Die besten Science-Fiction-Romane der Welt erscheinen jeden Monat in den UTOPIA-Großbänden
Grenze zwischen den Welten ...
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Die besten Science-Fiction-Romane der Welt erscheinen jeden Monat in den UTOPIA-Großbänden
Grenze zwischen den Welten von Paul Lorraine heißt der nächste UTOPIA-Großband SCIENCE FICTION in deutscher Sprache. Das Geheimnis der Raumfahrt ist gelöst. Die Technik und die Wissenschaft stehen an einem Höhepunkt ihrer Entwicklung. Machtgierige Politiker haben sich an die Spitze gesetzt. Sie beherrschen die Länder der Erde mit ihrem Terror, wodurch die Menschen in zwei Klassen aufgeteilt werden. Ein jahrhundertealter Wunschtraum wird wahr: das Lebenselexier ist entdeckt – ein Mittel, das Leben zu verlängern und ewige Jugend zu verleihen! Aus dem Segen des Wunderwassers wird – der Fluch der Unsterblichkeit. Die Erde wird von Menschen übervölkert. Aber der Beherrscher der Welt, der wahnsinnige Vanca Unthra, schafft zwei künstliche Planeten, auf die er alle Menschen deportieren läßt, die durch den Genuß des Elixiers unsterblich wurden. Die genaue Dosierung der kosmischen Strahlung soll dafür sorgen, daß sie auf jenen Welten wieder zu normalen Sterblichen werden.
Doch die Strahlung bewirkt bei den im Weltraum verbannten Menschen ein geradezu unheimliches Ansteigen der Intelligenz. Vanca Unthra fürchtet ihre Rache. Die Rivalität zwischen den Oberhäuptern der beiden Planeten nützt er aus und spielt dem einen davon eine furchtbare Waffe in die Hand: den Roten Fleck. Ein Krieg entbrennt zwischen den beiden künstlichen Welten. Wie die beiden Menschen, Sylvia Grantham, die „Controllix“ von OMEGA, und Dexter Carfax, der Kapitän der ALPHA, die sich einst liebten, zu Todfeinden und ihre Welten durch die entfesselten Energien der Atome zerstört werden, wie die Sintflut über die Erde rast und alles Leben in den Fluten ertränkt, wie ein neues Menschengeschlecht – geläutert durch die Gewalten der Natur – aus all diesen Katastrophen hervorgeht, das erzählt dieser Roman, den man wegen seiner gigantischen Visionen als eine Sensation unter der heutigen utopischen Romanliteratur bezeichnen kann.
Bei UTOPIA-Großbänden ist alles möglich – nur eines ist unmöglich: nicht davon gefesselt zu werden!
VERLAG ERICH PABEL – RASTATT (BADEN) – PABEL-HAUS
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Gefahr aus dem Nichts von George Sheldon Brown
3 SCIENCE-FICTION IN DEUTSCHER SPRACHE
Zwei alte Prospektoren des Weltenraumes entdecken auf der Rückkehr zur Erde die Bruchstücke eines zerplatzten Planeten. Da ihr Brennstoff zur Neige geht und sie auf der Oberfläche des größten Planetoiden außerdem noch ein Schiff entdecken, landen sie. Eine unheimliche und unbekannte Macht nimmt sie gefangen. Eine Befreiung ist unmöglich. Auf der Erde ist man auf diese Bruchstücke aufmerksam geworden und die, Wissenschaftler stellen fest, daß alle in der letzten Zeit vermißten Raumschiffe in dem Gebiet dieser Planetoiden verschwunden sind. Man beschließt, einen Mann vorzuschicken, der diesen Umstand untersuchen soll. Nick Dannert landet auf dem gleichen Asteroiden wie die beiden Brüder, die Prospektoren, und auch er gerät in die Gewalt der Un-
heimlichen, deren Macht die Hypnose ist. Nur ein einziges Element, das seltene Trenion, wirkt gegen die unheimliche Macht. Die Einwohner des zerschmetterten Planeten, ein nebelhaftes und gasförmiges Volk, beabsichtigen, die Erde und das Sonnensystem zu erobern. Die gefangenen Menschen sollen ihnen dabei helfen, denn sie selbst können nicht arbeiten, sondern nur mit Hilfe ihrer geistigen Kraft befehlen. Dannert findet den Ausweg: Trenion! Wie er durch Zufall dieses Gegenmittel findet und wie er somit sich, seine Leidensgenossen und zuletzt das ganze Sonnensystem rettet, das schildert dieser spannende SCIENCE-FICTIONRoman, der vollkommen aus der Art der normalen Zukunftsromane herausfällt.
Bei UTOPIA-Großbänden ist alles möglich – nur eines ist unmöglich: nicht davon gefesselt zu werden!
UTOPIA-GROSSBÄNDE DIE BESTEN SCIENCE-FICTION-ROMANE DER WELT
Gefahr aus dem Nichts VON GEORGE SHELDON BROWN Originaltitel: THE PLANETOID PERIL von Walter Ernsting aus dem Englischen übersetzt
ERICH PABEL VERLAG IN RASTATT (BADEN)
Gefahr aus dem Nichts von George Sheldon Brown 1. Kapitel: Unbekannte Welten 2. Kapitel: Die Konferenz auf dem Mars 3. Kapitel: Die lockende Stimme 4. Kapitel: Furcht vor dem Geheimnisvollen 5. Kapitel: Die Prinzessin von Bekel 6. Kapitel: Die Trennung 7. Kapitel: Der Garten der Verdammten 8. Kapitel: Das Geheimnis der Immunität 9. Kapitel: Die Waffen des Aufruhrs 10. Kapitel: Die Sackgasse 11. Kapitel: Vernichtung
UTOPIA-Großband – SCIENCE FICTION in deutscher Sprache. Copyright by Erich Pabel Verlag, Rastatt (Baden). Scan by Brrazo 03/2010. Gesamtherstellung: Druck- und Verlagshaus Erich Pabel, Rastatt (Baden). Aus dem Englischen übersetzt von Walter Ernsting, Originaltitel: THE PLANETOID PERIL
Gefahr aus dem Nichts von George Shelden Brown
UNBEKANNTE WELTEN Mit nur halber Kraft – eine der Heckantriebsdüsen war ausgebrannt – durcheilte das Raumschiff CALIOPE das All und näherte sich der Grenze des Sonnensystems. In den Tanks befand sich nur noch eine geringe Menge des so kostbaren Treibstoffes. Länger als ein ganzes Jahr schon waren die Gebrüder Stevens – Ted und Jonny – durch die unbekannten Weiten jenseits des Sonnensystems gestreift. Sie hatten in den Tiefen des Raumes nach neuen, unerforschten Welten gesucht. Ruhelos waren sie von einem toten Planeten zum anderen geflogen. Sie hatten nur das getan, was vor ihnen schon andere Prospektoren getan hatten: Sie waren auf jedem Weltenkörper, der in Sicht kam, gelandet und hatten ihn auf wertvolle, seltene Elemente untersucht und – waren immer wieder aufs neue enttäuscht worden. Aber nie hatten sie die Hoffnung verloren, einmal den großen Fund zu machen, der sie mit einem Schlage reich werden ließ. Diese Art des Lebens war natürlich nur etwas für wagemutige Männer: Männer wie die beiden Stevens, die weder Tod noch Teufel fürchteten. Sie mußten jederzeit bereit sein, allen Gefahren ins Auge zu schauen. Die hartgeschnittenen Linien ihrer Gesichter ließen vermuten, daß sie das schon oft genug getan hatten. Auf der hinter ihnen liegenden Reise hatten sie wirklich genügend Gelegenheit gehabt, ihren Mut unter Beweis zu stellen. 8
Weit draußen, in den Tiefen des Weltenraumes, hatte sie fast das Schicksal ereilt, nachdem sie auf einer toten und kalten Welt gelandet waren. Erst beim Start fiel ihnen die phänomenale Gravitation des kleinen Planeten auf. Nur mit größter Anstrengung gelang es ihnen, dem Anziehungsbereich des Sternes zu entrinnen. Aber das Strahlwerk wurde zu sehr beansprucht. Eine der Düsen brannte aus, und eine Menge Treibstoff wurde verschwendet. Nun waren sie auf dem Wege zurück zu der noch weit entfernten Erde. Sie waren zwar reicher an Erfahrung, aber in Bezug auf finanziellen Gewinn genau so arm wie bisher. Nicht, daß es die Stevens besonders störte; ihr Beruf brachte Enttäuschungen und Abenteuer mit sich. Damit hatten sie sich abgefunden. Das einzige, was sie diesmal störte, war die Tatsache, daß es ziemlich fraglich war, ob sie jemals zur Erde zurückkehren konnten. Sie saßen nebeneinander in dem engen Kontrollraum und sahen sich ein wenig zweifelnd an. Sie schienen sich davor zu scheuen, ihre Befürchtungen laut werden zu lassen. Endlich brach Ted, der ältere der beiden, den Bann. Er fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar, grinste seinem Bruder zu und nickte langsam mit dem Kopf. „Nun?“ „Ja“, meinte Jonny, „du bist der Astronautiker, Ted. Was ist nun los?“ Ted Stevens war groß und hager, hatte blondes Haar und graue Augen. Sein Aussehen stand in großem Kontrast zu dem seines Bruders. Nur wenige Menschen hätten ihnen die Verwandtschaft auf den ersten Blick hin geglaubt. Er lächelte jetzt wieder, doch der Humor hatte sich aus seinen Zügen verloren. Dafür waren plötzlich einige harte Linien 9
erschienen, die Jonny die Antwort auf seine Frage gaben, ehe der andere etwas gesagt hatte. „Wir werden es nicht schaffen!“ sagte Ted gedehnt. „Es sei denn, es geschähe ein Wunder und der Weltenraum schenkte uns für eine ganze Woche Treibstoff.“ Er wandte seinen Kopf und zeigte mit der Hand auf die Sternenkarte, die vor ihm lag. „Ich bin ziemlich sicher, daß ich alles genau untersucht habe. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Du Dich auch nochmal überzeugst.“ Jonny grunzte. Er wußte nur zu gut, daß die Arbeit seines Bruders keiner Nachprüfung bedurfte. Ted fuhr fort: „Wir befinden uns noch sieben Monate von Terra entfernt, und unsere Geschwindigkeit beträgt L + 30 000. Für sechs Monate reicht der Treibstoff, wenn wir diese Geschwindigkeit beibehalten. Wir sind sowieso langsamer als alle anderen Schiffe.“ Jonny nickt traurig. Er liebte es nicht, bei solchen Gelegenheiten viel zu reden. Er war genau so klein und dunkel, wie sein Bruder groß und blond war. Während Ted jedoch meist lustig und froh sein konnte, hatte er eine mehr besinnliche und ruhigere Natur. Sie schienen die größten Gegensätze zu sein. Wenn aber eine Gefahr drohte, dann bildeten sie beide zusammen eine geschlossene Front. Der Humor konnte dann in ihren Augen ersterben und durch ein gnadenloses Flimmern ersetzt werden, das für den Feind Tod und Verderben bedeutete. „Das heißt also …?“ Ted zuckte die Achseln: „… daß wir, wenn wirklich kein Wunder geschieht, einige Monate mit unserer Geschwindigkeit weiterfliegen und dann im freien Fall durch den Raum stürzen – bis in alle Ewigkeit, oder bis wir in den Anziehungsbereich eines Sternes kommen. Das wäre das sofortige Ende.“ Seine Blicke suchten die Augen seines Bruders, als er fortfuhr. 10
„Eine Möglichkeit, mit der wir immer rechnen mußten, früher oder später. Nun ist sie leider eingetreten.“ Jonny machte eine ungeduldige Bewegung. „Wir müßten doch etwas unternehmen können!“ rief er verzweifelt. „Ich habe nicht die Absicht, mein Leben in einer besseren Konservendose hilflos zu beenden!“ Er sah seinen Bruder wütend an. „Wir haben noch sechs Monate Zeit, vergiß das nicht! Es kann noch allerhand passieren!“ Ted grinste. „Das habe ich mir auch schon gesagt“, meinte er langsam. „Aber Du weißt genau so gut wie ich, daß man sechs Jahre durch den Weltenraum kreuzen kann, ohne auch nur einen dämlichen Gegenstand zu Gesicht zu bekommen. Damit muß man rechnen!“ Jonny schüttelte stur den Kopf. „Willst Du damit sagen, daß es auf unserer Route keinen Platz gibt, auf dem wir landen könnten: einen Platz, auf dem wir vielleicht Treibstoff pumpen könnten?“ Sein Bruder tippte mit dem Zeigefinger auf die Karte. „Innerhalb sechs Monaten ist auf der Karte nichts eingezeichnet,“ sagte er. „Wir sind in diesem Gebiet schon vorher gewesen und sollten das eigentlich wissen.“ „Was also …?“ Ted runzelte die Stirne. „Zum Teufel, Mensch! Begreifst Du denn nicht? Wir können nichts machen. Es sei denn, daß etwas Unvorhergesehenes auftauchte. Aber meiner Erfahrung nach befindet sich auf der Strecke vor uns in den nächsten sechs Monaten kein solider Körper, der größer als ein Ei wäre.“ Er kletterte aus seinem Ledersitz und stellte sich auf die Füße. Er sah seinen Bruder ernst an. Dann lächelte er plötzlich und reckte sich behaglich. „Unsinn, wir haben noch sechs Monate Zeit!“ 11
Jonny murmelte etwas Unverständliches und beugte sich über die Karte. Er wußte zwar, daß Ted recht hatte: aber es ging ihm gegen den Strich, eine Niederlage hinzunehmen, ohne sich zu wehren. Ted klopfte ihm auf die Schulter: „Ich mache mir nicht allzuviel Sorgen, mein Junge. Noch sind wir nicht tot, und bisher haben wir noch immer Glück gehabt. Hast Du das vergessen?“ „Hm, wenn Du doch auch diesmal recht hättest!“ * Viele Tage gingen dahin. Die CALIOPE schoß durch den Raum, und ihre Insassen wußten, daß sie zum Tode verurteilt waren, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Nur ein großes Wunder konnte sie vor dem furchtbaren Schicksal eines langsamen Hungertodes in der treibenden Hülle retten. Es war bemerkenswert, wie sehr die Gemüter der beiden Brüder dieser Belastungsprobe widerstanden. Obwohl sie genau wußten, was ihnen bevorstand, blieben sie die alten. Besonders Ted behielt seine gute Laune und vergaß nie, ab und zu einen Scherz zu machen. Dann kam der Tag, an dem auf dem Bildschirm des im Bug des Schiffes angebrachten Radarsuchers ein grünes Lichtfleckchen erschien. Jonny hatte gerade Dienst, während Ted im Nebenraum lag und schlief. Er starrte angestrengt auf den Bildschirm und begann hastig, aber sorgfältig Größe, Entfernung und Art des gesichteten Körpers zu berechnen. Der Gegenstand war viel weiter entfernt, als er zuerst angenommen hatte. Er war von einer ausgedehnten Größe. Ein anderes Schiff konnte es bei der Entfernung nicht sein. War es etwa …? „He, Ted!“ rief Jonny aufgeregt. „Komm schnell her!“ 12
„Was ist los?“ brüllte Ted, noch außer Sichtweite. Er eilte durch die Tür zum Kontrollraum und beugte sich über die Schulter seines Bruders. „Sieh Dir das mal an!“ sagte dieser schnell und blickte abwechselnd von Bildschirm auf Karte und umgekehrt, sorgfältig vergleichend. „Versuche, ob Du es klarer bekommst, Ted!“ sagte er dann. „Ich bin ganz durcheinander. Auf der Karte ist kein Körper dieser Größe verzeichnet. Ich weiß genau, daß wir um keinen Grad von unserem Kurs abgewichen sind.“ Ted machte sich an den Abstimmungsknöpfen des Fernsehers zu schaffen und versuchte mit geschickten Fingern das Bild zu verschärfen. Als er dann soweit war, schaltete er die automatische Feineinstellung ein. Aus einem trüben, schmutzigen Grau auf der flimmernden Schwarzscheibe formte sich allmählich ein unregelmäßiger Globus, der langsam um sich selbst rotierte. Ein Planet? Er lag genau in der Fahrtrichtung der CALIOPE. Im dunklen Hintergrund schwebte noch ein anderer, kleinerer Weltkörper. Es sah aus wie Erde und Mond. „Eine merkwürdige Sache, was?“ grunzte Jonny. „Was hältst Du davon?“ Eine tiefe Falte lag auf seiner Stirn. „Sie sind auf keiner Karte verzeichnet. Größe und Maße nach dürfte man sie kaum übersehen haben.“ Ted gab keine Antwort. Er schwieg. Dann sagte er nach einer kurzen, nachdenklichen Pause: „Die beiden dort sind nicht die einzigen!“ Er drehte an verschiedenen Knöpfen. Das Bild verschob sich und zeigte einen anderen Sektor des Raumes vor ihnen. Drei andere, etwas kleinere Weltkörper kamen in Sicht. „Weißt Du, was ich annehme?“ meinte er langsam und gedehnt. „Ich schätze, daß das die Reste eines zerplatzten Sternes 13
von ehemals beträchtlicher Größe sind. Aber woher sie kommen und welche Richtung sie nehmen werden, das ist im Augenblick schwer zu bestimmen. Wenn wir näher kommen, werden wir es vielleicht feststellen können.“ Ted setzte die Beobachtung der so plötzlich aufgetauchten Asteroiden fort. Der kleinste von ihnen umkreiste tatsächlich den größten, zuerst entdeckten, wie der Mond die Erde. Im ganzen zählten die Brüder fünf Asteroiden. Es wurde ihnen bald klar, daß sie sich gleichmäßig auf einem bestimmten Kurs durch das All bewegten. „Sieh!“ sagte Ted plötzlich. „Sie liegen genau in unserer Richtung! Bald werden wir mehr von ihnen wissen.“ Jonny gab keine Antwort. Er arbeitete an seinen Berechnungen und stellte fest, daß sie bei ihrer jetzigen Geschwindigkeit in ungefähr zwei Wochen in die Nähe des größten der Asteroiden kommen könnten. „Behalte sie im Auge!“ sagte Ted. „Ich lege mich wieder schlafen und werde Dich, wie gewöhnlich, ablösen. Wenn etwas los ist, wecke mich!“ „Gut, Captain!“ antwortete Jonny mit plötzlichem Grinsen. Ted verschwand nach hinten und ließ den in Kalkulationen vertieften Jonny zurück. Mit Eifer und Verbissenheit rechnete dieser hin und her, warf ab und zu einen Blick auf den Bildschirm und dann wieder auf die Karte. Er kam endlich zu einem verblüffenden Ergebnis. Wenn er die jetzige Vorwärtsbewegung der treibenden Massen zurückverfolgte, kam er zu einem Punkte weit draußen in der Milchstraße, an dem vor 20 Jahren ein Stern vierter Größe gestanden hatte: GEETHA! Er rechnete sich aus, daß die Trümmer 20 Jahre für diese Strecke gebraucht haben könnten. GEETHA war vor dieser Zeit mit einem riesigen Meteor zusammengestoßen, der ihn völlig zersplitterte. Die Fragmente dieses Zusammenstoßes schwebten nun vor ihm. 14
Jonny war sich natürlich nicht ganz sicher, ob diese Theorie stimmte. Er wollte deswegen Ted nicht aufwecken. Sein eigenes Interesse jedoch war noch weiter gestiegen. GEETHA hatte sich immer zu weit im Weltenraum befunden, um jemals erreicht und erforscht worden zu sein. GEETHA war als tote Welt bekannt. Aber selbst tote Welten hatten für Abenteurer des Weltalls ihren Reiz. Während der folgenden Tage wurde es immer klarer, daß die fünf ungleichen Planetoiden auf einer ganz bestimmten Bahn durch das All eilten. „Ich glaube, das wird uns auch nicht viel helfen“, meinte Ted. „GEETHA ist nie ein Platz gewesen, auf dem ein beschädigtes Schiff hätte landen können. Wir werden dort kaum Treibstoff finden.“ Jonny nickte düster: „In dem Falle werden wir auch keinen verschwenden, um dort zu landen“, sagte er. Ted stimmte ihm bei. Aufmerksam beobachteten sie die fünf ungleichen Fragmente dunkelgefärbter Felsenglobusse, die langsam um sich selbst rotierten. Sie schwebten mit ständig gleichem Abstand dahin. Sie waren nun schon nahe genug, um jede geringste Kleinigkeit auf der rauhen Oberfläche des größten der Asteroiden zu erkennen. Was die Gebrüder Stevens sahen, war nicht besonders erfreulich. Scharf gezackte Felsen in einer eintönigen, grauen Farbe, tiefe Schluchten und Risse durchzogen die Oberfläche. Keine Spur von Leben oder Vegetation. „Es hätte vielleicht doch Sinn, wenn wir den Kurs ein wenig änderten, um ein wenig näher heranzukommen“, brummte Jonny. „Wir könnten doch Glück haben und etwas entdecken. Wenn nicht, dann ist auch egal. Der Brennstoff reicht so und so nicht.“ Sie einigten sich darauf, mit einer Änderung des Kurses bis zum letzten Augenblick zu warten. 15
Als dieser letzte Augenblick kam, verschwanden alle Meinungsverschiedenheiten mit einem Schlage. Ted hatte den neuen Kurs, der eventuell eingeschlagen werden sollte, auf der Sternkarte errechnet. Keiner der beiden Männer hatte sich während der vergangenen Stunden so recht ausgeruht. Nun lag Jonny in seinem Stuhl auf der anderen Seite des Kontrollraumes und döste vor sich hin. Ted nahm die beendigten Berechnungen seiner astronautischen Arbeit und legte sie bereit. Er wollte sie auswerten, falls der Kurs doch noch geändert werden sollte. Er warf einen Blick auf die nunmehr enorm große Kugel, die seitlich vor ihm schwebte. Plötzlich zuckte er zusammen. Er straffte sich in seinem Sitz, starrte nach vorne. Seine Blicke konzentrierten sich auf einen ganz bestimmten Fleck auf der rissigen Oberfläche des gigantischen Planetoiden. Schnell drehte er an einem Knopf. Ein Stück der Oberfläche verschwamm. Sie kam dann aber vergrößert und klar wieder in Sicht. Da war er sicher, daß er sich nicht getäuscht hatte. „He, Jonny! Wach auf!“ rief er laut. Dieser war mit einem Satz hoch, hellwach wie immer, wenn es darauf ankam. Von der Anstrengung der vergangenen Stunden war ihm nichts mehr anzumerken. „Was ist los?“ brüllte er zurück. „Ein Schiff!“ stieß Ted hervor. Jonny starrte erst ihn und dann den Bildschirm an. Tatsächlich! Auf der felsigen Oberfläche der langsam rotierenden Kugel erblickte er die silberne Hülle eines Weltraumschiffes. „Hahaha! Da liegt es!“ lachte Ted. „Ich glaube, wir ändern doch unseren Kurs!“ „Das glaube ich allerdings auch!“ „Vielleicht rettet das unsere Haut“, warf Jonny ein. 16
Ted hob nur die Augenbrauen. „Überlege doch nur mal, Mensch!“ sagte Jonny. „Wenn dort ein Schiff liegt, dann muß es Treibstoff an Bord haben. Es sei denn, es hatte auch keinen mehr. Das ist ein Risiko, das wir in Kauf nehmen müssen.“ „Du hast natürlich recht.“ Die CALIOPE drehte mit verlangsamter Geschwindigkeit bei und flog auf den Globus zu. Auch als sie schon dicht über dem anderen Raumschiff schwebten und sich auf den leichten Landungsstoß vorbereiteten, konnten sie noch keine Spur von Leben oder von Insassen feststellen. Das unbekannte Schiff lag ruhig und verlassen da. Soweit sie aus dieser Entfernung feststellen konnten, war es kein Wrack. Es war völlig unbeschädigt. Unter fortgesetzter Druckerhöhung ihrer Kontragravitationsplatten sank die CALIOPE langsam hinunter und setzte etwa 200 Meter von dem fremden Schiff entfernt auf. Einmal noch vibrierte die Hülle leicht, dann war es still. „Da wären wir! Ziehen wir die Anzüge an!“ sagte Ted. Seine Stimme zitterte leicht vor Aufregung, während er auf den Schirm starrte. Er konnte das fremde Schiff nicht sehen. Ein riesiger Felsbrocken lag dazwischen. „Wenn wir Pech haben, verschwenden wir eine Menge Treibstoff, um hier wieder hochzukommen“, sagte Jonny mit saurer Miene. „Ich hoffe, daß der Kahn dort für uns etwas von dem Zeug übrig hat.“ „Das werden wir bald herausfinden!“ Teds Stimme klang bereits gedämpft, da er schon den Helm seines Raumanzuges mit einem leisen Klicken verschloß. Sein Bruder beeilte sich, es ihm gleichzutun. In wenigen Minuten waren sie soweit. Sie standen in der Druckkammer. Ihre Blicke trafen sich. Sie schalteten die Sprechanlage ihres Helmes ein. 17
„Na, dann los!“ sagte Ted und griff an den Hebel, der die Luftpumpen in Tätigkeit setzte. „Denke gleich daran, daß es vielleicht das letzte Mal ist, daß wir festen Boden unter den Füßen haben werden. Genieße es mit Bedacht!“ sagte Jonny mit einem humorlosen Grinsen. „Du alte Unke!“ erwiderte Ted. Dann drückte er den Hebel nieder. Mit leichtem Zischen entwich die Luft. Wenige Minuten später öffnete sich die äußere Tür und schwang nach außen. „Gehen wir!“ nickte Ted seinem Bruder zu. Die Welt, auf die sie zum ersten Male ihren Fuß setzten, hatte eine sehr geringe Anziehungskraft. Ihre Bewegungen waren leicht und unbeschwert. Der felsige Höhenzug, der zwischen ihnen und dem unbekannten Schiff lag, bildete kein Hindernis. Sie konnten ihn mit großen Sprüngen überqueren. Obwohl sie beide ziemlich vertraut waren mit der Landung auf unbekannten Welten, gesellte sich zu der immer wieder eintretenden Aufregung diesmal jedoch das Gefühl, daß es um Leben oder Tod ging. Selbst wenn dieses Schiff ein gestrandetes Wrack war, so konnte sich in seinen Tanks noch ein Rest von Treibstoff befinden, den sie zur weiteren Fahrt zur Erde verwenden konnten. „Kein Mensch zu sehen!“ grunzte Ted enttäuscht. „Man müßte uns doch gesellen haben. So weit entfernt sind wir doch nicht gelandet. Es ist sehr, leicht möglich, daß sie alle tot im Schiff liegen.“ Sie ereichten die glänzende Hülle und umschritten sie einmal. Das Schiff war größer und moderner als die alte CALIOPE. Irgendeine Beschädigung, war nicht zu entdecken. Die Einstiegsluke war geschlossen und widerstand allen Anstrengungen Teds, sie zu öffnen. Sie sahen sich ratlos an. „Wir müssen hinein!“ sagte Jonny grimmig. 18
„Moment!“ hielt Ted seinen Bruder zurück, der sich mit gleichem Eifer auf die Luke stürzen wollte. „Ich werde sie durch Funk anrufen. Wir wollen hören, ob sie antworten.“ Er stellte die Wellenlänge seines Funkgerätes ein und sprach einige Worte in das Mikrophon in seinem Helm. Jonny konnte das nicht hören. Er wartete geduldig. Teds Gesicht wurde ernst. Er schaltete wieder um. „Sie geben keine Antwort“, sagte er. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Atomschneider zu holen und die Luke aufzuschweißen.“ „Ich werde gehen und einen holen“, erbot sich Jonny und wandte sich zum Gehen. Ted rief ihn zurück, um ihm noch einige andere Aufträge zu geben. Jonny reagierte nicht im mindesten. Ted runzelte die Stirne und rief nochmals. Wiederum störte sich Jonny an nichts und ging weiter. Plötzlich ärgerlich geworden, machte Ted einen Satz hinter seinem Bruder her und packte ihn bei der Schulter. Er riß ihn herum und sprach dabei wütend auf ihn ein. Jonny schien ihn nicht zu hören. Als Ted in das Gesicht seines Bruders sah, bemerkte er, daß dieser auch seinen Mund bewegte. Ted hörte jedoch auch nichts. Im selben Augenblick stellten sie alle beide fest, daß da irgend etwas nicht stimmte. Nach einer schnellen Überprüfung ihrer Sprechgeräte wußten sie, daß der Fehler nicht beim Sender oder Empfänger lag. Ted ergriff den Arm seines Bruders. Er zeigte mit der anderen Hand in die Richtung, in der die CALIOPE hinter einem Felsen lag. Jonny nickte. Er hatte verstanden. Sie wollten zum Schiff und neue Funkgeräte einbauen. Ehe sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, legte es sich plötzlich wie ein Schleier über ihre Augen. Ihre Bewegungen 19
wurden schwerer, und nur keuchend erreichten sie den Gipfel des Felsens, der sie von ihrem Schiff trennte. Sie sahen die CALIOPE vor sich liegen. Wenn nur dieses merkwürdige Gefühl nicht gewesen wäre! Ted fühlte sich in seinem Anzug schwitzen. Mit einem Seitenblick stellte er fest, daß es Jonny anscheinend auch nicht besser erging. Was konnte das sein? Ein nie gekanntes Angstgefühl bemächtigte sich seiner. Wie eine unsichtbare Macht zwang ihn etwas, stehenzubleiben und in die Tiefen einer Schlucht zu starren. Der Arm des Bruders stieß ihn an. Er winkte müde mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung. Wie auf Kommando setzten sie sich wieder in Bewegung – und gingen auf die dunkelschwarze Schlucht zu. „Ich will nicht!“ dachte Ted – aber er ging doch. Beide hatten das unheimliche Gefühl, als ob sich in der Schlucht eine ungeheure Gefahr für sie befände. Sie wollten weg von ihr und zu ihrem Schiff zurück. Aber sie konnten nicht mehr zurück. Die unsichtbare Macht eines übermenschlichen Willens zwang sie, das zu tun, was sie gar nicht tun wollten. Langsam schritten sie weiter.
