Ken Conagher
Die Vigilanten von Montana Ronco Band Nr. 230/27
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im ...
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Ken Conagher
Die Vigilanten von Montana Ronco Band Nr. 230/27
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen Bauarbeiter bei Abbrucharbeiten in einer kleinen Geisterstadt im Süden New Mexicos unter einem ausgebrannten Boardinghouse auf eine zugemauerte Kellernische. Sie fanden darin einen alten Revolver, der noch mit drei Patronen geladen war, ein silbernes US-Marshal-Abzeichen und einen indianischen Ledersack. Der mit Stachelschweinborsten und Perlen verzierte Sack enthielt fünf mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel alter Schulhefte. Es handelte sich um das Tagebuch eines Mannes, der in der Pionierzeit Amerikas gelebt hat. Dieser Mann ist nicht in die Geschichte eingegangen. Er hat sich auch nicht darum bemüht, Geschichte zu machen. Trotzdem hat er aufgeschrieben, was er erlebt hat. Vielleicht, weil er niemanden hatte, mit dem er über sein Leben sprechen konnte. Er nannte sich RONCO. Wir wissen nicht, ob das sein richtiger Name war. Vielleicht hat er aus Scham oder Stolz seinen Namen verschwiegen. Denn er war ein Outlaw, ein Gesetzloser, der Grund hatte, seinen Namen manchmal zu verschweigen. Obwohl aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, daß er unschuldig in die Mühlen der Behörden geriet und verzweifelt um seine Rehabilitation kämpfte. Aber seine Berichte zeigen mehr: Sie sprengen den Rahmen unserer Vorstellungen von der Pioniergeschichte der USA. Sie schildern diese Zeit wesentlich härter, rauher und wilder, als wir sie bisher gesehen haben. Basierend auf diesen Unterlagen wurde die Romanreihe RONCO gestaltet Jedoch handelt es sich bei den für die Serie ausgewerteten Aufzeichnungen nur um einen Teil der Tagebücher. Um Ihnen, unseren Lesern, die ganze Geschichte dieses faszinierenden Mannes RONCO offenzulegen, haben wir uns entschlossen, in Abständen von fünf Wochen die Tagebuchaufzeichnungen dieses Geächteten zu veröffentlichen. Bearbeitet von den Autoren der RONCO-Serie. In diesen Romanen erzählt der Mann, der sich RONCO nannte, seine
eigene Geschichte.
Die Hauptpersonen des Romans Ronco – Findet einen guten Job bei einem Frachtunternehmen und fährt fast in die Hölle. Ted Gibson – Markiert den harten Mann und kneift, als es ernst wird. Harry Funham – Deputy-Marshal von Bannack, der dennoch eine schmutzige Weste hat. Allen McCoy – Hat den Banditen den Kampf angesagt und findet Gleichgesinnte. Hal Brooks – Banditenhäuptling, mit allen Hunden gehetzt, aber auch seine Kugel ist bereits gegossen.
Die Vigilanten von Montana 23. Mai 1880 Noch vor wenigen Wochen hing mein Steckbrief in zahllosen Städten des Südwestens. Dann wurde ich in Fort Bliss, Texas, rehabilitiert, und ich hatte erreicht, was ich wollte: ein freier Mann zu sein. Keine Behörde hat mehr das Recht, mich zu jagen. Und dennoch sind meine Überlebenschancen minimal, denn wieder sind Männer hinter mir her, die meinen Kopf wollen. Sie jagen mich nicht im Namen des Gesetzes, sondern weil der Mann, den ich stürzte, seine Rache haben will. – Andrew Hilton, der nach Mexiko flüchtete, nachdem sein Imperium im Südwesten der Staaten zusammengebrochen war. Recht und Gesetz kümmert diese Männer nicht. Ihr Gesetz ist die Macht der Gewalt. Das war so, und wird so bleiben. Das Recht ist für sie ein lächerlicher Popanz, auf dem sie beliebig herumtrampeln können. Weil es sie gibt, werde ich keinen Frieden haben. Und ich hatte gemeint, ihnen entrinnen zu können – Illusionen! Wir befinden uns in einem Wüstengebiet im Nordosten Arizonas. Wir, das sind Linda Hilton, die Tochter Andrew Hiltons, den ich von seinem hohen Sockel stürzte, und unser Sohn Jellico. In einem kleinen Nest hatten wir uns einem Treck angeschlossen, um in ein Siedlungsgebiet in Arizona zu gelangen, aber auch um den Häschern von Lindas Vater zu entgehen, der mich nun von Mexiko aus mit seinem Haß verfolgt und Linda und Jellico mit Gewalt zu sich holen will. Der Mann, der uns sieben Familien eine neue Heimat in Arizona versprochen hatte, hat uns alle betrogen. Er wollte uns in der Wüste zugrunde gehen lassen und uns dann ausplündern: Dieser teuflische Plan ist mißlungen. Aber jetzt sind wir doch am Ende. Wir haben die Rettung greifbar nahe vor uns – eine alte halbverfallene Ranch am Fuß der Rabbit Mountains mit einem Brunnen auf dem Hof. Aber die Ranch ist von Revolvermännern Andrew Hiltons besetzt, die niemanden an das
Wasser lassen und die Auslieferung von Linda, Jellico und mir fordern. Es ist ihnen gleichgültig, ob Frauen und Kinder vor Durst verrecken oder wahnsinnig werden. Uns drei wollen sie haben, wie üblich mit dem widerlichen Druckmittel der Erpressung. Diese menschlichen Monster mit ihrer Gefühlskälte und Nichtachtung jeglichen Lebens sind die typischen Vertreter Andrew Hiltons Killerbande. Im Moment halten die anderen Leute des Trecks noch zu mir. Aber wie lange noch? Sie sind keine Giganten mit eiserner Selbstzucht und Disziplin. Sie sind Menschen, die qualvoll leiden und mit fast wahnsinnigen Augen auf den Brunnen starren. In der Sonne spiegelt sich das Wasser an den inneren Brunnenwänden, helle Kringelmuster tanzen dort auf und ab und suggerieren klare, erfrischende Kühle. Ich bin sicher, daß die Leute nicht mehr lange durchhalten werden. Sie können es gar nicht, weil sie am Ende sind. Sie werden von uns verlangen, daß wir uns stellen, damit sie nicht wegen uns verdursten. Daß ich es war, der sie durch die tödliche Wüste hierhergetrieben hat, zählt jetzt nicht mehr. Das ist bereits Vergangenheit, die niemanden mehr interessiert. Aber das Wasser zählt, der Lebensspender dort vorn in dem Brunnen, nur etwa dreißig Yards entfernt. Das bißchen Zeit, das mir noch bleibt, will ich dazu nutzen, um weiter in meinem Tagebuch zu schreiben. Kurz nach meiner Rehabilitierung wollte ich es eigentlich aufgeben, aber ich kann nicht. Irgend etwas zwingt mich dazu, meine Geschichte weiterzuerzählen. Für wen? Vielleicht für Jellico, meinen Sohn, damit er eines Tages erfährt, was für ein Leben sein Vater führen mußte. Und daß er es so führen mußte, weil es Großvater Hilton so paßte! Es ist grotesk, wenn ich daran denke. Aber zurück zu meinem Tagebuch. Ich muß mich konzentrieren, um mich zurückerinnern zu können. Auch mir setzt der Durst zu. Die Ungewißheit und Sorge um Linda und Jellico fressen an mir. Die Erinnerung führt mich zurück in den November des Jahres 1863. Es war in Montana im Gebiet der Alder Gulch, in der ein halbes Jahr zuvor Unmengen von Gold entdeckt worden waren. Das
ganze Land war vom Goldfieber, von einer blinden unmenschlichen Gier aufgewühlt. Und ich, ein sechzehnjähriger Junge, der innerlich wie äußerlich längst ein Mann war, steckte mitten darin …
1. Ich hatte lausiges Glück gehabt, daß ich nicht wie Jack McCall in Bannack am Galgen baumelte. Jack McCall war mein Partner gewesen, und Henry Plummer, Sheriff des Beaver Head County, hatte ihn und mich aufs Kreuz gelegt, um selbst das Gold auszubeuten, für das wir unsere Schürfrechte angemeldet hatten. Aber Plummer war das Gesetz in diesem Landstrich der Glücksritter, Desperados, Galgenvögel, Goldsucher und Schurken aller Preisklassen. Jack McCall hatte zuviel über Plummers Vergangenheit gewußt – deshalb mußte er von der Bildfläche verschwinden. Mich hatte Plummer laufenlassen. Vielleicht hatte er gedacht, ich sei harmlos. Und sicherlich war ich das auch, mit Plummers Augen gesehen. Er war einaalglatter, eleganter Heuchler, ein eiskalter Spieler, der seine Züge genau überlegte, bevor er brutal zuschlug. Dabei trug er den Stern auf der Brust und handelte im Sinne von Recht und Ordnung. Ich hatte Bannack verlassen müssen und war auf meinem Braunen – mit Shita, meinem Bastardhund, neben mir – geradewegs nach Virginia City geritten. Der Traum vom Gold war aus, und es tat mir nicht einmal leid. Es klebten Blut und Tränen daran. Wer Gold fand, war seines Lebens nicht mehr sicher – ganz abgesehen von der eigenen Charakterstärke. Denn die meisten, die Gold gefunden hatten, spielten verrückt, ließen die Puppen tanzen, besoffen sich und verjubelten alles. Ich fand bei Ted Gibson in Virginia City einen Job. Das klappte fast auf Anhieb, denn die Unternehmer in dieser wildgewordenen Gegend waren froh, überhaupt willige Arbeitskräfte zu kriegen. Jeder andere normale Sterbliche war ja hinter dem Gold her. Ted Gibson war Frachtfuhrunternehmer und residierte in einer schäbigen Bruchbude an der Main Street von Virginia City. Seine Wagen und Pferde standen unter einer großen Zeltplane direkt hinter
seinem »Office«. An diesem Office hatte er ein Pappschild angenagelt, das verkündete, daß er Fahrer für seine Wagen suche. »Pro Woche 20 Dollar«, stand auf dem Pappschild. Ich las das Schild und kletterte aus dem Sattel. Den Braunen band ich an einem wackligen Querbalken vor dem Office an, pfiff Shita, der einen riesigen schwarzen Kater anknurrte, und stiefelte mit ihm in das Office. Ted Gibson, ein stiernackiger, hemdsärmeliger Brocken von Mann, mit einem Kinn, auf dem Kinder Versteck spielen konnten, saß hinter einer Kiste und war damit beschäftigt, eine Kolonne von Zahlen auf einem Stück Papier zu addieren. Ich sah ihm zu und fing an, seine Haare zu zählen. Er hatte eine Stirnglatze und auf dem Hinterkopf einen haarlosen Hof. Zwischen Stirnglatze und haarlosem Hof lagen drei Haarsträhnen zu je zwanzig bis dreißig Haaren, die von links nach rechts gekämmt waren und den Eindruck erweckten, als hätten sie sehr viel Mühe, weiter zu gedeihen. Als ich die Haare gezählt hatte, schaute ich mich um und fand die Bude von Ted Gibson so mies, daß ich beschloß, wieder zu gehen. Also wandte ich mich um. »Hierbleiben!« sagte Ted Gibson. »Achtundneunzig, einhundertvier, einhundertzwozehn, achtzehn, zwoundzwanzig, dreißig – verdammt, wieviel hatte ich im Sinn?« »Zwölf«, sagte ich auf gut Glück. »Das heißt nicht zwölf, sondern zwozehn«, belehrte er mich. »Fein«, sagte ich. »Sie zahlen also zwanzig Dollar pro Woche, wie ich auf dem Schild draußen gelesen habe. Brauchen Sie noch einen Fahrer?« »Das heißt zwanzig«, sagte er, schob jetzt endlich seine Zahlenkolonnen von sich und unterzog mich einer eingehenden Musterung. Er hatte graue, flinke Augen über seinem wüsten Rammkinn und sah wirklich nicht nach Pappe aus. »Wie heißt du?« »Ronco.« »Schöner Name.« »Find ich auch.«
Damit war dieses Thema abgehandelt. Die meisten regten sich darüber auf, daß ich keinen Nachnamen hatte. Ted Gibson ging darüber weg. Er musterte meinen tiefgeschnallten Navy-Colt. »Kannst du mit dem Ding umgehen?« Bruchteile von Sekunden später starrte er in meine Laufmündung. »Oha«, sagte er. »Ganz schön, Söhnchen.« Er grinste. »Ziehen und treffen sind aber zwo Paar Stiefel …« »Wo wünschen Sie das Loch?« fragte ich freundlich. Er deutete zu einem Kalender links von mir, auf dem ein Hirsch mit einem Riesengeweih brünstig den Mond anhustete. Ich feuerte aus der Hüfte und schoß dem Hirsch den Kopf samt Geweih weg. Statt des Kopfes war da nun ein Loch. Der Hirsch war enthauptet. Ted Gibson räusperte sich. »Zwoundzwanzig Dollar«, sagte er. »Vorausgesetzt, du kannst mit einem Gespann umgehen.« »Kann ich«, sagte ich, »ich bin bei der ›Russel, Majors und Wadell Postkutschengesellschaft‹ gefahren und war später Postreiter.« Jetzt wurde er doch etwas mißtrauisch. »Schießen kannst du, ein Gespann fahren kannst du, lesen kannst du – sag mal, wie alt bist du eigentlich?« »Achtzehn, Sir.« »Hm.« Er schien mir nicht recht zu glauben. »Vielleicht bin ich auch schon neunzehn«, sagte ich. »Wieso das denn?« »Weil ich nicht weiß, wann ich geboren wurde.« Er runzelte die Augenbrauen. Die waren besser bestückt als sein Haupthaar, richtige Wülste waren das, wie fette, gutgenährte Raupen. »Mann«, sagte er, »du mußt doch wissen, wann du geboren bist.« Ich schüttelte den Kopf. »Leider weiß ich es nicht. Meine Eltern sind mit einem Treck nach Westen gezogen. Der Treck wurde von Apachen überfallen, kein Mensch außer mir blieb am Leben. Mich fanden Mönche, die mich dann auch aufzogen.« »Verstehe«, sagte er und stand auf. »Gut, du kannst bei mir anfangen, Söhnchen. Der Job hat's in sich. Du wirst zweimal wöchentlich Post und Lebensmittel von hier nach Beaver Head
bringen. Wenn hier nicht alle möglichen Strauchdiebe und Halsabschneider herumlungerten, die dir den letzten verdammten Cent aus der Tasche zu klauen versuchen, wäre der Job das reinste Sonntagsvergnügen. Ist es aber nicht. Überleg's dir also. Vier meiner Fahrer schlummern bereits in einer Holzkiste, drei liegen zur Zeit beim Doc, um wieder geflickt zu werden, und zwei sind spurlos verschwunden. So sieht's aus. Willst du den Job immer noch?« »Ja«, sagte ich. Er nickte und schüttelte mir die Hand. »Morgen übernimmst du deine erste Fuhre«, sagte er. »Und der Teufel soll dich holen, wenn du dir auch nur ein Stück von der Ladung klauen läßt.« * Der Teufel holte mich genau an einem Freitag in der zweiten Novemberwoche. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er es mit mir gutgemeint. Ich hatte Schonzeit gehabt und mich rundherum wohlgefühlt. Jede Woche kassierte ich meine »zwoundzwanzig« Dollar und außerdem diese und jene Trinkgelder in Beaver Head oder Virginia City. Zum Leben brauchte ich nicht viel. Ich schlief in einer Ecke im Office Ted Gibsons, die er mir großzügig zur Verfügung gestellt hatte. So brauchte ich kein Logiergeld zu zahlen. Und den Bauch kriegte ich auch voll genug, denn Ted Gibson ließ mir immer etwas von seinen Mahlzeiten übrig. Mein Brauner stand bei den Gespannpferden unter der Plane am Office und war ebenfalls bestens versorgt. Auch Shita wurde prall und rund, blieb aber in Form, weil er mich bei den Fahrten begleitete. Mit dem riesigen schwarzen Kater kriegte er allerdings ständig Ärger. Der mußte auf ihn wie das rote Tuch auf den Stier wirken. Er brauchte nur dessen Schwanzspitze zu sehen, da war er schon gereizt. Zweimal kriegte er von dem schwarzen Biest eine gewischt, daß die Fellfetzen nur so flogen. Wenn ich gedacht hatte, daß ihm das reichen würde, dann sah ich mich getäuscht. Ein Hund wie Shita kapitulierte, nicht. Sonst wäre er auch nicht mein Hund gewesen. Mich ärgerte nur, daß mein Hund sich immer wieder von dem
schwarzen Teufel leimen ließ. Die meisten Begegnungen zwischen den beiden verliefen so, daß der Kater wie der Blitz auf ein Dach entwetzte und sich dort putzte und abschleckte, während Shita unten Luftsprünge vollführte und sich die Kehle heiser kläffte. Das wurde zur lieben Gewohnheit, genauso wie der dann einsetzende Krach der Anlieger neben dem Office und auf der anderen Straßenseite, die sich lautstark über den »verlausten Köter« empörten. Am lautesten und giftigsten führte sich Roswitha Nägeli auf, eine Deutsch-Schweizerin mit Dutt, einem faltigen Geierhals und so dürren Gliedmaßen, daß ich immer Angst kriegte, ihre Knochen könnten zu scheppern anfangen, wenn sie erregt ihre Fäuste gegen Shita schüttelte. Ihr gehörte der verdammte Kater, mit dem sie eine Bretterbude bewohnte. Mister Nägeli, so erzählte mir Ted Gibson grinsend, habe seine Alte sitzenlassen und sei mit einem ziemlichen Batzen Gold Richtung Wyoming verschwunden. Seitdem bestritt Roswitha Nägeli ihren Lebensunterhalt mit Näh- und Flickarbeiten und verdiente nicht schlecht dabei, denn Virginia City wuchs förmlich aus dem Boden, nachdem im Mai dieses Jahres ein paar Prospektoren in der Alder Gulch Gold gefunden hatten. Ich mochte Roswitha Nägeli nicht, die in einem Wettbewerb für die häßlichste Vogelscheuche bestimmt den ersten Preis erhalten hätte. Aber ich verhielt mich strikt neutral, wenn sie ihren Keifauftritt hatte. Wenn Shita so stur war, immer wieder auf den Kater loszugehen, dann hatte er selbst Schuld, wenn Roswitha Nägeli eines Tages mit dem Strohbesen ihren Kater verteidigte. Wenn wir unterwegs nach Beaver Head waren, kehrte natürlich Ruhe ein. Meistens zog ich mit dem Kastenwagen und zwei Gespannpferden in aller Frühe los, wenn noch die Nebel über dem Land lagen, das von zahlreichen Creeks durchflossen wurde. Die Fahrt dauerte etwa sechs Stunden und führte durch gewundene Täler, Schluchten und Canyons. Zwei Stunden blieb ich in Beaver Head, lud den Wagen bei einem Store und dem Postoffice ab und kehrte meist leer nach Virginia City zurück. Mit der Fahrt hin und zurück verging meist ein ganzer Tag. Wie gesagt, bisher war ich ungeschoren geblieben. Meine
Wachsamkeit ließ nach, und da man für alles Lehrgeld zahlen muß, erhielt ich prompt meine Quittung. An dem bewußten Freitag in der zweiten Novemberwoche spannte ich gegen fünf Uhr morgens die beiden Pferde vor den Kastenwagen und verließ Virginia City. Shita tigerte noch einmal zu Roswitha Nägelis Bretterbude, schnüffelte dort herum, hob ein Bein und stellte eine Pfütze direkt vor den Eingang. Der hatte vielleicht ein Gemüt! Als er hinter mir herjagte, hatte ich den Eindruck, als grinse er über das ganze Gesicht. Es war klamm und feucht, Bodennebel wölkten über der Fahrbahn. Bald würde der erste Schnee fallen, aber die nach Gold verrückten Menschen würden weiter in den Creeks ihre Pfannen schwenken und sich dabei den Hintern abfrieren. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch, gähnte und lehnte den Rücken bequem gegen die rückwärtige Bockbank. Meine beiden Gespannpferde, ungebrandete Tiere, kannten den Weg. Ich konnte die Zügel locker lassen. Auf der Ladefläche hinter mir lagen zwei Postsäcke, ferner Säcke mit Mehl, Kaffee und Zucker, drei Kisten mit Hostetter-Whisky, vier Blechkästen – verlötet – mit Zigarren, ein paar Kartons mit karierten Baumwollhemden und derben Hosen, weitere Kartons mit Schuhen und Stiefeln sowie Kisten mit Werkzeugen, Nägeln, Metallwaren aller Art und noch einige Lebensmittel wie Schinken, Hartwürste, Erbsen und Bohnen. Ich hatte einen Lieferschein bei mir, auf dem die Waren einzeln aufgeführt waren. Soweit ich das beurteilen konnte, florierte Ted Gibsons Frachtfuhrunternehmen bestens. Es war eine Bonanza anderer Art und weiß Gott solider und gesünder als die ganze verdammte Plackerei nach dem gelben Metall. Ted Gibson hatte sein Unternehmen vor drei Monaten in Virginia City eröffnet, und wie es mir schien, verdiente er sich damit eine goldene Nase. Ob ein paar Fahrer dabei über die Klinge sprangen, war unwesentlich, und den Verlust der jeweiligen Fracht konnte er verschmerzen. Ich dachte an die »zwoundzwanzig« Dollar die Woche. Mit den
Trinkgeldern verdiente ich im Monat über hundert Dollar – ein fürstlicher Lohn, von dem ich noch nicht einmal viel auszugeben brauchte. Ich hatte allen Grund, mit mir und der Welt zufrieden zu sein. Ted Gibson war ein harter Brocken, aber er fraß mich nicht auf. Hauptsache, ich kriegte die Frachtladung heil bis Beaver Head. Alles andere interessierte ihn nicht. Und er war kein Korinthenkacker, der jedes Haar in der Suppe zählte. Wir passierten ein paar Claims, bei denen schon wieder gearbeitet wurde. Ein paar Männer, die mich bereits kannten, grüßten herüber. Die meisten aber schielten nur mißtrauisch, als fürchteten sie, ich würde ihnen die Butter vom Brot klauen. Das waren die Verrückten, denen das Goldfieber bereits das Gehirn versengt hatte. Ihre Köpfe ruckten ständig hierhin und dorthin, unruhig, nervös, lauernd, geprägt von der Gier, Nuggets zu finden, und von der Angst, sie wieder zu verlieren. Sie waren für ihr Leben gezeichnet, weil sie niemandem mehr trauten – ich glaube, am allerwenigsten sich selbst. Wir ließen den letzten Claim hinter uns, durchfurteten einen Creek, an dem einmal Biber gehaust hatten, die aber längst die Flucht ergriffen hatten, und fuhren jetzt durch zerklüftetes, wildes Gebiet, das allerdings von den Radfurchen der Route nach Beaver Head gepflügt war. Der Nebel riß auf und ließ Millionen glitzernder Wasserperlen an Bäumen und Sträuchern zurück. Dann stieg die Sonne auf, um ihre flache Bahn zu ziehen. Sie hatte keine Kraft mehr um diese Jahreszeit. Gegen elf Uhr vormittags setzte sich Shita etwa dreißig Yards vor dem Gespann mitten zwischen den beiden Radfurchen auf die Hinterpfoten und hechelte uns entgegen. Er wollte jetzt fahren. Das hatte sich zu einem Ritus bei uns entwickelt. Also hielt ich vor ihm und half ihm auf die Bockbank; Neben mir kringelte er sich zusammen, schnaufte zufrieden, legte den Kopf auf die Vorderpfoten, döste zu mir hoch und schlief dann ein. Eine halbe Stunde später lenkte ich das Gespann durch eine Steilschlucht mit überhängenden Felsen. Sie verlief zunächst gerade, bog dann aber in einem Knick nach Osten ab.
Und hinter diesem Knick warteten sie. Ich war so perplex, daß ich im ersten Augenblick glaubte, zu träumen. Ich zwinkerte mit den Augen, aber sie blieben da. Es waren vier maskierte Reiter, die mit ihren Pferden die Schlucht blockierten. Ich starrte in vier Gewehrläufe, nein in fünf, denn der rechte Kerl liebkoste eine Schrotflinte mit abgesägten Doppelläufen. Ich weiß, daß meine Kopfhaut zu prickeln begann und Ameisen über meinen Rücken liefen. Für Bruchteile von Sekunden hatte ich die Wahnsinnsidee, nach meinem Colt zu greifen. Aber ich saß zu ungünstig. Voller Demut senkte ich den Kopf und dachte an Ted Gibsons Worte, daß mich der Teufel holen solle, wenn … Jetzt hatte er mich geholt. Die vier maskierten Kerle ritten langsam auf mich zu, so richtig gemütlich, ihrer Sache völlig sicher. Zurück konnte ich nicht, da war der Knick, und sie hätten mich bei der geringsten Bewegung vom Wagenbock gepustet. »Hallo!« sagte ich. Was anderes fiel mir nicht ein. Shita neben mir auf der Bockbank begann zu knurren. Er richtete sich mit einer gleitenden Bewegung auf und fletschte den Fang. Eins der Gespannpferde begann nervös zu tänzeln. Nervös wurde ich jetzt auch. Das war so die Situation, die ich wie die Pest haßte, weil mir die Initiative genommen war. Um mir Luft zu schaffen, fluchte ich. »Schnauze«, sagte der mit der Schrotflinte. Hinter der Maske klang seine Stimme verzerrt, aber freundlich war sie bestimmt nicht. Ich biß mir auf die Lippen und erwog, vom Bock zu springen. Am besten nach links, da hatte ich eine gewisse Chance, der mörderischen Schrotladung zu entgehen – falls ich schnell genug war. »Bleib schön sitzen«, sagte der mit der Schrotflinte. Er konnte wohl Gedanken lesen. Dann hob er etwas den Kopf, als gäb's auf dem Felsen über mir etwas zu sehen, und sagte: »Nun spring schon, Ollie!« Ich hörte ein scharrendes Geräusch über mir, und dann hatte ich das Gefühl, von einem Dampfhammer durch die Fußbretter der Bockbank gerammt zu werden. Einer, der anscheinend Ollie hieß,
hatte sich auf mich fallen lassen und drückte mich platt wie einen Hefefladen. Mein Rückgrat krachte und ächzte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Shita mit einem Sprung von der Bockbank wetzte – wohl zutiefst erschrocken über den Mann, der vom Himmel gefallen war. Zwei, drei Schüsse peitschten. Der Kerl über mir schnaufte, wälzte sich von mir, aber bevor ich wieder hoch war und Luft schnappen konnte, zerplatzten Sterne in meinem Kopf, und es wurde dunkel.
