicht und Rückgrat verlieren. Sie verhandelte gut und der Stand war dann „letztlich“ dass sie nicht nur plus und minus Null da heraus gekommen wäre sondern sogar noch ein Sümmchen, der zu mindestens Heike einen anderen Start ermöglicht hätte, mehr dabei herauskam. Dann gab es doch noch eine überraschende Wende: Frau von Koschenburg hatte sich noch einen Partner ins Boot geholt. Aber es tut mir leid, zu dem kann ich so gut wie keine Angaben machen; ich weiß nur, dass es ein betuchter Anleger, der ebenfalls in der von Kosenburger Familie angesiedelt ist, handelt. Der fand für seine Familie, zumindestens was die Investition anbelangt, die preiswerteste Lösung. Der wollte gar nichts an Karin und Heike zahlen sondern sie angemessen an einer GmbH, auf die auch die Schulden des Waldhotels umgeschuldet werden sollten, beteiligen. Es gab erst ein kleines Hin und Her und dann ein Geschacher darum, was denn nun ein angemessener Anteil sei. Aber letztlich wurde man sich auch in diesem Punkt einig. Das Insolvenzverfahren wurde eingestellt und das Hotel war offensichtlich gerettet. Insgesamt war dieser positive Ausgang diesem Düsseldorfer Bankfiosi zu verdanken. Natürlich „helfen“ Banker nicht uneigennützig. Diesem Herrn aus der Nordrhein-Westfälischen Hauptstadt war es ausschließlich um die Wahrung und Mehrung des Familienvermögens gegangen. Anita von Koschenburg, seine Nichte hatte zwar Leibesfülle, jede Menge Geld und eine, nach des Bankers Ansicht, gute Idee aber keine Ahnung von der Finanzund Geschäftswelt. Dieser musste jemand an die Hand gegeben werden, der auf die richtige Verwendung des eingesetzten Tauschmittelhaufens achtet. Dieses sollte der erwähnte Anleger sein. Damit dieser das Ganze nicht als unverbindliche Beratertätigkeit, also als so eine Art guter Tippgeber, auffasst war dem Bankonkel daran gelegen, dass dieser nicht nur aus der Familie kam sondern auch eigene Talers, an denen er aus ganzem Herzen klebt, mit in den Ring wirft. Nun, dieser Anleger war dann der Meinung, dass seine Cousine Anita sowohl von der äußeren Erscheinung wie von der fachlichen Qualifikation als Geschäftsführerin wohl kein Erfolgsgarant zu sein schien. Er selbst konnte die Aufgabe nicht wahrnehmen, da er bei seinen Spekulationen und Manipulationen dafür keine Zeit fand. Deshalb wählte er für diesen Job die mit dreifacher Eignung ausgestattete Karin Kreisler aus. Ihre erste Qualifikation: Die attraktive Frau zeigte was her, die zweite Qualifikation: In ihrer bald 30-jährigen Ehe mit einem tätigen Hotelier war sie zur Toppfachfrau in Bezug auf die Beherbergung von Gästen geworden und letztlich hatte sie in ihren Handlungen nach dem Tode ihres Mannes ihre, für Finanzmakler wichtigste Qualifikation unter Beweis gestellt: Sie hatte das, was sie mal studiert hatte – Betriebswirtschaft – nicht verlernt und sich als clevere Geschäftsfrau erwiesen. Aber nach des Bankers Meinung musste sie auch mit eigenen Risiko mit ins Boot. Lieber mit einem Dritten den Gewinn teilen als das ganze Kapital in den Sand beziehungsweise in den Wald setzen. Ende März/Anfang April war dann die „Lifestylehotel am Waldsee GmbH“ unter Dach und Fach und für Karin gab es dann jede Menge neuer Arbeit. Der Um- und Ausbau musste mit Anita von Koschenburg und den Architekten ausgekakelt werden. Bauanträge mussten gestellt werden, was allerdings Architektenaufgabe war. Trotzdem war Karins volles Engagement gefordert, denn die in der Regel recht unbeweglichen Verwaltungsmenschen und Stadträte mussten von allerlei Dingen überzeugt werden. Schließlich wollte man ja noch ein kleineres Hallenbad mit diversen Studios in den Wald neben das Hotel setzen und ringsherum sollte ein Park, unter anderem mit einem Fitness-FKK-Gelände, entstehen. Also FKK muss man als freien großzügigen Auslauf von der Sauna mit Wassertretbecken, Abkühlplanscheinrichtungen und Trimmgeräten verstehen. Also, es sollte Alles in Allem schon eine bombige Sache werden. Ganz wichtig war die Erstellung eines schlüssigen Zeitrahmens, denn immerhin war viel Geld im Spiel. Das Hotel sollte oder musste ja während des Umbaues geschlossen sein und so musste der Hotelbetrieb bis zum Baubeginn abgewickelt sein. Abwicklung hat auch viele unangenehme Seiten. Dazu gehört auch die Entlassung des Personals, was für die älteren, langjährigen Mitarbeiter meist auch der Abschied aus dem Berufsleben heißt. Den Jüngeren kann man ja noch versprechen dass man sie, wenn das neue Lifestylehotel steht wieder einstellt. Dann muss man die Leutchen auch noch, obwohl sie gekündigt sind, bei Laune halten, denn der herkömmliche Betrieb sollte ja möglichst bis zum letztdenkbaren Tag in bester Ordnung aufrechterhalten werden. Schließlich verzichtet man ja in Zeiten, wo die Kosten nicht nur weiterlaufen sondern noch ansteigen, nicht auf mögliche Einnahmen. Bei der Personalmotivation setzte Karin dann voll auf Heike und Björn – womit die dann auch voll in die Hochbeschäftigungsphase eingespannt waren.
Die Terminplanung sah vor, das am 31. August 2000, einem Donnerstag, im Waldhotel die Lichter ausgehen sollten und nicht ganz ein Jahr später, am Freitag, dem 3. August 2001, das Lifestylehotel eröffnet werden sollten. Als dieses feststand erfuhren wir, also Elke und ich, erstmalig von den Dingen, die ich in diesem Kapitel beschrieben habe. Der Hintergrund war ganz simple die Planung der jungen Leute für diese Übergangszeit. Sie beabsichtigten die Zeit für Praktiken in Saunen und physiotherapeutischen Einrichtungen zu nutzen, damit sie später auch in dem Bereich ihren Durchblick hatten, damit ihnen später niemand ein X für ein U vormachen kann. Jetzt wollten sie aber auch Kosten für doppelte oder gar dreifache Haushaltsführung sparen beziehungsweise reduzieren. Während eines Praktikums wollten sie natürlich in Pensionen oder Hotels vor Ort wohnen. Aber trotzdem brauchten sie in den Zeiten, wenn es mal gerade nichts zum „Praktizieren“ gab, ein Dauerdomizil. Im Neustädter Hotel ging das nicht, denn das sollte während des Umbaues radikal geräumt sein. Karin Kreisler hatte für diese Zeit eine kleine Einliegerwohnung am Neustädter Ortsrand, die zuvor längere Zeit leer stand, gemietet – schließlich wollte sie ja immer am Ort des Geschehens anzutreffen sein. Die „Kinder“ hatten sich für diesen Zweck ihr Flitterasyl bei uns ausgesucht. Als sie dieses mit uns absprachen, wurden wir dann auch erstmals in die Story vom geretteten Hotel eingeweiht. Gleich geht’s richtig los. Die Zeit, in der Heike und Björn bei uns im Grünen Baum wohnten sollte zu meiner wildesten und krisenbehaftesten Zeit werden. Beinahe wäre dabei meine Familie und alles was mir heilig ist zerbrochen. Alles was ich bis jetzt beschrieben habe handelt vom Heraufziehen des Unwetters. In der eigentlichen Zeit geschah .... . Stopp, stopp, wollen wir nicht zu viel verraten. Ich weiß zwar was alles geschah und für mich schreibe ich eigentlich diese Geschichte, wie ich schon eingangs in diesem Kapitel ausführte, ja in erster Linie. Aber wer weiß, vielleicht gebe ich die dann doch mal für andere frei. Auf jeden Fall schreibe ich sie ja so als sei sie für „fremde“ Leserinnen und Leser bestimmt. Deshalb schreibe ich ja auch die Anrede der Leserschaft, also das „Sie“, trotz Rechtschreibreform immer groß. Ich schließe mich da der Meinung des Verlegers unserer lokalen Tageszeitung an, dass laut Rechtschreibreform das „Sie“ zwar kleingeschrieben wird aber die großgeschriebene Höfflichkeitsform nicht durch die Reform verboten ist. Also in diesem Sinne: Ich mache jetzt hier Schluss um Ihnen die Spannung nicht zu nehmen.
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Amoklauf im Waldhotel Wenn auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene über Arbeitslosigkeit diskutiert wird, glaubt man, wenn man sich an der Basis nur so ein Bisschen auskennt, in einer ganz anderen Welt zu leben. Da stöhnt man über die hohen Lohnnebenkosten die durch die Massenarbeitslosigkeit hervorgerufen werden. Manchen Industriefürsten könnte ich dafür, wie sie darüber diskutieren, an den Hals springen, denn gerade sie sind doch die Verursacher, der Sache, die sie bejammern. Wenn man Personalabbau betreibt um den Aktienkurs noch oben zu puschen – jeder angekündigte Massenrausschmiss hat immer Kurssprünge nach Oben zufolge – privatisiert Gewinne und sozialisiert Verluste. Alle sollen für schlappe Manager- und Polit-Majonetten-Fehlleistungen bezahlen aber Investitionsanreize müssen sein und deshalb ab mit dem Faktor Arbeit in die Arbeitslosenversicherung. Und damit nicht diese verdammten Lohnnebenkosten aus gebeutelten Multimillionären, deren einzigste Leistung in der Geldschieberei besteht, Millionäre macht, muss man dem „Sozialmüll“ auch noch die Margarine vom Brot streichen. Ein zur Arbeit geborener Stiesel beziehungsweise Tagedieb kann sich doch mit Krümel, sprich mit Working-pur-Jobs, begnügen. Der Mensch lebt um zu arbeiten, wer kommt denn auf den dummen Gedanken arbeiten zu wollen um zu leben. Nicht das Leben und der Mensch ist oberst Ziel von Wirtschaft und Politik sondern die Wirtschaft und deren unendbarer Wachstum, den es aber aus rein logischen Gründen nicht geben kann. Das ist nur der Turmbau zu Babel – und wie wir alle aus der Bibel wissen, stürzte diese Türmchen letztendlich wieder ein. Diese Geschichte ist offenbar keine Historie sonder Prophetie. Sozialabbau, möglichst bis auf Null, tut not. Und damit man nicht merkt, dass die Parasiten des Gemeinwesens immer oben sitzen, wird so getan als seien all’ die Losen an ihrem Schicksal selbst Schuld. Da rutschte doch dem Bundeskanzler Schröder tatsächlich mal die Pauschaldiffamierung „Faulenzer“ heraus. Na ja, auch wenn das anschließend kaschiert und geschönt wurde, finde ich es doch ungehobelt, wenn ein Mann in dieser Position so etwas überhaupt in irgendeinem Zusammenhang in den Mund nimmt. Aber sein Vorgänger Kohl - richtig, der Bimbessammler auf Ehrenwort - war auch nicht besser, der sah alle in der sozialen Hängematte schaukeln. Bei der geistigen Einstellung versucht man dann den Patienten am Leib des Arztes zu heilen. Da wird getönt, dass man einerseits den Druck auf die Arbeitslosen erhöhen müsse, damit sie zur Arbeitsaufnahme bereit sind und andererseits will man ihnen entsprechende „Anreize“ schaffen. Du meine Güte, auf welcher Wolke schweben denn die Wirtschaftsbosse und Politikusse eigentlich? Was nützen Druck und Anreize wenn keine oder nur die falschen Arbeitsplätze angeboten werden? Wer die Arbeitslosigkeit abbauen will muss Arbeitsplätze schaffen und alles andere sind nur Pseudotaten, die in Wirklichkeit nur Staat und Wirtschaft aus der finanziellen Verantwortung für den Schaden, den sie selbst angerichtet haben, nehmen sollen. Und dann die tollen und doch dusseligen Spiele mit den Zahlen der Statistiken. Das unsinnige Aufrechnen von Arbeitslosen und offenen Stellen – und die ganz depperten rechnen auch noch mit der Zahl der Ausländer auf. Natürlich, der arbeitslose Maschinenschlosser ist doch ein bestqualifizierter Goldschmied – oder?. Warum sollte nicht der arbeitslose Betriebswirt den Job des türkischstämmigen Packers und Versenders übernehmen? Warum musste der jetzt arbeitslose Industriekaufmann auch sein Häuschen unbedingt in Ostfriesland bauen? Hätte er nicht sein Häuschen, könnte er jetzt in München eine teuere Wohnung nehmen, weil es dort eine Stelle für Informatiker gibt. Es ist doch eine tolle Idee arbeitslose Erzieherinnen aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern zu schicken, damit sie dort als landwirtschaftliche Fachkräfte arbeiteten. Also, die Arbeitslosen lassen sich nicht so einfach mit den offenen Stellen aufrechnen. Solche Milchmädchenrechnungen kriegen nur Politikusse, die der Wirklichkeit entrückt sind in ihren, scheinbar bereits in der Polithimmel entfleuchten Köpfen zustande. Und andersherum geht die Rechnung vier Millionen Arbeitslose minus eine halbe Million offener Stellen ohnehin nicht auf Vollbeschäftigung auf. Und eine ironische Frechheit ist es dann noch, wenn man ein 335-EuroLodelchen als offene Stelle mitzählt. Insbesondere der Handel hält ja gerne nach 335-Euro-Sklaven Ausschau. Wäre doch ideal für Alleinerziehende mit zwei Kindern – oder? Ich, der ehemalige arbeitslose Reiseverkehrskaufmann kenne die Arbeitslosigkeit aus eigener Erfahrung. Aber auch als Gastwirt habe ich genügend Leute kennen gelernt, die sich nicht mehr als Tagedieb fühlen wollten und über hundert Bewerbungsschreiben im Umkreis von 120 Kilometern gestreut haben. Das machen die natürlich nur als Täuschungsmanöver, denn in Wirklichkeit wollen sich diese Faulenzer nur in der sozialen Hängematte schaukeln; zumindestens behaupten dieses die Polit- und Wirtschaftspromis – und schmalspurdenkende Vorurteilsdreschers plappern es ihnen gerne nach. Warum sollte man, wenn man aufgrund der Differenz zwischen dem vorherigen Einkommen, auf dem sein bisheriger Lebensstandard beruht, und dem Arbeitslosengeld in die Schuldenfalle geraten ist, sich nicht mit der Alimentation vom Arbeitsamt zufrieden geben? Also meine Damen und Herren Politikusse, nicht auf die Arbeitslosen einwirken, damit sie Stellen annehmen sondern auf die Tauschhilfsmittelsammler, dass sie Arbeitsstellen, mit denen man Einkommen, mit denen man auch auskommen kann, erwirtschaften kann, schaffen. Genau wie es Investitionsanreize geben muss, sind auch Arbeitsanreize wichtig. Man arbeitet schließlich ja nicht damit Deutschland die besten Wirtschafts-
daten der Welt ausweist sondern um sich und seiner Familie ein menschenwürdiges Leben auf dieser Erde und in dieser Gesellschaft zu ermöglichen. Allein der Mensch, sein Leben und sein Lebensraum sind das Ziel aller Dinge. Ich messe das Wohlergehen eines Volkes nicht an imaginären Wirtschaftsdaten sondern ausschließlich daran, wie ALLE in diesem leben können. Den Mitarbeitern des Neustädter Waldhotels drohte im Sommer 2000 ja auch die Arbeitslosigkeit. Sie drohte nicht nur sondern sie war den Leuten gewiss. Ab dem 1. September dieses Jahres standen alle auf der Liste der Versicherungsleistungsbezieher. Jetzt habe ich gerade etwas geschrieben, was sich gar nicht so in den bundesdeutschen Köpfen verankert hat. Arbeitslosengeld ist keine soziale Alimentation sondern eine Versicherungsleistung, für die man zuvor Prämien gezahlt hat. Würden man beispielsweise an den Leistungen privater Unfallversicherung laborieren wollen, das heißt, wenn man die Leistungen, die bei Vertragsabschluss und zum Zeitpunkt der Prämienzahlung zugesagt wurden, nachträglich deutlich nach unten korrigieren wollte, gäbe es Geschrei fast im Format eines Volksaufstandes. Dann „grölten“ alle vom Recht auf Besitzstandswahrung. Bei der Arbeitslosenversicherung sind diese „Grundsätze“ offensichtlich nur kalter Kaffee. Da palavert man boniert und erhaben darüber, dass diese Leistungen nach unten manipuliert werden müssten. Zum Einen weil wir uns dieses soziale Netz auf Dauer nicht leisten könnten und zum Anderen damit der Druck auf Arbeitslose eine Arbeit anzunehmen erhöht wird. Na ja, Versicherung ist bei uns halt nicht Versicherung. Insbesondere Versicherungen, die uns sozialen und inneren Frieden sichern, sollen auf dem Altar der Aktienkurse und Dividenden geopfert werden. Wir haben ja in Deutschland lange keinen Rattenfänger, den die Massen ins gesellschaftliche Chaos folgen, gehabt. Demokratie ist nur im sozialen Frieden überlebensfähig und nur sozialer Frieden ermöglicht Wohlstand. Wer Sozialabbau fordert rüttelt an den Grundfesten unseres Staates. Ach ja, typisch Reiner Wolf, da will er gerade auf die zur Geschichte gehörende Arbeitslosigkeit im Waldhotel zu schreiben kommen, da strömen seine Gedanken schon wieder in überallgemeine Richtungen ab. Reiner, reiß dich zusammen und bleib jetzt mal bei der Sache. Also, für die achtzehn Mitarbeiter des Waldhotels war ohne Ausnahme die Arbeitslosigkeit gewiss. Da die touristische Infrastruktur in und um Neustadt praktisch schon gestorben war, gab es in der ganzen Gegend nur sehr wenige Arbeitsplätze in ihrem Fachbereich – und die waren allesamt besetzt. Die Arbeitslosenquote im Kreis lag bei „Acht Komma ein paar Kaputten“ Prozent, woraus sich untrügerisch schließen lässt, das adäquate Arbeitsplätze in anderen Branchen auch nicht im Angebot waren. Lediglich demjenigen, der zu Hilfstätigkeiten, wie Packer und Versender, absteigen will kann geholfen werden. Aber wie ist das bei Ihnen, geschätzte Leserin und werter Leser, auf welchem Level bewegt sich ihr Lebensstandard und ihre Ansprüche? Gibt es da kein Verhältnis zwischen ihrem Einkommen und besagten Lebensstandard? Ist ihr Auto, gegebenenfalls ihr Häuschen beziehungsweise Eigentumswohnung bereits bezahlt? Welche Versicherungs- und Anlageverträge haben sie abgeschlossen? Wenn Sie jetzt vorrübergehend in die Arbeitslosigkeit abstürzen und Sie mit sechzig bis siebzig Prozent Ihres bisherigen Nettoeinkommens auskommen müssen, läuft da nicht etwas was sich Schulden nennt auf? Da hoffen, Sie natürlich schnellstmöglichst wieder herauszukommen, da Sie, wenn Sie diesen Einschnitt dauerhaft in Kauf nehmen müssen, in die Schuldenfalle geraten. Ja, und der Abstieg vom Fachangestellten beziehungsweise –arbeiters oder gar vom Ingenieurspöstchen zum Hilfsarbeiter ist halt mal so ein dauerhafter Abstieg. Ade, du schönes privates Umfeld. Aber warum deshalb weinen, unsere gut diätenangepassten Abgeordneten halten das für zumutbar – und die sind ja, zumindestens so wie sie tun, allwissend. Jetzt könnte man ja den Leuten im Waldhotel einen „Tapetenwechsel“ anraten. Irgendwo in deutschen Landen lässt sich doch sicher was passendes finden. Was soll’s, wenn man dann Familien auseinander reißt. Da hat die Ehegattin einen Job bei der Stadtverwaltung und der Mann zieht an die Ostsee um dort zu kellnern. Ist doch schön, wenn man sich eine kleine Hütte – Eigenheim im sozialen Wohnungsbau – im Grünen errichtet hat und mietet dann, trotz der noch laufenden Belastungen auf das Haus, eine teuere Wohnung in München um als Nachtportier in einem renommierten Hotel zu arbeiten. Was soll es denn, ich konnte das ja früher auch: Man pendelt Tag für Tag 120 Kilometer hin und her – und wenn es einen dann erwischt wird man über den Umweg Tagedieb zum Gastwirt. Das Leben, das private Umfeld, Verwandte und Freunde zählen heute nicht mehr; man muss, damit ominöse Wirtschaftsdaten glänzen können, flexibel sein. Leute, was wollt ihr: Scheidung oder keinen Arbeitsplatz. Nun, für die meisten Waldhotelmitarbeiter gab es noch einen Hoffnungsschimmer. Karin hatte ihnen zugesagt, dass sie bei den Einstellungen im zukünftigen Lifestylehotel vor allen anderen berücksichtigt werden. Mehr noch, Karin will erst andere Leute vom Arbeitsmarkt holen, wenn die ehemaligen Hotelleute wieder im Dienst sind und keiner mehr von ihnen am Tropf des Arbeitsamtes hängt. Nur bei Fünfen konnte sie diese Zusage nicht aufrecht erhalten. Sie waren allesamt über Fünfundfünfzig und nach Karins Einschätzung von ihrer persönlichen Qualifikation nicht in der Lage, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Über eine solche Einschätzungen kann man natürlich streiten aber Karin und Heike saßen ja jetzt nicht mehr alleine im Boot, sie hatten Mitgesellschafter, die sich bestimmt nicht auf personelle Gnadenversuche eingelassen hätten. Das Problem liegt im Unterschied zwischen dem Geschäfts- und dem Kurtourismus, der ja jetzt auf das Hotel zukam. Die Leute
müssen sich von dem Einen auf das Andere in der Praxis umstellen, was bei jüngeren Leuten ja immer deutlich schneller geht als bei älteren. Während der Umstellungsphase läuft es bestimmt nicht so wie es sein könnte und damit man von Anfang an durchpowern kann, muss vermehrt auf Aushilfskräfte und Überstunden durch überlappende Schichten zurückgegriffen werden. Das kostet natürlich Geld und das investiert man ja ungern in Leute, die schon in absehbarer Zeit aus Alters- oder Gesundheitsgründen wieder ausscheiden werden. Wäre es nach Anita von Koschenburg beziehungsweise nach ihrem Onkel gegangen hätte keiner vom alten Personal noch einmal eine Chance bekommen – sogar auch Björn nicht – sondern man hätte gleich „einschlägig erfahrene“ Leute angeheuert. Wie ich gerade schon schrieb, setzte Karin alles daran, die ganze Sache so sozial verträglich wie möglich zu gestalten. Das wurde vom Personal jedoch etwas anders gesehen. In ihren Augen war das Ganze nicht notwendig gewesen und es hätte alles so weiter laufen können wie bisher. Das dabei der „Laden“ ins endgültige Aus gesteuert wäre, wussten sie nicht beziehungsweise wollten sie nicht wissen. In ihren Augen sah es so aus als wollten die Erbinnen nach Kreislers Tod nur ein Mehr an Profit ansteuern. Man glaubte, dass Karin und Heike den Hals nicht voll kriegen könnten. Jetzt könnte man sagen, dass es sich nun räche, dass Kreisler immer so getan hat als liefe es superprächtig und die wahre Lage verschwieg. Ja, was wäre denn gewesen, wenn er die missliche Lage offen eingestanden hätte? Musste er nicht damit rechnen, dass dadurch ein Negativimage entsteht, weshalb dann noch mehr Gäste ausbleiben und somit die Pleite beschleunigt worden wäre, rechnen? Jemand, der am Rande des Abgrundes wackelt, strahlt kein, im Geschäftsleben wichtiges, Vertrauen aus. Unter den achtzehn, für den Arbeitsmarkt freizusetzenden Hotelfachkräften war ein besonders tragischer Fall. Es handelte sich um einen 59-jähriger Exwirt eines Neustädter restaurantmäßig betriebenen Gasthofes, der nach dem Pleite seines Hauses bei Kreisler in der Küche Anstellung fand. Er war zwar kein gelernter Koch aber topp im Bereich der urigen deutschen Küche. Bei etwas exotischen Gerichten und so bei Sondergerichte wie Grünfraß, wie er selbst zu Rohkost zu sagen pflegte, und so weiter tat er sich immer schon schwer. Es mag auch, wie Karin mutmaßte, an seiner inneren Ablehnung gegen diverse Speisen dieser Art gelegen haben. In einer solchen Einrichtung wie das angestrebte Lifestylehotel dürfte aber wahrscheinlich zu 90 Prozent alles in eine solche Richtung wie Schon-, Diät und Rohkost, alles nach Schickimickiart, hinauslaufen. Na, was sollte man mit einem solchen Mann, der dann, wenn der Laden wieder aufmacht, schon über die sechzig Lenze hinaus ist, machen? Das Beste für diesen Herren ist doch wirklich über eine Runde Arbeitslosigkeit in die bereits „wohlverdiente“ Rente zu gehen. Aber da gab es für ihn eine fürchterliche schwarze Steilwand, die er selbst nicht für erklimmbar hielt. Er hatte den ehemaligen Gasthof von seinen Eltern geerbt und war Zeit seines Lebens nichts anderes als „nur“ Wirt. Vor zirka zehn Jahr schoss er mit einem dicken Schuldenberg über die berühmte Wupper. Was soll’s, dass er fortan für die nächsten dreißig Jahre von den Inkassogeiern verfolgt wird; mit dem was man nicht hat kann man auch keine Schulden tilgen und mit dem, was einem unterhalb der Pfändungsfreigrenze bleibt kann man sogar besser als von Sozialhilfe leben. Problem ist, dass er also bis zum 50. Lebensjahr als Selbstständiger praktisch nichts in die Sozialversicherung eingezahlt hat und die Kapitalversicherung, die er für sich den Zweck der Alterssicherung zugelegt hatte, bei seiner Pleite von den Geiern gefressen wurde. Ausschließlich schlappe zehn Jahre war er in der Sozialversicherung pflichtversichert. Wenn man unter solchen Umständen keinen Partner hat, der den Suppentopf am Dampfen hält, kann man nur sagen: „Stütze ich komme“. Und so war es bei „unserem“ Koch dann auch. Seine Frau hatte mal Frisöse gelernt und auch ein paar Jährchen in diesem Beruf gearbeitet. Aber seit ihrer Hochzeit war auch sie dann auch nur Wirtin. Na ja, könnte man sagen, da sie mit der Gasthofpleite nichts zutun hatte, dürfte doch ihre Kapitalversicherung noch beständig sein. Aber denkste, die Banken rückten für den guten Herrn vor der Pleite nur etwas raus, wenn seine Frau mitunterschrieb; mit anderen Worten: Wenn auch sie mit in die gesamtschuldnerische Haftung eintrat. Folglich war seine Pleite auch ihre Pleite. Damals vor zehn Jahre konnte er sich ja noch auf dem Arbeitsmarkt bewerben und war auch mit seinem Mühen bei Kreisler erfolgreich. Sie war aber schon von schwerer Krankheit gezeichnet und fiel für praktisch alle denkbaren Tätigkeiten aus. Dazu ist in den letzten fünf Jahren bei ihr dann noch eine Erblindung gekommen. Das kinderlose Ehepaar ist damit praktisch zum Untergang, sprich zur Sozialhilfe bis zum Lebensende verurteilt. Wer mal selbst von Sozialhilfe gelebt hat, weiß dass dieses, im Gegensatz zu den geistlosen Behauptungen von Sprücheklopfern, ein sehr schweres Los ist. Sozialhilfe reicht nämlich hinten und vorne nicht. Man kann zwar nicht verhungern und ein Dach über den Kopf hat man auch aber eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bleibt für „Stütze Paul“ praktisch ausgeschlossen. Lassen Sie sich doch einmal von Ihrer Stadtverwaltung eine Übersicht über die Sozialhilfesätze geben. Sie werden staunen mit wie wenig Menschen auskommen müssen. Und glauben Sie man ja nicht, dass sich Beamtokraten und „Breit-Arsch-Tarifempfänger“ (BAT = Tarifvertrag für Angestellte im Öffentlichen Dienst) zu einer Bewilligung über das vom Gesetzgeber vorgegebene Maß hinaus bewegen ließen. Womit soll denn so ein armes Würstchen, dass Stütze beantragen will, eigentlich
korruptieren? Das können nur die Leutchen aus den besseren Schichten. Unternehmensvertreter, Manager oder Unternehmer, haben lange Arme und können schon mal Scheinchen unter dem Schreibtisch, auf dem das Gesetzbuch liegt, durchreichen. Die Mitglieder unterster Einkommensschichten werden immer gerne als asozial abqualifiziert aber in unserer Gesellschaft sitzen die wahren Asozialen immer Oben. So fraß sich dieser gute Mensch immer tiefer in einen ausweglos erscheinenden Gemütszustand hinein. Und diesen wiederum versuchte er in Bier und Korn zu ersäufen. Das ist natürlich ein falscher Weg, denn Alkohol ist kein Tröster sondern ein Emotionsverstärker. Wer überheitert in den Suff einsteigt, kommt mit einer würdeverletzenden Albernheit wieder heraus. Und derjenige, der mit Sorgen und Nöten einsteigt kommt in der Regel mit Wut und Aggression am anderen Ende an. In beiden Fällen geschieht aber was, was er mit klaren Kopf auf keinen Fall getan hätte und wessen er sich in vielen Fällen schämt. Auf der westfriesischen Insel Vlieland habe ich in einer Bar mal einen Spruch gelesen, der übersetzt etwa lautet: „Was du betrunken tust musst du nüchtern büßen.“. Daran sollte man eigentlich denken, wenn man sich in die Reihen der Kampftrinker einreiht. Das hätte unser Koch auch besser getan, als er sich an einem Donnerstag Ende Juli voll laufen ließ. Im Suff redete er sich ein, Karin und Heike hätten sein Schicksal aus Raffgier verschuldet und verurteilte sie zum Tode. Er ging in den Keller und holte dort seine, noch aus den Zeiten, wo er Jäger war, stammende Flinte hervor – ein paar Schuss Munition fand er, weil sie direkt neben der Waffe lagen, auch noch - und machte sich damit auf dem Weg zum Hotel. Eines verwundert mich in diesem Zusammenhang doch einiger Maßen: Da marschiert ein Betrunkener mit einer Schusswaffe durch ein Städtchen. Dabei wird er von einigen Leuten gesehen aber keiner nimmt groß Notiz davon. Sind wir denn schon in einer solchen Gesellschaft von Egomanen, die sich an nichts stören, was um sie herum geschieht? Auf jeden Fall konnte er ungehindert von zu seinem Zuhause ins Hotel gelangen – und hinterher gab es tatsächlich einige Leute, die ihm auf diesem Wege gesehen haben wollten. Der Erste der auf die Erscheinung des betrunkenen und bewaffneten Koch reagierte war unser Björn. Er stand vor der Rezeption des, zu diesem Zeitpunkt schon nur dürftig belegten Hotels und unterhielt sich mit dem Nachtportier. Da es nur noch knapp einen Monat geöffnet sein sollte hatte man bereits einige Wochen vorher die Werbung für das Haus eingestellt und wer nicht trommelt bekommt auch keinen Menschenansturm. So gab es dann auch immer häufiger Müßiggang, der dann vom Personal für diesen oder jenen Small Talk genutzt wurde. Bei der Gelegenheit sah unser Junge dann den Koch auf den Haupteingang zuschwanken. Er ging ihm entgegen und fragte: „Was treibt dich denn her? Ich glaube es ist besser wenn du jetzt nach Hause gehen würdest und dein Schießeisen gibt’s du besser mir.“. Lallend bekam er dann zur Antwort: „Jetzt gibt es einen Amoklauf im Waldhotel. Ich bringe euch alle um.“. Jetzt sah sich Björn zum Handeln gezwungen und versuchte dem „Amokläufer“ erst einmal die Waffe zu entreißen. Bei dem kleinen Gerangel löste sich dann ein Schuss, der unserem Jungen in der Höhe des Genitalbereiches in den Schenkelbereich traf. Der Amokläufer in spe hatte sich darüber selbst so erschrocken, dass er rücklings die drei Stufen zum Eingang herunterfiel, wobei er auf den Hinterkopf aufschlug. Der Amoklauf im Rausch war abgewendet aber es gab zwei Verletzte: Björn und der Täter. Beide wurden mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht. Der Koch wurde am Hinterkopf genäht und Björn musste operiert werden. Auch Heike, die bei dem Vorfall gar nicht anwesend sondern in der Wohnung war, wurde schwer getroffen. Als der Nachtportier sich in der Wohnung meldete und von den vereitelten Amoklauf Mitteilung machte, flippte sie erst völlig aus und klappte dann buchstäblich um. Die letzten Monate, die mit ihrer Blitzhochzeit begannen und ihr dann den Tod des Vaters, „Insolvenz“ und Rettung des Hotels und jetzt diesen „Amoklauf“, bei der ihr Mann verletzt worden war, bescherte schienen nicht spurlos an ihr vorüber gezogen zu sein. So musste sich dann der herbeigerufene Notarzt auch um sie kümmern. Allerdings ließ sich dieses mit gespritzten Beruhigungs- und Schlafmittel ambulant erledigen. Alles in Allem nahmen dann Notarzt und Polizei Karin fast eine Stunde in Anspruch und erst danach konnte sich dann die Hotelchefin um den Zustand ihres Schwiegersohnes im Krankenhaus erkundigen. Er war inzwischen bereits operiert worden. Die Kugel, die in seinem Oberschenkel stecken geblieben war, konnte ohne weitere Komplikationen entfernt werden. Zu dem Zeitpunkt, an dem sich Karin erkundigte, lag er bereits auf der „Wach“, wie man im Krankenhaus zu sagen pflegt. Man teilte der besorgten Schwiegermutter mit, dass alles gut verlaufen sei und sie sich keine Sorgen zu machen brauche. So bald Björn wieder bei vollen Bewusstsein ist wolle man ihm ein Schlafmittel geben. Ein Besuch vor dem nächsten Vormittag sei weder nötig noch ratsam. Erst danach rief Karin bei uns in Elfenwiese an. Inzwischen waren nach dem Vorfall, der sich gegen Neun ereignet hatte, fast anderthalb Stunden vergangen. Karin sprach am Telefon mit mir mit einem ruhigen und sachlichen Ausdruck aber ihrer Stimme war deutlich ein Zittern zu entnehmen. Abschließend meinte Karin, dass es wohl nicht nötig sei, dass wir gleich kämen, da wir ja ohnehin nichts ausrichten könnten. Davon ließ ich mich überzeugen ... aber meine holde Gattin nicht. So sind halt Mütter: Elke rief postwendend in Neustadt zurück und wollte Details wissen, die auch Karin beim besten Willen nicht wissen konnte. Letztlich wollte Elke nicht mehr bis zum nächsten Morgen warten sondern die Kneipe sofort zu machen, damit wir gleich losfahren könnten. Von Karin kam dann der Vorschlag, dass wir uns erst einmal beruhigen sollten und danach in Ruhe zum Waldhotel
kommen könnten, wo wir dann bei ihr im Hotel übernachten könnten. Am nächsten Morgen könnten wir dann ja mal zu Viert einen Besuch im Krankenhaus abstatten. Was danach dann zu tun sei, könnten wir ja nach dem Besuch beratschlagen. Dieser Vorschlag wurde dann auch angenommen und befolgt. Am nächsten Morgen war „alles“ schon sehr früh munter. Heike war so gegen halb Sechs munter geworden und hatte gleich ihre Mutter „verrückt“ gemacht weil sie zu ihrem Mann wollte. Als sie erfuhr, dass wir im Hause seien, konnte sie von Karin nicht davon abgehalten werden sofort bei uns zu erscheinen. Aber Karins Befürchtungen ihre Tochter könne uns zu früh wecken, waren grundlos. Auch Elke war, vermutlich noch etwas eher wie Heike, aufgewacht und hatte das, was unsere Schwiegertochter bei ihrer Mutter gemacht hatte, bei mir gemacht: Elke war im Begriff mich „verrückt“ zu machen. Na ja, so begab es sich dann, dass wir uns um halb Sieben zum Frühstück treffen konnten. Während dieser frühen Runde sinnierte Karin: „Ach, hier im Haus ist so wenig los, dass ich den Laden alleine schmeißen kann. Auf Björn muss ich jetzt sowieso verzichten ... aber wie gesagt, das ist nicht weiter schlimm. Und meine Heike macht mir im Moment den Eindruck als sei sie ein Bisschen reif für die Insel. Könnt ihr sie, wenn wir bei Björn waren mitnehmen und sie ein Bisschen aufpäppeln?“. „Ach Mutti,“, mischte sich die Besprochene aufgeregt ein, „kommt doch gar nicht in Frage. Ich soll nach Wannebachtal und mein Björni ist hier im Krankenhaus ... Ich lasse meinen Mann nicht allein.“ Zu ihrer Beruhigung meldete sich so dann Elke: „Heike denkst du mein Sohn wäre mir Wurst. Ich werde jeden Tag nach ihm sehen. Da nehme ich dich doch natürlich mit. Und mal sehen, Morgen oder Übermorgen bis du dann bestimmt schon wieder so bei Kräften, dass du dir dein eigenes Auto mit nach Elfenwiese nehmen kannst. Dann bist du sogar unabhängig von uns.“. „Ich kann doch Auto fahren“, entrüstete sich Heike daraufhin und bekam gleich Kontra von ihrer Mutter: „Nee, nee lass mal Mädchen. Es ist schon besser wie Elke sagt, lass den Wagen mal für eine Woche stehen und sieh mal zu, dass du wieder auf die Beine kommst.“. Was soll ich sagen, Heike fügte sich und nutzte die Zeit nach dem Frühstück bis um Zehn, wo wir zu Björn konnten, um zu packen. Als wir dann bei Björn im Krankenhaus waren kam es mir fast so vor, als wäre seitens der Damen viel Lärm um Nichts gemacht worden. Sohnemännchen, der erst einmal seine Frau mit einer kräftigen Umarmung und einen dicken Kuss begrüßte, saß putzmunter in seinem Bett. Sein größtes Anliegen drehte sich um den „Amokläufer“. Mehrfach drehte sich seine Bitte an Karin darum, dass sie sich dafür verwende, das man mit dem „armen Teufel“ nicht zu streng verfahre. Ich freute mich richtig, wie toll es uns doch gelungen sei, unseren Sohn im Sinne des Taufversprechens zu einen Christen zu erziehen. Eine entsprechende Bemerkung meinerseits kommentierte Björn: „Richtig, wir sollen nicht verurteilen auf das wir nicht verurteilt werden. Das Fällen von Urteilen und Rache ist nicht unsere Angelegenheit sondern die Sache Gottes. Wenn wir uns Rache und Strafe anmaßen, straft uns Gott damit, dass er uns selbst nicht zur Ruhe kommen lässt und wir uns in der Rache verzehren. Statt Rache zu rufen sollen wir ‚und vergib uns unsere Schuld wie wir vergeben unsern Schuldigern’ beten. Das ist alles richtig, ... aber damit hat das Ganze nichts zutun. Ich kenne Werner nun schon ein Weilchen. Das ist wirklich ein armer Teufel und dann seine kranke Frau, die er doch so liebt ... Ich kann ihn schon verstehen, er tut mir richtig Leid. Na ja, er ist im Suff durchgeknallt, aber wer weiß, wie ich mich in seiner Situation verhalten hätte. ... Und außerdem ist ja fast nichts passiert.“. Ich muss sagen, dass ich mich in diesem Moment als stolzer Vater fühlte; hatte ich nicht einen prächtigen Jungen. Dienstbeflissen ist unser Björn offensichtlich auch, denn seine zweite Sorge war ob die beiden „Mädchen“ auch im Hotel alleine, ohne männliche Unterstützung, klar kommen würden. Karin appellierte an seine Beobachtungsgabe: „Björn, dir ist wohl ganz entgangen, dass bei uns inzwischen fast tote Hose herrscht. Du hast doch selbst noch gestern Morgen über den übermäßigen Müßiggang gestöhnt. Und wie schätzt du mich denn ein? Sehe ich so aus als ob ich das Bisschen nicht alleine schaffen würde. Ich habe sogar beschlossen deine Frau zu beurlauben; die soll sich mal ein Bisschen bei deinen Eltern erholen.“. Und jetzt wurde er darüber aufgeklärt, was wir am Morgen beim Frühstück besprochen hatten. Heike zierte sich natürlich und tat immer noch so, als wenn sie gar nicht wollte. Darauf sprach dann ihr Gatte, unser Sohn, ein „Machtwort“ – und ab dem Moment freute sie sich sogar auf die Zeit im Grünen Baum, wohin ihr Mann ihr dann nach seiner Krankenhausentlassung dann folgen wollte. Und damit waren dann die Weichen in die Familienkrise endgültig gestellt.
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Papa, mach mir ein Kind Alte Volksweisheiten können mal wahr und mal völlig aus der Luft gegriffen sein, einen verbindlichen generellen Anspruch auf Erfüllung kann keine von ihnen erheben. So hat so mancher Hans auch noch das gelernt, was das Hänschen nicht lernen wollte oder konnte. Oft waren alle guten Dinge nur maximal Eins oder mehr als Drei. Nur einer dieser Sprüche scheint sich kontinuierlich in seiner Trefferquote durch mein Leben zu ziehen. Er lautet: Es kommt immer anders als man denkt. So hatten wir doch vorgesehen, dass zunächst Heike ihr Auto in der Garage des heimischen Hotels stehen lassen sollte und täglich mit Elke ins Neustädter Krankenhaus fahren sollte. Ich sollte im Hinblick auf den Kneipenbetrieb, den wir im Hinblick auf unsere Kostenlage und unsere „Monopolstellung“ vor Ort nicht einstellen konnten, immer nur sporadisch mal mit nach Neustadt kommen. Dann dachten wir ja daran das Björn in zehn bis vierzehn Tagen wieder aus dem Krankenhaus kommen würde und sich dann alles normalisieren würde. Alles hatte nur einen Tag bestand, dann konnten wir das Ganze wieder einmal unter Denkste abhaken. Mittwochsabends war der „Amoklauf“ im Waldhotel. Am Donnerstag hatten wir dann Björn zu Viert besucht und folglich lief am Freitag alles wie geplant. Elke und Heike fuhren am Nachmittag nach Neustadt und wollten gegen Sieben am Abend wieder im Hause sein. Ich musste in Elfenwiese bleiben, da wir in den Sommermonaten und bei guten Wetter – und danach sah es an diesem Tage zunächst aus – die Kneipe und die Gartenwirtschaft nachmittags um Vier öffnen. An diesem Tag verfluchte ich mal wieder, dass ich mich zum Gastwirtdasein entschlossen hatte. So eine Kneipe verlangt einen ungeheueren zeitlichen Aufwand. Es ist ja nicht nur so, dass man während der Öffnungszeiten hinter dem Tresen oder in der Küche stehen muss sondern da kommen Tag für Tag Reinigungs- und Reparaturarbeiten hinzu. Mindestens an einen Tag der Woche muss man sich dann auf die Tour in die Großmärkte machen, da man die Speisen, wenn man die Waren und Zutaten vor Ort einkauft, später im Gastronomiebetrieb unter Preis verkaufen müsste. Na ja, ab und an kommt dieses zwangsläufig auch mal vor. Zehn bis zwölf Stunden pro Tag muss man schon vom Privatleben abknapsen und für ein solches Unternehmen reservieren – und dieses natürlich auch an den Wochenenden und an Feiertagen. Und das auch, wenn zu den Öffnungszeiten nur vereinzelte oder keine Gäste erscheinen, denn nicht berechenbare Öffnungszeiten sind, auch wenn man die einzigste Kneipe im Ort betreibt, tödlich für eine solche Einrichtungen. Wenn die Leute ständig damit rechnen müssen, dass sie vor der verschlossenen Tür stehen, machen sie sich gar nicht erst auf den Weg, dann trinken sie sich lieber ein Bierchen zuhause oder bei Freunden. Die Veranstaltungen laufen ja überwiegend nur im Winterhalbjahr und was dabei in der Regel verzehrt wird, ist ja auch nicht so berauschend, dass wir davon leben könnten. Aufwand und Erlös stehen in einer Gastwirtschaft ohnehin in keinem soliden Verhältnis. Was dabei herauskommt reicht gerade mal für Elke und mich. Na, ich gebe ja zu, dass wir jetzt, wo wir das erste harte Jahrzehnt hinter uns gebracht haben, ich nicht mehr sagen kann, das wir davon nur schlecht leben könnten. Aber was nützt das, wenn man keine Zeit zum Leben hat. Wir müssen ja alles alleine machen. Wenn wir Personal einstellen würden oder verstärkt auf Aushilfen zurückgreifen würden bliebe für uns nichts mehr über – und unter den Bedingungen kann man auch nicht leben, denn dann fehlt das nötige Kleingeld dazu. Ich träume ständig davon, dass ich einen solventen Käufer für den Grünen Baum finde. Vom Pächter, der sich in die Pleite wirtschaftet, habe ich auch nichts. Und das sich eventuelle Pächter in die Pleite wirtschaften kann ich mir ja an fünf Fingern ausrechnen. Da dieser wohl kaum höhere Erlöse als ich selbst erzielen kann aber ich einen angemessenen Betrag zum Bestreiten meines Lebensunterhaltes über die Pacht erzielen müsste, bliebe ja für den armen Kerl so gut wie nichts über. Dieses ist also der Hintergrund warum unser Plan lediglich den täglichen Besuch von Elke und Heike bei Björn vorsah und ich in der Regel der Knecht des eigenen Hauses sein „durfte“. Klappte ja an dem oben besagten Freitag ganz vorzüglich. Auch am Samstag sah es noch so aus als würde alles klappen, aber dann geschah etwas, was man natürlich nicht vorhersehen kann. Im Krankenhaus während des Besuches bei Björn stöhnte Elke mehrfach mit schmerzhaften Gesicht über Unterleibschmerzen. Auf Verlangen unseres Sohnes stellte sie sich einem Arzt vor und durfte gleich da bleiben. Sie kam kurzer Hand auch gleich unters Messer: AppendixResektion. Wer sich mit Fremdworten auskennt weiß jetzt: Aha, der Wurmfortsatz oder volkstümlich der Blinddarm. Nun machte Heike, das, was ich in dieser Situation für das Richtigste hielt. Sie nahm sich vor dem Krankenhaus ein Taxi und fuhr mit diesem zum Waldhotel. Dort nahm sie, nachdem sie mich telefonisch in Kenntnis gesetzt hatte, ihren Automatikwagen aus der Garage und kam damit gleich erst einmal nach Elfenwiese zurück. In der Zwischenzeit hatte ich schon Schilder „Wegen Krankheitsfall heute geschlossen“ gefertigt und sowohl an der Haupteingangstür wie an den Gastraumfenstern sowie am Zugang zur Gartenwirtschaft angebracht. So etwas war jetzt erstmalig in meiner Gastwirtlaufbahn. Die meisten Kunden zeigten dafür Verständnis aber es gab auch
böse Stimmen, die mir das trotz allem Übel genommen haben. Na ja, die gehören zu den Zeitgenossen, die nur sich und ihre Interessen sehen und in allen anderen nur Roboter oder Sklaven sehen. Wie kann sich denn ein Wirt um seine Familie kümmern wenn sie sich just zu dieser Zeit ein Bierchen gönnen wollen. Seltsamerweise kommen diese „Nörgler“ in der Regel aus den Kreisen, die glauben in der Gemeinde etwas darzustellen, wie zum Beispiel Ratsmitglieder und diverse Vereinsobermeier. Das meiste Verständnis findet man in der Regel bei dem einfachen, nicht besonders auffälligen Nachbarn. Das liegt wohl daran, dass diese noch nicht vom wirklichen Leben in eine eingebildete Sphäre entrückt sind. Mit den Pöstchen, und seien sie noch so winzig und nur auf unterster, sprich lokaler, Ebene, gibt es in der Regel immer die ersten Anzeichen für eine schwere Krankheit: dem Größenwahn. Man bildet sich ein, doch etwas Besseres als das gewöhnliche Volk da unten zu sein. Dem setzte ich immer meine christliche Auffassung, das wir vor unserem Schöpfer alle gleich sind entgegen. Ob Bundeskanzler oder arbeitsloser Städtereiniger haben alle den gleichen Wert. Wer sich auf einen Sockel über Andere stellt leidet erstens an schwerer Einbildung und gibt dabei den Menschen in sich selbst auf. Aber die Meisten verstanden doch, wie geschrieben, meine Situation. Sie verstanden also das ich erstens doch meiner Frau und meinem Sohn durch Besuch zeigen musste, dass sie mir nicht gleichgültig sind. Insbesondere glaubte ich es Elke schuldig zu sein, dass ich ihr, wenn sie aus der Narkose aufwacht, die Hand drücke und ein paar nette Worte sagen. Dann gab es noch einen handfesten praktischen Grund warum ich nach Neustadt wollte. Unsere Kneipe wirft nicht so viel ab, dass wir uns zwei Autos leisten können. Man kann doch nicht, wie es leider hier im ländlichen Raum oft der Fall ist, Schmalhans Küchenmeister sein lassen, nur um unter Beweis zu stellen, dass man ein Mitglied der modernen mobilen Gesellschaft ist. Allein schon die Fixkosten für Steuern und Versicherung stellen für uns einen tiefen Einschnitt in unsere Haushaltskasse da, so das wir uns, wenn wir die Wahrheit nicht durch, meist durchschaubaren Täuschungsmanöver vertuschen wollen, keinen Zweitwagen leisten können. Wir verstehen gar nicht, wie Leute, nur damit sie in ökonomischer Sicht nach Außen mehr scheinen als sie sind, sich dann noch Klötze wie Tilgungen für Neuwagen an die Füße hängen können. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich musste unseren Wagen aus Neustadt holen, weil ich sonst hier in WannebachtatElfenwiese AAW gewesen wäre. Was, Sie wissen nicht was AAW ist? Ganz einfach: Am Arsch der Welt. Als Heike wieder im Hause eintraf, machte ich ihr erst mal einen schönen Kaffee und setzte mich erst einmal ruhig mit ihr auf der Couch zusammen. Sie machte einen völlig zerstörten Eindruck, der mir ein aufrichtiges „Gott sei dank“ entlockte, weil sie heile mit ihrem Auto angekommen war. Ich wollte schon hundert D-Mark (zirka 51 €), die ja in 2000 noch gültige Währung waren, für eine Taxifahrt zu opfern. Was hatte Heike denn jetzt so umgehauen? Der Blinddarm der Schwiegermutter konnte es doch nicht sein, denn so etwas reiht man doch heutzutage mit Grippe und Mandelentzündung eher in den harmlosen Bereich wie Schnupfen oder Husten ein. „Was ist denn los, Heike?“, versuchte ich sie zum Auspacken zu animieren. Sehr abweisend bekundete sie „Ach, lass mich“ und ich beließ es dann auch erst einmal wie gewünscht dabei. Nach etwa fünf Schweigeminuten versuchte ich es doch noch einmal anders herum: „Also Mädchen, wenn Du mir nicht sagst was los ist, fahre ich gleich nicht mit dir, ... das ist mir bei deiner Verfassung wirklich zu gefährlich. In diesem Moment fiel sie mir weinend, ich muss schon sagen heulend, um den Hals und nachdem sie ein Bisschen zur Ruhe gekommen war erfuhr ich was los war. Sie hatte im Krankenhaus erfahren, dass Björn bei dem Einschuss am Penis verletzt worden ist. „Nichts weiter schlimm“, denn das kommt nach Ansicht der Ärzte sogar wieder so in Ordnung, das er später nicht auf sein Liebesleben verzichten muss. Was allerdings eine Tragödie ist: Die Samenleiter ist dabei - oder bei der Operation - durchtrennt worden. Lassen wir mal Heike im Originalton sprechen: „Also ums Bumsen brauche ich mir keine Gedanken zu machen ... Damit kann er mich bedienen. Aber wir werden nie eigene Kinder haben können. Und dabei habe ich doch schon immer von zwei oder drei Kindern geträumt ... Und jetzt? Aber ich kann mir doch wegen meines Kinderwunsches keinen anderen suchen. Ich liebe doch Björni über alles ... ohne ihn kann ich nicht leben.“. Da wusste ich natürlich auch erst nicht was ich sagen sollte und später versuchte ich sie damit zu trösten, dass man sich auch mit Adoptivkinder einen Kinderwunsch erfüllen könne. Ich verwies sie auf all’ die armen Kinder, die bestimmt froh wären, auf diesen Weg ein Elternhaus zu finden. „Ach, das ist aber nicht das Selbe,“, schluchzte Heike, „ein eigenes Kind wäre ein Stück von Björni und mir.“. Langsam kamen mir auch die Tränen, denn das was meine Schwiegertochter da in den letzten neun Monaten erlitten hat, ist wirklich ein schweres Schicksal, dass doch mein Mitgefühl nach Außen trieb. An dieser Stelle kommen mir sogar jetzt noch bei der Niederschrift die Tränen. „Wie geht es eigentlich Björn“, fragte ich jetzt meine Schwiegertochter, weil ich annahm, dass auch er erst an diesem Tage von seiner Zeugungsunfähigkeit erfahren habe. „Ach entschuldige,“, begann jetzt Heike wieder, „damit hätte ich eigentlich anfangen müssen. Dem geht es ganz schlecht, der liegt jetzt auf der Intensivstation und ...“. „Der hat wohl die Meldung von seiner Impotenz nicht verkraftet“, warf ich jetzt ein. „Nein,“, setzte jetzt Heike fort, „davon wusste er schon am Donnerstag. Davon hat er nur bis jetzt nichts gesagt, weil wir nie alleine waren. Erst als Mama heute vom Arzt untersucht wurde hatte er eine Chance es mir unter vier Augen zu sagen. Der liebe Kerl sieht das auch durchaus richtig. ... Er sagte mir, dass er sich da in Hinblick auf unsere Ehe keine
Sorgen machen würde, weil er sich sicher ist, dass ich ihn deshalb nicht verlasse. ... Also, deshalb geht es ihm nicht so schlecht. Da ist etwas mit dem Blutbild. Ich habe das nicht so richtig verstanden aber das hatte irgendetwas mit Wundinfektion zutun.“. „Dann wird er wohl nicht in der nächsten Woche nach Hause kommen“, sinnierte ich. Darauf bekam ich dann gleich die Bestätigung: „Nein, das dauert jetzt noch mindestens vierzehn Tage.“. Nun hatte ich einen noch stärkeren Druck schnellstens ins Krankenhaus zu fahren aber es widerstrebte mir im gleichen Maße mich einer Fahrerin namens Heike anzuvertrauen, die schien mir vollkommen fahruntauglich zu sein. Jetzt begannen meine Überlegungen: Mir macht es ja nichts aus, ob ich ein geschaltetest Auto oder eines mit Automatik fahre. Ich könnte ja nach Neustadt fahren - aber dann ... . Wenn wir dann mit meinem zurückfahren steht ihr Auto in Neustadt – und darauf lässt sie sich bestimmt nicht ein. Aber das ginge vielleicht für heute: Ich könnte auch mit ihrem Wagen wieder zurückfahren aber dann müsste sie mich morgen früh gleich hinfahren, denn in den Sommermonaten habe ich des Nachmittags immer ein Kuchenbüfett, welches ich immer am Sonntagmorgen mit Waren, die ich frisch bei einem Konditor und Cafébetreiber in Wannemünde hole, bestücke. Was soll’s, ich stand ja mit dem Rücken an der Wand und musste am Sonntag wieder aufmachen. Das ist der einzigste Tag, wo sich auch mal Auswärtige nach Elfenwiese verlaufen. Wenn ich dann den Laden zulasse, kann ich das auch bald vergessen, dann geht’s mit dem Grünen Baum bergab. Einmal geht das vielleicht, aber wer weiß was noch alles kommt. Heike will, wenn wir dann in Neustadt sind, wahrscheinlich erst mal bei ihren Schatz bleiben. Ist es da nicht besser, wenn wir jetzt nicht für die erste Fahrt ein Taxi nehmen? Dann sind wir am Sonntag unabhängig voneinander und dass sich Heike, wenn ich den Grünen Baum schmeiße, um die Kranken kümmert, ist mir ja auch selbst ein Herzensanliegen. Nur ein Taxi ist für einen kleinen Mann eine ganze Menge Holz. Auch so etwas muss man bedenken, wenn man in der Walachei siedelt. Als ich noch Hin und Her überlegte, meldete sich Heike, dass sie auch ihre Mutti informieren wollte und ging schnurstracks zum Telefon. Sie berichtete fast alles, nur die Impotenz ihres Mannes verschwieg sie ihrer Mutter. Aber das sie ein wenig durchgeknallt sei und ich jetzt überlegte, wie wir nach Neustadt kämen, fiel unter dieses „fast alles“. Da kam auch prompt der erlösende Vorschlag von Karin Kreisler. Sie brauchte erstens von Heike ein paar Unterschriften, zweitens wollte sie auch kurz den Kranken ihre Aufwartung machen und drittens konnte sie das Hotel beim derzeitigen Belegungsstand auch mal für drei bis vier Stunden alleine lassen. Außerdem läge, laut ihren Worten, ein familiäres Gespräch auch ganz in ihrem Sinne. Wenn man jetzt alles von Eins bis Vier miteinander verbindet, weiß man, was sie uns vorschlug: Sie wollte uns in Elfenwiese abholen. Ihr Haupthintergedanke war allerdings, wie sie mir später gestand, dass wir keine Dummheit machen sollten. Aber die Dummheiten geschahen trotzdem, aber auf einem ganz anderen Gebiet wie Karin mutmaßlich dachte und diese Dummheit hätte sie so oder so, weil man an so etwas beim besten Willen normalerweise nicht denkt, nicht verhindern können. Bis zu ihrem Eintreffen saß Heike still und grübelnd auf der Couch. Ich konnte sie auch in kein Gespräch verwickeln. Immer wenn ich meine Schwiegertochter ansprach schreckte sie zusammen und antwortete abwesend und unkonzentriert sowie bei jedem zweiten Mal sogar mit etwas, was ich gar nicht angesprochen hatte. Sie war also in eine andere, nicht reale Welt abgetreten. Kurz vor Karins Eintreffen kam sie mir mit einem, mir zu diesem Zeitpunkt absolut unverständlichen Anliegen: „Papa, verspreche mir bitte, bitte, dass du, wenn Mutti dabei ist, nichts von Björnis Impotenz sagst oder andeutest.“. Ich konnte mir in diesem Moment keinen Reim auf den Grund ihres Anliegens machen, aber ich versprach ihr das trotzdem. Was das sollte, erfuhr ich später, als ich allein mit ihr in meinem Wagen zurückfuhr. Wir können ruhig gleich einen Sprung zu dieser Rückfahrt machen, denn zwischen meiner Einschwörung und der Rückfahrt geschah eigentlich nichts, was ich für die Nachwelt aufzeichnen müsste. Karin holte uns ab. Noch in Elfenwiese ließ sie sich ein paar Dokumente von ihrer Miterbin des Waldhotels und Mitgesellschafterin des Lifestylehotels, sprich von ihrer Tochter Heike, unterschreiben, was diese auch ohne Prüfung im Vertauen zur Mutter auch sofort erledigte. Dann fuhren wir in Richtung Krankenhaus. Bei der Unterhaltung im Wagen erschien mir Heike deutlich gelöster als in der vorangegangen Zeit. Dann erstatteten wir unsere Besuche im Krankenhaus im Wechsel ab. Ich suchte erst und für längere Zeit meine bessere Hälfte auf, während Karin und Heike zuerst zu Björn gingen und dann tauschten wir unsere Besucherpositionen aus. Na, was so bei solcherlei Besuchen abläuft hat wohl jeder schon mal selbst erlebt, das brauche ich wohl nicht extra auszuführen. Laut Krankenhausordnung müssen die Besucher das Haus bis 20 Uhr verlassen – und das taten wir dann auch. Also jetzt, wie schon angedeutet, zur Rückfahrt. Heike saß neben mir auf dem Beifahrersitz und schien mir nervös nach dem richtigen Einstieg zu ihrem Anliegen zu suchen. Ihre Nervosität fiel auf, da sie mal unnötiger Weise an ihren Rocksaum zog als sei dieser unsittsam hochgerutscht. Dann fasste sie sich häufig an die Nase oder juckte sich unter den Augen. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und starte mit einer Frage: „Papa, ich schätze dich so ein, dass du nicht prüde bist. Ist das richtig?“. „Och, ich weiß nicht,“, antwortete ich ihr, jetzt noch gelassen, „ein Kind von Traurigkeit bin ich nicht. Mit dem Mund bin ich theoretisch überall und praktisch bis zu einer gewissen Grenze immer dabei.“. „Was heißt bis zu einer gewissen Grenze“, wollte Heike jetzt
wissen. Na ja, das Thema bringt es mit sich, dass ich mich an einer bestimmten Stelle wohlig fühlte und antworte daher: „Ja, weiß du, dich würde ich mir schon ganz gerne mal splitterfasernackt zu Gemüte führen. Und an dir würde ich auch schon ganz gerne meine exhitzionistischen Gelüste kühlen. Also da mache ich keinen Hehl raus, ... das ist mir schon als ich dich zum ersten Mal sah in den Sinn gekommen ... Aber ich glaube, dass du dieses schon selbst gemerkt hast, zum Beispiel als ich dich, wo ihr aus Anlass eueres Auszuges da wart, am Dekollete, an den Beinen und so weiter augenmäßig abgegrabscht habe.“. Als Heike jetzt weitersprach zitterte nach meinen Eindruck ihre Stimme ein Wenig erotisch: „Sicher habe ich das bemerkt und es hat mir auch Spaß gemacht. Ich glaube ich habe eine ganz schöne exhibitionistische Ader. Deshalb mache ich ja auch so gerne Urlaub an der See. Da kann ich am Strand dann nur im knappen Höschen zeigen, was an mir dran ist. Es macht mir einen Heidenspaß wenn dann die Männeraugen an mir kleben bleiben. Andererseits bin ich auch ganz neugierig. Gerne betrachte ich so ein kleines Männerknackärschen und andererseits macht mir die Liveshow von Pimmelchen echte Freude. Beides, Begaffen und Begaffen lassen, gilt nicht nur für Männer in meiner Altersklasse sondern auch für ältere ... insbesondere wenn sie doch noch so gut aussehen wie du. Aber das Berühren der Figüren ist allerdings bei mir strickt verboten, es sei denn es wäre Björni. Aber was wäre, wenn ich hinsichtlich der Berührung dir gegenüber eine Ausnahme machen würde?.“. Das „kleine Luder“ hatte mich jetzt schon verdammt spitz gemacht, was ich auch an dem wohligem Empfinden an einem diversen Körperteil, das allerdings zu diesem Zeitpunkt sittsam in Textil verpackt war, spüren konnte. Jetzt hatte ich wohl auch einen Touch von Erotik in der Stimme: „Ach, in meiner Fantasie träume ich schon häufig so von Ganzkörpermassagen bei anderen Frauen. Auch von dir .. und auch von deiner Mutti, habe ich schon in dieser Richtung geträumt. Ob ich das wirklich tun würde weiß ich nicht, ich glaube sogar nein. Schließlich bin ich glücklich verheiratet und liebe meine Frau. Ich bin davon überzeugt, dass ich, wenn ich so etwas machen würde, damit Elke schwer treffen und verletzen könnte.“. In diesem Moment meldete sich mein Gewissen und ich fuhr meine Beifahrerin dann etwas barsch fort: „Mensch Heike, hör auf. Du machst mich spitz. Das kann gefährlich sein, denn wir zwei beide sind jetzt mindestens eine Woche alleine im Hause.“. Heike schwieg zunächst und ich hatte den Eindruck, das es Betroffenheit gewesen wäre. Ich sollte mich aber getäuscht haben, die junge Frau hatte sich nur überlegt ob sie die Umwege jetzt verlassen und direkt zur Sache kommen sollte. Und dann sagte sie mit einem ernsten, überzeugt klingenden Ton: „Papa, mach mir ein Kind.“. Jetzt musste ich mich aber sehr stark auf das Fahren konzentrieren, denn das, was Heike jetzt gesagt hatte, war dazu geeignet, mich umzuhauen. „Was ist denn in dich gefahren?“, fragte ich sie mit erstauntem Ton. Darauf offenbarte sie mir ihre Gedankenkonstruktion, die sie sich vor Karins Eintreffen in Elfenwiese zurecht gelegt hatte: „Ich habe dir doch gesagt, wie sehr ich mir ein eigenes Kind ... von mir und Björni, wünsche. Björni kann aber nicht mehr. Aber er ist dein Fleisch und Blut, er ist aus deinem Genmaterial ... und so wie ihr euch ähnelt hast du sehr dominante Gene. Jetzt habe ich mir gedacht, dass du dieses Kind an seiner Stelle zeugen könntest. Dann ist es zwar nicht Björnis Tochter oder Sohn aber seine Schwester beziehungsweise sein Bruder und ich wäre auf jeden Fall die Mutter. Für mich wäre das aber ein akzeptabler Ersatz. Und die Gelegenheit ist jetzt günstig. Wenn ich jetzt richtig gerechnet habe, müsste ich gerade jetzt meine empfängnisgünstigen Tage haben. Wir sind allein im Haus und können alles klammheimlich machen. Da ich nicht genau weiß, wie und wann es klappt, könnten wir ohne Weiteres bis Mama nach Hause kommt, jeden Tag einmal bumsen, ... dann müsste es doch eigentlich klappen. Und hinterher kann ich es so darstellen, als wäre alles vierzehn Tage vorher geschehen. ... Was meinst du, wie glücklich es Björni machen würde, wenn er das Gefühl hat, dass es fünf Minuten vor Toresschluss noch geklappt hat.“. Da saß ich armer Tor ganz schön in der Patsche. Auf der einen Seite konnte ich das, was Heike gesagt hatte, menschlich und sogar intellektuell nachvollziehen und auf der anderen Seite war ich ja doch schon von Anfang an echt geil auf diese junge Frau. Das war ja auch Elke nicht entgangen. Gegen meine persönlichen, doch sehr gewöhnlichen Ambitionen standen Sitte und Moral, die doch in meinen Gefühlen und Gewissen immer noch, auch wenn es heutzutage für altmodisch gehalten wird, einen gewissen Stellenwert einnehmen. In meiner Verlegenheit versuchte ich zu scherzen: „Du willst mich also zum Vater meines Enkels und deinen Mann zum Bruder seines Sohnes machen. Und die Straftat der Kindsunterschiebung willst du zudem auch noch begehen.“. Letzteres schnappte Heike auf und erwiderte: „Sicher ist das Kindsunterschiebung, aber habe mal keine Angst, das kriegt niemand raus. Ich weiß nicht genau, aber ich könnte mir vorstellen, dass man nach einen Vaterschaftstest Björn sogar für den Vater halten könnte; es ist doch schließlich dein Sohn. ... Also machst du es?“. „Mensch Mädchen,“, erwiderte ich, „du bringst mich ehrlich gesagt ganz schön in des Teufels Küche. Einerseits kann ich deine Gedanken hundertprozentig verstehen und nachvollziehen ... und finde sie perverser Weise sogar noch gut. Wenn es Leihmütter gibt, warum sollte es nicht Leihväter geben? Und dann bin ich nach wie vor ein Mann, den du mit deinen Reizen gefährlich werden kannst. Ich war ja schon im Kopf geil auf dich als ich dich das erste Mal sah. Aber was ist mit Elke, was ist mit Björn.“. „Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die, wenn es mal rauskommt, was ich aber nicht glaube, verstehen und tolerieren würden.“, antwortete Elke mit überzeugten Ton. Danach stellte sie nochmals ihre Frage: „Papa, machst du mir nun ein Kind?“.
Zwischen Baum und Borke gedrängt erbat ich mir eine Bedenkzeit. Aber darauf wollte sich Heike nicht einlassen: „Mann, das geht nicht. Ich bin doch kein Kaninchen und pausenlos fruchtbar. Wir haben doch nur eine kurze Zeitspanne wo es überhaupt klappen kann und die will ich nicht versäumen. Ich kann aber zur genauen Ermittlung des Eisprungs nicht zum Frauenarzt rasen und deshalb möchte ich, dass du von heute an bis Mama nach Hause kommt jeden Tag mit mir bumst. ... Und eins ist aber weiterhin klar: Danach möchte ich von dir nicht mehr angefasst werden. Schließlich bin und bleibe ich Björnis Frau – und ich liebe ihn, nur ihn, über alles. Also erweist du jetzt mir und deinen Sohn diesen Dienst?“. Ich gab mich geschlagen und freute mich jetzt sogar auf ein sexuelles Abenteuer mit meiner Schwiegertochter. Mein schlechtes Gewissen hörte zwar nicht auf zu pochen, bekam aber jetzt in Form des Verdrängens eine Gegenwehr. Die Diskussion im Auto war damit abgeschlossen aber sie sollte nicht die letzte des Tages sein. Als wir Zuhause ankam ging Heike schnurstracks mit mir in unser Schafzimmer. Sie griff unter ihren Rock und zog ihren Slipper aus. Danach legte sich mit einem etwas hochgezogenen Rock auf mein Bett und sagte: „Komm, dann mach.“. Da war ich doch etwas verdutzt: „So habe ich aber doch nicht gewettet. Ich bin doch kein Hengst den man zum Natursprung führen kann. Ein Bisschen möchte ich schon davon haben.“. Darauf empörte sich dann Heike: „Mann Papa, ich wollte mit dir kein Liebesverhältnis eingehen. Du bist Mamas Gatte und sollst es auch bleiben und ich bin Björnis Frau und will das auch bleiben. Ich habe kein Interesse daran deine Mätresse zu sein.“. „Du willst keine Mätresse und ich kein Rammler sein.“, konterte ich trotzig, „Entweder du ziehst dich ganz aus und wir tauschen auch ein paar Zärtlichkeiten aus oder wir vergessen die ganze Sache.“. Na ja, damit gab sich Heike natürlich nicht zufrieden und es ging noch ein paar Mal hin und her. Nach etwa einer Viertelstunde gab es dann eine plötzliche Wende. Heike erwiderte nichts mehr und schaute statt dessen etwas verschämt drein. Sie erhob sich und „überzog“ dann die Angelegenheit, die sie zuvor strickt ablehnte. Raffiniert und langsam nahm sie erst den breiten Gürtel, der um ihre Taille geschlungen war, ab. Langsam, wie in einer perfekten Stripteaseshow, zog sie ihren T-Shirt über den Kopf aus. Da setzte ich auch an um mich zu entkleiden und bekam prompt die Anweisung „Nein nicht, warte ... nimm mir lieber meinen BH ab.“. Der Anweisung kam ich in meiner Geilheit auch gleich nach. Ich nutzte dann die Gelegenheit um ihre fleischigen und doch sehr festen Busen von Hinten in meine Hände zunehmen und zu „bekneten“. Während dessen zog sie ihren Rock nach unten und ließ ihn letztlich auf den Boden fallen, um in den Moment, wo ich von ihren Brüsten abließ, herauszuschreiten. Nun vollkommen nackt drehte sie sich um, um mich dann zu entkleiden. – Sorry, ich glaube, dass ich an dieser Stelle die detaillierte Beschreibung mit der Bemerkung, dass daraus ein schönes Schäferstündchen wurde, abschließen sollte. Ich kann jetzt nur noch schildern, dass wir dann gleich am nächsten Morgen und dann weiter an allen folgenden Tagen bis einschließlich des darauffolgenden Freitags, dem Tag, an dem Elke wieder nach Hause kam, weitere Schäferstündchen folgen ließen. Und jeweils nach einem solchen Erlebnis freute ich mich schon auf das nächste. Mein schlechtes Gewissen ließ mir aber die ganze Zeit dabei keine Ruhe. Seltsamer Weise hatte ich ab dem Zeitpunkt wo ich Elke abholte immer den Wunsch, dass die Sache nicht geklappt habe. Daraus entwickelte sich dann eine richtige Angst, die sich mit meinem schlechten Gewissen paarte. Ganze fünf Wochen musste ich dieses, nur schlecht beschreibbare, Gefühle ertragen. Und dann schlug der Blitz ein ... Aber lesen sie dazu das nächste Kapitel.
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Eine zerstörerische freudige Nachricht Mir klingeln jetzt, nach der Niederschrift des letzten Kapitels, richtig die Ohren. Da höre ich schon massenweise die Leute tönen: „Da hat so ein Tagedieb etwas mit seiner Schwiegertochter und ist auch noch so dreist das auch noch öffentlich zuzugeben.“. Na ja, ich hebe mich öfters von der Masse ab. Das Männer etwas mit ihren Schwieger- oder Stieftöchtern beziehungsweise Frauen etwas mit ihren Schwieger- oder Stiefsöhnen haben kommt ja gar nicht so selten vor – da dürfte es enorm hohe Dunkelziffern geben – aber das man das auch noch öffentlich zugibt, dürfte doch absoluten Seltenheitswert haben. Überhaupt ist öffentliches Zugeben was so ganz und gar nicht mehr in unsere Gesellschaft passt. So etwas wie Rückgrat scheint absolut antiquiert zu sein. Der moderne Mensch ist eine Qualquappe; Politiker, Manager und andere Promis machen es uns vor. Da kann man die Beweise offen auf den Tisch legen und dann wird immer noch munter weiter geleugnet. Keiner zieht gleich die richtige Konsequenz sondern lässt sich quasi aus den Ämtern zwingen, wobei er sich anschließend noch ungerecht behandelt fühlt. Aber eigentlich habe ich jetzt auch kein Recht, die Nase zu rümpfen, denn ich habe mich in dieser Geschichte, die ich jetzt niederschreibe, genau so verhalten, wie ich es im ersten Absatz dieses Kapitels bemängelt habe. Aber eins nach dem anderen, ich erzähle alles mal schön hübsch der Reihe nach. Am Freitag, dem 4. August 2000, kam Elke, meine bessere Hälfte nach ihrer Blinddarmoperation wieder nach Hause. Die sechs Tage hatte ich ja zusammen mit Heike in „Lust und Freude“ zum Zwecke der Vermehrung genutzt. Wie mich ab diesem Zeitpunkt mein Gewissen und meine Entdeckungsangst quälten habe ich ja am Ende des vorangegangenen Kapitels beschrieben. Aber mir ging es jetzt nicht alleine so, sondern Heike hatte mit vergleichbaren Empfindungen zu kämpfen. Dieses führte bei uns dann dazu, dass wir aus Angst vor Entdeckung mehr als vorsichtig benahmen. Heike zeigte sich, im Gegensatz zum Jahresanfang als sie nach ihrem Auftreten auf unserer Silberhochzeit bei uns wohnten, wo sie ja immer locker und legere auftrat, absolut zugeknöpft und unnahbar. Sie mied jegliche allzu sexy erscheinende Kleidung, die sie ja zuvor immer so gerne trug. Ich mied eine allzu große Nähe zu meiner Schwiegertochter und zwang mich sie möglichst wie ein geschlechtslose Neutrum anzuschauen. So etwas ist natürlich „höchst“ verdächtig. Dieses erinnert mich an die Zeit, wo ich als junger Mann gerade mal den Führerschein hatte und peinlich genau jede erdenkliche Geschwindigkeitsbegrenzung tachonadelgenau einhielt. Da befuhr ich mal stadtauswärts eine Straße. Zunächst fuhr ich ja innerhalb der Geschlossenen Ortschaft, also fuhr ich konsequent Fünfzig. Dann war die Geschwindigkeit wegen einer, an dieser Straße gelegenen Schule auf Dreißig begrenzt, woran ich mich dann auch prompt, genau ab Höhe des Schildes, hielt. Exakt ab Aufhebung der Dreißigzone fuhr ich dann wieder korrekte Fünfzig, um dann ab Ortsausgangsschild auf erlaubte Siebzig oder Achtzig zu beschleunigen. Nach etwa fünfhundert Meter kam eine kurvenreiche Strecke, wegen der ein Schild mir glatte Sechzig gebot. Nach dem diese Begrenzung aufgehoben war wurde ich von einem grün/weißen Fahrzeug überholt und während des Überholvorganges streckte mir der, in einer grünen Uniform steckende Beifahrer aus dem Fenster eine Kelle, die mir das Stoppen gebot, entgegen. Dieses befolgte ich dann auch prompt mit einer Vollbremsung, das heißt, dass ich gleich voll in die Steigeisen ging, wie so locker im Volksmund gesagt wird. Ich hatte mich also durch ein hyperkorrektes Verhalten verdächtig gemacht. Das war damals den Beamten nach einen Blick in meinen Führerschein erklärlich: „Aha, Fahranfänger auf dem ersten Alleinflug“. So wie ich damals den Polizisten, die ein Weilchen hinter mir hergefahren waren, durch meine Fahrweise aufgefallen war, fielen Heike und ich auch meiner Elke wegen unserer Verhaltensweise auf. Das veranlasste doch meine Holde dazu, mich bei einer Gelegenheit zu fragen: „Sage mal, war, wo ich im Krankenhaus lag, etwas zwischen dir und Heike? Ihr kommt mir beide so komisch vor.“. Ich habe natürlich alles in Politikermanier gleich alles weit von mir gewiesen. Auch unsere Schwiegertochter wurde von meiner Holden nach eventuellen Vorkommnissen befragt. Nach dieser unbequemen Rückfrage bemühten wir uns, uns so normal wie früher zu verhalten. Heike griff dann doch wieder zu Bekleidungsstücken, mit der sie ihre wundervollen sexuellen Besonderheiten herausstellen konnten und ich zwang mich auch nicht mehr gleich wegzusehen, aber der alte Zustand konnte immer noch nicht wieder hergestellt werden. Allerdings die Lockerung unserer Prüderieshow, unmittelbar nachdem uns Elke angesprochen hatte, baute Elkes Misstrauen also nicht ab sondern verstärktes dieses noch. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie uns beide möglichst nie aus den Augen ließ. Erst als Björn am Freitag, dem 8. September 2000, auch wieder aus dem Krankenhaus kam, schien es für drei Tage so, als sei tatsächlich der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt. Die beiden jungen Leuten turtelten als hätten sie gerade frisch erst zu ihrem Glück gefunden. Auf Heikes Wunsch sollte es am Nachmittag des darauffolgenden Sonntags eine kleine Familienfeier geben. Als Anlass nahm sie natürlich die gemessene Heimkunft ihres Göttergatten. Wir hätten zwar gleich losfeiern können aber es war ja auch verständlich, dass Heike ihre Mutter dabei haben wollte. Der Sonntag war dahingehend günstig, da sich Karin an diesem Tag nicht um das nun zum Umbau bereite Hotel kümmern mussten und wir, nach dem der August vorüber war, nach dem
Sonntagmorgenfrühschoppen wieder geschlossen hielten. Allesamt freuten wir uns auf diesen Nachmittag und nur in mir schwante so irgendetwas, was Unheil bedeuten könnte. Als mir Heike am Samstagmorgen, als wir mal kurzfristig unter vier Augen waren, sagte, dass sie beim Frauenarzt gewesen wäre und alles geklappt habe und sie dieses am Sonntag bekannt geben wolle, schlackerten mir tatsächlich beide Knie so, als würde ein starker Wind durch morsches Geäst sausen. Ganz im Stillen bete ich immer: „Lieber Gott, verzeih mir meine große Schuld und lass alles gut gehen ... Ich habe doch meine Familie so lieb. Amen.“. Einmal zog ich mich sogar, wörtlich zunehmend, in mein stilles Kämmerlein zurück um zu diesem Gebet die Hände zu falten. Da hing ich dann noch an: „Herr, dein Wille geschehe“. Daran sieht man, was ich für eine Angst vor diesem Nachmittag hatte. Diese Angst war auch wirklich nicht unbegründete. Dieser Sonntag sollte der Tag sein, an dem meine heile Welt untergehen sollte. Es begann erst ganz nett. Als Karin eintraf setzen wir uns erst einmal gemütlich um unseren Wohnzimmertisch, auf dem bereits Kuchen, Gebäck und andere Knabereien zum Zugriff bereit standen, zusammen. Während Elke noch den Kaffee aufbereitete begann bereits eine nette, lockere Plauderei, in der wir alle unsere Freude darüber, dass wir unseren Björn in alter Frische wieder hatten, bekundeten. Als Elke sich niedergelassen hatte, griffen wir zunächst alle mal beim Kuchen zu. Und dieses war für Heike der Punkt wo sie ihre freudige Nachricht los werden wollte: „Liebe Omas, lieber Opa, lieber Vati, wenn alles klar geht ist es Ende April des nächsten Jahres soweit, dann werde ....“. Weiter kam sie nicht. Björn schrie, während seine Mutter kreidebleich mit offenen Mund da saß, ein langgezogenes „Waass!“. Elkes starre Augen richten sich langsam auf mich und nun schrie auch sie: „Du alte Sau, du verkommener Tagedieb hast deine Schwiegertochter gefickt. Das habe ich mir doch gleich gedacht, wo ihr euch so komisch benommen habt.“. Mein Vater sagte immer, und dieses auch insbesondere bei meinem damaligen Vergewaltigungsversuch bei meiner Mitschülerin: „Verbrechen lohnt sich nicht. Früher oder später kommt ein jedes ans Tageslicht. Ganz einfach weil es immer Kleinigkeiten gibt, die man übersieht und nicht bedenkt.“. Na ja, was wir und insbesondere Heike übersehen hatten waren schon mehr wie Kleinigkeiten, das waren grobe Schnitzer. Hatten wir doch gar nicht bedacht, das Mutter und Sohn im gleichen Krankenhaus waren. Natürlich muss man nach einer Blindarmoperation nicht bis zur letzten Minute eisern das Bett hüten. So konnte und hat Elke natürlich auch unseren Sohn besucht. Zwischen den Beiden besteht natürlich, so wie es eigentlich immer sein sollte, ein inniges Vertrauensverhältnis. So hatte Björn seiner Mutter natürlich von seiner durchtrennten Samenleiter erzählt. Elke meinte es gut als sie zu ihrem Sohn sagte: „Vielleicht hat Gott noch kurz vorher gewirkt und du hast deine Frau schon geschwängert.“ Wie Elke auf diesen Gedanken gekommen ist weiß sie selbst nicht, es war intuitiv. Aber es führte dazu, das Björn ihr sagte, dass dieses gar nicht sein könne, da Heike kurz vorher ihre Tage gehabt hätte und die Beiden danach nichts mehr miteinander gehabt hätten. Den Rest zur Aufklärung hatten wir selbst mit unserem „außergewöhnlichen“ Verhalten beigetragen. Natürlich spielten Heike und ich nach den ersten, zuvor beschriebenen Vorwürfen, auch gleich moderner Politiker und stritten pauschal alles ab. Heike tönte auf Elkes Ausschrei: „Was unterstellst du mir denn, ich habe mit niemanden anderes als mit Björni zutun gehabt.“. Und ich posaunte: „Hör mal Elke, das geht zu weit. Du kannst mir doch kein Verhältnis mit meiner Schwiegertochter unterstellen.“. Darauf hielt uns dann Elke vor was sie wusste und der „arme“ Björn konnte nur die Aussagen seiner Mutter bestätigen. Da half natürlich kein leugnen mehr. Jetzt weiß ich nicht, was in Heike gefahren war, als sie darauf spontan sagte: „Aber Papa hat nichts damit zu tun.“. Da musste ich doch einschreiten: „Rede doch kein Quatsch, Mädchen. Wenn ich es nicht war, dann muss es doch irgendein Dritter gewesen sein. Also, ich gebe zu die Lage missbraucht und Heike verführt zu haben.“. In diesem Moment setzten dann dreiseitige üble Beschimpfungen insbesondere gegen mich aber auch gegen Heike ein. Bei den armen Mädchen flossen die bitteren Tränen in Strömen. Wie gerne hätte sie sich in diesem Moment irgendwo angelehnt. Erst versuchte sie Björn zu umarmen, doch der stieß sie barsch weg. Dann versuchte sie es bei ihrer Mutter, die sie aber „Bleib mir vom Leib“ angiftete. Als sie sich mir zuwandte zischten gleich schlangenähnlich drei Münder. Was mich in diesem Moment stark wunderte war, dass sie ausgerechnet bei Elke, die sie liebevoll in den Arm nahm, landen konnte. Heike saß jetzt auf den Schoß Elkes und weinte sich auf ihren Schultern aus. Während Elke ihrer Schwiegertochter über die Haare strich, schluchzte die junge Frau: „Mama, Mama, bitte, bitte hör mich an und las mich sagen, wie es wirklich war.“. Jetzt war es ausgerechnet Elke, die sich verständig zeigte und dafür sorgte, dass dem Mädchen Gehör geschenkt wurde. Heike konnte jetzt unter Tränen ihre Beweggründe und wie es wirklich war berichten. Jetzt muss man sagen, dass sie auch allgemeines Verständnis fand und trotzdem niemand es gut hieß was passiert war. Björn gestand jetzt sein Dilemma ein. Auf der einen Seite war er sowohl von seiner Frau und seinem Vater schwer enttäuscht und er betonte auch, dass wir ihm damit sehr weh getan haben. Auf der anderen Seite sah er aber ein, dass zumindestens Heike aus den Beweggrund „Liebe zu ihm“ gehandelt habe. Sie habe nun mal einen starken Kinderwunsch und habe ihn deshalb nicht verlassen wollen. Auch habe sie nicht irgendein Kind haben
wollen sondern eins aus seinem Blut. Er konnte sich vorstellen, dass er, wenn Heike das zu gegebener Zeit mit ihm abgesprochen habe, er vielleicht sogar zugestimmt habe. Er gab sich weise und erklärte: „Mein Heikelein hat in einer seelischen Ausnahmesituation gehandelt. Das verstehe ich und deshalb vergebe ich ihr. Mit meinem Vater bin ich aber fertig ... für alle Zeiten. Der hat nur aus Geilheit gehandelt und die Situation ausgenutzt um Heike in die Wäsche zu gehen. ... Pfui, Papa ich verachte dich. Wir beide sind für immer fertig miteinander.“. Nun deutete er an, dass Heike in seinen Armen Unterschlupf finden konnte. Als er seine Frau in den Armen hielt gestand er dann noch: „Auch wenn ich es anders sehen würde, hätte ich nicht von dir lassen können, Mäuschen. ... Ich glaube ich bin abhängig von dir. Ich kann ohne dich nicht mehr leben.“. Elke fand das ganz super was ihr Sohn gesagt hatte und ihr Mitgefühl für Heike hatte sie ja schon zuvor bekundet. Was mich allerdings anging war sie der Meinung, dass ich meinem Spitznamen „Tagedieb“ wirklich alle Ehre gemacht hätte. Bei dieser Gelegenheit warf sie mir dann vor, dass ich mich ja schon vor der Eheschließung als Sexlümmel erwiesen hätte. Björn musste jetzt zu seinem Erstaunen von meiner Jugendsünde, der Vergewaltigung, von der er natürlich bis jetzt nichts wusste, erfahren. Na, damit hatte ich jetzt nicht nur vor meinen Sohn total verschi.... sondern auch in Heikes Augen war ich jetzt im Nu vom Sockel gefallen. Die packte jetzt damit aus, wie sie sich den Zeugungsakt eigentlich vorgestellt hatte, also völlig bekleidete und nur mit runtergelassenen Höschen, und wie ich dann praktisch einen echten Liebesakt erpresst hätte. Na ja, damit war ich gleich die nächsten zwei Treppen heruntergefallen. Ich fand alles nicht sehr fair aber wagte, weil ich mir wie ein zusammengepresstes Würstchen vorkam nichts dagegen zusagen. Nur Karin schien mir auf dem Teppich geblieben zu sein beziehungsweise wieder auf diesem angekommen zu sein. Sie stellte fest: „Ach Leute, was soll’s wir sind doch alle keine Engel. Heike, auch wenn ich jetzt in deinem Ansehen absinke, gestehe ich trotzdem, dass ich deinen Vater im Laufe unserer Ehe drei Mal betrogen habe. Also, ich war keine hundertprozentig treue Ehefrau sondern habe es gleich auf der Seitensprünge gebracht. Ich kann mich beim besten Willen nicht als Engelchen darstellen.“. Heike unterbrach sie und bekundete ihrer Mutter, dass ihr diese Dinge nicht neu gewesen wären und nannte ihr zum Beleg die drei Namen. Sie hatte also alles mitbekommen aber wegen der Art und Weise ihres Vaters ihre Mutter immer verstanden. Was sich jetzt herauskristallisierte war, dass Karin zwar nichts, was geschehen war, gut hieß aber dass sie es auch war, die das meiste Verständnis für die ganze Geschichte aufbrachte. Was das Verständnis für mich anbelangte war Karin sogar die einzigste, die ein solches überhaupt für mich aufbrachte. Wie sollte es nun weitergehen? Elke wollte ab sofort mit mir das Bett nicht mehr teilen und wollte sich noch überlegen ob sie die Scheidung einreichen sollte. Karin und Heike meinten, dass ich letzteres nicht verdient habe und plädierten für eine Bedenkzeit, bei der wir uns allerdings für eine Weile trennen sollten. Da hielt sich Björn raus aber er wollte nicht mehr, dass ich mit seiner Frau unter einem Dach lebte. Er wollte aber auf jeden Fall bei seiner Frau bleiben. Heike bekam Gewissensbisse und es tat ihr leid, dass sie die Wahrheit mit dem Ablauf der Schäferstündchen ausgepackt habe. Sie war jetzt der Meinung, dass ich eigentlich doch ein feiner Kerl sei. Aber wenn ihr Björni der Meinung sei, dass sie nicht mit mir unter einem Dach leben dürfe, dann wolle sie ausziehen. Und ich ... meinte gar nichts; ich fühlte mich nur wie der Belag eines, in Plastikfolie zusammengepresstes, stinkendem Heringbrötchens. Das heißt, ich fühlte mich ausweglos gefangen, zusammengepresst und von Fäulnis befallen. Die Frage, die sich jetzt ergab, hieß: Alle anderen oder ich – wer sollte ausziehen? In dieser Angelegenheit mischte sich Karin mit ihrer wirtschaftlichen Vernunft – und einem, in diesem Moment in ihr aufkommenden pikanten Eigeninteresse, wie ich nur wenig später erfahren sollte – ein. Sie verwies darauf, dass unser aller Existenz momentan am Grünen Baum hänge. Wer von uns beiden, also Elke oder ich, bliebe müsse für den weiterlaufenden Betrieb sorgen und wohl oder übel an dem Anderen einen angemessenen Unterhalt zahlen. Würde Elke gehen, müssten auch Heike und Björn, weil sie ja nicht mit mir unter einem Dach wohnen wollten, ausziehen. Einen könne sie ja in ihrer Wohnung aufnehmen aber für drei wäre diese nun doch wesentlich zu klein. Elke fragte darauf etwas bösartig: „Hast du denn keine Angst vor den Sittenstrolch ... hier meinen Tagedieb.“. „Lass mal Elke,“, sagte die Befragte mit einem scherzenden und doch beruhigenden Ton, daraufhin, „ich bin eine gestandene Frau und kann mich schon gegen unliebsame Übergriffe erwehren ... und so ein Unhold ist dein Mann auch nun wieder nicht. Im Grunde ist er doch ein ganz lieber Kerl. ... Oder warum hast du solange mit ihm ausgehalten?“. Damit stand fest, dass ich ausziehen musste und Asyl bei Karin finden sollte. Dieses war in Hinsicht auf den Grünen Baum auch besser, denn ich hätte alleine da gestanden und Elke konnte auf die fachkundige Hilfe der „Kinder“ zurückgreifen. Mein Auto musste ich natürlich auch in Elfenwiese lassen, da dieses nach Karins und auch Elkes Ansicht für die Bewirtschaftung des Grünen Baumes unerlässlich sei. Das war also der perfekte Rauswurf aus dem eigenen Haus und ich war dabei noch froh, so „gelinde“ davon gekommen zu sein. Flugs packte ich, ab dem Moment, wo unser vorläufiger „Zukunftsplan“ auf dem Tisch lag, meine Koffer und verstaute diese gleich in Karins Auto. Mir war in diesem Moment klar, dass es so schnell kein Zurück geben
würde. Und dieses machte mir das Herz furchtbar schwer; fortlaufend musste ich mit den Tränen kämpfen. Ich hatte das Gefühl, dass mich die anderen dabei gar nicht beachten. Aber das war wohl eine Täuschung. Heike ging zwischendurch mal zur Toilette und nutzte diesen Augenblick um mir zu sagen: „Papa, es tut mir ja so leid. Ich setze mich schon dafür ein, dass die Sache wieder in Ordnung kommt.“. Unsere Schwiegertochter war meine Traurigkeit also nicht entgangen. Auch Karin zeigte mir, als wir später losfuhren, dass sie mich beobachtet hatte, denn sie sagte: „Ach Reiner, weine doch nicht mehr. Das kommt schon wieder alles in Ordnung, davon bin ich überzeugt. Fast 26 glückliche Jahre kann auch Elke nicht so einfach aus ihrem Leben streichen. Abgesehen von den Dummheiten, die wir alle mal machen, bis du doch ein ganz feiner Kerl.“. Mit Elke hatte ich bevor wir aufbrachen noch einige, dem Grünen Baum betreffende, dienstliche Angelegenheit zu besprechen. Sie gab sich mir gegenüber aber eisig und fast feindselig. Obwohl es so aussah als wäre es jetzt für immer Aus, hatte ich dabei das Gefühl, dass es irgendwann mal wieder weitergehen würde. Bleibt letztlich nur noch zu erwähnen, dass Björn jeden Kontakt zum Abschied mit mir mied. Zumindestens an diesem Tag wollte er nichts mehr mit mir zutun haben. Wahrlich, die freudige Nachricht, die Heike überbringen wollte, war eine sehr zerstörerische. Die Fahrt von Elfenwiese nach Neustadt hatte an jenem Tage für mich etwas mit dem Stichwort „Höllenfahrt“ zu tun. Ein schmerzender Gedanke jagte den anderen über die Bahnen meines Bewusstseins. Da fährt man von dannen obwohl man nichts lieber auf der Welt getan hätte als zu bleiben. Oberflächlich fühlte ich mich unschuldig und in der Tiefe meine Seele so unendlich schuldig. Jetzt merkte ich, wie sehr Elke und ich im Laufe der Jahre zu einer Einheit zusammen geschmolzen waren und hatte das Gefühl, das diese Einheit nun wohl für immer zerbrochen wäre. Wie war ich doch so stolz auf meine Elke, die von allen Leuten deutlich jünger wie ihr tatsächliches Alter – 49 Jahre – eingeschätzt wurde und jetzt sollte ich sie, vielleicht für immer, verloren haben. Desgleichen war ich stolz auf meinen Jungen, der so eine tolle Frau gefunden hatte und dessen Glück ich nun glaubte zerstört zu haben. Jetzt saß ich im Wagen neben der Frau, dessen Tochter ich „geschändet“ hatte. Ich steigerte mich so richtig in eine apokalyptische Vision. Am Liebsten hätte ich mich dem Heulen und Schluchzen hingegeben, aber ich genierte mich vor Karin, die zwar Björns Schwiegermutter aber für mich nach wie vor noch eine Fremde war. Karin versuchte immer wieder mich einerseits zu trösten und andererseits abzulenken. Immer wieder begann sie ein anderes Gespräch aber ich war nicht bei der Sache. Na ja, dann wandte Karin eine Keule, über die ich mich unter anderen Umständen sehr erbost erwehrt hätte, an: „Sage mal Reiner, wie gefalle ich dir eigentlich?“. „Ja, ja, ganz nett“, erwiderte ich etwas abwesend, „und im Moment bin ich froh, dich zu haben.“. In diesem Moment hielten wir vor einer roten Ampel an und so konnte sie mich beim Weitersprechen von der Seite ansehen: „Ach Reiner ich meinte nicht so ... nicht vom Wesen, sondern ich meine wie ich dir als Frau gefalle.“ Mehr in der Intention ein weiteres Gespräch abzuwürgen sagte ich: „Ja, du bist schon ganz attraktiv.“. Als sie jetzt weitersprach merkte ich, das offensichtlich eine ganze Menge Geilheit in ihrer Stimme lag: „Würdest du mit mir schlafen?“. Am Liebsten hätte ich ihr jetzt empört den Marsch geblasen. Schließlich liebte ich meine Frau und wäre liebend gern in diesem Moment wieder umgekehrt um mit der von mir geliebten Frau noch einmal von Vorne zu beginnen. Jetzt saß ich da im Wagen der Frau, die mich, unter Ausnutzung der Situation, vernaschen wollte und war ihr quasi ausgeliefert. Nach meinen Gefühl hätte ich ihr jetzt mächtig den Marsch blasen müssen, aber stattdessen antwortete ich „Ja, ja ... das können wir machen.“. „Dann wird es einfacher, dann kannst du gleich in mein Schlafzimmer einziehen; dann brauchen wir keine großen Experimente zu machen.“, erwiderte jetzt Karin mit einer freudig zitternden Stimme. Jetzt musste ich mich doch mit der halben Wahrheit wehren: „Aber bitte heute noch nicht, mir steht der Kopf ganz woanders. Ich kann nicht.“. Mit „Ach Reiner,“ begann Karin jetzt eine Ausführung, „das habe ich auch gar nicht gemeint. Ich kann es zwar nicht abwarten, da ich schon bald ein Jahr nichts mehr hatte. ... Das letzte Mal war ich mit meinem Mann in den Urlaubsmonaten im letzten Jahr zusammen – im Bett war er nicht wie im Hotel der große Macher. Und irgendwie habe ich das Gefühl so etwas zu gebrauchen. Was soll es, ich bin halt auch ein Wenig triebhaft. Das es heute nichts werden kann, ist mir klar. ... Mir wäre in einer solchen Situation auch nicht danach. Auch ich bin wohl heute nicht dazu aufgelegt, denn was Heike und du da fabriziert habt, ist natürlich auch nicht ohne Spuren an mir vorrübergegangen. Ich hatte mir nur überlegt, wie wir das jetzt am Besten in meiner kleinen Wohnung machen sollten. Da kam mir der Gedanke, dass wir, wenn ich dich sowieso vernaschen will, da erst überhaupt keinen großen Wirbel machen brauchen ... dann kannst du gleich bei mir im Schlafzimmer einziehen.“. Nun, eine freudige Botschaft war dieses an diesem Tage nicht, aber ich fügte mich, weil ich glaubte keine Alternative zu haben. Ich muss sagen, dass ich mich in diesem Augenblick verraten und verkauft fühlte. In meinen Augen war Karin jetzt ein ganz schäbiges Wesen. Hatte sie doch eine, für mich fatale Situation, für ihre eigenen sexuellen Begierden ausgenutzt. Während dieser Fahrt – überhaupt an diesem Tag – wagte ich aber nicht mit ihr darüber zu diskutieren sondern ließ alles über mich ergehen. Erst deutlich später war ich bereit ihre diesbezüglichen Erklärungen entgegenzunehmen und auch zu verstehen. Sie wollte wirklich keine Situation ausnutzen. Auch sie ist von der Geschichte vollkommen überrascht worden. Im Traum hätte sie nicht daran gedacht, dass so etwas
zwischen mir und ihrer Tochter passieren konnte. Im ersten Augenblick, als sie von der Angelegenheit erfuhr, war sie maßlos von ihrer Tochter enttäuscht und hatte Hassgefühle gegen mich empfunden. Das wandelte sich dann als Heike jämmerlich weinte und ihre Beweggründe schilderte. Sie konnte diese nachvollziehen und überlegt, dass sie möglicher Weise in einer solchen Situation, in der sich ihre Tochter befand, selbst auf so eine Idee hätte kommen können. Mich konnte sie jedoch in diesem ersten Augenblick allerdings noch nicht verstehen. Sie hatte sich gefragt, wie ich als gestandener Mann mich auf so etwas habe einlassen können. Als sie sich dann aber eine Lösung für diese Angelegenheit überlegte, ging es ihr in erster Linie nur um Heike und Björn. Sie war der Meinung, dass, wenn sie keinen Weg gefunden hätte, wirklich alles auseinander gebrochen sei. Nicht nur meine Ehe sondern insbesondere auch die der jungen Leute wäre mit Sicherheit hinüber gewesen. Während sie intuitiv glaubte, dass es für Elke und mich immer noch einen Weg wieder aufeinander zu gäbe – schließlich lassen sich über 25 glückliche Jahre nicht so einfach ausradieren, aber schätze sie die Prognosen für Heike und Björn, die aber nach ihrer Überzeugung unbedingt zusammen gehörten, so günstig nicht ein. Also engagierte sie sich in der beschriebenen Weise. Während ihres Engagements überlegte sie sich, was ihre Tochter wohl empfunden habe als sie sich mit mir einließ. Ihr Schluss aus dieser Überlegung war, das ich doch noch ein ganz „knackiger Kerl“ sei, mit dem wohl bei auch jungen Frauen gewisse Abenteuer nicht unangenehm erscheinen. Bei ihr selbst, die von ihrem Mann diesbezüglich nie sehr verwöhnt worden war, hatte ich schon beim ersten Treffen das Gefühl ausgelöst, dass sie mit mir auch mal gerne möchte. In dem Moment wo sie sich für die „Lösung“ stark machte, dachte sie dann auch daran, dass sich aus den sich hieraus ergebenden Wohnverhältnissen auch etwas für sie ergeben könnte. Als sie von Elke gefragt wurde ob sie vor dem Sittenstrolch und Tagedieb keine Angst habe, hat sie genau umgekehrt gedacht, wie sie antwortete. Ihr wahrer Gedanke war „Das wäre ja mal schön.“. Die Antwort die sie aber gab, war ihrerseits nur darin begründet, dass sie es für richtiger hielt, dass Elke und ich, wenn die ersten Sturmeswogen geglättet wären, wieder zueinander finden könnten. Sie wollte also „nur“ einen Seitensprung mit mir und beim besten Willen keinen Ehebruch. Ihre Überlegung während der Fahrt waren dann tatsächlich nur praktischer Natur. Ursprünglich gedachte sie mich im Wohnzimmer „einzunisten“ und im Schlafzimmer wollte sie weiterhin die Alleinherrschaft behalten. Was ja im Grunde einem eingeschobenen Seitensprung im Grunde auch nicht im Wege gestanden hätte. Was ihr jedoch kompliziert erschien war wo ich meine Sachen lassen sollte. Wenn ihr Vorsatz tatsächlich in der Wiederherstellung der alten Ordnung lag, mussten wir doch einen etwas längeren Zeitraum einkalkulieren. Jetzt konnte ich nach ihrer Ansicht nicht die ganze Zeit aus im Wohnzimmer stehenden Koffern leben. Im besagten Raum gab es von der Einrichtung her keine Möglichkeiten, dass ich meine Sachen auspacken und einräumen konnte. Da blieb ihr so oder so nichts anderes als sich mit mir den im Schlafzimmer stehenden Kleiderschrank zuteilen. Den Schluss, den sie dann zog, war eigentlich logisch: Wenn ich, während ich bei ihr wohnte, meine Sachen bei ihr im Schlafzimmer hätte und sie ohnehin mit mir mal bumsen möchte, warum sollte ich dann nicht gleich in diesem „heiligen“ Raum einziehen. Na ja, so kam es dann, dass ich in der Neustädter Wohnung von Karin so einzog wie in eine Lebenspartnerschaft. Am Abend dieses Tages „stiegen“ wir dann auch gemeinsam in ihr 1,40 Meter breites Furttonbett. Es regte sich auch einiges bei mir, als sich diese doch recht attraktive Frau, an der noch alles knackig war, was Männer sich vom anderen Geschlecht versprechen, in meiner Gegenwart auszog. Aber abgespielt hat sich in dieser Nacht dann aber weiter nichts. Zu sehr war ich doch mit meinen Kummer und Sorgen beschäftigt. Statt mir erotische Gedanken zu machen heulte ich mich lieber wie ein kleiner Junge in meinem Kopfkissen aus. In diesem Schlafzimmer sollte sich, wie es sich in Folge erwies, überhaupt nichts aus mir und Karin werden. Es kam mal wieder alles anders, wie beabsichtigt. Diesmal kam die Wende schon sehr schnell, schon in der ersten Nacht. Aber dieses sollte mir jetzt ein eigenes Kapitel wert sein. Also, blättern Sie einfach mal um.