DIE KONFERENZ AUF DEM MARS Das Regierungsgebäude des Interplanetaren Rates war bekannt als das eindruckvollste Bauwerk des ganzen Sonnensystems. Es lag mitten in der Stadt Vash auf dem Mars. Hoch auf einem Hügel gelegen, beherrschte es die ganze Umgebung; seine weißen Mauern warfen die Strahlen der Sonne zurück. Unterhalb des Hügels zog sich einer der vielen Wasserkanäle hin, von denen alles Leben auf dem Planeten abhing. 20
Der Mars war wasserarm. Das Wasser mußte künstlich erzeugt werden, da die natürlichen Vorräte bei weitem nicht mehr ausreichten. Die schon länger bestehenden Handelsverträge sicherten Mars und Erde einen regen Austausch der Schätze beider Welten. Das hatte beiden geholfen, ihre Krisen zu überwinden. Ohne die Hilfe der Erde wäre die Bevölkerung des Mars langsam, aber sicher qualvoll zugrunde gegangen. Mit der belebenden Bewässerung begann die alte Zivilisation wieder zu blühen. Die ersten Menschen, denen der Flug zum anderen Planeten geglückt war, Doktor Rill, Jenner, Gordon und das Mädchen Chans, waren schon lange tot. Ihre Namen jedoch waren unsterblich geworden. Im Interplanetaren Rat waren die Rassen und Völker aller bewohnten Planeten vertreten. Hier diskutierte man die Probleme und Fragen, die auftauchten. Die neuesten Erfindungen wurden in diesem Gebäude besprochen, ehe die Welten auch nur eine Ahnung von ihnen hatten. Hier war auch der Platz, an dem verantwortungsbewußte Männer an der Sicherheit der Weltraumfahrt arbeiteten. Ein ständiger Ultradienst überwachte die Weiten des Alls und nahm alle Radiomeldungen entgegen, die irgendwo gesendet wurden. Jede Gefahr wurde hier sofort registriert und nach Möglichkeit beseitigt. Das „Hirn“ der gesamten Raumfahrt befand sich in einem Teil des riesigen Gebäudes. Die Bedienung bestand aus Bewohnern des Mars. Es gab eine Menge Leute, die sich fragten, warum dieser bedeutende Verwaltungsapparat wohl auf dem Mars und nicht auf der Erde stationiert worden sei. Aber für die Wahl dieses so wichtigen Platzes gab es unwiderlegbare technische Gründe. Obwohl diese Einrichtung von den Menschen der Erde gegründet worden war, hatte man sie auf den Mars verlegt. 21
Die gesamte Verantwortung der interplanetaren wissenschaftlichen Abteilung war einem einzigen Manne übertragen worden: dem irdischen Gelehrten Spenser, einem Manne von außerordentlichen Fähigkeiten. Ungefähr zur gleichen Zeit, da die Gebrüder Stevens auf dem Trümmerbrocken des Planeten GEETA landeten, stand er vor einem Auditorium von Männern der Wissenschaft und sagte mit ernster Stimme: „Es ist sehr leicht möglich, daß das unerwartete Auftauchen jener rätselhaften Asteroiden etwas mit dem Verschwinden des Raumschiffes ARTEMIS zu tun hat. Ein sehr mysteriöser Zusammenhang, der aber nicht von der Hand zu weisen ist.“ Er machte eine kurze Pause. „Wenn ein Unglück das Schiff im Weltenraum betroffen hätte, wären die automatisch ausgelösten Notsignale hier angekommen. Das Schiff war eines der modernsten, das wir hatten. Es wurde aber kein solches Signal empfangen.“ Er brach ab und betrachtete die Gesichter der Männer vor sich. Terraner, Marsianer und Venusianer starrten ihn an. Alle reagierten verschieden auf seine Worte, je nach ihrem Charakter. Aber sogar die fischähnlichen Züge der grünlichen Venusianer zeigten eine gewisse Bewegung. Einer der Marsianer hustete und sagte: „Aber, Spenser, wissen wir denn wirklich nichts Genaues von diesen fünf Asteroiden, die so plötzlich aus den Tiefen des Weltraums aufgetaucht sind? Ist es nicht leicht möglich, daß die ARTEMIS einen Zusammenstoß mit einem von ihnen hatte und restlos vernichtet wurde?“ Spenser lächelte dünn, als er diese Frage in dem üblichen Esperanto hörte, das man für gewöhnlich zwischen den Welten gebrauchte. Er war ein gerechter Mann, dieser Spenser. Er wog das Für und Wider gewissenhaft ab, wenn es Meinungsverschiedenheiten gab. 22
„Was Du sagst, ist richtig, Mathan“, murmelte er dann. „Es ist durchaus möglich, daß die ARTEMIS auf einen dieser Körper prallte und in Atome zersprengt wurde. Ihre Steuereinrichtung konnte versagen, und sie stürzte auf einen Planeten oder auf einen Planetoiden. Das ist natürlich möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Es ist sogar mehr als unwahrscheinlich, daß ein Schiff vom letzten Typ, eines der modernsten Raumkreuzer, so einfach spurlos im Weltraum verschwindet, ohne das geringste Zeichen zu hinterlassen. Dann dürfen Sie eines nicht vergessen: Die Insassen des Schiffes waren in ständiger Verbindung mit uns. Sie meldeten sogar noch, daß sie sich dem unbekannten Asteroiden näherten. Sie wollten landen, um sie zu untersuchen.“ „Und dann?“ „Nichts mehr! Die ARTEMIS war das einzige Schiff, das sich in der Nähe der geheimnisvollen Weltkörper befand. Durch sie erfuhren wir erst von deren Existenz.“ „Woher kommen diese Asteroiden?“ fragte einer der anderen Männer. Spenser zögerte einen Augenblick, dann antwortete er: „Ich glaube behaupten zu können, daß sie die Reste eines Sternes in der Milchstraße sind, den wir unter dem Namen GEETHA kannten. Im augenblicklichen Stadium der Dinge ist es jedoch unmöglich, es zu beweisen.“ In das entstehende Schweigen hinein räusperte sich Mathan sehr vernehmlich. Spenser suchte seine Augen und nickte ihm aufmunternd zu. Mathan ergriff das Wort. „Ich habe bisher nicht über diese Dinge geredet und auch nicht darüber nachgedacht. Aber ich habe das Gefühl, daß es nun Zeit wird, uns über verschiedene Ereignisse klarzuwerden.“ Die Hälse der Zuhörer reckten sich, ihre Köpfe wandten sich dem Marsianer zu. Er hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. 23
„Ja, rede nur weiter, Mathan!“ munterte Spenser ihn auf. „Das werde ich auch! Hört gut zu. Die ARTEMIS ist nicht das einzig« Schiff, das in jenem Sektor des Weltraumes verlorenging. Wenn ich mich nicht irre, sind es zwei Marsschiffe, die ebenfalls vermißt werden. Man hat keine Spur mehr von ihnen finden können.“ Seine Blicke suchten seinen Landsmann Grooz, einen mächtigen Frachtunternehmer. Dieser nickte schnell und beeilte sich zu versichern: „Eines meiner Schiffe ist verschwunden, ebenfalls spurlos!“ Seine Stimme war wütend und voller Vorwurf. Er fügte hinzu: „Und noch eines, das einem meiner Freunde gehört. Es wird höchste Zeit, daß wir die Ursache dieser empfindlichen Verluste herausfinden.“ Ein langer und tiefer Seufzer kam mitten aus dem Saal. Er stammte von Kreex, einem erfahrenen und alten Weltenraumbummler von der Venus. Die Blicke aller Anwesenden lagen auf ihm, als er zu sprechen begann: „Diese Neuigkeiten sind wirklich sehr schmerzlich“, sagte er mit seiner tonlosen und monotonen Stimme. „Besonders, da auch wir einen Verlust zu beklagen haben. Eines unserer Überwachungsschiffe meldete, daß es sich den fünf Asteroiden nähere. Es war die letzte Meldung gewesen. Das ist nun – warten Sie –, ja, genau eine Woche ist es her.“ Ein Mann von der Erde meldete sich. Auch dort vermißte man ein Schiff. Es war ein Frachter gewesen, der von DAKI 3 mit einer Ladung Goromal – man benötigt es dringend für die Kontragravitationseinrichtung – zur Erde unterwegs war. Sein Kurs hatte durch die Flugbahn der Planetoiden geführt. In den folgenden Minuten machte ein anhaltendes Stimmengemurmel jede Verständigung unmöglich. Nur Spenser stand da und schwieg. 24
Er hatte schon so seine Ahnungen gehabt, daß die ARTEMIS nicht das einzige Schiff war, das man vermißt. Da war aber noch ein anderes Problem, ebenfalls ein sehr ernstes, das er zur Sprache bringen mußte. Er ließ geraume Zeit verstreichen, dann hob er seinen Arm. Sofort verstummte das Gesumme in dem großen Raum. Es wurde sehr still. „Ich wollte Ihnen noch etwas mitteilen, was auch von Bedeutung sein dürfte. Die fünf treibenden Massen, von denen wir annehmen, daß sie die Reste von GEETHA sind, verfolgen einen konstanten Kurs, der sie in kürzester Zeit in die Mitte unseres Sonnensystems bringen wird. Ich möchte nicht unbedingt behaupten, daß das eine direkte Gefahr für uns bedeutet. Es ist aber schließlich eine Tatsache, die wir nicht außer acht lassen dürfen. Meine Auffassung ist es, daß es ratsam sein wird, ein Schiff mit dem Auftrag auszusenden, die sich nähernden Weltkörper näher zu untersuchen.“ Er brach ab und hob seine Hand, um das von neuem anschwellende Gemurmel zu dämpfen. Dann fuhr er fort: „Der Mann, der es führen soll, wird natürlich auch den Auftrag erhalten, gleichzeitig nach den verlorenen Schiffen zu suchen. Das ist klar!“ Mathan überlegte gedankenvoll, während seine Kollegen eine lebhafte Debatte veranstalteten. Endlich wandte er sich an den Chef. „Spenser, kannst Du uns nicht verraten, was nun wirklich hinter dieser geheimnisvollen Angelegenheit steckt? Hast Du keine Ahnung?“ Dieser schüttelte bedauernd den Kopf: „Nein!“ sagte er dann nachsichtig. „Keiner kann etwas Bestimmtes behaupten. Meine persönliche Auffassung ist folgende: Jene fünf Asteroiden bergen eine furchtbare und unbekannte Gefahr, in die unsere Schiffe ahnungslos hineinrannten. Welcher Art diese Gefahr ist, das 25
vermag ich auch nicht zu sagen. Bisher hatte noch kein Mensch Zeit oder Gelegenheit, eine Radiomeldung durchzugeben, ehe er sie bemerkt hatte.“ Mathan nickte düster. „Eine blitzschnelle und unerwartete Gefahr“, sagte er langsam. „Das ist auch meine Meinung. Hat jemand eine Idee?“ Spenser lächelte geduldig: „Wir haben mehr oder weniger alle unsere Ideen“, meinte er. „Die beste wird wohl die sein, daß wir einen Mann finden, der genügend Erfahrung und Mut hat, die Aufgabe zu übernehmen. Ich appelliere an Euch alle, mir Namen von solchen Männern zu nennen, di« den genannten Anforderungen entsprechen. Zu bevorzugen sind in jedem Falle solche, die als alte Raumfahrer bekannt und mit allen Gefahren des Alls vertraut sind.“ Seine kühnen grauen Augen blickten über die Versammlung. Es war der irdische Wissenschaftler Raynor, der das Schweigen brach. „Ich glaube, daß ich den richtigen Mann vorschlagen kann!“ sagte er. Man blickte ihn erwartungsvoll an. „Weiter!“ murmelte Spenser ruhig. „Du hast unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, Raynor.“ „Ich habe mit diesem Manne selbst zusammengearbeitet“, sagte dieser. „Er ist zwar jung, kennt aber keine Furcht. Mehrere Jahre lang war er als Prospektor tätig, dann auf einem Beobachtungsschiff.“ Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Augenblicklich arbeitet er für Rettungsgesellschaften und Versicherungen, die nach verunglückten Raketen im All suchen. Falls wir diesen Mann – Nick Dannert ist sein Name – für unseren Auftrag gewinnen könnten – wir fänden keinen besseren!“ „Vielen Dank, Raynor!“ sagte Spenser ernst. „Wenn noch 26
jemand Vorschläge machen möchte, so bitte ich darum. Wir werden dann unsere Wahl treffen.“ Es wurden noch einige Namen genannt, aber obgleich Dannert der Mehrzahl der Anwesenden unbekannt war, wurde er dazu ausersehen, die Aufgabe zu übernehmen. Er sollte den sich nähernden Asteroiden entgegenfliegen und feststellen, ob sie wirklich eine Gefahr bedeuteten. Spenser schloß die Konferenz. „Es scheint mir unerläßlich“, sagte er, „daß wir alle Schiffe davor warnen müssen, sich jenen Weltenkörper zu nähern. Sie sind auf keine Gefahr vorbereitet, während Dannert jedoch mit ihr rechnen und ständig mit uns in Verbindung bleiben muß. Ich werde versuchen, herauszubekommen, wo er sich jetzt aufhält, um ihm dann den Beschluß des Rates mitzuteilen. So, das ist alles, meine Herren. Ich danke Ihnen!“ * „Achtung! Achtung! Wir rufen Dannert! – Achtung! – Nick Dannert! Wo immer Sie auch sind, im Weltraum oder auf einem Planeten, antworten Sie auf diesen Funkspruch! Es ist sehr wichtig! – Hier ist der Interplanetare Rat, Hauptquartier Mars. Wir rufen Nick Dannert! – Achtung! Antworten Sie bitte! – Antworten Sie bitte!“ * Auf der Raumflugstation des Mondes blickte ein Offizier ziemlich besorgt auf die Depesche, die ihm der Funker soeben überreicht hatte. Er mußte diese Meldung an seinen Vorgesetzten weitergeben. Er war sich darüber im klaren, daß sich ein furchtbares Unwetter über sein armes Haupt entladen wird. Die TOREADOR, eines der letzten kleinen Schiffe, hatte auf die Funk27
sprüche des Stützpunktes nicht mehr geantwortet. Der Offizier nickte nachdenklich vor sich hin; dann ging er zum Funkraum hinüber. „Verbinden Sie mich, bitte, mit London!“ sagte er. . Der große Bildschirm glühte auf, und das niedliche Gesicht eines Mädchens erschien auf der Mattscheibe. Sie lächelte freundlich und sagte: „Hier London. Wen wünschen Sie zu sprechen?“ „Admiral Shern, bitte!“ Die Stimme des Offiziers klang ein wenig belegt. Das Mädchen lächelte noch immer, während ihr Gesicht langsam verschwand. Dafür erschien dann ein anderes, viel unangenehmeres Antlitz auf dem Schirm. „Was ist denn nun schon wieder los? Wegen jedem Kleinkram müßt ihr mich belästigen. Ich kann euch versichern, daß ihr eines schönen Tages anständig eine aufs Dach bekommt. Nicht eine Spur eigener Initiative ist bei euch vorhanden, ihr Burschen. Hilflos wie kleine Säuglinge!“ Seine Blicke bohrten sich in die des jüngeren Offiziers. Eine dicke Zigarre wippte in dem Bulldoggengesicht auf und ab. Dane schluckte und salutierte. „Die TOREADO wird als vermißt gemeldet, Sir.“ sagte er. „Die üblichen Positionsmeldungen blieben aus. Auf unsere Anfragen erhielten wir keine Antwort.“ Der Admiral sah aus, als wolle er explodieren. Sogar auf dem Schirm flößte sein Gesicht dem guten Dane einen höllischen Schrecken ein, obwohl er doch 300 000 Meilen davon entfernt war. Die Augenbrauen zitterten und senkten und hoben sich in schneller Reihenfolge. „Dann versucht doch, das verdammte Ding zu finden!“ brüllte er. „Habt ihr denn überhaupt schon etwas unternommen? Wo befand sich die TOREADOR bei ihrer letzten Positionsmeldung? Reden Sie, Mann! Stehen Sie nicht da wie ein Ochse!“ 28
Die Augen traten ihm fast aus den Höhlen, und seine Brauen sträubten sich. Dane hatte seine erste Aufregung überwunden und zuckte nur mit den Schultern. „Sie kreuzte in der Nähe der so plötzlich aufgetauchten Asteroiden. Vielleicht einen Lichtmonat von ihnen entfernt. Sie entsinnen sich doch sicher noch, daß wir Ihnen das Erscheinen der fremden Welten meldeten? Es tut mir leid – aber mehr vermag ich Ihnen nicht zu berichten. Der Sender der TOREADOR hat einfach nicht mehr geantwortet.“ „Diese dämlichen Sender! Ich werde krank, wenn ich davon höre!“ sagte der Admiral, ein wenig unmotiviert. Er hatte die Zigarre aus dem Mund genommen und starrte finster auf deren Asche. „Gut, Dane!“ sagte er schließlich. „Beauftragen Sie ein Schiff, das sich in der Nähe jenes Sektors befindet, die vermißte TOREADOR zu suchen!“ Er winkte mit seiner Zigarre. „Ich wünsche einen ausführlichen Bericht, sobald Sie nähere Einzelheiten haben. Verstanden?“ „Jawohl, Sir!“ Dane atmete erleichtert auf, als das Gesicht des Admirals von der Scheibe verschwand. Der „Alte“ machte sich offenbar mehr Sorgen als er. Merkwürdig auf jeden Fall, daß er nicht noch mehr geschimpft hatte, wie er es sonst bei den geringsten Anlässen tat. Voller Gedanken kehrte Dane in sein Zimmer zurück. * „Achtung, Nick Dannert! Wir rufen Nick Dannert! – Antworten Sie bitte auf unseren Funkspruch! – Achtung! – Achtung!“ Nick Dannert runzelte die Stirn und schaltete den Ultraempfänger ab. Schon seit seinem Start von der Venus hörte er in 29
gleichmäßigen Abständen diese Meldung. Er hatte noch nicht darauf geantwortet. Dannert stellte das Gerät wieder ein, nachdem er kurze Zeit nachgedacht hatte. Sein Gesicht zeigte eine gewisse Resignation. „Ich glaube, es ist wirklich besser, wenn ich mich melde“, brummte er laut vor sich hin. „Bisher kam ja nie etwas Gutes heraus, wenn man sich mit dem Großen Rat einließ. Ich bin aber doch gespannt, was man von mir will.“ Seine Finger glitten über die Knöpfe. Er suchte die richtige Wellenlänge, die er eben noch verstellt hatte. Mars schwieg gerade, machte eine kurze Pause. Schnell schaltete er um. „Dannert an Mars! – Dannert an Mars!“ sprach er in das Mikrophon. „Melden Sie sich! Hier ist Dannert auf dem Raumschiff TATRA, auf dem Wege von Venus zur Erde. Bitte kommen Sie.“ Die Antwort kam sofort. „Nick Dannert! Doktor Spenser wird selbst mit Ihnen sprechen. Er repräsentiert den Großen Interplanetaren Rat. Einen Moment noch, bitte! Ich verbinde Sie mit ihm!“ So gut es eben ging, zügelte Nick seine Ungeduld. Wenn Spenser selbst etwas von ihm wollte, dann mußte es eine dicke Sache sein, dachte er. Arbeit habe ich an sich genug, sagte er sich. Außerdem zahlt der IR lausig, schlecht, wie alle staatlichen Einrichtungen. Na ja, anhören wollte er sich mal, was man von ihm wollte. Ablehnen konnte er dann immer noch. „Hören Sie zu, Dannert!“ kam eine Stimme aus dem Lautsprecher. „Ich, weiß, daß es für Sie vielleicht sehr unangenehm sein wird, wenn ich versuche, Sie mitten aus Ihrer Arbeit zu reißen. Es tut mir wirklich leid, Dannert; aber im Weltenraum tut sich etwas sehr Geheimnisvolles und Merkwürdiges. Der Rat hält Sie für den richtigen Mann, die Dinge zu untersuchen.“ Dannert schüttelte zweifelnd den Kopf. „Was meinen Sie mit ‚geheimnisvoll’?“ fragte er. Seine 30
Stimme zeigte keinerlei Begeisterung. Er dachte an die Verabredung, die er mit seiner hübschen Freundin hatte, sobald er auf der Erde gelandet war. Diese Verabredung war jedoch nicht das einzige Vorhaben, das auf ihn wartete. Mehrere große Minengesellschaften wollten einen Vertrag mit ihm abschließen, der ihn zum eisigen Pluto führen sollte. Die Anteile waren gut. Es schien sich zu lohnen. „Eine gewisse Anzahl von Schiffen ist verschwunden, Dannert. Wenn Sie von Ihrer Route abwichen, könnten wir hier auf dem Mars alles Weitere besprechen. Über die Bedingungen werden wir uns sicher einigen.“ Dannert zog kaum hörbar den Atem ein. „Das glaube ich kaum“, sagte er. „Wie bezahlt ihr denn? Ist es der übliche Satz, den der IR für Arbeiten im Weltenraum zahlt?“ Spenser zögerte einen Augenblick, dann meinte er unsicher: „Ich – nehme es an. Aber das ist doch nicht so wichtig. Es ist doch zum Wohle der Menschheit, für die Sicherheit der Raumfahrt. Außerdem geht es um die Menschen, die in den vermißten Schiffen reisten.“ Nick grinste erheitert vor sich hin. „Dr. Spenser“, sagte er freundlich, „solange Sie Ihre normalen Gehälter nicht verdoppeln, bin ich völlig uninteressiert. Man hat mich bereits für einen längeren, lohnenden Auftrag verpflichtet. Der Ihre mag ja zum Wohle der Menschheit sein – aber der, den ich bereits erhalten habe, ist zum Wohle des guten Nick Dannert. Das klingt egoistisch, zugegeben. Aber das ist es nicht, lediglich ein gesunder Standpunkt!“ Er machte eine Pause. Bevor jedoch der andere antworten konnte, fuhr er fort: „Ich möchte noch hinzufügen, daß es genügend andere Raumfahrer gibt, die gerne und mit Freuden den Job übernähmen. Suchen Sie sich einen von denen aus, die sich einen Namen machen wollen!“ 31
Dr. Spenser seufzte auf, während er auf das Mikrophon starrte. Dann stieß er hervor: „Undankbares Volk, das …“ Er beendete seinen Satz nicht, sondern sagte nun: „Hören Sie zu, Dannert! Ihr Name wurde von Ihrem Freund Raynor vorgeschlagen. Er behauptete, Sie werden den Auftrag übernehmen. Sie hätten keine Furcht, aber dafür um so mehr Erfahrung. Er sagte, Sie seien der Mann, den wir brauchten. Nun, wollen Sie jetzt kommen?“ „Nein!“ Dannerts Stimme war scharf. „Es tut mir sehr leid; aber ich bin für die kommenden Wochen und Monate schon gebunden. So sehr ich den guten Raynor leiden mag – ich muß einfach ablehnen, ob ich will oder nicht.“ Seine Finger tasteten zum Sender. Er verspürte den dringenden Wunsch, das Gerät abzustellen, bevor Spenser eine Antwort geben konnte. Spenser aber sagte: „Gut, Dannert! Ich kann es nicht ändern, wenn Sie nicht wollen. Ich kann Sie nicht zwingen. Es tut mir leid. Aber Sie versäumen die Gelegenheit zu einer großen und edlen Tat. Sie müssen es wissen, wenn Sie Ihre eigenen Wege gehen wollen.“ Er hustete. Zögernd fügte er hinzu: „Wenn ich allein zu entscheiden hätte, dann würde ich Ihnen eine beliebige Menge Geld bieten. Aber Sie werden verstehen, daß das jenseits meines Einflusses liegt. Machen Sie es gut, Dannert, und – viel Glück!“ Der Lautsprecher knackte.
DIE LOCKENDE STIMME Die TATRA sank wie eine Feder hinab. Dannert machte eine vollendete Landung auf dem Londoner Raumflugfeld. Einen Augenblick lang saß er da, nachdem er auch die letzten Hilfsdüsen ausgeschaltet hatte, und ruhte sich aus. Seine 32
Augen waren geschlossen. Erfreuliche Gedanken durchkreuzten sein Gehirn. Wieder eine Fahrt beendet. Der Auftrag war erledigt. Ein winziger Schatten lag jedoch auf der Freude der Heimkehr, der Schatten einer Schuld. Es war zwar nur das vage Gefühl des Unbehagens. Aber er fand, daß er diesem Spenser eine andere Antwort hätte geben müssen. Ein wenig taktvoller hätte er sein müssen, auch wenn es bekannt war, daß der Rat sehr schlecht bezahlte. Nun ja, er konnte sich ja schließlich nicht aus lauter Gefühlsduselei einen guten Verdienst entgehen lassen. Dannert seufzte tief auf, öffnete die Augen und grinste seinem Spiegelbild zu, das ihm aus den blanken Metallscheiben der Apparaturen entgegenblickte. Er löste die Sicherheitsgurte. Ja, so war das Leben! Nachdem er die TATRA durch die Einstiegsluke verlassen hatte, schlenderte er zum Verwaltungsgebäude hinüber und brachte die Landepapiere in Ordnung. „Starten Sie bald wieder, Mr. Dannert?“ fragte der eifrige Angestellte, der den schmalen jungen Mann sehr gut kannte und sich stets für dessen Kommen und Gehen interessierte. Es wurde viel über Nick Dannert und dessen Abenteuer erzählt. Dieser lächelte und winkte ab. „Keine Ahnung!“ murmelte er mit leiser, sanfter Stimme. „Ich habe nämlich gleich eine Verabredung, wissen Sie.!“ Er zuckte mit einer Schulter. „Na, bis später!“ Der Angestellte sah ihm nach, als er über die breite, sonnenüberflutete Straße davonging. Taxi und Hubschrauber standen dort und warteten. Dannert winkte einen der Wagen heran. „Zum Zentrum!“ sagte er zu dem Fahrer. „Jawohl, Sir!“ Er wollte einsteigen. 33
„Dannert! Hallo, Dannert! Nicht so eilig, ich muß Sie sprechen!“ Die Stimme war drängend und flehend, sogar ein wenig ängstlich. Nick drehte sich um und richtete sich auf. Ein Marsianer eilte auf ihn zu. Er war in mittlerem Alter und in tadelloser Kleidung, sah jedoch sehr beunruhigt und besorgt aus. Dannert erkannte den Mann sofort von den Bildern der Illustrierten und vom Fernsehen. Es war Broon, einer der größten und mächtigsten Industriellen, die mit den Erd-Mars-Minengesellschaften zusammenarbeiteten. „Hallo!“ sagte Nick ruhig. „Was gibt es denn?“ „Ich muß mit Ihnen reden, Dannert!“ rief Broon aufgeregt. „Es ist wichtiger als alles andere, was Sie jemals unternommen haben.“ Dannert zögerte einen Moment. Dann winkte er dem Taxifahrer zu. „Ich rufe Sie dann.“ Der Mann nickte und fuhr an seinen Platz zurück. „Also“, meinte Nick zu Broon, „begeben wir uns an einen besseren Ort, und trinken wir etwas. Ich bin sehr durstig.“ Broon nickte. Sie gingen zu dem Gebäude zurück, suchten die kleine Bar auf und fanden einen kleinen Ecktisch. Dannert bemerkte, daß der andere voller Unruhe war, und wunderte sich darüber. Der reiche Geschäftsmann war nämlich dafür bekannt, daß er eisenhart und durch nichts zu erschüttern sei. „Ich höre! Sie können beginnen, Broon!“ Aber nun, als es endlich soweit war, brachte dieser vor Aufregung kein vernünftiges Wort heraus. Nach drei vergeblichen Versuchen stieß er hervor: „Sie sollen meine Tochter suchen!“ 34
„Ihre Tochter? Verzeihen Sie – ich wußte bis jetzt gar nicht, daß Sie eine haben. Wo ist sie denn, und was ist geschehen?“ „Das ist es ja gerade, was Sie …“ Broon machte eine Pause und schien sich langsam zu erholen. „Sie machte eine Fahrt mit der ARTEMIS, Dannert. Diese ARTEMIS ist spurlos im Weltenraum verschwunden – irgendwo in der Nähe von so einigen neuaufgetauchten Asteroiden!“ Es durchfuhr Dannert wie ein Schlag. Spenser war also nicht der einzige, der ihn in dieser Angelegenheit um Hilfe bat. Er sah sein Gegenüber scharf an. „Warum kommen Sie gerade zu mir?“ Er nippte an seinem Glas und beobachtete Broon. „Schließlich bin ich kein Hellseher!“ Broon machte eine wegwischende Gebärde und sagte fest: „Ich warte schon lange genug und habe meine Gründe, warum ich gerade Sie ausgewählt habe, um nach meiner Töchter zu forschen. Sie heißt Gaelys. Wenn Sie es mir nicht übelnehmen, dann möchte ich Sie als den einzigen Mann des Sonnensystems bezeichnen, der diese Aufgabe meistern kann.“ Dannert zog die Augenbrauen in die Höhe. „Vielen Dank für das unzweifelhafte Kompliment!“ murmelte er mit einem Lächeln. „Ich weiß zwar nicht, ob Sie recht haben; aber ich habe bereits einen anderen Auftrag. Ich kann es mir finanziell nicht erlauben, ihn so einfach zu verlieren.“ Broons Mund wurde plötzlich hart. „Was immer Sie auch vorhaben, Dannert, Sie tun es des Geldes wegen. Männer arbeiten nicht nur zu ihrem Vergnügen, auch meine Landsleute nicht. Gut, Dannert, wieviel werden Sie bei Ihrem beabsichtigten Job verdienen?“ Dannert starrte ihn an, und ein Grinsen überzog sein Gesicht. „Wollen Sie mehr bieten?“ fragte er. „Sehen Sie, mein 35
Freund – ich möchte Ihnen ja gerne helfen; aber mein guter Ruf als zuverlässiger Mann würde empfindlich darunter leiden, ließe ich meine Auftraggeber sitzen.“ „Na, Ehre oder Geld?“ „Beides! Ich habe so meine Grundsätze, verstehen Sie doch bitte! Geld ist natürlich sehr wichtig für mich. Ich werde älter und möchte nicht ewig zwischen den Welten hängen, sondern mich eines Tages zur Ruhe setzen. – Trotzdem bedeutet mir Geld nicht unbedingt alles! Mit einem anderen Anreiz verbunden, wäre Ihr Vorschlag besser.“ Nick lächelte wieder. Er war gespannt, was der Alte noch auf Lager hatte. „Haben Sie noch etwas anderes als Geld zu bieten, Broon? Ich bezweifle das sehr.“ „Das Leben meiner Tochter ist in Gefahr!“ sagte Broon. „Ich fühle das hier!“ Er klopfte sich auf die Brust. „Sie ist nicht tot! Was auch immer mit der ARTEMIS geschehen ist – Gaelys ist nicht tot! Sie sollen sie finden und zurückbringen!“ Er lehnte sich vor und sah Dannert fest in die Augen. Dieser jedoch ließ sich in seinem Sessel zurücksinken und schloß die Augen. Er wog Für und Wider sorgfältig ab. Die Tochter Broons wird wahrscheinlich genau so häßlich sein wie der Alte selbst! dachte er. Schade eigentlich! Aber das Geld, das dieser Mann zahlte …? Hm, das wäre zu überlegen! Nick konnte Geld sehr nötig gebrauchen. Er hatte schon allerhand gespart, um sich sehr bald selbständig machen zu können. „Wie haben Sie sich denn die Aktion vorgestellt?“ fragte er endlich. Er richtete die Blicke gespannt auf sein Gegenüber. Broon bemerkte, daß in Dannerts Gesicht viele winzige Pünktchen waren, die anscheinend von einer schon länger zurückliegenden Explosion stammten. Irgendwie paßten sie in dieses Gesicht. „So zählt also nicht allein die Geldsumme bei Ihrem Ent36
schluß?“ fragte er. „Es kommt vielmehr auf den sogenannten ‚Ausgleichsreiz’ an?“ Dannert starrte ziemlich verständnislos. „Wenn Sie nicht wußten, daß ich eine Tochter habe, dann wissen Sie natürlich auch nicht, wie sie aussieht. Sehen Sie sich meine Tochter bitte mal an!“ Bronn wühlte dabei, in seiner Brieftasche herum und brachte einen Umschlag zum Vorschein, den er über den Tisch reichte. Dannert ergriff ihn und zog ein Farbfoto von solch echter Lebensnah« und Natürlichkeit hervor, daß er glaubte, das Mädchen stünde vor ihm. Einen Moment blickte er fassungslos auf das Bild, dann sah er Broon an. Dieser lächelte zuversichtlich. „Sie sieht ganz gut aus, wie?“ Dannert verschluckte sich fast. „Das – ist – Ihre – Tochter?“ Er warf erneut einen Blick auf das Foto und starrte geistesabwesend auf das blonde Mädchen mit den seegrünen Augen und den lächelnden Lippen. „Sie ist aber kein Mädchen vom Mars!“ brachte er dann hervor. „Meine Frau stammt von der Erde“, murmelte Broon. „Gaelys ist die glücklichste Mischung zweier Welten.“ Dannert sah ein wenig lauernd auf Broon. „So ist also Ihre Tochter der – hm – Anreiz, den Sie mir außer dem Geld zu bieten hätten?“ Dann lachte Nick laut auf, aber freundlich und irgendwie froh. Nach einem erneuten Blick auf das Foto klopfte er über den Tisch hinweg dem mächtigen Finanzmann auf die Schulter und sagte: „Broon, Sie haben gesiegt!“ Verständnisinnig lächelte der Marsianer. „Ich habe das gewußt!“ sagte er. „Ich kann es auch verstehen, Dannert!“ Nick grinste. „Wenn ein Mädchen wie dieses hier sich in Gefahr befindet, 37
dann bin ich nicht der Mann, der sie im Stiche ließe und nicht den Versuch unternähme, sie zu retten. Kommen wir zu den näheren Einzelheiten. Daß sich meine Arbeit auch in finanzieller Hinsicht lohnen wird, überlasse ich vertrauensvoll Ihnen. Sie sind ein ehrenhafter Mann, Broon; setzen Sie die Höhe der Belohnung fest. Ich will dafür ehrlich sein und Ihnen verraten, daß ich Ihre Tochter auch ohne Geld retten würde.“ Broon rieb sich erleichtert die Hände. „Wir haben es nicht nötig, uns über die Geldfrage den Kopf zu zerbrechen“, sagte er. „Finden Sie meine Tochter, und Sie werden es nicht bereuen! Sie bedeutet mir mehr als alles andere in der Welt, sogar mehr als meine Geschäfte. – Lieber Dannert, ich werde nicht versäumen, schon vor Beginn Ihrer Reise eine ansehnliche Anzahlung auf Ihr Konto zu überweisen.“ Nick schüttelte sich. „Dann bin ich wenigstens etwas wert, wenn ich nicht zurückkomme“, lachte er. „Aber sagen Sie, was halten Sie von einem Schiff? Meine TATRA ist für so eine eilige Sache nicht schnell genug.“ Broon winkte ab. „Ich besitze das schnellste Schiff des ganzen Sonnensystems. Es wartet nur auf Sie! Es gibt keinen Zerstörer, der es einholen könnte. Es wartet nur auf einen Mann: auf Nick Dannert!“ Dieser pfiff durch die Zähne. „Ich bin in kürzester Zeit startbereit“, meinte er. „Geben Sie mir bitte nur Gelegenheit, mich von einem Freund zu verabschieden. Ich werde dann das Schiff übernehmen.“ Er blickte nochmals auf das Foto in seiner Hand. Dann reichte er es mit einem bedauernden Achselzucken über den Tisch. Broon lächelte. „Behalten Sie es nur, damit Sie sie wiedererkennen, wenn Sie ihr begegnen.“ Sein Gesicht wurde plötzlich ernst. „Sie müssen Sie finden, hören Sie!“ Nick lächelte wieder. „Wenn Sie noch lebt, werde ich sie 38
finden!“ versprach er. Dann erhob er sich und ließ das Bild in seiner Brusttasche verschwinden. „Bleiben Sie hier – Ich bin in einer Stunde zurück.“ * „Diese Schlucht!“ dachte Ted Stevens verzweifelt. „Da unten ist etwas, das stärker als mein eigener Wille ist. Es zieht mich näher und näher zu sich hin, obwohl ich nicht will.“ Er brüllte etwas zu Jonny hinüber, der neben ihm ging. Aber kein Laut drang an dessen Ohr. Die Verbindung blieb unterbrochen. Auch Jonny fühlte die Schrecken dieser unbekannten Welt mit ihren unsichtbaren Kräften, die an ihnen zerrten und drängten und sie in das Verderben zu locken schienen. Der unsichtbare Feind war um sie, übermächtig und allgegenwärtig. Instinktiv faßten sich die Brüder bei den Händen, als sie sich dem schwarzen Riß in der felsigen Oberfläche des Asteroiden näherten. Sie bewegten sich ohne eigene Willenskraft. Was immer es auch ist, dachte Ted, ich komme nicht dagegen an. Ich muß gehorchen – ich muß gehorchen – ich muß … Sie zögerten; denn sie waren am Rande des Abgrundes angekommen. Vor ihnen war nichts anderes als völlige Finsternis. Dann machte Jonny erneut einen Schritt und trat ins Leere. Ted weigerte sich, diesen Schritt zu tun, Jonny aber zog ihn mit sich. Obwohl sich Ted der Sinnlosigkeit ihres Handelns bewußt war, konnte er sich dem unheimlichen Befehl nicht widersetzen. Er folgte seinem Bruder, obwohl er es nicht wollte. Im gleichen Moment fühlte er, wie sein Körper leichter wurde. 39