2. Der Teufel hatte mich nicht ganz geholt. Jedenfalls stellte ich mir die Hölle, von der mir der gute Padre Ambrosius in der Mission unten am Pease River soviel erzählt hatte, anders vor. Als ich die Augen öffnete, fiel mein Blick auf bräunliche Herbstgräser, zwischen denen ein Käfer herumturnte. Er tat das mit zäher Unverdrossenheit, obwohl die Gräser sein Gewicht nicht hielten. Aber das begriff er nicht. Ich stierte zu ihm hinunter und merkte nach einer Weile, daß mein Kopf über die Bodenbretter des Bocks hinausragte. Ich betrachtete den Käfer aus der Vogelperspektive. Ich hob den Kopf und ignorierte die Explosionen. Da lag ich also der Länge nach unterhalb der Bockbank, und mein Kopf hatte draußen gehangen. Ein Bett mit einem Kopfkissen wäre mir lieber gewesen. Dann begann ich nachzudenken und fuhr hoch. Die beiden Gespannpferde waren verschwunden. Ich drehte mich um. Die Ladefläche meines Kastenwagens gähnte mich an – leer, ratzekahl leer. Ich sank auf die Bockbank und war ziemlich geschafft. Mein Schädel brummte, rechts über dem Ohr ertastete ich eine Schwellung vom Format eines mittleren Hühnereis. Ich zuckte zusammen, als ich die Stelle berührte. Schmerz, Selbstmitleid, Unbehagen, Verärgerung stiegen in mir hoch, aber dann Wut. Wut über meine mangelnde Wachsamkeit. Gut, diese Schlucht mit dem Knick war die ideale Falle. Aber gerade
deswegen hätte ich besser aufpassen müssen. Ich war zu sorglos gewesen und wie ein blutiger Anfänger in den Hinterhalt getappt. Vorn hatten sie die Schlucht abgeriegelt, und von oben hatte sich ein Strolch namens Ollie einfach auf mich fallen lassen und mir eine Kopfnuß verpaßt. Siedend heiß fiel mir Shita ein. Sie hatten nach ihm geschossen, die Schüsse hatte ich noch gehört. Hatten sie ihn erwischt? Ich war zu feige, mich umzusehen. Meine Handflächen wurden feucht. Nein, um Gottes willen, nur das nicht. Sie durften meinen Hund nicht erschossen haben, ich hing doch an ihm, er war mein Freund, mein Bruder, er war alles, was ich hatte. Ich riß mich zusammen, stand auf und kletterte von der Bockbank. Mir wurde etwas schwarz vor Augen, aber das verging. Dann schaute ich mich um. Seit dem Überfall mochte eine knappe Dreiviertelstunde vergangen sein. Ich fand Shita nicht und atmete auf. Er hätte hier in der Schlucht liegen müssen. Blutspuren entdeckte ich auch nicht. Ich schüttelte den Kopf. Das gab's doch gar nicht, daß mein Hund mich allein ließ. Ich war schon häufig bewußtlos gewesen. Jedesmal hatte er mir solange das Gesicht abgeleckt, bis ich wieder wachgeworden war. Ich suchte die Schlucht hinter dem Wagen ab. Nur in die Richtung konnte er entwetzt sein, als die Schüsse fielen. Vor uns hatten die maskierten Strolche die Schlucht blockiert. Shita war bestimmt nicht so blöd gewesen, sie zu attackieren. Ich gab die Suche auf und kehrte zu dem Wagen zurück. Unter der Bockbank war eine Lade, in der ich meinen Proviantsack verstaut hatte. Den hatten die Banditen nicht mitgehen lassen. Meinen Colt hatte ich auch noch. Ich hatte auf ihm gelegen, und wahrscheinlich hatten sie ihn übersehen. Meinen Sharps-Karabiner hatte ich in Virginia City gelassen und leider auch meinen Braunen. Ich stand ganz schön belämmert da. Um mich zu trösten, begann ich zu essen. Ich säbelte zwei saftige Scheiben Schinken von dem Stück, das ich mitgenommen hatte, aß dazu Hartbrot und trank kalten Kaffee aus der Blechflasche. Das möbelte mich auf.
Jetzt blieb mir nur der Fußmarsch zurück nach Virginia City. Ted Gibson würde mir den Marsch blasen oder mich feuern. Das letztere schränkte ich ein. Arbeitskräfte waren knapp. Vielleicht würde Ted Gibson ein Einsehen haben. In der Lade hatte ich noch eine Satteldecke, die ich einrollte und mir schräg über die Schulter band. Den Proviantsack warf ich mir über den Buckel und sprang vom Wagen. Und dann erstarrte ich, denn in der Schlucht voraus, dort, wo die vier Männer den Weg abgeriegelt hatten, fegte etwas Gelbbraunes heran. Shita! Er japste, hechelte, grinste, wetzte mit verdrehtem Hinterteil um mich herum und führte sich auf, als hätten wir uns vor zehn Jahren das letztemal gesehen. Mein Hund war wieder da. Ich hockte mich auf die Knie und ließ mich ablecken. Ich glaube, wir waren beide sehr glücklich. »Schöner Mist, was?« sagte ich zu Shita. »Die Bastarde haben die Pferde mitgenommen und den ganzen Wagen leergeräumt.« Shita hechelte, warf sich herum und schnüffelte durch die Schlucht in die Richtung, aus der er herangerast war. Ich beobachtete ihn. Er hielt kurz, wandte den Kopf und blaffte mich an. Er hatte eine Spur, und ich sollte ihm folgen. Ich überlegte. Ohne Pferd würde ich mir die Hacken ablaufen. Aber das war kein Argument. Mir war meine Ladung samt der beiden Pferde geklaut worden, und ich war dafür verantwortlich. »Zwoundzwanzig« Dollar die Woche, nicht wahr! Also hatte ich auch die Pflicht, dafür etwas zu tun. Ich bildete mir nicht ein, es mit fünf Banditen einschließlich Ollie aufnehmen zu können, aber vielleicht fand ich ihren Schlupfwinkel, und dann konnte ich weitersehen. Ich setzte mich in Marsch und folgte Shita, der mit der Schnauze am Boden vor mir her stromerte. Gleich hinter der Schlucht führte ein ziemlich breiter Wildpfad nordwärts. Er verlief unter riesigen Tannen und schlängelte sich immer höher in das bergige, wilde Land. Ein Problem beschäftigte mich. Wie hatten die Kerle die Wagenladung transportiert? Oder war ihr Schlupfwinkel ganz in der Nähe? Ich mußte höllisch aufpassen, konnte mich aber auf Shita
verlassen. Auf einer Waldlichtung fand ich die Lösung des Transportproblems. Neben den Trittsiegeln der Pferde entdeckte ich Maultierspuren. Ich untersuchte sie. Es waren die Hufabdrücke von vier Maultieren. So war das also. Außerdem hatten sie noch meine beiden Gespannpferde, die sie ebenfalls als Lasttiere benutzen konnten. Ich war gespannt, wohin mich Shita führen würde. Unbeirrt folgte er den Spuren. Der Nachmittag verging. Wir hatten die Baumgrenze erreicht. Der Boden wurde felsig, und jetzt war ich auf Shitas Nase angewiesen – trotz der Lektionen im Spurenlesen, die mir Little Friend erteilt hatte. Als es zu dunkeln begann, hielt ich nach einem Schlafplatz für die Nacht Ausschau. Es hatte keinen Zweck, in der Dunkelheit weiterzutappen und sich womöglich die Knochen zu brechen. Der Pfad, den die Banditen gewählt hatten, war alles andere als ein Spazierweg. Am gefährlichsten waren die Felsrinnen, die wie schmale Stege an den Felsen entlangführten. Ein Tritt daneben, und ab ging die Fahrt in die Tiefe. Ich fand den Schlafplatz unterhalb eines Grates, wo der Pfad in eine Geröllhalde überging und eine Bergquelle eine Art Becken ausgewaschen hatte, bevor sie wieder zwischen den Felsen verschwand. Links von ihr standen ein paar mächtige Felsbrocken so übereinander, daß sie eine kleine Höhle bildeten. »Schluß für heute!« rief ich Shita zu. Er hatte nichts dagegen einzuwenden und kehrte schwanzwedelnd zu mir zurück. Wir tranken beide von dem kristallklaren Wasser, und ich kühlte das Ei auf meinem Kopf. Ganz so schlimm war es nicht mehr, aber es tat trotzdem gut. Um restlos glücklich zu sein, wusch ich mir noch die Füße, die es nach dem Marsch verdient hatten, pfleglich behandelt zu werden. Ich spürte meine Knochen. Schließlich marschierte ich nicht jeden Tag über sieben Stunden, vom Steigen gar nicht zu sprechen. In der Höhle bereitete ich mein Nachtlager und verzehrte zusammen mit Shita einen Teil des Schinkens. Dann wickelte ich mich in die Satteldecke. Shita legte sich neben mich und wärmte mir
den Rücken. Draußen strich der Nachtwind vorbei. Wir waren geschützt und hatten ein Dach über dem Kopf. Ich hörte Shita zufrieden schnaufen und schlief ein. * Noch im Morgengrauen fand Shita die Hütte. Wir waren nur etwa eine halbe Stunde unterwegs gewesen, als wir einen Canyon durchquerten und Shita plötzlich abrupt stoppte und geduckt, den Kopf etwas vorgeschoben, leise knurrte. Ich schloß zu ihm auf und entdeckte die Hütte am jenseitigen Ende des Canyons. Sie war noch etwa zweihundert Yards von uns entfernt. Ohne zu zögern verließ ich die Mitte des Canyons und huschte nach links in das Halbdämmer der steilaufragenden Canyonwand. Shita folgte mir lautlos. Jetzt hatte ich die Führung übernommen. Im Schutz des hier noch herrschenden Schattens riskierte ich es, bis auf etwa dreißig Yards an die Hütte heranzuschleichen. Jetzt entdeckte ich auch den Korral. Dort standen fünf Pferde, meine beiden Gespannpferde und in einem Nebenkorral die vier Maultiere. Shita und ich hatten sie gefunden, die verdammten Strolche. Ich beschloß zu warten. Bisher hatte ich sie nur maskiert gesehen. Jetzt wollte ich wissen, was für Visagen sie hatten. Vielleicht hatten sie sich bereits in Virginia City herumgetrieben – darum die Masken. Und dann fiel mir ein, daß sie mich in der Schlucht erwartet hatten. Ihnen mußte bekannt gewesen sein, daß ich gestern, am Freitag, eine Wagenladung Frachtgut nach Beaver Head bringen sollte. Vielleicht hatten sie in Virginia City beobachtet, wie Ted Gibson und ich am Donnerstagnachmittag den Kastenwagen beladen hatten. Oder sie hatten Spitzel in der Stadt. Jetzt wurde mir doch etwas mulmig. Ich blickte mich um und entdeckte einen riesigen Felsbrocken, der vor Jahrhunderten in den Canyon gestürzt sein mußte, denn auf ihm hatten sich drei Tannen mit tief hängenden Zweigen angesiedelt. Ihre Höhe schätzte ich auf mindestens fünfundzwanzig Yards. Auf dem Felsbrocken und unter den tiefen Tannenzweigen mußte ich eine hervorragende Deckung finden. Shita sah mir zu, wie ich auf
den Brocken kletterte. Dann folgte er mir. Ich kroch unter die Zweige und legte mich lang. Shita blieb neben mir. Ich hatte nicht nur eine gute Deckung, sondern auch ein freies Blickfeld über den gesamten Canyon. Die Hütte lag schräg unter mir. Das Warten begann. Aber ich hatte es gelernt, Geduld zu haben. Vielleicht hatten die Kerle am Abend zuvor ihren Raubüberfall gefeiert und ein paar Flaschen Hostetter-Whisky den Hals gebrochen. Dann lagen sie natürlich noch in sauer, und ich konnte lange warten. Gegen neun Uhr ging das Gerummel in der Hütte los. Dann sprang die Tür auf, und ein schwarzbärtiger, breitschultriger Mann erschien. Ich kannte ihn nicht. Er gähnte den Himmel an, kratzte sich den Hintern, dann die Brust und riß noch einmal sein Maul so weit wie ein Scheunentor auf. Dabei klang sein Gähnen wie das Stöhnen eines alten Bullen. Dann hustete und räusperte sich der Schwarzbart, gurgelte aus verschleimter Kehle Brocken hoch und spuckte sie in die Landschaft. Mir wurde fast schlecht. Der Kerl knöpfte seine Hose auf, stellte sich an eine Seitenwand der Hütte, und ich hörte es plätschern. Drinnen brüllte eine wütende Stimme, in die andere einfielen. Dem Wortlaut nach konnte ich entnehmen, daß es sich nicht um Regen handelte, der durch die Ritzen der Seitenwand in die Hütte eingedrungen war. Ich vernahm sehr viele Schimpfworte wie »alte Sau«, »Mistbock«, »brünstiger Waldesel« und ähnliches. Das war mal eine feine Bande. Der Regenmacher hatte inzwischen seine Hose wieder zugeknöpft und schlurfte zu einem Holzstoß, wo Scheite gestapelt waren. Er lud sich die Arme voll und kehrte in die Hütte zurück. Drinnen ging das Palaver weiter. Ein paar Minuten später stieg Rauch aus dem Kamin. Jetzt wurde wohl das Frühstück zubereitet. Ein anderer Mann tauchte in der Tür auf, ein dürrer, schlaksiger Kerl mit einem miesgrämigen Gesicht. Ich konnte mir nicht helfen – mit Masken hatten sie gefährlicher ausgesehen. Diese Typen hier waren die letzten Buschklepper. Der Miesgrämige trug eine mehrfach geflickte Hose, eine zerschlissene Jacke und schiefgelaufene Stiefel. Er hatte sich noch nicht einmal von der
Beute neu eingekleidet. Das war bezeichnend. Sie legten auf ihr Äußeres keinen Wert. So schlampig das war, so wirkten auch ihre Visagen. Der Kerl pumpte von einem Brunnen Wasser hoch, füllte einen Eimer und ging zu dem Korral. Das tat er mehrere Male, um die Tiere saufen zu lassen. Dabei hatte er eine Miene aufgesetzt, als nehme er an seinem eigenen Begräbnis teil. Ich grinste, als eins der Maultiere störrisch wurde und nach ihm schnappte. Er brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit, schüttelte die Faust und fluchte lästerlich. Zur Strafe erhielt das Maultier kein Wasser und wurde prompt noch bockiger. Es stieg hinten hoch, als wolle es Handstand üben, um später im Zirkus aufzutreten. Die Hufe flogen haarscharf an dem Miesgram vorbei. Es war eine beeindruckende Leistung des Maultiers. Jetzt begann der Miesgram lauthals zu zetern, und der Schwarzbärtige erschien auf dem Plan. Der Miesgram schrie nach Ollie, der sich verdammt um seine verdammten Biester selber kümmern solle. Also betreute Ollie – neben seiner Eignung als Springer von irgendwelchen Felsen – die Maultiere. Ich war neugierig, wie der Mann aussah, der sich wie ein Rammbock auf mich geworfen hatte. Es war wie eine Theatervorstellung, und ich hatte den Logenplatz. Auf der Bühne erschien Ollie. So hatte ich ihn mir fast vorgestellt – ein breiter, dicker Pfannkuchen mit Hamsterbacken, spärlichem Blondhaar, einem Doppelkinn, das wie eine Wampe wabbelte, und wurstförmigen Säbelbeinen. Dennoch bewegte er sich ausgesprochen grazil. Er pfiff den Miesgram an, zu dämlich zu sein, um ein paar Maultiere zu versorgen, und erledigte das, wozu der Miesgram eine halbe Stunde gebraucht hatte, in drei Minuten. Dieser feiste Kloß war ganz schön flink. Ich hatte die drei Kerle vor mir wie auf einem Präsentierteller und überlegte, ob ich sie von den Füßen schießen sollte. Ich wußte, daß ich es schaffen würde, auch die beiden anderen, die sich bisher noch nicht gezeigt hatten. Dann hätte ich meine Frachtladung wieder und würde sie doch noch nach Beaver Head bringen.
Aber ich hatte Skrupel. Ich war kein Heckenschütze. Dennoch haderte ich mit mir. Ich erwog alle möglichen wilden Pläne. Das Dümmste war, ihnen das Dach über dem Kopf anzuzünden. Dann würden auch die Waren verbrennen. Idiot, dachte ich. Da war es schon besser, ihnen die Pferde und Maultiere zu klauen und dann zu versuchen, die Kerle einzeln auszuschalten. Shita unterbrach meine Überlegungen. Er witterte nach links und knurrte ganz leise. Es war nur für mich hörbar. Ich schaute zu dem linken Canyoneingang, konnte aber nichts entdecken. Vor der Hütte war Ollie immer noch dabei, den Mieskram zum Trottel zu erklären. Der Schwarzbärtige hörte grinsend zu. In diesem Augenblick vernahm ich Hufschlag, der sich näherte. Auch der Schwarzbart hörte es, denn er stoppte Ollies Redefluß. Wenn ich gedacht hatte, daß die drei in irgendeiner Form alarmiert gewesen wären, dann sah ich mich getäuscht. Offensichtlich erwarteten sie jemanden. Sie blickten zum Canyoneingang und hielten es noch nicht einmal für nötig, sich zu verbergen oder in Deckung zu gehen. Drei Minuten später tauchte ein Mann auf einem Pferd im Canyoneingang auf und ritt auf die Hütte zu. Ich riß die Augen auf. Diesen Mann auf der großen Fuchsstute, den kannte ich nun allerdings. Sein Blechabzeichen hatte er immerhin abgenommen. Es war Harry Funham, einer der DeputyMarshals aus Bannack, ein Plummer-Mann, das sagte alles. Schau einer an, dachte ich. Die Gentlemen mit dem Stern des Gesetzes machen gemeinsame Sache mit Straßenräubern. Denn das war jetzt so klar wie dünne Brühe: die drei Kerle vor der Hütte grinsten dem Deputy-Marshal entgegen, als sei er der Weihnachtsmann persönlich. Hier trafen sich liebe alte Bekannte. Der Mann des Gesetzes und die Mitglieder einer Bande von Strolchen gaben sich ein trautes Stelldichein. Ich hatte ja nichts dagegen, wenn sich Menschen friedlich begegneten, aber wenn Gesetz und Verbrechen in einem Topf kochten, dann stank das zum Himmel. Harry Funham winkte jovial. »Na, ich seh schon!« rief er beim Heranreiten. »Es hat wieder
bestens geklappt!« »Bei uns klappt's immer!« rief der Schwarzbart und reckte den Brustkasten. »Habt ihr den Jungen umgelegt?« »Ollie hat ihm den Schädel massiert«, erwiderte der Schwarzbart. »Der Bengel ist so gut wie hin. Und wenn er's übersteht, weiß er auch in zwanzig Jahren noch nicht, wer ihm das Ding verpaßt hat.« Harry Funham war heran und stieg aus dem Sattel. Er schüttelte den Kopf. »Schlecht«, sagte er, »sehr schlecht, Ritcher. Wir wollen keine Zeugen, das war vereinbart. Hal Brooks weiß das. Wo steckt er überhaupt?« Ritcher, der Schwarzbärtige, deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Noch da drin. Wir haben gestern abend einen zur Brust genommen – hoch lebe der Fischzug!« Harry Funham knurrte etwas Unverständliches. Dann sagte er: »Sattelt eure Pferde, es wird heute gleich weitergefischt, nehmt also die Maultiere mit. Von den beiden Gespannpferden wird eins zu meinem Anteil geschlagen. Die beiden Gäule sind doch ungebrändet, oder?« »Ungebrändet«, sagte Ritcher. »Gut. Von dem Whisky nehme ich auch gleich ein paar Flaschen mit, ebenfalls ein paar Kisten Zigarren. Packt ein Bündel. Das Gespannpferd kann das Zeug tragen. Mit dem anderen Kram verfahren wir wie üblich. Ich habe bereits einen Käufer. Da springt 'ne runde Summe für uns alle 'raus.« »Möchte ich auch hoffen«, brummte Ritcher hinter dem DeputyMarshal her, der bereits zur Hütte ging. Mehr wagte er nicht zu sagen, dabei war allen dreien anzusehen, daß sie davon überzeugt waren, von Harry Funham kräftig übers Ohr gehauen zu werden. Der Miesgram spuckte gezielt auf einen Stein, der die Form einer kleinen Pyramide hatte, und sah tiefsinnig zu, wie die Spucke an dem Stein nach unten lief. Er schien die Welt sehr schlecht zu finden. Dann gingen die drei daran, ihre Pferde zu satteln. Harry Funham war inzwischen in der Hütte verschwunden. Ich hörte nach etwa drei Minuten Stimmengemurmel, das dann aber lautstärker wurde. Es
ging um mich, wie ich mir aus den Wortfetzen zusammenreimen konnte. Funham beschwerte sich darüber, daß man es versäumt hatte, »den Bengel umzulegen«. Daß ich nicht im Jenseits gelandet war, schien dem DeputyMarshal schwer gegen den Strich zu gehen. Hätte er gewußt, daß ich keine fünfundzwanzig Schritte von der Hütte entfernt auf dem Felsen lag und alles mit anhörte, wäre er vor Wut wohl aus den Stiefeln gesprungen. Er erschien mit einem Mann, der wohl Hal Brooks sein mußte, vor der Hütte. Ich schloß das daraus, weil der fünfte Mann sofort zu dem Korral ging, um eins der Pferde zu satteln. Hal Brooks selbst war ein Mann mit Hängeschultern, kalten Fischaugen und langen grauen Haaren. Ich schätzte ihn auf Mitte Fünfzig – ein langes Leben, wenn er seine Verbrecherlaufbahn früh begonnen hatte. Dieser Brooks mußte ganz schön ausgekocht sein, wenn er es bis heute geschafft hatte, um den Galgen einen großen Bogen zu schlagen. Harry Funham und Brooks stritten sich vor der Hütte weiter herum, bis Brooks erklärte, man könne mich ja immer noch umlegen, falls ich nicht das Weite gesucht hätte. »Der hat doch die Nase voll«, sagte er. »Meinst du, der fährt weiter für Gibson?« »Wenn du dich mal nicht täuschst«, sagte der saubere DeputyMarshal. »Plummer hat ziemlich viel Ärger mit ihm gehabt. Der Junge gehört nicht zu der Sorte, die sich so leicht ins Bockshorn jagen läßt. Was ist denn mit dem Köter?« »Der ist abgehauen. Wir haben ihm ein paar Schüsse nachgejagt. Möglich, daß er getroffen wurde. Mann, mach bloß nicht so einen Zirkus deswegen, da müssen schon andere Kaliber aufkreuzen als dieser Grünschnabel. Wenn ich ihn noch mal treffe, fängt er 'ne Kugel ein – fertig, aus!« Das war ja heiter. Jedenfalls nahm ich mir vor, keine Kugel einzufangen. Die beiden gingen zu dem Korral. Das eine Gespannpferd wurde zur Hütte gebracht. Der Miesgram holte zwei Lederbeutel aus der Hütte und hing sie dem Pferd über den Rücken. Da waren wohl die Whiskyflaschen und die Zigarren für den DeputyMarshal drin.
Eine Viertelstunde später brachen sie auf. Leider nahmen sie alle Tiere mit, auch mein zweites Gespannpferd. Als sie hinter dem linken Canyoneingang verschwunden waren, sprang ich von dem Felsen und lief zur Hütte. Die Tür war weder verriegelt noch verschlossen. Ich trat ein und blickte mich um – die richtige Räuberhöhle, nur von dem geraubten Gut entdeckte ich nichts. Das gab's doch gar nicht. Dann sah ich die Falltür. Ein grobgezimmerter Tisch stand über ihr. Ich schob ihn beiseite, packte den Ring und zog die Falltür hoch. Kühle Luft drang von unten herauf. Ich entzündete eine Ölfunzel und stieg mit ihr die Leiter hinunter. Shita hockte sich an den Rand der Luke und sah mir zu. Sollten wir Besuch kriegen, würde er sich schon melden. Ja, man hatte den Raum unter der Hütte und noch mehr regelrecht unterkellert. Die Wände und die Decke waren mit dicken Bohlen abgesichert. An den Wänden befanden sich Regale – brechend voll mit der Beuteware. Da war nicht nur das Frachtgut von mir, da war viel, viel mehr. Dies hier mußte so eine Art Umschlagplatz für die Bande sein. Ich stopfte zwei Dauerwürste in meinen Proviantsack und entschied mich außerdem noch für eine Flasche Hostetter-Whisky. Die Nächte waren verdammt kalt. Eine dritte Dauerwurst warf ich zu Shita hoch, der bereits glühende Augen hatte, mit dem Schwanz wackelte und seine Zunge wetzte. Dauerwürste waren sein ein und alles. Sollte ich noch ein Gewehr mitgehen lassen? Ich entschied mich dagegen. Es würde mich zu sehr behindern, wenn ich jetzt die Verfolgung der Bande aufnahm. Denn dazu hatte ich mich entschlossen. Sie planten einen neuen Coup. Vielleicht konnte ich ihn verhindern.