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Wenn das Herz nicht mitspielt In dieser ersten und auch letzten Nacht in Karins Wohnung fiel mir das Einschlafen furchtbar schwer. Immer wieder jagten erheblich schmerzende Gedanken durch mein Gehirn. Laufend verspürte ich einen starken Weltschmerz und nicht nur einmal dachte ich daran, nun diesem Leben zu entfliehen. Daran, wie ich letztlich dann doch eingeschlafen bin, habe ich keinerlei Erinnerungen. Das Erste, was ich wieder weiß ist, wie es beim Aufwachen war. Als ich die Augen aufschlug erblickte ich nicht das Schlafzimmer, dass ich am Tage zuvor kennen gelernt hatte, sondern mich umgab die, auf Normalbürger immer sehr unheimlich wirkende Atmosphäre einer Intensivstation. Statt Karin erblickte ich eine grün gekleidete fremde Dame, die mich, als sie feststellte, dass ich meine Augen aufgeschlagen hatte, ansprach: „Herr Wolf, sind sie wach, können sie mich verstehen?“. Zum dritten Mal in meinem Leben meldete sich mein, offensichtlich angeborener Herzfehler, um die Weichen meiner Lebensbahn in eine andere Richtung zu stellen. Karin, die selbst innerlich sehr aufgewühlt war, hatte insbesondere wegen ihres mehr als unruhigen Bettnachbars nicht einschlafen können. So etwa gegen 2 Uhr vernahm sie plötzlich ein Stöhnen und Röcheln – und dann war wieder eine sie erschreckende Ruhe. In diesem Moment fühlte sie sich wieder in den Augenblick als ihr Mann verstarb versetzt. Sofort sprang sie zum Telefon und wählte die Nummer 112, mit dem sie den Notarztwagen zu ihrer Wohnung beordert. Mein Herz hatte einfach nicht mehr mitgespielt. Meine ersten Worte nach meinem Aufwachen sollen in etwa so gelautet haben: „Ach, warum muss ich nur wieder aufwachen, warum kann es das nicht gewesen sein?“ Selbst kann ich mich daran jedoch nicht mehr erinnern. Für die Schwester auf der Intensivstation war das aber ein bedrohliches Alarmsignal. Der Mensch ist bekanntlich eine Einheit aus Körper und Geist. Wenn der Geist nicht will, kann man dem Körper nicht helfen. Die tollste Apparate- und Pharmamedizin nutzt absolut nichts wenn der Mensch aus seiner eigenen Geisteskraft nicht will. Und mit meinen ersten Worten hatte ich wohl klar und deutlich ausgedrückt, dass ich nicht mehr wollte. Die Schwester, die mein Aufwachen beobachtet hatte, handelte daraufhin also folgerichtig: Zu erst sprach sie ein paar nette Worte zu mir und begab sich dann von dannen um den zuständigen Arzt zu verständigen. Aber nicht nur der Arzt suchte mich danach auf sondern nach etwa einer halben Stunde kam noch ein weiterer Besuch: Heike. Karin hatte zwar nicht gleich in der Nacht aber sofort am Morgen in Elfenwiese angerufen und von meinem „Infarkt“ berichtet. Und von dem, was dann kam, erfahren wir, wenn ich gleich von Heikes Besuch berichte. Sie kam also in einem vorgeschriebenen grünen Kittel in den Raum und trat an mein Bett: „Hei Papa, was machst du denn für Sachen?“. Und dann blickte sie auf die, in diesem Moment anwesende Schwester und fragte: „Darf ich meinem Papa einen Kuss geben?“. Die Befragte bejahte mit einem freundlichen „Ja, natürlich“ und verließ im gleichen Moment auch den Raum. Nach dem ich einen dicken Wangenkuss entgegen genommen hatte, fragte ich gleich besorgt: „Wissen Björn und die Mama davon, das du hier bist.“. Schließlich hatte ich nun endlich genug von gutgemeinten Hintergehungen. „Natürlich,“ antworte Heike in freundlichen Beruhigungston, „ich habe jetzt genug von Heimlichkeiten zwischen uns beiden. Meine Mutti hat heute morgen die Mama angerufen ... und die war gleich kreidebleich und hat gleich geweint. Ich glaube, die liebt dich trotz allem ganz fürchterlich und zwischen euch beiden ist es bestimmt noch lange nicht aus.“ Ach was taten mir diese Worte gut, denn ich wusste inzwischen, dass Elke mein Leben war und das mich nichts an einem Erdendasein ohne sie an meiner Seite zu haben reizte. Heike legte eine kurze Pause, in der sie ein Lachen andeutete, ein und fuhr dann mit einem Ton, wie man zu kleinen Kinder „du, du“ sagt, fort: „Aber wenn du dich immer wieder verführen lässt, dann legst du dir selbst die Stolpersteine.“. „Wie kommst du denn auf so etwas?“, fragte ich mich verdutzt stellend. Worauf mir Heike ihre Wahrnehmung offenbarte: „Ich bin ja schon heute morgen, gleich hierher ins Krankenhaus gekommen, aber du warst noch nicht bei Bewusstsein. Da bin ich zu Mutti ... die dich auch gerne besucht hätte, die aber hier, weil sie keine direkte Angehörige ist, nicht rein gelassen wird. Mutti hatte zuhause die Betten noch nicht gemacht und da konnte ich mir an drei Finger abzählen, wo du geschlafen hast. In der Verfassung wie du gestern warst, konnte der Gedanke nicht von dir gekommen sein. Aber wenn du dich immer wieder von den ‚Kreisler-Weibern’ verführen lässt, dann dürfte das nicht gerade zu einem Klimawechsel bei Mama beitragen. ... Aber keine Bange, ich verpfeife euch nicht.“. Jetzt nach dem ich die für mich wichtigsten Fakten, die mir jetzt sehr in meinem Wohlempfinden halfen, wusste, kam doch irgendwie ein Dämmerzustand über mich und genau kann ich mich demnach auch nicht mehr an einzelne Dinge, die jetzt folgten, erinnern. Ich weiß nur noch, dass mir Heike anschließend noch vom Ablauf dieses Morgens berichtet hat. Dieser „Bericht“ war natürlich nur kurz und bündig. Erstens hatte man Heike für den Besuch auf der Intensivstation recht wenig Zeit gegeben und zweitens schien ich ja auch nicht gerade der aufmerksamste Zuhörer zu sein. Also reichere ich jetzt, des Verständnis halber, den Bericht mit den Details an, die ich erst später erfuhr. Als am Montagmorgen im Elfenwieser Grünen Baum das Telefon schellte ging Elke in Windeseile an den Apparat. Heike hatte den Eindruck, als habe meine Frau auf einen Anruf von mir gewartet. Auch Elke hatte nach eigenen
Bekunden eine unruhige Nacht hinter sich. Zu Björn hat sie gesagt, dass sie die ganze Nacht kein Auge zugetan habe. Dieses ist in eine Aussage, wie sie wohl ein jeder schon mal getätigt hat aber die fast nie stimmt. Natürlich befinden sich in unserem Bewusstsein nach einer unruhigen Nacht immer nur die Wachphasen. Von den meist sogar größeren Momenten wo wir tatsächlich geschlafen haben, wissen wir am nächsten Morgen nichts mehr. Da wir aber lieber geschlafen hätten, kommen uns die Wachphasen, an die wir uns erinnern, wie die ganze Nacht vor. Aber lange Rede, kurzer Sinn: Auch Elke war es in dieser Nacht im Inneren nicht besser ergangen wie mir. Der einzigste aber gravierende Unterschied war wohl, das mein Herz nicht mitspielte. Aber nicht ich, wie Elke offensichtlich gehofft hatte, sondern Karin war am Telefon. Die Anruferin war offensichtlich selbst noch gehörig durcheinander und hat prompt und ohne Umschweife gesagt, ich hätte einen Herzinfarkt – ein Infarkt war es allerdings noch nicht – erlitten und läge auf der Intensivstation des Neustädter Krankenhaus. So war unsere 3-köpfige Familie Wolf, die in Wannebachtal-Elfenwiese wohnte, komplett hintereinander im siebzig Kilometer entfernten Neustädter Krankenhaus gelandet. Die Mitteilung von meinem „Infarkt“ hatte Elke so „umgehauen“, als sei am Tage vorher nichts geschehen. Sofort hat sie die „Kinder“, die auch sehr erschrocken und entsetzt waren, informiert. Björn war es, der den Vorschlag zum sofortigen Aufbruch nach Neustadt machte. Dieser Vorschlag brachte Elke dann wieder zurück in die harte Realität des Vortages. Sie kommentierte: „Also, so etwas hat der Tagedieb nicht verdient. Aber vielleicht bringt ihm das wieder ein Bisschen zur Vernunft. ... Dann wollen wir mal weitersehen. Jetzt dürfen wir aber noch nicht nachgeben.“. Sie legte eine nachdenkliche Pause ein und stöhnte dann: „Wenn ich nur wüsste, was jetzt richtig ist.“. Dieses war der Punkt, an dem auch Heike sich nicht mehr halten konnte: „Ach Mensch, warum nur, warum nur? Ich entwickele mich richtig zur Vatermörderin. Sicherlich habe ich an dem Herzinfarkt meines Vatis zumindestens eine gehörige Mitschuld. Und jetzt Papa, ... da glaube ich sogar die Alleinschuldige zu sein. Er ist ja nicht auf die Scheißidee, weshalb wir jetzt Theater haben, gekommen sondern das war ja schließlich ich alleine in meiner Torschlusspanik. Mann, ich muss zu ihm und sehen was ich für ihn tun kann. Ein Mord reicht mir.“. Na ja, nun hatten Elke und Björn erst einmal alle Hände voll zu tun, Heike von ihren Schuldvorstellungen abzubringen. Mit Sicherheit hätte sie – und hat sie auch nicht - keine Schuld an dem Tod ihres Vaters und hätte ich die Herzattacke nicht überlebt, wäre sie daran auch keine Schuld gewesen. Sie hat im Grund immer nur das Richtige gewollt aber dabei Fehler gemacht. Sie hat weder aus niedrigen Beweggründen noch vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt. Nirgendwo hat sie irgendwelche Schäden billigend in Kauf genommen. Sowohl juristisch wie moralisch trägt sie also keinerlei Schuld. Und die schwachen Männerherzen hat sie wohl auch nicht zu verantworten. Aber letztlich war man sich im Wolfschen Familienkreis einig, dass sich doch Einer oder Eine von ihnen sich um mich kümmern müsse. Elke und Björn waren, aus meiner Sicht auch zu recht, der Meinung, dass sie selbst erst noch ein Wenig Zeit bräuchten um das, was am Vortag auf sie zugekommen war, zu verarbeiten. Es ging ihnen weniger darum, dass sie momentan noch nicht in der Lage wären mich zu besuchen sondern darum, dass Emotionen etwas hervorbringen könnten, was einem später leid tut und durch das dann eventuell falsche Weichen gestellt werden könnten. Elke gab zu, dass sie selbst noch nicht wusste wo sie stünde und wohin sie sich begeben müsste. Es blieb also nur eine Person für den Besuch und das war Heike, die ja auch eigentlich wollte. Sie fuhr dann auch gleich auf dem direkten Wege zum Krankenhaus und wurde dort im Gegensatz zu ihrer Mutter als Schwiegertochter sofort zu mir vorgelassen. Ich war aber noch nicht bei Bewusstsein und so zog sie auf Empfehlung des Intensivarztes dann auch nach 5 Minuten von dannen. Natürlich suchte sie, wo sie schon mal in Neustadt war, ihre Mutter auf. Im Krankenhaus hatte sie Bescheid gegeben, dass man sie auf ihrem Handy informieren sollte wenn ich wieder bei Bewusstsein sei. Bei Karin wartete dann eine böse Überraschung auf Heike. Ihre Mutter hatte gerade in dem Moment die Schlafzimmertür geöffnet, weil sie die Betten machen wollte, als Heike anschellte. So konnte die Tochter auf Anblick sehen, was sich abgespielt hatte. Dem Bett war unzweideutig anzusehen, dass darin Zwei geschlafen hatten. Außerdem standen meine drei Koffer im Schafzimmer und zwei davon waren leer, weil deren vorhergehender Inhalt schon am Vorabend in den Kleiderschrank eingeräumt worden war. Natürlich konnte Heike Eins und Eins zusammenzählen und wetterte auch gleich los: „Sag’ mal Mutti, hast du eigentlich einen Knall. Nutzt gleich die Gelegenheit, dass ich und mein Schwiegervater sich gehörig daneben benommen haben aus und holst dir Reiner ins Bett. Gerade du, ... was hast du denn gestern erst getönt, als du raus gekriegt hast, dass ich mich von ihm hab’ schwängern lassen. .... Hat es dir denn jedenfalls noch Spaß gemacht?“. Karin fühlte sich ertappt und rastete erst einmal völlig aus, was Heike zunächst dazu veranlasste, das Haus wieder zu verlassen. Karin konnte sie jedoch an der Autotür abfangen und wieder ins Haus holen. Da haben sie sich dann bis zum Anruf vom Krankenhaus erst einmal nach Heikes Worten einen „Eimer“ Kaffee zu Gemüte geführt. Dabei haben sie sich ausgesprochen; nicht nur von Mutter zur Tochter und umgekehrt sondern auch von Frau zu Frau. Ja, das berichteten mir später sowohl Heike wie Karin. Da ich weder Mutter noch Tochter noch Frau bin, blieb mir allerdings das was besprochen wurde unzugänglich. Also, davon kann ich wirklich nichts berichten. Ich weiß nur
von dem Ergebnis dieser großen Unterredung: Die Beiden haben sich aussprechen und sich verstehen können. Heike meinte sogar, dass durch diese Aussprache das Verhältnis der beiden Frauen zueinander sogar besser und inniger wie vorher geworden wäre. Jetzt wollten sie gemeinsam dafür sorgen, dass auch in der Familie Wolf nach finsterer Nacht wieder die Sonne aufgehen könne. Aus dem, was sie gerade selbst erlebt hatten, zogen sie die Konsequenz, dass offene Gespräche unter vier Augen der wohl beste Weg zur Lösung von Konflikten sei. Sobald ich aus dem Krankenhaus raus sei, wollten sie sich gemeinsam und auch jede für sich einzeln dafür stark machen, dass es zu einem solchen Gespräch zwischen mir und Elke kommen sollte. Vernünftig erscheint mir auch, dass sie nichts mit Tricks und Zwang erreichen könnten sondern dass sie den Faktor Zeit arbeiten lassen müssten. Vielleicht ergäbe es sich auch, dass mich Elke und/oder Björn im Krankenhaus besuchten. Aber wenn nicht, wollten sie trotzdem den Kopf nicht hängen lassen und immer am Ball bleiben. Dieser Besuch am Montag, dem 11. September des Jahres 2000, war nicht der einzigste Besuch den mir Heike während meines Intensivstationsaufenthaltes abstattet. Sie kam täglich vorbei. So wurde ich genau so von ihr „versorgt“ wie zuvor ihr Björn und Elke auch. Nur, den Zeitaufwand den Sie für ihren Björni aufgebracht hatte, erbrachte sie für mich natürlich nicht. Das hatte einmal den praktischen Grund in der Besuchszeitbegrenzung auf der Intensivstation und zum anderen wäre es, meines Erachtens, auch unfair gegenüber ihrem geliebten Mann gewesen. Grundsätzlich führte sie mit mir immer nur nette aufmunternde Gespräche. Natürlich bewegte mich auch durchgängig wie es zuhause lief und wie die Einstellung meiner Frau und meines Sohnes zu mir nun stünde. Heike tat diese aber immer sehr schnell damit ab, dass auch diese sich stets nach mir erkundigten und das sich deren Stimmungslage zu mir langsam und kontinuierlich bessere. Wenn ich dann nachbohrte, bekam ich zuhören, dass ich mir doch weiter darüber keine Gedanken machen sollte und stattdessen sollte ich mich lieber darum kümmern sollte, dass ich wieder auf die Beine käme. Bis zum darauffolgenden Sonntag, also bis zum 17. September, war Heike meine einzigste Besucherin. Das änderte sich jedoch schlagartig, als ich nach genau einer Woche, also am Montag, von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt worden war. Heike hatte schon am Tag vorher davon erfahren und konnte ihrer Mutti also Bescheid geben, dass sie mich nun auch besuchen könne. So erschienen dann kurz vor Drei Mutter und Tochter gemeinsam in meinem Krankenzimmer. Karin hatte zunächst einmal das große Bedürfnis, sich bei mir zu entschuldigen. Daher sagte sie gleich nach der Begrüßung in Gegenwart von Heike: „Reiner, entschuldige dass ich dich, als du psychisch gar nicht aufnahmefähig warst, verführen wollte. Ich bin auch nur eine Frau aus Fleisch und Blut ... und es ist bei mir weder etwas zugewachsen noch ausgetrocknet. Und da ist halt mein Urtrieb mit mir durchgebrannt. Du bist aber auch ein verdammt toller Kerl ... Aber du gehörst einer Anderen und das ist Elke und das habe ich nicht berücksichtigt. Bitte entschuldige.“. Jetzt hing sich Heike an: „Das was Mutti sagte, habe ich auch nicht getan als ich mit meinem delikaten Anliegen zu dir kam und deshalb schließe ich mich der Bitte um Entschuldigung an.“. Nun musste ich mich gegenüber den beiden Damen doch bekennen: „Ach lasst mal, wenn ihr euch entschuldigt, müsste ich das eigentlich auch. Denn meine eigene Geilheit spielte bei der ganzen Geschichte schon eine große Rolle. Als ich euch beide kennen lernte rumorte bei mir einiges. Da war schon ein heißer Wunsch euch beiden in die Wäsche zu gehen. Sonst wäre das gar nicht möglich gewesen. Mensch Heike, statt gleich mit dir los zu bumsen, hätte ich doch auf eventuelle Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung hinweisen müssen. Durchgeschnittene Samenleiter heißt, so wie ich schätze, ja nicht verödete Hoden. Und der Samen entsteht doch im Hoden. Da hätte man doch Björn Samen entnehmen können und du hättest dich damit künstlich befruchten lassen können. Und wenn alle Stricke reißen, hätte ich ja, dann auch sowohl mit Elkes wie mit Björns Zustimmung als Samenspender zur Verfügung stehen können. Da hätten wir nicht miteinander bumsen müssen. Und was dich Karin anbelangt ... Von dir bin ich ehrlich gesagt trotz allem noch nicht ab. Mit dir möchte ich immer noch.“. „Das lassen wir aber lieber mal sein“, hing Karin, jetzt etwas verschämt klingend, an. Danach schloss sich dann doch eine nette, aufmunternde Unterhaltung an. Ich konnte es zwischendurch jedoch wieder nicht lassen, mich nach meiner Frau und meinem Sohn zu erkundigen. Nun erfuhr ich, dass Elke inzwischen in Erwägung zieht, dass wir mittelfristig doch mal wieder zueinander finden könnten. Aber, so meint sie, müsse ich doch erst einmal eine „Bewährungsstrafe“ haben, bei der sie wiederum dann Gelegenheit habe zu sich selbst zufinden. Laut Heikes Worten kann sie sich vorstellen, dass wir uns zu Weihnachten wieder versöhnen könnten und dann einen Neuanfang machen sollten. Beide, sowohl Heike wie auch Karin, rieten mir, den Vorschlag, wenn er offiziell an mich herangetragen wird, anzunehmen und bis dahin keine Dummheiten mehr zu machen sowie mich auch nicht wieder verführen zu lassen. Von Björn berichtete mir Heike dass er sich jetzt überlegt habe, was er, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre, wohl gemacht habe. Er wäre jetzt der Meinung, dass auch er zur Zeugung bereit gewesen wäre. Er konnte sich nun vorstellen, dass wir beide in erster Linie aus Liebe zu ihm gehandelt hätten. Was er aber immer noch nicht verstehen könnte, dass es ein Liebesakt mit allen Drum und Dran, also mit Petting und Schmusen, sein musste. Diesbezüglich hatte Heike selbst auch noch recht schlechte Karten bei ihrem Mann, denn sie hatte ihm gegenüber ehrlich zugegeben, dass es ihr doch mit mir Spaß gemacht habe.
Mein Besuch war etwa eine Stunde bei mir, als erneut die Tür des Krankenzimmers aufging und ein weiterer Besucher herein kam. Das war für mich ein wirklich toller Glücksmoment, denn es war Björn. „Hei Papa, altes Haus, was machst du denn für Geschichten?“, begrüßte er mich überfreundlich und dann fuhr er fort: „Komm reich mir deine Hand und dann ist die Sache, die uns beinahe getrennt hätte, vergessen. Schwamm drüber.“. Dann komplimentierte er erst mal die beiden Damen hinaus, um mir etwas unter vier Augen sagen zu können: „Ach Papa, ich habe mir die ganze Sache mal richtig überlegt. Dabei bin ich darauf gekommen, dass du vielleicht meine Ehe gerettet hast. Da habe ich doch von Fällen gehört, dass Frauen ihren Mann verlassen haben, weil der Kinderwunsch doch allzu groß war. Und im Grunde habe auch ich wirklich von einer richtigen Familie geträumt. Stell dir nun vor, dass ich dann praktisch mehrfach für etwas gestraft worden wäre, was ich gar nicht getan habe. Ich kann doch nichts dafür, dass der arme Tropf (gemeint war der Exkoch vom Waldhotel) praktisch ins Alterselend entlassen wird. Was wäre das für ein harter Brocken für mich gewesen, wenn ich deshalb noch mein zauberhaftes Heikelein verloren hätte. ... Dahingehend hast du mir ja eigentlich geholfen. Es könnte sein, dass wir dich dahingehend noch einmal in Anspruch nehmen müssen, denn es wäre ja schön, wenn unsere Sarah noch ein Brüderchen oder ein Schwesterchen bekäme.“. An dieser Stelle musste ich unterbrechen „Sarah, das wisst ihr schon?“. „Jo,“ fuhr Björn jetzt fort, „das ist ja heutzutage mit Ultraschall kein Problem mehr. Aber damit das klar ist: Du kriegst keine Tochter sondern eine Enkeltochter. Sarah wird meine Tochter sein. Man kann nämlich fragen, wer der wahre Vater ist. Ist es der, der ein Kind gezeugt hat oder derjenige der es mit Liebe groß gezogen hat. Im Idealfall ist das ein und dieselbe Person. Sind es aber zwei Personen, dann ist es derjenige, der es groß gezogen hat ... und das wäre in Sarahs Fall nur ich, ich alleine. Du darfst nur den lieben Opa spielen.“. Das einzigste, was ich darauf erwidern konnte war: „Das freut mich mein Junge. Was aber das Brüderchen oder Schwesterchen anbelangt, das machen wir dann aber per künstlicher Befruchtung. Wenn es sein muss, bin ich dann auch zur Samenspende bereit.“. „Rede kein Quatsch,“, konterte Björn jetzt, „Kinder werden mit Liebe gemacht und zur Liebe gehört Spaß. In diesem Fall bekommen meine Frau und mein Vater eine Ausnahmegenehmigung. ... Problem ist nur, wie wir das, wenn es soweit ist der Mama beibringen.“. Jetzt mussten wir beide lachen und Björn erhob sich daraufhin um die Frauen wieder hereinzulassen. Bei der anschließenden Plauderei versorgte mich Björn mit den Neuigkeiten aus der Gemeinde Wannebachtal. Darunter sollte dann eine Nachricht mit ganz besonderer Brisanz für mich sein. Die Sporthalle Rainberg ist sanierungsbedürftig. Die Roten und die Schwarzen im Rat haben sich bereits darüber zusammen geklüngelt, dass sie nicht sanieren sondern abreißen wollen und an der Stelle eine Mehrzweckhalle mit Gesellschaftsräumen und Möglichkeiten für Eigengastronomie gebaut werden solle. Da sollten dann all die Veranstaltungen, die bisher im Grünen Baum stattfanden, hin verlegt werden. Das wäre dann, das Aus für meinen Laden. Von der Kneipe allein kann man nicht leben, zumal diese auch zur Hälfte auch noch von Leuten, die von der Ratssitzung oder einer Veranstaltung übrig geblieben waren, besucht wurde. Meine erste Reaktion war: „Mann, da müssen wir ja was machen, das wäre unser Aus.“. „Ach Papa,“, beruhigte mich Björn, „du weißt doch, wie so etwas bei der öffentlichen Hand abläuft. Da hat mal einer eine Idee und dann nudelt die Amtmühle. Bis die ihre Einfälle mal in die Tat umgesetzt haben, hat eine alte Oma eine ganze Insel bevölkert und alles ist mindestens doppelt so teuer geworden. Also kannst du dich erst mal auskurieren und wenn du dann nach Hause kommst, kannst du dann ganz, ganz langsam überlegen was du machen willst. Wie ich dich kenne, bist du dann immer noch doppelt so schnell wie die Beamtokraten.“. Damit hatte ich jetzt erstmals von einer Sache erfahren, die uns später in dieser Geschichte noch beschäftigen wird. In einer anderen Hinsicht, auf die Björn jetzt kam, erscheint die Geschichte mit der Rainberger Sporthalle im Moment viel wichtiger. Davon berichtete mir mein Sohnemann jetzt: „Apropos Zuhause. Ich hatte, bevor ich hierher kam einen Plausch mit Mama. Ich soll euch von ihr einen Vorschlag unterbreiten: Wenn auch Mutti (Karin) zustimmt will sie mit dir, Papa tauschen. Sie will bei Mutti Unterschlupf finden und du sollst den Laden schmeißen. Natürlich sollst du dich nicht kaputt arbeiten aber dafür hast du ja uns, Heikelein und mich, zur Hand. Na ja, wenn Heike dann zwischendurch wegen unseres Kindes ausfällt, dann hast du mich ja noch immer als Vollkraft und ... das ist jetzt nicht Mamas Vorschlag sondern meine Meinung – bis dahin dürften sich die Wogen zwischen Mama und dir auch wieder geglättet haben - und die ist bestimmt bis dahin wieder da.“. Wie er berichtete erschien es Elke wichtig, dass ich vor Ort wäre und alles hinsichtlich der Rainberger Sporthalle mitbekäme. Für uns wäre die Angelegenheit mit Sicherheit sehr wichtig. Dann ergänzte Björn noch: „Da Heike und ich jetzt keine Angst mehr vor dem Sexmonster Reiner Wolf haben, spricht auch für Mama nichts mehr für einen Tausch des Wohnsitzes ... Nur Mutti muss noch zustimmen.“. Na ja, das tat Karin dann auch, womit die Weichen in eine neue, sogar etwas hoffnungsvoller aussehende Zukunft gestellt worden waren. Ich musste noch ein „paar Tage“ im Krankenhaus verbringen. Ganz so einfach war die Herzgeschichte wahrscheinlich nicht. Ich bekam nun aber jeden Tag Besuch, jedoch blieb es nicht wie bisher an meiner Schwiegertochter Heike hängen sondern sie wechselte sich mit ihrem Mann und ihrer Mutter Karin regelmäßig von Tag zu Tag ab. Lediglich des Sonntags erschien dann das junge Ehepaar Wolf, also Heike und Björn
gemeinsam. Einmal suchte mich auch Pastor Grabbert, unser Gemeindepfarrer, auf. Er ist fast drei Stunden bei mir geblieben. Sicher kann man sich denken, worüber wir sprachen. Natürlich über den Ehebruch, den ich mit meiner Schwiegertochter begangen hatte. Das „wir“ darüber sprachen ist wohl etwas falsch ausgedrückt, denn im Grunde war nur ich es der redete, redete und redete. Ich schüttete mir ihm gegenüber mein Herz aus und er hörte geduldig zu. Es war richtig erleichternd und wohltuend. Als ich später dann über diesen Morgen nachdachte, kam mir der Gedanke, dass man, wenn man einem Menschen helfen will ihm zuhören muss. Nicht Rat und Tat sind gefragt sondern einfach nur zuhören. Genau zwischen Erntedankfest, das in 2000 auf dem 1. Oktober fiel, und dem Deutschland-Jubeltag, also dem Tag der Deutschen Einheit, wurde ich dann nach Hause entlassen. Björn holte mich ab. Heike hatte zwischendurch schon meine Koffer aus der Wohnung ihrer Mutter geholt und mit nach Elfenwiese genommen. Also konnte Björn mich vom Krankenhaus direkt zum Grünen Baum bringen. An diesem Tage sollte dann der „Wohnsitztausch“ zwischen Elke und mir stattfinden. Meine Frau wartete noch Zuhause auf meine Rückkehr und wollte sich, nachdem sie noch ein paar geschäftliche Dinge mit mir besprochen hatte, dann mit Heike nach Neustadt zu Karin begeben. Ein solches Gespräch hatte es, bei meinem Auszug, ja schon einmal gegeben. Der „gewaltige“ Unterschied zwischen damals und heute lag darin, dass an diesem 2. Oktober die Atmosphäre gar nicht so frostig war. Elke sagte auch immer schön hübsch Reiner und nicht Tagedieb zu mir. Das brachte mich dann auch darauf zu sagen: „Ach Mäuschen, wollen wir es nicht wieder gut sein lassen und uns wieder vertragen. Ich liebe doch.“. Ich bekam nur „Reiner lass es und denk lieber mal darüber nach, was du gemacht hast“ zur Antwort. Allerdings wurde sie dabei keinesfalls frostig und es klang auch gar nicht barsch, was mir dann doch wieder Hoffnung machte. Aber ich beließ es auch dabei, denn, so wie ich Elke kenne, wäre das Ganze dann wieder in die Erstfassung rückgefallen. Das Wort „Tagedieb“ sollte an diesem Tag doch noch einmal aus Elkes Mund fallen; allerdings in meiner Abwesenheit. Sie war ja nun erstmalig in Karins 2½-Zimmer-Wohnung. Na ja, meine Frau ist nun mal ein misstrauisches Wesen und als ihr Karin, den Platz anbot, der mal für mich bestimmt war, also in ihrem Schlafzimmer und in ihrem Furttonbett, fragte meine Frau gleich: „War das auch der Platz, den du auch meinem Tagedieb angeboten hast?“. „Hör mal, was glaubst du denn?“, spielte Karin die Entrüstete, „Der musste schön hier im Wohnzimmer auf der Schlafcouch schlafen.“. Darauf sagte dann Elke nur noch kurz: „Ich weiß nicht, ihm würde ich das durchaus zutrauen.“. Dazu, ob sie es auch Karin zutrauen würde, hat sie, laut Heike, die mir dieses berichtete, sich dann nicht geäußert und auch Karin ist dann zur Tagesordnung übergegangen. Unsere Schwiegertochter hatte doch den Eindruck, dass Elkes Misstrauen nicht ausgeräumt sei. „Pass also auf, dass du dich nicht verplapperst“, riet mir abschließend noch meine Berichterstattung. So war ich nach einem Monat wieder heimgekehrt und immer noch nicht da, wo ich sein wollte. Mein Ziel war es wirklich wieder an die Seite meiner Frau zu gelangen. Trotz allem war ich guter Dinge, denn ich glaubte an diesem Tag praktisch schon ganz nahe, fast unmittelbar vor dem Ziel zu stehen. Deshalb war ich an diesem Tag innerlich recht fröhlich eingestellt. Da nun noch einige Seiten folgen, können Sie sich vielleicht denken, dass es mit der Zielnähe doch noch nicht so war, wie ich dachte. An dieser Stelle möchte ich sogar noch offen lassen ob ich das Ziel überhaupt erreiche. Lassen Sie sich ruhig überraschen und lesen noch ein paar Runden weiter.
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Drohende Enden im Doppelpack Wieder im eigenen Reich, sprich im Elfenwieser Grünen Baum, merkte ich, dass es mit der positiven Wende in der Einstellung mir gegenüber doch nicht ganz so war, wie mir dieses von Heike im Krankenhaus übermittelt worden wurde. Stopp, jetzt muss ich doch ein kleines Bisschen differenzieren: Björns neue Einstellung zum Vater war wirklich echt. Das lag aber weder an meiner väterlichen Ausstrahlung und auch nicht an einer bei ihm selbst von Innen gewachsenen Überzeugung sondern allein an den Einfluss, den seine Frau Heike, auf die er sehr stolz war, auf ihn ausübte. Björn war mit allem was an ihm dran ist seiner Frau verfallen. Freiwillig begab er sich „unter den Stiefel“ dieser wirklich sehr schönen und wesensnetten Frau. Ich glaube, dass er es nicht verkraften würde sein Heikelein zu verlieren. Das konnte unsere Schwiegertochter dann dazu nutzen um erstens ihm gegenüber selbst wieder der reine Engel, wie zuvor, zu werden und zweitens für mich mehr als nur Absolution zu erreichen. Na ja, Björn ist nicht aus der Art geschlagen. Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm. Im Grunde klebte ich an meiner Elke so wie er an Heike. Ich glaube, dass mein Klettentum an Elke bis heute trotz allem noch nicht wesentlich abgeschwächt ist. Und dadurch, dass ich darüber nachdachte, wurde mir dann auch klar, dass sich bei Elke bis zu diesem Zeitpunkt doch sehr wenig nach dem, für sie sicherlich schweren Schlag getan hat. Wir hatten ein paar Mal „geschäftlich“ miteinander zutun. Meist erledigten wir dieses telefonisch aber zwei Mal auch persönlich. Meine Frau blieb zwar mir gegenüber freundlich aber nach wie vor sehr reserviert. Meine Wiederannährungsversuche, die ich mit „Mausi“ oder „Mäuschen“ einzuleiten pflegte, hat sie sich energisch verbeten. Wenn man weiß, das Elke die Arbeit im Grünen Baum auf keinem Fall scheute sondern diese ihr sogar Spaß machte, insbesondere nachdem sie vor vier Jahren ihren Job im Wannemündener Reisebüro aufgegeben hatte, kann man doch gleich mutmaßen, dass das „Bäumchen wechsele dich“, also unser Ortswechsel aus Karins Wohnung in den Grünen Baum und umgekehrt, doch einen mehr ernstzunehmenden Hintergrund hatte, wie das aus Heikes und Björns Schilderung im Krankenhaus klang. Wir erinnern uns, dass es darum ging, dass der Rat in Rainberg anstelle der Turnhalle eine Mehrzweckhalle, die dem Grünen Baum das Wasser zum Leben entzogen hätte, bauen wollte. Björn hatte ja alles noch dadurch relativiert, dass er auf das bekannte und gewohnte Schneckentempo des Amtsschimmels hinwies. Es war aber bereits schon „Alarmstufe rot“ angesagt. Da wäre es doch besser gewesen, wenn sowohl Elke wie auch ich vor Ort gewesen wären. Da uns der Laden gemeinsam gehört, ging es auch um eine Angelegenheit im gemeinsamen Interesse. Meine Frau ist auch so clever und geschäftstüchtig, dass sie selbstverständlich auch selbst an meiner Stelle hätte in Elfenwiese operieren können. Nur in dem Falle, hätte sie bei bestimmten Gelegenheiten auf mich zukommen müssen und so war es umgekehrt; ich musste in Einzelfällen hinter ihr „herlaufen“. Sie konnte also aus der Defensive operieren. Daher wehte also der wahre Wind beim Tausch des Aufenthaltsortes und daran kann man ermessen, wie tief und nachhaltig mein Seitensprung mit meiner Schwiegertochter noch in meiner Frau bohrte. Wir lebten ja davon, das wir mit unserem Grünen Baum ein Veranstaltungsmonopol in der Gemeinde Wannebachtal besaßen. Der Grüne Baum hatte dank seines Saales und des Gesellschaftszimmer das Kneipensterben in ganz Wannebachtal überlebt. Grundsätzlich stellten wir die Räume, wenn die Veranstaltung mit Bewirtung von sowohl Speisen und Getränken verbunden war, kostenlos zur Verfügung. In den Fällen, wo wir nur Getränke anbieten konnten verlangten wir eine kleine Pauschale und letztlich bei Angelegenheiten ohne jegliche Bewirtung, zum Beispiel bei Ratssitzungen, verlangten wir eine angemessene Saalmiete. Das war zwar nicht die Welt aber eines der Hauptargumente von Rat und Verwaltung die Turnhalle Rainberg durch eine Mehrzweckhalle zu ersetzen. Wenn es um große Summen geht werden nicht selten ganz lockere Entscheidungen gefällt aber wenn es um Peanuts geht bohren Beamtokraten sehr tief in den, stets mit Details gefüllten Boden. Da wurden dann die Kosten, die beim Betrieb der Turnhalle ohnehin anfallen, mit den bei uns anfälligen Saalmieten aufgerechnet. Ein weiterer Punkt war dann auch, dass die Gemeinde durch die Vermietung von Räumen oder der gesamten Mehrzweckhalle an Vereine und Privatleute Einnahmen erzielen konnte. Für die Mieter würde sich das Ganze dann aber auch wieder rechnen, weil sie die Bewirtung unter eigener Regie durchführen können und somit die Bewirtungserlöse, von denen ja nichts für den Betriebsaufwand allgemein und Steuern abgezweigt werden muss, zur Kostendeckung und gar mehr verwendet werden können. Das in einem solchen Fall der letzte gastronomische Betrieb vor Ort schließen muss, fand in Rat und Verwaltung keine Beachtung. Natürlich diskutierte ich recht viel mit den Leuten, insbesondere mit dem Bürgermeister und den Vorsitzenden der vier Ratsfraktionen. Mein Argument, das marktwirtschaftliche Prinzipien auch auf Kommunen anzuwenden sind, fand bei ihnen jedoch kein Verständnis. Ich argumentierte damit, dass, wenn die Infrastruktur völlig zusammengebrochen wäre, also keine Gastronomie und kein Einzelhandel mehr vorhanden sei, die Gemeinde ihre Lebensqualität verloren habe. Die Leute, die nicht durch Eigentum gebunden wären, zögen weg und Neubürger ließen sich, weder als Siedlungs- noch als Mietwillige anlocken. Man ist ja schließlich nicht allein auf der Welt sondern man befindet sich in einem Konkurrenzumfeld mit anderen Städten und Gemeinden, die ebenfalls Neubaugebiete ausgewiesen hätten aber eine bessere Infrastruktur haben. Natür-
lich haben Bauwillige aus den umliegenden größeren Städten keine emotionale Bindung nach Wannebachtal und gehen dorthin, wo ihnen das Meiste für ihr Geld geboten wird. Für Wannebachtal würde das bedeuten, das die Gemeinde stirbt. Zukünftige Haushalte dürfte mit Sicherheit keiner mehr in den Griff bekommen. Das Wegbrechen der Infrastruktur ist immer das erste Anzeichen für eine sterbende Gemeinde. Bösartig unterstelle ich immer den Räten und Beamtokraten, die auf Kosten der Infrastruktur ihren Haushalt so schön in Ordnung halten, dass sie die Totengräber des Gemeinwesens seien und später nicht behaupten könnten zu ihrer Zeit wäre immer alles in bester Ordnung gewesen – aber damit rühmen sie sich, in Unkenntnis der Sachen, die sie anrichten, schon heute und zwar pausenlos. Mir gegenüber wurde dann immer damit argumentiert, dass ja die Mehrzweckhalle in Rainberg hinsichtlich der Infrastruktur mehr als ein vollwertiger Ersatz für den Grünen Baum wäre. Aber auch diesem musste ich deutlich widersprechen. Der Grüne Baum steht für alle, auch nichtorganisierte Bürger und für Besucher, also sogenannten Touristen, der Gemeinde offen. Die Mehrzweckhalle aber, wenn wir mal von den paar öffentlichen Veranstaltungen im Jahr absehen, nur den offiziellen und organisierten Bürgern. Wenn man Neubürger werben will, muss man jedoch davon ausgehen, dass hundert Prozent der Leute natürlich nicht in Wannebach organisiert sind und die Meisten auch von vornherein keine diesbezüglichen Absichten haben. Diese werden nach Kneipen, wo sie sich in ihrer individuell gestalteten Freizeit mal ein Bier trinken können, fragen aber nicht bestimmt nach offiziellen Veranstaltungsstätten. Auf dieses Argument bekam ich dann zuhören, dass man Investitionen in notwendige öffentliche Einrichtungen nicht unterlassen könne weil dem die Interessen eines privaten Gastwirtes entgegen stehen könnten. Irgendwo haben sie damit im Prinzip ja auch wieder recht. Also, das Ende des Grünen Baumes schien besiegelt zu sein. Da ließ sich auch nichts dran ändern, gleichgültig ob ich hier in Elfenwiese oder in Neustadt gewesen wäre. Es hat eigentlich auch keine große Rolle gespielt ob Elke oder ich vor Ort war. Na ja, wenn man am Ort des Geschehens ist verspürt man schon einen deutlich höheren Druck etwas tun zu müssen als wenn man aus beruhigender Ferne die Vorzüge der Distanz genießt. Da hat wohl Elke, in dem sie mich voll in die Verantwortung brachte, aus ihrer Sicht schon richtig entschieden. Später erfuhr ich, dass sie auch tatsächlich genau in diese Richtung gedacht hatte. Wörtlich sagte sie: „Es kann doch nicht angehen, dass so ein Tagedieb seine Schwiegertochter schwängert und zur Belohnung noch aus sicherer Entfernung zusieht, wie seine Frau Kapitän auf der Titanic spielt.“. Wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass sie ja doch wirklich recht hatte.“. Der zeitliche Rahmen war auch deutlich enger, wie es Björn im Krankenhaus dargestellt hatte. Da hatte nun eine Oma wirklich keine Chance mehr eine Insel zu bevölkern. Die Rainberger Turnhalle war schon längere Zeit sanierungsbedürftig ... mehr noch: sie war eigentlich schon abbruchreif. Und genau Letzteres, den Abbruch, hatte der Rat in Wannebachtal im Jahre 1998 beschlossen, allerdings ohne dafür einen Ersatz schaffen zu wollen; angeblich war kein Geld da. Darauf gingen aber die Bürger auf die Barrikaden und da die Kommunalwahlen 1999 näher rückten hatte Volkes Wille auch Erfolg. Bereits im 90er-Haushalt waren dann Mittel für die Sanierung bereit gestellt worden. Sie wissen ja selbst, das Beamtokraten für jeden Hühnerhaufen ein Gutachten brauchen und erstellen lassen. Was könnte man alles sparen, wenn man von der Gutachtenflut absehen würde. Im Falle der Rainberger Turnhalle war ein Gutachten nun wirklich ausnahmsweise angebracht. Und diese Expertise ergab, das es an der Turnhalle wirklich nichts mehr zu sanieren gab; man musste abreißen und neu bauen. Ja, ja, für die Kommunen käme manches preiswerter wenn notwendige Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten zur rechten Zeit und immer kontinuierlich vorgenommen würden. Aber wie es so ist, geschieht so etwas eher an unsinnigen Relikten aus der Vergangenheit, sprich Mahnmahlen, als an Sportstätten und so weiter. Da spart man gerne am falschen Ende. Wäre ja gelacht, wenn man tatsächlich mit dem Geld der Bürger mehr erreichen könnte. Zähneknirschend mussten die hiesigen Neumalklugen, also die Lokalmatadoren im Rat und der Verwaltung, aus einem Sanierungs- einen Neubaubeschluss machen. Man schob das Geld was man im 98er-Haushalt für die Sanierung vorgesehen hatte nach 1999 und stockte es um die für den Neubau nötige höhere Summe auf. Das heißt aber bei Politikussen, beginnend bei den Schmalspur fahrenden Lokalvorturner bis zu den Bundesoberkaspern, noch lange nichts. Jetzt beschloss man erst einmal auf eine Subventions-Abstaub-Tournee beim Land zugehen. Und da wurde man letztlich auch fündig. Für eine Sporthalle hätte es zwar nichts in der erträumten Höhe gegeben aber für eine Mehrzweckhalle. Im Sommer 2000 traf dann die ersehnte Subventionszusage ein. Gleichzeitig wurden unsere Heimatpolitiker auch von ganz neuen Träumen beflügelt. Jetzt sollte nicht nur der TSV Rainberg von 1886 sondern alle möglichen Vereine und der Rat eine neue Heimat in diesem Bauwerk finden. Jetzt hatten die Leutchen es doch sehr eilig. 2001 sollte schon der endgültige Baubeginn sein. Ab diesem Zeitpunkt dürfte dann die, ausschließlich in der Bauzeit begründete Gnadenfrist für den Grünen Baum angelaufen sein. Innovation war also gefragt – aber mir ging es wie den modernen Politikern: Mir fiel nichts ein. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Das sagt sich so leicht. Ich war so verfangen in meinen Eheproblemen und mit dem drohenden Ende meines Grünen Baums, dass ich gar nicht mitbekam, dass die noch junge und immer noch
vor dem eigentlichen Start stehende Livestile-Hotel-Gesellschaft aufgrund der Streitigkeiten zwischen den Hauptgesellschafterinnen Karin Kreisler und Anita von Koschenburg praktisch auch vor dem Aus stand. Auf diese Weise weiß ich bis heute noch nicht, um was es ging – aber das dürfte letztendlich auch egal sein. Ich nahm zum ersten Mal von dieser Geschichte Notiz als mich Karin aufsuchte um mit mir einen Termin für eine Gesellschafterversammlung, in dem Raum des Grünen Baums der noch passender Weise Gesellschaftszimmer heißt, abzusprechen. Die Wahl des Versammlungsortes ist allerdings nichts außergewöhnliches. Das Waldhotel befindet sich ja inzwischen im Umbau, da kann man also nicht mehr tagen, und was läge daher nicht näher, als einen Tagungsort, an dem eine Gesellschafterin, nämlich Heike, familiär anzutreffen ist, zu wählen. Und einen „Heimvorteil“ wollten Elke und Heike schon wahrnehmen. Allerdings hatte ich mir bei der Terminvereinbarung bis hin zum Tage der Versammlung immer noch nichts besonderes gedacht. Dieses auch trotz Heikes Bemerkungen wie „Ich glaube aus der Lifestyle-Geschichte wird nichts“ oder „Die Dicke spinnt“. Mit Letzterem hatte sie, wie ich am Tage der, in unserem Hause stattfindenden Gesellschafterversammlung feststellen konnte keinesfalls untertrieben. Mitte November 2000 hatte ich das „große Vergnügen“ diese Anita von Koschenburg auch mal kennen zu lernen. Du meine Güte, ein solches „voluminöses Pferd“ war mir auch noch nicht über den Weg gelaufen. Bei den Proportionen hatte ich wirklich Angst um den Stuhl, auf den sie sich setzen würde. Dabei spielte nicht der Wert des Einrichtungsgegenstandes eine Rolle sondern die Schäden, die beim Zusammenkrachen entstehen könnten, insbesondere an dem Anitachen, wie sie der Bankfiosi, den sie Onkelchen nannte und den sie mitgebracht hatte, immer ansprach. Und was die für eine spinnernde und zickige Art an den Tag legte – du meine Güte. Also, es kommt höchstens selten vor, dass mir ein Mensch aufgrund seiner äußeren Proportionen auf Anhieb höchst unsympathisch ist aber diese Frau von Koschenburg war wohl noch mehr wie höchst unsympathisch. Heike, die zuvor unser Gesellschaftszimmer richtig hotelmäßig für diese Konferenz hergerichtet hatte empfing diese Frau von Koschenburg und ihren Onkel im Gastraum und führte sie gleich in den Raum, in dem Karin bereits auf ihre „Gäste“ wartete. Von diesem Moment an bekam ich, der den Dienst im Gastraum verrichtete, von dem ganzen Geschehen, was sich etwas über drei Stunden hinzog, nicht viel mit. Da war nur in regelmäßigen Abständen das Geschimpfe der „Dicken“, welches Ähnlichkeit mit einem Geblöke hatte, durch die Tür zuhören aber richtig verstehen konnte ich nichts. Heike kam zwei oder drei Mal im Dienste des Service heraus. Sie hatte dabei einen gestressten Geschichtsausdruck und machte ein paar deutlich abfällige Bemerkungen vor sich hin. In der Zeit wo die drei Damen und der Bankfiosi konferierten kam mir dann erstmalig der Gedanke, dass nicht nur meinem Grünen Baum sondern auch dem Lifestylehotel ein baldiges Ende drohte. Wobei es dem letztgenannten Etablissement sogar noch eher an den Kragen gehen könnte wie meinem „ehrenwertem“ Hause. Aber noch war es nur so eine Art Ahnung, die ich aber bestätigt sah als der Onkel mit seiner dicken Nichte, nur mit einem formellen Abschiedsgruß, verärgert von dannen schoss. Bereits als die Herrschaften noch nicht aus der Tür waren machte ich mich an den Kaffeeautomaten zu schaffen um drei Kännchen zu füllen. Diese brachte ich dann mit samt den zugehörigen Tassen in den Gesellschaftsraum. Da sich dort ja nur noch zwei Damen, sprich Karin und Heike, befanden, lässt sich unschwer erraten, dass ich mich auf ein Kännchen Kaffee zu ihnen gesellen wollte. Sowohl die Mutter wie auch die Tochter machten einen absolut geschafften Eindruck. Karin saß nach vorn gebeugt und stütze ihren Kopf in ihren Händen und Heike saß im Stuhl zurückgelegt. Als ich ihnen servierte richten sich beide zu einem korrekten Sitz auf und Karin stöhnte: „Ja, Reiner, dann geht die Geschichte von Kreislers Waldhotel wohl endgültig zu ende. Da wird wohl ein Freizeitheim für klapsmühlenreife Millionärsgattin raus. Eigentlich ist es ja Wurst womit man seine Kohle verdient aber so einen Stuss wie die Koschenburgsche vorhat kann ich nicht mittragen. Alles läuft darauf hinaus, dass sie die graue Eminenz im Hause ist und ich deren Majonette spielen darf.“. „Ach Karin,“, versuchte ich sie zu trösten, „was soll’s, wenn die Kasse stimmt, dann spielst du ein bis zwei Jahre mit und seilst du dich langsam ab ... das ist doch besser als Pleite.“. „Von wegen die Kasse stimmt.“, erwiderte Karin, „Der Marketingaufwand dürfte anfänglich so hoch sein, dass mir, wenn ich meinen Anteil einbringen muss, die Luft ausgeht. Dann bleibt mir nichts anderes als den von Koschenburgs alles im Ramsch oder gar zum Nulltarif zu übergeben. Heike und ich haben soeben unseren Ausstieg aus der Gesellschaft erklärt. Unser Herr Bankdirektor will mir ein faires Angebot unterbreiten. ... Ach, da dürfte doch noch einiges an Verhandlungen auf mich zukommen, denn wie ich solche Leute kenne, wollen die mich wohl mit einem Trinkgeld abspeisen.“. Na ja, was Anita von Koschenburg vorhatte beziehungsweise inzwischen umgesetzt hat weiß ich bis heute nicht. Immerhin ist Neustadt von hier doch ein kleines Eckchen entfernt und ein solches Interesse, dass ich da ein besonderes Auge drauf geworfen hätte, habe ich an der Sache auch nun wieder nicht. Von Karin und Heike habe ich das auch nicht erfahren, denn die hatten die wirkliche nützliche Devise, dass man tote Enten schwimmen lassen sollte und sich stattdessen besser um die nächstliegenden Dinge kümmern sollte. Für Karin hieß das jetzt darum, dass sie mit einer angemessen oder etwas besseren Summe aus der Gesellschaft rauskommt, zu verhandeln. Schließlich sollte der Erlös aus den Gesellschaftsrücktritten erstens ihren Altenteil darstellen und zweitens sollte er die Grundlage für Heikes Existenz bilden. Und Heike hatte auch prompt eine Idee wie diese
Existenz aussehen könnte. Erst etwas nachdenklich und dann immer munterer kam sie mit ihrer Idee heraus: „Mutti, ich habe mir gerade mal was überlegt. Du hast doch sowohl von Mama wie von mir gehört, was dem Grünen Krug droht. Wir haben es also mit drohenden Enden im Doppelpack zutun.“. „Wie, haben wir es jetzt mit Mettwürstchen zutun“, scherzte Karin dazwischen aber Heike ließ sich von ihrer Idee nicht abbringen: „Jetzt könnten wir doch von dem, was uns von unserem Hotel noch rausspringt, hier etwas rausmachen. Ich denke zum Beispiel an so eine Pension oder gar Minihotel mit sagen wir mal zwanzig bis dreißig Betten, in der beziehungsweise in dem man ausspannen und sich erholen kann. Also so ein Lifestyledingen im Kleinen für normale Leute. Das müsste sich doch relativ gut vermarkten lassen.“. Karin schaute ihre Tochter an: „Ja Mädchen, noch weiß ich nicht, was ich noch aus dem Waldhotel raushole und deine Idee ist jetzt spontan und noch nicht ausgegoren, aber irgendwie glaube ich, dass es sich lohnt darüber nachzudenken ... und das werde ich jetzt auch tun.“. Damit war es an diesem Tage auch getan. Die Damen waren viel zu aufgekratzt um neue „Innovationen“ zu entwickeln und außerdem stand ja noch in den Sternen was die ausscheidenden Gesellschafterin kapitalmäßig aus der Geschichte herausholen konnten. Mir persönlich war jedoch Heikes Idee irgendwo sympathisch aber mehr konnte ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht dazu sagen beziehungsweise denken. Mutter und Tochter saßen noch einen Moment zusammen um sich von ihrer Versammlung zu erholen. Ich musste hinaus in die Gaststube, da die ersten zwei Kneipengäste eintrafen. Diese oder jener wird bei dieser Gelegenheit fragen wo zu diesem Zeitpunkt eigentlich Björn steckte, denn den habe ich bei der ganzen Gelegenheit noch nicht erwähnt. Nun, der befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer größeren physiotherapeutischen Praxis in Wannemünde, wo er sich sowohl praktisch wie theoretisch in den Beauty- und Wellnessbereich einweisen ließ. Dieses geschah natürlich im Hinblick auf das bevorstehende Lifestylehotel und dürfte, so kann man denken, eigentlich nach den Vorgängen des Tages nicht mehr nötig sein. Dahingehend wurde ich aber, als ich kurz nach Neun nach Oben kam, von dem jungen Paar eines besseren belehrt. Jetzt könnte man sagen, dass es außergewöhnlich sei, dass ein Gastwirt schon zu einer so frühen Stunde von der Kneipe in die Wohnung wechselt. Na, dieses hatte Elke nach unserem großen Knall eingeführt: Grundsätzlich schloss sie, wenn keine Besonderheiten wie Vorstandssitzungen oder Familienfestivitäten anstanden und keine beziehungsweise weniger als fünf Gäste anwesend waren, die Kneipe um Neun ab. Was sollte sie da herum stehen und noch draufzahlen. Einzelne Gäste mit viel Sitzfleisch verzerren ja nicht soviel, dass man von dem Erlös hätte nur die Kosten für verbrauchte Energie ausgleichen können. Als ich aus dem Krankenhaus zurückkam habe ich ihre gute Idee als offizielle Öffnungszeitregelung übernommen. Diese Maßnahme fand natürlich keine ungeteilte Zustimmung unserer Dorfbevölkerung sondern löste doch dieses oder jenes Gemurre aus. Ein Mitglied des Kirchenchores, der zu den Menschen gehört, die glauben die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, wollte mir sogar weiß machen, dass ich verpflichtet sei bis zur Sperrstunde offen zu halten. Aber wie es so ist: Die größten Meckerer waren nicht diejenigen, die mit ihrem Umsatz in meinem Hause, dafür sorgten, dass das der Grüne Baum auch nach Rentabilitätsgesichtspunkten ein guter Betrieb sein konnte. Im Übrigen war ich aber auch hinsichtlich des drohenden Endes meines Betriebes auch nicht mehr zu einem gesonderten Öffnungseinsatz zu motivieren. Und ich glaube auch, dass ich mit der Aussage, dass die offizielle Öffnungszeit von montags bis donnerstags von 17 bis 21 Uhr ist, keine Kneipen tötende Unzuverlässigkeit an den Tag legte. Sie wissen ja, dass wenn die Aussage, das bis 1:00 Uhr geöffnet ist, steht aber in Wirklichkeit mal auf und mal zu ist, der Laden bald ganz dicht machen kann. Die Leute stehen höchstens zwei oder drei Mal vor einer verschlossenen Kneipentür, die eigentlich offen sein müsste, und dann machen sich die Leute gar nicht erst auf den Weg, dann trinken sie Bierchen gleich lieber innerhalb der eigenen vier Wände. Nun, als ich an diesem besagten Tag in die Wohnung kam erlebte ich zunächst eine pikante Überraschung. Heike lag, nur mit einem knappen und dazu noch durchsichtigen Slipper bekleidet, bauchwärts auf einer Decke, die das junge Ehepaar auf den Wohnzimmertisch ausgebreitet hatte. Björn wollte seinem Heikelein beweisen, was er bereits hinsichtlich Ganzkörper-Entspannungs-Massage gelernt hatte. Verlegen sagte ich gleich „Au, Entschuldigung“ und machte die Tür von Außen wieder zu. „Komm ruhig rein, Papa“, tönten beide wie aus einem Mund und Heike ergänzte dann, als ich, allerdings mit mir selbst kämpfend, wieder rein kam: „Das ist doch kein neuer Anblick für dich.“. Und Björn ermunterte mich. „Mich turnt es an, wenn man Heikelein so bewundert ... und das gilt auch dir gegenüber. Aber die Hauptsache sollte in Normalzeiten mir vorbehalten bleiben.“. Mit den Wort „Normalzeit“ spielte er natürlich auf das Geschehene an und ließ dabei durchblicken, dass er dieses inzwischen akzeptiert hat – obwohl es nun wirklich nicht richtig war und keinesfalls als Vorbild darzustellen ist. Ich „musste“ auf der Couch platz nehmen und mir ansehen wie Björn seine Frau massierte. Dann setzte mein Sohn an um mir den Sinn dieser „Veranstaltung“ zu erklären: „Siehst du Papa, diese Massage wollten wir dir bewusst vorführen. .... Du bekommst gleich, wenn Heikelein fertig ist, auch eine. Weißt du, welchen Sinn eine solche Massage hat? Dafür kann ich dir überhaupt keinen medizinischen Grund nennen. Die ist weder kontra dem Fettgewebe noch zur Kreislaufstabilisierung und auch nicht um verkrampfte Muskeln zu entspannen. Es handelt sich um ein Relaxen pur ... nur reine Erholung und Entspannung. Da gibt es noch einige andere tolle
Dinge. Zum Beispiel kannst Du in einem kleinen Becken oder in einer Badewanne auf 35° warmen Salzwasser liegen und dich von dezenter Entspannungsmusik einlullen lassen. Da kannst du in Lichtkammern, ebenfalls von sanften Klängen beschallt, liegen und ansonsten vollkommen abschalten. Dazu noch gepflegte Saunagänge und du bist ein ganz anderer Mensch. Heikelein hat mir erzählt, dass Mutti und sie aus dieser Hotelgeschichte für fettleibige Millionärinnen aussteigen wollen und das mein Mäuschen die Idee hat aus dem Grünen Baum ein kleines Hotel, was nur Entspannung pur anbietet, zu machen. Hier haben wir ja noch den Vorteil, das wir von einer wirklich zauberhaften Landschaft umgeben sind. Hier kannst du ja neben den sogenannten therapeutischen Angeboten noch Ausspann-Spaziergänge zum Nulltarif anbieten. So etwas lässt sich doch wunderbar vermarkten. Heikelein ist wild entschlossen ihren Anteil aus dem Hotel in dieser Absicht hier einzubringen. Was hältst du von unserer Idee. Ich glaube der Grüne Baum ist damit gerettet.“. Nun meldet sich auch Heike, die sich anhörte als fühle sie sich besonders wohl, zu Wort. Sie schloss ihre Rede mit der Bemerkung: „Ich glaube aus drohenden Enden im Doppelpack wird ein einziger toller Anfang.“. Scherzend nahm ich mir zunächst die sprachlich inkorrekten „Enden“ vor. Wie schon Karin am Nachmittag assoziierte ich mit Mettwurstenden, bezog aber dieses auf uns, den Menschen in und um den Grünen Baum. Ich schloss meinen Scherz mit: „Du willst also die beiden Mettwurstenden in Grünkohl legen und daraus ein Firstclass-Menü machen.“. Darauf antwortete die bezaubernde Heike, die sich inzwischen erhoben hatte und mir jetzt so den vollen Blick auf ihre Busen und ihren Sarah behütenden Bauch bot, mit den ernstgemeinten Worten: „Du hast es erfasst und davon werde ich nicht nur dich, der sich inzwischen schon mal ausziehen sollte, denn jetzt bist du dran, überzeugen sondern auch Mutti und Mama. Deshalb werde ich extra Morgen nach Neustadt fahren um Überzeugungsarbeit zu leisten.“. Nachdem mich nun Björn auch noch mal zum Entkleiden aufgefordert hatte und ich diesem Folge leistete, gab ich noch zu bedenken: „Da gibt es aber noch allerlei Hürden. Erst muss deine Mutti erst einmal mit euerer Gesellschaftsangelegenheit in den sicheren Hafen gelangen und dann müssen wir auch meine bessere Hälfte, die im Moment gar nicht gut auf mich zu sprechen ist, mit einbeziehen und überzeugen; schließlich gehört ihr der Laden ja mit mir gemeinsam. Ich bin ja hier kein Alleinherrscher ... Und das nimmt beides noch ein Wenig Zeit in Anspruch.“. Mittlerweile stand ich in der Unterhose und wollte mich schon auf den Tisch legen, da meldete sich Heike: „Du kannst auch das Höschen ablegen. Das da etwas steht lässt sich ohnehin nicht mehr verbergen. So kann ich mir auch noch mal das Werkzeug, den wir unsere Sarah zu verdanken haben, betrachten.“. „Du bist auch nicht häufiger sondern nur einmal spitz.“, kommentierte Björn den Vorschlag seiner Frau und wandte sich dann mir zu: „Komm zier dich jetzt nicht ... und runter damit. Vor mir brauchst du dich auch nicht länger zu verbergen, denn wenn du Sarah ein Brüderchen machst will ich sowieso dabei sein. Es kann doch nicht angehen, dass ein Vater bei der Zeugung seines Sohnes nicht dabei ist.“. Die beiden jungen Leute lachten und ich fühlte mich jetzt gar nicht wohl in meiner Haut. Irgendwie schien mir das Ganze inzwischen doch ein Bisschen sehr weit zu gehen. Aber letztlich besiegte doch die Wollust meine klaren Gedanken und ich ließ auch das letzte Stück Textil fallen. Dieses nutzte Heike um wieder auf unser Thema zurückzukommen: „Ja, wenn die beiden Mütter jetzt hier reinschneien würden könnten wir uns die ganze Angelegenheit abschminken. Aber wenn die Beiden sich in Neustadt einen Spaß machen, warum sollten wir das nicht hier auch machen. ... Aber in dem anderen Punkt hast du recht. Erstens steht Mutti hinsichtlich unserer Kröten erst mal der Sinn ganz wo anders und andererseits müssen wir alle an einen Strick ziehen, ... auch Mama und du. Da habe ich eine Idee. Am 6. Dezember werde ich ja Dreiundzwanzig und das ist ja dann auch der Jahrestag der innigen Bindung zwischen Börni und mir. Da der Sechste auf einen Mittwoch fällt, sollten wir uns am darauffolgenden Sonntag, also am Zehnten, allesamt, auch Mama, uns hier des Nachmittags anlässlich meine Geburtstages zu einer lockeren familiär-geschäftlichen Runde zusammensetzen. Die Gelegenheit sollten wir dann zu einem Brainstorming hinsichtlich unserer Idee nutzen. ... Ich werde das mit Mutti vorher noch absprechen. Zum Abend lasse ich mich von Börni zu einem Evening out einladen und dann hast du die Chance unter Vermittlung von Mutti, die ja euer beider gute Freundin ist, euere Ehe wieder unter einem Hut zu bringen.“. In diesem Augenblick wurde ich zunächst wirklich mit Glücks- und Wohlgefühlen überhäuft. Zu einem war Björns Massage wirklich ein vorzüglicher Genuss. Durch meine völlige Nacktheit vor Heike, die sich selbst auch noch nicht angekleidet hatte, empfand ich auch auf erotischen Gebiet wohliges. Zudem gefiel mir die Geschäftsidee der „Kinder“ wirklich Klasse und ließen mich für den Grünen Baum Hoffnung schöpfen. Das Beste, also der Knüller, von allen war ja auch die sich am 10. Dezember ergebene Chance auch mit Elke wieder ins Reine zukommen. Denn ich liebe diese Frau immer noch so heiß wie vor 26 Jahren. Eigentlich klebe ich immer noch an ihrem Rockzipfel, immer noch bin ich von dieser Frau, die mein Leben ist, besessen und in einer Art abhängig. Wir sind im Laufe unserer Ehe zu einer Einheit zusammengeschweißt und alleine bin ich also nur eine halbe Portion. Ich glaube wichtiger wie alles andere auf Welt war es für mich, meinen Schatz wieder zurück zu gewinnen und wenn Heikes Plan aufgehen sollte, dürfte somit mein größter Wunsch schon in kürzester Zeit in Erfüllung gehen.
Als ich so über Elke und mich nachdachte, schoss mir doch plötzlich ein Schockgedanke ins Hirn: „Wieso sagtest du eben, dass sich die beiden Mütter in Neustadt einen Spaß machen?“. Heike schaute plötzlich erschrocken drein und stammelte: „Ach ... äh, ... Quatsch, da ist mir nur so eine Formulierung ohne Hintergrund rausgerutscht.“. „Rausrutschen kommt nicht von ungefähr.“, setzte ich nach, „Da ist bestimmt was mit einem anderen Kerl.“. Just in diesem Moment richtete ich mich kerzengerade auf. „Beruhige dich“, sagte jetzt Björn in einem beruhigenden Ton, „wir wollten dir unter anderem etwas ganz anderes schonend beibringen. Ein Kerl ist da nicht, aber ...“. Jetzt wurde er von Heike unterbrochen: „Ich habe mal gelesen, das alle Frauen einen leichten bisexuellen Touch haben. Die eine mehr und die andere weniger. An mir selbst habe ich zwar noch nichts bemerkt; ich stehe nur auf Kerls. Und da zu 99 Prozent nur auf einen und zu einem Prozent auf seinen Vater – und damit bin ich 100-prozentig ausgelastet.“. Jetzt lachte sie erst einmal bevor sie weiterfuhr: „Aber bei Mama und Mutti sieht das wohl etwas anders aus. Die haben sich zwischenzeitig ineinander verliebt und treiben es miteinander. Aber du brauchst dir für deine Person keine Gedanken zu machen. Beide stehen auch auf dich und Mutti würde, weil sie auf euch beide steht, zu eueren Gunsten auf ihre Wünsche verzichten. ... Ich glaube es wäre ganz angebracht, wenn wir für Mutti einen Mann ausgucken. Dann wären wir diesbezüglich auch aus dem Schneider.“. „Weil euere Mütter lesbisch sind, veranstaltet ihr hier eine private Peepshow und lasst mich dann auch noch fröhlich mitwirken“, empörte ich mich. „Nee,“, sagte jetzt Björn kleinlaut, „das machen wir weil es uns Spaß macht und wir uns selbst damit aufgeilen wollen. Man sollte eigentlich viel offener über seine sexuellen Wünsche reden. Ich glaube da gingen wir damit viel normaler um. Dadurch, das du dich eben auch ohne große Widerworte auszogst und auch einen Ständer hattest, hast du ja bewiesen, dass du gar nicht so ohne bist. Wenn du aber willst, das man deine Sachen toleriert muss du auch die Anderen akzeptieren. Deshalb lass Heike die Geilheit, mit der sie dich hochzieht und von der ich dann anschließend profitiere. Und was unsere Mütter anbelangt, lass ihnen doch ihr Vergnügen ... zu mal du dadurch nicht geschädigt wirst. Und vergesse nicht, das Heikelein und du mit dem Freesex in der Familie angefangen seid.“. Auch wenn mir Björn jetzt Neunmalklug vorkam, musste ich mich doch diesbezüglich geschlagen geben. Schließlich bewies ich ja durch meine momentane Nacktheit, dass ich kein Engelchen war. Ich glaube, dass ich mit der Wohlfühlmassage in die Falle gelockt worden bin. Letztlich war ich dann noch ein Bisschen neugierig: „Wann habt ihr denn davon, das euere Mütter es mal lesbisch versuchen erfahren?“. Darauf erzählte Heike: „Ja, als wir letzte Woche gemeinsam in Neustadt waren, hatten die Beiden uns gegenüber ihr Coming out. Erst erklärten sie uns ganz schonend ihre Liebe zueinander und dann fielen sich die Beiden um den Hals und knutschen uns mächtig einen vor. Ich bin richtig aus der Haut gefahren und habe die Beiden richtig barsch angemacht. Dabei ist mir rausgerutscht, dass dich Mutti, als du nach Neustadt zogst, in ihr Bett geholt hat. Mama wusste das schon, denn Mutti hatte es ihr gestanden. Aber für Björni war das neu und da rastete er aus. Dann haben uns unsere Mütter gemeinsam vorgeworfen, was wir beide gemacht haben und das, ... was ich auch schon ausgeplappert habe, Björn auch noch gerne hätte, dass du mit mir auch noch ein Geschwisterkind produziert. Na, wir waren uns einig, das wir zwar Verhältnisse wie in Sodom und Gomorra haben aber ansonsten ganz normale Menschen sind. Dann zitierten sie noch unseren Herrn Jesus ‚Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein’. Aber sieh dich vor: Mutti gestand auch ein, dass sie dich nach wie vor mal vernaschen möchte. Worauf Mama dann erklärte, dass es für sie dann endgültig Schluss mit euch allen beiden sei. Also sieh dich vor; meide jede Gelegenheit wo du mit Mutti alleine bist. Sei mir nicht böse, aber du bist so ein Kerlchen, der nicht nein sagen kann. Also sieh dich vor. Ich glaube Mama meint es ernst.“. Na ja, mittlerweile glaubte ich auch, dass bei uns im Bereich von Sexus Lustus einiges aus der Reihe gefallen sei aber rückgängig machen konnten wir wohl nichts mehr.
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Es wäre wirklich zu schön gewesen Nach dem „Massage-Vorfall“, von dem ich im letzten Kapitel berichtete, bekam ich ganz langsam doch Gewissensbisse und sagte zu mir selbst: „Aber holla Reiner, langsam ufert die ganze Geschichte aus und das Schiff, was du eigentlich steuern solltest, treibt inzwischen steuerlos im wilden Strom des Lebens.“. Wenn man sich kulturgeschichtlich mit Sitte und Moral beschäftigt, stellt man fest, dass es schon immer mehr ausschweifende und auch mehr prüdere Epochen gab. Im Alten Testament, in der griechischen Mythologie, in der Geschichtsschreibung vom Römischen Reich, in der französischen Literatur aus der Renaissance und so weiter finden wir Berichte vom flotten sehr ausschweifenden Leben, insbesondere im Umgang mit Wein, Weib und Gesang. Wenn wir diese Berichte mit den historischen Abläufen zu ihrer Zeit vergleichen stellen wir fest, dass es dramatische Übereinstimmungen gab: Immer befand sich die jeweilige Kultur zu den „lustvollen“ Zeiten in ihrer Hochblüte und die Lustepochen leiteten die „Endzeit“ der Kultur ein. Immer waren diese Zeiten mit Werteverlust, mangelnder Kreativität und Innovationen verbunden. Dann schauen wir uns diesbezüglich mal den Zustand unserer westlichen Kultur an. Ja Leute, da sieht es nüchtern betrachtet sehr düster aus. Leben wir nicht in einer Geld- und Spaßgesellschaft mit nur noch elitärem kulturellen beziehungsweise intellektuellen Hintergrund, in der in diversen Bereichen totale Sprachverwirrung herrscht. Tummeln wir uns doch diesbezüglich mal in dem Bereich, in dem ich persönlich durchgesackt war; in dem Bereich des berühmten Sexus Lustus. Ist Liebe nicht in seinem Ursprung ein geistiges Band von Mensch zu Mensch und insbesondere von Gott zu den Menschen. Sicherlich gehört bei einer Liebe zwischen Mann und Frau die Körperlichkeit dazu aber sie ist nicht deren ausschließlicher Bestandteil. Es ist sogar denkbar, dass diese Liebe auch bei Ausfall der Körperlichkeit, zum Beispiel durch Unfall oder Krankheit, unverändert erhalten bleibt. Und was titulieren wir in unserer Medienpapageienart als Liebe? Wurde sie nicht ganz auf die reine Körperlichkeit abgewrackt? Ist die Liebe, die höchste Empfindung, der höchste Wert, so nicht auf dem Weg in unseren Köpfen zu einer Ware zu verkommen? So etwas müssen wir mit dem Verlust der Fähigkeit zur Partnerschaft bezahlen. Da die wahre Liebe, also dieses geistiges Band, vollkommen unter der Sexualität, die vielfach nur noch das einzigste Band zwischen Mann und Frau darstellt, untergeht ist es vorprogrammiert, dass wir dann, wenn unser Repertoire ausgereizt erscheint, wieder auseinander gehen. Dauerhafte Partnerschaft nur noch für traditionelle Moralisten? Und wie haben wir es mit der Körperlichkeit, der Sexualität, selbst? Diente sie nicht einstmals dazu gemeinsam Glück und Erfüllung zu finden und dient sie jetzt eigentlich nur noch der Befriedigung der eigenen Lust und Triebhaftigkeit? Stand nicht ehemals das „dem Anderen geben“ im Vordergrund und ist an diese Stelle heute nicht der eigene Orgasmus getreten? Mir scheint, dass die Partnerschaft gestorben ist und der Egoismus vorherrscht. Leute, das kann sich bei jedem Einzelnen mal fürchterlich rächen. Partnerschaftsunfähige Egomanen sind, wenn sie nicht mehr mithalten können – was uns spätestens im Alter gewiss ist -, zur Einsamkeit, einer ganz schweren Bürde verurteilt. Einsamkeit ist ein ganz schweres, vernichtendes Los. Wenn ich ein Sarkast wäre, würde ich sagen, dass sich zukünftige Probleme der Rentenversicherung von alleine lösen, weil die Menschen frühzeitig an Vereinsamung sterben. Wo ich gerade dabei bin, picke ich mir noch einen Begriff heraus: Erotik. Dieses Wort steht für ästhetische Sinnlichkeit, also für das Schöne. Und was läuft heute alles unter Erotik? So gut wie alles. Nur noch drei Dinge sind ausgeschlossen. Dieses sind die fototechnische Darstellung eines Phallus, also eines gesteiften Gliedes, einer geöffneten Vagina und das Einführen des Gliedes in die Scheide. Dieses bezeichnet man heute als Hardcore und erst da wird die Grenze zum Jugendschutz gezogen. Wobei das Adjektiv „fototechnisch“, also Film oder Fotografie, noch wichtig ist, denn als Zeichnung, Skizze oder Skulptur geht das glatt durch. Es geht nicht mehr um Ästhetik und Sinnlichkeit sondern nur um Fantasiebefriedigung, sprich um echte Wichsvorlagen. Die menschliche Würde ist out, der Mensch ist zu einem Objekt degradiert worden. Pure Pornografie läuft heute unter Erotik und die Grenze zwischen der und dem Hardcore-Zeug wird immer mehr aufgeweicht. Satirisch möchte ich sagen, dass der Zeitpunkt, wo mitten in belebten Innenstädten gebumst werden darf, immer näher rückt und dass es dann auch Spinner geben wird, die das noch als Fortschritt der Menschheit darstellen werden. Ich kann mich noch an einen damals wirklichkeitsnahen Witz aus meiner Jugendzeit erinnern: Da ruft ein Vater seinen kurz vor der Konfirmation stehenden Jungen um ihn aufzuklären. Ganz bedeutend sagt er zu seinem Nachwuchs: „Junge du wirst morgen 14 Jahre alt, da muss ich dich endlich aufklären. ... Der Anzug, den du zu Weihnachten bekommen hast kam nicht vom Christkind sondern von C & A – da haben wir ihn gekauft.“. Ja, ja, und der Sexualkundeunterricht bestand noch Anfang der 60er-Jahre aus einer Aufklärung über die Fortpflanzung von Bienen und Ameisen. Über Säugetiere konnte man nicht sprechen, da ja „unschuldige“ Kinder eventuell hätten kombinieren können, das der Mensch auch diesbezüglich dieser Gattung angehört und es bei ihm genauso ablaufen könnte. Im Kindergarten erzählte man damals, dass der Klapperstorch die Kinder brächte und dass die Frauen, zu denen der Klapperstorch bald käme, in „anderen Umständen“ wären. Wichsflecken unter der
Bettdecke umschrieb man dezent als Nachtspuk. Welchen Aufstand gab es in den 50er-Jahren wegen des Filmes „Die Sünderin“ mit einer nur kurzen Szene mit der nackten Hildegard Knef. So etwas zeigt man heute ohne rot zu werden im Nachmittagsprogramm sogar der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Wir sind von einem Extrem ins andere gefallen; von der schon an Komik grenzenden Prüderie in die grenzenlose Ausschweiffigkeit. Und wie sieht es im Gegenzug mit dem allgemeinen Bildungsniveau aus? Gemachte Massenmeinung wird kritiklos übernommen. Dümmlicher Populismus ist Trumpf. Der größte Schwachsinn wird zur Wissenschaft nur weil es alles sagen. Politik wird mehr und mehr zum am Menschen vorbeiwirken. Populistische Showmaker halten sich für Politiker und die Massendeppen nehmen es ihnen ab und stimmen beim Wahl genannten Pöstchenlotto für sie. Sagen Sie mal, wo lassen Sie eigentlich denken, wo doch selber denken zu stressig und ohne gesonderten Funfaktor ist? Welche unsinnige Wortgebilde werden von Politikern und sogenannten Journalisten erfunden und so gebraucht als ergäben sie einen Sinn? Da will ich gar nicht erst mit der Deeskalation, zu deutsch Gegenhochschraubung, anfangen sondern ich nehme ganz einfach den Dummlall „Winterzeit“. Die Sommerzeit (MESZ) weicht um plus einer Stunde von der Normalzeit (MEZ) ab und wie groß ist die Abweichung bei der Winterzeit („MEWZ“) – gibt es die überhaupt? Über den Frühstart in ein neues Millennium habe ich mich ja schon einige Kapitel früher ausgelassen. Na ja, bei unseren Schülern wissen wir ja dank P.I.S.A.-Studie wo wir dran sind und wenn wir diese bei unseren Lehrern vornehmen würden, dürften wir wissen, von wem unser Nachwuchs sein mangelhaftes Wissen hat. Nun, ich bin davon überzeugt das unsere Politiker und Manager auch nicht besser abschneiden würden. Denken wir jetzt mal an das eherne Gesetz, dass sich Geschichte immer und immer wieder wiederholt sowie an den Untergang vergangener Hochkulturen. Na, wo stehen wir denn jetzt mit unserer vielgerühmten westlichen Kultur? Sind da die Anzeichen für einen Untergang schon sehr deutlich sichtbar? Was mich diesbezüglich aber erschreckt ist, dass es am endgültigen Ende einer Hochkultur immer kriegerische Auseinandersetzung, die von aufstrebenden Völkern und Kulturen gewonnen wurden, gab. Und dieses alles in Zeiten mit schrecklicher atomarer, biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen? Eigentlich eine Angst machende apokalyptische Aussicht. Dieses sollte für uns aber kein Grund sein uns mit Zukunftsängsten zu überschütten und den Kopf in den Sand zu stecken. Wir sollten es lieber mit Martin Luther, der sagte, dass er, wenn er wüsste das morgen die Welt untergeht heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen und ein Kind zeugen würde, halten. Wir sollten trotz allem immer unseren Gott vertrauen und seinen Auftrag „bebauen und bewahren“, den er uns gegeben hat, befolgen. Und was hat das Ganze jetzt mit dem Tagedieb Reiner Wolf zu tun? Ich habe meine Schwiegertochter geschwängert und ehrlich gesagt spielte für mich dabei zu bald 90 Prozent der Lustfaktor und nur zu 10 Prozent der offenbar manische Kinderwunsch Heikes und ihre Torschlusspanik eine Rolle. Wäre nicht meine Herzattacke gekommen, hätte ich mit Sicherheit auch noch ihre Mutter vernascht. Meine Frau, die 25 Jahre treu an meiner Seite mit mir durch dick und dünn gegangen ist habe ich getäuscht und ich habe ernsthaft vorgehabt ihr ins Gesicht zu lügen. Ich habe ihr Vertrauen missbraucht und verspielt. Damit habe ich ihr sehr wehgetan. Statt ein schlechtes Gewissen zu entwickeln lasse ich mich auf erotische Spielereien mit meinem Sohn und mein Schwiegertochter ein. Dabei zerstöre ich dann noch den letzten gegenseitigen Respekt, ich ramponiere damit unser aller Autorität. Ich sollte mich nicht damit herausreden, dass die Anderen dazu animierten sondern ich darf mich nur immer wieder an die eigene Nase fassen. Ich wäre verpflichtet gewesen nicht mitzuspielen sondern meine offensichtlich aus den Gleisen springende Schwiegertochter aufzufangen. Wenn man Mist gebaut hat, sollte man das Wort „die Anderen“ aus dem Mund lassen. Und warum meldete sich mein schlechtes Gewissen und mein ehemaliges Wertebewusstsein nicht? Ganz einfach, das kulturelle Umfeld, wie ich es oben schrieb, hat meine Toleranzschraube sehr hoch gedreht. Dadurch unterließ ich das Nachdenken und empfand daher kein Schuldbewusstsein. Aber dadurch, dass es viele andere auch machen, wird das von mir begangene Unrecht noch lange kein Recht. Wie ich schon schrieb, darf ich mich nicht mit den Anderen entschuldigen sondern ich bin, wie jeder andere auch, selbst verantwortlich für mein Handel. Wir sind keine Lemminge sondern Menschen und müssen nicht hinter dem Leittier in den Abgrund springen. Sie merken, endlich war mir ein Licht aufgegangen, endlich hatte ich begriffen. Ich sah mich nun verpflichtet, dem lustvollen Trauerspiel ein Ende zu bereiten. Nun musste ich etwas tun um die Weichen in die richtige Stellung bringen. Kurz gesagt, ich muss die Angelegenheit mit Elke einsichtig, reumütig und ehrlich bereinigen und dann mit ihr, nur mit ihr, einen Weg für unsere Existenzsicherung finden und beschreiten. Sprich: Erst Elke und dann der Grüne Baum – und diesen nur in Hinsicht auf unser beider Existenzsicherung. Dabei darf nicht der Grüne Baum sondern nur unsere Partnerschaft und das Leben im Vordergrund stehen. Am Tage nach dem Massagevorfall überlegte ich den ganzen Tag über mal hin und mal her. An diesen Abend war es kurz nach Zehn bis ich nach Oben in die Wohnung kam. Das junge Paar saß im Wohnzimmer und führte wohl Ähnliches wie am Vortage im Schilde. Zumindestens konnte man das aus Heikes Bekleidung, lediglich ein leichtes und sehr durchsichtiges Nachthemd, schließen. Diesmal machte ich keinen großen Aufstand und setzte
mich gleich ungeniert zu ihnen. Ich gab mir alle Mühe vorzugeben als könne mich das erotische Auftreten meiner Schwiegertochter gar nicht anrühren. Das ist bei einen solchen bezaubernden Wesen aber gar nicht so einfach. Deutliche Ignoranz ist jedoch meist immer der sicherste Schritt seinen Gegenüber zur Aufgabe seiner Vorhaben zu bewegen. Auch in diesem Falle klappte es wie gedacht. Ich hatte soeben für etwa fünf Minuten von meinen Überlegungen gesprochen – hier nicht der „Kulturüberblick“ sondern nur die meine Person betreffenden Punkte – als Heike mit so einer Art verschämten Gesicht sagte, dass es ihr kalt sei und sich ihren bereitliegenden Morgenmantel überzog. Ich machte den Beiden klar, dass ich ab sofort in keiner Weise mehr für erotische Abenteuer weder von Heike noch von ihrer Mutter und auch nicht in „Amtshilfe“ von Björn ansprechbar sei und bat Heike mir in meinen Bestreben auch durch ihre Bekleidungsordnung entgegen zu kommen. Als ich diesen Punkt abhandelte schauten sowohl Björn wie auch Heike verschämt nach unten auf den Tisch. Dann erklärte ich die Klärung meiner Angelegenheit mit Elke zu meinem Hauptanliegen hinter dem alles andere, insbesondere auch der Grüne Baum, zurückstehen müsse. Wenn ich einigermaßen mit meiner Frau wieder im Reinen sei wollte ich mit ihr überlegen wie wir unsere Existenz bis zu dem Zeitpunkt wo wir Versicherungsleistungen, sprich Renten sowohl aus der Sozial- wie Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht, bekommen unsere Existenz sichern. Das könnte ich mir sogar ganz ohne Grünen Baum vorstellen, denn ich würde arbeiten um zu leben und keinesfalls umgekehrt. Aber zu leben würde mir nicht einmal reichen, ich möchte mit meiner Frau zusammen leben und mit ihr glücklich und alt werden. Jetzt brachen bei den jungen Leute natürlich keine Begeisterungsstürme aus. Es erfolgten im Großen und Ganzen auch keine Kommentare. Einzig Heike sagte zu meiner neuen Grünen-BaumEinstellung, bei der wohl durchklang, das es ein Mini-Lifestyle-Hotel nicht geben würde: „Es wäre wirklich schön gewesen“ und Björn stellte fest: „Ich glaube du hast recht. Spreche mit der Mama und dann werden wir weitersehen.“. So hatte ich im Hause also erst einmal die Ordnung wieder hergestellt und konnte dann, am nächsten Morgen, mein Hauptanliegen in Angriff nehmen. Ich war von schon recht früh aufgestanden und war ganz aufgeregt und hampelig. Mein „Superfrühstück“ bestand lediglich aus mehreren Tassen Kaffee. Vor lauter Aufregung hatte ich keinen Hunger. Kernpunkt meiner Aufregung war das ich ein unheimlich starkes Gefühl, fast eine Überzeugung, hatte, das es an dem Tage klappen würde. Ich musste mich richtig zusammenreißen um nicht gleich zum Telefon zugreifen und Elke aus dem Bett zu schmeißen. Punkt Acht konnte ich mich aber nicht halten und rief in Neustadt an. Karin war erst am Telefon und sagte mir, dass sie gerade aufgestanden seien und Elke gerade noch im Bad sei. Sie schlug vor, dass Elke zurückrufen solle. Es dauerte keine fünf Minuten bis ich meine Frau auf der Leitung hatte. Später sagte sie mir mal, dass auch sie schon am Vortag das Gefühl gehabt habe, das eine positive Wende bevor stünde. So hatte sie eigentlich auf meinen Anruf oder Erscheinen gewartet. Sie meldete sich mit „Guten Morgen Reiner. Was gibt es denn?“. „Elke ich möchte mit dir sprechen“, erwiderte ich, „aber am Telefon geht das schlecht.“. freundlich fragte sie zurück: „Um was geht es denn.“. In diesem Moment kamen mir die Tränen und ich antworte: „Ich fühle mich so dreckig und beschissen. Ich habe mich wie eine Sau benommen und es nicht einmal richtig eingesehen. Letzteres hat sich aber geändert und ich möchte zu dir kommen und dich um Vergebung bitten. ... wenn du mir nicht vergibst, halte ich es nicht mehr aus.“. Mit leiser, nur schwer verstehbarer Stimme fragte sie zurück: „Ist das auch dein Ernst?“. Ich musste mich zunächst mit der Bekämpfung meiner Tränen beschäftigen bevor ich fortfuhr: „Ich weiß Elke das ich dich schwer belogen habe und unsere gemeinsame Vertrauensbasis zerstört habe. Da wird es dir sicher schwer befallen mir zu glauben, wenn ich jetzt ‚Ja’ sage. Ich meine es aber wirklich ernst und gebe mir doch bitte, bitte ein Chance es dir zu beweisen.“. Immer noch leise sagte sie darauf: „Dann setzt dich doch gleich ins Auto und komm her.“. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Mir kam in diesem Augenblick dieser Moment als der des Jahres 2000 vor. Ich machte mich sofort startklar und in knapp einer Viertelstunde war ich schon auf dem Weg nach Neustadt. Nach nicht ganz einer Stunde Fahrt stand ich ganz aufgeregt vor der Haustür des Hauses, in dem sich Karins Wohnung befand. Leute, was hat mir da, als ich schellte, das Herz gepocht. Elke betätigte nicht den Türdrücker sondern kam mir persönlich entgegen. Mann, was hatte sich meine Frau chic gemacht. Sie lächelt mich an und sagte: „Komm rein, wir sind unter uns, Karin ist nach Düsseldorf gefahren.“. Das war wirklich ein Superzeichen, denn noch vor einer Woche hätte sie mich bestimmt nicht empfangen, wenn keiner dabei gewesen wäre. Elke hatte im Wohnzimmer für ein zweites Frühstück, was für mich ja eigentlich das erste war, gedeckt – richtig liebevoll wie in alten Zeiten. Später erfuhr ich, dass es auch Elkes erstes Frühstück war. Eigentlich wollte sie zu dem Zeitpunkt als ich anrief mit Karin, die gleich darauf losfahren wollte, frühstücken aber nach dem Anruf war auch sie so aufgeregt, dass sie kein Bissen rein bekam. Während des Frühstücks hielt ich, teilweise mit Tränen in den Augen, meine Bußrede. Auch Elke hatte zeitweilig mit ihren Tränen zu kämpfen. Plötzlich meldete sie sich dazwischen: „Ach Reiner, du kannst aufhören, so schlecht bis du doch auch wieder nicht. Ich kenne dich lange genug und weiß, dass du es jetzt wirklich ehrlich meinst. Du hast eben was ganz wichtiges gesagt: Du hast gestanden, dass deine Haupttriebfeder, als du es mit Heike triebst, deine Geilheit war. Das wusste ich sofort, mir
ist ja nicht entgangen mit welchen Kulleraugen du das Mädchen von Anfang an beäugt hast. Und das war die Hauptsache, weshalb ich nichts mehr mit dir zutun haben wollte. Das du anstelle unseres Sohnes ein Kind gezeugt hast ist zwar schwer zu verdauen aber das hätte ich, insbesondere wenn man es mir vorher gesagt hätte, noch so halbwegs gebilligt. Das du aber einen echten, sexuell begründeten Seitensprung mit einer Jüngeren ... und dann noch mit der eigenen Schwiegertochter – als Edeltat darstellen wolltest, das wollte ich dir eigentlich nie verzeihen. Du hast so übrigens nicht nur mich sondern auch unseren Björn betrogen. Aber ich glaube es ist besser wenn wir es ihn gegenüber bei der Zeugungshilfe belassen.“. Ich hatte den Eindruck, dass Elke mit ihrer „Predigt“ zu ende war aber sie hatte hier unterbrochen und sich auf halber Höhe erhoben, so, als wolle sie meinen Teller greifen. „Willst du dich nicht hier auf der Couch direkt neben mich setzen oder wolltest du noch auf Distanz bleiben?“, fragte sie mich freundlich. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und saß schwupp eng neben ihr. Sie legte ihren rechten Arm über meine Schulter und ihre linke Hand legte sie an meinen linken Oberarm um ihren Kopf an den meinigen anzulehnen. Sie fragte jetzt ganz bedächtig: „Was wir hier getrieben haben weiß du doch sicherlich auch. Heike hat ja eine so charmante Art immer alles versehentlich von dem Einen zum Anderen zu tragen. Aber eigentlich bin weder ich noch Karin richtig lesbisch. Wir sehnten uns beide nur nach ein bisschen Zärtlichkeit. Karin hätte sich ja einen Kerl suchen können aber ich nicht ... ich habe ja schon einen.“. Und jetzt bekam ich einen Kuss auf die Wange. Früher hatte ich öfters mal während unserer intimen Stunden angedeutet, dass es mich anturnen würde, wenn Elke es mit einer anderen Frau treiben würde und ich dabei zusehen dürfte. Das unterließ ich aber jetzt besser doch. Dafür fing jetzt Elke damit an: „Du sagst ja nicht, dass du mal gerne dabei sein möchtest. Von mir aus ginge das ... aber nicht mit Karin. Die ist nämlich gar nicht so ohne. Sie würde die Gelegenheit sofort nutzen um dich aufs Kreuz zu legen. Das möchte ich aber überhaupt nicht. Deshalb sehe dich ihr gegenüber vor, denn ich weiß nicht ob ich dir noch ein zweites Mal verzeihen könnte.“. „Zweites Mal,“, unterbrach ich sie jetzt freudig erregt, „heißt das, dass du mir jetzt verzeihen willst.“. „Das will ich nicht, das habe ich bereits.“, sagte Elke jetzt ganz lieb und ich nahm sie darauf erst mal fest in die Arme und küsste sie heiß und innig. Als sie hiernach wieder zu richtiger Atemluft gekommen war fuhr sie fort: „Das du dich jetzt ganz aufrichtig zur Wahrheit durchgerungen hast hat uns geholfen. Ich sage uns, weil ich dich unverändert liebe.“. Darauf fasste ich Mut und fragte sie ganz direkt: „Kommst du denn jetzt wieder mit nach Hause?“. „Ja, das hatte ich vor.“, bekannte Elke mir jetzt lächelnd, „Ich will nur noch den Tisch abräumen und dann können wir losfahren.“. „Musst du denn nicht erst die Koffer packen?“, erlaubte ich mir zurückzufragen und bekam die Auskunft: „Das habe ich, als du auf den Weg nach hier warst, bereits gemacht. ... Ich bin ja ehrlich, ich konnte es auch schon nicht mehr erwarten. Den Schlüssel nehme ich mit, den gebe ich Karin wenn sie heute Abend bei uns vorbeikommt. Die muss die ganze Sache mit dem Hotel erst noch mit Heike durchsprechen. Auf meine erstaunte Frage „Was für ein Hotel?“ bekam ich dann die Auskünfte über die neuesten Entwicklungen in Karins geschäftlichen Angelegenheiten. Sie war sich mit den von Koschenburgs hinsichtlich ihres Ausstieges aus der Lifestylegeschichte Handels einig geworden. Mehr noch der Bankfiosis konnte ihr ein kleines Hotel in Düsseldorf, was zur Zwangsversteigerung ansteht, vermitteln. Es soll sich um ein gutes Hotel mit zirka 50 Betten mit sogar vor der Schließung hoher Belegungsquote handeln. Meist übernachteten dort Geschäftsleute, die den Messe- und Finanzplatz Düsseldorf besuchten. Dieses Haus gehörte mal zu einer kleinen Hotelkette mit ähnlichen Häusern auch in Frankfurt, Hamburg und Berlin. Diese Kette hatte sich bei ihren Investitionen übernommen und war in die Insolvenz gegangen; das Haus selbst könne ganz gesund geführt werden. Nun, für Karin käme die Übernahme, falls sie den Zuschlag kriegt, tatsächlich nur auf den Preis, den sie bei der Versteigerung bietet, da man im Falle einer Zwangsversteigerung nichts mit der Aktiva und Passiva des vorhergehenden Objekts zutun hat. Insgesamt sähe das nach einem Schnäppchen aus und auch Karin hatte deshalb bereits schon verwundert festgestellt, dass ein Banker tatsächlich mal geholfen habe. An diesem Tage war sie nach Düsseldorf gefahren um sich das Objekt gemeinsam mit dem Banker und dem Sequester anzusehen. Am Abend wollte sie dann nach Elfenwiese kommen um die Angelegenheit mit Heike zu klären. Nach diesem Bericht konnte ich Elke auch was erzählen: „Ach je, unsere Heike hatte schon ganz andere Pläne. Die wollte schon den Grünen Baum in ein Mini-Lifestyle-Hotel verwandeln. Gestern habe ich ihr gesagt, dass daraus wohl nichts würde, denn wir beide würden uns, wenn wir wieder zusammen wären ... Und das ich dafür kämpfen wollte, daran habe ich keine Zweifel gelassen. – Also, ich wollte sagen das wir uns erst mal zusammensetzen müssten um uns darüber Gedanken zu machen, wie wir uns mit oder ohne den Grünen Baum unsere zukünftige Existenzsicherung vorstellen würden. Dabei habe ich so etwas wie ein ‚Wohlfühlhotel’, wie Björn es nannte, ausgeschlossen. Ich glaube nämlich, dass wir im Grunde kein größeres unternehmerisches Risiko mehr eingehen sollten. Wir könnten ja praktisch den Laden ohne Personal nicht betreiben. Und wenn Karin und Heike ihr Geld darein geschossen hätten, müssten wir zu Fünft von der Geschichte leben. Ich glaube nicht, dass man so etwas in Elfenwiese ohne größeren Marketingaufwand bewältigen könnte. ... Ach ist auch egal, was ich dir eigentlich erzählen wollte ist, dass Heike darauf nur enttäuscht mit ‚Es wäre wirklich schön
gewesen’ reagierte. Na ja, hätte ich gestern ihren Traum nicht zerstört, hätte Karin dieses sicherlich heute Abend getan. Aber was soll’s, junge Leute sind immer schnell für etwas zu begeistern. Vielleicht kommt am Abend wieder neue Begeisterung auf.“. Darüber war Elke mit allen Angelegenheiten, die sie in Karins Wohnung noch zu erledigen wollte, fertig geworden und ich wurde nun zum zweiten und letzten Mal in das Schlafzimmer dieser Wohnung gebeten – diesmal aber um die Koffer meiner Frau herauszuholen. Im Wagen kam Elke zunächst noch einmal auf meinem Bericht vom Vorabend zurück: „Ich finde es toll, dass du mit mir gemeinsam Pläne für eine Existenzsicherung vornehmen willst. Da habe ich auch schon mal an was gedacht. An der Stelle des Saales könnten wir doch Ferienwohnungen bauen. Vielleicht vier oder fünf ... im Hause selbst könnten wir ja eventuell ja auch noch eine einrichten. Aus dem Gastraum könnte so etwas wie ein Frühstückszimmer werden. Wir müssten uns mal anhören, wie so etwas zu realisieren ist und vor allen Dingen was es kosten würde. Vor allen Dingen müssen wir mal mit einem erfahrenen Ferienvermieter durchrechnen, was wir erlösen können. Dann können wir ja immer noch überlegen. Wir brauchen ja nichts übers Knie zubrechen.“. „Mensch Mäuschen,“, begann ich jetzt erstmalig an diesem Tage unter Verwendung eines Kosewortes, „trotz unserer dicken Krise ist das geistige Band zwischen uns immer noch stabil. Genau an so etwas hatte ich gestern auch schon mal gedacht. Warum sollen wir lange fackeln, wir sollten gleich zu unserer Infotour starten.“. So eine ungefähre Richtung, in die wir nun marschieren wollten, hatten wir jetzt und dabei beließen wir es an diesem Tage auch. Schließlich hatten wir genügend Gründe uns miteinander zu beschäftigen. Angekommen im Grünen Baum lösten wir erst einmal ein Erstaunen aus. Heike hatte wohl gemerkt, dass ich nicht im Hause war aber sie hatte zuvor nicht mitbekommen, als ich weggefahren bin. Und jetzt stand ich da, mit Elke und ihren Koffern. Das ich das, was ich mir am Vortag vorgenommen hatte, so schnell und erfolgreich umsetzen würde, hatte sie nicht geglaubt. Vollkommen erstaunt fragte sie: „Mama, bleibst du jetzt wieder hier?“. „Sicher doch,“, begann Elke leicht lachend, „hier gehöre ich doch hin. Eine Frau gehört doch zu ihren Mann ... und natürlich auch umgekehrt.“. „Lebt ihr jetzt wieder richtig zusammen ... Oh, Entschuldigung.“, kam jetzt noch aus der Verblüfften heraus bevor sie aber auch dann ganz auf Freude umstellte. Sie war so begeistert, dass sie gleich Björn in dem Fitnessstudio anrief und der, wiederum machte gleich Feierabend und kam gleich nach Hause. Na ja, das dürfte doch wohl der richtige Anlass für eine kleine Feier gewesen sein – und die „veranstalten“ wir auch gleich. Beendet wurde diese um 17:00 Uhr, da die Öffnung der Kneipe anstand und Elke ließ es sich nicht nehmen mit mir hinter der Theke zustehen. Und Alles in Allem war ich überglücklich. Karin war zum Zeitpunkt der Öffnung noch nicht im Lande. Sie kam erst so gegen halb Sieben, wo im Gastraum doch schon einiges los war. So konnte ich mit ihr nur ein paar nette Worte wechseln und dann verschwand sie mit Elke in Richtung Wohnung. Die beiden Frauen haben aber auch nur ein paar Worte miteinander gewechselt. Mehr schien auch nicht nötig zu sein, da Elke ihren Willen zur Rückkehr ins Ehebett ja schon am Morgen, vor Karins Abfahrt, bekundet hatte. Daran hätte sich nur aufgrund einer Sache, die in mir begründet gewesen wäre, etwas ändern können. Aber ich hatte es ja ehrlich gemeint und so auch Elke keinen Grund für einen Rücktritt geliefert. Als meine, nun wieder bessere Hälfte wieder zurückkam war ich gerade im Begriffe ein paar Frikadellen aus der Küche zu holen. Elke folgte mir auf einen Sprung in die Küche und nutzte diesen Augenblick um mir etwas unter vier Augen zu sagen: „Ich glaube Karin ist die einzigste, die sich über die Auferstehung unserer Ehe nicht so recht freuen kann. Aber das muss man auch verstehen: Einmal verliert sie ihre Schmusepartnerin ... war irgendwo doch ganz schön – und andererseits hat sie es bis heute noch nicht geschafft, dich zu vernaschen, was sie doch so gerne machen würde.“. Bevor sie wieder rausging fragte sie noch: „Meinst du, wir könnten Björn und Heike heute Abend mal die Kneipe überlassen? Ich muss nämlich unbedingt ins Bett.“. „Wieso, hast du letzte Nacht schlecht geschlafen?“, fragte ich zurück und bekam die eindeutig zweideutige Antwort: „Nee, ich möchte in der kommenden Nacht schlecht schlafen aber dafür viel ...“. Den Restsatz sagte sie nicht sondern verschwand wieder durch die Schiebetür in den Gastraum, wohin ich ihr auch postwendend mit den Frikadellen folgte. Etwa zweieinhalbe Stunde hat Karin mit Tochter und Schwiegersohn konferiert. Was da wie gelaufen ist kann ich Unwissender natürlich hier nicht wiedergeben. Ich kann nur von dem Ergebnis berichten. Karin und Heike wollten tatsächlich das Düsseldorfer Hotel ersteigen. Karin wollte nach der Versteigerung erst einmal in Düsseldorf bleiben und sich um alle möglichen Dinge, die zur Wiederöffnung notwendig sind, also um Personaleinstellung, Wareneinkauf und so weiter und so fort, kümmern damit sie so früh wie möglich wieder eröffnen können. Auch bei geschlossenen Hotels laufen Kosten auf aber sie bringen dafür nichts ein. Die Besprechung dieser Details soll, laut Björn, der uns kurz davon berichtete, den größten zeitlichen Rahmen in Anspruch genommen haben. Dass das Hotel übernommen werden sollte fand bei den jungen Leuten nicht nur Zustimmung sondern ausgesprochene Begeisterung. So hatte ich also mit meiner Bemerkung am Morgen, dass junge Leute schnell für etwas Neues zu begeistern wären, voll ins Schwarze getroffen. Karin kam, bevor sie endgültig heimwärts nach Neustadt, fuhr noch für eine Viertelstunde in den Gastraum zu einem Wortwechsel aus schlichter Freundlichkeit, also nur aus dem Antrieb, dass sie nicht so sang- und klanglos
verschwände. Dass in einer Räumlichkeit wie einem Gastraum mehr nicht drin ist, wusste auch Karin als Hotelierfrau mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung. Leute, die eine Gaststätte aufsuchen, insbesondere die sich an den Tresen postieren, sind auf Kommunikation aus. Das heißt, dass sie sich unterhalten wollen; in der Regel nicht über konkrete Details sondern über Gott und die Welt, wie man so schön sagt. Das ist ganz pauschal gesagt erst einmal positiv. Wir leben ja leider in einer Zeit wo die Kommunikation immer mehr verkümmert. Viele Leute verfügen schon nicht mehr über eine Streitkultur, die sich nur in aktiver Kommunikation üben lässt. Durch sie bildet sich sowohl Toleranz wie auch die eigene Artikulationsfähigkeit aus. Streitkultur lässt sich nicht einsam vor PC und Fernseher, auch wenn man virtuelle Partner hat, trainieren. Just aus diesem Grund bin ich gerne Gastwirt. Grundsätzlich ist wo Licht ist auch Schatten, es sei denn es wäre eine flache, leblose Fläche. Dieser Schatten ist bei der Kommunikation der Tratsch, der sicher und ohne Zweifel leider auch in diese, ansonsten positive Kategorie gehört. Tratschen besitzen die Eigenschaft, stets die Ohren zu spitzen und das was sie hören in sensationsmachender Weise weiterzugeben. Da werden schnell aus Unfällen mit geringen Blechschäden dann Totalschäden. Es wird getratscht obwohl man selbst weiß, das man nur die Hälfte oder noch weniger mitbekommen hat. Aber jetzt nicht diesbezüglich immer auf den kleinen Mann, den Kneipenstrategen, einschlagen sondern achten wir auch mal auf die Medien. In der Geilheit immer die neueste Nachricht zu erst zu bringen bedient man sich der Tratschtechniken und greift Halb- und Falschwissen wie eine Seuche um sich. Reiner, Reiner, du hast wirklich eine nette Art abzuschweifen. Ich muss ja auch mal mit mir selbst schimpfen. Ich wollte doch nur schreiben, dass wir, also Elke, Karin und ich, in Kenntnis der Atmosphäre, zu Karins Abschied an diesen Freitagabend keine ernsteren Dinge sondern nur nette Allgemeinpositionen austauschen konnten. Diese wollte jetzt insbesondere Karin auch nicht unterlassen weil es ein Zeichen der gegenseitigen Achtung ist, wenn man sich nicht wie ein Dieb in der Nacht davon schleicht. Aber bereits während dieser Viertelstunde musste sich aber meine Elke mal kurz davon schleichen und die Wohnräume aufsuchen. Was sie dort wollte berichtete mir Björn am nächsten Tag mit den folgenden Worten: „Jeu, dass die Mama so drauf ist hätte ich nicht gedacht. Kam sie doch gestern Abend rein geschneit und tönte: ‚Kinder ich bin in Nöten und muss unbedingt was zwischen die Beine haben. Jetzt habe ich schon so lange nichts mehr gehabt, dass es langsam brennt. Könnt ihr uns Unten vertreten ... ich mach es auch wieder gut.’“. Was soll’s, warum sollte man im Familienkreis nicht mal auf lockere, vulgäre Weise ehrlich sein. Zuhause darf auch der Pastor Mensch sein. Wäre es nach dem großen Knall nicht unser erster Tag wieder gewesen hätte ich Elkes Ansinnen unfair gefunden, denn der Freitag und der Samstag sind die Tage, an denen es abends in den Kneipen meist wie in alten Zeiten läuft. Leider kann man als Gastronom davon aber auch nicht dauerhaft leben. An solchen Tagen geht es offiziell bis Eins aber nicht selten weit darüber hinaus, in schlimmsten Fällen bis Vier. Aber natürlich muss ein Gastwirt auch ein Gespür dafür haben, wann er sich die Gäste vom Halse komplimentieren muss, denn zu einem gewissen Zeitpunkt sind die Leute so abgefüllt, dass nichts mehr passt. Dann geben sie nur noch lallend Albernheiten von sich, die, wenn die richtigen Leute darunter sind, in Keilereien ausarten können. Na ja, trotz allem sind ja Schlägereien selten aber die Umsätze, die dann in solchen Nachmitternachtsstunden erzielt werden, stehen dann in keinem Verhältnis zum Einsatz von Arbeits- und Energieaufwand. Das Fingerspitzengefühl für den richtigen Zeitpunkt ist also das erste, was ein Neugastwirt lernen muss – auch im Interesse eines stets ordentlichen und friedlichen Ablaufes. Aber unsere Beiden hatten Verständnis für unsere Lage und sprangen an diesem Abend gerne ins Geschehen ein. Ich nehme mal an, dass die plumpe Ehrlichkeit mit der Elke in Form eines vulgären Scherzes auf ihre Wünsche aufmerksam machte, sehr zur sofortigen Einsicht und Bereitschaft des jungen Paares beigetragen hat. So wie ich es jetzt berichte, könnte man annehmen, das Begehren wäre einseitig nur bei Elke vorhanden gewesen. Da ist es an der Zeit, mich dazu zu bekennen, dass ich nicht minder notgeil war und mich im Grunde überglücklich über die Initiativen meiner Frau freute. So gegen halb Zehn traten Björn und Heike dann in der Kneipe an. Aus Heikes ironischem Lächeln und ihren Worten „Dann viel Spaß“, kann man schließen, was sie in diesem Moment gedacht hat. Und warum sollte ich ihr da widersprechen, wo sie doch nicht nur offensichtlich sondern ganz real in die richtige Richtung dachte. Jetzt ging’s aber wirklich flott. Ich habe natürlich jetzt die Zeit nicht mehr nachgehalten aber ich glaube, es waren weniger als fünf Minuten bis wir, zum ersten Mal nach einer Zeit, die mir unendlich erschienen war, splitterfasernackt nebeneinander im Bett lagen. Als Erstes musste ich diese Frau, mit der ich in Kürze 26 Jahre verheiratet sein würde in allen pikanten Details genau betrachten und diesen Körper ganz und gar mit Küssen und Streicheleinheiten bedecken. Da wurden mir doch die Augen feucht. Was hatte ich doch für eine tolle Frau. Immer noch war sie hübscher wie die meisten anderen Frauen in ihrem Alter. Nein, ich muss sagen sie ist die hübscheste in ihrer Altersklasse. Was ich immer so sehr an ihr schätzte ist ihre Natürlichkeit. Sie ist kein unter Make up verstecktes weibliches Wesen sondern eine Frau, die unser Gott mit seiner Schöpferkunst so wunderbar ausgestattet hat. Dazu kommt dieses innige geistige Band, das uns immer, bis auf diese Krisenzeit, von der ich bis jetzt berichtet habe, so eng verband. Wir waren praktisch zu einer Einheit verschmolzen. So wie es im LukasEvangelium heißt: „Ihr sollt ein Fleisch werden“. Und alles dieses hätte ich beinahe, durch eigene Schuld und
Dummheit verloren. Da fasste ich den festen Vorsatz, dass dieses nie wieder passieren dürfte. Es wäre wirklich schön gewesen, wenn ich aus einem Alptraum erwacht und alles gar nicht geschehen wäre. So, an dieser Stelle beende ich meinen Bericht von dem Tag als meine Ehe wiedergeboren wurde. Der Rest wäre ja auch nur ein detailliertes Ausplaudern von den Abläufen, die nur Elke und mir gehören. Sicherlich erregt man durch ausplaudern von Intimitäten jede Menge Aufmerksamkeit aber einen Gefallen tut man sich selbst damit nicht. In dem Moment, wo man anderen so etwas von sich gibt, wirft man ein Stück von sich selbst in eine Öffentlichkeit, die dieses nicht würdigen kann. Das ist Perlen unter die Säue werfen, wie es in der Bergpredigt heißt. Also, damit wären wir jetzt scheinbar bei einem Happy End angekommen. Da kann ich jetzt noch mal „Es wäre wirklich schön gewesen“ schreiben, denn es kommen noch ganz dicke Brocken auf uns zu. Dramatische Überraschungen warten noch auf uns. Die Geschichte vom Tagedieb und seiner Schwiegertochter ist noch nicht vollständig niedergeschrieben.