Mit einem eisigen Schreck bemerkte er nun, daß seine Füße nicht mehr auf dem festen Boden standen. Sie hatten nur einen Halt auf einem federnden Nichts. Die dunklen Wände glitten nach oben. Sie selbst sanken beide in die Tiefe, immer weiter nach unten, immer weiter, immer tiefer! Wohin? Sie konnten es nicht wissen. Das einzige, was Ted wußte, war, daß sie einer mysteriösen und unüberwindlichen Macht erlegen waren. Es war dies eine Macht, die stärker als ihr Wille war und von der sie nicht wußten, woher sie kam. Sie hörten nur das drängende Flüstern in ihrer Seele und mußten gehorchen. War es etwa Hypnose? Plötzlich, völlig unerwartet, berührten ihre Füße festen Boden. In pechschwarzer Finsternis standen sie da. Sie fühlten von neuem den Zwang eines Befehls, der sie zum Stehenbleiben aufforderte. Während der ganzen Abenteuer, die sie bisher schon gemeinsam bestanden hatten, war ihnen etwas Gleichartiges noch nie begegnet. Sie waren voller Schrecken und fühlten eine bisher nie gekannte Furcht. Was aber das Schlimmste war: sie konnten sich nicht miteinander verständigen, ihre Sprechverbindung war unterbrochen. Hilflos standen sie in der schweigenden Finsternis. Sie konnten nichts anderes tun als nur warten. Ganz schwach nur kam Ted der Gedanke, daß sie dieses Loch ohne fremde Hilfe nie mehr verlassen konnten. Er hatte keine Ahnung, wie tief sie sich unter der Oberfläche befanden und wie weit sie sich von ihrem Schiff entfernt hatten. Ted verfluchte diesen felsigen Globus. Es erfüllte ihn nun ein gewisses Verlangen, daß endlich etwas passieren möge. Der Druck von seines Bruders Hand schreckte ihn aus seinen Überlegungen. Er konnte ihn aber nicht sehen und hören und wußte nicht, was er ihm sagen wollte. Bewegungslos blieb er 40
stehen und wartete, wie eine Statue, unsichtbar in der totalen Finsternis. Plötzlich hatte er das Gefühl, als ob außer seinem Bruder noch jemand neben ihm stünde – jemand, der mit der unbekannten und unheimlichen Gefahr in direktem Zusammenhang zu stehen schien. Der Schweiß brach ihm aus. Seine Pulse begannen zu rasen. Das Blut hämmerte in seinen Schläfen. „Habt keine Furcht, Männer aus dem Weltall! Ich bin gekommen, um euch zu führen. Ich bin Centa, die Prinzessin von BEKEL. Ihr müßt mir folgen!“ Ted hielt seinen Atem an. Er wagte es nicht, auch nur eine Muskel zu regen. Keine Silbe der lockenden, rufenden Stimme, die aus dem Dunkel zu ihm kam, wollte er versäumen. Er wurde sich gar nicht bewußt, wie es möglich war, daß er überhaupt etwas hörte. Sein Empfänger war defekt, und eine Atmosphäre war nicht vorhanden. Aber selbst wenn er daran gedacht hätte, wäre er kaum verwundert gewesen. Aber diese Stimme! Wie herrlich sie geklungen hatte – in dem fehlerlosen Esperanto, das die Welten der bewohnten Systeme miteinander verband! Ted hatte noch nie etwas von BEKEL gehört. Er wußte genau, daß er sich auf GEETHA befand, oder wenigstens auf dem, was davon übriggeblieben war. Alles andere war völlig sinnlos und unverständlich. Er hatte nur den einen Wunsch, diese Frau zu sehen, deren Stimme ihn geradezu verzaubert hatte. „Wie können wir Ihnen folgen, wenn wir Sie nicht sehen?“ fragte er, und seine eigene Stimme klang ihm seltsam in den Ohren. Alle Schrecken waren von ihm abgefallen. Er fühlte keine Furcht mehr. „Ich werde Euere Schritte lenken, Freund!“ antwortete sie. 41
„Geht nur voran! Euer Instinkt wird Euch führen. Den Rest besorge ich schon. Ich bin Euer Leiter, gesandt von dem Herrscher dieses so schwer vom Schicksal getroffenen Planeten. Ihr sollt nur helfen!“ Jonnys Hand krampfte sich um Teds Arm. Er mochte die Worte auch hören können. Dann begannen beide, in das Dunkel hineinzugehen, nicht mehr von einer schrecklichen Drohung getrieben, sondern von einer verführerischen Lockung gezogen. Sie mußten, ob sie wollten oder nicht. Teds Verstand schien wieder tadellos zu arbeiten. Er vermochte an jenes Schilf zu denken, das oben auf der felsigen Oberfläche lag. Sie hatten keine Zeit gehabt, nach dem Namen zu sehen. Auch entsann er sich, wie wichtig die Treibstofffrage für sie war. Brachte die augenblickliche Situation sie der Rettung näher oder nicht? Nun fühlte er, wie zarte Finger seine Hand ergriffen, seine freie Hand innerhalb des Raumanzuges. Das war doch unmöglich! Es konnte nur Einbildung sein. Diese Einbildung war aber so stark und so intensiv, daß sie ihn mit aller Macht vorwärts zog. Jonny folgte. Er schien die gleichen Gefühle zu haben. „Bald werden wir einen Raum erreichen“, sagte die Stimme. Der Tonfall war liebkosend und einschmeichelnd. Er gab Mut und erzeugte in Ted eine unbezähmbare Neugier. „Ihr werdet dort zu essen bekommen und könnt Euch ausruhen“, fuhr sie fort. „Später komme ich dann wieder zu euch zurück. – Habt keine Furcht! BEKEL benötigt euere Hilfe!“ Wer war dieses Gespenst, dieses unsichtbare Wesen? Ted fragte sich dies, fand aber keine Antwort. Sie lag irgendwo vor ihm, in der Dunkelheit. Er folgte einem Geist, einem Befehl und einem Wunsch. Er mußte folgen. Furchtlos schritt er weiter durch die Finsternis. 42
FURCHT VOR DEM GEHEIMNISVOLLEN Mit gemischten Gefühlen kehrte Nick Dannert in einer Taxe zum Flugfeld zurück und begab sich zum Verwaltungsgebäude. Er wollte einen Versuchsflug mit dem Schiff unternehmen, das ihm Broon versprochen hatte. Ein unerklärliches Interesse drängte ihn, dieses Mädchen Gaelys so schnell wie möglich zu finden und zu ihrem Vater zurückzubringen, obwohl er gerne noch einige Tage auf der Erde verweilt hätte. Aber Broon hatte ihm deutlich genug zu verstehen gegeben, daß die ganze Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit sei. Dannert fühlte, daß jener recht hatte. Still lächelte er vor sich hin, während er den Fahrer entlohnte und auf das weiße Gebäude zuschritt. Die Freundin, von der er gerade kam, war zwar ein netter Kerl; aber wenn er an das Bild in seiner Tasche dachte, verblaßte ihre Schönheit. Dannert war in seinem Innern fest davon überzeugt, daß Gaelys in Wirklichkeit genau so anziehend sein mußte, wie auf dem Foto. Immer noch lächelnd, betrat er die Empfangshalle. Er traf dort auf Broon, der ihn schon ungeduldig erwartete. Ohne weiteren Aufenthalt zog ihn jener am Ärmel mit sich hinaus auf das Feld, wo die PTERELAS startfertig auf der Landebahn lag. „Sie könnten kein besseres Schiff finden, Dannert!“ sagte Broon und zeigte voller Stolz auf die glänzende Silberhülle eines Raumschiffes. Dannert blieb einen Moment sprachlos stehen, als er die schlanken Linien und die mächtigen Heckdüsen bemerkte. Abgestumpfte Andeutungen von Tragflächen stießen schräg nach hinten und vorne. Am Bug bemerkte er die Öffnung eines sicherlich vernichtenden Ionenstrahlers. In Dannerts Augen zeigte sich unverhüllte Bewunderung. „Donnerwetter!“ flüsterte er. „Welch ein Schiff! Es ist schön! 43
Wie, in aller Welt, konnten Sie so ein Wunderwerk bauen lassen, ohne daß man darauf aufmerksam wurde? Ich bin schon so oft auf diesem Landeplatz gewesen, habe aber noch nie etwas von dem Bau eines neuen Schiffes gesehen.“ Broon sah ihn scharf an. „Ich habe es für Gaelys bauen lassen, ganz geheim. Es sollte ein Geschenk für sie sein. Sie hat in einigen Wochen Geburtstag. Nebenbei bemerkt – sie ist ein guter Pilot.“ „Wie kamen Sie ausgerechnet auf den Namen PTERELAS?“ Broon lächelte. „Ich benutzte zu Ehren meiner Frau ein Wort aus der irdischen Antike, aus der griechischen Geschichte. Es bedeutet: geflügelt. – Ich glaube, der Name ist sehr treffend.“ Dannert nickte zustimmend: „Ich teile Ihre Auffassung.“ Seine Blicke glitten immer wieder über die hohe und schlanke Form des Schiffes, als könne er sich nicht satt sehen. Es war ein blankpoliertes Monstrum aus reinem Crysignium, einem Metall vom Mars, dem härtesten und widerstandsfähigsten Stoff des bisher bekannten Universums. „Wirklich, ein wundervolles Schiff!“ wiederholte Nick immer wieder. Broon nickte, während sie zur Einstiegluke schritten. „Gehen wir an Bord! Dort können Sie sich umsehen,“ sagte er dabei. „Stellen Sie fest, ob alles so ist, wie Sie es sich wünschen. Vielleicht können wir noch Änderungen vornehmen.“ „Das wird kaum nötig sein!“, meinte Nick und kletterte durch die Türöffnung. Nach einer kurzer Überprüfung der Instrumente wandte er sich an Broon. „In dem Moment, wo Treibstoff und Verpflegung an Bord sind, werde ich starten. Ich habe es genau so eilig wie Sie! – Doch, das ist ehrlich gemeint!“ fügte er hinzu, als Broon ihn fragend ansah. Der Marsianer winkte beruhigend ab. 44
„Nur keine unvorsichtige Beeilung! Das wäre auch wieder nicht gut. Was Verpflegung und Treibstoff angeht, so haben Sie bereits für drei Jahre an Bord. Alles schon in Kisten und Tanks verstaut. Sie könnten sofort starten!“ „Drei Jahre? Ich hoffe nicht, daß es so lange dauern wird“, lachte Nick. „Ihre Tochter hat doch bald Geburtstag!“ Ein Grinsen huschte über Broons Züge. Nick fuhr fort: „Ich werde gleich einen Probeflug unternehmen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich bin schnell wieder da. Kommen Sie mit?“ Broon schüttelte den Kopf, griff in die Tasche und brachte die Papiere der PTERELAS zum Vorschein, die er Dannert überreichte. „Sie gehört Ihnen, Dannert. Machen Sie mit ihr, was Sie wollen – aber bringen Sie mir meine Tochter zurück!“ „Danke, Broon! Ich werde mein menschenmöglichstes tun. Aber – ich bin kein Zauberer!“ Nick wandte sich ab. Ein Gefühl der Rührung drohte ihn zu übermannen. Sein Hais schien sich zusammenzuziehen. Dieser Broon hatte ein grenzenloses Vertrauen zu ihm. Er durfte ihn nie enttäuschen. Seine Gedanken wurden abgelenkt, als er das Schiff startklar zu machen begann. Er bemerkte kaum, daß Broon leise aus dem Kontrollraum ging und das Schiff verließ. Eine halbe Stunde später brauste Dannert mit dem silbernen Ungetüm in den blauen Himmel. Er umkreiste den Mond und kehrte zur Erde zurück. Alles war in Ordnung. Er war zufrieden. Dies Schiff war wirklich das schnellste Fahrzeug, das es überhaupt im Weltraum gab. Als er landete, nahm er sich die Karten vor und legte den Kurs fest. Dann suchte er Broon auf und teilte ihm mit, daß er nach ei45
nem ausgiebigen Mahl bereit sei, seine Fahrt ins Unbekannte anzutreten. * Den Blick aufmerksam auf den Bildschirm des Radarsuchers gerichtet, saß Dannert mit konzentrierter Spannung im Führersitz der PTERELAS. Mehrere Wochen angestrengter Fahrt lagen hinter ihm. Er befand sich bereits in Sichtweite der fünf ungleich großen Planetoiden, um die sich bereits ein mystischer Kranz von Sagen und Legenden zu spinnen begann. Die Wissenschaftler hatten inzwischen ihre Berechnungen beendet und versicherten den Völkern, daß die fünf Planetoiden keine direkte Gefahr für irgendeine Welt des Systems bedeuteten. Allerdings könnten sie in unangenehme Nähe verschiedener Welten kommen. Es bestünde dann die Gefahr, daß die Venus ein wenig von ihrer Bahn um die Sonne abwiche. Es sei noch nicht klar, welche Folgen das haben könnte, sicherlich aber keine besonders schweren. Man hütete sich, durch beunruhigende Theorien eine Panik in den dichtbevölkerten Städten der Venus hervorzurufen. All diese Dinge hatte Dannert durch den Ultra-Empfänger erfahren. Nun näherte er sich der Maximumreichweite. Die Worte wurden leiser und leiser, bis sie ganz verschwanden. Nur noch die Morsezeichen der superlichtschnellen Ultralangwelle tickten im Apparat. Ihn störte das nicht besonders. Er hatte nur noch eine Sorge: So schnell wie möglich Gaelys zu finden und zu ihrem Vater zu bringen. Selbst die Tatsache, daß verschiedene Schiffe unter recht geheimnisvollen Umständen in der Nähe dieser treibenden Massen spurlos verschwunden waren, vermochte ihn nicht zu beunruhigen. Der Eindruck des lockigen, blonden Mädchens auf dem Bilde hatte seine Wirkung nicht verfehlt. 46
Broon war ein guter Psychologe. Bevor Dannert startete, hatte er sich mit der Firma in Verbindung gesetzt, für die er ursprünglich hätte arbeiten sollen. Überraschenderweise hatte man sofort eingewilligt, ihm die Stellung freizuhalten, nachdem man erfahren hatte, was er vorhatte. Außerdem hatte er Spenser verständigt, der hocherfreut gewesen war, weil Dannert seine Meinung geändert hatte. Spenser wußte ja auch nichts von Gaelys und – wie schön sie war! Nun näherte sich Nick dem Beginn seiner Abenteuer, die seltsamer und unheimlicher werden sollten als alle, die er vormals erlebt hatte. Viel hatte er während der langen Fahrt nicht zu tun gehabt, nachdem die automatische Steuerung in Tätigkeit getreten war. Eine tägliche Kontrolle genügte, um nicht vom Kurs abzuweichen. Nun standen die fünf Globusse vor ihm im All. Er blickte auf die toten Felswelten und wunderte sich, welche Gefahr sie wohl für die Raumschiffe bilden konnten, die ihnen zu nahe kamen. Wieso die verschwundenen Schiffe dabei Schaden erleiden konnten, war Dannert nicht klar. Aber es war sinnlos, sich darüber weiter den Kopf zu zerbrechen. Bald hoffte er mehr zu wissen. Fest entschlossen, sich nicht überrumpeln zu lassen, und gleichzeitig davon überzeugt, daß jene felsigen, luftlosen Felsenbälle nie bewohnbar sein konnten, umkreiste er mehrere Stunden lang die einzelnen Planetoiden. Durch den Fernseher suchte er systematisch jede Einzelheit der rissigen und schroffen Oberfläche ab. Verhältnismäßig langsam schwebte er über tiefe Spalten und schwarze Schluchten dahin und suchte, suchte, suchte. Als er den größten der Körper einigemal umflogen hatte, entdeckte er endlich das, wonach er suchte: ein Schiff. Im gleichen Augenblick sah er ein zweites dicht daneben. Schärfer hinsehend, gewahrte er ein wenig weiter entfernt noch drei andere Schiffe. 47
Nick rieb sich über die Augen. Er glaubte an eine Sinnestäuschung oder einen närrischen Spuk. Aber die Schiffe blieben! Als er probeweise den Vergrößerungsknopf betätigte, vermochte er sogar den Namen auf einer der Silberhüllen zu lesen. Deutlich sah er die Buchstaben: CALIOPE. Die anderen Bezeichnungen konnte er nicht entziffern. Die Schiffe lagen in einem zu ungünstigen Winkel. Dannert überlegte krampfhaft, warum ihm der Name CALIOPE so bekannt vorkam. Als er sich plötzlich entsinnen konnte, huschte ein Lächeln über seine Züge. Die Gebrüder Stevens waren auch ihm als die besten Prospektoren und als kühne Abenteurer bekannt. Wenn die dort unten gelandet waren, dann hätte man eine Wette abschließen können, daß irgend etwas Wertvolles da zu holen war. Eine Spur von Leben konnte Dannert nicht entdecken. Trotzdem … Nick schaltete den Ultra-Spezialsender für große Entfernungen ein und rief den Stützpunkt auf der Erde. Es interessierte sicher auch Broon, daß er am Ziel angelangt war. Nachdem er einigemal den Ruf in das All wiederholt hatte, bemerkte er erst, daß seine Funkanlage tot war. Eine tiefe Falte entstand auf seiner Stirn. Er begann mit den üblichen Untersuchungen. Es war kein Fehler zu finden. Unentschlossen zögerte Dannert einige Minuten. Dann aber wußte er; was er zu tun hatte. Durch große Schleifen und Spiralen verlangsamte er die Geschwindigkeit bis zur Schallgrenze und drosselte sie immer noch mehr. Wie eine Feder sank die PTERELAS nach unten auf die Silberschatten herab. Der Ausfall des Senders blieb zwar rätselhaft, konnte aber seine Absichten, hier nach dem Rechten zu sehen, nicht verhindern. 48
Das Schiff setzte mit einem sanften Ruck auf. Nick stellte das Strahltriebwerk ab. Die Bildschirme erloschen. Dannert sprang auf, um den Raumanzug überzustreifen. Er dachte kurz noch und steckte eine der wirkungsvollen Strahlpistolen in den Gürtel. Durch die Luftschleuse verließ er bald darauf das Schiff. Er stand in einer atmosphärelosen und völlig toten Welt. Ein schwarzer, Sternenübersäter Himmel überspannte eine trostlos einsame Felsenlandschaft, die in einer geisterhaft zwielichtigen Beleuchtung dalag. Keine Spur eines Menschen, obwohl die Hülle des nächsten gelegenen Schiffes, der CALIOPE, augenscheinlich unbeschädigt war. Merkwürdig! dachte Dannert. Vielleicht sind sie drin. Er betrachtete die verschlossene Einsteigluke. Dann stieg er die Leiter hoch und wollte drehen an dem Rad, das den Verschluß darstellte. Das Rad ließ sich nicht drehen. Die Luke war verschlossen und nicht zu öffnen. Merkwürdig! dachte er nochmals und kletterte wieder auf die Oberfläche herab. Er drehte sich um und begann auf das andere Schiff zuzugehen, langsam, doch leicht und mühelos. Es war die ARTEMIS! Auch hier war die Einstiegluke fest verschlossen und widerstand allen Öffnungsversuchen. Dannert begriff das nicht. Kein vernünftiger Mensch wird seine einzige Rückzugsmöglichkeit derart aufs Spiel setzen. Seine Reaktionen auf alle diese Dinge war die gleiche wie bei Ted und Jonny Stevens. Aber das konnte er ja nicht wissen. Er ging zur PTERELAS zurück, um sich mit Instrumenten zu versorgen, mit denen er die Luken gewaltsam aufbrechen konnte. Er erstieg den kleinen Hügel, der ihn von seinem Schiff trennte. Dann gewahrte er links eine dunkle Bodenspalte. In 49
diesem Augenblick legte es sich wie eine lähmende Wolke über sein Gehirn. Seine Bewegungen wurden schwerfälliger, und der unheimliche Zwang einer unsichtbaren Macht nahm von ihm Besitz. Er stand an derselben Stelle, an der die Stevenbrüder gestanden hatten. Der Einfluß der mysteriösen Gewalt war nicht so stark, daß sie ihn hätte zur Spalte ziehen können. Im Gegenteil er sträubte sich mit aller Kraft dagegen. Er begann von neuem mit seiner Wanderung in Richtung auf sein Schiff. „Was ist nur los mit mir, in dieser schäbigen kleinen Welt?“ dachte er. „Ist diese Lähmung meines Willens etwa schon die Gefahr, nach der ich forschen soll?“ „Umkehren! – Umkehren! – Umkehren!“ zwang ihn der Befehl aus dem Dunkel. Dannert blieb stark und hütete sich, auch nur einen Blick nach jener schwarzen Schlucht zurückzuwerfen, wo er den Ursprung allen Übels vermutete. Dann erreichte er das Schiff. Eine grausige Furcht war in seinem Herzen, obwohl er sonst sehr tapfer und mutig war. Aber ein Gegner, den man nicht sehen konnte?! Vorsichtig blickte er über seine linke Schulter zurück. Er konnte keine Bewegung in dem felsigen Gewirr der Steinbrocken erkennen. Er war allein auf dieser Welt. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, daß er beobachtet wurde. Man verfolgte jede seiner Bewegungen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er tastete nach seinem Ionen-Strahler, dessen harter Schaft ihn ein wenig beruhigte. Unsinn! Er war nur verwirrt von der Tatsache, daß die beiden Schiffe herrenlos und fest verschlossen waren. Die Einsamkeit der toten Welt übte einen furchterregenden Einfluß auf ihn aus. Das war gewiß alles. Hinzu kam die Beunruhigung darüber, daß sein Ultrasender nicht mehr arbeitete. Es war ganz klar, daß alle diese Umstände ihn verwirren mußten. War das nun wirklich 50
die Lösung dieses unheimlichen Druckes, der sich wie eine Drohung in sein Gehirn bohrte? Er griff an das Verschlußrad seiner Einstiegluke und drehte es, er wollte es wenigstens. Das Rad ließ sich nicht drehen. Die Luke war verschlossen! Mit einem erschreckten Ausruf fuhr er zurück. Angst kroch ihm den Rücken herauf. Seine Haare schienen sich innerhalb seines Helmes zu sträuben. Blitzschnell drehte er sich herum und stand nun mit dem Rücken gegen die Hülle der PTERELAS. Seine Hand umkrampfte die Waffe. Sein Blick flog wild über die Felslandschaft und suchte einen Gegner. Er konnte niemand sehen. Deutlich hatte er ein leises Lachen vernommen. Er konnte sich nicht getäuscht haben. Aber das war doch absurd, völlig unmöglich! Dannert fühlte, daß er nicht mehr allein war. Die formlose, unsichtbare Drohung wurde immer stärker und mächtiger. Instinktiv hatte er die schwere Strahlpistole aus dem Gürtel gerissen. Er hielt sie schußbereit in den Händen. Doch selbst der harte Kolben der Vernichtungswaffe gab ihm nicht mehr den gewohnten Mut. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß ihm eine Gefahr entgegentrat, von deren Existenz die Menschen noch nichts ahnten, gegen die auch die Ionenstrahlen nichts ausrichten konnten. Dannerts Blicke durchforschten das geisterhafte Zwielicht der unfruchtbaren Felsenwildnis. Sie war einst ein Teil des Planeten GEETHA gewesen. Nur mit Hilfe des Radarschirmes hatte er die Schiffe entdecken und eine Landung vornehmen können. Die Schwärze jener Bodenspalte schien ihm zuzuwinken, schien ihn zu locken. Er versuchte, seinen Blick von ihr abzuwenden. Er sah in eine andere Richtung. Von dort kam die Gefahr! 51
Nick rüttelte verzweifelt an der Schiffsluke. Diese rührte sich nicht. Ein panisches Schreckgefühl bemächtigte sich seiner. Er hatte immer noch soviel Kontrolle über sich selbst, daß er sich das selbst eingestehen konnte. Er stellte fest, daß er noch nie in seinem Leben solch eine Furcht gefühlt hatte. Er ließ von seinen fruchtlosen Bemühungen ab und gestand sich bitter, daß er in eine Falle geraten war, eingeschlossen worden war er zwar nicht, aber ausgeschlossen. Das bedeutete hier den Tod! Ein Gedanke durchzuckte ihn. Hatte man die Leute der anderen Schiffe auf die gleiche Art und Weise überwältigt und beiseite geschafft? Das konnte leicht möglich sein. Dannert wußte nun von dieser Gefahr. Er hatte die feste Absicht, sich nicht von ihr überraschen zu lassen. Von neuem wandte er sich um und überblickte das Halbdunkel der unregelmäßigen Landschaft. Der Lauf seiner Waffe schwenkte hin und her, nahm immer dieselbe Richtung wie seine Augen. Den Finger hatte er am Abzug. Da – von rechts! Dannert erstarrte fast. Er blieb bewegungslos stehen. Feuerbereit, sobald er etwas sah. Dort hatte sich etwas bewegt. Er hätte es beschwören mögen. Welche Form hatten diese Lebewesen, die ihn bedrohten? Eine neue Welle kalter Furcht kroch über ihn hinweg. Sie griff nach seinem Herzen. Noch nie zuvor hatte er ähnliches erlebt. Wenn man seinen Gegner sah, konnte man ihn bekämpfen. Aber dies hier? Wieder erhaschte er eine flüchtige Bewegung. Dannert feuerte nicht. Erst wollte er sehen, auf welches Ziel er seine vernichtenden Hitzestrahlen lenkte. Ein unsicherer Schuß war nutzlos. Keine Bewegung mehr – nichts mehr! 52
Verzweifelt preßte er seinen Rücken gegen die harte Hülle des Schiffes. Immer fester drückte er dagegen, als könne ihn das retten. Eine grauenhafte Furcht schüttelte ihn. Seine Augen starrten in das Ungewisse. Die Nerven gingen ihm durch. Er schrie einigemal laut auf. Doch niemand antwortete ihm. Er sah immer noch keine Bewegung. Sie kam um das Schiff herum. Sie näherte sich ihm, lautlos und langsam. Nick sah sie nicht, bis sie dicht neben ihm stand. „Habe keine Furcht!“ murmelte sie. Dannert ruckte herum. Seine Hände zitterten vor Schrecken. Allmählich schälte sich eine Gestalt aus dem Dunkel. Langsam erstand vor ihm eine weibliche Figur, ein Mädchen. Wie kann ich sie hören? fragte er sich. Wieso kann sie hier ohne Schutzanzug leben und atmen? Wie kann …? Da erkannte er sie! Der Blitz der plötzlichen Erkenntnis stieß ihn an den Rand des Wahnsinns. Der Glaube an seinen Verstand drohte ihn zu verlassen. Er wußte, wer sie war! Aber – das war doch unmöglich! „Gaelys!“ keuchte er. „Sind Sie es?“ „Ich bin Centa, Prinzessin von BEKEL“, antwortete sie monoton. „Komm mit!“
DIE PRINZESSIN VON BEKEL Mit sicheren Schritten ging Ted Stevens durch die Dunkelheit. Er konnte nichts sehen. Ebensowenig konnte er sagen, was ihn eigentlich führte. Ted fühlte nur – und Jonny fühlte es ebenfalls – daß jenes Mädchen, der die liebliche Stimme gehörte, vor ihnen herging. Sie wollten sie sehen. Dieser Wunsch wurde in den beiden immer drängender. Das Verlangen wurde übermächtig und ließ 53
sie alle Geheimnisse und Schrecken vergessen, die ihnen begegnet waren, seit sie das Schiff verlassen hatten. Ohne besonders darauf aufmerksam gemacht zu werden, fühlten beide, daß der Raum enger wurde. Instinktiv hielten sie an. Sie starrten in die schwarze Ungewißheit und warteten auf Licht. „Ruht euch hier aus!“ sagte die Stimme. „Ich, Centa, befehle euch, hier ruhig zu warten.“ Ted versuchte ihr zu antworten, aber er brachte kein Wort heraus. Sein Gehirn schien ein wirres Knäuel abgerissener Bindfäden zu sein. Ganz dumpf kam ihm zu Bewußtsein, daß eine gewaltige hypnotische Kraft auf sein Denken einwirkte und seine eigene Willenskraft völlig lähmte. Vergeblich versuchte er dagegen anzukämpfen. Doch er hatte keine Chance gegen diese gräßliche Macht aus dem Nichts. Als das Mädchen sprach, entstand ein matter Lichtschein, der sie ihre Umgebung erkennen ließ. Die Wände und die. Decke einer unregelmäßigen Felsenkammer leuchteten phosphoreszierend auf. In diesem Ungewissen Licht, dessen Ursprung ihnen noch nicht klar wurde, erblickten sie zum ersten Male die Gestalt ihrer Führerin. Ted hielt den Atem an. Er sah, daß auch sein Bruder bewegungslos dastand, wo er gehalten hatte. Beide starrten auf das Mädchen. Dort stand sie, ein unwirkliches Bild nie gesehener Schönheit. Eine Erscheinung, wie sie noch nie eines Menschen Auge geschaut hatte. Jonny machte einen unsicheren Schritt auf sie zu und streckte die Hand aus, als wolle er sich davon überzeugen, daß er keinen Geist vor sich habe. Ted ergriff schnell seinen Arm und zwang sich zur Nüchternheit. 54
„Rühre sie nicht an!“ sagte er. „Sie ist kein lebendes Wesen! Sie kann es nicht sein; denn sie hat keinen Raumanzug an!“ Jonny konnte ihn zwar nicht hören, wich aber zurück. Ted bedeckte seine Augen mit der Hand. Er wollte dieses Gespenst nicht mehr sehen, das gegen alle Naturgesetze verstieß. Aber eine unsichtbare Gewalt zwang ihn, wieder in jene Richtung zu blicken, ob er wollte oder nicht. „Ich bin wirklich da“, sagte die Stimme sanft. „Ihr habt keinen Grund, euch vor mir zu fürchten. Ich erfülle nur BEKELS Wunsch! Man braucht eure Hilfe. Sie braucht die Hilfe aller Menschen, die hierherkommen.“ Sie hatte sich ihnen zugewandt und lächelte. Nur die Kraft ihrer Blicke hielt die beiden Abenteurer zurück, auf sie zuzugehen. Ted nahm sich zusammen und studierte ihre Bekleidung. Ein schleierartiger Stoff bedeckte ihren Körper. Er wurde durch ein goldglänzendes Metallband um die Hüfte gehalten. Sie trug keinerlei Schutzbekleidung – und dabei war diese Welt ohne Atmosphäre und Wärme! Ihre Füße steckten in zierlichen Sandalen, die durch Bänder und Ornamente scheinbar sinnlos verziert waren. In ihrem goldglänzenden Haar war ein herrlicher Edelstein, der in dem Ungewissen Licht prächtig erstrahlte und dadurch, genau wie ihre Augen, lebendig wirkte. „Ihr werdet hier essen und trinken!“ fuhr sie fort. „Fühlt euch wie zu Hause. Macht es euch bequem. Ich kann nicht länger bei euch weilen; ich habe noch viel zu tun. Meine Mission ist wichtig. Wenn ich gegangen bin, dürft ihr eure Helme abnehmen.“ Ted rieb mit der Hand über die Sichtscheibe, um den plötzlich entstehenden Dunst fortzuwischen. Er biß sich auf die Lippen. „Hier ist keine Luft. Wie sollen wir die Helme abnehmen? Und – wie sollen wir essen, wenn wir sie aufbehalten?“ fragte er wütend. Er wollte nicht unhöflich werden; aber es gab ja schließlich auch Grenzen der Geduld. 55
Die Frau lächelte. „Sobald ich gegangen bin, könnt ihr für eine kurze Zeit die Helme öffnen. Ich werde euch atembare Luft zur Verfügung stellen. Aber denkt daran, nur für kurze Zeit! Ihr müßt essen, sobald ihr allein seid.“ Ted nickte, obwohl er kein Wort verstand. Diese unwirkliche Erscheinung, diese märchenhafte Schönheit, die bestimmt nur ein Traum war, und doch so echt und wirklich zu sein schien, beseitigte seine sämtlichen Bedenken und Verstandesproteste mit einem einzigen Aufschlag ihrer Wimpern. Er wußte, daß alles das, was er jetzt erlebte, völlig unmöglich und unsinnig war, wenn es sich auch vor seinen eigenen Augen ereignete, um ihn herum und in seinem Inneren. Sein Bruder schien die gleichen Empfindungen und Eindrücke zu haben. Das Licht erlosch plötzlich. Sie standen im Dunkeln. Mit einem letzten Rest von Geistesgegenwart machte Ted einen Schritt auf die Stelle zu, an der das Mädchen gestanden hatte. Er stieß gegen die Felsenwand – die Gestalt war verschwunden. „Wo ist sie hin, Ted?“ rief Jonny und erschrak genau so wie Ted, als die Sprechverbindung wieder funktionierte. Sie konnten wieder miteinander reden! „Sie muß irgendwo sein!“ fuhr Jonny fort. „Ich muß sie finden, ich muß …! Solch ein Mädchen!“ „Die schönste Frau, die je geboren wurde!“ murmelte Ted. „Geboren?“ Seine Stimme war heiser. Leise wiederholte er: „Geboren? Nein! Sie wurde niemals geboren. Sie existiert gar nicht! Sie ist nur die Ausgeburt unserer Phantasie! Nie kann diese Erscheinung Wirklichkeit gewesen sein!“ „Halt Dein Maul!“ unterbrach Jonny ihn. Ted gab keine Antwort. Er lehnte sich gegen die Mauer und versuchte nachzudenken. Das Licht glühte wieder auf. Es kam aus einer unbestimmten Quelle und umgab sie mit einem unirdischen Schein. 56
Auf einer Metallplatte standen in einer Ecke verschiedene Schüsseln mit Speisen und eine große Kanne mit einer Flüssigkeit. Konnten sie es wagen, ihren Helm zu öffnen? „Ted!“ Jonnys Stimme klang erregt. „Es tut mir leid, daß ich Dich eben so angefahren habe. Irgend etwas ist mit uns nicht in Ordnung.“ Ted grinste ihn unsicher an. „Schon gut! Du hast recht!“ stimmte er bei. „Hier geht allerdings etwas Merkwürdiges vor sich. Besonders jenes junge Mädchen macht mir Sorgen. Der ganze Zauber hier hat mich völlig verrückt gemacht.“ „Zum Teufel, Ted, was sollen wir denn machen?“ Ted sah ihn nachdenklich an. „Ich werde die Atmosphäre prüfen“, entschied er sich. „Dann werde ich Zoll für Zoll die Wände untersuchen, ob hier nicht ein Ausweg zu finden ist.“ Zu seiner größten Verwunderung stellte Ted fest, daß die Luft in ihrem Gefängnis atembar und gut war. Schnell öffneten sie die Helme, und sogleich fühlten sie sich besser, weniger bedrückt. Sie kosteten von dem Essen und dem Getränk und fanden beides schmackhaft. Mit Heißhunger fielen sie darüber her. Für fünf Minuten herrschte Schweigen. „Nun wollen wir den Ausgang suchen – falls es einen solchen gibt!“ Ted sagte es. Er fühlte sich wieder stark und kräftig; wohl weniger deshalb. Weil er gegessen und getrunken hatte, sondern mehr wegen der unbestreitbaren Tatsache, daß man ihnen nicht ans Leben wollte. Aber eben so unbestreitbar befanden sie sich auch an einem der seltsamsten Orte, den sie je in ihrer abenteuerlichen Vergangenheit kennengelernt hatten. „Ted“, murmelte Jonny, „hast Du bemerkt, wie sie sich voran bewegte? Sie ging nicht, sie schwebte.“ 57