3. Die gute Absicht blieb ein frommer Wunsch. Ich schaffte es nicht. Vielleicht hätte ich mich sofort an ihre Fersen heften sollen, statt das Beutelager zu besichtigen und anschließend noch in aller Ruhe
gebratenen Speck zu vertilgen. Aber mir hatte der Magen geknurrt. Immer sind es solche banale Nichtigkeiten, die plötzlich zu fürchterlichen Konsequenzen werden. Ich hatte den Tisch wieder über die Falltür gerückt und die Hütte so verlassen, wie ich sie angetroffen hatte. Ob sie spitzkriegen würden, daß ich drei Dauerwürste und eine Flasche Hostetter gemaust hatte, bezweifelte ich. Eher würden sie sich gegenseitig verdächtigen. Ihre Spuren waren nicht zu übersehen. Außerdem half mir Shita, wenn der Boden felsig wurde. Wenn mich nicht alles täuschte, führte die Fährte auf eine kleine Wagenstraße in Richtung Bannack zu. Ich war überzeugt, gut aufgeholt zu haben. Insgesamt hatte ich nicht viele Steigungen zu überwinden, denn die Fährte schlängelte sich aus der Bergwildnis tiefer. Ich lief im Wolfstrab, nur unterbrochen von einigen Strecken, die ich im Schritt ging. Dennoch hing mir meine Lunge nach etwa vier Stunden zum Halse heraus. Etwa anderthalb Stunden später passierte es. Ich sah unter mir die Wagenstraße, entdeckte einen Frachtwagen, der von zwei bewaffneten Reitern gesichert wurde, und genau in diesem Augenblick peitschten links und rechts der Wagenstraße Schüsse auf. Der linke Begleitmann sackte im Sattel zusammen, sein Pferd bäumte sich auf, kippte seitwärts und begrub den Reiter unter sich. Der rechte Begleitmann flog aus dem Sattel, als habe ihn eine Riesenkeule weggewischt. Er raste mit dem Kopf voran wie ein Geschoß gegen einen Felsen, klebte dort regelrecht ein paar Sekunden und klatschte zu Boden. Sein Pferd jagte davon. Der Kutscher stand auf dem Bock, die Zügel hatte er losgelassen. Er ruderte haltsuchend mit den Armen, torkelte und stürzte nach rechts vom Bock. Die zwei Gespannpferde liefen noch ein paar Schritte weiter und blieben dann stehen. Es war wie ein Spuk, ein böser Traum. An sechs Punkten links und rechts der Wagenstraße verwehten Pulverwölkchen. Die Stille nach den peitschenartigen Schüssen war absolut. Die drei Männer, denen das Blei gegolten hatte, rührten sich nicht
mehr. Auch das Pferd, das über dem einen Begleitreiter lag, war tödlich getroffen. Es hatte noch etwas gezuckt, sich dann aber gestreckt. Ich hatte einen trockenen Mund, und mein Herz hämmerte wie ein Schlagwerk. Ganz langsam und vorsichtig duckte ich mich etwas, um nicht gesehen zu werden. Oder hatten sie mich schon gesehen? Nein, dann wären mir hier oben bereits die Kugeln um die Ohren geflogen. Sie konzentrierten sich auf die drei Männer, die sie abgeschossen hatten. Sie warteten. Nach einer mir endlos erscheinenden Zeit tauchten sie alle sechs wie auf Verabredung – aus ihren Deckungen auf – maskiert, ihre Waffen auf die drei Männer gerichtet. So gingen sie langsam und wachsam auf sie zu, stießen sie mit den Stiefeln an, bückten sich, untersuchten sie und stellten fest, daß da kein Leben mehr war. Sie räumten den drei Männern die Taschen aus, und damit war dieser Fall erledigt. Nach den Beutegeiern würden sich die Aasgeier und andere vom Aas lebende Tiere mit den Toten beschäftigen. Jetzt erst, als sie sich völlig sicher fühlten, demaskierten sich die sechs Männer, unter ihnen der Deputy-Marshal Harry Funham aus Bannack. Der Beweis, daß er selbst an den Überfällen teilnahm und mordete, war damit erbracht. Was hatte ich für ein Glück gehabt, daß er nicht dabeigewesen war, als mich Hal Brooks und seine Kerle in der Steilschlucht gestellt hatten. Der dicke Ollie verschwand zwischen Felsen auf der gegenüberliegenden Seite und holte die vier Maultiere. Die fünf anderen gingen gemächlich zu dem Frachtwagen und schlugen die Plane hoch. Ritcher kletterte über die Heckbracke und reichte den anderen nacheinander vier prallgefüllte Ledersäcke zu. Aus der Art, wie er sie anstemmen mußte ersah ich, daß die Dinger ziemlich schwer zu sein schienen. Offensichtlich war dies ein Goldtransport gewesen. Ritcher sprang wieder vom Wagen und half Ollie, jeweils einen Sack auf eins der Maultiere zu binden. Harry Funham war um den Wagen herumgegangen und hatte die beiden Gespannpferde betrachtet. Er schüttelte den Kopf. Von hier oben sah ich, daß die
Tiere gebrandet waren. Sie zu verkaufen, war zu riskant. Also blieben sie hier. Der Coup war gelaufen. Die Bande trat den Rückmarsch an. Ich verdrückte mich seitwärts in die Büsche, bis ich sicher war, daß sie mich nicht entdecken würden. Acht Minuten später zogen sie im Trott an mir vorbei. Ich lauschte dem Hufgeklapper, bis es verklungen war, wartete noch eine Weile und verließ meine Deckung. Ich hatte genug gesehen, und das Versteck der Bände kannte ich. Von heute auf morgen würden sie die Hütte bestimmt nicht leerräumen. Zeit genug also, die Bande von einem Aufgebot ausheben zu lassen. * Das Pferd, das durchgegangen war, hatte sich wieder eingefunden. Es stand mit hängendem Kopf neben seinem toten Reiter. Ich führte es an die Heckbracke und band es dort an. Ich schaute mich um und betrachtete das Bild des Grauens. Hättest du auf den Speck verzichtet, sagte ich zu mir, dann wären diese drei Männer wahrscheinlich jetzt noch am Leben. Du hättest sie zumindest warnen können. Mir wurde die Kehle eng. Da war wieder dieses verfluchte, unselige Gold, für das gemordet wurde. Ich starrte zu dem toten Reiter hinüber, der mit dem Kopf voran gegen den Felsen katapultiert worden war. Wenn ihn die Schüsse nicht schon getötet hatten, dann hatte ihn der Felsen umgebracht. Ich legte mein Bündel auf dem Wagen ab, holte den Hostetter heraus und nahm einen kräftigen Schluck. Ich brauchte ihn, denn das, was zu tun war, mußte getan werden. Die Toten sollten hier nicht bleiben. Vielleicht hatten sie Angehörige. Sie hatten das Recht – wenn sie schon nicht mehr leben durften –, wenigstens eine würdige Ruhestätte zu finden. Shita lief schnüffelnd herum, während ich den Toten vom Felsen zum Wagen schleifte. Ich brauchte eine Viertelstunde, bis ich ihn auf der Ladefläche hatte. Unter der Bockbank fand ich noch eine Plane, die ich über ihn legte. Ich konnte ihn nicht ansehen. Dieses
entsetzliche Gesicht jagte mir Schauer über den Rücken. Mein Blick fiel auf Shita. Er stand mit langem Hals am Kopf des Kutschers, schnüffelte über dessen Gesicht, nieste, schnüffelte wieder, sprang zurück, zur Seite, wieder vor – und bellte mich an. Ich war mit einem Satz vom Wagen und lief zu dem Kutscher. Er lag auf der linken Seite. Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken. Neben mir hechelte Shita und wackelte aufgeregt mit dem Hinterteil. Der Mann stöhnte. Es klang wie aus weiter Ferne und war kaum vernehmbar. Er lebte noch! Ich hetzte zum Wagen zurück und holte den Hostetter. Das Gesicht des Mannes war von einem Streifschuß an der linken Schläfe blutverschmiert, aber das war keine tödliche Verletzung. Er hatte jedoch noch mehr Treffer erhalten. Da war ein Blutfleck auf der rechten Brustseite seiner Jacke, an der rechten Hüfte breitete sich Blut aus, und aus seinem linken Ärmel lief ebenfalls Blut. Ich preßte ihm die Lippen auseinander und flößte ihm Whisky ein. Da ging einiges daneben, aber dann schluckte er. Ich zählte bis elf und wollte ihm noch mehr einflößen, aber da begannen seine Augenlider zu flattern, und Sekunden später blickte ich in dunkelgraue Augen, die einen Ausdruck hatten, als sei er soeben von einer langen Reise zurückgekehrt und wundere sich, daß nicht mehr alles beim alten war. Ich grinste ihn an. »Keine Aufregung, Mister. Ich bring Sie zum Doc nach Virginia City, der flickt Sie wieder zurecht.« Er schaute zu mir hoch und bewegte die Lippen. »Brewer? Und Billings …?« Das waren wohl die beiden Begleitreiter. Ich schüttelte den Kopf. »Beide tot.« Er biß sich auf die Unterlippe. Plötzlich wurden seine Augen mißtrauisch. »Wer bist du?« »Man nennt mich Ronco«, erwiderte ich. »Ich bin Fahrer bei Ted Gibson aus Virginia City. Mich haben die Strolche auch erwischt und mir die Ladung geklaut. Hier«, ich beugte den Kopf und deutete auf die Beule, »dieses Ding verpaßte mir einer der Kerle. Später habe ich mit meinem Hund die Spuren der Bande verfolgt. Sie haben ostwärts von hier, oben in den Bergen, ihr Beutelager. Aber das ist jetzt
unwichtig. Haben Sie starke Schmerzen?« Es war eine dumme Frage, denn sein Gesicht war schmerzverzerrt. Aber er schüttelte den Kopf und sagte zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Der Whisky ist gut!« Dann grinste er schief und verlor wieder das Bewußtsein. O verdammt, ich mußte ihn durchbringen. Aber wie? Zunächst mußte ich versuchen, die Blutungen zu stillen und die Einschüsse zu verbinden, so gut es ging. Ich lief zu dem Wagen zurück. Vorhin hatte ich an der linken Seitenbracke ein Wasserfaß gesehen. In der Bockbank fand ich eine Holzkumme, füllte Wasser hinein, nahm mein Halstuch, lief zu ihm zurück und säuberte zunächst den Streifschuß an der Schläfe. In der Brust hatte er einen Steckschuß. Der Teufel mochte wissen, wo die Kugel saß, ein Ausschußloch war nicht vorhanden. Ich riß sein Hemd entzwei und legte einen Notverband um seinen Brustkorb an. Die Verletzung am linken Arm war ein glatter Durchschuß, den ich auch verbinden konnte. Die Hüftwunde war wieder ein Streifschuß, allerdings ziemlich tief. Die Kugel hatte eine breite Furche durch das Fleisch gezogen. Die Wunde blutete stark. Zum Glück fand ich in den Satteltaschen des Pferdes, das ich an die Heckbracke gebunden hatte, Verbandsstoff, den ich um seine Hüfte wickelte. Ich geriet ganz schön ins Schwitzen, denn der Mann war kein Leichtgewicht. Außerdem mußte ich ihn halb ausziehen. Als ich ihn versorgt hatte, stand ich vor dem Problem, wie ich ihn auf die Ladefläche kriegen sollte, ohne daß die Blutungen wieder anfingen. Ich hob die Heckbracke aus, legte ihn darauf und zog ihn zum Wagen. Dann kantete ich das Ding hinten am Wagen hoch, so daß es eine Art Rampe bildete, kletterte auf den Wagen, griff dem Bewußtlosen unter die Achseln und zerrte ihn auf die Ladefläche hoch. Das klappte besser, als ich gedacht hatte. Ich legte ihn auf ein paar leere Säcke und deckte ihn mit meiner Satteldecke zu. Dem Toten, den ich schon unter der Plane hatte, zog ich die Jacke aus, knüllte sie zusammen und schob sie dem Kutscher unter den Kopf. Das war immerhin geschafft. Ein gleichschweres Problem war der tote Begleitreiter unter dem toten Pferd. Ich trank einen Schluck
Whisky und noch einen. Shita saß hinter dem Wagen und kratzte sich ausgiebig mit dem linken Hinterlauf den Hals. Als er sah, daß ich ihn beobachtete, hörte er auf und wackelte mit dem Schwanz. Ich holte eine der Hartwürste aus meinem Proviantbeutel, schnitt sie durch und warf ihm eine Hälfte zu. Er schnappte sie sich aus der Luft, legte sich auf den Bauch und begann zu schmatzen, die Wurst zwischen seinen Vorderpfoten. Ich schnitt mir selbst eine dicke Scheibe ab, begann zu kauen und hatte dann eine Idee, die ich sofort ausführte. Ich nahm das Lasso des ledigen Pferdes, knüpfte eine Schlinge und streifte die Schlinge über den Kopf und das linke Vorderbein des toten Pferdes. Das andere Ende des Lassos befestigte ich hinten am Wagen, kletterte auf den Bock und trieb die beiden Gespannpferde an. Sie legten sich ins Geschirr. Eine Minute später hatten sie das tote Pferd von dem Reiter gezogen. Ich zügelte die Gespannpferde, sprang vom Bock und löste das Lasso. Den Toten holte ich ebenfalls über meine provisorische Rampe auf die Ladefläche. Ich zog ihn zu dem anderen Toten unter die Plane, die Heckbracke hängte ich wieder ein. Von dem toten Pferd holte ich noch die Satteltaschen und die Satteldecke, sammelte die Waffen ein, warf alles auf den Wagen und fuhr los. Es war inzwischen Abend geworden. Ich fuhr die ganze Nacht durch, und es wurde eine Fahrt, an die ich ewig denken werde. Dabei sah es aus, als sollte ich drei Tote nach Virginia City bringen. Der Kutscher begann zu fiebern, und da ich mir nicht anders zu helfen wußte, flößte ich ihm so nach und nach den ganzen Hostetter ein. Um Mitternacht randalierte er und wollte vom Wagen springen, wobei er sich bereits bis zur Heckbracke geschoben hatte. Ich kletterte über den Bock und schlug ihm trotz seines. Schläfenstreifschusses den Revolverlauf an die andere Seite seines Schädels. Von da ab war Ruhe.
4. Ich erreichte Virginia City gegen elf Uhr vormittags und lenkte den Wagen sofort in eine Nebenstraße am Ortsrand. Aber was hieß hier in Virginia City schon »Nebenstraße« und »Ortsrand«! Diese Goldgräberstadt veränderte täglich ihr Gesicht. Was heute Ortsrand
gewesen war, hatte morgen bereits eine andere Grenze. Naturgemäß beulte sich die Stadt immer mehr nach Norden aus, denn dort war die Alder Gulch, wo die fündigsten Minen lagen. Eine verkrüppelte Straße führte dorthin. Ich fuhr den Wagen direkt zu Doc Marker, einem ehemaligen Sanitäter der Armee, der an dieser Nebenstraße in einer schäbigen Holzhütte seine »Arztpraxis« eröffnet hatte. Als ich vom Bock kletterte, versammelten sich die ersten Neugierigen, begutachteten die Einschußlöcher im Wagen, das ledige Reitpferd, das ich hinten angebunden hatte, die Plane, unter der zwei Paar Stiefel hervorlugten, und schließlich den Kutscher, der inzwischen wie ein Gespenst aussah, grau, eingefallen, mit spitzen Wangenknochen. Ich wandte mich zu der Holzhütte. Ein vierschrötiger Mann versperrte mir den Weg und linste mich argwöhnisch an. »Du arbeitest doch bei Ted Gibson, nicht wahr?« sagte er. Ich nickte. Er deutete zu dem Wagen und dem Gespann. »Die gehören aber zur Mining Company. Fährst du jetzt für die?« In mir stieg leise Wut hoch. »Geht Sie das etwas an, Mister? Ich hab's eilig. Auf dem Wagen liegt ein schwerverletzter Mann.« »Auf dem Wagen müßte Gold sein«, sagte der Vierschrötige. Sein Blick glitt zu dem Colt, den ich rechts tiefgeschnallt trug. Dachte dieser Idiot etwa, ich hätte mir das Gold unter den Nagel gerissen? Eine absurde Idee, aber typisch. Diese Kerle interessierte in erster Linie Gold, die Menschen waren ihnen gleichgültig. »Wenn auf dem Wagen Gold sein müßte«, sagte ich scharf, »so sehe ich jedenfalls nichts davon. Aber zwei Leichen sind drauf, außer dem verletzten Kutscher.« »Du bist ganz schön frech, wie?« »Treten Sie zur Seite«, sagte ich eisig. »Ich will den Doc holen.« Er hakte die Daumen unter die Hosenträger und wippte auf den Ballen. »Ich glaube, du bist nicht nur ganz schön frech, sondern auch ganz schön ausgekocht.« Ich starrte ihn konsterniert an. »Was bin ich?«
»Ausgekocht«, sagte er und genoß das Wort auf der Zunge. »Aber der Trick ist gut. Du hast den Wagen überfallen, die drei Männer abgeschossen, das Gold versteckt, und damit kein Verdacht entsteht, bringst du den Wagen zurück und markierst den barmherzigen Samariter. So ist das.« Er blickte sich beifallheischend um. Einige nickten, andere hatten zweifelnde Mienen. Jetzt platzte mir der Kragen. »Sie haben ja Sägespäne im Gehirn, Mister«, fuhr ich ihn an. »Was Sie sich da zusammenphantasieren, würden Sie vielleicht tun – ich bestimmt nicht. Wenn ich einen Goldtransport überfallen würde, dann würde ich verschwinden, weg aus Montana, dorthin, wo mich keiner kennt. Das ist das eine. Und zum anderen.« Ich ging zum Wagen zurück, kletterte auf die Ladefläche und räumte die Plane zur Seite, unter der die beiden toten Begleitreiter lagen. »Hier!« schrie ich den vierschrötigen Kerl an. »Meinen Sie vielleicht, die beiden hier sind von einem einzigen Mann erschossen worden? Schauen Sie sich die Einschüsse an! Da ist von zwei Seiten gefeuert worden! Von mir vielleicht, Sie Vollidiot? Mann, Sie gehören in ein Irrenhaus, Sie sind ja gemeingefährlich!« Der Vierschrötige klappte den Mund auf und wieder zu. Ein paar der Zuschauer grinsten. »Der Junge hat recht«, sagte einer und zwinkerte mir zu. »Du mußt mal zum Doc, Joe, und deine Rübe untersuchen lassen.« »Halt's Maul, Tonkey«, sagte der vierschrötige Joe bissig. »Misch dich da nicht ein. Du kannst eben nicht kombinieren. Dieser Bursche hat Dreck am Stecken, so wahr ich Joe Flagg heiße. Der gehört hinter Gitter, damit sich der Marshal mit ihm beschäftigen kann, jawohl!« Ich sprang vom Wagen und rückte auf den Kerl los, die Rechte über dem Griff meines Navy-Colts. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Mister«, sagte ich leise und dennoch scharf. »Sie sind verdammt wild darauf, mich hier zum Sündenbock zu stempeln, ohne auch nur einen Fetzen eines Beweises für Ihre Phantasien in der Hand zu haben. Wie wär's denn mit meinem Verdacht, daß Sie mit der Bande, die den Überfall verübt hat, zusammenarbeiten? Wäre das nicht auch eine Möglichkeit, he?« Joe Flagg riß die Augen auf. »Du bist ja verrückt!«
»Nicht verrückter als Sie mit Ihren dämlichen Hirngespinsten. Hauen Sie ab, Mister! Ich hab was anderes zu tun, als mir Ihren Quark anzuhören. Hier ist ein Schwerverletzter auf dem Wagen, der dringend operiert werden muß. Noch ein Wort, und ich schieße Sie aus den Stiefeln. Oder wollen Sie etwa verhindern, daß der Kutscher vom Doc versorgt wird? Das würde meinen Verdacht bestätigen, daß Sie zu der Bande gehören!« Damit schaffte ich ihn endgültig. Er starrte mich irritiert an und schüttelte fassungslos den Kopf. Ich stieß ihn zur Seite, ging zu der Hütte und riß, ohne anzuklopfen, die Tür auf. Es war wie immer. Doc Marker, ein dürrer Hecht mit einem eisgrauen Schnauzbart, schlief tief und fest nach durchzechter Nacht. Er lag auf einer gammeligen Matratze rechts neben dem Kanonenofen, über sich eine zerlöcherte Wolldecke aus früheren Armeebeständen, neben sich am Boden noch eine halbvolle Flasche Fusel, mit dem man Elefanten umbringen konnte. Sein Schnauzbart flatterte, wenn er die Atemluft ausstieß. Ich fand eine Kruke mit Wasser und goß sie ihm übers Gesicht. Als er hochfuhr, hielt ich ihm sofort die Fuselflasche unter die Nase und ließ ihn riechen. Dann zog ich sie wieder weg. »Gib her!« knurrte er mich an. »Arbeit, Doc«, sagte ich. »Ein Bruststeckschuß, ein Schläfenstreifschuß, ein Armdurchschuß und noch ein Streifschuß an der Hüfte.« »Scheiße«, sagte er, »gleich vier Kerle?« »Nur einer.« »Einer? Hat der gegen 'ne Armee gekämpft?« »Er wurde von Banditen überfallen, war mit 'ner Goldladung unterwegs, von der Mining Company. Seine beiden Begleitreiter hat's erwischt.« Er streckte den Arm aus. »Her mit der Flasche!« Ich gab sie ihm. Er zog den Korken mit den Zähnen heraus, trank, gurgelte, trank und gurgelte wieder. »Ahh«, sagte er und wischte sich über den Schnauzbart. »Das ist Medizin.« »Doc«, mahnte ich.
