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Der vorliegende Band enthält einen Abriß der griechischen Geschichte von den minoischen Anfängen bis zur Eingliederung der hellenistischen Reiche in das römische Imperium. Von den minoischen Palästen und den mykenischen Burgen ausgehend, führt der Weg der Darstellung durch die Dunklen Jahrhunderte zu den Anfängen der griechischen Stadtstaaten und der Ausbreitung der griechischen Kultur im Mittelmeerraum. Der Leser lernt die Herrschaftsformen der Tyrannis, der Aristokratie und der Demokratie kennen sowie die großen Antagonisten Athen und Sparta, deren Gegensatz nur kurzfristig durch die Perserkriege überwunden werden konnte. Der Peleponnesische Krieg, der Aufstieg Makedoniens, die Errichtung des Alexanderreiches und schließlich die Diadochenkämpfe bilden weitere zentrale Themen dieses anregenden kleinen Werkes. Detlef Lotze ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Sozial- und Verfassungsgeschichte des antiken Griechenlands.
Detlef Lotze
GRIECHISCHE GESCHICHTE Von den Anfängen bis zum Hellenismus
Verlag C.H.Beck
Mit 3 Karten im Text
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Lotze, Detlef: Griechische Geschichte : von den Anfängen bis zum Hellenismus / Detlef Lotze. – Orig.-Ausg. – München: Beck, 1995 (Beck’sche Reihe ; 2014 : C.H. Beck Wissen) ISBN 3 406 39500 7 NE:GT
Originalausgabe ISBN 3 406 39500 7 Umschlagentwurf von Uwe Göbel, München © C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1995 Gesamtherstellung: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, Augsburg Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem), aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestelltem Papier Printed in Germany
Inhalt
I. Frühgeschichtliche Voraussetzungen ...................... Die Vorfahren der Griechen ......................................... Das minoische Kreta .................................................... Das mykenische Griechenland .....................................
7 7 9 12
II. Dunkles und archaisches Zeitalter............................ Wanderungen und Wandlungen im Dunklen Zeitalter ....................................................................... Anfänge der Polis ......................................................... Die Ausbreitung der Griechen im Mittelmeerraum...... Eine Variante der Polis: Sparta .................................... Frühe Tyrannen und Gesetzgeber................................. Griechenland im Schatten der persischen Expansion ...
15
III. Klassisches Zeitalter................................................... Griechen im Abwehrkampf gegen das Perserreich ...... Die Entstehung des athenisch-spartanischen Dualismus..................................................................... Die Polis-Demokratie und das Reich der Athener........ Die Westgriechen in der Zeit der älteren Tyrannis....... Der Peloponnesische Krieg .......................................... Die Hegemonie Spartas ............................................... Der Zweite Attische Seebund und die Hegemonie Thebens ........................................................................ Die Westgriechen in der Zeit der jüngeren Tyrannis.... Der Aufstieg Makedoniens ..........................................
49 49
IV. Hellenistisches Zeitalter ............................................. Die Eroberungszüge Alexanders des Großen .............. Das Alexanderreich ...................................................... Die Diadochenkämpfe.................................................. Die hellenistische Staatenwelt bis zum Eingreifen der Römer.....................................................................
89 89 94 96
15 19 25 31 36 43
53 58 63 67 74 78 82 85
99 5
Ausblick: Der Untergang der hellenistischen Staatenwelt ................................................................... 104 Weiterführende Literatur ................................................ 110 Abbildungsnachweis ......................................................... 111 Personenregister................................................................ 112
I. Frühgeschichtliche Voraussetzungen Die Vorfahren der Griechen Im Gebiet des heutigen Griechenland sind Siedlungen seit dem 7. Jt. v. Chr. belegt. Von griechischer Geschichte ist aber erst zu reden, seitdem Gruppen mit griechischer Sprache (bzw. einer frühen Form davon) sich niedergelassen hatten. Die griechische Sprache gehört zur indogermanischen Sprachfamilie, die nicht im Mittelmeerraum zu Hause war, sondern in einer nördlicheren Gegend (mag auch deren genaue Bestimmung umstritten sein). Bezüglich der älteren Bewohner Griechenlands spricht man oft mit absichtlicher Unbestimmtheit von einem ägäischen Substrat. Ortsnamen gleichen Typs finden sich in Kleinasien und auf Kreta. Aus der Verschmelzung indogermanischer Einwanderer mit der bereits ansässigen Bevölkerung entstand das griechische Volk – vorsichtiger: die erste seiner wechselnden Gestaltungen. Denn einerseits gab es mehrfache Zuwanderungen sprachverwandter Gruppen, andererseits wurden in den weiten Gebieten des Mittel- und Schwarzmeerraumes, die im Laufe der Jahrhunderte von Griechen besiedelt wurden, weiterhin Nichtgriechen integriert. Das neuzeitliche griechische Volk schließlich ist auch geprägt durch die massenhafte Einwanderung von Slaven im 7. Jh. n. Chr. und durch die jahrhundertelange Türkenherrschaft. Bedenkt man dies alles, wird die Frage nach der griechischen Nationalität und ihrem Anfang einigermaßen relativiert. Von erheblicher Bedeutung ist immerhin, ob die glanzvolle Kultur der späten Bronzezeit, die nach dem wichtigsten Fundort auf der Peloponnes auch die mykenische Periode genannt wird, bereits von Griechen getragen war. Entscheidend ist dabei das Urteil über die Entzifferung knapper Wirtschafts- und Verwaltungstexte in der sogenannten Linearschrift B auf zahlreichen Tontäfelchen, die in den Ruinen mehrerer Siedlungzentren gefunden wurden, die meisten in Knossos im Norden Kretas und in Pylos an der Südwestküste der Peloponnes. Sie sind nur deshalb bis heute erhalten, weil sie durch Feuer bei der 7
Zerstörung der Zentren am Ende des 13. Jh.s v. Chr. (auf Kreta vielleicht schon im 14. Jh.) gehärtet worden waren. Obgleich die aus Bildzeichen entwickelte Silbenschrift kretischen Ursprungs ist, wurde die damit wiedergegebene Sprache zuerst 1952 durch Michael Ventris und John Chadwick als eine frühe Form des Griechischen bestimmt. Eine Minderheit von Gelehrten ist davon nicht überzeugt. Tatsächlich sind die Lesungen etwas enttäuschend, die Texte oft vieldeutig oder gar nicht verständlich. Eine Silbenschrift paßt nicht zur griechischen Sprache. Aber diejenigen, die sie verwendeten, wußten, worum es ging. Außerdem dürfte das Vokabular nichtgriechische Bestandteile enthalten haben. In sprachwissenschaftlicher Sicht wird die Sprache der lesbaren Texte vor allem durch ihre grammatischen Formen als griechisch bestätigt. Die Täfelchen geben gemäß den Fundumständen nur ein punktuelles Bild. Auf Kreta dürften mykenische Griechen sich erst wenige Generationen vorher etabliert haben. Wenn aber auf dem Festland am Ende der mykenischen Kultur griechisch gesprochen wurde, ist das für die ganze Periode anzunehmen, d. h. mindestens seit dem 17. Jh. Daher wird von manchen Forschern die erste Einwanderung griechisch sprechender Gruppen um diese Zeit angesetzt, doch abgesehen von einer scheinbaren Plötzlichkeit des Aufschwungs ist kein markanter Bruch gegenüber der vorangehenden Periode der mittleren Bronzezeit zu erkennen. Eher lassen Zerstörungen gegen Ende des 3. Jt.s das Eindringen neuer Bevölkerungsgruppen vermuten, vielleicht parallel zur Einwanderung von Indogermanen in Kleinasien. Zwingend sind solche Annahmen nicht. Es ist überhaupt fraglich, ob mit einer größeren Einwanderungswelle zu rechnen ist und nicht mit dem Einsickern kleiner Gruppen über einen langen Zeitraum hin. Derartige Vorgänge würden der landschaftlichen Zerrissenheit Griechenlands entsprechen. Das Land ist von Gebirgen durchzogen, die sich sogar in unmittelbarer Meeresnähe zu beachtlichen Höhen erheben. Der Olymp, in den Mythen der Griechen Wohnsitz der Götter, erreicht mit 2917 m fast die Höhe der Zugspitze. Die für Ackerbau geeigneten, meist klei8
nen Flußtäler sind voneinander durch unwegsame Höhenzüge getrennt, die im Altertum nur von Fußgängern und Tragtieren (Eseln und Maultieren) überquert werden konnten. So ist der Kamm des zwischen den fruchtbaren Landschaften Lakonien und Messenien auf der Peloponnes gelegenen Taygetos-Gebirges streckenweise mehr als 2000 m hoch. Der Verkehr war daher zu Wasser oft leichter als zu Lande, zumal das Meer infolge der besonders auf der Ostseite ausgeprägten Gliederung der Küste nirgendwo weit entfernt ist. Die vielen Inseln im Ägäischen Meer waren ohnehin nur auf dem Seeweg zu erreichen. Aus den Einwanderern und den Vorbewohnern, die ihre Sprache übernahmen, entstand das Volk der Frühgriechen. Ihre Sprache wird als mykenisch bezeichnet, die mit ihnen befaßte Spezialdisziplin als Mykenologie. Auch Achäer werden sie in Anlehnung an den Sprachgebrauch der unter dem Namen Homers überlieferten Epen Ilias und Odyssee genannt; sie sind nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Dialektgruppe der historischen Zeit. Der Name Hellenen ist erst seit dem 7. Jh. v. Chr. als Gesamtname nachweisbar. Hellas hieß ursprünglich nur eine kleine Landschaft in Thessalien. Unsere Bezeichnung Griechen geht auf die lateinische Graeci zurück. In der archäologischen Terminologie heißt die in der ersten Hälfte des 3. Jt.s beginnende Bronzezeit auf dem Festland Helladikum und wird in die Perioden Früh-, Mittel- und Späthelladikum (FH, MH, SH) mit Unterabschnitten anhand der Abfolge von Keramikstilen gegliedert. Die Entsprechung für Kreta heißt Minoikum (FM, MM, SM). Das minoische Kreta Die vorgriechischen Kreter der Bronzezeit bezeichnen wir nach einem sagenhaften, die See beherrschenden König Minos als Minoer. Wie sie selbst sich nannten, ist unbekannt. Das nach Sprache und Herkunft noch immer rätselhafte Volk hat eine hochentwickelte eigenständige Kultur geschaffen, die erst durch die seit 1900 von Arthur Evans betriebenen Ausgrabungen wieder ans Licht getreten ist und deren Kunst durch Natur9
Verbundenheit und ein scheinbar unbeschwertes Lebensgefühl einen großen Reiz für Menschen des 20. Jh.s hat. Die eigentliche Blütezeit des 2. Jt.s ist charakterisiert durch eine spezifisch kretische Art von Palästen inmitten städtischer Zentren (Knossos, Phaistos mit Hagia Triada, Malia und Zakros). Daher hat sich neben der etwas schematischen Einteilung des Minoikums nach Keramikstilen eine an den Palästen orientierte Gliederung durchgesetzt. Die präpalatiale Periode entspricht dem Frühminoikum. Die Palastzeit zerfällt in die Perioden der älteren (MM I–II) und der jüngeren Paläste (MM III-SMII bzw. III). Die älteren Paläste sind nach umfangreichen Zerstörungen wohl infolge von Erdbeben um 1700 eingeebnet und überbaut worden. Der bedeutendste war in dieser Zeit anscheinend der von Phaistos, dessen Nachfolger kleiner war. Der größte der jüngeren Paläste stand in Knossos. Die Paläste dienten nicht nur als repräsentative Wohnsitze, sondern auch als Sammelstellen für Abgaben, als Zentren des inneren Austausches und des Fernhandels, ja sogar als Produktionsstätten des Handwerks. Die Gebäudekomplexe gruppierten sich jeweils um einen Zentralhof. Vor und neben den Palästen existierten kleinere sogenannte Herrenhäuser als Wohn-, Amts- oder Wirtschaftsgebäude von Angehörigen der führenden Schicht, manche außerhalb der Städte, von denen die Paläste jeweils einen Teil bildeten. Nur die kleine Stadt Gurnia (nach heutigen Begriffen ein Dorf) ist vollständig ausgegraben. Die Einwohnerzahl von Knossos wird auf 30 000 oder auch sehr viel mehr geschätzt. Die Häuser waren meist dicht aneinandergedrängt und mehrgeschossig. Städte wie Paläste waren nicht befestigt. Auf der Insel scheinen für längere Zeit keine kriegerischen Auseinandersetzungen stattgefunden zu haben, äußere Gegner nicht bedrohlich gewesen zu sein. Die Minoer kontrollierten ihrerseits Teile der Ägäis. Jedenfalls war ihr wirtschaftlicher und kultureller Einfluß beträchtlich. Wer in den Palästen die Macht ausübte, ist nicht erkennbar, denn etwaige Herrscher sind nicht so deutlich wie in Vorderasien und Ägypten hervor10
gehoben. Frauen nahmen eine hohe gesellschaftliche Stellung ein, besonders im Kult. Aus den Bedürfnissen der Palastbuchhaltung entwickelten die Minoer eine eigene Schrift, zuerst Bildzeichen (Hieroglyphen), dann die Linearschriften A und B. Die letzte wurde, wie oben gesagt, am Ende für griechische Texte verwendet. Die Sprache von A ist bisher unverständlich geblieben, wie übrigens auch einzelne, mehr als ein Jahrtausend später mit griechischen Buchstaben geschriebene Inschriften aus Ostkreta. Wann und wie es zur Herrschaft von Frühgriechen auf Kreta gekommen ist, läßt sich nicht erkennen. Sehr lebhaft diskutiert wurde in den letzten Jahrzehnten die Hypothese, ein mächtiger Vulkanausbruch auf Thera (Santorin), der diese Insel zerriß, habe auch Kreta schwer geschädigt und damit eine fremde Invasion erleichtert. Doch die Auswirkungen auf Kreta werden jetzt geringer eingeschätzt, außerdem der Zeitpunkt mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden erheblich früher angesetzt (vor 1500 oder gar 1600) als der Untergang der meisten Paläste (nach 1450). Im einzelnen ist sehr vieles strittig. Der Palast von Knossos überdauerte die anderen. Er war nun das einzige Herrschaftszentrum Kretas. Die dort gefundenen zahlreichen Linear-B-Tafeln zeugen von der Anwesenheit frühgriechischer Herren. Vielleicht hatten sie zuerst den Herrscher von Knossos bei der Zerstörung der anderen Zentren unterstützt und schließlich selbst die Macht und das System der Palastwirtschaft übernommen. Schon die Linear-A-Tafeln lassen durch Bildzeichen und Zahlen nach dem Dezimalsystem erkennen, daß sie der Registrierung von Wirtschafts- und Verwaltungsvorgängen dienten. Aus den Linear-B-Texten wird das erst recht deutlich. Sie bestätigen überdies den Eindruck, daß der Palast von Knossos nun den größten Teil der Insel kontrollierte. Die Bevölkerung (überwiegend Bauern und Handwerker) dürfte in mannigfach abgestufter Weise dem Palast zu Abgaben und Dienstleistungen verpflichtet gewesen sein, Sklaven nur eine geringe Rolle gespielt haben. Nach verbreiteter Annahme wurde der Palast mit dem Li11
near-B-Archiv nicht später als etwa 1375 zerstört. Die völlige Gleichartigkeit der Schrift mit derjenigen der um 1200 zerstörten Zentren auf der Peloponnes und neuere Funde von LinearB-Täfeichen im westkretischen Kydonia (Chania) aus etwa derselben Zeit legen jedoch eine entsprechende Herabdatierung nahe. Warum es nach der Zerstörung des letzten Palastes nicht wie nach früheren Katastrophen zu einem Wiederaufbau kam, ist ein Problem, das sich ebenso für die Zeit nach der Zerstörung der Burgen im mykenischen Griechenland stellt. Das mykotische Griechenland Das festländische Griechenland hat seit dem Übergang von der mittelhelladischen zur späthelladischen (mykenischen) Periode in hohem Maße minoische Einflüsse aufgenommen. Die ältesten markanten Funde in Mykene selbst sind zwei Grabkreise mit Schachtgräbern des 17. und 16. (nach neuerem Ansatz schon 18. und 17.) Jh.s. Besonders die jüngeren von Kreis A zeichnen sich durch kostbare Beigaben aus: goldene Totenmasken, Prunkschwerter und -dolche und vielfältigen Schmuck. Offenbar handelt es sich um minoische Handwerkskunst oder deren Nachahmung. Wie die Mykener dazu kamen, ist unklar. Es liegt nahe, an kriegerischen Erwerb zu denken, aber auch andere Wege sind möglich. Die Wohnsiedlungen bestanden wohl aus vergänglichem Material und sind deshalb nicht gefunden worden. Die Macht der Herren des südlichen Griechenland wurde im 15. und 14. Jh. noch monumentaler durch die Tholos- oder Kuppelgräber dokumentiert. Mit Erde überdeckt, erschienen sie als künstliche Hügel. Die Beigaben wurden zur Beute von Grabräubern (mit wenigen Ausnahmen). In Kammergräbern wurden andere Vornehme beigesetzt. Seit etwa 1400 sind auch mächtige Bauten für die Lebenden nachweisbar, die Burgen. Im Unterschied zu den kretischen Palästen waren sie stark, sogar übertrieben befestigt. Auch sonst trug ihre Anlage einen deutlich anderen Charakter: Bezugspunkt war nicht der Zentralhof, sondern die große Halle, das Megaron. Am besten erhal12
ten sind die Reste der Burgen von Mykene, Tiryns und Pylos (hier freilich ohne Befestigung). Ähnliche Bauten existierten in Athen, in Theben, Orchomenos, Gla (Böotien) und in Iolkos (Thessalien). In die Umfassungsmauer der Burg von Mykene wurde der Grabkreis A einbezogen und zusätzlich mit einem doppelten Plattenring eingefaßt. Magazine und Werkstätten lagen außerhalb in der sogenannten Unterstadt, wo sich auch Wohnungen von Vornehmen befanden. Die zu den Burgen gehörigen Wirtschaftskomplexe waren weniger umfangreich als in Knossos – vielleicht ein Zeichen für geringere Zentralisierung und größeren Spielraum der unmittelbaren Produzenten. Im Prinzip bestand aber auch ein System der Palastwirtschaft. Pylos ist der festländische Hauptfundort von Linear-B-Tafeln; wenige wurden in Mykene, Tiryns und Theben gefunden. Die Deutung derjenigen Texte, die über Eigentumsverhältnisse und historische Vorgänge zur Zeit der Zerstörung Auskunft geben könnten, ist bislang umstritten. Auch über die Gründe für die starken Befestigungen kann man nur spekulieren. Denkbar sind Rivalitäten zwischen den Herren, Demonstrationen der Macht gegenüber den Untertanen, Schutz gegen Invasion von außen. Viel diskutiert ist ferner die Frage nach einem ,Reich von Mykene’ und seiner Identifizierung mit einem in hethitischen Quellen genannten Achchijawa (Achaia?). Sollte damit wirklich ein frühgriechisches Herrschaftsgebiet gemeint sein, so ist doch dessen Lokalisierung nicht gewiß. An ein zentralistisch regiertes großräumiges Reich ist schwerlich zu denken. Ein während der Phase SH III B weithin einheitlicher Keramikstil in der Ägäis und darüber hinaus und ein ausgedehnter Handel von Italien bis Syrien setzen nicht auch politische Einheit voraus. Der Gedanke an eine Vorherrschaft des Königs von Mykene wurde vornehmlich durch die Sagentradition vom Trojanischen Krieg nahegelegt. Man darf sie jedoch nicht einfach als Geschichte nehmen. Wie im Nibelungenlied können Ereignisse aus verschiedenen Zeiten verwoben, überhöht und auch umgedeutet worden sein. Von den Verhältnissen der mykenischen 13
Zeit hatten die Sänger und Dichter keine Ahnung mehr. Ihre Phantasie hat in Jahrhunderten aus heute nicht mehr faßbaren historischen Elementen eine im wesentlichen poetische Erzählung geschaffen. Zwischen der mykenischen Welt und der Ausformung der auf uns gekommenen Sagentradition haben sich in Griechenland umwälzende Veränderungen vollzogen. Ihnen fielen binnen weniger Jahrzehnte vor und nach 1200 die meisten Herrschaftszentren zum Opfer. Die Erklärungsversuche der Forschung sind vielfältig und müssen sich gegenseitig nicht immer ausschließen: Erdbeben, Rivalenkämpfe zwischen den Burgherren, Aufstände der eigenen Bevölkerung, Invasionen fremder Völker. Es liegt nahe, die Vorgänge in Griechenland in den weiteren Zusammenhang der sogenannten Großen Wanderung zu stellen, die anscheinend die ganze Osthälfte des Mittelmeerraumes erfaßte. Das Hethiterreich versank in den Wirren, ohne daß ein Bericht davon Kunde gäbe. Ägyptische Siegesberichte vermelden vor und nach 1200 die Abwehr von ,Seevölkern’, unter denen nur die Philister sicher zu identifizieren sind (sie ließen sich damals in dem nach ihnen benannten Palästina nieder). In Griechenland scheint der archäologische Befund auf mannigfache Bevölkerungsverschiebungen zu deuten. In manchen Gegenden wurden die meisten Siedlungen verlassen, in anderen ist Kontinuität auf niedrigerem Niveau zu verzeichnen. Das mykenische Zeitalter war nicht schlagartig in jeder Hinsicht zu Ende (das zeigen gerade neuere Ausgrabungen immer deutlicher), aber doch sein herausragender Abschnitt.