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Glück ist der Normalzustand Was ist eigentlich Glück? Auf diese Frage bekommt man in der Regel sehr vielfältige Antworten, die sich aber in den überwiegenden Fällen immer nur auf eine Sache beziehen: auf das Geld. Lotto- und Lotteriegewinne liegen bei den Antworten zu der Frage nach dem Glück an erster Stelle. Vom Glück spricht man darüber hinaus auch, wenn etwas gelungen ist was mit einer größeren Wahrscheinlichkeit auch hätte schief gehen können oder wenn man aus einer Vielzahl von Bewerbern oder Interessenten ausgewählt oder erkoren wurde. Sollte ich jetzt aus dem bisher geschrieben eine Definition des Wortes Glücks vornehmen würde ich sagen, dass Glück „einen Treffer erzielen“ hieße. Aber darunter könnte ich auf keinen Fall die Empfindung, die mit diesem Wort bezeichnet wird, miteinbeziehen. Ist also Glück empfinden etwas ganz anderes als Glück zu haben? Offensichtlich ja, denn ich habe schon von Leuten, die einen Treffer nach dem anderen erzielten, also nach langläufiger Meinung auf der Sonnenseite des Lebens standen, gehört, die aber sehr unglücklich waren, das heißt, dass sie zwar Glück im Sinne von Treffer erzielen hatten aber kein Glück empfinden konnten. Aber auf der anderen Seite habe ich auch von Leuten, die das Leben gar nicht so beschenkte hatte, die sich aber trotzdem sehr glücklich fühlten, gehört. In der Tat ist Glück nicht gleich Glück. Wir haben lediglich nur ein identisches Wort für zwei unterschiedliche Angelegenheiten, die nur scheinbar etwas miteinander zu schaffen haben. Wenn dem so ist, muss ich dann auch gleich zu Beginn dieses Kapitels, welches ich dem Glück widmen möchte, sagen, was ich denn jetzt meine: Treffer erzielen oder Glück empfinden. Also, ich meine hier an dieser Stelle Zweiteres, die Empfindung. Nachdem dieses jetzt klar gestellt ist, müssen wir gleich noch einen zweiten Absatz dazu philosophieren. Auch diesen möchte ich mit einer Frage beginnen: Wann und wo empfinden wir eigentlich Glück? Auch auf diese Frage gibt es vielfältige Antworten, wobei oft ganz kleine Dinge als Glücksmomente genannt werden. Ebenso bescheiden werden die Situationen, die solche Empfindungen auslösen können, beschrieben. Ich denke da zum Beispiel an ein Kinderlachen, ein gutes Wort, das einem unerwartet zuteil wird, oder einfach nur auf einer Bank sitzend den Sonnenschein genießen. Um glücklich zu sein, bedarf es nur sehr, sehr wenig und das Geld ist dabei so gut wie nie im Spiel. Wenn es so wenig bedarf um glücklich zu sein, warum sind denn nicht alle Menschen glücklich? Warum sagen so viele Menschen, obwohl sie sich in keinem erkennbaren Unglück befinden, dass sie nie Glück hätten? Ganz einfach: Empfindungen müssen einen bewusst werden. Wer alles als Selbstverständlichkeit verkonsumiert ist unfähig sein eigenes Glück zu erkennen. Es muss also etwas passieren, man muss also auf die Nase fallen, um zu begreifen, das eigentlich nichts selbstverständlich ist. Würden wir nur im Garten Eden leben, wäre unser Dasein öd und leer. Der Apostel Paulus schrieb im Römerbrief: „... wir rühmen uns unserer Trübsale, weil wir wissen, dass Trübsal Geduld bringt; Geduld aber bringt Bewährung; Bewährung bringt Hoffnung.“. Legen wir es kurz aus: „Trübsal bringt Glück“ oder „Man muss erst Schmerzen empfinden, bevor wir das Glück überhaupt erkennen können“. Meine Erlebnisse, die ich bis an dieser Stelle beschrieben habe, könnte ich doch bequem unter „dauernd einen auf die Nase kriegen“ einordnen. Da hatte ich oft Angst, empfand vielfach Trauer und Trübsal. Am Tage als ich meine Elke wieder heimführen konnte, war es damit vorbei. Es trat also ganz einfach ein Normalzustand ein und sowohl Elke wie auch ich empfanden diesen als eine Zeit des Glücks. Ist also Glück nichts anderes als der Normalzustand? Lassen Sie mich in diesem Kapitel mal beschreiben, was Elke und ich nach der Beendigung unserer großen Ehekrise alles an Glück empfanden, dann können Sie verstehen, dass wir die letzte Frage uneingeschränkt mit „Ja“ beantworten möchten und können. Aus dem Vorhergesagtem geht jetzt auch eindeutig hervor, dass wir es ab dem Tage unserer Versöhnung bis ... Na, warten wir es ab – weder mit guten noch mit schlechten sondern ganz schlicht und einfach mit ganz normalen Zeiten zu tun hatten. Elke und mir war in der Zeit unserer Trennung erst richtig bewusst geworden, was wir voneinander hatten und wussten dieses nun zu schätzen. Wie schön ist es doch, wenn man nach dem Weckeralarm ein „Guten Morgen, Maus“ oder „Guten Morgen, Schatz“ austauschen kann. Eine Kleinigkeit, die einem aber einen gehörigen mentalen Schub zum gerade anbrechenden Tag verleiht. Das merkt man erst, wenn man erfahren hat, dass einem nach dem Alleinerwachen solche Gedanken wie „Mist, ist die Nacht schon wieder herum? Warum soll ich überhaupt aufstehen, es bringt ja sowieso nichts.“ kommen können und in der Regel auch kommen. An dieser Stelle fragt jetzt dieser oder jene, warum wir um alles in der Welt uns in der Frühe des Wecker bedienen, wo wir doch ein Gastwirtehepaar sind, das in den Morgenstunden doch normalerweise mehr als unabhängig ist. Es spielt doch keine Rolle, ob wir um Sieben, Acht oder erst um Neun aufstehen. Stimmt, das war nur vor nur wenigen Jahren anders: Björn musste zur Schule und Elke ins Reisebüro nach Wannemünde – ja, und anschließend haben wir den Tagesstart mit dem Wecker einfach beibehalten, nur die Weckzeit ist nach hinten gerutscht. In der Regel schrillt es bei uns Langschläfern erst kurz vor Acht in unserem Schlafzimmer. Sicherlich haben wir schon paar Mal überlegt ob wir auf den gestellten Funkwecker verzichten sollten aber immer wieder haben wir uns darüber verständigt, dass es ganz nützlich ist sich einen bestimmten Startpunkt zum gemeinsamen Tagesbeginn zu setzen. So unabhängig wie wir waren, konnten wir uns ja trotzdem auch nach dem Weckeralarm ohne Weiteres darauf verständigen, einfach im Bett zu bleiben; mal um noch eine Mütze Schlaf zu
nehmen, mal um eine Runde wach zu träumen und auch mal um zu schmusen. Die Weckzeit war für uns also kein Diktat; für uns war nur das Gemeinsame, das Miteinanderhandeln, wichtig. Wenn man eine Solozeit erlebt hat, weiß man diese Gemeinsamkeit richtig zu schätzen und dann empfindet man selbst bei einer so normalen Angelegenheit wie dem Austausch von Morgengrüßen Glück. Dieses gilt durch die Bank auch für die gemeinsamen Mahlzeiten und Einkäufe oder nur für gemeinsames Spaziergehen beziehungsweise für miteinander erlebte Musestunden. Alleine ist man doch nur eine halbe Portion und gemeinsam ist mal glücklich. Dieses wissen wir seit jenem Tage im Jahre 2000 erst richtig zu schätzen. Jetzt dürfte unschwer aufgefallen sein, dass ich nur von Elke und mir geschrieben habe obwohl doch laut der Vorgeschichte vier Personen im Hause waren. Hatten wir über unser zweisames Glück Heike und Björn vergessen? Nein, sicherlich nicht und diese waren bis zum zweiten Weihnachtstag immer noch integraler Bestandteil unserer Elfenwieser Familiengemeinschaft. Bis zum 22. Dezember, einem Freitag, ging Björn seinem Praktikum im Fitnesscenter Wannemünde nach obwohl er es eigentlich gar nicht mehr benötigte, denn das Lifestylehotel, für das dieses eigentlich gedacht war, würde ja ohne ihn seine Tätigkeit aufnehmen. Aber die ganze Geschichte machte ihm Spaß und er vertrat die richtige Ansicht, dass man nie wissen kann, wozu das Ganze gut sein könnte. Heike war uns in dieser Zeit, in der ja auch die ganzen Jahresabschlussessen, Adventsund Weihnachtsfeiern fielen, eine mehr als tatkräftige Unterstützung. Gelernt ist halt gelernt. Aus allen was sie anfasste sprach die Hotelfachfrau. Sowohl in ihrer Bekleidungsordnung wie in ihrem Verhalten miet sie jegliche Pikanterieförderung, was mir in der neuen Situation natürlich mehr als recht war. So konnten wir durch die Bank von einer richtig glücklichen Familie sprechen. Weihnachten haben wir zu Viert beziehungsweise zu Fünft, am ersten Weihnachtstag kam auch Karin aus Düsseldorf angereist, in traditioneller Weise gefeiert. Leider entwickelt sich Weihnachten vielerorts auch zu einem Festival der Familien- und Rosenkriege. Die modernen Menschen, die sich das ganze Jahr über mit Beschaffungsstress und Spaßevents überfüttern können die plötzliche Ruhe und Stille, die sie sich aus den Traditionen früherer Jahre, als man noch Weihnachten als Fest der Stille erachtete, aufzwingen, nicht ertragen. Sie flippen aus und reagieren sich gegenüber den anderen Familienangehörigen ab. Davon war bei uns aber nichts zu spüren. Der hinter uns liegende Trouble lag noch frisch im Gedächtnis aller unserer Familienangehörigen und daher brauchten wir uns nicht einmal zusammenreißen sondern das Glück, dieses Miteinander spüren und erfahren zu können, beherrschte uns und bestimmte unser Handeln. Es war richtig schön. Am zweiten Weihnachtstag folgten Heike und Björn ihrer „Chefin“ Karin nach Düsseldorf um letzte Hand an deren neuen Hotel anzulegen. Jetzt habe ich, als ich das junge Ehepaar Wolf in einem Zuge nannte, einen sachlichen Fehler gemacht. Natürlich gehörte das Düsseldorfer Hotel nicht nur der Mutter sondern auch der Tochter aber die „Richtlinienkompetenz“ lag doch wohl eindeutig nur bei Karin. Am Samstag, dem 6. Januar 2001, war die offizielle Neueröffnung. Natürlich waren auch wir eingeladen, konnten aber nicht daran teilnehmen, da an diesem Tag auch bei uns im Saal eine Veranstaltung, die wir uns nicht vom Hals halten konnten, stattfand, nicht daran teilnehmen Ja, wenn man den Klotz einer Kneipe oder eines Geschäftes am Bein hängen hat ist man nicht mehr so unabhängig wie man gerne sein möchte. Da haben es Arbeitnehmer schon besser. Na ja, wenn wir das, was wir uns mit dem Grünen Baum vorgenommen haben, in die Tat umgesetzt haben, geht es bei uns auch etwas ruhiger zu aber zeitlich viel unabhängiger sind wir dann auch noch nicht. Es dürfte wohl ein deutlich geringerer Arbeitsaufwand anfallen aber wenn der Ofen rauchen soll, müssen wir wohl ständig vor Ort sein oder uns in Erlös aufzerrender Weise des einzustellenden Personals bedienen. Mit einem uns gut bekannten Architekten, als Sportvereinsvorsitzender und Ratsmitglied ist er so eine Art Stammgast in unserem Hause, haben wir schon einmal die Möglichkeiten abgecheckt. Demnach könnte der Saal abgerissen werden und auf dessen Grundmauern vier Ferienwohnungen errichtet werden. Das eigentliche Haus kann so umgebaut werden, dass in dem Bereich, wo jetzt das Gesellschaftszimmer ist, drei Einzelzimmer, die durch eine Nebentür im Gastraum und insbesondere über einen separaten Seiteneingang erreichbar sind, entstehen können. Der Gastraum wird renoviert und danach aber erhalten bleiben. Die Gartenwirtschaft soll jedoch eingestellt werden. Ein Pi-mal-Daumen-Kostenvoranschlag lag uns Ende 2000 auch schon vor, so dass wir im Januar so wie im Februar sowohl mit der Sparkasse wie auch der Volksbank hinsichtlich der Finanzierung verhandeln konnten. Obwohl mich Verhandlungen mit Bankfiosis immer aufregen empfand ich hierbei doch Glück, denn ich trat immer nur gemeinsam mit meiner besseren Hälfte auf – und das war wirklich schön. In dieser Angelegenheit hatten wir auch Glück im Sinne von Treffern. Das war zwar nicht alles in dem Zeitraum, wo dieses Kapitel handelt, aber ich handele es hier schon mal ab, denn dann können wir uns im weiteren Verlauf ausschließlich auf die Geschichte konzentrieren. Als die endgültigen Pläne auf den Tisch lagen gefiel uns das wesentlich besser als das, was wir uns vorgestellt hatten. Insgesamt kam alles dann sogar deutlich günstiger als wir befürchtet hatten. In Folge ergab sich dann auch eine günstigere Wirtschaftlichkeitsberechnung. Selbst bei einer nur knapp 40%-igen Auslastung kommen wir auch bei Berücksichtigung aller Fixkosten sowie Zins und Tilgung auf einen Erlös von dem Elke und ich ganz zufrieden werden leben können. So etwas stimmt auch
Banken, die an ein über 50-jähriges Ehepaar gar nicht mehr so gerne Kredite vergeben, günstig und wir bekamen die Kredite zu akzeptablen Bedingungen. Schließlich, so meinte der Chef der Volksbank-Filiale, lässt sich ein solches Objekt, falls wider Erwarten doch mal etwas schief geht, auch gut veräußern. Dieses auch im Hinblick darauf, dass der Bedarf an solchen Ferienwohnungen und Unterkünften in der Gemeinde Wannebachtal nach Ansicht aller Experten deutlich höher liegt als dieses durch das, durch uns in Gang gebrachte, Angebot abgedeckt werden kann. Elke war letztlich sehr stolz darauf, dass dieses ihre Idee war – und das machte mich auch wiederum glücklich. Aber soweit sind wir noch nicht. Jetzt kam erst einmal der Jahreswechsel von 2000 auf 2001, also der eigentliche Millenniumswechsel, den die Leute ja alle schon schön fröhlich ein Jahr früher gefeiert hatten. In diesem Jahr fand nicht solch ein Trubel wie im Vorjahr statt. Ich hatte fast den Eindruck, als sei es diesmal sogar weniger als in den Jahren davor gewesen. Aber was soll’s, wir hatten unser Auskommen und so Pi mal Daumen sollte so etwas in unserem Hause zu diesem Silvester das letzte Mal stattfinden. Nach unseren Planung sollte sich der Grüne Baum im darauffolgenden Jahr im Umbau befinden und danach wollten wir zum Jahreswechsel geschlossen halten. Wir wollten ja in erster Linie von unseren Gästen in den Wohnungen und Unterkünften und nicht von den in der Kneipe leben. Gastwirte sind ja die armen Leute, die immer dann ran müssen wenn die anderen Freizeit haben. Dieses Leben sollte in 2001 nun für uns ein Ende finden. Auch solche Perspektiven sind geeignet, Menschen glücklich zu machen. Nach dem in unserem Hause traditionellem Katerfrühstück zu Neujahr 2001 konnten wir es auch gelassener wie im Vorjahr angehen. Wir hielten nämlich diesmal unseren „Laden“ bis einschließlich dem 7. Januar, einem Sonntag, geschlossen. Da brauchten wir nur das, was aus hygienischen Gründen notwendig war, erledigen; das große Reinemachen konnten wir auf den Rest der Woche verteilen. Jedoch unternahmen wir am 2. Januar, unserem 26. Hochzeitstag, daran auch keinen Handschlag. Dieser Tag sollte uns beiden ganz alleine gehören. Außer dem Besuch eines Chinarestaurants in Wannemünde hatten wir uns nur Schmusen und weitergehendes in dieser Art vorgenommen. Der Rest sollte Müßiggang mit Plaudern und Träumen sein. Na, wem macht so etwas nicht glücklich. Übrigens, wir haben dieses nicht nur geplant sondern natürlich auch durchgeführt. Was gibt es denn sonst noch aus der, dieses Kapitel betreffenden Zeit zu berichten? Natürlich jede Menge aber nichts was für die Leserin oder dem Leser meiner Erlebnisniederschrift von dem Tagedieb und seiner Schwiegertochter von gesteigerten Interesse sein könnte. So könnte ich von den Jahreshauptversammlungen, Haushaltsberatungen und Karnevalsveranstaltungen im Grünen Baum, die Elke und ich gemeinsam meisterten, berichten. Ich könnte auch schreiben, wie es uns in diesem Jahr aus zweierlei Gründen richtig Spaß machte: Zum Einen wirkte des Ehepaar Wolf neben- und miteinander, wir waren ein Team aus einem Guss, und zum Anderen war uns bewusst, dass wir mit einem solchen Wirbel nun letztmalig zu schaffen hatten. Im nächsten Jahr würde sich unserer Grüner Baum in der Endphase des Umbauprojektes befinden und Ostern 2002 soll es dann mit unseren Ferienwohnungen und Unterkünften richtig losgehen. Durch Kleinanzeigen in den Reisebeilagen der Regionalzeitungen und durch einen Internet-Auftritt wollten wir frühzeitig dafür sorgen, dass unser Ferienwohnungsunternehmen kein Pflänzchen, das im verborgenen blüht, bleibt. Und Alles in Allem waren wir beide glücklich, sehr glücklich. Die bösen Erfahrungen des Vorjahres hatten uns gelehrt das Glück wirklich wahr zunehmen. Seit diesen Tagen weiß ich ganz gewiss, das Glück nichts anderes als der Normalzustand ist. Durch dieses Erkennen durch Erleben bildete sich bei mir auch eine neue religiöse Überzeugung, die ich heute als wirklich wahren Glauben erachte. Nun, ich war schon von jeher kein Ungläubiger. Ich gehöre zu den Menschen, die man auch nach der Konfirmation zwar nicht regelmäßig aber doch öfters mal beim Gottesdienst antreffen konnte. Am Gottesdienstbesuch lässt sich allerdings der Grad der Gläubigkeit nicht abmessen. Da trifft man sicherlich auch Leute, die nur vor den Augen der anderen Menschen, über die sie sich moralisch zum Zwecke der Unterdrückung erheben möchten, in die Kirche laufen und auf der anderen Seite gibt es tiefgläubige Menschen, die man nur selten oder nie in der Kirche trifft. Aber darüber haben wir nicht zu urteilen und das will ich auch nicht, das Urteilen ist eine Angelegenheit, die sich Gott selbst vorbehält. Ich wollte hier nur feststellen, dass sich durch die Geschehnisse im Jahre 2000 mein Glauben festigte oder gar erst richtig ausbildet und das sich dieses äußerlich auch im Gottesdienstbesuch zeigte. War ich früher nur gelegentlich in der Kirche konnte ich ab Beginn des Kirchenjahres 2001, sprich ab dem 1. Advent des Jahres 2000, von einem regelmäßigen Besuch sprechen. Mein Hinweis auf das Kirchenjahr wird einige, die es mit der Kirche „nicht so haben“, verwundert haben und deshalb hier nur eine kleine Aufklärung: Das Kirchenjahr ist nicht identisch mit dem Kalenderjahr. Es beginnt mit dem 1. Advent und endet mit dem Ewigkeitssonntag, der im Volksmund Totensonntag heißt. Jetzt habe ich immer nur von mir geschrieben, aber wie war dieses denn mit Elke? Dazu möchte ich zunächst sagen, dass man in Glaubensdingen immer nur von sich selbst sprechen oder schreiben kann. Niemand außer Gott und der beziehungsweise die Betreffende selbst kann so tief in eine Seele schauen, dass er den Glauben eines anderen Menschen beurteilen kann. Daher habe ich scheinbar egomanisch nur von mir geschrieben obwohl
dieses nach meiner Einschätzung und Gefühl wohl alles auch auf Elke zutrifft. Das sonntägliche Bedürfnis zur Kirche zu gehen war ein beidseitiges. Dieses Bedürfnis lag nicht darin begründet, einer vermeintlichen und sicher überhaupt nicht vorhandenen Christenpflicht nachzukommen sondern in der Feststellung das uns dieser sehr schöne Wochenabschluss gut tat. Einmal richtig vom irdischen Alltag abschalten, das Meditative der Gemeindegesänge und –gebete für sich selbst genießen und die über den Alltagskram hinausgehenden geistigen Anregungen aufnehmen, gaben uns wieder Kraft für neue Taten aber auch Untaten. Über eines waren wir uns einig: Der Gottesdienst hilft uns hier auf Erden. Durch das meditative Umfeld schöpfen wir neue Kraft und durch die Predigt erhalten wir die Anstöße mit der wir die Zweifel und das Leben bewältigen und unseren Glauben festigen können, aber eines erhalten wir dadurch nicht: Eine Absolution als Versicherung für unser Seelenheil. Nicht unsere Taten – und Gottesdienstbesuch ist eine Tat – sondern nur unseren Glauben sieht Gott an. Hinsichtlich Letzterem muss ich jetzt aber noch sagen, dass dieses im evangelischen Raum, wo ausschließlich dass Wort zählt, so gesehen wird. In der katholischen Kirche ist es doch mehr so wie im Islam, das Taten wie Sakramente und Liturgie mehr im Vordergrund stehen. Elke und ich diskutierten jetzt sehr oft über Glaubensfragen und kamen letztlich gemeinsam auf eine neue religiöse Auffassung. Wir glaubten jetzt die Schöpfung richtig zu verstehen. Am Anfang gab es das Chaos, nach unserer Auffassung sind Energie und Materie damit gemeint, und Gott, den Geist. Gott ist die Liebe und das Glück und dieses wollte er mehren, das ist sein Segen. Die Schöpfung bestand in der Verbindung von Chaos und Geist. Es heißt der Mensch sei nach Gottes Bild geschaffen und da Gott Geist ist, kann damit nicht unser Körper sondern nur unsere Seele gemeint sein. Damit diese Seele sich ihrer selbst bewusst wird und so vollkommen wird wie Er es ist, bestimmte Gott voraus was der Körper zu erleben und zu erleiden hatte, was er Gutes und was er Böses tut. Ich meine hier also die doppelte Prädestination, von der ich aus den Schriften des Reformators Johannes Calvin erfahren habe. Wenn uns keine Unglücke und Leiden wiederfahren, können wir das Glück, was ja der Normalzustand ist, gar nicht erfassen und begreifen. Ohne die Erfahrung der körperlichen Liebe bleibt uns die wahre Liebe, das eiserne Band zwischen Gott und den Menschen, für immer verborgen. Die Seele allerdings ist frei, ihr ist nichts vorbestimmt. Sie kann entscheiden ob es die Botschaften aus der Gnade leiden zu dürfen annimmt oder nicht. Eines Tages, sprich nach unserem Sterben, werden sich Geist und Chaos, Seele und Körper wieder voneinander trennen. Alles wird wieder zu dem, aus dem es geworden ist. Dann entscheidet sich, was wir in unserem Bewusstsein an Glück und Liebe gespeichert haben, denn nur damit lässt es sich ewig leben. Hängt unsere Seele an vergänglicher Materie, an Geld und Besitz, die es dann nicht mehr gibt, dann stelle ich mir das höllisch vor. Es gibt tatsächlich Himmel und Hölle. Der Himmel ist das Bewusstsein von Liebe und Glück und die Hölle das von stets vergänglicher Macht und Reichtum ... und unser Bewusstsein ist dazu bestimmt ewig zu leben; entweder zu dürfen oder zu müssen. Mit diesem kleinen Ausflug in unser Glaubensleben möchte ich dieses kleine Zwischenkapitel beenden. Hiermit wollte ich eigentlich nur dreierlei erreichen: Einmal wollte ich damit ein Intermezzo zwischen zwei Teilen der Story von der Schwiegertochter des Tagedieb, die eigentlich jede für sich eine eigene Geschichte darstellen könnten, einlegen. Als Zweites wollte ich den Wandel in unseren Köpfen, der insbesondere Elkes und mein Handeln bei der nächsten Angelegenheit bestimmte, nachvollziehbar machen. Als Drittes konnte ich bei der Gelegenheit auch ausführen, wie es auf Seiten Karin, Heike und Björn mit dem Hotel und bei uns mit dem Grünen Baum weitergehen soll. Dadurch bleiben uns dann im weiteren Ablauf die Fragen „Nanu, wie so denn das?“ erspart. Jetzt wollen wir aber wieder zur weiteren Geschichtserzählung schreiten. Im nächsten Kapitel geht es dann wieder recht munter, oder sollte ich dramatisch sagen, zu.
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Björns goldener Schuss Es war Mittwoch, der 14. März 2001, als es bei Familie Wolf wieder richtig turbulent wurde. Dieses Datum ist mir aus zweierlei Gründen heute noch, auch ohne Nachschlagen, geläufig. An diesem Tage wäre meine Mutter, wenn sie nicht 1996 verstorben wäre, 86 Jahre alt geworden; sie war also Jahrgang 1915. Somit ist schon mal geklärt, wie mir das nackte Datum im Sinn geblieben ist aber so etwas erklärt jedoch noch lange nicht, warum mir auch der Wochentag im Gedächtnis haften geblieben ist. Aber auch dieses ist leicht und schnell erklärt. Elke hatte sich im Hinblick auf unsere zukünftige unternehmerische Tätigkeit, sprich der Ferienwohnungsvermietung, zu einer einschlägigen Fortbildung entschlossen. Der Landfrauenverband veranstaltete im März 2001, immer am Mittwochmorgen, ein entsprechendes Seminar im Bürgerhaus Neustadt. Das ist zwar ein Eckchen von uns entfernt und nach Düsseldorf ist es noch wesentlich weiter. Aber an diesem Tag wollte es der „Zufall“, dass an diesem Tag und Ort Mutter und Sohn zusammengeführt werden sollten. Aber erzählen wir mal alles schön der Reihe nach. Ich war also allein im Haus und beschäftige mich im Wohnzimmer ein Wenig mit dem leidigen Schriftkram, der so in den letzten vier Wochen kontinuierlich aufgelaufen war. Darunter war zwar nichts Wichtiges aber irgendwann muss auch Kleinkram erledigt werden. Da schellte das Telefon und ich ging, wie immer nichts Böses ahnend, ran. Schon bei den ersten Worten des Anrufers erkannte ich unseren Sohn, der sich offensichtlich in einer äußerst misslichen Lage befand. Die Stimme klang so als würde er heulen oder kurz vor dem Losheulen stehen. „Papa, kannst du mich in Neustadt am Krankenhaus abholen?“, verkündete er mir sein Anliegen. In meiner Verblüffung fragte ich erst einmal zurück: „Wie kommst du denn nach Neustadt? Ich dachte du wärest in Düsseldorf. Ist was passiert?“. „Und ob was passiert ist.“, jammerte Björn, „Ich habe einen goldenen Schuss angesetzt und Heike hat mich hier in Neustadt vor dem Krankenhaus und ohne Geld stehen lassen.“. Jetzt hatte er mir aber reichlich Rätsel aufgegeben: „Was soll das heißen: Goldener Schuss? Du willst doch wohl nicht sagen, das du eine Frau geschwängert hast. Das kannst du doch gar nicht.“. „Das habe ich auch geglaubt.“, kam die Antwort, „Und das ist es ja gerade. .... Aber hole mich doch bitte, bitte ab und dann erzähle ich dir die ganze Story ausführlich.“. Na ja, was soll’s, jetzt musste ich wohl erst einmal an die praktischen Dinge denken: „Ich kann, weil die Mama mit dem Auto unterwegs ist, nicht kommen. Aber die Mama ist in Neustadt und kann dich mitbringen. Weiß du, wo in Neustadt das Bürgerhaus ist?“. Nachdem er dieses bejahte bat ich ihn sich dorthin zu begeben und auf dem Parkplatz bei unserem Wagen auf Elke zu warten. Er quittierte dieses nur mit „Gut“ und legte auf. Das war zwar nicht ganz in meinem Sinne, denn ich hätte gern mehr von ihm erfahren und jetzt musste ich noch ganze zwei Stunden, die mir nun unendlich vorkamen, warten – und das ist bekanntlich sehr schwer. In dieser Spannung entschloss ich mich in der Hoffnung mehr zu erfahren in Düsseldorf anzurufen. Aber da kam ich im Moment auch nicht weiter sondern ich konnte nur noch jemand mit der gespannten Aufregung anstecken. Von unseren „Familienangehörigen“ war nur Karin anzutreffen; Heike war zu diesem Zeitpunkt auf dem Wege von Neustadt zurück nach Düsseldorf. Das junge Ehepaar hatte Karin schon eine Woche früher davon informiert, dass sie an diesem Mittwoch gemeinsam nach Neustadt wollten aber was sie dort wollten, hatten sie ihr nicht gesagt. Karin war nur aufgefallen, dass es zwischen Heike und Björn seit letzter Woche kriselte. Wir vereinbarten noch, dass derjenige, der zuerst etwas Näheres erfährt, den Anderen sofort anrufen sollte – und dann blieb nur weiteres quälendes Warten. So gegen halb Eins trudelten Mutter und Sohn im Grünen Baum ein. Björn umarmte mich erst einmal und drückte ganz fest zu. Er drückte so fest als sei er ein Ertrinkender der sich in äußerster Panik anklammert. Ich bekam kaum noch Luft. Nachdem er „Ach, Papa“ gesagt hatte überkam ihn ein mächtiges elendiges Heulen und er rannte erst einmal auf sein ehemaliges Zimmer. In diesem etwas größeren Raum war er auch, als er mit seiner Frau bei uns wohnte, zuhause. Elke schaute mich, als wir unter uns waren, mit ernsten, belastet aussehendem Gesicht an und erzählte mir: „Das ist ja eine echt schöne Scheiße. Björn hat, als er damals über die Operationsrisiken aufgeklärt wurde etwas in den falschen Hals bekommen. Nicht nur etwas sondern eine Ganze Menge. Darüber, das die Samenleiter bereits durch die Verletzung getrennt sein könnte oder bei der Operation getrennt werden könnte, hat man ihn rein vorsorglich vor dem Eingriff informiert. Da alles gut gegangen war, hat man versäumt nach der Operation mit ihm nochmals darüber zu sprechen. ... Und Björn hat alles, was gar nicht war, für bare Münze gehalten.“. Jetzt legte sie eine Pause ein um mir tief in die Augen zu schauen. Jetzt fuhr sie fort: „Deine Zeugungshilfe, die uns alle in die Krise gestürzt hat, war somit gar nicht nötig. ... Aber sei beruhigt ich mache dir jetzt keine neuen Vorwürfe, du konntest davon ja auch nichts wissen.“. Na ja, ganz beruhigt hatten mich ihre letzten Worte nun auch nicht, denn so etwas sagt auch Elke in der Regel nicht von ungefähr. An dieser Stelle möchte ich jetzt erst einmal eine kleine Zäsur bei der Berichterstattung einlegen und zunächst mal Björns Geschichte im chronologischen Ablauf erzählen. Würde ich dabei bleiben und berichten wie, wann und bei welcher Gelegenheit ich das alles erfahren habe könnte es doch zur reichlichen Verwirrung führen. Also,
Björn wurde nach diesem „Amoklauf im Waldhotel“ über die Gründe und Risiken der Eingriffe, die an ihm vorgenommen werden sollten, informiert. In seiner damaligen Verfassung sah er diese Risiken nicht als möglich sondern als unausweichlich an. Da stand dann für ihn, als man später nach der Operation nicht mehr darauf zu sprechen kam, fest, dass er nun zeugungsunfähig war. Von ärztlicher Seite hatte man die Angelegenheit, nach dem man ihn gesagt hatte, das alles gut verlaufen wäre, auch als erledigt betrachtet. Björn war von seiner Impotenz so überzeugt, dass er auch seine Mutter und Heike davon informierte und das führte dann zu den Dingen, die ich bisher berichtet habe. Nach dem ersten Schock erkannte Björn für sich aber auch die Chancen seiner Zeugungsunfähigkeit. Wenn Heike bei ihm bleiben wolle, brauche diese keine Pille mehr zu nehmen, was ja irgendwo ihrer Gesundheit zu Gute kommen würde. Andererseits konnte er sich, nach seiner damaligen Meinung, dann auch mal diesen oder jenen Seitensprung, bei dem er, laut seinen eigenen Worten, mit der „blanken Waffe kämpfen“ könne, leisten. Als er mir diesen Gedankengang beichtete, und ich das AIDS-Risiko ansprach, schaute er verdutzt drein. Das hatte er nicht bedacht und war jetzt furchtbar entsetzt, dass er bei einer solchen Leichtfertigkeit Heike hätte infizieren können. Das wäre für ihn, wie er jetzt einsah, noch schlimmer als das, was nun wirklich passiert ist, gewesen. Ende 2000 machte Björn dann sein Praktikum im Fitnesscenter Wannemünde. Das ist natürlich eine supererotische Atmosphäre. Da gehen die Damen und Herren in die Sauna, nutzen diverse Bäder und lassen sich mit Wohlfühlmassagen, wie mir ja auch eine innerhalb der vier Wände zuteil wurde, verwöhnen. Und das alles in der Bekleidungsordnung die uns Gott mit auf diese Welt gegeben hat. Da kann man sich ruhig über den Dingen stehend darstellen, so ganz ohne Anregung erotischer Schwingungen läuft so etwas auch nicht ab. Da will ich aus mir bestimmt kein Engelchen machen, mich kann so etwas in gewisser Weise schon anrühren – und wie es mir geht, dürfte es vielen oder allen anderen auch gehen. Zumindestens war dieses auch bei unserem Björn der Fall. Da war dann auch noch eine junge Frau, die es direkt darauf anlegte und die ganze Sache noch mit „geilen Reden“ einheizte. Was soll ich sagen, bei unserem Jungen landet sie einen Treffer. Er verschwand mit ihr in einer Kabine und spielte mit ihr Mann und Frau. Das Ganze nicht nur einmal sondern sogar insgesamt drei Mal. Natürlich ist so etwas in solchen Unternehmen ein Grund für eine außerordentliche Kündigung aber Björn war ohnehin nur Praktikant und würde das Haus auch ohne Kündigung wieder verlassen und zweitens wurde er nicht erwischt. Das Erste, von wegen Kündigung und Praktikant, ist auch in Bezug auf die Sicherheit, in der sich Björn wog, wichtig. Drei Dinge standen für den Seitenspringer scheinbar fest: Erstens glaubte er zeugungsunfähig zu sein, zweitens würde er die Wohlfühl-Angelegenheit in seiner beruflichen Laufbahn nach dem Platzen der Neustädter Lifestylegeschichte nicht mehr benötigen und drittens würde er schon in Kürze gen Düsseldorf entschwinden und nicht mehr im heimischen Raum präsent sein. Im Traum hätte er nicht daran gedacht, dass seine, von ihm doch sehr geliebte, wunderschöne Frau mal davon erfahren würde. Außerdem sagte ihm sein innerer Schweinehund, dass es sein Gewissen nicht kneifen sollte, denn wenn es seine Frau mit seinem Vater treibt dürfte ihm doch wohl ein gewisser moralischer Bonus zustehen. Sein Fehlglaube hinsichtlich seiner durchtrennten Samenleiter, von der er auch seiner Saunagespielin erzählt hatte, sollte ihn dann mehr als nur einen Streich spielen. Von der Dame, mit der Björns es hatte, konnte er zunächst nicht sehr viel berichten. Er hatte sie nur unter dem Namen Katha kennen gelernt. Den vollständigen Namen Katharina Köhler kannte er erst seit dem sie sich jetzt bei ihm gemeldet hatte. Auch das sie aus Ehrenberg, einem Nachbarort von Wannemünde und Wannebachtal kam, wusste er erst seit Kurzem. Dafür konnte er sie aber sehr genau beschreiben. Er berichtete von ihren halblangen, krausen und roten Haaren, von ihren Sommersprossen und wo er die alle entdeckt hatte. Ganz genau beschrieb er ihre Kurven und Rundungen, die ihn teuflisch betört haben sollen. Na ja, dazu kamen noch Details an Busen, Po und Schamdreieck, die er sich verinnerlicht hatte. Jetzt kann man fragen, warum er mir dieses alles an dem Mittwochabend, als er bei uns erneut Zuflucht suchte, erzählte. Nun, der Junge war fix und fertig und alles was in ihm war drängte heraus. Dazu gehören von Hause her solche Punkte natürlich nicht aber er nannte sie zur Begründung dafür, warum er sich von ihr verführen ließ. Und warum habe ich mir das angehört? Ja, einerseits wollte ich ihm wirklich durch Zuhören helfen und andererseits, das bekenne ich jetzt ganz ehrlich, bekam ich bei seinen Erzählungen auch einen Hauch Erotik, in der Art wie es mir persönlich so gefällt, serviert. Diese Katharina Köhler dürfte sicherlich eine Mordswut auf diesen Kerl, den wir als unseren Sohn Björn kennen, gehabt haben, denn um bei ihr zum Zuge zukommen hatte unser Sohn ihr von seiner gekappten Samenleiter berichtetet. Die Dame hat sich wohl nicht ganz zu Unrecht arglistig getäuscht gefühlt. Hatte sich doch so ein Kerlchen mit einer üblen Täuschung einen Beischlaf verschafft. Das Björn selbst im guten Glauben gehandelt hatte, konnte sie ja nicht wissen. Sie ging, nach dem sie von ihrer Schwangerschaft wusste, in das Fitnesscenter und erkundigte sich nach dem Angestellten, der sie zur Mutter gemacht hatte. Dort erfuhr sie nur Björns Nachnamen und das er nun im Hotel seiner Schwiegermutter in Düsseldorf arbeiten würde. So ganz nebenbei erfuhr sie bei dieser Gelegenheit das Björn weder Masseur noch Physiotherapeut sondern Hotelfachmann sei und dort nur ein Praktikum gemacht habe, weil der Schwiegermutter auch ein Hotel in Neustadt gehöre, dass zu so einer Art Sanatorium umgebaut würde. Mehr hatte sie im Fitnesscenter nicht erfahren. Später
kam sie dann auf den Gedanken, sich auch mal in Neustadt schlau zu machen. Auf der Umbaustelle „Wald/Lifestylehotel“ traf sie den Architekten, der ihr den Namen des Düsseldorfer Hotels sagen konnte. Nun hatte sie alles was sie brauchte: Den vollständigen Namen, des flüchtigen Bekannten, den sie ihr künftiges Kind zu verdanken hatte, den Namen des Hotels, in dem er als Schwiegersohn arbeitete, und den Rest, also die Anschrift, konnte sie sich von einer Telefonauskunfts-CD holen. Dieser Ermittlungsarbeit, die natürlich ein Wenig Zeit in Anspruch nahm, hatte unser Sohn es zu verdanken, dass ihm nicht eine wildgewordene Dame an den berühmten Kragen gesprungen ist um ihn Stücke zu reißen. Zu dem Zeitpunkt, als sie sich an den werdenden Vater wenden konnte, war sie schon im beginnenden vierten Schwangerschaftsmonat, womit für eine mögliche legale Abtreibung, die allerdings für Katharina Köhler schon aus anderen Gründen nicht in Frage gekommen wäre, überschritten. Das war nämlich das Erste, was ihr Björn vorschlug als sie sich mit ihm telefonisch in Verbindung setzte. Björn hatte ihr am Telefon gesagt: „Also ich habe nichts damit zutun, von mir ganz du kein Kind kriegen ... und wenn du nicht weißt, wo du das Kind her hast, dann lass es doch abtreiben.“. Und danach hat er dann einfach aufgelegt. Diese Reaktion und sein Auflegen sollte dann Björn zum endgültigen Verhängnis werden. Frau Köhler schrieb ihn an und begründete ihm, warum nur er der Vater sein konnte. Björns „Pech“ war, dass er und Heike einen Brauch unsererseits, der auf ein gutes eheliches Vertauensverhältnis beruhte, übernommen hatten. Wenn bei uns Briefe ankommen, öffnet immer derjenige, der die Post aus den Briefkasten geholt hat, diese, gleichgültig an wen sie adressiert ist. Wir haben keine Geheimnisse voreinander und was eingeht wird ohnehin gemeinsam besprochen, ... das heißt natürlich nur, wenn so etwas nötig erscheint. Und so wurde der Brief der Katharina Köhler dann von Heike geöffnet. Sie hielt diesen natürlich zunächst für einen üblen Scherz. Aber als dann Björn in dem Moment wo ihm Heike den Brief gab, sich mit seinem Handy bewaffnete und erst mal aus Hörweite verschwand, schöpfte sie doch einen „komischen“ Verdacht. Sie stellte ihren Mann zur Rede und dieser sagte ihr dann, dass er Katharina Köhler, die wohl nur einen bösen Scherz machen wolle, überhaupt nicht kenne, und dass sie ja genau wisse, dass er keine Kinder zeugen könne. Heike wollte es jetzt aber genau wissen und forderte Björn auf im Neustädter Krankenhaus einen Termin zu vereinbaren und sich klipp und klar sagen zu lassen, ob er nun wirklich zeugungsunfähig sei oder nicht. Ganz eindeutig sagte sie ihm, dass sie die Beweisführung dieser Frau, warum nur er der Vater sein könne, für schlüssig hielte. Sie erklärte, dass sie, wenn sie nun die Garantie habe, dass er wirklich zeugungsunfähig sei, die Sache als endgültig erledigt betrachten wolle aber ansonsten solle er sie kennen lernen. Björn war sich seiner Sache, also seiner Impotenz, so sicher, dass er Heike, ohne das sie dieses geforderte hätte, bei dem Arztgespräch dabei haben wollte. Als die beiden dann bei dem Neustädter Chefarzt erschienen, lösten diese erst mal bei ihrem Gesprächspartner ein gewisses Staunen aus. Der Arzt fragte erst Heike wann es soweit sei, rechnet im Kopf kurz nach und wollte dann von den Beiden wissen, was sie denn wissen wollten, wenn sie doch die Antwort quasi körperlich vor Augen hätten. Darauf sagte Heike dann verschämt dem Arzt, dass Björn nicht der Vater sei. Damit hat sie sich erst einmal ihre Auszugsmöglichkeit selbst verbaut, denn wie hätte das gewirkt, wenn sie selbst ein Kind von einem anderen Mann erwartet und dann moralisierend reagiert, wenn ihr Mann es ihr praktisch nachmacht. So erfuhr das junge Ehepaar nun, dass, was wir jetzt ja bereits vom Anfang des Kapitels wissen. Björn war also nach wie vor zeugungsfähig. Nach dem Verlassen des Krankenhauses war das Ende von Heikes Zusammenreißphase erreicht und sie beschimpfte ihren nun nicht mehr Holden erst einmal ganz übel. Björn nannte uns später mal einige Kraftausdrücke, die aus dem Munde seiner Frau fielen. Darunter war einiges was er, und im Nachhinein auch ich, von ihr gar nicht erwartet hatte, zum Beispiel: Hurenbock, Supersau und Schlampenhengst. Diese Beispiele sind nach meinen Empfindungen noch die harmlosesten Vertreter der von Heike benutzten Schimpfworte. Da kann man sich vorstellen, dass der „gute“ Björn erst mal ganz verdutzt mit zirka einen bis zwei Meter Abstand vor Heikes Wagen, mit dem sie gekommen waren, stand. Das nutzte nun die gehörnte Ehefrau um schnell hinein zu springen und von dannen zu düsen. Erst hatte er ein ganze Weilchen, er spricht von zirka einer halben Stunde, darauf gewartete, dass ihm seine Gattin doch noch abholt – aber das war dann vergeblich. Jetzt rächte sich auch eine Angewohnheit, die Björn von seinen Eltern, sprich von uns, übernommen hat. Wenn wir zusammen ausgehen schleppt meine Beste immer ihre Handtasche mit. Ist wohl eine typische frauliche Angewohnheit, denn Heike machte dieses auch. Das nutzte ich und zumindestens in diesem Fall auch Björn um der besseren Hälfte die Behältnisse für Geld und Papiere zur Aufbewahrung zu übergeben. Folglich stand Björn jetzt ohne Geld und Papiere in der „Fremde“. Einzig sein Handy, mit dem er mich anrufen konnte, stand noch zu seiner persönlichen Verfügung. An dieser Stelle fließen nun die beiden Erzählgleise, nämlich das Gleis von dem Bericht des betreffenden 14. März 2001 und das von den „Abenteuer“ unseres Sohnes wieder zusammen. Der befand sich nun in seinem Elternhaus und hatte nichts, außer dem was er an hatte und seinem Handy zur Verfügung. Schon dieses wäre ein Grund gewesen sich mit den „Düsseldorferinnen“ in Verbindung zu setzen, ganz abgesehen davon, dass ich mit Karin verabredete hatte, dass ich mich bei ihr melden würde sobald ich Näheres wusste – und umgekehrt
natürlich genau so. Ich glaube Elke hatte in diesem Moment von uns allen noch den klarsten Kopf und sie riet dringend von einem sofortigen Anruf in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ab. Sie meinte, dass wir uns jetzt erst einmal darüber klar werden müssten, was eigentlich Sache ist. Dieses erübrigte sich zunächst, denn das Telefon schellte und am anderen Ende war unsere Schwiegertochter. Ich hatte das Telefon abgehoben und mich gemeldet. Danach kam ich nicht mehr zu Wort. Heike rasselt das, was sie zusagen hatte, ohne Luft zu holen raus: „Ich hoffe, dass du deinen ehebrecherischen Sohn einen Dach über dem Kopf und was zu Essen gewähren kannst, denn er hat ja im Moment kein Geld und kann sich auch keins beschaffen. Er brauch sich aber darum keine Sorgen zu machen, denn ich schmeiße alles mit seinen Klamotten in Umzugskartons und gebe sie noch heute bei der Spedition auf. Mit dem Dreckskerl bin ich fertig; es ist aus.“. Und dann legte sie ohne ein weiteres Wort zusagen und ohne Abschiedsgruß auf. Ich wollte sofort zurückrufen aber Elke stand neben mir, legte ihre Hand auf meine, die sich noch auf dem Telefonhörer befand, und sagte: „Lass es, es ist für uns alle und insbesondere für Heike und Björn besser, wenn wir den Volldampf erst mal durch den Kamin entweichen lassen. Im Moment können wir nur mehr kaputt wie gut machen.“. Na ja, es reizte mich schon trotzdem das Telefon für einen Rückruf zu nutzen, ich musste aber mit meiner Ratio einsehen, das Elke ganz offensichtlich Recht hatte – und so unterließ ich das, was ich gerne gemacht hätte. Unmittelbar nach dem ich mich vom Telefon abgewendet hatte meldeten sich in meinen Augenwinkeln Tränen zum hinausfließen an. Das Heike als Schwiegertochter verloren sein sollte tat mir persönlich auf einmal sehr weh. Kein Zweifel, ich hatte mich auch in diese junge Frau verliebt und war richtig hagestolz darauf, dass sie die Frau meines Sohnes war. Ein solcher Schmerz schlägt oft auch sehr schnell in Aggression um. Dieses war bei mir auch jetzt der Fall. Da wollte ich doch meinen Sohn, dem Musterbeispiel für einen Ehebrecher, gehörig den Marsch blasen. Elke, die meine momentane Absicht durchschaut hatte, hielt mich, der ich hinüber in Björns Zimmer springen wollte, am Arm fest und rüttelte daran während sie gleichzeitig laut „Reiner, Reiner, jetzt hör erst mal zu.“ äußerte. Als ich den Eindruck erweckte als wolle ich von dem Sturm auf Björn absehen fuhr Elke ruhiger fort: „Vergesse nicht was du selbst gemacht hast. Dein Seitensprung mit Heike kommt auf das Gleiche raus wie das, was Björn mit dieser Katharina gemacht hat. Du erreichst jetzt nichts bei Björn sondern du handelst dir nur Vorwürfe ein und gleichzeitig verschärfst du die Situation.“. „Das ist ja wie in der Politik.“, versuchte ich jetzt meinen Standpunkt darzulegen, „Nur weil es den Holocaust gegeben hat, dürfen wir Deutschen nichts zur israelischen Politik sagen. Wenn du richtiger Weise die Politik Sharons als faschistisch bezeichnest springen dir gleich alle an die Kehle.“. „Ich denke sogar mit recht,“, hakte jetzt Elke ein, „denn wenn wir Deutschen eine solche Kritik üben ist nie ausgeschlossen, ob du dieses im neonazistischen und/oder antisemitischen Sinne meinst. Dann ist nicht mehr erkennbar, ob dein wahrer Grund nicht in Wirklichkeit die Veredlung der teuflischen braunen Verbrechen oder Rassenhass ist.“. „Deshalb kann ich doch nicht die kompromisslose und friedensvereitelnde Politik Sharons, der in meinen Augen ein ganz übeler Geselle ist, gegen die Palästinenser, die zwar auch nicht besser wie er sind, gut heißen.“, gab ich darauf zur Antwort. Elke schaute mich an und fuhr fort: „Du brauchst die Politik ja nicht gut heißen und du kannst auch immer wieder zum Frieden mahnen ... was sogar das Beste ist. Nur verurteilen und mitmischen sollte niemand und insbesondere wir Deutschen nicht. ... Und so ein Verhältnis wie es zwischen Deutschland und Israel ist, herrscht auch jetzt zwischen Vater und Sohn Wolf. Deshalb belasse es für heute dabei. Tröste ihn nicht, nämlich da könntest du ‚gut heißen’ mit signalisieren. Aber mache ihn auch nicht an, der Schuss geht nach hinten los. Mische dich am Besten gar nicht ein. Das einzigste Sinnvolle was du machen kannst, ist später, wenn sich mal die Gelegenheit bietet, davon berichten, wie die Sache zwischen uns in Ordnung gekommen ist. ... Du weißt doch noch, es wahr dein ehrliches Schuldbekenntnis und deine erkennbare Reue. Nur die hat uns wieder geeint. Aber Einmischung von dritter Seite, auch wenn sie gut gemeint gewesen wäre, hätte uns nur weiter entzweit.“. Meine Erfahrungen aus dem letzten Jahr sagten mir, dass Elke hundertprozentig recht hatte und deshalb spulte ich auch, erst mühsam und dann überzeugt, wieder zurück. Seit der Rückkehr von Elke und Björn kam es mir so vor als ginge an diesem Tage alles Schlag auf Schlag. Auch jetzt, nach der „Grundsatzdiskussion“ zwischen Elke und mir, kam postwendend das nächste Ereignis. Björn „stürmte“ aus seinem Zimmer und auf das Telefon zu. Elke schwante nichts Gutes und fing ihren Sohn erst einmal ab: „Was hast du vor Björn. Du willst doch jetzt nicht etwa in Düsseldorf anrufen. Das solltest du lieber auf heute Abend oder morgen vertagen. Heute kommt sowieso alles nur in den falschen Hals.“. „Klar Mama,“, sagte Björn jetzt recht reumütig klingend, „ich habe nachgedacht und festgestellt das ich ein Arschloch bin. Ich will kämpfen und alles wieder in Ordnung bringen. Und da muss ich erst einmal bei Katha anfangen. Der habe ich auch fürchterlich unrecht getan. Ich war ja so überzeugt, dass ich keine Kinder zeugen könnte und da habe ich ... Ach, ist ja egal, aber da muss ich mich erst einmal entschuldigen und eine vernünftige Regelung treffen, damit ich nicht an zwei Fronten kämpfen muss, denn ich will mein Heikelein wieder haben. ... Habt ihr was dagegen, wenn ich das Telefon mit auf mein Zimmer nehme?“. Auf seinen Zimmer befindet sich eine immer noch betriebsbereite TAE-Steckdose an der unser Sohn einstmals, als er noch ganz im Hause war, ein eigenes Telefon betrieb. Warum sollte er diese heute nicht nutzen, denn die Angelegenheit mit seiner „Geliebten“ ging uns nun wirklich nichts an.
Er war aber eben mit dem Gerät auf seinem Zimmer verschwunden da tönte er schon: „Papa, Papa, komm schnell und nimm mal das Telefongespräch an.“. Als er zuvor gerade Stecker und Dose miteinander verbunden hatte, schellte es auch schon. Auf dem Display sah er, dass der Anruf aus dem Düsseldorfer Hotel, wo er ja eigentlich hingehörte, kam. Blitzartig hatte sich Björn überlegt, dass es wohl besser sei, wenn ich an den Apparat gehen würde. So ging ich dann auch ans Telefon und Björn erst mal aus dem Zimmer. Am anderen Ende war Karin: „Na Reiner, du treulose Seele soll ich jetzt mit dir schimpfen. Du wolltest mich doch sofort anrufen.“. „Entschuldige Karin,“, versuchte ich mich raus zu reden, „hier läuft es im Moment ein Wenig hektisch – du kannst dir ja denken warum – und im Übrigen dachte ich, das hätte sich mit Heikes Anruf erledigt.“. „Was,“, tönte Karin dazwischen, „die Göre hat sich schon bei euch gemeldet. Mit der habe ich vielleicht eine Last. Die ist völlig ausgeflippt. Die beschuldigt mich laufend etwas mit meinem Schwiegersohn, der keinen Pfifferling wert sei, gehabt zu haben aber was wirklich ist habe ich bis jetzt noch nicht rausgekriegt. Die redet immer so einen Quatsch eine Andere bekäme ein Kind von Björn.“. „Die redet kein Quatsch,“, war ich jetzt wieder dran, „Björn hat wirklich einen goldenen Schuss angesetzt. Er hat das, was man ihm damals als Operationsrisiken genannt hat als bare Münze genommen aber die OP ist gut gegangen und er ist noch voll dabei.“. Darauf kam von der anderen Seite nur „Ach, du Scheiße.“. Nach einer mittellangen Pause setzte Karin wieder an: „Dann wird Björn ja tatsächlich anderweitig Vater. ... Aber das ist das Luder alles selbst in Schuld. Hätte sie dich nicht gleich verführt und abgewartet wäre sie bestimmt von Björn ‚zufällig’ schwanger geworden und die Welt wäre in Ordnung geblieben.“. „Nein Karin,“, widersprach ich ihr, „erstens hat Björn, Potenz hin und Impotenz her, nicht wild durch die Landschaft zu vögeln und für mich gilt, dass ich Heike nicht hätte anfassen dürfen. Davon kann ich mich nicht freisprechen und damit habe ich keinen Grund im Glashaus mit Steinen zu schmeißen. Heike ist genau so schuldig oder unschuldig wie ich beziehungsweise Björn.“. „Aber auch nicht unschuldig.“, warf jetzt Karin ein, „Ich kann mir ja selbst an die eigene Nase fassen. Heikes Verdacht mir gegenüber kommt nicht ganz von ungefähr. Ich habe zwar nicht mit ihm gebumst aber auch nicht viel weniger. Er hat mir eine Wohlfühlmassage verpasst und das nicht nur an den unverbindlichen Stellen des ganzen Körpers sondern auch da, wo es bei mir zum Orgasmus führte. ... Mann ich habe mittlerweile mit mehr oder weniger Erfolg die ganze Familie, die meine Tochter angeheiratet hat, zu vernaschen versucht. Jetzt stehe ich da, müsste eigentlich etwas sagen und kann nicht ... Und dazu noch meine drei Seitensprünge als mein Mann noch lebte, von denen Heike auch noch weiß. ... Was mache ich jetzt nur?“. An dieser Stelle kam dann zum ersten Mal an diesem Tage meine religiöse Überzeugung, die sich nach meiner Ehekrise unheimlich gefestigt hatte, hoch: „In der Bibel heißt es in der Verbindung mit der Ehebrecherin, das Jesus sagte: ‚Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.’ und keiner konnte einen solchen erheben. Ganz im Gegenteil, alle die einen Stein in den Händen hielten ließen ihn fallen. Wir haben alle kein Recht Heike oder Björn zu steinigen. Wir können auch nichts unternehmen sondern grundsätzlich geschieht nur der Wille des Herrn. Dagegen sind wir zu klein und machtlos. Wir können nur beten, dass er uns unsere Schuld so vergibt wie wir unseren Schuldigern vergeben wollen. Und das er uns die Kraft für Letzteres, der Schuldenvergebung, der einzigste Weg für uns Menschen, gibt, auch darum müssen wir ihn von ganzen Herzen bitten, denn das ist gar nicht so leicht. Ich will jetzt mal darauf vertrauen, dass das, was Gott zusammengefügt hat, der Mensch nicht scheiden kann. Ich will jetzt mal darauf vertrauen, dass Er Heike und Björn für einander bestimmt hat und es am Ende gut werden lässt. Mehr können wir, so glaube ich, nichts tun.“. „Mensch, du bist aber fromm geworden“, staunte Karin am anderen Ende der Leitung, „aber was du sagst klingt so, als wenn es richtig wäre. Ich denke, dass ich es auch mit Gott vertrauen und Beten versuche.“. An dieser Stelle trat eine Pause, die wir offensichtlich beide vor der Rückkehr zur irdischen Praxis brauchten, ein. Danach kam Karin auf einen der hauptsächlichen Gründe ihres Anrufes zu sprechen. Heike hatte sich Umzugskartons vom Materiallager des Hotels geholt und damit begonnen Björns Sachen in diese im wahrsten Sinne des Wortes zu schmeißen. Karin hatte sie zunächst daran gehindert. Bevor sie anrief gedachte sie, dass sie den Vorschlag, Björn vorübergehend in einem eigenen Zimmer unterzubringen und ihn aufzufordern seinem Dienst nachzukommen, unterbreiten solle. Sie war der Meinung, dass sich der Knatsch sehr bald legen würde und man ab da wieder zur Tagesordnung übergehen könnte. Karin hielt sehr viel von Björn, sowohl als Schwiegersohn wie als Assistent der Hotelführung. Sie wollte ihn in beiderlei Hinsicht nicht verlieren. Das hatte sich laut ihren Worten auch während unseres Telefongespräches nicht geändert. Jetzt hielt sie es nur für besser wenn man doch Heike und Björn eine Weile voneinander getrennt hält. Da waren wir beide allerdings einer Meinung. Auch das wir es gerne sehen würden, dass das junge Paar bis zu Heikes Entbindung wieder zueinander fände, war eine Übereinstimmung. An dieser Stelle kam ich auf einen mich betreffenden Aspekt, der noch gar nicht zur Sprache gekommen war: „Karin aber nicht das du mich jetzt der Eigennützigkeit verdächtigst. Ich stehe zu dem was ich gemacht habe ... so oder so.“. „Wieso, wovon sprichst du denn jetzt eigentlich?“, fragte meine Gesprächspartnerin dazwischen. Jetzt muss ich mich erst mal entschuldigen, denn ich hatte wirklich in Rätseln gesprochen; aber nur deshalb weil eine bestimmte Sache, die ich jetzt Karin erklärte, in meinem Kopf hell und klar geworden war: „Das haut jetzt
irgendwo schlecht hin, dass ich von Björn verlange, die Vaterschaft mit allen eventuellen Konsequenzen auch über meine Tochter anerkennt. Wenn irgendwann mal was schief läuft, darf der Junge dann zwei Mal Unterhalt zahlen obwohl er tatsächlich nur einmal der Vater ist. Was soll nun Heike angeben wenn sie gefragt wird, wer der Vater des Kindes ist: ihr Mann oder ihr Schwiegervater? Da bin ich jetzt drauf gekommen, als wir uns darüber einig waren, dass wir es gerne sehen würden, wenn die junge Ehe bis zur Entbindung wieder gekittet sei. Da wollte ich nur den Verdacht ausräumen, dass es mir nur darum ginge meinen eigenen Kopf auf Kosten meines Sohnes aus der Schlinge zuziehen.“. „Ach ja,“, stöhnte Karin, „darüber müssen wir uns auch noch unterhalten. Aber nicht jetzt. Da müssen wir erstens selber erst einmal in Ruhe drüber nachdenken und dann sollten wir abwarten, wie sich die Geschichte entwickelt. Vielleicht können wir zu Viert eine vernünftige Lösung, die für uns alle gangbar ist, ausarbeiten.“. Ich ergänzte noch: „Das sollten wir auf alle Fälle, auch wenn alles jetzt wieder in beste Ordnung kommt. Aus unseren Erfahrungen, einschließlich der jetzigen, sollten wir gelernt haben, dass es in der Regel immer anders kommt, wie wir uns das denken.“. Nachdem Karin mir auch jetzt wieder zugestimmt hatte kam sie aber auf den naheliegenden Ablauf zurück. Sie wollte jetzt selbst Björns Sachen ordentlich zusammenpacken – später erfuhren wir, dass ihr letztendlich Heike dann doch tatkräftig geholfen hat – und am nächsten Tag einen Angestellten mit den Sachen vorbei schicken. Sie hielt die Sache für eilig, da Björn ja nur die Sachen, die er am Leibe hatte, in Elfenwiese hatte. Das einer von uns die Sachen abholte oder sie diese vorbei brächte hielt sie momentan nicht für ratsam. In Düsseldorf könnte Heike und in Elfenwiese Björn uns in Diskussionen, denen wir derzeitig besser aus dem Wege gehen, verwickeln. Ich fand Karins Ansichten für klug und überdacht und stimmte zu. Mit dem erneuten Versprechen uns ständig auf den Laufenden zu halten verabschiedeten wir uns und ich konnte Björn nun das Zimmer für das Gespräch mit „seiner Katha“ überlassen. Nur so am Rande erwähne ich hier, dass dieses Gespräch auch gut anderthalb Stunde dauerte. Das waren jetzt die „Highlights“ dieses 14. März 2001, die wie am laufenden Band auf uns eingeprasselt waren. Weiteres Aufzeichnungswürdiges passierte nicht mehr an diesem Tag. Man kann sich ja denken, das unser aller Kopf an diesem Tag fast ausschließlich um die neuerlichen Ereignisse kreisten. Elke und ich nutzten jede Gelegenheit um alle möglichen Aspekte der Angelegenheit mal von dieser und mal von jener Seite zu beleuchten, aber das kann sich sicherlich jeder denken. Wir hatten an diesem Tag auch noch reichlich Gelegenheit, denn während der Öffnungszeit von 17:00 bis 21:00 Uhr war in der Kneipe auch nicht viel los. Mit diesem Tag war die zusammenhängende normale Glückszeit, die ich im vorhergehenden Kapitel noch so rühmte, erst einmal wieder zu ende gegangen. Jetzt standen wir wieder in einem neuen Krisenumfeld und so gibt es also noch einiges zu lesen.
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Sündertreffen im Pfarrhaus Zur Abwechselung beginne ich jetzt mal mit einer Sache, die chronologisch schon in das letzte Kapitel gehört hätte aber die dort nicht erwähnt wurde. Ich sage aber nicht „Au, das habe ich vergessen“, denn das wäre bei einer sorgfältigen Niederschrift ein wirklich schlechtes Argument. Der Grund liegt vielmehr darin, dass sich aus dieser, zunächst eher beiläufigen Angelegenheit der Stoff für ein eigenes Kapitel ergab. Sie entsinnen sich doch noch, dass Björn auf seinem Zimmer mit dieser Katharina Köhler, der er ein Kind gezeugt hatte, führte. Ich hatte auch schon erwähnt, dass dieses Gespräch fast anderthalb Stunden gedauert hat. Neu ist, dass er uns anschließend berichtete, dass dieses Telefonat anfänglich gar nicht so harmonisch und glatt verlaufen sei aber seine Gesprächspartnerin ihm dann doch die Darstellung der Geschichte aus seiner Sicht und dabei auch seine Entschuldigung abgenommen hatte. Nun, es ist zwar nicht die Regel, dass eine auf diese Art geschwängerte Frau die Familie ihres Lovers in ihre Familie einlädt, aber so außergewöhnlich das die Weltpresse davon berichten müsste ist es jedoch auch nun wieder nicht. Trotzdem: Für uns Katharinas Einladung war höchst ungewöhnlich. Dabei denke ich noch nicht einmal daran, dass der 26-jährige Björn seine Eltern zu diesem Besuch mitbringen sollte. Dafür gab es ja noch eine plausible Erklärung: Sie wollte vielleicht sich den Großeltern ihres Kindes vorstellen und diese bei der Gelegenheit kennen lernen. Höchst ungewöhnlich war jedoch der Ort und der Termin, wo dieses Treffen stattfinden sollte: Frau Köhler hatte uns zu einem Gottesdienst in die evangelische Christuskirche in Ehrenberg eingeladen. Unmittelbar nach dem Gottesdienst sollte dann in ihre Wohnung, wo sie uns ein Sonntagsmenü zubereiten wollte, gewechselt werden. Ergebnis dieser Zusammenkunft sollte laut Björns Aussagen eine vernünftige Regelung nach vorhergehender Aussprache mit den Familien sein. Es wird wohl die ungewöhnliche Verabredung und unsere Neugierde gewesen sein, dass Elke und ich nach nur kurzem Zögern für den kommenden Sonntag zusagten. Laut Björn wurden wir gebeten etwa zehn bis fünf Minuten vor dem um Zehn beginnenden Gottesdienst da zu sein, da uns diese Katharina Köhler vor der Kirche erwarten wollte. Wenn sie noch nicht da sei sollten wir dort auf sie warten. Na, das mussten wir dann schließlich auch, denn wir hatten keine Erfahrung hinsichtlich der Fahrtdauer von Elfenwiese nach Ehrenberg und da wir zu dieser Gelegenheit nicht zu spät kommen wollten, trafen wir auch schon Zwanzig vor Zehn auf dem Parkplatz der Christuskirche ein. Dann begannen für uns die Überraschungen am laufenden Band. Wir hatten gerade zwei oder drei Minuten dort gestanden als Björn sagte: „Da kommt Katha. Seid bitte lieb zu ihr.“. Ich war völlig verdutzt. Auf Grund der diversen Umstände hatte ich eine sexy aufgedonnerte Frau in Björns Alter erwartet. Sie wissen ja so eine Ausstellungsstatue der Kosmetikindustrie, die man erst eine Stunde unter die Dusche stellen muss, wenn man die Frau, die sich unter der Schminke und Farbe verbirgt, kennen lernen will. Aber uns kam eine natürliche Dame, die mir doch etwas älter wie Björn vorkam, entgegen. Dahingehend hatte ich mich nicht getäuscht, sie war zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt. Aber ansonsten hätte ich sie aufgrund Björns sehr detaillierter Beschreibung sofort erkannt. Die zweite Überraschung kam auf uns zu, als sie sich uns vorstellte. Diese Vorstellung ist ihr mit Sicherheit nicht leicht gefallen, denn sie gab zunächst mit gesenkten Haupt erst Elke und dann mir die Hand. Als sie mir die Hand schüttelte fiel ihr offensichtlich ihre inkorrekte Kopfhaltung auf. Sie hob den Kopf und schaute erst kurz mich und dann Elke ins Gesicht und sagte leise: „Entschuldigen sie, ich schäme mich so.“. Dann nahm sie die drei kleinen Jungens zu sich und stellte sie uns vor: „Das sind meine Jungens. Dieses ist Matthias der Älteste. Er ist 7 Jahre alt.“. Nach dem uns dieser artig die Hand gegeben hatte kam der zweite dran: „Und dieses ist unser Zweiter und ...“. Da konnte sie abbrechen denn der junge Mann ließ es sich nicht nehmen sich selbst vorzustellen: „Ich bin der Markus und schon 6 Jahre alt. Ich komme auch dieses Jahr in die Schule.“. Worauf der dritte dann tönte: „Ich aber noch nicht. Ich bin Lukas und so alt“, wobei er uns seine kleine Hand mit allen fünf gestreckten Fingern entgegenhielt. Dann fuhr der Kleine fort: „Wir fahren mit Opa Adolf und Oma Kathi heute in einen Willpack.“. „Wildpark“, berichtigte der Älteste und Frau Köhler sagte uns, dass es sich bei diesen Großeltern um ihre Eltern handele und ihr Vater der ehemalige Gemeindepfarrer von Ehrenberg gewesen sei. Na, was hätten sie empfunden, wenn sie erfahren hätten, dass ihr Sohn eine, im Verhältnis zu ihm ältere, verheiratete Pfarrerstochter, die bereits drei Kinder hat, geschwängert hat? Die dritte Überraschung gab es, als ein Herr, etwa Mitte bis Ende Dreißig auf uns zukam. Dadurch, dass er einen Talar über den Arm trug, war es unverkennbar das es sich um einen Pfarrer, der vom Pfarrhaus in die Sakristei wechseln wollte, handelte. Als er bei uns stand wurde er uns von Katharina Köhler vorgestellt: „Dieses ist mein Mann. Er ist hier der Gemeindepfarrer.“. Oh Mann, was knallte dieses in mein Weltbild. Da lässt sich eine Pfarrersfrau und –tochter in einem Fitnesscenter von einem jüngeren „Masseur“, von dem sie nur den Vornamen kennt, schwängern. Diese Sache dürfte auch im Pfarrhaus Köhler nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst haben. Der Pfarrer begrüßte uns in einer für diese Situation außergewöhnlichen freundlichen Art und entschuldigte sich gleich, dass er nun in die Sakristei zu den Presbytern wechseln müsse. Mit den Worten „Wir sehen uns ja nach dem Gottesdienst bei uns“ entfernte er sich dann in die angekündigte Richtung. Katharina fragte uns noch besorgt: „Wir essen normaler Weise immer um Eins. Wenn ihnen das zu spät ist, ziehen wir das
gerne vor.“. Na ja, Eins war uns auch ganz recht und sie konnte sich erst einmal damit beschäftigen ihre Jungens zu Oma und Opa zu schicken. Als die Vier von dannen gezogen waren, schaute sie Elke und mich an und sagte: „Ihr Enkel wird die Evangelisten vervollständigen. Es wird nämlich ein Junge und ich bin mir mit meinem Mann einig, dass er Johannes heißen soll. Ich hoffe, dass sie diesem auch zustimmen können.“. So etwas halte ich auch für äußerst bemerkenswert: Da spricht eine Frau mit ihrem gehörnten Ehemann, der den Beruf des Pfarrers ausübt, den Namen des „Kindes der Sünde“ ab und erkundigt sich auch noch nach der Zustimmung bei ihren „außerehelichen Schwiegereltern“. Bevor wir in den Gottesdienst gingen wurden wir noch von der Pfarrersfrau aufgeklärt: „Sie müssen mich ein Wenig entschuldigen wenn ich nicht so ganz dabei bin. Sie können sich doch sicherlich vorstellen, dass diese Situation mehr als peinlich ist und ich mich fürchterlich schäme. Ich würde jetzt am Liebsten tief im Boden verschwinden. Was müssen sie jetzt nur von mir denken und ich habe kein einzigste Argument was ich dagegen setzen könnte. Ich muss halt dazu stehen, dass ich auf Grund meiner wilden Lust zur doppelten Ehebrecherin geworden bin. Einmal habe ich gegenüber meinem Mann und dann auch gegenüber ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter Ehebruch begangen. Letzteres weiß ich zwar erst seit Mittwoch aber ich hätte damit rechnen müssen. In islamischen Staaten wo die Sharia herrscht würde ich jetzt gesteinigt. Diese Einladung kam auf Initiative meines Mannes zustande. Er hat die Absicht ihrem Sohn und insbesondere mir die Leviten zu lesen und will dann mit uns eine Lösung, die auch ihre Rechte als Großeltern berücksichtigt, treffen. Wenn mir jetzt auch ganz fürchterlich zumute ist, muss ich doch unserem Herrn danken, dass ich einen so gläubigen Mann habe, der jede juristische Lösung verabscheut und alles im christlichen Sinne auf menschliche Art lösen will. Ich hoffe, dass wir ihnen damit nicht zu nahe treten.“. „Machen sie sich keine Gedanken, Frau Köhler,“, ergriff ich das Wort, „auch wir sind nur Menschen aus Fleisch und Blut. Da will ich ihnen von vornherein bekennen, dass unsere Schwiegertochter, Björns Frau, auch ein Kind erwartet und in diesem Fall ich der Vater bin. Schon daher brauchen sie sich nicht vor uns schämen, auch wir sind schwache und sündige Menschen. Ich glaube sagen zu können, dass wir uns zu den gläubigen Christen zählen dürfen und deshalb haben wir jeden Grund gleich beim Vater unser insbesondere den Satz ‚und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern’ zu beten. Daher bitte ich sie, die Selbsterniedrigung einzustellen und sich bewusst zu sein, dass wir alle Gottes Kinder sind ... und das ist ein Grund für uns mächtig stolz zu sein.“. Zum ersten Mal seit unserer Begegnung schaute mir Katharina lächelnd ins Gesicht und ich konnte von ihr ein erleichtertes „Ich danke ihnen“ hören. Es hatte sich so ergeben das wir uns in der Reihenfolge Katharina Köhler, Elke, ich und Björn auf die Kirchenbank setzten. So sah dieses aus als sei die Frau des Pastors mit ihrem Besuch in die Kirche gekommen. Aber wie hätte das für Eingeweihte ausgesehen wenn das Seitensprungpärchen nebeneinander gesessen hätte? Aber wer war schon eingeweiht? Ich gehe mal davon aus, dass das Pastorenehepaar ihr Malheur nicht an die große, nicht einmal an die kleine Glocke gehangen hat. Ob aber dieser oder jene bei der Predigt irgendeinen Verdacht schöpfte möchte ich so hundertprozentig nicht ausschließen, zumal der Pastor an markanten Textstellen von der Kanzel in Richtung seiner Frau schaute. Dieses dürfte nicht beabsichtigt aber dafür verräterisch gewesen sein. Das er sich an diesem Sonntag bezüglich des Predigttextes nicht an die Agenda hielt sondern einen speziellen Text ausgewählt hatte dürfte dagegen jedoch volle Absicht gewesen sein. Wer jetzt aber glaubt er habe über Johannes Kapitel 8, Verse 1 bis 10, also die Geschichte von der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte, gepredigt dem muss ich sagen, dass er sich geirrt hat. Aber nein, er hatte sich ein Stück aus der Bergpredigt ausgesucht; genau gesagt Matthäus Kapitel 5, und dort nur die Verse 38 bis 39. Für die nicht so bibelkundigen Leserinnen und Leser schreibe ich jetzt mal kurz um was es an dieser Stelle geht. Jesus erinnert daran, dass es früher „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ hieß er aber befehle, dass man nicht Böses mit Bösem vergelten dürfe. Pastor Köhler legte dieses so aus, dass wir Übeltäter nicht verurteilen und bestrafen dürfen sondern wir uns um sie kümmern und ihnen helfen müssen. Er war der Meinung, dass man mit Strafen, denen in der Regel nur die Gedanken an Rache und Vergeltung zugrunde liegen, oft Schlimmeres als bei der eigentlichen Tat anrichten könne. Wenn wir aber auf den Menschen zugingen, und auch Übeltäter wären Menschen, könnten wir uns das Leben auf Erden viel angenehmer gestalten. Er nannte zunächst drei Beispiele für diese These. Unter anderen sprach er von der wiederholt schwarzfahrenden Sozialhilfeempfängerin und was man bei der mit „gerechter“ Strafe, aber nicht nur bei ihr sondern auch bei ihren Familienangehörigen, anrichten kann. Dem setzte er dann entgegen wie man dieser Frau aus ihrer gesellschaftlichen Isolation, die er als Ursache für ihr Fehlverhalten hielt, helfen könne und dabei für sich und andere eine Bereicherung empfinden könne. Auf sein viertes Beispiel, dem von der Ehebrecherin, hatte er es aber offensichtlich abgesehen. Er sprach von einer Mutter von drei Kindern die einen schweren, nicht folgelosen Ehebruch begangen habe. Wer wird das wohl gewesen sein? Jetzt würden wir im menschlichen Law- and Order-Verständnis eine Scheidung und das Sorgerecht für den Vater für gerecht halten. Aber wer frage denn, was mit dem Vater, der seine Frau ja noch liebe und der bei der Eheschließung versprochen habe, dass er mit dieser Frau Freud und Leid bis an den Tag, wo der Tod
sie scheiden würde, teilen wolle, sei. Er wurde noch deutlicher und sagte wörtlich: „Liebe Gemeinde, stellen sie sich vor, dass ich mich scheiden lassen wolle. Wie glaubwürdig wäre ich denn dann bei der Verkündigung von Gottes Wort? Den meisten Leuten dürfte es doch so vorkommen als würde ich fromm labern und leicht leben.“. Weiter fragte er, wie das denn mit den Kindern sei, was man ihnen antät wenn Vater und Mutter auseinander gehen. Es sei die Natur des Menschen, dass man im Augenblick der Übeltat an so etwas nicht denke und es wäre nur allzu menschlich, wenn der gehörnte Ehemann in dem Augenblick, wo er davon erfährt, aus der Haut fährt und von Scheidung redete. Dann gab er zu bedenken ob es da nicht besser sei nicht Böses mit Bösem zu vergelten und auf die Ehebrecherin zuzugehen, ihr zu vergeben, so wie es uns geboten sei und wie wir es im Vater unser beteten, und ihr dann zu helfen, fortan nicht mehr zu sündigen. Dazu gehöre auch, mal darüber nachzudenken, was man vielleicht selbst getan oder nicht getan hat, denn solcherlei Verfehlungen seien in den meisten Fällen nicht einseitig sondern beidseitig verursacht. Wenn man so handele, würde es einen durch sein eigenes Eheglück, was dann wieder eine Chance hätte, und dem Glück der Kinder gedankt. Als wir in die Kirche gingen, hatten wir von Katharina Köhler erfahren, dass er ihr und Björn die Leviten lesen wollte aber die Predigt hörte sich doch eher so an als habe er sich selbst die Leviten gelesen. Der Übeltäter Björn wurde dabei noch nicht einmal am Rande erwähnt. Ich gehe mal davon aus, dass die Frau des Pastors lediglich den Wunsch nach Levitenlesen in die Bitte ihres Mannes, uns in den Gottesdienst einzuladen, hinein interpretiert hat. Für mich sah es eher so aus als habe er uns seinen christlichen Standpunkt, der dann alles Weitere erklären würde, vortragen wollen. Des weiteren nehme ich an, dass er unsere Bereitschaft zur Mitwirkung an einer christlichen Lösung testen wollten. Wenn wir den Gottesdienstbesuch abgelehnt hätten, weil wir davon nichts halten, wäre alles andere, was er vorhatte, nur vergebliche Liebesmühe gewesen. Außerdem hatte er die Möglichkeit uns vom Pastorensitz im Chor, vom Altar und von der Kanzel zu beobachten. Daraus konnte er dann Rückschlüsse ziehen, wie er uns dann anschließend ansprechen musste. Ob die Gemeinde etwas gemerkt hat weiß ich natürlich nicht aber dafür gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit. Das die Frau ihres Pfarrers eine Mutter von drei Kindern ist dürfte wohl jeder in der Gemeinde gewusst haben. Der Abgleich ob es sich um die Richtige handelt dürfte auch nicht schwer gefallen sein, denn Katharina saß die ganze Zeit mit einem mal mehr und mal etwas weniger gesenkten Kopf auf ihren Platz. Öfters lief sie dann vollrot im Gesicht an. Na ja, sie ist rothaarig und hat eine sehr helle Haut mit Sommersprossen wo sich solche Gefühlsregungen schneller und deutlicher als bei dunkelhäutigen im Gesicht abzeichnen. Ich muss sagen, dass mir diese Frau an diesem Morgen sehr leid tat. Die ganze Angelegenheit muss für sie sehr demütigend gewesen sein. Nach dem Gottesdienst führte sie uns dann hinüber in das Pfarrhaus und außer „Kommen Sie bitte mit“ hat sie ab Gottesdienstbeginn bis zu dem Zeitpunkt, wo sie uns Platz in ihrem Wohnzimmer anbot, nicht gesprochen. Im Wohnzimmer sprach sie dann erstmals offiziell zu Björn. Sie stand vor ihm und lächelte ihn verlegen an: „Entschuldige Björn, das wollte ich nicht.“. Er lächelte zurück: „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich war es doch der dieses alles in Schuld ist. Und was das Schlimmste ist: Als du mich anriefst habe ich dir sehr weh getan. ... Ich habe es nicht besser verdient.“. Sie schaute ihn noch einmal vielsagend an, strich ihn mütterlich über die Haare und setzte sich dann am anderen Tischende in einen Sessel. Es war dann für etwa zehn Minuten eine recht „komische“ Situation: Alle vier im Raum sitzenden Personen mühten sich im Wechsel ein Gespräch zu beginnen und heraus kamen immer nur zusammenhanglose, belanglose Äußerungen, dem dann wieder kurzes Schweigen folgte. Dieses änderte sich jedoch schlagartig, als der Herr des Hauses, der Pfarrer, erschien. Im ersten Moment war ich über diesen Mann, der mir auf der Kanzel so gut gefallen hat, doch etwas entsetzt. Er saß gerade in seinem Sessel als er seine Frau anmachte: „Nanu, du bist ja noch nicht nackt. Wolltest du dich nicht ausziehen? Das machst du doch so gerne.“. „Rainer, du demütigst mich,“, sagte die Pastorenfrau, während sie zu weinen begann, „bitte, bitte lass es doch mal gut sein. Es ist ja auch ohne Demütigung schon schwer genug.“. Jetzt nahm der Pfarrer seine Frau ganz lieb in den Arm und sagte zärtlich: „Entschuldige Katha, aber auch für mich war die Sache ein schwerer Schlag und auch ich bin nur ein schwacher Mensch ... ich kann mir dieses auch nicht so leicht aus den Rippen schwitzen. ... Dabei wollte ich eigentlich nur um Verständnis werben, wie dieses passieren konnte.“. „Wozu?“, fragte seine immer noch weinende Frau, „Ich habe einen schweren Fehler gemacht und du brauchst diesen nicht jetzt nicht schön zu reden. ... Ja, ich bekenne mich dazu, dass ich triebhaft exhibitionistisch bin und gerne Gelegenheiten suche, wo ich mich unter scheinbarer Wahrung der Etikette zeigen kann. Aus diesem Grund bin ich auch in das Fitnesscenter gegangen ... aber da hört die Nachvollziehbarkeit auf. Wenn ich mich vielleicht hinsichtlich des Exhibitionismus damit entschuldigen kann, dass es ein wahrscheinlich angeborener Trieb ist, gegen den ich schwache Frau gar nicht so sehr ankann, gibt es wohl keinerlei Entschuldigung dafür, dass ich einen netten jüngeren Mann zum Geschlechtsverkehr verführe. Das war keine krankhafte oder angeborene Neigung, das war meine Verwerflichkeit.“. „Entschuldigung Katha,“, meldete sich jetzt Björn dazwischen, „du stellst es so da, als wärest du es allein gewesen. Wir waren aber zu zweit. Ich war es, der mit den erotischen Sprüchen anfing und als ich merkte, dass
ich damit bei dir landen konnte, habe ich dir erzählt ich habe eine durchtrennte Samenleiter und es könnte nichts passieren. ... Das habe ich übrigens bis letzten Mittwoch selbst geglaubt. Mit der Bemerkung habe ich dich in der sowieso schon eingeheizten Stimmung praktisch zum Geschlechtsverkehr gedrängt.“. „Ach hör auf,“, begann Katharina jetzt wieder, „damit hätte ich mich sogar vor mir selbst entschuldigt, wenn es nur das erste, das eine Mal gewesen wäre. Aber warum bin ich wohl noch zwei Mal wieder gekommen und habe dann gleich ohne Umschweife dich danach gefragt. Lass mal, vor Gott kann ich mich weder selbst noch durch dich reinwaschen. Ich muss zu dem stehen was ich getan habe und nur durch Einsicht kann ich mir Vergebung verdienen.“. Nun ergriff der Pfarrer aber das Wort um uns zu erläutern warum er uns eingeladen hatte. Er holte weit aus und erzählte, dass er sich schon immer vier Jungens, die er nach den vier Evangelisten benennen wollte, gewünscht hätte. Er glaubte seinen Traum schon bei der Geburt seine dritten Sohnes Lukas verloren. Seine Frau wäre damals sehr krank gewesen und dann hätte es eine sehr komplizierte Geburt gegeben. Daraufhin habe er sich dann sterilisieren lassen. – An dieser Stelle sei mir eine Zwischenbemerkung erlaubt: Da Katharina mit Sicherheit wusste, dass ihr Mann sterilisiert war und sie nur mit ihm und Björn zu tun hatte, konnte sie so sicher sein, dass nur unser Sohn der Vater ihres werdenden Kindes sein konnte. Aber jetzt weiter zu Pastor Köhlers Anliegen: Nun solle sein Traum doch Wirklichkeit werden; aber nicht so, wie er sich das einstmals gewünscht hatte. Er glaubt, dass es aber doch Gottes Wille sei, dass er doch noch Vater eines Johannes werden solle. Daher will er ohne wenn und aber das Kind an Vaters statt annehmen. Er ist aber darüber hinaus der Ansicht, dass wir, die Großeltern ein natürliches Recht auf unseren Enkel hätten und außerdem will er den leiblichen Vater nicht ganz und gar aus der Verpflichtung entlassen. Jetzt kam er mit dem, was er sich vorstellte: „Nach meiner persönlichen theologischen Überzeugung halte ich nicht viel von der Kindertaufe. Nach meinem Verständnis muss einer Taufe ein Bekenntnis oder gar eine Bekehrung vorausgehen, was man von Kindern gar nicht erwarten kann. In unserer Kirche ist die Taufe leider zu so eine Art Freifahrtschein in den Himmel verkommen – aber solche Freifahrtscheine gibt es nicht, nur unser Glaube und unser Bekenntnis lassen uns der Gnade durch den Kreuzestod unseres Herrn Jesus Christ teilhaftig werden. Folglich haben wir uns bei der Kindertaufe unserer Drei sehr schwer getan. Eigentlich wollten wir nur ein Zeichen vor der Gemeinde und insbesondere dem Presbyterium setzen. Einen Sinn vor Gott sahen wir nur in dem Taufversprechen unsererseits und in dem der Paten. Jetzt bei Johannes, ist es erstmals so, dass ich Gott dankbar bin, dass es die Kindertaufe gibt. Damit kann ich ihnen zu ihren Rechten als Großeltern und Vater verhelfen und sie gleichzeitig in die Pflicht gegenüber ihren Enkel und Sohn nehmen. Kurz: Ich möchte sie fragen ob sie die Patenschaft über Johannes übernehmen und ob sie ehrlich bereit sind mit uns Johannes zu einem guten Christen zu erziehen. Ich würde mir wünschen, wenn Johannes stets zu seinen Paten wie zu seinen Großeltern gehen könnte. Ich will sie jetzt nicht zwingen „Ja“ zu sagen; dieses sollten sie auch nur, wenn sie es auch wirklich wollen.“. „Aber Rainer, warum hast du mir denn davon nichts gesagt?“, fragte jetzt seine Frau ganz erstaunt. Dabei habe ich übrigens erstmalig bewusst wahrgenommen, dass es sich bei dem Pfarrer um einen Namensvetter von mir handelte, nur dass er sich, wie sich später heraus stellte, im Gegensatz zu mir sich nicht mit „ei“ sondern mit „ai“ schrieb. Der Pfarrer setzte jetzt zu einer Erklärung an: „Katha, eine Patenschaft ist nicht so eine Sache, wie zum Beispiel eine Geschäftspartnerschaft, die man so einfach einem Dritten antragen kann. Eine Patenschaft ist eine Verantwortung die man auch gegenüber Gott übernimmt. Da wollte ich mich erst überzeugen, dass Wolfs Leute sind, die sich dieser Verantwortung bewusst sind und ob man ihnen dieses auch antragen kann. Ich glaube, dass ich so viel Menschenkenntnis besitze, um nach einem Kennenlernen wie heute beurteilen zu können, ob es geht oder nicht. Wäre ich der Meinung, dass es nicht oder noch nicht ginge, hätte ich zumindestens heute kein Wort davon verloren. Dann hätte ich lediglich erklärt, dass ich die Vaterschaft übernehmen würde und darüber hinaus keine wirtschaftlichen Ansprüche, wie Unterhalt und so weiter, stellen würde. Aber ich glaube in der Familie Wolf Menschen gefunden zu haben, denen man so etwas ruhig antragen kann. Ich bin mir sicher mich nicht getäuscht zu haben.“. Eifrig meldete sich Björn mit „Herr Pastor, ich wollte ...“ zu Wort und wurde schon unterbrochen: „Lassen wir mal den Pastor weg, ich bin der Rainer und du bist der Björn, so sollten wir es auch halten.“. „Rainer, wie mein Vater“, stutzte Björn, worauf sich der Pastor an uns wandte: „Sie sind die Älteren und ich will nicht unhöflich sein aber sollten wir es nicht ebenso halten. Was meinst du Reiner.“. Na ja, da war es gefallen und wir vereinbarten alle gemeinsam das familiäre Du bevor Björn fortfahren konnte: „Also was ich eben sagen wollte ist, dass es mich sehr glücklich macht, wenn ich der Pate über unseren Sohn sein kann. Dann kann ich Johannes gegenüber immer meine Verbundenheit mit ihm beweisen ohne ihn von seinen Eltern und Brüdern zu entfernen. Es freut mich insbesondere auch für Katha, die dich, wie sie mir am Mittwoch am Telefon sagte, sehr lieb hat. Ich habe eben Eltern gesagt, weil ich auch schon in einer anderen Angelegenheit immer die Ansicht vertreten habe, dass der wahre Vater immer derjenige ist, der ein Kind groß zieht. Und es ist wirklich wunderschön, dass ich dann als der leibliche Vater nicht außen vor der Tür bleibe. Also ich möchte nicht nur Pate werden, ich bestehe sogar darauf. Aber was den Unterhalt anbelangt ...“. „Papayapapp“, unterbrach ihn Rainer, „wenn schon,
dann lass mich auch voll und ganz der wahre Vater sein. Ich habe mir immer noch einen Johannes gewünscht und jetzt hast du mir zu diesem verholfen, jetzt kannst du mir auch dieses überlassen. Also Pate wirst du und wenn du deinem Patenkind etwas schenken willst, ist das deine Angelegenheit. .... Stopp, nicht ganz. Wir müssen darauf achten, das die vier Brüder immer gleich behandelt werden. Daher bitten wir dich eventuelle Geschenke mit uns abzusprechen und zu akzeptieren wenn wir ‚No’ sagen. Aber alles andere überlasse bitte uns ... oder willst du mir die wahre Vaterschaft, von der du eben sprachst, streitig machen.“. Beichten oder nicht beichten, das war für mich in diesem Augenblick die Frage. Aber dann ergriff ich das Wort: „Für Andere zeugen scheint bei uns ein Familienfehler zu sein. Als wir in den Gottesdienst gingen, habe ich ja bereits Katharina gestanden, dass ich der Vater meiner Enkeltochter, die wohl nächsten Monat zur Welt kommt, sein werde. Ja, ich hatte mit meiner Schwiegertochter während Björn im Krankenhaus lag ein Verhältnis. Und so ‚edel’, wie ich die Sache gerne darstellen würde, dass ich für meinen zeugungsunfähigen Sohn eingesprungen bin, war das zumindestens von meiner Seite auch nicht. Ich glaube, dass der Sexualtrieb wie bei euch, Katharina und Björn, für mich der Motor der Angelegenheit war. Daher weiß ich nicht ob ich einer Patenschaft würdig bin. Ich wüsste jetzt wirklich nicht, was ich lieber täte als über eine Patenschaft bei Johannes meine Pflichten ... und vielleicht auch Rechte als leiblicher Großvater wahrzunehmen. Ehrlich, es wäre zu schön. Aber kann ein Sünder vor Gott treten und sagen: Ja Herr, ich möchte meinen Beitrag zur Erziehung dieses Kindes zu einem gläubigen Christen leisten.“. Mein Namensvetter mit „ai“ schaute mich an: „Wenn Sünder keine Patenschaften übernehmen dürften, müssten wir die Kindertaufe abschaffen. Es gibt keine gerechten Menschen – nur Selbstgerechte. Wir sind alle Sünder, es gibt keinen Menschen ohne Sünden. Jesus ist für uns alle gestorben und welchen Sinn ergebe das, wenn er für Gerechte gestorben wäre. Dieses fragt ja auch der Apostel Paulus im fünften Kapitel des Römerbriefes. Wo du dich so offen bekannt hast, möchte ich mich dem gleich anschließen, ... nur damit du siehst, dass wir uns eigentlich nichts vorzuwerfen haben, dass wir praktisch bei einem Sündertreffen im Pfarrhaus zusammensitzen. Ich hatte, als wir schon verheiratet waren, eine längere Zeit ein Verhältnis mit einer Cousine von Katharina, die damals in Scheidung lebte. Ganz freiwillig habe ich das Verhältnis mit ihr nicht beendet, obwohl Katha furchtbar darunter gelitten hat. Ihre Cousine hat sich mit ihrem Mann wieder versöhnt ... die Beiden sind heute noch ein Paar und Scheidung steht bei denen nicht mehr auf der Tagesordnung. Nach deren Versöhnung bin ich trotzdem dort noch mal in der Absicht ein Schäferstündchen mit ihr zu halten erschienen, wo mich dann der Mann handfest ausgetrieben hat. Vierzehn Tage lang konnte man mich als lädierten Pfarrer erleben. Wie sagte unser Herr zu den Leuten, die die Ehebrecherin steinigen wollten? Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“. Erleichtert sagte ich dann zu die Patenschaft über Björns und Katharinas Kind zu übernehmen und Elke schloss sich dem dann auch an. Kurz nach halb Eins waren wir dann durch diese Geschichte durch. Ganz entsetzt sprang Katharina, die inzwischen ein Wenig aufgetaut aber noch nicht ganz erleichtert erschien, auf „Du Schreck, während wir hier zusammen saßen und sprachen, habe ich ganz unser Mittagessen vergessen. Entschuldigt bitte, aber jetzt wird es halb Zwei“ und sie wollte daraufhin in die Küche entschwinden. Sowohl Björn wie auch Elke boten ihr dabei Hilfe an. Björn schied natürlich aus nachvollziehbaren Gründen aus und mit Elke gab es zunächst einmal den berühmten Wortwechsel „Ihr seid doch Gäste“ und so weiter, aber danach bekam sie dann doch den Zuschlag auf ihr Hilfeangebot. Am Abend, als wir wieder unter uns waren, erzählte mir Elke, dass sie gesagt habe, dass es sie wundern würde, das so schnell eine so vernünftige Lösung gefunden werden konnte. Darauf wären Katharina dann doch noch mal die Tränen gekommen und sie habe gesagt: „Ach, das war aus euerer Sicht schnell. Aber überlege mal, dass ich schon im vierten Monat bin. Was meinst du, was in dieser Zeit hier alles geschehen ist. Ich habe zwischenzeitig mit den Kindern bei meinen Eltern, die mir auch mächtig zusetzten, gewohnt. Das hat in der Gemeinde zu allerlei Klatsch geführt unter dem nicht nur ich sondern die ganze Familie gelitten hat. Die Sache hat mein Vater, als er einen Sonntag in Rainers Vertretung den Gottesdienst hielt mit einer Bombenlüge ausgeräumt. Letztlich war er es auch der zwischen Rainer und mir vermittelte und Rainer dazu brachte keine Scheidung einzureichen. Aber dann trat bei Rainer von ganz alleine die Wende ein. Seine wirklich starke christliche Überzeugung hatte gesiegt. Und gestern sagte er mir dann, dass er sich mit seiner diesbezüglichen Bekehrung selbst am Meisten geholfen habe, da er das Gefühl habe glücklicher wie je zuvor zu werden. Jetzt wisse er erst, was ihm Gott geschenkt habe. Aber wie ihr, wo Rainer reinkam. mitgekriegt habt, ist die Sache natürlich in uns immer noch nicht ganz ausgestanden. Es gibt immer mal Nachwehen. Also eine schnelle Lösung war es wirklich nicht, das sieht wirklich nur für euch so aus. Daher könnt ihr aber gewiss sein, dass die von Rainer vorgeschlagene Vorgehensweise keine Spontanreaktion, die auf plötzliche Eingebung beruht, ist sondern ein Ergebnis einer reiflichen Überlegung darstellt.“. Während sich die Frauen in der Küche tummelten kamen wir Vertreter der Männlichkeit im Wohnzimmer des Pfarrhauses noch einmal auf meinen speziellen Sündenfall zu sprechen. Das heißt, dass ich dem Pfarrer einen kurzen Abriss von dem gab, wieso ich gleichzeitig zum Vater und Großvater über ein und dasselbe Kind werden konnte. Dabei hielt ich mich, sehr zum Entsetzen Björns, der diese Version erstmalig so richtig erfasste, strickt
an die Wahrheit. Mit anderen Worten: Ich gestand jetzt auch im Beisein Björns, dass die eigentliche Triebfeder meiner Zeugungshilfe auf sexuelle Motivation zurückzuführen war. Ich hatte ganz einfach Heikes Torschlusspanik im Sinne meiner eigenen Sexualität missbraucht – und diese mit dem Hintergedanken meinen Sohn ein Kind unter zuschieben. Dieses Geständnis, was ja bei Elke dazu führte mir zu vergeben und wieder mit mir gemeinsam zu gehen, war gegenüber unserem Sohn zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort nach meiner Meinung richtig platziert. Die Umgebung würde ihn an einem spontanen Ausrasten hindern und andererseits dürfte ihm das Bewusstsein der „eigenen Schande“ zum Überdenken vor dem Handeln anleiten. Allerdings war dadurch doch nicht auszuschließen, dass sich das Vater-Sohn-Verhältnis zunächst einmal wieder anspannte, was dann in Folge auch wieder eine Rolle spielen sollte. Aber irgendwann muss mal Klarschiff gemacht werden sonst kommt man letztlich nie mehr ins Reine. Ein maßgebliches Ziel hatte ich doch im Hinterstübchen: Ich wollte die Meinung eines Pfarrers dazu hören, was er jetzt in dieser Situation raten würde, um auch Björn aus seinem jetzigen ehelichen Dilemma wieder heraus zu helfen. Also fragte ich Rainer danach und wir bekamen die Antwort: „Ich glaube, dass du in mir den Falschen fragst. Das ist so als wolltet ihr einen starken Raucher für eine Beratung wie man sich das Rauchen abgewöhnen kann engagieren. Ich kann nur, unter Beachtung meiner Kenntnis von den Menschen, sagen, was ich für richtig halten würde. Der Punkt Eins ist, dass du Björn nicht von deiner Absicht die Vaterschaft anzuerkennen ablassen solltest. Wenn dein Vater auch andere Absichten verfolgte, hat es deine Frau, so wie ich schätze, es ehrlich damit gemeint, dass dein Vater euch zu Elternglück verhelfen sollte. Für sie ist es eine Wahrheit, dass du der Vater bist. Wenn ihr davon abrückt bricht sehr viel in ihr zusammen. Und um so mehr zusammengebrochen ist um so schwerer ist es wieder aufzubauen. Dann solltest du .... und so etwas rate ich in jedem Fall – ihr, zum Beispiel in einem sachlichen Brief, die volle, ungeschminkte Wahrheit über deinen Fehltritt mit Katha darlegen. Sehe mein Beispiel mit der Cousinengeschichte, sehe Katharina, die nie den Versuch unternahm die Wahrheit zu vertuschen und sehe insbesondere auch deine Eltern, die durch die Wahrheit wieder zusammengeführt wurden. Nur die Wahrheit hat eine heilende Wirkung. Ansonsten gebe deiner Frau Zeit. Wenn es Verletzungen gegeben hat, muss die Wunde erst ausbluten und gereinigt werden bis sich wundschließende Narben bilden können. Eine Narbe wird wohl immer bleiben aber diese erinnern einen immer wieder daran, nicht den gleichen Fehltritt noch einmal zu unternehmen ... Und so kann man letztendlich glücklich werden. Mehr kann ich euch beim besten Willen nicht dazu sagen.“. Inzwischen waren die Frauen mit dem Mittagessen fertig geworden und es wurde serviert. Ab diesem Punkt wandelte sich die Atmosphäre im Pfarrhaus von einem Sündertreffen zu einem Besuch unter Freunden. Wir haben noch bis zum späten Nachmittag zusammen gesessen und viel über Gott aber auch die Welt gesprochen. Natürlich kam auch ab und an mal wieder etwas von dem Anlass, der uns zusammengeführt hatte, auf den Tisch, dabei war aber nichts was so wichtig wäre, dass ich es hier berichten müsste. Im Laufe des Nachmittags lockerte dann auch Katharina mehr und mehr auf. Als ihr größtes Problem an diesem Tag bezeichnete sie ihre Scham Elke und mir gegenüber, die ihr doch reichlich zu schaffen machte. Aber ansonsten lernten wir sie als doch sehr liebenswürdige, nette Frau, die nichts mit dem verruchten Wesen, was ich zuvor in meiner Vorstellungswelt aufgebaut hatte, zutun hatte, kennen. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass unser Sohn offensichtlich was Frauen anbelangt meinen Geschmack geerbt hat. Auch mir wäre es, wenn ich an Björns Stelle gewesen wäre, schwer gefallen „Nein“ zu sagen. Alles in Allem ist Katharina doch sehr sexy, was man sogar feststellen konnte obwohl sie durch Bekleidungsordnung und Verhalten an diesem Tag diese Tatsache zu vertuschen versuchte. Aber keine Angst liebe Leserinnen, lieber Leser in der Richtung entwickelt sich nichts, denn schließlich hatten ja sowohl Katharina wie auch ich einschlägige Erfahrung und hatten über diese schätzen gelernt, was wir an unseren Partner hatten.
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Der Kampf eines Glücklosen Haben Sie schon einmal erlebt, dass irgendeine, von Politikussen und/oder Beamtokraten vorgenommene Planung nach zehn Jahren noch Bestand hatte? Oft brauchen wir noch nicht einmal ein Jahrzehnt abzuwarten bis sich eine Planung als kalter Kaffee erweist. Da ja der Wannebacher Gemeinderat ja in meinem Grünen Baum tagte, bekam ich ja immer mit, mit wie viel Täderä Jahr für Jahr so ein Haushaltsplan in Gang gesetzt wurde. Wenn man dann zum Abschluss des Haushaltsjahres verglich, was da alles umgewurstelt und hin und her geschoben worden ist, kann man sich fragen ob die damals pfenniggenauen, heute würde man centgenauen sagen, Beträge im Haushaltsplan, die der Kämmerer mit viel Akribie und ungeheuerer Zeitverschwendung , die selbst auch viel Geld kostet, zusammengestellt hatte, eigentlich nur als „Verarsche“ gedacht waren. Es kam ausnahmslos immer anders als gedacht. Am deutlichsten sehen wir dir die Diskrepanz zwischen Plan und Realität auch bei den Dauerthemen Renten, Gesundheitswesen und Steuergesetzgebung. Da ist gerade mal eine Reform, die die Renten oder Krankenkassen bis in die Mitte des nächsten Jahrhunderts sichern sollen, vom Tisch da melden auch schon die Ersten wieder neuen Reformbedarf an. Also wenn ich mich jetzt nicht irre, standen, seit dem ich das Politpalaver bewusst verfolge, Renten- und Krankenkassenreformen in jeder Legislaturperiode auf der Tagesordnung. Laufend Reformen weil sich vorgehende Berechnungen aus diversen Gründen als ungenügend – Schulnote 6 – erwiesen. An ein Palavirion der 60er-Jahre kann ich mich noch ganz gut entsinnen. Es ging um die Müllentsorgung. Meine Güte, was hatte man da für ungeheure Müllmengen, die es bis Ende des 20. Jahrhunderts zu bewältigen gelten sollte, vorausprognostiziert. Da stampfte man dann eine Müllverbrennungsanlage nach dem anderen Müllheizkraftwerk aus dem Boden mit der Folge, dass es heutzutage keine natürlich ausgelastete Anlage mehr gibt und ein hyperflotter Mülltourismus mit Transporten nicht nur quer durch die Republik sondern in ganz Europa in Gange ist. Diese und andere beamtokratische beziehungsweise politische Fehlplanung darf der treue Bürger mit Abgaben und Steuern bezahlen. Jetzt klingeln mir schon richtig die Ohren weil man mir aus allen möglichen politischen Ecken entgegen blökt und dabei fallen dann immer wieder die Stichworte von Mülltrennung, Vermeidung und insbesondere das Adjektiv „unvorhersehbar“. Und damit sind wir bei des Pudels Kern. Alle Planung gehen immer von Gradlinigkeit und Kontinuität aus und die gibt es nun grundsätzlich nicht. Immer kommt etwas anders als man ursprünglich gedacht hat. Was ich jetzt ganz wertfrei sage, denn es kann sowohl positiv wie negativ anders kommen aber die ursprüngliche Planung ist immer über den Haufen geworfen. Richtig toll ist es wie Politikusse alles für Menschen, die es nur selten oder gar überhaupt nicht gibt, machen. Da erzählen einen Rentenpolitiker was ein heute 30-jähriger von der Rentenversicherung wenn er mal selbst an der Reihe ist zu erwarten hat. Ja das haut dann alles hin, wenn er sein Leben lang Angestellter auf gleichen Gehaltsniveau bleibt, niemals längere Zeit Ausfallszeiten wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Ausbildungszeiten hat und insbesondere wenn nicht die Politikusse selbst noch alles umwursteln. Wie groß ist heutzutage aber die Wahrscheinlichkeit, dass es eine solche Gradlinigkeit gibt? Ich brauche ja nur an mein eigenes Leben oder an das meiner Frau zu denken. Wie oft kam es da anders als ich dachte. Selbst im Traum wäre mir nicht eingefallen, dass ich, nachdem ich von der Penne geflogen war über Packer und Versender, also Malocher, über Reiseverkehrskaufmann, Touristikmanager, Arbeitsloser, Grünen-Baum-Wirt zum Ferienwohnungsvermieter werden würde. Ich brauche noch nicht einmal ein „so langes“ Leben wie das meinige als Beispiel zu nehmen, sehen wir uns doch nur mal das des jungen Björn Wolf an. Wir konnten doch seine Entwicklung in dieser Niederschrift verfolgen. Momentan steht er ja schon wieder zwischen Baum und Borke. Da war er doch in einem Düsseldorfer Hotel als Mann und Schwiegersohn der beiden Gesellschafterin der Assistent der Hotelleitung, also das Mädchen für alles auf höherer Geschäftsebene. Der Posten wäre theoretisch auch dann noch denkbar, wenn seine Ehe zerbrechen würde. Aber nur theoretisch, denn eine Zusammenarbeit zwischen Heike und Björn, die dann auf Dauer aber unbedingt sein müsste, dürfte wohl nicht vom guten Geistern begleitet werden. Zu diesem Zeitpunkt gab es außer für ihn, auch für Karin, der eigentlichen Chefin, einen kaum haltbaren Schwebezustand. Natürlich hatte Karin bei ihrer Personalplanung auf ihren Schwiegersohn gesetzt. Sein Ausfall ist gerade jetzt, wo Heike der Entbindung immer näher rückt und diese somit durch einen Quasi-Mutterschutz ausfällt, für sie kaum verkraftbar. Ich schrieb eben von einem Quasi-Mutterschutz weil es so etwas für Unternehmerinnen, und das ist Heike als Hotelgesellschafterin nun mal, nicht gibt. Aber auch Unternehmerinnen können im Interesse ihrer eigenen Gesundheit und des Kindes nicht voll oder gar nicht mehr durchziehen. Da blieb Karin letztlich nichts anderes, als den Laden alleine zu schmeißen. Im Öffentlichen Dienst würde man bei ihr derzeitigen Tätigkeit von einer Dreihundert-Prozent-Stelle sprechen. Einen Ersatzmann für ihren Schwiegersohn und Assistenten konnte sie auch nicht einstellen, denn erstens schätzte sie Björn trotz allem auch als jungen Fachmann, der zudem als Familienangehöriger bei weitem preiswerter als ein Angestellter kommt. Den wollte sie nur höchst ungern verlieren. Und andererseits musste sie überlegen, wie sie den Neueingestellten wieder los werden könnte, wenn, wie sie hoffte, ihre Tochter und ihr Schwiegersohn wieder zusammen fänden.
Und Björn wusste in dieser Situation nicht ob er nun arbeitslos sei oder nicht. Er hoffte ja mit seinem Heikelein wieder zusammen zu kommen und bewarb sich deshalb auch nicht anderweitig, denn wenn wieder alles in Ordnung ist, wollte er natürlich auch an ihrer Seite im Hotel sein. Für ihn ergab sich jetzt auch die Situation, dass er aus seiner Sicht kein Einkommen haben würde. Karin würde ihn zwar weiter bezahlen wollen aber das wollte wiederum er nicht, denn er stand auf dem Standpunkt, dass wenn er nicht der Schwiegersohn gewesen wäre, kein Anspruch auf Fortzahlung gehabt hätte, da er aus eigener Veranlassung der Arbeit ferne bliebe. Wenn er aber kein Geld von seiner Chefin und Schwiegermutter in Anspruch nimmt, bleibt ihm ja nur der Rockzipfel seiner Eltern – und das wollte er erst recht nicht. Dieses Problem hatte er Elke gegenüber auf der Rückfahrt von Ehrenberg nach Elfenwiese angesprochen. Daraufhin habe ich ihm einen Kredit angeboten. Kredit deshalb weil er zuvor diese Sache mit dem Rockzipfel genannt hatte, dann sieht es schon geschäftsmäßiger aus. Aber ich hatte ja mit meinem Bekenntnis in der Männerrunde am Mittag erheblich von meiner väterlichen Autorität eingebüsst und deshalb kam ich für ihn auch als Kreditgeber nicht in Frage. Aus diesen Gründen beschloss Björn den Teil von Rainers Rat, der sich auf das Abwarten bezog – Sie entsinnen sich an die Geschichte mit der Wunde: erst ausbluten, dann reinigen und auf die Vernarbung warten – in den Wind zu schlagen. Er wollte, nachdem er die Geschichte mit Katharina nun für soweit bereinigt wie es ging, das heißt in ordentlichen Bahnen hielt, keine Zeit mehr verlieren und mit allen Kräften los kämpfen. Halbherzig versuchte ich ihn natürlich von dieser Übereilung abzuhalten. Diese Halbherzigkeit beruhte darauf, dass der Tag der Geburt immer näher rückte und die Frage, wer nun als Vater aktenkundig werden sollte, jetzt vollkommen ungelöst war. Aber ob halb- oder vollherzig, ich konnte ihm nach meinem Wahrheitsbekenntnis so oder so nichts sagen. Das ich aus reiner Lustbegierde und nicht aus der Überzeugung eines edlen Genenspender für seinen vermeintlich zeugungsunfähigen Sohn seiner Frau in die Wäsche gegangen bin konnte er nicht verdauen. Und ich muss wirklich sagen, dass ich ihn verstehen konnte, denn mir wäre es an seiner Stelle genauso gegangen. Das Einzigste was ich tun durfte, war ihm am darauffolgenden Montag, also am 19. März 2001, unser Auto für eine Fahrt nach Düsseldorf leihen. Er hatte mich aber zunächst nicht danach gefragt sondern war mit dieser Bitte an seine Mutter herangetreten, aber Elke machte die Leihgabe von meiner Zustimmung abhängig. Allerdings tat uns unsere Zustimmung zu dieser Leihgabe am Abend, als er wieder zurück war, mächtig leid. Wir hätten sehen müssen, dass überstürztes Handeln in kritischen Situation meistens in einen Schuss nach Hinten ausartet. Aber wenn sich das bei den Populisten, die heutzutage die Spitzenpolitiker mimen, noch nicht herumgesprochen hat, wie sollte das bei uns, dem niedrigen Volk angekommen sein. Aber ich sollte nicht von der Rückkehr vor dem eigentlich Ablauf berichten. Also jetzt wieder alles schön der Reihe nach, so wie Björn es seiner Mutter berichtete – und von Elke habe ich das nun wieder. Einige Schönungen, die Björn in seinem Bericht vorgenommen hatte, was unter anderem eine ganz entscheidende Stelle betrifft, konnte ich durch spätere Aussagen von Karin korrigieren. Also Björn kam in Düsseldorf an und traf bereits an der Rezeption auf Karin, die im ersten Augenblick froh war, ihren Schwiegersohn körperlich vor Augen zu haben. Natürlich fragte er gleich nach Heike und erfuhr, dass es ihr nicht gut gehe und er solle erst mal abwarten bis sie die Rezeption, die auch für dritte Ohren zugänglich ist, verlassen könne. Karin wollte also mit ihm erst einmal, vor allem anderen, ein Vieraugengespräch führen. Björn wollte sich aber nichts sagen lassen und gleich „seine“ eheliche Wohnung stürmen, worauf ihm Karin sagen musste, er solle da bleiben und nicht hinaufgehen, da er möglicher Weise mehr kaputt wie gut machen würde. Na ja, letztlich wartete Björn, wenn auch wiederwillig, dann doch. Als der angestellte Rezeptionär von seinem Botengang zurück kam konnten Karin und Björn dann in Karins Wohnung verschwinden. Dort erfuhr er dann, dass es zwischen Heike und ihrer Mutter einen Mordsstreit gegeben habe. Karin machte sich Sorgen um Mutter und Kind und hatte Heike tatsächlich einen „Mutterschaftsurlaub“ verordnet. Aber sie konnte, wenn sie nicht selbst ein Nervenbündel werden will, die Arbeit allein nicht schaffen. Sie war schon vollkommen fertig. Eine Lösung konnte sie sich derzeitig nur vorstellen, wenn sie Björn wieder zurück ins Haus hole, wenn schon nicht ins Ehebett dann doch an seinen Arbeitsplatz. Heike hatte dann darauf mit „Das ist mir egal aber er kommt mit nicht in die Wohnung und geht mir möglichst immer aus dem Wege.“. Darauf hat Karin dann gesagt, das Björn dann vorrübergehend bei ihr wohnen könne, worauf Heike nun völlig ausgerastet war. Laut Karin war alles reine Eifersucht, was in ihr die Hoffnung weckte, dass die beiden jungen Leute doch wieder zusammen kämen. Im Anschluss an den Streit war Heike in ihre Wohnung gerast und hatte sich dort erst einmal eingeschlossen. Karin schlug nun den Kompromiss vor, Björn solle am nächsten Tag wieder anfangen und vorrübergehend auf einem Hotelzimmer wohnen. Er solle mit „seinem“ Wagen nach Elfenwiese zurückfahren und erst einmal nur die wichtigsten Sachen holen. Auf der Rückfahrt sollte er Elke, mich oder alle beide mitbringen, damit wir uns unseren Wagen, den wir doch sicherlich auch bräuchten, zurückholen könnten. Ansonsten hielt sie es für besser, wenn er erst einmal ein Weilchen Heike aus dem Wege gehen würde. Karin glaubte ihre Tochter zumindestens so gut zu kennen, dass diese von selbst wieder gesprächsbereit sein würde. Das war alles gut und schön aber Karin hatte ihre Rechnung ohne Björn gemacht und der bestand darauf erst mit seiner Frau sprechen zu dürfen.