Ted rieb sich dort, wo ungefähr seine Nase sein mochte. „Weißt Du was?“ sagte er dann. „Ich glaube bestimmt, daß wir beide einer Halluzination zum Opfer gefallen sind, einer suggerierten Halluzination! Ich kann es Dir nicht erklären – aber das ist es, was ich glaube!“ Bevor Jonny eine Antwort geben konnte, begann das sanfte Licht wieder zu schwinden. Es wurde schnell dunkel. Bald standen sie wieder in einer pechschwarzen Finsternis. Mit dem Schwinden des Lichtes überkam beide wieder jenes unheimliche Angstgefühl, das ihren Willen so sehr gelähmt hatte. Wie auf Kommando schlossen beide Männer die Helme und stellten die Luftzufuhr ein. Von neuem erfüllte eine grauenhafte Furcht ihre Herzen. Halb besinnungslos, verloren sie sich in der dunklen Kammer, rannten umher und stießen sich an den rauhen Felsenkanten. Sie fühlten beide, daß außer ihnen noch jemand im Raume war. Aber dieser andere war kein Mensch aus Fleisch und Blut. Hin und her eilten sie, getrieben von einem panischen Schrecken, der sich immer mehr verstärkte, je öfter sie versehentlich zusammenprallten. Die Funkverbindung funktionierte noch. Jonny brüllte Ted die gemeinsten Schimpfwörter zu. Er hatte anscheinend den Verstand verloren. Ted versuchte, die Kontrolle über sein Gehirn einigermaßen zu behalten. Der Versuch mißglückte. Nach wenigen Minuten schrie und fluchte auch er. Sie machten sich gegenseitig für die Lage verantwortlich. Wild schlugen sie aufeinander los. In ihrer besinnungslosen Wut verkrampften sie sich ineinander. Jeder glaubte, den unsichtbaren Feind endlich gepackt zu haben. „Ich habe ihn!“ rief Ted und fühlte sich plötzlich schwächer werden. Er murmelte noch etwas zu Jonny, der ebenfalls seinen Griff lockerte und losließ. Um Ted herum begann sich alles zu drehen. Er fühlte sich 58
ganz leicht und schien zu schweben. Langsam verlor er das Bewußtsein. Es war, als ob er in einen tiefen Schlaf fiele und sich mitten in der unendlichen Schwärze des Weltenraums befände. * „Sie sind Gaelys, die Tochter des Marsianers Broon!“ antwortete Dannert störrisch. Wie ein Stahlband lag etwas um seinen Kopf. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als an diese Tatsache. Ihre Blicke lagen mit solch einer zwingenden Gewalt auf ihm, daß er seinen Blick für einen Moment abwenden mußte. „Ich bin Centa, die Prinzessin von BEKEL!“ wiederholte sie mit monotoner Stimme. „Ihr seid mit einer Mission hierhergekommen, und BEKEL benötigt Eure Hilfe. Man hat Euch geschickt, und Ihr müßt mir folgen!“ Dannert wollte die Unmenge von Fragen ignorieren, die ihm sein Verstand stellte. Er versuchte, sich nur auf ihre Schönheit zu konzentrieren, die selbst die Unglaublichkeit des Geschehens in Vergessenheit geraten ließ. Und doch verspürte er in seinem Innern die Lust, laut aufzulachen und nach ihr zu greifen, um festzustellen, ob sie wirklich dort vor ihm stand. „Warum seid Ihr nicht sofort gekommen, als Ihr den ersten Ruf empfinget, Erdenmensch?“ fragte sie. Ihre Stimme blieb gleichmäßig, ohne innere Teilnahme oder Gemütsbewegung. Es schien Dannert, als ob ihr jemand anders die Worte in den Mund gelegt hätte. „Es ist besser, wenn wir gehen“, sagte er. „Du mußt mich führen, Centa!“ Alle Furcht war von ihm abgefallen. Er hatte nur den einen Wunsch: dieser Frau unter allen Umständen zu folgen, gleichgültig, wohin sie ihn führen mochte. Sie streckte ihre weiße Hand aus. Dannert griff schnell zu – 59
aber er erreichte sie nicht. Sie blieb immer in einer gewissen Entfernung. Dannert war mehr als befremdet. Es war irgend etwas um sie herum, das sie vor ihm schützte. Nicht ihre Schönheit war es, die ihn zurückhielt, auch nicht ihre Stimme. Nein, es war etwas Unbestimmbares, eine Gewalt, die er nicht zu überwinden vermochte. Er folgte ihr blindlings. Am Rande jener dunklen Spalte hielt sie an. „Habt keine Furcht!“ sagte sie nochmals. „Ich bin bei euch. Es kann euch kein Leid geschehen!“ Er sah sie aus engen Augen an. Sie war Wirklichkeit, sie war kein Geist. Nur wie sie hier so leben konnte, das begriff er nicht. Sie konnte doch gar nicht so leben, ohne Luft, ohne Wärme, ohne Schutzbekleidung. Und doch stand sie vor ihm. „Wohin jetzt?“ fragte er. Seine normale Denkfähigkeit schien ihn verlassen zu haben. Er konnte sich nicht erklären, warum er dieser Frau folgte, obwohl er das dumpfe Gefühl einer drohenden Gefahr nicht mehr los wurde. Hatte dieses Mädchen eine unerklärliche Gewalt über ihn, die seine Willenskraft völlig lähmte? Die Lösung mochte jenseits seines Begriffsvermögens liegen. „Ihr dürft keine Furcht empfinden!“ murmelte sie. „Macht einen weiteren Schritt – und alles ist in Ordnung! Vergeßt nicht, daß ich bei euch bin! Dies ist der Weg, den ihr nehmen solltet, als BEKEL euch zum ersten Male rief!“ Dannert nickte, obwohl er kein Wort verstand. Die Frau bewegte sich vorwärts und schritt über den Rand des Abgrundes hinweg. Sie streckte die Hand aus, als wolle sie die seine erfassen. Er folgte ihr und griff nach ihren Fingern, verfehlte aber diese wiederum um einige Zentimeter. Dann sank er langsam nach unten. Eine unsichtbare Kraft trug ihn. 60
Es wurde immer finsterer. Bald konnte er nichts mehr sehen. Selbst die Gestalt Centas verlor sich in der Dunkelheit. Immer tiefer sank er hinab, bis er den Boden berührte. Ab und zu versuchte er, sich gegen die unheimliche Willenslähmung aufzulehnen, aber vergeblich. Das Mädchen führte ihn denselben Weg, den kurz zuvor die Gebrüder Stevens gegangen waren. Dann erreichten sie die unterirdische Felsenkammer. „Ihr bleibt hier, Erdenmensch!“ murmelte die weibliche Stimme. Nick wirbelte um seine Achse und versuchte nach ihr zu greifen. „Wo bist du?“ fragte er drängend. „Neben euch“, kam die Antwort. „Seid geduldiger! Bald wird es hell werden. Der Herrscher von BEKEL wird euch Licht schenken. Er erwartet euch.“ Dannert nahm seinen ganzen Verstand zusammen. Es wurde ihm klar, welchen unmöglichen Unsinn er jetzt gerade erlebte. Einen Moment lang hatte er die Kontrolle über sich selbst zurückgewonnen. Er dachte klar, scharf und wußte, daß er nur träumen konnte. Langsam begann ein Licht zu entstehen. Mehr und mehr glühte es auf, aus einer unbestimmbaren Quelle kommend. Bald konnte er seine Umgebung erkennen. Der erste Eindruck war der einer altertümlichen Kerkerzelle aus Steinmauern, ohne Türen oder Fenster. Dann bemerkte er, daß er mit dem Mädchen nicht allein war. Auf dem Boden ausgestreckt lagen zwei Menschen, angetan mit Raumanzügen, wie er selbst. Sein Blick ging wieder zurück zu der Frau. Die rauhe Wirklichkeit seiner Situation traf ihn wie ein Faustschlag. Dieses Weib! Sie allein war die Schuldige und trug die Verantwortung für den Tod dieser beiden Männer. 61
Ganz langsam ging er auf sie zu. In seinen Augen lag eine furchtbare Drohung. „Was ist hier los?“ verlangte er zu wissen. „Wer sind diese Männer? Was hast man mit ihnen gemacht?“ Sie zögerte und verlor zum erstenmal ihre bisherige Sicherheit. Sie fuhr mit der Zungenspitze über ihre Lippen. „Ihr seid ärgerlich? Warum denn? Ihnen ist doch kein Leid geschehen.“ Mit einer plötzlichen Bewegung ergriff Dannert sie am Handgelenk. Sie blieb reglos stehen. In ihren Zügen malte sich so etwas wie Verwunderung und Furcht. „Höre gut zu, Prinzessin!“ sagte er hart und legte eine ironische Betonung auf den Titel „Prinzessin“. „Hör Du mir zu, mal so zur Abwechslung! Ich habe es jetzt restlos satt! Verstehst Du das? Du bist genau so wenig Prinzessin dieses verfluchten Sternes wie ich der Kaiser von China. Du bist Gaelys, Broons Tochter. Ich habe einen langen Weg gemacht, um dich zu finden, nachdem Du mit der ARTEMTS verschwunden warst. Versuche das alles mit deinem lieblichen Köpfchen zu begreifen. Wir werden uns schon einig werden.“ „Ich – bin – Centa“, flüsterte sie stockend und ohne sich zu regen. Alle Macht war in ihren Augen erloschen. Der vorherige Glanz war nicht mehr da. Sie schien in seinen Fäusten eine leblose Statue zu sein. Dannert konnte unbarmherzig sein, wenn er wollte. Er schüttelte sie so wild, daß ihre Zähne laut zusammenschlugen. Vielleicht war es gerade dieses Geräusch, das ihm ganz sicher zu Bewußtsein brachte, daß er nur ein Wesen aus Fleisch und Blut in Händen hielt. Wieso sie in dieser Welt ohne Luft und Wärme leben konnte, versuchte er gar nicht zu überlegen. Er stellte nur fest, daß sie lebte und daß er einen langen Weg gemacht hatte, um sie zu finden. „Centa – oder Gaelys – nimm dich doch zusammen!“ rief er. 62
„Komm zu dir! Wer ist dieses Nebelvolk, von dem du sprichst? Was tust du hier, und wo sind die anderen Menschen, die hier landeten?“ Sie drängte von ihm weg. Es gelang ihr, mit dem Rücken an die Wand zu kommen. In ihren Augen flackerte Furcht, unverkennbare Furcht. Dannert ließ sie zwar nicht los, lockerte aber seinen Griff ein wenig. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und ihr gesagt, wie schön sie sei. Er hätte sie trösten mögen und gerne beruhigt. Auch wollte er ihr gerne sagen, daß hier irgend etwas nicht stimme. Er wollte sie bitten, ihn endlich doch mit wenigen Worten aufzuklären. Er sprach aber kein Wort. Er starrte sie nur an. „Bald werdet Ihr alles wissen – früh genug!“ sagte sie endlich. „Bald werdet Ihr Sterblichen alle beisammen sein, um für den Herrscher von BEKEL arbeiten zu dürfen. Ich kann euch nicht mehr verraten. Ich bin nur Centa, die Prinzessin. Ich bin euer Betreuer und Gastgeber, das Glied zwischen euch und dem Nebelvolk von BEKEL.“ Dannert atmete tief ein. Er war an der Grenze der Verzweiflung. Was hatte es für einen Sinn, wenn er zu diesem Mädchen sprach, das offensichtlich unter einem hypnotischen Zwang stand? Aber was blieb ihm anderes übrig, als zu versuchen, die Frau zur Vernunft zu bringen, um herauszubekommen, was hier eigentlich gespielt wurde? „Dieser Platz ist mir genau so unsympathisch wie die Hölle!“ schimpfte er mit plötzlich aufflammender Wut. „Wir werden hier herauskommen, du schöne Bestie, verlaß dich darauf!“ Er blickte sich suchend um und stellte mit zunehmender Verwunderung fest, daß es hier keinerlei Ausgang gab. Schon faßte er den Entschluß, das Mädchen so lange hin und her zu schütteln, bis sie eine Erklärung abgäbe, als ein neues Ereignis seine Aufmerksamkeit ablenkte. 63
Einer der beiden Männer, die auf dem Boden des Kerkers lagen, begann sich zu regen, setzte sich mühsam aufrecht und stöhnte. „Heiliger Jupiter!“ stieß Nick hervor. „Ich dachte schon, Sie seien alle beide tot!“ Mit einem Satz sprang er vor, Centa loslassend, und kniete an der Seite des unbekannten nieder. „Hallo!“ sagte er, nachdem er die Wellenlänge seines Helmsenders ein wenig verstellt hatte. „Was, zum Teufel, ist nur hier los? Wer sind Sie?“ Ted Stevens sah ihn an wie einen Geist und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie waren trocken und geschwollen. „Um Himmelswillen – wer sind Sie? Ich dachte, hier sei nur –“ Er brach ab, als er das Mädchen hinter Dannert stehen sah. Er versuchte, sich aufzurichten. Wenn sie sich nur nicht wieder in Nichts auflöste! Als die Gestalt blieb, beruhigte er sich. „Sie ist also wieder da?“ sagte er zu Dannert. Nick grinste verächtlich vor sich hin. „O ja!“ meinte er. „Aber soweit ich feststellen konnte, ist sie keineswegs ein Gespenst.“ Aufmerksam betrachtete er den Mann vor sich. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer Sie sind. Ted Stevens, nicht wahr?“ Als der andere nickte, fuhr er fort: „Euer Schiff verriet mir, daß ihr ebenfalls auf dieser Welt gelandet sein mußtet. Aber ich hatte fest angenommen, daß ihr tot seid, als ich euch eben am Boden liegen sah.“ Ted stieß ein Grunzen hervor und blickte auf seinen noch immer schlafenden Bruder. Er erhob sich, und sie gingen beide zu ihm hinüber. Nach einigem Rütteln kam Jonny zu sich, noch ziemlich verwirrt. 64
„Nun – dann scheinen wir ja alle noch heil und gesund zu sein“, bemerkte Dannert und wandte sich wieder an Gaelys. „Ich mache Dir einen Vorschlag, schöner Geist“, sagte er. „Werde zur Abwechslung mal endlich vernünftig. Hier ist eine Menge aufzuklären.“ Die Prinzessin, oder was es sonst war, schien erstaunt zu sein. Eine feine Falte stand zwischen ihren Augenbrauen. Es hatte den Anschein, als ob sie Dannerts Worte nicht so recht begriffe. Nur mit größter Überwindung hielt sich dieser zurück, um sie nicht noch einmal zu packen. „Ich weiß nicht, was ich aufklären sollte“, murmelte sie zögernd. „Ich sagte doch schon: Ich bin Centa, die Prinzessin. Mehr weiß ich nicht. Das ist auch alles, was ihr zu wissen braucht.“ „Du kannst ‚Nick’ zu mir sagen“, grinste Dannert. Er dachte daran, daß dies der Teufel in Frauenkleidern sei. Ted raffte sich auf und fragte: „Hatten Sie auch so ein komisches Gefühl, als Sie das erstemal hier hereinkamen?“ Dannert nickte: „Ja, ein ziemlich komisches sogar“, antwortete er. Das Mädchen ließ er nicht aus den Augen. „Ich habe es sogar noch immer, aber es ist nicht mehr so stark wie anfangs. Es hat merklich nachgelassen.“ Ted blieb unsicher. „Es kommt und geht“, sagte er. „Wenn sie nicht mehr bei uns ist, wird es wieder stärker.“ Nick schoß ihm einen Blick zu. „Wie stark wird es?“ Der andere sah ihn fragend an. „Nun, ich meine, es zwingt einem einen fremden Willen auf. Oder nicht?“ Mit Schrecken entsann er sich der furchtbaren Minuten auf der gespenstigen Oberfläche des Asteroiden. Ted bestätigte, daß es so sei. Auch Jonny nickte schwach. „Die Kraft des Nebelvolkes, eine unheimliche Macht!“ murmelte Dannert langsam. „Das ist es, was gegen uns ist. Dieselbe Kraft ist es, die auch das Mädchen beeinflußt!“ 65
Die Brüder starrten ihn verständnislos an. „Ich kenne sie nämlich“, erklärte Nick ihnen. „Man hat mich ausgesandt, um sie zu finden. Sie ist keine Prinzessin, auch wenn sie so schön ist. Sie ist eine Mischung von Mars und Erde, aus Fleisch und Blut. Sie hat die gleichen menschlichen Gefühle wie wir!“ Ted rieb sich mit der Hand über seine Helmspitze, als ob er sich auf dem Kopf kratzen wollte. Er sah Dannert zweifelnd an. „Ich hoffe, daß Sie sich wohl fühlen“, sagte er plötzlich. „Sie kann nämlich gar kein Mensch sein. Sie kann nur ein Geist sein! Ohne Raumanzug wäre sie in einer Sekunde tot.“ Nick schüttelte den Kopf. „Hypnotischer Einfluß, mein Freund, vermag manches. Er kann auch einen Menschen von äußeren Dingen hermetisch abschließen, wenn er stark genug ist. Vielleicht nur für eine begrenzte Zeit. Sie steht jedenfalls völlig unter dem Willen dieses Nebelvolkes. Man benutzt dieses Mädchen als Bindeglied und Lockmittel.“ „Aber warum nur?“ brachte Ted mit einiger Schwierigkeit heraus. „Fragt mich! Was können Nebel- oder Rauchwesen schon mit Raumschiffen oder Menschen anfangen?“ „Ich bin gespannt, ob sie nicht –“ Teds Stimme klang sehr besorgt. Dann fuhr er fort: „Noch etwas, was mich ein wenig befremdet: Wir beide sind von jener unheimlichen Macht völlig überwältigt worden. Wir konnten überhaupt nicht mehr denken. Es hat fast den Anschein, als seien Sie gar nicht so sehr davon betroffen worden.“ Dannert sah ihn nachdenklich an und nickte. „Sie haben Ihren Verstand in der Gewalt“, fuhr Ted fort. „Sie vermögen logisch zu denken. Zum Donnerwetter! Sogar jenes Mädchen haben Sie gepackt und zusammengestaucht. Jonny und mich hat man auf die Knie gezwungen – und das nicht nur 66
bildlich gesprochen. Sie aber stehen aufrecht und gehen gegen die Gefahr an. Ich begreife das nicht!“ Nick grinste. „Vielleicht ist es nur mein irisches Blut“, meinte er. „Aber im Ernst: Ich weiß es auch nicht, warum. Ein- oder zweimal allerdings hatte es auch mich in seinen Klauen. Ich war machtlos. Im Augenblick fühle ich nichts. Ihr vielleicht?“ Beide schüttelten den Kopf. „Das Mädchen ist ja auch noch da!“ sagte Ted. Dannert nickte. „Stimmt! – Los Gaelys, komme zu Dir und erzähle uns die Wahrheit! Ich verspreche Dir, daß Du es nicht bereuen wirst!“ Sie zögerte und schien nach einem Anfang zu suchen. Ihr Gesicht zeigte Furcht, Schrecken und Zweifel. Schon öffnete sie die Lippen. Da erlosch plötzlich das Licht. Dannert stand eine Sekunde wie erstarrt. Dann schnellte er nach vorne und griff nach dem Mädchen. Es war schon zu spät. In der undurchdringlichen Finsternis ergriff ihn ein furchtbares Gefühl des Schreckens und der Angst. Das Mädchen blieb verschwunden!
DIE TRENNUNG Dannert konnte hören, daß die beiden Brüder ziemlich verstört umherliefen und unsinniges Zeug redeten. Er selbst kämpfte mit aller Gewalt gegen das Angstgefühl an, das ihn mit dem Erlöschen des Lichtes zu befallen drohte. Von neuem fühlte er, daß ein hypnotischer Zwang auf ihn ausgeübt wurde. – Da entsann er sich seiner Stablampe! „Verdammt!“ murmelte er wutgeladen, mehr um den Druck auf seinem Gehirn zu vermindern, als aus einem anderen Grunde. „Wenn ich hier nicht herauskomme, dann werde ich auch noch verrückt!“ Er zog die Lampe aus dem Gürtel und schaltete sie ein. 67
Ein greller Scheinwerferstrahl tauchte die Kerkerzelle in weißes Licht. Sofort milderte sich die Angst der Eingeschlossenen. Alles sah gleich anders aus. Dennoch wurde Dannert ein unheimliches Gefühl nicht los. Waren sie allein? „Kommt zu euch, ihr beiden Helden!“ rief er zornig und richtete den Schein auf Ted und Jonny. „Wir müssen eine Tür finden, die uns von hier entfliehen läßt! Sonst sind wir sehr schnell tot!“ Seine kurzen Worte wirkten auf die die beiden Männer wie ein Beruhigungsmittel. Es war klar ersichtlich, daß sie viel mehr unter dem unheimlichen Einfluß zu leiden hatten als er. Aber es war ihm unerklärlich, wieso das der Fall war. Immerhin war Nick froh, daß es nun mal so war. Jedoch gelang es ihm nur mit äußerster Willenskraft, seinen Verstand zusammenzuhalten. Mit Hilfe der Lampe untersuchte er, gemeinsam mit Ted, dem Widerstandsfähigeren der beiden, Zoll für Zoll die Wände ihres Gefängnisses. Nach dem ersten Rundgang waren sie genau so schlau wie vorher. Nick Dannert aber gab sich nicht so schnell geschlagen. Immer wieder ging er an den Wänden entlang und suchte nach dem kleinsten Zeichen eines Risses. „Es gab einen Weg herein, also muß es auch einen Weg nach außen geben!“ murmelte er erbittert. „Ich glaube nicht ah Gespenster. Jenes Mädchen war auch keine Spukgestalt. Sie muß durch eine Tür gekommen und auch wieder gegangen sein. Schließlich sind wir ja auch hereingekommen.“ „Weiß der Teufel!“ knurrte Ted. Selbst Jonny hatte sich erholt. Auch er tastete fieberhaft die Wände ab. Und – welche Ironie des Schicksals! – gerade er fand den kleinen Riß, nach dem die anderen schon so lange suchten. Er stieß einen Schrei aus. Nick und Ted beeilten sich, zu ihm 68
zu gelangen. Im Lichte des Scheinwerfers verfolgten sie die winzige Spalte, die tatsächlich den Umriß einer Tür abzeichnete. Also doch! Das Mädchen war kein Geist gewesen! Die Tür bestand aus dem gleichen Material wie die Wände, die Decke und der Boden des Kerkers: aus rauhem, natürlichem Felsen. „Wie, in aller Welt, sollen wir das Ding öffnen?“ murmelte Nick vor sich hin. „Wir müssen sie aufbekommen! Ich …“ Er brach ab; denn er hatte einen Blick auf Jonny geworfen. Dieser stierte vor sich hin. Dann begann er zusammenhanglose Worte zu reden. Jetzt zog er sich in eine Ecke zurück, schrie einigemal laut auf. Jonny schien gegen einen unsichtbaren Gegner zu kämpfen. Nick fühlte, daß der unheimliche Hypnoseeinfluß wieder stärker zu werden begann. Ihn überfiel die schreckliche Vorstellung, daß sie von unsichtbaren Augen beobachtet werden. Die furchtbare Erkenntnis dämmerte ihm, daß die Einwohner dieser Welt, wenn sie wirklich nur Nebelgebilde sein sollten, stets gegenwärtig sein konnten – auch hier, jetzt, in diesem Raum. Man konnte sie immer überwachen. Ein gräßlicher Gedanke, keine ihrer Bewegungen blieb unbeobachtet. Doch dann dachte er wieder an Gaelys. Er nahm alle Kraft zusammen, um sich nicht von der Hypnose – oder was es sonst war – beeinflussen zu lassen. „Ich werde meinen Atomstrahler versuchen!“ sagte er mit gedämpfter Stimme. „Vielleicht kann ich die Felstür herausschmelzen.“ „Was werden wir tun, wenn es gelingt?“ fragte Ted überflüssigerweise. „Das werden wir dann noch früh genug sehen“, kam Nicks Antwort. „Geht ein wenig zurück. Ich fürchte, daß die Funken sprühen werden.“ 69
In einer Hand seinen Strahle und in der anderen die Lampe, richtete er beides auf eine Stelle des schmalen Ritzes. Dann zog er den Abzugshebel. Ein violetter Strahl purer Energie schoß aus dem Lauf und traf die Wand. Ein Funkenregen spritzte in den Raum. Der geschmolzene Felsen tropfte auf den Boden. Dannert trat ein wenig zurück, um aus dem Bereich der Hitze zu gelangen. Für einen kleinen Moment war der ganze Raum mit Rauch gefüllt, der sich jedoch bald verteilte. Nick konnte sehen, daß er eine kleine Höhle in die Wand geschmolzen hatte. „Wird schon werden, Brüderchen!“ grinste er zu Ted hinüber, der dem Vorgang mit Interesse gefolgt war. „Versuche es noch einmal!“ riet er Nick und wedelte mit den Armen. „Halte den Brennstrahl noch länger drauf, wenn es möglich ist.“ Dannert nickte mit dem Kopf und hob die Waffe. Eine volle Sekunde lang zog er den Abzug und bewegte dabei den Strahl hin und her, wie einen altertümlichen Schweißbrenner. Nahezu die eine Hälfte der verborgenen Tür war freigelegt worden. „So – nun noch einigemal, und wir können auswandern“, sagte er zu Ted. „Wecke inzwischen deinen Bruder auf, damit er zu sich kommt. Es ist leicht möglich, daß wir uns in Kürze sehr beeilen müssen. Wenn er dann nicht bei vollem Bewußtsein ist, kann dies ziemlich hinderlich sein.“ Ted warf einen Blick auf Jonny, den er in dem reflektierten Licht der Lampe gut erkennen konnte. Seine Ohren waren taub und summten von dem fast ununterbrochenen Zischen des Ionenstrahlers. Er ging zu ihm hinüber und schüttelte ihn hin und her, als wolle er auf ihn einen Teil seiner eigenen Energie überleiten, 70
die er wiederum nur dem Mut und der Tatkraft Dannerts zu verdanken hatte. Nick begann gerade mit der anderen Seite der Tür, als ihn irgend etwas veranlaßte, den Strahler auszuschalten und abzuwarten. Auch die Lampe erlosch. Sie standen in der Finsternis, lauschend und ohne ein Wort zu sprechen. Nick fühlte mehr denn je, daß er beobachtet wurde. Es kroch kalt über seinen Rücken. Eine Angstwelle schien ihn überwältigen zu wollen. Nur mit Mühe behielt er seine Besinnung. Er ließ seine Lampe kurz aufleuchten, um einen Blick auf Ted zu werfen. Dessen Züge waren vor Angst entstellt. Nick bedauerte seine Neugierde. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er jemals solch ein schreckverzerrtes Gesicht gesehen. Er wußte, daß er selbst nicht viel besser aussah. Mit aller Macht stemmte er sich gegen den plötzlich anstürmenden Feind, dessen Waffe die Hypnose war, die unsichtbare Macht aus dem Nichts, die versuchte, seinen eigenen Willen zu zerfetzen. „Ruhig Blut, Freunde!“ mahnte er kurz, unter Anspannung seiner ganzen Kraft. „Es kommt jemand, glaube ich. Nehmt euch zusammen!“ Ted gab sich einen Ruck, konnte aber nicht verhindern, daß alle Muskeln seines Körpers vor Aufregung zitterten. Er hielt Jonny am Arm und stellte sich neben Dannert. In tiefster Finsternis standen alle drei vor der Tür. „Konzentriert eure Gedanken nur auf mich!“ sagte Nick schroff. „Ich bin am wenigsten beeinflußt. Denkt an nichts anderes!“ In diesem Moment schwang die Tür lautlos und langsam nach außen auf. Sie starrten in eine womöglich noch schwärzere 71
Dunkelheit wie die ihrer Zelle, in der allmählich wieder das unbestimmbare Licht aufzuglühen begann. Der Lichtschein wurde heller. Die Quelle schien im Nichts zu liegen. Dannert und seine beiden Schicksalsgenossen standen da, als hätte die Furcht sie festgenagelt. Irgendetwas bewegte sich langsam und schlängelnd auf sie zu: etwas Unbestimmbares, nicht genau Sichtbares, aber irgendwie doch zu Bemerkendes. Es wand sich, und allmählich ließ sich ein feiner Umriß erkennen. Es schwebte durch die Tür. Instinktiv wichen sie in ihren Kerker zurück. Sie wußten genau, daß sie nicht mehr allein waren. Etwas Widerliches und Unbekanntes drängte sie in die Ecke. Ted und Jonny wurden von der Angst überwältigt. Sie schrieen wie zwei Wahnsinnige, während Nick mühsam versuchte, die Kontrolle über sich zu behalten. Es war nur der Anblick von Gaelys, die er durch das Nebelgebilde hindurch erkennen konnte. Das gab ihm die Kraft, nicht auch, wie seine Kameraden, den Verstand zu verlieren und laut zu brüllen. In die äußerste Ecke gedrängt, starrten die drei Raumfahrer mit schreckgeweiteten Augen auf ihren unheimlichen, gespenstigen Besucher. Eine Schlangenlinie feinen Nebels quoll durch die schwarze Öffnung, schien zu zögern, schwebte auf und ab und sammelte sich langsam, um sich zu einem menschenähnlichen Schatten zu formen. Ein durchsichtiges Gesicht ohne jeglichen Ausdruck schien sie zu betrachten. Obwohl jenes Wesen scheinbar keine Augen hatte, hatte Nick das Gefühl, als könne es ihn genau beobachten. Wie eine Nebelsäule stand es da, zwei Schlangenarme wedelten langsam hin und her. 72
Das Mädchen, die Prinzessin alias Gaelys, wartete in unterwürfiger Haltung hinter der durchsichtigen Gestalt des Bekeliten ab, welche Befehle dieser vielleicht zu geben hatte. Verzweifelt versuchte Dannert seinen Blick von dem Nebelwesen abzuwenden. Er konnte dieses runde und glatte schleierhafte Antlitz nicht mehr länger sehen, ohne wahnsinnig zu werden. Die Gewißheit, daß dieses Mädchen genau so in Gefahr schwebte wie er und seine beiden Begleiter, gab ihm die Kraft und den Mut, zu dem Versuch, sich dem starken Einfluß dieses Wesens zu entziehen. Dann fühlte er fremde Gedanken in seinem Gehirn. Sie krochen langsam, aber sicher gegen seinen Willen durch die Nervenwindungen und gelangten so zu seinem Denkzentrum. Nick verstand, was jenes Wesen ihm suggerierte. „Du wirst uns helfen, Erdenmensch!“ sagte der erste Gedanke, der klar zu verstehen war. „Ich werde Euch helfen, Nebelmensch!“ antwortete Nick, bevor er sich dessen überhaupt bewußt wurde. Eine Pause entstand, in der er sich sagte, daß alles Unsinn sei und er diesen verfluchten Gebilden niemals seine Hilfe gewähren werde – egal, wofür. „Du wirst später Deine Anordnungen erhalten!“ fuhr das Wesen fort, seinen Verstand zu beeinflussen, immer und immer wieder, bis Dannert an nichts anderes mehr denken konnte. Er wiederholte den Befehl, ohne etwas anderes tun zu können, und wußte doch noch, daß er nie das tun wollte, was er versprach. Irgendeine Tatsache mußte das Nebelwesen auf den inneren Konflikt seines Opfers aufmerksam gemacht haben. Es verstärkte seine hypnotische Energie und ließ sie auf Dannert einwirken, intensiv und konzentriert. Aber noch immer wehrte sich in diesem der eigene Verstand gegen den Befehl, obwohl er sich dessen vielleicht gar nicht bewußt wurde. 73
Endlich schien das rauchartige Gebilde die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen einzusehen. Es schwebte auf Nick zu. Dannert verlor plötzlich jeden Begriff für Zeit und Raum und befand sich übergangslos in einer Welt voller Nebel, Rauch und Schrecken versetzt. Für einen kurzen Augenblick dachte er, jenes Wesen wolle ihn aufsaugen, absorbieren. Mit aller Gewalt preßte er sich gegen die Felsenwand, die er immer noch hinter sich fühlte. Er krallte sich in diese hinein. Wurde er hinweggetragen? Schwebte er im Raum? Wohin brachte man ihn? . Dann schien er zu stürzen, tiefer und tiefer, in eine Unendlichkeit hinein. Schon begann er das Bewußtsein zu verlieren. Da merkte er, daß er auf den Beinen stand. Er öffnete die Augen. Er war immer noch in der Zelle. Benommen starrte er auf seinen Feind. Gegen dessen Macht gab es kein Mittel, wenigstens nicht hier, in diesem engen Raum. Eine normale Waffe wäre nutzlos. Dannert dachte noch nicht einmal daran, daß er in seiner einen Hand einen Ionenstrahler hielt, in der anderen seine Lampe. Unter dem hypnotischen Zwang des Bekeliten öffneten sich seine verkrampften Finger. Beide Gegenstände fielen zu Boden. „Jetzt wirst Du uns gehorchen!“ kam ein neuer Gedankenbefehl. „Centa wird Dich führen. Du mußt tun, was sie anordnet. Mit Dir ist etwas nicht in Ordnung, Erdenmensch! Du hast die rätselhafte Fähigkeit, Dich gegen den Willen unseres Herrschers auflehnen zu können.“ „Ich werde gehorchen!“ sagte Dannert mechanisch. „Ich werde dieser Frau folgen, wo immer sie mich hinführt.“ Kein neuer Gedanke bohrte sich mehr in sein Gehirn, obwohl er wie erstarrt stand und einen solchen zu erwarten schien. Ted und Jonny hatten ihn gepackt und stießen ihn vorwärts, 74
als ob man es ihnen befohlen hätte. Erschreckt stemmte er sich gegen den Boden. Doch der Nebelfleck vor ihm löste sich langsam auf und wurde zu einem Nichts. Er war spurlos verschwunden. Alles schien ein Traum gewesen zu sein. Die Männer waren wiederum allein mit dem Mädchen. Dieses lächelte jetzt. Dies Lächeln zog Nick wie ein Magnet an. Blindlings und willenlos schwankte er auf sie zu. Fast hatte er sie erreicht – da erlosch plötzlich das Licht. Es war genau so, als hätte sich eine schwarze Scheibe vor seine Augen und sein Bewußtsein geschoben. Noch stehend, verlor er das Bewußtsein. Ted Stevens schüttelte wild den Kopf, in der Hoffnung, daß die Wolken, die seinen Verstand einhüllten, verschwänden. Als er die Augen öffnete, sah er nichts. Um ihn war absolute Finsternis. Er lehnte mit seinem Rücken gegen eine feste Wand. Als er sie mit den Händen abtastete, berührte er einen Menschen. „He, Jonny!“ sagte er. „Wach auf, Mensch!“ Jonny grunzte nur. „Ich bin genau so wach wie Du!“ meinte er dann langsam. „Das Ding, das wir da gesehen haben –?“ „Es war einer von diesem Nebelvolk, nehme ich an. Das hier ist der unangenehmste Weltkörper, den ich je betreten habe. Das will schon etwas heißen.“ Jonny fühlte sich ziemlich wohl. Jenes unheimliche Druckgefühl war verschwunden. „Was machen wir nun?“ sagte Ted ruhig und nüchtern. Jonny dachte einen Moment nach. „Dannert ist verschwunden! Hatte er nicht etwas verloren, bevor er auf das Mädchen zuschritt – Ich meine, ich hätte was gehört –“ Er tastete den Boden ab und stieß plötzlich einen triumphierenden Ruf aus. Im nächsten Augenblick flammte die Taschenlampe auf. Der Kerker wurde hell erleuchtet. 75
„Du bist ein Hexenmeister!“ grinste Ted zufrieden. „Jetzt sitzen wir wenigstens nicht so in der verdammten Dunkelheit.“ „Warte“, rief Jonny. Er hatte die Strahlpistole entdeckt und bückte sich danach. „Wir können Dannerts Arbeit fortsetzen. Der Mann hat mich inspiriert.“ „Stimmt!“ sagte Ted. „Vorher war nicht viel von Inspiration bei Dir zu bemerken! Es ist ja auch möglich, daß der Einfluß des Nebelvolkes nachgelassen hat. Ich glaube, ich fühle mich auch besser. Los denn, machen wir uns an die Arbeit!“ Geschickt und voller Zuversicht vollendeten sie das von Dannert begonnene Werk. Innerhalb weniger Minuten hatten sie die Tür völlig losgeschmolzen. Sie hing nur noch an einem Felsenzipfel. Der Druck des Energiestrahls ließ sie langsam nach außen schwingen. Der Ausgang war gefunden! Sie konnten dieser dunklen und hoffnungslosen unterirdischen Welt entfliehen, die voller Schrecken war. Wie sie allerdings zur Oberfläche gelangen sollten, war ihnen selbst noch ein Rätsel. Außerdem mußten sie sich um Dannert kümmern. Jonny war es, dem Nicks Worte, Centa sei keine Prinzessin, sondern ein Mädchen vom Mars, das mit der ARTEMIS gekommen war, in Erinnerung kamen. Sie betrachteten es als ihre Pflicht, ihrem Freunde beizustehen und ihm zu helfen jenes Mädchen zu retten. Aber zuerst mußten sie selbst in Sicherheit sein. Während sie langsam und vorsichtig den Windungen des Ganges folgten, ihre Zelle immer weiter hinter sich zurücklassend, sagte Ted: „Was meinst Du, wohin sie ihn gebracht haben?“ „Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist er bei ihnen recht unbeliebt. Hast Du übrigens bemerkt, daß er auf ihre Befehle nicht so reagierte, wie er es eigentlich hätte tun sollen?“ 76