II. Dunkles und archaisches Zeitalter Der Begriff archaische Zeit ist aus der griechischen Kunstgeschichte übernommen. Der Beginn wird aber meist früher als dort angesetzt, weil für den Allgemeinhistoriker die markanteste Abgrenzung sich durch die Verbreitung einer neuen Schrift im frühen 8. Jh. v. Chr. und erste Ansätze historischer Überlieferung bald darauf ergibt. Die Jahrhunderte davor sprechen nur durch archäologische Quellen und eine zeitlich schwer einzuordnende Sagentradition zu uns. Dabei läßt der materielle Befund nichts mehr von dem Glanz der mykenischen Zeit erkennen. Deshalb heißt der Abschnitt zwischen dem Untergang der mykenischen Kultur und dem Anfang des 8. Jh.s allgemein Dunkles Zeitalter oder Dunkle Jahrhunderte. Wanderungen und Wandlungen im Dunklen Zeitalter Die als Große oder Ägäische Wanderung bezeichnete komplexe Bevölkerungsbewegung, die im 13. Jh. v. Chr. einsetzte, erstreckte sich über etwa zwei Jahrhunderte. Offenbar nahmen erst an ihrem Ende die letzten griechischen Einwanderer, Nordwestgriechen und Dorier, ihre endgültigen Sitze ein (Dorische Wanderung). Attika und Euböa wurden von dieser Bewegung nicht erfaßt, auch nicht Arkadien, ein Bergland inmitten der Peloponnes; hier und auf Zypern, das um 1200 anscheinend neue griechische Zuwanderer aufnahm und wo man auch später eine mit der frühgriechischen Linearschrift B verwandte Silbenschrift benutzte, bewahrte der Dialekt (Arkadisch-Kyprisch) Elemente der mykenischen Gemeinsprache. Im allgemeinen haben sich die Dialekte in ihrer bekannten Form im Dunklen Zeitalter herausgebildet. Die Vorfahren der Dorier und Nordwestgriechen hatten während der mykenischen Zeit vermutlich in den nördlichen und westlichen Randgebieten der mykenischen Kultur gelebt. Die Nordwestgriechen siedelten sich hauptsächlich in Landschaften an, die auch später abseits der Hauptlinie der Kulturentwick15
lung blieben, nördlich und südlich des Golfes von Korinth. Wo sie nach Osten vordrangen, in Thessalien und Böotien, vermischten sie sich mit vorher ansässigen, ebenfalls griechischen Äolern. Die Zentren der mykenischen Kultur auf der Peloponnes wurden von Doriern eingenommen, dazu Kreta und die südlichen Inseln der Ägäis. Ihre Landnahme vollzog sich nicht in einem Zuge. Das messenische Pylos blieb überhaupt verödet. Im Süden der Peloponnes, in der fruchtbaren Ebene des Eurotas, bestand möglicherweise eine gewisse Kontinuität frühgriechischer Elemente in Amyklai. Wenige Kilometer nördlich entstanden vier dorische Dörfer, zusammengefaßt unter dem Namen Sparta; ein anderer, wohl vorgriechischer Name auch des Gebiets (das später meist Lakonien hieß) war Lakedaimon, wonach der dort angesiedelte dorische Stamm sich Lakedämonier nannte. Die frühesten Siedlungsschichten Spartas enthalten Keramik des 10. Jh.s. Die soziale Organisation ist schwer zu fassen. Vielleicht existierte von Anfang an die auch bei anderen Doriern verbreitete Gliederung in 3 Phylen: Hylleis, Dymanes, Pamphyloi. Nach der Tradition dürfte auch das eigenartige Doppelkönigtum in die Frühphase hinaufreichen. Möglicherweise wurde schon damals eine etwaige Vorbevölkerung zu unfreien Heloten gemacht; endgültige Gestaltung fand dieses Ausbeutungsverhältnis erst im weiteren Verlauf spartanischer Expansion. Gleiches gilt von der Scheidung der Lakedämonier in Spartiaten und Periöken. Die Schicksale der frühgriechischen Vorbewohner waren überhaupt örtlich ganz verschieden. Manche einigten sich mit den Eindringlingen, andere flohen. Die sich wehrten, wurden teils vernichtet, teils geknechtet. Unfreie oder hörige Landbevölkerungen finden sich später außer in Lakonien auch in Thessalien (Penesten) und auf Kreta (unter verschiedenen Namen). Es waren fruchtbare Gegenden, die durch hohe landwirtschaftliche Erträge die Möglichkeit boten, daß durch Eroberung sich eine Herrenschicht etablierte. In anderen Gegenden blieben die Vorbewohner persönlich frei, aber politisch-rechtlich benachteiligt. 16
Etwa seit dem Ende des 11. Jh.s gingen griechische Siedler über die Inselwelt der Ägäis zur Westküste Kleinasiens hinüber. Auch dies war keine einmalige Aktion, sondern ein Prozeß, der mehr als ein Jahrhundert beanspruchte. Im nördlichen Teil ließen sich Äoler nieder, in der Mitte Ionier, im Süden Dorier. Die Ionier stellten den größten Anteil. Daher wurde ihr Name oft verallgemeinernd für alle Griechen Westkleinasiens gebraucht, und der Vorgang ihrer Wanderung heißt heute Ionische Wanderung (auch Ionische oder Erste Kolonisation). Die Ansiedlung war möglich, weil kein Machtzentrum im Wege stand. Die geographischen Bedingungen ähnelten denen des griechischen Mutterlandes: gegliederte Küste, fruchtbare Flußtäler, Mittelmeerklima. Im Verhältnis zur späteren Ausweitung des griechischen Siedlungsraumes wurde Ionien selbst zum Mutterland. Es blieb griechisch bis zur Aussiedlung durch die Türken 1922/1923. Die Herrschaftsgebilde der mykenischen Periode waren in den Stürmen der Wanderungszeit zusammengebrochen. Dies zeigt bereits der archäologische Befund. Die Paläste waren zerstört, das wirtschaftliche System, das solche Zentren forderte und förderte, bestand nicht mehr. Große Steinbauten wurden nicht mehr errichtet; ein bei Lefkandi auf Euböa gefundenes großes Megaron des 10. Jh.s, das als Grab diente, muß bisher als Ausnahme gelten. Die Schrift war überflüssig geworden und wurde vergessen. Offenbar waren die mykenischen Herren nur eine dünne Oberschicht gewesen, die Lebensweise der Masse in kleinen Gemeinschaften kaum anders als die der Einwanderer. Es folgten Veränderungen in der Struktur des Fernhandels. Von außen brauchte man immerhin noch Metalle. Ein wichtiger Umschlagplatz war Zypern. Die Eisenzeit begann. Eiserne Waffen und Geräte sind in Fundschichten des 11./10. Jh.s erkennbar. Im täglichen Gebrauch überwog aber noch lange die Bronze. Mykenische Siedlungsplätze wurden weiter oder wieder bewohnt. Die geographischen Bedingungen (wenig Quellen, kleine Fruchtebenen) begünstigten das Zusammenwohnen auch von Bauern in Zentralorten, in denen sich vor allem der Adel und die wenigen Handwerker konzentrier17
ten. Einen solchen Ort, der als wirtschaftliches und politisches Zentrum einer für Ackerbau geeigneten Kleinlandschaft diente, nannten die Griechen pólis (Plural póleis); das Wort meinte ursprünglich wohl die Hügelfestung, dann auch die Siedlung an ihrem Fuß oder überhaupt eine geschlossene Ortschaft. Neben den Ortschaften gelegene Gräber (z. B. im Kerameikos-Viertel von Athen) lassen in den Beigaben eine zunehmende soziale Differenzierung erkennen. Der Aussagewert der archäologischen Quellen ist unbestritten, aber begrenzt. Fast umgekehrt verhält es sich mit den einzigen Schriftquellen, den im Kern während des 8. Jh.s schriftlich fixierten Homerischen Epen (im folgenden auch kurz mit dem Namen Homer bezeichnet, ohne daß damit über die Verfasserfrage entschieden sein soll), die eine im Dunklen Zeitalter geformte mündliche Tradition verarbeitet haben. Sie geben vor, Ereignisse der mykenischen Welt darzustellen, haben aber von dieser keine angemessene Vorstellung, sondern vermitteln bestenfalls ein Modell von Strukturen des 9./8. Jh.s, durchsetzt freilich mit älteren und jüngeren Elementen, die auszusondern schwierig ist. Im Blickfeld der Heldendichtung steht ohnehin nur der Adel, besonders die sogenannten Könige (basilées, Sing, basileús), die im 8. Jh. schon im Verschwinden waren. Abgehoben von der Masse des Volkes, nahmen sie bereits Züge einer Herrenschicht an. Sie stützten ihre Autorität auf Besitz von mehr Land und besonders mehr Vieh als die übrige Bevölkerung sowie auf militärische Führungsqualitäten, die sie auf Beutezügen bewiesen. Produktions- und Konsumtionseinheit war der Haushalt (oíkos), der beim Adel verschiedene soziale Stufen in sich barg, vom Hausherrn mit seiner Großfamilie über verschwommene Grade der Abhängigkeit bis zu echten Sklaven. Die Mehrheit der Bevölkerung dürfte aus selbstwirtschaftenden, aber vielfach dem Adel verpflichteten Bauern bestanden haben. Daneben gab es einzelne Handwerker. Sofern eine Volksversammlung existierte, spielte sie eine nur passive Rolle. Einen solchen Gesellschaftszustand darf man wohl aus den Epen für den letzten Teil des Dunklen Zeitalters erschließen. 18
Offenbar spiegeln sie aber stellenweise auch Verhältnisse des 8. oder gar (in späten Partien) des 7. Jh.s, d. h. aus dem Beginn der archaischen Periode. Anfänge der Polis Die mit dem 8. Jh. beginnende und bis etwa 500 reichende archaische Periode ist zugleich derjenige Zeitabschnitt, in dem sich die für die Griechen charakteristische Form gesellschaftlich-staatlicher Organisation herausbildete, der sogenannte Stadtstaat als Bürgergemeinde. Es hat sich eingebürgert, dafür das griechische Wort Polis zu verwenden, obwohl seine Bedeutung vielfältig ist. Polis konnte weiterhin einfach die geschlossene Siedlung, die ,Stadt’, heißen. Als politischer Begriff meinte es einen Personenverband, ein meist um ein ,städtisches’ Zentrum zusammengeschlossenes Gemeinwesen, dessen Grundlage das Privateigentum seiner Mitglieder am Boden war und das seine inneren Angelegenheiten nach gemeinschaftsbezogenen Regeln autonom ordnete. Die Polis, verstanden als Abstammungs- und Siedlungsgemeinschaft, grenzte sich zugleich gegenüber den Nichtzugehörigen ab, sowohl außerhalb als auch innerhalb des von ihr innegehabten Territoriums. Daß die weitere Ausbreitung der Griechen seit dem 8. Jh. (Große Kolonisation) sich in der Weise der Gründung selbständiger Gemeinwesen vollzog, war nicht nur durch die spezifischen Umstände der Neuansiedlung bedingt. Es entsprach der vertrauten gesellschaftlichen Daseinsform, deren Bestehen daher schon vor der Kolonisation vorauszusetzen ist. Weswegen sie aufgekommen war, kann nur hypothetisch beantwortet werden. Gewiß hat die geographische Gliederung in Kleinlandschaften, die durch Berge oder Wasser voneinander getrennt waren, eine Rolle gespielt. Aber auch wo sich von den äußeren Gegebenheiten her die Zusammenfassung eines größeren Gebiets anzubieten schien, bestanden nicht selten mehrere selbständige Gemeinwesen nebeneinander, so in Böotien und auf manchen Inseln. Wahrscheinlich bestimmten die beschränkten Bedingungen der Produktion und des Austauschs nach Zerfall 19
der Palastwirtschaft: und nach Neuansiedlungen in kleinen Gruppen – neben vielen historischen Zufälligkeiten im einzelnen – maßgeblich die Grundstruktur der archaischen Gemeinden. Sie gaben wenig Anlaß zu wirtschaftlicher und politischer Expansion. Für das 8. Jh. wird man nur von allerersten Anfängen der Polis im Sinne der werdenden Bürgergemeinde sprechen können. Aufweisbar ist – sowohl archäologisch als auch literarisch – vor allem die Siedlungsform. Nach modernen Begriffen handelt es sich meist um nicht mehr als ein größeres Dorf. Doch auch ein bescheidener Ort konnte sozialer und politischer Mittelpunkt für die Bewohner einer Gegend sein, die eine Gemeinde bildeten. Unter solchen Umständen gab es keinen Rechtsunterschied zwischen Stadt und Land. Die Bewohner des Zentralorts waren großenteils selbst Bauern, zumal das Wohnen in verstreuten Einzelhöfen nicht typisch war. Später bestimmte die Entwicklung von Handwerk und Handel verschiedene Varianten des Polistyps. In seinen Grundzügen war er aber schon in früher Zeit angelegt und darf nicht von der landwirtschaftlichen Basis losgelöst gesehen werden. Die Einheit von Stadt und Land kommt darin zum Ausdruck, daß sich in vielen Fällen alle Mitglieder des Gemeinwesens ohne Rücksicht auf den Wohnsitz nach dem Zentralort benannten; so hießen alle politisch zu Athen gehörigen Bewohner Attikas Athener. Überhaupt verwendeten die Griechen als Staatsbezeichnung nicht, wie heute üblich, den Landes- bzw. Ortsnamen, sondern den Namen des Personenverbandes, sei es eine Ortsgemeinde oder eine Stammesgemeinde (z. B. Phoker). Wohl jede Polis hatte einen Versammlungsplatz (agorá, oft irreführend als ,Markt’ übersetzt), wo sich das Volk bei wichtigen Gelegenheiten zusammenfinden konnte. Dort wurden im Lauf der Zeit öffentliche Bauten errichtet. Seit dem 7. Jh. begannen die Griechen nach jahrhundertelanger Unterbrechung wieder repräsentative Bauten in Stein auszuführen. Das waren aber bezeichnenderweise nicht Paläste, sondern Tempel, und diese waren nicht verbunden mit Tempelwirtschaften und auch nicht mit politisch einflußreichen Priesterschaften. Die Ge20
meinde dürfte freilich im Kult anfangs durch den König repräsentiert worden sein. Doch im 8. Jh. ist schon ein Rückgang des Königtums zu verzeichnen. In den Kolonien findet es sich fast ausnahmslos nicht mehr. Auch wo es noch Könige gab, waren sie an Macht nicht mit den Palastherren der mykenischen Zeit zu vergleichen, wie schon ihre unmittelbaren Vorgänger im Dunklen Zeitalter. Nirgendwo ist die Beseitigung des Königtums so wie in Rom als ein spektakuläres Ereignis in die Geschichte eingegangen. Es wurde wohl schrittweise entmachtet durch Adelsräte, deren Angehörige zuweilen selbst den Titel Basileus führten; wir geben ihn in der Regel mit ,König’ wieder, er hatte aber auch eine allgemeinere Bedeutung wie ,Erster’, ,Vorsteher’ (eines Dorfes, einer Unterabteilung des Stammes bzw. der Polis), und der eigentliche ,König’ erscheint dann als Erster unter Gleichen. Beim Homerischen Epos ist oft fraglich, auf welche Zeit sich eine Schilderung bezieht. Mehr Sicherheit bietet in dieser Hinsicht Hesiod. Einerseits ist seine Lebenszeit um 700 datierbar, andererseits stellt sein landwirtschaftliches Lehrgedicht Werke und Tage nicht Vergangenheit dar, wie Homer es zumindest will, sondern Gegenwart. Dabei ist seine Sicht die des Bauern. Der Adel tritt (im Gegensatz zu Homer) nur schemenhaft in Erscheinung. Die Rechtsprechung wird von Basilees ausgeübt, doch deren Stellung ist sonst nicht faßbar. Hesiod beklagt ,krumme Urteile’ in einer Weise, die nicht nur persönlichen Ärger, sondern eine verbreitete Stimmung der Unzufriedenheit mit den mächtigen Herren vermuten läßt. Das ihnen im selben Kontext beigelegte Attribut ,geschenkefressend’ wird meist auf Bestechlichkeit bezogen, zuweilen auch auf eine denkbare Tributpflicht gegenüber dem Adel; wahrscheinlicher ist eine Anspielung auf die den Richtern zustehenden Gebühren, die in alter Weise als Geschenke stilisiert waren (wie auch bei Homer). Gab es keine Tributpflicht, so waren die Bauern vom Typ Hesiods freie Produzenten und Eigentümer; sie verfügten über ihre Arbeitskraft und die Verwendung ihrer Erzeugnisse. Hesiods Vater hatte als Zuwanderer aus dem kleinasiatischen Kyme Land in Böotien erworben, offenbar zu vollem Privat21
Abb. 1: Das archaische Griechenland
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(oder Familien-)eigentum, das nach seinem Tod unter den beiden Söhnen aufgeteilt wurde. Hesiod rechnet schon im Haushalt des Bauern mit Sklaven (neben zeitweilig gemieteten Arbeitskräften). Ähnlich haben dann wohl die Besitzer von mehr Land und Vieh mindestens zum Teil Sklaven beschäftigt. Daß ihnen Schuldabhängige dienten, läßt sich aus Hesiod nicht belegen; er erwähnt nur gegenseitiges Borgen unter gleichrangigen Nachbarn. Die Existenz freier Bauern war jedoch in Griechenland nicht durchgehende Regel. Nicht selten befanden sich die Bauern in einem Status der Abhängigkeit und Unfreiheit, der heute gern als Hörigkeit bezeichnet wird, während damals sogar die Terminologie der Sklaverei angewandt wurde. Solche Verhältnisse waren durch Unterwerfung einer vorher ansässigen Bevölkerung entstanden (bei der Einwanderung und weiter im Zuge der Kolonisation), teils vielleicht auch dadurch, daß der Adel Verfügungsrechte über Boden und Arbeitskraft der Gemeindeangehörigen usurpierte. In einigen Gebieten mit Hörigkeit als hauptsächlichem Ausbeutungsverhältnis kam es anscheinend lange nicht zur Ausbildung der Bürgergemeinde (so in Thessalien), in anderen aber doch (so in Sparta und auf Kreta). Wenn auch das Bild der klassischen Polis eher durch die ökonomische Freiheit und politische Teilhabe der Bauern einerseits und die abhängige Arbeit mobiler Sklaven andererseits geprägt ist, so ist doch jene andere Struktur nicht auszuklammern. Eine Bürgergemeinde konnte ebensogut auf der Basis von Hörigkeitsverhältnissen entstehen, sofern nur die Zahl der Grundeigentümer groß genug war, um überhaupt eine Bürgerschaft konstituieren zu können. Teilhabe am politischen Gemeinwesen stand vielerorts nur den Wohlhabenden zu. Aus welcher Form der Ausbeutung fremder Arbeitskraft diese ihre Einkünfte bezogen, war auf der politischen Ebene unwesentlich. Die Definition des Aristoteles, daß der Mensch ein in der Polis existierendes Lebewesen (zóon politikori) sei, galt für alle Spielarten der Bürgergemeinde. Der Polis wird oft das Ethnos als ,Stammstaat’ gegenübergestellt, d. h. als ein Staat ohne Ausrichtung auf ein städtisches 24