Letztlich ließ sich die gute Frau breitschlagen und versuchte ihre Tochter herbeizuholen. Dass Karin während des Gespräches dabei sein sollte, wurde in diesem Fall von Björn akzeptiert. Wenn er sich auch nicht an den zweiten Teil von des Pfarrers Rat hielt wollte er sich doch an den ersten halten. Folglich legte Björn mit einem sehr umfassenden Geständnis und Eingeständnis seiner Schuld los. Heikes Zwischenfrage „Und mit Mutti war nichts?“, warf Björn dann aus der Erfolgsschiene. Er bekannte in Karins beisein, dass er ihr eine Ganzkörpermassage einschließlich manueller Befriedigung verpasst habe und diese ihm dafür „Einen geblasen“ habe. Nichts gegen Ehrlichkeit, aber bei dieser Sache hätte der kluge Mann besser geschwiegen. Für Heike war das die absolute Spitze und sie wollte nichts mehr mit ihm zutun haben. Sie kündigte ihm an, nach der Entbindung die Scheidung einzureichen. Außerdem forderte sie ihre Mutter, die in diesem Moment auch nicht gerade gut auf den sie verratenen Björn zu sprechen war, auf ihn wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit außerordentlich zu kündigen. Falls Karin diesem Wunsch nicht nachkäme, würde sie aus dem Hotel als Gesellschafterin aussteigen. So ist es nun mal, Björn hatte für Klarheit gesorgt, aber nicht so, wie er sich das gewünscht hatte. Karin machte ihm anschließend seine Papiere fertig und händigte ihm diese auch aus. Nun war er ein offizieller Arbeitsloser. Als wir uns an diesem Abend ins Bett legten und Elke mir bei dieser Gelegenheit erzählte was sie von Björn von seinem Düsseldorf-Aufenthalt erfahren hatte. Da musste ich doch resignieren: „Mensch, alles was in letzter Zeit passiert ist sieht so aus, als seien wir eine absolut verruchte und verkommene Familie, die sich nur mit Angehörigen einer sexwütigen Gesellschaft umgeben. Da schwängere ich meine Schwiegertochter aus eigner Lustbegierde und auf deren eigenen Wunsch. Unser Sohn schwängert bei einem schnellen Nümmerchen im Fitnesscenter eine triebhaft exhibitionistische Pfarrersfrau. Du treibst es lesbisch mit der Mutter unserer Schwiegertochter, die wiederum mich zu vernaschen versuchte und es dann noch mit unserem Sohn bis knapp vor der letzten Grenze trieb. Und dabei sind wir ganz normale Menschen. Äußerlich sind wir in keiner Weise auffällig und bis jetzt ist noch keine von drei Ehen zu Bruch gegangen. ... Björn läuft Gefahr der erste Scheidungskandidat in unserer Truppe zu sein. Wenn ich uns so betrachte gibt sich keiner besonders versaut und der Sinn steht uns in der Regel nicht nach Perversionen. Da ist uns die schmutzige Fantasie mancher Kneipenbesucher ein Gräuel und die ekelerregenden Machwerke in den Fernsehprogrammen, die einem als Erotik untergejubelt werden, finden unsere Missachtung. Und doch machen wir etwas weshalb uns moralisierende Bibelbuchstabenausleger ewige Höllenqualen prophezeien würden. ... Warum nur, warum?“. Nachdenklich erwiderte mir Elke: „Ach Reiner, vielleicht sind wir gar nicht so verrucht wie es aussieht, vielleicht ist alles viel normaler als wir denken. So etwas sind ja alles Dinge, die sich in der Regel hinter verschlossen Türen und nicht in der Öffentlichkeit abspielen. So was wird immer nur öffentlich bekannt wenn die Grenze zur Kriminalität spektakulär überschritten wurde oder wenn Prominente ihre Storys als Futter für Voyeure an die Medien verhökern beziehungsweise wenn Paparazzia in die Intimwelt von bekannten Personen eindringen. Überlege dir nur die Vielzahl von Scheidungen, die immer mehr zunehmen. Meinst du, die wären alle ohne Grund. Zerrüttung fällt doch nicht vom Himmel. Neu ist das Ganze auch nicht, denn solche Geschichten füllen Scheidungs-Aktengebirge aus der Zeit als es das Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht noch gab. Wir dürfen uns im Moment nicht von der derzeitigen Häufung dieser Dinge nicht in die Resignation treiben lassen. Die Geschichte der Menschheit begann mit dem Sündenfall. Erst danach waren sich die Menschen ihres Daseins bewusst. Erst durch die Sünde haben sich die Menschen erkannt und dabei das Glück und die Liebe entdeckt. Vielleicht ist bei Heike und Björn ganz gut, dass ein solcher Rums in ihren jungen Lebens- und Ehejahren eintritt. Wenn sie wieder zusammenkommen, dürften Narben zurück bleiben. Und wie sagte dein Namensvetter gestern, die Narben erinnern einen immer daran, dass man Fehltritte nicht wiederholt und nur damit kann man letztlich wiederum glücklich und zufrieden werden. ... Aber eins macht mir das Herz unheimlich schwer: Heike ist mir, obwohl sie ein Kind von meinen Mann erwartet während sie die Frau meines Sohnes ist, wie eine Tochter ans Herz gewachsen. Irgendwie liebe ich sie und möchte sie nicht verlieren. Lass uns doch zusammen beten, das Gott unseren bis jetzt glücklosen Sohn bei seinem Kampf um seine Frau unterstützt.“. Ich schloss mich Elkes Vorschlag gerne an und faltete meine Hände zum Gebet. Am nächsten Morgen hatten wir den Eindruck als habe Gott unser Gebet erhört. Es war so gegen halb Neun, wir saßen gerade am Frühstückstisch, als das Telefon läutete. Am anderen Ende war Karin und verlangte nach Björn. Sie wollte sich bei ihm entschuldigen, da sie es inzwischen richtig fand, dass Björn auf ganzer Linie und nicht bröckchenweiße einen reinen Tisch machen wollte. Wenn jemand Buße tun wolle, dann müsse er alles sagen und nicht nur das, was man ihn an ohnehin bekannten Dingen aus der Nase zieht. Immer nur verschiedene Häppchen zu verschiedenen Zeiten führe nur dazu, dass es immer nur neuen Ärger, der später nicht mehr auszuräumen sei, gäbe. Im Übrigen sei sie ja die Verursacher der Geschichte zwischen ihr und Björn. Er habe doch eigentlich gar nicht gewollt und sie habe ihn mit psychologischen Mitteln sexuell genötigt. Sie wolle alles dafür tun, dass er und Heike wieder zueinander fänden. Sie könnte nur nicht sofort mit ihrer Versöhnungsvermittlung anfangen, da sie jetzt selbst in Folge von Björns umfassender Beichte jetzt einen tiefergehenden Krach, der nur sehr schwer auszuräumen sei, mit Heike hätte. Sie glaubte aber dass dieses, wenn sie in Punkto Ehrlichkeit gegenüber Elke
unserem Beispiel folge, da nicht ohne Chancen sei. Sie meinte, dass wenn jemand Buße täte, ergäbe das nur einen Sinn, wenn man die feste Absicht habe fortan nicht mehr zu sündigen. Sie wolle sich jetzt ihrerseits einen anständigen Kerl suchen mit dem sie zunächst in einer Partnerschaft und später in einer Ehe treu zusammenleben wolle. Sexuelle Eskapaden wolle sie ab sofort nicht mehr unternehmen. Björn bestätige ihr darauf: „So sehe ich das auch. Ich will nur noch mit Elke glücklich sein ... bis das der Tod uns scheide. Ich habe mir jetzt die Hörner abgestoßen und die Nase gestrichen voll. Von mir kommt nie mehr was.“. Ich musste sagen, dass der Junge jetzt die gleiche Absicht wie ich, seit dem Tage wo ich mir Elke zurück holte, hatte. Sollte dieses Hörner abstoßen Gottes Wille gewesen sein als er uns diese Dinge vorausbestimmte? Will er uns damit die Voraussetzungen schaffen, damit wir zu Glück, Liebe und Zufriedenheit finden können. Sind diese Dinge in unserem Bewusstsein, also der Gott gleichen Seele, können wir damit tatsächlich ewig leben. Nachdem Karin ihre Beichte und ihre Bitte um Entschuldigung los geworden war kam sie auf naheliegende praktische Dinge zu sprechen. Als Erstes berichtete sie von einer bereits wiederholt vorgetragenen Äußerung Heikes: „Wenn auch die Familie Wolf eine Schweinebande ist lasse ich mir meinen Ruf nicht ruinieren. Ich gebe bei Saras Geburt Björn als den Vater an. Ich hoffe der Kerl hat soviel Anstand, dass er dem nicht widerspricht.“. Unser Junge äußerte darauf, dass dieses voll in seinem Interesse liege und er zu keiner Zeit widersprechen würde. Er bat Karin aber nicht darüber zu sprechen, damit Heike es sich nicht aus Trotz anders überlegt. Jetzt will ich mal ganz ehrlich bekennen, dass ich in der Tiefe meiner Seele ganz zufrieden war, so aus dem Schneider gekommen zu sein. Des Weiteren war Karin der Meinung, dass sie sehr gerne die ausgesprochene Kündigung zurücknehmen würde, aber sie wusste nicht ob das dem großen Ziel dienlich wäre. Sie schlug vor, das Björn sich bei irgendeinen Urlaubsbunker in den Feriengebieten als Saisonmitarbeiter bewerben solle. Auch diesen Vorschlag fand Björn super. Letztlich vereinbarten Schwiegermutter und Schwiegersohn einen täglichen telefonischen Kontakt. Karin wollte ihn immer anrufen und er solle es umgekehrt nie versuchen, damit nicht Heike durch Zufall am Apparat sei. Er solle außer abwarten überhaupt nichts unternehmen, da infolge seiner Aktivität mehr eventuell sogar alles kaputt gehen könne. Auch dieses wurden dann von unserem Sohn akzeptiert. Unsere Ansicht, dass Gott unser Gebet um Unterstützung im Kampf des Glücklosen erhört habe beruhte darauf, dass wir jetzt endlich die Weichen in die richtige Richtung gestellt sahen. Für uns war das, was Karin mit Björn vereinbart hatte, der richtige Weg. Wir freuten uns schon darauf, dass das versöhnte Paar in zirka drei Wochen zusammen Ostern feiern sollte. Aber es ging nicht so Schlag auf Schlag wie wir uns das gewünscht hatten. Björn sollten doch noch einige Prüfungen bevorstehen. Er bekam jetzt auch eine Woche lang immer Anrufe von seiner Schwiegermutter aber die konnte ihm nie etwas Neues berichten. Einmal, als Björn mal kurz unterwegs war, kam es dann zu einem längeren Gespräch zwischen Karin und Elke, das in Folge zunächst zu einem Disput zwischen den beiden Frauen führte. Erstmals erfuhr jetzt Elke die volle und ungeschminkte Wahrheit von der Schwiegermuttermassage, also auch die Sache mit der manuellen Befriedigung und dem Blasen. Elke reagierte dann ganz empört: „Sage mal, du bist wohl vollkommen durchgeknallt. Vor lauter Geilheit kennst du kein Maß und Ziel mehr. Kann es sein dass du unter krankhaften Triebe leidest?“. Na ja, die Sache spulte ein wenig hoch und damit brach zunächst mal der Kontakt zwischen uns und Karin völlig ab. Elke konnte sich jetzt nicht mehr halten und „pfiff“ Björn, als er wieder reinkam, mächtig an und fragte von wem er diese Perversionen hätte. Prompt und trotzig kam „Von Papa“ aus ihm heraus, wodurch ich, der in Björns Ansehen ohnehin schon tief gesunken war, auch zum Krieg ermuntert worden war. Wir haben uns dabei mächtig verbal gewetzt. Im Zuge meiner „freiwilligen Selbstkontrolle“ verzichte ich hier darauf Auszüge des Streites wiederzugeben, denn alles was wir sagten war weder stubenrein noch jugendfrei. Björns Reaktion war, dass er erklärte, dass er mit uns nichts mehr zutun habe wollte. Nachdem er sich das Telefon mit aufs Zimmer genommen hatte und, wie später auf der Wahlwiederholung zusehen war, mit Düsseldorf telefoniert hatte, packte er seine gesamten Sachen und warte hinter verschlossener Tür auf etwas, was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnten. Am späten Nachmittag stellten wir dann fest, dass es Karin war, auf die erwartete. Sie fuhr mit ihrem Wagen vor, hupte und Björn trug seine Koffer zu ihrem Wagen in der er diese verstaute. Karin blieb hinter dem Steuer sitzen und wartete darauf, dass Björn auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Unmittelbar nach dem er die Wagentür hinter sich zugezogen hatte brausten die beiden davon. Elke und ich beobachteten die Abfahrt durch das Fenster der, zu diesem Zeitpunkt noch leeren Kneipe. Als Karins Wagen außer Sichtweite war schaute mich Elke an und sagte: „Na, dann haben sich die beiden Schweine zusammen getan und ich laufe ihnen nicht nach.“. Und damit war das vorläufig letzte Wort gesprochen. Alle Bande, die uns untereinander verbunden hatten, waren nun auf einmal gerissen. Wir glaubten jetzt zu wissen, dass nun Schwiegermutter und Schwiegersohn zusammen ins Bett stiegen. So ging dann der Monat März zu ende ohne das wir was voneinander hörten. Am Anfang des Jahres waren Elke und ich froh, dass wir nun unter uns beiden alleine und glücklich sein konnten. Aber dieses Gefühl kam jetzt nicht wieder auf. Irgendwie hatten uns die Eskapaden unseres Sohnes doch schwer mitgenommen. Jedoch auch aus anderen Gründen war uns nicht ganz wohl in unserer Haut; schließlich hatten Elke und ich ja auch nicht so gehandelt wie Sitte und Moral dieses geboten hätten.
In dieser Zeit beschäftigten wir uns viel mit der Frage ob es uns Sündern ansteht, unser Wort zu erheben wenn so etwas passiert wie zwischen Karin und Björn. Wir fragten uns, wie weit wir verpflichtet seien, Heike, die uns von allen am Unschuldigsten erschien, zu unterstützen – und wenn ja, in welche Richtung. Jetzt könnte man denken, dass nicht Heike sondern Elke, mit ihrem Bisschen lesbischen Kontakt zu Karin, die am Wenigsten belastete sei. Da zu muss man aber eines wissen, was mir Elke schon von Anfang an gestanden hatte, was ich aber bis her hier nicht erwähnt hatte. Um sich an mir zu rächen wollte sich Elke Kerls ins Bett holen und ich sollte auch über Heike davon erfahren. Das hat Karin dann durch erfolgreiche lesbische Annäherung verhindert. Nachdem Elke und ich uns wieder versöhnt hatten, erfuhren wir von Karin, dass dieses auch ihre ursprünglich einzige Motivation war. Dann habe sie aber diese lesbische Liebe doch irgendwo schön gefunden und sich doch in irgendeiner Weise in Elke verliebt. Also, unter uns war niemand der bei der Steinigung einer Ehebrecherin hätte einen Stein erheben dürfen. Was sollten wir nun machen. Darauf schlug Elke vor wir sollten die Köhlers, die zwar, wie wir beim Besuch im Pfarrhaus erfahren hatten, Sünder wie wir sind aber doch eine ganze Menge um die Dinge wissen, einladen und bei ihnen um Rat zu ersuchen. Vorgeschlagen und ausgeführt: Wir luden Katharina und Rainer zu uns in den Grünen Baum in Elfenwiese ein. Die Terminabsprache klappte vorzüglich. Schon am darauffolgenden Sonntag, bezeichnenderweise war es der 1. April, kamen die Köhlers zu uns. Diesmal brachten sie ihre Dreierbande, sprich Matthias, Markus und Lukas mit und ich freute mich schon im Vorfeld auf „das Leben in der Bude“. Pünktlich um Drei erschien die Pastorenfamilie und es wurden zunächst mal die üblichen Begrüßungsfreundlichkeiten ausgetauscht. Katharina erschien mir diesmal viel besser wie beim ersten Mal, sie war lockerer und viel zugänglicher. Anstelle eines schamvollen Ausdruckes bekamen wir jetzt ein lächelndes Gesicht zusehen. Die Eheleute Köhler erzählten uns voller Stolz und Dankbarkeit, dass unser Besuch ihren Glück nachgeholfen habe. Sie glaubten jetzt glücklicher als je zuvor zu sein. Da mussten wir leider bekennen, dass es bei uns nicht so gut gelaufen sei und wir auch ganz gerne ihren Rat dazu hören würden. Weiter kamen wir nicht, denn wir bekamen einen mehr als überraschenden Besuch. Nach etwa einer Viertelstunde schellte es und draußen vor der Tür stand eine junge Frau, die sich mit den drei Jungens, die erst bei ihrer Ankunft im Grünen Baum uns „Guten Tag“ gesagt hatten aber dann unseren Hof erkunden wollten, unterhielt. Überrascht tönte Elke, die geöffnet hatte: „Heike“ und die antwortete nur mit „Nette Jungens“ bevor sich die beiden Frauen fast wie wild in die Arme fielen. Als sie sich gelöst hatten fragte Heike: „Kann ich bei euch wohnen?“. Verblüfft bejahte Elke diese Frage und bat sie herein. Im Wohnzimmer angekommen stürmte sie mit „Hei Papa“ auf mich los und hielt plötzlich inne: „Entschuldigung, ihr habt Besuch?“. „Macht nichts,“, gab ich als erfreuter Schwiegervater von mir und wollte die Herrschaften miteinander bekannt machen. Aber das geschah zunächst einmal auch ohne mein Zutun. Katharina, auf deren Gesicht inzwischen das Lächeln wieder einer Verlegenheit platz gemacht hatte, stand auf, reichte Heike die Hand und sagte: „Ich bin Katharina Köhler. Es freut mich Frau Wolf.“. „Sie sind Katharina Köhler?“, tönte Heike spontan. Ich kannte Heike und deshalb ging ich gleich, bevor etwas Unbedachtes von ihr kommen könnte, dazwischen: „Und das ist Pastor Köhler, Katharinas Gatte.“. Jetzt war Heike ganz verdutzt und stammelte: „Oh Entschuldigung Frau Köhler, ich habe sie verwechselt.“. „Nein, Frau Wolf,“, fuhr Katharina bedächtig fort, „ich bin die Katharina Köhler, die ein Kind von ihrem Mann erwartet. Unsere drei Ältesten Matthias, Markus und Lukas haben sie sicherlich draußen auf dem Hof gesehen.“. Heike fuhr jetzt ebenfalls ganz bedacht fort: „Ich bin etwas verblüfft, ich habe mir eine ganz andere Person unter ihrem Namen vorgestellt.“ Jetzt schaute Heike mich an: „Papa, ich bin gekommen weil ich hier bleiben wollte. Geht das? Ich will ich nämlich nicht länger stören. Falls du ja sagst, gehe ich nach oben und richte mich ein. Und falls nein,“ – jetzt kamen ihr die Tränen – „verschwinde ich wieder.“. Nachdem ich „Natürlich geht das.“, verkündete hatte meldete sich gleich Katharina: „Darf ich ihnen helfen Frau Wolf, dann können wir uns dabei auch mal unterhalten.“. Heike nickte schüchtern wirkend und danach verschwanden erst mal alle drei Frauen aus dem Raum. Während Elke nach fünf Minuten wieder da war, blieben Heike und Katharina über eine Stunde auf Björns ehemaligen Zimmer, in dem das junge Ehepaar Wolf auch schon zwei Mal „Asyl“ gefunden hatten. Rainer, mit dem wir nun alleine zusammen saßen, befand, dass es sehr gut sei, dass sich die beiden Frauen auf diese Art und Weise kennen gelernt hätten. Die könnten sich jetzt aussprechen und dann wären schon viele Steine auf dem Weg zum guten Ende ausgeräumt. Wörtlich sagte er: „Es steht uns nicht an uns Gedanken darüber zu machen was Gott tut und will. Aber für mich sieht es jetzt nach einem Fingerzeig Gottes, der es gut mit uns meint, aus.“. Er unterbreite jetzt einen Vorschlag: „Wir sollten jetzt die Jungens in der Küche ‚abfüttern’. Das ist denen sowieso lieber als wenn sie artig bei uns sitzen müssten. Bei den jungen Frauen wird es wohl noch eine Weile dauern. Dann könnt ihr mir ja mal das erzählen was du, Reiner, am Telefon angedeutet hast. Aber wie gesagt, für Ratschläge bin ich nicht kompetent. Ich kann euch nur sagen, was ich aus meiner christlichen Überzeugung für das Richtigste halte. Ob es aber richtig ist, weiß nur Gott allein.“. Nun, wir nahmen seinen Vorschlag gleich an. Nachdem die Jungens in der Küche munter zur Kuchenschlacht angesetzt hatten, berichteten wir ihm, was seit jenem Sonntag, wo wir in Ehrenberg waren, alles passiert war. Rainers Fazit
lautete, dass es, wenn wir nicht wissen was inzwischen in Düsseldorf passiert ist, kaum zu einem Lösungsvorschlag kommen könnten. Wir müssten abwarten, was Heike uns zu berichten habe. Er befürchtete jedoch, dass Heikes Erscheinen ein Indiz dafür sein könnte, dass wir leider recht hätten. Er schloss mit: „Aber denkt daran, dass immer erst das Nächstliegenste zu tun ist. Dieses ist in diesem Fall euch um euere Schwiegertochter zu kümmern. Die hat euch Gott jetzt anvertraut. Und dann habt Vertrauen zu unserem Gott, er wird es schon richten. Denkt an die Bergpredigt ‚Seht die Vögel unter dem Himmel. Sie sorgen sich nicht und unser himmlischer Vater ernährt sie doch.’“. Obwohl es nicht das war, was wir zu hören erwarteten, machte mich diese Antwort doch irgendwo und irgendwie noch unheimlich zufrieden. Wie schon bereits geschrieben gesellten sich die beiden jungen Frauen nach über einer Stunde wieder zu uns. Sie setzen sich, als wären sie zwei artige Schwestern, nebeneinander auf die Couch und Heike teilte uns mit: „Katha und ich haben uns richtig ausgesprochen, ... ich glaube wir werden Freundinnen. Aber dadurch bin ich noch lange nicht mit Mutti und Björn im Reinen. ... Deren Handeln unterscheidet sich von dem was wir alle anderen getan haben dadurch, dass sie es vorsätzlich machen und ich glaube, dass wir alle anderen aus Schwäche gehandelt haben und uns deshalb gegenseitig vergeben und verzeihen sollten.“. Aus ihren soeben gesprochenen Worten konnten wir zweierlei entnehmen: Erstens, dass sie mit Katharina gesprochen hatte und zweitens, dass sich unsere Befürchtungen bestätigten. Aber Heike war noch nicht zu ende: „Ich überlege immer noch, ob ich die Scheidung einreichen soll.“. Und jetzt schaute sie uns an: „Aber euere Schwiegertochter möchte ich für immer bleiben.“. In der Gesellschaft gingen wir jetzt nicht weiter auf diese Sachen ein sondern unterhielten uns so, wie es bei Besuchen auch in Normalzeiten üblich ist. Schön war es zu beobachten, wie sich tatsächlich so etwas wie Freundschaft zwischen Katharina und Heike entwickelte. Auch Katharina, tätigte uns gegenüber, unter Zustimmung ihres Gatten, eine nette Aussage: „Eigentlich müsste ich zu euch auch Mama und Papa sagen, ... was ich auch, wenn ich damit die Kinder nicht verwirren würde, tun würde, denn schließlich bin ich ja auch in irgendeiner weise euere Schwiegertochter, wenn auch nur die außereheliche.“. Worauf Heike scherzte: „Dann wären wir ja Schwägerin ... nun dann Schwägerin.“. Kurz drauf stießen die Kinder zu uns und die sorgten dann noch mit ihrem Plappermäulchen für eine nette und lustige Stimmung. Als sich die Köhlers so gegen halb Sieben verabschiedeten, vereinbarten wir, dass wir uns öfters in diesem Kreis treffen wollten. Als wir dann zu Dritt waren konnte uns Heike endlich berichten was in Düsseldorf gelaufen war. Nach Björns Anruf ist Karin auf Heikes Zimmer gestürmt und hat Heike gesagt, dass sie nun keinesfalls mehr auf ihre zickige Tochter Rücksicht nehmen könne und sie sich jetzt ihren „Assistenten“ zurückholen wolle. Wenn er nicht da schlafen dürfe wo er hingehöre, in seinem Ehebett, dann würde sie ihn sich halt ins Bett holen. Mit dem Rücken an der Wand ließ Heike Björn bei sich einziehen. Er sei auch furchtbar nett gewesen und habe auch immer wieder seine „alleinige“ Schuld bekannt. Immer wieder hätte er gesagt, dass er sie über alle Dinge liebe und nie mehr Dummheiten machen würde. Aber laufend sei er auf Muttis Zimmer verschwunden und erst nach einer ganzen Weile wieder herausgekommen. Der Sache wäre sie dann auf den Grund gegangen und in das Zimmer ihrer Mutter gegangen. Die hätte da im Morgenmantel, mit nichts darunter, gestanden. Dann hätten die beiden faule Ausreden zusammen gestammelt. Es tut mir leid Leute, ich werde das Gefühl nicht los, dass Heike sich in wahnsinniger Eifersucht etwas zusammen gesponnen hat. Das Problem wird sein, sie zum Realismus zurück zu bringen – aber wie? Auf jeden Fall waren Elke und ich, jetzt erst mal froh darüber, dass sie sich in ein Taxi gesetzt hatte und zu uns gekommen war. Hier in Elfenwiese konnte sich ja Elke um die Hochschwangere kümmern, zumindestens in der Zeit bis nach der Geburt. Mit einem Problem hatte ich jetzt aber zu kämpfen: Düsseldorf anrufen oder nicht? Dort würde man sich sicherlich Sorgen um Heike machen. Wenn ich jedoch dort anrufe und sage, dass Heike bei uns ist, dann muss ich damit rechnen, dass Björn noch in der Nacht vor der Tür steht. Dabei könnte dann Elke und mir alles entgleiten. Ich muss erreichen, dass beide Seiten für eine bestimmte Zeit eine Distanz akzeptieren, so wie Elke und ich das damals gemacht hatten. Aber meine Überlegungen waren umsonst. Um halb Elf wurde bei uns Alarm geschellt. Vor der Tür stand Karin mit gesenktem Kopf und fragte Elke, die ihr geöffnet hatte: „Bist du mir noch böse. Können wir uns nicht wieder vertragen.“. Elke antwortete zunächst nicht auf die Frage sondern bat die späte Besucherin erst einmal herein. Das Heike bei uns war wusste sie, da die junge Frau den „Fehler“ gemacht hatte, das Taxi von der Rezeption aus zu bestellen und dass sie dabei den Fahrpreis nach WannebachElfenwiese ausgehandelt hatte. Jetzt befürchtete ich, dass nun ein gewaltiger Mutter-Tochter-Krieg ausbrechen würde. Aber Heike würgte diesen zu unser aller Erstaunen auf Anhieb ab: „Mutti, ist ja schön wenn du hinter mir herkommst, aber den Weg hättest du dir sparen können. Im Moment wissen wir alle nicht mehr ob wir es mit einem X oder mit einem U zutun haben. Ich brauche Abstand und Ruhe und möchte, dass man mir die gleiche Chance wie damals Mama und Papa gibt. Du brauchst Björn in Düsseldorf – und gut, da soll er auch bleiben; ich brauche Ruhe in Elfenwiese – und die will ich auch haben. Ich bleibe hier, weil ich hier gut aufgehoben bin. Wenn du und/oder
Björn dieses nicht akzeptieren, weiß ich nicht was ich mache ... Also, lasst mich in Ruhe. Jetzt unterbreite ich dir einen Vorschlag: Du kannst, damit du erstens nicht aus Müdigkeit verunglückst – das möchte ich auch wieder nicht – und damit es keine lesbischen oder heterosexuellen Komplikationen gibt, auf meinem Zimmer schlafen. Ich schlafe auf jeden Fall bei Mama und ob Papa auch dort oder auf der Couch schläft, muss Mama entscheiden. Und morgen früh verschwindest du wieder nach Düsseldorf und wartest ab, was ich, wenn ich genug Ruhe hatte, entscheide.“. Was soll ich dem noch hinzufügen außer das der Vorschlag angenommen wurde und ich im Wohnzimmer auf der Couch schlafen musste. Am nächsten Morgen gab es noch eine dreiviertelstündige Aussprache zwischen Elke, Karin und mir, nach dem die Dinge, die zwischen Karin und uns standen, weitgehenst ausgeräumt waren. Ich resümierte: „Was du da sexuell mit meinem Sohn gemacht hast, kann ich eigentlich nicht gut heißen; ich muss es aber weil ich das Gleiche mit deiner Tochter gemacht habe. Wir sollten uns jetzt beide an dem halten was Jesus zur Ehebrecherin sagte, als sie niemand mehr steinigen wollte: ‚Gehe hin und sündige nie mehr’. Und damit Schwamm drüber.“. Danach fuhr dann Karin, wie von Heike gefordert zurück nach Düsseldorf und in Folge hielt sie sich auch an dem, was Heike gefordert hatte: Sie wurde in Ruhe gelassen. Seitens der Mutter war alles klar, was aber nicht für den Mann galt. Der wollte den Kampf eines Glücklosen um seine Frau fortsetzen. Karin hatte, wie wir später erfuhren, alle Hände voll zu tun, um ihren Schwiegersohn zurückzuhalten. Auch wir hatten eine Menge mit unserer Schwiegertochter zu schaffen, denn sie wiederholte stetig ihre, offensichtlich in Eifersucht geborenen Vorwürfe und betonte, dass sie sich wohl scheiden lassen würde. Wir wollten Heike jetzt nicht kurieren aber das sie sich in irgendetwas, was später nicht reparabel ist, hinein steigert wollten wir auf keinen Fall.
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Neues Leben, zu Ostern erwacht Haben Sie auch schon mal festgestellt, dass sich alle Menschen im Laufe ihres Lebens ständig in ihrem Wesen und Verhalten verändern? Natürlich ist das einmal die biologische Entwicklung vom, voller Bewegungsdrang steckendend Kind bis zum ruhebedürftigen und bedächtigen Senior. Diese Wesensveränderungen verlaufen bei allen Menschen in Etwa ähnlich ab und immer kontinuierlich zum jeweiligen Lebensalter. Aber es gibt auch Entwicklungen, die sich bei Jedem anders und oft sogar sprunghaft vollziehen. Diese beruhen auf unserem momentanen Lebensumfeld, den aktuellen Erfahrungen und der jeweiligen persönlichen Situation beziehungsweise Empfindens. Sehr deutlich nehmen wir sehr häufig eine solche Erscheinung bei im Rampenlicht stehenden Politikern wahr. Dieses sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung. Da werden aus uns sympathischen erscheinenden, sehr agilen Persönlichkeiten dann, wenn sie die Treppe rauf gefallen sind, eiskalt berechnende Machtmenschen. Und andersherum gibt es Typen, die uns in der Zeit ihres Wirkens boniert und überheblich vorkamen, die uns dann, wenn sie aus ihrem Wirken ausgeschieden sind oder wurden, plötzlich als ausgeglichene, nette Menschen erscheinen. Aber nicht, dass sie jetzt glauben, ich würde permanent immer auf die politische Kaste einschlagen wollen. Nein, nein, diese Beispiel habe ich jetzt nur gewählt, weil wir alle möglichen Entwicklungen dieser Art bei denen am ehesten nachvollziehen können, weil keine andere Gruppe mehr von der Öffentlichkeit beobachtet wird wie diese. Es vergeht kein Tag, an dem uns nicht immer die gleichen Spitzenpolitiker in allen möglichen Medien begegnen. Die Veränderung bei uns Normalmenschen werden in der Regel nur von unserer unmittelbaren Umgebung wahrgenommen. Außenstehende wundern sich höchstens, wenn sie den Betreffenden nach längerer Zeit wiedertreffen, dass derjenige irgendwie nicht mehr mit dem Abbild, welches sich in ihrem Hinterstübchen gebildet hat, übereinstimmt. Jetzt war zwar erst eine relativ kurze Zeit, seitdem Heike und Björn bei uns auszogen um in Düsseldorf ihren Platz einzunehmen bis zur Heikes Wiederkehr zu uns, vergangen aber ihre Art stimmte nicht mehr mit dem Bild, was wir von ihr hatten, überein. Dieses fiel uns jetzt besonders in der Vorosterzeit, wo unsere Schwiegertochter wieder bei uns war, recht deutlich auf. Früher reagierte sie sehr spontan und nicht selten emotional. Ihre heimliche Blitzhochzeit und auch der „berühmte“ Zeugungsakt, der im Mittelpunkt dieser Geschichte steht, sind ja die deutlichsten Beispiele dafür. Jetzt war sie eher unentschlossen und überlegte immer erst hin und her bevor sie zu einem Entschluss kam. In dieser Zeit hatte diese Wesensänderung aus Elkes und meiner Sicht sogar etwas Positives: In früheren Zeiten wäre sie schon längst bei einer Scheidungsanwältin oder –anwalt gewesen, jetzt kam sie gar nicht zu einem konkreten Entschluss. Für uns war dieses ein Zeichen dafür, dass das Eheschiff unserer Kinder noch nicht untergegangen war. Und das beruhigte uns so ein Wenig, denn uns beiden, also auch Elke, war diese junge Frau, die wir sehr mochten, doch sehr nah ans Herz gewachsen. Sie zu verlieren wäre für uns etwa genauso gewesen, als hätten wir ein eignes Kind verloren. Auch wenn sie immer wieder betonte, dass sie, wenn sie sich scheiden ließ, uns als ihre Mama und ihren Papa behalten wolle, spricht doch die Erfahrung dafür, dass es spätestens, wenn ein neuer Partner auf der Matte steht, damit vorbei ist. Die zweite wesentliche Änderung in ihrer Erscheinung war, dass der frühere schnelle Stimmungswechsel, den wir früher häufig bei ihr erleben konnten, nun nachhaltigen Gemütszuständen gewichen war. Konnte sie doch früher unmittelbar nach einer, sogar tränenreichen Traurigkeit sofort wieder lachen – selbstverständlich nur wenn es dazu auch einen Anlass gab – so schleppt sie nun diverse Gefühlsregungen über mehrer Tage hinweg mit sich herum. Sie lässt sich weder trösten noch aufheitern. Während Elke die Ansicht vertrat, dass dieses mit hormonellen Veränderungen bei der Schwangerschaft zusammenhinge glaubte ich, dass sie wohl ihren Optimismus, der früher eine entscheidende Wesensart an ihr war, verloren hätte. Aber so oder so hofften wir, dass sie zu ihrer ursprünglichen netten Wesensart zurückfinden würde, zumal sie in ihrer alten, gewohnten Art viel netter und umgänglicher auf ihre Mitmenschen wirkte. Dazu kam ja noch, dass an Stelle ihres altem, eigentlich lebhaftem Auftretens eine doch sehr bedächtig wirkende Zurückhaltung getreten war. Heike war wohl von Heute auf Morgen erwachsen geworden. Wirkte sie gestern noch mädchenhaft war sie heute ganz und gar wie eine reife Frau. Und nach meinem Geschmack machte sie dieses äußerlich eigentlich sogar noch schöner wie zuvor. Jetzt muss ich aber, wo ich den letzten Satz geschrieben habe, der werten Leserin und dem geschätzten Leser sagen, dass sie keine Angst zu haben brauchen, denn ich sumpfe nicht wieder auf den Boden der reinen Sexeslust, dem das chaotische familiäre Umfeld, in dem wir noch ganz und gar stecken, zu verdanken ist, ab. Mein Bedarf an wilder Erotik war mit diesen Ereignissen wohl mehr als gedeckt. Na, und jetzt kam bei Heike ja noch das die werdende Sara behütende Bäuchlein hinzu. Ich habe seit dem ich auch auf sexuellen Bahnen denken kann immer hochschwangere Frauen hocherotisch gefunden aber dabei nie eine Lust auf eine sexuelle Begegnung mit diesen Frauen gehabt. Na ja, dass war so gar eine Erfahrung, die ich mit meiner mir angetrauten Ehefrau Elke, als sie mit Björn schwanger war, machen konnte. Je deutlicher ihr Bauch wurde umso mehr war sie selbst auf Zärtlichkeit aus und ich wurde zunehmendst puritanischer. Damals sagte Elke immer, dass ich bestimmt kein Sexwüstling sei und sie mich deshalb nicht nur verstehe sondern auch besonders liebe. Na, sie konnte ja damals noch nicht wissen, was ich eines Tages mal mit unserer Schwiegertochter veranstalten würde –
oder war mein diesbezügliches Fehlverhalten auf so eine Art Wesensänderung, wie ich sie eingangs beschrieb, zurückzuführen? Ich habe das Gefühl, dass Frauen es irgendwie spüren können, wie ein Mann gerade gepolt ist. Denn Heike verhielt sich ganz „natürlich“ und Elke nahm überhaupt keinen Anstoß wenn sie mal während meiner Anwesenheit leichter bekleidet durch die Wohnung ging. Unsere Schwiegertochter zeigte uns öfters, sogar fast täglich ihren nackten schwangeren Bauch und ließ uns daran hören ob wir etwas von Sara vernehmen konnten. Sie zeigte ungeniert ihre nackten, an Volumen zunehmenden Brüste und benutzte auf den Weg zur Toilette oder ins Bad nie einen Morgenmantel. Aber wie bereits geschrieben, gingen dabei meine Sinne nie in eine extreme Richtung. Aber gerade in dieser Zeit merkte ich auch anderweitig, dass es bei mir tatsächlich eine Wesensänderung gegeben hatte. Während der intimen Stunden mit Elke war ich gar nicht mehr so auf Lustbefriedigung aus sondern ich bevorzugte jetzt Zärtlichkeit bis fast zum Übermaß. Obwohl es jetzt nur noch in Ausnahmefällen zu einem Koitus kam, meinte Elke, dass es nun schöner wie je zuvor sei. Lieber in zwei Stunden voller Zärtlichkeit glücklich sein als immer nur einen Orgasmus nach zehn Minuten haben. Jetzt bin ich praktisch schon mitten in der Beschreibung des Lebens im Hause Wolf in der Zeit vor Ostern des Jahres 2001. Da sollte ich doch noch diverse Rahmenbedingungen miterwähnen. Die wichtigste ist, dass wir jetzt grundsätzlich des Abends um 21:00 Uhr die Bürgersteige hochklappten, das heißt, dass des Abend um Neun die Lichter in der Kneipe ausgingen. Den Rest des Abends verbrachten wir dann immer bis zirka 23:00 Uhr zu einer Gesprächsrunde zu Dritt in unserem Wohnzimmer ein. Den sonntäglichen Stammtisch hatten wir, wie Sie sicherlich schon gemerkt haben, schon vor Weihnachten des vorangegangenen Jahres eingestellt. Wie sonst hätten wir dann regelmäßig am sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen können. Aber auch da hatte es bei uns Änderungen gegeben: Wir machten uns Sonntag für Sonntag auf den Weg nach Ehrenberg in des Pfarrers Rainer Köhlers Gemeinde. Allerdings greife ich jetzt wieder einmal vor, denn der 8. April 2001, war, abgesehen von unserem „Antrittsbesuch“ im Pfarrhaus Köhler, der erste dieser regelmäßigen Sonntage. An diesem wollte uns Heike unbedingt begleiten. Ich glaube jedoch, dass es ihr mehr auf die Visite bei ihrer neuen Freundin Katharina als auf den Gottesdienst ankam. Wir zogen letztendlich auch ohne unsere Schwiegertochter heim, da sie sich nicht von Katharina und ihren Söhnen, die ab diesen Tag übrigens Tante Heike zu ihr sagten, lösen konnte. Erst am Abend wurde sie von Rainer heim nach Elfenwiese gebracht. Alles in Allem könnte man sagen, dass in unsere Familie so eine Art kleinbürgerliches Idyll eingezogen sei, wenn da nicht der dunkle Fleck des Zerwürfnisse mit dem Rest der Familie, sprich mit Karin und Björn, gewesen wäre. Wie ein roter Pfaden zog sich diese Geschichte auch durch unsere abendlichen Gespräche. Immer wieder unternahm ich einen vorsichtigen Vorstoß um bei Heike die Überlegung, ob sie sich nicht aus Eifersucht die Sache zwischen Björn und ihrer Mutter etwas falsch sähe, anzustoßen. So kurz, wie ich das hier geschrieben hatte, konnte ich das natürlich nicht aussprechen, denn das Wort Eifersucht musste ich akribisch meiden, da sie mir dann alles mögliche, nur nicht das, was ich hören wollte, erzählt hätte. Aber immer wieder gab sie eine logische Erklärung ab, die auch mir Zweifel an der „Reinheit“ der Gespräche zwischen Schwiegermutter und –sohn gaben. Heike führte immer aus, dass Björn verdächtig viele Fragen an seine Chefin und Schwiegermutter gestellt habe. Die Beiden kennen sich ja nun auch schon ein Weilchen und da kann man eigentlich annehmen, das Björn auch ohne Nachfrage weiß, wie Karin bestimmte Erledigungen sehen möchte. Wenn ein Arbeitnehmer, insbesondere wenn er ein guter Fachmann ist, seinen Chef kennt kann er fast alles ohne zu fragen auch im Sinne seines Chefs erledigen und wem diese Selbstständigkeit fehlt hat eigentlich auf etwas verantwortlicheren Positionen nichts zu suchen. Des Weiteren ist es doch auch höchst verdächtig wenn Frage und Antwort in der Regel zehn bis zwanzig Minuten in Anspruch nehmen. Natürlich kann mal ein einzelne Sache längere Zeit in Anspruch nehmen und ab und an wird es auch mal durch den Austausch privater Worte etwas länger, aber so etwas mehrmals täglich und das auch noch Tag für Tag? Die entscheidende Situation an dem Tag wo Heike dann zu uns kam, ist bei näherer Betrachtung auch nicht so ganz koscha. Karin behauptet, das Björn mit einer dringenden Frage zu ihr gekommen sei, als sie gerade unter der Dusche stand und sie habe sich deshalb schnell den Morgenmantel übergeworfen. „Aber“, so fragt Heike stets, „wie kann es angehen, dass jemand unter der Dusche steht und seine Haare trocken bleiben.“. Auch wenn sowohl Björn wie auch Karin bewiesen haben, dass sie es trotz des Altersunterschied miteinander können, hatte ich immer das Gefühl, dass es für alles ein natürliche Antwort gäbe. Dazu hätte ich aber erst auch die andere Seite hören müssen aber eine entsprechende Kontaktaufnahme wurde von beiden Seiten aus Fürsorge um Heike und das Kind gemieden – schließlich war sie nun mittlerweile im neunten Monat. Da waren sowohl Elke und ich wie auch Karin und Björn recht froh, dass Heike unter unseren Fittichen war und keine Dummheit machte. Wenn man nicht beide Seiten gehört hat ist es auch schwer sich hinsichtlich eines Für oder Wider bezüglich einer Scheidung zu äußern. Ganz abgesehen davon, dass man sich in solche Angelegenheiten, auch bei den eigenen Kindern, nicht unberufen einmischen sollte und Partei zu Gunsten des eigenen Sohnes beziehungsweise
der eigenen Tochter sollte man schon ganz und gar nicht ergreifen. Das Einzige was man tun kann und darf, ist beide Seiten dazu ermuntern sich noch einmal zusammenzusetzen damit sie miteinander sprechen. Miteinander sprechen vermeidet Kriege und wenn solche schon zugange sind, können die auch nur durch Gespräche beendet werden. Alles andere lässt sie früher oder später wieder aufflammen und dann geht es in der Regel wesentlich ärger wie zuvor zu. Aber wie konnten wir zu diesem Gespräch raten wenn alle anderen Umstände vorläufig gegen beidseitige Kontakte sprachen? Heike war sich in dieser Angelegenheit sehr, sehr unschlüssig. Einerseits war Björn der Mann, den sie nach ihren eigenen Worten immer noch liebte und andererseits dürfte, wenn ihre Vermutung hinsichtlich der Mutter-Schwiegersohn-Beziehung zutreffen, eine Scheidung nicht ganz abwegig sein. Wenn Karin und Björn so etwas in Kenntnis der Vorkommnisse, die nun mal geschehen sind, machen, dürfte es sicher nicht auszuschließen sein, dass sich solche Vorfälle in Zukunft öfters wiederholen. Dann ist die Vertrauensbasis, die Grundfeste einer jeden Partnerschaft, zerstört. Nun, Heike war wie sie sagte zu 70 Prozent sicher, dass sie nach der Entbindung die Scheidung einreichen würde. Aber vorher bereiteten die 30 Prozent Zweifel, die sie noch hatte, unser größtes Problem im Hinblick auf die bevorstehende Geburt Saras. Wie sollten wir uns verhalten. Wann sollten wir Karin und Björn unterrichten? Schon wenn die Wehen einsetzen oder erst nach Saras ersten Schrei, vielleicht noch später oder gar nicht? Elke und ich machten uns im Vorfeld darüber viel Gedanken, denn wenn es nach Heike gegangen wäre, hieße die Antwort „gar nicht“. Aber konnten wir das machen, denn das würde ja die Wunden noch viel tiefer reißen als sie schon sind? Dazu kam nun auch die Frage, wer sollte als Saras Vater aktenkundig werden: Björn oder ich? Darüber war sich Heike auch noch nicht schlüssig. Eigentlich dachte sie zu ihrer Ehrenrettung vor den Augen der Anderen Björn, der nichts dagegen unternehmen würde sondern es ganz in seinem Willen betrachten würde, auf dem Papier zum Vater zu machen. Im Hinblick auf eine Scheidung, die Heike nun doch wahrscheinlich vorkam, überlegte sie aber ob nicht durch meine anerkannte Vaterschaft die Bindung zu uns, die sie im Gegensatz zu der zu ihren Mann nicht verlieren wollte, fester schreiben könnte. Auch dazu konnte ich, der eigentliche Sünder, nichts sagen. Wenn ich sie zu Björns Papiervaterschaft überreden würde könnte so aussehen, als wolle ich mich aus der Verantwortung ziehen. Die Annahme ich wolle mein Ansehen vor den Augen Welt wahren ist dann auch nicht von der Hand zuweisen. Andererseits hielt ich es auch für Heike und ihr Kind besser, wenn Björn als Vater öffentlich auftritt. Viele gesellschaftliche Klippen, die sich durch in solchen Fällen unvermeidliche Vorurteile auftun, wären mit dem Vater Björn Wolf umschifft. Uns ging es in dieser Zeit wie unseren Beamtokraten und Politikussen im Allgemeinen: Wir redeten viel und kamen zu keiner gangbaren Lösung. Aber bei einer solchen Verschleppungstaktik bis zu dem Punkt, wo das Kind im Brunnen liegt, steuert man unwillkürlich auf die Situation, wo dann plötzlich hektisch und überstürzt gehandelt werden muss, zu. Handlungsbedarf gibt es heutzutage immer erst wenn man auf der Nase liegt und dann wird alles mit der heißen Nadel zusammen gestrickt. Jetzt weiß ich zwar nicht ob die Spitzen unserer politischen Gesellschaft von der Kommune bis zum Bund bewusst oder aus Hilflosigkeit so handeln, bei uns war es jedenfalls Letzteres, die Hilflosigkeit. Elke und ich fassten dann doch den Plan, dass wir jetzt erst mal Ostern feiern sollten und unmittelbar danach die Fragen, wie und wann die Düsseldorfer zu benachrichtigen seien und wer nun letztendlich im Stammbuch als Saras Vater genannt werden sollte, einer Klärung zuführen sollten. Da gibt es so einen alten Spruch, dass man das, was man Heute noch besorgen kann nicht auf Morgen verschieben sollte. An diesen Spruch hätten wir uns in diesem Falle anstelle unseres Planes auch besser gehalten. Über Ostern kam, wie könnte es anders sein, wieder mal alles ganz anders als geplant. Es ging schon Karfreitag los. Ursprünglich wollten wir an diesem Tag zu Dritt nach Ehrenberg in den Gottesdienst. Im Anschluss daran hatte uns Katharina Köhler zu einem Mittagessen eingeladen. Ihrer Familientradition entstammte es, dass es zu Karfreitag immer eingelegte Grüne Heringe mit Kartoffelsalat gab. An dieser Tradition sollten wir in diesem Jahr teilhaben. Nun, meine Mutter hegte immer, wenn eine Frau mit großen Appetit Heringe verspeiste, den Verdacht, dass diese schwanger wäre. Da muss wohl irgendetwas dran gewesen sein, denn gerade Heike und die Gastgeberin hatten im Vorfeld erklärt, dass sie sich auf die Grünen Heringe richtig freuen würden – und beide waren nun mal schwanger. Diesmal wollten wir unmittelbar nach dem Essen aber wieder zurück nach Elfenwiese um uns, bevor wir den Grünen Baum wie immer von Fünf bis um Neun öffneten, noch eine Runde auszuruhen. Im Anschluss an die Kneipenöffnung wollten wir dann unseren täglichen Talk nach Neun im Wohnzimmer halten. Aber des Morgens kam es schon anders. Heike war schon unmittelbar nach ihrem Aufwachen im Morgenmantel zu uns ins Schlafzimmer gekommen: „Ich habe so ein komisches Gefühl als könnte es heute schon losgehen. Seid ihr mir böse, wenn ich nicht mit in die Kirche komme?“. Das führte natürlich gleich erst einmal dazu, dass sich Elke prompt erhob und gleich mit unserer Schwiegertochter auf deren Zimmer verschwand um schon einmal vorsorglich deren Tasche zu packen. Als sie wieder aus Heikes Zimmer zurückkehrte fand sie mich nicht mehr im Bett sondern in der Küche, wo ich schon mal unser Frühstück zubereitete. Dort bekam ich dann die Planänderung bekannt gegeben: „Hör mal Reiner. Ich weiß jetzt nicht ob Heikes Gefühl so eine Art Einbildung ist oder ob da was dran ist. Ich halte es wirklich für besser, wenn Heike nicht mit in die Kirche kommt und das
ich für den Fall der Fälle mal bei ihr bleibe. Du solltest, weil wir dieses den Köhlers versprochen haben aber auf jeden Fall nach Ehrenberg fahren.“. „Deine Idee hat einen Haken.“, gab ich zu bedenken, „Was ist, wenn es losgeht und ich mit dem Auto in Ehrenberg bin?“. Meine bessere Hälfte schaute mich etwas verblüfft ob meiner Naivität an und sagte: „Wozu gibt es Krankenwagen und/oder Taxis?“. Damit hatte sie zwar recht aber das hatte nach meiner Meinung nicht des Pudels Kern getroffen: „Warum willst du die erst herbestellen wenn das Auto zur Verfügung stehen könnte? Und andererseits: Meinst du, ich könnte mich auf den Gottesdienst konzentrieren wenn ich möglicher Weise zur gleichen Zeit ‚Opavater’ werden könnte. Und was bringt ein Gottesdienst, wenn man sich nicht auf diesen konzentrieren kann. Ich gehe eigentlich zur eigenen Erbauung in die Kirche und nicht weil ich es für eine Pflichterfüllung halte ... und um von den Leuten gesehen zu werden erst recht nicht.“. Das Argument stach und wir entschuldigten uns dann gleich telefonisch bei den Köhlers für unser Ausbleiben. Der Vormittag des Karfreitags verlief aber ohne das etwas Entsprechendes passierte. Elke kam zwischendurch auf den Gedanken, dass wir doch an diesem Tage die Kneipe geschlossen halten sollten. Was ist sonst, wenn es ausgerechnet während der Öffnungszeiten losgeht und wir wegen den an der Theke klebenden Gäste nicht sofort wegkommen. Also machte ich entsprechende Schilder und hing sie aus. Jetzt hatten wir möglicher Weise die letzte Chance die Fragen, die hinsichtlich Saras Geburt noch offen standen, in Ruhe abzuklären, aber diese ließen wir ungenutzt verstreichen. Dann, so gegen halb Fünf war es zu spät. Heike kam mit ihrer gepackten Tasche aus ihrem Zimmer und erklärte: „Ich glaube es geht los.“. Natürlich machten sich dann Elke und ich uns dann sofort fertig und ab ging die Post zum Krankenhaus nach Wannemünde. So zwischendurch tönte Heike dann: „Ich glaube ich habe mich vertan. Es scheint doch nichts zu sein.“. Davon ließen wir uns nun jedoch nicht mehr beeindrucken und die Fahrt ging weiter. Im Krankenhaus nahm man sie mal erst mit hinter verschlossene Türen. Jetzt weiß ich nicht ob es sich um den Kreißsaal oder nur um ein Untersuchungszimmer handelte. Als Mann, der bisher erst einmal Vater geworden ist, kennt man sich in solchen dingen ja nicht so aus. Ich wurde jedenfalls erst mal zur Pforte geschickt um die Anmeldeformalitäten zu erledigen. Als ich nach etwa zehn Minuten bis zu einer Viertelstunde später zurück auf der Station war unterhielt sich gerade schon der diensthabende Arzt mit Elke. Es war tatsächlich noch nicht so weit aber auch kein blinder Alarm, wie der Arzt sagte. Er meinte, dass es gerade bei Erstgebärenden schon mal vorkommt, dass es schon weit vor der eigentlichen Geburt wehenähnliche Erscheinungen gibt. Es könnte sein, dass es dann in den nächsten Stunden aber erst eine Woche später zur Geburt kommt. Der Arzt wollte Heike deshalb auf jeden Fall im Krankenhaus behalten. Wir könnten jedoch erst einmal beruhigt nach Hause fahren, wir würden benachrichtigt wenn es losging. Wir wollten uns nur kurz von Heike verabschieden und dann, wie uns empfohlen, nach Hause fahren. Ich hatte mir vorgenommen jetzt, praktisch den letzten Drücker zu nutzen, und die noch offenstehenden Fragen mit unserer Schwiegertochter abzuklären. Na, dann war erstens Elkes Zimmernachbarin, der es offensichtlich genauso wie ihr ging, und immer wieder Krankenhauspersonal dabei und da wollte ich, die mir auch peinlichen Fragen auch nicht stellen. Also war Heike schon mal da, wo ihr Kind zur Welt kommen sollte und ich war so schlau wie je zuvor. Auf der Heimfahrt unterhielt ich mich dann mit Elke über diese Situation und beide waren wir jetzt der Meinung, dass die Zeit des Redens vorbei sei und die zum Handeln gekommen sei. Elke wollte dann, wenn wir wieder zuhause ankamen, ein Telefonat mit Karin von Mutter zu Mutter führen. Sie war der Meinung, dass die Düsseldorfer, Heikes Ansicht hin oder her, ein Anrecht darauf hätten zu wissen was los sei. Heike sei ja nun im Krankenhaus sicher aufgehoben und könne nun keine Dummheiten, die wir ja zuvor immer befürchteten, mehr machen und deshalb sollten wir jetzt das machen, was uns die Vernunft gebieten würde. Wir waren eben im Grünen Baum als Elke ihr Vorhaben auch in die Tat umsetzte. Etwa zwanzig Minuten hat sie daraufhin mit Karin telefoniert, dann waren sie sich einig. Karin wollte sofort zu uns kommen und bis es soweit ist bei uns wohnen. Björn sollte dagegen in Düsseldorf bleiben und sich um das Hotel kümmern. Wenn er da wäre könnte es nach unser aller Meinung zu unliebsamen Zwischenfällen, die sowohl von Björn wie von Heike verursacht werden könnten, kommen. Karin wollte aber erst ein Vieraugengespräch mit ihrem Schwiegersohn führen, damit er dann nicht wieder alles durchkreuzt und anschließend noch einmal zurückrufen. Dieses Gespräch zwischen Schwiegermutter und –sohn muss wohl nicht so glatt, wie sich das die Frauen bei ihrer telefonischen Vereinbarung dachten, gelaufen sein. Wir mussten über anderthalb Stunden auf den Rückruf warten. So etwas macht natürlich sehr nervös und daher verlief diese Wartezeit für uns nicht so angenehm. Von unserer Seite wollten wir diesen Rückruf aber aus diversen Gründen auch nicht starten. Dann, als es soweit war, war auch nicht Karin sondern Björn am Telefon. Er sagte mir, der ich das Gespräch angenommen hatte: „Papa, ich möchte mich erst einmal bei euch entschuldigen. Ich habe mich wirklich recht mies und falsch verhalten. Und in der Zeit, seitdem ich jetzt wieder hier im Hotel bin, ist wirklich nichts von dem, weshalb uns Heikelein verdächtigt, passiert. Mutti wird es euch, wenn sie bei euch ist, erklären. Aber das ist jetzt nicht der Grund meines Anrufes. Mutti ist gerade dabei die nötigsten Sachen für ein paar Tage zu packen und fährt gleich los. Sie wird also noch im Laufe des Abends bei euch eintreffen. Aber eins noch: Papa, sorge bitte, bitte dafür, dass mein Name auf der Geburtsurkunde als Vater steht. Ich füge mich ansonsten in Alles was ihr und insbesondere Heike
wollt. Ich bleibe jetzt hier und unternehme wirklich außer beten nichts. Seid aber bitte so nett und haltet mich immer auf dem Laufenden.“. Damit schien mir schon eine sehr wichtige Hürde genommen zu sein. Außer das wir beschlossen die Kneipe über die gesamte Ostern geschlossen zu halten und das Elke am späteren Abend noch eintraf passierte an diesem Karfreitag nichts mehr besonderes. Am nächsten Morgen bekamen wir dann die Version von der Zeit seit Björns Rückkehr nach Düsseldorf bis zu dem Punkt wo Heike zu uns kam von der anderen Seite zu hören. Karin berichtete, nachdem Elke sie darauf angesprochen hatte: „Ich weiß, dass es euch nach all den Zicken, die ich gedreht habe, schwer fällt mir zu glauben. Aber versucht es doch bitte noch einmal und schenkt mir glauben. Es ist wirklich nichts von dem passiert, was Heike ... und wahrscheinlich auch ihr glaubt. In der Tat war Björn in letzter Zeit allzu häufig und allzu lange bei mir auf den Zimmer. Ich habe ihm auch immer wieder gesagt, er solle sich vorsehen, damit Heike keinen falschen Verdacht schöpft. Es ging dabei auch nicht um dienstliche Angelegenheiten, denn dann hätte ich ihm schon hinsichtlich seiner fachlichen Qualifikation angepfiffen. Es ging immer um das Verhältnis Heike und Björn. Immer wenn was vorgefallen war oder wenn sie etwas geäußert hatte, kam er zu mir gelaufen um sich bei mir auszusprechen und öfters sogar auszuheulen. Das waren dann so Vorfälle wie Heikes ständigen Wiederholungen, dass er machen könne was er wolle, sie ließe sich ohnehin scheiden. Oder es gab immer wieder Auseinandersetzung weil Heike ihm das Schlafzimmer verweigerte und er auf der Couch schlafen müsse. Dann war es wieder mal so, dass er versucht hatte sie zu küssen und darauf ein paar getafelt bekam. Ich habe nach solchen Vorfällen immer versucht mit Heike darüber zu sprechen aber sie hat mich in ihrer bockigen Art nie zu Wort kommen lassen. Der Höhepunkt war dann erreicht als Heike tatsächlich in mein Zimmer kam als Björn gerade da war. Ich war in dem Moment unter der Dusche, als Björn wie wild an der Tür klopfte. Da ...“. Jetzt wurde sie erst einmal von Elke unterbrochen: „Wo Heike, ich glaube zu recht, immer darauf hinweist, ist wie du, wenn du doch unter der Dusche standest, noch trockene Haare haben konntest. Das hat sie sich doch bestimmt nicht ausgedacht um dir eins auszuwischen.“. „Nein, das hat sie auch nicht.“, fuhr Karin jetzt fort, „Das wollte ich ja gerade erzählen. Ich hatte den Hahn noch nicht aufgedreht und rief ihm dann auch zu, dass ich eben duschen wolle und danach würde ich sofort zu ihm kommen. Er rief mir von draußen aber zurück, dass es dringend sei und er nicht mehr könne. Beinahe hätte ich noch den großen Fehler gemacht, da er mich ja ohnehin vollständig kennt und bei solchen Situationen bestimmt nicht an Sex mit mir denkt, ihn so reinzulassen wie ich gerade war. Zum Glück habe ich aber dann doch den Morgenmantel übergezogen. Er hatte mir gerade berichtet, dass Heike erklärt habe, dass sie ihn nicht mehr in der Wohnung haben wolle und hatte ihn ultimativ aufgefordert diese innerhalb einer Stunde zu räumen. Na, dann war sie auf einmal da und den Rest kennt ihr.“. Nach einer kurzen Pause setzte Karin noch einmal an: „Ich weiß, dass es schwer ist aber bitte glaubt mir doch bitte ... der Kinder willen. Mein größter Wunsch ist doch, dass es mit denen wieder in Ordnung wird. Und noch eine ganz dicke Bitte, verwendet euch doch bitte für mich bei Heike, damit ich sie besuchen und ihr alles erklären kann.“. Ich muss sagen, dass ich Karin trotz allem doch glaubte und muss feststellen, dass ich mit dieser Ansicht nicht alleine war – auch Elke war sich sicher, das Elke die Wahrheit sprach. Im Wannemünder Krankenhaus ist es möglich von 10:00 bis 19:00 Uhr den Patienten einen Besuch abzustatten. Da es Karin nicht mehr aushalten konnte, starteten wir am Ostersamstag auch schon Zwanzig vor Zehn gen Wannemünde. Elke übernahm den Vorstoß bei Heike während ich mit Karin auf dem Flur wartete. So ein Warten kommt einen immer wie eine Ewigkeit vor. Obwohl meine bessere Hälfte „schon“ nach etwa zwanzig Minuten wieder auf den Flur erschien, kam es mir und insbesondere Karin so vor als hätten wir da über eine Stunde wie bestellt und nicht abgeholt gesessen. Jetzt kam ich immer noch nicht zu meiner Schwiegertochter vor sondern Elke holte Karin herein und ich musste weiter warten. Jetzt dauerte es noch mal zwanzig Minuten, die mir aber bei Weitem nicht so lang wie die vorangegangen vorkamen, bis meine Gattin zum zweiten Mal erschien. Nun bekam ich erst einmal ein Report von dem, was bisher gelaufen war. Elke hatte Heike berichtete, dass ihre Mutti draußen wäre. Um nicht gleich das Sturmglockenläuten auszulösen bediente sich Elke einer Notlüge, von der sie Karin ganz knapp berichtete, bevor sie mit ihr zu Heike reingegangen war. Allzu lange durfte dies Unterrichtung ja nicht dauern, sonst hätte Heike möglicher Weise Verdacht geschöpft. Elke hat gelogen, dass Karin aus eigener Veranlassung, also ohne das wir Bescheid gegeben hätten, in Elfenwiese aufgetaucht sei weil sie sich Sorgen um ihre Tochter mache. Das es gerade dieser Tag sei, war laut Heikes Lüge, nur ein reiner Zufall. Und jetzt warb Elke darum, dass die Tochter ihre Mutter doch empfangen sollte. Als Heike nach einigen Zögern zusagte, hat meine Holde Karin gleich hinein geholt. Damit Mutter und Tochter nicht gleich alles mit Vorwürfen und Verteidigung wieder kaputt machen konnten, ist sie erst einmal mit hinein gegangen. Was sich jetzt als vorteilhaft erwies war dass Heike inzwischen alleine auf dem Zimmer war. Ihre Zimmernachbarin hatte in der Nacht entbunden und war jetzt bei den Wöchnerinnen. So konnten die drei Frauen offene Worte miteinander sprechen. Karin wollte ihre Wahrheit, wie sie uns diese nach dem Frühstück dargelegt hatte, loswerden und Heike wollte diese zunächst gar nicht hören. Sie argumentierte: „Mutti, Vertrauen ist wie ein Federkissen. Hast du dieses mal leichtfertig im Wind geöffnet ist es im Nu, ehe dass du reagieren kannst, leer. Die davon gewehten Federn kannst du nie mehr wieder einsammeln. Du musst dich schon bemühen dir
neue Federn zu verdienen und damit nach und nach das Kissen wieder auffüllen. Mit deinem Sexspielchen mit meinem Mann, der doch über 25 Jahre jünger als du bist ... Du bist ja mehr als doppelt so alt wie er, hast du das Federkissen im brausenden Wind geöffnet. Jetzt dauert es bestimmt noch eine lange Zeit bis du dieses Kissen wieder mit Federn gefüllt hast. Es tut mir leid, dass ich dir sagen muss, dass ich dir nicht vertraue und glaube.“. Nach ein paar Worten hin und her zog Heike dann doch ein relativ positives Fazit: „Also ich weiß nicht ob ich dir glauben kann oder nicht. Aber dabei vergesse ich jedoch nicht, dass du meine Mutti bist, der ich doch so vieles, fast alles zu verdanken habe. Erstens bin ich dir dafür dankbar und zweitens habe ich dich trotz allem noch sehr lieb. Du kannst bei mir bleiben und ich spreche auch nachher mit dem Arzt das du bei der Geburt dabei sein kannst. Das ist mir doch lieber als wenn ich da ganz alleine wäre. ... Aber eins bleibt unverändert, da mache bitte keinen fiesen Tricks, denn das zufällige Vorbeikommen kaufe ich euch auch so nicht ab: Was Björn anbelangt bleibt alles unverändert, wie vereinbart. Wenn der hier auftaucht bin ich mit euch allen fertig.“. Na ja, das war doch wohl schon ein Supererfolg, den ich am Vortage noch nicht für möglich gehalten hätte. Nun sah es so aus, dass Elke vorschlug Mutter und Tochter doch allein zulassen und das wir uns zurückziehen sollten. Heike hätte zwar ganz gerne gesehen uns alle Drei um sich zu haben aber fand Elkes Idee aber auch nicht schlecht, denn schließlich war sie ja jetzt die ganze Zeit mit uns zusammen gewesen, während das Verhältnis und der Kontakt zur Mutter ruhten. Bevor wir aber wieder „abdampften“ wollte Heike doch noch ein paar Worte mit mir wechseln und deshalb wurde ich dann doch auch noch hinein gerufen. Sie grüßte mich mit „Hallo Papa, mein Schwiegervater und Exgeliebter.“. Jetzt lachte sie erstmals wieder in ihrer netten Art, wie sie dieses vor dem „großen Knall“ so an sich hatte und fuhr dann fort: „Eigentlich haben wir jetzt alle die Erfahrung gemacht, das Lügen verdammt kurze Beine haben. Immer wenn man lügt fällt man früher oder später mächtig auf die Nase. Trotz dieser Erkenntnis habe ich mich heute nacht, als ich mir, weil ich nicht so richtig schlafen konnte, so diese und jene Gedanken gemacht und mich bei dieser Gelegenheit wider besseres Wissen zu einer Lebenslüge entschlossen. Wenn ich der Wahrheit die Ehre geben wollte, müsste ich natürlich zugeben, dass du Saras Vater bist. Aber man muss auch an Sara, die daran ja völlig unschuldig ist, denken. Was erwartet die denn, wenn sie später mal sagen muss ‚Mein Opa ist mein Vater’. Dann wird sie nicht mehr ernst genommen und die meisten Leute haben dann im Hinterstübchen, dass sie aus einer Bordellschwalbenfamilie stamme. Da wird es sicher diesen oder jenen Herrn geben, der dann eindeutig direkt zur Sache geht. Fein schwätzen können ja alle aber im Grunde stecken die meisten Leute tief in absurden Vorurteilen und unterschwellig merkt man das immer. Am deutlichsten und häufigsten merken wir das ja im Umgang mit sogenannten Ausländern. Deshalb will ich Björn eine Vaterschaft anlügen und Sara selbst soll nie die Wahrheit erfahren. Bei euch Dreien bin ich mir sicher dass ihr bis zu euerem Lebensende mitspielt; ihr habt dafür euere eigenen persönlichen Gründe. Aber was ist mit Björn wenn wir mal geschieden sind?“. Darauf musste ich ihr dann doch antworten: „Ach Heike, ich hoffe ja, dass es nicht zur Scheidung kommt. Aber wenn, brauchst du von Björn bestimmt nichts befürchten ... das muss nur ich dann. Glaube mir, ich kenne meinen Sohn. Der würde, selbst wenn er stink sauer auf dich wäre, seine kleine Schwester ... das ist Sarah ja in Wirklichkeit, nie einer solchen Konventration mit der Realität und der Welt aussetzen. Der würde wahrscheinlich nur mich, nicht zu unrecht hinsichtlich, der Unterhaltszahlungen anmachen. Aber keine Angst, das gibt auch keinen Streit, denn ich stehe zu dem was ich gemacht habe. Und da habe ich auch keine Eheauseinandersetzung fürchten, denn mein Mäuschen ist ohnehin der Meinung, dass ich dafür zuständig wäre. Diesbezüglich müssen wir uns, wenn Sara auf der Welt ist und ihr wieder zuhause seid, mal möglichst zu Viert drüber unterhalten.“. „Das wird nicht nötig sein.“, ergänzte Heike nachdenklich, „Ich werde weder gegen dich noch gegen Björn jemals Unterhaltsforderung stellen. So lange das Hotel, was ja Mutti und mir gehört, läuft habe ich das wahrscheinlich sowieso nicht nötig. Und wenn nicht, hätte ich viel zu viel Angst, dass dann Saras Lebenslüge in sich zusammenbricht. Ich glaube, dass weißt du auch und willst nur ein Wenig Kuppler spielen. Aber gekuppelt wird nicht ... Haltet ihr euch mal schön aus den Dingen, die nur Björn und mich etwas angehen, raus. Wir müssen unseren eigenen Weg, gleichgültig ob getrennt oder gemeinsam, gehen ... Das nicht euere Angelegenheit.“. Wir wechselten danach noch ein paar allgemeine nette Worte in der Vierergruppe und fuhren danach wieder nach Hause. Karin wollte später mit dem Taxi folgen. Dieses „später“ war dann kurz nach Fünf am Nachmittag. Sie kam als wir gerade einen Besuch auf Stippvisite hatten. Katharina hatte ihre Jungens zu ihren Schwiegereltern, die in der Gegend von Neustadt wohnten, gebracht. Traditionell verbringen die drei Jungens dort immer die Osternacht bis zum Nachmittag des ersten Ostertages, bis dann die Eltern dort ihren Osterbesuch antraten. Der Hintergrund dafür ist, dass die Ehrenberger Gemeinde immer gemeinsam eine lange Osternacht in der Kirche und im Gemeindehaus feiert. Da auch Katharinas Eltern immer mit dabei sind – ihr Vater hatte dieses mal eingeführt – war der Osterbesuch der Jungens ursprünglich mal als Babysitterdienst entstanden. Auf dem Rückweg kam sie dann kurz bei uns vorbei um sich nach ihrer Freundin Heike und deren Nachwuchs zu erkundigen.
Als Karin hereinkam ging sie gleich auf Katharina zu und sagte: „Sie müssen Frau Köhler sein, Björn und heute Nachmittag auch Heike haben sie bestens beschrieben. Ich bin Karin Kreisler, Heikes Mutter.“. Jetzt wurde Katharina erst mal wieder verlegen und rot im Gesicht. Auch diese Situation meisterte Karin sogleich: „Ach Frau Kreisler, sie brauchen sich bestimmt nicht vor mir zu schämen. Ich weiß nicht ob man ihnen erzählt hat, dass ich, als mein Mann noch lebte, drei Seitensprünge unternommen habe und hier in der Familie Wolf haben alle ihre Erfahrungen mit mir. Eigentlich bin ich gar nicht so verkommen aber so ein Trieb, gegen den ich nicht anzukommen glaube, schaltet bei mir immer wieder den Verstand aus. Ich bin halt nur ein Mensch, der immer wieder der Sünde verfällt weil er nicht anders kann. Ihr Mann würde mir sagen, das Jesus gerade deshalb für mich gestorben sei. Und deshalb feiere ich auch bewusst die Auferstehung, denn dadurch weiß ich, dass ich erlöst bin.“. Elke und ich waren jetzt richtig gehend verblüfft. Zum ersten Mal hatten wir eine religiöse Äußerung von Karin gehört und was sie da sagte klang nicht gestellt sondern schien mir ein Ausdruck tiefer Gläubigkeit zu sein. Katharina war jetzt wieder viel gefasster und die Röte wich auch wieder langsam aus ihrem Gesicht und sie antwortete jetzt: „Ja Frau Kreisler, es ist sehr tröstlich zu wissen, dass wir alle nur Sünder und Sünderinnen sind und uns unser Vater doch so sehr liebt, dass er seinen eigenen Sohn an unserer Stelle am Kreuz sterben ließ. Aber leider wollen die meisten Menschen ihr Sünderdasein nicht wahr haben und schmeißen deshalb mit Schlamm nach Leuten, die nicht besser und nicht schlechter sind wie sie. Wir sollten es uns abgewöhnen, uns zu schämen.“. Als Katharina wieder gegangen war saßen Karin, Elke und ich noch eine ganze Weile zusammen. Inspiriert durch Karins offenes christliches Bekenntnis sprachen wir über das Osterfest. Dieses Fest fällt mit den heidnischen Frühlingsfesten zusammen. Dieses ist natürlich kein Zufall sondern hängt damit zusammen, das Jesus drei Tage vor dem jüdischen Passahfest gekreuzigt wurde und zu Beginn dieses Festes wieder auferstanden ist. Die Juden begehen dieses Passahfest in Erinnerung an ihren Exodus aus Ägypten. Und bei diesem Auszug nutzten sie einstmals das ägyptische Frühlingsfest um ihren Unterdrückern, bei denen sie gefangen gehalten wurden. Immer beim ersten Vollmond nach Frühjahrsbeginn feierten die Ägypter das Fest der Fruchtbarkeit und des erwachenden neuen Lebens. Da scherzte Karin dann: „Dieses Jahr können wir ganz persönlich ein neues Leben, das zu Ostern erwacht, zu feiern. Ich glaube nicht, dass Sara es noch lange in Heike aushält, die will hinaus ins Leben. Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, dürfte es Morgen so weit sein. Heike hatte heute am Tage schon paar Mal das Gefühl als würden die Wehen einsetzen. Der Arzt meinte zwar, dass dieses nur normale Körper- und Nervenreaktionen seien, die von Heike, die ja selbst noch keine Wehen erlebt habe, als solche ausgelegt würden. Ihre Fruchtblase sähe nicht danach aus als wolle sie bald platzen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es zu Ostern klappt und unser Enkelkind ins Leben hüpft.“. Aber Karin sollte sich zunächst getäuscht haben. Der Ostersonntag verstrich ohne dass das heiß ersehnte neue Leben erwachte. Und dann passierte es und keiner von uns war dabei, auch Karin nicht. Am Ostermontag, 16. April 2001, schellte kurz vor Acht unser Telefon. Ich sprang aus dem Bett hoch und rannte an den Apparat und achtete in diesem Moment nicht darauf, dass ich nur mit einem Unterhemd bekleidet war. Ich erhielt die Nachricht, dass es losginge, meine Enkelin sei unterwegs und Heike wäre bereits im Kreißsaal. Na, da war Eile angesagt und so tönte ich gleich durch die ganze Wohnung: „Es geht los, Sara ist unterwegs.“. Na, dann sprangen die Frauen gleich auch auf und standen neben mir, natürlich auch so wie sie geschlafen hatten. Elke geliebt dieses im durchsichtigen Nachthemd und Karin ganz ohne Textil zutun. Aber was soll ich sagen, für Sex hatte in diesem Moment keiner von uns Zeit und der Sinn stand uns jetzt auch nicht danach. Wir wollten nur rechtzeitig, bevor Sara ihren ersten Schrei tun würde, im Krankenhaus sein. Aber es klappte nicht mehr. Heike und ihre Tochter hatten es verdammt eilig gehabt. Als wir ankamen weilte unsere Sara schon unter den Lebenden. Mittels Handy setzte ich auch sofort Björn davon in Kenntnis und hatte das Gefühl, dass der am anderen Ende bald ausrastete. Ich bekam danach erst einmal von einer Krankenschwester einen gehörigen Ansch.... , da ich trotz Verbot im Krankenhaus mobil telefoniert hatte. Nun war Sara auf der Welt und wir drei Großeltern - wo ich mich ja auch korrekter Weise zurechnen kann, denn die Tochter meiner Schwiegertochter ist auch meine Enkelin, unabhängig davon, dass ich auch der Vater bin – hofften das ihr bloßes Dasein die Ehe ihrer „Eltern“ kitten würde und diese fortan zu Dritt glücklich durchs Leben gehen würden. Diese Hoffnung wurde aber durch Heike, als wir sie am Nachmittag besuchten, doch ein wenig getrübt. Wir durften dabei sein, als sie der kleinen Sara die Brust gab. Komischer Weise fühlte ich mich erstmalig wieder beim Anblick der nur mit einem Slipper bekleideten Heike mit Sara an der Brust irgendwo erotisch angeregt. Da rutschte mir dann der Kommentar „Björn ist wirklich wegen seiner schönen Frau zu beneiden“ raus. Darauf gab es seitens Heike gleich einen Dämpfer: „Warum sagst du ‚ist’? ‚War’ ist zutreffender, denn ich bin jetzt der festen Meinung, dass ich im Lauf der nächsten vier Wochen die Scheidung einreichen werde.“. Am Meisten schockiert war Karin und sie fragte gleich, wie Heike denn gedächte, wie es weiter gehen solle. Die Befragte beschäftigte sich zunächst mit ihrem Baby an ihrer Brust bevor sie die Antwort gab: „Ich gedachte eigentlich, wenn ich darf, noch ein Weilchen bei Mama und Papa wohnen zu bleiben. Dann brauchst du nicht auf
eine wirklich gute Kraft zu verzichten und ich werde nicht von ihm verfolgt. Wenn wir dann geschieden sind muss er die Wohnung räumen, er kann ja auf irgendeinem Zimmer im Haus wohnen; da soll es mir nicht darauf ankommen und mich hat er ab da wieder so zu behandeln wie in der Zeit bevor wir zusammen waren. Und keine Sorge, eine Scheidung geht in unserem Fall, so wie ich mich erkundigt habe, schnell über die Bühne, da wir nur kurze Zeit verheiratet sind. Ein Trennungsjahr wird bei uns nicht nötig sein. Das gibt es nur wenn einer der Scheidung widerspricht. ... Und Björn soll sich dahingehend hüten.“. Na, da haben sich dann ja reichlich viele Wermutstropfen in die Freudenbowle zu Saras Geburt verirrt. Für mich galt danach nur noch eine Devise: Beten und Hoffen. War ich doch nach wie vor davon überzeugt das Heike und Björn füreinander bestimmt seien. Damit stand ich nicht alleine, denn Elke und Karin dachten ebenso wie ich. Karin versuchte später bei uns zuhause dazu noch etwas tröstlich zu finden und sagte: „Wenn unsere Beiden mal wieder zusammen finden, was ich über alle Dinge hoffe, dann haben sie sich die Hörner so abgestoßen und sich ineinander verrannt, dass die keiner mehr auseinander bekommt. Dann sind sie aus dem Stoff aus dem Diamantene Hochzeiten sind. Dahingehend kann ich noch bestätigen, dass alle Ehen in meinem Bekanntenkreis, die mit ordentlich deftigen Auseinandersetzungen starteten, immer die waren die letztlich hielten. Es muss wohl etwas dran sein, dass man über das verflixte dritte Jahr hinauskommen muss wenn die ganze Sache halten soll. Ein Stammgast von uns sagt öfters: „Man muss sich erst zusammenraufen. Je wilder die Rauferei um so beständiger das, was dabei herauskommt.“. Jetzt muss man auch sagen, dass dieser Mann Erfahrung hat, denn schließlich ist er inzwischen seit über vierzig Jahren verheiratet. Aber trotz allem hoffnungsvollem Trost hatten wir an jenem Ostertag noch ein Riesenproblem: Heike und Björn mussten diese Rauferei erst mal überstehen und da wieder heile herauskommen. Und mir darf der Krieg in Björns und Heikes Ehe beim besten Willen nicht gleichgültig sein, denn schließlich habe ich diesen durch mein Fehlverhalten ausgelöst. Hätte ich mich der, unter Torschlusspanik leidenden Heike verweigert und sie strickt auf eine ärztliche Beratung verwiesen wäre auch alles andere nicht passiert. Es war meine verdammte Geilheit auf diese junge Frau, die so viel Unglück und Ärger über uns alle brachte.
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Zeit der Anwälte Persönlich halte ich nur sehr wenig von der Einschaltung von Rechtsanwälten und Gerichten, da diese nur in sehr selten Fällen zu befriedigenden Lösungen führen. Auch wenn ich gegen einen säumigen Zahler ein Prozess gewonnen habe, kann ich ihn, wenn er inzwischen nackt ist, nicht in die berühmte Tasche greifen. Meine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse lassen sich durch rechtlich zugesprochene Titel, die ich mir aber auf Grund der Zahlungsunfähigkeit meines Schuldners an die Wand nageln kann, auf keinen Fall verbessern. Im Gegenteil, denn ich habe Vorschüsse zu leisten, die ich mir beim besagten nackten Schuldner dann auch nicht wiederholen kann. Nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Mietprozesse haben bekanntlich meistens zwei Verlierer: Der Vermieter, der abzocken und nicht entsprechend leisten wollte, verliert den Prozess und der Mieter seine Wohnung. Nach einem gewonnen Prozess halten es grundsätzlich nur noch sehr hartgesottene Mieter lange bei ihrem Vermieter aus. Was ich gerade von Mietprozessen schrieb hätte ich selbstverständlich auch von Arbeitsgerichtsverfahren schreiben können. So etwas hängt zum Einen ganz einfach damit zusammen, dass das Recht Normen, die eine Gleichbehandlungen aller ermöglichen sollen, darstellt. Dieses muss nicht immer mit dem, was wir als Gerechtigkeit empfinden, übereinstimmen. Die Juristen sprechen von dem subjektiven und dem objektiven Recht. Bei dem praxisunbrauchbaren Rechtsweg spielen auch die langen Verfahrensdauern eine große Rolle. Wenn mir ein Unrecht geschieht, dürstete es mich eigentlich sofort nach Gerechtigkeit und ein Rechtszuspruch in Monaten oder gar Jahren kann in der Regel nicht sehr viel helfen. Was habe ich davon, wenn es in meiner Haushaltskasse brennt, weil mich irgendein Schlimmling ungerechtfertigt abzockt und ich zwei Jahre später, wenn ich inzwischen selbst insolvent bin, Recht bekomme. Auf dem Papier habe ich dann Recht bekommen aber in Wirklichkeit bin ich der Looser. Und letztlich sollte man beim Einschalten von Justizmenschen nie vergessen, dass dadurch das Klima zwischen den Parteien nicht besser wird und ein solches zerrüttetes Verhältnis dann wieder neue Komplikationen schafft. Im Streitfall entmenschlicht sich der Umgang miteinander meistens gänzlich. So versuche ich persönlich grundsätzlich mit meinen Kontrahenten eine Lösung von Partei zu Partei zu finden, auch wenn ich zu Gunsten eines Kompromisses Federn lassen muss. Nur wenn alle Stricke reißen nehme ich davon Notiz das es den Berufsstand der Rechtsanwälte gibt. Aber in meinem bisherigen Leben war dieses tatsächlich nur zwei Mal der Fall. Und nach Ostern 2001 drohte sich etwas zu entwickeln, dass es ein drittes Mal sein müsste. Ich hatte es nämlich mit dem Rat und der Verwaltung der Gemeinde Wannebachtal zu tun und Institutionen dieser Art sind bekanntlich nicht solche, mit denen man nicht menschlich sondern nur formell umgehen kann. Ach, ich erzähle am Besten mal um was es geht. Bezüglich des Umbaues des Grünen Baumes in Ferienwohnungen und Unterkünfte hatte ich beziehungsweise unser Architekt einen Bauantrag gestellt. Solche Dinge behandelt der Rat gewöhnlich in nichtöffentlicher Sitzung und was dort behandelt wird soll normaler Weise nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Aber ein Rat, ein Parlament aus kommunalen Hobbypolitiker, hat auch immer eine ganze Reihe Plappermäulchen, die sich gerne mit ihrem „geheimen“ Wissen wichtig tun, in seinen Reihen. Von solchen Leuten erfuhr ich dann, dass man sich informell einig war meinen Bauantrag, gebenenfalls mit vorgeschobenen Argumenten, mächtig hinaus zu schleppen. Hintergrund war, dass ja auch der Rat in meinem Räumen tagte. Wenn ich nun Ende August schließen würde, dürfte die neue Mehrzweckhalle in Rainberg noch nicht fertig sein, und der Rat dadurch „obdachlos“ werden. Für uns war es jedoch wichtig, dass wir mit dem Umbau Anfang September beginnen durften, damit wir ab Ostern 2002 mit unserer neuen Existenz starten konnten. Also ließ ich mir unmittelbar nachdem ich von der Verschleppungsabsicht erfuhr, einen Termin bei unserem Bürgermeister geben. Ich wollte ihm vorschlagen, dass es doch wirklich zumutbar wäre, wenn der Rat in der Übergangszeit in einer Schule tagen würde. Dieses sind ja Räume, die die Gemeinde ohnehin unterhalten muss und wenn man den Räten unterstellt, dass durch sie Schäden in den Gebäuden, für die die Gemeinde anschließend aufkommen muss, angerichtet würden, stellt damit glatt die Behauptung auf, dass man hier Böcke zu Gärtnern gemacht hat. Denn eigentlich wurden diese ja gewählt weil man ihnen zutraut, Ordnung in der Gemeinde zu halten. Gleichzeitig erzählte ich dem Bürgermeister, das von dem Termin auch unsere Existenz abhängt. Gleichgültig ob ein Betrieb läuft oder nicht, fallen Kosten an, aber nur wenn er läuft hat man auch entsprechende Einnahmen. Wenn wir nicht zum Saisonbeginn 2002 eröffnen müssen wir mit fast einem Jahr Leerlauf rechnen und ob wir über eine solche Durststrecke hinauskommen ist doch mehr als fraglich. Schließlich gehören wir nicht zu den Krösussen in dieser Nation. Aber erzählen Sie das mal einem HVB (Haupt-Verwaltungs-Beamter), zumal der unserige Bürgermeister tatsächlich durch die Mühle der Beamtokratenlaufbahn gedreht worden war. Als es bei uns noch die kommunale Doppelspitze gab war er der Gemeindedirektor. Zuerst stritt er erst einmal ab, dass überhaupt über ein Verzögerungsversuch gesprochen worden sei. Paradoxer Weise wollte er unmittelbar danach wissen, von wem ich überhaupt davon erfahren habe, da so etwas eine Angelegenheit sei, die nur in nichtöffentlicher Sitzung
behandelt werden dürfe. Na ja, hätte ich ihm die Schwätzer genannt hätten die Ärger gekriegt und ich hätte nichts davon gehabt – und deshalb unterließ ich auch wie ein Kavalier der alten Schule die Namensnennung. Dann bekam ich noch eine ganze Menge Wischwasch erzählt und anschließend war ich so klug wie zuvor. Da gibt es im Volksmund den Spruch, dass man aus einem Rathaus immer klüger wieder rauskäme als man rein gegangen ist. Jetzt kann ich aber hundertprozentig behaupten, dass dieser Spruch nur kalter Kaffee ist, denn ich bin schon teilweise, weil ich dem Beamtengeschwätz aufgesessen bin, dümmer aus dem Rathaus wieder herausgekommen aber klüger war ich danach noch nie. Kurz: Den Besuch beim Bürgermeister hätte ich mir auch sparen können. Ich sprach auch mit allen Ratsfraktionsvorsitzenden aber von denen bekam ich (auf gut Deutsch) noch blödere Auskünfte. Da blieb mir natürlich nichts anderes als zu einem Anwalt, einem Experten für Verwaltungsrecht, zu gehen. In diesem Falle wäre Abwarten für unsere Existenz tödlich gewesen, was aber einen in sicheren Besoldungshängematte schaukelnden Beamten wohl nicht anrührt. Na ja, Dr. Schnadt, der Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Heimar, wusste wie man mit solchen Leuten umzugehen hat. Der konnte gleich mit den richtigen Eingaben an den richtigen Stellen, zum Beispiel beim Regierungspräsidenten, drohen. Da dauerte es auf einmal nicht mehr lange. Nach dem Wechsel von zwei oder drei Briefen hin und her lag uns dann die ersehnte Baugenehmigung vor. Der Rat tagte dann nach der Sommerpause 2001 bis Oktober 2002, als die Rainberger Mehrzweckhalle fertig war, in der alten Schule in Wannebachtal-Neuweiler. Also es ging doch, man musste nur ein Wenig von kompetenter Seite nachhelfen. Was ich gerade geschildert habe, war nachträglich gesehen der harmloseste Fall aus der „Zeit der Anwälte“, wie ich die Zeit nach Ostern bis Ende Mai 2001 getauft habe. An zweiter Stelle liegt der Fall unseres Björns, der eigentlich nicht zu dem passt, was ich eingangs schrieb. Meine Einführung bezog sich natürlich auf das Zivilrecht und Björn hatte mit dem Verkehrsstrafrecht zu schaffen. Strafrechtliche Angelegenheiten kann man eigentlich nie ohne Anwalt überstehen. Aber Björn glaubte eingangs es würde sich schon alles von selbst lösen, da er sich keiner Schuld bewusst war. Ich erfuhr Ende April durch einen Anruf seitens Björn von dieser Geschichte. Ein solcher Anruf war in dieser Zeit nichts besonderes. Seit Heike mit Sara aus dem Krankenhaus wieder bei uns war rief unser Junge täglich mindestens einmal bei uns an. Vordergründig wollte er sich nur nach seiner Frau und „Tochter“ erkundigen aber in Wirklichkeit wollte er lediglich um Heikes erneute Gunst buhlen. Die so „beehrte“ reagierte ihm gegenüber immer recht bissig und zunehmendst barscher. Mitte Mai war Heike dann der Kragen geplatzt, sie zog bei uns aus. Während eines Besuches bei Katharina in Ehrenberg hatte sie erfahren, das gegenüber der Kirche eine Anderthalb-Zimmerwohnung vorrübergehend, voraussichtlich bis kurz vor Weihnachten leer stand. Eine junge Dame, die vorher dort wohnte, war ausgezogen und der Vermieter wollte diese jetzt für seinen Sohn, der in den USA ein Praktikum machte und Weihnachten wieder nach Hause kommen wollte, freihalten. Das war dann für Heike ideal, denn sie hatte sich zu unser aller Leidwesen in den Kopf gesetzt, bis Herbst des Jahres geschieden zu sein. Lediglich der Ort und die Lage ihrer Wohnung war mir sympathisch, da sie dort doch, bedingt durch die Nähe, sehr unter dem Einfluss von Rainer und Katharina Köhler stehen würde. Ich hoffte daher sehr auf eine positive Wende obwohl die Köhlers uns gegenüber immer wieder betonten, dass sie nicht für Beeinflussungen zuständig seien und dahingehend auch nichts unternehmen würden. Elke und ich waren insbesondere darüber betrübt, dass Heike zwar die Beziehungen zu uns nicht abgebrochen hatte, diese aber nur auf Sparflamme kochte. Dazu aber gleich mehr; jetzt erst einmal zu Björns Fall. Der begann für mich, wie ich zuvor schon schrieb, Ende April, als Heike noch nicht bei uns ausgezogen war, durch das Schellen des Telefons. In Vorahnung des Anrufers rief mir Heike, als ich zum Telefon marschierte, zu: „Wenn es dein werter Herr Sohn ist, sage ihm bitte ich wäre nicht da.“. Tatsächlich, er war es aber ich hatte keine Veranlassung, unsere Schwiegertochter zu verleugnen, denn dieses Mal wollte er nur mich ganz gezielt sprechen: „Papa, was mache ich da bloß? Da gibt es Leute die behaupten, ich hätte beim Ausparken ein Motorrad angefahren, was mit einem lauten Knall umgefallen sei, und ich hätte mich, ohne dass ich mich um den angerichteten Schaden gekümmert hätte, danach davon gemacht. Da bin ich schon von der Polizei verhört worden und ich habe denen gesagt, dass ich davon beim besten Willen nichts gemerkt habe. Die ‚Bullen’ haben sich auch meinen Wagen angesehen und konnten nichts direkt feststellen aber da wären Spuren gewesen, die möglicher Weise von dem Reifen des Motorrads stammen könnten. Für den Unfall gäbe es drei Zeugen. Ich bin mir aber überhaupt keiner Schuld bewusst. Ich bin doch nicht taub, einen lauten Knall hätte ich doch gehört. Ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass sich da jemand mit Hilfe von zwei Freunden sein Motorrad auf Kosten meiner Versicherung hat reparieren lassen. Wer weiß, wo der sich in Wirklichkeit auf die Nase gelegt hat. Heute habe ich einen Strafbefehl erhalten. Man will mir neun Monate die ‚Fleppe’ wegnehmen ... ist das nicht eigentlich nur auf sechs Monate begrenzt – und ich soll 30 Tagessätze und noch zusätzlich ein Bußgeld löhnen. ... Papa, was soll ich da nur machen?“. Während er mir dieses telefonisch berichtete klang seine Stimme ganz aufgelöst, fast so als stände er kurz vor dem Heulen. Bei dieser Gelegenheit muss ich gestehen, dass der wassernahe Bau in seinem Wesen von mir stammt. Auch wenn mich jetzt Machos für des männlichen Geschlechte für unwürdig halten, offenbare ich, dass ich auch sehr schnell
losheule. Bei uns ist es umgekehrt wie bei eindoktrinierten Geschlechterrollen, denn Elke ist im Falle eines Falles immer standfester als ich. Meistens weint sie nur in Folge der Tatsache, dass ich zuvor losgeheult habe. Was soll man bei einem solchen Fall, wie ihn mir unser Junge jetzt vorgetragen hatte, nur raten? Mir fiel nichts anderes ein als ihm den Gang zu einem Rechtsanwalt zu empfehlen. Der hat ja auch bei solchen Dingen noch den Vorteil, dass er, bevor er loslegt Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft verlangen kann. Nun, Björn tat auch das, was ich ihm gesagt hatte. Und in der Tat legte der Anwalt erst einmal ein Widerspruch ein zu dem er sich aber nicht sofort äußern wollte, da er erst Akteneinsicht haben wollte. Nachdem dem Anwalt die Akten vorlagen bekam Björn erst einen Termin bei ihm und ich anschließend einen weiteren Anruf von unserem Sohn. An diesem Tag war Björn noch schlimmer dran als an dem Tag, als er den Strafbefehl erhalten hatte, denn er hatte den Anwalt in einer noch ganz anderen Sache, nämlich in Sachen „Wolf ./. Wolf“, beauftragen können. Unmittelbar nach ihrem Auszug bei uns konnte Heike ihre Freundin Katharina unter dem Vorwand sie wolle ihre Mutter in Düsseldorf besuchen zum Babysitting gewinnen. Sie fuhr aber nicht zu Karin sondern zu einer Anwältin, die sie mit der Durchführung ihrer Scheidung beauftragen wollte. Das kam mir dann auch sehr, sehr schlimm an. Auch für mich brach einiges zusammen, worauf ich so sehr gehofft hatte. Als ich dieses von den weinenden Björn erfahren hatte konnte ich mich gar nicht mehr auf seine Verkehrsgeschichte konzentrieren. Ja, seit dieser Zeit weiß ich das eine Scheidung, mit der man heutzutage so leichtfertig umgeht, auf der emotionalen Ebene nicht nur eine Sache zwischen den beiden Rosenkrieger ist. Kinder werden immer und Eltern des Öfteren auch damit getroffen. Auch Elke und Karin, die auch noch am Abend dieses Tages zu uns kam, waren tief getroffen. Bevor ich aber auf die eigentliche Geschichte komme, will ich noch kurz, weil ich es nun angeschnitten habe, erst einmal berichten was aus Björns Verkehrsgeschichte wurde. Es kam zu einem Prozess und das Verfahren wurde gegen Bezahlung einer Geldbuße von 1.000,- DEM (das sind etwas über 511 €) eingestellt und Björn nahm diese Sache an. Was sollte er machen, wie sollte er gegen drei Zeugen, die aus seiner Sicht sicherlich logen, ankommen? Ich hätte in diesem Fall auch nicht der Richter sein mögen. Dass die drei Zeugen, einer davon der „Geschädigte“, Freunde waren ist ja kein Beweis dafür, dass sie ein krummes Ding drehen wollten, also hätte ich denen schon als Richter „abkaufen“ müssen was sie sagten. Auf der anderen Seite der arme Tropf, der mir Alles in Allem überaus glaubwürdig vorkäme. Aufgrund der Zeugen kann man den „Lümmel“ aber nicht laufen lassen, denn schließlich muss etwas gegen unsere Kaulquappen-Gesellschaft, wo kaum noch jemand soviel Rückgrat besitzt um zu dem zu stehen, was er getan hat, unternommen werden. Fahrerflucht ist ja nichts anderes als sich feige, wie unsere heutigen Politiker, vom Hofe zu stehlen. Rückgrat und Charakter sind in unserer Dahinlebgesellschaft nicht mehr gefragt. So gesehen muss ich sagen, dass die Entscheidung gegen Björn der neben den tausend Mark auch noch die Prozesskosten und die Versicherungsprämie los war, ein „weiser“ Weg aber keine Gerechtigkeit. Mir sagte mal ein Jurist, der ab und zu in unsere Kneipe kam: „Wir Juristen sind für das Recht da; für die Gerechtigkeit gibt es den lieben Gott.“. Nun aber zu den, für uns dramatischsten Fall aus der „Zeit der Anwälte“, zu Heikes Scheidungsbegehren. Ich hatte eben ja schon geschrieben, dass mich die Kunden davon, als mich Björn anrief, schwer traf. Ich gestehe ja ein, dass ich diese junge Frau richtig liebe. Das hat jetzt gar nichts damit zu tun, dass ich mich mit ihr noch einmal sexuell einlassen würde. Das ich es überhaupt getan habe belastet mich sehr, sehr schwer und eine Wiederholung wird es bestimmt nicht mehr geben. Mit der Scheidung verliert Björn nicht nur die Frau sondern auch ich die von mir geliebte Schwiegertochter. Da war mir richtig schwer ums Herz und ich musste weinen. In dieser Situation traf mich dann Elke, die zuvor ein Wenig in der Kneipe sauber gemacht hatte, an. Ich weiß nicht, wie die wortlose Verständigung zwischen Partner, die schon lange ein gutes Verhältnis miteinander haben, funktioniert – aber sie funktioniert. Ohne dass ich etwas gesagt oder nur angedeutet hatte fragte Elke: „Das darf doch nicht wahr sein, Heike will sich tatsächlich scheiden lassen.“. Ich schaute Elke mit meinen verheulten Augen an und sagte: „Vielleicht ist das ganze nur auf einen psychischen Knall in Folge von Schwangerschaft und Geburt geschehen. Vielleicht nimmt sie diese doch wieder zurück.“. Elke setzte sich neben mich und wischte sich die Tränen, die ihr in diesem Augenblick selbst gekommen, waren aus den Augen. Während sie mich umarmte sagte sie bedächtig: „Ich glaube nicht, dass es sich um einen psychologisch bedingten Tick handelt. Das hat sich Heike reiflich überlegt und sie ist gezielt vorgegangen. Der Gedanke ist ihr mit Sicherheit schon da gekommen, als Björn wieder zurück in Düsseldorf war und es mit dem Werben um seine Frau übertrieben hat. Gleichzeitig hat sie Björns häufiges Aufsuchen von Karin in ihrer Absicht bestärkt. Als Hochschwangere wusste sie aber nicht wohin und da kam sie zu uns und spielte die anhängliche Schwiegertochter. Das wir für sie nur ein Hilfsmittel bis zur Zeit, bis sie nach der Geburt glaubte nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, waren siehst du ja daran, dass sie eigentlich seit ihrem Auszug nicht mehr sehr viel mit uns zutun haben will. Sie hat nur abgewartet bis sie eine Wohnung gefunden hat und danach postwendend die Scheidung eingereicht. Was sie weiter vorhat, hat sie ja schon im Krankenhaus gesagt. Wenn die Scheidung ausgesprochen ist geht sie selbstbewusst als Juniorchefin ins Hotel zurück. Jetzt sage ich auch mal wie du immer ‚Na, ja’. Also: Na ja, dann sind die Tage unseres Björn dort gezählt. Erstens wird er es
selbst für unhaltbar halten ‚unter’ seiner Exfrau weiter zu arbeiten und das Heike unbewusst zu Mobbingmitteln greift, um ihn loszuwerden, ist eigentlich nur natürlich. Hoffentlich macht der Junge dann, wenn es mal so kommt, nur keine Dummheiten.“. Elke stand mit ihrer Ansicht nicht allein, sie teilte sich diese mit Karin, die des Abends so gegen Acht bei uns eintraf. Ich war zu diesem Zeitpunkt mit nur zwei Gästen unten in der Kneipe. Als die beiden Herren etwa eine halbe Stunde später gegangen waren machte ich die Kneipe zu und ging auch hinauf in die Wohnung. Das ist zwar kein feiner Zug von einem Gastwirt, dass er seine ohnehin schon eingeschränkte Öffnungszeit auch noch ohne Ankündigung weiter einschränkt aber bei uns im Hause herrschte inzwischen schon eine ziemliche Endzeitstimmung. Wir hatten ja schon immer im Wesentlichen von unserem Saal und Gesellschaftszimmer gelebt, die Kneipe war unter der Woche nie der große Renner. Und jetzt war bei Elke und mir die Luft raus und wir fragten uns, warum wir das überhaupt noch machten. Im nächsten Jahr wollten wir die Kneipe eigentlich als Frühstückszimmer für unsere Gäste und damit sie des Abends noch nett zusammensitzen können nutzen Ob wir dann auch noch für Nachbarn aufmachen würden, stand bei uns noch nicht fest. Was soll’s, wenn erst der Grüne Baum, so wie er ist, dicht gemacht hat, ist in diesem Kaff sowieso der Arsch endgültig begraben. Ich glaube, dass wir, als Wirtsleute, deren Existenz dieser Laden ist, nicht daran schuld sind sondern die wohlweißen Damen und Herren aus Rat und Verwaltung, die bis jetzt immer noch nicht kapiert haben, dass man für die Infrastruktur etwas machen muss wenn die Gemeinde nicht sterben soll und dass genau sie selbst dafür verantwortlich sind. Als ich nach oben kam erlebte ich erst einmal eine „peinliche“ Überraschung bei der ich nicht wusste was ich machen sollte. Karin saß in ihrer Unterwäsche bei uns im Wohnzimmer. „Komm ruhig rein, Reiner.“, tönte Elke, „Karin ist so durchgedreht, dass sie sich eben Kaffee über ihr schönes Kleid gegossen hat. Da haben wir es, damit es keine Flecken gibt, gleich sauber gemacht und aufgehangen. Ich schätze, dass es dir nichts ausmacht, dass sie so leicht geschürzt ist sondern im Gegenteil es schade findest, dass sie noch so viel an hat. Ich bin gerade im Begriff ihr meinen Morgenmantel zu geben.“ „Na ja, wenn du das sagst kann ich ja bekennen, dass ich Karin ja ganz gerne genüsslich mal im Evas Kostüm betrachten würde.“, gestand ich jetzt ganz ehrlich und fuhr fort: „Es gab jetzt ein paar Gelegenheiten wo das möglich gewesen wäre aber immer stand mir bei diesen Gelegenheiten der Sinn woanders.“. Karin erwiderte darauf mit dem Ton der Sünderin: „Ich glaube, das ist unser Fluch. Wir kommen einfach nicht vom Fleischlichen ab, auch wenn wir uns fürchterlich darum bemühen. Und immer wenn wir unseren Trieben nachkommen richten wir großes Unglück an. Warum muss das nur so sein?“. Zwei Dinge geschahen jetzt nicht: Erstens zog sich Karin nicht weiter aus sondern schlüpfte stattdessen in Elkes Morgenmantel und zweitens ging es auch nicht erotisch weiter in den Abend. Das Einzigste was passiert war ist, dass ich unerwartet früh in der Wohnung erschien, wo man mit mir noch nicht gerechnet hatte und die beiden Frauen darauf gelassen reagiert hatten. Trotzdem lieferte das, was Karin gesagt hatte, das Stichwort für Elkes nachdenkliche Philosophie zu den Dingen, die uns jetzt belasteten: „Du sagtest eben, dass uns unsere Triebe großes Unglück anrichten lässt. Hätten wir diese Triebe aber nicht könnten wir auch das große Glück nicht erkennen. Unsere Triebe bringen uns zusammen und trennen uns auch wieder. Mein triebhaftes Verlangen hat mir Reiner beschert und sein Trieb nach ‚Frischfleisch’ ... seid mir bitte für diese Wort jetzt nicht böse aber mir fällt nichts anderes ein – Also, sein Trieb in Richtung Heike hat uns richtiggehend getrennt und dann hat uns unser beider Trieb aufeinander wieder zusammengeführt. Ich wünschte mir, dass dieses bei Heike und Björn auch so sein könnte. Ich fürchte jetzt nur, dass bei Heike nun kein Trieb durchbrechen kann, denn unsere Triebe wurzeln in unserem Bedürfnis nach Liebe und Zärtlichkeit und Heike kann jetzt alles dieses auf ihr Baby kompensieren. Ich glaube, dass ihr jetzt gar nicht der Sinn nach Björn steht und das so der Zug auf ihrer Lebensschiene an dem Unglück, was wir gerne verhindert wissen möchten, vorbeirast.“. „Du bist ja eine richtige Philosophin,“ komplimentierte Karin, „so fein habe ich darüber nicht nachgedacht. Ich bin eher mit einfachen Worten zum gleichen Schluss gekommen. Heike ist, wie wir ja eben schon besprochen haben, schon in Düsseldorf auf den Plan gekommen nach dem sie jetzt vorgeht. Das habt ihr Beiden doch, wie du mir erzähltest, heute morgen auch festgestellt. Und jetzt ist Heike so mit der kleinen Sara beschäftigt, dass sie selber gar nicht merkt, wie sehr ihr Plan letztendlich ihr eigenes Glück zerstört. Deshalb bin ich ja eigentlich gekommen. Ich wollte morgen zu Heike und mit ihr reden. Dabei will ich ihr nicht die Scheidung ausreden und sie auch nicht bewegen nach Düsseldorf, zu Björn, zurückzukommen. Ich will ihr nur einen Zeitgewinn nahe legen. Ich möchte nur erreichen, dass sie ihren jetzigen Schritt auf Anfang des nächsten Jahres vertagt. Da ich Heike ganz gut kenne, bin ich davon überzeugt, dass es nie zu einer Scheidung kommt.“. „Glaubst du denn das du das schaffst?“, fragte Elke und fast stöhnend antwortete Karin: „Ich weiß es nicht, ... ich will es jedenfalls einmal versuchen.“ Nachträglich gesehen bin ich der Meinung, dass mich just in diesem Moment endlich die richtige Erleuchtung getroffen hatte. Jetzt führte ich aus: „Ich halte jeden Versuch, so oder so, für falsch. Die ganze Misere beruht darauf, dass wir für unsere Kinder immer allgegenwärtig waren und bewusst oder unbewusst kräftig bei den
Dingen, die nur sie etwas angehen, kräftig mitgemischt haben. Das wir uns dann auch nicht einmal selbst zurücknahmen und auf deren Kosten noch unseren eigenen Gelüsten nachkamen, machte die ganze Geschichte zu einem Drama. Wir sollten sie jetzt, bevor der Scherbenhaufen nicht mehr zusammengekittet werden kann, absolut in Ruhe lassen. Wenn es Gottes Wille ist, dass er die Beiden füreinander bestimmt hat, dann wird er sie auch ganz ohne unser Zutun wieder zusammenführen. Und wenn nicht, können wir machen was wir wollen, da wird nie was raus. Ich glaube das Johannes Calvin recht hatte als er schrieb, dass Gott alles vorbestimmt hat; sowohl das Gute wie das Böse. Uns bleibt nichts anderes als zu beten, und zwar: Herr, deine Wille geschehe, im Himmel wie auf Erden. Wir sollten ihm vertrauen und uns jetzt nicht mehr einmischen, damit er das wieder zusammenfügen kann, was wir zerbrochen haben.“. Nachdenklich schauten mich beide Frauen an und waren übereinstimmend der Meinung, dass ich mit Sicherheit recht habe; es aber unheimlich schwer sei sich so zurückzunehmen und nur zu hoffen und zu warten. Karin ergänzte noch: „Ich glaube ich fahre morgen gleich wieder nach Düsseldorf ohne bei Heike meine Aufwartung zu machen. Wir können ja gerade weil sie in Ehrenberg ist darauf hoffen, dass Katharina Köhler, zu der sie ja offensichtlich doch einen Superdraht hat, einen positiven Einfluss im Sinne unserer Wünsche auf sie ausübt. Vielleicht sollte ich mit der mal telefonisch sprechen ... aber mehr nicht. Vielleicht ist sogar das schon zu viel. ... Ich glaube ich schlafe erst einmal eine Nacht darüber und sage euch morgen, wie ich mich entschieden habe.“. Wir saßen an diesem Abend noch eine ganze Weile beieinander und sprachen über dieses und jenes. Natürlich kam unser aktuelles Thema dabei immer wieder auf den Tisch aber wir haben es auch immer wieder genauso schnell durch einen neuen Gesprächsstoff ersetzt. In die Tiefe sind wir dabei nie gegangen. Am nächsten Morgen trafen wir uns kurz nach Acht in der Küche zum Frühstück. Da verkündete uns Karin ihren Entschluss, den sie über Nacht gefasst hatte: „Also Reiner, du hattest ja gestern hundertprozentig recht. Wir müssen unsern Kindern die Chance geben ihre Konflikte lösen zu können und dürfen nicht mehr mitmischen. Ich fahre also nicht mehr nach Ehrenberg und mit Frau Köhler spreche ich auch nicht. Ich fahre gleich direkt nach Düsseldorf und gehe an meine Arbeit. Björn werde ich erzählen was wir hier besprochen haben und ihm dann gleich sagen, dass er mir sagen könne was er wolle, ich stände für nichts mehr zur Verfügung. Und dann kann ich euch noch sagen was ich mir darüber hinaus überlegt habe: Es ist gar nicht gut, dass die Kinder immer unter unseren Dächern mit uns zusammen waren. Alt und Jung müssen sich trennen und ihre eigenen Wege gehen. Deshalb verspreche ich, dass, wenn unsere Kinder wieder zusammenfinden, sofort das Hotel verlassen werde und dieses den Kindern überlassen werde. Nur ein oder zwei Mal im Monat werde ich dann da auftauchen und meine Nase in die betriebswirtschaftlichen Dinge stecken. Wenn ich sehe, dass es bei den Beiden auch ohne mich geht, werde ich auch das einstellen.“. „Was willst du denn machen?“, interessierte ich mich. „Eine ganze Menge.“, verkündete Karin langsam recht munter werdend, „Was mir aus dem Hotel als Gesellschafterin privat zusteht reicht für mich aus. Wo, außer im Rentenrecht, steht denn, dass man unbedingt bis zum 65. Lebensjahr arbeiten muss. Dieses ist doch nur eine fiktive Grenze, die ausschließlich mit der Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zutun hat. Da könnte man das Rentenalter genau so auf 55 oder 75 Jahre festlegen. Aber wir leben doch nicht um zu arbeiten sondern wir arbeiten um zu leben. Warum sollte ich mich nicht, wenn ich nicht arbeiten muss um zu leben, einfach auf das Leben konzentrieren. Ich werde mir in Ruhe einen Mann suchen, der mir alles geben kann was ich brauche und dann geht es ab mit der Post.“. Ihre letzten Worte hatten jetzt Elke neugierig gemacht und sie fragte mit einem scherzenden Ton: „Was brauchst du denn alles?“. „Das, an was du denkst auch,“, scherzte Karin zurück, „sehr dringend sogar. Ich bin inzwischen richtig notgeil geworden. Wenn ich nicht neuen Ärger haben wollte, könnte ich euch beide glatt vergewaltigen.“. Sie legte eine kurze Übergangspause ein und fuhr dann fort: „Aber das habe ich aber eben nicht gemeint. Ich dachte an einen Kerl, der mit mir seine und meine Interessen teilt, mit dem man sich unterhalten kann. Der mit mir ein Bisschen reist, damit ich was von der Welt zusehen bekomme. Und vor allen Dingen brauche ich jemand, der immer bei mir ist und sich mit mir immer Freude und Sorgen teilt. Das ist eine ganze Menge. Fürs Bett könnte ich an jeder Ecke einen finden. Aber ein Mann, der mir auch alles andere geben kann, ist schwer zu finden ... die Besten sind immer alle vergeben; siehe Reiner. Ist ja auch ganz natürlich.“ Als Karin davon fuhr kannten wir die richtige Richtung aber ob wir letztlich auch da ankommen, wo wir hin wollten, konnten wir nur hoffen.