„Stimmt auffallend! Nick ist irgendwie immun gegen die Hypnose. Er wird nicht so sehr beeinflußt wie, zum Beispiel, wir. Das ist auch der Grund, warum er von dem Mädchen getrennt wurde.“ Sie befanden sich in einem tunnelartigen Gang, dessen Decke zu hoch war. als daß sie von den Strahlen der starken Lampe erreicht worden wäre. Bisher hatten sie noch keine andere Tür passiert. Sie hatten nur die Möglichkeit, in dieser einen Richtung vorzudringen. Mit gemischten Gefühlen, zwischen Furcht, Unsicherheit und Hoffnung schwankend, schlichen sie weiter. Jonny hielt die Lampe, Ted die Waffe. Er war sich zwar nicht ganz im klaren darüber, was er mit dem Strahler gegen die gasförmigen Bewohner dieser Welt ausrichten konnte, aber immerhin hatte er das beruhigende Gefühl, nicht waffenlos zu sein. Der Gang schien unendlich lang zu sein. Laut hallten ihre Schritte durch die schauerliche Einsamkeit. Der Boden war uneben. Ted dachte unwillkürlich daran, wie sicher Centa sie in völliger Dunkelheit denselben Weg geführt hatte. Irgendwie bewunderte er die kontrollierende Kraft, die auch das Mädchen leitete. Kein normaler Mensch hätte das gleiche tun können. Dannert hatte schon die Vermutung ausgesprochen, daß sie unter einem hypnotischen Zwang stünde. Ted war es jetzt klar, daß ei recht haben mußte. Mehr oder weniger hatten sie alle unter dem gleichen Einfluß gestanden, mußte er sich wütend eingestehen. Die Hypnose der Furcht. Als sie das Ende des Ganges erreicht hatten, standen sie vor einer glatten Wand, nicht das geringste Zeichen einer Tür war zu bemerken. Jonny ließ den Schein seiner Lampe hin und her wandern. Ted gab ein enttäuschtes Grunzen von sich. 77
„Es muß doch einen Ausgang geben! Schließlich sind wir doch auch hereingekommen.“ Nach einer nachdenklichen Pause fügte er hinzu: „Soweit ich mich allerdings entsinnen kann, sind wir durch keine Türen gekommen.“ „Wenn es hier eine solche geben sollte, wird sie genau so verborgen angelegt sein, wie die in unserem Kerker“, sagte Jonny. „Siehst Du irgendwas?“ Ted verneinte die Frage, aber seine Blicke blieben plötzlich auf einem Punkt der Wand haften, an dem er eine Art Vorsprung entdecken konnte. Weiter oben war noch einer, dann wieder einer – eine primitive Leiter – der Weg zur Oberfläche! Sie wurden beide von einer begreiflichen Erregung ergriffen. „Dies muß der Schacht sein, durch den wir herunterkamen!“ erklärte Jonny aufgeregt. „Sollen wir es versuchen?“ „Was dachtest Du denn?“ Ted griff mit den Händen nach dem zweiten Vorsprung, zog sich hoch. Sein Fuß fand Halt auf dem ersten Vorsprung. Dann begann er, langsam nach oben zu klettern. Jonny wartete einen Augenblick. Dann folgte er seinem Bruder. Als sie etwa ein Dutzend der Feisprossen hinter sich gebracht hatten, legte sich plötzlich eine starke Lähmung auf ihre Muskel. Sie waren nicht mehr imstande, auch nur eine Bewegung zu machen. Regungslos blieben sie hängen und warteten. Sprechen konnten sie nicht mehr. Ihr Gehirn war wie weggeblasen. Das einzige, was sie zu tun vermochten, war, zu warten. Was mochte nun wieder eintreten? Plötzlich fühlten sie fremde Gedanken in sich eindringen. Sie formten sich zu verständlichen Worten. Es ging ihnen genau so wie Dannert. „Ihr werdet jetzt langsam wieder herabklettern!“ kam es ih78
nen zum Bewußtsein. Die Worte waren nicht drohend, aber unverkennbar ein Befehl. „Ihr werdet herunterkommen, Erdenmenschen. Es ist unser Wille! Ohne unsere Erlaubnis sollt ihr diese Welt nicht verlassen. Laßt euren Griff los! Ihr werdet nicht fallen, sondern schweben. – Laßt den Griff los! – Laßt den Griff los! – Griff los! – Los – los!“ Langsam lockerten sich die verkrampften Finger Jonnys. Er fiel allmählich waagerecht von der Wand ab; seine Füße verloren den Halt. Ted erging es genau so. Dann sanken sie beide nach unten, wie zwei Federn schwebend. Ted stieß mit den Füßen auf und lehnte sich geschwächt gegen die Wand. Jonny dagegen landete auf den Knien, rappelte sich aber wieder hoch und blieb schwankend stehen. Keiner von ihnen gab einen Ton von sich. Es schien, als hätten sie die Sprache verloren. Die unheimliche, drohende Gefahr war wieder unmittelbar in der Nähe. In Jonnys Gürtel steckte noch die Lampe. In ihrem Scheine sahen sie plötzlich eine Bewegung. Die Gestalt der Prinzessin Centa kam auf sie zu, freundlich lächelnd. „Habt keine Furcht!“ sagte sie. „Ich werde euch zu einem schöneren Platz führen. Dort seid ihr dann nicht mehr so allein, sondern mit anderen Menschen zusammen. Ihr solltet dorthin gebracht werden. Aber anscheinend seid ihr in eurer Zelle ungeduldig geworden.“ Ted fühlte eine gewisse Erleichterung. Er wunderte sich im stillen darüber, welchen Einfluß dieses Mädchen auf ihn hatte. „Wir sind bereit, Prinzessin!“ sagte er. „Komm, Jonny!“ Sie führte sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ungefähr nach der Hälfte der Strecke bis zu ihrem Kerker hielt sie unvermittelt an. Sie sahen, daß sich ein Stück der Felsen79
wand langsam öffnete, obwohl sie hier vorher keinerlei Zeichen einer Tür entdeckt hatten. Eines der vielen unlösbaren Rätsel von BEKEL – oder GEETHA. Sie schritten durch die Öffnung und folgten einem anderen Gang, der kleiner und enger als der Haupttunnel war. Willig folgten sie ihrer vorangehenden Führerin. Mit keinem Gedanken dachten sie an Flucht. Dann sprach sie wieder zu ihnen. Ihre Stimme schien von weit her zu kommen. Sie klang unirdisch hohl in der gespensterhaften Beleuchtung. Jonny hatte den Schein der Lampe auf den Boden gerichtet. „Sobald wie möglich werdet ihr alles erfahren, was ihr wissen müßt“, begann sie. „Ich selbst bin nur angewiesen, euch folgende Information zu geben: Die Welt von BEKEL, einst groß und mächtig, die Heimat des Nebelvolkes, wurde, weit draußen im tiefen Weltenraum, von einer kosmischen Katastrophe heimgesucht. Der ganze Globus wurde zerschmettert. Seine Bruchstücke trieben auf einer neuen Bahn weiter durch das All. Diese fünf kleinen Welten sind alles, was von BEKEL und dem Nebelvolk übriggeblieben ist. Darum benötigt der Herrscher eure Hilfe.“ „Ich wüßte nicht, was wir für BEKEL tun könnten“, brummte Ted vor sich hin. Er fühlte leichten Ärger über den Ton des Mädchens in sich emporsteigen, mehr aber auch nicht. Man durfte keine Hilfe erzwingen wollen, höchstens konnte man sie darum bitten. Es war ihm allerdings nicht ganz klar, wie einige Raumfahrer einer zum Tode verurteilten Welt helfen könnten. „In Kürze werden eure Fragen beantwortet werden!“ sagte sie. „Bis dabin müßt ihr warten und mit eurem Schicksal zufrieden sein.“ Ted schwieg. Seine Gedanken verloren sich im Unterbewußtsein. 80
In diesem Moment öffnete sich seitlich von ihnen eine andere Tür. Niemals in ihrer jetzigen Lage hätten sie das nun vor ihnen liegende Bild erwartet. Der sich ihnen bietende Anblick war zu phantastisch. Jonny stieß unwillkürlich einen Pfiff aus. Ted blieb weiterhin ruhig. Sie schienen sich wieder auf der Oberfläche zu befinden, mitten in einer felsigen Landschaft, die in einer Ungewissen, schaurigen Beleuchtung lag. Das Zwielicht schien künstlich zu sein; eine Sonne war es nicht. Die Höhle – etwas anderes konnte es nicht sein – war so groß, daß ihre andere Seite sich im Dunst verlor. Obgleich hier vorne die Wände anstiegen, sich zu einer mächtigen Gewölbedecke formten, konnten sie die Höhe derselben nicht erkennen. Die Decke lag hinter der unsichtbaren Lichtquelle. Aber es war nicht so sehr die überdimensionale Größe des unterirdischen Raumes, die die Brüder in Erstaunen versetzte, als die Tatsache, daß sie – abgesehen von Centa und Dannert – die ersten Menschen seit ihrer Landung erblickten. Nicht weit von ihnen entfernt standen etliche Bewohner der Planeten Erde, Venus und Mars. Sie befanden sich auf einem freien, mit Steinfliesen belegten Platz, der von fremdländischen Grünpflanzen eingesäumt wurde. In der Mitte sprudelte eine Wasserfontäne und fiel plätschernd zurück. Hinter allem, etwas weiter entfernt, bemerkten sie kleine weiße Häuschen. die das Licht grell reflektierten. Mehrere Gestalten liefen dort hin und her. Alle trugen sie Raumanzüge. Ted knurrte etwas Unverständliches. Dann wandte er sich an das Mädchen. „Was soll das bedeuten? Wo sind wir hier?“ „An einem Platz, der für euch vorbereitet wurde!“ gab sie zur Antwort. „Wir vertreten die Meinung, daß es sich besser mit euch verhandeln läßt, wenn ihr in einer angenehmeren Umgebung weilt.“ 81
„Ich kann hier nichts Angenehmes finden – im Gegenteil, über allem liegt eine furchtbare Drohung, eine schreckliche Verheißung.“ Jonny blickte wie suchend über die Menschen vor sich. „Sie sehen alle ziemlich glücklich aus“, sagte er dann. Sein Ton klang sarkastisch. Allzu deutlich konnte man auf den Mienen der auf sie Starrenden Bestürzung und Furcht erkennen. Ted sah kurz auf seinen Bruder und stellte erstaunt fest, daß auch dessen Züge den gleichen Ausdruck angenommen hatten. Na, dann werde ich auch nicht viel schöner aussehen! dachte er. Über den grünen Gärten dieser Dämmerwelt mußte ein Fluch liegen, ein Alpdruck, der die Gemüter deprimierte. Das Mädchen, ein Bild unirdischer Schönheit, ging auf die wartende Gruppe zu. Ohne Bedenken folgten ihr Ted und Jonny. Sie sprach noch einige Worte; aber deren Sinn ging verloren. Während sie noch sprach, löste sie sich in Nichts auf. Ted und Jonny starrten in die aufgerissenen Augen der vor ihnen stehenden Menschen der Erde und der beiden Schwesterplaneten. „Wo ist sie hin?“ fragte Jonny. Er hatte anscheinend nur Interesse für diese Frau. „Der Herrscher des Nebelvolkes wird sie gerufen haben!“ sagte Ted ironisch. „Mir persönlich ist es egal, wo sie sich befindet.“ Er blickte auf die näher kommenden Gestalten und sprach weiter: „Mal sehen, ob uns diese Typen ein wenig mehr erzählen können. Ich nehme stark an, daß sie mit der ARTEMIS und den anderen Schiffen kamen. Ich möchte nur wissen, welches drohende Unheil sich über unseren Köpfen zusammenbraut.“
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DER GARTEN DER VERDAMMTEN Nick Dannert folgte dem Mädchen. Die vorangegangenen Ereignisse hatte er völlig vergessen. Die Gegenwart dieser Frau fegte alle Gedanken an das geheimnisvolle Nebelvolk beiseite. Das wirbelnde Durcheinander der grauenhaften Furcht war einer inneren Ruhe gewichen. Während sie durch die Dunkelheit schritten, wurde kein Wort gesprochen. Plötzlich jedoch blieb Centa stehen. Er stieß gegen sie. „Was soll das?“ fragte er. „Ich muß Euch jetzt verlassen“, murmelte sie, indem sie sich von ihm freimachte. Ehe er einen Einwand machen konnte, fühlte er, daß sie verschwunden war. Ganz ruhig blieb er stehen, als ob er noch ihre Schritte hören wollte. Aber alles blieb still. Eine erdrückende Geräuschlosigkeit lastete auf ihm. Er streckte eine Hand aus und tastete den Raum vor sich ab. Nichts! Unsicher werdend, blieb er stehen und wartete. Es dauerte nicht lange – er hatte kaum Zeit, über seine Lage nachzudenken –, da zwang ihn ein Gedankenimpuls, sich nach rechts zu bewegen. Er gehorchte. Die Orientierung hatte er sowieso verloren. Nick Dannert hatte nach einigen Schritten erneut das Gefühl, daß man ihn wieder in einen Raum eingesperrt hatte. Ihn überkam die Versuchung, einfach davonzulaufen. Wohin aber? – Wohin? In diesem Moment verstärkte sich der hypnotische Zwang. Seine Glieder schienen wie gelähmt. Gleichzeitig erglühte wieder jenes seltsame Licht und bestätigte seine Befürchtung. Er befand sich in einem großen viereckigen Raum. Die Wände waren hoch, der Boden war glatt und getäfelt. 83
Die Umgebung flößte ihm jedoch weniger Furcht ein als die Erkenntnis, daß er nicht allein war. Vor ihm stand oder schwebte eines der Nebelwesen! Wieder ergriff ihn ein Schrecken, der sein Gehirn zu sprengen drohte. Mit aller Willenskraft versuchte er, seine Fassung zu behalten. Es gelang ihm aber nicht, den eindringenden Gedanken des Unheimlichen den Weg zu seinem Verstande zu verwehren. „Du wurdest hierher gebracht, um befragt zu werden“, konnte er verstehen. „Es ist uns nicht klar, warum Du auf unsere hypnotische Energie nicht so wie die anderen Erdenmenschen reagierst. Wir wollen das herausfinden.“ „Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil ich es selbst nicht weiß“, murmelte Nick. Obwohl ihm der Anblick der Geistergestalt widerlich war, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Sie war völlig durchsichtig. Er sah den Felsen hinter ihr und befand sich so nahe bei ihr, daß er sie hätte mit den Händen berühren können. Gasförmiges Leben! Ein plötzlicher Schock schüttelte ihn, als ihm nochmals die Ungeheuerlichkeit dessen zu Bewußtsein kam, was er erlebte. „Du wirst auf meine Fragen antworten. Es bleibt Dir nichts anderes übrig!“ Das war ein Befehl. „Aus welchem Material besteht Dein Helm?“ Nick war überrascht. Ohne zu zögern antwortete er: „Aus Stahl.“ Eine kleine Pause entstand. „Stahl genügte nicht, um Dich vor unserem Einfluß zu schützen. Es muß eine andere metallische Substanz vorhanden sein, die unsere Strahlmacht abschwächt.“ Ein Schauer durchrann Dannert. Wenn man auf die Idee kam, seinen Helm untersuchen zu wollen …!? Es gab keinerlei Atmosphäre auf dieser Welt! 84
„Das einzige Metall meiner ganzen Ausrüstung ist Stahl!“ sagte er laut. „Es wird von allen Menschen gebraucht, ganz gleich, von welcher Welt sie kommen.“ „Du bist sehr widerspenstig! Deine starke Willenskraft paßt nicht in unsere Pläne. Die Macht des Nebelvolkes ist ohne Grenzen. Wir könnten mit ihr Planeten zum Bersten bringen. Du bist nur ein Mensch – und trotzdem hinderst du uns in einer gewissen Hinsicht.“ Nick schöpfte neuen Mut. „Ihr seid fähig, eine ganze Welt zu zerstören – aber nicht imstande, eure eigene zu verbessern? Wie kommt das?“ „Die Reste von BEKEL haben wir für uns bewohnbar gemacht“, kam die Antwort. „Aber das ist nicht genug. Wir sind unzufrieden damit. Wir benötigen eine neue Welt, der unseren verwandt, und Lebewesen, die für uns arbeiten. Das Volk von BEKEL braucht jemand, der für es arbeitet. Darum bist du hier, und die anderen Menschen.“ „Aha, ich sehe –!“ Nick sah absolut nichts. Aber er fühlte seinen Widerstand wachsen. Dieses Wesen, das ihn ausfragen wollte, hatte zu prahlen begonnen und die Intensität seiner Hypnose ließ plötzlich nach. Nicks Gedanken wurden ganz klar und frei. Seine Furcht war geschwunden. „Wie wollt ihr eine andere Welt erobern?“ fragte er. „Wenn ich euch behilflich sein kann, werde ich es gerne tun.“ Der Nebelmensch, der vor ihm stand, begann augenscheinlich zu flimmern und zu zittern, als ob er aus heißer, aufsteigender Luft bestände. Ob das Biest lachte! „Du glaubst uns täuschen zu können!“ kam der zynische Impuls. „Nein wir benötigen Deine Hilfe nicht! In dem Augenblick, da Du auf unseren ersten Befehl nicht reagiertest und nicht allein zu uns kamst, wurdest Du bereits zum Tode verurteilt. Durch Menschen wie Dich wird BEKEL nie neu erstehen 85
können. Wir benötigen solche Menschen, die völlig unter unserem Einfluß stehen und uns bedingungslos gehorchen.“ Mühsam beherrschte sich Nick. Er dachte daran, daß sich die Brüder Stevens nicht besonders tapfer gezeigt hatten, als er sie zum letzten Male gesehen hatte. Deren Schuld war es nicht. Trotzdem ärgerte er sich darüber. „Was ist mit jener Frau, die sich Centa nennt?“ fragte er ironisch. „Ist das der Typ, den ihr benötigt? Wollt ihr damit eine Welt erobern? Ich kann mir das allerdings schlecht vorstellen.“ Das Nebelwesen begann zu schweben und stieg etwas in die Höhe. Ob das eine Geste des Nachdenkens war? Jedenfalls war es kein erfreulicher Anblick. „Diese Frau“, kam es dann endlich, „ist bereit, uns zu dienen. Sie ist so ideal veranlagt, euch unsere Befehle zu übermitteln. Sie wurde aus denen ausgesucht, die zuerst hier landeten. Ein weiterer Vorteil ist, daß ihre Gegenwart die Menschen anscheinend beruhigt. Sie wird auch in Zukunft von uns gebraucht werden.“ „Sie wird von der Luftlosigkeit beschützt? Ohne Raumanzug?“ „Natürlich! Ein unsichtbarer Schirm, eine undurchdringliche Hülle jedenfalls, wurde um sie gelegt, damit sie euren Augen in ihrer ganzen sogenannten Schönheit sichtbar bleibt. Durch sie vermitteln wir euch unseren Willen, ohne daß unsere anscheinend furchterregende Gestalt die Menschen erschreckt. Das ist alles – sehr einfach, was?“ „Sehr einfach!“ Gab es denn keine Fragen mehr, mit denen er das Gespräch hätte fortsetzen können? Dann sprach der Bekelite wieder. Seine Gedanken drangen in Nicks Hirn. „Wir sind immer noch daran interessiert, die Ursache eurer teilweisen Immunität herauszufinden. Vielleicht ist jene Frau, von der wir eben sprachen, eher dazu geeignet als ich.“ 86
Schon wollte Dannert bemerken, daß keiner von ihnen eine dementsprechende Informationen erhalten könnte, weil er des Rätsels Lösung selbst nicht wußte – da war das Nebelwesen auch schon verschwunden. Er befand sich allein in der großen unterirdischen Halle. Wild um sich blickend, suchte er nach einer Ritze, die ihm zeigen konnte, wo eine Tür verborgen war. Es war aber nichts zu sehen. Plötzlich wich ein Stück der Wand zurück. Eine schwarze Öffnung gähnte ihm entgegen. Dann trat Gaelys zu ihm herein. Ausdruckslos und ruhig starrte sie ihn an. Nick machte sich mit aller Gewalt von dem erneut anstürmenden Druck frei. Ein tiefes Mitgefühl ergriff ihn für dieses Mädchen, das so völlig in der Gewalt des Nebelvolkes war und für dessen recht zweifelhafte Zwecke mißbraucht wurde. Es ging ihm gegen den Strich, ihr nicht helfen zu können. Bevor er jedoch seinen Mund öffnen konnte, veränderte sich ihr Aussehen mit einem Schlage. Sie wurde lebendig und sprühte Lust und Freude. „Hallo!“ rief sie ihm zu. „Wie schön es ist, Sie wiederzusehen!“ Ihre Stimme klang kokett, und ihre Augen schienen mit ihm zu flirten. Nicks Unterkiefer klappte erstaunt herunter. So lieblich sie war – das hatte er nicht erwartet! Sie näherte sich ihm. In ihrer ganzen Haltung war etwas Werbendes. Kalt und heiß lief es ihm den Rücken hinab. „Hallo!“ murmelte er bestürzt. „Was ist mit Dir los?“ „Ich brauche Dich!“ antwortete sie. Wie gut das vertraute Du tat! Sie war nun ganz nahe bei ihm und legte die eine Hand auf seine Schulter. Diese Bewegung und ihre Nähe verwirrten ihn vollends. Er fühlte seine Knie weich werden. Er brachte keinen Ton heraus. 87
„Warum bist Du so störrisch? Gib doch nach und bleibe bei mir!“ Ihr Stimme war wie ein Hauch. „Wir könnten zusammen bis in alle Ewigkeit hier leben. Nimm mich – als Deine Frau!“ Das Drängen in ihrer Stimme war so stark, daß Dannert zu beben begann. Er zog sie zu sich heran. Ein heißes Glücksgefühl überkam ihn. Schon wollte er einwilligen, alles das zu tun, was sie von ihm verlangte – da meldete sich ein letzter Rest seines gesunden Verstandes. Er wich einen Schritt vor ihr zurück, ließ sie aber nicht los. „Ich werde Dich zu meiner Frau machen“, sagte er hart, „aber nicht als Centa, mein Mädchen! Nur als Gaelys! Alles andere ist Unsinn!“ Sie schien ihn nicht zu hören. „Welches Geheimnis schützt Dich vor den Wünschen des Nebelvolkes? Warum willst Du meinen Wunsch nicht erfüllen?“ Ihr Tonfall wurde lauernd. „Bin ich Dir vielleicht nicht schön genug?“ Dannert schüttelte den Kopf. „Mein einziges Geheimnis ist meine Willenskraft und mein Verstand.“ Nick wurde ärgerlich. „Wenn ich diesen Asteroiden, auf dem ein furchtbarer Fluch zu liegen scheint, verlasse, dann nehme ich Dich mit – als meine Frau. Nebenbei bemerkt, Gaelys: Auf der Oberfläche habe ich noch ein Geburtstagsgeschenk Deines Vaters. Er gab es mir mit.“ Was sie ihm antworten wollte, erfuhr Nick nicht mehr. In diesem Moment überfiel ihn wieder jene kalte Furcht, und er wußte, daß sie nicht mehr allein waren. An dem Mädchen vorbeisehend, erblickte er die vage Gestalt des Bekeliten, die sich scheinbar aus dem Nichts heraus bildete. Eisiger Schrecken griff nach seinem Herzen. Mit seinem ganzen Mut versuchte er, den anschleichenden Wahnsinn zurückzudrängen. 88
„Die Frau hat versagt!“ kam der erste Gedanke. „Du selbst bist uns zu unzuverlässig. Dein Schicksal wird noch entschieden werden.“ Gaelys stand neben Nick. Ihr Gesicht zeigte wieder den maskenhaften Ausdruck völliger Teilnahmslosigkeit. Die Augen waren geschlossen, der Mund zusammengekniffen. „Was werdet ihr mit mir machen?“ verlangte Nick zu wissen. Er stellte bei sich fest, daß der Einfluß des unheimlichen Wesens schwächer wurde, je länger es in seiner Nähe weilte. Näheres Kennenlernen läßt oft die Verachtung steigen! dachte er. In dieser Feststellung lag etwas Beruhigendes. „Das wird später entschieden werden!“ kam endlich die Antwort. „Vielleicht wirst Du ohne Raumanzug auf der Oberfläche ausgesetzt werden. Vielleicht werden wir Dich auseinandernehmen, um festzustellen, welches Element Du bei Dir führst, das Dich vor uns schützt. Bis dahin verbleibst Du in diesem Kerker.“ Das Ding aus Nebel begann sich zu drehen, wirbelte durch den Raum und war dann plötzlich verschwunden. Gaelys wandte sich um und schritt auf die Tür zu. „Warte!“ rief Dannert verzweifelt. „Du kannst mich doch nicht allein lassen! Gaelys, komm zurück!“ Er stürzte vorwärts und streckte seine Hände aus, um sie festzuhalten. Aber er rannte gegen eine undurchsichtige Mauer, durch die eine weitere Verfolgung unmöglich gemacht wurde. Er sah das Mädchen vor sich greifbar nahe – aber sie war unerreichbar für ihn. Dann war auch sie verschwunden! Tief in seinem Innern hörte er ein dämonisches und wahnsinniges Lachen. Es war der höhnische Triumph eines Todfeindes.
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* „Ich wollte, ich fühlte mich ein wenig besser und nicht so lustlos und niedergeschlagen!“ brummte Ted Stevens vor sich hin. „Es ist auch möglich, daß mich nur die Gesichter der armen Seelen hier so mies stimmen.“ Jonny gab keine Antwort. Seine Blicke ruhten auf einer Gruppe von Leuten, die ein wenig von ihnen entfernt umherstanden. „Ich glaube, dort hinten sehe ich jemand, der nicht ganz so deprimiert zu sein scheint, wie die anderen Leutchen hier“, bemerkte er leise zu seinem Bruder. Ted drehte den Kopf in die angedeutete Richtung, die neugierigen Blicke der Menschen vor sich nicht beachtend. Etwa fünfzig Meter entfernt erspähte er mehrere Gestalten in Raumanzügen, Männer und Frauen. Eine dieser Frauen gestikulierte heftig mit den Armen, ärgerlich und leidenschaftlich. Ted sagte zögernd: „Sie scheint tatsächlich nicht so phlegmatisch zu sein wie die anderen. Komm, wir wollen mit ihr reden! In jedem Falle möchte ich wissen, was hier gespielt wird.“ Langsam, ohne besondere Eile zu zeigen, suchten sich, die beiden ihren Weg durch die fremdartigen Sträucher und Pflanzen. Die Frau erblickte sie, ließ die Hände sinken und starrte sie an. Dann schritt sie ihnen entgegen. In ihren Augen stand unverhüllte Neugier. „Ihr seid neu?“ rief sie ihnen schon von weitem zu. „Helft mir, um Himmels willen, dabei, diese Leute zur Vernunft zu bringen! Anscheinend sind sie alle hypnotisiert worden.“ Aus schmalen Augen betrachtete Ted sie. Sein Gehirn litt zwar merklich unter dem unaufhörlichen Bombardement des fremden Willens, aber er hatte genügend eigene Energie, um 90
seine Gedanken noch einigermaßen zusammenhängend arbeiten lassen zu können. Das Mädchen vor ihm war jung, blond und schön. Er schätzte ihr Alter auf etwa 20 Jahre. „Was können wir schon tun?“ hörte er sich zu seinem größten Erstaunen sagen. „Das Volk dieser Welt hat uns völlig in seiner Gewalt. Der Gedanke daran ist mir zwar widerwärtig; ich hasse die Gewißheit, nicht so handeln zu können, wie ich möchte – aber es ist merkwürdig: Seitdem ich in diesem Garten weile, habe ich gar nicht mehr so sehr das Bedürfnis, von hier fliehen zu wollen.“ Ihr Gesicht verzog sich wie in bitterer Enttäuschung. „Ihr seid genau so wie die anderen!“ sagte sie. Tränen quollen ihr langsam aus den Augen und liefen die Wangen herunter. Deutlich konnten die Männer es sehen; denn der Kugelhelm ihres Raumanzuges war aus durchsichtigem Plastikstoff. Ted fühlte sich reichlich unbehaglich, konnte aber nichts tun, um ihr zu helfen. Der auf ihn einstürmende Einfluß war zu stark. Er war sich seiner Schwäche wohl bewußt, konnte aber nicht gegen sie angehen. „Sie müßte mit Nick Dannert zusammentreffen!“ warf Jonny langsam und mit bedeutsamer Betonung ein. „Er ist genau so immun gegen die Hypnose der Bekeliter, wie sie es zu schein scheint.“ „Dannert?“ Sie zog die Frage in die Länge und dachte nach. „Wer ist das? Ich muß ihn finden! Der Erde droht ein furchtbares Verhängnis, wenn wir es nicht zu verhindern wissen.“ „Oh!“ Teds Interesse stieg wieder. „Welches?“ Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden. „Welches – welches!“ rief sie. „Habt ihr denn das noch nicht begriffen? Unsere ganze Zivilisation ist in Gefahr, wenn diese schrecklichen Wesen jemals die Kontrolle über unseren Planeten gewinnen sollten. Können Sie das kapieren?“ 91
„Moment!“ schnitt Ted ihre Rede kurz ab. „Sie sind eine Frau von der Erde? Wie heißen Sie?“ „Jonquil Maine!“ gab sie sofort zur Antwort. „Natürlich stamme ich von TERRA! Ich war Stewardeß auf dem MarsRaumschiff TORRIS, falls Sie das interessieren sollte. Alles ging gut – bis zu dem Augenblick, da wir landeten. Sie verließen das Schiff durch die Luftschleuse und gingen zum Rande eines dunklen Abgrundes. Dann – überschritten sie den Rand! Alle! Und freiwillig!“ „Und Sie? Was taten Sie?“ Sie zuckte mit den Achseln. „Ich – ich konnte nichts machen. Ich folgte ihnen“, sagte sie trotzig. „Aber das ist jetzt vorbei! Ich bin nicht mehr länger ein Schaf in dieser Herde! Ich möchte jetzt handeln! Irgend jemand muß etwas tun!“ Jonny betrachtete sie aufmerksam, dann sagte er: „Sie sind längst nicht so sehr beeinflußt wie die anderen hier. Noch nicht mal so sehr wie wir beide. Wie kommt das? Haben Sie eine Ahnung?“ „Nein?“ antwortete sie. „Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich eine ungewöhnlich große Willensstärke. Jedenfalls sehe ich hier keinen einzigen, der bereit wäre, um seine Freiheit zu kämpfen.“ „Außer Nick Dannert wird es auch keinen geben! Ich möchte nur wissen, wo er sich jetzt befindet.“ Sie wollte gerade etwas sagen, brachte es aber nicht mehr über ihre Lippen. Ted und sein Bruder stellten fest, daß das teuflische Druckgefühl stärker und stärker wurde. Die letzten vernünftigen Gedanken zerflossen in ein Nichts. Ein kurzer Blick auf Jonquil zeigte ihnen, daß sogar deren Gesicht blaß wurde. Ihre Augen hatten sich vor Schreck weit geöffnet. Keiner konnte etwas sagen; die Kehlen waren wie zugeschnürt. 92
Wie auf Kommando drehten sich die Köpfe aller Anwesenden in eine Richtung. Ein Podium befand sich dort, von einem hellen Licht angestrahlt und somit deutlich sichtbar in der zwielichtigen Dämmerung. Auf dem erhöhten Platz stand Centa, die sogenannte Prinzessin von BEKEL, in all ihrer Schönheit. Ihre Arme waren ausgebreitet, auf ihren Zügen lag ein unirdischer Ausdruck völliger Entrücktheit. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, begannen die Menschen auf sie zuzugehen, langsam zuerst, dann immer schneller und hastiger. Jeder schien zu fürchten, er könne etwas versäumen. Sogar Jonquil Maine, die doch gegen die Massenhypnose gefeit zu sein schien, wandelte Seite an Seite mit den beiden Brüdern auf Gaelys zu, die Augen fest und starr auf diese gerichtet. Ganz im Unterbewußtsein zählte Ted die Personen, die aus allen Richtungen auf den einen Punkt zueilten. Ohne es vielleicht selbst zu wissen, erhielt er die Zahl 33. Es waren alles Bewohner der bevölkerten Planeten des Sonnensystems. Nun hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie standen vor Gaelys, die die Arme sinken ließ. Dann begann diese mit monotoner Stimme zu reden. Ihre Blicke hatte sie nicht auf die unter ihr harrenden Menschen gerichtet, sondern in die Ferne, auf irgendeinen unsichtbaren Punkt. „Ihr wartet schon lange auf diese Stunde! Jetzt kann ich euch endlich verraten, warum ihr hier seid, welches eure Aufgabe in der nächsten Zukunft sein wird. Diese Welt, BEKEL, ist zum Untergang verurteilt. Das Nebelvolk will eine neue schaffen, auf der seine Rasse existieren kann, wo es von neuem sein großes, mächtiges Reich von einst aufbauen kann, von dem dieser Planet nur ein kleiner Rest ist. Auf seiner Bahn durch das Universum werden BEKEL und 93
die anderen Bruchstücke in die Nähe von TERRA kommen, einem Planeten, von dem einige von euch stammen. TERRA ist die Welt, die am besten geeignet ist, BEKEL zu ersetzen. Der Herrscher des Nebelvolkes hat beschlossen, diesen Planeten TERRA zu erobern, sobald wir in seine Nähe kommen. Ich sage euch dies, damit ihr euch auf die große Aufgabe vorbereiten könnt.“ Ted Stevens dachte verwundert darüber nach, wie man wohl gerade auf TERRA, die Erde, verfallen sei. Die Wahl war zweifellos gut. In seinem Innern stimmte er gedankenlos dem Plane zu. „Darf man etwas fragen, Prinzessin?“ fragte er dann laut. Nur wenige Köpfe wandten sich ihm zu. Die Mehrheit jedoch schien »eine Worte nicht gehört zu haben. „Sprich, Erdenmensch!“ kam Gaelys Antwort. „Wie will BEKEL die Erde, also TERRA erobern, wenn es soweit ist?“ „Durch euch und eure Schiffe! Ihr werdet dem Nebelvolk helfen, indem ihr seine Befehle ausführt. Ihr werdet auf der Erde landen, und in jedem Schiff wird sich ein Vertreter des Volkes von BEKEL befinden. Alles andere werden sie mit ihrer Kontrollmacht erledigen. Ohne jeglichen Krieg wird die Bevölkerung von TERRA sich ergeben und glücklich sein, dem mächtigen Nebelvolk als Sklaven dienen zu dürfen.“ Ted nickte. Was das Mädchen sagte, erschien ihm absolut nicht gefahrdrohend, sondern logisch und richtig. Zwar tauchte kurz ein schwaches Gefühl des Bedauerns für die Menschen der Erde in ihm auf, aber es wurde von einer Geisterhand einfach weggewischt. Natürlich mußte BEKEL gerettet werden! Sie selbst waren dazu ausersehen, diesen gasförmigen Lebewesen zu helfen. Man mußte ihnen helfen. Man mußte – man mußte – man –! „In Ordnung; ich bin zufrieden!“ sagte Ted. Man mußte ihnen helfen! Man mußte – man mußte – man –! 94