Zentrum, im ganzen weniger durchorganisiert als eine Polis, obwohl es in ihm auch einen gemeinsamen Versammlungsplatz, gemeinsame Normen und Bräuche und politische Institutionen gab. Aus der archaischen Periode liegen darüber so gut wie keine Informationen vor. In klassischer Zeit bestand diese Form politischer Organisation noch am reinsten im zurückgebliebenen Nordwesten Griechenlands, bei Akarnanen, Änianen, Ätolern, Phokern und Lokrern, wo eine dörfliche Siedlungsweise vorherrschte. Anderwärts hatten sich schon in diesem Rahmen Poleis entwickelt. Manchmal wurde dadurch die Einheit des Stammstaates labil – so in Thessalien, Arkadien, Achaia. Oder eine Polis übernahm die führende Rolle – so Theben in Böotien, Opus bei den Ost-Lokrern. Die Grenzen zwischen Stadtstaat und Stammstaat waren also fließend. Die Ausbreitung der Griechen im Mittelmeerraum In Wechselwirkung mit der Herausbildung der Polis vollzog sich vom 8. bis 6. Jh. die erstaunliche Ausweitung des griechischen Siedlungsgebietes im Mittel- und Schwarzmeerraum, die man Große Kolonisation zu nennen pflegt. Die Bezeichnung der neuen Ansiedlungen als Kolonien hat nichts mit den gleichnamigen Einrichtungen der Neuzeit zu tun, eher mit den römischen coloniae (eigentlich ,Bauernsiedlungen’). Mit colonia wurde im Lateinischen das griechische Wort apoikía wiedergegeben, das seinerseits den Sachverhalt der Umsiedlung nach auswärts ausdrückt. Die Kolonien der Römer blieben der Mutterstadt untergeordnet, sie dienten nicht zuletzt der Sicherung von deren Einfluß. Als Griechen zu derartigen Neugründungen schritten, waren kaum Voraussetzungen vorhanden, um dadurch die Macht der Mutterstädte zu erweitern. Meistens waren schon die Entfernungen zu groß. Zudem handelte es sich in der Regel um die Aussiedlung jeweils kleiner Gruppen. Sie gründeten selbständige Poleis, die mit der Mutterstadt (metrópolis) nur durch gemeinsame Kulte, Bräuche, Verfassungseinrichtungen und (nicht immer) Freundschaft verbunden waren. Die Teilnehmer mußten nicht ausschließlich den Mutterstädten 25
entstammen. Deren Funktion war es vor allem, den Leiter des Unternehmens und wohl auch die Schiffe zu stellen. Die Gründe der Auswanderung waren vielfältig. Eine Art Generalnenner scheint Übervölkerung gewesen zu sein. Viele kleine Polis-Gebiete reichten nicht mehr für eine wachsende Zahl von Einwohnern aus. Allerdings dürfte die Übervölkerung oft eine nur relative gewesen sein, bedingt durch ungleiche Verteilung des Grundeigentums und damit der Chancen zur Existenzsicherung. Hesiod spricht nicht von der Kolonisation, läßt aber mögliche Gründe erkennen: Knappheit guten Bodens, Mühsal der Bauern, Ungerechtigkeit der Herrschenden, Zersplitterung des Eigentums in nicht lebensfähige Höfe durch die übliche Erbteilung. Anhaltende Mißernten konnten die Situation verschärfen; sie sind in Einzelfällen als Gründe für Auswanderung überliefert. Für Angehörige der Oberschicht konnten Niederlagen in Rivalitätskämpfen Anlässe sein, sich neuen Raum zur Entfaltung zu suchen. Ehrgeizige und unternehmende Naturen mochte es überhaupt locken, eine führende Stellung einzunehmen. Der Gründer (oikistés) einer Kolonie hatte hohen Rang; mancher wurde nach seinem Tod als Heros (Halbgott) kultisch verehrt. Zu den Rahmenbedingungen der Kolonisation gehörte auch der Fernhandel. Er kann nicht das Phänomen im ganzen erklären, aber ohne die von weitgereisten Kaufleuten vermittelten geographischen Kenntnisse lassen sich viele Koloniegründungen nicht vorstellen. Griechen trieben immerhin seit etwa dem 9. Jh. zunehmend Fernhandel, der im Homerischen Epos noch als Sache der Phöniker erscheint. Sie griffen selbst nach Phönikien über. Eine griechische Handelsniederlassung des 8. Jh.s ist nahe der Orontesmündung bei Al-Mina entdeckt worden. Ihre Gründer kamen anscheinend aus Euböa. Womöglich vermittelten sie die Übernahme der Alphabetschrift aus dem phönikischen Raum. Die führenden Poleis dieser Insel, Chalkis und Eretria, erscheinen dann auch im Westhandel. Das Kupfererz Italiens lockte sie vielleicht zur Niederlassung auf der Insel Pithekussai (Ischia) im Golf von Neapel (um 770/60), der ältesten Nieder26
lassung beider Städte und der Griechen überhaupt im Westen. Wenige Jahre später gründeten sie auf dem gegenüberliegenden Festland Kyme (lat. Cumae). Spätestens damit schufen sich die Siedler die agrarische Grundlage, die für eine selbständige Polis unabdingbar war. Von Kyme gingen dann wesentliche kulturelle Impulse auf die italischen und etruskischen Nachbarn aus. Vermutlich noch im 8. Jh. setzten sich Kymäer, verstärkt durch Zuzug aus Chalkis, an der Meerenge von Messina fest, um die Schiffahrtsroute zu sichern und selbst von der Kontrolle zu profitieren. Seehandel und Seeraub waren kaum zu trennen. Die erste Gründung war Zankle (das spätere Messana) auf der sizilischen Seite, wozu als agrarischer Ableger westlich davon Mylai (Milazzo) kam. Von Zankle aus wurde auch Rhegion auf der festländischen Seite (Reggio di Calabria) gegründet. Mögen hier Gesichtspunkte des Handelsverkehrs eine Rolle gespielt haben, so lockte Sizilien sonst viel mehr durch gute Möglichkeiten zum Ackerbau. Gründungsdaten dortiger Poleis sind durch Thukydides überliefert und dienen, obwohl im einzelnen nicht verbürgt, als Grundlage der Chronologie Siziliens in der archaischen Periode. Chalkidischen Ursprungs waren Naxos, Leontinoi, Katane (Catania), gegründet im Zeitraum 734–729. Mit den schon genannten bildeten sie das ionische Sprachgebiet. Im übrigen wurde Sizilien stark dorisch geprägt. Korinther gründeten um 733 Syrakus, das später zur bedeutendsten Stadt Siziliens wurde, Megarer um 728 die nach ihrer Heimat benannte Polis Megara mit dem Beinamen Hyblaia. Rhodier und Kreter gemeinsam legten um 688 an der Südküste Gela an, das seinerseits 580 Akragas (Agrigento) gründete. Überhaupt gingen nunmehr von den älteren Kolonien neue aus, z. B. von Megara Hyblaia: Selinus, von Syrakus: Akrai, Kamarina, von Zankle: Himera. Teilnehmer kamen auch aus anderen Poleis, nicht nur solchen derselben Dialektzugehörigkeit; es gab also keine scharfe Scheidung zwischen ionischen und dorischen Gemeinden. Der Kultur des eigentlichen Mutterlandes blieben die sizilischen Griechen eng verbunden. 27
Abb. 2: Die griechische Kolonisation (750–550 v. Chr.)
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In Italien gründete Kyme um 600 Neapolis (,Neustadt’), das bald bedeutender wurde. Die Mehrzahl der übrigen griechischen Kolonien Italiens ist auf Achäer aus der nordwestlichen Peloponnes zurückzuführen. Zu nennen sind vor allem Sybaris, Kroton und Metapont (gegründet wohl in dieser Reihenfolge ab etwa 720). Von ihnen gingen weitere Kolonien aus, darunter das durch seine gut erhaltenen Tempel berühmte Poseidonia (lat. Paestum). Um 706 ließen sich in Taras (Tarent) Auswanderer aus Sparta nieder, die dort aus undurchsichtigen Gründen diskriminiert waren. Mittelgriechische Lokrer besiedelten nach 700 Lokroi Epizephyrioi. Lokrer wie Achäer im Mutterland standen in der Polis-Entwicklung zurück, doch ihre Neugründungen wurden zu echten Stadtstaaten – auch das ein Hinweis darauf, daß die begriffliche Trennlinie zwischen Stadt- und Stammstaat fließend ist. Das unteritalische Siedlungsgebiet der Griechen erhielt irgendwann aus unbekanntem Grunde den Namen Großgriechenland (sekundär zuweilen auf Sizilien ausgedehnt). Süditalien und Sizilien blieben nicht die westlichen Außenposten des Griechentums. Phokäer aus dem kleinasiatischen Ionien legten um 600 am Endpunkt des Rhone-Handelsweges Massalia an (Marseille). Von dort nahmen weitere Kolonien an der französischen und spanischen Mittelmeerküste ihren Ausgang. Als Phokaia selbst unter persische Herrschaft geriet (546), faßten weitere Auswanderer auf Korsika Fuß, wurden aber durch die vereinten Karthager und Etrusker im Ergebnis der Seeschlacht bei Alalia um 540 zur Aufgabe genötigt und fanden schließlich eine Heimat in Elea (Unteritalien). Die Schlacht bei Alalia gilt üblicherweise als Endpunkt der Großen Kolonisation. Die Hauptwelle war schon früher vorbei. Andererseits kamen auch später immer wieder Koloniegründungen vor. Außerdem erhielten bestehende Poleis wiederholt Zuzug. Erst in der Zeit der Großen Kolonisation wurden dem Mutterland nahe Gegenden griechisch besiedelt, die teils noch heute zu Griechenland gehören. Auf Kerkyra (Korfu) ließen sich im 8. Jh. zuerst Kolonisten aus Eretria nieder, dann solche aus Korinth. Kerkyra und Korinth gemeinsam gründeten um 29
625 Epidamnos (später Dyrrhachion, jetzt Dürres). Seit etwa 700 erfaßte die Siedlungsbewegung die Südküste Thrakiens mit der Chalkidike und der Insel Thasos sowie den Hellespont, die Troas, die Propontis (Marmarameer) und die Gebiete um den Bosporus. Kalchedon und Byzanz waren megarische Gründungen. Zweifelhaft sind Angaben, wonach schon im 8. Jh. Sinope und Trapezus an der Südküste des Schwarzen Meeres gegründet wurden. Die Schwarzmeerkolonisation setzte im 7. Jh. voll ein. Hier waren Milesier führend, sie gründeten unter anderen Istros, Olbia, Apollonia (Sozopol), Odessos (Varna), Tomis (Konstanza), Theodosia (Feodosia), Pantikapaion (Kertsch), Phasis (bei Poti). Auf Megarer gehen zurück das pontische Herakleia (Eregli), Kallatis (Mangalia), Chersonesos (Sevastopol), Mesambria (Nessebar). Die im äußersten Nordosten gelegene griechische Kolonie, Tanais an der Donmündung, stammt allerdings erst aus dem 3. Jh. Während über die Ursprünge aller dieser Poleis sehr wenig bekannt ist, hat Herodot über die Gründung von Kyrene in Libyen durch Siedler von der dorischen Insel Thera um 630 gleich zwei Versionen geliefert; außerdem gibt es eine Inschrift von Kyrene aus dem 4. Jh. mit dem angeblichen Eid der Gründer. In Kyrene existierte ausnahmsweise für eine Weile noch ein Königtum. Das um dieselbe Zeit im Nildelta gegründete Naukratis war keine souveräne Polis, sondern eine mit Genehmigung des Pharao errichtete Handelsniederlassung mehrerer griechischer Poleis auf ägyptischem Staatsgebiet. Die historische Bedeutung der Kolonisation besteht nicht nur in der Ausweitung des griechischen Sprachgebiets, sondern noch mehr in der Verbreitung der gesellschaftlichen Organisationsform der Polis, die auf der Grundlage privaten Bodeneigentums ruhte. In den meisten Fällen wird man von bäuerlicher Landnahme sprechen können. Das gewonnene Land wurde annähernd gleichmäßig (freilich unter Bevorzugung der Führer) unter den Teilnehmern aufgeteilt. Mehrfach kam es aber durch Unterwerfung der Vorbewohner auch zu herrschaftlichen Formen mit Hörigkeit, so in Syrakus und in Herakleia 30
am Pontos. Im ganzen variierten die Beziehungen zur ansässigen Bevölkerung innerhalb eines breiten Spektrums, je nach den örtlichen Umständen. Dazu gehörte die allgemeine Grundbedingung, daß die für eine erfolgreiche Koloniegründung in Frage kommenden Gegenden entweder dünn bzw. gar nicht oder von einer zivilisatorisch und militärisch unterlegenen Bevölkerung bewohnt waren, die zum Ausweichen oder zur Unterwerfung genötigt war. Im Laufe der Zeit kam es zu wechselseitigen kulturellen Einflüssen. Es ist übrigens sehr wahrscheinlich, daß die ersten griechischen Ansiedler sich ihre Frauen oft unter den Einheimischen suchen mußten. Eine Variante der Polis: Sparta Auch im Mutterland differenzierten sich die Entwicklungswege. Von besonderer Eigenart und zugleich erheblicher Bedeutung war Sparta im Süden der Peloponnes. Die gesellschaftliche und staatliche Organisation der Lakedämonier wurde später auf den legendären Gesetzgeber Lykurgos zurückgeführt. Über ihn läßt sich aber noch weniger sagen als über die Etappen der Annexion ganz Lakoniens. Auch der Süden war im 8. Jh. unter die Herrschaft Spartas gekommen, Amyklai den ursprünglichen vier Dörfern des Zentrums Sparta angeschlossen. Noch im 8. Jh. geriet zuerst die Dentheliatis am Ostrand des Messenischen Golfes unter Spartas Herrschaft. Es folgte die Eroberung der fruchtbaren Flußebenen am unteren und oberen Pamisos, des eigentlichen Messenien. Dieser 1. Messenische Krieg soll 20 Jahre gedauert haben. Die Besiegten wurden tributpflichtig gemacht, ähnlich wie die Heloten Lakoniens; vielleicht hat aber auch die Stellung der Messenier, die in klassischer Zeit zahlreicher als die lakonischen Heloten waren, Rückwirkungen auf diese gehabt. Ihre endgültige Form erhielt die Knechtung der Messenier erst nach dem 2. Messenischen Krieg, einem Aufstand gegen Ende des 7. Jh.s, den Sparta nur mit Mühe niederwarf. Die Freiheitskämpfer wurden unterstützt von noch unabhängigen Poleis an der Küste Messeniens sowie von Arkadern und Argeiern. Spartas Krieger wurden 31
durch die Kampflieder des Tyrtaios angefeuert. Aus ihnen scheint hervorzugehen, daß sich jetzt die Kampfesweise der Hoplitenphalanx endgültig durchsetzte und ihre Meisterung zum Siege beitrug. Die komplette Ausrüstung der Hopliten bestand aus Brustharnisch, Helm, Beinschienen, Speer oder Schwert und war schon länger bekannt. Die Vereinigung der Einzelkämpfer zur Phalanx, in der jeder mit seinem Schild zugleich die rechte Seite seines Nebenmannes deckte und mehrere Reihen von Kämpfern hintereinander gestaffelt waren, schuf einen neuen taktischen Körper, der für die nächsten Jahrhunderte bestimmend blieb. Der Übergang vollzog sich in allen fortgeschrittenen Poleis. Auch nach dem 2. Messenischen Krieg unternahm Sparta noch Versuche, den Nachbarn Land abzunehmen. Wohl bis Mitte des 6. Jh.s wurde die ganze Ostküste von der Thyreatis bis zur Insel Kythera dem Staat der Lakedämonier angegliedert. Mißerfolg gegenüber den Arkadern führte aber um die Mitte des 6. Jh.s zu einer Neuorientierung. Fortan war Sparta bemüht, durch Bündnisse mit den Nachbarn einen Sicherheitsgürtel um sein Staatsgebiet zu legen, das immerhin mit etwa 8400 km2 schon zwei Fünftel der Peloponnes umfaßte. So entstand schließlich ein von Sparta geführtes Bündnissystem, der sogenannte Peloponnesische Bund (eigentlich ,die Lakedämonier und Mitkämpfer’). Einer der ersten Verträge wurde mit dem arkadischen Tegea geschlossen. Vor allem die Ergebnisse des 2. Messenischen Krieges schufen die Voraussetzungen für die klassische Gestaltung der spartanischen Gesellschaft. Erneute und erweiterte Landaufteilung versah jeden Spartiaten mit einer Hufe (kláros, Pl. klároi), zu der mehrere Helotenfamilien gehörten. Der Name der Heloten ist nicht sicher geklärt. Sie wirtschafteten selbständig (in Messenien jenseits des Taygetos-Gebirges war dauernde Aufsicht gar nicht möglich) und waren zu begrenzten Abgaben an ihre Herren verpflichtet. Tyrtaios nennt einmal 50%, aber vielleicht galt das nur vor dem 2. Messenischen Krieg und nur in Messenien; ein von Plutarch erwähntes Fixum ist wohl erst relativ 32