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Das letzte Fest im Grünen Baum Der 12. Juni ist ein „Schicksalstag“ im Hause der Familie Wolf. Fangen wir mal, wie der allseits berühmte Esel, nämlich bei mir selbst an. Am 12. Juni des Jahres 1947 erblickte ich, wie ich schon eingangs schrieb, das Licht der Welt. Seit diesem Tag sind bis zum Jahre 2001, wie man leicht nachrechnen kann, ganze 54 Jahre vergangen. Davon habe ich dann genau die Hälfte dieser Lebenszeit mit Elke verbracht, denn am 12. Juni 1974 hatte es ja bei uns gefunkt und zur Eröffnung unserer Zweisamkeit haben wir an diesem Tag mal ganz locker unseren Björn gezeugt. Und Elke selbst hatte etwas Rundes, für das es sich deftig zu feiern lohnte, zu bieten: Sie konnte am 12. Juni 2001 ihren 50. Geburtstag feiern. Dazu stand 2001 an diesem Tag noch zusätzlich etwas an: Es sollte das letzte Fest im Grünen Baum werden, denn inzwischen war uns klar, dass der Name der Kneipe Grüner Baum mit der Schließung Ende August des Jahres sterben sollte. Nicht etwa weil wir gegen den etwas hätten sondern weil wir befürchteten, dass wir, wenn wir damit Feriengäste werben, zu falschen Assoziationen verleiten könnten. „Grüner Baum“ ist in der Tat ein typischer Kneipenname und Kneipen sind nichts für Kinder und gerade um Familien wollten wir uns bemühen. Dann ist eine Kneipe ja auch öfters mit mehr oder weniger Lautstärke verbunden und so etwas ist ja auch nicht das, was Familien in den Ferien suchen. Konsequenter Weise folgerte aus dieser Überlegung auch unser Entschluss, den Gastraum im kommenden Jahr nur noch für unsere Feriengäste bereitzuhalten. Eine öffentliche Kneipe würde es folglich in Elfenwiese in Zukunft nicht mehr geben. Da wir in den letzten zweieinhalbe Monaten nichts mehr Großes veranstalten wollten, war es jetzt im wahrsten Sinne des Wortes das letzte Fest im Grünen Baum. Aber in diesem Jahr war es sehr schwer alles ohne besondere Komplikationen über die Bühne zu bringen. Da war erst einmal unser Streit mit der Gemeinde Wannebachtal bezüglich unserer Baugenehmigung und der beabsichtigten Schließung. Das hatten der Bürgermeister und die meisten Ratsherrn inzwischen persönlich genommen und außerdem fahndeten sie gegenseitig nachdem Übeltäter, der uns deren geheimen Verschleppungsplan verraten hatte. Jetzt hatten die Meisten schon im Vorfeld durchblicken lassen, dass sie zu unserer Feier nicht erscheinen würden. Für uns hieß folglich die Frage: Einladen oder nicht einladen. Mit einer Einladung konnten sie uns ihre Missachtung zeigen und ohne hätten sie einen anderen Grund gehabt mit dem Finger auf uns zu zeigen. Öfters kommen mir diese lokalen Hobbypolitiker wie eine Ansammlung großer Kinder vor. Mit der Ausrede, dass wir nur im Familienkreis feiern wollten konnten wir uns bei unseren derzeitigen Verhältnissen auch nicht herausreden. Elke fand dann den Stein des Weisen: Wir hingen sowohl in der Kneipe wie auch im Gesellschaftszimmer und im Saal ein auf dem PC erstelltes Schild aus, dass wir anlässlich unseres Geburtstages am 12.06.01 um 19 Uhr ein Freibierabend mit kleinem Imbiss veranstalten wollten. Auf diese Art und Weise ersparten wir uns die persönlichen Einladungen, liefen aber Gefahr, dass all diejenigen, die wir nicht so gerne dabei gehabt hätten, vollzählig auf der Matte stehen würden. Dann mussten wir unsere, zur Zeit zerrissene Familie unter einen Hut kriegen, denn alle, das heißt sowohl Heike mit Sara, Karin und Björn und darüber hinaus noch Katharina, wollten kommen aber sich nicht unbedingt über den Weg laufen. Heike wollte nicht mit ihrem Mann Björn und nicht mit ihrer Mutter zusammentreffen. Karin wollte schon ganz gerne auf ihre Tochter Heike stoßen aber Björn nicht dabei haben. Björn wollte gerne mit Heike und Sara zusammentreffen aber im umgekehrten Fall Karin nicht dabei haben. Nur Katharina war nicht ganz dicht, das heißt, sie war nach allen Seiten offen. Wir wollten erst Heike und Katharina schon des Morgens und zum Mittagessen einladen und Karin und Björn sollten dann erst am Nachmittag dazu stoßen. Das behagte aber Björn, der sich von dieser Feier Impulse für sein eigenes Eheglück versprach, aber nicht und er kündigte an, dass er unter diesen Bedingungen der Feier fernbliebe. Karin behagte es auch nicht, aber sie wollte trotzdem kommen. Elke wiederum war tief betrübt, dass zu ihren Fünfzigsten alle kommen wollten nur Björn nicht. Da löse mal jemand den berühmten gordischen Knoten. Und dann hagelte es nacheinander Absagen. Zuerst meldete sich Heike. Es täte ihr leid, aber sie habe kein Vertrauen zu ihrem Mann und zu ihrer Mutti. Die würden bestimmt auftauchen wenn sie gerade da wäre. Die würden ihr dann mit Sachen kommen, die sie überhaupt nicht gebrauchen könne. Sie wollte vorerst gar nicht mehr zu uns kommen. Eine halbe Stunde später meldete sich Katharina und teilte uns mit, dass es wohl im Hinblick auf Heike, die im Moment ohnehin ein Bisschen komisch wäre, besser sei, wenn sie nicht kommen würde. Sie habe ja selbst Bedenken wenn sie erscheint und die „offizielle“ Schwiegertochter nicht. Sie sagte dazu noch: „Wenn Konflikte drohen, ist es besser mal abzusagen obwohl es einem persönlich sehr leid tut.“. Die nächste Absage kam dann am nächsten Abend von Björn, den offensichtlich eine Laus über die Leber gelaufen war. Er war sauer, dass weder Karin noch insbesondere wir ihm bei der Lösung seines Problems helfen wollten und meinte es sei besser, wenn er arbeite und nicht soviel zum Denken käme. Jetzt blieb also nur noch Karin. Auch die rief an und ich befürchte schon auch ihre Absage. Aber sie sagte mir am Telefon: „Ach Reiner, mir ist alles so furchtbar peinlich. Wenn Björn und Heike nicht kommen habe ich eigentlich auf eueren Geburtstag auch nichts zu suchen. Aber ich möchte doch so gerne zu euch kommen. ...
Wenn ich ganz ehrlich bin sogar nicht nur an dem betreffenden Dienstag sondern ich würde am Liebsten bis zum darauf folgenden Sonntag bleiben.“. „Also, das du kommst, ist schon ein mal klar.“, erwiderte ich ihr munter, „Und das du bis zum Sonntag bleibst natürlich auch. Aber sage mal, gibt es dafür einen Grund den ich nicht kenne?“. Sie klang etwas verlegen als sie sagte: „Ach nur so. Ich komme mit der Geschichte zwischen Björn und Heike überhaupt nicht klar. Das macht mich alles so furchtbar fertig. Heike hat mir in einem Brief, der am Tage nach dem ich bei euch war, ankam mitgeteilt, dass ich, wenn ich sie liebte, bis an dem Tag nach dem Scheidungstermin keinen Kontakt mit ihr aufnehmen sollte. Sie wolle endlich selbstständig sein und nicht an meinem Rockzipfel hängen. Im Gegenzug funktioniert mich Björn hier zu seiner Amme um. Der würde es gerne sehen, dass ich seine Probleme für ihn löse. Da möchte ich gerne mal unter Menschen sein, mit denen ich mich verstehe und auch mal über meine eigenen Probleme reden kann. Auf eueren Geburtstag werden wir wohl kaum dazu kommen und eine Frühstücksrunde am nächsten Morgen ist mir einfach zu kurz.“. Klar, dass ihr Wunsch für mich und später auch für Elke wie eine Vereinbarung waren. So viel zum Vorfeld unseres Superehrentages und jetzt hurtig zum Bericht von diesem 12. Juni 2001. Der Tag begann mit einem wunderschönen ehelichem Schäferstündchen – und das noch vor dem Frühstück – über das ich hier jedoch nicht berichte, denn dieses war nur für uns und nicht für Leselüstlinge bestimmt. Dem folgte das Frühstück, welches wir an diesem Tag natürlich gemeinsam zubereiteten. Wir hatten unseren Küchentisch mit soviel Ambiente gedeckt, als wäre unsere Küche eine Nische im Frühstückraum eines exklusiven Fünf-SterneHotels. Elke stellte fest, dass wir jetzt den Anschein erwecken würden, dass wir alles das, was wir im letzten Jahr versäumt haben, nun auf einmal nachholen wollten. Allerdings verlief dieses Festtagsfrühstück nicht störungsfrei ab, was wir aber an diesem Morgen auf keinem Fall als Ärgernis empfanden. Laufend bimmelte das Telefon und immer wieder waren wir überrascht darüber, das uns doch einige Leutchen, die auf unserer alltäglichen Umgangsliste schon gelöscht erschienen, nicht vergessen hatten und uns an diesem Ehrentag bedachten. Unter den Anrufern waren auch wider Erwarten doch noch Heike und Björn, die uns beide unabhängig voneinander lieb und nett gratulierten. Auf diese Weise hatten wir vom Aufwachen bis zum Frühstückstischabräumen einen wesentlich höheren Zeitaufwand zu erbringen wie an Normaltagen. Immerhin waren wir an diesem Tag um kurz nach Sieben erwacht, dieses ist sogar etwas früher wie üblich, und als der Frühstückstisch abgeräumt war, standen die Zeiger der Uhr schon auf kurz vor Zehn. Aber Leute, lassen Sie es mich Ihnen verraten, dass wir dabei sehr, sehr glücklich waren. Danach machten wir uns erst einmal über das Präsent, was wir uns gemeinsam geschenkt hatten, her. Es war ein PC nach dem neuesten Stand der Technik mit einem Tintenstrahl-Farbdrucker und Scanner. Außerdem hatten wir uns dazu eine Digitalkamera zugelegt. Jetzt wird dieser oder jene tönen: „Typisch, immer alles nur für den hohen Herrn des Hauses.“. Dieses Klischee trifft aber nur dort zu, wo die klassischen Geschlechterrollen abgespielt werden. Bei uns war und ist es jedoch eher umgekehrt, denn der große PC-Freak ist bei uns weiblich und heißt Elke. Sie surft gerne mal im Internet, hat mächtig Spaß an der Bildbearbeitung und als Universalbüromaschine setzen wir dieses Instrument beide mit Vorliebe ein. Aber gegenüber Elke bin ich eher ein PC-Muffel. Elke hatte auch schon einen diesbezüglichen konkreten Plan für das kommende Jahr: Wir wollten uns hinsichtlich unserer Ferienwohnungen und Unterkünfte eine eigene Homepage aufbauen und ins Netz stellen. Da hatte sie mir im Vorfeld schon erklärt, dass dieses ohne der Ausstattung, die wir uns jetzt zugelegt hatten, nicht gehen würden. Auch an dem Morgen unserer Geburtstage war es Elke, die mit der Maus durch die Klicki-BuntiWelt der „vorinstallierten“ PC-Oberfläche, die ins Deutsche übersetzt Fenster heißt, stöberte und mir begeistert zeigte, was damit alles möglich ist. Und für mich war es wirklich schön, die Begeisterung meiner Frau dabei zu beobachten. Vor lauter PC-Durch-Klickerei hatten wir doch tatsächlich die Zeit vergessen und so saßen immer noch vor des Deutschen liebsten Spielautomaten, also diesem berühmten Personal Computer, als dann Karin um Zwanzig nach Elf anschellte. Erstmalig stand die Schwiegermutter unseres Sohnes mit großem Koffer – oder besser gesagt mit einem Trolli – vor der Tür, denn dieses sollte ihr erster „Langzeiturlaub“, nämlich fast eine Woche, bei uns werden. Mit Karins Erscheinen wurden wir dann wieder ein Wenig aus unserer zweisamen Idylle in die derzeitig doch tristen Familienrealität zurückgeholt. Es kann sich doch wohl jeder denken, dass bei dem Zusammentreffen der Eltern auch unmittelbar wieder die zerbrechende Ehe unserer Kinder auf der Themenliste stand. Karin konnte uns von dem derzeitig wirklich seelischen Tief unseres Sohnes berichten. Wie er verzweifelt versucht per Briefpost oder Telefon Kontakt zu seiner Frau aufzunehmen. Immer wieder überlegt er ob er nach Ehrenberg aufbrechen soll und verwirft diesen Gedanken dann sehr schnell wieder, da er Angst hat damit endgültig alles kaputt zu machen. Karin erzählte wie schwer sie es hat sich, wie abgesprochen und für richtig gehalten, aus der Sache rauszuhalten. Sie hat es ja ungleich schwerer wie wir, da sie Björn Tag für Tag unmittelbar um sich hat und sich diesem auch nicht entziehen kann. Wir erfuhren, dass sie schon oft überlegt habe, dass sie sich eigentlich schon jetzt aus dem Geschäft weitgehenst zurückzuziehen könne, da Björn ein so guter Mann sei, dass er den Laden schon alleine schmisse. Aber bei seinem derzeitig desolaten Zustand bestehe aber immer die Gefahr, dass er plötzlich ausrastete und dann einiges in die Hosen ginge. Karin erklärte, dass sie rundherum urlaubsreif sei aber schon diese paar Tage ihrer Abwesenheit mit gemischten Gefühlen sehen würde. Irgendwie
kribbelte es in ihr so, dass sie am Liebsten schon am nächsten Morgen wieder zurück nach Düsseldorf eilen würde. Sie müsse sich richtig zwingen auszuspannen. Dann sah Karin sorgenvoll in die Zukunft. Was wäre wenn Heike stur bleibt und die Scheidung durchzieht. Das geschiedene Paar unter einem Dach kann und wird bestimmt nicht gut gehen. Sie kann doch Heike, ihrer Tochter und Mitbesitzerin, nicht den dauernden Aufenthalt im Hotel verweigern. Aber auf Björn kann sie nicht verzichten. Auf der fachlichen Seite kann Heike Björn kaum das Wasser reichen. Sie ist, obwohl sie ganz anders erzogen worden sei, er in der klassischen Hausfrauen- und Mutter-Rolle zuhause, geschäftlich sei sie nicht die große Leuchte. Das würde für Karin bedeuten, dass sie selbst an dem Hotel kleben bleiben oder es in fremde Hände legen müsste. Dazu kommen noch ihre emotionalen Bindungen, denn Björn ist ihr wie ein Sohn ans Herz gewachsen. Schon zu Lebzeiten ihres Mannes, als die Beiden noch nicht zusammen waren, habe sie immer gedacht, dass Björn der ideale Schwiegersohn sei. Deshalb habe sie die Beiden auch damals nach dem Vorfall zum Nikolaustag 2000 auch unterstützt obwohl das Verhalten ihres Mannes im Grunde gerechtfertigt war – allerdings gälte das nicht für das Wie. Zwischen Hotelgästen und Mitarbeitern so wie unter Mitarbeitern dürfe sich innerhalb eines Hotels überhaupt nichts abspielen, denn ein zwielichtiger Ruf – und sei es nur aufgrund von Gerüchten – kann für ein Haus, was in erster Linie auf Geschäftskunden abzielt, tödlich sein. Man lebt ja schließlich in erster Linie von den Geschäftsleuten, die immer wieder kommen und die es sich ihres eigenen Images willen nicht leisten können in Häusern, die einen zweideutigen Ruf haben, zu übernachten. Darin waren auch ihre ganz persönlichen Probleme begründet. Im letzten Kapitel habe ich ja bereits geschildert wie sehr sich Karin einen Mann an ihrer Seite wünschte. Sie glaubte ohne einen solchen nicht auskommen zu können. Innerhalb des Hauses kann sie selbst aus vorhergeschrieben Gründen keine Anbändelung vornehmen und geht eine solche von einem Gast aus, muss sie gleich auf gehörige Distanz gehen. Wie das Ganze, wenn sie nicht rauskommt aus dem Haus. Eine Heiratsanzeige hielt sie für sich auch nicht für den richtigen Weg. Würde sie von vornherein durchklicken lassen, dass sie eine Hotelbesitzerin sei, läuft sie Gefahr Heiratsschwindler und Leute, die sich von ihrem Dasein nach Oben absetzen wollen, anzulocken. Gibt sie sich als Angestellte, biedere Hausfrau oder so aus, ist sie sich sicher, dass anständige Männer dann, wenn sie die Wahrheit erfahren, von dannen ziehen würden. Sie befürchtete, dass sie sich früher oder später an ein gutes und seriöses Institut wenden müsste. Die Befürchtung beruhte aber lediglich darauf, dass sie, und natürlich auch der Mann, dann dem schönen Gefühl der Eroberung, was die Liebe erst schön mache, entsagen müsste. Nun, Karin sprach und sprach. Und wir hatten das Gefühl, dass es ihr dieses Aussprechenskönnen sichtlich gut tat. So verstrich die Zeit und so gegen Zwei am frühen Nachmittag stellten wir fest, dass sich noch niemand um das Mittagessen gekümmert hatte. Na ja, das war für uns nun nicht besonders tragisch, da wir ja sehr ausgiebig gefrühstückt hatten. Aber Karin hatte an diesem Tag laut eigener Auskunft nur ein Brötchen und eine Tasse Kaffee gehabt. Sie hatte jedoch über die vorangegangene Seelenkur ihre körperlichen Bedürfnisse ganz und gar vergessen. Die beiden Frauen verständigten sich aber dann darauf gemeinsam Hand anzulegen. Ich sollte mich derweil schon einmal für den Abend um den Keller und um die Theke kümmern, sprich um gereinigte Bierleitungen, angeschlagene volle Bierfässer, Wein und Spirituosen heraufholen und so weiter. Nachdem Essen sollte es dann in der Kneipenküche weitergehen. Da sollte sich dann um das Büfett gekümmert werden und anschließend sollten noch Kneipe und Gesellschaftsraum für den Abend hergerichtet werden. Warum schreibe ich eigentlich „sollte“ oder „sollten“, wir habe es sogar so gemacht. Kurz vor Sechs waren wir fertig und es ging an das persönliche Fertigmachen. Ich meine jetzt mit Fertigmachen das äußerliche Outfit und natürlich nicht das Dreinschlagen in die Seele. Und danach sollte es losgehen mit dem letzten Fest im Grünen Baum. Aber wieder einmal geschah etwas Unvorhergesehenes was wieder alles, was wir uns so schön gedacht hatten über den Haufen schmeißen sollte. Ursprünglich gedachten wir auch noch nacheinander kurz zu duschen um frisch in den Abend zu starten. Die Reihenfolge Karin, Elke und dann ich war vorgesehen. Karin stand gerade unter der Dusche und Elke war zur gleichen Zeit gerade im Schlafzimmer um sich schon einmal zu entkleiden, als das Telefon läutete. Klar, dass es nun meine Sache war, an den Apparat zu gehen. Ein, mir sehr aufgeregt klingender Mitarbeiter des Hotels war am Ende der Leitung und verlangte, weil ein Unglück im Hause geschehen sei, seine Chefin, also Karin, zu sprechen. Ich gab ihr durch die Tür zum Badezimmer Bescheid und sie spurte so wie sie gerade war, also nackt und nass, zum Standort des Telefons. Die Nässe ihrer Füße wurde ihr dabei zum Verhängnis. Sie fiel rücklings um und setzte recht unsanft mit dem Po auf den Boden auf. Die inzwischen ebenfalls nackte Elke kam, von Karins Schmerzschrei aufgeschreckt, hinzu geeilt und versuchte die vor Schmerz arg jammernde Karin aufzuheben. Na, da blieb nichts anderes und ich ging nochmals an das Telefon und erkundigte mich nach Näherem. Dann erfuhr ich, dass sich das Kind einer Gastfamilie auf dem Hotelparkplatz von der Mutter losgerissen hatte und schnurstracks auf die Straße gelaufen sei. Björn, der gerade etwas bei den Garagen auf dem Parkplatz erledigen wollte, sah das drohende Unheil und sputete gleich hinter dem Kind her. Er konnte es gerade noch von der Fahrbahn reißen und zum Gehsteig schubsen als er selbst von einem Auto erfasst wurde. Jetzt war Björn im Krankenhaus. Da ich jetzt erst einmal der bei mir Verletzten berichten musste was los, versprach ich dem Anrufer umgehenden Rückruf und legte erst einmal auf.
Jetzt war guter Rat teuer. Da saß, die nun vor Schmerz jammernde Karin am Boden und wusste nur eins: Sie musste sofort zurück nach Düsseldorf. Dann waren wir da, die natürlich auch gerne zu unserem verunglückten Sohn wollten. Und in etwa einer halben Stunde dürften die ersten Festgäste vor der Tür stehen und Einlass begehren. Darüber hinaus erschien es mir unmöglich, dass Karin nach diesem „Popoklatscher“ selbst fahren konnte. Da kam Elke auf eine spontane Idee und die hieß Heike. Wenn sie schon nicht als Frau des Verunglückten handeln wollte, dann sollte sie doch als Tochter und Mitbesitzerin des Hotels in der Verantwortung sein. Sie sollte herkommen und Sara zu uns bringen. Dann könnte sie ihre Mutter mit ihren Wagen nach Düsseldorf fahren. Elke und ich würden uns dann beim Babysitting bei Sara und den Gästen in der Kneipe ablösen. Am nächsten Morgen wollten wir dann mit Karins Wagen nach Düsseldorf fahren und Heike hätte uns mit zurückbringen können. Das war schön gedacht aber wieder mal ein Fall von Denkste. Erst erreichte ich auf Heikes Handy nur ihre Mailbox und musste dann, weil ich keine andere Idee hatte, bei den Köhlers anrufen. Aber auch da empfing mich nur ein Anrufbeantworter und in solchen Fällen bringt es nichts, sich mit Automaten zu unterhalten. Nun war guter Rat wirklich teuer. Karin, die inzwischen von der immer noch nackten Elke angekleidet wurde, fiel nichts besseres wie Taxi ein. Da resümierte Elke: „Ob man nun von hier nach Düsseldorf oder umgekehrt mit dem Taxi fährt kommt fast auf das Gleiche raus; nur das die Düsseldorfer günstigere Tarife wie hier die Landkutscher haben, dass heißt, dass man von dort dann auch preiswerter wieder wegkommt. Hinzu kommt, dass es mir selbst auch keine Ruhe lässt, dass mein Sohn im Krankenhaus liegt und ich nicht weiß, was los ist. Ich verzichtete mal auf die Teilnahme am Kampftrinkertreffen aus Anlass meines Fünfzigsten ... außerdem hast du auch Geburtstag und wirst mit den einschlägigen Typen bekanntlich besser fertig als ich. Dann fahre ich Karin nach Düsseldorf und komme mit dem Taxi zurück.“. Das ich da nun alleine mit einem Haufen durstiger Leute stehen würde brauchte Elke allerdings nicht befürchten, denn wir hatten uns ohnehin zwei junge Damen, die uns öfters beim Servieren im Saal bei Veranstaltungen helfen, bestellt. Aber trotzdem hatte ich noch etwas einzuwenden: „Ein Taxi ist überhaupt nicht nötig. Ich sehe da eine Chance, Heike dazu zu bewegen nach Düsseldorf zu fahren. Wenn mir das gelingt kommst du mit ihr zurück. Falls es nicht klappt, dann komme ich mit unseren Wagen nach und hole dich nach einem Besuch bei Björn wieder ab. Aber jetzt muss mich sputen sonst gibt es in Kürze ein Volksaufstand vor der Tür ... ich glaube aus dem Duschen wird für mich heute nichts.“. Und wieder waren wir uns mal wieder einig. Elke packte nun Karins Sachen zusammen und ich zog mich schnell um, damit ich hinunter zum letzten Fest im Grünen Baum gehen konnte. Vorher setzte ich aber, nachdem ich zuvor noch mal einen normalen Anruf versuchte hatte, eine SMS an Heike ab: „Björn hatte Unfall. Bitte Rückruf. Papa“. Der Rückruf erfolgte nicht aber dafür gab es für mich eine besondere Überraschung: Kurz nach Neun stand auf einmal meine Schwiegertochter vor dem Tresen und fragte: „Papa, was ist denn passiert?“. Ich fragte erst mal zurück wo denn Sara wäre. Nachdem ich erfuhr, dass unsere Kleine bei Katharina Köhler gut aufgehoben war, erzählte ich Heike alles was ich wusste, einschließlich des Popounfalles ihrer Mutti und dass diese von Elke jetzt nach Düsseldorf gefahren würde. Jetzt geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte: Heike fragte zunächst ob sie das Telefon in der Wohnung benutzen dürfte um sich in Düsseldorf zu erkundigen. Nachdem sie dieses erledigt hatte, kam sie nur noch mal kurz bei mir vorbei gerauscht: „Tschüss Papa, ich fahre jetzt nach Düsseldorf und wenn Mama morgen wieder zurück will, bringe ich sie auch wieder mit. Sage bitte Katha Bescheid.“. Ich hielt Heikes Auftreten für das schönste Geburttagsgeschenk was man mir gemacht hatte, denn das zeigte doch, dass ihr ihr Mann doch noch nicht gleichgültig war. Was hätte sie denn sonst zu diesem Entschluss gebracht. An solchen Feten, wie jetzt eine im Grünen Baum ablief, hat wohl ein Jeder und eine Jede schon einmal teilgenommen, so dass ich darüber wohl nicht groß zu berichten brauche. Interessant ist wohl nur noch, dass sowohl der Bürgermeister wie fast der gesamte Rat entgegen ihren vorhergehenden Worten doch erschienen waren. Unsere öffentliche allgemeine Einladung hatte ihnen offensichtlich die Show gestohlen. Dass sich jede Besucherin und jeder Besucher wohl besorgt tuend nach Elke erkundigte aber dann zur Tages- beziehungsweise Festordnung überging, dürfte wohl jeder als normal ansehen und bedürfte eigentlich keiner besonderen Erwähnung. Jetzt schreibe ich nur noch, dass ich, wie von Heike erbeten, bei Katharina anrief und dass ich die letzten Gäste, obwohl es mitten in der Woche war, erst kurz nach Mitternacht losbekam und dann kann ich im Ablauf gleich zum Geschehen in Düsseldorf, so wie mir dieses von Elke berichtet wurde, übergehen. Die Fahrt nach Düsseldorf war Karin äußerst schwer gefallen. Obwohl ihr Wagen über bequem gepolsterte Sitze verfügt kam es ihr so vor, als würde man harte und raue Bretter gegen ihren Allerwertesten pressen. Da auch beide Frauen mit ihren Gedanken bei dem „armen Jungen“ waren kam es während der Fahrt zu keinem Gespräch. Offensichtlich nur um sich zu vergewissern, dass man nicht alleine war, fiel hin und wieder mal ein Satz, mal von Elke und mal von Karin. So war die beiden Frauen letztendlich froh als sie in Düsseldorf vor Karins Garage vorfuhren. Nur gut, dass der Rezeptionär gleich hinzukam um erstens den Wagen in die Garage zu setzen und zweitens Karins Gepäck aus dem Kofferraum zu entnehmen und hinein zu bringen, denn Karin kam nicht aus eigener Kraft vom Beifahrersitz hoch und alleine schaffte es Elke jetzt auch nicht. Als die Chefin
dann auf den eigenen Beinen stand ging es allerdings besser. Der Popoknall war doch sehr gewaltig gewesen. Daraus sollte man folgern, dass man nicht mit nackten nassen Füssen über glatten Boden, bei uns Laminat, laufen sollte. Karin hatte nun erkennen müssen, dass sie in nächster Zeit alles entweder stehend oder auf dem Bauch liegend erledigen müsse. Das Erste, was sie dann, als sie in der Wohnung angekommen war, erledigte war ein Anruf in das Krankenhaus, in welches Björn eingeliefert worden war. Dort erfuhr sie dann, dass sich der arme Kerl sowohl ein Bein wie einen Arm gebrochen habe und sich dazu eventuell noch eine Gehirnerschütterung zugezogen haben könnte. Aber nichts von alledem sei weiter bedrohlich, so dass man ruhig dem, was er derzeitig auch machte, nachzukommen könne, nämlich zu schlafen. Noch in der Nacht im Krankenhaus zu erscheinen sei weder nötig noch vom Pflegepersonal gern gesehen. Außer Elke und dem Hotelpersonal interessierten sich auch die Gäste, deren Kind diesen Unfall verursacht hatte, für Björns Zustand. Letztere legten dann auch noch Wert darauf Karin und Elke zu einem Fläschen Wein einzuladen. Schließlich verdankten sie dem Sohn beziehungsweise dem Schwiegersohn dieser Damen die Gesundheit oder gar das Leben ihres Kindes. Karin lud dazu die Herrschaften auf ihr Zimmer beziehungsweise in ihre Wohnung ein. Der Grund war ganz einfach: Sie wollte versuchen auf dicken Kissen am Tisch Platz zu nehmen, gebenenfalls wollte sie zwischendurch erheben und wenn alle Stricke reißen, auch wenn es komisch aussieht, sich mal auf den Bauch legen können. Als die Eltern dann erfuhren, dass Karin, als sie die Unglücksnachricht ihres Schwiegersohnes erreichte, gerade unter der Dusche stand und dann, als sie zum Telefon eilen wollte, aufgrund ihrer nassen Füße ausgerutscht war, fühlten sich die Hotelgäste auch noch für diesen Folgeunfall mitverantwortlich. Die Kleine hat sich am nächsten Tag auch ganz lieb bei der „Tante Hoteldirektor“ entschuldigt und bedankt – sogar mit einem dicken Küsschen auf die Backe. Die Herrschaften wollten gerade gehen – sie standen schon in der Tür – als eine junge Dame, die von Karin und Elke mit erstaunter Freude begrüßt wurde, eintraf. Heike war inzwischen auch in Düsseldorf eingetroffen. Sie wurde eben noch mit den Hotelgästen bekannt gemacht, dann gingen die Besucher endgültig und Heike setzte sich zu ihrer Mutti und Mama an den Tisch. Vorsorglich ergriff sie als erste das Wort: „Also vorab, liebste Mutti, liebe Mama, ich habe wirklich nichts gegen euch beide sondern im Gegenteil, ich habe euch alle beide sehr lieb. Ich habe die Kontaktsperre nicht aufgebaut weil ich etwas gegen euch habe sondern weil ihr mich vorher immer so belatschert habt, dass ich selbst nicht mehr wusste wo ich dran war. Durch euere, sicherlich nicht bös gemeinte und in den meisten Fällen unbewusste Art, habt ihr nichts besser sondern mich ganz konfus gemacht. Also bitte, sprecht über alles Mögliche, nur nicht über Björn und unsere Ehe. Momentan weiß ich selbst nicht wo ich stehe. Offensichtlich ist Björn mir doch noch nicht so gleichgültig ... sonst wäre ich ja jetzt nicht hier. Und nun trotzdem erst einmal ein Ausnahme: Wie geht es ihm? ... Jetzt habe ich ja nach ihm gefragt und dann könnt ihr mir ruhig antworten.“. Karin sagte mir, als sie davon berichtete: „Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie glücklich ich mich in diesem Augenblick fühlte.“. Elke glaubt sich strickt an Heikes Bitte gehalten zu haben aber Karin konnte es nicht lassen, da immer wieder davon anzufangen. Da bekam sie zunächst noch einen Dämpfer von Heike: „Mutti, du unternimmst auch alles, dass sich an unserem derzeitigen kontaktarmen Verhältnis nichts ändert. Und was deine Sorge um das Hotel nach der Scheidung anbelangt kann ich dich trösten. Ich weiß selbst, dass ich als Hotelfachfrau mehr oder weniger eine Flasche bin und du auf den Toppnachwuchs namens Björn angewiesen bist. Schon im eigenen Interesse bin ich dafür, dass er hier bleibt. Ich kann mit Sara gegebenenfalls in meiner Ehrenberger Wohnung bleiben, auch wenn der Vermieterjunior aus Amerika zurück ist. Wenn ich dann weiterhin meinen Unterhalt wie bisher bekomme haben wir zunächst einmal eine Lösung und mit der Zeit finden wir schon einen Weg wie es dann in Zukunft weitergeht. ... Aber jetzt ist endgültig Schluss damit, sonst haue ich sofort wieder ab.“. Ab diesen Moment hat sich dann auch Karin vorgesehen und während der Stunde, wo die Frauen noch zusammen saßen, gab es keine weiteren heiklen diesbezügliche Situationen. Was den Ablauf der Nacht anbelangte musste mir Elke dann erst mal was gestehen: „Du Reiner, sei jetzt bitte nicht böse, wenn ich dir jetzt etwas gestehen muss. Mir war auf einmal wieder danach und da habe ich mit Karin wieder so ... Du weißt schon, wie in Neustadt – geschlafen. Ich glaube mein lesbischer Einschlag ist wahrscheinlich doch größer als ich bisher dachte. Aber dabei habe ich dich nicht vergessen. Du träumst doch in deiner erotischen Fantasie immer wieder davon, dass du mir bei einem lesbischen Kontakt zusehen könntest und darüber hinaus möchtest Du doch auch mal gerne mit Karin – und sie im Übrigen auch mit dir. Da habe ich mit Karin vereinbart, dass, wenn wir mal wieder zusammen sind, einen ‚flotten Dreier’ unternehmen sollten. Uns würde das tatsächlich Spaß machen – und wie ist das mit dir?“. Erstaunt fragte ich zurück: „Hast du denn keine Angst, dass ich wieder ...“. Da antwortete sie auch schon: „Nein mein Schatz, eigentlich bin ich nie prüde gewesen und hätte es gerne schon mal etwas geiler gehabt. Wenn wir es gemeinsam und dazu noch auf meinen Vorschlag unternehmen kannst du mich ja nicht damit verletzen. Und du hast dir ja inzwischen ausreichend die Hörner abgestoßen und dir dabei empfindlich die Finger verbrannt ... du wirst schon da bleiben, wo du hingehörst, nämlich im Bett neben mir.“. Damit hatte der kleine Lustmolch in mir, der sich kontinuierlich immer wieder meldete, einen Grund, dem nächsten Besuch der adretten Hotelchefin mit besonderer Geilheit entgegen
zusehen. Dass sich das Ganze mal zu einem gefährlichen Spiel mit dem Feuer entwickeln würde, konnte ich ja damals noch nicht wissen. Aber nach der erotischen Einlage in Elkes Bericht kam sie zu dem Punkt, den ich an diesem Tage mit der größten Spannung entgegen gesehen hatte: Der Besuch zu Dritt an Björns Krankenbett. Na, da hat sicher aber jemand gefreut, als da drei Damen, denen sein Herz gehört, in sein Krankenzimmer kamen. Natürlich wandte er sich zuerst an Heike, seine Frau: „Mäuschen, ist jetzt alles wieder gut?“. Laut Elke hat die junge Frau die Situation meisterlich im Griff gehabt. Sie ging auf Björn zu, legte ihre Hand auf seinen Kopf und sagte recht nett: „Ach, mach Dir doch keine Gedanken. Es wird schon wieder werden. Werde du mal erst wieder gesund, das ist im Moment doch das Wichtigste.“. Und dann leitete sie ganz geschickt auf das Thema Sara über und dieses zog sich dann durch die ganze Stunde, die dieser Besuch dauerte. Zum Schluss sagte Heike dann zu Björn: „Also, solltest du länger hier liegen bleiben müssen komme ich noch einmal vorbei. Aber von Ehrenberg nach hier ist ja auch ein kleines Ende und verstehe bitte, dass ich mich nun in erster Linie um Sara kümmern muss.“. Zum Abschluss strich sie ihm noch einmal über die Haare und Wange bevor die drei das Krankenhaus wieder verließen. Nun, Björn lag dann noch vierzehn Tage im Krankenhaus bevor er mit einem Gehgips entlassen wurde, aber Heike ist nicht mehr dort gewesen. Am Nachmittag auf der Rückfahrt von Düsseldorf nach Ehrenberg beziehungsweise nach Elfenwiese unterhielten sich Elke und Heike über das Thema Erziehung. Heike offerierte ihrer Schwiegermutter, wie sich die Erziehung von Sara, deren Opa und Vater ich gleichzeitig bin, vorstellte. Aus ihren christlich geprägten Vorstellungen sprach ganz der positive Einfluss der Familie Köhler heraus. Bei der Gelegenheit sprach sie auch davon, dass sie Sara nach dem Scheidungstermin taufen lassen wollte. In diesem Zusammenhang war Elke auch aufgefallen, dass Heike immer von einem Scheidungstermin aber nie von Scheidung sprach. Sie hatte den Eindruck, dass es für Heike klar war, dass es tatsächlich und unausweichlich zu einem Scheidungstermin kommen würde aber ob es wirklich zur Scheidung kommt, wäre aus ihr nicht herauszubekommen. Das höre sich immer recht komisch bei ihr an. Die Ereignisse vom 12. und 13. Juni 2001 entspannten die Atmosphäre ungemein aber zu einer entscheidenden Änderung kam jedoch es nicht. Ein Unglück hatte zu einem Wetterleuchten geführt aber zu mehr auch nicht. Ab dem 14. herrschte wieder die gleiche Situation wie in den Wochen davor. Heike schanzte sich mit Sara in ihrer Wohnung ein und ließ niemand von uns an sich herankommen. Wir hatten jetzt aber Hoffnung geschöpft und glaubten jetzt felsenfest, dass uns nur das Vertrauen auf Gott weiterhelfen würde. Daher unternahmen wir auch nichts um uns gegen den Willen Heikes in das Geschehen einzumischen. Erst im August sollte es wieder zu neuer Dramatik kommen ... aber davon erzähle ich lieber in einem gesonderten Kapitel. Blättern Sie doch jetzt einfach um.
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Hei, da sind wir Im Juli und August des Jahres 2001 öffneten wir wie alle Jahre zuvor auch wieder unsere Gartenwirtschaft, bislang das letzte „Highlight“ für Ausflügler in den Wannebachtaler Ortsteil Elfenwiese. In diesem Jahr, wo es das letzte Mal sein würde, machte es Elke und mir sogar noch einmal richtig Spaß, obwohl wir in diesen beiden Monaten unseren sonntäglichen Ruhetag aufgehoben hatten. Jetzt hatten wir wieder an sieben Tagen der Woche geöffnet. Von Montag bis Donnerstag blieb es bei der inzwischen eingeführten Öffnungszeit von 17:00 bis 21:00 Uhr. Des Freitags öffneten wir auch des Nachmittags wie an allen anderen Werktagen auch um Fünf, behielten uns dann jedoch aber je nach Gästeaufkommen eine Schließung zwischen Neun und Mitternacht vor. Die Freitagsschließungsregel galt auch für den Samstag, an dem wir aber schon am frühen Nachmittag um Zwei öffneten. Und letztlich der Sonntag hatte wieder feste Öffnungs- und Schließungszeiten und zwar hießen die von 14:00 bis 21:00 Uhr. Wer jetzt noch berücksichtigt, dass täglich Reinigungsarbeiten und mindestens zwei Mal in der Woche Einkäufe notwendig waren, weiß, dass in diesen beiden Monaten Freizeit ein Fremdwort für uns war. Da es das letzte Mal war und Alles in Allem das, was dabei herauskam, ein guter Beitrag zu unserem Betriebsergebnis darstellte, gab es für uns und diese Aktivitäten auch den richtigen Motivationsschub. Für mich ein Wenig betrüblich war allerdings, dass wir in dieser Zeit nicht zum Gottesdienst nach Ehrenberg kamen, da ich zu dem betreffenden Zeitpunkt immer die Kuchen und Torten für die nachmittäglichen Gartenwirtschaftsgäste beschaffen musste und Elke gleichzeitig alles andere vorbereitete. Irgendwie empfand ich den Gottesdienst in der Regel so richtig erholsam, da man dabei richtiggehend vom Alltagstrott abschalten kann. Und in Ehrenberg kam zum Gottesdienst ja auch noch die Begegnung mit den Menschen, die ich gerne traf und mit denen ich gerne zusammen war. Das waren einerseits die Mitglieder der Pfarrersfamilie Köhler und dann insbesondere Heike und Sara. Zu Letzteren, also zu unseren beiden „Mädchen“, hatten wir ja sonst keinen Kontakt, den Heike achtete ansonsten strickt auf die Einhaltung der von ihr erlassenen Kontaktsperre. Lediglich vor dem Gottesdienst erwartete sie uns gemeinsam mit Sara und Katharina vor der Kirche und begrüßte uns immer mit einer Umarmung und einem Wangenkuss. Dann nahmen Elke und ich noch unsere Sara kurz auf den Arm bevor diese von Katharina, der Babysitterin während des Gottesdienst, entgegen genommen wurde. Während des Gottesdienstes nahm Heike in der Regel neben Elke, aber ab und zu auch mal neben mir, platz. Nachdem Gottesdienst wechselten wir noch ein paar nette, allgemein gehaltene Worte, bevor sich Heike ihre Tochter wieder aus dem Pfarrhaus holte, um mit ihr in Richtung ihrer Wohnung zu entschwinden. Dieses vermisste ich in den beiden Sommermonaten 2001 doch sehr. Dadurch bekamen wir auch nicht mit, was da hinsichtlich der Ehe unseres Sohnes lief. Karin und Björn riefen zwar in regelmäßigen Abständen an aber sie teilten uns immer nur mit, dass es keine Veränderungen gegeben habe. Jetzt weiß ich bis heute nicht ob uns sowohl Karin wie Björn unabsichtlich den Termin „Donnerstag, 23. August 2001“ verschwiegen haben oder ob sie, weil sie auf eine Wende im letzten Moment hofften, uns nicht „heiß machen“ wollten. Auf jeden Fall gab es an diesem Tag, morgens um Zehn, ein Treffen der jungen Leute in einem Düsseldorfer Amtsgerichtsgebäude. Richtig, der Scheidungstermin stand an. Nach der Devise kurz aber schmerzlos hatten sich Heikes Anwältin und Björns Anwalt darauf geeinigt, dass sich die beiden jungen Leute im Juli 2000 getrennt hätten. Warum Björn dieser Einigung zugestimmt hat ist mir allerdings schleierhaft, denn die beiden hätten aufgrund der kurzen Ehezeit auch ohne Trennungsjahr ihre Scheidung bekommen – aber nur wenn keine Seite dieser Scheidung widerspricht. Ich hätte doch gedacht, dass sich Björn diese Chance für einen Zeitgewinn nicht hätte nehmen lassen. Na ja, ich habe mit ihm bis heute noch nicht darüber gesprochen und nehme mal an, dass er es sich wohl weislich überlegt hat. Irgendwie gibt es zwischen Himmel und Erde Dinge für die ich nicht Wunder verantwortlichen machen möchte aber für die ich bis jetzt keine logische Erklärung finden konnte. Hier denke ich in erster Linie an so Ahnungen an das, was mit nahestehenden Personen gerade passiert ohne dass man davon über normale Kommunikationskanäle informiert worden ist. So musste ich am Vortag dieses 23. August 2001, als ich hinter der Theke stand, immer daran denken wie ich mich fühlen würde, wenn ich an Björns stelle zum Scheidungsrichter bestellt worden wäre. Teilweise musste ich Softi wirklich hart gegen einen Tränenausbruch ankämpfen. Trotzdem konnte ich natürlich die Anfeuchtung meiner Pupillen nicht immer ganz verhindern und deshalb hatte ich ein paar Mal zu den tresenstehenden Gästen gesagt: „Ich weiß nicht, was mit meinen Augen los ist. Laufend tränen die ohne besonderen Grund. Ich sollte wirklich mal einen Termin beim Augenarzt machen.“. Der wahre Grund geht diese Leute ja nichts an und um mein Wirtegesicht zu wahren, musste ich ihnen ja schon was sagen. Als Elke für ein paar Gäste Zigeunerschnitzel fertig gemacht hatte und ich in die Küche kam um ihr beim Servieren zu helfen – Wir waren also für diesen Moment mal unter vier Augen – sagte sie mir: „Du Schatz, musst Du auch immer an Heike und Björn denken?“. Ich bestätigte ihr dieses und sagte ihr dazu, dass mir deshalb laufend die Tränen kämen. Darauf sagte sie mir, dass sie auch ein solches Gefühl habe und ihr deshalb eigentlich auch zum Heulen gewesen wäre. Später erfuhren wir, dass unser Junge zur gleichen Zeit bei Karin gesessen hat und sich bei ihr wie ein kleiner Junge ausgeheult hat.
Jetzt werden einige Leute über uns lächeln und sagen was denn an einer Scheidung zum Heulen sei. Für immer mehr Menschen sei doch inzwischen die Scheidung ein Fest zum Feiern. Es gäbe doch schon viele Leute die auf den Gerichtsfluren über die wiedergewonnene Freiheit die Sektkorken knallen ließen. Na Leute, da kann ich euch leider nicht so richtig folgen. Eine wahre Partnerschaft ist doch eine Einheit in der zwei Individuen zusammengewachsen sind. Wenn man eine Einheit zerreißt ist das stets schmerzhaft und kein Grund zum Feiern, es sei denn, man wäre nie zu Partnern geworden und habe nur mal vorrübergehend bei der Versteuerung die Splittingtabelle in Anspruch genommen. Und von wegen Freiheit. Da kommt es doch ganz darauf an was man unter diesem Begriff versteht. Wenn man unter Freiheit die Möglichkeit stets spontan nach egoistischen Interessen handeln zu können versteht, hat man sicherlich damit recht, wenn man sagt, dieses würde einem durch eine Partnerschaft genommen. Wer so denkt, sollte sich dann aber gar nicht erst zu einer Ehe entschließen. Wer aber unter Freiheit die Möglichkeit zur freien Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit versteht, dürfte mit mir die Ansicht teilen, dass durch die Aufteilung des Lebensweges auf zwei Partner soviel Freiraum geschaffen wird, dass man sich dadurch erst recht entwickeln und entfalten kann. Ich glaube, dass man bei einer richtigen Partnerschaft von einem Zugewinn an Freiheit sprechen kann. Und genau das, wird ja bei einer Scheidung endgültig zerstört. Na ja, der Scheidungstermin steht in der Regel am Ende des Weges, die eigentliche Zerstörung hat ja in der Regel schon viel früher stattgefunden oder eine wahre Partnerschaft hat es schon von Anfang an nicht gegeben. Auch zum eigentlichen Zeitpunkt, an dem der Scheidungstermin angesetzt war, funktionierte diese unerklärliche sprach-, leitungs- und funkstreckenunabhängige Kommunikation innerhalb der Familie Wolf, von der ich zuvor berichtete. Elke und ich waren gerade in der Fleischabteilung eines Großmarktes um uns mit Grillwürstchen und –fleisch für unsere Gartenwirtschaft einzudecken als Elke mir sagte: „Du Reiner, ich habe ständig das Gefühl als müsse ich Karin anrufen und weiß gar nicht warum.“. „Komisch,“, erwiderte ich ihr darauf, „ich habe gerade daran gedacht, dass wir diese Woche noch gar nicht mit Düsseldorf gesprochen hätten. Wir sollten heute Abend, wenn wir dicht gemacht haben, mal wieder zum Hörer greifen.“. Was in dieser Zeit wirklich ablief wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht; woher auch? Das erfuhren wir erst am Nachmittag als wir gerade die Kneipe aufgemacht hatten. Etwa fünf Minuten nach Fünf kamen an diesem Donnerstag die ersten Gäste in die Gaststube. Und was das für Gäste waren. Die Tür ging auf und Björn stand da mit strahlendem Gesicht und Sara auf dem Arm und tönte „Hei, da sind wir“ und hinter ihm drängte eine ebenfalls strahlende Heike ins Innere. Die Scheidung war ausgefallen und sollte nach dem Willen des jungen Ehepaares auch nicht wiederholt werden. Bevor wir uns von dieser Überraschung, die uns die Freudentränen in die Augen trieb, erholt hatten, fuhr Björn mit seinem „positiven Psychoüberfall“ fort: „Also, wir wollten nur mal anfragen ob wir hier bis Sonntag Unterschlupf finden können. Wir wollten nämlich morgen Heikes Hausstand in Ehrenberg auflösen. Was wir für diese paar Tage brauchen haben wir schon einmal mitgebracht ... das ist aber noch draußen im Wagen. Ihr müsstet mir mal euer Enkelkind abnehmen, damit ich alles rein holen und nach Oben bringen kann.“. Heike ergänzte noch keck: „Entschuldigt, dass wir erst jetzt hier sind aber wir mussten erst einmal in Düsseldorf meine ausgeflippte Mutti wieder auf den Teppich zurück holen.“. Als sie das sagte, erschien sie mir wieder ganz die alte Heike, die ich, dank ihres fröhlichen netten Wesens, so liebte, zu sein. Sowohl Elke wie auch ich hätten ab diesem Moment die Kneipe für den heutigen Tag am Liebsten zugelassen, aber das schöne Wetter machte uns zunächst einen Strich durch die Rechnung, denn ich hatte gerade unsere Sara auf dem Arm als sich die ersten Gäste im Garten niederließen. Jetzt kam auch wieder etwas, was ganz und gar der alten Heike entsprach. Als sich Björn zu seinem Wagen begab um deren Taschen herauszuholen, tönte Heike munter „Mal sehen ob ich noch servieren kann“ und schwupp war sie schon draußen bei den Gästen im Garten. Jetzt hatten wir bis um Sieben, obwohl es ein Tag mitten in der Woche war, reichlich zutun und Heike, wie auch Björn, mischten in der Kneipe fröhlich mit als hätten sie einen richtigen diesbezüglichen Nachholbedarf. Nur Elke, die Oma, wurde aus dem Geschäft genommen. Sie war mit ihrem Enkelkind Sara nach Oben in die Wohnung verschwunden. So gegen Sieben zeigte sich das Wetter uns, die wir jetzt gerne im Familienkreis zusammen gesessen hätten, gegenüber gnädig. Es zogen dunkle Gewitterwolken auf und den Gästen wurde es im Garten zu uselig. Sie gingen aber, in diesem Fall zum Glück, nicht in das Gaststätteninnere sondern nach Hause. Da habe ich dann kurzerhand schon kurz vor Acht dicht gemacht und die Familie zu einem, hinter waren es sogar drei, Fläschen des besten Weines, den wir im Haus hatten, im Wohnzimmer zusammengetrommelt. Jetzt erfuhren wir was sich am Morgen beim Amtsgericht abgespielt hatte. Heike, die Sara mal wieder bei Katharina Köhler in Obhut gegeben hatte, war als erste, schon zwanzig Minuten vor dem Termin, erschienen. Aber bereits fünf Minuten später traf Björn ein und wusste jetzt, wo er seine Frau erblickte, nicht wie er sich verhalten sollte. Heike sagte er sei ganz schüchtern näher geschlichen, wie ein pubertierender Junge zum ersten Rendezvous.. Da ist sie dann kurz entschlossen lächelnd auf ihn zugegangen und hat ihn wie in alten Zeiten mit „Hei Björni“ begrüßt. Der junge Mann war ganz verblüfft weil nun zum ersten Mal seit langer Zeit der Kosename, den sie ihm selbst gegeben hatte, gefallen war und antwortet vollkommen durcheinander gebracht mit „Hei Heikelein“. Als ihm bewusst geworden war, was da gerade gelaufen war, fragte er: „Du Heikelein,
sollen wir jetzt nicht das Ganze abblasen und noch einmal von vorne anfangen?“. Heike soll zum Boden geschaut und dann gesagt haben: „Das wäre wohl das Vernünftigste. Ich glaube wir warten noch bis meine Anwältin beziehungsweise dein Anwalt kommt und sagen denen, das außer Kosten nichts gewesen sei und gehen dann erst einmal zu Mutti um ihr zu berichten, dass die Welt noch nicht untergegangen ist.“. Jetzt muss es eine für die Örtlichkeit seltsame Szene gegeben haben, denn Björn nahm spontan seine Frau in die Arme und die Beiden knutschten erst einmal wie wild miteinander. Just in diesem Moment traf Heikes Anwältin ein und durchblickte offensichtlich sofort was nun Sache war. Sie stellte sich neben das Paar, dass sich, als sie dieses bemerkten, voneinander lösten und sprach Heike an: „Guten Morgen Frau Wolf, wenn ich das richtig sehe soll ich gleich zum Richter reingehen und erklären dass das Scheidungsverfahren eingestellt werden soll, weil sie ihr Scheidungsbegehren zurückziehen und sich ihr Gatte dieser Sache anschließt.“. „Richtig, Frau Doktor,“, antwortete Heike, „ich kann mich nicht scheiden lassen weil ich meinen Mann immer noch über alle Dinge liebe.“. Das war jetzt zuviel für Björn und er musste vor Freude weinen, was er dann auf den Schultern seiner von ihm immer noch heiß geliebten Frau auch machen konnte. Nachdem Björns Anwalt auch erschienen und informiert worden war, konnte das, nun von der Scheidung kurierte Paar von dannen ziehen. Was noch zu erledigen war bewerkstelligten die Juristen unter sich. Für Björn und Heike bleibt nur noch die Abschlussrechnung und die Bezahlung der Summe, die nicht durch die Vorschüsse abgedeckt waren. Sie hatten ja schon fröhlich im Vorhinein gelöhnt, so dass ich mal annehme, dass nicht mehr viel oder gar überhaupt nichts mehr fällig war. Davon haben Elke und ich dann jedoch nichts mehr gehört, denn wir hatten schließlich unsere Lektion gelernt: Wir hielten uns ab jener Zeit mehr als strickt aus allen Dingen, die nur Heike und Björn etwas angehen heraus. Natürlich geben wir, wenn wir ausdrücklich um Rat gefragt werden, auch die gewünschte Auskunft – mehr aber auch nicht. Aber bei den Angelegenheit, zu denen unser Rat erwünscht wurde, war bis heute aber kein Konfliktfall unter dem jungen Paar. Das dürfte aber daran liegen, dass es bei den Beiden wohl noch Alltagskonflikte aber nichts Größeres mehr gab. Heikes und Björns erster, nun wieder gemeinsamer Weg führte sie ins Hotel zu Karin. Auch da sind sie mit ihrem Spruch „Hei, da sind wir“ angetreten und auch Karins Verblüffung entsprach der unserigen. Die so verblüffte wollte, als sie sich von ihrem Freudenschock ein Wenig erholt hatte, gleich bei uns anrufen. Sie wurde jedoch vom wiedervereinten Paar gebeten dieses bitte nicht zu machen, damit sie auch bei uns mit ihrer „Hei, da sind wir“-Show auftreten könnten. Na, dann folgte im Hotel erst einmal der Bericht, so wie wir ihn auch am Abend erhielten und Karin anschließend konnte ihren Plan, den sie uns ja schon bereits etwas früher für den Fall einer platzenden Scheidung offeriert hatte, auch den Beiden verkünden. Das heißt, dass sie erklärte, dass sie künftig das Hotel nur noch hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Belange begleiten will, was nach ihrer Ansicht einen ständigen Aufenthalt im Hotel nicht notwendig macht. Obwohl Heike und Björn noch jung sind sollen sie fortan das Haus selbstständig und alleine führen. Sie scherzte. „Also Kleines, du bist jetzt die Chefin und hältst dich ein Bisschen daran, was dein Geschäftsführer und Ehemann für richtig hält.“. Karin selbst will sich jetzt etwas außerhalb von Düsseldorf erst eine Wohnung und dann einen Mann für den dritten Lebensabschnitt suchen. Aber jetzt machte sie erst noch einmal von ihren Kompetenzen als Seniorchefin gebrauch und verordnete den Jungschern erst einmal Urlaub für die zweiten Flitterwochen. Von diesem Belohnungsurlaub für das Ausfallen lassen wollte die junge Familie Wolf das erste verlängerte Wochenende bei uns verbringen, um unter anderen Heikes Ehrenberger Wohnung aufzulösen. Danach wollten sie dann noch eine oder zwei ruhige Wochen entweder im Sauerland oder im Bergischen, wo sie in Kürze noch was bekommen könnten, verbringen damit sie sich als Familie zusammen finden. Das Wort „wieder“ wäre an dieser Stelle nicht angebracht, denn als Familie, also auch mit Tochter Sara, waren sie ja noch nie zusammen. Nachdem der aktuelle Teil der Scheidungsberichterstattung abgeschlossen war konnte Karin es nicht lassen, sich nach dem Gesamtverlauf in Heikes Entwicklung von dem auslösenden Vorfall bis zur abgeblasenen Scheidung zu erkundigen. Heike war auch sofort bereit, den gewünschten Report zu liefern: „Mama, mit deiner Frage habe ich gerechnet. Die hat Mutti heute auch schon gestellt und ich wollte sie gleich schon unaufgefordert beantworten. Was ich erst gedacht habe als ich erfuhr das eine Andere, sprich Katha, von Björn schwanger war kannst du dir leicht selbst vorstellen, denn was war denn als du erfuhrst, dass ich von deinem Mann geschwängert worden bin. Sicher kannst du dir auch vorstellen, dass die ganze Angelegenheit beim besten Willen nicht durch die Tatsache gefördert worden ist, dass Björn es sogar mit meiner eigenen Mutter getrieben hat. Auf den Gedanken mir an die eigene Nase zu fassen bin ich damals nicht gekommen. Dazu hätte ich aber allen Grund gehabt, denn was ich mit seinem Vater gemacht habe, ging doch ehrlich zugegeben, einen Schritt weiter.“. Da wurde sie von Elke unterbrochen: „Ach, ich weiß nicht. Deine Motivation war doch wohl das Schicksal der Kinderlosigkeit abzuwenden, denn ...“. Sie konnte ihre Ausführungen nicht zu Ende führen, da Heike gleich einhakte: „Mama, sei mal ehrlich, hast du mir die ‚edle’ Motivation wirklich uneingeschränkt abgenommen oder hast du ...“. Jetzt konnte Heike ihren Satz nicht zuende führen, denn jetzt war Elke gleich wieder am Ball: „Nein, die habe ich dir von vornherein nicht abgekauft, da du es schon von Anfang an auf die Verführung von Papa angelegt hast. Frag Papa, ob ich ihn nicht bereits vorher ermahnt habe, dass er sich am Riemen reiße, dass er immer daran denke solle, dass du seine Schwiegertochter bist. Sei mir nicht böse, aber du
bist dabei auch irgendwo mit deiner eigenen Lust durchgebrannt.“. Heike senkte etwas den Kopf und sagte: „So ist es. In meiner schmutzigen Fantasie habe ich mir immer, schon als Jugendliche, vorgestellt wie das ist, wenn man noch einen noch gutaussehenden älteren Mann verführt ... und Papa entsprach und entspricht immer noch dem Typen aus meinen heißen Träumen. Also kannst du beruhigt das, was Björn und Mutti gemacht haben dem gleichsetzen, was ich mit Papa gemacht habe. Und auch die Sache mit Katha fällt in die gleiche Kategorie. ... Aber willst du jetzt Aufrechnungen ‚ich habe nur ein Mal und du hast zwei Mal gesündigt’ anstellen?“. Jetzt musste sich auch Björn einmischen: „Ach, wir sollten es jetzt nicht mit den Klappermännern (sein Schimpfwort für Psychologen und Psychotherapeuten) halten und nach den Einfällen des Wiener Romanciers Siegmund Freud tief im Gestern bohren. Damit kann man nur alte Wunden wieder weit aufreißen. Geboten ist es grundsätzlich nur den Leuten zu sagen: ‚Schreib dir hinter die Ohren wie du auf die Nase gefallen bist, damit es nicht noch einmal passiert. Aber dann, wenn du einmal ‚Aua’ gesagt hast, muss du wieder aufstehen und weitergehen. Siehe, das ist der Weg’. Deshalb sollten wir jetzt das schmutzige Wäsche waschen rauslassen. Mäuschen, du kannst ja ruhig von deinen Überlegungen ‚Scheidung oder keine Scheidung’ berichten aber was die Ursachen anbelangt sollten wir uns darauf verständigen, dass wir alle, außer Mama, einen Riesenscheiß gebaut haben und dass wir wohl alle mächtig daraus gelernt haben ... Und damit jetzt einfach Schluss.“. Ich wunderte mich bei dieser Gelegenheit richtig über die philosophische Ader meines Sohnes, die ich so von ihm nicht kannte, aber die ich in der Aussage voll unterstreichen kann. „Du hast ja recht, Björni,“, sagte Heike, während sie ihren „wiedergewonnenen“ Gatten von der Seite anlächelte, „ich habe auch kein Interesse daran wieder alles aufzurühren. Was ich eigentlich nur sagen wollte, war dass ich es mit der Scheidung ursprünglich durchaus ernst meinte. Da war dann Mutti, die glaubte nicht auf dich verzichten zu können und deshalb musste ich die Kröte schlucken, dass du dann doch wieder im Hotel auftauchtest und daraufhin beabsichtigte ich dich von dort wieder wegzumobben. Das mit dem Mobbing klappte aber nicht so wie ich mir das dachte, denn du bekamst nach jeder Attacke meinerseits wieder Trost und Deckung von Mutti. Die baute dich, heute sage ich zum Glück, immer wieder auf. Mir war schon bewusst, was da in Wirklichkeit lief wenn du bei ihr warst. Es war ja alles zu auffällig: Ich hatte gerade etwas gemacht und schwupp warst du schon wieder bei Mutti verschwunden. So ging es aus meiner Sicht nicht. Wenn du nicht gehst, dann muss ich gehen, dachte ich damals. Mein Problem war nur, dass Saras Geburt kurz bevorstand und ich nicht wusste, ob ich danach irgendwelche Hilfe brauchte. Da wusste ich erst nicht wohin. Das Einzigste was mir dazu einfiel war nur erst einmal hier bei deinen Eltern unterzutauchen. Aber dafür brauchte ich einen Vorwand. Ich wollte mich ja zunächst einmal nur vor dir ‚schützen’. Da habt ihr mir dann eine ‚Superchance’ geliefert. Ich hatte dir ein paar geknallt und du liefst prompt zu Mutti. Ich konnte dir sogar ohne Tarnung folgen, so verwirrt warst du in diesem Augenblick. Und als ich dann mitkam, dass Mutti dir von Innen zurief das sie sich erst mal etwas überziehen müsse weil sie gerade unter die Dusche gewollt hätte, sah ich meine Stunde gekommen und ihr wisst, dass ich davon auch in einer, ehrlich gesagt, fiesen Art Gebrauch gemacht habe. Alles war zu jener Zeit von mir gespielt und verlogen, nur mein Scheidungswille war echt.“. Jetzt unterbrach sie erst einmal, schaute abwechselnd erst Elke und dann mich an und sagte etwas leise „Entschuldigt, das hattet ihr nicht verdient“, bevor sie fortfuhr: „Dann habe ich auch, als ich die Wohnung in Ehrenberg und Katha als Babysitterin hatte, gleich die Anwältin, bei der ich mich vorher schon erkundigt hatte, aufgesucht, damit diese die Scheidung einreichen sollte. Das war gerade erledigt als ich echt das Gefühl eine Spinnerin zu sein bekam. Ich hatte die feste Absicht mich scheiden zu lassen und hatte vor der Scheidung furchtbare Angst, weil ich glaubte das Zweitwichtigste, was ich im Leben habe – an erster Stelle steht Sara – zu verlieren. Mir wurde bewusst, dass ich Björni noch immer liebe und eigentlich nicht von ihm los komme. Dann kam Björnis Unfall und da war es schon vorbei und ich wusste, dass ich wieder zu ihm zurückkehre. Da habe ich mir dann zur eigenen Sicherheit, ich wollte keine Fehler aus meiner Spontaneität mehr begehen, selbst eine Bedenkzeit bis zum Scheidungstermin verordnet. ... Und was dabei heraus gekommen ist, das habt ihr ja heute gesehen. Jetzt will ich mit meinem Björni glücklich sein und auch für immer bleiben.“. Nach dieser Offenbarung von Heikes Gefühlswelt in dieser dunklen Zeit saßen wir dann, jedes Paar für sich Arm in Arm, auf der Couch und ließen noch einmal alles was geschehen war im lockeren und netten Gespräch Revue passieren und glaubten wieder einmal das Happy End erreicht zu haben. In solchen Momenten glaubt man immer alles was einen belastete hinter sich gebracht zu haben und das es jetzt nur noch auf positiven Wogen weitergehen kann. Aber das ist genau betrachtet lebensfremd; im Leben geht es immer auf und ab. Nach jedem Hoch folgt wieder ein Tief. Was allerdings unseren Sohn und unsere Schwiegertochter anbelangt kann ich jetzt von keinen weiteren Tiefs berichten. Nach diesem Wochenende, innerhalb dessen sie auch Heikes Wohnung in Ehrenberg auflösten und sich auch von Köhlers „verabschiedeten“, fuhren sie, des Gepäckes wegen, erst einmal nach Düsseldorf und dann zum 14-tägigen Familienurlaub ins Sauerland. Als sie aus diesem zurückkamen hatte Karin für sich schon eine Bleibe außerhalb des Hauses, und zwar in Köln, gefunden und so konnten sie nach einer kurzen Übergangsphase das Hotel als die alleinigen „Herren“ führen, was sie laut Karin, die sich wie angekündigt weiterhin um die wirtschaftlichen Belange des Hotels kümmert, wirklich mit Bravour machen.
Ansonsten führen sie ab jenen Zeitpunkt ihr eigenes Leben, in dem Mutti, Mama und Papa kein Platz zum Mitmischen mehr haben. So etwa alle 14 Tage führen wir mal Telefonate miteinander und zu diversen Anlässen besuchen wir uns gegenseitig aber das Aufeinanderhängen wie in der Vergangenheit gibt es nicht mehr. Wenn ich eben schrieb, dass ich bei denen von keinen weiteren Tiefs berichten kann, trifft dieses auf Hochs nicht zu. Ein ganz besonderes wartet im Rest der Geschichte noch auf uns. Allerdings ist dieses nicht der Grund warum ich noch ein Weilchen weiter schreibe, das ist vielmehr ... Ach, alles zu seiner Zeit. Blättern Sie ruhig um und lesen noch ein Weilchen weiter um zu erfahren, was noch alles auf einen Tagedieb namens Reiner Wolf zukommt.
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Der Tag der beredeten Sprachlosen Am 31. August 2001, einem Freitag, fand im Grünen Baum noch ein letztes Mal ein richtiges KampftrinkerFestival statt. Offiziell nannten wir diese Veranstaltung salopp „Fass leer saufen“. Jeder der daran teilnehmen wollte musste nur einmalig einen „Heiermann“, wie man früher die Fünfmarkstücke (etwa 2,56 €) nannte, zahlen und konnte dafür so viel trinken wie er wollte. Die natürliche Grenze die wir gesetzt hatten, war dass das letzte angeschlagene Fass Bier leer gezapft war. Ein neues würde nicht mehr angeschlagen werden. Auch diverse Spirituosen waren je nach Geschmack im Heiermann-Preis eingeschlossen. Die angebrochenen Flaschen sollten ebenfalls leer werden. Was anderes war auch nicht mehr da, denn schon im Laufe des Tages hatte ein Kollege aus Heimar alle noch nicht angebrochen Flaschen und was wir an Weinvorräten hatten zu einem guten Pauschalpreis übernommen und gleich mitgenommen. Die Brauerei hatte auch bereits das eine, noch nicht angeschlagene Bierfass zurück genommen. Wer etwas Essbares haben wollte, sollte allerdings in die vollendens leere Röhre schauen, denn schon zwei Tage vorher hatten wir die letzten diesbezüglichen Vorräte aufgebraucht. Man konnte also von einem Totalausverkauf wegen Kneipenschließung sprechen. An diesem Tage sollten nun also in der Kneipe die Lichter für immer ausgehen. Wenn zu Ostern 2002 wieder ein Geschäftsbetrieb aufgenommen wird, sollte es im Hause „Familie Wolf, Pension und Ferienwohnungen“ keinen öffentlichen Kneipenbetrieb mehr geben. Allerdings müssten wir dann etwas für unsere Feriengäste bereit halten, denn mit dem Grünen Baum war das Letzte, was mit Infrastruktur zutun hat, gestorben. Zum letzten Mal wurde es an diesem letzten Augusttag für uns im Geschäft spät; erst nachts um halb Drei schwankten die letzten Gäste heimwärts. Das Wochenende bescherte uns trotz geschlossener Kneipe noch mal richtig Arbeit. Wir mussten den Hausrat und unseren persönlichen Bedarf zusammenpacken, Möbel abbauen und so weiter, und so weiter. Also alles das, was Umzugsfreaks so sehr lieben aber für mich einen absoluten Horror darstellt. Wir mussten auch alles was wir unser Eigen nannten in drei Gruppen einteilen. Einmal alles das, was wir in unserer „Notunterkunft“ während des Umbaues brauchten. Dann waren da die Dinge, die auf ein Möbel- und Umzugsgutlager kommen sollten und letztlich war da alles, was im Zuge der ersten Umbauaktionen entrümpelt werden sollte. Am Montag, dem 3. September 2001, schaffte eine Möbelspedition die Dinge die zur Gruppe Eins und Zwei gehörten dahin, wo wir sie hin bestimmt hatten. Das, was wir in unserem Übergangsdomizil brauchten, war nicht besonders viel. Lediglich unsere persönlichen Sachen und ein Teil des Hausrates sowie allerlei Akten mussten mit ins neue Heim, da es sich um eine Jagdhütte, die eine gut ausgestattete 3½-Zimmer-Wohnung umgab, handelte. Diese war im Besitz unsere Architekten, der uns diese gegen einen günstigen Mietpreis für die Umbauzeit zur Verfügung gestellt hatte. Na ja, einen solchen Umbauerservice findet man nicht überall, wir gehören halt zu den Glückspilzen. Diese Hütte hat ja eine ganz romantische Lage in Wannebachtal-Rainberg, direkt am Wannebach, am Fuße eines bewaldeten Berghanges gelegen. Auf der betreffenden Ostseite des Flusses gibt es nur zwei menschliche Ansiedlungen: Einen Bauernhof und eben diese Hütte. Zum Bauernhof führt eine alte, nur einspurig befahrbare Brücke und von dort aus geht es über einen, mit einem Pkw noch gut zu befahrenen, Waldweg zu der etwa ein Kilometer entfernten Hütte. Soweit kam der Speditions-Lkw natürlich nicht und deshalb wurden unsere Sachen, nach vorheriger Zustimmung des Bauern, eines Verwandten unseres Architekten, auf dem Hof abgeladen und von uns selbst mit unserem, immer noch munter laufenden Altwagen, nur etwas über zehn Jahre alt, zu unserer Bleibe gekutscht. Elke hatte schon bei der Besichtigung gesagt, dass wir im Winterhalbjahr immer an ausreichend Vorräte denken müssen, denn sonst könnten uns mal ein paar Schneetage – mehr ist in unseren Breiten ja eher unwahrscheinlich – in eine peinliche Versorgungslage bringen. Ja wohl, wir zogen uns für etwas mehr als ein halbes Jahr in die Einsamkeit zurück. Na ja, für eine befristete Zeit ist das ja sogar mehr als schön und romantisch aber auf die Dauer hätte ich dort nicht wohnen wollen. Aber jetzt konnten wir ja, denn nicht nur mich sondern jetzt auch Elke durften nun zu den echten Tagedieben gerechnet werden. Außer mal ab und zu nach unserem Umbau zu schauen und Einkaufen hatten wir eigentlich nichts zutun. Allerdings waren wir zwar jenseits des Wannebachs aber nicht für die Zivilisation verloren. Wir hatten elektrischen Strom und Gasanschluss sowie eine Leitungswasserversorgung. Mit dem Gas wurde die Heizung, die uns auch mit fließenden warmen Wasser versorgte, betrieben. Einen Telefonfestnetzanschluss hätten wir natürlich auch bekommen können aber für die kurze Zeit wollten wir uns aber mit dem teueren Späßchen Handy begnügen. Das ist auch so eine Sache die ich nicht verstehe. Ein Festnetz ist doch im Unterhalt und bei den laufenden Kosten um ein mehrfaches teuerer als ein Mobilfunknetz und trotzdem sind Handygebühren wesentlich höher als die im Festnetz. Na ja, die Investitionen und die Dummenfangpreise für Handys bei der Vermarktung von Zwei-Jahres-Bindungen müssen irgendwo wieder reingeholt werden und das Festnetz wurde ja mit des Steuerzahlers Hilfe in 125 Jahren aufgebaut – Sorry, im Jahre 2001 waren es erst 124 Jahre. Aber trotzdem, wenn wir erst mal wieder in Elfenwiese zurück sind, werden wir das Handy wieder zu einem Telefonzellenersatz zurück verwandeln. Auch die festnetzlose Einsamkeit konnte uns nicht zum Abschluss eines
Vertrages bewegen; wir blieben trotz der hohen Gebühren für die Gespräche bei der Prepaint-Karte, die sich auf Dauer doch besser rechnet. Grundgebühren und gegebenenfalls Mindestumsatz fallen auch dann an, wenn man das Dingen gar nicht nutzt – und das ist bei uns im Normalfall oft über Wochen die Regel. Für Elke und mich war in der ersten Zeit die abgeschiedene Zweisamkeit wunderbar. Was heißt hier in der ersten Zeit, das blieb es bis zum letzten Tag. Nur am Anfang war da auch noch zusätzlich der prickelnde Touch des Neuen. 24 Stunden am Tag fernab vom Alltag und der Geschäftigkeit, nur von Ruhe und seiner Partnerin umgeben zählt wirklich zu den erlesenen Erlebnissen. Das sage ich so locker aber vielen Menschen, ich glaube sogar der Mehrheit, ist so etwas ein Graus; sie drehen ohne lärmende und hektische Umgebung durch. Das sieht man ja deutlich an den Weihnachtstagen, an denen sich die meisten Menschen aus Tradition Ruhe und familiäre Rückgezogenheit verordnen. An keinem Tag im Jahr soll es mehr Familienstreitigkeiten und ausbrechende Rosenkriege geben wie an diesen Tagen. Aber bei Elke und mir hat die lärmende Welt noch keine Nerven- oder Psychenschädigung ausgelöst. Uns verleitete die Ruhe zum Schmusen, Träumen und zu vielen, vielen, mal anregende und mal unterhaltende, Gespräche. Radio hatten wir ab und an mal an und Fernsehen nur höchst selten, höchstens nur zwei Mal die Woche. Na ja, das lief bei uns früher ja auch kaum. Tagsüber hatten wir in der Vergangenheit daran kein Interesse und wann kommt ein Gastwirtpaar des Abends schon mal dazu sich vor die Glotze zu setzen. Auf diese Art und Weise bekamen wir auch am „Tag der beredeten Sprachlosen“ erst spät, und das noch aus anderem Anlass, mit was da die Welt verändert haben sollte. Sie können sich doch sicher denken, von welchem Tag im Jahre 2001 ich spreche? Ich meine den Tag wo jeder, den die Fernsehfritzen vor Kamera und Mikrofon kriegen konnte, mit vielen Worten erklärte, dass er sprachlos sei und ab sofort nichts mehr so sein würde wie es einmal war. Sicher ich rede von jenem 11. September, der später von der Gesellschaft für die deutsche Sprache, zum Begriff des Jahres 2001 erklärt werden sollte. Was haben da die „Sprachlosen“ alles zusammengeredet. Man fürchtete den Kampf der Kulturen, vom schrecklichbösen Islamismus, man spekulierte über die Auswirkungen des Geschehens auf die Tempel der Mammonisten, sprich auf die Börsen, und man dachte über eventuelle Vergeltungsschläge nach. Aber über die Ursachen und Gründe warum so viele irgendwelchen kriminellen und fanatisierenden Rattenfängern nach laufen dachte offensichtlich keiner nach. Ein Hitler, ein Stalin, ein Saddam Hussein und ein Osama Bin Laden können die Verbrechen, die sie begangen haben beziehungsweise begehen nicht alleine begehen. Sie brauchen viele, viele Helfer und die müssen sie irgendwo rekrutieren. Sie brauchen, wie uns die Ereignisse von New York und Washington zeigen, sogar Leute, die bereit sind für diese fanatischen Ideen mit ihrem eigenen Leben zu bezahlen. Wir machen den Fehler immer auf die uns namhaften Leute an der Spitze, also auf die Rattenfänger, zu sehen aber wir sollten besser nach Unten, auf die vielen kleinen Leute die ihren Verführern folgen, schauen, dann wüssten wir auch, wie wir solche bösen Sachen auch in Zukunft vermeiden können. Mit dem Kriegsgeheul „Kampf dem Terrorismus“, „Kreuzzügen“ oder „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ kann man das Böse nicht verhindern sondern es nur fördern. Auge um Auge ist nur das Auslösen einer immer heftigeren und grausamen Kettenreaktion. Wenn man nach Unten auf die Mitläufer der großen Verbrecher schaut weiß man wo man ansetzen muss. Sind die etwa dabei, weil es auf der Welt so gerecht zugeht? Sind die etwa dabei weil die Güter und Ressourcen so gerecht aufgeteilt sind, dass niemand verhungern muss? Sollten wir nicht besser mal darüber nachdenken ob es zur Globalisierung doch noch eine Alternative gibt? Muss es wirklich sein, dass ein Zehntel der Menschheit alles hat und der Rest von den Brosamen, die von des Herren Tisch fallen, leben muss? Ist es richtig, dass 6% der Menschen 59% des gesamten Weltreichtums besitzen, 80% aller Menschen keine ausreichenden Wohnverhältnisse haben? Können wir wirklich nichts dagegen tun, dass 70% aller Menschen Analphabeten und 50% unterernährt sind? Kann man sich da noch wundern, wenn da Massen einem falschen Messias, von dem sie sich eine Beendigung ihre unwürdigen Daseins versprechen, nachlaufen? Nicht das ich jetzt falsch verstanden werde. Ich verurteile die widerwärtigen Massenmorde von New York und Washington als gräuliche, Menschen verachtende und durch nichts zu rechtfertigende Taten. So etwas ist weder mit christlicher noch mit islamischer Religionsauffassung in Übereinstimmung zu bringen. Sowohl in der Bibel wie im Koran heißt es: „Du sollst nicht töten“. Wie können die Leute dann paradoxer Weise daran glauben, dass sie durch solche Morde auf dem direkten Wege ins Paradies gelangen können? Im Koran wird solches zwar denjenigen, die für Allah sterben, verheißen aber im gleichen Buch heißt es auch, dass derjenige, der nur einen Menschen töte, die ganze Menschheit töten würde und Allah würde es ihm vergelten. Zwischen der Bereitschaft für meinen Gott zu sterben und andere zu töten ist doch wohl ein riesiger Unterschied; der Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Sowohl die islamische Auffassung kann man doch wohl nur defensiv verstehen. Ich muss bereit sein für meinen Glauben Verfolgung und auch den Tod auf mich zu nehmen, dass ich aber angreifen soll, kann man in beide Religionen nicht hinein interpretieren. Also, wenn ich im vorhergehenden Absatz mal nach den Ursachen des Hasses und nach Möglichkeiten diesen abzubauen fragte, wollte ich bestimmt nicht die üblen Verbrechen vom 11. September 2001 gutheißen. Aber ich wollte sicher auch nicht das, wie man darauf reagierte. Es gibt keine Rechtfertigung um Böse zutun aber auch keine um Böses mit Bösem zu vergelten. Kreuzzüge sind
keine Kämpfe im Namen Gottes sondern gegen die Menschen und Gottes Willen. Das Töten eines Gegners und das Anrichten von Kolateralschäden ist, gleichgültig auf welcher Seite man steht und wie gerecht uns die Sache erscheint, gleichgültig ob wir Terroristen sind oder gegen sie kämpfen, nur Mord. Obwohl das Grausame so gegen 15:00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, in New York war es sechs Stunden früher, passierte erfuhren Elke und ich erst kurz vor Sieben am Abend von dieser Sache. Elke und ich hatten an diesem Dienstag die Umgebung um unsere Rainberger Hütte Spazieren gehender Weise erkundet und selbst darüber gestaunt, was wir uns nach all den vielen Jahren, die wir nun zusammen waren, alles noch zu erzählen hatten. Dabei hatten wir kein Radio mit und bekamen auch kein Fernsehen zu sehen. Begegnet ist uns auch niemand. Ja, so ist es möglich, dass man den Weltuntergang doch glatt verpasst. Es war dann tatsächlich kurz vor Sieben als mein Handy mich mit Radau und Vibration dazu aufforderte die grüne Taste zudrücken. Am anderen Ende war Björn: „Mensch Papa, warum verheimlichst du deinen Freunden deine Handynummer. Hätte Rainer Köhler diese gewusst, hättest du deinen Freund und Pastor schon vor einer halben Stunde am Ohr gehabt. Der wollte dir nämlich mitteilen, dass mein Sohn Johannes, den er als den seinigen ausgeben will, das Licht der Welt erblickt hat. Gratuliere Opa. Aber jetzt Spaß bei Seite. Wir sollten im Interesse aller bei der Sprachregelung bleiben die wir vereinbart haben. Aber Johannes ist an dem Tag, an dem die Apokalypse über New York ausgebrochen ist, geboren. Sein Geburtstag wird immer ein historisches Datum bleiben.“. Das Katharina Köhler jetzt ihren vierten Sohn geboren hatte und sie damit vom Namen her jetzt die Evangelisten in ihrer Familie vervollständigt hatte, war mir klar aber was das mit der Apokalypse zutun haben sollte, verhüllte sich für mich noch in undurchsichtigen Schleierwolken. Folglich fragte ich Björn erst einmal danach und wurde erst jetzt von dem schrecklichen Geschehen informiert. Natürlich sorgte ich jetzt erst einmal dafür, dass sich nun mein Prepaint-Konto ein Wenig abbaute und rief erst mal bei Rainer Köhler in Ehrenberg an. Ich machte die tolle Erfahrung, dass sich ein gehörnter Ehemann tatsächlich sogar riesig über die Früchte aus dem Seitensprung seiner Frau freute. Geistig hatte er schon vor der Geburt Johannes wie einen leiblichen Sohn angenommen. Zu seiner Freude hat es keine Komplikationen bei der Geburt gegeben und Mutter und Sohn wären wohlauf. Wenn nichts dazwischen käme, könne er Katharina und Sohn schon am kommenden Samstag aus dem Krankenhaus abholen. Das wäre ja ganz trefflich, denn dann könnten wir ja, wenn wir am Sonntag zum Gottesdienst kämen gleich mal für ein Stündchen bei Ihnen reinschauen. Er entschuldigt sich dafür, dass es nur ein Stündchen sein könne, weil er und seine Familie um Eins bei seinen Schwiegereltern zu Mittag eingeladen seien. Bei dieser Gelegenheit fragte ich ihm ob Katharinas Eltern von den wahren Hintergründen um Johannes Existenz wüssten. Darauf bestätigte er mir, dass diese, wie seine eigenen Eltern auch, die Wahrheit im vollen Umfang kennen würden und diese zuvor auf Katharinas Geständnis im christlichen Sinne mit Vergebung reagiert hätten. Diese würden sich jetzt wie er über den Familiennachwuchs freuen. Zum Abschluss bekundete Rainer, der bei der Geburt anwesend war, dass er wohl von den Tagesereignissen von Anfang an wusste aber bis jetzt auch noch nichts weiter mitbekommen habe. Zeitgleich mit dem Ereignis hat sich Johannes angekündigt und knapp eine Stunde später war er auf der Welt. Und danach war Rainer zunächst in der eigenen Familienwelt, in der es an diesem Tag wenig Platz für Weltereignisse gab, zuhause. Als ich später bei einem Spaziergang mit Elke mal über diesen Tag sprach kamen wir zu den Schluss, dass der Mensch machen könne was er wolle, das Leben lässt sich nicht aufhalten. Es geht immer weiter, nichts lasse sich lähmen und nichts lasse sich aufhalten. Weder öffentliches noch privates Leben kam zum Erliegen. Die vielen beredeten Sprachlosen dieses Tages brachten auch mehrheitlich die Standardphrase „Nichts wird mehr so sein wie es mal war“ hervor und in Wirklichkeit war danach doch alles so wie vorher. Lediglich die satten Besitzstandswahrer dieser Welt fanden bei den „Law-and-order-Fürsten“, wie unserem Innenminister Schily und seinem Bayernkollegen Beckstein mit ihrem Ruf nach Sicherheit über Freiheit wesentlich mehr Gehör. Lediglich für Spekulatius Spekulantus und seinen Kollegen, den bekannten Priestern des Mammonisten-Gottes Börse, sahen die ominösen Zahlenwerte vor ihren Tauschhilfsmittelhaufen nach dem Ereignis deutlich niedriger aus und haben bis heute ihren Zahlenwert nicht mehr erreicht. Und die Falken, die nach Kriegsanlässen lefsten bekamen an diesem 11. September wieder Oberhand. Aber ansonsten blieb alles beim Alten, alles ist so wie es immer war. Das Leben ging halt weiter. Am Abend des 11. Septembers, nach dem Gratulationsanruf bei Rainer Köhler machten wir etwas, was für die fanatischen Anhänger der Globalisierung, wenn sie es mitbekommen hätten, total verwerflich gewesen sein wird: Wie immer, wenn wir einen besonderen – freudigen – Anlass hatten, nahm ich mir auch an diesem Tag eine Flasche Wein zur Hand um diese zu entkorken. Das danach das Einschütten, Anstoßen und so weiter fällig war, kann ich wohl als selbstverständlich voraussetzen. Wir feierten halt die Geburt unseres „geheimen“ Enkelkindes und demnächst offiziellen Patenkindes. Da entrüsten sich aber gleich Heerscharen von Leserinnen und Lesern: „Wie kann man an einem Tag, an dem so viele unschuldige Menschen sterben mussten, nur feiern?“. Wenn wir so etwas ernst nehmen, dürften wir überhaupt nicht mehr feiern. Es werden an so vielen Stellen auf dieser Welt Tag für Tag sehr viele Menschen Opfer von Krieg und Gewalt. Denken wir nur an Tschetschenien, Palästina,
Zentralafrika oder dem ehemaligen Jugoslawien. Tag für Tag werden Menschen Opfer von staatlicher Gewalt, nicht nur in China oder in den Schurkenstaaten, wie der amerikanische Präsident zu sagen pflegt. Denken wir doch auch nur einmal an den flotten amerikanischen Umgang mit der Todesstrafe. Vergessen wir nicht an die vielen Menschen die täglich an Aids und Hunger sterben. Auch die von US-Bomber angerichteten Kolateralschäden dürfen wir keinesfalls vergessen. Wenn man es ernst meint, darf man auch die Opfer von „normaler“ Kriminalität, von Unfällen und Krankheit nicht vergessen. Tag für Tag sterben aus den vorgenannten Gründen Tausende von Menschen und trotzdem wird weltweit aus diversen Anlässen immer wieder gefeiert. Geburtstage, Jubiläen und so weiter fallen ja einfach an, Hochzeiten sind vorgeplant und können wegen so etwas nicht abgesagt werden und so weiter und so fort. Durch öffentlichen Druck, das heißt mit Medienwirbel, verordnetes Kollektivmitgefühl riecht für meinen Geschmack immer ein Wenig danach, als würde man damit ganz andere Ziele verfolgen. Diese Trauershows, die man nach dem 11. September 2001 in den USA veranstaltete, dienten schon recht eindeutig dem Schüren eines irrationalen Patriotismus, der nicht nur Kriege gegen Afghanistan sondern auch andere „Schurkenstaaten“ wie Irak, Iran und Nordkorea – überall dort wo es noch Öl zu holen gibt – zum Wunsche des Volkes machen sollte. In Deutschland hatte ich das Gefühl als wolle man mit Mitgefühlsdemonstrationen die Pazifisten zu Sympathisanten der Verbrecher abstempeln und mundtot machen. Einen besonders krassen Fall von antidemokratischer Meinungsunterdrückung gab es im südwestfälischen Siegen wo ein Lehrer auf einer Gedenkfeier für die Opfer des 11. Septembers aus seiner pazifistischen Gesinnung keinen Hehl machte. Das ging doch kriegslüsternen Falken, wie dem dortigen CDU-Bundestagsabgeordneten Breuer, die von Beamten die Abschaltung des Gewissens und stattdessen Kadavergehorsam verlangen, zu weit. Der Lehrer wurde erst beurlaubt und dann versetzt. In meinen Augen eine Schande für die Leute, die in Siegen das Sagen haben. Na ja, die rot-grüne Bundesregierung konnte da ja letztendlich noch einen draufsetzen. Als es später im Bundestag um die Abstimmung hinsichtlich eines Afghanistaneinsatzes ging und einige Abgeordnete andeuteten, dass sie ihren Gewissen folgend dagegen stimmen wollten, machten Parteiimperatoren wie Schröder, Müntefering und Fischer aus der grundgesetzlich garantierten Gewissensfreiheit der Abgeordneten Makulatur und Medienkanzler Schröder verband diese eindeutige Gewissensfrage mit einer ebenso eindeutigen Machtfrage – er stellte die Vertrauensfrage. Ich konnte darauf nur „Pfui“ sagen und seitdem stand für mich fest, das die Leute, die das Gewissen durch Parteidisziplin ersetzt haben, für mich künftig unwählbar sein werden. „Macht über Gewissen“ heißt die Fratze von Diktaturen und sind einer Demokratie mehr als unwürdig – für mich verabscheuens würdig. Aber nach diesem kleinen Ausflug, erstens ins Allgemeine und zweitens in die Zukunft, zurück in die Rainberger Hütte, in der Elke und ich den „Tag der beredeten Sprachlosen“ erlebten. Dieser Begriff entstand just in der Zeit, wo ich mit meiner besseren Hälfte anlässlich der Geburt von Johannes Köhler, unseres „außerehelichen“ Enkels, zusammen saß. Da schalten wir dann auch mal das Fernsehen ein, denn schließlich wollten wir ja auch mal über das, was „alle Anderen“ bereits wussten, informiert sein. Ich fand es geradezu widerwärtig was uns da von den Medien geboten wurde. Immer wieder die gleichen brutalen Szenen vom brennenden Pentagon, wie die Flugzeuge in die WTC-Tower flogen und wie diese letztendlich einstürzten. Besonders entsetzt waren wir über eine Szene, die auch laufend wiederholt wurde. Da sprang doch ein Mensch aus großer Höhe aus dem WTC durchs Fenster in die Tiefe. Was müssen die Medienmenschen doch für eine menschenverachtende Grundeinstellung haben, wenn sie so etwas laufend sensationsheischenden Voyeuren vorsetzen. Wie kann man nur einen, offensichtlich vor Angst und Panik wahnsinnig geworden Menschen, der sich verzweifelt in die Tiefe stürzt, so einer sensationsgierig glotzenden Masse vorführen. Zwischen den „Actionszenen“ immer wieder sich gerne selbstdarstellende beredete Sprachlose aus allen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport, Kunst und Tingeltangel. Alle beteten monoton den Satz: „Ich bin sprachlos. Dieses Ereignis hat die Welt verändert. Nichts kann mehr so sein wie es war.“. Dann gab es drei Themenkreis: Erstens ging es Tingeltangelleuten und Sportlern darum ob sie angesichts des Ereignisses antreten könnten oder nicht. Na ja, die Profikicker konnten es. Der zweite Themenkreis drehte sich um den Gott Mammon und seine Börse genannten Tempel. Man sprach von Kursverlusten und von Schwierigkeiten auf den Kapitalmärkten und insbesondere darüber wie sich dieser Tag auf die Kurse von Versicherungen und Airlines auswirken würde. Das dritte Hauptthema war die Frage, was der amerikanische Präsident machen würde, ob er zum „Kreuzzug“ gegen die „Heiligen Krieger“ aufrufen würde. Ich muss schon sagen, dass der Gebrauch der Worte, die eine Verbindung zum Christentum oder dem Islam herstellen sollen, ein Höchstmaß von Gotteslästerung darstellen, denn erweckt man damit nicht den Eindruck, als würde man das Mörderspiel Krieg auf Gottes Geheiß betreiben? Nur über eines sprach man nicht, über die Ursachen, die Menschen zu solchen Verbrechern wie die Flugzeugpiloten, ihre Anstifter und Helfer werden lässt. Aber darüber habe ich mich ja schon bereits eingangs ausgelassen. Na ja. Letztlich war es Elke und mir zuviel und wir schalteten wieder ab um stattdessen unsere abgeschiedene Zweisamkeit zu genießen. Es dauerte jetzt natürlich ein Weilchen bis wir von dem schreierisch präsentierten entsetzlichem Geschehen wieder auf das für uns alle Wichtigste, unser eigenes Leben, umgeschaltet hatten.
„Wieso“, wird jetzt diese oder jener fragen, „ist denn unser eigenes Leben das Wichtigste. Hast du denn weder Mitgefühl noch Veraantwortungsbewusstsein?“. Dazu kann ich nur sagen, dass ich Christ bin und an Gott glaube. Er hat uns das Leben geschenkt, damit wir darauf aufbauen und es bewahren und behüten. Jeder Einzelne von uns ist in erster Linie für das, was ihm Gott geschenkt hat, verantwortlich. Gott, der alles vorausbestimmt hat, will unsere Taten nicht sehen und nicht anrechnen aber über unseren Glauben will er richten. Und Glauben ist etwas ganz persönliches und äußert sich nicht in Mitgefühlheuchelei, Kriegsgeschrei und Rechtschaffenheitsgaukelei. Weil ich an Gott glaube bin ich sowohl gegen Terrorismus wie gegen Vergeltung, bin ich gegen überzogener Wertzumessung zum Tauschhilfsmittel Geld, aber dem Leben und der Liebe, dem Ebenbild Gottes, messe ich den allerhöchsten Wert zu. Nach einer halben bis einer dreiviertel Stunde hatten wir dann aber die Kurve bekommen und saßen gemütlich Arm in Arm auf der zweisitzigen Couch, die wir in der Hütte vorgefunden hatten. Immer mehr wandten wir uns in einem zunehmend plaudernden Ton vom weltweitem Tagesgespräch ab und kamen auf uns selbst zu sprechen. Man könnte von so einer Art Selbstbesinnung sprechen. Während dieser Zeit kam dann von Elke: „Du Maus, man könnte doch um ein paar Ecken sagen, dass Johannes eine Folge von Björns offensichtlich inzwischen berühmten Wohlfühlmassage ist. Wenn man bedenkt, dass er damit auch noch seine Schwiegermutter weich kochen konnte, muss man ja annehmen, dass das ja ganz was Tolles sein muss. Heike wie auch du sind im Genuss dieser Wunderhände gekommen ... nur ich nicht. Aber ich möchte das auch nicht, denn irgendwo wäre es mir doch zuwider vom eigenen Sohn so berührt zu werden. Vielleicht kannst du das aber auch, vielleicht hat dein Sohn die Wunderhände von dir. Wie wäre es, willst du es nicht mal versuchen?“. Kann man da Nein sagen? Ich forderte sie umgehend auf sich auszuziehen und dann eine Decke auf den Tisch auszubreiten. Sie legte sich darauf und schon ging es los. Nun, so pervers, dass ich das jetzt in allen Einzelheiten schildern würde, bin ich nun tatsächlich noch nicht. Ich sage nur das Elke das wunderbar empfand und ich nicht minder Spaß daran hatte. Zu dem, was Björn und Katharina offensichtlich im Anschluss an die Massage gemacht haben, hat es übrigens auch geführt. Damit hatten wir dann allerdings in uns was angerichtet. Immer wenn uns nach diesem Tag nach Intimitäten gelüstet kam auch immer wieder der Wunsch nach dieser Praxis auf. So, jetzt habe ich die letzten Leserinnen und Leser, die an die westlichen Werte und an die Globalisierung glauben, wutentbrannt auf die berühmte Palme gebracht. Da wo die Welt schockiert und voller Mitgefühl war, fällt uns nichts besseres ein als zu Bumsen. Na und, meinen Sie, wir wären die Einzigsten gewesen? Ich bin überzeugt davon, dass sogar unter den beredeten Sprachlosen, wenn sie von ihrer von Mikrofon-zu-MikrofonJagerei nicht vollkommen geschafft waren, viele waren, die ähnlich wie wir dachten und handelten. Öffentliche Zurschaustellung und wahres Denken sowie wirkliches Handeln sind im Grunde zwei Paar Schuhe. Falschheit und Heuchelei sind leider übereinstimmende Züge unserer Medienkasper, gleichgültig ob sie Politikus, Manager Showstar oder sonst was spielen. Ich war jetzt jedenfalls ehrlich und habe mir jetzt nichts zurecht gelegt, mit dem ich praktisch vor den Anderen etwas darstellen möchte, was ich in Wirklichkeit gar nicht bin. Für mich ist dieser 11. September 2001 nicht das, was alle daraus gemacht haben sondern es ist der Geburtstag von Johannes Köhler, Björns außerehelichen Sohn über den ich Pate werden sollte. Und damit können wir die Berichterstattung vom Leben des Ehepaares Wolf am Tag der beredeten Sprachlosen abschließen. Da auch vom Rest der Woche nichts Bedeutendes für die Nachwelt aus dem Tagediebdasein von Reiner und Elke Wolf zu verbuchen ist können wir uns gleich, ohne weitere Umschweife, dem darauffolgenden Sonntag zuwenden. Wie verabredet begaben wir uns zum Gottesdienst nach Ehrenberg. Rainer Köhler verband in seiner Predigt, für die er sich Matthäus 6, 24 bis 34 als Predigttext ausgesucht hatte, die schrecklichen Ereignisse des 11. Septembers mit der Geburt „seines“ vierten Sohnes Johannes. Er sprach davon, wie dicht Freud und Leid auf der Welt zusammen liegen. Während auf der Unfallstation eines Krankenhauses ein Mensch stirbt wird zur gleichen Zeit auf der Entbindungsstation ein neues Leben geboren. In dunkelsten Zeiten, wie zum Beispiel während der Kriege, gibt es immer wieder sogar vielfältiges privates Glück. Just zum Zeitpunkt der Anschläge in Amerika wäre Johannes, wie viele andere Kinder zum gleichen Zeitpunkt auch, geboren worden. Er müsse bekennen, dass er den Tag, der die Welt entsetzte, fast ausschließlich mit Freude und Dankbarkeit erlebt habe. Viele Leute würden jetzt fragen, warum Gott so etwas Schlimmes wie in Amerika geschehen lasse. Warum müssen Menschen leiden und sterben? Wir dürften uns darüber keine Gedanken machen, wir dürfen nicht über Gottes Wirken urteilen. Dieses verböte uns aber auch, jetzt nach Vergeltung im Namen Gottes zurufen sondern wir müssten die Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit, die er uns geboten habe, anmahnen. Das an solchen schrecklichen Tagen, wie an allen anderen Tagen auch, neues Leben beginnen würde sollte uns mit Hoffnung und Vertrauen füllen, da uns die neuen Erdenbürger immer wieder zeigen würden, das Gott seinen Bund mit den Menschen nicht aufgekündigt habe. Wir sollten es mit Martin Luther halten, der sagte: „Wenn ich wüsste, das Morgen die Welt untergeht würde ich heute noch ein Apfelbaum pflanzen und ein Kind zeugen.“. In der Bergpredigt heißt es, dass wir uns nicht um den morgigen Tag sorgen sollen und stattdessen stets nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit streben sollen. Daher sollten wir uns in der Folgezeit nicht in Zukunftsängsten und Panik lähmen sondern sollten hoffnungsvoll auf alles das, was er uns, wie den kleinen
Johannes, geschenkt habe schauen. Nicht Sorgen und Racherufe sondern Vergebung, Vertrauen und Hoffnung seien die Kennzeichen eines Christen. Nach dem Gottesdienst wechselten wir hinüber ins Pfarrhaus. Wie bei solchen Angelegenheiten üblich warteten wir nicht ab bis sich Rainer von allen Gottesdienstbesuchern verabschiedet hatte sondern gingen schon einmal vor und schellten an. Der älteste der vier Köhlerbrüder, Matthias, öffnete uns die Tür und tönte: „Ich weiß nicht ob ihr rein dürft. Mutti gibt Hannes gerade was zu trinken.“. Dann drehte er sich mit dem Oberkörper herum und rief: „Mutti, dürfen Tante Elke und Onkel Reiner kommen?“. „Aber natürlich“, rief die Befragte zurück, „die möchten doch sicherlich auch mal sehen, was Hannes für einen Hunger hat.“. Jetzt ahnt schon jeder, was wir, wenn wir eingetreten sein würden, zu sehen bekommen würden. Aber es war noch mehr. Sie saß da nicht nur mit freien Oberkörper und ihrem Säugling an der Brust sondern hatte bei der Gelegenheit außer einem knappen und dazu noch leicht durchsichtigen Tangaslipper nichts an. Sie hatte jetzt, wie sie uns im späteren Verlauf unseres Besuches beichtete, eine seltsame Mischung von Gefühlen. Einmal empfand sie mit dem „kleinen Würmchen“ an ihrer Brust richtiggehendes Mutterglück, wie man dieses in einem solchen Augenblick wohl stärker wie bei jeder anderen Gelegenheit empfindet. Dann fühlte sie sich ob ihrer Nacktheit doch etwas schamig. Aber genau diese Blöße ließ sie eine Befriedigung ihrer triebhaften Lust verspüren. Die Exhibitionistin in ihr war also immer noch nicht gestorben. Und offensichtlich empfand ihr Mann, der Pfarrer, dabei auch so etwas wie erotische Schwingungen, denn als er dazu kam schien er zunächst die Situation zu genießen und setzte dann da noch was drauf. Er hatte von Katharina während der gesamten Schwangerschaft bis kurz vor der Geburt mit seiner Digitalkamera Aktaufnahmen, die wir uns jetzt ansehen konnten, gemacht. Die drei Jungens, Matthias, Markus und Lukas, waren während der ganzen Zeit wo Johannes gesäugt wurde dabei. „Warum nicht,“, fragte Katharina im Anschluss, „im Grunde ist doch die Nacktheit eine der natürlichsten Sachen der Welt. Die Jungens sollen natürlich damit aufwachsen. Ich glaube, dass ich meinen Trieb, der mir auch schwer zu schaffen macht, von der Prüderie in meinem Elternhaus habe. Meine Eltern und wir, die drei Geschwister, sind uns stets hochverpackt als geschlechtlose Wesen begegnet. ... Und bei Rainer zuhause war es auch nicht viel anders.“. Rainer merkte dann noch nachdenklich an: „Ich nehme an, dass alles was wir Menschen machen und was auf Erden geschieht seine nachvollziehbaren irdischen Ursachen hat. Aber gibt uns das denn das Recht, dann auch so zu handeln, wie wir es machen. Jetzt will ich nichts aufwärmen, aber der dir möglicher Weise durch Prüderie anerzogene Exhibitionismus hat dir sicherlich nicht das Recht zum Ehebruch gegeben. Die durch Globalisierung und Zuwachsrausch entstandene Not und das Elend im Rest der Welt ist keine Rechtfertigung für die Verbrechen vom Dienstag. Aber es gibt nur einen Ausweg: Vergebung und das Bemühen, es in Zukunft besser zu machen. Und besser machen heißt immer auch natürlich mit allem umgehen.“. Dieses soll jetzt das Letzte, was ich zu meinen Empfindungen und Gedanken zum 11. September 2001 berichten möchte. Eigentlich ist dieses Kapitel ein Fremdkörper in meiner Erzählung von dem Tagedieb und seiner Schwiegertochter. Eigentlich gehört nur die Tatsache, dass Björns und Katharinas Sohn an jenem denkwürdigen Tag geboren wurde. Aber ich halte es für legitim, dass das wahrscheinlich bedeutendste historische Ereignis was in die Chronologie meiner Geschichte fällt, eine gesonderte Berücksichtigung erhält. Vor allen Dingen konnte ich diesen Tag, der immer nur im großen politischen Zusammenhang dargestellt wird, auch mal aus der persönlichen Sichtweise von uns „kleinen und unbedeutenden“ Menschen darstellen. Und bei uns hat sich durch Johannes Geburt mehr verändert als durch das gesamte Weltgeschehen. Wäre Johannes nicht geboren, wäre dieser Tag für uns, abgesehen vom allgemeinen Interesse, ein Tag wie jeder andere gewesen. Durch ihn hat sich unser Leben nicht geändert und danach war für uns alles so wie bisher. Ich sollte dieses Kapitel aber nicht abschließen ohne zu berichten, dass uns das Ehepaar Köhler während unseres Besuches mitteilte, dass Johannes am zweiten Advent, der im Jahre 2001 auf den 9. Dezember fiel, getauft werden sollte. Natürlich sollte es dabei bleiben, dass Wolfs, sowohl Senior wie Junior, die Paten sein sollten. Was für Elke und mich neu war, ist dass Heike und Katharina ausführlich über die Taufe ihrer Kinder gesprochen hatten. Dieses sowohl zum Zeitpunkt vor dem geplatzten Scheidungstermin wie auch danach; genau gesagt zum Zeitpunkt als sich Heike bei Katharina aus Ehrenberg verabschiedete. Jetzt, wo Heike und Björn wieder vereint waren, sprach nichts mehr dagegen, dass auch Heike Patin über Johannes werden sollte. Was sich die Frauen darüber hinaus ausgemacht hatten ist schon einen kurzen Bericht wert. Johannes sollte zusammen mit seiner Tante getauft werden. Daran hatten wir bis jetzt noch gar nicht gedacht: Sara war ja meine Tochter und damit Björns Schwester. Johannes war Björns Sohn und damit der Neffe meiner Tochter. Natürlich wussten nur wir das im Familienkreis – und dabei sollte es auch grundsätzlich bleiben. Aber vor Gott wollten die beiden Frauen die Verbundenheit in der Taufe dokumentieren. So vereinbarten sie, dass die beiden Kleinen zusammen getauft werden sollten und dass es dabei einen außergewöhnlichen Eltern-Paten-Tausch geben sollte. Heike und Björn sollten Paten bei Johannes und Katharina und Rainer bei Sara werden. Elke sollte Johannes und Karin Saras Patin und ich Pate über beide werden. Na ja, dann wissen wir ja was uns bevorsteht. Das der Tauftag aber der Startpunkt für alle Ereignisse, die uns im Rest der Geschichte noch bewegen werden sein sollte, wussten wir an jenem Tag noch nicht. Nur das dabei Karins Mannstollheit, der vereinbarte flotte Dreier, Katharinas
Exhibitionismus und auch noch der 11. September, allerdings nur vom Datum her, eine Rolle spielt, möchte ich an dieser Stelle verraten. Wenn Sie mehr wissen möchten, müssen Sie jetzt noch ein paar Seiten lesen. Bis ich zum Resümieren ansetzen kann muss ich noch einiges zusammentippen.
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Johannes, der Täufling Nach dem 11. September 2001, den ich im vorangegangnen Kapitel beschrieben habe, führten Elke und ich ein normales Einsiedlerleben in unserer Rainberger Hütte. Schon früher habe ich in meinem Bericht geschrieben, dass wir Normalzeiten als Glückszeiten erkannt hatten. Das bestätigte sich auch diesmal wieder. Elke und ich waren einfach nur glücklich. Wir haben auch nur zwei Mal in der Woche unsere Waldidylle verlassen. Einmal ging es dann dabei nach Elfenwiese wo wir bei unserem Umbau nach „dem Rechten sahen“. Aber was soll man sagen, da lief auch alles ohne Lob und Tadel; es war halt alles normal. Immer wenn wir in Elfenwiese waren erledigten wir unseren „kleinen Einkauf“ und unser zweiter „Ausflug“ galt dann ausschließlich dem „großen Einkauf“. Ansonsten verließen wir unsere Unterkunft immer nur zu Spaziergängen; je nach Wetter mal weiter und mal kürzer. Ach, es war wirklich wieder einmal eine schöne Zeit. Erst am 6. Dezember, am Tag des berühmten Herrns, der sich im Lauf der Zeit vom Bischof zum Coca-ColaMann gewandelt hatte, kam wieder Bewegung in unsere Geschichte. Da fragte doch gerade jemand wie ich auf Coca-Cola-Mann käme. Ganz einfach: Ursprünglich feierte man an diesem besagten Tag den Namenstag des Bischofs von Myrrha, der drei armen Jungfrauen Goldkugeln ins Bett warf damit sie nicht der Prostitution nachkommen mussten und so nicht das, was in Jesus geschenkt hat, das ewige Leben, verlören. Weil Gott die Menschen so reichlich beschenkt, schenken wir uns auch untereinander etwas. Mit Nikolaus begann die Schenktradition und dazu schlüpften die Bescherer ursprünglich in Bischofsgewänder. Na ja, Martin Luther ging dieser Heiligenkult ein Bisschen zu weit und schrieb das Schenken, aus meiner Sicht richtiger Weise, dem Christuskind (Christkind) zu. Im 18. Jahrhundert bekam der Nikolaus dann einen üblen Gesellen, den Niklas, zugedichtet. Dieser Niklas hatte die Aufgabe Kinder die „nicht artig waren“ zu bestrafen. Dieser Niklas ist also ein Produkt aus der Zeit, wo man die Erziehung mit der Rohrstockaufzucht verwechselte, was ja heute immer noch sehr viele tun. Dieser grimmige Niklas ist uns heute noch aus dem Struwwelpeter, in dem er böse Jungens, die den „armen Mohr“ hänselten, ins Tintenfass steckt, bekannt. Dieser üble Geselle bekam dann statt des Bischofsgewand einen Wintermantel angezogen und auf dem Kopf hatte er eine Bommelmütze, wie sie uns von kleinasiatischen Trachten, zum Beispiel aus Griechenland und der Türkei, bekannt sind. Aus dieser Kopfbekleidung hat sich dann die heute bekannte nikolaustypische Zipfelmütze entwickelt. Alle drei Figuren Nikolaus, Christkind und Niklas wanderten über den großen Teich und vermischten sich dort zu der Figur Santa Claus. Anfang des 20. Jahrhunderts verpasste der amerikanische Koffeindrinkmixer Coca Cola diesem Santa Claus seine rote Produktfarbe und so kam diese Gestalt wieder zu uns zurück in die Alte Welt. Bei uns in der protestantischen Familie hat bis vor zwei Jahren der Nikolaustag keine große Rolle gespielt. Als Björn klein war, hatten wir lediglich die Tradition, die es auch, als ich Kind war, in meinem Elternhaus gab, fortgesetzt. Er stellte am Vorabend des 6. Dezembers einen Schuh vor die Tür. Des Morgens packten wir, bevor unser Junge aufstand, einen Stutenkerl und einen Schokoladennikolaus hinein und daneben stellten wir einen Teller mit Apfelsinen, Mandarinen, Erd- und Walnüssen auf. Das war alles und danach gingen wir zur normalen Tagesordnung über. Wie geschrieben änderte sich die Tagesbedeutung. Das war ja der Tag wo Heike und Björn, anlässlich ihres 22. Geburtstages, ihr Eröffnungsnummerchen, das ja alles in Folge auslöste, schoben. Und im darauffolgenden Jahr fiel dieser Tag an den Anfang unserer wiederbelebten Ehe. Jetzt, im Jahre 2001, standen auch wieder große Ereignisse an. Am darauffolgenden Sonntag, dem zweiten Advent, sollten wir mal eine Umkehrung erleben. Wir kennen doch alle Johannes, den Täufer und am 10. Dezember sollten wir Johannes, den Täufling kennen lernen. Dieser und unsere Sara sollten an diesem Tag in der Kirche zu Ehrenberg getauft werden. Aus diesem Anlass war uns bereits zum 7. Dezember „hoher Besuch“ in unserer Hütte angesagt worden. Björn und Heike wollten zuvor ihren 24. Geburtstag zusammen mit ihrer Mutti in Düsseldorf feiern und dann am nächsten Tag wollten sie zusammen mit Sara zu uns anreisen. Platz ist ja bekanntlich im Gegensatz zu großen Palästen in der kleinsten Hütte – und unsere Hütte hatte immerhin noch 3½ Zimmer, die wir uns für eine kurze Zeit zu Fünft teilen wollten. Das heißt jetzt schlicht und einfach nur, dass die junge Familie Wolf ein verlängertes Wochenende bis zum 12. Dezember bei uns machen wollten. Dann war vorgesehen, dass sie mit Karin, die für sie die „Wacht am Rhein“ hält, tauschen. Lediglich am darauffolgenden Sonntag zur Taufe wollte Karin schon vorher kurzfristig und vorrübergehend zu uns stoßen aber ansonsten wollte sie im Hotel die Oberhand halten. Jetzt könnte man fragen, wieso immer entweder Karin oder Björn im Hotel anwesend sein mussten, warum man nicht dem Personal vertrauen könnte. Na ja, das hängt natürlich immer vom Personal beziehungsweise dessen Qualifikation ab. Zimmermädchen, Beiköchin und Hilfsrezeptionären überlässt man ja ungern unvorhersehbare Entscheidungen, die es in einem solchen Betrieb immer mal geben kann. In diesem Hotel waren Karin und Heike quasi noch Jungunternehmer und da ist angebracht kostengünstig zu arbeiten. Da ist es schon ganz gut wenn man beim, in der Regel teueren Fachpersonal auf kostengünstige familieninterne Kräfte, die mehr arbeiten und weniger fordern, zurückgreifen kann. Das soll zwar nicht so bleiben aber im Moment ist es noch so.