Er kniff die Augen zusammen und sah mich scharf an. »Warst du bei dem Überfall dabei?« Ich nickte. »Ja, ich war Zeuge – durch reinen Zufall.« »Jemanden erkannt?« Ich nickte wieder. Er nahm noch einen tiefen Schluck, rammte den Korken in den Flaschenhals und stand auf. Er sagte: »Dann sieh mal zu, daß du nicht auch vier Löcher kriegst.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Danke, daß du ihn hergebracht hast. Die Mining Company zahlt gut, die haben's ja auch. Vielleicht springt für dich ebenfalls eine Belohnung heraus.« »Deswegen habe ich den Verletzten nicht hergebracht.« »Weiß ich, Junge, weiß ich.« Er ging nach draußen, und ich folgte ihm. Die Masse der Neugierigen war noch größer geworden. Sie umstanden den Wagen, diskutierten und fanden nichts dabei, sich ausgiebig die beiden Toten zu betrachten. »Platz da!« fuhr sie Doc Marker an. »Macht Platz, Leute! Habt ihr noch nie 'ne Leiche gesehen?« Er schaufelte sich eine Gasse durch die Menge, die neugierig-unwillig zurückwich. Einer versperrte ihm wieder den Weg – Joe Flagg. »He, Doc!« sagte er. »Moment mal!« »Was ist?« Joe Flagg deutete auf mich. »Dieser Bursche da ist ein ganz windiger Hund. Der hat was mit dem Überfall zu tun. Wir sollten erst den Marshal holen.« Doc Marker starrte den Vierschrötigen an, als habe der den Verstand verloren. »Du spinnst wohl? Den Jungen kenne ich, der fährt für Ted Gibson, und Ted Gibson ist froh, daß er ihn hat, weil er anpackt, ehrlich ist und Ted sich auf ihn verlassen kann. Über dich habe ich so was noch nicht gehört, Joe Flagg. Und jetzt laß mich mal an den Wagen ran.« Joe Flagg grinste. »Und wenn nicht?« Jetzt hatte ich endgültig genug. Ich hatte meinen eigenen Wagen verloren, die Bande verfolgt, ihren Schlupfwinkel entdeckt, war ihr dann nachgeschlichen, aber um ein Haar zu spät eingetroffen, hatte die Männer auf den Wagen geladen und ihn die Nacht durch
hierhergefahren – und jetzt tauchte so ein Typ auf und versuchte, mir was am Zeuge zu flicken. »Shita!« rief ich scharf. Shita hatte auf dem Bock gesessen und sich bisher völlig ruhig verhalten. Mit einem Satz war er vom Bock und stand hinter dem Vierschrötigen. »Pack ihn!« sagte ich. Und schon hing Shita dem Vierschrötigen hinten an der Hose. Wo mein Hund sich einmal festbiß, da blieb er auch. Er wäre ein ausgezeichneter Rinderhund geworden. Joe Flagg brüllte auf und ging wie eine Rakete ab. Er pflügte eine Schneise durch die grölende und lachende Menge und versuchte, Shita loszuwerden. Aber der biß nur noch kräftiger zu, sein Knurren klang wie Donnergrollen. Ich wußte, daß Jeo Flagg die nächsten Tage und Nächte stehen würde, um seinen Hintern zu pflegen. Allenfalls konnte er auf der Seite liegen. Joe Flagg warf sich mit dem Rücken gegen einen Gehsteigpfosten, um Shita abzuschütteln. Shita ließ blitzschnell los, biß den Vierschrötigen ins Bein und jagte hinter ihm her, als Joe Flagg die Flucht antrat. Beide verschwanden um eine Ecke. »Prächtiger Hund«, sagte Doc Marker, grinste mich an, ging um den Wagen herum und beäugte über die Seitenbracke den Kutscher. Dabei pfiff er leise vor sich hin. Dann beugte er sich tiefer und schnupperte. »Hostetter«, sagte ich. »Aha.« Er schaute auf und stach seinen Finger auf einen stämmigen Mann zu. »Hol mal meine Leiter, Mac. Sie liegt rechts an der Hütte.« Mac holte die Leiter. Die Heckbracke wurde ausgehoben, dann schoben sie die Leiter unter den bewußtlosen Kutscher und trugen ihn in die Hütte. Doc Marker klopfte mir noch einmal auf die Schulter. »Ich brauch dich nicht mehr, Ronco. Um das weitere kümmere ich mich.« Ich nickte und fragte: »Wird er's überstehen?« »Schätze ja. Er hat viel Blut verloren. Die Kugel pule ich ihm heraus. Wir werden sehen. Wahrscheinlich hast du ihm das Leben
gerettet.« »Wenigstens etwas«, sagte ich, tippte an die Hutkrempe und holte meinen Proviantsack und die Satteldecke vom Wagen. Der Doc ging in die Hütte. Ich wandte mich auch zum Gehen und hatte ein flaues Gefühl im Magen. Ted Gibson stand mir bevor. Jetzt würde ich beichten müssen. Aber ich wußte ja, wo das Beutegut gelagert wurde. Verloren war also nichts – im Gegenteil. Jetzt konnte zum vernichtenden Schlag gegen die Bande ausgeholt werden. Shita holte mich ein und beutelte das Stück einer zerrissenen Hose. Er war aufgekratzt und lachte mich an. »Braver Hund«, sagte ich, »guter Hund. Du hast ihn ordentlich ausgezogen, was?« Er ließ seine Trophäe fallen und kläffte lauthals. Als wir zur Main Street einbogen, war's wieder um ihn geschehen. Roswitha Nägeli und ihr schwarzer Riesenkater hatten uns wieder. Der Kater sauste wie der Blitz quer über die Straße, Shita wie toll hinterher. Der Kater kurvte elegant um eine Frau herum, die mit einer anderen tratschte, Shita wetzte zwischen den beiden durch wie das leibhaftige Ungeheuer. O Gott! Die eine begann hysterisch zu quieken, die andere war zurückgesprungen, stolperte jetzt über ihre Einkaufstasche, die hinter ihr gestanden hatte, und setzte sich mit lautem Kreischen auf ihren Allerwertesten. Die Einkaufstasche begrub sie unter sich. Mit einem spitzen Schrei fuhr sie wieder hoch. Sie hatte Marmelade eingekauft. Ich flötete, schaute in die Luft und schob unbeteiligt über die Straße. Ich hörte das Fauchen des verdammten Katers, das überschnappende Kläffen meines Hundes und das Gekeife der beiden Frauen. Angestrengt schaute ich in eine andere Richtung, rannte einen Mann beinahe um, entschuldigte mich und flitzte in das rettende Office. Als ich die Tür hinter mir schloß, hörte ich noch, wie Roswitha Nägeli mit schriller Stimme in das aktive Geschehen eingriff. Ted Gibson saß hinter seiner Schreibtischkiste, zählte wieder Zahlenkolonnen zusammen und sagte, ohne aufzusehen: »Ihr seid
also wieder da.« »Ja«, sagte ich lahm. »Bißchen verspätet, wie?« Er blickte mich immer noch nicht an. »Ja«, sagte ich zum zweiten Male und starrte auf den haarlosen Hof seines Hinterkopfes. Er nahm ein Lineal, zog einen Strich unter eine Kolonne, setzte dort eine Zahl ein und unterstrich sie zweimal. Dann lehnte er sich zurück und blickte mich an. »Regnet's draußen?« fragte er. Ich schüttelte den Kopf. »Du siehst nämlich aus wie drei Tage Regenwetter.« »So ähnlich fühle ich mich auch«, erwiderte ich und straffte die Schultern. »Ich habe die Ladung nicht durchgebracht. In der Steilschlucht mit dem Knick haben sie mich erwischt – vier maskierte Kerle. Ein fünfter sprang mir von oben ins Genick und schlug mir was an den Schädel. Als ich wieder aufwachte, waren die beiden Pferde und die gesamte Ladung verschwunden.« Ted Gibson verzog keine Miene. »Du hast Glück gehabt, Söhnchen. Und dann bist du zu Fuß zurückmarschiert?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab die Kerle verfolgt, zusammen mit Shita.« »Was hast du?« fragte er perplex. »Ich hab sie verfolgt. Ich laß mir doch nicht die Ladung klauen und drehe hinterher Däumchen. Die Kerle haben oben in den Bergen in einem Canyon eine Hütte. Die Hütte habe ich auch untersucht. Sie ist unterkellert. Da ist die ganze Beute gestapelt.« Ich griff in meinem Proviantsack und holte die letzte Hartwurst heraus. »Die habe ich mit noch zwei anderen Würsten und einer Flasche Hostetter mitgehen lassen, bevor ich die Bande dann weiterverfolgte.« Ted Gibson kriegte Stielaugen und klappte den Mund auf und zu. Schließlich beugte er sich vor. »Bist du noch ganz bei Trost, Junge?« fragte er. »Ich bin ganz in Ordnung, Sir«, sagte ich. »Aber das ist noch nicht alles. Die Kerle führten noch einen zweiten Überfall durch. Auf einen Wagen der Mining Company, der vier Goldsäcke geladen hatte. Die beiden Begleitreiter wurden aus den Sätteln geschossen. Den Kutscher erwischten sie auch, aber nicht tödlich. Als sie weg
waren, kümmerte ich mich um ihn. Die beiden toten Männer und den Kutscher habe ich auf dem Wagen hierhergebracht. Doc Marker hat den Kutscher gerade unter dem Messer. Natürlich waren die Kerle wieder maskiert, aber ich kenne ihre Gesichter. Und noch etwas. Zu der Bande gehört ein Mann, den ich aus Bannack kenne. Wollen Sie wissen, wer das ist?« Er starrte mich an, als sei ich der Mann vom Mond. »Deputy-Marshal Harry Funham«, sagte ich. »Da staunen Sie, was?« Er staunte nicht. Er zuckte erschrocken zurück, als hätte ich eine Klapperschlange aus der Hosentasche geholt und ihm vor die Nase gehalten. »Ich weiß genau, wo die Hütte liegt«, fuhr ich fort. »Mit einem Aufgebot können wir mit einem Schlag die ganze Bande ausheben und uns das gestohlene Gut zurückholen.« Ich hatte mich so richtig in Begeisterung geredet und malte mir schon aus, wie wir den Kerlen Zunder geben würden. Dem Ollie, der mir ins Genick gesprungen war, würde ich eine Ladung Schrot in den Hintern jagen … Es kam anders. Ted Gibson fuhr nämlich hoch, als habe er auf einem Kaktus gesessen und schrie mich an: »Bist du übergeschnappt, du Rotznase? Nichts wird ausgehoben, nichts wird zurückgeholt, verstanden?« »Nein«, sagte ich und dachte, ich träume. »Du läßt die Pfoten von der Sache, klar?« schrie mich Ted Gibson an. Er war hochrot im Gesicht und zitterte vor Erregung. Was war denn mit dem los? Er war übergeschnappt, nicht ich. »Sir«, sagte ich ziemlich fassungslos, »soll das heißen, daß Sie darauf verzichten wollen, Ihre Ware zurückzukriegen und der Bande das Handwerk zu legen?« »Ich will damit nichts zu tun haben!« schrie er und knallte die Faust auf die Kiste – nein, nicht auf die Kiste, er hämmerte seine Faust auf das Tintenfaß, und schon war die Schweinerei komplett. Splitter flogen herum, Blut floß, Tinte floß, Ted Gibsons Zahlenkolonnen waren ruiniert, eine blauschwarze Pfütze bildete sich am Fuß der Kiste. Ted Gibson stierte auf die Unterseite seiner
Faust, in der noch ein paar Glassplitter steckten. In seinem Gesicht arbeitete es, als finde dort ein mittleres Erdbeben statt. Ich räusperte mich und sagte vorsichtig: »Sir, tut mir ja leid, daß ich Sie so in Erregung versetzt habe, aber ich meine wirklich, wir sollten die Gelegenheit beim Schopf packen. Noch wissen die Banditen nicht, daß es jemanden gibt, der sie identifizieren kann. Und sie ahnen auch nichts davon, daß ihr Schlupfwinkel entdeckt wurde. Wir haben alle Trümpfe in der Hand, wir brauchen nur zuzupack …« »Genug!« brüllte Ted Gibson. »Du bist entlassen!« »Wie bitte?« Ich glaubte, mich verhört zu haben. »Da ist die Tür! Verschwinde! Du bist ja gefährlicher als Dynamit! Gift bist du!« Ich trat einen Schritt vor, die Wut kochte in mir, aber ich beherrschte mich. »Für die letzte Woche kriege ich noch zwoundzwanzig Dollar, Sir. Nichts gibt's umsonst, nicht wahr? Schließlich habe ich Kopf und Kragen riskiert, um auszukundschaften, wie man sich Ihre verdammte Frachtladung zurückholen könnte. Aber bitte sehr, wenn Sie darauf verzichten wollen, ist das Ihr Bier. Ich hatte angenommen, Sie seien ein tapferer Mann. Sie sind ein Waschlappen, Sir. Sie haben Angst vor schäbigen Strolchen, also lassen Sie sich lieber weiter beklauen. Und ob Ihre Fahrer dabei krepieren, scheint Ihnen auch scheißegal zu sein. Keine Sorge, ich gehe, für Sie hätte ich bestimmt nicht weitergearbeitet, für Sie nicht. Und jetzt her mit dem Wochenlohn, oder ich hole ihn mir selbst aus Ihrer Kassette!« Der stiernackige Ted Gibson mit dem Rammkinn, der Mann, den ich für einen harten Brocken gehalten hatte, holte mit zitternden Händen die Kassette aus einer anderen Kiste, schloß sie auf, entnahm ihr »zwoundzwanzig« Dollar und legte sie auf eine trockene Stelle der Kiste, über die die Tinte gelaufen war. Ich steckte das Geld ein, packte meine wenigen Sachen, die ich in einer Ecke liegen hatte, in meine Satteltaschen, nahm meinen SharpsKarabiner und verließ das Office. Die Weiber drüben auf der andere Straßenseite hatten sich noch nicht abgeregt. Die eine wischte der anderen die Marmelade vom
Hintern, während Roswitha Nägeli alle Register gezogen hatte und meinen Hund beschimpfte, der abwechselnd sie oder den schwarzen Kater anknurrte. Das Satansvieh saß wieder auf Roswitha Nägelis Hüttendach – unerreichbar für Shita. Als Mrs. Nägeli mich sah, schoß sie auf mich zu, und nun war ich dran. »Unerhört!« schrie sie und drohte mit ihrer dürren Faust. »Das schlägt dem Faß den Boden aus. Dein Köter hat Mrs. Pinkerton zu Fall gebracht, ihr ganzes Kleid ist ruiniert! Das schreit zum Himmel, jawohl. Das muß der Bürgerrat in die Hand nehmen, das geht so nicht weiter! Dieses Tiersubjekt muß sofort aus der Stadt gewiesen werden – und du auch, du junger Schnösel!« Ich vergaß, daß ich mir geschworen hatte, neutral zu bleiben. Ich war sowieso geladen, weil mich Ted Gibson gefeuert hatte. Bis obenhin war ich voller Galle. »Wissen Sie was?« sagte ich so pampig wie möglich. »Sie können mir mal in die Tasche steigen, Sie alte Spinatwachtel. Und Ihren verfetteten Kater können Sie sich an den Hut stecken – besser wäre allerdings, er würde in der nächsten Regentonne ersäuft. Und jetzt lassen Sie mich gefälligst zufrieden!« Mrs. Nägeli prallte zurück und verdrehte die Augen. »O Gott!« japste sie. »O Gottogott!« Und dann fiel sie in Ohnmacht. Die beiden anderen Ladys kreischten, als sollten sie umgebracht werden. Ich pfiff Shita und verholte mich schleunigst hinter das Office, wo mein Brauner unter der Zeltplane stand. Auf der Main Street entstand so etwas Ähnliches wie ein Volksauflauf – kein Wunder bei dem Spektakel, das die beiden Tanten aufführten. Ich sattelte meinen Braunen und hatte die Schnauze so richtig voll. Shita schielte schwanzwedelnd zu mir hoch. »Hund«, sagte ich, »du machst mich rasend! Laß doch diesen verdammten Kater zufrieden. Hör dir an, was auf der Main Street los ist. Laß uns bloß abhauen!«
5.
Ich verfluchte Virginia City, ich verfluchte Ted Gibson, ich verfluchte die Vogelscheuche Roswitha Nägeli samt ihrem Kater, und sicherlich war ich sehr ungerecht. Denn Virginia City war ein Kaff wie jedes andere, Ted Gibson hatte lediglich Angst um seine Haut, und für Roswitha Nägeli war der riesige Kater die Sonne ihrer trüben Stunden. Aber ich saß zwischen den Stühlen oder konnte bleiben, wo der Pfeffer wächst. Niemand interessierte sich für mich. Ich wurde herumgeschubst, angeschrien, bewußtlos geschlagen, des Goldraubes verdächtigt und kriegte nichts als Ärger, wenn ich mal versuchte, irgendwie Fuß zu fassen. Verbiestert und mit mir zerstritten führte ich den Braunen durch die Nebengassen, kletterte schließlich in den Sattel und ritt zum Südausgang der Stadt. Wohin ich sollte, wußte ich nicht. Eins war mir nur klar: Virginia City konnte mir gestohlen bleiben. »Ihr könnt mich mal alle«, sagte ich laut. Mein Brauner schnaubte und tat damit kund, daß er sich freute, wieder bewegt zu werden. »Hallo, Ronco!« rief eine Männerstimme links von mir. Ich wandte den Kopf. Vor dem einzigen Mietstall von Virginia City stand Glenn Chample, der Besitzer, und zog an seinen Hosenträgern. Die waren aus Gummi und klatschten schön. »Hallo, Mister Chample«, sagte ich und tippte an den Hut. »Wo willst du denn hin?« fragte Mister Chample. Ich zügelte den Braunen. »Weiß ich noch nicht, jedenfalls weg von hier. Mister Gibson hat mich gefeuert.« »Was denn?« Glenn Chample trat näher und schaute neugierig zu mit hoch. Er hatte wasserhelle Augen, ein ledriges Gesicht und Säbelbeine. »Dich gefeuert? Warum das denn?« »Darüber möchte ich nicht sprechen, Mister Chample. Ich hab Ärger genug.« »Weil du den Wagen der Mining Company mit den beiden Toten und dem Verletzten zurückgebracht hast?« Hier sprach sich schnell etwas herum, zumindest unter den Geschäftsleuten.
Ich sagte: »Nein, das hat damit nicht unmittelbar etwas zu tun. Mister Gibson hatte über eine bestimmte Sache eine andere Ansicht als ich, darum hielt er es für besser, mich loszusein.« Glenn Chample rieb sich die Hände. »Einen besseren Gefallen hätte er mir gar nicht tun können.« Er grinste zu mir hoch. »Du kannst einen Job bei mir im Mietstall haben, pro Woche fünfundzwanzig Doller, Unterkunft und Verpflegung frei. Was hältst du davon?« Fünfundzwanzig Dollar! Ich starrte zu ihm hinunter und schluckte. Der eine feuerte mich, und der andere nahm mich mit Kußhand. Ich war also doch nicht verraten und verkauft. Jemand brauchte mich und war auch bereit, dafür zu zahlen. Ich glitt aus dem Sattel, trat vor den Mietstallbesitzer und hielt ihm die Rechte hin. »Geht in Ordnung, Sir«, sagte ich. »Ich bin einverstanden.« Wir schüttelten uns gerade die Hände, als Shita zu knurren begann. Ich wandte mich hastig um. War der verdammte Kater schon wieder im Spiel? Nein. An der Ecke der nächsten Nebengasse rechts hinter mir stand Joe Flagg und stierte, beide Hände in den Hosentaschen, Löcher in die Luft. Er trug eine neue Hose. »Was ist?« fragte Glenn Chample leise. »Dieser Mann dort an der Ecke hat ein merkwürdiges Interesse daran, mich in die Pfanne zu hauen«, erwiderte ich ebenso leise. »Er behauptet, ich hätte die drei Männer der Mining Company abgeschossen und mir das Gold unter den Nagel gerissen, das sie nach Bannack bringen sollten. Ich habe den Verdacht, daß er mit der Bande, die hier im weiten Umkreis der Alder Gulch ihr Unwesen treibt, zusammenarbeitet, als Spitzel oder so was.« Glenn Chample wurde hellhörig. »Dann laß uns mal lieber in den Stall gehen, bevor du mir mehr erzählst«, sagte er. Ich nickte und sagte zu Shita: »Gib's ihm, mein Alter!« Shita hatte nur darauf gewartet. Wie von einer Bogensehne abgeschnellt jagte er los. Joe Flagg zuckte zusammen, stieß sich hastig von der Bretterwand ab und flutschte um die Ecke. Joe Flaggs
Gebrüll deutete an, daß mein Hund ihm wieder an der Hose hing. Joe Flagg würde sich heute noch eine dritte Hose besorgen müssen. Vielleicht würde ihn das davon heilen, hinter mit herzuschnüffeln. Ich folgte dem säbelbeinigen Mann und zog meinen Braunen hinter mir her. Der hatte sich zu früh gefreut, mal wieder die Beine strecken zu können. Chample wies mir eine leere Box für ihn zu, die am äußersten Ende des Stalls direkt unter dem Heuboden lag. »Dort oben ist dein Quartier«, sagte Glenn Chample und deutete mit dem Kinn zum Heuboden hoch. Mir war's recht. Frieren würde ich da bestimmt nicht. Eine angelehnte Leiter führte hinauf. Ich brachte oben meine Deckenrolle und die Satteltaschen nebst Sharps-Karabiner unter und ließ mich von Chample einweisen. Es war das übliche: Stall ausmisten, die Pferde versorgen und striegeln, Wasser holen, aufräumen, das Geschirr in Ordnung halten und was der Dinge mehr waren. Der Job versprach Arbeit. Fünfundzwanzig Pferde und zwölf Maultiere standen in dem Stall. Glenn Chample setzte sich auf eine Futterkiste, holte eine Maiskolbenpfeife hervor, stopfte sie umständlich, und als sie brannte, sagte er: »Damit du Bescheid weißt, falls ich mal nicht da bin. Das Unterstellen und Verpflegen eines Tieres kostet pro Tag fünf Dollar.« Ich nickte. Das war Wucher, aber in dieser Stadt des Goldes hatte alles seinen Preis. Glenn Chample mußte noch besser verdienen als Ted Gibson mit seinem Frachtgeschäft. Glenn Chample paffte dicke Wolken und sagte dann: »So, mein Junge, nun erzähl mir mal, warum dich der alte Gibson gefeuert hat. Da ist doch ein Haken, oder?« Ich gab mir einen Ruck und erzählte ihm die ganze Geschichte. Er hörte zu, ohne mich zu unterbrechen. Als ich schließlich den Namen des Deputy-Marshals aus Bannack nannte, nickte er nur, als habe er nichts anderes erwartet. »So, jetzt kennen Sie den Haken«, schloß ich meinen Bericht. »Ted Gibson hat gekniffen und bringt es glattweg fertig, die geklaute Ladung für immer abzuschreiben – und die Bande kann weiter
morden, plündern und rauben.« »Abwarten«, sagte der säbelbeinige Mann. »In dieser Gegend gibt's nicht nur Ted Gibsons.« Da war ich anderer Meinung, aber ich äußerte sie nicht. Ich hatte wieder einen Job, sogar einen gutbezahlten, ich hatte ein Dach über dem Kopf, was jetzt im November weiß Gott nicht zu verachten war, und ich hatte zu essen und zu trinken. Mein Zorn auf Virginia City verrauchte, und ich war sogar bereit, Ted Gibson und Roswitha Nägeli mit ihrem elenden Kater zu verzeihen. Noch am selben Nachmittag spuckte ich in die Hände und ging an die Arbeit. Shita hatte sich wieder eingestellt. Dieses Mal apportierte er ein ganzes Hosenbein, einen zerfetzten rechten Stiefel sowie das Unterteil einer rostroten Unterhose. Ich spendierte ihm die eine Hälfte meiner letzten Hartwurst. * Joe Flagg ließ sich nicht mehr blicken. Dafür tauchte zwei Tage später ein kleiner, dicker, schnauzbärtiger Mann im Mietstall auf, unterhielt sich eine Weile mit Glenn Chample, der dann aber verschwand, und wartete, bis er mit mir allein im Mietstall war. Ich beobachtete ihn von einer Box aus und sah, wie er sich auf mich zu in Bewegung setzte. Er trug einen riesigen Hut und sah damit aus wie ein wandelnder Fliegenpilz. Als er heran war, stützte er die Ellbogen auf die Seitenwand der Box und sah mir zu. Ich striegelte ein Pferd. Als mir das Anglotzen auf die Nerven ging, sagte ich: »Wünschen Sie was, Sir?« »Erraten«, sagte er und grinste. »Zu erraten war da nicht viel«, sagte ich frostig. Er kaute auf seinem Schnauzbart und schien etwas überrascht zu sein. Ich striegelte das Pferd weiter. Wenn er was von mir wollte, würde er damit schon herausrücken. Und schon ging's los. »Kannst du mit dem Kracher da an deiner Hüfte umgehen?« fragte
er etwas spöttisch. Jetzt hörte ich mit dem Striegeln auf, streifte die Bürste von der rechten Hand, legte das Ding auf einen Hocker und trat aus der Box. Er wich etwas zurück, als ich mitten in seine dunklen Augen starrte. »Mister«, sagte ich kalt, »mir gefällt Ihre Fragerei nicht. Wenn Sie etwas von mir wollen, spucken Sie's aus. Ob ich mit ›Krachern‹ – wie Sie es nennen – umgehen kann, hat Sie einen Dreck zu interessieren. Ich frage ja auch nicht, ob Sie unter Ihrem Hut ein Mäusenest spazierentragen.« Sein Schnauzbart begann zu zittern. Er stemmte die kurzen Arme in die Hüften und musterte mich von Kopf bis Fuß. »Nun mal langsam, mein Bürschchen«, sagte er grollend. »Ich habe dich etwas gefragt, das ist alles.« »Na fein«, sagte ich. »Und ich habe geantwortet, das ist alles. Wenn Ihnen mein Ton nicht paßt, dann können Sie ja gehen. Falls Sie genug Grütze unter Ihrem Hut haben, dann sollten Sie begreifen, daß Sie mich zu meiner Antwort provoziert haben. Mich quatscht keiner dämlich an, verstanden?« Irgend etwas blitzte plötzlich in den dunklen Augen auf, und ich war gewarnt. Und da zuckte auch schon seine Rechte hoch und huschte links in seine Jacke. Es war eine blitzschnelle Bewegung. Aber ich war schneller. »Deadhand« Corbett, der Marshal von Salmon Fall, hatte es mir beigebracht. Als der Dicke seine Rechte aus der Jacke herausreißen wollte, knackte mein Hammer, der Lauf meiner Waffe war auf seinen Spitzbauch gerichtet. »Na?« sagte ich höhnisch. »Holen Sie Ihren ›Kracher‹ doch ruhig heraus. Oder haben Sie Angst? Die sollten Sie auch haben. Ich hätte Ihnen bereits sechs Bleikugeln in den Wanst geschossen, bevor Sie überhaupt an Ihrem Halfter sind. So, und jetzt ziehen Sie Ihre Waffe sehr langsam und vorsichtig aus Ihrer Achselhalfter und lassen sie auf den Boden fallen. Und dann stelle ich die Fragen, verstanden?« Er kochte. Er kochte derart, daß ich mich nicht gewundert hätte, wenn aus der Krone seines Hutes plötzlich Dampfwolken aufgestiegen wären. Dazu knirschte er mit den Zähnen, und das tat
mir gut, denn es verkündete, daß er jetzt kuschte. Mit spitzen Fingern zog er die Waffe, eine doppelläufige Derringer, aus dem Schulterhalfter und ließ sie fallen. »Mit dem Fuß zu mir stoßen«, befahl ich und trat einen Schritt zurück. Er tat es. Ich grinste ihn an und beförderte die Waffe mit einem Fußtritt unter das Stroh der nächsten Box. Wenn er gehofft hatte, ich würde mich bücken, so ließ er sich seine Enttäuschung jedenfalls nicht anmerken. Ich halfterte den Colt genauso schnell, wie ich ihn gezogen hatte. Gelernt ist gelernt. »Mann, Mann«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Du bist lausig schnell, was? So etwas habe ich noch nicht gesehen, und ich habe 'ne Menge gesehen, das kannst du mir glauben.« »Ein Marshal hat's mir beigebracht«, sagte ich. »Sie nannten ihn ›Deadhand‹ Corbett.« Er riß die Augen auf. »Was denn? Etwa Jack Corbett, der alte Eisenfresser?« »Genau der.« »Oha. Dann ist ja alles in Ordnung. Noch vor zwei Minuten hätte ich fast gedacht, du gehörst zu der Bande.« »Was für einer Bande?« fragte ich mißtrauisch. »Die du aufgespürt hast. Glenn Chample hat mir deine Geschichte erzählt. Leider erzählt er sie auch in jedem Saloon, und ich fürchte fast, bald wird hier der Teufel lossein. Aber jedenfalls verstehst du es, dich deiner Haut zu wehren, das ist schon etwas.« Er grinste. »Wir können uns wieder vertragen, denn ich stehe auf deiner Seite, mein Junge.« »Wer sind Sie?« »John Xaver Beidler, häufig auch nur ›X‹ genannt.« »O« hätte besser gepaßt, fand ich, bei seiner Figur, aber das »X« hing wohl mit »Xaver« zusammen. Dunkel erinnerte ich mich, daß Ted Gibson ihn mal erwähnt hatte. Er sollte ein paar Straßenräuber erschossen haben, und man munkelte, er betreibe die Bildung von Bürgergerichten, um das Banditenunwesen wirksamer bekämpfen zu können.