späten Ursprungs. Die Belastung ist daher nicht abzuschätzen, zumal die Größe der Klaroi, die Erträge und die Zahl der darauf angewiesenen Personen unbekannt sind. Das Bedrückende des Status der Heloten lag außerdem in einer massiven Unterdrückung. Sie manifestierte sich unter anderem in einer jährlichen formellen Kriegserklärung an sie und der willkürlichen Tötung jedes Verdächtigen. Die Härte dieses Regimes resultierte aus der Sorge der Spartiaten vor dem zahlenmäßigen Übergewicht der Heloten. Hier lag ein Unterschied zu normalen Sklavereiverhältnissen. Die Heloten waren auch nicht wie die meisten Sklaven aus allen Familienbindungen gelöst. Zudem bildeten die Messenier eine ethnische Einheit mit einem Identitätsbewußtsein. In diesem Punkt war die Situation der lakonischen Heloten anders, da sie kein anderes Vaterland hatten als ihre Herren. Griechen waren sie alle und Eigentum der Spartiaten als Gesamtheit, jedenfalls der Grundidee nach. Freilassung war daher nur durch den Staat möglich. Im Laufe der Zeit wurde allerdings der Klaros immer mehr zum Privateigentum, was sich auch auf das Verhältnis von Spartiaten und Heloten ausgewirkt haben dürfte. Schließlich nahmen Heloten als Troßknechte, Waffenträger und Ruderer auf Kriegsschiffen an den Feldzügen Spartas teil, in besonderen Fällen sogar als Hopliten. Sie können also nicht durchweg unzuverlässig gewesen sein. Das lange Bestehen der Helotie in Lakonien (bis ins 2. Jh.) ist nur erklärbar, wenn relativ viele der Heloten sich mit ihrer dienenden Rolle identifiziert hatten. Die spezifische Minderheitsposition der Spartiaten nötigte sie zu außerordentlicher Pflege der Kampfkraft. Sie widmeten sich einem ständigen Hoplitentraining und lebten in steter Einsatzbereitschaft gemeinsam am Zentralort. Die staatliche Erziehung war ganz auf diesen Lebensinhalt ausgerichtet. Die Jungen wurden mit 7 Jahren der Familie entzogen und lebten, lernten und trainierten, nach Altersklassen gegliedert, unter der Leitung junger Erwachsener. Die Ausbildung war ganz überwiegend auf körperliche Leistungsfähigkeit, Abhärtung, Tapferkeit und unbedingten Gehorsam abgestellt. Mit 20 Jahren zählten die jungen Spartiaten als vollwertige Krieger. Bis 33
zum 30. Jahr lebten sie dauernd im zentralen Lager. Danach mußten sie wenigstens tagsüber am gemeinsamen Leben mit militärischen Übungen teilnehmen. Ihre Zelt- oder Tischgemeinschaften sind unter dem Namen syssitia bekannt, ursprünglich hießen sie wohl phiditia. Jedes Mitglied hatte dazu einen festgesetzten Beitrag zu leisten. Wer das nicht konnte, schied aus der Vollbürgerschaft der ,Gleichen’ (hómoioi) aus. Über die Stellung der Spartiaten minderen Rechts ist freilich nichts bekannt. Das Privatleben war unter solchen Umständen stark reduziert. Die Frauen genossen dabei allerdings mehr Freiheiten, als in Griechenland sonst üblich war. Ihnen fiel wohl ein relativ großer Anteil an Aufsicht über die Wirtschaft zu. Auch sie machten eine gymnastische Ausbildung durch. Andere Griechen fanden das Leben der Spartiatinnen sittenlos. Das Zusammenleben der Männer begünstigte die Knabenliebe, sie wurde sogar bewußt der Erziehung dienstbar gemacht. Die staatliche Ordnung entsprach im Prinzip dem Typ der Bürgergemeinde. Es gab eine Volksversammlung, einen Rat und leitende Amtsträger. Schon Tyrtaios bezieht sich auf eine Art ältester Verfassung, die von Plutarch in altertümlichem Wortlaut überliefert ist (Große Rhetra). Manches darin bleibt unklar, weil der Text Schwierigkeiten bietet und der vorherige Zustand Spartas nicht bekannt ist. Neu war wohl die Festlegung der Mitgliederzahl des Rates, der gerusia, auf 30 einschließlich der beiden Könige, die regelmäßige Einberufung der Volksversammlung und die Zuerkennung von Entscheidungsbefugnissen an sie, freilich eingeschränkt durch ein Vetorecht der Gerusia. Die Gerusia war ein ,Rat der Alten’ im wörtlichen Sinne, denn seine Mitglieder mußten über 60 Jahre alt sein. Sie stammten in der Regel aus einigen besonders angesehenen Familien und wurden in einem altertümlichen Verfahren auf Lebenszeit gewählt. Rang und Einfluß des Gremiums waren groß. Noch in klassischer Zeit fungierte es als Gericht in politisch relevanten Fällen. Für die Könige galt das Mindestalter nicht. Der Ursprung 34
des eigenartigen Doppelkönigtums ist nicht mehr aufzuhellen. Es war in den beiden Familien der Agiaden und Eurypontiden erblich. Die Könige genossen einen betonten Ehrenvorrang. Ihr tatsächlicher Einfluß hing stark von den persönlichen Qualitäten ab, zumal ihr Hauptaufgabenbereich die Heerführung war. Die Große Rhetra nennt nicht die fünf Ephoren, die in klassischer Zeit die wichtigsten Amtsträger waren. Vielleicht übten sie zunächst nur bescheidene Funktionen aus, ihr Aufstieg vollzog sich erst im 6. Jh. Schließlich erfüllten sie alle Aufgaben einer Regierung mit Ausnahme der Heerführung, sie sprachen Recht, soweit nicht die Gerusia damit befaßt war, leiteten die Volksversammlungen und kontrollierten sogar die Amtsführung der Könige, mit denen sie als Vertreter des Volkes monatlich Eide austauschten. Sie wurden vom Volk für jeweils ein Jahr gewählt. Einer von ihnen fungierte als Eponym, d. h. nach seinem Namen wurde das Jahr benannt. Antike Tradition meinte die Liste der eponymen Ephoren bis 754/53 zurückverfolgen zu können. Die Volksversammlung (modern oft mit schwacher Quellenbasis Apella genannt) konnte wahrscheinlich kaum gegen ein einheitliches Votum von Gerusia, Königen und Ephoren entscheiden, zumal amtlose Teilnehmer anscheinend kein Initiativrecht hatten. Eine echte Entscheidungsmöglichkeit bestand also nur, wenn die leitenden Organe sich nicht einig wurden und das Volk gewissermaßen als Schiedsrichter anriefen. Die beschriebene Organisation ist nur die der Gemeinde Sparta, deren Mitglieder Spartiaten hießen. Die offizielle Staatsbezeichnung ,die Lakedämonier’ schloß jedoch als Staatsangehörige im weiteren Sinne die Periöken (períoikoi – ,Umwohner’) ein. Das waren freie Einwohner von Orten am Rande der den Spartiaten gehörigen Fruchtebene des Eurotas, später auch von Gegenden außerhalb Lakoniens. Der Ursprung ihrer gegenüber den Spartiaten geminderten Rechtsstellung ist unklar und sicher nicht auf einen Nenner zu bringen. Periöken in nächster Nähe Spartas könnten derselben Einwanderergruppe angehört haben. Gemeinden anderer Herkunft kamen im Laufe der Expansion Spartas hinzu. Von ihrer inneren 35
Struktur ist nichts bekannt, weil schon im Altertum die führende Polis, die den Gesamtverband nach außen vertrat, alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch Periökengemeinden konnten Polis heißen und verfügten wohl über ein beträchtliches Maß an Selbstverwaltung. Ihre wirtschaftliche Grundlage war überwiegend agrarisch, aber nicht mit solcher Ausschließlichkeit wie in Sparta. In ihren Händen lagen Handwerk, Bergbau, Fischfang und Handel. Die Häfen (als wichtigster Gytheion) gehörten zu Periökenorten. Weil die Periöken nicht Mitglieder der Gemeinde Sparta waren, nahmen sie nicht an deren Volksversammlung teil, besaßen kein Mitbestimmungsrecht in gesamtstaatlichen Angelegenheiten und keinen Zutritt zu politischen und militärischen Leitungsfunktionen. Sie hatten jedoch Kontingente zu den Streitkräften zu stellen. Das ist zuerst für das Jahr 479 belegt; damals stellten die Periöken die Hälfte der lakedämonischen Hopliten im Kampf gegen die Perser. Später nahm ihr Anteil erheblich zu. Solange die militärische Belastung gering war, konnten die Periöken ihre Stellung als nicht ungünstig empfinden. Die Zugehörigkeit zu einem starken Staat gewährte Schutz nach außen, vielleicht gar ein Gefühl des Stolzes darauf, Lakedämonier zu heißen. Im großen und ganzen bildeten die Periöken durch ihr bloßes Vorhandensein einen Ausgleich des extremen Ungleichgewichts zwischen Spartiaten und Heloten und stabilisierten dadurch das System der Helotie. Frühe Tyrannen und Gesetzgeber In Sparta hatten die Landverteilung an alle Bürger nach dem 2. Messenischen Krieg und die Durchsetzung einer einheitlichen Lebensordnung die Gegensätze zwischen Adel und Gemeinfreien weitgehend verschwinden lassen. Die noch immer starke Position der Könige war durch ihre Einbindung in die Gerusia relativiert, und seit dem 6. Jh. wurden die Ephoren zu einem Gegengewicht. Wo es im übrigen Griechenland noch ein Königtum gab, 36
wurde es durch die Gesamtheit des Adels eingeschränkt, vielerorts in ein Jahresamt umgewandelt. Im allgemeinen sind weder der Zeitpunkt der Umwandlung noch die dem Amt verbliebenen Kompetenzen bekannt. In Athen wurde das Königtum auf die Stellung eines Sakralbeamten reduziert. Die politischen Befugnisse gingen auf den Archon über. Seitdem die Archonten für jeweils ein Jahr amtierten (angeblich seit 683/82), fungierten sie als Eponyme, wie jeweils einer der Ephoren in Sparta. Neben Archon und Basileus stand der Polemarchos (,Kriegsführer’). Noch im 7. Jh. traten die sechs Thesmotheten (,Rechtssetzer’?) hinzu. Zusammenfassend werden sie alle als die neun Archonten bezeichnet. Die höchste Autorität lag vermutlich nicht bei den befristeten Ämtern, sondern beim Rat, in dem die Mitgliedschaft lebenslänglich war. Nach seinem Sitzungsort, dem Areshügel, wurde er schließlich Rat vom Areopag (oder kurz Areopag) benannt. Eine irgendwie ausgezeichnete Herkunft war wesentliches Kriterium des Adels. Allerdings hat der von uns verwendete Begriff für den Bereich der Griechen etwas Fließendes an sich, weil keine so genaue Standesabgrenzung bekannt ist wie etwa beim römischen Patriziat. Reichtum, Führung und Erblichkeit bedingten sich gegenseitig. Manche Adelsfamilien führten sich auf die (Klein-)Könige alter Zeit zurück. Andere traten erst im Laufe der weiteren Entwicklung in den Kreis der mächtigen Familien ein, wieder andere schieden aus. In Kolonien kam es vor, daß die ersten Siedler sich gegenüber den nachfolgenden wichtige Privilegien vorbehielten, also insgesamt zu einer Art von Adel wurden. Doch gegen das Monopol gesellschaftlicher und (in Ansätzen) politischer Macht erhob sich auch Widerstand, oder es wurde von innen gefährdet durch Rivalitäten unter den Adligen. In einigen Poleis führten die Auseinandersetzungen und der sie begleitende Verfall traditioneller Normen zur zeitweiligen Herrschaft von einzelnen, von Tyrannen. Die Bezeichnung geht wahrscheinlich auf ein vorderasiatisches Wort mit der Bedeutung ,Herr’ zurück und wurde von Griechen für Usurpatoren aufgegriffen, die sich ohne Legitimation durch Herkommen 37
oder Wahl aus eigener Machtvollkommenheit an die Spitze ihrer Gemeinwesen gesetzt hatten, gestützt natürlich auf von Fall zu Fall wechselnde gesellschaftliche Kräfte. Als Selbstbezeichnung wurde das Wort anscheinend nicht gebraucht. Manche Tyrannen nannten sich noch Basileus. So mag sich erklären, daß in der späteren Tradition Pheidon von Argos als ein in einen Tyrannen verwandelter König erscheinen konnte. Leider ist seine Lebenszeit widersprüchlich überliefert. Folgt man dem Ansatz in die Mitte des 7. Jh.s, so war er Zeitgenosse der ersten eindeutigen Tyrannenherrschaften in den Poleis an der Landenge (dem Isthmus) von Korinth. In Korinth bestand seit dem 8. Jh. ein Machtmonopol einer aristokratischen Gruppierung, der Bakchiaden. Sie heirateten angeblich nur untereinander und besetzten aus ihren Reihen die erst schwach ausgebildeten Polisämter. Das Territorium von Korinth wurde erweitert. Es umfaßte schließlich rund 880 km2, viel für griechische Verhältnisse, und zeichnete sich durch fruchtbaren Boden aus. Der Reichtum der Polis und der Bakchiaden erwuchs in erster Linie auf dieser agrarischen Basis. Hinzu kam eine verkehrsgünstige Lage, mit Häfen auf beiden Seiten der Landenge, woraus sich Einnahmen an Zöllen und Hafengebühren ergaben. Es war günstiger, Waren hier umzuladen, als die Südspitze der Peloponnes zu umfahren. Gegen die Bakchiaden erhob sich 657 (oder etwas später) Kypselos. Die Einzelheiten sind sagenhaft. Anscheinend stand Kypselos den Bakchiaden nahe, ohne einer der Ihren zu sein. So konnte er als Vorkämpfer aller von der Macht Ausgeschlossenen erscheinen und mit breiter Unterstützung seinerseits die Macht monopolisieren. Nach dreißig Jahren folgte ihm sein Sohn Periander (Periandros), dem eine 40jährige Regierungszeit zugeschrieben wird. Unter ihm nahm die Tyrannis härtere Züge an. Es ist von einer Leibwache die Rede, wie sie in klassischer Zeit als typisch für Tyrannen galt. Nach außen stand Korinth unter Periander so mächtig da wie nie zuvor und wie auch später nie wieder. Angehörige des Tyrannenhauses regierten in korinthischen Kolonien. Kypselos hatte Ansiedler nach Leukas, Anaktorion und Ambrakia entsandt, Periander grün38
dete Poteidaia auf der Chalkidike und hatte zeitweise auch Kerkyra und Epidauros unter Kontrolle. Er überlebte seine Söhne. Sein Nachfolger, der Neffe Psammetichos (der Name deutet eine Verbindung zu Ägypten an), wurde bald das Opfer einer Verschwörung. Von da an bestand eine relativ breite und stabile Oligarchie der Oberschicht. Fast gleichzeitig mit den Kypseliden von Korinth regierten im benachbarten Sikyon die Orthagoriden. Die Nachrichten über Orthagoras und seine ersten Nachfolger sind dürftig und unsicher. Mehr ist bekannt über den bedeutendsten Vertreter der Dynastie, Kleisthenes (etwa 600 bis 570). Bezeugt ist vor allem seine entschiedene Feindschaft gegen das benachbarte, früher befreundete Argos. Er beseitigte auch im Inneren alles, was an Argos erinnerte, sogar Rhapsodenwettkämpfe, weil in der epischen Tradition die Herren der Argolis eine hervorragende Rolle spielten. Die gemeindorischen drei Phylen versah er mit anderen, angeblich entehrenden Namen. Die Tradition ist freilich stark anekdotisch gefärbt, alle neuen Deutungen daher nur Vermutungen, auch was die soziale Basis betrifft. Immerhin zeichnet sich ab, daß er die dorischen Adelsfamilien entmachtete. Sein Ansehen unter dem Adel anderer Poleis litt darunter nicht. Junge Aristokraten aus vielen Gegenden bewarben sich auf seine Einladung hin um seine Tochter Agariste. Der Athener Megakles aus dem Haus der Alkmeoniden durfte sie heimführen (etwa 575). Nicht viel später starb Kleisthenes. Ein nicht weiter bekannter Nachfolger wurde gestürzt. Laut Aristoteles hatte die Tyrannis in Sikyon am längsten bestanden, nämlich einhundert Jahre lang. Kurzlebig war die Tyrannis in Megara. Dort kam um 640 Theagenes an die Macht, vielleicht gestützt auf die kleinbäuerliche Bevölkerung, denn es ist überliefert, er habe die Viehherden der Reichen abgeschlachtet. Doch schon er selbst wurde wieder vertrieben. Zeitgenosse und Freund Perianders in Milet war Thrasybulos. Dort konnte als Rechtfertigung einer starken Führung der Kampf gegen die Expansion des Lyderreiches dienen. Milet wehrte sich unter Thrasybulos so erfolgreich, daß der Ly39
derkönig Alyattes mit ihm Frieden und Bündnis schloß (gegen 600). Die Überlieferung über andere Tyrannen in Kleinasien und auf den vorgelagerten Inseln ist vage und zum Teil von späterer Tyrannentypologie geprägt. Ein von Haß verzerrtes Bild von Melanchros, Myrsilos und Pittakos in Mytilene auf Lesbos gibt der Dichter Alkaios, selbst Vertreter der alten Aristokratie. Er mußte aus politischen Gründen ein- oder zweimal die Heimat verlassen, wie übrigens auch die ebenfalls auf Lesbos beheimatete Dichterin Sappho. Pittakos war wohl nur in den Augen des Alkaios und seiner Freunde ein Tyrann. Er hatte zusammen mit Alkaios gegen Melanchros und Myrsilos gekämpft, mit letzterem aber seinen Frieden gemacht und war nach dessen Tod zum Schlichter und Ordner (aisymnétes) des Gemeinwesens gewählt worden. Nach Erfüllung dieser Aufgabe, wozu eine mehr oder weniger umfangreiche Gesetzgebung gehörte, trat er zurück. Die ihm zuteil gewordene Hochschätzung zeigt sich darin, daß er bald zu den Sieben Weisen gerechnet wurde. Erste Anläufe zur Tyrannis gab es auch auf Sizilien. Der erste Name ist Panaitios von Leontinoi (um 610?). Durch Grausamkeit berüchtigt und damit zum Urbild des Tyrannen wurde Phalaris von Akragas. Er erlangte um 570 die Gewalt über die erst ein Jahrzehnt alte Stadt, stärkte zwar deren äußere Position, wurde aber nach 16 Jahren durch einen Aufstand gestürzt und umgebracht. Die eigentliche Tyrannisperiode Siziliens begann erst gegen Ende des 6. Jh.s. Athen erlebte im 7. Jh. nur einen Versuch zur Tyrannis. Der adelige Kylon, Olympiasieger von 640, besetzte in einem der darauffolgenden Jahre mit Freunden aus seinem Stande und einer Hilfstruppe seines Schwiegervaters, des Tyrannen Theagenes von Megara, die Akropolis, wurde aber dort eingeschlossen. Er selbst entkam, die anderen mußten sich ergeben, manche von ihnen wurden im heiligen Bezirk, wo sie Asyl suchten, getötet (‚Kylonischer Frevel’). Die Verantwortung dafür fiel auf den Archon, den Alkmeoniden Megakles. Danach scheint es zu erbitterten Fehden gekommen zu sein (bedingt auch durch den Grundsatz der Blutrache?). 40