Wie geplant erschien die junge Familie Wolf am 7. Dezember bei uns in der Hütte. Vielmehr es waren zuerst nur Heike und Sara, die, als sich Björn auf dem für ihn unbekannten Waldweg festgefahren hatte, schon mal vorgeeilt waren um uns, insbesondere mir, Bescheid zu geben. Na ja, knapp 200 Meter vor dem Ziel hatte sich der junge Mann zu weit links gehalten und sich in der Moder festgefahren. Kein Problem: Einer schiebt und einer sitzt drin und gibt gefühlvoll Gas. Ich hätte mich mal besser in den Wagen gesetzt, denn in meinem Sohn war wohl das jugendliche Ungestüm noch nicht erloschen. Was der unter „gefühlvoll Gas geben“ verstand bescherte mir eine morastige Dusche. Sie können sich vorstellen, dass ich danach nicht gerade in Begeisterungsstürme ausbrach sondern im Gegenteil mein Missfallen offenkundig machte. Den Wagen bekamen wir schnell wieder frei aber mitfahren konnte ich nicht, sonst wäre eine Sitzreinigung fällig gewesen. Diese Eingangsepisode ließ mich dann in Folge zu einem unfreiwilligen Peepshow-Darsteller werden. Klar, als ich zurück war begab ich mich aus guten Gründen ohne lange Vorreden zunächst einmal unter die Dusche. Da es an diesem Tage draußen etwas kälter und useliger war genoss ich das warme Wasser was aus der Duschbrause auf mich herunterprasselte. Björn beschäftigte sich derweil mit dem Entladen des Gepäcks der jungen Familie und die beiden Frauen saßen am Tisch und unterhielten sich. Wie Sie sicherlich schon gemerkt haben ist Heike wohl nicht der Typ, der mit spannenden Neuheiten eine ganze Weile hinter dem Berg halten kann aber sich dann, wenn der von ihr vorgeplante Offenbarungstermin gekommen ist, sich nicht mehr beherrschen kann. Wir entsinnen uns doch noch an das berühmte „Hei, da sind wir“. Aber meist läuft es dann immer etwas anders wie Heike es sich vorher in ihrer Fantasie ausgemalt hat und dann entstehen halt so Szenen, wie jetzt nach ihrer Ankunft. Unsere Schwiegertochter verabreichte Elke auf diese Art also in den ersten Minuten ihres Aufenthalts eine Nachricht, die auch meine Holde postwendend vom Hocker riss. Mir wurde jetzt zum Verhängnis, dass ich in der Regel, wenn ich zuhause dusche, nie die Badezimmertür hinter mir verriegele. Dieses ist ja eigentlich auch richtig, denn es kann ja immer etwas passieren, zum Beispiel mit nassen Füßen ausrutschen oder es kann einen schlecht werden, und wenn dann die Tür verriegelt ist haben die Helfer, sprich in diesem Falle Elke, erst einmal das Problem der Türöffnung. Also, immer wenn ein Abschließen offensichtlich nicht nötig ist, sollte man es auch lassen. Also so passierte es dann, dass meine Beste plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel mitten im Badezimmer stand und Heike prompt hinter ihr her ins Bad stürzte. Vor lauter Begeisterung dachte keine der beiden Damen an die Pikanterie, dass ich ja splinterfasernackt unter der Dusche stand. Mit überschlagender Stimme tönte Elke: „Reiner, Reiner, stell dir vor Heike bekommt Zwillinge.“. „Sagt mal, bei euch ist wohl eine Sicherung durchgeknallt.“, murrte ich erst einmal zurück, „Konntet ihr mit der Verarscherei nicht warten bis ich mit dem Duschen fertig bin und was angezogen habe.“. Erst jetzt wurde den Damen bewusst, wie ich vor ihnen stand. „Eu jeu, du bist ja nackt.“, gab Elke von sich, „Aber macht ja nichts, denn so kennen wir dich ja beide. Schließlich hast du uns ja je ein Kind gezeugt und da warst du ja auch nicht gerade im Sonntagsanzug. Aber diesmal hat Björn das Zeugen selbst erledigt.“. Als sie ausgesprochen hatten kicherten die beiden Damen während sich mich, den unfreiwillig Peependen, erst einmal genüsslich betrachteten. Dann fuhr Heike fort: „Aber Verarschen wollen wir dich nicht. ... Wir haben uns nur mächtig gefreut und Mama ist dabei nur ein Bisschen ausgeflippt und ich, die ich deshalb schon bald über zwei Monate vollkommen high bin, war noch einmal mitgerissen. Sara kriegt tatsächlich gleich zwei Brüderchen auf einmal. Ich bin wieder schwanger und im Juni soll es soweit sein.“. Jetzt hatte ich auch keine Lust mehr zu duschen, stellte das Wasser ab und hangelte nach dem Handtuch. Als ich dann wieder im gesellschaftsfähigen Outlook mit dem Rest der Familie in der Stube zusammen saß war der zu erwartende Nachwuchs natürlich das Gesprächsthema Nummer Eins. Von Björn erfuhren wir, dass wir wohl nicht die Einzigsten waren, die den inzwischen historischen 11. September mit Massage und Lust verbracht hatten, denn erzählte: „Wir sind uns sicher, dass alles am Tage der Geburt von Johannes, dem Täufling, sprich am 11. September 2001, passierte. Heikelein meinte, nach dem uns Rainer informiert hatte, das die Wunderkraft meiner Hände zur Zeugung des neuen Erdenbürgers geführt hätten und das sie diese auch noch einmal ganz gerne verspüren würde. Und dann ... Ach, das geht euch ja nichts an. Auf jeden Fall hat es dann wieder mal geklappt. Und jetzt haben wir das Malheur und müssen uns zwei Jungennamen, die zu Sara passen, einfallen lassen.“. „Abraham und Isaak“, gab ich spontan kund und erntete darauf ein dreifaches: „Wieso denn das?“. Nun die Antwort war ganz einfach, denn zu der biblischen Urmutter des Volkes Israel passen doch am besten der Name des Mannes Abraham und des Sohnes Isaak. Und der Vater Abraham war ja auch ein zeugender Seitenspringer. Mit seiner Sklavin Hagar zeugte er ja Ismael, auf denen sich die Palästinenser in ihrer Herkunft berufen. Deshalb prügeln sich die Leutchen im Nahen Osten noch heute. Hat nicht Gott alle Nachfahren Abrahams das Gelobte Land verheißen. Die Israelis sagen, dass nur Isaak den Segen des Vaters gehabt habe und deshalb nur sie das auserwählte Volk seien und die Palästinenser sagen es so, wie es in der Bibel steht: Allen Nachfahren. Das würde aber auch heißen den Nachfahren, die Abraham mit seiner zweiten Frau Ketura hatte, also für Simran, Jokschan, Medan, Midian, Jischbak und Schuach. Abraham hatte also nicht nur den einen Sohn Isaak sondern deren gleich acht – und die mit drei verschiedenen Frauen. Eigentlich ein Grund warum man sich
in Palästina die Hände reichen und Frieden halten müssten, denn alle Streithähne wollen – und sind es nach meiner Ansicht auch – legitime Nachfahren Abrahams sein, sie hatten nur halt verschiedene Mütter. Wenn wir das Alte Testament kennen, wissen wir warum so erbissen in Palästina von beiden Seiten gemordet wird. Aber erst wenn sich alle zu Jesus Christus bekennen, wird es weltweiten Frieden geben und dann kann das Reich Gottes beginnen. Woher ich denn das schon wieder weiß? Vom Propheten Sacharja, der sagt, dass dann, wenn alle Nationen den Durchbohrten – damit kann nur der Gekreuzigte gemeint sein – beweinen und sich am Berg Zion sammeln, dass Reich Gottes beginnen würde. Na ja, solange sich Israelis und Palästinenser getreu dem Wort „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gegenseitig umlegen und so immer wieder gegen Gottes Gebote verstoßen, kann in der Richtung ja nicht viel passieren. Diese letzten beiden Absätze scheinen wie ein typischer Reiner Wolf Text zu sein: Da fällt ein Stichwort und schon schwirrt er ab, mal in die Politik, mal in die Philosophie und mal, wie in diesem Fall, in die Theologie. Aber in diesem Fall ist es tatsächlich nur ein Schein, denn wir haben bei unserer Familienrunde wirklich über dieses Thema gesprochen. Mit der Folge, dass Heike tatsächlich plötzlich Gefallen an den Namen Abraham und Isaak hatte. Da erlaubte sich Elke dann doch mal ausnahmsweise wieder einzugreifen: „Mädchen vergesse bitte nicht, dass die Kinder ein Leben lang mit ihren Namen leben müssen. Ich glaube nicht, dass die heutzutage veralterten Namen Abraham und Isaak da vorteilhaft wären. Ich finde es zwar schön, wenn man mit dem Namen der Kinder etwas aussagen will. Aber bitte keine Aussage um jeden Preis. Ich würde mich immer in erster Linie für einen zeitgemäßen Wohlklang entscheiden und in zweiter Linie würde ich nicht gerade einen Modenamen wählen. Ist doch schlimm, wenn Willi gerufen wird und gleich eine ganze Willihorde kommt.“. „Ja,“, erwiderte Heike, „in diesem Fall sehe ich ein, dass du recht hast. Das kam jetzt nur durch Papa mit seinem, ihm eigenen ausführlichen Erklärung. Ich glaube wir machen uns doch noch ein Bisschen Gedanken um die richtigen Jungennamen. ... Wir haben ja noch bis Juni nächsten Jahres Zeit.“. Die Bekanntgabe von Heikes neuer Schwangerschaft war wohl neben dem eigentlichen Anlass ihres Kommens, den Taufen, das wichtigste, uns betreffende Ereignis dieser Besuchstage. Was sonst noch geschah kann ich wirklich kurz zusammenfassen. Wir verlebten recht nette „Großfamilientage“ in unserer Rainberger Hütte. So ohne Stress, der durch vorangegangene Konflikte oder laufende Zwistigkeiten entstanden war, waren wir eigentlich noch nie zusammen. Außer Elkes Ratschlag zur Namensgebung fiel auf keiner Seite etwas was zu den Angelegenheiten der anderen Seite gehört. Und dieses alles ohne sich zusammenreißen zu müssen. Ich würde sagen, dass Björns Abnabelung nach nunmehr 26, bald sogar 27 Jahren endgültig gelungen war. Die junge, ab Mitte des nächsten Jahres 5-köpfige Familie Wolf war eine eigenständige Einheit, die sich freigeschwommen hatte. Nie zuvor hatte ich diesen Eindruck, wie er mir bei diesem Adventsbesuch aus Anlass der Taufen deutlich wurde. Zwischen uns herrschte ein Gastgeber-Gast-Verhältnis wie es bei Leuten die sich mögen und gerne besuchen üblich ist. Elke und mir war jetzt klar, dass unser dritte Lebensabschnitt begonnen hatte – der Junge war endgültig aus dem Haus. Der Tag der Taufen begann mit enormer Aufregung, die wir unter das Motto „Der Mensch plant und Gott lenkt“ hätten stellen können. Es war doch alles so fein ausgedacht: Damit auch ja nichts dazwischen kommt wollten wir bereits morgens um Acht nach Ehrenberg aufbrechen und dann im Hause des „Johannes, dem Täufling“ der Dinge harren, die im Gottesdienst um Zehn auf uns zukommen. In der Zwischenzeit wollte dann Karin, aus Düsseldorf zu uns stoßen. Im Anschluss an den Gottesdienst sollte sich die Taufgesellschaft, zu der dann auch Katharinas und Rainers Eltern gehören sollten, im kleinen Saal des Gemeindehauses zu einem Taufschmaus, der von einem Restaurant mit außer Haus Service angeliefert werden sollte, versammeln. Zum Nachmittag wollten sich die Familien der Täuflinge in ihre ursprünglichen Bestandteile auflösen. Also Köhlers und Wolfs wollten sich trennen und den Rest des Tages im internen Familienkreis begehen. Köhlers im Pfarrhaus und wir in unserer Rainberger Hütte. Aber es kam mal wieder anders als gedacht. Die Tage vor diesem 10. Dezember 2001 waren relativ mild gewesen. In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag war es plötzlich recht kalt geworden und es regnete. Die Folge solcher Wetterkapriolen sind Blitzeis und zusammenbrechender Straßenverkehr. Noch vor dem allgemeinen Wecken, so gegen Sechs, gab es einen Alarm auf Björns Handy. Karin meldete sich aus Düsseldorf und teilte mit, dass sie bei der Wetterlage Angst habe loszufahren. Na ja, Saras eine Oma fiel als Patentante letztendlich ganz aus und die andere musste dafür einspringen. Karin fiel völlig aus und erschien an dem Tag gar nicht; sie wurde durch Elke ersetzt. Aber unser Problem war nicht minder. Wir mussten aus unserer Einsiedlerlage erst mal auf öffentliche Straßen gelangen. Der Waldweg war total vereist. Auf Grund seiner Waldlage konnte man frühestenfalls am Mittag mit einem halbwegs abgetauten Weg rechnen. Ein öffentlicher Streueinsatz für diesen Weg war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen und hätte auch nichts genutzt, denn dem Eis kann man nur mit Salz zu Leibe rücken und damit richtet man auf Grund des Harnstoffes im Salz innerhalb des Waldes am Wurzelwerk der Bäume nur große Schäden an. So unterrichteten wir zunächst mal die Ehrenberger Pfarrersfamilie darüber, das es bei uns Schwierigkeiten geben könnte. Bei der Gelegenheit erfuhren wir dann,
dass auch Rainers Eltern aus dem gleichen Grunde wie Karin abgesagt hatten. Auch sie hatten nicht den Mut sich mit ihrem Gummi bereiften Wagen auf die Eispiste zu begeben. Leider scheint eine solche zur Risikoeinschätzung führende Angst heutzutage vielfach ausgestorben zu sein. Im Vertrauen auf die Technik und insbesondere auf die Werbeaussagen ihrer Anbieter wird vielfach das Gehirn durch Bleifüße ersetzt und man fährt als wenn gar nichts wäre. Wenn’s gut geht, ist das aber weder der Technik noch dem fahrerischen Können des Bleifussindianers zu verdanken sondern nur der Zufall hat es glücken lassen, denn schließlich kann sich niemand an den Grenzen der Physik vorbeimogeln. Jetzt war für uns, die wir zu den Taufen nach Ehrenberg mussten, guter Rat teuer. Letztlich kam Heike auf die Idee bei unserem Nachbarn, dem Bauern, anzurufen. Der hatte dann auch gleich eine Idee und wollte, natürlich gegen Cash, helfen. Er hatte Schneeketten für seinen Traktor und glaubte damit das Eis brechen zu können. Damit wollte er uns in zwei Etappen abholen und bis zur Straße zu bringen, von wo aus uns ein Taxi nach Ehrenberg bringen sollte. Na, uns blieb nichts anderes als den Vorschlag anzunehmen. Bis zur Straße lief auch alles fantastisch. Die bestellten zwei Taxis standen auch für uns parat. Wir stiegen ein und los ging es; beide Kraftdroschken, wie man früher so nett sagte, fuhren hintereinander her. Vorneweg der Taxiunternehmer selbst mit Elke und mich als Fahrgast und dahinter seine Tochter mit der jungen Familie Wolf. Dann passierte es auf einer abschüssigen Straße. Das vorne fahrende Taxi rutschte in einen geparkten PKW und das dahinter fahrende rutschte auf das vorausfahrende auf. Währenddessen tickerten die Zeiger der Uhr munter weiter. Die bestellten Ersatzfahrzeuge ließen auf sich warten und so war es dann mittlerweile Viertel vor Zehn, also knapp vor Beginn des Taufgottesdienst, als wir in Ehrenberg anrufen mussten, dass es bei uns mindestens noch eine dreiviertel Stunde dauern würde bis wir eintreffen. Da erfuhren wir dann die nächste Unglücksmeldung des Tages. Die Pastorin, die die Kinder taufen sollte – es handelte sich um eine Studienkollegin von Rainer - war es genauso ergangen wie unserem Taxifahrer und seiner Tochter, sie war jedoch nicht auf ein anderes Fahrzeug sondern vor eine Mauer gerutscht. Sie konnte im Gegensatz zu uns, die wir ja nur Fahrgäste waren, natürlich nicht gleich weg von der Unfallstelle. Rainer würde nichts anderes übrig bleiben als den Gottesdienst selbst zu halten und die Kinder sollten dann anschließend, wenn die Pastorin und die andere Taufgesellschaft eingetroffen sind, getauft werden. Natürlich kann man dann alles vergessen was man sich so schön ausgedacht hat und nur noch formell eine Kindertaufe durchziehen sonst wird die Gemeinde auf den Bänken unruhig. Zu arg darf man Gottesdienste bekanntlich nicht in die Länge ziehen sonst gibt es selbst unter eingefleischten Kirchgängern Verdruss – und damit besteht die Gefahr treue Schäflein vom regelmäßigen Gottesdienstbesuch weg zu graulen. Aber in der neuen Fassung, die aus der Not geboren war, ging dann alles glatt über die Bühne. Um Fünf nach Elf war dann wirklich alles erledigt. Ab diesem Moment lief dann, außer das drei Gäste nicht erschienen waren, auch der Rest wie geplant. Als wir uns dann so gegen halb Zwei auf dem Heimweg machten hatten sich die Straßenverhältnisse weitgehendst normalisiert und wir kamen ohne weitere Störungen bis zu dem Bauernhof von wo wir dann so, wie wir am Morgen herkamen, wieder zur Hütte gebracht wurden. Als wir nach dem Taufabenteuer bei uns in der Hütte versammelt saßen fragte Heike: „Habt ihr mitbekommen, dass jemand Katha erpressen will?“. Erstaunt schauten wir alle in die Runde und ich fragte: „Wie, hat jemand spitz gekriegt, wie sich das mit unseren Kindern wirklich verhält?“. „In etwa.“, fuhr jetzt Heike fort, „Da ist jemand, der sich in Kathas Privatleben ganz gut auskennt. Er weiß von ihrer exhibitionistischen Neigung. Dazu will er sogar Fotos von der nackten Katha in Griechenland haben. Bilder hat er seinem Schmierbrief allerdings nicht beigelegt aber von dem angegebenen Ort – Leptokaria an der Olympischen Riviera im September 2000 kann das schon hinkommen. Zwar ist sie da nicht vollständig nackt ... FKK ist in Griechenland ja verboten gewesen sondern hat im knappen Tanga Oben ohne gesonnt. Aber sie gibt auch zu, dass sie sich ein paar mal ‚kurz’ öffentlich umgezogen hat; also dass sie ihr Höschen auch mal zwischendurch für einen Augenblick in der Hand hatte. Dann weiß dieser komische Vogel, dass sich Rainer hat sterilisieren lassen und behauptet folglich, dass der kleine Hannes nicht von ihm stammen kann. Da ich eine Weile in Ehrenberg wohnte und aus der Tatsache, das wir unsere Kinder gemeinsam haben taufen lassen, schließt er jetzt ... wo er ja kein Unrecht mit hat – das Björn der Vater sein könnte. Das trägt er aber als Mutmaßung vor. Nur das Rainer nicht der Vater ist, will er hundertprozentig wissen.“. „Das ist ja eine böse Sache.“, folgerte Elke, „Was fordert der Kerl denn?“. „Dass es sich um einen Kerl handelt ist eine Mutmaßung von uns.“, fuhr Heike fort, „Aus dem Schreiben geht dahingehend nichts hervor. Was die Forderungen angeht ist das Schreiben noch mysteriöser. Da fordert jemand, dass sich Rainer um eine andere Gemeinde kümmern solle ansonsten will der Schreiber nachhelfen, in dem er der Gemeinde bekannt geben würde, was für eine Hure sich an des Pfarrers Seite befindet.“. „Wer könnte denn schon an so etwas Interesse haben?“, fragte ich nachsinnender Weise. Aber auch darüber hatten Heike und Katharina gesprochen und die Pfarrersfrau kam nur auf ihren eigenen Bruder, der selbst Pfarrer ist und eine Pfarrstelle in Vorpommern bekleidete. Dieser sei auch zusammen mit der Familie Köhler in Griechenland gewesen und kenne auch die Entstehung von Johannes, dem Täufling. Aber Katharina hält ihren Bruder für so etwas gar nicht fähig. „Wieso
ist der uns gegenüber noch nicht erwähnt worden und warum ist der nicht zur Taufe gekommen?“, meldete sich Elkes Neugierde zu Wort. Darauf konnte Heike dann auch noch was erwidern: „Ich habe ihn im Sommer mal kennen gelernt. Eigentlich ein ganz netter Kerl. Der wollte ursprünglich auch mal Pfarrer in Ehrenberg werden. Er hatte sich zur gleichen Zeit wie Rainer beworben und das Presbyterium musste jetzt zwischen dem Sohn und dem Schwiegersohn des alten Pfarrers entscheiden. Rainer bekam damals den Zuschlag, weil Kathas Bruder zu dem Zeitpunkt in Scheidung lebte – seine Frau, die auch eine gebürtige Ehrenbergerin ist, war ihm durchgebrannt. Wegen der wollte er auch nicht zur Taufe kommen. Da muss also mehr gewesen sein. Aber was, weiß ich auch nicht, ... das hat man mir natürlich nicht erzählt.“. Jetzt spielte ich gleich mal Sherlock Holmes: „Kann es nicht sein, dass die Exschwägerin die Verfasserin des Briefes ist?“. „Das habe ich Katha auch gefragt.“, antwortete Heike auf meine Eingabe, „Die schließt das aber aus, da die wohl wissen könnte, dass sie in Griechenland waren aber nicht genau wo. Von Kathas Exhibitionismus hat die vermutlich auch keine Ahnung weil sie der, wie so gut allen im Dorf, nur als prüde Pastorentochter bekannt ist und von Rainers Sterilisation weiß nur der internste Familienkreis und wir. Wie soll die an die Information gekommen sein?“. „Hat Katharina nicht auch noch eine Schwester. Was ist denn mit der?“, fiel mir dazu ein. Aber auch darauf wusste Heike eine beruhigende Antwort: „Ja, die ist in Australien verheiratet. Die wird es wohl bestimmt nicht gewesen sein.“. Na ja, an dieser Stelle erschöpfte sich dann auch Heikes Wissen. Das jemand von uns der Erpresser oder die Erpresserin sein könnte hatten wir nicht angeschnitten, da von uns ja auch niemand ein Interesse an dem Verschwinden Rainers aus Ehrenberg haben konnte. Vom Wissen her kamen wir allerdings in Frage. Auch vom Griechenlandurlaub hatte man uns bei unseren Besuchen berichtet. Als der Erpresser dann seine Forderungen ausweitete und dann etwas erwähnte, von dem außer Rainers und Katharinas Eltern nur wir etwas wussten, kamen wir zwangsläufig in den Verdacht und das Klima zwischen den Familien Wolf und Köhler wurde vorrübergehend recht frostig. In einem weiteren Brief verlangte der Erpresser nämlich nicht nur, dass Rainer das Dorf verlassen sollte sondern wollte auch die Anlagen, die für die vier Köhler-Söhne von deren Großeltern eröffnet worden waren, haben. Von diesen wussten tatsächlich nur die vier Großeltern, Katharina, Rainer und wir. Katharinas Vater hatte uns darauf angesprochen ob wir uns nicht zu einem Drittel an der Anlage für Johannes beteiligen wollten. Wir haben uns dann nicht nur zu einem Drittel sondern zur Hälfte daran beteiligt. Es war noch nicht einmal viel Geld. Jeder Junge hatte festverzinsliche Papiere über einen Wert von 7.000, - DEM (etwa 3.580 €) erhalten. Die Papiere, die auch gehandelt werden können, wurden bei einer Bank hinterlegt und sollten den Jungens dann, wenn sich ihr Tauftag zum 18. Mal jährt, zur Eigenverwaltung übergeben werden. Und genau diese Papiere verlangte der Erpresser. Da kann man sich vorstellen, wie kalt da die Beziehungen zwischen den Köhlers und uns wurden. Nach einem weiteren Erpresserbrief gab ... Stopp, stopp, jetzt wollen wir wieder schön der Reihe nach erzählen. Was jetzt kommt spielt nämlich bei den Turbulenzen des Jahres 2002 eine größere Rolle. Deshalb erzähle ich im nächsten Kapitel lieber erst einmal von Karins Besuch, den sie uns, nachdem Sie von Heike und Björn in Düsseldorf wieder abgelöst worden ist, abstattete. Also wieder einmal schreibe ich: Bitte umblättern.
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Wenn die Lust nicht wäre Dienstagsmorgens brachen Heike, Björn und die kleine Sara wieder auf nach Düsseldorf. Es stand für uns fest, dass wir in diesem, nun auch langsam ablaufenden Jahr nicht mehr zusammen kommen würden. Die junge Familie Wolf wollte und sollte ihre Weihnacht und den Jahreswechsel erstens in ihrer eigenen kleinen Familie und zweitens im Hotel feiern, wobei sie dann die anfallende Arbeit natürlich auch mit erledigen wollten. Da wir ja künftig nicht mehr so eng zusammenglucken wollten wäre, weil wir zur Zeit unabhängiger als die jungen Leute sind, nur ein nachmittäglicher Weihnachtsbesuch unsererseits in Düsseldorf in Frage gekommen. Aber gerade die Wettererfahrung vom Tag der Taufen bestärkte uns in unserem Vorhaben die stillen Tage in trauter Zweisamkeit in unserer Rainberger Hütte zu verbringen. So gehörte zum Abschied der Austausch von Festtagswünschen und das Versprechen, sowohl telefonisch in Verbindung zu bleiben als auch sich alsbald mal wieder zu besuchen. Als Björns Wagen, dessen Abfahrt wir vor der Hütte stehend winkender Weise beobachteten, für uns aus Sicht geraten war hakte sich Elke bei mir ein: „Komm Schatzi, jetzt machen wir es uns erst einmal ein Weilchen so richtig schön.“. So etwas kenne ich von meiner Holden und deshalb fragte ich sie vorsichtig: „Bist du etwa spitz mein Engelchen?“ und bekam prompt die Antwort: „Du etwa nicht?“. Ehrlich gesagt war ich es zwar vorher nicht, aber wenn man so angemacht wird bleibt es nicht aus, das man diesbezüglich gleich von Null auf Hundert kommt. Na, was dann kam gehört nur Elke und mir und deshalb hänge ich das hier auch nicht an die große Glocke. Aber vom Ende dieses Schäferstündchen muss ich doch was erzählen, weil es zu unserer Geschichte insgesamt gehört. Wir waren beide noch nackt und Elke kochte uns einen Kaffee zur Abrundung der schönen Zeit. Als sie die Kaffeemaschine angestellt hatte fragte sie freundlich hintergründig: „Kannst du dir vorstellen, warum ich auf einmal außer der Reihe so spitz geworden bin.“. „Das muss wohl die Lust gewesen sein.“, scherzte ich zurück, „denn wenn die Lust nicht wäre, gäbe es auch keine kleinen Kinder mehr auf dieser Welt.“. „Dann leben wir offensichtlich in einer Zeit zunehmender Unlust,“, erwiderte Elke ernst klingend, „denn in Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. Ich habe jetzt mal gelesen, dass es bis Mitte dieses Jahrhunderts 16 bis 20 Millionen weniger Deutsche gibt. ... Der Bevölkerungsrückgang entspricht der Einwohnerzahl von Bayern und Baden-Württemberg – und in 200 Jahren sollen die Deutschen bei gleichbleibenden Trend ausgestorben sein.“. Das war nun nicht das, worauf Elke eigentlich hinaussteuern wollte und deshalb begann sie noch einmal neu mit ihrem ursprünglichen Anliegen: „Reiner Maus, interessiert dich denn der Ursprung meiner Lust wirklich nicht.“. „Aber doch mein Schatz.“, konnte ich ihr erwidern, „Ich glaube wir sollten uns nun doch mal so ganz langsam etwas anziehen und währenddessen wirst du mich bestimmt über deine Spitzung schlau machen.“. Den Vorschlag uns etwas anzuziehen nahm auch Elke sofort an, denn den Tag im Schöpfungsgewand zu verbringen war und ist, trotz diverser erotischer Reize, immer noch nicht ganz nach ihrem Geschmack, auch wenn wir hier in der Hütte vor dem Abend niemanden zu erwarten hatten. Aber genau das, dass wir am Abend jemand erwarteten, war es was Elke im wahrsten Sinne des Wortes heiß laufen ließ, wie ich jetzt erfuhr: „Heute Abend, wenn Karin kommt ist es soweit. Dann träumen wir nicht nur vom erotischen Leben sondern wir leben wirklich erotische Träume, dann gibt es endlich den flotten Dreier, den wir vereinbart haben.“. Seltsamer Weise meldete sich jetzt mein Gewissen im Galopp: „Ach Schatz, meinst du im Ernst, dass das richtig ist was wir da machen wollen? Es ist zwar ganz schön in heißen Stunden von so etwas zu träumen aber danach bin ich doch immer der Meinung, dass ich in Wirklichkeit aber gar nicht möchte.“. Elke schaute mich, sich erstaunt stellend, von der Seite an: „Ach, willst du jetzt wo es soweit ist den Schwanz einziehen und kneifen? Ein Leben lang erzählst du mir von diesem deinen Wunschtraum und jetzt wo er in Erfüllung gehen soll, da tauchst du vor lauter Angst wacker ab.“. „Du weißt doch gar nicht, ob Karin auch nur eine Maulheldin gespielt hat und Wirklichkeit überhaupt mitspielen will.“, sagte ich darauf, allerdings sehr nach Verteidigung klingend. „Und ob die will.“, posaunte Elke nun, „da haben wir erst gestern Abend am Telefon drüber gesprochen. Sie hat bei der Gelegenheit noch vorgeschlagen dass wir, wenn sie da ist, uns nicht lange mit der Vorrede aufhalten und gleich ins Bett gehen sollten und uns nicht. Sie glaubt, dass bei ihr aufgrund des Mangels am ständigen Partner das Fass langsam überläuft.“. Das kam jetzt aber gar nicht wie eine gute Nachricht zu mir rüber. Irgendwo hatte ich das Gefühl, dass eine solche Sache eventuell ein böses Ende nehmen könnte. Irgendein Männlein sagte in mir immer: „Reiner, lass es lieber sein, das riecht danach, dass alles von einem großen Übel ist.“. Aber auf der anderen Seite gärte auch die Lust, die ich jetzt nicht mehr bewältigen konnte, so eine Art geiler Vorfreude, in mir hoch. Meine Gefühle waren zur gleichen Zeit also absolut gegensätzlich. Ablenkung verschaffte ich mir dadurch, dass ich noch einmal das Thema, welches wir, als Elke an der Kaffeemaschine beschäftigt war, angeschnitten hatten, aufgriff. Sie wissen schon, es geht um den Bevölkerungsschwund in Deutschland. Aber wenn wir Deutschland sagen minimieren wir das Problem eigentlich, denn so
etwas trifft auf alle Industriestaaten zu während gleichzeitig die Weltbevölkerung insgesamt immer noch stetig wächst. So gesehen leisten wir ja mit unserer Unlust zum Kindern einen Beitrag gegen die Überbevölkerung. Das ergibt aber nur dann einen Sinn, wenn wir bereit sind die Ressourcen auf dieser Welt zu teilen und schonend mit ihnen umzugehen, Rohstoffe fair gegen Industrieprodukte zu handeln und ein weltumspannendes soziales Netz aufzubauen. Solange ein Zehntel der Menschheit ihren Besitzstand fortwährend wahren und noch immer reicher werden will, solange das eine Zehntel die Ressourcen vergeudet und verschleudert, hilft diese ungleiche Bevölkerungskontrolle weder den Industriestaaten noch den anderen. Im Gegenteil die Industriestaaten sägen mit ihrem Bevölkerungsschwund immer schneller am eigenen Ast und im großen Rest der Welt verhungern täglich immer mehr Menschen. Die Lunte kommt dem Pulverfass namens „Sozialer zum Krieg führender Unfrieden“ immer näher. Es wird immer mehr Rattenfänger von der Marke Osama bin Laden geben und die werden immer mehr Mitläufer, die bis zum Letzten bereit sind, rekrutieren können. Noch können wir uns dank der technischen Überlegenheit unserer Mordmaschinen die aus Not wild gewordenen Menschen vom Halse halten – aber wie lange noch? Aber ich glaube nicht, dass die Leute, die sich beim Kinderzeugen zurückhalten, viel Gedanken an die Überbevölkerung verschwenden. Nein, die handeln aus puren Egoismus, die sehen den Verlust von Geld und Spaß, den sie sich mit Kindern einhandeln würden. Kinder verhindern ein Leben „so wie ich will“. Kindern gegenüber muss man Verantwortung tragen und dann ist nichts mehr mit High Life und Fun. Wer Kinder groß ziehen will muss sich zwangsläufig zur sozialen Kompetenz durchringen und stattdessen seine Ellebogen nicht nur ein Wenig sondern ganz einfahren. So lange man „Kinder kriegen“ mit dem Verlust von Freiheit gleichsetzt, wenn Kinder nicht als Bereicherung sondern als Störfaktor angesehen werden, kann sich an diesem negativen Trend nichts ändern. Und dann schauen wir mal auf die wirtschaftliche Seite. Ist es in unserer Geld- und Spaßgesellschaft nicht so, dass mehrere Kinder mit Armut gleichzusetzen sind und wer will schon arm sein? Was ich verdiene gehört mir und das will ich nicht teilen, nicht mit dem Staat, nicht mit dem Partner und erst recht nicht mit Kindern. Leider führt uns diese Denkweise in die Sintflut und die rückt immer näher, so dass wir sie uns schon gar nicht mehr „nach mir“ wünschen können. Wenn keine Menschen nach wachsen, wird es künftig immer weniger Konsumenten geben. Weniger Konsumenten heißt ja immer weniger Produkte. Jemand der schon drei Kühlschränke hat braucht bestimmt keinen vierten mehr und derjenige, der einen brauchen könnte, hat aufgrund unserer Verteilungsmethoden, bei der zugunsten von Investionsanreizen, sprich von Unternehmens- und Kapitalgewinnen, Lohndumping und Sozialabbau betrieben wird, kein Geld dafür. Wenn wir aber weniger Produkte benötigen, gleichgültig ob aufgrund der Bedarfsdeckung oder ob aufgrund von Kaufkraftschröpfung im unteren Einkommensbereich die Produkte unerschwinglich geworden sind, müssen wir folglich auch immer weniger produzieren. Das weniger Leute auch proportional die Arbeitslosenzahlen reduzieren würden ist eine Milchmädchenrechnung, denn die abnehmende Zahl von Konsumenten fördert die Arbeitslosigkeit. Arbeitslose jedoch zahlen keine Steuern und Sozialversicherungen sondern nehmen diese Mittel in Anspruch. Darüber hinaus verformt sich im Zuge von immer weniger Nachwuchs die Bevölkerungspyramide zu einer Säule, auch dann wenn die durchschnittliche Lebenserwartung nicht ansteigt, was aber tatsächlich noch als zusätzlicher Faktor hinzukommt. Es ist jetzt schon auszurechnen, zu welchem Zeitpunkt jeder Arbeitnehmer über seinen Rentenversicherungsbeitrag einen Rentner und über seine Steuern einen Exbeamten, sprich Pensionär, durchziehen muss. Und wenn man glaubt, das man mit Kürzungen der Leistung den Kopf aus der Schlinge ziehen könne, dann irrt man, denn will man die Alten nicht „abknallen“ muss man sie über Sozialhilfe oder sonst etwas stützen. Was im Dezember 2001 von den Medien so heiß geredet wurde aber wegen der Komplexität der Sache von der Bevölkerung kaum wahrgenommen wurde waren die magischen Worte „Riester Rente“. Das sollte das Allheilmittel für unsere Rentenversicherung sein. Die Rente wird gekürzt, das heißt, dass die Riester Lücke aufgerissen wurde, und der Arbeitnehmer soll das durch Privatversicherungen ausgleichen. Mehr Eigenverantwortung heißt das für die Anhänger des Fehlglaubens namens Liberalismus. Dazu gab der Staat, eine aus seiner Sicht großzügig erscheinende aber für den Arbeitnehmer, der die monatlichen Prämien aufbringen muss, eine wenig anreizende steuerliche Hilfe. Von den Steuern absetzen heißt ja bekanntlich nicht das Geld wiederkriegen sondern „nur“, dass man für Einkommen bis in dieser Höhe keine Steuern zahlen muss. Wer, weil er sowieso schon unter Existenzminimum, zum Beispiel bei einem 325-€-Loddelchen, verdient, zahlt nur netto Kasse und bekommt nichts dazu. Die „Riester Rente“ war aber eine tolle Sache für Arbeitgeber, den die sind so wieder ein Bisschen mehr aus der Solidarversicherung raus. Zu dem, was der Arbeitnehmer selber in voller Höhe bezahlt brauch der Arbeitgeber natürlich keinen Beitrag mehr zu leisten. Aber wer bedachte denn die Risiken für den Arbeitnehmer? Was ist, wenn von seinem Einkommen, weil das Berufsleben nicht gradlinig sondern durch Krankheit und/oder Arbeitslosigkeit bergab lief, so wenig überbleibt, dass er die laufenden Prämien nicht mehr zahlen kann? Was ist, wenn er mal aus irgendeinem Grunde überschuldet ist und die Geier nach dem Rückkaufwert seiner Versicherung oder nach seinem Häuschen, was ja auch als „Riester Rente“ durchläuft, schielen? Und funktionieren kann das Ganze nur, wenn es keinen großen Einbruch in der Wirtschaft, der aber bei immer weniger Menschen höchst wahrscheinlich ist, kommt? Die Versicherungen können die erhofften
Leistungen später ja nur erbringen, wenn sie das Geld anlegen, zum Beispiel in Aktien, Fonds, Anleihen und so weiter. Was ist aber wenn diese Dinge im Zuge von Wirtschaftskrisen an Wert verlieren? So etwas haben wir doch gerade erlebt. Der berüchtigte DAX hat sich seit dem Börsenwahn der Jahre 1998 und 99 bis jetzt, Ende 2002, mehr als halbiert. Alles Geld, was Versicherungen in DAX-Werten angelegt haben hat sich zwischenzeitig halbiert. In einem solchen Fall hat der gute Arbeitnehmer hinterher mehr eingezahlt als er rauskriegt. Wirklich tolle Aussichten. Wie mit der Abschaffung Buß- und Bettag ausschließlich der Arbeitgeberbeitrag zur Pflegeversicherung kompensiert wurde wird dieser mit zunehmender „Eigenvorsorge“, sprich Privatversicherungen, dieser Beitrag bei der Rentenversicherung ganz abgeschafft. Es gibt drei Wege aus der Misere, auf die wir immer schneller zusteuern, aber die offensichtlich keiner einschlagen will. Der erste heißt: Mehr Kinder. Wir müssen die Leute dazu kriegen, dass sie sich wieder zum Zwecke des Kinderkriegens paaren. Wenn statistisch jedes Paar 2,2 Kinder hat sind wir aus dem Schneider. Der zweite Weg heißt Immigration (Einwanderung). Lasset halb Europa zu uns kommen und wehret ihnen nicht unseren Konsum anzuheißen und so ganz nebenbei Steuern und Sozialversicherungen zahlen. Was wir nicht selber hinkriegen überlassen wir dann Portugiesen Türken und Inder, ob es den Rechten schmeckt oder nicht. Der dritte Weg ist ein neues Weltwirtschaftssystem, der allen eine Chance gibt mit allen zu handeln oder allen seine Dienstleistungen anzubieten. Praktisch so eine Art wahrer Globalisierung aber beim besten Willen nicht das, was uns heute die Priester des Gottes Mammon als solches ausgeben. Nicht Deregulierung sondern Regulierung ist gefragt wenn wir anstelle des apokalyptischen Eigennutze ein Miteinander, das uns allen das Überleben ermöglicht, haben wollen. Sollte ich die Entscheidung treffen welchen Weg wir einschlagen sollen, würde ich einzig vernünftig alle drei Wege auf einmal vorschlagen. Jetzt habe ich aber in meiner Art und Weise wieder einmal weit ausgeholt aber im Grunde nur eine Kurzfassung von unserer Diskussion oder sagen wir besser Plauderei, die ich mit Elke führte, vorgelegt. Über alles dieses haben wir uns fast den ganzen Tag ausführlich unterhalten. Meinen Zweck hatte ich erreicht, die lustvollen jedoch recht sündigen Gedanken waren sowohl bei mir wie bei Elke erst einmal vertrieben. Aber was sollte es, just in dem Moment als Karin vorfuhr, war alles, sowohl bei mir wie bei Elke, wieder da als hätte es nie eine Bekämpfung gegeben. Alles war umsonst gewesen. Da hatten wir uns den ganzen Tag den Kopf über das zerbrochen, wo heutige Politiker wohl nicht mehr mitkommen wollen obwohl es ihre Aufgabe wäre. Und dann war die Lust wieder da, als wäre sie nie weg gewesen. Na ja, Karin war gerade mal eine halbe Stunde im Hause beziehungsweise in der Hütte als wir dann, wie zuvor ausgeklüngelt, zu Dritt im Bette lagen. Jetzt könnte ich eigentlich etwas für die Freunde des Schmuddeligen, sprich der Pornografie, tun und Alles beziehungsweise Einiges was bis zum Einschlafen passierte ausführlich beschreiben. Aber was mir selbst nicht gefällt das füge ich auch keinem Anderen zu und belasse es dabei, dass wir in dieser Nacht zu unserem „flotten Dreier“, von dem wir bisher nur in unserer erotischen Fantasie träumten, kamen. Am nächsten Morgen hatten wir alle drei einen moralischen Kater und es herrschte eine Art Katzenjammer vor. Übereinstimmend, aber unabhängig von einander, hatten wir das Gefühl etwas getan zu haben, was wohl nicht richtig war. Sowohl die Frauen wie auch ich versuchten uns auf eine andere Art und Weise zu entschuldigen. Karin glaubte ihr Leben lang auf sexuellem Gebiet unterversorgt gewesen zu sein und jetzt nicht gegen einen riesigen Nachholbedarf ankommen zu können. Immer wieder fragte sie uns ob wir ihr auch nicht böse seien weil sie gerade uns dazu erkoren habe. Elke meinte dass sie schon als Mädchen, wenn sie mal Hand an sich gelegt habe, von einer solchen Situation geträumt habe und jetzt es mal habe erleben wollen. Es sei so eine Art Erfüllungszwang gewesen. Dagegen sei wohl nichts zu sagen aber dass das unbedingt mit Karin, der Schwiegermutter unseres Sohnes sein musste, kam ihr jetzt doch als ein arges Übel vor. Laufend bezichtigte sie sich selbst der Urheberschaft dieses Exzesse und bat sowohl Karin wie auch mich um Entschuldigung. Was die Schuldfrage anbelangte widersprach ich jedoch stetig meiner besseren Hälfte, die wollte ich auf mich nehmen. Ansonsten fragte ich mich immer wieder warum ich nur eine so „perverse Sau“ sei. Ich fragte mich, ob ich nicht immer schon so war? Warum war ich denn von der Penne geflogen? Warum trieb ich es mit meiner sicherlich sehr reizenden Schwiegertochter? Und was hatte ich jetzt getan? Jetzt habe ich mir auch noch die Mutter meiner Schwiegertochter als Gespielin ins Ehebett geholt. Ich kam mir furchtbar elend vor. Jetzt fühlte ich mich wie ein richtiger Tagedieb. Bin ich denn so wenig Kerl, dass ich meine eigenen Triebe nicht beherrschen kann? Muss ich wie ein läufiger Rüde jeder heißen Hündin nachjagen? Oder bin ich überhaupt kein Sonderling und alles das was geschah ist normal, es wird nur nicht darüber gesprochen? Hat vielleicht jeder solch einen oder einen ähnlichen Dreck am Stecken und tut nur so, als sei er über alles erhaben? Wenn bloß diese Lust nicht wäre. Was ich jetzt gerade niedergeschrieben habe waren nicht nur unsere Gedanken an diesem Morgen sondern es waren die Dinge, die wir offen aussprachen. Gegenseitig trösten wir uns damit, dass die Lust zu unseren angeborenen Schwächen zählt, die wir wie andere Menschen auch nur schwer bekämpfen können. Karin startete dann zum allgemeinen Gespräch bei dem wir dann doch letztendlich irgendwo Trost fanden: „Vielleicht beruhen
unsere jetzigen Komplexe nur auf den Zwängen, die uns durch die Gesellschaft auferlegt wurden und die uns mit unserer Erziehung andoktriniert wurden. Das war doch offensichtlich nicht immer so. Denkt doch mal nur an die Orgien der alten Griechen und deren Liebeskulte um die Göttin Aphrodite. Auch im alten Ägypten gab es so etwas. Aber wir brauchen gar nicht soweit bis in die Antike zu gehen. Schaut doch nur mal die, sogar höfischen, Erotikspiele der Renaissance und des Rokokos, insbesondere in Frankreich. Überhaupt: Wurde die Sittenstrenge nicht erst mit der Ausweitung der Syphilis in Europa geboren? War es nicht die fürchterliche Angst vor Geschlechtskrankheiten, die man für eine Gottesstrafe hielt, die zur Prüderie führte?“. Da hatte Elke doch etwas dagegen zu setzen: „Ich weiß nicht so recht ob die Angst vor einer Gottes Strafe das Wesentliche darstellt. ... Renaissance und Rokoko waren übrigens zeitlich später als die mittelalterliche Syphilisepidemie. - Ich sehe das lieber im viel kleineren Kreis, in der Partnerschaft, begründet. Ich glaube dass wir Drei wissen, was eine Partnerschaft alles geben kann. Echte Partner sind nie allein, denn der Andere ist immer da. Wenn man Sorgen hat teilen sich Partner diese und können sie dadurch leichter tragen. Wenn die Sorgen nur Einen der Beiden betrifft, erhält man Trost von dem Anderen. Wenn man sich freut, freut sich der andere mit und dann macht es viel mehr Spaß. Ungeteilte Freude ist nur ein halber Spaß. Ganz praktisch teilt man anfallende Arbeiten unter sich auf, man muss nicht alles alleine bewältigen. Partner kennen sich so gut, dass jede Demütigung ein Schuss nach Hinten werden könnte und deshalb unterlässt man sie. Daher kann man sich unter Partner so geben wie man ist, man kann sich ausleben ohne Demütigung oder Diskriminierung befürchten zu müssen ... das findet ihr außerhalb einer Partnerschaft nirgendwo. Im Partner hast du einen Vertrauten, den du alles was dein Herz bedrückt anvertrauen kannst ohne zu befürchten ausgelacht oder gar verstoßen zu werden. Alles wichtige Dinge, auf die Singles aus Unwissenheit freiwillig verzichten.“. „Ja, das ist alles klar,“, wurde sie an dieser Stelle von Karin unterbrochen, „aber was hat das jetzt mit freier Liebe zu tun?“. „Genau darauf wollte ich jetzt kommen.“, fuhr Elke unbeirrt fort, „Der Partner ... so ist es jedenfalls bei mir – stellt gegenüber allen anderen Menschen ganz was besonderes da und diese Partnerschaft muss man erhalten und verteidigen. In diese darf man niemand eindringen lassen. Wenn du dir deinen Mann mit einer Anderen teilst muss du immer damit rechnen, dass er sich dann für die andere entscheidet und du stehst auf einmal alleine da. Für mich wäre es der größte Verlust den ich mir vorstellen kann. Mein Geld, sogar meine Ehre, kann man mir nehmen, alles würde ich verkraften können, aber nicht den Verlust meines Mannes. Reiner ist mein Leben, er ist alles für mich. Heute nacht, immer wenn Reiner es gerade mal mit dir hatte, verspürte ich einen richtigen Schmerz ... da ist mir dann immer die Lust wieder vergangen. Mir hatte es letztendlich überhaupt keinen Spaß mehr gemacht. Sei mir nicht böse Karin, aber wenn nicht du es sondern irgendeine Nutte gewesen wäre, hätte ich das besser ertragen können. Eine Nutte ist ein Objekt. Die bekommt ihren Lohn für ihren Lustbringerdienst und wird wie ein Klempner, wenn das Wasserrohr abgedichtet ist, wieder als Fremder aus dem Haus gelassen.“. An dieser Stelle mischte ich mich jetzt in das Gespräch ein: „Aber eines muss ich jetzt dazu sagen: Wenn es nicht Karin sondern irgendeine Hure gewesen wäre hätte ich aber nicht mitspielen können ... ich hätte keinen hochgekriegt. Du Elke sagtest es gerade richtiger Weise, eine Nutte ist ein Objekt, eine Ware. Die kann jeder gegen Bezahlung haben. Da ist kein Abenteuer, keine Eroberung bei. Wenn du sie nackt haben willst bezahlst du und sie zieht sich aus, da wird die prickelnde Neugierde nirgendwo angesprochen. Für mich kommt ein Beisammensein mit einer Nutte auf das Gleiche raus als ob ich mir das Bild einer x-beliebigen Exhibitionistin aus dem Internet hole und mir, während ich die Vorlage betrachte, selbst einen wichse. Wäre es nicht Karin sondern eine Strichmieze gewesen, wäre jetzt bei mir nichts anderes als Ärger über das rausgeworfene Geld geblieben.“. Elke stutzte erst einmal und führte dann aus: „Wisst ihr was mir gerade aufgefallen ist? Bei uns allen habe ich heraus gehört, dass es gar nicht darum geht, das es uns gefallen oder nicht gefallen hätte. Allesamt haben wir indirekt durchblicken lassen, dass es uns mit anderen Personen, auch wenn es weniger Spaß gemacht hätte, weniger Gewissensbisse beschert hätte. Karin, du bist weiterhin der Meinung, dass du so etwas, was du glaubst viel zu lange vermisst zu haben, für dein Wohlbefinden brauchst. Reiner und du, hättest mit jeder Anderen, außer mit Nutten und der Schwiegermutter unseres Sohnes, offensichtlich größere Freude daran gehabt. Und ich gestehe, dass bei mir die Eifersucht auf dich, Karin, zu meinen Komplexen geführt hat. Aber du hast recht Karin, wenn du auf das gesellschaftliche Sittenbild hinweißt. Da liegt nämlich der Hase tatsächlich begraben. Wir haben, weil wir uns sehr gut kennen, Angst dahingehend unser Gesicht vor einander zu verlieren. Wenn es irgendwelche Fremden wären, wäre uns das letztendlich egal. Können wir aber überhaupt noch unter uns unser Gesicht verlieren? Wir wissen doch alles voneinander. Karin, wir beide haben, nachdem Reiner deine Tochter geschwängert hat ein lesbisches Verhältnis miteinander gehabt. Zuvor wollte ich aus Frust mir diverse Kerls ins Bett holen und du hattest die ernsthafte Absicht meinen Mann zu vernaschen. Haben wir überhaupt noch ein Gesicht was wir vor einander verlieren können oder haben wir allen Grund ruhig ehrlich zueinander zu sein. Dann sage ich mal, dass ich trotz allem eine Menge Spaß dabei hatte. Besonders toll war es, als ...“. Na ja Leute,
hier an dieser Stelle breche ich mal ab um nicht die Pornografie, die ich zuvor vermiet, jetzt hier durch die Hintertür doch noch zu bringen. Nach Elkes Lusteingeständnis bekannten sich dann auch Karin und ich zu dem, was unsere erotischen Drähte heiß werden ließ. Wir kamen dann zu dem folgeschweren Schluss, dass es uns nur etwas zu schaffen machte weil es das erste Mal wo wir es machten war. Das dieser Schluss folgeschwer war sollte sich allerdings erst später, erst im Jahre 2002, herausstellen. An diesem Tag beschlossen wir es doch noch einmal miteinander zu versuchen. Tatsächlich, nach dem nächsten „Dreier“ kamen keine Rückmeldungen des Gewissens mehr. Weder bei mir noch bei den Damen. Karins „Urlaub“ bei uns entwickelte sich zu einer „versauten Woche“, wie Stammtischbrüder jetzt sagen würden. Wir hatten alle Grenzen überschritten und ließen unserer Lust freien Lauf. Erst als Karin wieder abgereist war meldet sich bei Elke und mir das Gewissen wieder zurück und wir nahmen uns vor, dass es keine Wiederholung geben dürfe, denn auf die Stufe der Leute, die durch die Lust und nicht durch den Verstand gesteuert werden, wollten wir nun beim besten Willen nicht abrutschen.
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Mit richtigem Geld bezahlen Das Weihnachtsfest 2001 und der darauffolgende Jahreswechsel auf 2002 war für Elke und mich eine echte Premiere. Noch nie in unserem bisherigen Leben hatten wir diese Tage in völliger Ruhe nur unter uns beiden Eheleuten verbringen können. Es gab keine „Schenkst du mir, schenk ich dir“-Orgien zu Weihnachten, kein „Verstand im Alkohol vernebeln und dann rumknallen“ zu Silvester und natürlich auch kein Katerfrühstück im Grünen Baum zu Neujahr. Wenn wir mal von dem kuriosen Weihnachtsfest 2000, als Björn und Heike drei Tage zuvor heimlich geheiratet hatten, absehen waren wir jetzt auch erstmalig in unserer Ehe ohne unseren Sohn unter dem heimischen Weihnachtsbaum anzutreffen. Niemand hatte sich in diesem Jahr bei uns zu Besuch angesagt und wir wollten auch niemanden aus Anlass des Festes aufsuchen. Sonst die Jahre hatten wir uns am Heilig Abend immer des abends um Elf zur Christmette in die Kirche begeben. In diesem Jahr waren wir schon im Vorfeld am überlegen ob wir im Hinblick auf unsere Eremitage und möglicher Weise während der Zeit aufkommende Vereisung des Weges von der Brücke bis zu unserer Hütte nicht besser auf die Christmette verzichten und stattdessen den Festgottesdienst am ersten Weihnachtstag in Ehrenberg besuchen sollten. Aus dieser Überlegung wurde dann ein Beschluss, der sich dann am Sonntag, dem 23. Dezember, noch in „gar nicht gehen“ wandelte. An dem besagten Sonntag erfuhren wir dann von dem zweiten Erpresserbrief an Katharina. Sie erinnern sich, es ging dabei um die Forderung der 7.000-Marks-Anlagen, die den vier Köhler-Jungens geschenkt worden waren, von denen nur Großeltern, Eltern und wir wussten. Ganz unverblümt sagten uns daraufhin Rainer und Katharina, dass sie uns in Verdacht hätten und beim besten Willen nicht verständen, warum wir dieses täten. Na, da waren Elke und ich natürlich eingeschnappt, was sicher ein Jeder und eine Jede verstehen kann, und sagten in unseren persönlichen Planung alle Gottesdienstbesuche für die nächste Zeit ab. Also auch bei den Gottesdiensten in der Epiphanias-Zeit wollten wir durch Abwesenheit glänzen. Natürlich hätten wir auch in Rainberg oder in Elfenwiese, wo wir ja eigentlich hingehörten, zur Kirche gehen können aber warum sollten wir. Kirchenbesuche sind Taten mit denen wir unserer Seligkeit kein Stück näher kommen. Wie sagte unser Herr in der Bergpredigt: „Wenn du betest gehe in dein Kämmerlein und schließe die Türe ab. Dein Vater der in das Verborgene sieht wird dir vergelten öffentlich.“. Was nützt es sonntags in die Kirche zu laufen und werktags dem Götzen Mammon zu dienen, wie es nach meiner Meinung sehr viele, vielleicht sogar die meisten Leute tun. Na, na, lieber Sonntagsausschläfer von überhaupt nicht in die Kirche gehen habe ich jetzt aber auch nicht geschrieben, denn wie will man denn an Gott glauben wenn man nichts von ihm erfährt. Ab und zu muss man doch die Ohren – und insbesondere auch das Herz – für sein Wort öffnen, das dürfte im stillen Kämmerlein sicher nicht erklingen. Nur einen Zwang keinen Gottesdienst auslassen zu dürfen sollte kein Christ verspüren, denn dann besteht die Gefahr, dass aus Glauben ein Tatenkuriosum wird. Das besondere an dieser Weihnacht war auch, dass wir uns, weil uns ja so oder so niemand zu Gesicht bekam, auch in Hinblick auf unser Äußeres keinen traditionellen Konventionen unterwerfen brauchten. Ich brauchte also in kein Sonn- beziehungsweise Festtagsoutfit zu schlüpfen sondern konnte mich in Jeans und Pullovern wohlfühlen. Nur weil Weihnachten ist traditionell in den besten Zwirn zu schlüpfen finde ich, ganz offen gesagt, auch mehr als nur ein Bisschen albern. Natürlich ließen wir uns unsere traditionellen Festtagsspeisen, das heißt Heilig Abend unseren roten Kartoffelsalat (mit Rote Bete) mit Wiener Würstchen und am ersten Feiertag unsere Pute mit Klößen und Rotkohl, nicht nehmen. Das ist es ja schließlich, wo man sich schon im Vorfeld darauf freut. Aber mit den Zeiten für die Mahlzeiten nahmen wir es ganz locker. Der rote Kartoffelsalat, den wir bisher immer so gegen 16:00 Uhr vor der Bescherung zu uns nahmen, war diesmal erst zur Tagesschau, das einzigste Fernsehprogramm was wir in diesen Tagen anschauten, fällig und die Pute kam am nächsten Tag erst des Nachmittags kurz vor Drei auf den Tisch. Wir nutzen die Zeit in der wir nicht schliefen zum Plaudern, für Gesellschaftsspiele und natürlich zum Schmusen und ab und zu auch ein bisschen mehr. Das macht ja auch nach 27 Jahren immer noch mächtig Spaß. Durch die vier Monate, die wir jetzt als Tagediebe in der Rainberger Hütte verbracht hatten, waren wir so geschult, dass sich bei uns beiden auch keine Konflikte aufbauten. Wäre nicht die Sache mit den Köhlers und ihren Erpresser, die auch uns ein Wenig belastete, gewesen, könnte man sagen, dass wir in diesen Tagen rundherum glücklich waren. Zu Silvester eröffneten wir für uns eine ganz neue Tradition. Ob es tatsächlich eine Tradition geworden ist, kann ich jetzt allerdings noch nicht sagen, denn zum Zeitpunkt, wo ich diese Zeilen schreibe steht Silvester 2002 noch bevor. Aber wir haben den festen Vorsatz, aus unserem „Fondue zu Zweit“ wirklich eine echte Tradition werden zu lassen. Wir hatten drei Sorten Fleisch – Kassler, Rind- und Schweinefleisch – und dazu acht verschiedene pikante Soßen. Dazu haben wir uns einen delikaten trocknen griechischen Weißwein gegönnt. Zwei Flaschen á 0,7 Liter haben wir uns dazu zu Gemüte geführt. Ein Bisschen ungleich war die Aufteilung schon, denn Elke hat etwa einen halben und ich fast einen ganzen Liter getrunken. Aber trotzdem brauch man uns jetzt nicht in die Reihen der Kampftrinker einzureihen, denn Sie müssen bedenken, dass sich alles in einem Zeitraum von Abends
um Acht bis kurz nach Zwei in der Nacht abspielte. Ein sechstel Liter pro Stunde und das nur an diesem Ausnahmetag dürfte doch glatt, auch bei strengeren Kriterien, unter kontrolliertem Trinken durchgehen. Dieser Jahreswechsel hatte, wie Sie sich vielleicht entsinnen, eine historische Besonderheit zu bieten. Die von vielen, eigentlich ohne besonderen Grund, heißgeliebte Deutsche Mark, sollte wie die Lira, Franc, Drachmen, Gulden, Peseten, Schilling und andere europäische Währungen, dem Euro weichen. Im Gegensatz zu der Mehrheit unseres Volkes habe ich mich über die Einführung des Euros gefreut. Ist es nicht schön mit ein und der selben Währung kreuz und quer durch Europa zu reisen ohne von Wechselstuben und Banken mit ominösen Wechselgebühren abgezockt zu werden. Ich finde es toll, die Preise in verschiedenen Ländern, zum Beispiel in Belgien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Österreich, Spanien und anderen ohne großen Rechenaufwand vergleichen zu können. Am Besten daran ist jedoch, dass jetzt Spekulatius Spekulantus nicht mehr wertbestimmend an den europäischen Währungen manipulieren kann. Jetzt zählen im europäischen Innenverhältnis nur noch reale Fakten wie die Kaufkraft und die Produktivität beim Wert der Weltwährung. Es wäre aus meiner Sicht sogar super, wenn wir nur eine Weltwährung hätten, weil wir dann vollkommen frei von den Zockern an der Devisenbörse, die dem Tauschhilfsmittel Geld einen eigenen Wert andichten, wären. Ich weiß absolut nicht, was die Leute der ollen Mark so nachjammern. Sicher man hielt sie für hart und stabil. Aber gerade deshalb müssten wir jetzt froh sein, dass wir den Euro haben, denn der Wert einer Währung hängt von der Haushalts- beziehungsweise Wirtschaftslage und insbesondere den Schulden, sowohl private wie öffentliche beziehungsweise staatlichen, ab. Und bei der derzeitigen Situation in Deutschland hätte auch die Mark Bröckelsucht erhalten. Außerdem profitieren von rigoroser Stabilität in erster Linie die Besitzer der großen Tauschhilfsmittelhaufen, der sogenannte kleine Mann, der über keine Rücklagen verfügt, hat davon aufgrund der geringeren Geldumlaufmenge sogar noch eher Nachteile. Ein bisschen Leben muss schon in einer Währung stecken. Die Umstellung von der „ollen Mark“ auf den Euro machte Elke und mir ja eigentlich so gut wie überhaupt keine Schwierigkeiten. Am Morgen des 2. Januars 2002, einem Mittwoch, ging ich zur Post und zahlte unsere kompletten Mark-Restbestände auf mein Postbankkonto ein und ließ mir gleichzeitig das Bargeld, was wir zu benötigen glaubten, von meinem Konto in Euro auszahlen. 264,55 DEM zahlte ich ein und 300 € holte ich ab. Also nichts mit umrechnen und umtauschen. Hätte ich lediglich mein Restgeld umgetauscht hätte ich natürlich nur 135,26 € erhalten. Der Umrechnkurs von 1 € gleich 1,95583 sollte sich in Folge zu so ein Denkfehlerchen, dass dem Euro den Ruf des Teuro bringen sollte, entwickeln. Alle Leute rechneten bequem mit dem Umrechnfaktor 2 und dabei ergibt sich dann rein optischen eine Teuerung von 0,9 bis 2%. Bei dem genannten Umtauschkurs sind kaufmännisch gerundet 51 Cent gleich 1 DEM; nehme ich aber 51 Cent mal 2 dann ergibt dieses 1,02 DEM, also eine Differenz von 2%. Da kaum mal jemand nachdachte hieß es dann im Volksmund Euro gleich Teuro, obwohl die Statistischen Länderanstalt beziehungsweise Bundesanstalt eine Teuerungsrate, die unter denen der Vorjahre lag ermittelte. Wenn man richtig nachdenkt und nachrechnet muss man sagen, das die Angaben der Statistischen Ämter offensichtlich stimmten. Und die geringen Steigerungsraten ging fast ganz zu Lasten des Väterchen Staat und seinen Töchtern, den Ländern und Kommunen, unter anderem gab es höhere Öko-, Versicherungs- und Tabaksteuern. Die Kommunen hatten sich zur Währungsumstellung neue Gebührensatzungen einfallen lassen. Da gab es ein paar bürgerfreundliche Gemeinden, die der Einfachheit halber alle gebühren schlicht und einfach durch 2 teilten und somit alle Gebühren verbilligten. Aber die meisten Städte und Gemeinden, insbesondere die größeren, ließen ihre bisherigen Gebühren erst einmal von Erbsenzählern, also Beamtokraten, genau umrechnen und nahmen dann deine optische Aufrundung vor. Wenn etwas bisher 25 DEM kostete, ergibt das bei exakter Umrechnung 12,78 €. Das sieht natürlich unschön für den beamtokratisch angeleckten Kommunalpolitikus aus und deshalb heißt es in der neuen Satzung dann schön rund 15 €. Begründet wird das damit, dass eine Preisanpassung längst überfällig gewesen wäre und man letztlich nur die Umstellung auf den Euro abgewartet habe. Die richtigen Preistreiber waren also in erster Linie unsere Beamtokraten und Politikusse aber gerade diese jaulten ganz gerne und am Lautesten im Chor der Teuro-Wölfe mit und zeigten somit mit ihren schmutzigen Finger auf Handel, Gastronomie und Gewerbe. Natürlich gab es auch da schwarze Schafe, die sogar von Mark auf Euro Eins und Eins umrechneten aber insgesamt waren die Privaten in diesem Fall wesentlich anständiger als die Politik. Begünstigt wurde das Teuro-Gejaule durch eine tatsächliche, allerdings saisonalbedingte, Teuerung bei Obst und Gemüse. Bei den Wetterkapriolen im Herbst und Winter 2001 waren Frischobst und –gemüse Mangelware geworden und mit deren Absatz mussten dann noch große Ernteverluste ausgeglichen werden. Da kam es schon vor, dass diverse Obst- und Gemüsessorten mehr als das Doppelte wie im Vorjahr kosteten. Aber schon Ende März 2002 lagen die Obst- und Gemüsepreise wieder sogar unter dem Vorjahresniveau. Na ja, wir, die Wolfs, hatten mit der Umstellung auf den Euro so gut wie überhaupt keine Probleme. Wie wir es gemacht haben habe ich ja schon beschrieben. Also, wir haben unsere Märklein, die wir noch hatten, auf einem Schlag unserem Konto gutschreiben lassen und fortan nur noch mit Euro bezahlt. Aber viele Schwerenöter zogen noch mit „Olle Mark“ bis zuletzt, also bis zum 28. Februar 2002, in die Läden. Wenn ihnen an der Kasse die Forderung in Euro genannt wurde sagten sie dann voller Stolz: „Ich möchte mit richtigem Geld bezahlen.“ und
legten dann „halbfalsches“ Geld auf die Kassentheke, denn die richtige Umlaufwährung hieß natürlich ab dem 1. Januar 2002 Euro. Aber wie haben sich die DEM-Festhalter das Leben selbst schwer gemacht. Wenn man zwei verschiedene Währungen in einer Geldbörse hat, muss man ja höllisch aufpassen, dass man nicht selbst die Übersicht verliert. Aber offensichtlich haben unsere deutschen Landsleute überhaupt den Hang dazu sich selbst das Leben schwerer zu machen als es nötig ist. Dieser Tage las ich in der Zeitung, dass zwei Drittel aller Deutschen noch Ende 2002 immer noch alle Preise in Mark umrechneten. Ganz stimmt das nicht sondern die nehmen immer nur alles mal Zwei. Welch ein Umstand. Da geht man zu ALDI, Lidl und Plus und verdoppelt erst alle ausgewiesenen Europreise um sie miteinander zu vergleichen. Einfacher wäre es doch die Preise gleich so zu vergleichen wie sie da stehen, kommt doch sowieso im Endeffekt immer das Gleiche dabei heraus. Wann wird diese Denkbarriere endlich aufgegeben? Wir müssen uns doch damit abfinden, dass wir wahrscheinlich für den Rest unseres Lebens mit dem Euro leben müssen, die Deutsche Mark hat endgültig ausgedient. Diese Unnützumrechner können einen auch ganz konfus machen. Wenn diese einem erzählen was alles gekostet hat, nennen sie einmal den Originalbetrag und einmal den verdoppelten und man darf dann selber raten, was richtig ist. Furchtbar, wenn es sich bei dem Markfesthalter um einen Kommunalpolitikus handelt und der einen etwas von Haushaltsbeschlüssen, Krediten und öffentlichen Investitionen erzählt. Dann ist man hinter her kein Bisschen schlauer wie vorher sondern eher noch einen Tick dümmer. Verwirren ist die erfolgreichste Methode die Massen zu verblöden. Abgesehen von meinem einmaligen morgendlichen Einzahl-Abhol-Besuch bei der Post am 2. Januar hatten wir des Abends unseren ersten echten Euroeinsatz. Ich habe schon ein paar Mal davon berichtet, dass am 2. Januar 1975 die Ehe von Elke und Reiner Wolf begründet worden ist. Sprich wir hatten am 2. Januar 2002 unseren 27. Hochzeitstag zu feiern. Das war natürlich ein Anlass mal richtig chic auszugehen. Wir hatten uns dazu ein China-Restaurant in Wannemünde auserkoren. Aber wie es so ist, wenn wir Wolfs uns etwas vorgenommen haben, musste auch diesmal was Unerwartetes passieren. Es war draußen verdammt eisig und glatt. Über unseren Waldweg wären wir wohl kaum mit dem Auto aus unserer Hütte in die Welt hinaus gekommen. Elke plädierte schon: „Ach Reinerchen, es ist zwar schade aber unsere Unversehrtheit sollte uns mehr wert sein. Komm wir bleiben zuhause.“. So einfach wollte ich mich nicht geschlagen geben und deshalb erkundigte ich mich erst einmal über Handy bei Bekannten über die Straßenverhältnisse außerhalb unseres Waldes. Na ja, dann erführ ich dann, dass alle Straßen geräumt, gestreut und im Großen und Ganzen ganz gut befahrbar seien. Folglich schlug ich den Fußweg bis zur Brücke – so neben dem eigentlich Weg kommt man im Wald auch bei Eisglätte zum Ziel - und von dort eine Taxifahrt nach Wannemünde vor. Auf dem Hinweg klappte das ganz fantastisch aber als wir wieder nach Hause kamen rutschten Elke trotz aller Vorsicht und Nebenpfadfinderei die Beine unter dem Popo weg und sie bumste mit dem Allerwertesten hart auf dem vereisten Boden auf. Ich musste sie daraufhin, als wir wieder in der Hütte waren, mit einer Wohlfühlmassage – und auch den bereits bekannten Folgen – trösten. Aber soweit sind wir allerdings noch nicht; jetzt muss ich erst einmal von einer Gegebenheit, die sich im ChinaRestaurant ereignete berichten. Dort trafen wir ein Ehepaar in unserem Alter, dass wir aus dem Gottesdienst in Ehrenberg kannten. Die Beiden berichteten uns vom allerneuesten Ehrenberger Dorfgerücht. Dort erzählte man sich das Elke und ich die wahren Großeltern von dem kleinen Johannes seien. Gegenüber dem Paar, was wir getroffen hatten, bestritten wir dieses allerdings energisch, worauf uns die Frau dann hinterfragend sagte: „Sie gehen aber einen Schritt weiter wie Pastor Köhler. Man hatte von ihm erwartet, dass er in der Jahresschlussandacht dem Gerücht entgegentreten würde. Ich habe gehört, da hätten ihn sogar die Presbyter zu aufgefordert. Aber nichts von dem hat er gemacht. Keine Silbe hat er zu dieser Geschichte gesagt. Und jetzt glauben alle, dass da was dran ist. ... Aber sie müssen das ja besser wissen.“. Hierauf haben wir dann wider Erwarten natürlich nicht mehr geantwortet sondern wir hatten das Thema gewechselt und uns kurz darauf verabschiedet. Wohl war uns danach allerdings nicht, denn wir sahen jetzt immer deutlicher sehr dunkle Wolken über uns aufziehen. Fast unerträglich empfanden wir es nun, dass wir von Rainer und Katharina verdächtigt wurden. Am nächsten Morgen sprachen Elke und ich lange über das Thema und fassten dann gegen Mittag, nachdem sich die Straßenverhältnisse gebessert zu haben schienen, den Entschluss nach Ehrenberg zu fahren und im persönlichen Gespräch die Angelegenheit aufzuklären. Am Pfarrhaus ankommen schellten wir und Rainer öffnete uns die Tür: „Ihr habt tatsächlich noch den Mumm hier her zukommen?“. „Bitte lass uns rein.“, eröffnete ich, „Wir haben mit der ganzen Sache wirklich nichts zutun. Bitte glaube uns doch. Wir sind zu euch gekommen um mit euch von Angesicht zu Angesicht darüber zu sprechen. Das ihr uns verdächtigt tut uns wirklich sehr, sehr weh.“. Wortlos führte er uns daraufhin ins Wohnzimmer und rief auch Katharina dazu. Wir beteuerten nochmals, dass wir mit der ganzen Sache absolut nichts zutun hätten. Wir gaben zu überlegen, was wir denn für eine Interesse daran haben sollten, dass Rainer aus Ehrenberg verschwindet. Darauf sagte dann Katharina, die sich bei der ganzen Angelegenheit nicht sehr wohl fühlte, in ihrem, ihr eigenen schüchternen Ton: „Nee, die Forderung nach dem Verschwinden war offensichtlich erst nur dazu bestimmt von euch abzulenken. Jetzt wird aber immer deutlicher, dass ihr nur richtiges Geld wollt. Ihr seid richtig echte, ganz gemeine Erpresser.“. Ihr kamen jetzt die Tränen und sie konnte nicht mehr weitersprechen. Obwohl ich über den, aus meiner Sicht, völlig ungerechtfertigten Verdacht mehr als nur verärgert war rührten mich Katharinas Tränen so an, dass auch ich jetzt feuchte Augen bekam.
Dafür setzte jetzt Rainer fort: „Ich werde euch aber einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Kommenden Sonntag werde ich im Gottesdienst vor der Gemeinde alles bekennen was uns belasten könnte. Dazu gehört genauso der Partnertausch, den wir kurz vor der Ehe mit Katharinas Schwester und ihrem jetzigen Mann vorgenommen haben ... Das ist ja euere neueste Version, die heute morgen hier ankam. Ich werde meinen Seitensprung ebenso bekennen wie Kathas Exhibitionismus und letztlich auch das Johannes das Kind von euerem Sohn ist. Und dann werde ich die Gemeinde auffordern, dass derjenige, der will, den ersten Stein auf uns werfen darf. Wie ich meine Gemeinde und insbesondere das Presbyterium kenne, werden die von meinem Angebot allerdings reichlich Gebrauch machen und mich wahrscheinlich suspendieren lassen. Euer Ziel, dass ich verschwinden soll, habt ihr dann erreicht aber mit richtigem Geld bezahlen werde ich euch nicht.“. „Rainer,“, setzte jetzt Elke an, „wieso seit ihr euch eigentlich so sicher, dass wir die Erpresser sind.“. Darauf meldete sich dann Katharina noch einmal zu Wort: „Ganz einfach, es gibt nur einen einzigen Menschen der von all diesen Dingen weiß. Es gibt mal den, der das Eine und mal den, der das Andere weiß. Alles im Zusammenhang hang habe ich nur einen einzigen Menschen, von der ich glaubte sie sei meine Freundin, erzählt. Und dieses ist euere Schwiegertochter Heike. Sie selbst kann aber nicht die Erpresserin sein, da alle Briefe hier in der Gegend aufgegeben wurden. Alle tragen den Stempel des Briefverteilzentrums Wannemünde ... aber Heike ist in Düsseldorf. Die Schrift in den Briefen hat eine sehr große Ähnlichkeit mit deiner Schrift Reiner. Du schreibst eigentlich für einen erwachsenen Mann untypisch groß und die runden Buchstaben wie a oder o schreibst du immer recht eckig. Genauso ist es hier in den Briefen.“. Sie hielt mir den letzten Brief vor und ich muss schon gestehen, dass da eine unverkennbare Ähnlichkeit mit meiner Handschrift vorlag. „Wenn ihr bis jetzt noch nicht bei der Polizei wart,“, erwiderte ich jetzt, „sollte ihr das aber jetzt aber unbedingt nachholen. Ich bitte euch jetzt sogar auch in unserem Interesse darum. Ich kann euch vergewissern, dass wir absolut unschuldig sind aber ich muss auch zugeben, das alle bösen Indizien auf uns zeigen. Wenn ihr das nicht von Fachleuten untersuchen lasst, werden wir den Verdacht nicht los und ihr tut uns weiterhin wirklich großes Unrecht.“. Jetzt kamen mir auch die Tränen und musste erst einmal abbrechen. Offensichtlich durch meine Tränen angerührt unterbreitete Rainer dann einen Kompromissvorschlag: „Also, die Polizei schalte ich jetzt noch nicht ein und ich sage auch Sonntag in der Kirche noch nichts. Aber es wäre ganz nett, wenn sich Heike mal bei uns melden würde. Sie muss auf jeden Fall was mit der Geschichte zutun haben und sei es ohne bösen Vorsatz. Kein Anderer und keine andere außer wir selbst kennen alle diese Dinge in diesem Zusammenhang, wie er uns jetzt präsentiert wird.“. „Heißt ‚jetzt noch nicht’, dass du, wenn alle Stricke reißen, doch das Richtige tust und zur Polizei gehst?“, wollte ich wissen. Er schaute mich irgendwie sorgenvoll an und sagte: „Wenn mir das auch irgendwo widerstrebt wird mir dann wohl nichts anderes mehr übrig bleiben.“. Das griff ich noch einmal auf und erwiderte: „Ich weiß nicht ob ich dir etwas empfehlen kann aber ich versuche es halt einmal: Geh lieber gleich zur Polizei bevor noch mehr Porzellan zerschlagen wird. Wenn du diesen Schritt weiter verschleppst kriegst du später die Gerüchte überhaupt nicht mehr in den Griff. Und ... das will ich dir auch sagen – meinst du es wäre schön unschuldiger Weise verdächtigt zu werden. Meinst du, das hielte eine Freundschaft lange aus. Unsererseits haben wir unsere Freundschaft noch nicht aufgekündigt aber allzu sehr belastbar ist sie nun auch nicht mehr. Es tut uns wirklich sehr weh von euch so übel verdächtigt zu werden.“. Ich verkniff mir an dieser Stelle den Hinweis auf seinen Beruf aber daran gedacht habe ich schon. Ich meine jetzt nicht das „wie wir vergeben unseren Schuldigern“ aus dem Vater unser sondern daran, das der Beruf es mit der Zeit mit sich bringt, dass man tiefer in den Mitmenschen hineinsehen kann. Mit der Berufserfahrung wächst bei Geistlichen auch die Menschenkenntnis. Schließlich ist das der Berufsstand, dem man sich ehrlich anvertraut wenn man alleine mit seinen Problemen nicht mehr weiter kann. Wie war Rainer doch vor nicht allzu langer Zeit der Meinung, dass wir die richtigen Paten für Johannes zu seien. Wie waren doch vorher beide, sowohl Rainer wie Katharina offen zu uns gewesen ... und jetzt das. Bei allem Verständnis für die Probleme, die der Erpresser der Familie Köhler, bereitete konnte ich Rainers und Katharinas Haltung uns gegenüber nicht nachvollziehen. Nur aufgrund vager Indizien uns einer solchen üblen Sache zu verdächtigen ist nicht gerade das, was ich von einem Pastor erwarte. Wie blieben an diesem Tage auch nicht weiter in Ehrenberg, das hätte in dieser frostigen und eisigen Atmosphäre ja auch nichts mehr gebracht. Auf der Rückfahrt nach Rainberg sagte ich zu Elke: „Du, das halte ich jetzt nicht mehr länger aus. Ich setze dich gleich bei der Hütte ab und fahre dann gleich nach Düsseldorf. Ich will mal mit Heike unter vier Augen sprechen ob sie nicht doch eventuell zu einem Dritten etwas gesagt hat. Wir wissen ja nicht, was sie in ihrer Ehrenberger Zeit alles gemacht hat und mit wem sie dort Kontakt hatte. Vielleicht kommen wir der Sache näher oder gar auf die Spur.“. „Willst du mich nicht mitnehmen?“, fragte Elke daraufhin und signalisierte damit, dass sie das persönliche Gespräch mit unserer Schwiegertochter für richtig hielt. „Eigentlich nicht,“, bekannte ich ehrlich, „dann ist das so wie der berühmte unangekündigte Besuch von Oma und Opa. Das hat uns früher ja auch immer ‚so gut gefallen’. Nur wenn einer der Opas allein erschien lag immer nur ein ausschließlicher Besuchsgrund vor und nach Abhandlung des Sachgrundes war der Besuch üblicher Weise erledigt. Waren aber die Omas dabei gab es immer noch dieses und jenes. Mich hat das immer fürchterlich genervt. Dabei ist das nicht einmal von den
Omas ausgegangen sondern ... das meine ich jetzt beim besten willen nicht als Vorwurf – also du hattest immer noch dieses und jenes was den Besuch der alten Herrschaften ausdehnte.“. „Ach ja, du hast ja im Grunde so recht.“, bekannte meine Holde kleinmütig, „Das liegt auch an meiner Art. So würde es dann heute auch wieder sein. Wenn ich schon mal in Düsseldorf bin, dann möchte ich auch was von Sara wissen ... Und als Mutter von Björn fühle ich mich nach wie vor auch noch immer. Wir haben uns doch vorgenommen, gegenseitig die eigenen Familiensphären zu wahren und das wollen wir auch achten. Fahr du mal alleine.“. Na ja, dann handelte ich auch entsprechend unserer soeben getroffenen Vereinbarung. Ich setzte Elke vor der Hütte ab und wendete postwendend, also ohne selbst noch hinein zugehen, um sofort nach Düsseldorf zu fahren. Da ich noch am gleichen Tage wieder zurück sein wollte, gönnte ich mir auch keinen weiteren Aufenthalt. Es war an diesem Tage eine fürchterliche Fahrerei. Die Straßen waren zwar frei aber nass und draußen fror es ein Wenig. Es dürften wohl so zwei bis drei Grad unter Null gewesen sein. Ich zog es vor auch auf der Autobahn nur kontinuierlich so um die hundert Stundenkilometer zu fahren. Da wurde ich natürlich laufend überholt. Es gibt ja genug Leute von dem kleinhirnigen Indianerstamm der Bleifüße, die bei jeden Wetter brettern als wären sie alleine auf präparierten Pisten unterwegs. Durch die Überholer wurde auch immer wieder schmutzige Flüssigkeit von der Straße gegen meine Frontscheibe gespritzt, so dass Scheibenwischer und Waschanlage kaum mitkamen. Auch von Innen beschlugen die Scheiben ständig und ich musste pausenlos mit dem Gebläse Warmluft gegen die Scheiben blasen lassen und die Heckfensterbeheizung musste ich, kaum dass ich sie ausgeschaltet hatte, wieder einschalten. Oh nein, das war wirklich kein schönes Fahren. Dann passierte es. Ich befuhr die A46 und wollte an der Anschlussstelle Düsseldorf-Holthausen die Autobahn verlassen. Fast hatte ich es geschafft, die besagte Anschlussstelle wäre die nächste Ausfahrt gewesen. Bei einem Blick in den Rückspiegel sah ich dann einen Helldriver, also einen hirnlosen Raser, die linke Fahrspur der besagten Autobahn mit dem Hockenheimring verwechselnd, heranpesen. Und ab jetzt sind meine Erinnerungen nur noch löcherich und vage. Auf jeden Fall flog der Wagen des Rennfahrers von der Leitplanke, an der er entlang gescheppert war, erst links neben mir vorbei und dann vor mir im Salto Mortale durch die Luft. Ich stieg voll in die Bremse und dann knallte es gleichzeitig hinten und vorne. Ab jetzt kann ich mich nur noch an fürchterliche Schmerzen und sonst nichts mehr erinnern. Später erfuhr ich dann was passiert war. Ein 46-jähriger Handelsvertreter hatte mit überhöhter Geschwindigkeit die linke Fahrbahn befahren. Schon vorher hatte er in aggressiver Weise immer wieder vor ihm fahrende Fahrzeuge nach rechts gedrängt. Dann hat er aus irgendeinem Grund, möglicher Weise war es die beginnende überfrierende Nässe und dazu eine ruckartige Lenkbewegung, die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und ist erst mal gegen die Mittelleitplanke geraten. Von der ist er etwa in der Höhe wo ich fuhr wieder abgekommen und der Wagen hat sich quer über die Bahn überschlagen. Das war viel zu knapp für mich, so dass ich trotz Vollbremsung mit dem auf meiner Fahrbahn auf dem Dach liegenden PKW kollidiert bin. Und was für mich das Schlimmste gewesen sein soll, ist dass ein mir folgender LKW dann ungebremst auf meinen Wagen auffuhr. Da wurde ich im wahrsten Sinne des Wortes im Schrott eingeklemmt. Der Tempokönig und ich zogen sich erhebliche, aber keine lebensgefährdenden Verletzungen und der LKWFahrer einen schwereren Schock zu. Was jetzt zwischen Unfall und der Rückgewinnung meines Bewusstseins alles so passierte kann ich so gut wie gar nicht wiedergeben. Meine Erinnerungen sind einfach futsch. Ich denke, dass das auch gut ist, denn angenehm dürfte dieses alles nicht gewesen sein. Richtig klar war ich erst wieder am nächsten Morgen, so gegen Zehn, als ich von der Intensivstation auf eine andere Station, die zwar auch noch „Intensiv“ hieß aber doch schon Ähnlichkeit mit einer Normalstation hatte. Mein rechtes Bein befand sich auf voller Länge und mein linkes unterhalb des Knies in Gips. Um den Hals steckte ich in einer Manschetten und der rechte Arm lag auf einer Schiene. Das ich auf der Stirn einen Verband hatte habe ich erst später gemerkt. Also ich muss schon sagen, dass ich recht nett lädiert war aber weitere, insbesondere innere Verletzungen hatte man zum Glück bei mir nicht festgestellt. Da hätte ich jetzt so schön in die Zeit, wo man mit richtigem Geld, dem Euro, bezahlen kann, starten können und lag stattdessen nur wenig bewegungsfähig in einer Düsseldorfer Klinik. Na ja, wir müssen es halt so nehmen wie es kommt – ändern können wir es sowieso nicht.
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Aufklärende Besuche Obwohl ich in einer Klinik in der Fremde lag brauchte ich auf Besuch nicht zu verzichten. Der erste stand schon kurz nach dem ich auf diese Normal-Intensiv-Station verlegt worden war auf der Matte. Es war diejenige, die ich eigentlich aufsuchen wollte: Heike. Sie konnte die Erste sein weil sie natürlich den kürzesten Weg zu mir hatte, was auf unseren Sohnemann selbstverständlich auch zugetroffen hätte. Die Nachricht von meinem Unfall hatte jedoch einen etwas längeren Weg zu ihr zurückgelegt. Die Düsseldorfer Polizei hatte natürlich nichts anderes in den Händen als meine Elfenwieser Anschrift, die sie aus meinem Führerschein und dem Kfz-Schein entnehmen konnte. Nur in meinem Personalausweis hätte die derzeitig richtige, derzeitig gültige Adresse in Rainberg gestanden. Wo wir ja doch in absehbarer Zeit wieder zu unseren Elfenwieser Ursprüngen zurückkehren wollten, habe ich es bewusst unterlassen auch die Papiere beim Straßenverkehrsamt ändern zu lassen. Das ist zwar nicht korrekt aber aus der Sicht der Praxis sinnvoll. Nun, die Düsseldorfer Polizei informierte ihre Kollegen in Wannebachtal, der Gemeinde zu der sowohl Elfenwiese wie auch Rainberg gehören. Die Wannebachtaler Polizisten fuhren also entsprechend den Angaben, die sie aus Düsseldorf erhielten, erst einmal nach Elfenwiese und staunten das dort keiner wohnte. Der Grüne Baum und sein Wirt waren dem Beamten wohl nicht geläufig oder sie haben in ihrem Diensteifer gar nicht daran gedacht. Auf dem, an dem im Umbau befindlichen Haus angebrachten Baustellenschild konnten sie die Telefonnummer des Architekten entnehmen, bei dem sie sich dann nach unserem Verbleib erkundigten. Unser Architekt konnte ihnen nicht nur die Adresse sagen sondern ihnen auch verraten wie sie dorthin in den Wald finden konnten. So kam dann die Unglücksnachricht mit einiger Verzögerung bei Elke an. Die musste sich natürlich erst einmal von dem großen Schreck erholen und sich beruhigen. Danach tat sie dann erst einmal das Vernünftigste was sie in dieser Situation machen konnte. Sie rief unsere Sohn Björn im Hotel an und gab ihm zunächst die Unfallmeldung weiter und bat ihm, der sich ja Vorort befand, sich nach mir zu erkundigen. Aus dem Kliniknamen konnte er gleich schließen, dass es sich um das gleiche Krankenhaus handelte in der auch er, wo noch seine Scheidung drohte, gelandet war. Als Björn alles erfahren hatte was man ihm telefonisch sagen konnte rief er seine Mutter an um sie erstens zu beruhigen und ihr zweitens ihr anzubieten sie aus Rainberg abzuholen. Letzteres lehnte sie aber ab, da sie die Nase vom Autofahren voll hatte oder sollte ich besser sagen, dass sie aus verständlichen Gründen ein wenig Angst hatte sich in ein Auto zu setzen. Sie wollte sich nach Zugverbindungen erkundigen und am nächsten Tag auf Gleisen anreisen. In diesem Fall rächte es sich, dass wir während unserer Rainberger Zeit auf einen Festnetzanschluss verzichtet hatten. Ohne Festnetz kein Internet-Anschluss und ohne diesem auch keine Auskünfte von www.fahrplan-online.de. Bei der Fahrplanauskunft, dessen Nummer sie bei der Telefonauskunft erfragt hatte, meldete sich mal wieder keiner mehr. Also rief sie noch einmal in Düsseldorf an und bat Sohnemann die Auskünfte für sie im Internet einzuholen. Der rief dann später bei ihr zurück um ihr die Daten durchzugeben. Wenn es nicht Verspätungen, die bekanntlich inzwischen bei der Bahn Standard sind, gibt oder wenn sich diese in einem tragbaren Rahmen halten, so dass sie ihre Anschlüsse nicht verpasst, sollte sie am Spätnachmittag in Düsseldorf eintreffen. Björn wollte sie am Bahnhof abholen und mit ihr erst einmal zu mir kommen. Natürlich hatte Björn nach dem Anruf seiner Mutter sofort Heike in Kenntnis gesetzt und mit ihr gleich eine Dienstbesprechung hinsichtlich Erledigungen im Hotel, Aufsicht über Sara und so weiter so wie die Absprache der Besuche bei mir einberaumt. Nun, Heike sollte nach deren Übereinkunft am Morgen als erste bei mir erscheinen und Björn wollte dann, wie bereits geschrieben, am frühen Abend mit seiner Mutter zu mir kommen. Übrigens hatte er auch für Elke gleich eine Zimmerreservierung vorgenommen. Für mindestens 14 Tage, früher würde ich nach Björns Schätzung ohnehin nicht aus dem Krankenhaus kommen, sollte sie bei ihm wohnen. Als das junge Ehepaar Wolf den nächsten Tag plante kam Heike auf einmal auf einen Gedanken: „Du Björni, was wollte Papa eigentlich hier? Da stimmt doch was nicht.“. Und schon hing sie wieder an der Strippe und erfuhr von Elke die Dinge, die mich entsprechend meiner ursprünglichen Absicht zu ihr führen sollten. Trotz der inzwischen späteren Stunde rief dann unsere Schwiegertochter im Pfarrhaus Ehrenberg an. Später erfuhr ich, dass es eigentlich kein schönes Gespräch zwischen den Freundinnen gewesen sei. Das waren dann also die Dinge, die mir meine erste Besucherin zu berichteten hatte. Ich muss sagen, dass sie wirklich alles gekonnt und nett vortrug. Nichts hätte mich, so wie sie es erzählte, in Aufregung bringen können. Allerdings musste ich sie zu letztem Punkt doch näher interviewen: „Hat dir denn Katharina alles erzählt und hast du von den Dingen, die sie dir anvertraut hat, vielleicht unabsichtlich, irgendwie etwas weitergegeben?“. „Also, erzählt hat sie mir das wirklich alles“, gestand Heike ein, „und ich habe ihr im Gegenzug auch einiges oder alles von mir erzählt. Ich bin ja nicht mit Zwanzig auf die Welt gekommen und da gibt es schon einige Jugendsünden, die ich nicht an die große Glocke hängen sollte. Und außerdem ist ja auch die Geschichte mit uns Zwei ja auch nicht gerade für die weite Welt bestimmt. Die Plauderei, wenn ich das mal so nennen darf, fand in meiner Ehrenberger Wohnung statt. Und außer Katharina und ich war nur unsere Sara dabei ... und die hat aus augenscheinlichen Gründen bestimmt nichts weitergegeben.“. Jetzt lachte Heike erst einmal zur Auflockerung
und fuhr dann fort: „Und beim besten Willen ich habe davon nichts weitergegeben. Weder an euch und schon gar nichts an Dritte; nicht einmal Björni habe ich etwas davon erzählt. Ach weißt du, ich verstehe nicht warum Rainer und Katharina nicht zur Polizei gehen ... Dann wird es sich bestimmt doch alles aufklären.“. Hiernach legte sie erst einmal eine nachdenkliche Pause ein. Nach dieser schöpferischen Pause setzte sie dann mit einer Aufklärung nach: „Sieh mal Papa, ich komme aus einer Hotelierfamilie. Was meinst du, was du in Hotels alles mitbekommst und was du da erleben kannst? Sicher kennst du den schönen Spruch: Der nächste Herr die selbe Dame – und natürlich auch umgekehrt. Was meinst du, was man alles erlebt wenn man mal von einem Gast aus irgendeinen Grund auf das Zimmer bestellt wird. Also es hat mich noch nie jemand versucht anzufassen; so etwas dürfte auch die große Ausnahme sein. Ich glaube den Leuten ist hinlänglich bekannt, dass sie dann achtkantig rausfliegen würden. Aber sonst habe ich so allerhand erlebt. Kannst du dir vorstellen, was einen verschiedene Gäste alles erzählen wenn sie ihren Moralischen haben, insbesondere dann wenn sie einiges im Kanal haben. Und wenn ich jetzt Namen nennen würde, würdest du staunen um welche bekannten Leute, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, es sich dabei teilweise handelte. Promis sind doch keine Halbgötter, auch wenn sie in den Medien oft so dargestellt werden. Denk doch beispielsweise an Bill Clinton und Monica Levinski oder an Boris Becker in der Besenkammer. Also, wir sind alle nur Menschen und keine Heiligen auch wenn sich verschiedene Leute in den Medien einen Heiligenschein polieren lassen. Meinst du, dass der Frauenverschleiß unseres Bundeskanzlers – immerhin vier Ehen – von ungefähr kommt. Jetzt stell dir vor, dass Hotelleute Tratschen wären und nicht dicht halten können. Sieh mal, ich bin doch nicht nur eine gelernte Hotelfachfrau sondern ich bin in einem solchen Haus aufgewachsen. Da ist mir doch Vertraulichkeit von Kindesbeinen an in Fleisch und Blut übergegangen ... und da soll ich meine beste Freundin, so sehe Katha und mein Verhältnis seit meinen Ehrenberger Tagen an, so derbe in die Pfanne hauen? Beim besten Willen nein.“. Ganz so heilig wie sie sich jetzt darstellte ist Heike aus meiner Betrachtungsweise zwar nicht, denn wer war es denn damals der mir von der Neustädter Lesben-Romanze Karin/Elke berichtet hatte. Und ein gewisses Mitteilungsbedürfnis kenne ich auch von ihr. Sie kann zwar verschiedene Dinge, die sie gerne mitteilen möchte, lange Zeit für sich behalten aber wenn sie die Zeit dafür für gekommen hält platzt explosionsartig das aufgestaute Wissen aus ihr heraus. Aber das dürfte doch auch eine rein menschliche Angelegenheit sein. Wie kämen sonst Dinge die hinter verschlossenen Kabinetts- oder Vorstandstüren sowie in nicht öffentlichen Ratssitzungen verhandelt wurden an das Licht der Öffentlichkeit? Hatten wir nicht von der Erpressungsgeschichte überhaupt erst durch Heike erfahren? Aber über eines glaube ich mir sicher zu sein: Es muss auch gesehen werden, dass Heike unter anderem auch von den drei Seitensprüngen ihrer Mutter, als ihr Vater noch lebte, wusste und niemand von ihr etwas erfahren hatte. Erst als Karin diese selbst gestand, tat sie im Kreis der Leute, die dieses Geständnis hörten, ihr eigenes Wissen kund. Dann habe ich sie ja in der Zeit als sie bei uns wohnte in der Kneipe, wo ja Tratsch und Klatsch auch unter Männern zur Hochblüte kommen, erlebt. Niemals hat sie etwas, was sie von diesem oder jener gehört hatte, gegenüber anderen, selbst uns gegenüber nicht, geäußert. Ich glaube schon, dass sie differenzieren kann und weiß was sie wem sagen kann. Also, ich halte schon Geheimnisse bei ihr gut aufgehoben; sie kann sehr gut die Vertraulichkeit wahren. Alles in Allen kaufte ich ihr also ab, dass sie wirklich nichts aus dem Privatleben der Köhlers an Dritte weitergeben hat. Aber um so unheimlicher finde ich es, wie jemand mit den Dingen, die angeblich nur Heike im vollem Umfang kennt, ein solch schmutziges Geschäft betreiben kann. Soweit erst mal das Wichtigste von Heikes ersten Besuch, den ich als ihren aufklärenden bezeichnen möchte. Sie hielt sich noch eine ganze Weile bei mir, dem armen Tropf der sich praktisch nur mit dem linken Arm und kopfnickender Weise bewegen konnte, auf. Im Großen und Ganzen sagte sie nur diese oder jene netten Worte und beantworte meine Fragen. Unter anderem fragte ich sie ob sie schon Namen für ihre Zwillingen gefunden hätte und erfuhr, dass Björn die Namen Kai und Sven favorisieren würde und sie an diesen auch Gefallen finden würde aber festgelegt hätten sie noch nichts. Mir war aber auch an diesem Tag ganz lieb das weiter nichts Ernstes fiel, denn meine Schmerzen nahmen mich doch sehr in Anspruch. Andererseits war es auch schön meine Schwiegertochter da zu wissen, da sie mich doch von so manchen, was mich, wenn ich alleine gewesen wäre, beschäftigt und belastet hätte, ablenken konnten. Irgendwo war ich schon etwas traurig als sie sich mit dem Versprechen mich regelmäßig besuchen zu wollen verabschiedet. Ihr Versprechen hielt Heike auch ein: In den ganzen acht Wochen, die ich im Krankenhaus bleiben musste, erschien sie zwei Mal in der Woche. Einmal am Dienstag oder Mittwoch beziehungsweise Donnerstag – das variierte immer ein wenig – und grundsätzlich des Samstags. Am Abend erschienen dann gemeinsam, einmal diejenige, die mich am Häufigsten besuchte, und derjenige aus der Familie, der mich in dieser Zeit am Wenigsten besuchte. Richtig geraten, es waren Mutter und Sohn. Elke kam bis auf ein einziges Mal jeden Tag vorbei und blieb in der Regel immer zwischen zwei und vier Stunden bei mir. Björn dagegen kam lediglich in der ganzen Zeit „nur“ drei oder vier Mal. Na ja, als er im Krankenhaus lag war ich ja auch nicht sein fleißigster Besucher. Schließlich geht draußen das Leben immer weiter und von nichts
kommt auch nichts. Am ersten Abend teilte er mir dann auch mit, dass er sich in meinem Auftrage mit der Abwicklung der Unfallgeschichte kümmern wolle. Zunächst war ein Gutachten vom Wrack und dann die Verschrottung fällig. Darum, das unsere persönlichen, noch im Wagen lagernde Sachen aus dem Schrott geholt wurden, hatte er sich bereits an diesem Tage gekümmert. Auch für das, wie es hinterher mit unserer Motorisierung weitergehen sollte, hatte er schon einen Vorschlag ausgearbeitet. Wir konnten uns zwischen Heikes oder seinen Wagen, den wir zu einem Vorzugspreis erstehen konnten, entscheiden. Er wollte ohnehin beide Autos abgeben um sich ein etwas komfortableres, mit dem er auch bestimmte Gäste unter anderem vom Flughafen abzuholen gedachte, zulegen. Diesen Wagen wollte er dann mit Heike gemeinsam nutzen. Wenn alle Stricke reißen hatten sie ja immer noch den Kombi, der auch vom Hotelpersonal für Koffertransporte und diversen Erledigungen genutzt wurde. Langsam entwickelte sich unser Sohn, so wie ich jetzt sehen konnte, zu einem richtigen Kaufmann. Die Lösung, die er geplant hatte, war allemal kostengünstiger und aus der Marketingsicht effizienter als das bisherige Vorgehen mit zwei älteren Privatwagen und dem Hotelkombi sowieso schon. Später überließ ich die Entscheidung zwischen den beiden Gebrauchtwagen meiner besseren Hälfte und die entschied sich für Heikes Wagen. Aber unter uns gesagt: Für den hätte ich mich auch entschieden. Allerdings an diesem Abend stand mir beim besten Willen nicht ganz der Sinn nach solchen Dingen. Ich verspürte immer noch einiges an Schmerzen und von den ganzen Schmerzmitteln, die man mir am Tage per Infusion gegeben hatte, hatte ich eine richtige schläfrige Neigung. Ich weiß jetzt nicht ob ich schon während des Besuches oder danach eingeschlafen bin. Auf jeden Fall liegen meine nächsten nachvollziehbaren Erinnerungen erst wieder am nächsten Tag und als dann Elke um Zehn kam musste sie die ganze Aufklärung hinsichtlich des Schrottes und den Autos noch einmal nachholen. Diese habe ich aber dann behalten, denn irgendwie fühlte ich mich doch schon etwas besser. Bei diesem Besuch konnte mich Elke dann auch über das wahre Unfallgeschehen aufklären und ich war heilfroh, dass nicht mehr passiert ist. Bei dieser Gelegenheit erzählte mir Elke das sie entgegen ihrer tatsächlichen Aussage doch eigentlich am Unfalltage gerne mitgefahren sei aber sie habe auch irgend so ein komisches Gefühl gehabt, weshalb sie dann doch ohne große Diskussion zuhause geblieben wäre. Das müsse wohl im Zuge einer Vorbestimmung geschehen sein, denn wenn sie mitgefahren wäre, würde sie bestimmt nicht mehr am Leben sein, denn die rechte vordere Hälfte, also da wo sich der Beifahrersitz befindet, wäre so zerdeppert, dass da bestimmt keiner mehr rausgekommen sei. Ich selbst habe den Wagen nicht mehr gesehen, denn schon am Anfang der darauffolgenden Woche kam er in die Schrottpresse. An diesem Samstag, zwei Tage nach meinen Unfall, besuchte mich auch Karin erstmals. Sie kam ab diesem Tage dann in 14-tägigen Abständen auch vorbei. Von ihr wurde ich bei jedem Besuch aufgeklärt aber immer in der gleichen Richtung und zur gleichen Sache. Sie klärte mich über den besten Mann der Welt, einem Kölner Gesamtschullehrer, und über ihr unendliches Glück auf. Ja, sie hatte es geschafft und sich einen Kerl „geangelt“, von dem sie glaubte es sei der Richtige. Ach was schwärmte sie von diesem Mann der sie wie eine Motte um das Licht umschwärmte. Ich nehme auch an, dass er ihr im Bett das gab, was sie brauchte. Erzählt hat sie während meines Krankenhausaufenthaltes allerdings davon nichts – und auf die Zeit danach möchte ich an dieser Stelle noch nicht eingehen. Aus diesen Worten kann man aber schon einmal schließen, dass da noch etwas zu erwarten ist, in das ich dann direkt oder indirekt einbezogen wurde. Auf jeden Fall war während meiner Patientenzeit von Sex keine Rede zwischen mir und Karin. Am Samstag der darauffolgenden Woche erhielt ich dann noch einen weiteren, sogar sehr aufklärenden Besuch, der mich letztendlich vollkommen glücklich stimmte. Elke und Heike waren gerade bei mir und hatten mir berichtet, dass sich Rainer Köhler bei Björn nach mir erkundigt habe, als er auch schon nach einem Anklopfen ins Zimmer trat. Hinter ihm trat Katharina, die so mädchenhaft verlegen wie an dem Tag, an dem wir uns das erste Mal vor der Kirche begegnet sind, wirkte, ebenfalls in das Zimmer ein. Sie stellten sich zunächst wie ein schuldiges Geschwisterpaar in Front zu meinem Bett und den auf der linken Seite sitzenden Frauen auf. Während Katharina mit gesenktem Kopf dastand, ergriff Rainer das Wort: „Erst mal schönen guten Tag. ... Es ist im Moment gut, das auch ihr, liebe Heike und Elke, hier seid. Wir müssen uns bei Euch allen Dreien entschuldigen und euch um Vergebung bitten. Wir haben uns sehr, sehr schmutzig gegen euch alle verhalten.“. „Mann,“, ergriff ich das Wort, „wir sind doch alle nur Menschen und machen allerlei Blödsinn. Kommt her und nehmt Platz und wir vergessen dann was zwischen uns stand. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass sich der Erpressungsfall aufgeklärt hat und sich unsere Unschuld herausgestellt hat.“. Katharina nickte nur bejahend mit dem Kopf, sagte aber nichts. Dafür ergriff jetzt Rainer noch einmal das Wort: „Ja, das ging auf einmal sehr schnell. Wir bekamen noch einen weiteren Erpresserbrief. Da ließ sich jemand über eine weitere exhibitionistische ‚Schandtat’ Kathas aus, die mir bis jetzt auch noch unbekannt war. Aber du, Heike, kanntest sie ... eben aus euerem berühmten Beichtgeplauder in deiner Wohnung. Was jetzt aber anders war: Du Reiner, konntest ihn nicht geschrieben und aufgegeben haben, denn du lagst zu diesem Zeitpunkt schon hier in der Klinik. Selbst wenn du den Brief schon früher geschrieben hättest, dann hätte keiner von euch diesen aufgeben können, denn auch Elke war zu diesem Zeitpunkt bereits hier in Düsseldorf und der Brief war wieder beim Briefverteilzentrum Wannemünde abgestempelt worden. Noch am gleichen Abend kamen wir noch ein
Stück weiter. Thomas, Kathas Bruder, hatte etwas hier in der Gegend zu erledigen und ließ es sich nicht nehmen sowohl meine Schwiegereltern wie auch uns kurz zu besuchen. Wir hatten das Gefühl mit irgend jemanden über die Geschichte sprechen zu müssen und sahen in Thomas den geeigneten Partner dazu. Dazu zeigten wir ihm den ersten Brief, was Katha dann auch ihrem Bruder gegenüber zur Beichte über die wahre Herkunft seines jüngsten Neffens nutzte. Danach hatte ich Zweifel, ob Thomas wirklich Pastor oder Meisterdetektiv ist. Er löste den Fall in fünf Minuten. Ratet mal wer der Übeltäter oder die Übeltäterin war?“. Rainer legte eine Kunstpause ein als ob er wirklich eine Rateantwort erwartet hätte und fuhr dann fort: „Na, es war Sonja, Thomas geschiedene Frau. Thomas erkannte die Handschrift, obwohl sie diese zu verstellen versuchte, sofort. Sie hatte ...“. An dieser Stelle trieb mich meine Neugierde erst einmal zu einer Zwischenfrage: „Also, was ich dich jetzt frage brauchst du mir nicht zu beantworten aber ich bin ganz toll neugierig. Was hatte deine Exschwägerin eigentlich getan als es zur Scheidung kam.“. „In der Tat möchte ich das nicht erzählen.“, antwortete Rainer, „Damit du mir aber nicht vor Neugierde stirbst verrate ich dir, dass das mit Prostitution und auch mit Erpressung zu tun hatte. Der ahnungslose Thomas wollte, als er das Erste davon hörte, die Sache ein Wenig ausbügeln und geriet in den Verdacht der Mittäterschaft und wurde später auch für kurze Zeit verhaftet. Noch heute gibt es in Ehrenberg Leute, die an diese Mittäterschaft glauben. Und um diese Dinge nicht allzu sehr wieder aufleben lassen, lässt er sich sehr, sehr wenig bei uns sehen. ... Eigentlich schade.“. Erstmalig meldete sich nun auch Katharina zu Wort: „Sonja ist also einschlägig vorbelastet und das, was sie aus unserem Gespräch erfahren hatte, nutzte sie jetzt zu einer Neuauflage ihres kriminellen Tuns ... diesmal aber aus Rache.“. Als sie ausgesprochen hatte, wollte nun auch Heike etwas wissen: „Wieso konnte die denn aus unserem Gespräch, dass wir doch unter vier Augen in meiner Wohnung geführt haben, was erfahren? Es war doch sonst niemand dabei und ich habe doch ... darauf schwöre ich jeden Eid – niemanden etwas gesagt.“. Katharina hob nun erstmals den Kopf in Normalstellung und schaute freundlich zu Heike rüber: „Jetzt weiß ich es wieder und ich hätte es eigentlich immer wissen müssen: Du hast wirklich nichts weiter gesagt. Was ich aber bisher auch noch nicht wusste, ist, dass Sonja eine Nichte von deinem Exvermieter Schriever ist. Sie war an diesem Tage bei ihrem Onkel im Garten und du hattest ... wie fast immer an wärmeren Tagen, das Fenster zum Garten auf Kippe stehen. Das ist doch offensichtlich so eine Angewohnheit von dir. Und hinter diesem gekippten Fenster saßen wir und haben uns gegenseitig unsere Schandtaten gebeichtet. Thomas wusste von dem Verwandtschaftsverhältnis und mutmaßte, dass Sonja im Hause war und die Sache mitgehört hat. Rainer hat sie danach auch direkt angesprochen. Sonja hat dann alles eingestanden und dann in Hinsicht auf ihre Vorstrafe flehentlich darum gebeten sie nicht anzuzeigen.“. Heike, Elke und ich wollten jetzt gleichzeitig eine Frage los werden. Wir formulierten, wie könnte es auch anders sein, unterschiedliche Sätze aber im Grunde wollten wir alle Drei das Gleiche wissen und deshalb brauche ich hier nur das wiederzugeben, was ich fragte: „Auf deren Flehen wollt ihr euch doch wohl nicht einlassen; was macht ihr denn jetzt?“. Zur Beantwortung dieser Frage fühlte sich dann Rainer aufgerufen: „Sonja hätte mich gar nicht zu bitten brauchen sie nicht anzuzeigen – das hätte ich ohnehin nicht getan. Ich kann ja schlecht von der Kanzel verkünden, dass sich Christen durch die Vergebung und nicht durch die Rache auszeichnen. Man kann ja nicht leugnen, dass wir irgendwelche Mittel an der Hand haben müssen um unser Miteinander zu ordnen. Dazu gehört auch, dass man Straftätern klar macht, dass man ihr Handeln auf keinen Fall duldet. Das bedeutet aber nach meiner Ansicht nicht Strafe auf jeden Fall und um jeden Preis. Denn dann wollen wir nur Rache und Vergeltung – und das steht uns nicht an. Gott sagt: ‚Richtet nicht auf das ihr nicht gerichtet werdet’. Diese steht bei Moses an der gleichen Stelle wie ‚Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn’ und so weiter. Das heißt wohl nicht das wir Gleiches mit Gleichem vergelten sollen sondern das wir jedes Urteil, was wir sprechen, auch über uns sprechen. In der Bergpredigt sagt uns unser Herr, dass wir unsere Feinde lieben und für sie beten sollen. Wer zu seinem Nächsten „Rache“ sagt, tötet ihn in den Augen Gottes. All’ dieses kann ich doch nicht von der Kanzel predigen und da wo es mich persönlich betrifft bin ich dann der Erste, der dann nach Rache ruft.“. Heike unterbrach an dieser Stelle. „Ich denke, dass du aber nicht nur alles in Hinsicht auf die Täterin und deiner Christenpflicht der Vergebung sehen solltest. Es geht doch in erster Linie um euch. Da sind doch schon allerlei Gerüchte im Umlauf. Wie wollt ihr denn diesen begegnen und was sagt ihr den Leuten wenn diese Sonja noch mehr auspackt?“. „Ach Heike,“, meldete sich jetzt Katharina, die immer noch nicht ihr Angesicht richtig zu heben vermochte, „Sonja hat ja so gut wie nichts in der Hand mit dem sie das, was sie erzählt, auch belegen könnte. Wir haben uns vorgenommen weder was abstreiten noch was bestätigen zu wollen sondern einfach erklären, dass wir über den Gerüchten stehen und uns nicht damit beschäftigen würden. Dann legt sich wahrscheinlich die Sache von selbst. Schließlich ist Rainer der Pastor von Ehrenberg, Nachfolger meines Vaters und Sonja eine ... na sagen wir sie sei als Sünderin bekannt. Es mag vielleicht der Eine oder die Andere glauben das an jedem Gerücht etwas dran sei; aber das ist auch schon alles. Auch in der Hinsicht ist es besser, dass wir gegen Sonja nichts unternehmen, denn dabei würden wir zwangsläufig diverse Dinge selbst bestätigen müssen.