Ich schaute mir den kleinen, dicken Mann genauer an und entdeckte eigentlich nichts, das zum Fürchten war. Er sah nicht so aus, als könne er dem Teufel ein Schwanzhaar auszupfen. Aber vielleicht täuschte ich mich. »Also gut, Mister Beidler«, sagte ich. »Was wollen Sie von mir?« »Ich möchte deine Geschichte noch einmal hören, mit allen Details«, erwiderte er. »Und wozu soll das gut sein?« »Sehr einfach.« Seine Miene verhärtete sich. »Du hast eine Menge über die Banditen in Erfahrung gebracht. Das könnte uns nutzen, ihnen daraus einen Strick zu drehen.« Das klang einleuchtend, aber ich hatte immer noch bestimmte Zweifel aufgrund meiner Erfahrungen mit Ted Gibson. Wenn der als Geschädigter nicht bereit war, gegen das Bandenunwesen anzugehen, wer dann überhaupt? »Wen meinen Sie mit ›uns‹, Mister Beidler?« fragte ich. Er nickte. »Gute Frage. Nun, wir sind keine Minderheit hier im Gebiet der Goldfunde. Es gibt noch genug anständige und auch tapfere Männer, die nicht gewillt sind, sich der brutalen Gewalt der Verbrecher zu beugen. Wir sind dabei, uns zusammenzuschließen und Organisationspläne zu entwickeln, wie den Banditen beizukommen ist. Denn eins steht fest. Auch die Banditen sind organisiert. Uns interessieren vor allem die Hintermänner. Wir haben den berechtigten Verdacht, daß sogar Gesetzesbeamte die eigentlichen Drahtzieher sind.« »Zum Beispiel Sheriff Plummer, nicht wahr?« fragte ich beiläufig. Er schien überrascht zu sein. »Was weißt du darüber?« Ich packte aus und erzählte ihm alles – von Jack McCall, meinem Partner, den Plummer aufs Kreuz gelegt hatte, von meiner Ausweisung aus Bannack und schließlich die ganze Geschichte, die mit dem Überfall auf mich in der Steilschlucht begonnen hatte. Er hörte aufmerksam zu. Als ich endete, fragte er: »Bist du ganz sicher, den DeputyMarshal Harry Funham als Bandenmitglied erkannt zu haben?« »So wahr ich hier vor Ihnen stehe«, erwiderte ich. »Ich kenne Funham ja aus Bannack und war selbst überrascht, als er plötzlich
oben bei der Hütte, dem Schlupfwinkel der Banditen, auftauchte. Außerdem hat er ja dann aktiv an dem Überfall auf den Goldtransport teilgenommen. Wenn die Kerle sich nicht demaskiert hätten, wäre vielleicht ein leiser Zweifel möglich. So aber weiß ich genau, daß er dabei war.« »Nicht schlecht, nicht schlecht«, murmelte Mister »X« und zwirbelte nachdenklich seinen Schnauzbart. Dann blickte er mich scharf an. »Würdest du bereit sein, als Zeuge vor einem Goldgräbergericht aufzutreten?« »Natürlich. Ich bin auch bereit, Ihre Männer zu dem Schlupfwinkel zu führen und die Kerle zu identifizieren.« »Gut, ich lasse von mir hören, mein Junge. Aber eines sollte ich dir wohl noch sagen. Sei vorsichtig. Für die Bande bist du mit deinem Wissen jetzt Feind Nummer eins geworden. Glenn Chample hat zuviel herumgetratscht. Er ist ein feiner Kerl, aber mit der Zunge zu schnell. Das Gespräch zwischen uns bleibt vertraulich, das verspreche ich dir. Also, paß gut auf dich auf, ein toter Zeuge nutzt uns nichts.« »Kann ich mir denken«, sagte ich. Er nickte mir zu und wandte sich zum Gehen. »Einen Moment, Mister ›X‹!« rief ich hinter ihm her. Er drehte sich fragend um. Ich grinste ihn an und sagte: »Wollen Sie Ihren Kracher nicht mitnehmen?« Er wurde fast rot vor Verlegenheit, daß ihm das passieren mußte. »Verdammt«, sagte er, »ich glaube, ich werde vergeßlich.« »Scheint mir auch so«, sagte ich trocken. »Bei Ihrem Job dürfte Vergeßlichkeit sogar tödlich sein.« Ich ging zu der Box, bückte mich, hob die doppelläufige Derringer auf und überreichte sie ihm mit dem Griff voran. »Danke«, sagte er. »Keine Ursache. Sie sollten mehr üben.« »Was üben?« »Schnelleres Ziehen«, erwiderte ich. Er grunzte etwas Unverständliches und verließ den Stall durch einen Hinterausgang, der auf den Hof führte. Jedenfalls in dieser
Hinsicht war er vorsichtig. Ob er wirklich schon Erfolge in der Banditenbekämpfung zu verbuchen hatte, erschien mir doch etwas fraglich. Ich war geneigt, den kleinen Dicken eher für einen Sprücheklopfer zu halten.
6. In der übernächsten Nacht wurde mir demonstriert, daß ich auf der Abschußliste stand. Es mußte nach Mitternacht sein. Shita hatte mir seine Schnauze ins Gesicht gestoßen und mich geweckt. Es war stockfinster. Ich war schlaftrunken, wurde aber hellwach, als die Tür zum Mietstall knarrte. Glenn Chample konnte es nicht sein, der schlief den Schlaf des Gerechten im Office nebenan. Außerdem hätte Shita mich dann nicht geweckt. Ich überlegte, ob ich die Stallaterne, die ich mit auf den Heuboden genommen hatte, anzünden sollte, entschied mich aber dagegen. Schritte tappten über den Gang zwischen den Boxen. Ein Pferd schnaubte, eine Kette klirrte. Ich kroch leise unter meiner Decke hervor und an den Rand des Heubodens, wo die Leiter angelehnt war. Die tappenden Schritte waren verstummt. Shita neben mir verhielt sich völlig still, aber ich spürte, daß er witterte und nach unten lauschte. Irgendwo in der Stadt grölte ein Betrunkener. Dann hörte ich entferntes Hufgeklapper. Die Stalltür knarrte wieder, aber jetzt wurde sie vom Nachtwind bewegt. Das Tappen der Schritte setzte erneut ein – direkt auf uns zu. Wenn der Unbekannte zur Leiter wollte, mußte er einen hervorragenden Ortssinn haben, oder er hatte sehr gute Nachtaugen. Ich umklammerte mit beiden Händen die Holme der Leiter und wartete. Angst hatte ich nicht, aber dann lief mir doch ein kalter Schauer über den Rücken, als ich jenes typische Geräusch vernahm, mit dem ein Messer aus der Scheide gezogen wird. Und ganz deutlich hörte ich, wie Zähne gegen Stahl klirrten. Er hatte das Messer zwischen die Zähne genommen, um die Hände freizuhaben,
wenn er die Leiter hochstieg. Dieser Hurensohn hatte also vor, mich abzustechen oder mir die Kehle durchzuschneiden. Kein schöner Gedanke, aber er trug dazu bei, meine Wut anzufachen. Unter uns wurde plötzlich mein Brauner mobil. Er schnaubte empört und keilte ziemlich heftig aus. Der ganze Heuboden begann zu wackeln. Genau in diesem Augenblick mußte der Messerkiller die Leiter erreicht haben. Ich spürte an den Holmen in meinen Händen, wie die Leiter erzitterte und etwas ruckte. Der Kerl stieg die Sprossen hoch, und er mußte sich jetzt beeilen, denn bei dem Krach, den mein Brauner veranstaltete, mußte auch ein Schwerhöriger wach werden. Ich hörte, wie mein Mörder verhalten fluchte. Ich richtete mich aus meiner geduckten Haltung hoch und lauerte. Er atmete keuchend, es klang näher und näher. Fast wäre ich zurückgezuckt, als seine Hände beim Hochschieben an den beiden Holmen plötzlich meine Hände berührten. »Gute Reise!« sagte ich grimmig und stieß die Leiter mit einem kraftvollen Ruck von mir weg. Jetzt beschrieb sie einen Bogen und mußte sich nach hinten neigen. Trotz der Finsternis hatte ich ein deutliches Bild dieses Vorgangs vor meinem geistigen Auge. Ein fürchterlicher Schrei gellte durch den Mietstall, etwas zersplitterte krachend, ein dröhnender Aufprall folgte, und dann war zwischen den Boxen die Hölle los. Hufe donnerten gegen die Holzwände der Boxen, Ketten klirrten und schepperten, das schrille, angstvolle Wiehern der Pferde toste wie ein überirdischer Trompetenstoß durch den Stall. Ich mußte mir die Ohren zuhalten. Bei dem Krach konnten einem glattweg die Trommelfelle platzen. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis plötzlich der grelle Schein einer Petroleumlampe in der Stalltür erschien und die wüste Szenerie beleuchtete. Ich zog meinen Colt, sicher war sicher. Die Köpfe der Pferde ruckten herum, der Lichtquelle zu. Ich sah das grelle Weiß ihrer verschreckten Augen. »Ronco?«
Die Stimme übertönte den Krach. Es war Glenn Chample. Ich bückte mich, schob die Beine über den Rand des Heubodens, stieß mich nach unten, bis meine Arme ausgestreckt waren, und wagte dann den Sprung. Meine Landung war perfekt. Immerhin lag der Heuboden etwa viereinhalb Yards über dem Stallboden. Die Lampe wanderte auf mich zu, und ich hörte einen erstickten Ausruf. Der Lichtschein fiel auf die zerborstene Leiter. Das zersplitterte Holz war über drei Boxen verteilt. In der mittleren Box tobte ein schwarzer Wallach herum und zertrampelte den leblosen Mann zu Knochenmus. Ich sprang hinzu und zog den Mann an den Stiefeln aus der Box. Er hatte sich das Genick gebrochen. Außerdem hatte ihm der Wallach den Brustkorb eingetreten, ganz abgesehen von den diversen Knochenbrüchen. Ein Huftritt hatte das Gesicht des Mannes zerquetscht. Ich erkannte ihn dennoch. Es war Joe Flagg. Shita würde ihm keine Hose mehr zerreißen. Glenn Chample starrte mit grünem Gesicht auf den Toten, wandte sich hastig ab und erbrach sich in die Stallgasse. Ich zog Joe Flagg an den Stiefeln zum Hinterausgang des Stalls, öffnete die Tür, zerrte ihn nach draußen und deckte eine Plane über ihn. Dann beruhigte ich die Tiere, räumte die Leiterreste weg und klarte auf. Das Messer lag bei der Futterkiste. Glenn Chample erschien mit einer Whiskyflasche. An seiner Fahne merkte ich, daß er sich bereits einen gehörigen Schluck genehmigt hatte. Die Stallgasse war auch schon wieder sauber, ich hatte die Überreste aus seinem Magen mit ein paar Eimern Wasser weggespült. Ihm war das sichtlich peinlich. »Entschuldige bitte«, sagte er und reichte mir die Flasche. »Das hätte ich eigentlich wegräumen müssen.« »Sie sind der Boß«, sagte ich und gurgelte mit Whisky. Er tat mir gut nach allem, was passiert war. Ich wischte mir über den Mund. »Er wollte mich abmurksen, der Schweinehund. Mit dem Messer. Shita weckte mich. Als er die Leiter hochstieg und oben angelangt war, hab ich sie umgestoßen. Er muß sich beim Aufprall das Genick gebrochen haben, den Rest hat der Wallach erledigt.« Er nickte und kratzte sich den Schädel. »Jetzt haben wir die Leiche
am Hals.« »Die bring ich weg«, sagte ich. »Und wohin?« »In einen verlassenen Claim. Am Ortsrand sind genug Löcher.« »Gut, ich helfe dir.« Bevor wir Joe Flagg auf einen Handkarren luden, trösteten wir uns mit ein paar Schlucken Whisky. Dann zogen wir den Karren durch die leeren Straßen der Stadt. Es mußte gegen drei Uhr morgens sein. Es war neblig, und das war uns gerade recht. Nur das vordere, rechte Karrenrad quietschte zum Gotterbarmen und zerrte an unseren Nerven. Joe Flagg fand seine letzte Ruhestatt unter der Weide an einem Creek, wo die Goldgräber die Erde umgewühlt hatten. Wir waren beide froh, als wir mit dem leeren Karren zurückzogen. Jetzt quietschte er nicht mehr. Wir waren nicht mehr ganz nüchtern. Zum Ausgleich briet Glenn Chample über ein Dutzend Speckscheiben und schlug sechs Eier darüber. Er grinste, hatte Schluckauf und sagte: »Der Leichenschmaus für einen Hundesohn!« Am nächsten Morgen besorgte ich eine neue Leiter und beschloß, künftig in der Box bei meinem Braunen zu schlafen. Eigenartig, ich hatte plötzlich eine Abneigung gegen den Heuboden. Diese Abneigung rettete mir das Leben. * In der dritten Nacht nach Joe Flaggs Tod schlugen sie wieder zu, dieses Mal noch brutaler. Ich fuhr hoch, als ich Glenn Champles Hilfeschrei aus dem Office hörte. Mit einem Schuß brach der Schrei ab, jäh und irgendwie endgültig. Ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, daß sie ihn erschossen hatten. Mit einem Satz war ich aus der Box, mit dem Colt in der Faust. Ich lief durch die Stallgasse zur Tür und wollte sie öffnen. Vergeblich. Sie war von außen abgeriegelt. Ich wußte, da befanden sich zwei Riegel, die ich niemals sprengen würde, jedenfalls nicht mit Körperkraft.
Shita begann zu knurren und wurde so unruhig, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Draußen schepperte etwas blechern, dann hörte ich ein Plätschern, als schütte jemand Wasser gegen die Stallwand. Es war aber kein Wasser. Der penetrante Gestank von Petroleum stieg mir in die Nase. Jetzt wußte ich Bescheid, und für einen Moment stieg Panik in mir hoch. Sie wollten mich bei lebendigem Leibe verbrennen. Ich zuckte zusammen, als ich das Scharren auf dem Dach hörte – über dem Heuboden. Eine Schindel brach weg, Sekunden später fiel ein brennendes Schwefelholz in das Heu. Ich riß den Colt hoch und feuerte nach oben – Treffer. Jemand stöhnte, ich hörte ein rutschendes Geräusch, und Bruchteile von Sekunden danach klatschte ein Körper draußen auf den Boden. Ich hoffte nur, daß sich der Kerl ebenfalls das Genick gebrochen hatte. Jetzt wurde ich eiskalt. Ich raste zur Hintertür, die zum Hof hinausführte. Auf dem Heuboden begann es zu prasseln. Auch die Hintertür hatten sie verriegelt. Ich saß in der Falle. Ich holte meinen Braunen unter dem Heuboden weg und sattelte ihn mit fliegenden Händen. Shita begann zu winseln. Ich schnappte mir einen Eimer Wasser und goß ihn über den Braunen, den nächsten Eimer empfing Shita, dann goß ich mir Wasser über den Kopf, bis ich klitschnaß war. Die Pferde tobten und wieherten schrill. Qualmwolken zogen durch den Mietstall. Die Außenwand zur Straße brannte lichterloh. Eine glühende Hitze breitete sich aus. Dort, wo das Office an den Stall angebaut war – ich hatte das vor zwei Tagen festgestellt und reparieren wollen –, waren die Holzplanken morsch geworden. Genau an dieser Stelle war das Regenwasser vom Dach ständig hinuntergelaufen. Ich setzte Shita in den Sattel und führte den Braunen durch die Stallgasse zu dieser Stelle. Die eine Planke konnte ich losreißen, die zweite rammte ich mit der Schulter ein. Dabei gab die dritte nach, und ich flog nach draußen. Mein Brauner drängte nach und blieb neben mir stehen, bis ich mich aufgerappelt hatte. Shita klammerte sich vor dem Sattel fest
und sah aus wie ein Affe auf dem Schleifstein. Wir hatten es geschafft. Office und Stall bildeten hier eine Art Nische, die von der Straße her nicht einzusehen war. Hinter mir toste eine Gluthölle. Für die armen Kreaturen im Stall konnte ich nichts mehr tun. Es wäre Selbstmord gewesen. Aber etwas anderes war zu tun, und davon würde mich keine Macht der Welt zurückhalten. Ich führte den Braunen mit Shita hinter eine massive Steinmauer, die ein Storebesitzer errichtet hatte, weil er dachte, hier alt zu werden. Die Schwindsucht hatte ihn daran gehindert. Der Store war in den Besitz eines anderen Geschäftsmannes übergegangen, den ich jetzt draußen vor dem Store herumschreien hörte. Diese Steinmauer grenzte an den Hof des Mietstalls und gab mir Deckung. Ich holte den Sharps-Karabiner aus dem Scabbard, füllte die leeren Kammern meines Colts auf und schlich an der Mauer entlang bis zu ihrem Ende. Es war, wie ich es mir gedacht hatte. Drüben auf der anderen Straßenseite standen drei Männer im Schatten der Häuser. Sie waren bewaffnet und starrten fasziniert auf den brennenden Stall. Jenseits des Stalls, auf der anderen Seite, das wußte ich, würden sie ebenfalls lauern – bereit, sofort auf mich zu schießen, falls es mir gelingen sollte, aus der Hölle auszubrechen. Ich hob die Sharps, visierte den linken Mann an und schoß. Noch während er zusammenbrach, feuerte ich auf den mittleren Kerl. Der sprang hoch, balancierte wie ein Seiltänzer über die Straße, stolperte und schlug flach hin. Ich wechselte die Sharps in die Linke, zog den Colt und marschierte über die Straße auf den dritten zu, der Augen wie ein Mondkalb hatte und mir mit offenem Mund entgegenstarrte. Ich schoß aus der Hüfte, und mein Blei traf ihn voll. Die drei lagen da, wie von einer Axt gefällt. Ich lud nach und huschte wieder hinter die Mauer. Ich brauchte nicht lange zu warten. Sie dachten, mich zu haben und mir den letzten Rest geben zu können. Dieses Mal waren es vier Galgenvögel. Sie stürmten wie durchgehende Bullen um die Ecke und prallten zurück, als sie ihre drei toten Kumpane entdeckten.
Ich hatte die Sharps auf meine linke Faust gelegt, die ich gegen das Mauerwerk drückte. Ich dachte an die verbrennenden Pferde – der Geruch des verbrannten Fleisches drang zu mir herüber, und ich schoß dem Mann, der mir am nächsten war, die Kugel in den Magen. Ich tat es bewußt – damals. Ich war rasend vor Wut und dennoch eiskalt. Es bereitete mir eine höllische Befriedigung, die Kerle stolpern und stürzen zu sehen. Sie hatten Glenn Chample brutal niedergeknallt. Warum sollte ich irgendwelche Rücksicht nehmen? Der Mann, den ich getroffen hatte, wälzte sich am Boden. Einer der übrigen drei schaltete, riß sein Gewehr hoch und feuerte. Die Kugel summte an meinem linken Ohr vorbei. Ich zielte auf die Mündungsflamme und zog durch. Mein Schuß rasierte über seinen Gewehrlauf und schlug ihm in den Hals. Er gurgelte, und ich war sicher, daß er voll bedient war. Und wieder packte mich dieser tödliche Vernichtungswille. Ich sprang aus der Deckung, den Colt wieder in der Rechten, und ging auf die beiden letzten Kerle zu. Der eine warf sich herum und floh. Ich zerschoß ihm das rechte Knie. Sein Brüllen ließ mich kalt. Ich konzentrierte mich auf den letzten, der geduckt vor mir stand. Ich zeigte ihm die Zähne. »Na, los doch!« schrie ich ihn an. »Schieß doch, du Wanze, du miserable Ratte, oder ist dir die Courage in den Hintern gerutscht?« »Du – du …«, ächzte er und griff zum Colt. Als sein Lauf hochkippte, fällte ihn meine Kugel. Das Loch saß genau über seiner Nasenwurzel. Er war schon tot, zog aber noch durch. Der Schuß traf seinen Kumpan, der sich mit meinem Blei im Magen wie ein getretener Wurm wand. Die Kugel raste über sein Gesicht. Fratzenhaft waren alle ihre Gesichter. Sie würden dem Teufel in der Hölle gute Gesellen sein. Aufatmend richtete ich mich aus meiner geduckten Haltung auf und stieß den Colt ins Halfter. Die Nacht war blutrot. Funken stoben in den Himmel. Der Mietstall rechts von mir war ein feuerspeiender Vulkan. Die Gebäude nebenan begannen zu brennen. In das Prasseln und Knacken der Flammen mischten sich die Schreie und das Gebrüll menschlicher Stimmen. Links von mir sprang ein Fenster auf. Eine Frau mit einer
Nachthaube lehnte sich über das Fensterbrett und schrie mit gellender Stimme: »Feuer! Feuer!« Dann sah sie unter sich die sieben Kerle – und mich. Sie verdrehte die Augen, stieß einen spitzen Schrei aus und begann mit den Armen zu rudern. Ich hatte Angst, daß sie aus dem Fenster fallen würde. Aber sie kippte nach hinten. Ich sah noch, wie sie von zwei kräftigen Männerarmen aufgefangen wurde. Ich pfiff meinem Braunen. Es wurde Zeit, zu verschwinden. Er trabte um die Mauerecke, Shita lief neben ihm her. Zur Abwechslung erschien jetzt ein Mann oben in dem Fenster und beugte sich hinaus. »Überfall!« schrie er mit überschnappender Stimme. Ich schaute zu ihm hoch und tippte an die Stirn. Fiel dem Mann da oben nichts besseres ein, als »Überfall!« zu schreien? Doch, ihm fiel noch etwas ein. Er brüllte: »Mord! Hilfe! Zu Hilfe! Hängt ihn auf! Er will uns alle ermorden! Zu Hilfe …« Ich sprang in den Sattel, zog den Braunen herum und galoppierte die Straße zurück. Shita fegte neben mir her. Links von uns bogen drei Reiter um eine Ecke, Mündungsfeuer blitze an ihren Hüften auf, und schon flogen mir die Kugeln um die Ohren. Ich lenkte den Braunen mit den Schenkeln, schwenkte den Sharps-Karabiner herum und feuerte zurück. Eins der drei Pferde bäumte sich auf, raste quer über die Straße und durchbrach mit voller Gewalt eine Tür. Der Reiter knallte mit dem Kopf gegen den oberen Türrahmen und wurde aus dem Sattel gefegt. Mehr sah ich nicht. Ich lag geduckt auf dem Hals meines Braunen, lenkte ihn rechts in eine Nebenstraße, dann wieder nach links, fand die Wagenstraße nach Beaver Head und trieb den Braunen zu einem raumgreifenden Galopp an. Sie gaben nicht auf. Hämmernder Hufschlag verfolgte mich. Immerhin hatte ich einen Vorsprung, der mehr als einer Gewehrschußweite entsprach. Nach einer Viertelstunde hatte ich den Eindruck, daß sie noch weiter zurückgefallen waren. Ich verließ die Wagenstraße und ritt nach rechts in das felsige Land. Fünf Minuten später hörte ich sie vorbeijagen, dann verlor sich der Hufschlag in der Ferne.
Ich fand eine Felsenhöhle, die uns einen geschützten und versteckten Unterschlupf bot, führte den Braunen hinein, nahm ihm den Sattel ab und bereitete mir ein Lager. Bevor ich einschlief, dachte ich an meine wilde Reaktion – was die sieben Männer betraf. Es war grausam, jemanden mit voller Absicht in den Magen zu schießen. Was war mit mir los? Ich hatte verletzen und töten wollen. Da war die Notwehrsituation, die mir das Recht gab, zurückzuschlagen, aber ich hatte das Maß verloren. Das durfte mir nie wieder passieren. Draußen schrie ein Nachtvogel. Shita lag zusammengerollt an meinem Rücken und japste im Schlaf. Vielleicht träumte er von dem riesigen Kater oder von Joe Flaggs Hosenbeinen. Das war bereits Vergangenheit. Wir würden nicht mehr nach Virginia City zurückkehren. Glenn Chample war tot, der Mietstall existierte nicht mehr. Meine Zukunft war trüber denn je.
7. Am Spätnachmittag des nächsten Tages erreichte ich Beaver Head, das ich ja von meinen Frachtfahrten her kannte. Es war ein genauso lausiges Kaff wie Virginia City, vielleicht sogar noch lausiger. Ich ritt zu dem Store von Mister Fleming, zu dem ich sonst immer die Waren gebracht hatte. Den Braunen band ich draußen an der Haltestange an. Shita blieb bei ihm. Ich nahm meinen Proviantsack mit, um einzukaufen. Ich brauchte Hartverpflegung, denn eines war mir klar geworden: auch hier konnte ich nicht bleiben. Ich mußte zusehen, so viele Meilen wie möglich hinter mich zu bringen, denn für Harry Funham und Konsorten war ich zum gefährlichsten Zeugen geworden. Die Ereignisse der letzten Nacht hatten es bewiesen. Von Mister Beidlers Sprüchen hielt ich auch nicht viel. Wenn er Gesinnungsfreunde in Virginia City hatte, so hatte ich zumindest in der letzten Nacht nichts davon bemerkt. Niemand hatte sich bei dem brennenden Mietstall blicken lassen oder die Strolche aufs Korn genommen, die vor und hinter dem Stall auf mich gelauert hatten. Sollte der Dicke doch zusehen, wie er mit seinen Problemen fertig wurde. Ich hatte mit mir selbst genug zu tun.