Vielleicht waren sie einer der Anlässe zur ersten Gesetzgebung in Athen, der des Drakon (um 621). Sprichwörtlich wurde die ‚drakonische’ Härte der Strafen, aber vielleicht ist sie ein Mißverständnis. Der mit einiger Sicherheit bekannte Teil seiner Gesetze, der das Blutrecht betrifft, zeigt eher das Gegenteil. Die bisher übliche Selbsthilfe (Blutrache) wurde geordnet, indem ein Gericht über die Zulässigkeit befinden mußte. Ein Fortschritt war auch die Unterscheidung von vorsätzlichem Mord, unvorsätzlichem Totschlag und straffreier Tötung (etwa des ertappten Ehebrechers). Ein Abschnitt über unvorsätzliche Tötung und das Verfahren der Versöhnung ist durch eine inschriftliche Neuaufzeichnung aus dem Jahre 409/08 erhalten. Drakon hat möglicherweise das Schuldrecht fixiert, dessen Härte in der Generation nach ihm ein Faktor unter anderen schweren sozialen Belastungen war. Sie führten zur Wahl eines neuen Gesetzgebers, Solon. Solons Werk und Person stehen viel deutlicher vor uns. Er vertrat seine Ideen öffentlich durch Dichtungen, die durch spätere Zitate fragmentarisch erhalten sind. Sie lassen eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich erkennen. Ein Teil des Volkes war verschuldet. Die Gründe im einzelnen sind unbekannt. Auszuschalten ist die einst verbreitete Annahme, das Aufkommen des Münzgeldes habe die Lage der Bauern verschlechtert. Die ersten Münzen wurden gegen Ende des 7. Jh.s in Lydien und Ionien geprägt. Die Erfindung breitete sich verhältnismäßig rasch aus, aber Athen hatte bis ins 6. Jh. hinein keine eigene Münzprägung. Auch in einer reinen Naturalwirtschaft konnten jedoch Menschen in Schulden geraten. In der Forschung umstritten ist der Status der hektemoroi (,Sechstier’). Sie waren jedenfalls zur Abgabe von Ernteanteilen verpflichtet, die in Sechsteln, der gewöhnlichen Unterteilung der Maßeinheiten, gemessen wurden. In gespannter Lage wurde Solon für 594/93 zum Archon und zugleich (nach manchen neueren Annahmen freilich später) zum ,Versöhner’ gewählt. Er nahm eine radikale Schuldentilgung vor (seisáchtheia, ,Lastenabschüttelung’), hob das Hektemoros-Verhältnis und das Recht des Gläubigers zum Zugriff 41
auf die Person des Schuldners auf, sorgte für Rückführung von ins Ausland verkauften Schuldsklaven, lehnte aber die Forderung nach Neuaufteilung des Landes ab; eine Höchstgrenze für Landerwerb galt wohl nicht lange. So wurden die bestehenden Spannungen nicht gänzlich behoben. Der größte Teil der Gesetzgebung, der fast alle Lebensbereiche erfaßte, erlangte jedoch Geltung auf Jahrhunderte. Für die Rechtsentwicklung wichtig waren die Erweiterung der Verfügung über das Vermögen durch Testament und die Einführung der Popularklage, d. h. des Rechtes zur Klage nicht nur für den Geschädigten, sondern in bestimmten Fällen von Allgemeininteresse für jeden Bürger; das war um so wichtiger, als es auch später keine staatliche Anklagebehörde gab. Neben den Gesetzen gab Solon den Athenern auch eine neue Verfassung. Sie regelte die politische Mitwirkung der Bürger mit Hilfe einer Einteilung in vier Einkommensklassen, denen der landwirtschaftliche Ertrag zugrunde gelegt wurde, Geldeinkünfte wahrscheinlich erst später. Den untersten Rang nahmen die Theten ein: Lohnarbeiter, aber anscheinend auch arme Bauern und Handwerker, die sich nicht als Hopliten ausrüsten konnten. Die dazu Fähigen (Mindesteinkommen 200 Medimnen = Scheffel zu 52–53 l) bildeten die Klasse der Zeugiten. Über ihnen standen die Reiter (hippeís), im Deutschen als Stand oft Ritter genannt (Mindesteinkommen 300 Scheffel). Aus ihnen wurden die reichsten mit einem Einkommen von mehr als 500 Scheffeln extra hervorgehoben und hießen demgemäß Fünfhundertscheffler (pentakosiomédimnoi). Nur sie stellten die Archonten und die Schatzmeister. Die Archonten traten nach dem Amtsjahr in den Rat vom Areopag über. Zu einem daneben neu geschaffenen Rat der Vierhundert, dessen Historizität allerdings strittig ist, hatten die oberen drei Klassen Zutritt. Der vierten Klasse stand die Teilnahme an der Volksversammlung (ekklesia) offen und damit auch an dem neu eingerichteten Volksgericht (heliaia), das damals wohl noch weitgehend mit der Volksversammlung identisch war; da aber in klassischer Zeit die Laienrichter mindestens 30 Jahre 42
alt und vereidigt sein mußten, liegt es nahe, eine ähnliche Qualifikation für die Solonische Heliaia anzunehmen. In einigen anderen Poleis ist es im Prozeß der Staatsbildung ebenfalls zu Rechtsaufzeichnungen gekommen. Als frühester Gesetzgeber überhaupt galt Zaleukos von Lokroi in Unteritalien. Wie es heißt, führte er feste Strafsätze ein, wobei die Vergeltung von Gleichem mit Gleichem (Talion) Anwendung fand. Schattenhaft ist der jüngere Charondas von Katane auf Sizilien, obwohl ihm eine Wirksamkeit über seine Heimatstadt hinaus zugeschrieben wurde. Zusammenhängend im Wortlaut ist nur die Gesetzgebung von Gortyn auf Kreta erhalten, und zwar durch eine Mauerinschrift des 5. Jh.s. Der Inhalt ist aber wenigstens teilweise älter, außerdem repräsentiert die Gesellschaft von Gortyn einen verhältnismäßig archaischen Entwicklungsstand, so daß eine Zuordnung zu den frühen Rechtsaufzeichnungen statthaft ist. Die Rechtsaufzeichnungen stellten in keinem Fall eine vollständige Kodifikation dar. Schriftlich fixiert wurde in erster Linie, was umstritten oder neu war. Auch wenn alte Normen schriftlich publiziert wurden, konnte dadurch einer willkürlichen Auslegung vorgebeugt werden. Die Amtsträger wurden so fester in die Bürgergemeinde eingebunden. Griechenland im Schatten der persischen Expansion Der Tyrann Thrasybulos hatte Milet noch gegen den Lyderkönig Alyattes verteidigt. Das Lyderreich wurde aber immer mächtiger und bezog unter König Kroisos faktisch alle griechischen Städte Kleinasiens in seine Sphäre ein (Milet in bevorzugter Position). Das Lyderreich gehörte jedoch zu den ersten Opfern der enormen Expansion der Perser, die um 550 unter Führung von Kyros II. das bis dahin bestehende Vasallitätsverhältnis zu den Medern umgekehrt hatten (die Griechen bezeichneten weiterhin auch die Perser als Meder). Kroisos unternahm einen Präventivkrieg und unterlag gegen Kyros (um 545). Mit den Lydern wurden auch die bisher von ihnen abhängigen 43
Griechen dem Perserreich eingeordnet, Milet wieder formell verbündet. Als Vertrauensmänner der Perser fungierten bevorzugt Vasallentyrannen. Auch einige Inseln erkannten die persische Oberhoheit an. Auf Samos entstand aber gerade um diese Zeit (etwa 538) eine der bedeutendsten Tyrannenherrschaften, die des Polykrates. Skrupellos entledigte er sich aller Rivalen einschließlich seiner zuerst mitregierenden Brüder und errichtete eine mit einträglichem Seeraub verbundene Seeherrschaft. Die Einnahmen verwendete er zum Teil für Bauten, die noch späteren Generationen imponierten: Wiederaufbau des abgebrannten HeraTempels, ein Palast für den Herrscher, eine Hafenmole, eine mittels eines 1045 m langen, begehbaren, teils gemauerten Stollens durch einen Berg geführte Wasserleitung (gebaut von Eupalinos aus Megara). Außer tüchtigen Baumeistern zog Polykrates auch den berühmtesten Arzt der Zeit, Demokedes aus Kroton, und die Dichter Anakreon aus Teos und Ibykos aus Rhegion an seinen Hof. Der Samier Pythagoras dagegen emigrierte nach Italien. Polykrates unterhielt weitreichende Verbindungen, u. a. zu Amasis von Ägypten. Er war allerdings rechtzeitig auf der stärkeren Seite zu finden, als der Perserkönig Kambyses 525 Ägypten eroberte. Sein in den Augen von Zeitgenossen märchenhaftes Glück fand 522 ein jähes Ende; er wurde durch den persischen Satrapen (Statthalter) von Lydien aufs Festland gelockt und ermordet, Samos fortan von Vasallen der Perser regiert. Als Polykrates die Herrschaft an sich riß, war er von dem Tyrannen Lygdamis von Naxos unterstützt worden. Dieser seinerseits verdankte seine Stellung Peisistratos von Athen, dem er früher Dienste geleistet hatte. Solons Ordnung hatte die Tyrannis nicht auf Dauer ausschalten können, obwohl das seine Absicht gewesen war. Nach schwer faßbaren Auseinandersetzungen rivalisierten schließlich drei Aristokraten samt ihrem Anhang miteinander. Lykurgos führte ,die aus der Ebene’ (Pedieis bzw. Pediakoi), der Alkmeonide Megakles, ein Enkel des für den kylonischen Frevel verantwortlichen, ,die von der Küste’ (Pardlioi), Peisistratos 44
aus Brauron in Ostattika ,die aus dem Bergland’ bzw. ,hinter den Bergen’ (Diákrioi bzw. Hyperákrioi). Peisistratos errang (nach freilich ungewisser Chronologie) 561/60 die Macht, verlor und errang sie wieder, diesmal in einem zeitweiligen Bündnis mit Megakles, wurde dann aber ins Exil getrieben. Er gelangte in den Besitz von Gold- und Silberminen in Thrakien und hatte dadurch die Mittel, um mit Hilfe ausländischer Söldner zurückzukehren. 546/45 schlug er das attische Aufgebot bei Pallene und zog ungehindert in Athen ein. Er stützte sich wohl auch weiterhin auf Söldner, unter denen sich aber nun Athener befunden haben mögen. Offenbar hatte er auch eine hinreichende Basis im Volk. Obwohl er den Boden mit einer Ertragssteuer belegte, was als typisch tyrannisch galt, erschien er noch der späteren Tradition als Förderer der Bauern. Er gab ihnen Darlehen und machte sie wohl damit unabhängiger von reichen Privatleuten. Unangefochten regierte er bis zu seinem Tod 528/27, die Herrschaft übernahmen seine Söhne Hippias und Hipparchos gemeinsam. Die Jahre der Tyrannis waren in Athen eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs. Man begann, eigene Münzen zu prägen, zuerst die sogenannten Wappenmünzen, dann die Münzen mit dem Kopf der Stadtgöttin Athene auf der Vorderseite und der ihr heiligen Eule auf der Rückseite, die fortan charakteristisch für Athen waren. Eine rege Bautätigkeit entfalteten besonders die Söhne. Die von Solon geschaffene politische Ordnung wurde formal nicht angetastet. Die Tyrannen sorgten aber dafür, daß die Ämter von Angehörigen und Freunden ihres Hauses verwaltet wurden. Manche Aristokraten fanden sich zur Mitarbeit bereit. Andere mußten wenigstens ihrem persönlichen Ehrgeiz Zügel anlegen. Dadurch leistete die Tyrannis, wie durch den Schutz des Bauerntums, einen Beitrag zur Festigung der Polis. Neben den Besitzungen in Thrakien und Makedonien hatte Peisistratos auch Sigeion am Hellespont unter seine Herrschaft bringen und dort seinen Sohn Hegesistratos (aus einer Ehe mit einer Argeierin) als Regenten einsetzen können. Die Ausdehnung der persischen Herrschaft zog auch die Au45
ßenbesitzungen der Peisistratiden in Mitleidenschaft. Ungefähr 514/13 unternahm Dareios I. einen Feldzug gegen die Skythen nördlich des Schwarzen Meeres. Das persische Heer, zu dem auch die griechischen Untertanen Kontingente stellen mußten, überschritt auf Schiffsbrücken den Bosporus und die Donau. Die Skythen wichen in die Weite des Landes aus. Doch große Teile Thrakiens kamen unter persische Herrschaft, einschließlich der griechischen Städte an der Westküste des Schwarzen Meeres und der Nordküste der Ägäis, der Makedonenkönig wurde zum Vasallen, das griechische Mutterland geriet in den Schatten persischer Macht. Das zeigte sich auch bei den Vorgängen in Athen. Die Peisistratiden hatten vermutlich ihre Einkünfte aus Thrakien verloren. Zugleich erstarkte die innere Opposition. 514 ermordeten zwei Adlige, Harmodios und Aristogeiton, den Hipparchos. Doch Hippias behielt die Zügel in der Hand und zog sie straffer an. Der Sturz der Tyrannis war nicht ohne Hilfe von außen möglich. Der Alkmeonide Kleisthenes, Sohn von Peisistratos’ Rivalen Megakles und Agariste, der Tochter des Kleisthenes von Sikyon, war zwar 525/24 – also während der Tyrannis – Archon gewesen, ging aber später ins Exil. Er bewog das delphische Orakel, Sparta zum Eingreifen aufzufordern. Nach einem mißglückten Landungsunternehmen 511 rückte König Kleomenes I. 510 mit dem vollen Aufgebot aus und schloß Hippias auf der Akropolis ein, bis dieser sich, nachdem Familienangehörige in Gefangenschaft geraten waren, zur Emigration nach Sigeion bereit fand. Um die Neugestaltung des Staates entbrannte ein Kampf zwischen Kleisthenes und Isagoras, der anscheinend eine enge Oligarchie anstrebte. Isagoras wurde für 508/07 zum Archon gewählt. Doch Kleisthenes gewann mit einem populären Programm die Masse der Bürger für sich. Zugunsten des Isagoras intervenierte noch einmal Kleomenes und führte gegen Kleisthenes auch den Kylonischen Frevel – begangen von dessen Vorfahren – ins Feld. Kleisthenes und viele Anhänger mußten fliehen. Doch eine Erhebung der Athener nötigte Kleomenes 46
und Isagoras zum Abzug. Kleisthenes konnte nun die geplante Reform durchführen. Grundlage des Staatsaufbaus wurden die über 100 Demen, d. h. Dörfer und Stadtbezirke (demos ist in diesem Zusammenhang am ehesten mit ,Gemeinde’ zu übersetzen). Sie waren Selbstverwaltungseinheiten mit eigenem Vermögen (besonders Grundbesitz), mit einer Gemeindeversammlung (agorá), einem jährlich gewählten oder erlosten Bürgermeister (démarchos) sowie nach Bedarf Kassenverwaltern und anderen Funktionären. Eine vom Namen des jeweiligen Demos abgeleitete Bezeichnung, das demotikón, trat für amtliche Zwecke zum Individualnamen und Vatersnamen des Bürgers. Die Demoszugehörigkeit wurde erblich, unabhängig vom tatsächlichen Wohnsitz. Die Demen wurden ihrerseits auf zehn neue Phylen aufgeteilt, die Kleisthenes neben den vier alten (,ionischen’) schuf. Wohl um die verschiedenen Landstriche besser in den Gesamtstaat zu integrieren, setzte er die Phylen so zusammen, daß jede Phyle Demen aus drei Regionen enthielt: der Stadt Athen mit der angrenzenden Ebene (Asty), dem Binnenland (Mesógeios) und dem Küstengebiet (Paralía). Diese Phylendrittel hießen Trittyen. Auf dieser Gliederung basierte die Zusammensetzung des ebenfalls neuen Rates der 500. Seine Mitglieder wurden für ein Jahr in einem nicht näher bekannten Verfahren durch das Los bestimmt, anfangs vielleicht gewählt. Die Demen waren in ihm gemäß ihrer Größe vertreten (von 1 bis 22 Ratsmitgliedern). Die 50 Vertreter einer Phyle stellten eine Sektion dar, die in einem Zehntel des Jahres in einer durchs Los bestimmten Reihenfolge als geschäftsführender Ausschuß des Rates fungierte. In dieser Eigenschaft hießen sie Prytanen, ihre Amtsperiode Prytanie. Der Ratsvorsitzende (epistátes) amtierte nur einen Tag. Über die Tätigkeit des Rates ist vor der Mitte des 5. Jh.s fast nichts bekannt. Wahrscheinlich hatte er von Anfang an die Aufgabe, alle Vorlagen für die Volksversammlung zu beraten und einen Vorbeschluß (probúleuma) zu fassen. Noch gab es nicht den Begriff ,Demokratie’, und über die 47
subjektiven Absichten, die Kleisthenes bei seiner Verfassungsreform leiteten, läßt sich nicht sicher urteilen, aber die von ihm vorgenommene politische Organisation Attikas öffnete die Tür zur Entfaltung der Demokratie. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis der eröffnete Raum voll ausgeschritten war. Jedoch der erste entscheidende Schritt zur Teilhabe aller Bürger an der Gestaltung ihres Gemeinwesens war getan. Auf den zehn Phylen baute sich nun auch das Bürgerheer auf. Zehn Strategen befehligten die Phylenregimenter. Das Heer war dringend notwendig, denn eine Reaktion Spartas auf die unerwarteten Veränderungen in Athen war mit Sicherheit zu erwarten. Deswegen schickten die Athener außerdem Gesandte zum persischen Satrapen in Sardes, Artaphernes, mit der Bitte um ein Bündnis. Die dafür geforderte und geleistete Anerkennung persischer Oberhoheit wurde dann aber in Athen verworfen. 506 marschierten Heere des Peloponnesischen Bundes sowie der Böoter und der Chalkidier von Euböa in Attika ein. Doch Uneinigkeit unter den Peloponnesiern und sogar den spartanischen Königen (von denen deshalb fortan nur jeweils einer das Kommando haben sollte) hatte deren Rückzug zur Folge. Die Athener konnten die Böoter und Chalkidier schlagen und auf dem Gebiet von Chalkis eine Kleruchie, d. h. eine auswärtige Bürgersiedlung, anlegen, vielleicht die erste, falls nicht die auf der Insel Salamis noch älter ist. Sparta wollte nun sogar Hippias wieder einsetzen, fand aber auf einer dazu einberufenen (erstmaligen) Versammlung der Bundesgenossen keine Unterstützung. Hippias suchte dann Hilfe bei Artaphernes, der die Athener unter Berufung auf ihre formelle Anerkennung persischer Oberhoheit zur Wiederaufnahme des Tyrannen aufforderte, aber vergeblich. Dieser Konflikt erklärt wohl zum Teil das athenische Verhalten beim Ionischen Aufstand.