Jonquil Maine stieß ihn heftig an und flüsterte wütend: „Sie sind zufrieden, ja? Aber ich nicht! Der ganze Haufen hier, einschließlich euch, besteht nur aus angstschlotternden Vollidioten!“ Gaelys fuhr in ihrer Rede fort. Sie hatte Jonquils Worte nicht gehört. „Man hat mich angewiesen, euch diese Dinge zu erzählen und hinzuzufügen, daß man euch für eure Hilfe belohnen wird, sobald TERRA in unserer Hand ist und wir BEKEL verlassen können. Dann noch etwas: Es besteht absolut keine Gefahr, wenn euch eines der Nebelwesen zu nahe kommt, auch wenn ihr Anblick für euch Menschen anscheinend etwas Schreckliches an sich hat. Keine Macht des Universums vermag sie zu vernichten. Wenn wir auf der Erde landen, wird nie die Gefahr bestehen, daß ihr der Führer des Volkes beraubt werden könnt, dem ihr helfen wollt. – So, das ist alles, was ich euch zu sagen hatte. Ihr habt in diesem Garten volle Bewegungsfreiheit, könnt ihn aber nicht verlassen!“ Ein zustimmendes Gemurmel wurde in der Menge hörbar, als Gaelys die Stufen herabstieg, an den Menschen vorbeiging und dann durch eine sich öffnende und danach wieder schließende Tür verschwand. Langsam und nachdenklich nickte Ted vor sich hin und blickte dann auf seinen Bruder. „Ich kann es gut verstehen, wenn sie von diesem Ort weg wollen“, sagte er träumerisch. Jonny gab das Nicken zurück und stimmte ihm bei. „Gute alte Erde!“ sagte er tonlos. „Es wird mir kaum leid tun, sie recht bald wiederzusehen!“ „Mir auch nicht!“ Jonquil hatte ihrem Gespräch zugehört und schaltete sich ärgerlich ein. 95
„Ihr Narren! Ihr dreimal verfluchten Narren!“ Ihre Stimme war scharf und schneidend. „Seht ihr denn die Gefahr nicht? Begreift ihr denn nicht, was man im Schilde führt? Wenn diese schrecklichen Nebelbiester mit Hilfe ihrer unerklärlichen, furchtbaren Macht über die menschlichen Gehirne erst einmal die Erde überraschen, dann ist es aus mit der gesamten Zivilisation!“ Ted sah sie unbeweglich und ungerührt an. „Es ist unbedingt notwendig, daß Sie Nick Dannert finden!“ sagte er. „Ich bin fest davon überzeugt, daß ihn die Sache interessieren wird.“ Jonny grunzte nur verdrießlich vor sich hin. Jonquil lief dunkelrot an. „Ja“, meinte Jonny, „es wird wirklich das beste sein, wenn Sie Nick suchen und hierherbringen. Mir persönlich ist es egal, was passieren wird. Wenn wir nur bald zur Erde zurückkehren!“ Das Mädchen ballte ungeduldig die Fäuste, wütend und verzweifelt über die Gleichgültigkeit ihrer Leidensgenossen. Es war ihr jedoch noch immer ein Rätsel, warum sie selbst so völlig immun gegen den Willenseinfluß des Volkes von BEKEL war. „Gut!“ sagte sie dann entschlossen. „Ich werde ihn finden!“
DAS GEHEIMNIS DER IMMUNITÄT Gaelys, alias Centa, Prinzessin von BEKEL, verließ den Raum, in den man Dannert nach dem Verhör eingeschlossen hatte. Ihr Gehirn war leer. Sie wußte schon längst nicht mehr, was sich unmittelbar vorher ereignet hatte. Sie fühlte nur, daß eine unwiderstehliche Macht sie zwang, zur Oberfläche des felsigen Asteroiden emporzusteigen. Eine neue Mission wartete dort auf sie. 96
Sie ging bis zum Ende der Spalte, die den Eingang zu dem unterirdischen Reich bildete. Die Bekeliten benutzten ein Kraftfeld, um die Menschen herabzulassen. Der Aufstieg konnte aber nur mit Hilfe der Sprossen bewerkstelligt werden, die Ted und Jonny schon vorher entdeckt hatten. Auf der Oberfläche angekommen, sah sich das Mädchen neugierig um. Irgend etwas in ihrem Innern sagte ihr, daß ein neues Schiff gelandet und daß es ihre Aufgabe sei, die Besatzung in die Unterwelt des Felsenglobusses zu holen. Geduldig wartete sie. Sie stand völlig unter dem Einfluß des Nebelvolkes, dessen Sklavin sie ohne ihre eigene Schuld geworden war. Zwischen Neugierde und dem Zwang der Hypnose schwankend, stand sie da, als sie plötzlich eine Gruppe von vier Gestalten in Raumanzügen bemerkte, die auf die PTERELAS zugingen. Vor dem Schiff blieben sie stehen. Einer von ihnen versuchte die Einstiegsluke zu öffnen und schüttelte dann heftig den Kopf. Eine Auseinandersetzung schien sich anzubahnen. Die vier Männer gestikulierten lebhaft mit Armen und Händen. Nicht weit hinter ihnen bemerkte Gaelys das Schiff, mit dem sie gekommen waren. Es lag dort in dem Schatten eines Felsen, wie ein kurzes plumpes Urwelttier. Das Mädchen fühlte in sich die steigende Begierde, herauszufinden, von wo jenes Schiff kam, was es geladen hatte und wer diese Männer waren. Sie hatte es nicht nötig, jene selbst in die Falle zu locken, so wie sie es mit Dannert getan hatte. Die vier Menschen schritten bereits zögernd auf die Spalte zu. Der Wille des Nebelvolkes hatte sie schon völlig in der Gewalt. Dann waren sie in der Tiefe verschwunden. Unmittelbar darauf fühlte sie den Befehl, ebenfalls in die Unterwelt zurückzukehren. Der Einfluß war nicht ganz so intensiv wie sonst. Sie konnte es sich nicht erklären. Aber der eigene Wille und die Neugier, das fremde Schiff zu untersuchen, waren größer und stärker als die Hypnose. Langsam, zögernd 97
schritt sie vorwärts, ein wenig überrascht von ihrem eigenen Mut. Das Schiff lag ebenen Kieles auf dem Felsengrund. Gaelys schritt um es herum und fand die Einstiegsluke offen, so wie die Männer sie verlassen hatten. Es war an sich ein Teil ihrer Aufgabe, diese zu verschließen. Man hätte sie dann nicht mehr öffnen können, solange die Macht der Bewohner von BEKEL es nicht gestattete. Sie wußte das genau. Trotzdem blieb ihre weibliche Neugier stärker als alle Drohung. Zögernd kletterte sie die Leiter hinauf, stieg in das Schiff und schloß die Luke hinter sich. Durch die Luftdruckkammer gelangte sie in das Innere. Das wortlose Kommando zur Rückkehr beachtete sie nicht; ihre eigene Initiative war stärker. Zum ersten Male kämpfte sie gegen ihre unsichtbaren Tyrannen. Vielleicht schwächte auch hier die Gewohnheit die Wirkung der Hypnose ab. Was immer auch der Grund sein mochte, jedenfalls lief sie durch das ganze Schiff, untersuchte es eingehend und hatte jene Männer, die in der Spalte verschwunden waren, völlig vergessen. Mehr durch Zufall stolperte sie gegen eine Tür, die sich dadurch öffnete. Sie war in den Frachtraum geraten. Das Schiff war also ein Frachter! Die Ladung bestand aus kleinen Metallklumpen. Ein derartiges Metall hatte sie noch nie gesehen. Die Neugier zwang sie, einen dieser Klumpen in die Hand zu nehmen. Er hatte ein ziemlich hohes Gewicht. Fest griffen ihre Finger zu. In diesem Augenblick fand eine unheimliche Wandlung ihres Inneren statt. Blitzartig durchzuckte sie die Erkenntnis, daß dem ganzen Sonnensystem irgendeine furchtbare Gefahr drohe. Wo war sie? Was hatte sie getan? Sie wurde sich plötzlich der entehrenden Aufgabe bewußt, die sie übernommen und ausgeführt hatte. 98
War es nicht sie selbst gewesen, die Männer und Frauen ihrer eigenen Rasse verraten, in die Unterwelt und damit in die Gefangenschaft geführt hatte? War sie es nicht, die –? Ein kalter Schreck fuhr ihr in die Glieder. Sie war unfähig, sich zu bewegen. Ihr Gehirn war klar und frei geworden. Sie wußte alles! Immer noch hielt sie den kleinen Metallklumpen in der Hand. Es kam ihr nicht in den Sinn, diesen Brocken in Zusammenhang mit ihrer plötzlichen Wandlung zu bringen. Vielleicht war die Isolierung der Schiffshülle daran schuld, daß der gräßliche hypnotische Zwang hier fast bis zur Unmerklichkeit abgeschwächt wurde. Wer weiß? Voller Schuldgefühl und Reue ging sie zum Kontrollraum des Frachters. Gedankenlos behielt sie den Klumpen Erz in der Hand. In ihrem gedanklichen Durcheinander hatte sie ihn fast vergessen. Eine kurze Überprüfung der Schiffspapiere zeigte ihr, daß dieser Frachter eine Erzladung von einem fernen Satelliten zum Mars bringen sollte. Sie überlegte. Wenn sie mit diesem Schiff, ohne es zu verlassen –! Ach, sie kannte ja die Type nicht! Sinnlos! Den Metallbrocken auf die Papiere legend, schlug sie die Hände vor das Gesicht und schloß die Augen. Augenblicklich kehrte das Gefühl der Furcht, des Schreckens und des grauenhaften Zwanges zurück. Voller Verzweiflung griff sie instinktiv nach dem Erzklumpen und umfaßte ihn. Sie richtete sich auf und blickte sich um, als suche sie einen Gegner. Zu sehen war zwar nichts, aber ihre Gedanken wurden sofort wieder normal. Jegliches Angstgefühl war spurlos verschwunden. Gaelys starrte verwundert auf den grauen Klumpen in ihrer Hand. Sollte etwa –? Sie war nicht dumm und vermochte logisch zu denken. 99
Natürlich! Das war die Lösung! Dies unbekannte Metall neutralisierte die hypnotische Strahlungskraft des Nebelvolkes. Das war alles! Warum war sie nur nicht schon früher darauf gekommen? Von neuem überlegte sie. Konnte sie mit dieser Entdeckung ihre Schuld wiedergutmachen? Sie sah im Geiste die Gesichter all der Menschen vor sich, die sie in den „Garten der Verdammten“ geführt hatte. Sie entsann sich ihrer ängstlichen und entsetzten Mienen. Das waren keine Menschen mehr gewesen, sondern nur noch schreckerfüllte und schlotternde Jammergestalten. Sie selbst hatte denen geholfen, die die Erde erobern wollten – und danach vielleicht die anderen Planeten! Ein Schauder überlief sie, wenn sie an das alles dachte. Die Nebelwesen! Gespenster waren es! Geister waren es – aber furchtbare und unbesiegbare Geister! Aber – was sollte sie allein gegen die unbezwinglich scheinenden Feinde unternehmen können? Dann entsann sie sich des jungen, großen Mannes mit den dunklen Haaren, der in jeder Beziehung mehr Widerstand gezeigt hatte als alle anderen Männer vor ihm. Ja – war da nicht auch noch eine solche Frau? Fest umklammerte sie den rettenden Metallbrocken und verließ dann durch die Luftschleuse das Schiff. Die Außenluke ließ sie offen. Langsam ging sie auf die Spalte zu. Sie hatte ihre Denkfähigkeit vollständig wiedergewonnen. Sie wußte, welcher Gefahr sie entgegenging. Aber das Bewußtsein, nicht mehr hilflos der Willkür des Nebelvolkes ausgesetzt zu sein, gab ihr den Mut dazu. TERRA mußte gerettet werden – und auch die Leute, die sie selbst ins Verderben geführt hatte. 100
Die Hauptaufgabe mußte sein, das Volk von BEKEL daran zu hindern, diesen Asteroiden jemals zu verlassen. Obwohl Gaelys den Klumpen krampfhaft fest in der Hand hielt, konnte sie fühlen, daß die Hypnose der Bekeliten nicht völlig ohne Wirkung auf sie blieb. Aber sie hatte genügend Kraft, ihr wirksam entgegentreten zu können. Auf keinen Fall durften die eroberungssüchtigen Gaswesen merken, daß sie nicht mehr unter ihrem Einfluß stand. Wie sie das allerdings bewerkstelligen sollte, das war ihr noch nicht ganz klar. Sie schritt über den Rand des Abgrundes und sank langsam nach unten. Auf dem Grunde und in der Finsternis angekommen, schritt sie vorwärts. Ihr Instinkt führte sie. Sie entsann sich der vier Männer, die wohl irgendwo hier unten warteten und ihrer Leitung bedurften. Angestrengt dachte Gaelys nach. Wenn sie diese Männer einfach stehenließ und nicht in jene Zelle brachte, merkten die Nebelmenschen sehr schnell, daß etwas nicht in Ordnung war. Auf keinen Fall durfte sie dies Risiko eingehen! Dann fühlte sie die Nähe von Menschen. „Habt keine Furcht, Menschen aus dem Weltraum!“ sagte sie mit der freundlichen Stimme der Prinzessin von BEKEL. „Folgt mir! BEKEL benötigt eure Hilfe.“ Sie ging weiter. Ohne zu zögern, schritten die Männer hinter ihr her. Sie zerbrach sich den Kopf, was sie nun weiter tun sollte, kam aber zu keinem Ergebnis. Es wäre sinnlos gewesen, jetzt vernünftig mit ihnen reden zu wollen, da sie ja unter dem Einfluß der höllischen Hypnose standen. Es hatte bisher nur einen Mann gegeben, der ihm nicht erlegen war: Dannert! Sie kannte zwar den Mann, aber nicht dessen Namen. Sie brachte die vier Männer in die Zelle, verließ sie und machte sich auf die Suche nach jenem Manne, der der einzige war, der ihr helfen konnte. Wo konnte sie ihn finden? 101
Um zu dem Räume zu kommen, in dem er von dem Nebelmenschen befragt worden war und in dem er sich wahrscheinlich noch befand, mußte sie den „Garten der Verdammten“ durchqueren. Die Blicke der niedergeschlagenen und hoffnungslosen Menschen ging ihr auf die Nerven.. Aber noch konnte sie ihnen kein Trostwort sagen. Sie dachte an die vielen Schiffe, die an der Oberfläche des Planetoiden lagen, die Luken verschlossen und die Triebwerke außer Kraft – alles durch ihre Schuld. Der Gedanke daran macht sie fast wahnsinnig. Voller Scham mied sie die gleichgültigen Blicke der Verdammten. Soeben passierte sie das Podium, von dem aus sie die Rede an die Insassen des Gartens gehalten hatte. Da hörte sie hinter sich eilige Schritte. Kurz darauf ließ sich eine scharfe Stimme sie augenblicklich anhalten. „Hallo, Du!“ Es war Jonquil Maine, die ihr in ärgerlichem und ungeduldigem Tone diese Worte zurief und gleich fortfuhr: „Ich hätte ein Wörtchen mir Dir zu reden!“ Gaelys war innerlich viel mehr überrascht, als sie es zeigte. Diese Frau war schon bei der ersten Begegnung ein wenig störrisch gewesen. Daß sie aber derart immun gegen die Macht der Bekeliter war, hatte Gaelys nicht geahnt. „Was wünscht Du?“ fragte sie dann, immer noch im Zweifel, ob sie über diese Tatsache erfreut sein sollte oder nicht. Jonquil hatte sie nun erreicht und starrte sie erregt an. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und öffneten sich dann wieder. Nur mit Mühe gewann sie ihre Beherrschung zurück und begann zu sprechen. „Ich – ich will wissen, was hier los ist! Außerdem suche ich jemand! – Wer immer Du auch bist und wie immer Du heißen mögest: Du solltest Dich schämen, den Verräter zu spielen! Pfui!“ 102
Jonquils Blicke lagen bezwingend auf Gaelys’ Zügen. – „Wer bist Du?“ fragte sie nun streng. „Du bist nichts anderes als ein verfluchter Verräter an der Welt, auf der Du geboren wurdest!“ Gaelys trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als das andere Mädchen ihr diese Worte entgegenschleuderte. Dann jedoch streckte sie eine Hand aus und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Warte!“ sagte sie hastig. „Warte mit Deinem Urteil!“ Jonquil, in ihrem Ärger schöner denn je, starrte sie an. Dann nickte sie zögernd. Gaelys sagte: „Ich kenne deinen Namen nicht. Aber Du bist genau so jung wie ich. Ich vertraue Dir! Ich habe jetzt eben etwas entdeckt, was so ungeheuer wichtig für mich und uns alle ist, daß ich es unbedingt mit jemand besprechen muß, der mir geeignet erscheint, uns die Rettung zu bringen. Willst Du mit mir kommen?“ Jonquil wurde mit einem Male unheimlich ruhig und sah Gaelys scharf an. In deren Zügen lagen soviel Angst und ehrliche Hilfsbereitschaft, daß ihr die Worte von vorhin schon leid taten. „Gut!“ sagte sie ruhig. „Ich stelle fest, daß Du aus irgendeinem Grunde deine Meinung geändert hast. Oder ist das etwa nicht der Fall?“ Ihre Augenbrauen wölbten sich neugierig. „Das habe ich allerdings getan“, bestätigte Gaelys lächelnd. „Das ist auch der Grund, warum ich jenen Mann sprechen muß!“ Sie hatten den „Garten der Verdammten“ verlassen und befanden sich plötzlich in einer undurchdringlichen Finsternis. Jonquil war ein wenig ängstlich; aber die Zuversicht ihrer neugewonnenen Freundin gab ihr Mut. Sie standen in dem Tunnelgang und warteten. Gaelys fragte leise in das Dunkel hinein: „Was ist eigentlich deine Absicht? Was hast Du vor?“ 103
Jonquil war ein vorsichtiges Mädchen. „Erzähle mir erst einmal von Dir!“ verlangte sie. „Bevor ich Dir mein Vertrauen schenke, muß ich völlig sichergehen.“ Gaelys zögerte kurz, ehe sie ihr Geheimnis preisgab. „Bis vor kurzem stand ich selbst noch völlig unter der Kontrolle der unheimlichen Bewohner dieser Welt. Es war furchtbar, obwohl ich es gar nicht bemerkt habe. – Ich war keine Frau mehr, nur eine Sklavin,“ schloß sie. Sie hob die Hand mit dem Erzstück hoch und streckte es Jonquil entgegen. Diese konnte es jedoch in der Finsternis nicht sehen. „Du kannst es nicht sehen!“ fuhr sie fort. „Ich fand es in einem Schiff, oben auf der Oberfläche. Es ist – es ist – – ach, wie soll ich Dir das erklären? Es befreite mich von der Kontrolle der Bekeliten. Unbegreiflich, aber es ist wirklich so! Ich bin kein willenloses Objekt mehr, werde es aber sofort wieder sein, wenn die Bekeliten etwas bemerken. Ich muß sehr vorsichtig sein!“ Vergeblich versuchte Jonquil, das andere Mädchen zu sehen. Aber sie konnte wenigstens die Härte des Metalls fühlen, das ihr Gaelys, ohne es loszulassen, hinreichte. „Das klingt alles so unglaublich!“ sagte sie unsicher. „Willst Du behaupten, daß das bloße Halten dieses Klumpens Dir die Immunität gegen diese teuflische Strahlung verleiht?“ „So ist es!“ bestätigte Gaelys. „Dabei habe ich noch nicht einmal eine Ahnung, um welches Metall es sich überhaupt handelt.“ Jonquil schien nachzudenken. „Ich begreife das nicht“, murmelte sie. „Wäre es doch hell, und ich könnte einen Blick auf das Ding werfen. Ich verstehe nämlich ein wenig von Metallen – genug jedenfalls, um die meisten Erze zu erkennen.“ „Leider habe ich keine Gewalt über das Licht“, antwortete 104
Gaelys bedauernd. „Um ehrlich zu sein. Ich weiß noch nicht einmal, woher es kommt.“ Sie machte eine Pause. Dann fragte sie: „Wollen wir gehen?“ „Nach Dir!“ gab Jonquil zur Antwort. „Übrigens – ich suche einen Mann namens Dannert. Kennst Du ihn? Es wurde mir erzählt, daß er gegen die Macht der Unheimlichen genau so immun ist wie ich.“ Gaelys biß sich auf die Unterlippe. „Ich habe den Namen noch nie gehört“, sagte sie dann. „Aber es ist durchaus möglich, daß wir beide denselben Mann suchen. Er kam ziemlich als letzter hier an. Ich habe ihn selbst herunterbringen müssen, da er nicht sensibel genug war, um von allein dem Befehl der Bekeliten zu gehorchen.“ „Das könnte er sein! Wo befindet er sich?“ „Wir sind auf dem Wege zu ihm. Halte Dich dicht bei mir!“ Langsam schritten sie durch die Finsternis. Nach einer Weile meinte Jonquil: „Ich kann nicht begreifen, wieso Du hier Deinen Weg so genau kennst.“ „Das begreife ich selbst nicht!“ murmelte Gaelys. „Ich nehme an, daß mich das Nebelvolk und mein Instinkt leiten. Wenn die jemals merken, daß ich nicht mehr unter ihrem Einfluß stehe, bin ich verloren!“ Vorsichtig suchten sich die beiden Mädchen ihren Weg. Schon näherten sie sich der Zelle, in der Dannert eingesperrt sein mußte, als plötzlich rund um sie herum ein schwacher Lichtschein entstand, der heller und heller wurde. Die Wände schienen ihn auszustrahlen. Er fiel von allen Seiten auf sie herab. In jähem Schreck krampften sich die Finger Jonquils zusammen. Gaelys fühlte einen stechenden Schmerz in ihrem Arm. Sie wußte, was jetzt bevorstand. Schon fühlte sie die Kraft der Hypnose intensiver werden. 105
Nur mit äußerster Willensanstrengung verlor sie nicht die Kontrolle über sich selbst. Jonquil wollte zurück, Sie versuchte, Gaelys mit sich zu ziehen. Doch schon entstand vor ihnen der charakteristische Nebelschleier, der langsam die Form eines menschlichen Körpers annahm. Gaelys blieb stehen. Fest schlossen sich ihre Hände um den Metallklumpen. Ihr Leben konnte von ihm abhängen. Die große Nähe des gräßlichen Wesens verstärkte die Strahlung derart, daß beide Mädchen von ihr fast überwältigt wurden. Der Atem schien ihnen zu stocken. Sie standen still und steif da, wie zwei Marmorstatuen. Der Nebelmensch wogte hin und her. Furchtbare Gedanken fanden langsam ihren Weg durch die Windungen der beiden menschlichen Gehirne und wurden dort zu verständlichen Worten. „Wohin gehr ihr?“ kam die scharfe, schweigende Frage. „Warum hast Du die Fremde bei Dir, Prinzessin?“ Gaelys versuchte zu sprechen, brachte aber kein einziges Wort über die Lippen. Voller Entsetzen starrte sie auf das Wesen vor sich. Es war stärker als sie! Obwohl Jonquil sich an der Grenze des Wahnsinns befand, hatte sie ihre Hände um Gaelys Arm gekrallt und ließ ihn nicht los. „Mir scheint. Du bist eine Verräterin, Prinzessin!“ schlichen sich die Gedanken in ihr Bewußtsein. „Dreht euch um und geht vor mir her! Es gibt verschiedene Dinge, die ich wissen möchte, bevor der Herrscher euer Schicksal entscheiden wird. Los – alle beide!“ Dumpf und ergeben gehorchten die Mädchen. Sie wandten sich um und gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Plötzlich standen sie vor der sich öffnenden Tür einer Zelle.
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DIE WAFFEN DES AUFRUHRS Im „Garten der Verdammten“ schritten die Menschen auf und ab, hin und wieder ein Wort wechselnd und über ihr Schicksal diskutierend. Der Druck, der ständig auf ihnen lastete, war ein wenig milder geworden, war aber immer spürbar. Von der Anwesenheit des Nebelvolkes selbst war nichts zu bemerken; nur die Massenhypnose deutete darauf hin. Man konnte frei denken, aber die Logik war verschwunden. Ted und Jonny Stevens hatten Jonquil davongehen sehen, als sie sich auf die Suche nach Nick Dannert machte. Sie unterhielten sich leise und gesellten sich dann einer Gruppe von irdischen Raumfahrern zu. Ein Offizier der Patrouille hatte dort das große Wort. Man stand um ihn herum und hörte ihm zu. Er erläuterte einen strategischen Plan zur Eroberung des Mars, sobald man die Erde besetzt hatte. Kein einziger der Zuhörer schien es seltsam zu finden, daß ein höheres Mitglied der irdischen Weltraumflotte über solche Dinge sprach und auch noch besonders betonte, wie sehr er an dem Gelingen dieser Operation interessiert sei. Ted und Jonny waren es schnell leid. Sie schlenderten zu einem ruhigeren Plätzchen, wo sie allein und ungestört waren. Seufzend setzten sie sich auf den felsigen Boden. „Ich bin wirklich gespannt, wann wir etwas zu essen bekommen“, meinte Ted. „Ich weiß zwar nicht, wie Du darüber denkst – ich jedenfalls habe einen unverschämten Hunger.“ Jonny bestätigte, daß er in seinem Inneren gleiche Gefühle berge. Man merkte jedoch, daß er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Er dachte an Jonquil. Sie hatte einen nachhaltigen Eindruck auf ihn ausgeübt, der absolut nichts mit den merkwürdigen Umständen ihres Kennenlernens zu tun hatte. 107
Er machte sich Vorwürfe, weil er sie hatte allein gehen lassen, um Dannert zu suchen. Sie hatten sich benommen wie die Waschlappen! Ted bemerkte sein Grübeln. Er klopfte ihm auf die Schulter. „Sie wird ihn schon finden, Kleiner!“ sagte er beruhigend. „Übrigens, dieser Nick, der ist in Ordnung! – Du hast ihn doch auch noch nicht wiedergesehen, seit man ihn aus der Zelle holte?“ Jonny schüttelte den Kopf. „Nein! Jonquil ist nun allein unterwegs, um ihn zu suchen. Wir hätten sie nicht allein gehen lassen sollen!“ Er blickte sich wie suchend um. Eine bleierne Müdigkeit legte sich auf seine Glieder. Obwohl er tief in seinem Inneren die Notwendigkeit des Handelns fühlte, konnte er sich dazu nicht aufraffen. Ted war auch keine Hilfe. Er saß auf dem Boden und hatte sich mit dem Rücken gegen die Felsenwand gelehnt. Mit Augen, die nichts sahen, überblickte er seine Umgebung. Nur wenige Leute gingen an ihnen vorüber. Interesselos sah Ted ihnen nach. „Ich finde es komisch von Nick, sich gegen die Befehle des Nebelvolkes aufzulehnen“, sagte er endlich mit tonloser Stimme. „Warum nur? Ich finde, deren Plan ist durchaus in Ordnung.“ Jonny stieß einen hörbaren Seufzer aus. „Ich bin so müde!“ sagte er dann gedehnt. „Ich bin müde, ewig nur von den Bekeliten und von BEKEL zu hören. Sollen sie machen, was sie wollen! Ich möchte nur zur Erde zurück und mich vier Wochen ausruhen!“ „Bald werden wir auf der Erde sein!“ brummte sein Bruder. „Ist das nicht wundervoll?“ Jonny dachte einen Moment nach. „Ich glaube, daß Du recht hast!“ stimmte er bei. „Wo mag nur das Mädchen sein, das wir vor kurzem noch hier gesehen haben? Ich meine – Jonquil.“ 108
* Es verschlug Nick Dannert fast den Atem, als er von dem unsichtbaren Kraftfeld förmlich zurückgeworfen wurde. Er konnte Gaelys nicht folgen! Himmel und Hölle! Was sollte er machen? fragte er sich in einem Anfall hilfloser Wut. Schon bald mochten die Nebelwesen über sein Schicksal entschieden haben. Sicherlich lautete das Urteil auf Tod in irgendeiner Form. Aber noch wichtiger erschien ihm das Schicksal jenes Mädchens. Sie hatte ja gar keine Ahnung von dem, was sie tat. Er wiederum wußte nicht, daß es ihre Aufgabe war, Männer und Schiffe zu sammeln, mit deren Hilfe man die Erde erobern wollte. Nach einigen Minuten fruchtlosen Schimpfens und Fluchens beruhigte er sich. Er ließ sich auf dem Boden nieder und versuchte, ein wenig nachzudenken. Der hypnotische Einfluß hatte nun, da er sich wieder allein im Räume befand, merklich nachgelassen. Damit aber stieg die Fähigkeit des logischen Denkens. Immer drängender wurde der Wille in ihm, das Mädchen Gaelys aus den Klauen dieser geisterhaften Welt zu befreien. Er verhielt sich ganz still und ruhig, ohne aber in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Nach einiger Zeit stand er auf und ging zu der Stelle hinüber, wo Gaelys verschwunden war. In der absoluten Finsternis war jede Bewegung schwierig. Er gelangte jedoch bis zur anderen Seite des Raumes. Das Energiefeld – jene unsichtbare Mauer – war verschwunden. Suchend glitten seine Finger über den glatten Fels und fühlten nach den Umrissen der Tür. Ob er sie fand? Und wenn – konnte er sie öffnen? Nur weil er von der Existenz der Tür wußte, fand er sie endlich. 109
Er fuhr die Ritze entlang und überlegte, was er tun sollte. Er hatte keinerlei Werkzeug zur Verfügung. Mit den bloßen Händen? „Hölle und Teufel!“ grunzte er wütend. „Öffne dich, du verfluchtes Ding!“ Wild hämmerte er mit seinen Fäusten an die Wand. Nichts rührte sich. Oder doch? War da nicht ein Geräusch gewesen? Nick lehnte sich an die Mauer und überlegte. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg aus dieser Falle. Durch die absolute Schwärze starrte er auf die Stelle, an der die Tür sein mußte. Seine ganzen Gedanken konzentrierten sich nur auf eines: Sie mußte sich öffnen! Sie mußte einfach! Er begann die Tür wie einen Feind zu hassen. In der Grabesstille um sich herum vermeinte er plötzlich wieder jenes Geräusch zu hören. Es klang wie ein ziehendes Schleifen. Instinktiv streckte er seine Hände aus und – faßte ins Leere! Die Tür stand um Spaltenbreite offen. Nick konnte es nicht fassen. Das war doch unmöglich! Sollte seine bloße Willenskraft das Öffnen besorgt haben? Hm – das konnte doch sein! Er hatte keinerlei Griffe bemerkt. Fragen und Antworten schossen durch sein Hirn. Die hypnotische Macht der Bekeliten? Nick raffte sich auf. Die Öffnung genügte nicht, ihn durchzulassen. Wenn seine Idee stimmte, wenn die Türen durch die suggestive Gewalt geöffnet und geschlossen wurden, dann war viel gewonnen. „Natürlich!“ flüsterte er vor sich hin. „Das muß es sein!“ Die plötzliche Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Es wurde ihm auch klar, weshalb die Schiffe auf der Oberfläche umherlagen und ihre Luken geschlossen waren. Nur durch Gedankenbefehle! Nick hatte sich auf seinen Hacken niedergelassen und ver110
daute die ungeheure Neuigkeit. Dann wurde er munter und sprang auf. „Also los!“ rief er sich zu. „Mein Wille gegen den ihren! Fangen wir an!“ Indem er die Finger auf die Tür legte, konzentrierte er seine ganzen Gedanken nur auf zwei Worte: „Öffne dich! öffne dich! Öffne dich!“ Nur dieser Gedanke hatte in seinem Gehirn Platz; kein anderer durfte ihn ablenken. Das war die einzige Möglichkeit, um zum Erfolg zu gelangen. Die Tür wich langsam nach außen – und noch ein bißchen. Er griff nach und fühlte, daß er ein schönes Stück gewonnen hatte. Nochmals äußerste Konzentration – und wieder ein Stück! Er machte einen Schritt nach vorn, drehte sich seitlich und stemmte sich mit seiner ganzen Kraft gegen das weichende Hindernis. Langsam zuerst und dann immer schneller glitt die Felsplatte zurück. Endlich konnte er seinen Körper durch den entstandenen Spalt zwängen. Er stand im Gang. Zum ersten Male seit langer Zeit atmete er tief auf. Er hatte einen großen Sieg über die schier unbezwinglichen Nebelwesen errungen – einen Sieg, der es wert war, besonders verzeichnet zu werden. Bevor er Gelegenheit hatte, sich selber zu gratulieren, erspähten seine guten Augen in der Ferne ein Licht. Es war ein nebeliges, weißes Licht – dasselbe, das er schon mehrmals gesehen hatte. Es war weit von ihm entfernt, bewegte sich offenbar am anderen Ende des Ganges. Das Licht bildete die Form einer menschlichen Figur in Übergröße. Das erregte ihn nicht besonders. Jedoch da war noch etwas anderes. In dem sanften Schimmer bemerkte er die Schatten zweier Menschen. Einer war mit, der andere ohne Raumanzug bekleidet. 111
Das konnten nur Gaelys und einer der Raumfahrer sein. Nick holte noch einmal tief Luft. Dann schob er sich langsam und vorsichtig bis zum Schauplatz der Handlung vor. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er nahe genug herangekommen war. Es schien, als seien ihm jene Gestalten ein Stück entgegengekommen. Mit steigendem Erstaunen stellte er fest, daß sich Gaelys nicht so benahm, wie sie es als Prinzessin von BEKEL hätte tun müssen. Im Gegenteil! Sie schien schreckhaft und furchtsam zu sein. Er konnte deutlich ihr entsetztes Gesicht erkennen. Er fühlte eine warme Welle des Mitleids für das Mädchen. Die zweite Gestalt gehörte ebenfalls einer Frau, deren Gesicht den gleichen Ausdruck zeigte wie das von Gaelys. Während er unschlüssig die Gruppe beobachtete, schlichen sich die Gedanken des Nebelwesens in sein Gehirn ein, die eigentlich den Mädchen galten. Voller Besorgnis fand er heraus, daß Gaelys irgend etwas entdeckt hatte, daß ihr Leben in größter Gefahr zu sein schien. Mit aller Gewalt hielt er sich zurück, nicht nach vorn zu stürzen, das Mädchen zu ergreifen und mit ihr in der Dunkelheit zu verschwinden. Es war ihm klar, daß er bei direkter hypnotischer Anstrahlung keinen Widerstand leisten könnte. Es war klüger, jetzt im Hintergrund zu bleiben und abzuwarten, was geschehen werde. In diesem Augenblick befahl das Wesen den beiden Mädchen, denselben Weg zurückzugehen, den sie gekommen waren. Sie gehorchten. Der neblige Lichtfleck schwebte hinter ihnen her. Nick folgte ihnen, leise und vorsichtig und immer befürchtend, daß man seine Anwesenheit entdecken könnte. Plötzlich hielt die Prozession vor einer sich langsam öffnenden Zellentür an. Nick sah, daß Gaelys eintrat. Das andere Mädchen wollte ihr 112
folgen und warf bei der Gelegenheit einen entsetzten Blick auf den leuchtenden Nebelfleck. Dann blieb sie jedoch stehen und wandte sich wieder um. Nick hörte den Befehl, den man ihr gab. „Du wirst nicht bei Centa bleiben!“ sagte der Gedanke. „Mit Dir haben wir andere Pläne, Frau aus dem Weltraum! Gehe in der alten Richtung weiter!“ Ob das Mädchen nun die Nerven verlor oder ob ein anderer Grund ihren Verstand verwirrte, das konnte Nick nicht entscheiden. Jedenfalls drehte sie sich um und rannte davon, schrille Angstschreie ausstoßend. Sie kam nicht weit. Mit einem plötzlichen Ruck schien sie auf ein Hindernis zu prallen. Nick entsann sich unwillkürlich der unsichtbaren Kraftfeldmauer in seiner Zelle. In grauenvollem Schrecken wandte sie sich um. Der erneute Anblick des unheimlichen Wesen brachte sie endgültig in dessen Gewalt. Gehorsam schritt sie in der befohlenen Richtung davon und war bald in der undurchdringlichen Finsternis jenseits des Lichtfeldes verschwunden. Das Nebelwesen folgte ihr mit tanzenden Bewegungen. Es sah aus wie eine Rauchwolke, die von einem Windzug getrieben wurde. Nick konnte gerade noch sehen, wie Gaelys’ Zellentür sich langsam schloß. Die Erleichterung über das Verschwinden des Geisterspuks vermischte sich mit der Besorgnis um das Mädchen, deretwegen er einen so weiten Weg gemacht hatte, um sie zu finden und zu retten. Er mußte so schnell wie möglich mit ihr sprechen. Er hatte so einiges aufgeschnappt, was ihm äußerst wichtig erschien. Als die beiden Gestalten und das Licht restlos von der Dunkelheit aufgesogen waren, schritt er vorsichtig zu der Zellentür hinüber. Zwar war es finster, Nick aber hatte sich die Lage genau eingeprägt. Seine Fingerspitzen bestätigten es. Wieder einmal konzentrierte er seine ganze Willenskraft. Er 113