Ich betrat den Store. Mister Fleming, ein glatzköpfiger Hanswurst, der mit den einkaufenden Ladys schäkerte, den Kindern Bonbons schenkte und den Männern zotige Witze erzählte, stand hinter dem Tresen und füllte Gurken aus einem Faß in ein Einmachglas. Als er mich sah, verging ihm sehr schnell das Harlekingrinsen, das er sonst immer zeigte. »Du?« sagte er entgeistert. »Jawohl, ich«, erwiderte ich und trat an den Tresen. »Ich möchte Proviant einkaufen.« »Äh – hm – du bist gar nicht tot?« Er rollte mit den Augen. »Sollte ich denn?« Er schluckte. »Gestern erzählte jemand, du seist vor ein paar Tagen auf dem Weg hierher überfallen und erschlagen worden – am Freitag, als ich die Ware erwartete.« Ich fischte mir eine Gurke aus dem Glas und biß hinein. »Ich lebe«, sagte ich kauend, »und ich habe auch nichts dagegen, daß es so ist. Mister Gibson hat mich gefeuert.« »Was denn? Und wo bleibt meine Ware?« Ich grinste ihn an. »Das fragen Sie mal Mister Gibson.« Mister Fleming fand das gar nicht lustig. »Ich bin aufgeschmissen, ich bin ruiniert, ich muß die Ware haben, sofort, sag ihm das, verstanden?« Ich schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht tun, und zwar deswegen nicht, weil ich aus dieser Gegend verschwinde. In den letzten Tagen wurden etwas zuviele Mordversuche auf mich unternommen.« »Mordversuche?« Er blickte sich hastig im Store um, als seien meine Mörder schon hier und hätten sich irgendwo versteckt. »Ja, Mister Fleming, so ist das. Kann ich jetzt bei Ihnen einkaufen?« »Natürlich, natürlich.« Jetzt hatte er es sehr eilig, mich zu bedienen. Nervös war er auch. Ständig starrte er durch die große Scheibe nach draußen, wog zuviel Mehl und Kaffee ab, verrechnete sich – ebenfalls zu meinen Gunsten – und atmete sichtlich auf, als ich den Proviant im Sack verstaute und mich zum Gehen wandte. Er hatte die Hosen gestrichenvoll.
An der Tür drehte ich mich noch einmal um. »Sie haben mir heute gar keinen Witz erzählt, Mister Fleming«, sagte ich. »Ist Ihnen der Witzvorrat auch ausgegangen?« Er brachte es fertig, ohne rot zu werden, zu lügen. Er sagte: »Ich fühle mich heute gar nicht wohl. Ich hab so ein Kribbeln in der Nase und Schluckbeschwerden. Da ist eine Erkältung im Anmarsch.« »Sie Ärmster«, sagte ich mitfühlend und trat nach draußen. Meine Mörder waren bereits aufmarschiert – zwei Kerle mit den typischen Visagen aus dem Horst der Galgenvögel. Sie lehnten schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite an einem Gatter, die Arme aufgestützt, je ein Bein über die untere Gatterlatte gehakt. Beide stierten konzentriert in die Luft. Vielleicht schauten sie ins Paradies. Ich jedenfalls konnte nur Luft da oben entdecken, und ein paar Wolken mit ausgefransten Rändern. An ihren Schenkeln baumelten schwere Kracher. Da sie nicht sofort schossen, sondern harmlose Luftbetrachter markierten, hatte ich wohl noch eine Galgenfrist. Vielleicht hatte man sich auch entschlossen, mich lebend zu erwischen, um zu erfahren, was ich alles über die Bande entdeckt hatte. Denn nur dann konnte man auch wirksame Gegenmaßnehmen ergreifen. Alles das ging mir natürlich in Sekunden durch den Kopf. Ich tat so, als bemerkte ich sie nicht und schlenderte zu meinem Braunen. Als ich den Sattelgurt überprüfte, starrte der eine weiter in die Luft, während der andere seinen Hut abgenommen hatte und dessen Inneres begutachtete. Tatsächlich linste er aber an der Krempe vorbei zu mir herüber. Ich hing den Proviantsack über das Sattelhorn, band meinen Braunen los und marschierte, ihn hinter mir herziehend, zu einem Saloon, den ich kannte und wo ich immer gegessen hatte, wenn ich nach Beaver Head gefahren war. Dort hatte ich noch nie üble Subjekte gesehen. Der Saloon wurde fast nur von Goldgräbern besucht, die zwar alle ein bißchen verrückt waren, aber zu der anständigen Sorte gehörten. Ich hatte Hunger. Außerdem würde der Saloon mir einen gewissen Schutz bieten. Der Wirt, ein stämmiger Deutsch-Schweizer, mochte mich, weil ich ihn an seinen Sohn erinnerte, der sich vor einem Jahr
beim Waffenreinigen durch einen unglücklichen Umstand erschossen hatte. Es war ein sinnloser Tod gewesen, und Joseph Egli knackte schwer daran. Auf dem Weg zum Saloon, der an der Main Street lag, drehte ich mich einmal unauffällig um, als ich einem Fuhrwerk auswich. Ja, sie marschierten mit den Mienen unschuldiger Chorknaben hinter mir her. Aber nicht nur sie. Noch drei hatten sich hinzugesellt, erkennbar an ihren Schießeisen, ihren Visagen und ihrer verlotterten Kleidung. Wenn die Bande paramilitärisch organisiert war, gehörten sie zum Fußvolk, genauso wie Joe Flagg. Für die Ausführung von Morden waren sie allemal gut, auch wenn sie nicht viel Grips hatten. Wenn ich richtig kalkulierte, würden sie versuchen, mich bei Dunkelheit zu schnappen. Ich hatte also noch Zeit. Vielleicht würde ich auch bei Joseph Egli das Dachzimmer nehmen, das er manchmal vermietete. Ich hatte dort auch schon geschlafen, wenn es sich so ergeben hatte. Ich erreichte den Saloon und band den Braunen an einem Eisenring an. Meine fünf Schatten standen plötzlich wie Ölgötzen in der Landschaft und spielten wieder Luftbeobachtung. Idioten! Mit Shita steuerte ich durch die Tür und auf den Tresen zu. Auch Mister Egli blickte mich für einen kurzen Moment fast entsetzt an, strahlte dann aber über das ganze Gesicht. »Gott sei Dank«, sagte er und langte über den Tresen, um mir die Hand zu schütteln. »Es ist also nicht wahr, was hier herumerzählt wurde.« Er hatte einen Händedruck wie eine Schraubenzwinge, mächtige Schultern und ein kantiges Gesicht. »Nein, es ist nur zum Teil wahr«, sagte ich, »aber jetzt versuchen die Kerle, das Versäumte nachzuholen. In Virginia City bin ich zwei Mordanschlägen entgangen. Jetzt sind sie schon wieder hinter mir her – fünf Strolche. Sie scheinen draußen zu warten. Übrigens, Ted Gibson hat mich gefeuert. Da ich inzwischen etwas zuviel über die Bande weiß, bin ich für ihn Gift. Er hat Angst. Dabei hatte ich angenommen, er wäre verrückt darauf, die Bande auszuheben. Ich kenne nämlich ihren Schlupfwinkel und weiß, welcher angeblich honorige Mann mit den Kerlen zusammenarbeitet und sogar an Überfällen teilnimmt.«
Joseph Egli staunte nicht schlecht. Dann sagte er fast herzlich: »Willst du bei mir unterschlüpfen?« »Daran hatte ich auch schon gedacht, Mister Egli, aber dann sind Sie ebenfalls gefährdet.« Und ich erzählte ihm von Glenn Champles Tod und dem Abbrennen des Mietstalls. Joseph Egli wischte meine Einwände beiseite. »Du bleibst hier«, sagte er kategorisch, und damit war für ihn der Fall erledigt. Er zwinkerte mir zu. »Du siehst aus, als hättest du ein Loch im Magen.« »Hab ich auch.« Er grinste. »Steak, Bohnen und Bratkartoffeln?« Ich verdrehte verzückt die Augen und nickte. »Und für Shita natürlich einen Knochen, nicht wahr?« »Gern, aber ich möchte für alles bezahlen, Mister Egli.« »Du hast ein kleines Vögelchen«, sagte er, schenkte mir ein Bier ein und verschwand in der Küche. Ich nahm den Krug und setzte mich an einen leerstehenden Tisch in der Nähe des Tresens. Der Saloon begann sich zu füllen. Den Eingang hatte ich im Auge. Es dauerte nicht lange, und am Tresen herrschte Hochbetrieb, die Tische wurden besetzt. Vier Schritte etwa von mir entfernt setzte sich ein rothaariger Riese mit zwei anderen an einen Tisch. Mir fiel auf, daß der Riese mich musterte. Sein Blick glitt zu Shita, dann wieder zu mir. Auch meinen Navy-Colt registrierte er, und da hatte er plötzlich ein merkwürdiges Zucken um die Mundwinkel. Es sah aus wie ein Grinsen. Im übrigen hatte er harte, graugrüne Augen, eine kurze, gerade Nase und ein Granitkinn. Den Gedanken, daß er zu der Bande gehören könnte, verwarf ich wieder. Auch die beiden anderen sahen nicht nach Galgenvögeln aus. Oder sollten sie vielleicht die bessere Garnitur sein und nicht zum »Fußvolk« gehören? Mir egal. Die Platte stand vor mir und lachte mich an. Unter meinem Stuhl vernahm ich, daß Shita seinen Knochen bereits kräftig mit den Zähnen bearbeitete. »Mahlzeit!« sagte ich zu ihm hinunter. Und was tat dieser Hund? Er knurrte mich an und wedelte gleichzeitig mit dem Schwanz – vorne bissig, hinten freundlich. Als
hätte ich ihm schon jemals einen Knochen weggenommen! Ich fiel über mein Steak her und schaufelte. Zwischendurch spülte ich mit Bier. Ah, tat das gut nach dem Fraß bei Ted Gibson und Glenn Chample. Das Steak zerging auf der Zunge. Der rothaarige Riese linste ab und zu zu mir herüber, aber ich beachtete ihn nicht weiter. Als ich die Platte restlos verputzt hatte, lehnte ich mich satt und zufrieden zurück und faltete die Hände über meinem Bauch. Draußen war es dunkel geworden. Ich gähnte und dachte eigentlich an nichts mehr. Ich war im Moment sogar zu faul aufzustehen, um meine Satteltaschen, die Deckenrolle, die Sharps und den Proviantsack zu holen. Den Braunen mußte ich dann auch noch unterstellen. Mister Egli hatte einen kleinen Stall hinter dem Saloon. Und da prallte die Tür auf, und die fünf Strolche marschierten im Gänsemarsch in den Saloon, das heißt, einer blieb gleich an der Tür stehen. Einige der Gäste schauten auf und wurden steif. Ich warf einen schnellen Blick zu dem Rothaarigen hinüber. Er hatte die Augen zusammengekniffen und beobachtete die Kerle. Drei lümmelten sich an den Tresen und schoben die anderen mit den Ellbogen beiseite. Einfach so. Dabei hatten sie eiskalte, höhnische Gesichter aufgesetzt. Sie waren bewaffnet, die meisten Goldsucher waren es nicht, abgesehen von den Messern, die sie im Stiefelschaft oder unter dem Gürtel hatten. Es war plötzlich sehr still in dem Saloon. Der fünfte stelzte auf mich zu, jedenfalls wirkte sein Gang so. Vielleicht hatte er auch in die Hose gemacht. Stinken tat er so oder so. Er sah schläfrig aus, hatte eine Warze mitten auf dem Kinn, und aus der Warze wuchsen Haare. Es sah sehr lustig aus. Er pflanzte sich vor mir auf und starrte zu mir hinunter. »Du bist Ronco, he?« sagte er schläfrig. »Nein, mein Name ist Abraham Lincoln. Ich bin der Neffe des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Und wie ist Ihr Name?« »Ha?« »Ich fragte, wie Sie heißen.« Einige der Goldsucher begannen zu grinsen. Ich sah es aus den
Augenwinkeln. Ich konnte auch Joseph Egli sehen. Er hatte beide Hände unter dem Tresen. Dort hatte er eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen, das wußte ich. Na ja, da konnte ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. Eins fühlte ich instinktiv: die Stimmung war für mich. Vielleicht kannten mich auch einige. Der Mann mit der Warze auf dem Kinn hatte sichtlich Mühe, mir geistig zu folgen. Seinen Namen erfuhr ich nicht. Vielleicht hatte er ihn auch vergessen. »Präsident?« fragte er. Er kaute an dem Wort. Wahrscheinlich wußte er noch nicht einmal, was ein Präsident ist. Ich löste meine über dem Bauch gefalteten Hände, senkte langsam die Linke und kraulte Shita den Nacken. Ich beschloß, den Warzenmann noch weiter zu verwirren. »Mein Hund heißt Shita«, sagte ich. »Er ist schon im Zirkus aufgetreten – als Dame ohne Unterleib. Sie frißt Kräuter und Schlangen und scheißt sogar Zuckerstangen.« Das reimte sich, und ich war selbst verblüfft. Verblüfftes Schweigen herrschte auch ein paar Augenblicke bei den Goldgräbern, dann brandete ein brüllendes Gelächter durch den Saloon. Nur die fünf Kerle waren völlig humorlos. Sie hatten Leichenbittermienen und sahen aus, als hätte der Sargtischler gerade ihre Maße für ihre Särge notiert. Der Warzenmann schien sich inzwischen auf sein Vorhaben besonnen zu haben. Als das Gelächter verstummt war, sagte er: »Du sollst mal 'rauskommen. Draußen wartet ein Gentleman, der dich sprechen möchte.« »Ich soll gar nichts«, sagte ich kalt. »Hauen Sie ab, Sie Blödmann. Bestellen Sie ihrem Gentleman, wenn er was von mir will, soll er gefälligst selbst erscheinen.« »Dann müssen wir dich mitnehmen«, sagte der Warzenmann. »Versuchen Sie's doch mal«, sagte ich höhnisch … Unter meinem Stuhl tigerte Shita hervor – ein vibrierendes, knurrendes Ungetüm mit gesträubtem Nackenfell und hochgezogenen Lefzen, die seinen schimmernden Fang bloßlegten. »Mein Hund ist ganz wild auf Warzen«, sagte ich. »Ob er die Haare auf Ihrer Warze mag, weiß ich nicht. Man müßte es mal
ausprobieren.« Der Kerl wich zwei Schritte zurück, den Blick starr auf Shita gerichtet. Shita tigerte weiter, jetzt ganz tief geduckt. Er knurrte ununterbrochen. Der Warzenmann zog sich noch weiter zurück. »Knall das Mistvieh doch über den Haufen«, sagte einer der drei Strolche am Tresen. Die Hand des Warzenmannes zuckte nach unten. Als sich seine Finger um den Griff schlossen, starrte er bereits in meine Laufmündung und kriegte hervorquellende Augen. »Schnall ab, Blödmann«, sagte ich und winkte mit dem Colt. Mit zitternden Fingern nestelte er die Schnalle auf und ließ seinen Waffengurt fallen. In diesem Moment versuchte es einer der drei Kerle am Tresen. Joseph Egli reagierte blitzschnell. Seine Faust krachte auf den Kopf des Mannes und trieb ihm den Hut über die Ohren. Er seufzte, sackte nach unten weg und setzte sich auf den Hintern. Die beiden anderen krachten mit den Köpfen zusammen. Josef Egli hatte noch einmal zugelangt, ihre Kragen gepackt und mit einem Ruck ihre Schädel gegeneinander gedonnert. Als er losließ, taumelten sie umeinander und verdrehten die Augen. Der Strolch an der Tür sprang nach draußen und stieß drei schrille Pfiffe aus. Der rothaarige Riese, der mich vorhin gemustert hatte, war mit einem Satz bei dem Warzenmann, hob ihn aus, legte ihn in der Luft quer und warf ihn über sich wegduckende Köpfe zur Tür. Dann waren alle Männer plötzlich hoch, und als Verstärkung für die restlichen vier Strolche durch die Tür stürmte, ging die Bolzerei richtig los. Ich halfterte den Colt und wollte mich ins Gefecht stürzen, gelangte aber nicht weit. Der Riese packte mich am Kragen und schob mich zur Hintertür. Shita schnappte wütend nach seinem rechten Stiefel. »Mann, halt deinen Hund zurück, ich will dir helfen«, stieß der rothaarige Riese hervor. »Shita, ruhig!« rief ich. Flaschen und Gläser zerplatzten auf Schädeln, Tische krachten
zusammen, ich sah, wie sich Joseph Egli mit einem Knüppel bewaffnet auf die Eindringlinge stürzte, unterstützt von den Goldgräbern. Ja, hier wurden den Buschkleppern die Zähne gezeigt, hier kuschte keiner und zog den Kopf vor dem Terror ein. Der Rothaarige schirmte mich ab und bugsierte mich durch die Hintertür. Ohne viel Federlesens schleppte er mich durch die Straßen und Gassen. Zehn Minuten später befand ich mich in einer kleinen Hütte am Rande einiger Claims. Der Riese verhängte die zwei Fenster und entzündete eine Kerze. Die Hütte war primitiv eingerichtet, aber sauber. An der einen Wand stand immerhin ein Klappbett, ein Kanonenofen vollendete den Luxus. »Setz dich, Abraham Lincoln«, sagte der Rothaarige und grinste. Er deutete auf eine Kiste. »Mein Name ist Allen McCoy, und du bist Ronco, nicht wahr?« Ich nickte und setzte mich. McCoy kniete sich vor den Ofen und stocherte im Feuerloch. Dann legte er ein paar Holzscheite auf. Als der Ofen zu bullern begann, wandte er sich um und setzte sich auf eine andere Kiste. »Ich habe dich nach der Beschreibung von Mister ›X‹ erkannt«, sagte er. »John Xaver und ich sind Freunde. Er hat mir vor ein paar Tagen von dir erzählt – auch wie du ihn aufs Kreuz gelegt hast. Ich hab mich halb tot gelacht. Wie schnell du mit der Waffe bist, habe ich ja dann im Saloon selbst sehen können.« »Na schön«, sagte ich. »Und was soll ich hier jetzt? Die Kerle im Saloon hätte ich auch ohne Ihre Hilfe geschafft.« »Die wahrscheinlich, aber nicht die Verstärkung. Du hast verdammt hoch gespielt, Söhnchen.« »In Virginia City habe ich es mit sieben von den Kerlen aufgenommen, davon sind sechs jetzt tot und einer ein Krüppel. Im übrigen weiß ich immer noch nicht, was Sie von mir wollen. Außerdem hatte mir Ihr Mister ›X‹ versichert, unser Gespräch vertraulich zu behandeln.« Er knetete seine großen Hände und sah mich nachdenklich an. Dann sagte er: »Beidler und ich arbeiten zusammen, darum hat er mir von eurem Gespräch erzählt. Alles weitere erfährst du, wenn die
anderen da sind. Magst du einen Kaffee?« Ich nickte. Einiges ging mir durch den Kopf. Dieser Mister ›X‹ hatte also doch Verbindungen und Gesinnungsfreunde. Vielleicht hatte ich ihn unterschätzt. Und dieser Riese Allen McCoy war bestimmt nicht von Pappe. Ich stufte ihn als Kämpfer ein. So ganz allein stand ich also nicht mehr da, das war auch etwas wert.
8. Etwa eine Stunde später waren draußen Schritte zu hören. Kurz darauf klopfte es dreimal, und McCoy öffnete. Die zwei Männer, die mit ihm an dem Tisch im Saloon gesessen hatten, und noch zwei andere traten ein. Sie sahen arg lädiert aus, grinsten aber breit und zufrieden. Einer mit einem riesigen Veilchenauge – er hieß Talbot – berichtete, während er schluckweise heißen Kaffee trank, den McCoy ihnen angeboten hatte. »War 'ne heiße Sache«, sagte er, »denn nachdem der eine die Verstärkung herangepfiffen hatte, erschienen noch zwölf von dieser Sorte. Als sie schießen wollten, wurden unsere Leute wild. – O Mann!« Er stöhnte wollüstig und betrachtete seine wundgeschlagenen Faustknöchel. »Wir haben sie aus Josephs Saloon geprügelt, daß die Fetzen nur so flogen. Auf der Straße ging's weiter. Einen hat Joseph rechts vom Eingang in die Regentonne gestaucht. Da hängt er jetzt noch drin, Blasen blubbern da nicht mehr hoch. Die anderen sind aus der Stadt gerannt, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her. Ihre Pferde und Waffen haben wir eingesammelt und zu unserem Schuppen gebracht.« Talbot blickte zu mir hinüber. »Deinen Braunen übrigens auch, Ronco. Joseph kannte ihn. Er läßt dich grüßen und dir bestellen, daß du bei Allen McCoy gut aufgehoben wärst.« »Danke«, sagte ich. Dann schaute ich McCoy an. »Allmählich bin ich gespannt, wie's weitergeht.« McCoy lächelte und stand auf. »Dann wollen wir mal zum Schuppen hinüber. Sind die anderen schon da?« Talbot nickte.
Wir verließen die Hütte. McCoy verschloß sie und ging voraus. Die Nacht war empfindlich kalt. Die Sterne glitzerten in einem bläulichen Licht. Ich steckte die Hände in die Taschen und tappte hinter McCoy her. Von hinten hatte er ein Kreuz wie ein Kleiderschrank, hinter dem ich mich zweimal verstecken konnte. Und ich war trotz meiner sechzehn Jahre in den Schultern schon ganz schön in die Breite gegangen und auch nicht gerade klein. Shita lief schnüffelnd neben mir her. Er hatte Allen McCoy und die vier anderen Männer anstandslos akzeptiert – was wichtig für mich war. Denn oft schon hatte mich sein Verhalten gewarnt, bestimmten Menschen nicht zu trauen. Dafür mußte er irgendeinen Instinkt haben. Ein scharfer Anruf vor uns stoppte unseren Marsch. »Halt! Stehenbleiben!« »Ich bin's, Allen McCoy!« rief der rothaarige Riese. »In Ordnung, aber mir ist es doch lieber, wenn ihr etwas den Himmel abstützt, bis ich euch erkennen kann!« McCoy hob die Hände, und ich tat es ihm nach. Sie gingen also kein Risiko ein, diese Männer. Sie waren wachsam und mißtrauisch. Das sprach durchaus für ihre kämpferischen Qualitäten. Wir setzten uns wieder in Marsch. Vor uns ragte der Schuppen auf. Daneben befand sich ein Korral voller Pferde. Ein Mann trat aus dem Schatten der einen Schuppenwand, ein Gewehr im Hüftanschlag. Er ließ es sinken, als er McCoy erkannte. Kurz darauf löste sich noch ein Mann aus dem Schatten. Ja, sie paßten höllisch auf. Wenn ich das richtig sah, dann standen den Banditen verdammt harte Zeiten bevor. Und ich sollte da wohl eine Rolle spielen, sonst hätte sich McCoy nicht so geheimnisvoll verhalten. Die Männer begrüßten sich kurz, die beiden Posten verschwanden wieder im Dunkel, und wir betraten den Schuppen. Vier Fackeln steckten in Halterungen an den Stützpfosten und warfen ein flackerndes Licht über den Raum, in dem etwa fünfundzwanzig Männer auf Kisten und Bänken saßen. Es waren allesamt harte Burschen, einige von ihnen trugen die Blessuren der vergangenen Keilerei. Aber da war keiner, der deswegen wehleidig aussah. Im Gegenteil, sie grinsten grimmig.
Ihre Gespräche verstummten, als McCoy erschien. Alle Augen richteten sich auf uns. McCoy schob mich vor und legte eine Hand auf meine Schulter. »Das ist Ronco«, sagte er zu den Männern. »Einige von uns kennen ihn schon.« Und dann ließ er die Katze aus dem Sack. Er schaute zu mir hinunter und fuhr fort: »Und die Männer hier haben mit mir zusammen das Vigilance-Komitee von Beaver Head gebildet. Ich selbst gehöre zur Mining Company, die dir für dein umsichtiges und tatkräftiges Handeln dankt und mich beauftragt hat, dir dafür eine Prämie von hundert Dollar auszuhändigen.« Er griff in die Jacke und übergab mir einen Umschlag, in dem es verlockend knisterte. Als er mir die Hand schüttelte, klatschten die Männer Beifall. Ich spürte, wie meine Ohren heiß und wahrscheinlich knallrot wurden. O verdammt, dachte ich, wenn die wüßten, daß auch die beiden Begleitreiter des Goldtransports noch am Leben sein könnten. Am liebsten hätte ich McCoy das Geld wieder zurückgegeben, aber ich war irgendwie verbiestert und kriegte es nicht fertig. McCoy selbst erlöste mich aus meinen Qualen. Er sagte: »Allerdings hat die Mining Company dabei auch noch einen sehr geschäftlichen Aspekt im Auge.« Er zwinkerte mir zu. »Man nimmt nämlich an, daß du uns mit gewissen Hinweisen helfen könntest, die Bande auszuheben und das geraubte Gold zurückzuholen. Zu diesem Zweck wurde auch unser Vigilance-Komitee gebildet. Wir alle haben einen Verschwiegenheitseid geleistet, und hier gibt es keinen Mann unter uns, der nicht bereit wäre, gegen das Banditenunwesen in dieser Gegend zu kämpfen. Wir haben das Kommitee ins Leben gerufen, weil wir kein Vertrauen mehr zu den Männern haben, die den Stern tragen. Ab sofort soll kein Verbrechen mehr ungesühnt bleiben. Bisher tappten wir so ziemlich im dunkeln. Aber jetzt hätten wir die Gelegenheit, zuzuschlagen – mit deiner Hilfe« Er blickte mich fragend an. »Bist du dazu bereit?« Ich brauchte nicht zu überlegen. »Selbstverständlich, Mister McCoy.« Die Männer sprangen erregt auf. Sie waren verdammt wild darauf, den Banditen das Fürchten beizubringen.