Also nicht nur aus christlicher sondern insbesondere aus weltlicher nur praktischer Sicht ist es besser jetzt nichts gegen Sonja zu unternehmen.“. Das leuchte mir ein und ich freute mich darüber, dass wir doch „recht kluge“ Freunde haben. Aber im Hinblick auf unser persönliches Verhältnis gedachte ich doch jetzt etwas sagen zu müssen: „Katharina, du schaust so verschüchtert und schuldbewusst drein. Erhebe doch mal dein Haupt und lächele, wie du das so schön kannst. Dann siehst du ... Rainer und Elke verzeiht mir meine Worte jetzt mal – Also, wenn du dein lächelndes Gesicht zeigst siehst du wirklich bezaubernd aus. Es gibt doch keinen Grund für eine sündhafte Scham. Das wir alle Sünder sind war uns ja schon vorher bekannt. Was aber sehr wichtig ist, ich glaube wir sind richtige Freunde geworden und Rainer ist der beste Pastor, den ich bis jetzt kennen gelernt habe. Es hätte mir das Herz zerbrochen wenn dieses durch diese blöde Geschichte zerstört worden wäre. Unsere Freundschaft ist wie ein schöner Sommer und in jedem Sommer gibt es bekanntlich mal ein Gewitter ... und das ist jetzt vorüber gezogen. Ich schlage jetzt einmal vor, wir vergessen erst einmal was uns dazwischen gekommen ist und machen da weiter wo wir aufgehört haben.“. Tatsächlich hob jetzt Katharina ihren Kopf und lächelt in ihrer, von uns allen geschätzten Art. Rainer brachte doch noch einen nachdenklichen Ton hinein: „Dein Unfall ist geschehen weil du, wo wir euch nicht glauben wollten, zu Heike fuhrst, weil du dir von ihr etwas erhofftest, womit du uns deine Unschuld beweisen konntest ... ob wohl du so etwas gar nicht nötig hattest. Es belastet schon unser Gewissen, dass dieser, wenn du zuhause geblieben wärest, nicht hätte geschehen können. Ich glaube, dass uns Gott damit einen gewaltigen Denkzettel gegeben hat. Wir sollten es wirklich lassen über andere Leute das Urteil zu sprechen. Wir haben euch quasi verurteilt ohne das ihr überhaupt eine Schuld hattet. Deshalb bin ich überglücklich, dass ihr uns vergebt.“. Und jetzt lächelte auch er. Die Köhlers blieben, nachdem die uns belastende Geschichte aufgeklärt war, noch zirka eine Stunde an meinem „Krankenbett“ um dann zusammen mit Elke und Heike zum Hotel zu wechseln. Sie gedachten auch noch Björn ihre „Aufwartung“ zu machen bevor sie sich wieder zurück nach Ehrenberg begaben. Während meines Klinikaufenthaltes bekam ich dann noch einmal von Rainer einen Besuch, der aber nicht von unseren persönlichen Dingen belastet war. Wir unterhielten uns dann über Gott und die große wie kleine Welt, was man ruhig wörtlich nehmen kann. Unter großer Welt verstehe ich dieses und das, also mal Politik, mal Wirtschaft und auch Sport und die kleine Welt ist unser familiäres Umfeld. Ich ließ mir von ihm etwas über Katharina und seine vier Jungens erzählen und berichtete im Gegenzug von meinen Leuten und ihren Besuchen bei mir. Der sich auf Gott beziehende Gesprächsteil war dann etwas tiefergehender. Wir sprachen darüber, dass Gott alles, Gut und Böse, vorbestimmt habe und das alles was Gott macht und bestimmt einen größeren Sinn hat, den wir Menschen vielleicht mal gelegentlich erkennen aber im Großen und Ganzen frühesten an unserem Ende erfassen können. Trotzdem machte ich mir Gedanken, welcher Sinn wohl hinter dem, was Er uns vorbestimmt hat, stecken könnte. Darauf erklärte mir mein Namensvetter mit dem a anstelle des e: „Ich glaube, dass es uns nicht ansteht, über Gottes Willen und Ratschluss zu rätseln und zu entscheiden. Wir sollten ihm in allen Dingen, auch hier vertrauen und wissen, dass alles was er macht gut ist. Er liebt uns so sehr, dass er uns alle retten will. Er hat uns allen das ewige Leben in Liebe und Glück angeboten und möchte, dass wir von seinem Angebot Gebrauch machen. Deshalb wurde er selbst Mensch und rief uns auf, ihm nachzufolgen. Nur wenn wir das auch machen ist sein Angebot auch unsere persönliche Verheißung. Gott liebt seine Welt und möchte, dass sie gerettet wird.“. Mit diesem Thema beschäftigte ich mich auch überwiegend dann wenn ich mit meinen Gedanken alleine war. Nachträglich gesehen muss ich feststellen, dass es insgesamt in meinem Denken eine große Wende gegeben hat. Früher war es grundsätzlich so, dass ich vorwurfsvoll fragte: „Warum gerade ich?“. Diese Frage, die in meinem vorhergehenden Leben immer den Zielpunkt bei der Verarbeitung gerade zurückliegender negativer Erlebnisse darstellte, sah für mich jetzt immer beantwortet aus: Gott hat es so vorbestimmt um ... . Ja, gerade die drei Punkte waren es dann, die mich beschäftigten. Was hatte Gott vor, wozu hat er mich erwählt? Aber wie Rainer es bei seinem Extrabesuch schon sagte steht es uns Menschen nicht an, uns darüber Gedanken zu machen. Gott ist weder ein Experimenteur, noch ein Magier und erst recht kein Majonettenspieler. Bei ihm ist nichts Zufall, es gibt bei ihm kein Glück und kein Pech. Alles hat seinen Zweck und ist für unser Heil bestimmt. Aber glauben Sie mir, mit einer solchen Einstellung lässt sich alles leichter ertragen. Auch während des Leidens werden wir mit größer Geduld ausgestattet. Jetzt darf man sich allerdings nicht auf die Position „Was kann denn ich dafür, Gott hat es ja so prädestiniert“ zurückziehen. Gott verlangt von uns unbedingten Gehorsam, das heißt, dass wir nicht vorsätzlich gegen seine Gebote verstoßen dürfen und wenn wir dann trotzdem dagegen verstoßen – was wir allesamt tagtäglich machen – verlangt er von uns, dass es uns von ganzen Herzen reut. Den Sinn erklärt uns der Apostel Paulus im Römerbrief, in dem er schreibt, dass er sich seiner Leiden rühmt weil wir dadurch im Glauben gestärkt werden – und darauf kommt es in der Endabrechnung an. Dieses besprach ich auch mit unserem Elfenwiesener Gemeindepfarrer, Pastor Grabbert, der mich auch einmal in der Klinik besuchte. Ihm erzählte ich auch, dass ich glauben würde, dass alles Leben ein Teil des ewigen Gottes sei. Vor der Schöpfung habe es, wie es ganz am Anfang der Bibel heißt, nur den Geist Gottes und das Chaos – Energie und Materie –, über dem er schwebte,
gegeben. Nach meinem Gauben bestand die Schöpfung darin, dass Gott sich mit dem Chaos verband, das heißt, dass Er der Materie das Leben einhauchte. Der Körper ist das Chaos, die Materie, und die Seele, das Leben, der Geist Gottes. So dann bestimmte Er alles vor, damit uns das Leben bewusst werde. Am Ende der Tage zerfällt alles wieder in das, was es einmal war und wird so unendlich bestehen bleiben. Erde zu Erde, Asche zu Asche. Dann kommt es darauf an, was sich in unserer Seele für ein Bewusstsein ausgebildet hat. Ist diese erfüllt von Glück, Liebe und Zufriedenheit, wird es eine wundervolle Ewigkeit bei Ihm, aus dem wir geworden sind. Was ist aber, wenn es in unserem Bewusstsein nur etwas gibt, was in tote Materie und Energie verfallen ist, wenn es in unserem Bewusstsein nur Ruhm, Macht und Reichtum gibt? Aber auch mit Pastor Grabbert sprach ich nicht nur über theologische Dinge. Er hatte persönlich ein ganz besonderes Anliegen mitgebracht. Obwohl wir, wie er aus dem vorhergehenden theologischen Gespräch entnehmen konnte, uns in unserem Glauben gefestigt hatten, hatten wir uns in der Gemeinde und insbesondere im Gottesdienst rar gemacht. Na ja, er konnte von dem Geschehen, was uns nach Ehrenberg zu den Köhlers führte ja auch nichts wissen. Eigentlich ist es ja eine Unterlassung unsererseits, dass wir ihm, unseren Gemeindepfarrer, mit dem wir es ja vorher immer gut konnten, kein Wort über unsere, sicherlich verständliche anderweitige Orientierung gegönnt hatten. Natürlich erzählte ich ihm nicht, das unser Björn Katharina Köhler zum vierten Male zur Mutter gemacht hatte sondern ich formulierte, dass wir Katharina und Rainer Köhler kennen gelernt und uns mit diesen angefreundet hätten. Ich berichtet ihm, dass wir öfters nach dem Gottesdienst im Ehrenberger Pfarrhaus blieben um dort zu Essen und oft auch um dort den ganzen Nachmittag zu verbringen. Pastor Grabbert sagte mir darauf, dass er sowohl Rainer wie auch seinen Schwiegervater sehr gut kenne und selbst auch gut leiden möge und er froh sei, dass sich nichts unausgesprochenes Ernstes zwischen uns geschoben habe. Das Besondere an Pastor Grabberts Besuch war, dass diesmal nicht ich sondern mein Besucher aufgeklärt worden ist. Jetzt habe ich über alle aufklärenden Besuche während meines Klinikaufenthalts geschrieben – es fehlt nur noch einer, aber bei dem war die Aufklärung eher technokratischer Natur. Auch unser Architekt besuchte mich einmal während dieser Zeit. Er klärte mich über den Fortgang des Umbaues an unserem Elfenwieser Anwesen auf. Ich erfuhr, dass alles wie geschmiert laufe und die ganze Geschichte schon früher als voraus geplant fertig werden solle und das es Alles in Allem auch kostenmäßig günstiger wie kalkuliert ausgehen würde. Es stand schon fest, dass wir bereits Anfang März unsere Einsiedelei in Rainberg verlassen könnten um wieder in unser Elfenwieser Reich zu ziehen. Er eröffnete mir, dass ich nach seiner Einschätzung wohl nicht aktiv am Umzug mitwirken könne aber er bereits mit dem bei uns tätigen Bauunternehmer gesprochen habe. Der könne ein oder zwei Mitarbeiter gegen Bezahlung von deren Stundensatz und einem Trinkgeld für diese abstellen, die mich dann als Umzugsaktivisten vertreten könnten. Ich brauchte dann nur die Verantwortung zu tragen und die richtigen Anweisungen zu geben. So etwas hört man natürlich gerne. Ebenso freudig war die Kunde, die mich zwischen Mitte und Ende Februar erreichte. Die Ärzte hielten mich für so weit wiederhergestellt, dass ich am 28. Februar 2002, einem Donnerstag, wieder entlassen werden könnte. Heike konnte für mich dann noch weitere zwei Tage herausholen. Sie machte den Ärzten glaubhaft, dass es doch gar nicht zu verachten wäre, wenn ich den 27. Geburtstag meines Sohnes an seiner Wirkungsstätte, sprich im Hotel, mitfeiern könne. Also durfte ich dann schon an dem Dienstag, dem 26. Februar, die Klinik, in die ich am 4. Januar „eingezogen“ war, wieder verlassen. Natürlich war ich da noch nicht in der Lage wieder über Tische und Bänke zu springen. Ich brauchte Krücken, die man ja sprachlich schönend Gehhilfen nennt, damit ich erstens aufrecht stehen und zweitens mich eigenständig fortbewegen konnte. Aber immer nach einer Viertelstunde auf beiden Füßen brauchte ich in der Regel immer eine halbe Stunde um mich von dieser Anstrengung wieder zu regenerieren. Was mich aber hinsichtlich meines Körpers mit der größten Trübsal erfüllte war, dass mein rechtes Bein praktisch steif war. Die Ärzte, die in den Entlasspapieren an meinen Hausarzt eine Physiotherapie und Krankengymnastik empfahlen, waren der Meinung, dass die Geschichte mit meinem Knie wohl mit der Zeit, wenn ich fleißig übe, deutlich besser, fast normal, werden würde aber die alte Bewegungsfreiheit wollten sie mir beim besten Willen nicht versprechen. Ich dürfte in Zukunft wohl immer ein Bisschen hinken. Aber was soll’s, ich lebe und das ist das Wichtigste. Die Geburtstagsfeier war natürlich nichts Großes und Besonderes. Bevor wir die Kneipe hatten waren Geburtstage in unserer Familie ohnehin Tage wie alle anderen auch. Mit der Kneipe kam es dann, dass sich Leute bei diversen Gelegenheiten die Geburtsdaten der Wirtin und des Wirtes merkten und dann, am bestimmten Tag, nämlich dem 12. Juni, wurde dann der Ruf nach den Geburttagsrunden aus der Kasse des Wirtes laut. Da konnten wir natürlich unseren Sohn nicht zum dritten Rad am Wagen machen und haben seinem Geburtstag im Familienkreis mit nett zurecht gemachten Schnittchen, Kartoffelsalat und Würstchen gewürdigt. Aber ansonsten ließen wir uns bei Geburtstagen in der Familie nie von Alltagsgeschäften abhalten – und mit Geschenken zum Geburtstag hatten wir es auch nie so sehr; bestenfalls gab es mal eine Kleinigkeit. So war es auch in diesem Jahr gedacht. Björn sagte mir sogar, dass meine Krankenhausentlassung der größere Grund zum Feiern sei. Natürlich wollte er wie an allen anderen Tag auch seinem Dienst im Hotel erledigen. Wir wollten uns lediglich gegen
Abend für so etwa zwei Stündchen zusammensetzen und am nächsten Morgen, so etwa gegen Zehn, sollte mich meine Holde in unserem neuen Wagen, identisch mit Heikes altem, heimwärts gen Wannebachtal kutschen. So wie wir es planten haben wir es auch gemacht aber ein „Zwischenfall“ nach Björns Geburttagsfeier sorgte dafür, dass ich es Alles in Allem dann doch nicht so glücklich empfinden konnte, wie ich mir das eigentlich gewünscht hätte.
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Gleiches ist nicht immer gleich Man hört häufig den saloppen Ausspruch von der „protestantischen Prüderie“. Wenn man dann nach einem solchen Ausspruch hinterfragt was die Leute darunter verstehen ist man sehr schnell bei dem Thema Karneval. Das kommt ja auch nicht von ungefähr. Übereinstimmend sind alle Reformatoren, sowohl Jan Huss wie Martin Luther, Johannes Calvin und Ulrich Zwingli, auf die gesamtbiblisch begründete Aussage des Apostel Paulus, dass wir nur durch unseren Glauben und nicht durch unsere Taten selig werden können, gekommen. Da nützen einem sakramentale Riten, wie sie nicht nur im Islam sondern auch im Katholizismus für seligmachend gehalten werden, nach vorsätzlich begangenen Sünden recht wenig. Da kann man sich nicht willentlich in Prass-, Saufund Hurorgien stürzen und sich dann anschließend mit Beichten und Aschekreuzen die Absolution wie ein Krämer erhandeln. Was maßen sich die, in ein Priestergewand geschlüpften, Menschen eigentlich mit der Absolution, die sie aussprechen, eigentlich an. Sie erdreisten sich das, was sich Gott auszusprechen vorbehält, zu zelebrieren. Da möchte ich doch die Aussage des Apostel mal erweitern: Abraham, Päpste und Priester können sich ihrer Taten rühmen, aber nicht vor Gott, vor dem zählt nur der Glaube. Wer es also mit dem Wort ernst nimmt findet nichts, warum er Karneval feiern sollte oder müsste sondern hält es mit dem Gegenteil. Aber wie es so ist kann man sich dem albernen, heutzutage fast ausschließlich auf den Kommerz ausgerichteten Trubel um das, aus heidnischer Zeit übernommene und nicht gerade an den Intellekt appellierende Fest nicht entziehen. Dieses gilt ja insbesondere in Gegenden wie das Rheinland, wo ja Narrheit und Albernheit eine Staatsreligion zusein scheinen. Aber ausgerechnet in dieser Region steht das Hotel, welches von unserem Sohn und seiner Frau geführt wird. In diesem Jahr kam dann ja auch noch dazu, dass meine Frau dort im Hotel wohnte weil ich im gleichen Ort, der ja auch zu den sogenannten Hochburgen zählt, in der Klinik lag. Hinzu kam noch, dass die Schwiegermutter unseres Sohnes sich nach Köln, der Ort, nach Ansicht seiner Bewohner, die absolute Hochburg des karnevalistischen Unwesens ist, verschlagen hatte. Dann kommt leicht die Devise auf, dass man, wenn man schon einmal da ist, das ganze Getöse mal miterlebt haben muss. Und so ließ sich Elke auch von Karin dazu überreden, mal den Rosenmontag, in diesem Jahr war es der 11. Februar, in Köln zu verleben. Das war dann der einzigste Tag, an dem sie mich nicht im Krankenhaus besuchte. Sie blieb nach dem Tag noch über Nacht in Köln und war am nächsten Morgen wieder da. Aber irgendetwas war an ihr anders, irgendwas hatte sie verändert. Auf meine entsprechenden besorgten Nachfragen bekam ich immer „Nichts, es ist nichts. Wieso fragst du immer. Lass mich doch in Ruhe.“ zu hören. Als wir anlässlich Björns Geburtstag und meiner Entlassung aus dem Krankenhaus zusammen saßen fragte auch Heike: „Sage mal Mama, ist dir etwas passiert oder fühlst du dich in letzter Zeit nicht wohl. In letzter Zeit erscheinst du mir irgendwie ein Bisschen komisch. Du hast doch was?“. Postwendend fügte auch Björn noch hinzu, dass auch ihm dieses schon aufgefallen sei. Ja, wenn man einen Mensch gut kennt fällt einen, ohne dass er etwas sagt oder das man was Näheres weiß, auf wenn irgendetwas passiert ist. Ab dieser Geburtstagsfeier konnte ich mir sicher sein, dass das, was mir an meiner Holden aufgefallen war, nicht auf einer, durch meinen Krankenhausaufenthalt begründeten, Täuschung beruhte. Aber auch bei dieser Zusammenkunft kamen dann ihre mir gegenüber schon zum Standard gewordenen Ausflüchte wie ich sie zum Ende des vorhergehenden Absatzes niederschrieb. Was in diesem Augenblick jedoch sehr verräterisch war, ist dass sich nach der Frage ihre Augen feuchteten und sie sich diese auswischen musste. Während der Geburttagsfeier hielt ich, weil ich in meinem Hinterstübchen etwas ganz Bestimmtes befürchtete, es für angebracht die Sache erst einmal ruhen zu lassen und das Thema abzuwürgen. Als wir dann aber auf unserem Zimmer unter uns waren griff ich das Thema sofort wieder gezielt auf: „So meine liebe Elke. Jetzt mal raus mit der Sprache. Als du bei Karin warst ist etwas passiert was dich jetzt belastet und was du am Liebsten vor mir verheimlichen möchtest. Aber dazu reicht leider dein schauspielerisches Talent nicht aus. Du bist wie ein offenes Buch und ich möchte jetzt von dir klipp und klar wissen, was los ist.“. Sie setzte sich daraufhin auf die Kante ihres Bettes, legte ihr Gesicht in ihre Hände und heulte erst einmal los. Und „endlich“ begann sie mit verheulter Stimme: „Ach Reiner, ich habe einen Riesendummheit gemacht. Das tut mir so leid und ich will es bestimmt nicht wieder machen. Das bedrückt mich so sehr, dass ich dir jetzt ohnehin alles gestanden hätte ... Ich muss es einfach wieder los werden. Aber sage mir, gleichgültig was es ist, dass du mir vergibst. ... Denk doch bitte daran, dass du selbst auch schon jede Menge Bockmist gemacht hast und ich dir auch immer vergeben habe.“. Gerade das Letzte klang mir so wie „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ beziehungsweise „Seitensprung um Seitensprung“ oder weltlich gesagt nach „mit gleicher schmutziger Münze zurückzahlen“. Bei der Gelegenheit kam mir dann auch der Gedanke, dass man dieses „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ auch dazu benutzen kann um eigene Schandtaten mit den vorangegangenen des Anderen zu begründen und aufzurechnen. Praktisch kann man sich auf eine solche Weise selbst einen Freibrief zum Tunichtgut ausstellen. Man muss nur den schwarzen Fleck bei dem, den man mit der Retourkutsche schädigen will, kennen. Leider nicht nur ein Problem von Ehepartner zu Ehepartner, von Mensch zu Mensch sondern in der Politik auch unter Staaten.
Ich sagte zunächst einmal nichts auf Elkes Worte, denn ich malte mir aus, dass es sich nur um eine sexuelle Missetat handeln konnte. Statt ihr auf ihre Frage nach der Vorababsolution zu antworten stellte ich ihr erst mal selbst eine provokatorische Frage: „Hast du dich etwa aus Anlass des Karnevals von einem anderen Kerl bumsen lassen?“. Leise, jetzt verschüchtert klingend, ähnlich so wie wir es von Katharina in peinlichen Situationen kennen, sprach sie jetzt: „Nee, ... doch ... ach, das war ... Reiner sag doch bitte erst ob du mir vergibst so wie ich dir vergeben habe.“. „Ich kann doch nicht über eine Vergebung entscheiden, wenn ich noch gar nicht weiß, was passiert ist.“, fuhr ich fort, „Weil ich, in zugebener Weise schmutzigen Art, mit Heike gevögelt habe, hast du doch kein Recht dich, während ich im Krankenhaus liege, von einem x-beliebigen Kerl durchstochen lassen. Das sieht zwar nach Gleichem aus aber Gleiches ist nicht immer gleich.“. „Wer spricht denn von deiner Geschichte mit Heike,“, fuhr jetzt Elke fort, „es geht um unseren ‚flotten Dreier’ wie du immer sagst. Karin hat mich ...“. „Was,“, unterbrach ich sie mit energischer und etwas lauterer Stimme, „du hast mit Karin und ihrem Lover eine flotte Sohle ins Bett gelegt?“. „Ja,“, kam jetzt kleinlaut aus ihr heraus, „aber das ist aber nicht so gelaufen wie bei uns. Karin verlangte von Herrmann dass er seinen nicht bei mir nicht einführen dürfe. ... wenn ich bedenke wie oft du das letztendlich bei ihr gemacht hast. – Aber weiter: Erst ging das auch gut aber dann ... Karin war sauer und hat uns ein paar geknallt ... richtig mächtig und schmerzhaft sogar - und hat sich danach angezogen. Das Ganze spielte sich in Herrmanns Wohnung ab. Karin ist daraufhin gegangen und ich war mit ihm allein und da haben wir es etwas später noch mal gemacht, just in dem Moment als Karin wiederkam. Sie hat deshalb mit uns beiden Schluss gemacht. Mit mir spricht sie nicht mehr und mit Herrmann hat sie absolut Schluss gemacht, von dem will sie überhaupt nichts mehr wissen. ... Bitte, bitte verzeih mir doch, ich liebe doch nur dich.“. Das war natürlich ein sehr harter Brocken für mich. Jetzt spürte ich am eigenen Leibe wie das ist, wenn ein Partner von dem anderen hintergangen hat. Das bohrt äußerst schmerzlich im Inneren. Erst jetzt wusste ich, was ich da damals mit Heike gemacht habe und wie diese auf Elke wirkte. Wie weh muss das sowohl Björn, Heikes Ehemann, und Elke getan haben. Was haben Heike und Rainer Köhler empfunden als Björn sein Zeugungsflop mit Katharina zelebrierte? Mir tat Elkes Geschichte jetzt so weh, dass so etwas mit größter Wahrscheinlichkeit in meinem Leben nicht mehr vorkommen wird. Und was das Seltsame ist: Seit jenem Tage habe ich auch nie mehr ein Bedürfnis nach solchen Abenteuern verspürt. Ich glaube ich bin dadurch zu so eine Art treuen Puritaner kuriert worden. Stopp, ich will nicht übertreiben, denn von schönen nackten Körpern lasse ich mich immer noch ganz gerne inspirieren aber zu mehr habe ich wirklich nicht mehr die geringste Neigung. An diesem Abend hatte ich auch mordsmäßig mit mir selbst zu kämpfen. Was sollte ich jetzt machen? Wenn ich die moralischen Fehltritte von Elke und mir Revue passieren lasse, dann bleibt mir nichts anderes als zu bekennen, dass ich mich als erster und doch irgendwo weitergehender auf Sumpfpfade begeben habe. War nicht auch auf die Idee des flotten Dreiers auch in meiner schmutzigen Idee geboren worden? Aber weil man selbst ein Schwein war, darf man da selbst nichts mehr sagen; muss man dann ein Leben lang schweigen? Das ist ja wie in der Weltpolitik: Dürfen Deutsche, weil in ihrem Namen der Holocaust an den jüdischen Menschen begangen wurde, nichts gegen eine unmenschliche, gegen die Palästinenser gerichtete Politik Israels sagen? Und umgekehrt: Müssen wir, weil uns die Amerikaner vom Naziregime befreiten, jetzt stets und ständig alles gutheißen, was der große Bruder und Weltpolizist jenseits des großen Teiches macht? Müssen wir hinsichtlich der, in meinen Augen menschenverachtenden Politik Rabins schweigen und im Gegenzug die ohne Wenn und Aber auf Irakkrieg ausgerichtete Politik Bush gutheißen? Im Kleinen hatte ich jetzt das Problem: Durfte ich, weil ich selbst Ehebruch begangen habe nichts gegen den Ehebruch meiner Frau sagen? In letzter Konsequenz kann dann ja niemand mehr etwas gegen Untaten anderer sagen, denn wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Gerade in der Aussage „der werfe“ dürfte der Schlüssel zur Wahrheit liegen. Ich darf nicht verurteilen und bestrafen aber auf Unrecht hinweisen und auf künftige Unterlassung hinwirken – Gehe hin und sündige fortan nicht mehr – dürfen wir nicht nur sondern das müssen wir sogar. Wie sollen wir denn sonst den Umgang untereinander regeln und den Frieden erhalten? Wir dürfen nicht auf die Kraft der Waffen setzen sondern wir müssen der Macht der Worte vertrauen. Wenn die Leute vor den Waffen kuschen ist dieses selten mit Einsicht und Überzeugung verbunden und alles was in ihnen ist gärt weiter und kommt eines Tages ärger als je zuvor wieder zum Ausbruch. Wenn ich meine Mitmenschen aber mit Worten überzeuge, dann habe ich deren Einsicht geweckt und ihre Überzeugung angeregt. Waffen wirken nur augenscheinlich und oberflächlich aber Worte wirken nachhaltig und für immer. Abstrafen bringt im Gegensatz zum Missionieren keine Lösung. Sie denken jetzt wohl, dass ich scheinbar jetzt wieder in der mir typischen Art und Weise abstreife. Das ist jetzt aber wirklich nur scheinbar. Richtig ist, dass dieses zu diesem Zeitpunkt tatsächlich meine Gedanken waren, die mir damals durch den Kopf schossen. Diese waren zwar nicht so ausgefeilt wie ich diese jetzt im Nachhinein hier niederlege sondern mehr fragmenthaft aber im Kontext war alles dabei was ich soeben schrieb. Im Detail und genauer dachte ich aber über den individuellen Einzelfall nach. Jetzt hatte mich Elke hintergangen und mir sehr weh getan. Aber was hatte denn der Tagedieb mit seiner Schwiegertochter gemacht? Auch ich hatte die Situation genutzt, sie sehr böse hintergangen und sie erheblich verletzt. Nur bis jetzt sind es Dinge die wir
gemeinsam haben aber jetzt kommen die Details, die heute anders als damals waren. Ich war seinerzeit uneinsichtig und versuchte mich selbst zu entschuldigen. Tatsächlich habe ich sogar noch versucht meine Untat ins Gegenteil zu verkehren. Ich versuchte mich noch als derjenige, der die Ehe meines Sohnes, die mir durch die Torschlusspanik meiner Schwiegertochter „gefährdet schien“, retten wollte darzustellen obwohl ich tatsächlich nur aus eigener primitiver Geilheit handelte. Ich war scharf auf das junge Ding, das jetzt meine Schwiegertochter war. Letztlich habe ich damit wohl den Stein ins Rollen gebracht, der in Folge erst zu alledem führte was ich hier in meiner Niederschrift berichtete. Elke dagegen hat aber unmittelbar das Unrecht in ihrem Handeln erkannt und eingesehen. Ihr Schuldbewusstsein hat sie schwer belastet und man konnte es ihr unmittelbar nach der „Tatnacht“ ansehen. Sie wollte und hat auch sofort gestanden was sie da getan hatte. Zwar hatte ich sie an diesem Abend darauf angesprochen aber ich bin davon überzeugt, dass dieses Geständnis, wie sie es sagte, zu diesem Zeitpunkt auch ohne mein Anstoß erfolgt sei. Das sie dieses nicht schon im Krankenhaus machte ist ja nur in ihrer Fürsorge für mich zu sehen: Sie wollte mich, der ich durch meine Verletzungen und dem Klinikumfeld belastet war, nicht noch zusätzlich aufregen. Und ein Geständnis im Beisein der „Kinder“ wäre ja auch nicht angebracht gewesen, denn schließlich wollten wir ja unsere Sphären auseinander halten. Das was ich und das was Elke getan hat sieht aus als sei es gleich aber Gleiches ist nicht immer gleich. Und geht das überhaupt Schuld gegen Schuld und Vergebung gegen Vergebung aufzuwiegen? Und ehrlich gesagt: Immer schwang in meinen Überlegungen nach Elkes Geständnis der Egoismus mit. Ich war jetzt praktisch behindert. Ich konnte mich nur mit Gehhilfen fortbewegen und besaß derzeitig überhaupt keine körperliche Ausdauer mehr. Dahingehend musste ich einsehen, dass ich auf Hilfe und sogar auf Pflege angewiesen war. Gerade jetzt wo noch große Sachen zu erledigen waren. Da stand erst mal unser Rückumzug von Rainberg nach Elfenwiese an. Dann galt es schon mal alles was das Marketing für unsere Ferienwohnungen und unsere Unterkünfte anbelangte zu unternehmen. Flayer, wie man im heutigen „Denglisch“ zu Faltprospekten sagt, mussten entworfen und gedruckt werden, Kleinanzeigen in überregionalen Reisebeilagen aufgegeben werden und auch eine Homepage sollte ins Netz gestellt werden. Die letzten Dinge beim Umbau waren zu erledigen und praktisch das ganze Haus musste noch eingerichtet werden. Ohne Hilfe hätte ich wie Robinson auf einer einsamen Insel dagestanden. Ich brauchte Elke und sie war auch bereit mir das zu geben, was ich diesbezüglich brauchte. Mir blieb nichts anderes, ich musste, auch wenn es erst schwer fällt, ihr vergeben ... aber so von jetzt auf gleich zur Tagesordnung übergehen wollte ich auch nicht. Diese Überlegungen nahmen natürlich eine ganze Zeit in Anspruch in der niemand von uns etwas sagte. Elke saß weiterhin mit dem in ihren Händen gestützten Kopf weinend auf ihrer Bettkante. Dieses werte ich, der ich meine Frau doch sehr gut kannte, als ein trotz allem doch noch positives Zeichen. Daran konnte ich sehen, wie sehr sie das reute, was sie getan hatte. Und diese Sichtweise klang auch aus den Worten, die ich ihr jetzt sagte: „Ach Elke, hör doch auf zu weinen, dadurch kannst du die Sache doch nicht wieder ungeschehen machen. Ich glaube, dass du sehr gut weißt wie weh du mir damit getan hast, schließlich hast du es ja auch selbst mal, als ich der Übeltäter war, am eigenen Körper erfahren. Ich weiß sehr wohl, dass ich dir vergeben muss und dass ich dich nicht verlieren möchte. Aber es lässt sich nicht vermeiden, dass ich das Ganze auch erst einmal irgendwo verdauen und verarbeiten muss. Da dürfte zwischen uns zunächst mal kein eiteler Sonnenschein herrschen aber eine Hölle muss es jetzt auch nicht sein. Im Moment steht für mich nur fest, dass ich nun endgültig gelernt habe. Ich will keine andere Frau mehr haben, ich will keine flotten Dreier noch sonst was mehr. Ich will mich zukünftig auf das konzentrieren was mir zusteht und ich würde mich freuen, wenn du zu einer ähnlichen Einsicht kommen würdest.“. Jetzt hob Elke erstmalig, seit dem unsere „Unterhaltung“ begann, ihr verweintes Gesicht aus ihren Händen und schaute mich an. Ihr momentanes Aussehen rührte mich dann doch irgendwo an und ich, der ich auf der gegenüberliegenden Bettkante saß, griff zu einem auf dem Beistelltischen liegenden Päckchen mit Papiertaschentüchern und reichte ihr eines davon an. Sie wischte sich zuerst die Tränen aus dem Gesicht und sagte „Ach Reiner, auch für mich kommt nichts anderes mehr in frage außer dich. Du bist mein Leben; ohne dich kann und will ich auch nicht mehr sein. ... Welcher Teufel hat uns nur geritten, dass wir alles das gemacht haben.“. Nach einer kurzen nachdenklichen Pause erwiderte ich: „Ich glaube wir haben es uns, nachdem ich das mit Heike gemacht hatte, alle viel zu leicht gemacht. Wir haben uns damit entschuldigt das alles nur menschlich sei und dabei vergessen uns trotzdem zusammen zu reißen und uns an sinnvolle Grenzen zu halten. Wenn wir auch menschliche Schwächen nachvollziehen und tolerieren können ist das lange noch kein Grund hergebrachte und bewährte Werte ersatzlos über Bord zu schmeißen. Damit geben wir die Besonderheit des Menschen auf. Wir nutzen nicht mehr unseren Verstand und unseren Willen um uns über die Dinge zu stellen und diese zu beherrschen sondern wir lassen einfach alles laufen wie es auf uns zukommt und richten damit nur Scherbenhaufen an. Wenn es uns nicht mehr gelingt den inneren Schweinhund zu bekämpfen, werden wir eines Tages nicht mehr in der Lage sein die Aufgaben, die uns immer wieder gestellt werden, bewältigen zu können. Wir lassen uns dann nur noch von unserem Instinkt und von unseren Trieben leiten, der Verstand ist und bleibt letztlich abgeschaltet. ... Weil wir nach meinem Bockmist mit Heike nicht verstanden haben musste auch alles andere – inklusive der Geschichte zwischen Björn und Katharina – auch noch passieren. Ich glaube bei Heike
und Björn ist nach der gut ausgegangenen Scheidungsgeschichte der Groschen gefallen. Aber wir anderen haben noch einmal Einen derbe auf die Nase gebraucht. Es scheint mir jetzt so als habe nun der Blitz der Erleuchtung auch bei uns endlich eingeschlagen.“. Was ich da jetzt gesagt hatte, könnte eigentlich als Schlusswort zu meiner ganzen Geschichte von dem Tagedieb und seiner Schwiegertochter stehen bleiben. Wenn ich aber hier enden würde blieben für die Leserinnen und Leser noch viele Fragen offen bleiben. Dann würde die Frage gestellt ob unsere Erkenntnis nur eine situationsbedingte Momentaufnahme war oder ob Elke und ich danach doch wieder zu einer „idealen“ Partnerschaft, so wie sie sein sollte, gefunden haben. Insbesondere die Frage, was aus Karin wurde, die sicherlich diesen oder jene interessiert, würde ebenfalls unbeantwortet bleiben. Also muss ich wohl oder übel noch ein Weilchen weitererzählen. Dabei brauche ich wohl nicht extra erwähnen, dass es zwischen Elke und mir nicht gleich wieder eine Superehe mit Schmusen, Kuscheln, Turteln und nur Glücksmomente gab. Aber Streitigkeiten gab es auch nicht, ein Rosenkrieg fand bei uns danach nicht mehr statt. Ganz im Gegenteil, wir bemühten uns dem jeweils anderen mit Zuvorkommenheit und gebührender Achtung zu begegnen. Ich denke, dass wir uns in dieser Zeit sogar gegenseitig mehr Aufmerksamkeit als in Normalzeiten zukommen ließen. Irgendwie hatte das Ganze auch Ähnlichkeit mit einem Werben wie in einer neubegründeten aber noch nicht gefestigten Ehe – aber bitte jetzt nicht mit Frühlingsturteln oder Zusammenwachsen verwechseln. Sex und Eros waren in dieser Zeit nicht nur kein Thema für uns sondern es spielte sich auch zwischen uns, obwohl wir uns nicht im und vom Ehebett trennten, nichts ab. Es war ein wirklich seltsames Eheverhältnis: Auf der einen Seite war oberflächlich ein augenscheinlicher Idealzustand gegeben und auf der anderen Seite fehlte eine ganze Menge, wie in einem endgültig zerbrochenem und nicht mehr zu kittenden Verhältnis. Diese Atmosphäre war schon am nächsten Tag im Auto, auf unserer Fahrt von Düsseldorf nach Rainberg, dominierend. Wir saßen wie zwei freundliche und nette Menschen, zwischen denen aber keine nähere Verbindung besteht, nebeneinander vorne im Wagen. Natürlich fuhr Elke, denn das hätte ich mit meinen derzeitig „morschen Knochen“ nicht hingekriegt. Regelmäßig, in etwa halbstündigen Abständen, erkundigte sich Elke sehr freundlich und stets Hilfsbereitschaft signalisierend nach meinen Wohlergehen und ob die Fahrt auch keine Strapaze für mich sei. Ansonsten haben wir uns im Gegensatz zu unseren sonstigen Gepflogenheiten relativ wenig unterhalten. Und wenn, dann ging es nur um allgemeine Gegebenheiten, die es gerade auf der Straße zu beobachten gab, oder über die Dinge zu denen uns die Zwischenmoderationen im Autoradio das Stichwort geliefert hatten. Persönliche Anliegen oder gar Probleme, die vielleicht einer Erörterung bedurft hätten, kamen nicht auf die Tagesordnung. So „gespenstisch“ ging es dann auch nach unserer Rückkehr in der Rainberger Hütte weiter. Elke verkündete dass sie alles, was für unseren bevorstehenden Umzug wichtig wäre, anleiern wollte und zählte mir auf, an was sie bereits alles gedacht hatte. Als sie mit ihrer Liste durch war fragte sie nach was mir noch Notwendiges dazu einfiele. Aber nichts wurde wie in unserer gesamten Zeit zuvor üblich zum Gegenstand einer Diskussion. Widerspruchslos wollte sie alles notwendige erledigen, was sie dann auch mit großem Einsatz tat. Das Einzigste was außer diesen praktischen Dingen immer wieder fiel waren die Fragen nach meinen persönlichen Bedürfnissen und Wünschen sowie nach meinem Wohlergehen. Wenn etwas anlag, griff sie sofort zu. Sie half mir beim Waschen, Baden, Ein-, Aus- und Umkleiden weil es mit meiner Beweglichkeit noch nicht so bestellt war, dass ich dieses hätte selbst erledigen können. Aber immer blieb es bei einer Distanz, wie sie auch zwischen Krankenschwestern und Patienten üblich ist. Dabei kamen wir uns nie so näher wie es unter Verheirateten eigentlich üblich sein sollte. Es schien so als würden wir gegenseitig unsere Privatsphäre akribisch achten obwohl es in dieser nach nun inzwischen über 27 Ehejahren auf beiden Seiten keine weißen Flecken mehr gab. Ich wusste und kannte bis in die größte Kleinigkeit alles von und an ihr und umgekehrt galt das selbstverständlich genau so. Von oder über uns nahestehende Personen wie Heike, Björn, Katharina, Rainer und insbesondere über Karin wurde nicht gesprochen. Das Erste was ich von dieser Atmosphäre schrieb galt auch über unseren Rückzug nach Elfenwiese, der am 8. März, dank Elkes Engagement, bilderbuchmäßig glatt über die Bühne ging, hinaus. Letzteres, also das Sprechen über nahestehende Personen, lockerte sich danach auf Grund naturgegebener Ereignisse dann so nach und nach doch langsam wieder auf. Da kamen dann wieder die Anrufe Heikes ins Haus. Wie früher meldete sie sich auch jetzt wieder wöchentlich mindestens einmal bei uns. Natürlich berichtete sie in erster Line von ihrem Björni, von Sara und den werdenden Zwillingen und wollte dann im Gegenzug von Elke, die wie früher in der Regel diese Gespräche führte, etwas von mir wissen und freute ich immer wenn Elke ihr von dieser oder jenen Besserung meines körperlich Zustandes berichten konnte. Nach diesen Telefonaten berichtete mir Elke wie früher, in Normalzeiten, von den Inhalten dieser Gespräche. Karin kam nur in dem aller ersten Gespräch, welches die Frauen miteinander führten, vor. Heike hatte von ihrer Mutter erfahren, dass zwischen Herrmann und ihr Schluss sei und das Elke dieses Ende ausgelöst aber nicht direkt verschuldet habe. Der Kerl sei ohnehin keinen Pfifferling wert. Mehr hatte Karin nicht gesagt und so wollte nun Heike von ihrer Schwiegermutter mehr
erfahren. Aber von der bekam sie dazu auch nur den Bescheid, dass sie dahingehend besser ihre Mutti befragen würde. Sie wolle sich dazu nicht äußern und Heike beließ es dann auch taktvoll dabei. Dieses Telefonat war dann erstmalig nach meiner Krankenhausentlassung ein Anlass zu einem weitergehenden Gespräch zwischen Elke und mir. Sie überlegte ob sie sich bei Karin melden und entschuldigen müsse. In diese Überlegungen zog sie mich dann wie in früheren Zeiten auch wieder mit ein. Ich konnte ihr dazu nur sagen: „Wenn du mich so fragst, bin ich durchaus der Meinung, dass du zuerst auf Karin zugehen müsstest. Zwar ist Karin, inspiriert durch die Dummheit die wir in der Hütte begangen haben, auf die fixe Idee gekommen aber dann warst du es, der sich nicht an die vereinbarten Spielregeln hielt. Wenn es tatsächlich Karins ehrliche Meinung ist, dass dieser Knabe kein Pfifferling wert sei, hast du ihr zwar damit indirekt einen Dienst erwiesen aber das rechtfertigt dein Handeln natürlich nicht nachträglich. Also nach meiner Meinung müsstest du zuerst Karin ansprechen.“. Elke bekundete mir dass sie es wohl genauso sehen würde wie ich und rang sich zu einem Anruf in Köln durch. Bei dieser Gelegenheit habe ich dann auch das Wohnzimmer verlassen, damit die Frauen auch ihre Angelegenheit unter sich ausmachen konnten. Elke hatte mich zwar nicht darum gebeten und sie hätte es auch akzeptiert wenn ich da geblieben wäre aber ich glaube, dass ihr mein Verschwinden in diesem Moment mehr als nur recht war. Etwa eine halbe Stunde dauerte dieses Telefongespräch, von dem ich aus den zuvor erwähnten Gründen, natürlich nichts wiedergeben kann, aber an dem derzeitigen eisigen Zustand zwischen den Frauen hat dieses nichts geändert. Elke sagte anschließend etwas traurig zu mir: „Das mit dem Pfifferling war wohl mehr oder weniger eine Schutzbehauptung Karins gegenüber Heike. In Wirklichkeit glaubt sie anscheinend doch, dass ich ihr Glück zerstört habe. Ich muss die Sache irgendwie in Ordnung bringen aber ich weiß derzeitig nur noch nicht wie.“. Mit den Köhlers kamen wir dann an dem darauffolgenden Sonntag, ab dem wir dann wieder regelmäßig zum Gottesdienst gingen, wieder ins Gespräch. Da mich aber aufgrund meiner immer noch nicht hundertprozentig körperlichen Verfassung der Gottesdienst doch etwas anstrengte blieb es zunächst immer nur bei dem Austausch von Freundlichkeiten vor und nach dem Gottesdienst. Auf der Rückfahrt nach dem ersten Gottesdienst, an dem wir wieder teilgenommen haben, fragte ich dann Elke: „Wenn du der Meinung bist, dass du dich in unserer Angelegenheit mal mit den Köhlers aussprechen möchtest, dann mache das ruhig. Ich persönlich vertraue unserem ‚Seelsorger’ und würde mich in einem solchen Falle nicht komprimentiert sehen.“. Elke lächelt freundlich und sagte: „Das ist lieb von dir aber ich glaube nicht, dass ich einer solchen Aussprache bedarf. Mir ist voll bewusst, dass wir beide ohne Wenn und Aber zusammengehören aber das Band, welches uns zusammenhält im Moment gerissen ist und wir müssen jetzt geduldig warten bis es wie gerissene Nervenenden wieder zusammengewachsen ist. Ich spüre aber dass dieses schon bald der Fall sein wird. Das ist eine Sache zwischen unseren Seelen und dazu gebrauche ich keine Aussprache mit anderen Menschen. ... Aber eines möchte ich dir noch sagen: Ich liebe dich wirklich über alles.“. Darauf antwortete ich aus ehrlicher Überzeugung: „Ich dich auch, ohne dich könnte ich nicht leben.“. Bei dieser Gelegenheit merkte ich wie sehr ich doch meine Frau immer noch begehrte. Unser derzeitiges Problem war wohl dass wir als gebrannte Kinder einen ganz großen Bogen um Sexus Lustus, den wir den kompletten Ärger der letzten zwei Jahre zu verdanken hatten, machten. Jetzt könnte man sagen, dass wir ja doch verheiratet wären und solche sexuellen Sachen einfach in einer guten Ehe dazu gehörten. Das war uns auch sehr wohl bewusst aber die Angst, dass uns unsere wohlige Fantasie, die bei solchen sinnigen Stunden immer wieder aufkommt und auch dazu gehört, uns wieder auf glitschige und gefährliche Pfade geraten lässt, ist doch wohl sowohl bei Elke wie bei mir noch allzu groß. Ich ertappte mich in Folge öfters bei diversen Situation wo mich meine Angst schockartig zum Rückzug verpflichtete. Da kamen es öfters mal vor, dass ich gerne die Gelegenheit genutzt hätte um Elke an einen Busen oder an den Po zufassen. Meine Hand war schon immer in die angegebene Richtung unterwegs als ich sie dann ruckartig wieder zurückzog. Dann gab es ab und an das Bedürfnis meine Frau zu küssen aber dann löste die Angst vor dem Durchbrennen der Fantasie dieses nette Gefühl wie Seifenblasen wieder auf. Ich denke, dass es Elke umgekehrt genauso gegangen ist. Intensiv und im Team kümmerten wir uns um die Vollendung unseres Umbaues, der Einrichtung unserer kleinen Ferienposition und um die Anwerbung der ersten Gäste. Dieses sollte zunächst nur über Kleinanzeigen in den überregionalen Reisebeilagen geschehen, denn bei den Flayern und der Internetpräsentation sollte man doch auf Fotos zurückgreifen aber die kann man bekanntermaßen erst dann machen, wenn alles steht. Alles in Allem hatten wir uns dabei selbst ein Wenig unter Druck gesetzt, denn uns schwebte der 25. März 2002, der Montag der letzten Karwoche, als Eröffnungstermin vor. Wir wollten einfach zur Eröffnung die Osterurlauber „mit abstauben“. Dieses ist uns auch gelungen. Zwar kamen die ersten Gäste nicht gleich an diesem Montag sondern erst Gründonnerstag aber dafür hatten wir über Ostern aber erstmalig ein volles Haus. Ist doch ein schöner Erfolg für den Anfang – oder? Überhaupt war unsere Ferienwohnungsidee das „Gelbe vom Ei“. Jetzt, nach dem die erste Saison hinter uns liegt und das Jahr 2002 seinem Ende entgegeneilt, kann ich sagen, dass die Ferienwohnungsgeschichte ein voller Erfolg war. Und im Gegensatz zur Kneipe hatten wir viel mehr Freiraum und Ruhe und konnten daher auch einem „richtigen“ Privatleben nachkommen.
Soweit waren wir im März, aus dem ich in diesem Kapitel berichtete, allerdings noch nicht. Da galt es erst noch dem Haus den letzten Schliff zu verschaffen. In der Regel geht so etwas nicht ohne Hektik und Stress ab. Und dazu noch ich, die vorrübergehend „halbe Portion“. Aufgrund unserer ehelichen Atmosphäre legten wir uns schon ganz automatisch einiges an zweckmäßiger Ruhe auf. Schließlich wollten wir nicht in Folge eines Trubels in einen Disput, den wir in dieser Zeit überhaupt nicht gebrauchen konnten, geraten. Unser Sehnen und Streben war auf Harmonie ausgerichtet. Allerdings dürfte so auch unsere Betriebsamkeit ein Abschweifen in die Sinnlichkeit verhindert haben. Aber genau die brauchten wir, um wieder in erhoffte Sphären zu gelangen. Ob dann die größere Ruhe nach der Eröffnung uns dann dem Ziel näher gebracht hat, möchte ich dem nächsten Kapitel vorbehalten. Also es geht noch mal eine Runde weiter, das Ende der Geschichte ist noch nicht erreicht.
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Schatten kann man nicht abhängen Eine alte kaufmännische Weisheit besagt, dass man, wenn man nichts aufwendet, auch nichts erlösen kann. Dieses ist im Prinzip erst einmal richtig aber die Relationen von Aufwand zu Erlös lassen sich nicht über einen einheitlichen Kamm scheren. Wenn man sagt, dass derjenige, der viel aufwendet auch viel erlöst, kann man mal recht und auch mal unrecht haben. Das sich Aufwand in Kapital und/oder Arbeit aufteilt ist ja hinreichend bekannt aber das man in diesem Zusammenhang wenig Kapital durch viel Arbeit ersetzen kann stimmt in der Regel nicht. Immer noch werden die Faktoren Kapital und Arbeit höchst unterschiedlich bewertet. Wer statt selbst zu arbeiten sein Geld arbeiten lassen kann hat im Hinblick auf den Erlös immer die Nase vorne. Ob das aber auch im Hinblick auf persönliches Glück und Zufriedenheit stimmt ist eine andere Sache. Ich glaube, dass der schwerreiche griechische Reeder Onassis, unter anderem Ehemann der italienischen Operndiva Maria Callas und der Witwe des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy, nicht zu Unrecht „Ein reicher Mann ist in Wirklichkeit nur ein armer Mann mit viel Geld“ sagte. Er musste es als der seinerzeit reichste Mann der Welt ja wissen. In den Hütten, wo die Leute, die körperlich schwer arbeiten müssen, wohnen findet man doch Hin und Wieder glückliche und zufriedene Menschen während Glück und Zufriedenheit in den Palästen der Reichen fast unbekannt ist. Aber lassen wir das ruhig mal, denn soviel Geld, dass wir davon hätten ohne Arbeit leben können, gab es im Hause Wolf ohnehin nicht, wir mussten schon zwangsläufig anfassen. Jedoch auch bei diesen Anfassen gibt es unterschiedliche Proportionen. Als Wirtsehepaar im Grünen Baum mussten wir zeitlich erheblich mehr Aufwand betreiben wie als Ferienwohnungsvermieter. Unsere Gäste, die sich in ihren Ferienwohnungen selbst versorgen, nehmen uns während ihres Aufenthalts nur sporadisch und gelegentlich in Anspruch während wir für die Kneipengäste während der gesamten Öffnungszeit kontinuierlich zur Verfügung stehen mussten. Die Feriengäste kaufen sich ihre Vorräte selbst ein und in der Kneipe mussten wir diese heranschaffen und bereit halten. Die Kneipe schrie nach jeder Öffnung nach einer gründlicher Reinigung und in den Wohnungen müssen wir in der Regel nur nach dem Auszug der Gäste gründlich zur Endreinigung schreiten. So könnte ich noch einiges, was sich durch die Eröffnung unserer Ferienwohnungen gegenüber der früheren Schankwirtschaft für uns gebessert hat, aufzählen. Was aber die Erlösseite anbelangte sahen wir bei der Endabrechnung mit dem Vermieten sogar noch ein Bisschen besser als beim Ausschenken aus. Allerdings fällt jetzt auch noch immer eine regelmäßige „Arbeit“ an, die sich aus unserem Angebot, dass sich unsere Gäste an den gemachten Frühstückstisch setzen und sich in den Abendstunden in unserem Gastraum aufhalten können, ergibt. Letzteres ist schon deshalb notwendig weil hier im Wannebachtaler Ortsteil Elfenwiese die Infrastruktur so gut wie zusammengebrochen ist. Hier gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten und keine Kneipen oder Cafes mehr. Man kann nun endgültig sagen, dass hier der „Arsch begraben“ sei. Daraus mag sich auch der Trend ergeben, dass immer mehr Leute von hier wegziehen wollen und das sich Immobilien und Baugrundstücke, von denen es hier noch einige gibt, nur schwer oder gar nicht mehr vermarkten lassen. Infrastrukturelle Öden sind natürlich auch ein Handicap bei der Vermietung von Ferienwohnungen. Na ja, wir versuchten dieses dann mit unserem Frühstücksbüfett und unserem exklusiven „Bistro“ am Abend auszugleichen. Das es Einkaufsmöglichkeiten erst in acht Kilometer Entfernung gibt konnten wir gegenüber unsern Gästen, die natürlich alle motorisiert anreisten, in der Werbung durch unsere wunderbare Landschaft und unsere ländliche Idylle, die Ruhe und Erholung verspricht, ausgleichen. Na ja, in ein paar Tagen Urlaub ist die Fahrt zum entfernten ALDI kein allzu großes Problem aber für uns, die wir hier am Arsch der Welt wohnen, ist das schon ein Grund mächtig zu knurren. Da kann man sich schon bei unseren Schlafmützen im Rat und in der Verwaltung bedanken, die selbst heute, wo das Kind schon längst im Brunnen liegt, immer noch keine Veranlassung zu höheren Anstrengung im Bereich Wirtschafts- und Strukturförderung sehen. Aber bei der geringen Einwohnerzahl Wannebachtals ist die Wahrscheinlichkeit auf Weitsichtigkeit zu stoßen auch nicht sehr groß. Wenn die selbst schon nicht mehr bei Bundesregierung und Bundestag groß zu vertreten zu sein scheint was soll man dann anderes von unseren dörflichen Hobbypolitikern verlangen. Was unseren morgendlichen und abendlichen Service sowie die Bereitschaft bei der An- und Abreise unserer Gäste anbelangte legten wir uns auch noch eine Aushilfe zu. Natürlich war nicht mehr als ein 345-EuroLoddelchen drin. Sie fragen jetzt, warum ich jetzt von Loddelchen und nicht von Job schreibe. Ganz einfach: Unter einem Job verstehe ich etwas bei dem man voll sozialversichert ein Einkommen, mit dem man auskommen kann, erzielt und das ist wohl bei einem solchen Loddelchen nicht der Fall. Diese mögen wohl in diversen Bereichen, wie in unserem kleinen Ferienbetrieb, ganz gut sein aber ein solches Jobwunder, wie sie in den Hartz-Fantasien – Sorry: Unsere Politikusse sprechen nicht von Fantasien sondern hochtrabend, wie es ihre Art ist, vom Konzept – dargestellt werden, können sie logischer Weise gar nicht sein. Eher das Gegenteil, denn im Handel und im Dienstleistungsgewerbe dürften massenweise echte Jobs durch Aufstückelung in 345-EuroLoddelchen vernichtet werden. So etwas dient nur den schönredenden Priestern der Globalisierung. Wer als 345Euro-Sklave tätig ist hat ja nach beamtokratischer Wortauslegung eine Arbeit und brauch nicht als Loser in der
Statistik mitgezählt zu werden. Und schon haben wir uns wieder ein Stückchen die Wirklichkeit schön gepuscht. Langer Rede kurzer Sinn: Für uns wurde Frau Schriever, eine Nachbarin, als Aushilfswirtin tätig. Diese 66jährige, deutlich jünger aussehende und noch sehr tatendurstige Rentnerin war für diese Aufgabe richtig prädestiniert da sie früher mal als „guter Geist im ganzen Haus“ in einem Jugendferienheim tätig war. Auch hinsichtlich der „nur“ 345 € brauchten wir kein schlechtes Gewissen zu haben, denn sie sollte uns eigentlich ja nur bei eventuellen Abwesenheiten vertreten und in den Monaten, wo wir sie nicht brauchten wollten wir ihr ihr Gehalt trotzdem zahlen. Letzteres war und ist ihr nicht so ganz recht und deshalb komplimentiert sie uns doch von Zeit zu Zeit mal in unsere Freizeit. Als am Gründonnerstag dieses Jahres 2002 die ersten Gäste kamen war für uns alles noch sehr aufregend. Da kann man steinalt werden aber wenn vor einem neuen, länger ersehnten Abschnitt steht pocht das Herz wie das Herzchen von Klein-Bubi vor der Bescherung zu Weihnachten. So ist das zumindestens bei mir und ich bin über diese, aus der Kindheit herüber geretteten Empfindung überhaupt nicht böse. So eine kindliche naive Freude und Aufgewühltheit bringt doch diese und jene Abwechselung in unser Leben. In den ersten drei Tagen unseres neuen Unternehmertums standen sowohl Elke wie auch immer auf den Sprung um für unsere Gäste tätig zu werden. Diese Neu-Besen-Mentalität – Sie kennen doch den Spruch: Neue Besen kehren immer gut – legte sich dann so ab Ostermontag so ganz allmählich. Da begann dann unser, im Gegensatz zu früher deutlich ruhigere und gelassenere Alltag. Bis zu diesem Ostermontag hat es auch noch keine Änderung in unserer seltsamen ehelichen Atmosphäre, die ich im letzten Kapitel beschrieb, gegeben. Aber auch dieses sollte sich jetzt, wo wieder deutlich mehr Zeit für uns selbst raussprang, wieder ändern. Am Nachmittag des Ostermontags saßen wir zunächst in unserem Wohnzimmer zusammen und Elke meinte: „Jetzt haben wir einmal die Bilder vom Haus und unseren Wohnungen und zum anderen auch die Muße, die wir für unsere Flayer und für unsere Homepage brauchen. Jetzt könnten wir uns doch mal so ganz allmählich an die Arbeit machen. Mir juckt es schon richtig in den Fingern und möchte eigentlich sofort loslegen.“. „Warum nicht,“, antwortete ich ihr, „was hält dich denn noch auf.“. Sie schaute mich lächeln an und fragte: „Hättest du etwas dagegen, wenn ich mal unsere Kiste hochfahren würde und so ein Bisschen mit Frontpage, mit dem ich unsere Website machen wollte, übe.“. Dagegen hatte ich aus zweierlei Gründen nichts: Wer hält schon gerne seinen Partner oder seine Partnerin, wenn sie Tatendrang verspürt, auf und zum anderen war es in früheren Zeiten immer ein sehr hübsches Bild wenn Elke intensiv vor dem PC sitzt. Sie hat dann immer so ein mädchenhaftes Gesicht mit dem sie einerseits fröhlich und andererseits aufmerksam ihre Pixeltaten verfolgt. Sie geht immer ganz in der Sache auf und ist dabei insgesamt recht anmutig anzusehen. In früheren glücklichen Zeiten schaute ich ihr dabei immer ganz gerne auf ihre Beine und ließ mich von diesen sinnlich inspirieren. Also ich empfinde meine Frau wenn sie am PC werkelt immer aufregend und hübsch und sehe ihr deshalb, während ich im Sessel oder auf der Couch sitze, gerne zu. Elke machte sich daher auch nach meiner aufrichtigen Zustimmung auch gleich ans Werk und ich nahm genüsslich meine Beobachter Position ein. Dieses sollte dann unserem derzeitigen merkwürdigem Verhältnis zum Verhängnis werden. Zunächst schaute ich ihr nur zu und bei mir regte sich doch einiges, was ich so nun schon ein Weilchen nicht mehr empfunden hatte. So nach etwa einer angenehmen halben Stunde sagte Elke, ohne sich dabei vom PC-Monitor abzuwenden: „Schau mal Reiner, das klappt besser als ich mir das gedacht habe. Das ist schon so etwas wie unsere Homepage aussehen könnte. Komm doch bitte mal.“. Ich kam ihren Wünschen nach und stellte mich hinter ihr auf. Aber statt auf den Monitor konzentrierte ich mich auf die Schulterteile, die der Ausschnitt ihres Pullis nackt ließ, sowie auf ihren Hals. Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass dieses praktisch alles zum Anbeißen sei. Jetzt konnte ich meine Arme und Hände nicht mehr zurückhalten. Ich legte diese auf ihre nackten Schulterpartien und ließ sie langsam nach vorne in ihren Ausschnitt gleiten um sie auf ihren fleischig wohligen Busen zum Stillstand zu bringen. Sie legte ihren Kopf ein wenig zur Seite um mit einer leichten Drehung zu mir hoch zusehen. Sie lächelte erweichend süß und fragte fast flüsternd: „Möchtest du auch, Schatzi?“. Und wie ich mochte – und darin waren wir uns zu diesem Zeitpunkt einig. Sie ließ den PC postwendend herunterfahren, erhob sich und begann gleich bedächtig mein Hemd auf zu knöpfen. Na, und so weiter und so weiter. Jetzt lasse ich einfach mal wieder den Sänger aus Höflichkeit schweigen. Nach wie vor gehören solche Dinge nur Elke und mir ganz alleine. Zum ersten Mal seit unserem Hochzeitstag am 2. Januar 2002 hatten wir wieder zu einem Schäferstündchen zusammen gefunden und es war echt himmlisch. Sie gab mir alles was sie mir geben konnte und nahm alles was ich ihr geben konnten. So richtig schön ist es nur, wenn beide Seiten bereit sind alles zu geben und alles zu nehmen. Jetzt wusste ich wieder dass ich Elke über alle Dinge liebe und sie mein Ein und Alles ist. Sie ist ein Stück von mir und ich von ihr. Nach diesem herrlichen Augenblick war schlagartig bei uns wieder der Normalzustand, das heißt Glückszustand, eingekehrt. Unsere Zungen lösten sich und wir wurden beide wieder so beredet wie früher. Wir sprachen jetzt wieder fast pausenlos über Gott und die Welt, über unsere Wünsche und Träume sowie über unsere Sorgen und
Ängste miteinander. Natürlich bleibt es dabei nicht aus, dass wir uns auch mal in der Wolle haben aber das ist jedoch höchst selten. Nur eines war kein Thema mehr bei uns: Sex und Eros, es sei denn, dass es ausschließlich uns beide selbst und nur unser direktes Miteinander betraf. Aus meiner Warte war es aber nicht weil wir nun plötzlich das Wort „Vorsicht“ groß und mehrfach unterstrichen schrieben sondern weil es uns einfach nicht nach Abenteuern, nicht einmal in der Fantasie mehr, war. Was mich selbst anbelangt kann ich das natürlich aus meinem persönlichen Erleben heraus sagen und was Elke anbelangt, weiß ich dieses aus ihren eigenen Aussagen. Bei den Punkten, die uns in der Vergangenheit auseinander sprengten hielten wir es jedoch mit der Vorsicht und schnitten diese Sachen gar nicht erst an. Aber das normalisierte sich letztlich auch dahingehend, dass wir jetzt sachlich und nüchtern, ohne den Anderen zu treffen darüber reden können. Sonst hätte ich ja dieses Buch auch nicht schreiben können. Einerseits waren wir wieder ganz die Alten aber andererseits glaube ich, dass wir geläuterter waren und aus diesem Grunde auch glücklicher wie je zuvor wurden. Nachdem bei uns nun soweit alles wieder in Ordnung war blieben bei Elke doch noch eine Reihe von Gewissensbissen übrig. War nicht vor dem Karnevalsdebakel Karin fast vor Glück über ihren Herrmann ausgeflippt. War es nicht der Mann, nach dem sie sich spätestens seit dem Tode ihres Gatten sehnte. Und dann dieses Karnevalsdebakel, an dem sie aus meiner Sicht allerdings nicht unschuldig war. Der Mann, den sie für sich haben wollte entpuppte sich als derjenige, der in Hinsicht auf Lust und Freude auch anderweitig nichts anbrennen ließ. Und ausgerechnet Elke, die von Karin als Freundin angesehen wurde, war es, die für ihren Schwarm die Beine breit hielt. Elke sah sich nun gegenüber Karin in die Pflicht genommen. Dass sie das, was von ihr angerichtet wurde, nicht mehr gut zu machen ist, war ihr allerdings hundertprozentig klar. Wenn man eine Explosion ausgelöst hat kann man den Urzustand nicht mehr herstellen. Elke glaubte sogar das so etwas gar nicht wünschenswert wäre, denn so wie Hermann, aus ihrer derzeitigen Sicht der Typ eines geborenen Heiratsschwindler, veranlagt ist dürften sich solche Dinge wie zu Karneval und andere bestimmt in regelmäßigen Abständen wiederholt haben. Der Richtige für Karin war er aus der Sicht von Elke wohl doch nicht. Aber das rechtfertigt natürlich Elkes Verhalten gegenüber Karin natürlich nicht im Nachhinein, was sie auch ohne Umschweife auch einsah. Ungeschehen machen kann man solche Sachen aber auch nicht. Schatten, die man einmal geworfen hat, kann man nicht abhängen. Immer wenn man ins Licht tritt sind sie wieder da als wären sie nie verschwunden gewesen. Neben dem Ruf nach Vergeltung ertönt ja bekanntlich am meisten der Schrei nach einer Wiedergutmachung. Aber das geht praktisch nur, wenn man eine Sache ungeschehen machen könnte. Und das geht ebenso wenig wie das Abhängen von Schatten. In unserer, dem Phantomgott Mammon treu ergebenen Gesellschaft sagt man allerdings nur Wiedergutmachung und meint in Wirklichkeit Kapitalisierung von Opfern und Schäden. Wenn einen schon etwas passiert ist, dann wäre es doch gelacht, wenn man sich nicht daran bereichern könnte. Aber jetzt nicht gleich wieder abschweifen und zurück zu den beiden Frauen. Elke sah ein, dass sie der Schwiegermutter unseres Sohnes einen Schaden, den sie nicht wieder gutmachen kann, zugefügt hat und machte sich nun Gedanken darüber wie sie diese Angelegenheit am Besten bereinigen könnte. So nahm sich jetzt Elke ein dreistufiges Vorgehen vor: Erst wollte sie es bei Karin mit dem guten alten Telefon versuchen. Sie rechnete aber von vornherein bei diesem Schritt mit einer Abfuhr, die sie selbst für nachvollziehbar hielt und deshalb hatte sie als nächsten Schritt ein nettes persönliches Schreiben, in dem sie alles was sie diesbezüglich bewegte offen legen wollte, vorgesehen. Wenn auch dieses dann nicht zu einer wünschenswerten Aussprache führt wollte sie Karin persönlich aufsuchen. Wäre da nicht die Distanz Wannebachtal-Elfenwiese nach Köln-Holweide gewesen hätte sie von vornherein selbstverständlich nur die dritte Stufe vorgesehen. Nichts ist besser und wirkungsvoller als die persönliche Kommunikation von Mensch zu Mensch. Nur Eins wollte Elke jetzt nicht: Sie wollte weder Björn noch Heike in die Vermittlung in dieser Angelegenheit einschalten. Einerseits wusste Elke nicht, was unsere „Kinder“ von ihrer „Großtat“ wussten und wollte denen nicht gerade das, weshalb sie sich mächtig schämte, unterbreiten. Zum Anderen waren wir uns ja auch darüber einig geworden, dass Alt und Jung ihre eigenen Wege selbstständig gehen müssten. Wir wollten uns ja nicht mehr gegenseitig einmischen und auch um keine Einmischung bitten. Dieses wurde offensichtlich auch von Karin so gesehen, denn immerhin tauchte sie regelmäßig einmal im Monat im Hotel auf um sich um dessen betriebswirtschaftlichen Belange zu kümmern. Aus Heikes regelmäßigen Anrufen bei uns konnten wir danach dann immer entnehmen, dass Björn und Heike wohl wussten, das irgendetwas zwischen uns nicht stimmte aber nicht genau was das war. Natürlich sind Björn und Heike nicht von Gestern und machten sich, wie später mal von unserer Schwiegertochter zu erfahren war, Gedanken darüber was geschehen sein könnte und dachten auch in die richtige Richtung. Schließlich fielen ja verräterische Indizien zusammen. Bis Rosenmontag war dieser Herrmann der Supermann aus Karins Träumen und nach Elkes Besuch in Köln war es aus und dieser Herrmann das Gegenteil von Traummann. Das Elke damit etwas zutun hatte ist ja von Karin gegenüber Heike auch angedeutet und von Elke indirekt bestätigt worden. Andererseits hatten die Düsseldorfer ja auch meine verändert wirkende Frau zwischen Karneval und meiner Krankenhausentlassung erlebt. Ich weiß nicht, ob sie nicht auch noch zusätzlich bemerken konnten, dass es zwischen Elke und mir auch nicht so ganz gestimmt hat. Aber Heike hielt sich stets
neutral und fragte nicht nach. Sie blieb nett und freundlich sowohl zu ihrer Mutti (Karin) wie zu ihrer Mama (Elke). Das ist ja auch im Großen und Ganzen richtig, denn jede Einmischung führt zwangsläufig zur Parteinahme und die hat schon vom Wort her nichts mit Objektivität zutun. Nun, die telefonische Kontaktaufnahme, die sich Elke vorgenommen hatte, scheiterte daran, dass sich auf der anderen Seite nie Karin sondern immer nur ihr Anrufbeantworter meldete. Wir konnten ja nicht wissen, dass Karin sich im Umgang mit Anrufern eine neue aber ehrlich gesagt recht sinnvolle Methode angewöhnt hatte. Wenn wir nicht die Ferienwohnungen und Unterkünfte hätten würde ich mir dieses Verfahren auch aneignen. Sie nahm den Hörer ihres ISDN-Telefons immer erst nach einem Blick auf das Display auf. Wenn da eine bekannte Nummer oder im Klartext der Name eines Anrufers, weil der Teilnehmer ins interne Telefon einprogrammiert war, stand mit dem sie nicht zu sprechen gedachte oder wenn da ganz einfach „Unbekannt“ stand, weil der Anrufer von einem Analog-Anschluss anrief oder als Anonymus Versteckerix die Weitergabe seiner Nummer unterdrückte, ließ sie das Gespräch zunächst auf den Anrufbeantworter auflaufen. Da sie diesen Automat auf Mithören gestellt hatte konnte sie ja immer noch entscheiden ob sie doch noch den Hörer aufnimmt oder nicht. Elke konnte sie dann schon an der Einprogrammierung „Wolf“ erkennen und dann brauchte sie nur zu warten wer dann mit dem Automat plauderte. In dem Falle, dass ich es war wollte sie hochnehmen und mich mal fragen ob mir Elke inzwischen alles gebeichtet habe. Und wenn nicht, wollte sie mich aus ihrer Verärgerung aufklären aber mir auch sagen, dass ich mich bevor ich lospoltere jedoch erst an die eigene Nase fassen müsse und überlegen sollte, was ich getan hätte. Also, auseinanderbringen wollte sie uns trotz allem auf keinen Fall. Dazu kam es aber nicht, da es grundsätzlich immer Elke war, die dem Automat anvertraute, dass seine Besitzerin mal zurückrufen sollte – was diese aber nicht tat. Also kam jetzt Schritt Zwei zur Ausführung. Elke setzte sich hin und schrieb handschriftlich einen sehr langen Brief. Das er lang war hatte ich bereits im Vorbeigehen gesehen. Damit kein Nachporto anfiel hatte Elke gleich drei 56-Cent-Briefmarken darauf geklebt. Aber was darin stand habe ich nicht gelesen und daher kann ich hier an dieser Stelle auch nicht wiedergeben, was darin stand. Von Elke wusste ich nur, dass sie sich in diesem „Sünderinnenbrief“ ihr Herz ausgeschüttet hatte und immer wieder geschrieben das sie dumm gewesen sei. Sie stellte, laut ihrem Bericht, deutlich heraus, dass es ihr leid täte und daher von ganzen Herzen um Entschuldigung bitten würde. Damit wusste ich von dem Inhalt, bei dessen Abfassung öfters auch mal ein paar Tränen bei Elke kamen, mehr als die Empfängerin. Diese hatte, wie später zu erfahren war, dieses Schreiben dem Hausbriefkasten entnommen, diesen gleich nach dem Lesen des Absenders zerrissen und der Tonne für die Müllabfuhr übergeben. Die Sache muss für Karin wirklich tiefergehender gewesen sein als sie zugeben wollte. Also kam nur noch als Letztes die Stufe Drei in Betracht. Anfang Mai unternahmen wir erstmalig in unserer Zeit als Ferienwohnungswirtsleute einen Tagesausflug. Dieses war natürlich sehr zur Freude von Frau Schriever, die nach ihrer Ansicht endlich mal was für die 345 €, die sie monatlich von uns erhält, tun konnte. Daraus kann man jetzt auch messerscharf schließen, dass Elke nicht allein nach Köln fahren wollte. Am Zielort wollte sie mich jedoch an einer Gaststätte oder an einem Restaurant absetzen und alleine gen Kanossa ziehen. Mit anderen Worten: Sie nahm mich auf keinen Fall als Unterstützung mit aber ansonsten wollte sie nicht auf ein Zusammensein mit mir verzichten. Im Gegensatz zu früher, außer in der Zeit nach dem schweren Unfall, der mich zum Tagedieb und dann zum Wirt werden ließ, stand ich ihr nicht als Chauffeur zur Verfügung. Ich war zwar inzwischen im Großen und Ganzen wieder hergestellt aber mein steifes Bein war nicht wieder elastisch geworden. Ich glaube, dass da wohl nichts mehr raus wird. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht wieder am Steuer Auto gefahren. Zum derzeitigen Zeitpunkt, Dezember 2002, wo ich diese Zeilen schreibe habe ich mal einige Probefahrten hier in der Gegend durchgeführt. Es ist doch sehr anstrengend und eine längere Fahrt könnte ich bestimmt noch nicht durchführen. Was jetzt gilt, galt für den Maientag, von dem ich gerade berichte, erst recht. Während der Fahrt nach Köln entdeckte ich eine neue Leidenschaft: Ich betrachte die Beine meiner Frau, die schon immer Röcke gegenüber Hosen bevorzugte. Das war aber schon von jeher ganz in meinem Sinne, denn ich fand ihre Beine schon immer klasse – hübsch und wohlgeformt. Also sah ich mir diese, während ich auf dem Beifahrersitz saß, auch genüsslich an. Dabei entdeckte ich dann, dass diese bei den Bewegungen zu, auf und von den Pedalen einen besonderen erotisierenden Touch ausstrahlten. Natürlich bemerkte Elke was ich da stetig beobachtet und fragte: „Du schaust mir auf die Beine als wäre ich deine neueste Eroberung und als ob du zuvor noch keine ausreichende Möglichkeit gehabt hättest, dir mein Fahrgestell zu verinnerlichen. Dabei hast du mich doch schon in allen Details sehr ausführlich betrachtet.“. „Ach Maus,“, setzte ich zur Antwort an, „ich weiß auch nicht woran es liegt, dass ich nach 28 Jahren, ... nächsten Monat am Zwölften sind es ja genau diese 28 Jahre – immer noch gerne mit meinen Augen an deinem Körper klebe. Immer noch regen mich deine Formen an und auf. Ich weiß nicht, aber aus meiner Sichtweise hast du auch immer was Neues zu bieten, so dass ich mich an dich niemals satt gehen kann. Jetzt ist es die Bewegung deiner Beine beim Autofahren, die mich unheimlich aufregt. Ach Mausi, ich brauche keine anderen Frauen und keine Abenteuer mehr ... ich brauche nur dich, die mir alles geben kann, was ich brauche.“. Mit etwas schüchtern erotisiert klingender Stimme sagte sie jetzt: „Ja,
mein Herz, mir geht es umgekehrt genauso wie dir. ... Wäre uns das immer bewusst gewesen, hätten wir uns alles erspart und brauchten jetzt nicht nach Köln zu fahren.“. Und ich konnte ihr dann nur bestätigen, dass sie damit auch aus meiner Sicht hundertprozentig recht hatte. Na ja, außer diesem hoffentlich interessanten Detail gibt es von der Fahrt nichts besonderes zu berichten und deshalb springe ich mal gleich zu dem Bericht von Elkes Besuch bei Karin und meiner höchstinteressanten Begegnung in der Kneipe, vor der mich Elke abgesetzt hatte. Es war so kurz vor Mittag als ich die mir zugedachte Schankwirtschaft betrat. Na ja, viel war da um diese Zeit noch nicht los. Lediglich ein Pärchen, etwa in unserem Alter, stand am Tresen. Vielmehr nur er stand und sie saß auf einem Hocker neben ihm. Durch eine verräterische Bestellung kam ich mit diesen Leuten ins Gespräch. Ich bestellte mir nämlich statt des Kölner Nationalgetränks „Kölsch“ gewohnheitsmäßig ein Pils worauf der Wirt erst mal zurückfragte ob das mein ernst sei, denn er habe Pils nur in Flaschen während er mir das obergärige Kölsch vom Fass anbieten konnte. Darauf bekundete ich: „Eu entschuldigen sie, ich habe jetzt nur aus alter Gewohnheit das, was bei uns immer alle bestellen, geordert. Gut gezapftes ist mir aber schon von jeher lieber als in Flaschen konserviertes. Geben sie mir ruhig ein Kölsch.“. Dank meiner längeren Ausführung hatte er schon, bevor ich ausgesprochen hatte, die Chance das letztlich gewünschte Getränk anzuzapfen. Dadurch war natürlich auch das Gastpaar auf mich aufmerksam geworden und er fragte dann im Plauderton: „Sie sind wohl nicht von hier. Aber machen sie sich nichts daraus, auch ich bin ‚ä imitierte Kölsch’, aber das immerhin schon seit 26 Jahren. Ursprünglich komme ich aus der Eifel. Aber dank meines Nachnamens gehe ich hier glatt als ‚ächter kölscher Jung’ durch. Ich heiße nämlich Schmitz, wie der uralte Kölner Adel.“. Und über diesen Dialog kamen wir dann ins Plaudern. Während dieser Plaudereien erzählten mir die Beiden, dass sie sich traditionell immer am 10. Mai, in diesem Jahr war es ein Freitag, in diese Gaststätte begäben. Im Jahre 2003 wollen sie diese Sache auch ganz groß feiern, da das dann ihr Silberjubiläum sei. Als Grund nannten sie mir ihr etwas kurioses Kennenlernen. Sie war am 10. Mai vor nun mehr 24 Jahren von einem jungen Mann, für den sie damals schwärmte, in diese Kneipe bestellt und versetzt worden. Er, also der Mann, der jetzt neben ihr stand, war an diesem Tag in diese Kneipe gekommen weil er seinen Liebeskummer ertränken wollte. Seine damalige Freundin hatte ihm kurz vorher den Laufpass gegeben. Ein halbes Jahr später hat dann das Ehepaar Schmitz geheiratet. Frau Schmitz setzte dann den Plauderbericht erst noch einmal fort: „Es ist doch seltsam wie sich Geschichte wiederholen kann. Erst dieses Jahr, einen Tag nach Karneval, gab es für uns so eine Art Wiederholung. Als letzte Jahr unsere Tochter zu ihrem Freund gezogen war hatten wir das Gefühl uns nichts mehr zusagen zuhaben. Ich habe mir dann einen Kollegen geangelt und Ende letzten Jahres hatte auch Herrmann eine Neue gefunden. Das war ... oder ist immer noch – eine ganz elegante Dame ... mit der kann ich ehrlich gestanden nicht mithalten. Rosenmontag sind wir dann alle Zwei unabhängig voneinander gegenüber unseren neuen Partnern etwas ausgeflippt. Meiner hatte mich dann zur Versöhnung hierher bestellt und ist nicht gekommen. Und Herrmann hat von seiner Flamme die Rote Karte bekommen und wollte seinen Ärger hier mit Kölsch runterspülen. So trafen wir uns hier wieder und konnten uns gegenseitig trösten. Das Beste dabei: Danach sind wir so glücklich wie nie zuvor geworden. Ich glaube, uns bringt jetzt nichts mehr auseinander.“. Nun, die Beiden hatten wohl keine Absicht mir ihr Leben zu beichten und deshalb wechselten wir auf allgemeine unverfängliche Themen über. Das Ehepaar Schmitz gab mir dann unter anderem eine Reihe von Empfehlungen was ich mir in Köln ansehen müsse. So waren nicht ganz anderthalb Stunden vergangen als es dann unerwartet in dieser Gastraum dramatisch wurde. Elke hatte ihren Besuch bei Karin beendet und kam in die Gaststätte um ihren „Göttergatten“ wieder aufzulesen. Nachdem sie flott mit einem „Guten Tag“ eingetreten war blieb sie plötzlich, wie vom Blitz getroffen, mit so einer Art Aufschrei wie angewurzelt auf der Stelle stehen und mein Herr Schmitz stieß zu meiner großen Überraschung ein langgezogenes erstauntes „Elke“ aus. Natürlich wusste ich jetzt erstens wer die elegante Dame, mit der er sich vor seiner Versöhnung mit seiner Frau zusammentun wollte, und zweitens wer er selbst war. Ganz ohne Zweifel handelte es sich bei meinem Tresennachbarn um Karins Exschwarm Herrmann. Elke drehte sich nach Ablauf dieser Szene auf dem Absatz herum und stürmte, als sei der Teufel hinter ihrer Seele her, wieder nach draußen und ich musste jetzt auch handeln. Ich wandte mich an meine Thekennachbarn: „Oh je, das konnten wir natürlich nicht ahnen. Sie sind also der Exfreund der Schwiegermutter unseres Sohnes und meine Frau, die mich gerade abholen wollte, ist der Grund warum sie wieder zu ihrer Frau fanden. Ich glaube es ist besser wenn ich jetzt zahle und gehe.“. „Oh, sind sie mir bitte nicht böse.“, antwortete mir Herr Schmitz, „Im Grund wollte ich wirklich nichts Böse tun. Aber wir sind doch alle nur Menschen. Was mich jetzt allerdings freut, ist dass sie von der Geschichte wissen und sie, ... der meines Wissens damals im Krankenhaus lag – ihrer Frau vergeben haben. Das entlastet mein Gewissen doch sehr. Auch Karin hat ja inzwischen einen netten Herrn, der aus meiner Sicht gut zu ihr passt, gefunden. Ich glaube das ich jetzt wieder ruhig schlafen kann.“. Ich war in diesem Moment echt froh, dass es zu einer solchen Gentleman-Lösung gekommen war, denn Alles in Allem war dieses eine höchst peinliche Situation. Herr Schmitz setzte, als ich den Wirt fragte was ich zuzahlen hätte, noch etwas darauf in dem er sagte:
„Nichts, sie sind selbstverständlich heute unser Ehrengast.“. Ich verabschiedet mich darauf, wie es unter Leuten von Welt üblich ist, und verließ dann auch umgehend die Gaststätte. Als ich hinaus kam und mich auf den Beifahrersitz unseres Wagen setzte saß Elke bereits in diesem über das Lenkrad gebeugt. Sie hatte ihre Arme über diesen verschränkt, ihren Kopf darauf gelegt und weinte. Ich strich ihr über die Haare und äußerte wohlwollend: „Ach Herzielein, du brauchst doch jetzt nicht zu weinen. Es ist doch alles glatt gegangen.“. Sie schaute mich, immer noch weinend, von der Seite an und fragte: „Wie hast du es eigentlich geschafft diesen Herrmann aufzugabeln?“. Na, da musste ich ja erst einmal etwas erklären: „Maus, den habe ich überhaupt nicht aufgegabelt sondern den habe ich durch reinen Zufall hier getroffen. Ich konnte ja vorher gar nicht wissen, dass ich in dieser Kneipe landen würde. Diese hattest du ja nach einem Zufallsprinzip ausgewählt. Als ich dort reinkam war das Ehepaar Schmitz schon da und bis zu dem Zeitpunkt, als du kamst, wusste ich gar nicht wer er war.“. Dann berichte ich ihr was ich in der Gaststätte erlebt hatte. Ich schloss meinen Report mit den Worten: „Im Grunde ist dieser Herrmann Schmitz doch ein netter und gebildeter Mensch. Und für mich ist da sogar etwas tröstliches dran: Dein Abenteuer war jedenfalls kein hergelaufener Hanswurst sondern doch irgendwo ein kultivierter Mensch. ... Aber wusstest du, dass der verheiratet war?“. „Nein“, sagte sie noch immer etwas schluchzend, „und ich weiß auch nicht ob Karin das gewusst hat. So ein Ehrenmann, wie du ihn jetzt gerade darstelltest ist er offensichtlich doch nicht. ... Aber es ist doch irgendwie tragisch, dass man Schatten, die man sich zugelegt hat, nicht so einfach wieder abhängen kann.“. Nachdem Elke sich einigermaßen beruhigt hatte und inzwischen wieder angefahren war fragte ich sie wie erfolgreich sie nun bei Karin gewesen sei. Der Besuch war leider nicht sehr befriedigend verlaufen. Zwar hatte Karin Elke empfangen und sich über eine Stunde mit ihrem „Gast“ unterhalten aber zur Aussöhnung ist es zwischen den Frauen nicht gekommen. Karin hatte Elke eine Reihe von Dingen vorgeworfen und sie zur Wurzel allen Übels erklärt. Sogar für meine Übeltat mit Heike wurde Elke von Karin verantwortlich gemacht. Elke resignierte: „Ich glaube, ich habe Karin so arg getroffen, dass sie jetzt nicht mehr die Realität sehen kann. In ihrem Ärger frisst sie sich in Phantome herein. Ich konnte sagen was ich wollte, ich habe sie nicht erreicht“. „Weißt du, dass die jetzt wieder ein neuen Freund hat?“, wollte ich wissen, „Laut Herrmann Schmitz soll dieser, wie er mir zum Abschied, als er wusste wer ich war, sagte, ein netter Kerl, der gut zu Karin passen soll, sein.“. Etwas lächelnd antwortete Elke: „Davon hat sie mir zwar nichts gesagt aber ich konnte es ahnen. Sie hat mich nach einem nervösen Blick auf die Uhr förmlich rausgeworfen und mir dabei gesagt, dass sie mir keine Chance zur Wiederholung meiner schlimmsten Sünde ihr gegenüber kommen ließe. Daraus habe ich dann geschlossen, dass die Ankunft eines neuen Lovers, den sie mir vorenthalten wollte, droht.“. Jetzt unterbrachen wir unsere Unterhaltung erst einmal, denn nun galt es eine Superaufgabe praktisch zu lösen. Man hatte uns gesagt, dass es in der Innenstadt, so im Bereich des Domes, gute Restaurants geben sollte, in die es sich einzukehren lohne. Das ist ja alles gut und schön wenn es nicht an Parkraum fehlen würde. So unternahmen wir dann eine Irrfahrt auf Parkplatzsuche. „Weißt du was“, tönte Elke völlig entnervt nach einer halben Stunde Suche, „ich habe, zumindestens für heute, die Nase von Köln gestrichen voll. Ich fahre jetzt Richtung Bergisch-Gladbach hier aus der Stadt, die mir offensichtlich kein Glück bringt, raus. Vielleicht finden wir bis wir in Bergisch-Gladbach sind ja ein feines Lokal nach unserem Geschmack und wenn nicht, dann fahren wir einfach der Nase nach ins Bergische Land weiter. Irgendwo werden wir schon etwas für uns finden. ... Seit Karneval habe ich sowieso schon wenn der Name Köln fällt irgendwo ganz flaue Gefühle.“. Letzteres liegt wohl nicht an der Stadt aber verstehen kann ich es trotzdem. Während der nun folgenden Fahrt kamen wir dann noch einmal auf das, für uns doch irgendwo leidige Thema Karin zusprechen. Elke resümierte: „Wenn Karin jetzt mit ihrem Neuen glücklich wird normalisiert sich das Verhältnis zwischen uns bestimmt auch wieder. Dann brauch sie ihre heiße Luft auf anderem Gebiet. Aber so eng wie es in der Vergangenheit war wird es bestimmt nicht mehr werden. Ich glaube wir sollten es dann auch dabei belassen. Schließlich hat Björn seine Heike geheiratet und nicht die Familie Wolf die Familie Kreisler. Ich glaube, dass Karin und ich mehr als einen Schritt zu weit gegangen sind. Wir sind soweit gegangen, dass wir die Grenzen unserer Privatsphären, die wir auf jeden Fall hätten achten müssen, überschritten haben. Bei Karin kann ich das ja, nachdem sie ihren Mann, der ihr vorher noch nicht einmal alles gab was sie brauchte, verloren hatte nachvollziehen aber für mein Verhalten gibt es keine vernünftige Erklärung. Ich hatte und habe alles was ich brauche – ich habe ja dich. Wenn ich daraus was gelernt habe, dann ist es das, dass ich meine Sphäre in Zukunft immer verteidigen werde und immer die Grenzen zur Sphäre der Anderen achten und respektieren werde. Ich werde künftig weder mit einer Frau noch mit einem anderen Mann mehr als man auch in aller Öffentlichkeit machen kann haben.“. „Ach,“, stellte ich abschließend fest, „wir sollten uns jetzt keine so tiefschürfenden Gedanken machen. Wir sind alle nur Menschen und so haben wir eigentlich auch nur gehandelt. Dabei ist dann eine ganze Menge passiert und wir konnten eine Menge für den Rest unseres Lebens daraus lernen. Dabei sollten wir es jetzt belassen. ... Und im Übrigen habe ich trotz allem das Gefühl, dass aus dir und Karin doch wieder ganz gute Freundinnen werden. Lediglich dürftet ihr im Hinblick auf euer Sexualleben doch gebrannte Kinder die das Feuer meiden sein.“. Elke erwiderte darauf noch: „Wäre schön, wenn du recht behalten würdest aber
aktuell sage ich dir, dass ich in Sachen Karin jetzt erst einmal nichts unternehmen werde. Ich werde mich jetzt darauf verlassen, das mit der Zeit alle Wunden heilen ... auch die zwischen Karin und mir.“. So hatte unser Maiausflug für uns jede Menge Erkenntnisse aber keine praktische Lösung des Falles gebracht. In oder kurz vor Bergisch Gladbach fanden wir dann doch ein Restaurant nach unseren Vorstellung und danach haben wir dann noch ein Bisschen für die bundesdeutschen Ökosteuersammler getan: Wir sind ein Wenig kreuz und quer durchs Bergische Land gefahren. Der Grund lag in erster Line bei unserer guten Frau Schriever, der wir nicht die Freude an ihrer Eintags-Geschäftsführerschaft bei unseren Ferienwohnungen und Unterkünften nehmen wollten. Wie ihr angekündigt trafen wir erst am späten Abend wieder in Elfenwiese ein und stellten fest, dass außer Kosten eigentlich nichts gewesen war. Es war uns, speziell Elke, nicht gelungen die Schatten der Vergangenheit abzuhängen. Na ja, wir werden ja noch sehen, was aus der Karin-Elke-Geschichte noch wird.
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Gleich Vier an einem Tag Im Mai des Jahres 2002 lebten sich Elke und ich uns richtig in unsere neue Rolle als Ferienwohnungs- und Unterkunftswirtsleute ein und fühlten uns sehr wohl dabei. Es war uns so, als hätten wir uns schon immer ein solches Dasein gewünscht. Zur gleichen Zeit hatte meine nun wieder bessere Hälfte – was sie nach meinen Wünschen und Willen ab sofort auch immer sein wird – auch ihre Karriere als Werbedesignerin für den Eigenbedarf gestartet. Unsere Homepage war im Netz etabliert und unser Flayer war inzwischen gedruckt worden. Die Homepage lief allerdings erst gegen Ende des Jahres, nachdem der hiesige Touristikverband darauf verlinkt hatte, richtig an. Von Anfang an erfolgreicher waren die Flayer. Als der Drucker erstmalig Elkes Entwurf in den Händen hielt konnte sie auch vom Fachmann ihr Talent bestätigt bekommen. Alles rings um uns herum erzeugte also eine Atmosphäre der Zufriedenheit und des Glücks. Diese wirkte sich natürlich auch auf unsere Zweisamkeit aus und wir wünschten uns zunehmendst das sich an dem Zustand bis an unser Ende nichts mehr ändere. Sonntag für Sonntag zog es uns jetzt auch nach Ehrenberg zum Gottesdienst. Seit Mai ist es nun zur Tradition geworden, dass wir an jedem ersten Sonntag im Monat auch zum Mittagessen bei der Familie Köhler bleiben. Bei dieser Gelegenheit sind wir grundsätzlich zu Acht, das heißt, das auch Matthias, Markus, Lukas und Johannes immer ohne Ausnahme auch mit von der Partie sind. Daraus kann man schon schließen, dass es danach auch bei den Köhlers keine Spannungen, die man vor Kinderohren und –herzen besser bewahrt, mehr gab. Katharina gestand uns bei der Gelegenheit am ersten Junisonntag, dass sich ihr Exhibitionismus, gleichgültig ob angeboren, anerzogen oder nur dumm angewöhnt, wohl nicht mehr legen würde. Immer noch reizt es sie anderen Leuten, Herren wie Damen, Zublick auf ihren nackten Körper zu gewähren. Aber eins hatte sie laut ihren Worten gelernt: Wenn sie diesen Exhibitionismus ausleben will, geschieht dass dann nur noch in Begleitung ihres Gatten und etwas entfernter von Ehrenberg. Und natürlich immer nur an öffentlichen Orten wo sich auch andere so zeigen, wie zum Beispiel an Nudistenstränden oder in größeren Gemeinschaftssaunen. Selbstverständlich könne sie so etwas, wenn es ordnungsgemäß abläuft, auch mit ihrem Glauben vereinbaren. Sie meinte: „Wenn man sich so gibt wie man ist, ... das meine ich jetzt sowohl im Sinne von unbekleidet wie auch charakterlich –, ist das niemals Sünde, denn wieso sollte uns Gott so geschaffen haben wie wir sind und uns dann verpflichten dass wir sein Werk vor den Augen der Welt verstecken.“. Aber mit dem Feuer spielen wie in der Vergangenheit wollte sie auf keinen Fall mehr. Dieses alles erzähle ich jetzt nur um zu zeigen, dass inzwischen bei allen an den Handlungen der letzten zwei Jahren Beteiligten inzwischen die „Ordnung“ wieder eingekehrt war und bei allen die Einsicht in die Richtigkeit dieser Ordnung und der Wille diese einzuhalten sich ausgeprägt hatte. Sowohl bei Wolfs senior wie bei Wolfs junior sowie bei den Köhlers stand nun nur noch ein Familienleben, wie es eigentlich sein sollte, auf der Tagesordnung. Wäre da nicht Karin Kreisler, die da noch nicht ganz in das Bild der allgemeinen Harmonie eingefügt schien, gewesen könnte ich an dieser Stelle meine Niederschrift beenden, denn das Harmonie und Normalität langweilig sind, kann mir doch sicherlich eine Jede und ein Jeder bestätigen. Karin war jetzt mehr und mehr ein Gegenstand in den turnusgemäßen Gesprächen zwischen Heike und Elke. Heike glaubte ihre Mutter verändere sich von Tag zu Tag und sie kam ihr immer merkwürdiger vor. Mit uns hatte Karin ja überhaupt keinen Kontakt. Nach jenem Freitag in Köln, zu dem wir uns Anfang Mai aufgemacht hatten, hatte Elke keinen weiteren Kontaktversuch mehr unternommen und von Karin selbst kam nach wie vor nichts. Gegenüber den „Kindern“ wurde sie nach Heikes Meinung immer verschlossener und auf der anderen Seite erschien sie die Mutter ihrer Tochter immer ausgeflippter. Kannte Heike ihre Mutter bisher nur als die immer elegante Hotelierfrau, stets fraulich mit mittellangen Röcken gekleidet, konnte sie diese jetzt im sportlichen Outfit kennen lernen. Statt auf Röcke griff sie jetzt ständig auf Hosen, insbesondere Jeans, zurück. Ihre schulterlangen, gepflegt frisierten Haare waren einer Kurzhaarfrisur gewichen. Erschien sie doch zuvor immer einmal im Monat und immer fast für einen ganzen Tag in Düsseldorf, um sich um die Betriebswirtschaft des Hotels zu kümmern, erschien sie ab Mai wöchentlich aber dafür immer nur ganz kurz. Sie begründete diese Änderung in ihren Gepflogenheiten damit, dass sie sich nicht mehr so viel auf einen Haufen zusammen kommen lassen wollte. Dabei war dann auch augenscheinlich eines gestorben: Die private Plauderei zwischen Mutter und Tochter beziehungsweise Schwiegersohn. Dafür hatte Karin jetzt in der Regel keine Zeit mehr. Sie spielte immer nur für etwa eine viertel bis halbe Stunde noch mit Sara, um dann aber eiligst wieder zu verschwinden. Na ja, eine solche extreme Wesensänderung in beziehungsweise nach den Wechseljahren gibt doch einer Tochter eine Menge zu denken. Ich mutmaßte, dass dieses mit dem neuen Freund von Karin zusammenhängen könnte aber wirklich in Erfahrung bringen konnte das keiner von uns – auch Heike nicht. Von sich aus erwähnte sie ihren Freund nicht und wenn sie direkt darauf angesprochen wurde wich sie sofort auf ein anderes Thema aus. Was die inzwischen mit den Zwillingen hochschwangere Heike am Meisten anrührte war das sich ihre Mutter so wenig nach ihrem Zustand und dem der Jungens in ihrer Gebärmutter erkundigte. Karin fragte zwar immer
danach aber hakte zum Leidwesen ihrer Tochter nicht in der Art werdender Großmütter nach. Dafür machte dieses aber ihre Schwiegermutter um so mehr. Je näher der vorgesehene Termin der Entbindung rückte um so länger wurden die Telefongespräche zwischen Elfenwiese und Düsseldorf. Meine Elke wollte nun wirklich alles bis ins Kleinste wissen. Zumindestens in dieser Sache wurde jetzt von Elke die vereinbarte strickte Grenze zwischen den Angelegenheit von Jung und Alt nicht mehr eingehalten. Aber das brauchen wir jetzt nicht zu bemängeln, denn das Bedürfnis einer diesbezüglichen Grenzüberschreitung war insbesondere auch bei unserer Schwiegertochter anzutreffen. Natürlich waren die zu erwartenden Zwillinge auch regelmäßig das Gesprächsthema zwischen Elke und mir. Wir machten uns insbesondere Gedanken darüber ob nicht Sara dann, wenn ihre Brüder da sind, etwas abgemeldet sei. Dieses schien uns dann auch hinsichtlich Björn etwas problematisch, denn wir befürchteten, dass irgendwo im Hinterstübchen bei ihm hängen geblieben sei, dass Sara ja in Wirklichkeit nicht seine Tochter sondern „nur“ seine Halbschwester ist. An dieser Stelle erlaube ich mir doch ein Wenig chronologisch vorzugreifen. Wir können jetzt am Ende des Jahres 2002 ja schon ein Wenig resümierend zurückblicken. Unsere Befürchtungen waren wohl gänzlich unbegründet. Heike und Björn haben sich allen Dreien gegenüber als mustergültige Eltern erwiesen. Ich weiß nicht ob so etwas normal ist aber bei den Köhlers erlebten wir eine ähnliche Erscheinung. Rainer war gegenüber Johannes, der ja in Wirklichkeit Björns Sohn war, ein echter Mustervater. Da hört man doch von den wichtig tuenden Pseudowissenschaftlern, die sich Psychologen nennen, doch immer etwas anderes. Die sind doch immer der Meinung, das so ein Komplex aus dem Unterbewusstsein die Menschen dazu brächte die eigenen Kinder gegenüber den Stiefkinder zu bevorzugen. Na ja, die Psychologen, die ihre Wissenschaft von dem Wiener Romancier Siegmund Freud haben, dürften sich diesbezüglich auch ein Wenig an den bösen Stiefmüttern aus den Märchen der Gebrüder Grimm orientiert haben. Sicherlich wird jetzt diese oder jener mutmaßen, dass ich persönlich nicht viel von der Psychologie halte. Diesen Leuten kann ich bestätigen, dass sie voll und ganz recht haben. Gehen die Psychofritzen doch von einem gesetzmäßigen Strickmuster bei den Menschen aus. Das stimmt aber so nicht. Jeder Mensch ist ein wundersames Unikat, keiner ist wie ein anderer – niemand ist ein Klon. Und hoffentlich wird es den Menschen auch nie gelingen Schöpfer zu spielen und den Menschen dann zur Serienund Massenware zu degradieren. Die Vorstellung, dass sich da durchgeknallte entmenschlichte Reiche eine Reihe von Ablegern zu legen lässt mich immer wieder fürchterlich erschaudern. Oh je, jetzt habe ja in einem Absatz den Bogen von Mustereltern über Psychoheinis zu gewissenlosen Klonfabrikanten gespannt. Aber was soll’s, solche Gedanken kommen einem halt bei solchen Gelegenheiten und Elke und ich haben dann auch bei dieser Gelegenheit ausführlich über solche Dinge diskutiert. So ist das halt in einer guten Ehe oder Partnerschaft. Solche Institutionen leben halt fast ausschließlich von der permanenten Kommunikation. Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat, kann man seine Ehe getrost zu Grabe tragen. Aber so viel ernsthaftere, die Familie und den Haushalt direkt betreffenden Dinge gibt es ja nicht, dass man darüber pausenlos reden könnte. Da müssen zwangsläufig dann auch andere allgemeine Dinge herhalten. Aber ein Reden des Redens halber ist so etwas dann auch nicht, denn damit stimmt man in der Partnerschaft seine Interessen und Ansichten ab, die dann im konkreten Fall es ermöglichen, dass die Partner an einem Strick ziehen können. Wozu brauch man eigentlich eine Partnerschaft wenn immer nur einer zieht und der Andere derweil ganz etwas anderes macht. Aber dahingehend haben Elke und ich keinen Grund zum Stöhnen. Wir beginnen beim Aufwachen mit dem Plaudern und/oder Diskutieren und stellen dieses in der Regel erst ein wenn uns die Augen zufallen. Und so wie wir Heike und Björn beobachtet haben, sind die in dieser Hinsicht genau wie wir. Wo ich gerade schon mal das Aufwachen erwähnt habe kann ich ja auf den ganz frühen Morgen des 12. Juni 2002 übergehen. Bekanntlich gibt es an diesem Datum im Hause Wolf eine ganze Reihe Angelegenheiten zu feiern. Im Jahre 2002 kann Elke an diesem Tag ihren 51. und ich meinen 55. Geburtstag feiern. Vor genau 28 Jahren fanden wir aus Anlass unserer Geburtstage als Paar zueinander und haben dann gleich auf Anhieb unseren Björn gezeugt. Na, wer lässt schon einen solchen Tag ungeachtet vorüber ziehen? Elke hat sich sofort nach dem Frühstück eine inzwischen bei uns berühmte Wohlfühlmassage gewünscht. Natürlich auch mit dem was da anschließend immer folgte. Etwas ordinär könnte ich sagen, dass wir ein großangelegtes Geburtstagsnümmerchen eingeplant hatten. Danach wollten wir uns frisch machen und dann ins Blaue fahren. „Ins Blaue“ heißt, dass wir vorher kein bestimmtes Ziel auserkoren hatten sondern wir wollten uns stattdessen von unseren spontanen Einfällen leiten lassen. Gleich zwei Mal an diesem Tag wollten wir richtig chic in ein Restaurant einkehren. Des Mittags sollte etwas Kleineres, so im Bereich Jägerschnitzel, und des Abends sollte es dann eine festliche Tafel sein. Wir hatten uns schon im Vorfeld, als wir diese Sache planten, richtiggehend auf alles, was wir uns vorgenommen hatten, gefreut. Nicht nur wir sondern auch Frau Schriever, die bei dieser Gelegenheit mal wieder die Frau im Hause sein konnte, freute sich einerseits für sich und anderseits für uns auf diesen „großen“ Tag. Jetzt gab es mal wieder diesen berüchtigten Effekt, das es erstens anders und zweiten als man denkt kommt. Bereits kurz vor Fünf in aller Frühe schellte das Telefon. Von diesem hochgeschreckt sprang ich aus dem Bett und raste, soweit dieses mit meinen Hinkebein geht, zum Apparat. Natürlich pochte mir das Herz bis zum Hals,
da es für Gratulanten zu früh war. Also konnte da nur etwas, möglicher Weise Schlimmes, passiert sein. Aber da ging es schon mit den Täuschungen los, denn am anderen Ende war doch tatsächlich ein Gratulant. Björn tönte mit einer seltsam glücklich klingenden Stimme: „Herzlichen Glückwunsch Papa und nicht nur an dich sondern auch an Mama. An jedem von euch beiden einen doppelten Glückwunsch, denn in Zukunft haben wir immer ‚gleich Vier an einem Tag’ zu feiern. Kai und Sven haben am gleichen Tag Geburtstag wie ihr Opa und ihre Oma. Ich stehe hier noch vor dem Krankenhaus ... ich war im Kreißsaal dabei. Mann Papa, was bin ich jetzt happy. Ich muss mich tatsächlich erst einmal ein Wenig erholen und deshalb rufe ich gleich noch einmal zurück.“. Und Schwupps, schon hatte er aufgelegt. Als ich mich umdrehte schaute mich Elke mit verschlafenen Augen an: „Was ist denn los?“. „Jede Menge Ömachen“, tönte ich, der durch den Anruf munter geworden war, „deine Enkel Sven und Kai lassen grüßen und ausrichten, dass sie in Zukunft mit ihren Großeltern Geburtstag feiern wollen.“. Jetzt war auch Elke putzmunter. Sie riss die Arme hoch und sagte mit einem strahlenden Gesicht: „Mensch Maus, das ist ja super! Wir alle Vier an einem Tag.“. Etwas erstaunt war ich schon über die fast gleiche Formulierung die in diesem Moment sowohl von Mutter und Sohn gebraucht worden ist obwohl die meines Wissen bei uns zuvor noch nie gebraucht worden war. Aber dieses „Gleich Vier an einem Tag“ wurde im Anschluss zu einem geflügelten Wort in der Familie Wolf, welches auch heute noch öfters gebraucht wird. Na ja, jetzt standen wir an unseren Geburtstagen schon des Morgens um Fünf putzmunter im Schlafzimmer und warteten noch in unserer Schlafmontur auf Björns versprochenen zweiten Anruf – aber der kam nicht. Als bis halb Sechs immer noch nichts geschehen war übernahm ich dann die Initiative und rief auf seinem Handy, von dem er auch mich zuvor angerufen hatte, zurück. Er meldete sich gleich: „Oh Papa, entschuldige das ich dich aus dem Bett geschmissen habe. Ich hatte vorhin gar nicht auf die Uhr geguckt ... so happy war ich und bin ich natürlich immer noch. Erst als ich bei Mutti anrief pflaumte mich so ein Kerl an, was mir denn einfiele mitten in der Nacht anzurufen. Es wäre ja noch keine Fünf. Da wusste ich erst was ich gemacht hatte ... Entschuldige nochmals.“. „Hattest du dich, als du Karin anrufen wolltest, verwählt?“, wollte ich wissen. „Nöh“, bekam ich die kecke Antwort, „dass habe ich noch mal überprüft. Die Nummer hatte ich aus dem internen Telefonbuch geholt und die war richtig. Ich glaube meine liebe Schwiegermutter hat sich da jemand angelacht. Ich will es gleich um Sieben noch mal versuchen. ... Aber was ich eigentlich noch von euch wollte – eine ganz besondere Bitte. Könnt ihr euch nicht im Laufe das Tages in euere Blechkarosse setzen und nach hier in das Dorf an der Düssel kommen. Am Liebsten wäre es mir, wenn ihr euch auf acht bis zehn Tage, also bis meine Drei aus dem Krankenhaus kommen, einrichten könntet. Ich brauche doch auch jemand der mich, wenn ich im Krankenhaus zu Besuch bei Weib und Jungs bin, bei meiner Tochter, einem gewissen Fräulein Sara, vertritt.“. Ich antwortete ihm, dass ich das sehr gerne machen würde aber erst alles mit der Mama absprechen müsse und daraufhin einigten wir uns dahingehend, dass wir um Sieben noch einmal miteinander telefonieren wollten. Als ich Elke dann von dem zweiten Gespräch berichtete lernte ich die großmütterliche Mentalität an ihr kennen. Zuerst war klar, dass wir der Einladung unseres Sohnes folgen wollten. Meine bessere Hälfte wollte sich gleich ans Packen der Koffer machen. Darauf, dass sich bei Karin ein Kerl gemeldet hatte, bekam ich zu meiner Überraschung keinen Kommentar. Dieses war wohl im Hinblick auf die anderen Ereignisse dieses Tages wohl nicht von besonderen Interesse. Und dann wurde ich belehrt, dass wir Männer bei solchen Gelegenheiten immer das Wichtigste, wie Größe und Gewicht und so weiter, vergessen. Daraus zog sie die Konsequenz, dass sie den Sieben-Uhr-Anruf selbst entgegen nehmen wollte. Aber zu ihrer Enttäuschung nutzte das der frischen Doppeloma auch nichts, denn diese Details kannte der stolze Vater selbst nicht. Aber ich glaube, dass das überall so ist: Die Frauen behalten diese Daten ein Leben lang und Männer können diese schon unmittelbar, nachdem man ihnen diese genannt hat, nicht mehr wiedergeben. Das war schon in meinem Fall bei Björns Geburt so. Sowohl von meiner Mutter wie von meiner Schwiegermutter musste ich mir damals die Schelte einstecken warum ich diese nicht nennen konnte – aber Elke kennt diese Daten heute noch, als sei das Ganze nur ein paar Tage her. Unsere gute Frau Schriever war recht erstaunt uns schon kurz nach Sieben in gesellschaftsfähiger Bekleidung zu erblicken, wo wir ihr doch noch erst am Vorabend gesagt hatten, dass sie uns an diesem Tag nicht vor Zehn vor die Augen bekommen würde. Natürlich hatten wir ihr nicht begründet, warum wir uns erst um Zehn aus unserer privaten Kemenate heraustrauen wollten. Aber als erfahrende Frau wird sie sicherlich in die richtige Richtung gedacht haben. Und dann hatte wir Frau Schriever verkündet, dass wir anschließend gleich nach unserem morgendlichen Erscheinen ohne großen Wirbel in unseren Geburtstag starten wollten. Aus Anlass unseres verfrühten Erscheinens berichteten wir ihr dann von dem Ereignis „Gleich Vier an einem Tag“ und schritten gleich zu den Verhandlung zum Thema „8- bis 10-tägige Vertretung“. Was heißt hier „wir“ ich verhandelte mit ihr alleine, weil Elke erst einmal, aus mir in diesem Moment schleierhaften Gründen, am PC verschwand. Der schwieriges Teil meiner Verhandlung war, dass Frau Schriever aus meiner Überzeugung diese Zeit natürlich nicht für die 345-Euro-Almosen arbeiten sollte, sie aber das Geld, welches ich ihr zusätzlich zugedenken wollte, nicht haben wollte. Sie hielt doch glatt den Sklavenlohn für ihr 345-Euro-Loddelchen für ausreichend. Mit diesem Verhandlungsteil verbrachten wir die überwiegende Zeit unsere Gespräches, wo gegen das, was ich ihr
zum Ablauf in dieser Zeit mitteilen musste, zum Beispiel Abreise einer Familie und Ankunft neuer Gäste beziehungsweise Annahme von Anmeldungen, im Nu über die Bühne ging. Danach konnte ich dann nachschauen warum sich meine Frau so plötzlich an den PC gezogen fühlte. Sie saß da vor einem Routenplaner und betrachte intensiv die Kartenprojektion vom Zielort Düsseldorf. „Hallo Mausi,“, sagte sie zu mir als ich neben ihr Platz genommen hatte, „ich wollte mir nur verinnerlichen wie wir um die Stelle, an der du damals verunglücktest, am Besten herum kommen können. Ich kann mir vorstellen dass wir, wenn wir an dieser Stelle vorbeikommen, doch unangenehme flaue Gefühle bekommen. Und das muss nicht sein ... insbesondere heute nicht.“. In der Tat wäre es an diesem Tag zum ersten Mal gewesen, dass wir nach jenem 3. Januar dort wieder vorbeigekommen wären. Als wir damals nach meiner Entlassung heimfuhren war Elke irgendwie anders gefahren; aber wie kann ich nicht sagen, denn da stand mir der Kopf, wie man aus dem Berichteten schließen kann, ganz wo anders. Jetzt kann ich natürlich nicht sagen ob ich an jenem 12. Juni tatsächlich unangenehme flaue Gefühle, wie sie Elke befürchtete, bekommen hätte – ich glaube doch diesbezüglich einiges wegstecken zu können – aber lieber war es mir schon, dort nicht vorbei zu müssen. Daher war es wohl doch ganz angebracht, dass ich meine Frau, die nun dreifache Oma, ob ihrer Um- und Weitsicht lobte. Sagte da jemand „Stopp“ als ich von der dreifachen Oma schrieb. Stimmt doch, auch wenn wir die Konstruktion, die wir vor den Augen der Leute aufgebaut haben, außer Betracht lassen, denn wenn sie nicht Saras leibliche Oma ist, weil ich ja der Vater bin, dann ist sie dieses aber auf jeden Fall bei Johannes Köhler, der ja Björns Sohn ist. Aber lassen wir jetzt mal endlich diese unangenehmen Wahrheiten ruhen und beschäftigen uns lieber weiter mit den Geschehnissen des Tages, wo gleich vier Mitglieder der Familie Wolf Geburtstag feiern konnten. Wir hatten uns erst in Düsseldorf kräftig verfahren und dann mussten wir uns mit Stopp und Go durch dicken Verkehr kämpfen. Daher kamen wir auch erst gegen Mittag im Düsseldorfer Hotel an. Dort trafen wir dann auch auf Karin, der anderen frischen Doppeloma. Diese stand aber schon wieder auf dem Sprung zum Abdüsen. Wirklich, sie hat sich inzwischen enorm verändert. Jetzt kam auch noch hinzu, dass sie sich ihren Kurzhaarschnitt mit einem dunklen Rot-Ton hat färben lassen. Wäre sie mir so unvorbereitet auf der Straße begegnet hätte es passieren können, dass ich sie, weil ich vielleicht nicht genau hingeschaut hätte, gar nicht erkannt hatte. Nein, das war nicht mehr die hyperelegante Hotelierfrau Karin Kreisler sondern irgendeine andere sportlichere Frau – nur wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wer sie nun wirklich war. Elke wurde von ihr nur mit einem kurzen aber nicht unfreundlichen „Guten Tag Elke“ begrüßt während sie sich mich schon ausführlicher zuwendete. Sie wollte dann noch wissen wie es mir inzwischen ginge und erzählte mir dann, dass sie bereits am Morgen mit Björn bei Karin und unseren Enkeln gewesen sei und jetzt aber los müsse. Und danach verschwand sie auch eiligst. Als sie zur Tür hinaus war sagte Björn so vor sich aber verständlich hin: „Mutti ist in letzter Zeit echt komisch geworden“. Dieses musste ich meinem Sohn jetzt auch aus meiner eigenen Anschauung bestätigen. Irgendwie tat mir jetzt auch Elke leid, die, weil sie überhaupt nicht zum Zuge gekommen war, ganz bedrüppelt, fast den Tränen nahe, da stand. Sie hatte überhaupt keine Gelegenheit erhalten Karin aus Anlass der Geburt unserer gemeinsamen Enkel anzubieten doch alten Zwist zu begraben. Dabei hatte sie noch bei der Hinfahrt im Wagen davon gesprochen, dass sich jetzt wohl eine diesbezügliche Möglichkeit ergeben würde und sie diese nicht ausschlagen wolle. Sehr hart kam dann noch auf sie zu, dass ihr Björn sehr schonend offerierte, dass Karin gedächte ihre Tochter und die Zwillinge regelmäßig des Morgens zu besuchen und dabei nicht mit uns zusammentreffen möchte. Nun, wir wollten dann ja auch Konflikte im Krankenhaus vermeiden und deshalb ließen wir uns auf nachmittägliche Besuche festlegen. Aber nicht nur Karins sondern auch Björns Besuchszeiten mussten wir in unsere Beachtung aufnehmen. Da waren es aber dann harmlose und nachvollziehbare Gründe: Erstens waren wir der Meinung, das unser Junge sicherlich ein Anrecht auf Vieraugengespräche mit seiner Frau habe und andererseits war es ja unsere Aufgabe uns während Björns Abwesenheit um unsere Enkelin Sara zu kümmern. Am ersten Tag unseres Aufenthaltes, also an dem Tag der Vierfach-Geburtstage, gab es noch eine Ausnahme zu der Besuchsregelung mit unserem Sohn. Björn wollte unbedingt mit uns gemeinsam zu Heike und deshalb hatte er eine Hotelangestellte zum Babysitting verpflichtet. Als wir zu Heike ins Zimmer kamen, trafen wir sie dort als eine sehr geschaffte aber überglückliche junge Frau an. Die Geburt hatte sie doch kräftig angestrengt aber sie schilderte uns diese als den glücklichsten Moment ihres bisherigen Lebens. Daraufhin flachste ich so ein Wenig: „Was wird es denn nächstes Jahr für einen glücklichen Moment. Werden es dann Zwillingsmädchen oder gleich Vierlinge?“. Elke hatte diesen Scherz nicht so locker aufgenommen wie ich ihn ausgesprochen hatte und kommentierte: „Um Gottes Willen, Heike ist doch keine Gebärmaschine.“. Die eigentlich betroffene Heike nahm das doch entsprechend leichter: „Also wenn Björni eine Familien-Fußball-Mannschaft haben will werde ich mich dem bestimmt nicht wiedersetzen. Aber ansonsten halte ich ein Trio für durchaus ausreichend, das muss man ja auch erst einmal groß kriegen. Also ich denke, dass ich in absehbarer Zeit erst einmal den Pillenherstellern etwas zu verdienen geben werde.“. Dazu musste auch Björn noch etwas von sich geben: „Ich habe gelesen, dass, wenn wir unsere Bevölkerungszahl halten wollen, jedes Paar 2,2 Kinder haben müsste. Damit
liegen wir ja jetzt mit 0,8 Kindern über Soll. Irgendwie habe ich das mit dem 0,2 Kind nicht so genau hingekriegt. Da musste Heikelein wohl oder übel ein ganzes zur Welt bringen. Ich glaube, dass wir jetzt beruhigt die Sache auch einmal anderen überlassen können.“ Dieses war also die Atmosphäre unseres ersten Besuches bei unserer Schwiegertochter, die uns auf unserem Geburtstag gleich zwei Mal zu Großeltern gemacht hatte. Nachdem wir die beiden jüngsten Sprösslinge der Dynastie Wolf „besichtigt“ hatten kam Elke dann auch zu den Informationen betreffend der Neugeborenen, die sie am Morgen von der männlichen Seite nicht bekommen konnte, also Größe, Gewicht und so. Ansonsten hielt sich die sonst doch so plauderfreudige Heike ein Wenig zurück. Na ja, sie hatte an diesem Tag ja auch schon einiges geleistet. Dafür erzählte Björn von seinen Erlebnissen im Kreißsaal. Er berichtete uns, dass er seine Frau wohl in einem einmaligen Zustand erlebt habe. Man habe ihr nicht nur im Gesicht unheimliche Schmerzen ansehen können aber paradoxer Weise habe sie, insbesondere wenn sie zwischendurch mit ihm sprach, so zufrieden und glücklich wie noch nie gewirkt. Auch von einen kleinen Schwank, der ihn selbst betraf, konnte Björn berichten. Der Arzt habe Heike zwischendurch ermahnt, dass sie pressen müsse: „Pressen sie, pressen.“. Darauf hat Björn wie ein wilder gepresst. So, dass ihm bald dabei die Luft weg geblieben sei. Heike meinte dazu: „Ja, irgendwie schienst du mir zwischendurch komisch ... so als ob du die Zwillinge kriegen würdest. Und da habe ich mir trotz aller Probleme, die ich selbst in diesem Moment hatte, mir Sorgen um dich gemacht. Es ist wohl doch nicht so ganz leicht Vater zu werden.“. Na ja, mehr und anderes stand an diesem ersten Lebenstag von Sven und Kai nicht zur Debatte. Das war erst ab dem darauffolgenden Tag wieder der Fall. Bei einem solchen Besuch, den wir jetzt den Dreien täglich für eine halbe bis ganze Stunde abstatten, kam dann auch mal das Thema Karin auf das Trapez. Heike wollte zuerst von Elke, als ich mal einen Moment aus dem Zimmer war, wissen ob ich alles wisse was während ich im Krankenhaus lag vorgefallen sei und dann fragte sie: „Sag mal Mama, hast du einen Seitensprung gemacht und dabei Mutti ihren Lover ausgespannt?“. „Hat das deine Mutti gesagt?“, fragte Elke zurück und bekam die Auskunft: „Nee, dazu sagt sie nichts aber Björn und ich vermuten das.“. Inzwischen war ich wieder eingetreten und sah meiner Besten die große Verlegenheit, die jetzt über sie gekommen war, an. Ich wollte eigentlich die Situation retten und fragte, um sicher zu gehen, erst einmal: „Warum geht’s, darf ich das auch wissen?“. Damit hatte ich offensichtlich Elke aus der Fassung gebracht, denn sie reagierte mit einem verräterischen Ausspruch, den sie sich eigentlich gegenüber unserer Schwiegertochter verkneifen wollte: „Heike vermutet das Richtige was zwischen mir und ihrer Mutti war und möchte jetzt ganz gerne wissen ob ihre Vermutung richtig ist. Karin will es ihr nicht sagen und ich auch nicht.“. So ernst wie die Situation war musste ich jetzt lachen und auch Heike konnte sich diesbezüglich nicht zurückhalten. Nun, Elke merkte was sie gemacht hatte und nahm es leicht: „Ach jetzt habe ich das Gleiche wie Björn, als er klein war, öfters mal gemacht hat getan. Björn spielte immer gerne Verstecken und sagte dann immer: ‚Ich verrate euch aber nicht, dass ich die Schuhe auf dem Flur hinter dem Schränkchen versteckt habe’ und so weiter. Jetzt ist es mir rausgerutscht. Also, ich habe wirklich mit dem Freund deiner Mutter gebumst und mich dabei von ihr erwischen lassen. Das tut mir furchtbar leid und ich wünsche mir nichts sehnlicher als mich mit ihr wieder zu versöhnen. Aber bitte Heike, halte du dich daraus, dass ist eine Angelegenheit zwischen deiner Mutti und mir. Ich glaube weder sie noch ich wollen dich damit reinziehen. Am Besten du vergisst gleich alles wieder was du jetzt erfahren hast.“. Heike reagierte darauf sehr weise: „Ach Mama, irgendwo tut es mir sehr gut zu wissen, dass du auch nicht so ohne bist. Dann kann ich dir ja auch verraten, dass damals, als ich die Geschichte mit Papa hatte, mein Kinderwunsch eine kleinere Rolle als meine Begierde einen tollen älteren Mann zu verführen spielte. Als ich Papa zum ersten Mal sah ist gleich der Wunsch in mir erwacht. Das habe ich Björni übrigens auch schon ganz früh gestanden. Irgendwo sind wir jetzt alle quitt. Keiner kann sich über den Anderen erheben und ich glaube wir haben alle unsere Denkzettel dafür erhalten. Diese Denkzettel waren, glaube ich zumindestens, so deftig, dass aus uns Mustermenschen geworden sind ... und daher ist es nicht unnütz gewesen.“. Diesbezüglich stimmten wir ihr erst einmal zu und dann fuhr sie fort: „Und was Mutti betrifft werde ich von unserer jetzigen Unterhaltung natürlich nichts sagen. Dafür behaltet ihr auch bitte für euch, was ich euch jetzt noch sage. Heute morgen sagte Mutti, dass sie eine gewaltige Überraschung für alle und insbesondere für dich, Mama, vorbereite. Jetzt ist mir aber unklar ob sie dieses im positiven oder im negativen Sinne meinte. Seid also auf was gefasst und macht bitte keinen Trouble daraus. Deshalb bin ich ja eben auch mit dem Thema angefangen. Ich wollte dir Mama für den Fall, das Papa noch nicht von der Geschichte gewusst hätte, raten, dass du es ihm jetzt langsam schonend beibringen solltest. Ich möchte ja nicht, dass Mutti aus ihren Ärger einen Scherbenhaufen anrichtet. Aber eigentlich war ich mir auch sicher, das Papa von allen weiß, denn dass bei euch, nachdem Papa aus dem Krankenhaus kam, einiges nicht so ganz stimmte, ist uns auch nicht verborgen geblieben. ... Aber jetzt Schluss damit. Sagt mir lieber ob Sara ihre Mama vermisst.“. Dieses war wohl das „aufregendste“ Gespräch dass wir mit Heike während ihres Wöchnerinnenaufenthalt im Krankenhaus führten. Natürlich beschäftigte diese Sache später auch Elke und mich als wir alleine unter uns waren. Wir machten uns doch einige Gedanken was Karin unter einer Überraschung verstand. Das dieses positiv
gemeint sein könnte glaubten wir ausschließen zu dürfen, denn in einem solchen Fall hätte die „Kontaktsperre“, die sie sich selbst auferlegt hat, keinen Sinn ergeben. Wir waren einer Meinung, dass man einer negativen Überraschung am Besten durch eine vorhergehenden Versöhnung vorbeugen könnte. Die große Frage lautet in diesem Fall für uns nur „Wie?“. Mit jedem Versuch kann man ja auch das Auslösen was man in Wirklichkeit gar nicht will. Wir einigten uns darauf, dass wir auf alles gefasst sein wollten aber zunächst absolut nichts unternehmen wollten. Auf jeden Fall nahmen wir uns vor, den Kopf oben zu behalten und uns in jedem Fall vernünftig und besonnen verhalten wollten. Ansonsten kann ich von unserem Aufenthalt in Düsseldorf eigentlich nur Schönes berichten. Wir hatten sehr viel Spaß mit unserer Sara, die ja inzwischen auch schon ein Jahr und zwei Monate alt war. Sie konnte schon recht munter krabbeln und babbeln, womit sie für so manches Vergnügen sorgte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie auch richtigen längeranhaltenden Kontakt zu ihrem „Großvater“ und wurde dabei ein richtiges Opamädchen. Mit Elke hatte sie ja schon in der Zeit, wo ich im Krankenhaus lag, ein solches Verhältnis zu ihrer „Oma“ aufbauen können. Heike blieb noch bis zum 19. Juni im Krankenhaus und wir blieben noch bis zum darauffolgenden Wochenende in Düsseldorf. Zu Viert, also Heike, Björn, Elke und ich, hatten wir große Freude daran wie Sara ihre Brüder annahm. Sie hätten mal sehen müssen, wie die kleine Sara staunte als sie zum ersten Mal ihre Brüder zu Gesicht bekam. Björn hatte seine Drei im Krankenhaus abgeholt und Heike betrat als erste die Wohnung und Sara schoss wie eine Turborobbe auf sie zu. Erst dann merkte sie, dass ihr Vater da in den Taschen, die er rechts und links trug, noch etwas mitgebracht hatte. Erst schaute sie in die Tasche, in der sich Sven befand. „Pupa“, staunte sie und kurz drauf entdeckte sie auf die gleiche Weise auch Kai. Ach, was war da das kleine Mädchen aus dem Häuschen. Das ich diesen Moment miterleben konnte zählt zu den großen Glücksmomenten meines Lebens. Als wir nach diesem Aufenthalt wieder nach Hause fuhren empfand ich zum ersten Mal in Düsseldorf so eine Art Abschiedsschmerz. Zum ersten Mal überwogen für mich bei einem Aufenthalt in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Harmonie und Glücksmomente.