III. Klassisches Zeitalter Das klassische Zeitalter griechischer Kultur ist auf politischem Gebiet durch die volle Entwicklung der Bürgergemeinde in den fortgeschrittenen Poleis gekennzeichnet. Die Teilhabe der Bürger an Regierung und Rechtsprechung erreichte in der Demokratie Athens einen Höhepunkt. Die Freiheit der Bürger setzte voraus, daß unselbständige Arbeit ganz überwiegend von Sklaven geleistet wurde. Das Streben einzelner Poleis nach Herrschaft über andere hatte häufige Kriege zur Folge. In der gesamten Periode übte das sehr wechselhafte Verhältnis zum Perserreich einen wesentlichen Einfluß auch auf die Beziehungen der Griechen untereinander aus. Griechen im Abwehrkampf gegen das Perserreich Aus den ersten Jahrzehnten der Zugehörigkeit griechischer Poleis zum Perserreich ist nichts von etwaiger Unzufriedenheit bekannt. Der weitere Gang der Geschichte läßt allerdings vermuten, daß vor allem die mit den Persern verbundenen Tyrannenherrschaften vom wachsenden Selbstbewußtsein der Bürgergemeinden bald als überlebt empfunden wurden. Im Jahre 500 versuchte der Tyrann Aristagoras von Milet, im Bunde mit dem Satrapen Artaphernes die Insel Naxos zu erobern. Der Versuch schlug fehl, Aristagoras war kompromittiert und trat die Flucht nach vorn an. Er rief die Ionier zur Erhebung gegen die Perser und die in deren Auftrag regierenden Tyrannen auf. Es kam zum ,Ionischen Aufstand’. Aristagoras bemühte sich um Hilfe im Mutterland, doch nur Athen und Eretria sandten 20 bzw. 5 Schiffe, die überdies nicht lange blieben. Der Aufstand weitete sich noch 497 bis zum Bosporus und bis Karien und Zypern aus. Dann aber eroberten die weit überlegenen Perser ihr Untertanengebiet schrittweise zurück. 494 schlugen sie in einer Seeschlacht bei der Insel Lade bei Milet die weitgehend demoralisierten Ionier, zerstörten Milet und deportierten die Einwohner an den unteren Tigris. 49
Aristagoras war schon vorher nach Thrakien geflohen. 493 unterwarfen die Perser auch die restlichen aufständischen Gebiete. Der persische Oberbefehlshaber Mardonios, Schwiegersohn des Dareios, verzichtete auf Wiedereinsetzung der Tyrannen. Eine militärische Operation im Norden Griechenlands 492 mußte er wegen Verlust der Flotte durch Sturm am Vorgebirge Athos (Chalkidike) abbrechen. Das Hauptziel war aber ohnehin wohl nur gewesen, die Herrschaft über Thrakien zu stabilisieren und die Anerkennung der persischen Oberhoheit durch Makedonien zu sichern. Von einer Reaktion in Athen auf diese Vorgänge ist nichts bekannt. Im Jahr 493/92 war dort Themistokles Archon geworden, der später bei der Abwehr der Perser eine hervorragende Rolle spielte. Daß er schon in diesem Jahr mit entsprechenden Vorbereitungen begonnen habe, ist jedoch fraglich. 493 war auch das Jahr der Heimkehr des Miltiades. Dieser hatte als zweiter Nachfolger seines gleichnamigen Onkels eine Art von Tyrannis auf der thrakischen Chersones (Halbinsel Gallipoli) ausgeübt. Jetzt fand er es richtig, sich der persischen Herrschaft zu entziehen. Durch seinen alten Adel, seinen immensen Reichtum und seine Kenntnis der Perser schien er mehr als Themistokles zur Führung prädestiniert. 490 ging unter dem Befehl des Meders Datis von Kilikien aus eine persische Strafexpedition gegen Athen und Eretria in See. Eretria erfuhr dieselbe Behandlung wie Milet. In Athen planten die Perser die Wiedereinsetzung des alten Hippias, der an der Expedition teilnahm. Sie gingen im Osten Attikas in der Ebene von Marathon an Land. Dort trat ihnen das Hoplitenheer der Athener und der böotischen Platäer entgegen (ein lakedämonisches Heer traf zu spät ein) und erfocht unter Führung des Miltiades, der einer der Strategen war, einen überraschenden Sieg. Die Perser kehrten nach Kleinasien zurück. Der Rückschlag war für sie nicht allzu gravierend. Immerhin hatten sie bei diesem Kriegszug die Herrschaft über die Kykladen gewonnen. In den folgenden Jahren gab es für sie auch dringendere Aufgaben als die Rache für die Niederlage, zumal als 50
Dareios 486 starb und sein Sohn Xerxes erst die Herrschaft sichern mußte, auch gegen Aufstände in Ägypten und Babylonien. In Athen vollzogen sich währenddessen wichtige Veränderungen. 489 schlug ein Flottenunternehmen des Miltiades gegen die Insel Paros fehl, er wurde wegen Täuschung des Volkes zu einer enormen Geldstrafe verurteilt, starb aber an einer vor Paros empfangenen Wunde. Ab 487 wurde das nach der Tradition schon von Kleisthenes geschaffene Instrument des Ostrakismos (,Scherbengericht’) tatsächlich angewandt. Die Bürger erhielten einmal im Jahr Gelegenheit, auf eine Tonscherbe den Namen eines Mannes zu schreiben, den sie wegen Gefährlichkeit zu entfernen wünschten. Derjenige, auf den die meisten von mindestens 6000 abgegebenen Stimmen entfielen (andere Version: überhaupt mindestens 6000), hatte auf zehn Jahre ins Exil zu gehen, ohne Schaden an Ehre und Vermögen. Zuerst traf es anscheinend Politiker, die der Sympathie für die Tyrannis und/oder die Perser (Medismos) verdächtig waren: 487 Hipparchos (mit den Peisistratiden verwandt), 486 Megakles (Alkmeonide, Neffe des Kleisthenes), 484 Xanthippos (Schwager des Megakles, Ankläger des Miltiades) und 483 Aristeides (zeitweilig Rivale des Themistokles). Zur selben Zeit wurde die Erlösung der Archonten aus 100 vorgewählten Kandidaten eingeführt, spätestens jetzt auch aus der zweiten Einkommensklasse. Fortan finden sich daher unter den Archonten keine hervorragenden Männer mehr, sondern nur unter den gewählten Strategen. Politische Führung wurde außerdem, je mehr sich die Demokratie entfaltete, immer mehr durch Reden in der Volksversammlung ausgeübt. Wachsenden Einfluß gewann Themistokles, nun Sieger in den mit Hilfe des Ostrakismos geführten Auseinandersetzungen. Er entwickelte die Konzeption eines Seekrieges gegen die Perser und setzte unter dem Vorwand des Kampfes gegen die damals feindliche Insel Ägina den Bau einer großen Flotte von Trieren durch, d. h. der modernen langen Kriegsschiffe mit drei Ruderreihen. Finanziert wurde sie aus dem erweiterten Silber51
bergbau von Laurion in Südostattika; die reichen Silbervorkommen wurden auch künftig zu einer Grundlage der Wirtschaftskraft Athens. Als 481 die seit 484 vorbereitete große Invasion der Perser absehbar war, schloß eine Anzahl abwehrbereiter griechischer Staaten ein Verteidigungsbündnis, modern ,Hellenenbund’ oder ‚Eidgenossenschaft’ genannt. Die militärische Führung erhielt Sparta als bislang stärkste Macht zugesprochen. 480 setzte das persische Landheer auf Schiffsbrücken über den Hellespont (Meerenge der Dardanellen) und marschierte in Richtung Griechenland, zur See begleitet von einer aus phönikischen und ionischen Kontingenten bestehenden Flotte. Die Gesamtleitung hatte Xerxes persönlich. Ein kleines griechisches Heer unter dem Spartanerkönig Leonidas versuchte, den Vormarsch an den Thermopylen, einem Engpaß am Malischen Golf zwischen Gebirge und Meer, wenigstens zeitweise aufzuhalten, parallel dazu die Flotte am Kap Artemision im Norden Euböas. Leonidas fiel mit 300 Spartiaten und 700 Thespiern (aus Böotien), das Seegefecht endete mit dem Rückzug der Griechen. Mittelgriechenland trat zu den Persern über. Als letzte Verteidigungslinie blieb der Isthmus von Korinth. Attika wurde evakuiert. Eine erst 1959 in Troizen auf der Peloponnes entdeckte Inschrift gibt sich als (freilich sehr viel spätere) Aufzeichnung des von Themistokles dazu beantragten Volksbeschlusses, ihre inhaltliche Echtheit ist aber fraglich. Themistokles konnte den spartanischen Oberbefehlshaber Eurybiades überreden, die persische Flotte im Sund zwischen Attika und der Insel Salamis zum Kampf zu stellen. Die Griechen brachten ihr durch überlegene Taktik eine schwere Niederlage bei. Xerxes kehrte mit dem Rest nach Asien zurück, das Landheer unter Mardonios bezog Winterquartier in Thessalien. Noch war der Krieg nicht entschieden. 479 besetzte das Perserheer erneut Attika mit Athen, das jetzt die schwersten Zerstörungen erlitt. Zur Entscheidungsschlacht kam es bei Plataiai in Böotien. Die Griechen siegten nur mit Mühe und etwas Glück (nachdem Mardonios gefallen war) unter Führung des Spartaners Pausanias, der – selbst noch 52
jung – die Regentschaft für den unmündigen Sohn des Leonidas ausübte. Ebenfalls 479 fuhr die Flotte des Hellenenbundes unter dem anderen Spartanerkönig Leotychidas nach Kleinasien hinüber. Mit Hilfe der jetzt zu ihr übergehenden Ionier besiegte sie die Perser bei der Halbinsel Mykale gegenüber von Samos. Die griechische Flotte fuhr weiter zum Hellespont, fand dort aber die persischen Schiffbrücken schon nicht mehr vor und kehrte zum größeren Teil in die Heimat zurück. Nur die Athener und die neuen Verbündeten belagerten und eroberten im Winter 479/78 noch Sestos am Hellespont. Ihr Befehlshaber war der aus dem Exil zurückgerufene Xanthippos. Die Entstehung des athenisch-spartanischen Dualismus Die auf die Abwehr der Perser folgenden Jahrzehnte sahen den Aufstieg Athens zu einer Großmacht, die ihrerseits die Perser angriff und Sparta mit Erfolg den vor 480 innegehabten Vorrang unter den Griechen streitig machte. Die ökonomischen und kulturellen Ergebnisse jener Vormachtstellung haben dazu beigetragen, daß das klassische Griechenland in den Augen der Nachwelt mit Athen zusammenzufallen scheint. Athens neue Flotte war maßgebend an den Kämpfen der Perserkriege zur See beteiligt, und nur eine Seemacht konnte die eben errungene Freiheit der Ionier schützen. 478 war noch die Bundesflotte unter Pausanias aktiv. Sie befreite die griechischen Poleis in Karien und auf Zypern und wandte sich dann zum Bosporus. Dort wurden die Weichen für eine neue Entwicklung gestellt. Die Athener nutzten den arroganten Führungsstil des Pausanias dazu aus, sich von den Unzufriedenen die Hegemonie antragen zu lassen. Diesen Schritt machten allerdings die peloponnesischen Kontingente nicht mit, sondern fuhren heim. Nun begründeten die Athener ein neues Bündnissystem, das zeitlich unbegrenzt und eindeutig auf die Hegemonialmacht bezogen war: ,die Athener und Mitkämpfer’, im Deutschen meist Attischer Seebund genannt. Sie stützten sich dabei vor53
wiegend auf die erst nach dem Sieg von Mykale aufgenommenen Inselgriechen und die formell noch gar nicht zugehörigen Hellespontier und Ionier. Diese brauchten dauerhaften Rückhalt gegen Persien, den nur Athen gewähren konnte. Einzelne Mitglieder brachten eigene Schiffe ein, so jedenfalls die Inseln Thasos, Naxos, Lesbos, Chios und Samos. Die anderen leisteten weniger aufwendige jährliche Ausgleichszahlungen zum Unterhalt der athenischen Flotte. Die erste Beitragsfestsetzung wurde durch den Strategen Aristeides vorgenommen. Solche Organisation war etwas Neues für griechische Verhältnisse; im Peloponnesischen Bund wurde nur von Fall zu Fall gezahlt. Sitz der Kasse und Tagungsort des Bundesrates, in dem jedes Mitglied eine Stimme hatte, wurde zuerst die Insel Delos mit ihrem weithin angesehenen Apollonheiligtum (daher auch Delischer Seebund). Die Kassenverwalter, das Kollegium der zehn Hellenotamiai, stellte von Anfang an nur Athen. Entscheidend war vor allem, daß die Strategen Athens gemäß der hegemonialen Struktur die Inhaber aller Exekutivgewalt waren. Athens Hegemonie bedeutete für die übrigen Poleis Verzicht auf selbständige Außenpolitik und Kriegführung. Die entstandene Spannung zu Sparta ging vorüber, zumal der bis 462 militärisch führende Kopf Athens auf gute Beziehungen Wert legte: Kimon, Sohn des Miltiades. Er beseitigte in den Jahren ab 476 die Reste persischer Herrschaft im Norden der Ägäis, aber auch die Herrschaft, die der spartanische Regent Pausanias persönlich in Byzanz aufgebaut hatte. Pausanias hielt sich danach eine Zeitlang in der unter persischer Hoheit stehenden Troas auf. Endlich nach Sparta zurückgerufen, wurde er des Medismos und der Konspiration mit Heloten beschuldigt, floh in ein Heiligtum und wurde dort ausgehungert (nach 470?). König Leotychidas entzog sich einem Todesurteil, weil er angeblich infolge von Bestechung eine Strafexpedition gegen die perserfreundlichen Thessaler abgebrochen habe, durch die Flucht und starb im Exil in Tegea. So war das Königtum zeitweise geschwächt. Zur selben Zeit hatte sich Sparta mit demokratischen Tendenzen in Argos, Arkadien und Elis auseinanderzusetzen, teils in offenem Krieg. Aus dem 54
allen erwuchs anscheinend eine betonte Abwehrhaltung gegen alles, was die spartanische Ordnung bedrohen konnte. Damit begann deren Erstarrung. Immer deutlicher hoben sich die gegensätzlichen Entwicklungen in Sparta und Athen voneinander ab. Die zunächst aber noch vorhandene Kooperation zeigte sich im Vorgehen gegen Themistokles. Er hatte an Popularität verloren, war gegen 470 ostrakisiert worden und lebte zunächst in Argos, das im Perserkrieg neutral geblieben war. Nach dem Tod des Pausanias erreichte Sparta, daß auch Themistokles wegen Verbindungen zu ihm und den Persern in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. In ganz Griechenland wurde nach ihm gefahndet, so daß er sich nach abenteuerlicher Flucht unter den Schutz des neuen Perserkönigs Artaxerxes I. stellte (465/64); er regierte bis zu seinem Tode als Vasallenfürst über Magnesia am Mäander und einige andere griechische Orte im persischen Kleinasien. Themistokles hatte anders als die öffentliche Meinung den künftigen Gegner schon mehr in Sparta als in Persien gesehen und wohl deswegen bereits 479/78 sehr zum Mißfallen Spartas Athen mit einer neuen Stadtmauer versehen lassen. Kimon führte den Ausbau der Macht Athens und den Krieg gegen die Perser fort. In einem Jahr zwischen 469 und 466 siegte er zu Wasser und zu Lande an der Mündung des Eurymedon in Pamphylien. Nun waren die Perser auch an der Südseite Kleinasiens zurückgedrängt. Im Zusammenhang mit diesen Operationen zog Athen weitere Poleis in den Attischen Seebund hinein. Es gab aber auch erste Versuche zur Loslösung vom Seebund. Noch vor der Schlacht am Eurymedon unterwarf Kimon Naxos wieder, etwas später Thasos nach über zweijähriger Belagerung (465–63). Beide Inseln mußten auf ihre Flotten verzichten. Noch während der Belagerung von Thasos führten die Athener an den unteren Strymon (Struma) rund 10 000 Kolonisten, doch diese erlitten bei einem Vorstoß weiter ins Binnenland bei Drabeskos eine vernichtende Niederlage durch die Thraker. Angeblich hatte Sparta den Thasiern insgeheim Hilfe zuge55
sagt, wurde jedoch daran gehindert durch ein schweres, viele Opfer forderndes Erdbeben und einen darauf folgenden Helotenaufstand (3. Messenischer Krieg ab etwa 464, Chronologie strittig). Die Aufständischen verschanzten sich auf dem Ithome-Berg, den sie befestigten. Sparta bat endlich neben anderen Griechen vor allem die in Belagerungen erfahrenen Athener um Hilfe. Kimon setzte gegen seinen Widersacher Ephialtes die Entsendung von 4000 Hopliten unter seiner eigenen Führung durch (462). Bald aber wurden sie wegen des Verdachts demokratischer und promessenischer Neigungen heimgeschickt. Die Empörung darüber löste eine Wende in der athenischen Außenpolitik aus, die sich im Innern schon vorbereitet hatte. Kimons Abwesenheit oder seinen Gesichtsverlust nutzte Ephialtes zu einem weiteren Schritt der Demokratisierung. Die politischen Kompetenzen des Areopag, deren Inhalt freilich unklar ist, gingen auf die Volksversammlung, den Rat der 500 und die Gerichte über; ihm blieben nur sakrale Befugnisse und die Gerichtsbarkeit in Fällen von Mord, vorsätzlicher Körperverletzung und Brandstiftung. Kimon wurde durch Ostrakismos ausgeschaltet (461), Ephialtes wenig später ermordet; seine politische Funktion übernahm wohl bald Perikles. Dem Bruch mit Sparta folgte ein Bündnis mit dessen Feind Argos und mit Thessalien. Außerdem ging Megara wegen eines Grenzstreits mit Korinth nun vom Peloponnesischen Bund zu Athen über. Der Übertritt Megaras war für Athen von hohem strategischem Wert, denn ein Angriff der Peloponnesier zu Lande war nur über die von Megara innegehabte Landenge möglich. Hieraus ergaben sich die Verwicklungen des sogenannten 1. Peloponnesischen Krieges (Chronologie im einzelnen unsicher), zuerst mit Korinth und Ägina, schließlich mit Sparta selbst und auch Böotien. Nach einer Niederlage gegen die Spartaner bei Tanagra in Böotien um 457 besiegten die Athener die Böoter bei Oinophyta und errichteten eine zeitweilige Herrschaft über Mittelgriechenland. Sie unterwarfen Ägina und siedelten die Messenier, denen Sparta nach langem Kampf freien Abzug hatte zugestehen müssen, in Naupaktos 56
am Golf von Korinth an. Außerdem führten sie Angriffe zur See gegen die Peloponnes und gewannen im Westen Kephallenia und Zakynthos als Verbündete. Die Stadt Athen wurde mit ihrem Hafen Piräus durch die ,Langen Mauern’ verbunden und so zu einer uneinnehmbaren Doppelfestung mit freiem Zugang zur See gemacht. Eine vorübergehende Erschütterung dieser Machtstellung Athens brachte ein schwerer Rückschlag im Krieg gegen Persien. Athen hatte ihn um 460 wieder aufgenommen und die Abfallbewegung des Inaros im Gebiet des Nildeltas mit einer Flotte und Truppen unterstützt. Dieses Kontingent wurde 454 nach eineinhalbjähriger Belagerung auf der Nil-Insel Prosopitis vernichtet. Sorge vor einem persischen Flottenvorstoß in die Ägäis soll die Verlegung der Seebundskasse von Delos nach Athen veranlaßt haben. Es geschah jedoch nichts. Nachdem die Athener mit den Peloponnesiern einen Waffenstillstand auf fünf Jahre geschlossen hatten, sandten sie eine neue Flotte unter dem heimgekehrten Kimon nach Zypern. Kimon starb dort bei der Belagerung von Kition (Larnaka), aber die Athener siegten zu Wasser und zu Lande beim zyprischen Salamis (nahe Famagusta, 451/50). Es war die letzte bekannte Kampfhandlung auf längere Zeit. Umstritten sind Datierung und sogar Historizität des Kalliasfriedens, benannt nach dem (angeblichen?) athenischen Unterhändler. In verschiedenen Quellen wird er als großer Erfolg gefeiert, in der modernen Forschung meist mit Diodor auf 449 angesetzt. Manches spricht aber für eine Identifizierung mit dem als Tatsache gesicherten Vertrag von etwa 423 (Epilykos-Vertrag). In keinem Fall sind dauernde Auswirkungen feststellbar. Als in Griechenland der Krieg mit Peloponnesiern und Böotern wieder begann, geriet Athen dort in eine bedrohliche Lage. In dem seit 457 kontrollierten Böotien kam es zu einer Erhebung, das von Athen entsandte Heer wurde 447/46 bei Koroneia geschlagen, die Herrschaft über Mittelgriechenland ging verloren, außerdem fielen Megara und Euböa ab. Das in Attika einrückende spartanische Heer konnte Perikles durch Verhandlungen mit dem König Pleistoanax zur Umkehr bewe57