dachte an nichts anderes als an die Tür. Bald konnte er fühlen, daß sie allmählich nach außen aufging. Dann schlüpfte er in den finsteren Raum. „Gaelys?“ flüsterte er. „Gaelys, bist Du hier? Kannst Du mich hören?“ Nach einem Augenblick atemlosen Schweigens glaubte er, eine Bewegung erfühlen zu können. Dann berührte ihn eine tastende Hand. „Ja, ich bin hier!“ wisperte sie angstvoll. „Wer ist da? Doch nicht – Nick?“ „Das erstemal, daß Du recht hast!“ antwortete er, ganz tief in seinem Herzen eine glückliche Freude spürend. „Erzähle mir, was geschehen ist. Ich sterbe vor Neugier. Bist Du etwa nicht mehr gut Freund mit dem Nebelvolk?“ Seine Stimme blieb freundlich und fast neckend. Er fühlte sofort, daß sie immer noch unter dem Einfluß der Hypnose stand. Sie seufzte tief auf. Er konnte es deutlich hören. Fest hielt er seine Finger um ihr Handgelenk geschlossen. „Keine Sorge!“ sagte er ruhig. „Versuche, mir alles der Reihe nach zu erzählen.“ Er brach ab; denn er hatte plötzlich den Metallklumpen in ihrer Hand berührt. „Was ist denn das schon wieder?“ fragte er befremdet. „Ich – ich weiß selbst nicht, was es ist“, gab sie endlich mit würgender Stimme zur Antwort. „Ich weiß nur, daß es mir die Kraft gab, den Einfluß dieses Volkes abzuschütteln und wieder normal zu denken. Du wirst doch nicht annehmen, daß das – vorher auch der Fall war?“ Erleichtert atmete er auf und grinste ein wenig. „Nein, natürlich nicht“, beruhigte er sie. „Du bist also nicht mehr die Prinzessin von BEKEL? Was hat das mit dem Steinbrocken zu tun?“ „Es ist sicherlich kein Stein, sondern Erz, und enthält irgendein Element oder Metall, das mir unbekannt ist. Dieser Klumpen hat das Wunder vollbracht. Glaube es mir doch!“ 114
Sie machte eine Pause. Nick gab keine Antwort. „Ich habe herausgefunden“, fuhr sie fort, „daß der hypnotische Einfluß fast völlig verschwindet, wenn ich ihn in der Hand halte. Das ist alles, was ich Dir sagen kann, Nick. Ich nehme an, es ist wichtig genug.“ Er strengte seine Augen, um ihr Gesicht sehen zu können. Es war aber zu dunkel. „Wo hast Du es her?“ fragte er kurz. „Aus einem Schiff, das oben gelandet ist. Die ganze Fracht besteht aus diesen Erzbrocken! Es ist eine ganze Menge.“ Nick dachte schweigend nach. Wenn Gaelys jetzt die Wahrheit gesagt hatte, dann wäre hier vielleicht ein Weg und ein Mittel, das Nebelvolk zu besiegen. Wenn dieses rätselhafte Metall – „Kannst Du mich aus dieser verfluchten Unterwelt herausführen?“ fragte er. Sie nickte. Das konnte er ja nicht sehen. „Ich denke, ja“, sagte sie langsam. „Aber wie bist Du überhaupt hier hereingekommen? Ich habe auch versucht, die Türe zu öffnen – allerdings ohne jeden Erfolg.“ „Ich habe eben auch eine Entdeckung gemacht!“ sagte er stolz. „Wenn Deine Willenskraft stark genug konzentriert wird, kannst auch Du gegen das Nebelvolk angehen. Ich nehme an, sie merken es gar nicht mal. Ja, und so bin ich aus meiner Zelle herausspaziert. Ganz einfach – wenn man es weiß!“ Sie immer noch bei der Hand haltend, ging er zu der Tür. Gehorsam folgte sie ihm. „Wohin werden wir uns wenden, wenn wir erst mal draußen sind?“ hauchte er, als hätte er Angst, man könnte ihn hören. „Ich möchte, daß Du mich zur Oberfläche bringst. Die Ladung jenes Schiffes interessiert mich nämlich.“ Wieder nickte sie, diesmal fester und entschlossener. Leider konnte es Nick wiederum nicht sehen. Durch die offen gebliebene Tür gelangten sie auf den Gang. „Nach rechts!“ sagte sie ruhig. „Ich werde Dich führen.“ 115
Nick ließ sie vorgehen, hielt sie aber fest bei der Hand. Die tollsten Gedanken und Kombinationen durchkreuzten seinen Kopf. Verschiedene vage Pläne wurden gemacht und genau so schnell wieder verworfen. Kurz entsann er sich des Mädchens, das bei Gaelys gewesen war. Was war mit ihr geschehen? Wohin hatte man sie verschleppt? Diese Frage jedoch mußte Zeit bis später haben. Er konnte die ganze Rettungsaktion nicht aufs Spiel setzen, um den berühmten Spatz in die Hand zu bekommen. Sicher und ohne zu zögern schritt Gaelys durch die schwarze, ewige Nacht der Unterwelt, Sie schien einen ausgeprägten Orientierungssinn zu haben. Ab und zu streifte Nick die Wand, oder ein vorstehender Stein schleifte an seinem Raumanzug vorbei. Doch unaufhörlich zog ihn das Mädchen weiter. „Hier müssen wir hochklettern“, wisperte sie plötzlich. „Ich habe die große Gartenhöhle umgangen, um nicht hindurchgehen zu müssen. Es befinden sich Steinsprossen in der Wand; sie führen zur Oberfläche. Kannst Du klettern?“ Nick grinste vergnügt vor sich hin. „Fang schon an!“ gab er zur Antwort. „Wo immer Du auch hingehst, Gaelys – ich werde Dir folgen!“ „Das glaube ich Dir schon!“ meinte sie, und ihre Stimme war etwas wärmer als bisher. Ein unzerreißbares Band der Freundschaft schien sie zu verbinden. Die sie beide bedrohende Gefahr konnte es nur festigen. Mühsam stiegen sie nach oben, Sprosse um Sprosse und Abschnitt um Abschnitt. Nick wußte nicht wie lange es dauerte. Er befand sich fortgesetzt in einem Zustand furchtbarster Spannung. Immer wieder blickte er nach unten, ob dort noch nicht das Licht aufglühte, das das Nahen eines Bekeliten anzeigte. Es geschah nichts. Endlich zogen sie sich das letzte Stückchen hoch, krochen 116
über den Rand hinweg und standen schließlich im dämmerigen Zwielicht der bizarren Felsenlandschaft. Nicht weit von ihnen entfernt schimmerte die Hülle der PTERELAS. Immer noch den Erzklumpen in der Hand haltend, schritt Gaelys weiter. Nick folgte ihr. Sie nahm Richtung auf den Frachter, der auf einem kleinen Plateau lag. In ihrem Herzen waren Furcht und Hoffnung. Nick konnte seine Neugier kaum bezähmen. Zu gerne hätte er schon jetzt den Metallbrocken untersucht. Seine Vorsicht ließ ihn jedoch warten. In der sicheren Umgebung des Schiffes war immer noch Zeit. Gaelys zeigte auf den glänzenden Stahlleib vor ihnen. „Das ist es! Vier Männer stiegen aus. Ich schickte sie hinab. Doch dann war meine Neugier größer als die Angst. Ich kletterte in das Schiff. Ja, und dort fand ich dann dies.“ Sie hob den Brocken ein wenig hoch. Nick verlor keine Zeit. Mit einem Satz stand er an der offenen Luke, drehte sich um und war dem Mädchen behilflich. Seit er in ihrer Nähe weilte, schien sich seine Willenskraft verdoppelt zu haben. Es war leichter für ihn, dem immer noch spürbaren Einfluß der Hypnose zu widerstehen. War es nun das Mädchen – oder der Klumpen in ihrer Hand? Beides! entschied er für sich. Damit hatte er allerdings immer noch keine Erklärung für seine von Anfang an vorhandene Fähigkeit, der Macht der Bekeliter erfolgreich entgegenzutreten. – Im Schiff angelangt, ging er zuerst zum Kontrollraum. Er durchsuchte alles, genau so, wie es zuvor Gaelys getan hatte. Dann begaben sie sich in den Laderaum. Ein einziger Blick auf den Haufen Erz und ein anderer auf den Klumpen in des Mädchens Hand genügten ihm. „Trenion!“ rief er aus, selbst völlig verwirrt. „Was ist das?“ fragte sie, ihn verwundert betrachtend. 117
Er hatte sich gefaßt und lächelte ihr zu. Zum ersten Male hatte er nun Gelegenheit, sie bei Licht in Ruhe zu betrachten. Das tat er dann auch gründlich. „Du bist noch schöner als auf dem kleinen Bildchen!“ sagte er. Eine feine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. „Was …?“ Nick unterbrach sie. „Trenion!“ Seine Stimme klang wieder ernst Seine Blicke ruhten auf ihrem Gesicht. „Trenion ist ein sehr seltenes und wertvolles Metall. Es wird nur auf ein oder zwei Satelliten in der Milchstraße gefunden. Man benötigt es in winzigen Mengen für das Triebwerk der Strahlprojektile. Unter anderem hat es die Eigenschaft, unaufhörlich an sich unschädliche ionisierte Teilchen auszustrahlen, die einen Schutzschirm bilden. Es ist also radioaktiv. Die Strahlen sind, wie ich schon sagte, ungefährlich – anscheinend aber nicht für die Bewohner dieser merkwürdigen Welt!“ Das Mädchen hatte sich wieder völlig erholt. Nicks Sicherheit und seine vertrauenserweckende Zuversicht schienen ihr Mut zu geben. „Du meinst also, daß dieses Metall, dieses Trenion, Strahlen aussendet, die die Hypnose der Bekeliter neutralisiert?“ fragte sie. „Das meine ich allerdings!“ bestätigte er. „Nun ist nur die Frage: Wie wenden wir unsere Entdeckung am wirksamsten an?“ Gaelys sah ihn überlegend an. Als er schwieg, machte sie einen Vorschlag. „Könnten wir nicht eine Anzahl der Erzbrocken mit hinunternehmen, um sie dort an die Menschen zu verteilen? Es müßte jeder von ihnen einen bekommen. Die Bekeliter hätten alsdann Macht und Kontrolle über sie verloren. Wir könnten diese Welt verlassen und TERRA warnen.“ 118
Gedankenvoll nickte er. „Sag mal – hast Du keinen Hunger?“ fragte er ziemlich übergangslos. Sie zögerte. Dann nickte sie ebenfalls. „Dann werden wir jetzt erst mal etwas essen, mein Kind!“ knurrte er befriedigt. „Ich bin nämlich schon halb verhungert.“ Er ging mit ihr zum Kontrollraum zurück und begann, seinen Raumanzug abzustreifen. Er sah ihr fragendes Gesicht und lachte. „Innerhalb des Schiffes scheinen wir vor den teuflischen Strahlen geschützt zu sein. Es ist ein wunderbares Gefühl, mal ohne den lästigen Anzug umherlaufen und außerdem wieder normal denken zu können. Ich habe die ernste Absicht, mich ein wenig zu erholen.“ Er hob die Augenbrauen. „Oder denkst Du etwa nicht so?“ Gaelys sank in einen der gepolsterten Sitze und blickte ihn unsicher an. „Doch – natürlich – nur –“, begann sie und gab sich einen Ruck. „Ich meine, wir müßten doch endlich etwas unternehmen, etwas Entscheidendes!“ „Das erste, was wir unternehmen werden, nachdem wir gegessen und das Schiff verlassen haben ist, daß Du einen Raumanzug anziehst!“ sagte er, indem er in den Lebensmittelvorräten wühlte und einige Konzentrate auswählte. „Du wirst Dir doch sicherlich schon überlegt haben, daß die Bekeliten nur ihren hypnotischen Schutz, den sie um Dich gelegt haben, fallenzulassen brauchen, um Dich innerhalb einer Sekunde zu töten. Sie werden das tun, sobald sie entdecken, daß Du abtrünnig geworden bist. Das ist also ein wichtiger Punkt!“ Er brachte triumphierend ein Paket angeschleppt, dessen Inhalt er auspackte. Einen der Würfel reichte er ihr hin. Gaelys aß ein wenig. Plötzlich sagte sie: „An sich ist es merkwürdig! Ganz bestimmt bin ich von so einem Schutzmantel umgeben, wie Du annimmst. Aber ich 119
kann unbehindert reden und essen. Ich bemerke ihn gar nicht. Es ist mir, als habe diese Welt für mich eine Atmosphäre.“ Nick grinste und betrachtet sie wohlgefällig. Sie war wirklich eine Schönheit. Das fremdartige Kleid stand ihr ausgezeichnet. „Aber er ist nun mal da – wenigstens noch!“ sagte er. „Ja, und nun wird es so langsam Zeit, daß wir etwas tun! Du hast recht! Wir müssen so viel von den Klumpen hinunterbringen, wie irgend möglich ist. Ich möchte auch einige Strahlpistolen und Stablampen nicht vergessen. Ohne diese Annehmlichkeiten der Zivilisation fühle ich mich in der finsteren Hölle dort unten nicht besonders wohl.“ Gaelys lächelte. „Ich glaube fast, die Sache beginnt, Dir Spaß zu machen.“ Ihre Blicke trafen sich. „Das machte sie jedem Manne, wenn er Dich bei sich hätte“, sagte er ernst. „Außerdem haben wir jetzt Waffen. Vorher waren wir doch hilflos diesen Schmarotzern ausgeliefert.“ Sie erzählte ihm kurz von Jonquil und erwähnte, daß diese ebenfalls ziemlich unempfindlich gegen die Massenhypnose gewesen sei. „Es geht ihr also so ähnlich wie Dir“, sagte sie. „Nur bei größter Nähe eines Bekeliten wurde sie hilflos. Du hast das ja selbst gesehen.“ Er nickte langsam. „Wenn ich nur wüßte, warum das so ist!“ murmelte er, während er aus der Lagerkammer des Schiffes einen Raumanzug zerrte. „Vorsicht ist besser als Nachsicht!“ meinte er dabei und half ihr hinein. Dann erst zog er seinen eigenen wieder an. Sie blickte ihm voll ins Gesicht und schien aufmerksam seine Züge zu prüfen. Er lächelte. „Du bewunderst wohl die Narben?“ Mit der Hand strich er sich die Haare aus der Stirn. 120
Gaelys wurde rot. „Unsinn, man sieht sie kaum!“ murmelte sie fast zärtlich. Nick starrte sie an. Sein Gesichtsausdruck hatte sich plötzlich verändert. Er griff nach ihrer Schulter und begann scheinbar sinnlos zu lachen. Sie erschrak und blickte ihn furchtsam an. „Warum lachst Du? Was ist denn da so komisch?“ Nick ließ sie los, trat einen Schritt zurück und lehnte sich gegen eine Sichtluke. Sein Lachen versiegte. Er wurde ganz ernst. „Komisch?“ echote er. „Nun, vielleicht! Ich bin gerade dahintergekommen,; warum ich dem Einfluß der Bekeliten nicht so schnell und leicht erlegen bin als alle anderen. Das ist die Lösung! Ja, natürlich!“ „Nun erzähle doch endlich!“ „Trenion!“ sagte er einfach. „Du schleppst einen ganzen Klumpen davon mit dir und bist immun, wenigstens so ziemlich. Ich habe auch immer etwas bei mir, nicht so viel allerdings, und auch nicht sichtbar.“ Er näherte sein Gesicht dem ihren. Sein Zeigefinger fuhr dabei in kleinen Kreisen über seine Haut und machte sie auf die vielen winzigen schwarzen Narbenpünktchen aufmerksam. „Siehst Du sie? Ich war einst Prospektor, als ich anfing. Ich befand mich damals auf BRINSKAEA 1, als sich die Explosion in einer Trenionmine ereignete, gar nicht weit von mir entfernt. Seitdem habe ich die Partikel dieses Elements in der Haut und werde sie bis zu meinem Lebensende nicht mehr loswerden!“ Sie sah ihn erregt und fassungslos an. Dann jedoch überzog ein glückliches Lächeln ihr Gesicht. „Nick!“ hauchte sie. „Welch ein segensreicher Unfall damals!“ Unverhofft schlang sie ihre Arme um den verdutzten Nick. „Wir – wir müssen uns beeilen – Gaelys.“ Er stotterte und brachte schließlich kein Wort mehr heraus. 121
Sie waren fertig. Nur die Helme mußten noch geschlossen werden. Er machte sich frei von ihr, nachdem er kurz ihre Lippen berührt hatte. „Also Trenion ist die Medizin, die uns der Arzt verschrieben hat!“ meinte er nach einer kleinen Pause. „Den Beweis haben wir nun doppelt. Na, ich glaube nun doch wieder fest daran, daß ich Dich gesund und heil Deinem Vater werde abliefern können.“ Sie bewaffneten sich mit einem halben Dutzend Strahlpistolen und befestigten starke Stablampen an ihren Gürteln. Dann betrachteten sie die Erzladung in dem Frachtraum des Schiffes. „Mehr als vier oder fünf Stück kann keiner von uns tragen“, sagte er. Als sie jedoch das Gewicht spürten, nahmen sie nur drei. Das war das Äußerste, was jeder von ihnen zu tragen vermochte. „Wenn wir erst mal im Freien sind, werden sie leichter sein, wegen der geringen Gravitation“, tröstete Nick sie. Es stimmte. Draußen schienen sie die Hälfte des Gewichtes verloren zu haben. Zuversichtlich schritten sie über die felsige Ebene der Schlucht zu und standen bald am Rande des schwarzen Abgrundes.
DIE SACKGASSE „Wir benötigen jetzt nur noch Glück, sonst nichts!“ sagte Nick flüsternd. „Selbst mit dem ganzen Trenionzeug in unseren Armen ist es möglich, daß wir unheilvoll genug von den Bekeliten beeinflußt werden können.“ In der nach oben strömenden Energie des mysteriösen Kraftfeldes sanken sie langsam schwebend nach unten und standen bald auf dem Grunde der Bodenspalte. Nick hatte nun viel mehr das Gefühl, einen wirklichen Menschen um sich zu haben, da Gaelys einen Raumanzug trug. Ihre 122
Umherlauferei ohne jeglichen Schutz war ihm schon immer unheimlich gewesen. Er überließ ihr die Führung. „Wohin?“ fragte sie ruhig. Sie konnte aber nicht vermeiden, daß eine gewisse Furcht in ihrer Stimme mitschwang. Trotzdem bewunderte Nick ihren Mut. Die Situation war alles andere als gemütlich. „Zum sogenannten Garten!“ gab er zur Antwort. „Ich möchte einige Männer aussuchen, die ich bewaffnen und mit Trenion versehen will. Aber mache, um Himmels willen, keinen Fehler! Nicht, daß wir den Bekeliten zu früh in die Arme rennen. Dann wäre alles verloren!“ „Ich werde schon vorsichtig sein!“ flüsterte sie. „Bleibe ganz dicht bei mir, Nick!“ „Darauf kannst Du Dich verlassen, mein Kind!“ Sie schlichen los, jeden Augenblick befürchtend, das schreckliche Licht eines Nebelwesens auftauchen zu sehen. Ohne jeden Zwischenfall erreichten sie den Eingang zum „Garten der Verdammten“. Die Tür öffnete sich. Eng standen sie nebeneinander und ließen ihre Blicke über die Menschen schweifen, die da umherstanden oder -saßen und sich gleichgültig unterhielten. „Anscheinend hat sich in der Zwischenzeit nichts Besonderes ereignet“, hauchte Nick. „Siehst Du übrigens irgendwo die Gebrüder Stevens?“ Wieder suchten sie die bizarre Landschaft ab und stellten nebenbei fest, daß sie von keinem hypnotischen Einfluß berührt wurden. Plötzlich stieß Gaelys ihn an und zeigte auf eine bestimmte Stelle. „Dort!“ sagte sie. „Sie reden gerade mit einigen anderen Männern. Siehst Du?“ „Ja – gut“, murmelte er, „Du bleibst hier. Ich werde gehen und sie holen. Rühre Dich nicht von der Stelle, was immer auch geschehen möge!“ 123
Sie drückte als Antwort seinen Arm und nickte ihm zu. Durch den Gashelm ihres Anzuges sah er deutlich ihr Gesicht und bemerkte ihr Lächeln. In ihren Augen lag ein Leuchten, das ihn jäh mit Freude erfüllte. Mit solch einem Mädchen an der Seite wollte er selbst den Teufel aus der Hölle holen, wenn es sein müßte. Nick straffte sich. Er warf ihr einen letzten Blick zu und schritt dann zu der Gruppe hinüber, bei der Ted und Jonny Stevens standen. Die beiden Männer sahen ihn kommen. Ted ging ihm mit müden, schleppenden Schritten entgegen. „So – da wären wir ja wieder!“ sagte er und grinste hilflos. „Ich habe mich schon gewundert, wo Sie geblieben sind.“ „Ich war inzwischen auf der Oberfläche“, sagte Nick mit harter Stimme. „Holen Sie schnell Ihren Bruder! Wir haben viel Arbeit und wenig Zeit. Los!“ Ted sah ihn mit schräggeneigtem Kopf an. „Oh“, murmelte er zögernd. „Was sollen wir anders tun – als warten?“ Nick bemerkte jedoch in den Augenwinkeln des anderen leichtes Interesse. Er preßte die Lippen aufeinander. Dann kam ihm die rettende Idee, weshalb er überhaupt hierhergekommen war. Na, reichlich spät! „Hier nimm das!“ sagte er und drückte dem widerstrebenden Ted einen Klumpen Trenion in die eine Hand. Ihn aus zusammengekniffenen Augen beobachtend, stieß er schließlich einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Züge des jungen Mannes veränderten sich nämlich plötzlich. Er straffte sich. Seine Augen blickten verwundert. Das Trenion war das Richtige! Jetzt hatte Nick den dritten Beweis für seine Theorie. Ted starrte Nick einige Sekunden lang schweigend an. Er warf einen suchenden Blick über seine Umgebung und ließ ihn 124
dann wieder auf ihm ruhen. Sein Ausdruck wirkte beunruhigt und gehetzt. „Was, zum Teufel, ist hier los?“ fragte er. „Ich habe das Gefühl, als ob ich von einem Traume erwachte.“ Er schüttelte den Kopf. „War da nicht so ein Mädchen, das ohne Raumkombination umherlief und etwas von der Eroberung der Erde erzählte, von einem Nebelvolk oder ähnlichem Unsinn? Warum wehren wir uns denn nicht?“ Seine Hand griff ungeduldig nach Nicks Arm. Dieser grinste. „Gut! Wird immer besser!“ sagte er langsam. „Hier, nimm den Ionenstrahler! Ted! Wir werden ihn noch brauchen. Nun schicke mir mal schnell Deinen Bruder her! Ich möchte auch ihn in die Kur nehmen!“ Ted winkte Jonny zu, der zögernd herangeschlendert kam. Nick legte ihm ohne viel Umstände einen Brocken in die Hand, und auch mit Jonny ging eine Veränderung vor sich. Merkwürdig, der gute Jonny schien noch viel ungeduldiger zu sein als sein Bruder. Außerdem – und das schien des Rätsels Lösung zu sein – machte er sich eine Menge Sorgen um ein Mädchen namens Jonquil. Nick verlor keine Zeit mehr, sondern führte sie zu der Stelle, an der Gaelys auf sie wartete. Auf dem Wege dorthin erklärte er den beiden kurz, was geschehen war. Als sie von dem Trenion hörten, waren sie gleich Feuer und Flamme für den Plan, soviel wie möglich nach unten zu bringen, um alle Gefangenen damit zu versorgen. „Was ist mit Jonquil?“ fragte Jonny unruhig. „Sie ist nun schon so lange verschwunden. Ich befürchte, es ist ihr etwas geschehen. Sie ging, um euch – um dich – zu finden, Nick. Wir hatten ihr erzählt, daß Du ziemlich immun gegen die Hypnose seiest. Ihr erging es ähnlich.“ „Man hat sie zu einem Verhör geholt“, informierte ihn Nick. 125
„Dann werde ich gehen, um sie zu suchen!“ sagte Jonny fest entschlossen. „Das Mädchen hat einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, sogar in der Hypnose!“ „Wir werden sie früh genug finden! Keine Sorge!“ beruhigte ihn Nick. „Aber wir dürfen nichts überstürzen und kein Risiko eingehen, bevor wir nicht wenigstens noch diese beiden Erzbrocken verteilt haben.“ „Und die Strahler!“ warf Gaelys ruhig ein. „Obwohl ich fast annehme, daß sie nicht viel Schaden anrichten werden – gegen diese gasförmigen Lebewesen. Ja, hätten wir einen Gegner aus Fleisch und Blut!“ „Das ist auch noch so ein Problem, das mir Sorgen bereitet“, nickte Dannert. „Jedenfalls werden wir kämpfen, wenn man uns dazu zwingt! Im Augenblick wäre es am wichtigsten, einige der Leute hier zurück auf die Schiffe zu bekommen.“ Er sah sich suchend um. Sein Blick fiel auf einige Besatzungsmitglieder der Weltallpatrouille. Er nahm Gaelys die beiden Brocken aus der Hand und ging auf sie zu. Ohne ein einziges Wort zu sagen, schob er den beiden Männern, die ihm am nächsten standen, die zwei Brocken in die Hände und wartete. Die Wirkung trat augenblicklich ein. Nick klärte sie schnell auf, und ohne Zeit zu verlieren, folgten sie ihm in den dunklen Gang jenseits der Tür, wohin sich die anderen bereits zurückgezogen hatten. Zufrieden mit dem bisher Erreichten traf Nick schnell seine Anordnungen. Gaelys sollte Ted und die beiden Neuen zu dem Frachter an der Oberfläche führen und mit ihnen so viel von dem Trenion hertransportieren, wie ihnen möglich war. In der Zwischenzeit wollte er mit Jonny, der immer ungeduldiger wurde, versuchen, Jonquil zu finden und zu befreien, ohne daß die Bekeliten etwas davon merkten. 126
„Ich glaube“, sagte Gaelys, „ich weiß, wohin man sie gebracht hat. Laßt euch einen Augenblick Zeit; dann beschreibe ich euch die Lage. Aber ihr werdet leider eure Lampen benötigen, sonst findet ihr den Weg nicht.“ Nick wartete und hörte sich aufmerksam die Anweisungen des Mädchens an. „In Ordnung!“ sagte er dann. „Ich werde das finden. So, und nun geht los! Hier, an dieser Stelle, werden wir uns wieder treffen! Solltet ihr vor uns das ein, kommt uns suchen! Aber verteilt vorher das Trenion – das ist wichtig!“ Dann trennten sie sich. Jede Gruppe machte sich auf ihren Weg. Nick wandte sich noch einmal um und winkte Gaelys zu, die sich in diesem Augenblick ebenfalls umdrehte. Dann verschwand sie um eine Biegung des Ganges. „Gebe der Himmel, daß wir uns wiedersehen!“ murmelte er. Gaelys’ Beschreibung folgend, stellten sie fest, daß das Finden des Weges viel leichter war, als sie vermutet hatten. Der blendende Schein der Lampen erhellte die Unterwelt. Hinter dem Licht war die Finsternis dafür um so schwärzer. Nach einer langen, unheimlichen Wanderung erreichten sie eine Gabelung. „Stimmt!“ war alles, was Nick sagte. Er wußte, daß sie nun links einbiegen mußten. Gerade wollten sie abzweigen, als in dem Dunkel des rechten Ganges das geisterhafte Licht eines Nebelwesens aufzuglühen begann. Schon konnten sie die Formen erkennen. Der Bekelite schwebte, langsam und ärgerlich hin und her wirbelnd, auf sie zu. Gleichzeitig fühlten Nick und Jonny wieder jene gräßliche Angst über ihren Rücken kriechen. Die Gewalt der Hypnose war ungeheuer groß. Selbst das Trenion nutzte ihnen auf solch einen kurzen Abstand nicht allzuviel. Jonny wurde unsicher und blieb stehen. Sein eigener Wille schien zu schwinden. Entsetzt starrte er auf das näher kommende Gespenst. 127
Nick, der widerstandsfähiger war, hielt ebenfalls an und drehte sich um. Aber er streckte dem Bekeliten in einer plötzlichen Eingebung den Brocken strahlenden Elementes entgegen. Gleichzeitig brachte er seine Waffe in Anschlag. „Ruhig!“ stieß er aus. „Stehenbleiben!“ Er meinte Jonny, der Anstalten machte, dem Nebelwesen entgegenzugehen, das näher und näher kam, wie ein Geist durch den Raum schwebend. Jonny schien nicht zu hören. Er wollte davonstürzen. Nicks starker Arm hielt ihn fest. Wütende Gedanken flossen in Nicks Gehirn. Das Wesen vor ihm verlangte zu wissen, warum und wie er entflohen und was mit der Prinzessin von BEKEL geschehen sei. Nick zwang sich, die einschleichenden Worte zu ignorieren. Es war schwierig, gelang ihm aber. Der Bekelit kam immer näher. Nick begann zu befürchten, daß er bei noch größerer Annäherung der Hypnose erliegen könnte. Es mußte etwasgeschehen. „Los! Den einen Gang entlang! Laufe!“ Er zog Jonny mit sich und stellte fest, daß der Feind zögerte. Unbeirrbar schritt er weiter, Jonny mit sich ziehend, der sich nun nicht mehr sträubte. Bald mußten sie die Stelle erreichen, an der die Tür zu Jonquils Zelle war – wenn Gaelys sich nicht geirrt hatte! Der Lichtschein folgte ihnen wieder. Furchtbare, drohende Gedanken fraßen sich durch die kleinen Windungen bis zu Nicks Gehirnzentrum hindurch. Er war dem Wahnsinn nahe, hielt jedoch stand. Wie lange wohl noch? Trotz allem war er noch in der Lage, die zurückgelegten Schritte zu zählen und Jonny mit sich zu ziehen. So erreichte er die Stelle, wo die Tür sein mußte. Gleichzeitig stellte er fest, daß er kaum die nötige Konzent128
ration aufbringen konnte, um die Tür zu öffnen. Zuerst mußte das Nebelwesen verschwinden – egal, wie! „Wir müssen es verjagen!“ sagte er zu Jonny. Dieser grunzte nur etwas Unverständliches vor sich hin. „Denke daran, daß Jonquil in Gefahr ist!“ schnappte Nick wütend, während er die Lampe anknipste. Mit der einen Hand hielt er Jonny fest. Dann wandte er sich um und stellte befriedigt fest, daß das Rauchgebilde den alten Abstand eingehalten hatte und zögerte. „Denke an Jonquil!“ drängte er. „Strecke Deine Hand mit dem Trenion aus. Dann nichts wie drauf auf das Biest.“ Wie im Traume gehorchte Jonny. Die beiden Männer hielten die Erzbrocken vor sich und rannten auf den Feind zu. Ein freudiger Schreck durchzuckte Nick. Der Bekelite vor ihnen schwankte, schwebte einige Male auf und nieder und wich dann langsam zurück. Jonny schien angesichts dieser Tatsache neuen Mut zu schöpfen. Er schrie laut einige unverständliche Worte, erhob seine Waffe und drückte den Abzug. Doch der grellviolette Strahl konzentrierter Atomenergie richtete keinen sichtbaren Schaden an. Er drang durch den Nebel und traf auf die Felswand, die sogleich zu glühen begann. Der Bekelite wurde kein Staubhäufchen, wie es jede andere Kreatur geworden wäre. Er wich nur weiter zurück. Die Männer folgten ihm. Plötzlich steckte Jonny seine Waffe ein und zog die Lampe aus dem Gürtel. „Ich habe eine Idee!“ sagte er. „Wenn wir einen der Trenionbrocken in die Mitte des Ganges legen, wird das Wesen auf der anderen Seite stehenbleiben.“ Nick war von der Einfachheit der Lösung so überrascht, daß er sogleich stehenblieb. Natürlich! Da hätte er aber auch selbst daraufkommen können! „Einverstanden!“ gab er zur Antwort. „Gehen wir zur Zelle zurück und lassen einen Klumpen als 129
Strahlenschild liegen. Der Bekelite bleibt immer so an die fünf Meter von ihm weg.“ Als sie langsam wieder zurückgingen, folgte ihnen das unheimliche Wesen. Der Abstand blieb gleich. Dann bückte sich Nick und legte seinen Brocken Trenion auf den Boden. Sie waren nicht mehr weit von der Zellentür entfernt. Obwohl die Männer ihren Weg fortsetzten, verharrte das Wesen an seinem Platze. „Es klappt!“ stellte Jonny fest. Ohne ein Wort zu verlieren, suchte Nick die Tür und machte sich daran, sie nach der erprobten Methode zu öffnen. Er war sich nicht ganz sicher bei der Sache. Ohne seinen Klumpen fühlte er den Einfluß der Hypnose viel besser und wurde abgelenkt. Trotz allem gelang es! Langsam glitt die Wand zurück. Wenige Sekunden später rief er Jonquils Namen. Als diese aus dem dunklen Raum in die Helligkeit des Lampenscheines trat, sahen die beiden Männer, daß ihr Gesicht vor Angst und Schrecken entstellt war. „So, nun ist alles gut!“ tröstete Nick. „Beruhigen Sie sich! Sie sind gerettet! Übrigens – ich bin Nick Dannert. Ich glaube, Sie hatten mich gesucht. Nun wollen wir möglichst schnell von hier verschwinden. Ihre Befreiung ist nicht unbemerkt geblieben. Wir haben jedoch ein Mittel entdeckt, mit dem man diesem Gespenstervolk zu Leibe rücken kann. Noch eines: Gaelys ist in Sicherheit.“ – In der Zwischenzeit hatte sich jenseits des Trenionbrockens allerhand getan! Jonny hatte es beobachtet ‚Er wandte sich ihnen zu und schnappte nach Luft. „Sie blockieren den Gang! Ich fühle, daß der verdammte Druck immer stärker wird. Seht doch nur!“ 130
Nick blickte hinüber und biß sich auf die Lippen. Wo vorher nur ein einziges Nebelwesen gewesen war, wirbelten nun mehr als ein Dutzend hin und her. Sie blieben immer noch hinter dem Brocken strahlenden Erzes, kamen aber schon näher heran. „Das Luder hat Verstärkung herbeigerufen!“ murmelte Nick und versuchte, seiner Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben. „Wie sollen wir nur an denen vorbeikommen?“ fragte Jonny und rief nach einer kurzen Pause aus: „Nick, sie versuchen mir zu befehlen, ich solle zu ihnen kommen. Halte mich fest, sonst muß ich – ich muß einfach?“ Gerade noch zur rechten Zeit griff Nick zu. Mit der anderen Hand umschlang er Jonquil, die ebenfalls von dem gebieterischen Willen erfaßt wurde und blindlings in die Gefahr rennen wollte. Er mußte seine ganze Willenskraft aufbieten, um die beiden zu halten und gleichzeitig gegen die Hypnose anzukämpfen. Er erlahmte allmählich und fühlte, daß der Gegner stärker wurde. Langsam, aber sicher gewannen die Bekeliten die Oberhand. „Zurück! Zum Teufel, zurück!“ brüllte er verzweifelt und begann, seine Schützlinge in die Verlängerung des Ganges zu ziehen. Hinter dem rettenden Erzstück versammelten sich mehr und mehr der häßlichen Gespenster. Sie drängten sich auf einen Haufen zusammen. Es war Nick klar, daß sie – sobald es ihnen gelänge, das Hindernis zu überwinden –, ungeachtet ihres letzten Klumpens Trenion sie einholten und überwältigten. Plötzlich spürte er hinter sich ein festes Hindernis. In wildem Schrecken drehte er sich um und wußte sofort, daß – sie verloren waren. Der Gang war zu Ende! 131
Sie waren in eine Falle geraten. Jonquil erschauerte unter seinem Griff, während Jonny wie unter einem Alpdruck stöhnte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, fühlte sich Nick schwächer und schwächer werden. Der drohende Wille und die Gewalt des Feindes aber wurden immer mächtiger und intensiver. Sie hielten nun unmittelbar vor dem Brocken. Jeden Moment konnten sie über ihn hinwegschweben. Von hinten drückte die ganze Masse der andrängenden Verstärkung nach. Wenn das geschah, dann konnte nichts mehr die drei hilflosen Menschen retten, die eng zusammengerückt am Ende der unterirdischen Sackgasse standen.