»Ruhe!« rief McCoy und hob die Hand. Als wieder Ruhe eingekehrt war, wandte er sich mir zu. »Wie viele Kerle waren in dem Bergversteck?« »Fünf. Später gesellte sich noch einer dazu – ein gewisser DeputyMarshal, den ich aus Bannack kenne.« »Du kannst ihn identifizieren?« »Natürlich.« McCoy nickte zufrieden. »Wir brechen sofort auf, um uns die Kerle zu schnappen. Ronco wird uns hinführen.« Er bestimmte zwölf Männer, die mit uns ritten, alle zwölf ziemlich harte und verwegene Burschen, Goldgräber, die noch nicht total übergeschnappt waren und zur ehrlichen, anständigen Sorte gehörten. Die übrigen zeigten enttäuschte Gesichter, fügten sich aber widerspruchslos den Befehlen McCoys. Es war etwa drei Uhr morgens, als wir Beaver Head verließen. * Ich überlegte, welchen Weg ich wählen sollte und entschied mich für jenen, den ich nach dem Überfall in der Steilschlucht genommen hatte. Das heißt also, daß wir zuerst den Wagenweg benutzten, der von Beaver Head nach Virginia City führte. Mein oder vielmehr Ted Gibsons Wagen stand noch so in der Schlucht, wie ich ihn verlassen hatte. Wir hielten nur kurz, und ich erzählte Allen McCoy und den Männern, wie die Kerle mir hinter dem Knick den Weg versperrt hatten und der dicke Ollie mir ins Genick gesprungen war. Dann übernahm ich wieder die Spitze und folgte dem breiten Wildpfad nordwärts. Shita schnüffelte voraus und führte mich. Natürlich kannte ich den Weg, brauchte mich aber nicht um die Richtung zu kümmern und konnte mich daher besser auf die Umgebung konzentrieren. Shita ahnte, wohin es ging. Am späten Nachmittag erreichten wir die Baumgrenze und damit auch jenen Teil des Pfades, der wegen der schmalen Stege gefährlich wurde. Ich stieg von meinem Braunen und führte ihn hinter mir her. Auf der Geröllhalde mit der Bergquelle und der kleinen Höhle, in
der ich übernachtet hatte, hielt ich an und wartete, bis die Männer aufgeschlossen hatten. Es begann zu dämmern. »Na?« fragte McCoy. »Von hier aus ist es etwa noch eine halbe Stunde bis zu der Hütte«, sagte ich. »Als ich die Kerle verfolgte, habe ich dort in der Höhle campiert. Ich schlage vor, das sollten wir jetzt auch tun – einmal, um später frisch und ausgeruht zu sein und zum ändern, um die Sichtverhältnisse der Morgendämmerung zu nutzen, wenn wir uns an die Hütte heranpirschen. Im übrigen sind die Kerle keine Frühaufsteher und werden sich auch mit dem geklauten Hostetter wie üblich in Schlaf gelullt haben.« »Hatten sie neulich Posten aufgestellt?« fragte McCoy. »Nein. Sie fühlten sich völlig sicher.« »Wir könnten die Burschen doch schon in dieser Nacht ausheben«, sagte McCoy. Ich schüttelte den Kopf. »Die letzte Strecke bis zu dem Canyon hat's in sich. Ein falscher Fußtritt, und man stürzt in die Tiefe. Das ist zu riskant, Mister McCoy, Sie können mir glauben. Übrigens greifen die Indianer auch gern im Morgengrauen an. Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich vorher so dicht wie möglich an den Feind heranzuschleichen.« McCoy blickte mich verblüfft an. »Wo hast du denn das her?« »Ich war einige entscheidende Jahre ein weißer Apache und habe bei meinem Stamm gelernt, in der Wildnis zu überleben, aber auch kämpfen zu können. Ich möchte nicht überheblich sein, Mister McCoy, aber glauben Sie nur nicht, daß ich ein schlechter Apache war. Um als Krieger anerkannt zu werden, mußte ich, der Weiße, noch besser als die anderen sein. Und mir ist nichts geschenkt worden.« »Verstehe«, sagte McCoy, und so etwas wie Bewunderung lag in seiner Stimme. »Gut, wir campieren hier. Ich hoffe nur, daß die Bande nicht ausgeflogen ist.« »Dann wird sie irgendwann zurückkehren.« Ich grinste. »In dem Keller unter der Hütte lagert genug Proviant für uns. Wir könnten theoretisch bis zu einem halben Jahr auf die Kerle warten.«
»Gott bewahre uns«, sagte McCoy. Wir verzichteten auf ein Feuer, aßen von unserem Hartproviant, McCoy bestimmte Posten für die Nacht, und dann wickelten wir uns in unsere Decken. Ich brauchte keine Wache zu gehen und war deshalb keineswegs traurig. Mit Shita wärmend im Kreuz schlief ich fest und traumlos und wachte prompt gegen halb sechs Uhr morgens auf. Die Männer schliefen noch. Der Mann, der die letzte Wache hatte, lehnte an einem Felsen, die Hände auf die Gewehrmündung gestützt, und rührte sich nicht. Sein Kopf war geneigt. Es war Talbot, der Mann mit dem riesigen Veilchenauge. Ich erhob mich lautlos, schlich zu ihm hin und riß ihm das Gewehr unter den Händen weg. Fast wäre er vornübergekippt. Er starrte mich entsetzt an. »Wer als Posten pennt, ist schnell ein toter Mann«, sagte ich grob. »Es wäre nicht schade um ihn, aber schade um jene Männer, deren Schlaf er bewachen soll, denn sie vertrauen ihm.« Er wurde sehr rot und biß sich auf die Lippen. Daß er nicht nach Entschuldigungen suchte, sprach für ihn. Ich drückte ihm das Gewehr in die Hände und weckte McCoy und die anderen. Zehn Minuten später brachen wir auf. * Sie waren nicht ausgeflogen, wie McCoy befürchtet hatte. In dem Korral standen sechs Pferde, meine beiden Gespannpferde sowie die vier Maultiere. Ich erklärte McCoy und den zwölf Männern die Lage der Hütte, und McCoy entschied, in je zwei Hälften im Schutz der Canyonwände vorzugehen und die Hütte zu umzingeln. Deckungen boten sich genug. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sich die Möglichkeit ergeben – darauf hatte ich hingewiesen –, daß der eine oder andere der Bande die Hütte verließ, um die Tiere zu versorgen. Der konnte also bereits vorher ausgeschaltet werden. Später würde McCoy die anderen auffordern, sich zu ergeben.
Falls sie das nicht taten, sollte die Hütte ausgeräuchert werden. Unsere Pferde ließen wir vor dem Canyon in einer kleinen Nebenschlucht mit einem Posten zurück, dann teilten wir uns und schlichen an den Canyonwänden entlang zu der Hütte vor. Dort bezogen wir unsere Positionen. McCoy und ich kauerten uns hinter einen Felsbrocken, der zwischen dem Korral und der Hütte lag. Wer zum Korral wollte, mußte an dem Felsen vorbei. Aus der Hütte tönten Schnarchlaute zu uns herüber, manchmal schnaubte eines der Tiere im Korral. Das waren aber auch die einzigen Laute im Canyon. Die Dämmerung wich dem Licht, die Schatten verschwanden. Ich schaute mich um. Von den anderen Männern konnte ich nichts entdecken. Sie waren hervorragend getarnt. Irgendwann knarrte die Hüttentür. Ich spähte seitlich von dem Felsbrocken zur Hütte und sah den dicken Ollie, der gähnend die Arme reckte, das Kreuz durchdrückte und mit einem Eimer bewaffnet zum Brunnen ging. Ich nickte McCoy zu und flüsterte: »Gleich geht's los. Überlassen Sie ihn bitte mir. Es ist der Kerl, der mir ins Genick gesprungen war.« McCoy war einverstanden. Ich zog den Colt und blickte noch einmal kurz zum Brunnen. Ollie nahm gerade den vollen Eimer vom Rand und setzte sich zum Korral hin in Bewegung. Blitzschnell zog ich meinen Kopf wieder zurück und ging in Lauerstellung. Seine Schritte knirschten über den Boden und näherten sich. Ich packte den Colt fest am Lauf und war gespannt wie ein Bogensehne. Ollie hüstelte, dann tauchte sein Pfannkuchenleib neben dem Felsen auf. Ich glitt hinter ihn, hob den Colt und donnerte ihm den Griff auf den Schädel. Er ließ den Eimer fallen, das Wasser schwappte über meine Stiefel. Bevor Ollie umkippte, fing ihn McCoy auf und zog ihn hinter den Felsen. Ich räumte den Eimer aus dem Weg und half McCoy, den Dicken zu fesseln und zu knebeln. Wir legten ihn hinter einen anderen Felsen, wo er von der Hütte aus nicht gesehen werden konnte. Eine halbe Stunde später tauchte der Miesgram vor der Hütte auf,
kratzte sich ausgiebig, suchte dann den Eimer, fand ihn nicht, holte einen zweiten aus der Hütte und blickte sich erst jetzt erstaunt um, weil er Ollie nirgendwo entdeckte. »Ollie?« Kein Ollie meldete sich. Der Miesgram schüttelte den Kopf, pumpte Wasser hoch und marschierte mit dem Eimer los. McCoy erwischte ihn knallhart und zerrte ihn hinter unseren Felsen. Vier Minuten später lag er gefesselt und geknebelt neben Ollie. Wir hatten jetzt zwei Eimer – außer zwei Strolchen. Wir mußten jetzt damit rechnen, daß bis zum Erscheinen des nächsten nicht mehr viel Zeit vergehen würde. Sicherlich mußte auch Brennholz von dem Stapel neben der Hütte geholt werden. So war es auch. Der Miesgram lag noch keine drei Minuten neben Ollie, da zeigte sich Mac Ritcher, der Schwarzbart. Wie beim letzten Mal hustete und gurgelte und räusperte er sich und spuckte Schleimbrocken durch die Gegend. Ich wartete darauf, daß er wieder den Regenmacher spielte, aber offensichtlich irritierte ihn jetzt, daß er Ollie und den Miesgram nicht entdecken konnte. Er linste mit langem Hals zum Korral, wo er wohl die beiden vermutete. Er wurde mißtrauisch, das war deutlich zu sehen. Nervös blickte er sich nach allen Seiten um. Inzwischen gesellte sich der honorige Deputy-Marshal Harry Funham zu ihm, hatte aber ein eiliges, menschliches Bedürfnis und steuerte den Felsen an, hinter dem Talbot seine Position bezogen hatte. Unterwegs streifte er schon seine Hosenträger ab. Jetzt wurde es doch kompliziert. McCoy und ich hielten die Luft an, als Harry Funham hinter dem Felsen verschwand. Es war rechts von uns. Nichts geschah, absolut nichts. Wir hörten auch nicht den geringsten Laut. Funham war weg. Hatte Talbot die Stellung gewechselt? Es würde sich herausstellen, sobald Funham wieder auftauchte. Lange konnte es nicht dauern. Wir hatten keine Zeit, das Problem weiter zu verfolgen, denn Mac Ritcher hatte sich zum Korral in Marsch gesetzt. Er ging nicht sehr schnell und sicherte nach allen Seiten. Vielleicht dachte er, Ollie und der Miesgram wollten mit ihm Versteck spielen oder ihn plötzlich
mit »Buh!« erschrecken. Vor unserem Felsen blieb er stehen, aber nur, um seinen Vorrat an Schleimbrocken zu verkleinern. Ich hörte, wie er das Zeug gurgelnd vom Hals in den Mund beförderte. Dann wurde es herauskatapultiert und klatschte gegen den Felsen. Ich konnte mir vorstellen, was da jetzt für ein langer, schleimiger, grünlicher Brocken klebte und sich allmählich in die Länge zog. Ich schüttelte mich. McCoy erging es nicht anders. In diesem Augenblick ging der Schwarzbart weiter und schaute ausgerechnet nach rechts. Im Gegensatz zu ihm war ich nicht erschrocken. Außerdem war mein Colt auf seinen Magen gerichtet. »Wenn du schreist, bist du gleich tot«, stieß ich leise heraus. »Los, komm hinter den Felsen!« Er folgte wie ein Schlafwandler, mit offenem Mund und tellergroßen Augen. McCoy besorgte es ihm mit dem Coltgriff. Hastig fesselten wir Mac Ritcher mit dem Leibriemen, stopften ihm sein schmieriges Taschentuch in den Mund und banden das Halstuch darüber. Wir ließen ihn gleich bei uns liegen. Das war auch besser so, denn nunmehr waren Hal Brooks, der fischäugige Oberstrolch mit den langen grauen Haaren, und sein fünfter Mann vor der Hütte erschienen. Sie standen beim Brunnen und sahen sich nach allen Seiten um. »Die haben wohl 'n Vogel«, sagte Hal Brooks. Der andere kicherte. Er trug eine Nickelbrille und sah aus wie ein Buchhalter – krumm, mickrig, blaß. »Vielleicht sind sie Pilze suchen gegangen«, sagte er und meckerte über seinen dämlichen Witz. Hal Brooks spuckte ihm vor die Füße. »Quatsch!« Er blickte sich wieder lauernd um. »Hier ist was faul.« In diesem Augenblick stieß McCoy den verabredeten, schrillen Pfiff aus. Schlagartig erschienen unsere Männer mit angeschlagenen Waffen und verließen ihre Deckungen. »Brooks! Sie haben keine Chance mehr, die Hütte« ist umstellt", schrie McCoy. »Nehmen Sie die Pfoten hoch!« Wir marschierten auf die Hütte zu. Auch Talbot, wie ich mit einem Blick sah.
Hal Brooks reagierte wie eine zustoßende Klapperschlange. Mit einem Satz war er bei der Hütte, warf sich durch die Tür und schlug sie Sekunden später krachend zu. Wir hörten, wie zwei Riegel einrasteten. »Da ist er ja gut aufgehoben«, sagte McCoy. Die Hütte hatte nur nach hinten ein Fenster, und das war mit einem Holzladen verschlossen. Der Buchhaltertyp stand mit hochgereckten Armen da. Seine Hosen flatterten. Er hatte ein regelrechtes Rattengesicht. Widerstandslos ließ er sich fesseln. »Zwei Mann hinter die Hütte«, befahl McCoy. »Paßt auf das Fenster auf.« Ollie, der Miesgram und Mac Ritcher wurden vor die Hütte geschleppt, ebenso Harry Funham, den Talbot außer Gefecht gesetzt hatte. Als Funham erwachte und mich sah, kriegte er einen Wutanfall. Wir hatten allen die Knebel wieder abgenommen. Jetzt konnten sie schreien, soviel sie wollten. Und schon legte Funham los. Er brüllte Ollie an: »Das habt ihr jetzt davon, ihr hättet ihn umlegen müssen, wie es …« »Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen, Mister Funham«, sagte Ollie und blickte Funham starr an. Der begriff und biß sich auf die Zunge. McCoy hatte zugehört und grinste jetzt. »Nur weiter, Mister Deputy-Marshal, was wollten Sie eben sagen? Sie sprachen vom Umlegen. Ich hätte gern mehr darüber erfahren.« Harry Funham schaltete um auf Deputy-Marshal. »Ich verlange, daß mir sofort die Fesseln abgenommen werden. Es ist unerhört, was Sie sich herausnehmen. Wer sind Sie überhaupt?« »McCoy von der Mining Company«, sagte der rothaarige Riese lapidar. »Ich wollte das Gold abholen.« »Gold? Was für Gold? Hier ist kein Gold. Das da ist eine Berghütte, die meine Freunde für die Jagd errichtet haben. Wir treffen uns hier häufiger, wenn wir auf die Jagd gehen.« Er war schon wieder obenauf, der ehrenwerte Deputy-Marshal. »Irrtum«, sagte ich. »Sie treffen sich hier nicht zur Jagd, sondern
um die Beute von Ihren zahlreichen Überfällen im Keller der Hütte zu stapeln.« Harry Funham lachte hysterisch. »Hat man so etwas schon mal gehört?« rief er. »Dieser Bursche ist ein notorischer Lügner. Na warte, mit dir wird sich Sheriff Plummer beschäftigen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Mag sein, Mister. Ich schätze nur, daß Sie ihm zumindest nichts mehr zuflüstern werden. Dies hier ist ein Vigilance-Komitee, dessen Gericht sich mit dem Überfall auf den Geldtransport der Mining Company befassen wird. Die Anklage wird auf schweren Raubmord in zwei Fällen und schwere Körperverletzung in einem Falle lauten.« Jetzt glitzerten Schweißtropfen auf seiner Stirn. Seine Gesichtsfarbe war fahl geworden. »Hirngespinste!« stieß er heraus. »Ich habe damit nichts zu tun. Keiner von uns. Kraft meines Amtes als Deputy-Marshal verlange ich, daß wir sofort freigelassen werden. Das ist ungesetzlich, was Sie tun.« Ich spuckte ihm vor die Füße. »Sie miese Ratte, hören Sie doch auf, Ihren Deputy-Marshal herauszukehren. Außerhalb der Stadt haben Sie sowieso nichts zu vermelden, geschweige denn zu verlangen. Und es soll ungesetzlich sein, Verbrecher zu verhaften? Daß ich nicht lache. Und jetzt hören Sie mir gut zu, Mister DeputyMarshal. Ich bin überzeugt, daß das Gold unter der Hütte im Keller liegt. Das ist Beweis Nummer eins, daß Sie und die Kerle hier den Goldtransport überfallen haben. Beweis Nummer zwei bin ich, denn ich habe gesehen, wie sechs Männer den Kutscher und die beiden Begleitreiter zusammenschossen und danach sich demaskierten.« Ich stieß mit dem Finger auf Harry Funham zu. »Sie waren dabei, ebenso wie diese vier anderen und Hal Brooks. Und genau das werde ich als Zeuge vor dem Gericht der Vigilanten auch unter Eid aussagen. Und die Krawatte, die Sie dann tragen werden, wird aus Hanf sein. Sie haben zu lange und zuviel gemordet, geplündert, geraubt, und das auch noch unter dem Stern des Gesetzes – pfui Deibel!« Ich spuckte ihm noch einmal vor die Füße. Jetzt hatte ich sie doch geschafft, alle fünf. Sie hockten wie erstarrt am Boden und stierten zu mir hoch.
Ich nickte. »Ja, Ollie hätte mich totschlagen müssen, sehr richtig. Daß er es nicht tat, war der entscheidende Fehler. Der Oberstrolch Brooks sagte zu dem Strolch Funham, ich hätte bestimmt das Weite gesucht. Irrtum. Ich habe Sie nach dem Überfall auf mich verfolgt und so die Hütte gefunden. Und ich habe Sie erneut verfolgt, als Sie zu dem Überfall auf den Goldtransport wegritten. Über das alles kann ich lückenlos berichten – in allen Details, mit jeder Einzelheit. Die Beweise für Ihre Schuld sind vollständig.« McCoy grinste zufrieden und sagte: »Dann wollen wir uns mal Mister Brooks vornehmen.« Und das war genau der Moment, in dem mir etwas auffiel, denn der Schwarzbart und Ollie wechselten einen blitzschnellen Blick, und über Mac Ritchers Gesicht huschte ein hämisches Grinsen.
9. Erst jetzt begann ich darüber nachzudenken, was mich unbewußt bereits beschäftigt hatte – das Verhalten von Hal Brooks. Warum war er in die Hütte zurückgesprungen? Zur Verteidigung war die Hütte nicht eingerichtet. Man hätte nur durch das hintere Fenster schießen können, und das wäre absurd gewesen. Mit dem Rückzug in die Hütte hatte Hal Brooks meiner Meinung nach nur eins erreicht: daß er etwas später als die anderen gefangengesetzt werden würde. Genau das war es, und darin sah ich keinen Sinn. Die Lösung für sein Verhalten lag woanders, und als sie mir einfiel, wurde es mir heiß und kalt. Ich wirbelte herum und schrie die Männer an: »Sprengt die Hüttentür auf, schnell! Brooks muß einen Fluchtweg haben!« Mac Ritcher, der Schwarzbart, stieß einen Fluch aus. McCoy und seine Männer schauten mich überrascht an, dann stürmten sie zur Hütte und rammten die Tür ein. Niemand schoß. Die Tür flog ins Innere, auch das störte niemanden. Ja, die Hütte war leer. Hal Brooks war wie vom Erdboden verschwunden – und das stimmte wörtlich. Ich stemmte die Falltür
hoch und kletterte die Leiter hinunter. Allen McCoy folgte mir. Ich blickte mich um und begann dann, die Wände und Regale abzutasten. Ein Regal fiel mir auf. Es hatte im Gegensatz zu den anderen Regalen hinten eine Holzverblendung aus dünnen Kistenbrettern. Ich bewegte das Regal und siehe da: es rollte. Die Rollen waren unter dem Boden so angebracht, daß man sie nur sah, wenn man sich tief bückte. Natürlich hatte das Regal vier Füße in Form von Klötzen, tatsächlich aber stand es auf den vier Rollen. Das Regal verdeckte den Einschlupf zu einem Gang. »Verflucht«, sagte McCoy, »der Vogel ist uns wohl entwischt.« »Richtig«, sagte ich, »und zwar unter Mitnahme eines Ledersacks der Mining Company. Denn dort stehen nur noch drei.« Ich deutete in die Ecke rechts, wo sie abgestellt waren. »Eine Lampe, schnell!« schrie McCoy nach oben. »Und paßt auf die Pferde im Korral auf. Hier ist ein Fluchtgang, aber wir wissen noch nicht, wohin er führt.« Eine Lampe war sofort zur Stelle. McCoy und ich drangen in den Gang ein. Hier mußte ein menschlicher Maulwurf eine beträchtliche Zeit damit verbracht haben, diesen Fluchtweg auszubauen. Durch das Erdreich hatte er sich durchgewühlt, wo er auf Felsen gestoßen war, hatte er sie umgangen, teilweise aber auch weggesprengt. Hier war ein genialer Mann am Werk gewesen. Hal Brooks? Jedenfalls hatte der Betreffende damit kalkuliert, eines Tages die Flucht antreten zu müssen – und das deutete nun allerdings auf Hal Brooks. Den Buchhaltertyp mit der Nickelbrille hatte er kaltblütig von dem Fluchtweg abgeschnitten, als er die Hüttentür hinter sich abriegelte. Vielleicht wußte der auch gar nichts von dem Fluchtausgang. Aber Ollie und Mac Ritcher mußten es gewußt haben. Das alles schoß mir durch den Kopf, während wir gebückt durch den Gang hasteten. Zuletzt stieg er an und endete unter einem Felsbrocken. Das Ausstiegsloch war von Gestrüpp verdeckt. Es lag direkt an der Canyonwand. Aber damit nicht genug. Der Fluchtweg war noch nicht zu Ende. Hal Brooks hatte weder nach links oder rechts seine Flucht fortgesetzt, sondern nach oben!
Fast gegenüber dem Ausstiegsloch befand sich ein enger Kamin, der die Canyonwand spaltete. Und durch diesen Kamin war Hal Brooks hochgestiegen. Wir entdeckten den Kamin beide gleichzeitig. McCoy schrie nach seinen Männern und winkte zur Hütte. Zwei, drei setzten sich in Bewegung. Über uns krachte ein Schuß, das Echo rollte donnernd durch den Canyon. Einer der drei Männer, die auf uns zuliefen, schrie auf, griff nach seiner Schulter und taumelte hinter einen Felsen. Ich sprang zu dem Kamin und spähte hoch. Da oben, in etwa fünfzig Yards Höhe, wo der Canyon eine Art Mesa abschloß, bewegte sich etwas. Ich riß den Colt heraus und feuerte die Trommel leer. Von oben ertönte ein höhnisches Gelächter, dann verdunkelte sich der Kamin. Mit einem Satz warf ich mich zur Seite und riß McCoy mit. In dem Kamin donnerte und polterte es, Steine zerplatzten unten am Fuß, dann folgte eine Geröllawine, die die ganze Canyonwand erzittern ließ. Eine Staubwolke stieß aus dem Kamin und hüllte uns ein. Als sie sich gesenkt hatte und Stille eingekehrt war, traten wir vorsichtig an den Kamin und spähten hoch. An eine Verfolgung war nicht mehr zu denken. Hal Brooks hatte es geschafft. Der Kamin war blockiert, ein paar Felsbrocken hatten sich in dem Aufstieg verklemmt, und es wäre Selbstmord gewesen, zu versuchen, sie zu beseitigen oder wegzustemmen. »Scheißdreck«, sagte McCoy erbittert. Da konnte ich ihm nur beipflichten. Wir gingen zurück zur Hütte. Der Mann, den Hal Brooks aufs Korn genommen hatte, war mit einem Schulterdurchschuß davongekommen. Er wurde gerade verbunden. Ein Mann holte den Posten vor dem Canoyn und unsere Pferde. Vier Männer ließ McCoy zur Bewachung der Hütte zurück. Wir nahmen nur die drei Goldsäcke mit. Das übrige Beutelager sollte in den nächsten Tagen ausgeräumt werden. Hütte, Keller und den Fluchtgang würde man dann zerstören.