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Ehepaar Konrad, die Überraschungsgäste Unsere Ferienwohnungen hatten sich zwischenzeitig zu unserem ganzen Stolz entwickelt. Nicht nur dass wir jetzt endlich das machten, was unseren Vorstellungen von Lebensgestaltung entsprach sondern auch das tolle Äußere und Innere des ehemaligen Grünen Baums ließ unsere Herzen höher schlagen. Aus dem alten und eigentlich nicht sehr schönen Grünen Baum war ein sauberes, modernes Schmuckkästchen geworden. Da kann man sich vorstellen wie sauer wir Anfang Juli waren als für den Wahlkrampf 2002 davor, wie es in früheren Jahren an der Stelle auch üblich war, so eine Kleisterwand, wo die Parteien ihre gestylten und dann noch zusätzlich retuschierten Strahlemännchen drauf klatschen können, aufgestellt wurde. In den Jahren davor hatte uns das weniger gestört, da hatten wir halt nur eine alte Dorfkneipe mit Saalbau. Dank des Saalbaues war man ja wohl auch auf diesen Standort gekommen, denn in dessen Inneren tagten ja die, sich Räte nennenden, örtlichen Hobbypolitiker. Immer einen Tag vor der Wahl wurde früher dieser hässliche Bretterverschlag abgebaut weil unsere Kneipe immer auch eine Annahmestelle für die Pöstchenlottoscheine war, sprich es war ein Wahllokal. Das war dann auch der Grund für unseren nächsten, noch deutlich größeren Ärger. Träumte man doch in der Verwaltung davon, dass wir unseren Gesellschaftsraum doch tatsächlich wieder für so eine Sache zur Verfügung stellen müssten. „Müsste“ kann man hier im wahrsten Sinne des Wortes sagen, denn unsere Beamtokraten fühlen sich ja als die Obrigkeit und glauben, dass die Bürger, denen sie eigentlich zu dienen verpflichtet sind – zumindestens im Sinne unseres auf Verhältnismäßigkeit beruhenden Grundgesetzes – ihnen zu Kreuze kriechen müssten. Daher auch meine, eigentlich widersprüchliche Wortschöpfung vom Beamtokraten. Natürlich besuchte ich aus den vorgenannten Gründen unseren Wannebachtaler Bürgermeister. Wieder einmal hätte ich mir den Weg sparen können, denn haben Sie schon mal einen Beamten gesehen, der sich in wirtschaftliche Dinge reindenken kann? Dem konnte ich viel von Geschäftsschädigung, was sowohl die Plakatwand wie der Missbrauch unseres Gesellschaftsraum als Wahllokal unzweifelhaft waren, erzählen. Der Knabe konterte nur mit Staatsbürgerpflichten und so weiter. Abgesehen davon, das Pflichterfüllung eine eher negative Eigenschaft, die sowohl Verantwortung als auch Innovation wie Kreativität und damit Fortschritt ausschließt ist, kann ich doch nicht aus lauter Pflichterfüllung meine Existenz gefährden. Ein Bürgermeister kann einen totalen finanziellen Flop hinlegen und kann sich anschließend immer noch in der pensionsgesicherten Hängematte für Staatsbüttel schaukeln und ein privater Unternehmer wird dafür mit der Verfolgung durch Inkassogeier bestraft. Plakatwand und Wahllokal schrecken uns die Gäste ab und von dem was wir dann nicht erlösen können wir doch weder leben noch unseren Verpflichtungen gegenüber den Banken nachkommen. Da musste ich doch glatt wieder den Anwalt, der mir schon im Vorjahr die rechtzeitige und eigentlich überfällige Baugenehmigung verschaffte, bemühen. Der war dann dank seinen Erfahrungen beim Besuch im Amtshaus erfolgreicher: Die Plakatwand wanderte hundert Meter weiter die Straße rauf und die nahegelegene Friedhofskapelle wurde zum Wahllokal. Er hatte den Bürgermeister über Erfolgsaussichten von Schadensersatzklagen überzeugt und der hatte dann im Hinblick auf die ständige Ebbe im Gemeindehaushalt lieber klein beigegeben. Und wie man sah ging es doch. Das war dann auch für mich das aufregendste an diesem Wahlkrampf im Jahre 2002. Ansonsten ist eine solche Veranstaltung inzwischen eine ziemlich belanglose Angelegenheit, die nur noch eingefleischte Parteisoldaten so richtig interessiert, geworden. Es ist alles so unpolitisch geworden. Da hauen sich die Politshowleute Phrasen, die sie selbst nicht ernst meinen, um die Ohren und kein Mensch argumentiert mehr mit realen Fakten und entsprechenden Vorhaben. Nach der Wahl fragen sich die gewählten Leutchen immer was sie ihr gescheites Geschwätz von Gestern eigentlich stört. Populistische Vortänzer sind offensichtlich wichtiger geworden als die politischen Dinge, die den Bürgern eigentlich am Herzen liegen. Wie sonst konnte denn den Leuten vorgegaukelt werden, dass sie etwas wählen könnten, was gar nicht zur Wahl stand. Bekanntlich wählt man bei einer Bundestagswahl die Mitglieder des Deutschen Bundestages und die wählen später laut Grundgesetz aus ihrer Mitte den Bundeskanzler. Aber man versuchte uns weiß zu machen, wir könnten wählen ob ein gewisser Herr Schröder weiter Kanzler spielen dürfe oder ob wir lieben dafür den gestandenen Bajuwaren Stoiber haben möchte. Aber auf den Wahlzetteln in unserem Wahlkreis stand weder ein Gerhard Schröder noch ein Edmund Stoiber bei den Direktkandidaten. Also hier konnte man mit der Erststimme nur aus den „heimischen“ Kandidaten für den Deutschen Bundestag auswählen und mit der Zweitstimme eine Landesliste (Partei) zur Mehrheit im Parlament verhelfen – Kanzlerkandidaten standen nicht zur Wahl. Na ja, in erster Linie wählen wir ja lediglich das Stimmvieh für den einen oder anderen Haufen in den Bundestag. Das da unabhängige Abgeordnete, die nur ihrem Gewissen – also keiner Partei – verpflichtet sind, gewählt werden sind ja heute nur noch Schönworte, die dem Grundgesetz entnommen wurde. Heutzutage kommen ja nur noch Leute, die sich in einen Fraktionszwang einkadern lassen, auf die Kandidatenlisten. Das laut Grundgesetz der gesamte Bundestag die Bundesregierung kontrolliert ist ja auch längst ein Gerücht. Pisa-geschädigte Lehrer machen ja heute sogar schon den Schülern weiß, dass das Aufgabe nur der Opposition sei. Aber was die unter kontrollieren verstehen ist auch höchst seltsam: Wenn die Angehörigen von Regierungsparteien auf Anordnung
von Kanzler und Generalsekretär „Ja“ sagen müssen fühlen die sich zu einem „Nein“ verpflichtet. Und was im Bundestag nicht klappt versucht man dann im Bundesrat, schnurzegal wie das Länderinteresse liegt, zu nihilieren. Entsinnen Sie sich auch noch an das beschämende Kindergartentheater im Bundesrat bei der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz, als sich der Ministerpräsident und Innenminister des Landes Brandenburg verfassungsunkundig zeigten – sie stimmten widersprüchlich ab obwohl laut Grundgesetz die Länder nur einheitlich abstimmen dürfen –, der Präsident dann hilflos rudert und die CDU/CSU- und FDPDarsteller schmierenkomödiantenhaft Entrüstung gaukelten? Peinlich für einen Staat, der demokratisch sein will. Leute merkt euch was die Politikusse da vier Jahre lang veranstalten und messt sie bei der Wahl nur an diesen, ihren Taten. Was anderes bleibt einen ja ohnehin nicht, denn die Waschmittelreklame der Wahlkrämpfe sagt ja ohnehin nicht viel aus und wird anschließend nach dem Wahltag von den Politikussen ohnehin nach Gutdünken passend auf die jeweilige Situation ausgelegt, wobei es sie gar nicht stört, wenn dann letztendlich das Gegenteil von ihrer Aussage dabei herauskommt. Ich glaube, dass schon das Wort „Wahl“ irgendwo gestrotzt ist, denn wählen heißt doch sich zwischen Alternativen zu entscheiden. Und haben wir denn überhaupt noch Alternativen? Wer glaubt denn im Ernst, das Schwarz/Gelb was anderes wie Rot/grün gemacht hätte? Ich jedenfalls nicht. Ich bin davon überzeugt das Schwarz/Gelb nur eine bessere Ausrede für das Debakel nach dem 22. September 2002 gehabt hätte, denn die hätten laut tönen können, dass sie erst einmal einen Kassensturz hätten machen müssen und sie danach keine andere Möglichkeit gehabt hätten. So hatte es Rot/Grün vier Jahre vorher ja auch gemacht. Aber der Kohlsche Sozialraubbau wurde von den Neoliberalen, die sich selbst mit dem Prädikat „Neue Mitte“ schmückten, in unveränderter Weise fortgeführt. Damals gab es doch nur einen der wirklich Wort halten wollte und dieser Oskar Lafontaine wurden dann doch auch elegant von der Schrödertruppe weggemobbt. Aber was soll’s, vielleicht gibt es ja in absehbarer Zeit wieder eine Alternative damit auch ich wieder wählen kann. Au, da bin ich ja chronologisch weit voraus galoppiert und dabei wollte ich doch nur von dieser hässlichen Wahlwerbetafel, mit der man ausgerechnet den Blick auf mein Haus verschandelte, berichten und dass diese, nach dem mein Anwalt Druck gemacht hatte um hundert Meter versetzt wurde. Und dieses Versetzen geschah am Dienstag, dem 16. Juli 2002, und ist genau daher für unsere Geschichte interessant. Für diesen Tag hatte sich ein Ehepaar Konrad aus Köln bei uns angemeldet. Laut Anmeldung, die Frau Schriever, als wir in Düsseldorf waren, entgegen genommen hatte, waren sie erst einen Tag ein Ehepaar. Damals hatten sie Frau Schriever erzählt, dass sie für den 15. Juli einen Termin beim Kölner Standesamt hätten. Konrads wollten im Zuge ihrer Hochzeitsreise für 14 Tage bei uns Station machen. Sie reisten just in dem Moment an als gerade die Plakatwand wieder abgebaut wurde und dadurch wurde mir zu diesem Zeitpunkt der Blick vom Gastraum auf deren, davor geparkten, Wagen versperrt. Jetzt wird dieser oder jene sagen, dass das ja nun nicht gerade wichtig sei; man muss ja nicht so neugierig sein. Das stimmt alles aber dann wäre die Überraschung, die man uns zufügte sicherlich etwas gelinder ausgefallen. Der Frischgetraute, ein großer sportlicher Herr etwa in meinem Alter, betrat den Gesellschaftsraum, in dem sich in diesem Augenblick neben mir auch Elke aufhielt. „Schönen guten Tag, mein Name ist Heinz Konrad. Wir haben ab heute bei ihnen gebucht.“, waren seine ersten Worte, wobei mir auffiel, dass er für Herren unüblicher Weise bei der Vorstellung seinen Vornamen mitgenannt hat. Natürlich begrüßten wir ihn freundlich mit den üblichen Redensarten. Dann sagte er geheimnisvoll: „Ich werde jetzt mal meine Frau holen und sie ihnen als solche einmal vorstellen. Ich glaube sie kennen sich schon sehr gut, allerdings nicht als meine Frau.“. Dann ging er nochmals raus um seine, durch die Plakatwand getarnte, Frau herein zu rufen. Da wir aufgrund des Wahlwerbeunikums ohnehin nichts sehen konnten schauten wir auch nicht weiter hinter ihm her und deshalb fuhren wir, als wir plötzlich eine uns wohlbekannte Stimme hörten, richtig zusammen: „Hallo Reiner, hallo Elke, da bin ich als Frau Konrad.“. Elke drehte sich wie hypnotisiert um und schaute auf die Dame, die jetzt mit ausgebreiteten Armen auf sie zuschritt und stieß nur staunend das Wort „Karin“ aus. Dann fielen sich die beiden Frauen, die sich nur zugut kannten, in die Arme und ich meine vernommen zu haben, das beide dabei weinten. Karin war die Überraschung, die sie ihrer Tochter im Krankenhaus angekündigt hatte, gelungen. Und zu unserer Freude war die sogar positiv. Karin sagte nach dieser etwas längeren Umarmung: „Entschuldige Elke, ich habe dir schwer Unrecht getan. Ach, ich war damals so stinke sauer, dass ich nichts mehr mit dir zutun haben wollte. Das hatte sich aber nach einer bestimmten Zeit zwar ein Wenig gelegt aber ich hatte schon zwei Tage nach unserem Zwischenfall Heinz kennen gelernt. Damit der nicht erführe, was ich für eine ‚verdorbene Frau’ sei, beschloss ich euch alle, einschließlich meiner Heike, totzuschweigen. Da musste ich mir sogar eine Taktik ausdenken, wie ich meiner Gesellschafterinnenaufgabe im Hotel nachkommen konnte. Vor allen Dingen durfte alles nicht zulange dauern, damit er keinen Verdacht schöpfte. Aber Lügen haben ja bekanntlich kurze Beine und so haute mich mein lieber Herr Schwiegersohn durch einen nächtlichen Anruf, dass ich Zwillingsoma geworden sei, richtig in die Pfanne. Na, dann blieb mir nur noch alles zu gestehen. Erst hatten wir Krach dann natürlich miteinander ... ist ja auch verständlich - und einen Tag später erschien er bei mir zur Versöhnung und hat mir dabei einen Heiratsantrag gemacht, den ich, wie ihr seht, auch angenommen habe. In der Vergangenheit hat ja Heike immer für tolle
Überraschungen gesorgt und da wollte ich auch mal. ... Ich hoffe, die ist mir gelungen.“. Damit hatte Karin jetzt mit wenigen Worten die Geschichte des letzten halben Jahres erklärt. Bei diesen wenigen Worten, die von Elke mit „Was bin ich froh, dass sich jetzt auch diese leidige Angelegenheit zum Besten kehrt“ kommentiert wurden, musste es ja zunächst mal bleiben, denn es dürfte höchst unnatürlich sein, wenn frischangekommene Gäste erst mal alles liegen und stehen lassen und sich vor dem Beziehen des Zimmers sich mit ihren „Lebensbeichten“ gegenüber ihren Gastgebern beschäftigen. Das vollständige, runde Bild von dem, was mit und um Karin geschehen war, bekamen wir auch erst so nach und nach bei diversen Gelegenheiten während ihres Aufenthaltes, also nie im Zusammenhang, was aus meiner Sicht eigentlich natürlich ist. Die alte Freundschaft war ja auch nicht gleich durch das bloße Erscheinen der Überraschungsgäste, Ehepaar Konrad, wieder auf den alten, ehemaligen Höchststand hochgespult. Das kam alles auch nur mit der Zeit wieder ins frühere Lot. Wenn ich jetzt chronologisch vorgehen würde und über alle Gelegenheiten, an denen wieder ein Mosaiksteinchen hinzukam, berichten würde, wäre dieses erstens langatmig und zweitens doch ein Bisschen verwirrend. Deshalb bringe ich gleich die komplette Karin-Story seit ihrem Rückzug aus dem aktiven Hotelleben in einem Rutsch. Natürlich nur so wie ich sie in Erfahrung bringen und in einem Zusammenhang zusammenfassen konnte. Zuvor muss ich aber noch sagen, dass diese versöhnliche Angelegenheit keine Einbahnstraße war. Auch wir mussten selbstverständlich ja auch eine ganze Menge von uns der anderen Seite geben. Das fing schon damit an, dass Elke nach der Umarmung und Karins Worten nicht nur ihre Erleichterung über die Wende zum Besten bekundete sondern sich im Gegenzug auch bei Karin, die ja von ihr schwer gedemütigt worden war und die sie tief getroffen hatte, entschuldigte. Später erfuhren wir, dass aus Karins Sicht in der Rosenmontagsgeschichte noch viel mehr drin lag, als wir das ursprünglich ahnen konnten. Was jedoch unsere Seite anbelangt brauche ich jetzt in dieser Niederschrift von der „Schwiegertochter des Tagedieb“ natürlich nicht mehr viel zu erzählen, denn wovon handelten denn sonst die letzten Kapitel. Also dann, nach dieser erklärenden Überleitung, gleich ran an die zusammenhänge Karinstory. Nach unserem „flotten Dezemberspäßchen“ kam sich Karin vollkommen „beschissen“ (ihre eigenen Worte) vor. Sie hatte das Gefühl auf das Niveau eines Flittchen herabgerutscht zu sein. Keinesfalls glaubte sie mehr selbstbestimmt zu handeln und sich selbst zu beherrschen. Der Trieb und die nackte Begierde hatten nach ihrem Gefühl Besitz von ihr ergriffen. Sie glaubte sich selbst zu einem Objekt herab degradiert zu haben. Jetzt muss ich gestehen, dass Karin gar nicht soweit von meinen Gefühlen entfernt war. Ein „flotter Dreier“ ist doch nicht so was Schönes oder Interessantes, was man mal versuchen sollte sondern eine billige Lustbefriedigung, so wie sich diese noch nicht einmal nicht soweit wie die Menschen entwickelte Kreaturen sich diese verschaffen. In keiner Weise wird die Würde der Mitspieler geachtet, die interessieren einen dabei noch nicht einmal sondern man beachtet nur deren Fleisch und die davon ausgehenden Lust- beziehungsweise Befriedungseffekte. Im Gegensatz zu Karin habe ich alles nur verdrängt, was mir dann erst bewusst wurde als wir nun zu Dritt von dieser Sache sprachen. Heinz Konrad war zu diesem Zeitpunkt wegen eines Elektronikproblems an seinem Wagen zu einer Werkstatt gefahren. Bei der Gelegenheit konnte dann auch Elke auspacken. Durch sie waren wir überhaupt auf das Gespräch gekommen. Elke hatte Karin gefragt ob sie wirklich alles ihrem Heinz erzählt habe. Als Karin diese Frage positiv beantwortete bekundete Elke: „Ach Leute, das ist mir ja alles so schrecklich peinlich. Ich schäme mich so vor Heinz.“. „Das brauchst du eigentlich nicht.“, versuchte Karin sie zu beruhigen, „Auch Heinz ist nur ein Mensch und hat in der Vergangenheit auch einiges gemacht, was nicht so lupenrein bei den Moralaposteln durchgeht. Er hat mir ja auch alles erzählt. Aber wenn es dich beruhigt: Ich habe es ihm gegenüber so dargestellt, dass du aus der Motivation uns etwas zu geben gehandelt habest. Mir, deiner Freundin, die auf Abstinenz gesetzt war, wolltest du was zukommen lassen, was ich offensichtlich dringend zu meinem allgemeinen Ausgleich brauchte und Reiner wolltest du einen langgehegten, bisher unerfüllten Traum erfüllen.“. Elke sagte dann sehr kleinlaut: „Was die Sache im Dezember angeht stimmt das ursprünglich auch. Als ich aber von diesem Teufelsgebräu „wilder Sex“ getrunken hatte fühlte ich mich auf einmal süchtig danach und ich wollte tatsächlich eine Wiederholung ... und das hat dann von meiner Seite zu der Sache mit Herrmann geführt.“. Karin war allerdings damals nach ihrem Besuch in unserer damaligen Rainberger Hütte geläutert und wollte jetzt wieder zum Anstand, sprich zu ihrer Menschenwürde, zurückkehren. Da fand sie im Kölner Stadtanzeiger eine Kontaktanzeige, deren Text auf einen soliden Mann, der es ehrlich meint, schließen ließ. Also meldet sie sich und Hermann, der sich dann mit ihr verabredete, war sofort begeistert von dieser eleganten und äußerst gepflegten Dame. Er hatte also auf ihre äußere Erscheinung angebissen und glaubte, dass diese feine Dame etwas ganz solides suchen würde. Deshalb steuerte er erst auch nicht das, was meistens in kürzester Zeit angesteuert wird, an. Er zeigte sich als solider moralbewusster Kavalier. Karin und Hermann trafen sich ursprünglich nur in der Öffentlichkeit und mehr als ein Küsschen war da nicht drin. Er ging mit ihr ins Theater, in gute Restaurants und in bessere Tanzlokale für die „reifere Jugend“ aber nie zu ihr oder in seine Wohnung.
Mit dieser Art konnte er Karin, die ja den Vorsatz hatte nun eine „anständige Frau“ zu werden, ursprünglich auch richtig begeistern. Das er „noch“ verheiratet war und vermutlich nur unbewusst auf seine „entfleuchte“ Frau reagierte hat er Karin bis zuletzt nicht verraten. Das es eine Frau Schmitz gab, erfuhr Karin erst von mir. Erst in der Woche vor Karneval gab es bei Karin und Herrmann eine Bewegung auch in Richtung einer körperlichen Zweisamkeit. Was da genau abgelaufen ist hat uns Karin natürlich nicht erzählt – was ginge uns das auch an. Auf jeden Fall hat es laut ihren nicht geklappt, selbst beim dritten Anlauf nicht. Um ihn „spitz“ zu machen erzählte ihm Karin was von einen „flotten Dreier“, an dem sie mal teilgenommen habe. Da die Möglichkeit bestand, dass er uns, wenn aus den Beiden was wird, mal kennen lernt, hat sie es vorsichtiger Weise in eine länger zurückliegende Zeit datiert und auch ihre Mitspieler nicht so beschrieben, dass man diese als Elke und Reiner Wolf hätte identifizieren können. Für Karin überraschend ging der Schuss aber nach Hinten los. Herrmann äußerte daraufhin seinen sehnlichen Wunsch, den er schon in seiner „früheren“ Ehe gehabt haben will, auch mal so etwas zu erleben. Karin hegte nun die Hoffnung, dass aus den Beiden dann doch etwas werden könnte, wenn sie ihm diesen Wunsch erfüllte. Rosenmontag sprach sie dann Elke direkt darauf an und redete dieser für den Fall ihres Nichtmitspielens ein schlechtes Gewissen ein, da sie im umgekehrten Fall bei uns auch bereit gewesen sei. Da Elke nach dem Teufelstrunk im Dezember süchtig geworden war hätte Karin gar nicht so nötigend bitten brauchen, wäre nicht ich, der im Krankenhaus lag, gewesen. Da Karin Angst hatte sie könnte Hermann, wenn er jetzt bei diesem Exzess wieder keinen hoch bekäme, komprimentieren, handelte sie die Bedingung aus, das jeglicher Koitus ausgeschlossen sein sollte. Herrmann sollte während des „Dreiers“ seinen Penis also weder bei ihr und erst recht nicht bei Elke einführen. Na, dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Bei Herrmann klappte es dann wider Erwarten doch und dann trieb er es ausgerechnet nicht mit Karin sondern mit Elke. Das muss ein harter Brocken für Karin gewesen sein. Sie hielt sicherlich ansonsten diesen Herrmann für den Richtigen. Es fehlte nur noch eine kleine Hauptsache, die sich nach ihrer Hoffnung nach einem Pettingdreier schon einstellen würde und dann klappt bei einer Anderen das, was bei ihr nicht zu funktionieren schien. Ich bin zwar ein Mann, kann mir aber vorstellen, dass so etwas ein sehr harter Schlag für eine Frau ist. Als dieses ausgerechnet in ihrem Beisein geschah brach für sie eine Welt zusammen und sie holte sowohl gegen Herrmann wie gegen Karin zum kräftigen Schlag aus, zog sich an und verließ die Wohnung dieses Herrmann, in der sich alles dieses abgespielt hatte. In ihrer Wohnung bekam sie dann doch Gewissensbisse. War nicht auch mit uns ursprünglich der Verzicht auf jeglichen Geschlechtsverkehr ausgemacht und hatte sie sich nicht trotzdem von mir bumsen lassen. Elke hatte damals nichts gesagt sondern weiter mitgespielt. Außerdem war sie der Meinung, dass sie der Verlust Herrmanns ungeheuere Schmerzen bereiten würde. So entschloss sie sich doch zurückzukehren und klein beizugeben. Sie besaß seit einer Woche zu Herrmanns Wohnung einen Schlüssel und so konnte sie ungehindert und offensichtlich unbemerkt hinein kommen. Und was bekam sie dort zu Gesicht: Ihr Herrmann trieb nun separat mit Elke das, was ihr bisher verwehrt war. Das bedeutete für sie nun endgültig Schluss; sowohl mit Herrmann wie mit Elke. Sie wollte mit Beiden nie mehr etwas zutun haben. An diesem Tag, es war inzwischen Fastnachtsdienstag, hat sie nur auf der Couch in ihrem Wohnzimmer gelegen und häufig geheult. Bei der Gelegenheit hat sie auf einer dunklen geistigen Leinwand ihr Leben Revue passieren lassen und kam zum Schluss der ewige Looser zu sein. Eine solche Sache kennen wir doch wohl alle. Wenn es einen mal so richtig hart getroffen hat, neigt man leicht dazu sich rückwärts alle negativen Punkte seines Lebens wieder ins Bewusstsein zurufen. Sicher gibt es bei uns allen reihenweise, im jedem Jahr unseres Lebens, mehrere solcher Punkte. Wenn die nicht wären könnten uns die überwiegenden schönen und glücklichen Seiten unseres Lebens gar nicht erst bewusst werden. Wer immer im goldenen Käfig oder im Schlaraffenland lebt kann nichts anderes als reine Langeweile und Öde empfinden, denn alles ist für ihn immer unveränderbar gleich glänzend; Veränderungen gibt es nicht. Leute, die einen die Bibel buchstabengläubig auslegen wollen, zum Beispiel die Zeugen Jehovas, stellen einen das Leben im Garten Eden, dem Paradies, immer so begehrenswert und den Sündenfall als das schrecklichste Unglück der Menschheit dar. Ich dagegen sage, dass der Sündenfall in Wirklichkeit der große Glücksfall in der Geschichte der Menschheit gewesen sind, weil wir uns ansonsten des Lebens gar nicht bewusst geworden wären. Ich glaube, dass dieses die wahre Aussage der biblischen Geschichte, die wir natürlich nicht wörtlich nehmen können, ist. Aber zurück zu Karin, die sich an diesem Dienstag als absolute Looserin empfand. In ihren Gedanken schwankte sie an diesem Tag zwischen Ausscheiden aus dem Leben oder es den Anderen mal richtig zeigen. Einen Tag darauf zog sie dann ziellos durch die Gegend; einfach nur so zur Zerstreuung. Bei dieser Gelegenheit ist sie dann auch hinaus nach Wahn zum Flughafen gefahren. Dort setzte sie sich mit einem Kännchen Kaffee in eine Selbstbedienungscafeteria. Zu diesem Zeitpunkt waren fast alle Tische besetzt und so kam es, das ein netter, körperlich großer sportlicher Mann bei ihr nachfragte ob er sich zu ihr setzen dürfte. Sie bejahte und ein gewisser Heinz Konrad nahm bei ihr Platz. Auch er hatte nur ein Kännchen Kaffee vor sich und erklärte Karin, in diesem Moment nur ein Gespräch suchend, dass er, seit dem er pensioniert sei, aus reiner Sentimentalität ab und zu an diesem Ort käme. Die meisten Leute, die dort wären hätten ja wohl ein Flugziel und so fragte er dann Karin,
wohin es sie denn jetzt ziehen würde. Karin bekannte ihm, dass sie im Moment einiges an privaten Sorgen habe und sie praktisch, als sie Zerstreuung suchte, eine Laune zufällig zum Flughafen geführt habe. Darauf bot ihr Heinz an ihr ihre Sorgen zu vertreiben und lud sie zu einem Bummel durch das nachkarnevalistische Köln ein. Sie könnten ja mal in ein Café einkehren oder ein Kino besuchen. Nun, Karin war nicht abgeneigt und nahm an. Da sie beide mit dem Wagen da waren verließen sie, nachdem sie sich in der Innenstadt verabredet hatten, getrennt den Flughafen Köln-Bonn. Während eines Caféaufenthaltes erfuhr Karin dann auch den Grund für Heinz sentimentale Ausflüge zum Flughafen. Bis vor zwei Jahren war er Pilot bei einer bekannten Charterfluggesellschaft und hat die Leute überwiegend nach Spanien sowie zu den zu Spanien gehörenden „Inselreiche“ wie Mallorca oder Gran Canaria geflogen. Sein Sohn, der mit 18 an einem Gehirntumor gestorben war wollte auch mal wie sein Vater Flugkapitän werden. Mit 55 ist er dann pensioniert worden und nur wenige Tage nach seiner Pensionierung war seine Frau auch an Krebs gestorben. Nun saß er praktisch allein in seiner Eigentumswohnung im Kölner Vorort Rodenkirchen. Eu, jetzt habe ich Vorort geschrieben wo es doch in Köln Vedel heißt. Immer wenn ihm „die Decke auf den Kopf fiel“ fuhr er hinaus nach Wahn um ein Wenig Flughafenluft zu schnuppern. Dieser Flugkapitän außer Dienst, der zudem ein verfügbarer Witwer war, gefiel Karin auf Anhieb überaus gut. Sie konnte uns anschließend nicht sagen ob es Liebe auf den ersten Blick war oder nicht – auf jeden Fall war sie von ihm absolut hingerissen und damit waren bei ihr schon Herrmann und ihre diesbezüglichen Kümmerchen ins Hinterstübchen geschoben. Für Karin gab es jetzt zunächst einmal eine leidliche Wiederholung. Sie verabredeten sich täglich und außer vorsichtigen Küsschen und Händchen halten lief auch zwischen diesen beiden wieder nichts. Auch Heinz traf sich mit ihr nur in der Öffentlichkeit. In diesem Fall wagte Karin dann aber einen direkten Vorstoß: „Sag mal Heinz, kannst du dir vorstellen, das aus uns ein Paar wird oder magst du mich nicht?“. Er fragte zurück warum sie diese fragte und sie antworte ihm, dass sie das Gefühl habe, dass sie nur wie nette Nachbarn miteinander verkehrten und sich nicht näher kämen würden. Darauf gab er ihr dann eine ehrliche und vielsagende Antwort: „Ach Karin, ich mag dich sogar sehr und wünsche mir wirklich, das aus uns ein richtiges Paar wird aber du erscheinst mir so unnahbar. Du bist immer so überaus elegant und gepflegt. Man merkt richtig, dass du die Frau eines Hoteliers warst. Ich bin in meinen Leben in vielen Hotels gewesen und da waren da auch immer die sehr eleganten und stets gepflegten Chefinnen. Sie sind zwar für den Gast immer eine Augenweide aber gleichzeitig irgendwie unerreichbar. Nur ein Prolet macht sich an solche Frauen heran. Der Mann von Welt achtet die Stellung und die Position dieser Damen. Man will ja gerne wieder in das Haus, in dem man sich wohl fühlt, zurückkehren. Und genau das habe ich immer vor Augen wenn ich den Wunsch verspüre dich mal richtig in die Arme zu nehmen.“. Karin hatte verstanden und dachte darüber nach. Eigentlich war sie ja ursprüngliche keine solche Ikone. Dazu war sie ja erst nach ihrer Heirat mit Kreisler geworden. Als sie uns dieses erzählte fiel mir auch wie Schuppen von den Augen, dass es genau das war, was mich ursprünglich sowohl an Heike wie an Karin so imponierte, dass ich ins Unbekannte vorstoßen wollte. Es war diese Eleganz und das sehr gepflegte Äußere. Im angezogenen Zustand kenne ich Heike nur in sehr fraulichen mittellangen Röcken und hochhackigen Schuhen. Genauso verhielt es sich mit der Mutter, also mit Karin, bis zu dem Tag an dem der Spruch „Gleich Vier an einem Tag“ kreiert wurde. Im Gegensatz zu Heinz scheine ich ein Prolet zu sein, denn für mich gab es das Schutzschild einer Ikone nicht. Aber das mag ja auch daran liegen, dass ich Heike als meine Schwiegertochter und Karin als Schwiegermutter meines Sohnes kennen lernte. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu Heinz waren für mich doch schon einige Schranken geöffnet und Barrieren beseitigt worden. Nachträglich glaube ich, dass gerade dieses das war, was mich diese Frauen begehren ließ und weil sie mir gegenüber nicht die Distanzbremsen, die sie gegenüber anderen Männern natürlich sofort zogen, anwendeten, kam diese ganze Geschichte, die ich hier erzählt habe, ins Rollen. Aber im Gegensatz zu mir wurden Heinz und zuvor Herrmann durch diese wunderbare Erscheinung auf einen, von Karin sicherlich nicht gewünschten, Abstand gehalten. Vielleicht gab es vor diesen beiden Männern noch andere, die Karin hätte haben können, wenn sie ihnen nicht als Ikone sondern als tolle Frau, die sie zweifelsfrei war, erschienen wäre. Als uns Karin von Heinz Ikonenmeinung berichtete ging sie erst einmal auf ihr Zimmer um Jugendbilder von sich, die sie extra zu diesem Zweck mitgebracht hatte, zu holen. Richtig, dort war sie als sportliches Mädchen mit kurzen Haaren und meist in Jeans zusehen. Zu dieser „Ikone“ war sie erst als Hotelierfrau geworden. So konnte ihr Entschluss dann einfach „Zurück zu den Ursprüngen“ heißen. Sie ging zum Frisör und ließ sich die mittellangen Haare abschneiden. Am gleichen Tag brachte sie auch einige Euros in die Bekleidungsgeschäfte und –kaufhäuser um sich wieder zur sportlichen Karin, die mir genau so bezaubern wie die Dame zuvor erscheint, zurückzuverwandeln. Als sie dann zu ihrem nächsten Rendezvous erschien fiel Heinz fast vom Hocker. Zum Ersten war er darüber begeistert, dass Karin ihn offensichtlich so gut mochte, dass sie nach dem kleinsten Hinweis ihr Outfit nach seinem Geschmack änderte und zum Zweiten, dass sie jetzt eine enorme Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Frau hatte. Letzteres wurde uns auch anhand eines Fotos demonstriert.
Dabei fanden wir auch ohne weiteren Kommentar eine Erklärung für noch eine weitere Veränderung bei Karin: Die erste Frau Konrad hatte dunkelrote Haare. Karins Erfolg war buchstäblich umwerfend. Heinz nahm sie gleich mit in seine Wohnung und dort dürfte wohl das, was ich mit buchstäblich meinte, passiert sein. Berichtet hat man uns davon aus verständlichen gründen zwar nichts aber das dürfte sich doch wohl mit großer Sicherheit annehmen lassen. Karin hatte jetzt nun wirklich fast alles was sie sich wünschte und was sie hätte glücklich machen können. Selbst die Tatsache, dass sie wieder die Alte, wie in ihrer Jugendzeit war, trug einiges zu ihrem Wohlempfinden bei. Aber in eine Sache, die ihr leicht dieses Glück wieder hätte vermiesen können, schlidderte sie sich dann selbst wieder hinein. Ihr ging jetzt durch den Kopf, das ihr derzeitiges familiäres Umfeld wohl ein einziger amoralischer Sumpf sei. Ihre Tochter steigt mit einem Angestellten ins Bett und heiratet dann diesen, nach dem sie von ihren Vater erwischt worden ist, dann postwendend und heimlich. Danach wird ihre Tochter von ihrem Schwiegervater geschwängert und ihr Schwiegersohn macht dieses dann etwas später bei einer Pastorenfrau. Sie selbst treibt es gleich mit allen: Vater, Sohn und dann noch lesbisch mit der Mutter. Ein paarweißes Vergnügen reicht ihr nicht einmal aus sondern sie lässt sich auf flotte Dreier ein. Die Schwiegermutter ihrer Tochter treibt es dann letztlich noch in ihrem Beisein mit ihrem Freund. Also, da ist man schnell bei dem Ausspruch: „Wie in Sodom und Gomorra“. Dahingehend ist es auch für mich doch höchst seltsam, dass es sich Alles in Allem um anständige und ehrliche Menschen, die nicht einmal unfromm sind, handelt. Auch Letzteres sah Karin genau wie ich aber sie fand keine Lösung dafür, wie sie dieses ihrem Schwarm beibringen sollte ohne das sich dieser mit Grausen abwendet. Da beschloss sie, dass sie Heinz erst wenn ihre Beziehungen auf sicheren Beinen stünde nach und nach, also in kleinen Portionen, einweihen wollte. Das konnte aus ihrer Sicht aber nur funktionieren wenn Heinz die Anderen, die sich auch mal unbeabsichtigt verplappern könnten, zunächst nicht zu Gesicht bekäme. Kurz entschlossen gab sie sich ihm gegenüber als anhanglose Witwe aus. Und damit begann für sie ein Doppelleben bei dem sie dann in den Stress geriet, dass sie ihr Wirken im Düsseldorfer Hotel vor Heinz und andersherum Heinz vor ihrer Familie verbergen musste. Ich habe ja bereits Karins Telefon-Anrufbeantworter-Methode beschrieben. Also erst ein Blick auf das Display und dann je nach angezeigten Anrufer diesen auf den, auf Mithören eingestellten Anrufbeantworter auflaufen lassen. So etwas konnte aber dann, wenn Heinz bei ihr war, zur Falle werden. In dem Fall musste sie dann erstens den Klingelton und zweitens das Mithören am Beantworter ausschalten. Da kommen dann einige Ängste auf: Was ist einerseits wenn Heinz überraschend kommt, was ist zweitens wenn sie die Abschaltungen schlicht und einfach mal vergisst und was ist drittens wenn Heinz so etwas durch reinen Zufall entdeckt? Dann hatte sie natürlich auch ein Mordsproblem wenn mal aus irgendeinem Grund einer der Totgeschwiegenen plötzlich vor der Tür stehen sollte oder wenn sie jemand von denen durch einen bösen Zufall mal draußen begegnet. Ja, ja, ein Doppelleben ist anstrengend und bestimmt kein Vergnügen. Am 10. Mai, als Elke plötzlich vor der Haustüre stand ging ja noch alles gut. Heinz hatte sich an diesem Tag erst für 14:00 Uhr angesagt aber was wäre gewesen, wenn er wider Erwarten eher erschienen wäre? Die Angst setzte sich dann bei Karin in Aggression um und Elke bekam es zu spüren obwohl Karin selbst normaler Weise die Sache anders ansah und sie schon damals auch gerne mit Elke wieder ins Reine gekommen wäre. Aber nicht nur aus der Angstaggression resultierte ihr seltsames Verhalten sondern es war auch gleich der Versuch eine Wiederholung eines plötzlichen Besuches für die Zukunft auszuschließen. Dann gab es für Karin auch das Riesenproblem ihrer Gesellschafterinnen-Tätigkeit in dem Düsseldorfer Hotel. Einerseits wäre dieses unverfänglich gewesen, denn was sollte dagegen sprechen – von irgendetwas muss der Mensch ja schließlich leben. Aber was wäre gewesen wenn Heinz, nur aus netter Freundlichkeit, da mal zwischendurch aufgetaucht wäre und dort den nicht vorhandenen Schwiegersohn mit seiner Frau, sprich mit der Tochter, hätte kennen gelernt? Da machte sie sich zunutze, dass Heinz regelmäßig einmal in der Woche den Fitness- und Wellnessbereich, den angeblich sein früherer Arbeitgebers als Sozialleistung den Aktiven und auch Pensionären anbot, nutzte. Die Gelegenheit packte dann Karin am Zopfe und tauchte dann in Düsseldorf auf. Damit es auch schaffbar war, ging sie zur Sicherheit von einmal im Monat auf wöchentlich über. Dann am 12. Juni, der Tag als unsere Enkel Sven und Kai geboren wurden, musste es dann passieren. Inzwischen hatte Heinz Karin schon gebeten zu ihm in seine Rodenkirchener Eigentumswohnung zuziehen. Aber sie wollte, insbesondere weil sie ihr Doppelleben nach beiden Seiten tarnen wollte, darauf bestanden, dass sich die Partnerschaft mal bei ihm und mal bei ihr vollzog. Für die Nacht vom 11. auf dem 12. Juni hatten sie eigentlich vorher nichts fest ausgemacht. Am Abend des Elften waren sie im Theater gewesen und Heinz hatte sich danach kurzfristig entschlossen die Nacht bei ihr zu verbringen. Da kam sie erst nicht zur Abschaltung des Telefons und dann vergaß sie das letztlich auch noch. Und dann schellte dieses „Dingen“ dann auch noch in aller Frühe – kurz vor Fünf und Heinz, der davon erwachte, ging dran. Am anderen Ende war ein Herr, der seiner Schwiegermutter mitteilen wollte, dass sie nun auf einem Schlag zum zweiten und dritten Mal Oma geworden sei. Heinz „pflaumte“ den Anrufer an, weil er dieses für einen üblen Streich eines Angetrunkenen hielt. Seinem Schatz erzählte er den Zwischenfall beim Frühstück – und dann war es aus: Karin verriet sich mit ihren
durchbrennenden Emotionen praktisch selbst. Spontan sprang sie zum Telefon, wählte zielstrebig aus dem Telefonbuch die Nummer des Düsseldorfer Hotels und verlangte dort ihren Schwiegersohn. Die Freude über die Zwillingsgeburt hatte mit einem Schlag ihr bis jetzt gekonntes Doppelleben verraten und zerstört. Da ein solches Doppelleben und die vorangegangen Lügen, von wegen anhangsloser Witwe, einen Grund haben mussten verlangte Heinz von Karin eine Erklärung. Sie begründete ihm diese in geschickter Weise mit seiner Ikonen-Einstellung gegenüber Hotelchefinnen und erklärte ihm, dass sie Angst gehabt habe seine Liebe zu verlieren, wenn er erfahren hätte, dass sie zusammen mit ihrer Tochter immer noch Hotelbesitzerin sei und ihr Schwiegersohn dort der Geschäftsführer sei. Das war Heinz aber ein Bisschen zu vage, denn was hätte denn überhaupt dagegen gesprochen. Es war bei ihm doch lediglich das irreale Gefühl der Unnahbarkeit gegenüber der eleganten Dame und keine Abneigung gegen Hotelbesitzerinnen generell gewesen. Im Gegenteil achtete er die Leute, die ihren Gästen, die auf Reisen sind, das Leben so angenehm wie nur möglich machen wollen. Die Leute besitzen doch in der Regel Niveau, eine Menge Menschenkenntnis und beherrschen die Etikette als sei es ihr angeborenes Normalverhalten. Die meisten Leute dieses Schlages können beherrschen neben ihrer Muttersprache noch fließend zwei Fremdsprachen. Das spricht doch für Intelligenz und Bildung. Dieses hatte er seiner Angebeteten auch schon mehrfach so gesagt. Also er glaubte jetzt Karin einfach nicht. Da blieb ihr nichts anderes übrig als ihm ihr amoralisches Leben seit der Hochzeit ihrer Tochter und dem Tode ihres Mannes zu beichten. Karin sagte zu uns, als sie hiervon berichtete: „Da konnte ich sehen, was für ein wunderbarer Mann mein Heinz ist. Ganz ohne Groll hörte er mir zu, stellte auch keine Zwischenfragen und gab dazu keinen Kommentar. Als ich dann fertig war sagte er ganz ruhig: ‚Verstehe bitte, dass ich über das alles erst einmal nachdenken muss. Ich weiß nicht, ob es zwischen uns beiden aus ist ... ich weiß es nicht. Aber du solltest dich jetzt erst mal um deine Tochter und deine Enkel kümmern und auf keinen Fall Dummheiten machen. Er stand auf und ging. Dabei ist mir aufgefallen, dass er zunächst meinen Wohnungsschlüssel in der Hand hatte, diesen aber wieder einsteckte.“. Karin fuhr danach erst einmal nach Düsseldorf wo sie am Mittag dann auch mit uns zusammentraf. Laut ihren Worten soll es an diesem Tag in ihrem Kopf ganz wirr ausgesehen haben. Auf der einen Seite freute sie sich darüber, dass ihre beiden Enkel gesund zur Welt gekommen waren und auch ihre Tochter diese Zwillingsgeburt gut überstanden hatte. Auf der anderen Seite hatte sie eine richtige Wut auf sich selbst und ihre Verlogenheit. Dann hoffte sie immer, das Heinz ihr verzeihen und wiederkommen würde. Und bei dieser Gelegenheit kam dann in ihr in der Regel der Gedanke auf, dass sie sich, wenn sie Heinz nicht zurückgewinnen könne, das Leben nehmen wolle. Vorher wollte sie allerdings bis zum Letzten um ihn kämpfen. Aus diesen gedanklichen Wirren erklärt sich natürlich auch ihr Wunsch uns jetzt nicht zu begegnen und auch ihr Verhalten als sie uns dann bei unserer Ankunft am Mittag dann doch im Hotel traf. Für eine frischgebackene Großmutter von gesunden Zwillingen verhielt sie sich dann am Nachmittag in ihrer Wohnung höchst seltsam: Sie legte sich ins Bett, in dem sie fortwährend weinte und bete. Sie berichtete uns, dass für sie das Gebet nie wichtiger als an diesem Tag gewesen sei, denn das „Gespräch“ mit Gott habe dazu beigetragen, dass sie nicht ausgeflippt sei und dass sie letztendlich doch ruhig eingeschlafen wäre. Das Gebet hat nach ihrem Glauben noch viel mehr geholfen, denn als sie am nächsten Tag von ihrem Besuch bei Heike wieder zurückkam, saß Heinz bereits bei ihr in der Wohnung und begrüßte sie mit den Worten: „Hallo Schatz. Ich habe nachgedacht und dabei festgestellt, dass du und deine Familie nicht schlimmer seid als ich es selber bin. Auch ich habe einiges auf dem Kerbholz, zum Beispiel bin ich Vater von gleich zwei unehelichen Kindern ... und die haben, wie könnte es anders sein, beide andere Mütter. Also, ich will dir jetzt auch meine Story erzählen und danach kannst du entscheiden ob du mich heiraten willst oder nicht. Solltest du mich dann nach wollen, bestelle ich gleich anschließend für den 15. Juli, meinem Geburtstag, einen Termin beim Standesamt. Dann mache ich Nägel mit Köpfen“. Nun, Elke hörte sich die Beichte, die natürlich weder von Karin noch von Heinz an uns weitergegeben wurde, an und sie wollte sich dann auch trotzdem von ihm ehelichen lassen. Das Einzigste was wir aus Heinz Beichte in Erfahrung bringen konnten, war dass auch er geflunkert hatte. Da war nichts mit Fitness und Wellness bei seinem ehemaligen Arbeitgeber; bei diesen Gelegenheit traf er sich vielmehr mit seiner in Bad Godesberg wohnenden Tochter, die er ursprünglich vor Karin verheimlichen wollte. Der gehörnte Ehemann von der Mutter dieser Tochter war ehemals ein in Bonn akkreditierter Diplomat. Die andere Tochter lebte in Spanien bei ihrer Mutter, einer ehemaligen Stewardess. Aber beide, sowohl Karin und Heinz, versicherten uns, dass sie sich übereinstimmend eigentlich über alles nach einer auf Treue basierenden Zweisamkeit sehnten und von allen möglich Abwegen endgültig kuriert seien. Und in dieser Beziehung konnte auch eine Übereinstimmung zu Elkes und mein Denken festgestellt werden. Bei ihrem dritten Besuch bei Heike wusste Karin also schon, dass ihre Träume nun endgültig in Erfüllung gehen würden und dass sie auch mit uns allen, einschließlich Elke, wieder ins Reine kommen wollte. Aber sie konnte selbst noch nicht so recht an ihr Glück glauben und sie hatte eine eigentlich unbegründete Angst, dass im letzten Moment doch noch etwas dazwischen käme. Deshalb wollte sie lieber noch nichts sagen und sich alles für eine Überraschung aufbewahren. Aber so ganz konnte sie sich die Angelegenheit gegenüber ihrer Tochter doch nicht verkneifen und daher kam dann diese merkwürdige Überraschungsankündigung infolge der Elke ihren Seiten-
sprung bei Herrmann gegenüber Heike durch Verplappern zugab. Schon am Nachmittag dieses Tages hatten Karin und Heinz gemeinsam die Ferienwohnung bei Frau Schriever vorbestellt. Auf dies Art und Weise kamen wir also an das Ehepaar Konrad, unseren Überraschungsgästen des Jahres 2002. Der Düsseldorfer Familienteil wurde schon bereits einen Tag eher wie wir, also schon am Hochzeitstag der Konrads, von diesen überrascht. Sofort nach der Trauung am Kölner Standesamt waren sie dann nach Düsseldorf gefahren. Als sie durch die Glaseingangstür in das Innere sahen, stellten sie fest, dass Björn in diesem Augenblick selbst an der Rezeption stand. Daraufhin drehte Karin dieser erst einmal den Rücken zu und blieb vor der stehen. Heinz ging nach der Absprache mit seiner Frau zuerst mal alleine hinein und fragte ob er für sich und seine Frau ein Doppelzimmer für eine Nacht haben könnte. Und sofort ging er dabei zum Übertreiben über, denn er sagte: „Eigentlich würden wir ja gerne noch länger bleiben aber wir haben uns bereits ab Morgen eine Ferienwohnung in Wannebachtal-Elfenwiese reservieren lassen.“. Björn, der sonst so gut wie nie auf den Mund gefallen ist, stand auf einmal baff und sprachlos da. Am Liebsten hätte er, wie er uns später am Telefon erzählte, den Herrn gefragt ob er ihn verarschen wolle. Das nutzte Heinz dann zu einer weiteren Attacke auf unseren: „Meine Frau hatte ursprünglich vor hier im Hause noch ein Bisschen in den Büchern zu schnüffeln aber ich bin der Meinung wir sollten lieber unsere vor weniger als eine Stunde vollzogene Trauung mit den Kindern und Enkeln meiner Frau, also mit ihnen, feiern.“. Dann reichte er Björn die Hand und sagte: „Also Guten Tag, ich bin Heinz Konrad, ab sofort ihr Stiefschwiegervater. Vielleicht erkennen sie ihre vor der Tür stehende Schwiegermutter auch jetzt wo sie ihnen den Rücken zugekehrt hat.“. Ich kann nur sagen: Der arme Björn, was in dem wohl zu diesem Zeitpunkt vorgegangen ist? Björn selbst war dann aber gleich bereit bei einer weiteren Schandtat selber mitzuspielen. Er ließ sich, nachdem er erst mal Karin in die Arme genommen und ihr gratuliert hatte, gleich an der Rezeption ablösen und ging mit den Konrads, die so auch im Hotel die Überraschungsgäste waren, hinauf zur Privatwohnung. Vor der Tür ließ er das frischgetraute Paar erst mal stehen und ging, aber ohne die Tür hinter sich zu schließen, hinein. Laut sagte er: „Heikelein, kannst du mal kommen. Ich möchte dir das Ehepaar Konrad, das glaubt hier ohne zu zahlen wohnen zu können, vorstellen. Du sollst Frau Konrad ganz gut, schon aus der Zeit als du selbst noch ein Säugling warst, kennen. Kannst du mit ihr mal sprechen?“. Heike war so ziemlich auf Achtzig und ging böse auf den Flur und stieß dort den Staunlaut „Mutti“ aus. Diese antwortete dann sich weise stellend: „Wie du jetzt feststellst kann ich alles das, was du kannst, auch schon lange. Auch ich kann heimlich heiraten und hier mit einem Hoppla, wie du es nach deiner geplatzten Scheidung gemacht hast, erscheinen. ... Aber darf ich dir erst einmal deinen ‚Stiefvater’ vorstellen?“. So, an dieser Stelle kann ich nun meine Karinstory abschließen und feststellen, dass alles, was beginnend mit einer heimlichen Hochzeit ins Wanken geraten war, offensichtlich mit noch einer heimlicheren Heirat wieder ins Lot gekommen war. Alles hatte jetzt seine standesgemäße Ordnung: Die Paare Karin und Heinz, Heike und Björn sowie Elke und ich standen jetzt, von der „bösen“ Abenteuerlust kuriert, glücklich bei unseren Partner und waren der Überzeugung, dass sich so etwas, was in den letzten beiden Jahren passiert ist, bei uns nicht wiederholen dürfe. Es war wirklich in den 14 Tagen, in denen die Konrads bei uns waren, recht nett und wir hatten allesamt, einschließlich des neu hinzugestoßen Heinz, das Gefühl gute Freunde zu sein. Die Beiden verbrachten anschließend, allerdings nach einem vorhergehenden Zwischenstopp in ihrer Wohnung in KölnRodenkirchen, auch noch zwei Wochen im Düsseldorfer Hotel. Während des Aufenthaltes bekam Björn noch seinen letzten Schliff in den Geschäftsführungsangelegenheiten des Hotels, denn er sollte dieses nach dem Willen seiner „Chefinnen“ in Zukunft weitgehenst selbstständig machen. In der Zeit danach waren Karin und Heinz mal in Köln und mal irgendwo in Europa. Sie wollen ihren dritten gemeinsamen Lebensabschnitt dazu nutzen um sich diese schöne Welt anzusehen. Warum auch nicht? In diesem Jahr 2002 haben wir sie dann noch einmal getroffen. Anlässlich ihres 25. Geburtstages hatte Heike sowohl ihre Eltern wie ihre Schwiegereltern für eine Woche ins Hotel eingeladen – und alle kamen und hatten eine nette Zeit miteinander. Damit kann ich schon mal Karin und ihren Heinz aus dieser Geschichte endgültig entlassen; sie kommen nun nicht mehr darin vor. Eigentlich könnte ich an dieser Stelle insgesamt mit dem Schreiben aufhören, denn Dramatisches liegt nun wirklich nicht mehr an. Lediglich in der Pastorenfamilie Köhler, mit denen wir letztlich den meisten Kontakt hatten und haben, ergab sich noch mal etwas, was es sich vielleicht noch zu erzählen lohnt. Na ja, auf jeden Fall führte diese Gegebenheit dazu, dass ich mich hinsetzte und diese Niederschrift von dem Tagedieb, der seine Schwiegertochter zur Mutter machte, begann. Wenn ich davon berichte kann ich ja das ganze so ein Wenig abrunden und deshalb bitte ich sie hier zum letzten Mal, doch noch mal ein weiteres Kapitel aufzuschlagen.
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Wie ich Schreiberling wurde Nachdem wir die Schwiegereltern unseres Sohnes im letzten Kapitel aus der Geschichte verabschiedet haben können wir dieses jetzt praktisch auch mit Heike, Björn und den Kindern Sara, Kai und Sven machen. Zuvor erzähle ich noch kurz, dass nach wie vor uns Heike ein Mal wöchentlich anruft und sie dann immer einen netten Plausch, in der Regel mit Elke aber auch ab und an mit mir, führt. Alle fünf Wolfs haben wir natürlich aus Anlass Heikes 25. Geburtstag und gerade erst gestern am zweiten Weihnachtstag bei uns in Elfenwiese persönlich getroffen. Björn alleine, der natürlich auch mal von Zeit zu Zeit anruft, war dann einmal vom Abend des 10. Septembers bis zum Morgen des Zwölften bei uns, in seinem Elternhaus. Anlass dazu war der erste Geburtstag seines „Patensohnes“ Johannes, aus dessen Anlass wir uns am Nachmittag des 11. Septembers nach Ehrenberg begaben. Ja, dass ist auch alles was es noch „Besonderes“, wenn man das überhaupt sagen kann, zu berichten gibt. Es bleibt eigentlich nur noch zusagen, dass wir nach allen „familiären“ Seiten ein gutes Verhältnis haben und uns dabei keinesfalls „auf der Pelle hängen“, wie man hierzulande so salopp sagt. Dann bleiben uns für den Rest der Geschichte also nur noch die Köhlers und natürlich wir, das Ehepaar Wolf senior, selber. Nun zur Beziehung zu den Köhlers ist zunächst wiederholend zusagen, dass uns, wie ich ja ausführlich schilderte, der Seitensprung sowohl unseres Sohnes wie der der Pastorenfrau zusammengeführt hat. Dadurch sind wir aber weder verschwägert noch miteinander verwandt geworden und außerdem trennten Elke und mich von den Köhlers im Lebensalter mehr als zwei Jahrzehnte voneinander. Aber der Altersunterschied ist kein Grund warum wir nicht gute Freunde sein sollten und außerdem schätzten wir Rainer als guten Pfarrer, bei dem wir erstens gerne in den Gottesdienst gingen und mit dem wir zweitens auch ganz gerne über Gott und die Welt sprachen. Als lobenswerter Seelsorger wurde Rainer ja nicht nur von uns sondern auch von der Mehrheit der Mitglieder der Ehrenberger Kirchengemeinde geschätzt. Darüber hinaus mochten wir auch die nette, teilweise sehr mädchenhafte Art und Weise von Katharina, die man insbesondere dann, wenn sie Scham oder ein schlechtes Gewissen drückte. „bewundern“ konnte. Aus Spaß sagte ich mal zu ihr „Du bist meine liebste Nichte“ und damit hatte ich so in ungefähr die Atmosphäre zwischen uns beschrieben. Da die räumliche Distanz zwischen Elfenwiese und Ehrenberg natürlich nicht mit der von hier nach Köln oder Düsseldorf zu vergleichen ist, hatten wir in diese Richtung natürlich auch die meisten Kontakte. Für uns nennenswerte Ereignisse gab es allerdings auch in dieser Richtung nicht. Hätten mich Rainer und Katharina nicht indirekt dazu inspiriert ein Schreiberling zu werden könnte ich auch diese jetzt aus der Geschichte entlassen. Womit ich dann nur noch ein Nachwort schreiben müsste – oder nicht – und dann zu neuen Taten schreiten könnte. Während bei uns, den Wolfs, mit großer Wahrscheinlichkeit die Serie der dramatischen Ereignisse ausgelaufen zu sein scheint gab es bei den Köhlers doch noch einiges was sie bewegte. So schied im Juli dieses Jahres die Exschwägerin der Köhlers, diese gewisse Sonja, von der die Erpressungsgeschichte, die auch in unserem Leben für Wirbel sorgte, ausging, freiwillig aus dem Leben. Von ihrem alten Vater – ihre Mutter war schon vor über 10 Jahren verstorben – wurde sie, nachdem sie sich stranguliert hatte, auf dem Dachboden vorgefunden. Sie hatte einiges an schriftlichen Dokumenten und auch Fotos hinterlassen, die allerlei Schlamm über Katharinas Familie hätten stülpen können. Auch Katharinas Vater, der bisher scheinbar unantastbare alte Pfarrer von Ehrenberg, der dem Augenschein nach über den Dingen zu stehen schien, soll dabei durch um einiges belastet worden sein. Was da genau war entzieht sich natürlich meinen Kenntnissen. Wenn wir auch mit den, gegenüber uns jüngeren Köhlers gute Freunde waren haben wir natürlich nicht die letzten Grenzen zwischen unseren Privatsphären aufgehoben. Was uns selbst, unsere jeweils eigene Person betraf, hatten sowohl wir wie auch die Köhlers uns eine ganze Menge offenbart aber so bald es einen Schritt weiter in die Familien hinein ging, also wenn bei den Köhlers und auch bei uns bisher unbeteiligte Angehörige, andere Freunde und Bekannte betroffen waren, hörte das, was man der anderen Seite zu wissen gab, auf. Was man uns erzählt hat ist, dass die von Sonjas Vater gefundenen Unterlagen schon dazu angetan waren das Dorf negativ und abwertend gegen die Pastorenfamilie aufzubringen. Wörtlich sagte Katharina: „Eu weia, da hätten wir jede Menge Federn lassen müssen und es scheint mir fraglich ob Rainer seinen Dienst als Gemeindepfarrer hier noch hätte so ausüben können wie man es von einem Pastor erwartet. Wir sind ja schließlich nur alle sündige Menschen. Aber was bei allen möglich Leuten fast problemlos, vielleicht nur mit ein Wenige Hemme, über die Bühne geht wird bei Pastören auf die Goldwaage gelegt. ... Aber ich glaube noch nicht einmal dass so etwas falsch ist, denn ein Prediger, der sich selbst nicht als gewisses, natürlich eingeschränktes, Vorbild darstellen kann beziehungsweise der sich nicht bemüht ein solches zu sein, strahlt keine große Glaubwürdigkeit aus.“. Daraus ergab sich dann ein kleine Diskussion, die wohl der erste Schritt zu meinem Schreiberlingsdasein war. Ich kam nämlich darauf, dass man mal ohne Schwarz-Weiß-Malerei ohne extreme Unterscheidung zwischen Gut und Böse das reale Leben der Menschen darstellen müsse. Man müsse mal darstellen, dass sich praktisch niemand auf dieser Welt einer weißen Weste rühmen kann und das Verschiedenes, was so furchtbar verwerflich aussieht, von Menschen wie du und ich begangen wird. Das kann
man schon an der riesigen Zahl der jedes Jahr in unserem Lande zerbrechenden Ehen sehen. Und im Grunde gehört zu jeder dieser Scheidungen eine oder mehrere Angelegenheiten, die Moralapostel als Vorboten apokalyptischer Reiter darstellen würden. Meines Erachtens dürfen wir solche Sachen weder verharmlosen noch totschweigen aber auch nicht als Waffe gegen andere einsetzen. Mit Verharmlosung tragen wir dazu bei, dass diverse Angelegenheiten zunächst toleriert und dann letztlich noch legalisiert wird. Durch Verharmlosung wegkaschierte Werte werden in der Regel dann noch von den LinksNach-Quer-Denkern noch zur Lebensart verkehrt, so zum Beispiel der regelmäßige Seitensprung als „Offene Ehe“, die dann chic und modern sein soll. Dieses gilt natürlich nicht nur hinsichtlich Sex, Ehe und Familie sondern auch auf allen anderen gesellschaftlichen Gebieten. Nehmen wir doch nur ganz einfach mal das Thema Steuerhinterziehung. Im Grunde sind wir doch alle auf ein funktionierendes Gemeinwesen angewiesen. Ohne die uns umgebene Infrastruktur, wie Wege- und Versorgungsnetze, Schulen und andere Bildungseinrichtungen, Ordnungs- und Rettungsdienste könnte von uns keiner das sein, was er ist. Da brauchen wir noch nicht einmal auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu schielen, sondern schon hier in unserem Lande könnte nichts funktionieren. Überspitz möchte ich sagen, dass wir in Fellen und mit Keulen auf die Felder und in die Wälder ziehen müssten. Ein solches Gemeinwesen kann sich nur entwickeln und erhalten bleiben, wenn wir alle entsprechend unserer Leistungsfähigkeit unseren anteiligen Beitrag dazu leisten. Es kann doch nicht angehen, dass die Leute, die am meisten von unserem hochentwickelten Gemeinwesen profitieren ihren Beitrag zu ihren privaten Gunsten verschieben. Eine der wichtigsten Grundfesten einer Industriegesellschaft ist soziale Gerechtigkeit und sozialer Frieden. In diesem Sinne ist es schon kriminell wenn man der Allgemeinheit den Beitrag, sprich die Steuern, raubt und/oder unterschlägt. Da muss sich nicht ein Bankboss dahinstellen und vor der „Kriminalisierung von Steuerhinterziehern“ warnen, denn Raub und Unterschlagung sind höchst kriminell und daher sollte man eigentlich davor, sogar mit bösen und diffamierenden Worten, warnen, dass man zwischen Räubern die Privatpersonen, Banken oder die Allgemeinheit berauben zu unterscheiden versucht. Durch die Verharmlosung der Steuerhinterziehung sind inzwischen schon Spitzenpolitiker bereit im Zuge von Amnestien solcherlei Kapitalverbrechen zu legalisieren. Totschweigen dürfen wir so etwas aber auch nicht, denn sonst kommen immer mehr auf den Gedanken es immer krimineller zu treiben, was letztendlich zum Bankrott unserer Gesellschaft führen kann. Aber eines dürfen wir auch nicht vergessen: Die Leute die Steuern hinterziehen sind Mensch wie du und ich. Wer hat sich nicht selbst schon dabei ertappt, dass der Eigennutz auch dann noch vorrangig blieb, wenn die Gefahr bestand, dass alles ringsherum zu Bruch ginge. Wenn wir vergessen, dass es sich um Menschen mit Stärken und Schwächen handelt und dabei tunlichst unsere eigenen Schwächen übersehen, schwingen wir schon die Waffe gegen den Anderen. Selbst haben wir das „Kavaliersdelikt“ einer größeren Steuerhinterziehungen begangen – was aber nicht so schlimm ist und deshalb verschwiegen werden kann – aber zeigen mit dem schmutzigen Finger auf Stütze-Paul, der ein paar Almosen zuviel beim Sozialamt abgestaubt hat. Sicherlich kann man dem kleinen Sozialhilfebetrüger sein gemeinschaftsschädliches Tun genau so wenig durchgehen lassen wie dem großen Steuerhinterzieher aber man darf erst recht nicht den einen zum edlen Ritter küren und dem anderen den Status eines Parasiten verleihen. Wir sind alle Menschen und damit, wie uns die Bibel sagt, allesamt Sünder. Es gibt keine Ausnahmen! Mit Sicherheit können wir Sozialhilfeempfänger, Aushilfstätige, Angestellte, Bürgermeister, Pastoren, Bischöfe, Bundeskanzler, Toppmanager und Präsident ohne einen Fehler dabei zu machen in die Kategorie „Mensch und Sünder“ zusammenfassen. Keiner ist vor den Augen Gottes mehr wert als der Andere aber alle sind wir besonders wertvoll: Wir sind Individuen und einzige Originale. Sicher ist es sehr schlimm, dass ich meine Frau betrogen und meine erwachsene Schwiegertochter geschwängert habe. Trotzdem brauche ich es den Begrabschern ihrer Untergebenen, den Dauerfremdgängern, den Pornografen, den Frauenschlägern, den Sexisten und so weiter noch lange nicht gestatten mit ihren schmutzigen Fingern auf mich zeigen. Das dürfen die eben so wenig wie ich auf die zeigen darf. Na ja, ein jeder dürfte wohl selbst wissen was bei ihm so alles quer liegt. Das muss ja nicht alles auf dem Gebiete des Sexus Lustus liegen. Da gibt es doch eine ganze Reihe von Menschen die ehemaligen Freunden und Partnern oder gar nächste Angehörigen, ihre Kinder oder Eltern übers Ohr gehauen habe. Es gibt zig-tausend Leute in deutschen Landen, die Schäden angerichtet haben und sich vor der Regulierung drücken, zum Beispiel all die Leute, die schon mal Fahrerflucht begangen haben. Da gibt es Leute, die vorsätzlich zum eigenen Vorteil und dem Schaden anderer gelogen und betrogen haben. Da gibt es Vermieter und Händler die ihre Mieter und Kunden mächtig übervorteilen. Und, und, und ... alles Sachen, die, wenn man sich mit dem Einzelfall beschäftigt, menschlich nachvollziehbar sind; alles reine Menschlichkeit. Aber müssen wir so etwas dulden? Dürfen wir diese verharmlosen und letztlich gar legalisieren? Dürfen aus brutalen Ausbeutern clevere Geschäftsleute und aus Sozialnetzzerstörern angesehene Wirtschaftspolitiker werden? Wenn ich mein eigenes Beispiel betrachte sehe ich deutlich, wie ich mit meinen menschlichen Schwächen anderen sehr weh getan habe. Was habe ich mit meiner Geschichte mit Heike meiner Frau und meinem Sohn fürchterlich wehgetan und was habe ich, aber auch Heike empfunden, als es umgekehrt war und die Anderen uns
was entesprechendes zufügten. Aus meiner Niederschrift geht nicht einmal so richtig heraus hervor wie sehr mich Elkes Seitensprung zu Rosenmontag in Köln schmerzte und mir ab und an immer noch weh tut. Wie Heikes Schmerz nach Björns Geschichte mit Katharina zum Ausdruck kam konnten wir in dieser Niederschrift ja miterleben. Also kurz: Wenn wir alles mit dem „menschlichen Mäntelchen“ verharmlosen und tolerieren betätigen wir uns bei der Umgestaltung in eine unmenschliche, nur leidvoll zu ertragenen, Gesellschaft. Die hergebrachten Werte, die uns schon mit den zehn Geboten gegeben wurden, lassen sich nicht modernisieren und beliebig umgestalten. Unsere Werte sind die wenigen Dinge, die tatsächlich von ewiger Natur sind. Aber deshalb dürfen wir nicht wie Drakon im antiken Athen, von dem der Begriff „drakonische Strafen“ abgeleitet ist, nach der starken Hand, nach Knüppel, Peitsche und Galgen rufen. Ich hoffe deutlich gemacht zu haben, dass wir allesamt nicht vollkommen und sehr fehlbar sind. Wie weit wir im Einzelfall gehen, hängt immer von der Situation ab. Ich habe mal gelesen, dass nach Ansicht von Kriminologen jeder Mensch, ohne Ausnahme, die Veranlagung zum Verbrecher mitbringt. Ob er wirklich Verbrecher wird hängt von seinem jeweiligen Umfeld und vom jeweiligen Umstand ab und nie von ihm selbst. Nur mit einem Wertebewusstsein und mit dem unerschütterlichen Willen diese Werte für uns zum Manifest werden zu lassen können wir uns selbst persönlich davor schützen zum Verbrecher zu werden. Die Kriminologen meinen, dass derjenige, der nicht ins Verbrechen abrutscht nur Glück gehabt – aber zum Glück hat die überwältigende Mehrheit von uns Glück. Nun ja, die eigene Schwiegertochter mit deren Zustimmung und Beitun zu schwängern ist ebenso wenig ein Verbrechen wie die Beteiligung an „flotten Dreiern“ und mehr bemerkenswertes dieser Art habe ich, von meiner Jugendsünde mal abgesehen, ja in dieser Geschichte nicht getan. Das liegt aber ausschließlich daran, weil diese Sünden nicht unter Strafe gestellt sind und das wiederum liegt am jeweiligen Zeitgeist. Denken wir doch nur daran, dass bis Anfang der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts im Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches die Homosexualität, auch unter erwachsenen Männern, unter Strafe gestellt war. Die sogenannten Hundertfünfundsiebziger waren sogar sehr geächtete Verbrecher. Und heute? Heute kennen wir die anerkannten homosexuellen Lebenspartnerschaften. Was wäre denn jetzt, im Jahre 2002 gewesen, wenn die SchwiegertochterSchwängerung als Straftatbestand im StGB gestanden hätte. Natürlich könnte ich noch andere Beispiele von früher und heute bringen, zum Beispiel das „gebrochene Eheversprechen“ oder die „verletzte Unterhaltspflicht“. Ja, auch auf Letzteres, also wenn ein geschiedener Mann sich durch Tagediebdasein der Unterhaltszahlung an Exfrau und Kinder entzog, drohte bis in die 60er-Jahre Gefängnis. Soweit der Tenor, auch angereichert mit meinen Gedanken, die ich mir später darauf machte, auf die Diskussion, die nach Katharinas Bemerkung: „...Wir sind ja schließlich nur alle sündige Menschen aber was bei allen möglich Leuten fast problemlos über die Bühne geht wird bei Pastören auf die Goldwaage gelegt. ...“ folgte. Schon an diesem Sonntag sagte ich auf der Heimfahrt zur Elke: „Ich glaube, dass es gar nicht falsch wäre über unsere letzten beiden Jahre ein Buch zu schreiben, damit die Leute sehen können wie nah unter der Oberfläche bei jedem Menschen die Untugend schwimmt. Damit man sieht, dass alle diese unmoralischen Sachen von ganz normalen anständigen Menschen gemacht werden. Das es ein eigentlich ganz anständiger Gastwirt ist, der sich von seiner Schwiegertochter verführen lässt und sie dabei schwängert. Auch die Schwiegertochter ist nicht irgendein Lotterweib sondern ein nettes, häuslich und mütterlich eingestelltes ‚Mädchen’. Das auf dem Gebiet von Sexus und Eros auch Pastöre und ihre Frauen ganz normale Empfindungen haben und Verfehlungen, vor denen das sechste Gebot warnt, begehen. Und letztlich das auch biedere und treue Ehefrauen Gelüste empfinden und bei sexuellen Dinge wie lesbische Beziehungen sowie flotte Dreier bis zum Seitensprung mitwirken. Alles ganz normale Menschen, die auf andere, die von diesen Dingen nicht wissen, als anständig angesehen wirken.“. „Was willst du denn eigentlich, falls so etwas überhaupt mal veröffentlicht wird, damit erreichen?“, fragte Elke daraufhin, „Du würdest uns doch nur allesamt an den Pranger stellen. Dann würde die Leute in Elfenwiese bestimmt sagen: ‚Schau mal da ist Schweinchen Reiner Wolf, der mit der Frau seines Sohnes bumst und sich mit der eigenen Frau am Rudelbums beteiligt. Und schau mal da ist seine Frau, die, wenn der Mann im Krankenhaus liegt, zum Beinebreitmachen zum Karneval nach Köln fährt. Du würdest den Schein, den Katharina und Rainer gegenüber ihrer Gemeinde mühsam gewahrt haben, mit einem Ruck zerreißen und Rainer als Heuchler unter dem Talar bloßstellen. Da musst du nur noch so einen reißerischen Titel wie ‚Die Schwiegertochter des Tagedieb’ darüber schreiben, vielleicht einen jede Menge Erotik andeutenden Cover entwerfen und alles schön genau bis ins Detail beschreiben. Alle Lüstlinge weit und breit wären voll begeistert.“. Da unterbrach ich sie: „Na ja, wer meinst du denn, wer im Allgemeinen diese Lüstlinge sind? Woher beziehen eigentlich diese Moralapostel eigentlich immer ihr präzises Detailwissen ... Das ist doch keine göttliche Eingebung sondern in der Regel Rückschluss auf einerseits selbst erlebtes und andererseits mit geiler Gier angelesenes. Ich gehe man mal davon aus, dass die Heuchler, die am lautesten schreien in vielen Fällen die Schlimmsten sind; die Verlogensten sind sie auf jeden Fall. Du entsinnst dich doch sicherlich an diese Type, der sich als Innenminister als Law-and-order-wunder, so als drakonischer Hartliner, zeigte und Schwarz- beziehungsweise, nach meiner heißen Vermutung, Schmiergelder in höchstperverser Weise als jüdisches Vermächtnis deklarierte und nach Liechtenstein verschob. Und denen gilt es einen Spiegel vorzusetzen. Wenn wir uns für die unumstößlichen Werte engagieren wollen, dann müssen wir uns zu erst zu unseren eigenen Schandtaten bekennen. Wir müssen
dann aufzeigen was wir damit angerichtet haben und erklären, dass es sowohl für uns selbst wie auch für die Anderen besser gewesen wäre, wenn wir die Grenzen, die uns Sitte und Moral setzen, nicht überschritten hätten. ... Eigentlich müsste ich das Buch schreiben, aber habe mal keine Angst, ich werde uns nicht an den Pranger stellen.“. Also, der Startschuss zu diesem Buch war zu dem Zeitpunkt noch nicht endgültig gefallen aber der Titel, der von Elke kommt, war dann schon erstmalig gefallen. An dieser Stelle lenkte dann Elke das Gespräch erst einmal auf ein anderes Thema ab: „Glaubst du, dass der Vater dieser Sonja wirklich die Unterlagen nur verwechselt hat oder ob er die absichtlich vertauscht hat?“. Jetzt muss ich erst einmal die werte Leserschaft darüber aufklären, um was es eigentlich geht. Sonjas Vater hatte, wie geschrieben, schriftliche Unterlagen und Fotos, die die Pastorenfamilie ins schiefe Licht bringen können gefunden. Er wollte jetzt aber Frieden und keinen Wirbel. Er beschloss sein Wissen für sich zu behalten und die Unterlagen, den Pastören zu übergeben. Daraufhin packte er diese in drei Versandtaschen. Einen schickte er seinen Exschwiegersohn nach Berlin und die anderen übergab er Katharinas Vater und Rainer, wobei dann Rainer das Material, was die weiße Weste seines Schwiegervaters fleckig zeigte, erhielt und umgekehrt. Natürlich erzeugte das dann ein Wenig dickere Luft zwischen Alt und Jung. Auch wenn man selbst Dreck am Stecken hat wühlen einen die „Untaten“ des nahestehenden Nächsten mächtig auf. Ich antwortete auf Elkes Frage: „Ich glaube schon eher an eine absichtliche Vertauschung. Es kann sein was will, solche Sachen, wie auch Sonjas Freitod, reißt doch immer wieder tiefe Wunden in die Seelen der betroffenen Angehörigen und wenn die ausbluten fließt immer Eiter und damit verbunden diverser Schmutz, der dann wieder neue Infektionen auslösen kann. So wird das damals auch bei uns gewesen sein. Hätte ich Heike in Ruhe gelassen, wäre alles andere auch nicht passiert. Dann wärst du nicht nach Neustadt gezogen und weder du noch Karin wäre auf abwegige Gedanken gekommen. Auch Björn, der ja so besessen in sein Heikelein war, wäre bestimmt, zumindestens zu diesem Zeitpunkt noch nicht, auf den Gedanken gekommen auf außerehelichen Bahnen zu wandeln. Und ohne Björns Irrtum hinsichtlich seiner Potenz hätte Katharina auch kein Kuckucksei ins Pastorennest gelegt.“. Ich musste resümierend feststellen, dass immer wieder größere oder kleinere Schneebälle ganze Lawinen ins Rollen bringen. Immer wieder sind es kleinere oder größere, meist zufällige Ereignisse, die ganze Lebensbahnen umschmeißen. Wie oft ist es mir im Leben passiert, dass ich auf einmal in ganz andere Richtungen als ich geplant hatte marschierte. War ich nicht dereinst Gymnasialschüler, der eigentlich ein Onkel Doktor werden wollte? Dann schmiss mich eine üble Jugendsünde aus der eingeschlagenen Bahn und statt eines Abiturs bekam ich einen Blaumann und wurde statt Arzt dann Packer und Versender. Mein schwaches Herz machte dann meinem Plan mich zu des Bundes grauen Haufen abzusetzen einen Strich durch die Rechnung und ich wurde dann erst einmal Reiseverkaufmann. Damit konnte ich mich dann zu einem Bustouristikunternehmen absetzen, wo mich dann der Zufall gleicher Geburtstage zum Schwiegersohn des Chefs machte und auf dem Wegweiser meiner Lebensbahn stand dann „Juniorchef“. Daraus wurde dann dank der wirtschaftlichern Lage des Unternehmens auch wieder nichts. Ich wurde zwar Manager aber nicht im ursprünglichen Bustouristikunternehmen meines Schwiegervaters sondern bei dem Unternehmensaufkäufer an einem entfernteren Ort, wo man mich dann, als es durch meinen Herzfehler zu einem Unfall gekommen war, nicht mehr gebrauchen konnte. Na, dann ging es kontinuierlich so weiter: Ich wurde Arbeitsloser, sprich Tagedieb, dann Wirt – Wer nichts wird, wird Wirt – und zuletzt Ferienwohnungsvermieter. Hoffentlich klappt jetzt jedenfalls die Lebensplanung mal, so dass ich ohne weitere Abweichungen von der Bahn in zirka 8 bis 10 Jahren mal Rentner werde. Und, bin ich denn so eine große Ausnahme? Eigentlich nicht, denn der Mehrheit der Menschen geht es so, dass es immer anders kommt als man ursprünglich dachte. Aber Politikusse und Beamtokraten gehen immer von Gradlinigkeit und Kontinuität aus. Und deshalb ist es ja auch soviel Murks, was diese Leutchen da verzapfen. Vielleicht betätigen sie sich ja auf einem politischen Gebiet, zum Beispiel auf der Spielwiese Stadtbeziehungsweise Gemeinderat. Dann kennen sie ja auch das Ritual und Täderä, der sich Verabschiedung des Haushaltsplan nennt. Na, haben Sie dann nach Ablauf des Jahres mal die Trefferquote, selbst wenn es keinen Nachtragshaushalt gegeben hat, ermittelt. Machen sie es mal und sie werden lachend staunen. Und da liegt nur ein schlappes Jahr dazwischen. Da kann man sich vorstellen, was da zum Beispiel Rentenpolitik, so wie sie gemacht wird, für einen Unfug bedeutet. Haben Sie schon mal eine Legislaturperiode erlebt, in der nicht ein oder zwei Mal eine Rentenreform durchgeführt worden ist. Wie viel Gesundheitsreformen hat es eigentlich in den letzten zwei Jahrzehnten gegeben? Und keine von denen war wirklich der Stein des Weisens weil immer in den Prognosen etwas nicht stimmte. Nun, wer hat schon etwas gegen Planungen? Ich finde, dass es direkt töricht und unsinnig wäre etwas dagegen zusagen. Aber die Gradlinigkeit, die man dabei immer zugrunde legt, macht die ganze Sache im Grunde unsinnig und die möchte ich eigentlich hiermit anprangern. Warum rechnet man nicht mit zwischendurch auftretenden Problemen, selbst dann nicht, wenn diese bei nüchterner Betrachtung schon sichtbar sind. Weil man immer damit rechnet, dass es gradlinig gut geht, wird so vieles was die Leute mit viel Getöse in Gang gebracht haben, zur Makulatur. Wenn man mit Problemen und Krisen rechnen würde wäre man viel gefasster wenn dann etwas
eintritt und man stünde nicht so ratlos da. Auch dieses, so dachte ich damals, könnte ich, wenn ich meine Lebensgeschichte aufschreibe, den Lesern zu verdeutlichen versuchen. Vielleicht könnte ich dann, wenn ich die Leser zum Abgleich mit ihren eigenen Lebensbahnen auffordere, zu einem Nachdenken anregen. Aber noch war ich noch nicht so weit, noch saß ich nicht am PC und tipperte meine Geschichte von der Schwiegertochter des Tagediebs hinein. Da zu bedurfte es noch weiteren Anstoßes, unter anderen durch dem nach wie vor vorhandenen Exhibitionismus Katharinas. Nun, auch Pastöre machen Urlaub und unsere Köhlers sind da keine Ausnahme. Zwar kann man mit vier Kindern und einem entsprechenden Geldbeutel auch in die weite Welt hinaus reisen. Aber erstens sind Pastöre im Grunde auch nur, zwar etwas bessergestellte, Normalverdiener und zweitens muss es bei den Köhlers, wie sie uns selbst glaubhaft machten, nicht die weite Welt sein. Von Glaubhaftmachung habe ich soeben bewusst geschrieben, denn die Floskel „Ach daran reizt mich gar nichts“ ist ja sehr weit verbreitet und wird meistens von den Leuten angewandt, die mehr zu sein vorgeben als sie in Wirklichkeit sind. Sicherlich kennen sie auch die flotten Reden dieser Art: „Ach, schau mal ich bringe doch jeden Monat zwischen fünf- und siebentausend Euro mit nach Hause. Wenn wir von unseren Politiker nicht so furchtbar bei den Steuern abgezockt würden, machte die Arbeit noch viel mehr Spaß. Meine Frau brauchte ja eigentlich nicht mit zu arbeiten, das bringt ohnehin nicht viel ein. Aber die will auch nicht so alleine zu Hause rumsitzen. Ob jedoch dieser Job bei Meier & Co. das ist, was sie als Selbstverwirklichung bezeichnet, weiß ich auch nicht, aber das ist ja schließlich ihre Entscheidung. Da könnten wir eigentlich Urlaub auf Hawaii machen oder eine große Kreuzfahrt in der Karibik unternehmen aber da liegt mir beim besten Willen nichts dran. Ich habe lieber mal so ein paar Tage Ruhe, wo man so richtig ausspannen kann.“. So was erzählen einen die besten Exemplare der Gattung „Klotzo Protzo“ und von da aus geht es dann in Abstufungen runter bis zur simplen Aussage: „Ich könnte es mir ja eigentlich leisten aber daran liegt mir wirklich nichts.“. Na ja, ich weiß nicht was sich die Leute davon, wenn sie so „vors Hemd treten“ versprechen, denn die Wahrheit durchschaut doch im Grunde jeder auf Anhieb, da ein solches Gerede nicht besonders intelligent ist. Oft ist sein Gegenüber vom gleichen Schlage und kann das Gefasel aus eigenem Erleben sofort durchschauen. Andere besitzen ein Wenig Allgemeinbildung und haben Kenntnisse von diversen Abläufen. Diese wissen was üblicher Weise in Tarifverträgen steht und auch das es keine hundert und mehr prozentigen Leistungszulagen gibt. Nun Köhlers gehören nicht zu den Leuten die an einer solchen Renommiersucht erkrankt sind und ein „Pastorensold“ schmeißt auch bei einer sechsköpfigen Familie noch genügend ab um an gängigen europäischen Urlaubsorten für eine bis zwei Wochen zu buchen. Also daher ist es schon glaubhaft wenn sie sagen, dass ihnen nichts an der weiten Welt liegt. Jedoch auch bei denen ist der Ausspruch „Daran liegt uns nichts“ zu relativieren. Da dürfte wohl Katharinas Hang zu zeigen wie sie geschaffen ist die Hauptrolle spielen. Urlaub heißt für sie das Auszuleben, was sie aus Rücksicht auf die Berufsehre ihres Mannes das ganze Jahr unterdrücken muss. Mit Oben ohne an populären europäischen Urlaubsstränden läuft sie immer Gefahr, doch zufällig von Leuten, die wissen wer sie ist, gesehen zu werden aber wer fährt schon von Ehrenberg an die Nudistenstrände, die es noch aus DDR-Zeiten an der Ostsee gibt?. So dachten sie jedenfalls und sollte sich kräftig getäuscht haben. Natürlich trafen sie am Urlaubsort auch eine Familie aus der Kirchengemeinde Ehrenberg, die sich auch dort ohne Hemd und Höschen tummeln wollte. Ja, ja, die Welt kann klein sein. „Ach, passiert, ist passiert,“, kommentierte Katharina dieses zufällige Urlaubszusammentreffen, „ich stehe dazu und kann damit auch leben. Was ist denn daran so schlimm, wenn mich jemand so sieht, wie mich mein Schöpfer geschaffen hat. Mein Körper kommt von ihm und die Kleidung haben die Menschen erfunden. Und es dürfte doch kompletter Unfug sein, dass Bekleidungstragen ein Gebot Gottes sei. Vielleicht ist sogar das Schaffen von Kleidung so eine Art Sünde. Verhüllen wir damit nicht das, was Gott so wunderbar geschaffen hat und lösen wir damit nicht all diese Assoziationen hinsichtlich dessen was darunter ist aus? Ist nicht vielmehr das, was Bekleidung in unseren Hirnen an Begierden und Trieben loslöst Sünde. An der Kleidung seht ihr auch die Doppelmoral der Menschen. Ist nicht körperbetonte, dekoltierte und leichten Durchblick gewährende Kleidung nicht so eine Art negativer Exhibitionismus? Damit will man ja nicht nur zeigen was man hat sondern bewusst Reize in einer bestimmten Richtung auslösen. Sind wir nicht alle fürchterliche Heuchler?“. „Wenn du das so siehst, könntest du dich doch auch als ‚Girl des Tages’ im Internet präsentieren“ gab ihr Elke darauf zu bedenken. Das sah dann Rainer aber ganz anders: „Ich glaube, das wir hier etwas differenzieren sollten. Meines Erachtens nehmen wir durch die Darstellung nackter Körper im Internet, Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen und bei der Entkleidung auf öffentlichen Veranstaltungen dem Mensch ein Stück Würde. Er wird zu einem Objekt, das man begaffen und an dem man sich aufgeilen kann. Nach meiner Ansicht gilt dieses auch, wenn man so etwas in Richtung Kunst intellektuell schön redet.“. Da musste ich ihm doch ein Wenig widersprechen: „Ganz generell hast du recht aber hinsichtlich Letzterem muss ich doch mein Votum einlegen. Es gibt wunderbare Aktmalerei und –fotografie. Die ist herrlich anzusehen und stellt nach meiner Ansicht in einer gewissen Weise auch ein Lob Gottes, der dieses Wunderwerk geschaffen hat da.“. „Entschuldigung,“, setzte Rainer wieder an, „da hast du selbstverständlich recht. Das hatte ich auch nicht gemeint. Ich dachte vielmehr an rein exhibitionistische Bildchen die man nach der Devise, dass dein Handeln
nicht richtig sein sondern du es nur richtig begründen muss, schön redet. Wenn ich ein Bordell in Tempel der Nächstenliebe umtaufe wird aus einem Puff auf keinen Fall eine christliche Institution. Wenn ein sogenannter Schriftsteller eine Reihe von sexuellen Handlungen und reihenweise Praktiken beim Verkehr in einer gekonnten wohlklingen Sprache beschreibt bleibt es nach meiner Auffassung Pornografie wird nie ein erotisches Meisterwerk.“ Da war er bei dem Thema, was mich zu jener Zeit doch öfters bewegte, und deshalb erbat ich dazu seine Meinung: „Ach Rainer, da sprichst du gerade etwas an, was mich derzeit ein Bisschen beschäftigt. Ich habe mal überlegt ob ich nicht unsere Geschichte niederschreiben sollte. Dieses einmal aus dem Grund, um mir auch alles von der Seele zu schreiben. Praktisch als so eine Art befreiendes Geständnis. So lange dieses nur für Elke und mich bestimmt ist stellt das Ganze im Grunde überhaupt kein Diskussionsthema da. Was ist aber wenn ich das veröffentliche um den Menschen zu sagen wie schmerzlich sogenanntes modernes Leben sein kann und wie die Beachtung dieser, vielfach für überholt angesehenen, Werte uns erstens vor so etwas schützen und zweitens zu wirklichem Glück und Zufriedenheit führt.“. Rainer sah mich an und antwortete: „Es kommt ja auf deine Intention an. Wenn das, was du gerade sagtest, dein wahrer Grund ist und du nicht, wie ich eben ausdrücken wollte, eine erotische Szene nach der anderen aneinander reihen willst, könnte man da gar nichts gegen sagen. Wenn du es aber wie verschiedene Promis machst um dich schriftstellerisch zu exhibitionieren und Andere dem Mob zu präsentieren würde ich, wie bei den Internetbildern sagen, dass dieses vom Übels sei. Du machst dich und die anderen zu Objekten und im Grunde erscheint dann das, was du zu sagen zu wollen vorgibst, als diese intellektuelle Schönrederei von der ich eben sprach. Die Aussage, die du machen willst, muss schon deutlich werden. Das ist wichtiger wie jeder sprachliche Wohlklang.“. Jetzt musste Elke doch noch Protest einlegen: „Wenn du so etwas wirklich veröffentlichst, dann machst du dich und uns alle auf jeden Fall zu Objekten, die du an den Pranger stellst. Es gibt doch so viele Leute die uns kennen und in Zukunft noch kennen lernen werden. Wenn die dann deine Schreibe gelesen haben, werden die sagen: ‚Och schau mal, das ist der Tagedieb, der seine Schwiegertochter geschwängert hat’ oder ‚Jeu, dass ist ja der Pastor dessen Frau sich so gerne vor anderen Leuten auszieht’. Im Grunde ist es mir wurst, was die Leute über mich denken aber wir sind keine Tingeltangelpromis, die solch’ negative Dinge, die an ihnen hängen, versilbern können. Dieses gilt ja insbesondere dann, wenn du Reichtum höher als Würde wertest, wenn du Spaß für Glück hältst. Aber würdeverachtende Promis sind wir nicht. Wir gehören zu den Leuten, die ihre ‚Existenz’ zum Erwerb ihres Lebensunterhalt brauchen. Willst du unsere Ferienwohnungen und das Hotel langsam aber sicher zu einen Puff umwandeln ... Bist du dir dafür nicht selbst ein Wenig zuschade. Und denk mal an Rainer. Was hältst du von einem Pastor, der von der Kanzel christlich predigt aber ansonsten wild wie jeder beliebige Snoopy lebt. Du kannst das Buch schreiben ... für uns – aber nicht veröffentlichen.“ Jetzt sprang mir Katharina zur Seite. Sie war der Ansicht, dass man ja Namen und Ortsangaben so verändern kann, dass niemand, der nicht die komplette Geschichte im Zusammenhang kennt, möglicher Weise mal ahnen könnte um wen es sich handelt aber mit Sicherheit keinen Rückschluss auf wahre Gegebenheiten und lebende Personen zulässt. Schließlich würden ja nur wir Beteiligten selbst alle Zusammenhänge kennen. Wenn dieses nicht möglich ist blühen solche Dinge weiter im Verborgenen. Keiner spricht darüber und keiner denkt nach. Dann überlässt man das Feld den Leuten, die das Gegenteil, also die wertelose Spaß- und Geldgesellschaft, vermarkten. Die schreiben dann so etwas für den Lustgewinn der Leser oder zur Befriedigung der ‚Sensationsgier’ und ‚Gafferneigung’ ohne damit etwas bewegen zu wollen. Dabei kann dann der Eindruck entstehen, dass werteloses Dahinleben, Geld, Macht und belangloser Spaß das Maß aller Dinge sei. Und dem müsste was entgegengesetzt werden. Das brachte mich dann in Stimmung: „Katharina weiß du, was du jetzt gemacht hast? Du hast in mir das Gefühl geweckt ich müsste unbedingt dieses Buch über uns schreiben. Damit werde ich auch tatsächlich gleich Morgen anfangen.“. Das sagte ich nicht nur so dahin sondern ich tat es wirklich. Und wie ich das machte können sie am besten mit einen Blick in einen Atlas prüfen. Finden Sie etwa irgendwo in Deutschland eine kleine Gemeinde mit dem Namen Wannebachtal und den Ortsteilen Rainberg, Elfenwiese und Neuweiler? Die finden Sie natürlich ebenso wenig wie dieses Ehrenberg. Und wenn von Düsseldorf die Rede ist könnte es sich im Grunde ja auch um Frankfurt handeln, denn Hotel- Krankenhaus- und Straßennamen habe ich nirgendwo genannt. Von der Mainmetropole zur Karnevalshochburg Mainz ist auch nicht viel weiter wie von Düsseldorf nach Köln. Wenn Sie das berücksichtigen halten sie es doch für ausgeschlossen, dass ich wirklich Reiner Wolf heiße. Ich heiße ebenso wenig so, wie Elke auch Elke, Björn auch Björn, Heike auch Heike, heißt. Einen Pastor Rainer Köhler mit einer exhibitionistischen Ehefrau und vier Jungens wird man auch vergeblich im Telefon- oder Adressbuch suchen. Wenn sie wissen wollen wie ich, wenn ich nicht Reiner Wolf heiße, wirklich heiße, dann muss ich leider schweigen, denn der Rückschluss von mir auf andere „Mitwirkende“ dürfte ja auch nicht im Sinne des Erfinders sein. Aber ansonsten nehmen sie mal alles für wahr ... es kann bestimmt nicht schaden. Oh hoppla, dieses Kapitel ließt sich ja tatsächlich wie ein Nachwort. Das ließt sich nicht nur so sondern das war auch nach meinem
Willen so gedacht. Und was sollte ich nach einem Nachwort noch schreiben? Nichts? Na ja, dann können wir ja abspeichern und dann heißt es nur noch „Bildschirm aus und PC runterfahren, ... Tschüss, Ade und Servus.“. Und jetzt nur noch ein allerletztes Wort Hier melde ich mich, der Gesellschaftskritiker Reiner Vial, mal ganz kurz in realer Form. Ich bin es jetzt wirklich. Es muss noch, damit es keine Missverständnisse aus dem Letztgeschrieben gibt, etwas Wichtiges gesagt werden. Daher wiederhole ich hier noch einmal einen Hinweis, den ich bereits im Vorwort gegeben habe: Diese Geschichte ist von A bis Z frei erfunden. Sollte es durch Zufall irgendwelche Übereinstimmungen mit tatsächlichen Gegebenheiten geben, dann kann das nur damit begründet werden, dass ich mich am wirklichen Leben orientiere. So, dieser Hinweis, den ich aus diversen Gründen für wichtig hielt, soll nun wirklich das Letzte, was in diesem eBook zu lesen gibt, sein. Ich hoffe, die Geschichte hat Ihnen gefallen und dass sie – nicht nur ein Wenig – zum Nachdenken angeregt hat. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal Ihr
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