VERNICHTUNG Schon schwanden Nick fast die Sinne unter der gewaltigen Beanspruchung seiner Kräfte. Jonny, ohne jegliche eigene Abwehrkräfte, hing willenlos in seinen Armen. Jonquil, obwohl ein wenig widerstandsfähiger, war in der gleichen Verfassung. Verzweifelt begann Nick zu beten, als er bemerkte, daß einige der furchtbaren Feinde das Hindernis überquert hatten. Nun konnten sie in jedem Moment angreifen. Dann wäre es aus mit ihnen. Noch schneller, als er es befürchtete, geschah es. Mit einem hörbaren Kreischen – oder waren das nur die überreizten Nerven? – stürmten die Nebelwesen plötzlich auf die drei Menschen zu. Jonquil schrie entsetzt auf und preßte sich an Nick heran. Jonny war auf die Knie gesunken und hatte den Kopf ergeben gesenkt. Kurz bevor sie heranwaren, raffte Nick seine letzte Willensreserve zusammen. Er ließ Jonquil und Jonny einfach los, schrie in seiner Furcht 132
und Angst laut auf und wirbelte den letzten Brocken Trenion, den er aus Stevens Händen genommen hatte, in die Gesichter der auf sie eindringenden Feinde. Die Bekeliten schwankten und wichen zurück, soweit es die Wände des Ganges erlaubten. Die Galgenfrist war nur kurz. Nick hatte zu fest geworfen. Der Klumpen flog zu weit. Er landete nicht weit entfernt von der Stelle, an der sich die Tür zu Jonquils Zelle befunden hatte. Dann kamen sie wieder, Welle auf Welle der geisterhaften Gestalten, eng beieinander, kaum einen freien Raum zwischen sich lassend. Nick verlor die Kontrolle über seinen Verstand. Seine Augen wurden starr. Alle Logik verlor sich in einem unentwirrbaren Chaos. Jetzt fielen sie über ihn her. In diesem Moment aber glaubte Nick einen lauten Schrei zu hören. Neuer Schrecken erfüllte ihn. War das eine andere Gefahr? Mit letzter Anstrengung hob er den Kopf. Er versuchte, das Dämmerlicht mit seinen Blicken zu durchdringen. Durch die Bekeliten hindurch sah er einige Schatten, einige hin und her tanzende Lichter. Er begriff nicht sogleich. Der Schrecken des Todes steckte ihm noch zu sehr in den Knochen. Aber plötzlich waren die Nebelschwaden vor ihm verschwunden, waren einfach nicht mehr da. Erschöpft lehnte er sich gegen die Wand. Neben ihm hockten, halb besinnungslos, Jonny und das Mädchen. Mit verschleierten Augen sah er Gaelys und Ted Stevens, die sich an der Spitze einer Gruppe von Männern näherten. Alle hielten einen Trenionklumpen in der Hand. Nick hatte gerade noch Gelegenheit, den letzten der Bekeliten in Jonquils ehemaliger Zelle verschwinden zu sehen. Einige Erzstücke wurden vor die Türschwelle gelegt. Sie waren gefangen! 133
Noch bevor er sich richtig erholt hatte, war Gaelys schon bei ihm und stieß eine Seufzer der Erleichterung aus. „Ich – ich habe schon gedacht, wir kämen zu spät!“ stieß sie atemlos hervor. „O Nick – ich wäre gestorben, wenn es so gewesen wäre!“ Nick blickte zärtlich auf sie hinunter. Die Lampen ließen ihn einige Tränen erkennen, die an ihren Wimpern hingen. „Das ging alles so schnell!“ sagte er. „Ich werde es erst später begreifen. Doch wir wollen so schnell wie möglich von hier verschwinden. Vielleicht sind da noch mehr Bekeliten, die auf uns warten.“ Jonquil und Jonny hatten sich inzwischen ebenfalls erholt und schlossen sich den anderen an. Schnell eilten sie durch die finsteren Gänge, die nun rücksichtslos von den Lampen erleuchtet wurden, zum Versammlungsplatz aller Gefangenen, zum „Garten der Verdummten“. Während des Gehens unterrichtete Gaelys Nick davon, daß sie gut die Oberfläche und das Schiff erreicht und eine Menge Trenion nach unten gebracht hatten. Es sei noch mehr davon unterwegs. Bevor sie sich auf die Suche nach ihm machte, habe sie einige Ingenieure zu den Schiffen geschickt, um diese startbereit machen zu lassen. „Werden diese lebenden Rauchfetzen bleiben, wo wir sie eingesperrt haben?“ fragte Nick ein wenig beunruhigt. „Schließlich bestehen sie aus keinem soliden Stoff. Ich glaube kaum, daß die Felswände sie halten werden. Sie hassen das Trenion aus einem bestimmten Grunde, werden von ihm aber nicht völlig geschlagen.“ Gaelys konnte auf Nicks Worte nichts erwidern. Einer der sie begleitenden Männer wandte sich an ihn und bestätigte seinen Verdacht. Er hatte noch einen letzten Blick in jene Zelle geworfen und festgestellt, daß sämtliche Bekeliter daraus verschwunden waren. 134
„Das bedeutet also, daß sie uns an einer anderen Stelle erneut auflauern können“, murmelte Nick wenig erbaut. „Ich werde erst dann ganz beruhigt und zufrieden sein, wenn wir uns endlich an Bord der Schiffe befinden und wenn die Strahltriebwerke wieder funktionieren werden.“ Schnell und ungehindert erreichten sie den „Garten“ und sammelten die restlichen Leute um sich. Zwar standen sie trotz des Trenions immer noch etwas unter dem Einfluß der Hypnose, aber es gelang Nick und Gaelys, sie alle bis zu dem Aufstieg zur Oberfläche zu bringen. Fast die Hälfte von ihnen war auf dem Wege nach oben, als eine neue Hiobsbotschaft eintraf. Die Macht von BEKEL wurde noch einmal ungeheuer stark. Die Nebelwesen machten anscheinend einen letzten Versuch, die Flucht zu verhindern. Nick und Gaelys waren als Rückendeckung bis zuletzt auf dem Grunde der Spalte geblieben, als ein Mann, der schon lange vorher zur Oberfläche geschickt worden war, mit verstörtem Gesicht zurückkehrte. „Was ist los?“ wollte Nick wissen. Aus den Zügen des Mannes las er Gefahr und Verwirrung. Irgend etwas war passiert! „Keines der Triebwerke arbeitet!“ kam die entsetzte Antwort. „Die Luken bekamen wir auf, aber die fünf Schiffe sind wertlos.“ Nick schloß für einen Augenblick die Augen. Eine Welle der Enttäuschung schlug über ihm zusammen. Die Luken hatte man mit der selben Methode zu öffnen vermocht wie die unterirdischen Zellentüren. Nun jedoch versagten die Maschinen! „Geht wieder nach oben!“ sagte er gedehnt. „Sobald hier unten alles klar ist, komme ich auch. Dann werden wir sehen!“ Gaelys ergriff seinen Arm, als der Ingenieur wieder hochgeklettert war. „Was sollen wir nur machen?“ stieß sie hervor. 135
„Der Teufel soll mich holen, wenn ich das selbst weiß!“ fluchte er. „Wir dürfen nicht nachlassen, bis dieses gefährliche Wespennest völlig vernichtet ist. Wie wir das anstellen sollen, das ist auch mir noch ein Rätsel!“ „Ich habe Angst! Komm, wir klettern nach oben. Es ist keiner mehr da.“ Nick zuckte mit den Schultern und überlegte. „Selbst wenn wir den Planetoiden nicht verlassen könnten, müßte es eine Möglichkeit geben … Ja, komm! Wir wollen nach oben gehen!“ So schnell wie möglich arbeiteten sie sich an den kleinen Sprossen in die Höhe. Es kam Nick merkwürdig vor, daß von den Bekeliten keine Spur zu sehen war. „Ich habe so das Gefühl, als konzentrierten sie ihre ganze Energie jetzt nur noch auf die Maschinen der Schiffe“, murmelte Nick vor sich hin. Sie gab keine Antwort. Nick fuhr fort: „Sie sind noch viel gefährlicher, als ich zunächst angenommen hatte. Sie sind die gräßlichste Bedrohung unseres Sonnensystems, die ich mir vorstellen kann. Und noch etwas!“ Er warf ihr einen Seitenblick zu, während sie sich dem oberen Rande der Spalte näherten. „Sie halten mich davon ab, Dich nach Hause zu bringen!“ vollendete er seinen Gedankengang. Gaelys vermied geflissentlich, seinem Blick zu begegnen. Er hörte jedoch deutlich ihren Atem heftiger gehen. Sie sagte leise: „Sie halten uns auch davon ab, die Erde zu warnen! – Nick, Du mußt einen Weg finden, wie wir sie besiegen können!“ „Warte nur so lange, bis ich herausgefunden habe, warum die Maschinen nicht funktionieren!“ sagte er, während sie über den Rand hinwegkletterten und nun auf dem felsigen Boden unter dem freien Sternenhimmel standen. Jonny und Jonquil kamen ihnen schon entgegen. „Was gibt es an Neuigkeiten?“ fragte Nick drängend. 136
„Unsere einzige Hoffnung liegt bei dem Frachter, der das Trenion herbrachte“, gab Jonny zur Antwort. Er hielt in jeder Hand einen Klumpen des so wertvollen Metalles und hatte sich auch noch einige in den Gürtel geschoben. Der immer noch spürbare Einfluß der Bekeliten machte ihm nun anscheinend nichts mehr aus. Jonquil jedoch war ohne jeden Trenionschutz. Sie war dennoch völlig frei von irgendwelcher Beeinflussung. Wiederum zerbrach sich Nick den Kopf, woher das wohl komme. „Hast Du wirklich keine Erklärung dafür?“ fragte er Jonny, nachdem er keine Antwort finden konnte. An seiner Stelle antwortet Jonquil selbst. „Ich habe mir schon während der ganzen Zeit Gedanken darüber gemacht – leider ohne jeden Erfolg. Dann sah ich das Trenion, und da kam mir die Erleuchtung! Hier –“ Sie brach ab und legte die eine Hand flach auf ihre Brust, die von dem Raumanzug eng umschlossen wurde. „Hier trage ich ein Medaillon aus Trenion, das mir einst ein Freund schenkte. Aus Sentimentalität habe ich es immer bei mir. Es scheint, daß das sehr nützlich ist.“ Nick grinste vor sich hin, während sie schnell auf das Schiff zuschritten, das ihm von Jonny als das erfolgversprechendste empfohlen worden war. Sehr bald erreichten sie es. Eine neue Enttäuschung wartete auf sie – eine der schlimmsten, die sie bisher erlebten. Aus einer der Menschengruppen trat Ted Stevens zu ihnen. Sein Gesichtsausdruck war ernst und verzweifelt. In seiner Hand hielt er schußbereit eine der vernichtenden Strahlpistolen. „Nick, Du mußt etwas tun!“ sagte er. „Die Lage ist sehr schlecht. Sie wird sich verschlimmern, wenn wir nicht dagegen einschreiten.“ Während er sprach, warf er einen Blick über seine Schulter zurück und zeigte auf eine Gruppe von Männern, nicht weit von ihnen entfernt. „Einige von ihnen sind zu 137
schwach, um den Drohungen der Bekeliten widerstehen zu können, obwohl sie Trenion in den Händen halten.“ Hastig eilten alle auf die Gruppe zu, das Schlimmste befürchtend. Dann sahen sie es! Eines der Besatzungsmitglieder der ARTEMIS hielt eine Waffe in der Hand und bedrohte acht andere Raumfahrer damit, die mit ängstlichen und schreckerfüllten Gesichtern versuchten, zu der gefährlichen Spalte zurückzukehren. Sie näherten sich der feuerbereiten Strahlpistole. Mit einem Blick hatte Dannert die Lage übersehen. „Treibt sie an Bord der ARTEMIS!“ rief er laut. „Dort ist am meisten Platz. Sie ist leicht zu erreichen. Schließt sie ein!“ Ted, Jonny und er selbst beteiligten sich an der Aktion. Bald hatten sie die Leute bis zu der glänzenden Hülle des Schiffes getrieben. Da versuchte einer der Hypnotisierten auszubrechen. Es gelang Nick, ihn gerade noch am Ärmel zu erwischen. Heftig schleuderte er ihn in die Gruppe zurück. Das war noch mal gutgegangen, ohne daß man die Waffe benötigte! Endlich hatte man sie an Bord gebracht. Nick schloß sie in eine der Kabinen ein und stellte einen Bewaffneten als Wache davor. So schnell ihn seine Beine trugen, kehrte er zu dem Frachter zurück. Er traf Ted im Inneren des Schiffes. Er kam soeben aus dem Triebwerkraum. „Ich kann keinen Fehler finden“, grunzte er enttäuscht. „Die Düsen arbeiten sogar, aber nur mit einem Viertel der normalen und nötigen Kraft. Wenn wir die Energie nicht vergrößern können, ist ein Start unmöglich!“ Nick öffnete seinen Helm. Das Schiff war immer noch mit Atmosphäre gefüllt. Er blickte finster vor sich hin. „Was ist mit den anderen Schiffen los?“ fragte er. „Sie rühren sich überhaupt nicht!“ gab er zur Antwort. „Ich 138
habe die Meldung erst vor wenigen Minuten erhalten. Selbst unsere gute CALIOPE gibt keinen Muckser von sich. Was sollen wir nun machen, Nick?“ Dieser gab keine Antwort. Er begab sich zum Kontrollraum, wo er den Piloten des Frachters vorfand, der es nicht begreifen konnte, daß sein Schiff nicht startbereit war. Gaelys und Jonquil waren ebenfalls da. Jonny, hatte sich zur CALIOPE begeben. „Ist Ihr Kahn bestückt?“ fragte Nick den Kapitän, einen Mann von TERRA namens Brown. „Nur die gewöhnlichen Strahlkanonen im Zug des Schiffes“, gab dieser Bescheid. „Aber damit kann man gegen diese merkwürdigen gasförmigen Lebewesen nichts ausrichten, soweit ich gehört habe.“ „Unter normalen Voraussetzungen nicht“, murmelte Nick vor sich hin. Sein Blick blieb auf Gaelys hängen. Der Beginn eines Lächelns zeichnete sich auf seinen Zügen ab. „Ich habe eine ganz vage Idee“, sagte er langsam. „Laßt mir ein wenig Zeit, dann werde ich –“. In diesem Moment glühte der Lichtschirm über der Instrumententafel auf. Er war wohl bei der Landung nicht abgestellt worden. Alle drehten sich erstaunt um und erblickten das besorgte Gesicht Jonnys, der sich an Bord der CALIOPE befand. Nick schritt vor und drehte an den Knöpfen. „Was gibt es?“ verlangte er zu wissen. Er wunderte sich, daß der Fernseher wieder arbeitete. Jonnys Stimme kam klar durch. Wenn auch die UltraLangwelle nicht funktionierte, so klappte die Funkverbindung des Radar anscheinend doch wieder. „Du mußt Dich beeilen, Nick! Wir sind sonst verloren! Eines der Nebelwesen schwebt gerade aus der Spalte an die Oberfläche. Wenn sie in Massen erscheinen, haben sie vielleicht genügend Kraft, um uns alle wieder in ihre Unterwelt hinabzuholen.“ „Verflixt!“ Nick entsann sich, daß das Schiff der beiden Pro139
spektoren in der Nähe der Spalte lag und Jonny somit einen guten Überblick hatte. „Bleibe mit uns in Verbindung!“ rief er Jonny zu. „Ich bin in wenigen Minuten dort.“ Er wirbelte herum und fragte den Kapitän des Frachters: „Wieviel Trenion haben Sie an Bord?“ „Viertausend Brocken! Warum?“ „Nehmen Sie sich sofort zwei Ihrer Leute, und bringen Sie mir wenigstens 50 Brocken nach draußen! Schnell!“ „Erkläre uns doch …!“ warf Gaelys ein; aber Nick unterbrach sie. „Wenn wir die Spalte mit den Trenionbrocken einsäumen, können wir sie wieder eine gewisse Zeit aufhalten. Bis dahin sind wir fertig.“ Noch während er sprach, schloß er seinen Helm und stieg in die Druckkammer. Gaelys folgte ihm, nachdem sie sich soviel Trenion genommen hatte, wie sie tragen konnte. Die beiden Männer des Kapitäns begannen auch schon mit ihrer Arbeit. Als Nick und Gaelys die Kammer schließen wollten, brachte der Kapitän eine neue Nachricht von Jonny. Immer mehr Nebelwesen quollen aus der Spalte an die Oberfläche empor. Eilig verließen sie das Schiff und stiegen den kleinen Hügel hinauf, der sie von dem verhängnisvollen Abgrund trennte. Alle anderen Raumfahrer hatten sich in die verschiedenen Schiffe geflüchtet. Gaelys hielt sich dicht bei Nick, obgleich diesem wohler gewesen wäre, wenn er sie in der Sicherheit des Frachters gewußt hätte. Das Mädchen fühlte sich jedoch verpflichtet, bei dem Manne zu bleiben, der hierhergekommen war um sie zu retten, und den sie – liebte. Wohin er ging, dahin wollte sie ihm folgen. Hatte er das nicht schon einmal selbst gesagt? Als sie in Sichtweite der Spalte kamen, hielten sie entsetzt an. Selbst Nick fühlte, wie sich seine Haare sträubten, als er die unheimliche Menge der wirbelnden und hin und her schweben140
den Nebeldecke sah. Es schien, als ob ein Sturm sie durcheinandertriebe. Einige von ihnen umschwärmten die PTERELAS, andere wiederum näherten sich tanzend der CALIOPE. Jonny war allein an Bord! „Komm!“ sagte Nick. „Wir müssen versuchen, sie mit dem Trenion zurückzutreiben. Dann kreisen wir sie mit den Metallbrocken ein.“ Er warf einen Blick zurück und bemerkte die beiden Männer, die schwer an ihrer Last zu tragen hatten. Durch den wieder arbeitenden Sprechfunk rief er ihnen zu, sich zu beeilen. Dann schritt er mit dem Mädchen auf die Bekeliten zu. Im Halbdämmer des Zwielichtes boten die durchsichtigen Geistergestalten einen unheimlichen und unirdischen Anblick. Seltsam war es, daß man die bizarre Landschaft durch sie hindurch erkennen konnte. „Wie entsetzlich!“ stöhnte Gaelys. „Ob es uns gelingt?“ „Schlage ein Kreuz!“ schlug er vor, als sie sich den ersten Feinden näherten. Trotz ihrer Last spürten sie die starke Kraft, die von ihnen ausgingen. Sie mußten alles aufbieten, um ihr nicht zu erliegen. Es gelang ihnen auch. Langsam, aber sicher wichen die Bekeliter vor den unsichtbaren Strahlen des rettenden Elementes zurück. Schon waren die beiden Schiffe wieder frei. Nun kamen die zwei Männer mit ihrer Last und bildeten somit eine beachtliche Verstärkung. Mehr und mehr näherten sich die Bekeliter dem Rande des Abgrundes. „Wir schaffen es!“ murmelte Nick. „Kommt weiter, kommt! Diesen Kampf werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen!“ Dann kam der Augenblick, da auch das letzte der entsetzlichen Lebewesen im Dunkel der Spalte verschwunden war. 141
Nick stieß einen lauten Triumphschrei aus. Er gab Anweisung an die Leute, rund um die Spalte in einem gewissen Abstand die Trenionbrocken hinzulegen – in der stillen Hoffnung, daß dies der einzige Ausgang aus der höllischen Unterwelt sein werde. Er dachte daran, daß die Bekeliten vielleicht durch den festen Fels dringen konnten, aber doch sicher nur in beschränktem Maße. Als die Brocken alle lagen, zogen sie sich ein wenig zurück und warteten gespannt, was geschehen werde. Es geschah nichts. Keiner der Feinde erschien. Nick ging wieder bis an den Rand der Spalte und warf einen Blick hinunter. Dort wimmelte es von Bekeliten! Er legte die Erzbrocken näher an den Rand, so daß sie nur wenige Zentimeter davon entfernt lagen. Dann kehrte er zu den anderen zurück. „So, ich glaube, nun sind wir ziemlich sicher vor ihnen!“ sagte er. Die beiden Männer gingen zu dem Frachter zurück, während Nick und Gaelys zur CALIOPE hinübergingen, um nach Jonny zu sehen. Die Luke der CALIOPE öffnete sich. Jonny gratulierte ihnen zu dem grandiosen Sieg. Nick schüttelte den Kopf. „Noch nicht! Erst müssen wir herausfinden, wie wir von diesem verfluchten Planetoiden entfliehen können“, sagte er. „Außerdem dürfen wir diese Gegend nicht eher verlassen, bis wir ganz sicher sind, daß die Bekeliten keinen Schaden mehr anrichten können, auch wenn wir schon weg sind.“ Jonnys Stirne war von Falten durchzogen. „Ich weiß nicht, wie Du das anstellen willst“, meinte er. „Wir sollten froh sein, wenn wir überhaupt von hier wegkommen!“ Hilflos zeigte er auf die toten Instrumente der CALIOPE. „Sie sind genau so tot wie ein Sargnagel!“ gab er düster bekannt. 142
Nick Dannert nickte. „Wir schwimmen alle in demselben Boot. Aber ich habe eine Idee. Wenn Du den Frachter, in dem das Trenion ist, plötzlich gen Himmel brausen siehst, dann mache Dir keine Sorgen! Ich werde schnell zurückkommen.!“ „Wenn es nur klappen wollte!“ knurrte Jonny. „Übrigens schicke mir doch bitte Ted und Jonquil herüber, wenn sie Lust dazu haben.“ Nick grinste unverschämt. „Du bist mächtig scharf auf sie, was?“ fragte er. Gaelys lächelte verstehend. Jonny wurde rot und sagte: „Hm – also, dann macht es gut! Ich warte hier auf der CALIOPE.“ Nick klopfte ihm begütigend auf die Schulter. Kurz danach waren sie auf dem Wege zurück zu dem Frachter. Nick bestellte Jonnys Grüße. Jonquil verlor keine Sekunde, um dem Rufe zu folgen, Ehe man sich’s versah, hatte sie das Schiff verlassen. Grinsend folgte ihr Ted, der einigen Brennstoff von der PTERELAS zu seinem Schiff bringen wollte. Gaelys blieb durch den Fernseher mit den anderen Raketen in Verbindung, während Nick mit dem Kapitän und dem Bordingenieur in den Maschinenraum ging. Nick fragte dort: „Warum sagen die Triebwerke der anderen Schiffe keinen Ton, und dies hier arbeitet mit einem Viertel an Kraft?“ Er blickte von einem zum anderen. Keine Antwort erfolgte. „Nun, es ist nur das Trenion!“ Beifällig nickten die beiden Männer. „Das bedeutet also, daß die Strahlen auch wichtige Teile, wie zum Beispiel die Antriebsaggregate, vor dem Einfluß der Bekeliten schützen; nicht ganz vielleicht, aber immerhin beträchtlich. Nun denn – wenn wir genügend Trenion um den ganzen Antrieb herum lagern, um alle wichtigen Teile, dann sind wir 143
eventuell in der Lage, genügend Energie zu erzeugen, um starten zu können. Versteht ihr das?“ Der Ingenieur war Feuer und Flamme. Der Kapitän jedoch war ein wenig schwer von Begriff, außerdem ein Mann der Skepsis. Aber die leidenschaftlichen und logischen Ausführungen Nicks überzeugten schließlich auch ihn. So begannen alle drei Männer mit der Arbeit. Sorgfältig verpackten sie Brocken um Brocken um die wichtigen Teile des Strahltriebwerkes und schichteten sie so, daß sie sich nicht verlagern konnten. Dann ließ Nick den Ingenieur allein und ging mit dem Kapitän zum Kontrollraum zurück. Gaelys meldete keine netten Vorkommnisse. Das Bordtelefon stellte die Verbindung mit dem Maschinenraum her. Der Ingenieur gab bekannt, daß er bereit sei. „Halten sie mit den Stabilisatoren unten, nur Reaktion prüfen!“ ordnete Nick an. Er mußte vorsichtig sein. Der Kapitän fühlte sich ein wenig übergangen. Er sah aber die Notlage ein, und das freundliche Lächeln von Nick, dessen Überlegenheit er anerkannte, ließ ihn nachgeben. Dann wurde der rote Hebel hinabgedrückt. Die Hülle vibrierte unter dem Druck der plötzlich ausströmenden Energie. Aus den Heckdüsen schossen grellrote Flammen. Ein heulendes Pfeifen jagte durch das Schiff. Die Zeiger begannen zu klettern. Gespannt blickten die Männer auf die Markierungen. Dann sahen sie sich an. „Gott sei Dank!“ stieß Nick mit einem erleichterten Seufzer hervor. „Genügend Kraft, um von hier zu starten.“ Gaelys stand neben ihm. Ihre Hand ruhte auf seiner Schulter. „Du hast es geschafft!“ flüsterte sie. „Du hast es doch geschafft!“ „Abstellen!“ rief Nick und drückte gleichzeitig den roten Hebel zurück. 144
Das folgende Schweigen wirkte fast schmerzhaft. Der Kapitän schien langsam Gefallen an den Versuchen zu finden. Er beugte sich zu Nick und sagte: „Was beabsichtigen Sie nun zu tun? Wir könnten starten und diesen von den Sternen verfluchten Platz verlassen.“ Nicks Gesicht wurde ernst. „Noch nicht!“ sagte er hart und sicher. „Vergeßt nicht, daß wir das einzige Schiff sind, das startklar ist! Übrigens ist da noch mehr zu tun, bevor wir diesen Asteroiden für immer verlassen.“ Der Kapitän zuckte ratlos mit den Schultern. „Deshalb hoffe ich auch, daß nun Ihre Ionenkanone in Aktion treten wird“, fuhr Nick fort. „Strahlwaffen sind doch wirkungslos!“ warf Gaelys ein. Nick grinste. „Ich habe es schon einmal gesagt: An sich – ja! Aber wir werden ja sehen!“ Er wandte sich wieder an den Kapitän. „Geben Sie mir die Erlaubnis, Ihren Kahn für eine Weile zu übernehmen.“ Nach kurzem Zögern willigte Brown ein. Nick setzte sich an die Instrumententafel und fingerte an den verschiedenen Knöpfen und Hebeln herum. Schweiß tropfte von seiner Stirn, während er Für und Wider seines Planes abwog. Es hing zuviel von einem winzigen Umstand ab. Endlich stellte er die Verbindung mit den anderen Schiffen her. Als alle geantwortet hatten, sprach er: „Ich werde einen Probestart unternehmen. Macht euch keine unnötigen Gedanken. Wenn das, was ich vorhabe, gelingt, werdet ihr sehr bald ohne Hilfe in der Lage sein, ebenfalls zu starten. Es ist so, daß momentan nur die hypnotischen Energieströme der Bekeliten eure Strahlwerke neutralisieren Das ist alles für jetzt. Ich starte! – Gefahrenzone ist auf jeden Fall die Spalte! Bleibt davon weg! – Achtung!“ Dies letzte Wort galt dem Ingenieur. Ein Druck auf die G-Neutralisationstaste – der Frachter 145
schien plötzlich leicht wie eine Feder zu sein und in der Luft zu schweben. Der Ingenieur meldete alles klar. „Batterie 1 und 3!“ kam Nicks Befehl. „Rückstoßdüsen 4 – 5 – 6! Fertig!“ Die Bestätigung kam unverzüglich. „Feuer!“ schrie Nick. Das heulende Pfeifen wurde immer stärker. Das Schiff zitterte. Jetzt erhob es sich sanft in die Höhe. Es stellte sich schräg und raste dann mit zunehmender Geschwindigkeit in den schwarzen Himmel. Schon war es den Blicken der Zurückbleibenden entschwunden. Zwanzig Kilometer über der Oberfläche des Planetoiden ging Nick in eine wagrechte Bahn über und atmete tief auf. Noch flimmerte es vor seinen Augen. Bei dieser Anfangsgeschwindigkeit war es immer anstrengend. Bald hatte er jedoch die Nachwirkungen des Ausdruckes überwunden. Brown stand hinter ihm. „Was haben Sie vor?“ fragte er ungeduldig. Nick gab keine Antwort. Statt dessen übergab er ihm die Führung des Schiffes. Er wies ihn an, in großen Schleifen über dem Asteroiden zu kreisen. Mit Gaelys begab er sich in den vordersten Raum des Frachters, wo sich die Ionenprojektoren befanden. Fast jedes Schiff hatte solche, da es in den Weiten des Weltraumes sehr oft unerwartete Feinde gab, die plötzlich von irgendwo auftauchen konnten. Browns Frachter hatte drei Kanonen. „Das ist fein!“ murmelte Nick. „Ich befürchtete schon, daß es nicht der gewöhnliche Typ sein könnte. Er ist es jedoch. Dem Himmel sei Dank!“ Stirnrunzelnd beobachtete Gaelys ihn. „Wie meinst Du das?“ fragte sie verständnislos. 146
Nick grinste und zeigte auf einen Verschluß, der bei allen drei Kanonen vorhanden war. „Es sind die veralteten Typen. In dieser Kammer wird das Element gelagert, das die Energie der Strahlen ergibt. Siehst Du?“ Er entfernte ein kleines Stück Metall aus der geöffneten Ladekammer. „Der Stoff, der hier hereinkommt, pulverisiert sich in einer gewissen Entfernung restlos. Die Ionen und seine Hitze, die bei der Auflösung entsteht, vernichten alles Leben.“ Eine Erkenntnis dämmerte in Gaelys. „Trenion?“ fragte sie aufgeregt. Er nickte: „Das ist es!“ Jetzt erst bemerkte sie, daß er drei kleinere Würfel des Metalls bei sich hatte und diese in die Kammern schob. Nicks Plan war fast zu einfach. Aber er blieb die einzige Möglichkeit. „Wenn wir nun sorgfältig zielen, wird die intensive Strahlung die Bekeliten entweder vernichten oder sie zum mindestens langsam absterben lassen. Der radioaktive Staub wird selbst in die verstecktesten Höhlen des unterirdischen Reiches dringen.“ Dann gingen sie in den Kontrollraum zurück. „So!“ sagte er zu Broon. „Wollen sie mir bitte Ihr Schiff wieder übergeben? Wir sind soweit!“ Brown stellte keine Fragen. Nick setzte sich und stellte den Ultra-Kurzwellensender an, der gut arbeitete. Er rief Jonny. „Jonny!“ sagte er, als dieser sich meldete. „Ich komme jetzt hinunter. Ich werde in die Spalte feuern. Keine Sorge, auch wenn Du ziemlich nahe dabei bist: Ich werde schon richtig treffen!“ „Komm nur, Nick! Die Spalte ist voller Bekeliten. Ich kann ihre hypnotischen Kommandos bis hierher fühlen. Sie bringen es aber nicht fertig, die Trenionssperre zu überwinden. Sonst ist alles in Ordnung.“ 147
„Gut! Unterrichte die anderen Schiffe, damit sie sofort starten, wenn mein Angriff beendet ist. Verstanden?“ „In Ordnung! Viele Grüße von Jonquil übrigens!“ Nick grinste in sich hinein. „Ist das nicht Dein kleines Täubchen?“ fragte er zurück und schaltete den Apparat ab, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Frachter machte eine Wendung und sauste in die Tiefe. Mit rasender Schnelligkeit schien die felsige Landschaft auf sie zuzukommen. Nick blickte grimmig lächelnd auf den Schirm, auf dem jede Einzelheit klar zu erkennen war. Da war schon die Spalte, in deren Schwärze weißliches Nebellicht glühte. Nicks grimmiges Lächeln verstärkte sich. Als er nahe genug herangekommen war, drückte er auf den Feuerknopf. Drei rotblaue Strahlfinger schossen aus dem Zug des Schiffes und eilten diesem mit Lichtgeschwindigkeit voraus. Nick konnte sehen, daß sie direkt in die Spalte fuhren. Die beiden nächsten Schiffe, die CALIOPE und die PTERELAS, schwankten ein wenig. Sie erlitten keinen Schaden. Mehrere Sekunden drückte Nick auf den Knopf. Alle hielten den Atem an. Sie wußten: Wenn dieses Experiment versagte, dann waren die Menschen dort unten dazu verurteilt, für immer auf dieser toten und schreckerfüllten Welt bleiben zu müssen. Nick zog das Schiff ein wenig an. Langsam ging es in einen Gleitflug über. Er lehnte sich zurück. Noch konnte er nicht wissen, ob sein Plan geglückt war, nicht eher, bis die erste Meldung von einem der Schiffe dort unten kam. Gaelys starrte auf den Bildschirm und stieß plötzlich einen Ruf der Erleichterung aus. „Dort! Da! Eines von ihnen erhebt sich gerade! Es startet! Und da, Nick! Noch ein anderes! O Nick!“ Nick öffnete die Augen, die er für einen Moment geschlossen hatte. 148
Die CALIOPE stürmte himmelwärts. Die Flammen ihrer Düsen trafen die Felsen von BEKEL. Auch die ARTEMIS kam, und noch ein anderes Schiff, die TOREADOR. Ein gewisser Admiral Shern konnte sich freuen! Nur die PTERELAS blieb liegen, wo sie war. Es befand sich keine Menschenseele an Bord – noch nicht! Nick stand auf und übergab Brown das Schiff. „Landen Sie, bitte, dicht neben der PTERELAS. Ich denke, wir können das riskieren. Ich glaube, wir haben gewonnen.“ Jetzt verzog sich sogar Browns Gesicht zu einem Lächeln. „Das Trenion hat es gemacht!“ sagte er. „Eine gute Idee von Ihnen!“ „Nur eine gute Idee konnte uns retten!“ sagte Nick. Als der Frachter nicht weit von der Spalte entfernt glatt gelandet war, rief Nick die anderen Schiffe und gab ihnen die Erlaubnis, Richtung auf ihre Heimathäfen zu nehmen. Dann verabschiedeten sie sich von Brown und dem Ingenieur und betraten die Luftdruckkammer. Bald schon standen sie auf der einsamen, verlassenen Welt und kamen sich vor wie die letzten Menschen. Es herrschte eine unheimliche Stille. Nichts mehr zeugte von dem verzweifelten Kampf, den hier die Besatzungen von fünf Schiffen ausgefochten hatten. Es war ein Kampf ohne einen Tropfen Blutverlust gewesen. Dafür war er furchtbarer und schrecklicher gewesen, als alle Abenteuer, an die sich Nick entsinnen konnte. Der Frachter brauste mit heulendem Pfeifen gen Himmel und war bald verschwunden. Sie waren nun wirklich allein auf dieser Welt. „Nun sind sie alle weg!“ sagte Nick und lächelte sie an. „Jetzt – liegt es bei uns!“ Sie antwortete nicht. Ihre Hand suchte die seine, während sie sich umdrehten und auf die glänzende PTERELAS zugingen. 149
Als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, begann plötzlich der Boden unter ihnen zu schwanken. In der Ferne brachen einige hohe Felsen in sich zusammen. Nick wurde mit einem Male ganz blaß. Der Strahlangriff mußte im Innern des Asteroiden eine langsam vor sich gehende Kettenreaktion ausgelöst haben, die ihnen nun sehr leicht zum Verderben werden konnte. So schnell sie ihre Füße trugen, rannten sie auf das Schiff zu und hasteten wie ein Paar ängstliche Kinder durch die kleine Einsteigluke. Nick erreichte den Kontrollraum und schaltete den Bildschirm ein. Langsam glühte er auf; und auf ihm erblickten sie das naturgetreue Abbild der Außenwelt. Voller Entsetzen sahen sie, daß aus der Bodenspalte, in der die Bekeliten steckten, riesige Flammen schossen und daß an anderen Stellen der Boden sich öffnete und große Felsbrocken hoch gegen den Himmel geschleudert wurden. Das Schiff selbst schaukelte hin und her. Gaelys suchte schreckensbleich nach einem Halt. „Jetzt wird es aber Zeit!“ brummte Nick. „Achtung, Gaelys!“ Er hatte den roten Starthebel hinabgedrückt. Das Dröhnen der Düsen übertönte seine letzten Worte. Dann raste das Schiff himmelwärts. Das Bild auf dem Schirm verschwamm, wurde aber wieder klarer, als sie in großer Höhe eine mächtige Schleife flogen. „Nimm noch eine Erinnerung mit, Gaelys! Ich glaube, daß wir die letzten Menschen sein werden, die diese Asteroiden zu sehen bekommen.“ Seine Worte bestätigten sich fast augenblicklich. Ob die Bekeliten selbst ihr Ende herbeiführten oder ob das Trenion schuld war? Keiner konnte es wohl je beantworten. Die fünf ungleichen Asteroiden flammten plötzlich auf. Eine grelle rotgrüne Wolke hüllte sie ein. Als diese sich ein wenig verzog, war von ihnen nichts mehr zu sehen. 150
Sie waren spurlos verschwunden – wie ein böser Spuk! Nick, stellte die Geschwindigkeit auf Supralicht und berechnete den Kurs. Sie schwiegen beide. Es gab genug zu tun. Doch unvermutet wandte sich Nick um und zeigte auf einen automatischen Kalender, der an der Seite befestigt war. „Sag mal – weißt Du eigentlich, welches Datum heute ist?“ fragte er. Sie blickte ihn verwundert an. Dann überzog plötzlich ein Lächeln ihr Gesicht. „Ach – mein Geburtstag! Warum?“ – Sie zögerte. „Woher weißt Du das?“ Nick lächelte noch immer. „Von Deinem Vater. Ich soll Dir sein Geburtstagsgeschenk überreichen. Die PTERELAS – gehört Dir!“ Er legte ihr seine Hände auf die Schultern. „Sie ist Dein Schiff. Ich übergebe sie Dir hiermit für immer.“ Ihre Augen waren feucht, als sie ihren Kopf wieder erhob. Ohne ein weiteres Wort nahm er sie in seine Arme und küßte sie. „Zwei Geschenke an einem Tag!“ hauchte sie. „O Nick, das zweite wird länger halten als das erste.“ „Ich glaube, daß Du recht hast!“ flüsterte er und ließ sie nicht los. Dann schaltete er die automatische Steuerung ein. Und so eilte die PTERELAS durch den Raum, mit den glücklichsten Menschen, die je von London-Port auf TERRA gestartet waren. Ende In 4 Wochen erscheint UTOPIA-Großband Nr. 4
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