Ich betrachtete mir die fünf Galgenvögel. Der dicke Ollie und Mac Ritcher, der Schwarzbart, grinsten höhnisch. Die drei anderen hingegen sahen ziemlich blöd aus. Offensichtlich war ihnen total schleierhaft, wie Hal Brooks aus der Hütte hatte entwischen können. Ich baute mich vor dem Buchhaltertyp mit der Nickelbrille auf und fixierte ihn. »Ist Ihnen eigentlich klar«, sagte ich, »daß Sie auch hätten fliehen können, wenn Ihr Boß es gewollt hätte?« Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Sauber, sauber«, sagte ich. »Hinter einem Regal im Keller der Hütte befindet sich ein Fluchtgang. Er führt nach dort drüben zur Canyonwand. Brooks hat ihn benutzt. Dann ist er durch einen Kamin aus dem Canyon hochgestiegen. Den Kamin hat er mit Geröll blockiert. Wirklich, eine saubere Sache. Übrigens hat er auf seiner Flucht auch einen Sack Gold mitgehen lassen.« Der Buchhaltertyp war echt von den Socken und starrte mich fassungslos an. Der andere, der Miesgrämige, sah aus, als wolle er gleich losheulen. Und Harry Funham kochte. »Du lügst!« fauchte er. »Du willst nur Unfrieden stiften.« »So? Ich lüge? Dann erzählen Sie mir doch einmal, wie Brooks die Hütte verlassen hat. Simsalabim – er löst sich in Luft auf und schwebt aus dem Canyon hoch, nicht wahr?« Ich deutete auf Ollie und Mac Ritcher. »Die beiden da wußten von dem Fluchtgang, vielleicht haben sie ihn sogar mit angelegt. Fest steht daß dieser Mann hier von seinem Boß rücksichtslos in Stich gelassen worden ist, denn Brooks hat nach seinem Sprung in die Hütte sofort die Tür abgeriegelt. Das ganze erzähle ich nur deshalb, damit Sie alle sich keinen falschen Hoffnungen hingeben. Brooks wird den Teufel tun, Sie zu befreien. Er hat immerhin einen Sack Gold, das er noch nicht mal zu teilen braucht. Und Ihnen, Ollie und Ritcher, wird das Grinsen auch noch vergehen – spätestens unter der Hanfschlinge.« Sie grinsten weiter, aber der Miesgram, der Buchhaltertyp und Harry Funham rückten von ihnen ab. Sie schwiegen verdrossen, und ich überließ sie ihren mehr oder weniger trüben Gedanken. Brooks
hatte ihnen den Fluchtgang verheimlicht, das bohrte jetzt in ihnen, am meisten bei dem Buchhaltertyp, der eine echte Chance zur Flucht gehabt hätte, wenn er eingeweiht gewesen wäre. Die fünf Kerle wurden gefesselt auf ihre Pferde gesetzt. Die drei Goldsäcke ließ McCoy auf drei Maultiere laden, und dann brachen wir auf. * Beaver Head stand Kopf, als wir mit den fünf Gefangenen und den drei Maultieren einzogen. Wer alles zu den Vigilanten gehörte, wußte ich nicht, sicherlich waren auch Sympathisanten unter ihnen. Aber jetzt zeigten sie alle offen ihre Begeisterung über unsere gelungene Aktion. Vielleicht waren einige skeptisch gewesen, was die Wirksamkeit des Vigilance-Komitees betraf. Aber hier war der Beweis erbracht, daß man auch ohne Gesetz handeln konnte. Wenn das Gesetz die Bürger nicht schützte – wie es hier um die Alder Gulch der Fall war –, dann hatten sie das Recht, aus der Notwehrsituation heraus Maßnahmen gegen die Verbrecher zu ergreifen. Daß sich sogar ein Vertreter des Gesetzes unter den fünf Banditen befand, untermauerte das Recht zur Notwehr noch deutlicher. Die meisten kannten den Deputy-Marshal Harry Funham. Er wurde angespuckt, beschimpft, verflucht, und die Bürger schienen nicht übel Lust zu haben, ihn vom Pferd zu zerren und sofort aufzuhängen. Allen McCoy ging dazwischen. »Zurück, Leute!« donnerte er. »Dieser Mann wird genauso wie die anderen vor ein Vigilance-Gericht gestellt, das seine Aufgabe wie ein ordentliches Gericht zu erfüllen hat. Selbstjustiz lehnen wir ab, sie ist ungesetzlich.« »Den Strick kriegen die Halunken so oder so, warum dann nicht gleich?« rief einer. »Jawohl!« brüllte ein anderer. »An den nächsten Ast mit dem Hurensohn!« McCoy zog den Colt und feuerte über die Köpfe weg. Der Mann,
der zuletzt geschrien hatte, verschwand sehr schnell in der Menge. Harry Funham saß zusammengesunken im Sattel, ein Schatten seiner selbst. Sein Gesicht war ziemlich käsig. Wir ritten zu dem Versammlungsschuppen des VigilanceKomitees, wo die fünf Gefangenen, schwerbewacht, untergebracht wurden. Noch am Nachmittag – wir waren gegen Mittag eingetroffen – wurde ein Vigilance-Gericht gebildet, wobei man sich streng an die gesetzlich verankerten Regeln hielt. Das Gericht bestand aus dem Ankläger, dem Verteidiger, dem Vigilance-Richter und den gewählten Geschworenen. Der Richter setzte die Verhandlung für den nächsten Tag, neun Uhr vormittags, fest. Sie sollte in dem Schuppen stattfinden. McCoy ritt mit einigen Männern zur Mining Company, um die Goldsäcke abzugeben. Ich quartierte mich in dem Dachzimmer bei Joseph Egli ein. Bei der Verhandlung sollte ich als Zeuge aussagen. Lieber wäre mir gewesen, wegreiten zu können, aber ich steckte nun einmal mitten in der Sache drin und konnte nicht mehr zurück. Am frühen Abend bummelte ich durch ein paar Saloons. Alles sprach nur noch von der Verhandlung am nächsten Tag. Aber da geisterten auch bereits ein paar Gerüchte herum. Eine Verurteilung der fünf Gefangenen würde schwerwiegende Folgen haben, sagte man. Es waren wie immer die Ängstlichen, die so sprachen. Sie lebten in der Furcht der Banditen – und des Gesetzes, vertreten durch Henry Plummer, Sheriff des Beaver Head County. Plummer würde bestimmt eingreifen, sagten sie. Der würde nicht zulassen, daß man einen Deputy-Marshal wie einen Verbrecher behandle. Daß er tatsächlich ein Verbrecher war, ging nicht in ihren Kopf. Ich wurde nicht alt an diesem Abend und ging früh in die Falle. Am nächsten Morgen frühstückte ich in Josephs Küche, dann erschien Allen McCoy mit vier Vigilanten, um mich abzuholen und unter Begleitschutz zur Verhandlung zu bringen. »Was soll das denn?« fragte ich empört. »Ich brauche kein Kindermädchen. Den Weg zum Schuppen finde ich allein.« »Weiß ich.« Allen McCoy grinste. »Aber du wirst schön brav in
unserer Mitte marschieren. Wir wollen nämlich nicht unseren einzigen Zeugen verlieren. Ist das klar?« »Was soll denn schon groß passieren«, sagte ich. »Zum Beispiel ein Loch im Kopf, und zwar von Hinten«, erwiderte der rothaarige Riese. »Du bist der wichtigste Mann in diesem Prozeß, und das weiß auch die Gegenseite. Ihre einzige Chance besteht darin, dich vor der Verhandlung umzulegen.« »Ich krieg gleich das Zittern«, sagte ich und schnallte meinen Waffengurt um. Dann verließen wir den Saloon durch den Hinterausgang und marschierten zu dem Schuppen. In der Stadt brodelte es. McCoy nahm Nebengassen und Seitenstraßen, die nicht so überfüllt waren. Es ging alles glatt, niemand hatte mich aufs Korn genommen. Ich gebe zu, daß ich doch aufatmete, als wir den Schuppen betraten. Auch hier hatte McCoy für genügend Posten und Wachen gesorgt. Der Schuppen wurde wie eine Festung abgeschirmt. Die fünf Strolche saßen nebeneinander auf einer Bank. Ihre Hände waren mit Handschellen gefesselt, die McCoy besorgt hatte. Er überließ nichts dem Zufall, das mußte ich anerkennen. Ein Podium für den Richter, ein Tisch für die Geschworenen, sowie jeweils ein kleinerer Tisch für den Ankläger und den Verteidiger bildeten das Möbelinventar des »Gerichtssaals«. Von McCoy und meiner Garde flankiert nahm ich auf einer Bank seitlich der anderen Bank Platz. Die fünf Kerle musterten mich finster. Wahrscheinlich hätten sie mich lieber als Leiche gesehen. Natürlich war der Schuppen bereits gerammelt voll. Es roch nach Tabak und Schweiß, die Luft war zum Schneiden. Ruhe in dem Palaver kehrte erst ein, als das Gericht erschien und seine Plätze einnahm. Der Richter, ein breitschultriger, weißhaariger Mann mit kantigen Gesichtszügen, eröffnete die Verhandlung und übergab dem Ankläger das Wort. Ein Mann, der ebenfalls am Tisch des Verteidigers saß, war damit beschäftigt, hastige Notizen niederzuschreiben. Ich begriff, daß ein Protokoll angefertigt wurde. Die Anklage lautete auf Raubmord in zwei Fällen und versuchten Raubmord mit schwerer Körperverletzung in einem Fall.
Die fünf Strolche erklärten sich für »nicht schuldig«. Und Harry Funham nutzte die Gelegenheit, eine donnernde Anklage gegen dieses Gericht »hergelaufener Ehrabschneider« vom Stapel zu lassen und seine sofortige Freilassung zu fordern. Er behauptete, er habe nichts mit dem Raubmord, der hier verhandelt würde, zu tun und verlangte, daß man sofort einen Boten zu Sheriff Plummer schicke, der sich dann um die vier tatsächlichen Raubmörder schon kümmern werde. Das war starker Tabak, auch für die vier Kumpane. »Du Scheißkerl!« brüllte Mac Ritcher, der Schwarzbart. »Uns in die Pfanne hauen, wie? Das könnte dir so passen. Du hängst genauso drin wie wir. Pfeif auf deinen Plummer! Der wird sich hüten, sich hier sehen zu lassen. Hast du das noch nicht kapiert, du Trottel? Soll ich mal auspacken, wo du überall deine Pfoten dringehabt hast und …« Ollie knuffte ihn in die Seite, und Ritcher brach ab. In seiner Wut war er drauf und dran gewesen, sich um Kopf und Kragen zu reden. Von da ab schwiegen alle fünf. Sie stierten mit verbissenen Gesichtern vor sich hin, ignorierten Fragen des Anklägers, des Richters, ja sogar ihres Verteidigers, und man hätte die Verhandlung genauso gut ohne sie durchführen können. Sie waren weiter nichts als stumme Statisten. Als ich in den Zeugenstand gerufen wurde, legte ich meinen Eid ab und berichtete dann alle Geschehnisse, vom Zeitpunkt des Überfalls auf mich, bis hin zu meiner Flucht aus Virginia City und meinem Eintreffen in Beaver Head. So gut ich es vermochte, versuchte ich, ein lückenloses, aber auch detailliertes Bild der Ereignisse zu geben. Mein Zusammentreffen mit John »X« Beidler verschwieg ich. Ich wurde nicht ein einziges Mal unterbrochen. In dem Schuppen herrschte eine Stille wie in der Kirche. Sie blieb auch, als ich geendet hatte. Die Mienen der Geschworenen zeigten, daß sie ziemlich erschüttert waren. Vielleicht hatte sie mein Bericht genervt. Vielleicht hielten sie mich für einen Schlagetot, der den Fight mit sieben Killern gewagt hatte. Einer von ihnen, ein Mann mit schütterem Haar und einer
gebeugten Haltung, räusperte sich schließlich und fragte: »Wie alt bist du, mein Sohn?« »Achtzehn!« log ich, ohne rot zu werden. Ich hatte diese Lüge schon zu oft benutzen müssen, als daß sie mir schwergefallen wäre. Der Verteidiger sprang auf – vielleicht sah er hier die einzige Gelegenheit, überhaupt etwas zu sagen. Er wandte sich an den Richter und erklärte: »Ehrwürden, ich bitte doch zu bedenken, daß dieser Zeuge wirklich noch sehr jung ist.« Der Richter faltete die Hände und drehte die Däumchen. »Was wollen Sie damit sagen, Mister Webbs?« »Nun, mit Verlaub, Ehrwürden, Jugend neigt oft dazu, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen.« »Erinnern Sie sich so genau an Ihre Jugend, Mister Webbs?« fragte der Richter und lächelte. »Ich nämlich überhaupt nicht. Was nun den Zeugen Ronco betrifft, hatte ich eher den Eindruck, daß er sehr nüchtern berichtete. Eine solche Geschichte kann man sich nicht erfinden, man muß sie – wie in diesem Falle – erlebt haben. Und, bitte sehr, hätte er uns Märchen aufgetischt, dann würden dort weder die fünf Angeklagten sitzen, noch hätte die Mining Company wenigstens drei Goldsäcke zurückerhalten. Diese drei Goldsäcke sind genau als jene identifiziert worden, die am Tage des Überfalls nach Bannack gebracht werden sollten. Mister McCoy von der Mining Company wird das bestätigen können, nicht wahr, Mister McCoy?« »Jawohl, Ehrwürden«, sagte der rothaarige Riese. »Es waren nicht irgendwelche Säcke, sondern Ledersäcke, wie sie nur von der Mining Company verwendet werden – Spezialanfertigung für den Goldtransport. Außerdem waren die Säcke mit Zahlen gekennzeichnet, die mit den drei aufgefundenen Säcken übereinstimmen.« »Danke, Mister McCoy.« Der Ankläger meldete sich. »Ich habe noch eine Frage an den Zeugen.« »Bitte sehr.« Der Ankläger trat zu dem Geschworenentisch und sagte: »Der Zeuge hat ausgeführt, daß sich die sechs Banditen nach dem Überfall
auf den Goldtransport demaskiert hatten. Ich möchte Sie jetzt bitten, meine Frage an den Zeugen und dessen Antwort genau zu beachten und zu bedenken. Denn die Antwort des Zeugen schließt die Beweiskette.« Er wandte sich zu mir um, blickte mich sehr ernst an und sagte: »Du hast die sechs Männer nach dem Überfall demaskiert gesehen?« »Jawohl, Sir.« »Wie weit warst du von ihnen entfernt?« »In der Luftlinie etwa vierzig, fünfzig Yards. Als sie zu ihrem Schlupfwinkel zurückritten, passierten sie mein Versteck. Ich hätte ihren Pferden Schwanzhaare ausziehen können.« Ich sah, wie der Richter grinste. Der Ankläger blieb todernst. »Sehr gut«, sagte er. »Und nun meine letzte, entscheidende Frage: Sind diese fünf Männer dort auf der Anklagebank identisch mit fünf von den sechs Männern, die den Goldtransport überfielen?« »Jawohl, Sir. Diese fünf Männer habe ich einwandfrei erkannt, den sechsten natürlich auch, einen gewissen Hal Brooks. Aber angenommen, sie hätten sich nicht demaskiert. Dann hätte ich ihre Identität mit den Banditen aus dem Schlupfwinkel in den Bergen daran feststellen können, daß sie meine beiden Gespannpferde mitführten. Außerdem ritt zum Beispiel der Deputy-Marshal Funham eine auffallend große Fuchsstute.« »Danke, mein Junge, das genügt«, sagte der Ankläger. Das Urteil stand nach knapp fünf Minuten fest: Tod durch den Strang.
10. Als die fünf zum Tode Verurteilten eine Stunde später aus dem Schuppen geführt wurden, war die Straße zur Hinrichtungsstätte schwarz gesäumt von Menschen. Und nun verging auch Ritcher und Ollie das Grinsen – wie ich es prophezeit hatte. Sie hatten fünfhundert Yards zu gehen, flankiert von zwanzig Vigilanten. Am Ende ihres Weges stand eine Baumgruppe. Von fünf Bäumen baumelten Hanfseile, jedes Seil mit einer geknüpften Schlinge.
Der Buchhaltertyp mit der Nickelbrille schrie hysterisch auf und warf sich zu Boden. Zwei Männer packten ihn und schleiften ihn weiter. Der Miesgram weigerte sich, weiterzugehen und machte sich steif. Er wurde getragen. Harry Funham begann zu brüllen und zu schreien. Wie Ollie und Mac Ritcher versuchte er, auszubrechen. Alle drei wurden mit Faustschlägen gestoppt und dann weitergeführt. »Ich bin unschuldig! Ich bin unschuldig!« brüllte Harry Funham. Die zwanzig Vigilanten hatten alle Hände voll zu tun, um die tobenden, zappelnden, schreienden, sich wehrenden fünf Banditen zu der Baumgruppe zu schleppen. Sie mußten nacheinander gehängt werden, weil jeweils sechs Männer notwendig waren, den einzelnen Delinquenten auf die Kiste unter der Schlinge zu stellen und ihm dann die Schlinge umzulegen. Um die Baumgruppe herum tobte die Menschenmenge. Harry Funham, der Deputy-Marshal aus Bannack, wurde als erster gehängt. Sein Gesicht war zu einer Fratze der Todesangst geworden. Ich wandte mich ab, als die Kiste weggestoßen wurde, und ging zurück zu Joseph Eglis Saloon. Ich holte meine Sachen aus der Dachkammer, sattelte den Braunen hinten im Hof und führte ihn vor den Saloon, wo ich ihn anband. Dann wartete ich, da ich mich noch von Joseph Egli und Allen McCoy verabschieden wollte. Eine halbe Stunde später war es wohl vollbracht, denn die ersten Schaulustigen kehrten zurück. Sie hatten erhitzte Gesichter, obwohl es keineswegs warm war, und glänzende, fast fiebrig wirkende Augen. Lautstark debattierten sie und empörten sich über die »Feigheit der Verbrecher«. Ich hatte nichts als Galle im Mund. Dann endlich kamen auch Egli und McCoy. Wenigstens diese beiden sahen normal aus, nur ernster als sonst. McCoy starrte mich erstaunt an. »Was denn«, sagte er, »das sieht ja ganz so aus, als wolltest du uns verlassen. Ich hatte dich schon gesucht. Die Mining Company möchte dir einen Job anbieten, fünfzig Dollar die Woche.« »Als was?«
»Du müßtest Begleitschutz für die Goldtransporte reiten.« Fünfzig Dollar die Woche! Zweihundert im Monat. Und den Sarg und die Bestattungskosten würde die Mining Company auch übernehmen. O nein, nicht mit mir. Ich war nicht lebensmüde und hatte auch nicht die Absicht, Gevatter Tod herauszufordern. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Mister McCoy, ich möchte hier weg. Hier ist nicht mein Platz.« »Hast du dir das genau überlegt? Du bist wie selten jemand zum Kämpfen geboren. Ich habe dafür ein Gespür.« »Mag sein, ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Ich weiß nur eins: ich möchte nichts mit Gold zu tun haben. Leben Sie wohl, Mister McCoy. Ich habe Ihnen und den Vigilanten gern geholfen, abgesehen von der persönlichen Rechnung, die ich mit den Banditen zu begleichen hatte.« Wir schüttelten uns die Hände. Dann verabschiedete ich mich von Joseph Egli, der mich nur traurig anblickte. Nun verlor er schon wieder einen »Sohn«. Ich wandte mich rasch ab, schwang mich in den Sattel, pfiff Shita und verließ die Stadt südostwärts. Dabei passierte ich die Hinrichtungsstätte. Die fünf Toten baumelten in den Schlingen. Es war ein Bild aus einem Alptraum. * Am Abend erwischte mich Hal Brooks. Fast sah es so aus, als habe er auf mich gewartet, aber das konnte unmöglich sein, denn er schien selbst überrascht zu sein, als er mich erkannte. Er war aus einem Gebüsch aufgetaucht, eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen im Hüftanschlag. Er trug einen langen Staubmantel, der Wind spielte mit seinen langen grauen Haaren. Ein kaltes Grinsen, das aber nicht seine Fischaugen erreichte, huschte um seinen schmallippigen Mund. Er trat näher, ein gebückter, alter, aber dennoch unheimlich gefährlicher Mann. »Das trifft sich ja gut«, sagte er höhnisch, »sogar sehr gut. Ich wollte eigentlich nur das Pferd haben, meins ist nämlich noch im
Korral, na, du weißt schon, du dreckige, kleine Kröte. Dann steig mal schön ab und geh dort an den Felsen, damit ich dir den Kopf absägen kann.« Er kicherte. »Was Ollie versäumt hat, muß nachgeholt werden. Und versuch ja keine Mätzchen, Kleiner, sonst bis du gleich tot.« »Und mein Pferd auch, nicht wahr?« »Ei, ei! Ein schlaues Köpfchen.« Er kicherte wieder, und ich hatte den Eindruck, daß er nicht alle Tassen im Schrank hatte. Als ich Shitas Schatten hinter ihm über den Weg huschen sah, wurde mit etwas wohler. Seiner Gewohnheit nach war er seitlich von mir durchs Gebüsch gestreift. Das hing mit seiner Vorliebe für Kaninchen zusammen. Der alte Brooks hatte ihn nicht entdeckt. Ich kletterte aus dem Sattel. »Ollie hat jetzt einen längeren Hals«, sagte ich, nur um etwas zu sagen. »Die vier anderen auch. Und Ihr Hals wird Ihnen eines Tages auch zu lang sein.« Er fluchte, und dann kicherte er wieder. »Du bist ein kleiner Spaßvogel«, sagte er. Ich nickte und sagte: »Jawohl, ich bin eine Frohnatur.« Langsam bewegte ich mich auf den Felsen zu, weg von dem Braunen, damit er nicht im Wirkungsbereich der Schrotkugeln stand, falls Brooks zum Schuß kommen sollte. Vor dem Felsen lag ein ziemlicher Brocken, hoch genug, um dahinter im Sprung Deckung zu finden. Ich ging auf ihn zu, behielt aber Brooks im Auge, der jeden meiner Schritte belauerte. Ich sagte: »Haben Sie eigentlich den Fluchtgang angelegt, Opa?« »Ich bin kein Opa«, sagte Brooks wütend. »Dann nicht. Und? Wie ist das mit dem Fluchtgang?« »Hab ich gebaut, mit Ollie und Mac Ritcher. Gut was?« »Ollie und Mac Ritcher hat er nichts genutzt.« Er kicherte sein widerliches Kichern. »Aber mir, Kleiner, und das genügt.« Jetzt stand ich neben dem Brocken. Ich drehte mich zu Brooks um und markierte urplötzlich ein erstauntes Gesicht, gleichzeitig deutete ich nach rechts. »Um Gottes willen, sehen Sie, dort!« schrie ich schrill. Und dann ganz laut: »Pack ihn, Shita!«
Er reagierte, wie ich es gehofft hatte. Er drehte sich halb in die Richtung, in die ich wies, und da flog Shita auch schon von der anderen Seite heran und schlug seinen Fang in den rechten Handknöchel von Brooks. Im Schmerz riß Brooks durch. Die Schrotladung klatschte gegen den Felsen. Ich hatte meinen Colt heraus und feuerte. Er hatte seinen Kopf abgewandt. Mein Schuß traf ihn in der Schläfe. Die Schrotflinte entfiel seinen Händen. Shita ließ den Handknöchel los. Brooks taumelte zwei, drei Schritte weiter, keuchte, dann kippte er vornüber und rührte sich nicht mehr. Shita beschnüffelte ihn und wandte sich desinteressiert ab. Jawohl, Hal Brooks war zur Hölle gefahren. Ich setzte mich auf den Brocken und verschnaufte. Shita drängte sich an mich und leckte mir die Hand. Ich kraulte seinen Nacken und hatte das Gefühl, einen Eisklumpen im Magen zu haben. Nach einer Weile stand ich auf und ging zu dem Gebüsch, aus dem Brooks aufgetaucht war. Dort fand ich den Ledersack mit dem Gold. Am nächsten Morgen lieferte ich ihn in Beaver Head im Büro der Mining Company ab und verabschiedete mich zum zweiten Male von Allen McCoy, der eine Miene zur Schau stellte, als glaubte er noch an die Wunder dieser Welt. Außerdem bot er mir achtzig Dollar die Woche. Ich lehnte wieder ab und verließ Beaver Head, dieses Mal endgültig. Sehr viel später erfuhr ich, daß die Vigilanten auch Sheriff Plummer erwischt und aufgeknüpft hatten …
ENDE
Vorschau Jim Olsen, der Sohn des brutalen Riesen, drängte Linda hinter dem Wagen vor. Dabei betastete er sie gierig und grinste dreckig. In diesem Moment drehte Ronco durch. Er war etwa noch zwanzig Yards vor Olsen und dessen Sohn, als er sich mit einem heiseren Schrei zu Boden warf und feuerte. Er sah, wie Jim Olsen Linda losließ, taumelte und rücklings umkippte, dann krachte Fred Olsens Revolver. An Roncos Schläfe vorbei fuhr die Kugel in den Sand. Lobo schoß ebenfalls, gleichzeitig mit Ronco. Olsen wurde zweimal getroffen und zurückgestoßen. Aber er stand noch. Sein Revolver spie Feuer. Die Kugel zerfetzte Roncos Hosenbein, richtete sonst aber keinen Schaden an. Mit dem nächsten Schuß traf Ronco den Riesen in den Magen. Olsen klappte zusammen wie ein Taschenmesser und fiel seitlich in den Sand. Noch ein Schuß löste sich, aber die Kugel strich wirkungslos in den Himmel … Die Jagd auf Ronco geht weiter. Lesen Sie nächste Woche Band 231 dieser großen deutschen Western-Serie:
Die teuflischen Schwestern