gen. Dadurch bekam Athen freie Hand, um wenigstens Euböa wieder niederzuwerfen. Pleistoanax wurde abgesetzt, weil er als. durch Perikles bestochen angesehen wurde. Den Krieg nahm Sparta dennoch nicht wieder auf. Im Winter 446/45 kam ein Friede auf der Grundlage des Status quo zustande, abgeschlossen auf eine Frist von 30 Jahren. Athen behielt nur noch Ägina und Naupaktos unter seiner Herrschaft. Die rivalisierenden Bündnissysteme, die zugleich gesellschaftspolitische Systeme repräsentierten, schienen zu einem friedlichen Nebeneinander bereit. Streitfälle sollten einem Schiedsgericht unterbreitet werden. Ein unverhofftes Ergebnis des Rückzuges der Athener aus Böotien war die Neuorganisation des schon lange dort bestehenden Landschaftsbundes zu einem effektiven Bundesstaat. Die Ausübung politischer Rechte war gebunden an ein gewisses Maß von Besitz. Die Vollbürger waren in jeder Stadt auf vier Räte aufgeteilt, die im Turnus die Geschäfte führten und zusammen als Volksversammlung fungierten. Auf Bundesebene existierte ebenfalls ein viergeteilter Rat. Seine Mitglieder wurden in den Städten erlost und erhielten Tagegelder. Das Bundesgebiet war in 11 Kreise eingeteilt, wobei größere Poleis mehrere Kreise umfaßten (das führende Theben schließlich 4), kleinere zusammen jeweils einen Kreis bildeten. Jeder Kreis stellte 60 Ratsherren und einen Böotarchen (d. h. leitenden Bundesbeamten mit einjähriger Amtszeit), für das Heer 1000 Hopliten und 100 Reiter. Böotien bietet ein interessantes Beispiel für eine Repräsentativverfassung, wie sie jedoch nach antiker Auffassung nur in oligarchisch strukturierten Staaten ohne Primärversammlung aller Bürger möglich war. Die Polis-Demokratie und das Reich der Athener Mit der Machtentfaltung Athens nach außen war die Entwicklung der Demokratie eng verflochten. Die Reformen des Ephialtes markierten durch die Übertragung politischer Funktionen von einem Gremium mit lebenslanger Mitgliedschaft (Areopag) auf Gremien mit jährlich wechselnder Zusammen58
Setzung (Rat der 500 und Gerichte) oder gar die Volksversammlung eine neue Stufe der athenischen Demokratie. Es ist vielleicht kein Zufall, daß etwa um dieselbe Zeit eine neue Stätte für die Volksversammlung auf dem Pnyx-Hügel angelegt wurde, die Raum für etwa 6000 Sitzplätze bot. Die volle Entfaltung der Demokratie ist in unseren Augen – wegen der Quellenlage sicher zu sehr – verbunden mit der jahrzehntelangen Wirksamkeit des Perikles, so daß man auch von einem Zeitalter des Perikles spricht. Durch seine Mutter, eine Nichte des Kleisthenes, stammte er von den Alkmeoniden ab. Sein Vater Xanthippos war 484 ostrakisiert worden, hatte aber 479/78 als Stratege die athenische Flotte kommandiert. Perikles selbst war sehr häufig Stratege, ab 443 jedes Jahr bis zu seinem Tod 429. Aber auch ohne Amt konnte er als Redner die Politik mitbestimmen. Je mehr die Volksversammlung zum Zentrum aller Entscheidungen wurde, zu desto größerer Bedeutung gelangten diejenigen, die durch Reden deren Zustimmung gewinnen und dadurch als Führer des Volkes (Demagogen im ursprünglichen Sinne) fungieren konnten. Wie weit Perikles, der schon Ephialtes unterstützt hatte, hinter den Entscheidungen dieser Zeit stand, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, falls es nicht eindeutig belegt ist. Auch als Stratege war er nur einer von 10, mußte sich jährlich der Wahl stellen, immer aufs neue die Volksversammlung überzeugen, von der er sogar abgesetzt werden konnte (das widerfuhr Perikles in seinem vorletzten Amtsjahr). 457/56 erhielt die dritte Zensusklasse Zugang zum Archontat. Dadurch wurde auch der Areopag – kurz nach dem Verlust politischer Funktionen – in seiner Zusammensetzung tendenziell demokratisiert, zumal darüber letztlich das Los entschied. Die Archonten hatten jetzt keine politischen Führungsaufgaben mehr, doch fiel ihnen in dieser Zeit immer mehr die Leitung der Gerichte zu. Die militärische Führung war nur noch Sache der Strategen, da ein erlöster Polemarch keine Gewähr für die nötige Qualifikation mehr bot. Die vielleicht anfangs ungeteilte Heliaia wurde spätestens jetzt in einzelne Gerichtshöfe (Dikasterien) zerlegt, zumal ihre 59
Aufgaben durch die Reform des Ephialtes und bald auch durch Befassung mit Seebundsangelegenheiten zunahmen. Die Festlegung der Gesamtzahl der Richter auf 6000 mag ebenfalls in dieser Zeit erfolgt sein. Sie wurden jährlich aus der Bürgerschaft erlost. Höchstens ausnahmsweise saßen die 6000 gemeinsam zu Gericht, normalerweise verteilt auf die einzelnen Dikasterien, deren Stärke sich immerhin nach Hunderten bemaß. In der großen Zahl sah man den sichersten Schutz gegen subjektive Urteile und gegen Bestechungen. Perikles veranlaßte die Einführung von Tagegeldern, pro Sitzungstag 2 Obolen (ab etwa 425 3 Obolen). Tagegelder unterschiedlicher Höhe wurden auch für den Rat und eine Anzahl von Ämtern eingeführt; Strategen erhielten keine Bezahlung. Leitgedanke war die Ermöglichung weitestgehender Teilhabe der Bürger an den Staatsgeschäften. Er stand schon hinter der Anwendung des Losverfahrens. Die Bürgerschaft sollte nicht nur durch eine sich mehr oder weniger gleichbleibende Gruppe von aktiven Politikern repräsentiert, sondern durch Rotation selbst in die staatlichen Funktionen einbezogen sein. Die Zahlung von Diäten für die Ausübung staatlicher Funktionen wurde zu einem Spezifikum der athenischen Demokratie (anderwärts kam das nur ausnahmsweise vor). Der Bürgerstatus wirkte in wachsendem Maße als beachtlicher Integrationsfaktor. Sein Wert wurde durch ein Gesetz unterstrichen, das Perikles 451/50 einbrachte: Bürger durfte nur noch sein, wessen Eltern beide Athener waren. So wurde die Abgrenzung gegen die Metöken verschärft, diejenigen Ausländer also, die ihren Wohnsitz in Attika genommen hatten. Die wenigsten von ihnen waren ethnisch Fremde. Sie waren sogar wehrpflichtig. Generell hatten sie eine niedrige Kopfsteuer zu entrichten und waren vom Grundbesitz ausgeschlossen. Sie durften Land pachten, aber die Mehrheit betrieb Handwerk oder Handel. Zu den Metöken gehörten auch die Freigelassenen. Wie viele Sklaven es in Athen gab, ist eine oft erörterte Frage. Die einzige überlieferte Zahl, 400 000 gegen Ende des 4. Jahrhunderts, ist wie analoge Zahlen für andere Poleis ganz 60
unglaubwürdig. In Anbetracht der Wirtschafts- und Sozialstruktur wäre ein Sklavenanteil von einem Drittel bei einer Gesamtbevölkerung von 200 000 bis 300 000 schon beachtlich. Anika war kein Land großer Eigentümer. Die meisten Freien, Bürger wie Metöken, arbeiteten selbständig mit eigener Hand. Gemieden wurde weniger die körperliche als die abhängige Arbeit. Die höchsten überlieferten Zahlen für Sklavenbesitz (1000, 600, 300) betreffen die Vermietung von Arbeitskräften für den Silberbergbau in Laureion. In der übrigen Wirtschaft hatte der einzelne Betrieb höchstens einige Dutzend Sklaven. Das Unwürdige des Sklavendaseins lag nicht im Lebensstandard, der sich kaum von dem armer Freier unterschied, als vielmehr darin, daß die Unfreien wie unmündige Kinder behandelt und wie eine Ware gekauft und verkauft wurden, denn der Herr verfügte über ihre Person, nicht nur ihre Arbeitskraft. Im Prozeßrecht galt ihre Aussage nur, wenn sie unter Folter gemacht war. Diese Statusnachteile galten auch für Sklaven in ansonsten günstiger Stellung, etwa solche, die im wesentlichen selbständig arbeiteten. Solchen Sklaven wurde eine gewisse Geschäftsfähigkeit zugestanden. Staatssklaven dienten als Schreiber und auch als Ordnungshüter der Volksversammlung. Sklaven waren also fast allgegenwärtig. Die athenische Gesellschaft ist ohne sie nicht zu denken, denn alle Arbeit, die die Kräfte einer Familie überstieg, wurde im Normalfall Sklaven übertragen. Wieviel Prozent der Bevölkerung diese ausmachten, ist demgegenüber von geringer Bedeutung. Auch Athener ohne eigene Sklaven profitierten indirekt von der Sklaverei. Sie zahlten keine Steuern. Der demokratische Staat finanzierte viele Gemeinschaftsaufgaben durch Umlage bei den Reichen und vor allem durch die Liturgien (leiturgia = Leistung für das Volk). Die weitaus teuerste Liturgie war die Ausrüstung eines Kriegsschiffes, verbunden mit dem nominellen Kommando (Trierarchie). Die reiche Oberschicht der Athener wird nicht zu Unrecht die liturgische Klasse genannt. Der Reichtum der Polis Athen beruhte nicht nur auf der Arbeit ihrer Bevölkerung. Ein Geschenk der Natur waren die Silbervorkommen, durch die Athen gegenüber anderen Poleis 61
sehr begünstigt war. Es konnte Importe weitgehend mit dem hochgeschätzten attischen Silbergeld bezahlen. Einkünfte ergaben sich auch aus der politischen Machtposition. So konnte nicht nur eine starke Flotte finanziert werden, die den ärmeren Athenern zusätzliche Verdienstmöglichkeiten als Ruderer und auf den Werften gab, sondern auch ein aufwendiges Programm repräsentativer Bauten, die dem Zentrum des ,Attischen Reiches’ Glanz verliehen; 447/46 begann der Bau des Parthenon, 437/36 der Bau der Propyläen, des monumentalen Torkomplexes am Aufgang zur Akropolis. Die Bürger reichten für diese Aufgaben nicht aus. Im Bauwesen wurden Metöken und Sklaven unentbehrlich, auf der Flotte angeworbene Ruderer aus dem Bereich des Seebundes und darüber hinaus. Etwa 10 000 Athener fanden eine neue, bessere Existenzgrundlage in auswärtigen Ansiedlungen, die Athen zur Sicherung der Route für den Getreideimport aus dem Schwarzmeerraum und zur Kontrolle oder Bestrafung widersetzlicher Bundesgenossen anlegte. Die meisten waren keine autonomen Kolonien, sondern Kleruchien, deren Siedler das athenische Bürgerrecht behielten, so auf den Inseln Lemnos, Imbros, Skyros, Euböa, Andros und auf der thrakischen Chersones. Der Attische Seebund wurde immer deutlicher zu einem System der Herrschaft Athens über die Bundesgenossen. Von dem einstigen Bundesrat ist seit der Verlegung des Zentrums nach Athen um 454 nicht mehr die Rede. Die athenische Volksversammlung faßte Beschlüsse, die auch die Städte, wie sie oft einfach genannt wurden, banden. Athen zog auch die Rechtsprechung über politisch relevante Vergehen an sich. Seitdem die Bundesgelder auf der Akropolis verwahrt wurden, erhielt die Tempelkasse der Athena ein Sechzigstel der Beiträge aus dem Seebund, die nun als Tribute erschienen. Da diese Summen von nun an auf Steintafeln verzeichnet wurden, die teilweise erhalten sind (sogenannte Tributlisten, eigentlich Tributquotenlisten), ist die Information über die jeweilige Zusammensetzung des Bundes und die Belastung der Mitglieder relativ gut. Die Stadtgöttin Athena wurde zur Reichsgöttin. Teilnahme an ihrem Hauptfest, den alle 4 Jahre stattfindenden Großen 62
Panathenäen, wurde für die Bundesstädte, die mit Hilfe historischer Traditionen und Fiktionen zu Kolonien Athens deklariert wurden, obligatorisch. In der Regel wurde dabei zugleich die Neuveranlagung der Tribute für die nächsten 4 Jahre vorgenommen. Neben den Tributlisten sind viele andere Inschriften erhalten, die sich auf den Seebund oder einzelne Mitglieder beziehen. Leider ist die Datierung oft nicht gesichert, so daß es anhaltende Kontroversen über die Entwicklung des sogenannten athenischen Imperialismus gibt. Ersichtlich ist jedenfalls die Zunahme einer straffen Kontrolle durch Athen, das häufig besondere Kontrollbeamte einsetzte, Garnisonen stationierte oder auch demokratische Verfassungen einführte. In Tributlisten und Volksbeschlüssen erscheint eine Einteilung des Herrschaftsgebietes in Bezirke: den ionischen, den hellespontischen, den thrakischen, den karischen (der bald im ionischen aufging) und den Inselbezirk. Auflehnungsversuche wurden rasch unterdrückt. Längere Zeit brauchte die Niederwerfung der Insel Samos, die wegen Differenzen mit Milet und einer bis dahin oligarchischen Verfassung in regelrechten Krieg mit Athen geraten war (441– 439); auch Byzanz war in diesen Jahren vorübergehend abgefallen. Natürlich mußten die Samier auf ihre Flotte verzichten. Die von nun an auf Samos regierenden Demokraten zählten zu den treuesten Verbündeten Athens. Die Westgriechen in der Zeit der älteren Tyrannis Der Vorrang des griechischen Mutterlandes und besonders Athens in unserem Geschichtsbild ist in Überlieferung und geschichtlicher Bedeutung begründet. Daneben verdienen aber zumindest die Griechen Siziliens und Unteritaliens mehr Aufmerksamkeit, als ihnen oft zuteil wird. Noch in der Kolonisationsperiode (um 600) waren erste Tyrannen auf Sizilien aufgetreten. 100 Jahre später begann dort die eigentliche Phase der älteren Tyrannis. Sie trägt einen eigenen Charakter. Dazu gehört, daß sie nicht im Gegensatz zur 63
Aristokratie stand. Antiaristokratische Züge sind dagegen in der Überlieferung einigen Gewaltherrschaften in Unteritalien zugeschrieben, die zum Teil noch vor den Hauptabschnitt der sizilischen Tyrannis zu datieren sind. In der ungewöhnlich reich gewordenen Stadt Sybaris setzte sich Telys als Interessenvertreter des Demos, der breiten Masse des Volkes, in den Besitz der Macht. Seine Gegner fanden Hilfe im benachbarten Kroton. Die dort herrschende Oligarchie scheint durch Ideen des Pythagoras und seiner Anhänger bestimmt gewesen zu sein. Er hatte seine Heimat Samos verlassen und in Unteritalien eine ordensähnliche Gemeinschaft gegründet, in der Elemente früher Wissenschaft verbunden mit eher mythischen Vorstellungen gepflegt wurden und ein ausgeprägtes Elite-Bewußtsein lebendig war. Die Krotoniaten siegten über Sybaris und zerstörten die Stadt völlig, indem sie zusätzlich einen Fluß darüber leiteten (511/10). Auch Kroton erlebte bald darauf eine vom Demos getragene Tyrannis, aber ebenfalls nur kurz. Die pythagoreisch bestimmte Oligarchie regierte noch jahrzehntelang. Pythagoras selbst hatte Kroton verlassen und starb in Metapont. Mehr als von den Tyrannen in Sybaris und Kroton ist über Aristodemos in Kyme bekannt. Er fühlte seine Verdienste bei der Abwehr der Etrusker und anderer Nachbarn nicht hinreichend gewürdigt und machte sich 505/04 nach dem Sieg bei Aricia mit Hilfe der siegreichen Truppen und etruskischer Gefangener zum Herrn seiner Heimatstadt. Die maßgebenden Aristokraten ließ er umbringen und stützte sein Regime auf Söldner. Geflüchtete Adlige warben ihrerseits Söldner an, gewannen 491/90 die Stadt zurück und töteten den Tyrannen. Um diese Zeit kam auch in Rhegion an der Südspitze Italiens eine Tyrannis auf. Der Herrschaft bemächtigte sich 494 Anaxilaos, ein Angehöriger der Oberschicht, die aus Nachfahren der ursprünglichen chalkidischen Kolonisten und der am Ende des 2. Messenischen Krieges zugewanderten Messenier bestand. Er brachte auch das gegenüberliegende Zankle unter Kontrolle und benannte es wegen neuer messenischer Siedler und eigener Herkunft in Messana um. 64
Sein Übergreifen auf Sizilien führte zu zeitweiligem Konflikt mit dem Tyrannen von Gela, Hippokrates, der ebenfalls weitere Poleis unterworfen hatte. Begründer der Tyrannis in Gela war um 505 sein Bruder Kleandros gewesen. Ihm folgte Hippokrates 7 Jahre später. Stütze des Regimes waren die Reiter der Oberschicht und Söldner. Auch später trug die Tyrannis in Sizilien einen stark militärischen und expansiven Charakter. Zur Begründung dieser Eigenheit ist oft auf die Existenz feindlicher Nachbarn, vor allem der Karthager an der Westspitze, verwiesen worden. Das Klischee der Erbfeindschaft zwischen Griechen und Barbaren ist aber nicht mehr haltbar. Syrakus zu gewinnen, gelang erst dem Nachfolger des Hippokrates ab 491/90, dem Reiterführer Gelon, Sohn des Deinomenes. Gelon und seine Brüder (Deinomeniden) bestimmten die Geschicke Siziliens ein Vierteljahrhundert lang. Gelon besetzte um 485 unter Ausnutzung innerer Unruhen Syrakus. Er verlegte seinen Sitz dorthin (Gela überließ er dem Bruder Hieron), siedelte zwangsweise Einwohner anderer Städte dorthin um und legte den Grund dafür, daß Syrakus die größte Stadt Siziliens und eine der größten griechischen Städte überhaupt wurde. Es wurde im Laufe der Zeit als Festung ausgebaut. Gute Beziehungen unterhielt Gelon zu dem seit 489/88 herrschenden Tyrannen von Akragas, Theron aus dem Adelsgeschlecht der Emmeniden. Gelon heiratete Therons Tochter Damarete. Etwa 483 vertrieb Theron aus der an der Nordküste liegenden Stadt Himera den Tyrannen Terillos. Dieser rief seinen Schwiegervater Anaxilaos von Rhegion und seinen karthagischen Gastfreund Hamilkar zu Hilfe. Nach langer Vorbereitung landete 480 unter Führung Hamilkars ein ungewöhnlich großes karthagisches Heer. Gelon mußte Theron helfen und errang einen großen Sieg am Himeras-Fluß. Hamilkar fand den Tod. Die Karthager mußten eine hohe Kriegsentschädigung zahlen, behielten aber wie bisher den Westen Siziliens. Daß die Gleichzeitigkeit mit den Kämpfen im Ägäisraum auf ein abgestimmtes Vorgehen von Karthagern und Persern zurückgehe, dürfte eine spätere Erfindung sein. Der Friede hielt 70 Jahre an, was übrigens darauf deutet, daß Karthago keine so große 65
Bedrohung für das griechische Sizilien darstellte, wie das oft behauptet wurde. Gelons Nachfolger wurde 478/77 sein Bruder Hieron, in Gela regierte nun der dritte Bruder Polyzalos. Hieron fühlte sich in seiner Herrschaft nicht so sicher wie vor ihm Gelon und wurde berüchtigt wegen seiner Sicherheitsmaßregeln. Auch er nahm Umsiedlungen vor und gründete eine neue Polis, Aitna auf dem Gebiet des bisherigen Katane. Er dehnte seinen Einfluß bis auf Unteritalien aus. 474 errang er, von Kyme gerufen, einen entscheidenden Seesieg über die Etrusker, der auch für die freie Entwicklung Roms wichtig wurde. 467/66 starb er in Aitna. Der vierte Bruder Thrasybulos (Polyzalos war wohl schon tot) wurde als Gewaltherrscher schon nach 11 Monaten vertrieben mit Hilfe anderer Poleis, die sich bereits kurz vorher von ihren Tyrannen befreit hatten, darunter auch Akragas. Verpflanzte Bevölkerungen kehrten nun in die alte Heimat zurück, die Söldner wurden mit Gewalt aus Syrakus vertrieben. Kennzeichnend für die sizilische Tyrannis waren der Umfang der Herrschaftsgebiete, dynastische Heiraten, Bevölkerungsverpflanzungen, Massenmorde, Versklavungen, aber auch repräsentative Bauten und Weihgeschenke sowie literarische Propaganda; die Chorlyriker Simonides, Pindar und Bakchylides stellten sich in den Dienst des Tyrannenruhmes, sogar Aischylos weilte bei Hieron und schrieb ein Drama zur Einweihung von Aitna. Nach dem Sturz der Tyrannis bestanden in den Poleis Oligarchien oder gar Demokratien, in Syrakus mit loser Anlehnung an das Vorbild von Athen. Episode blieb der beachtenswerte Versuch der einheimischen Sikeler, die vor allem im Binnenland lebten, unter Führung des Duketios Unabhängigkeit und Macht zu gewinnen (zwischen 460 und 440). Nach nicht langer Zeit wurde Sizilien in die Auseinandersetzungen des Peloponnesischen Krieges einbezogen.
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Der Peloponnesische Krieg Der im Jahr 446/45 zwischen Athen und Sparta samt ihren Bündnissystemen geschlossene Dreißigjährige Frieden erwies sich bald als nicht dauerhaft. Er endete nach zunehmenden Spannungen mit dem Ausbruch des Peloponnesischen Krieges (431–404), eigentlich einer Folge von Kriegen, die von Thukydides in seiner Darstellung zu einer Einheit zusammengefaßt wurden. Die Athener waren schließlich die Verlierer, und so fand die bemerkenswerteste Großmachtbildung des klassischen Griechenland ein frühes Ende. Für Thukydides war dieser Krieg der größte in der bisherigen Geschichte der Griechen und brachte ihnen die größten Leiden. In auffallendem Kontrast dazu steht, daß die Kriegszeit zugleich eine Blütezeit der Kultur war, gerade in Athen. Hier wurde nach zeitweiliger Unterbrechung sogar die repräsentative Bautätigkeit wieder aufgenommen. Auf der Akropolis entstanden der Nike-Tempel und das Erechtheion. Die Tragiker Sophokles und Euripides wirkten bis 406, die meisten ihrer erhaltenen Tragödien stammen aus der Kriegszeit. Der einzige Komödiendichter des 5. Jh., von dem wir noch Stücke besitzen, Aristophanes, trat erstmalig 427 auf. Die älteste auf uns gekommene attische Prosaschrift, die unter Xenophons Namen überlieferte antidemokratische Streitschrift vom Staat der Athener, ist wahrscheinlich in den ersten Kriegsjahren verfaßt worden. Der Philosoph Sokrates hat keine Zeile hinterlassen, er wirkte aber den ganzen Krieg über in seiner Heimatstadt Athen. Die Sophisten Protagoras von Abdera, Prodikos von Keos, Hippias von Elis, Gorgias von Leontinoi lehrten zeitweise in Athen, vielleicht auch Demokrit von Abdera. Herodot von Halikarnaß, der Geschichtsschreiber der Perserkriege, war noch Zeuge der ersten Kriegsjahre. Der Athener Thukydides schrieb Zeitgeschichte und verstand sich dabei in bewußtem Unterschied zu Herodot als ,Politikwissenschaftler’. Er erkannte in den Machtinteressen der Staaten die treibenden Kräfte politischen Geschehens. Den letzten Grund des nunmehrigen Krieges sah er in der Furcht 67
Spartas vor der wachsenden Macht Athens. Beide Hegemonialmächte handelten außerdem unter dem Zwang von Rücksichten- auf die eigene Führungsposition im jeweiligen Bündnissystem. Die unmittelbaren Kriegsursachen betrafen Sparta zunächst nur indirekt. Sein wichtigstes Bundesmitglied Korinth war 435 in einen Krieg mit Kerkyra geraten; beide Staaten unterstützten die feindlichen Seiten eines Bürgerkriegs in der gemeinsamen Tochterstadt Epidamnos. Die Kerkyräer siegten beim Vorgebirge Leukimme im Süden ihrer Insel, hatten dann aber berechtigte Sorge vor der Revanche Korinths. Bisher bündnislos, suchten sie nun Rückhalt in Athen. Dort fürchtete man womöglich eine schwerwiegende Störung des militärischen Gleichgewichts, falls die starke Flotte Kerkyras dem Peloponnesischen Bund zufiele, und entschloß sich nach einigem Zögern zu einem Defensivbündnis, das formal nicht den Dreißigjährigen Frieden verletzen sollte. Das Eingreifen eines athenischen Flottengeschwaders nahm den Korinthern 433 den Sieg bei den Sybota-Inseln (nahe dem Festland gegenüber Leukimme). Ein weiterer Konflikt mit Korinth folgte auf der Chalkidike. Das Seebundsmitglied Poteidaia pflegte traditionelle Beziehungen zur Mutterstadt Korinth und bezog von dort regelmäßig einen hohen Amtsträger, den Epidamiurgen. Athen forderte den Abbruch dieser Beziehungen. Korinth dagegen arbeitete darauf hin (ebenso wie der Makedonenkönig Perdikkas II.), daß Poteidaia samt benachbarten Chalkidiern und Bottiäern 432 von Athen abfiel. Athen provozierte den Peloponnesischen Bund schließlich durch aus unbedeutendem Anlaß verhängte Sanktionen gegen die Megarer (,megarisches Psephisma’: Ausschluß von der athenischen Agora – hier wohl als Markt in weitem Sinne zu verstehen – und den Häfen des Reiches). Sparta konnte um des eigenen Prestiges willen die Beschwerden seiner Bündner nicht länger unbeachtet lassen, zumal Korinth sogar drohte, sich andere Bundesgenossen zu suchen. Auf der anderen Seite überzeugte Perikles die Athener, daß jede Konzession die Herrschaft der Stadt gefährden würde. Ver68
handlungen des Winters 432/31 dienten nur der diplomatischen und psychologischen Kriegsvorbereitung. Dabei forderten die Spartaner die Vertreibung der Nachkommen derer, die des Kylonischen Frevels schuldig waren (gemeint war natürlich Perikles), die Athener verlangten Sühne für den Tod des Pausanias. Sehr viel gewichtiger war die schließlich von Sparta erhobene Forderung nach Autonomie für alle Griechen, denn sie lief auf die Auflösung des Attischen Seebundes hinaus. Der athenische Vorschlag, gemäß der Regelung des Dreißigjährigen Friedens ein Schiedsgericht anzurufen, fand kein Echo. Es standen sich nun gegenüber auf der einen Seite Athen mit dem Attischen Seebund, dazu Plataiai, Kerkyra, Zakynthos (bald auch Kephallenia), West-Lokris mit Naupaktos, Akarnanien (außer Oiniadai), auf der anderen Seite Sparta mit dem Peloponnesischen Bund, dazu Böotien, Phokis, Ost-Lokris, Ambrakia, Leukas, Anaktorion. Die erste Kriegshandlung im Frühjahr 431 war ein thebanischer Überfall auf das mit Athen verbündete Plataiai. Danach rückten peloponnesische Truppen unter König Archidamos in Attika ein und verheerten das offene Land, während dessen Bewohner sich hinter die Mauern der Doppelfestung AthenPiräus zurückzogen. Diese Einfälle wurden in den folgenden Jahren wiederholt, und weil zuerst immer Archidamos kommandierte, heißt der erste Teil des Krieges Archidamischer Krieg. In Sparta meinte man, die Athener würden die Verwüstungen nicht lange ertragen. Perikles aber vertraute auf die Uneinnehmbarkeit der Doppelfestung und die sichere Versorgung dank der Seeherrschaft, die zudem Überfälle auf die Küsten der Peloponnes erlaubte; auch er rechnete auf baldige Ermüdung des Gegners. Beide Seiten irrten sich. Unversehens brach 430 in Athen eine Seuche (,Pest’) aus. Trotz präziser Beschreibung durch Thukydides konnte sie bisher nicht bestimmt werden. Sie hielt mit Schwankungen vier Jahre an und raffte, gefördert durch das Zusammendrängen der Bevölkerung hinter den Mauern, mindestens ein Viertel dahin. Unter den Opfern befand sich auch Perikles (429), der zeitweise unpopulär geworden und abgesetzt, sehr bald aber 69
rehabilitiert worden war. Die Seuche hatte auch die athenischen Belagerer Poteidaias erfaßt. Die Stadt kapitulierte 429. 428 wurde erstmalig die von Sparta ausgegebene AutonomieParole wirksam. Mytilene auf Lesbos fiel von Athen ab. Mit viel Mühe wurde es 427 wieder unterworfen, tausend angebliche Hauptschuldige hingerichtet; der Nachfolger des Perikles als Volksführer, Kleon, hätte fast den Tod aller Männer und die Versklavung der Frauen und Kinder durchgesetzt. Das Landgebiet wurde an athenische Kleruchen aufgeteilt, denen die Lesbier als Pächter dienten. Die Brutalität nahm allgemein zu. Nach der Kapitulation von Plataiai verurteilten die Spartaner die Reste der Besatzung (über 200) in einem ,Prozeß’ zum Tode. In Kerkyra tobten unerhört blutige Kämpfe zwischen Demokraten und Oligarchen, wobei beide Seiten auch ihre Sklaven mobil machten; Athen verhalf endlich den Demokraten zum Sieg. Überhaupt führte der Krieg zu einer vorher nicht so eindeutig gegebenen Orientierung der Demokraten auf Athen, der Oligarchen auf Sparta. 427 griff Athen in Sizilien zugunsten derjenigen Städte ein, die sich gegen das Hegemoniestreben des traditionell mit Korinth verbundenen Syrakus verbanden. Die Folge war aber zunächst nur, daß die sizilischen Städte sich einstweilen verständigten und die athenische Flotte zum Abzug nötigten (424). Als bedeutsamer erwies sich die von einer 425 nach Sizilien entsandten Flotte unter Demosthenes vorgenommene Besetzung des Kaps Koryphasion bei Pylos in Messenien (zum Zweck der Aufwiegelung der Heloten) und die folgende Einschließung einer spartanischen Einheit auf der vorgelagerten Insel Sphakteria. Sparta war daraufhin zum Frieden bereit. Kleon jedoch erreichte die Ablehnung des Angebots und die Gefangennahme der etwa 300 Lakedämonier (davon 120 Spartiaten). Diese dienten nun als Geiseln, um die Peloponnesier von weiteren Einfällen in Attika abzuhalten. Im Zuge verstärkter Kriegsanstrengungen erhöhte Athen die Tribute der Bündner auf ungefähr das Dreifache. Die Besetzung der Insel Kythera durch Nikias 424 festigte die Beherrschung der See um die Peloponnes durch Athen. Doch dasselbe Jahr brachte Rück70
schläge. Die Athener riskierten eine Landschlacht gegen die Böoter bei Delion und unterlagen. Der spartanische Feldherr Brasidas führte eine kleine, zum Teil aus Heloten bestehende Truppe zu Land nach der Chalkidike und der thrakischen Küste und brachte mit makedonischer Rückendeckung mehrere Poleis zum Abfall von Athen, darunter das 437/36 von den Athenern gegründete Amphipolis. Ein 423 geschlossener Waffenstillstand wurde durch den zusätzlichen Abfall von Skione und Mende auf der Chalkidike zunichte gemacht. Erst als Kleon und Brasidas in einem Gefecht vor Amphipolis gefallen waren (422), wurde 421 der Nikias-Friede möglich (benannt nach dem maßgeblich daran beteiligten athenischen Strategen). Er sah im wesentlichen die Wiederherstellung des Vorkriegsstandes vor. Die Weigerung von Verbündeten Spartas, dem zuzustimmen, führte sogar noch zu einem Verteidigungsbündnis Spartas mit Athen. Beide Verträge, die im Wortlaut durch Thukydides überliefert sind, sollten 50 Jahre gelten, wurden aber nicht wirksam. Der Austausch der Gefangenen kam zustande, nicht der der Orte. Skione eroberten die Athener zurück, töteten die Männer, versklavten Frauen und Kinder, wie es Kleon früher für Mytilene gefordert hatte. Auf der Peloponnes ergaben sich rasch wechselnde Konstellationen, zuerst von Argos gegen Sparta initiiert, dann von Athen entgegen dem Friedens- und Bündnisvertrag ausgenutzt. Treibende Kraft war hier Alkibiades, Neffe des Perikles und wegen des frühen Todes seines Vaters Kleinias bei Koroneia 447 in dessen Haus aufgewachsen. Die mit Athen verbündete Koalition (Argos, Mantineia, Elis) brach schon 418 nach einem großen Sieg Spartas bei Mantineia auseinander. 416 eroberten die Athener die um Neutralität bemühte dorische Insel Melos und behandelten die Einwohner wie die von Skione. Höhe- und Wendepunkt des athenischen Expansionsdranges wurde die Sizilische Expedition der Jahre 415–413. Ein Ersuchen von Segesta (Egesta), einer Stadt der vorgriechischen, aber inzwischen hellenisierten Elymer, um Hilfe gegen das mit Syrakus verbündete Selinus nutzten die Athener auf Betreiben 71
des Alkibiades zu dem Versuch, die Herrschaft über Sizilien zu erlangen. Eine ungewöhnlich starke Flotte mit Landtruppen wurde entsandt, fand aber weniger Stützen als erwartet. Außerdem wurde Alkibiades gleich nach der Ankunft zurückberufen, um sich einem Prozeß wegen Religionsfrevel zu stellen; die Anklage lautete auf Parodie der eleusinischen Mysterien in seinem Haus sowie Beteiligung an der Verstümmelung aller Hermen (pfeilerartiger Büsten des Gottes Hermes) in der Stadt vor Ausfahrt der Flotte. Er floh jedoch nach Sparta. Die anderen athenischen Strategen in Sizilien handelten zu langsam und verspielten dadurch die noch vorhandenen Siegeschancen. Die Einschließung von Syrakus erfolgte zu spät und wurde nicht voll wirksam. Sparta entsandte auf Rat des Alkibiades zur Leitung der Gegenoperationen einen befähigten Offizier, Gylippos, mit wenigen Schiffen und Mannschaften. Die Streitmacht Athens wurde trotz Verstärkung 413 vernichtet, nachdem sie eine letzte Gelegenheit zum Verlassen der Insel aus abergläubischen Bedenken wegen einer Mondfinsternis (27. 8. 413) hatte verstreichen lassen. Die Strategen Nikias und Demosthenes wurden von den erbitterten Syrakusanern hingerichtet, die übrigen Gefangenen in die Steinbrüche gesperrt. Noch davor war auch der Krieg in der Ägäis wieder ausgebrochen, provoziert durch athenische Angriffe auf spartanisches Territorium 414. Sparta wandte, wieder auf Rat des Alkibiades, eine neue Strategie an. Ab 413 besetzte es auf Dauer den attischen Ort Dekeleia (daher ,Dekeleischer Krieg’) und machte so den größten Teil Attikas unsicher. Athen war zur ständig belagerten Stadt geworden. Außerdem hatte Athen sich durch Hilfe für einen aufständischen Dynasten in Karien die Perser zu Feinden gemacht. Dareios II. beauftragte die Satrapen Tissaphernes (Amtssitz Sardes) und Pharnabazos (Amtssitz Daskyleion), wieder Tribut von den ionischen Städten zu fordern. 412/11 vermittelte Tissaphernes Verträge mit Sparta. Gegen Anerkennung der persischen Oberhoheit über die gesamte kleinasiatische Küste erhielt Sparta Stützpunkte und Geld zum Unterhalt einer starken Flotte. Sparta wurde Athen nun auch zur See ebenbürtig, wor72
an 431 niemand hatte denken können. In vielen Poleis Kleinasiens und der Inseln nutzten die Feinde Athens die Gunst der Stunde zu Umsturz und Abfall (,Ionischer Krieg’). In Athen erschütterte die Serie von Rückschlägen das Vertrauen in die demokratische Regierung. Den Oligarchen gelang 411 schließlich mit formaler Zustimmung der Volksversammlung, in der zu der Zeit die Flottenmannschaften fehlten, eine Verfassungsänderung. Dem Volk war die Hoffnung auf einen Frontwechsel Persiens vorgespiegelt worden. Alkibiades war nach einem Zerwürfnis mit Sparta zu Tissaphernes gegangen, dessen Politik es war, keine griechische Macht das alleinige Übergewicht erlangen zu lassen. Die Regierung Athens lag nun in der Hand eines Rates der 400. Sie enttäuschte jedoch alle Erwartungen, auch die auf Beteiligung wenigstens der 5 000 relativ Wohlhabenden, für die Theramenes eintrat. Die militärischen Mißerfolge setzten sich fort. Der Verlust von Euböa, des Hellespont und des Bosporus bedrohte die Getreideversorgung aus dem Schwarzmeerraum. Das Regime wurde nach wenigen Monaten gestürzt, als auch noch der Verdacht direkten Landesverrates aufgekommen war. In Etappen trat die Demokratie wieder in Kraft. Die in Samos konzentrierte Flotte war sowieso der Demokratie treu geblieben und hatte eigene Strategen gewählt. Zu ihnen trat nach erneutem Kurswechsel Alkibiades und gab tatsächlich dem Kriegsverlauf eine Wende. Er und Thrasybulos öffneten durch mehrere Seesiege, besonders den von Kyzikos in der Propontis (Marmarameer) 410, wieder die Getreideroute vom Schwarzen Meer. Sparta bot sogar Frieden auf der Basis des Besitzstandes an, doch die neue demokratische Führung Athens (an ihrer Spitze jetzt Kleophon) lehnte ab, da der Krieg wieder gewinnbar zu sein schien. Alkibiades wurde voll rehabilitiert und kehrte 407 (408?) im Triumph nach Athen zurück. Vom selben Jahr an verstärkte sich aber die persische Hilfe für Sparta. Der junge Königssohn Kyros kam mit Sondervollmachten nach Kleinasien und entwickelte eine enge Zusammenarbeit mit dem neuen spartanischen Nauarchen (Flotten73
chef) Lysander. Ein Seesieg Lysanders über einen Stellvertreter des Alkibiades bei Notion nahe Ephesos (407/06) kostete den daran unschuldigen Alkibiades das Kommando und trieb ihn erneut ins Exil (diesmal auf seine Besitzungen am Hellespont). 406 gewannen die Athener in einer letzten großen Kraftanstrengung die Seeschlacht bei den Arginusen-Inseln (zwischen Lesbos und dem kleinasiatischen Festland), wo Lysanders Nachfolger Kallikratidas fiel. Die siegreichen Strategen wurden aber, weil sie Schiffbrüchige wegen aufkommenden Sturms nicht hatten retten können, daheim angeklagt und hingerichtet, ein Friedensangebot Spartas abgelehnt. Die Entscheidung des Krieges führte der erneut mit dem Seekrieg betraute Lysander herbei. Im Herbst 405 lagen sich die Flotten im Hellespont bei den Ziegenflüssen (Aigospotamoi) zwischen Lampsakos und Sestos gegenüber. Durch eine List und die Leichtfertigkeit der Athener eroberte Lysander deren Flotte so gut wie kampflos. 3000 gefangene Athener mit ihren Strategen ließ er als Vergeltung für geschehene und geplante athenische Kriegsverbrechen hinrichten. Danach säuberte er die Ägäis von athenischen Besatzungen. Er schickte sie nach Hause. Im folgenden Winter blockierte er das wehrlos gewordene Athen nun auch von der See her. Hunger erzwang im Frühjahr 404 die Kapitulation, wobei Theramenes vermittelte. Korinth und Theben forderten die Vernichtung Athens, Sparta aber verstand sich wegen der Verdienste Athens im Perserkrieg zu milderen Friedensbedingungen: Niederlegung der Langen Mauern und der Piräus-Mauern, Auslieferung aller Kriegsschiffe bis auf 12, Wiederaufnahme der Verbannten, Verzicht auf alle Außenbesitzungen, unbedingte Heeresfolge gegenüber Sparta. Sie bedeuteten aber natürlich das Ende der Großmacht Athen. Die Hegemonie Spartas Mit dem Ende des Reiches der Athener zerfällt die griechische Geschichte für Jahrzehnte in ein unübersichtliches Gewirr von Einzelvorgängen, aus denen sich die zeitweiligen Versuche zu 74
neuen Machtbildungen hervorheben. Zunächst besaß Sparta die unbestrittene Herrschaft in der Ägäis, repräsentiert durch seine Militärkommandanten, in erster Linie durch Lysander, für den die Oligarchen von Samos sogar einen Kult stifteten. Die Untertanen Athens und Athen selbst wurden zu Untertanen Spartas, verpflichtet zu unbedingter Heeresfolge und zur Zahlung von Tributen. Wo es nötig schien, stationierte Sparta Garnisonen. Demokratien wurden durch Oligarchien ersetzt. Lysander bevorzugte die Form der Dekarchie, einer Junta von 10 Männern, die selbst nur einen Teil der Oberschicht repräsentierten und mehr durch persönlichen Machtwillen als durch Verfassungsideale bestimmt waren. Die Quellen liefern freilich nur allgemeine Aussagen. Am besten bekannt ist die analoge Herrschaft der Dreißig in Athen, die bald nach dem Friedensschluß unter direktem Druck Lysanders begründet wurde; in Piräus regierte auch eine Dekarchie. Am Anfang war Theramenes maßgebend, der (wie schon 411) für eine gemäßigte Oligarchie eintrat. Er wurde bald durch radikale Oligarchen wie Kritias und Charmides beiseite geschoben und hingerichtet. Gestützt auf eine von Sparta erbetene Besatzung auf der Akropolis wurde die Herrschaft der Dreißig, vorgeblich einer gesetzgebenden Kommission mit Regierungsbefugnissen, immer mehr zu einem bloßen Gewaltregime. Es forderte 1500 Todesopfer, konnte aber keine soziale Gruppe befriedigen. Nur 3000 Bürger, auf die die politischen Rechte beschränkt werden sollten, durften in der Stadt wohnen bleiben. Demokratische Emigranten sammelten sich besonders in Böotien. Dort war die Stimmung rasch gegen das zu übermächtig gewordene Sparta umgeschlagen. Der unter Thebens Führung straff organisierte Bundesstaat wollte eine eigenständige Position neben Sparta wahren. So konnten von dort bewaffnete Aktionen gegen die Dreißig ausgehen, geleitet von Thrasybulos. Die Kämpfer besetzten zunächst eine feste Stellung bei Phyle im Norden Anikas und schließlich auch Piräus. Kritias und Charmides fielen hier im Straßenkampf. An die Stelle der Dreißig trat ein Zehnerkollegium. Es veranlaßte Lysander, mit 75
einer Söldnertruppe zu intervenieren, während sein Bruder Libys mit einer Flotte vor dem Piräus erschien. Jedoch der König Pausanias ließ sich an der Spitze eines Aufgebots des Peloponnesischen Bundes entsenden, schaltete Lysander aus und vermittelte eine Versöhnung. Im Spätsommer 403 wurde Athen wieder demokratisch, freilich weiterhin unter strenger außenpolitischer Bindung an Sparta. Im Innern wurde eine großzügige Amnestie erlassen, von der nur die Hauptschuldigen ausgenommen waren. Die Oligarchen durften sich nach Eleusis zurückziehen und dort als Sondergemeinde existieren; sie wurde allerdings 401/00 gewaltsam beseitigt. Spartas Führung hielt es in diesen Jahren anscheinend für zweckmäßig, sich von den Methoden Lysanders und der radikalen Oligarchen zu distanzieren. Die Dekarchien wurden aufgelöst. Solche hatte es besonders in Ionien gegeben. Sparta begünstigte ebenso wie die dortigen Poleis den Versuch des jungen Kyros, sich mit Waffengewalt an die Stelle seines Bruders Artaxerxes II. (König seit 404) zu setzen. Seine griechischen Söldner hätten ihm 401 bei Kunaxa in Babylonien den Sieg erkämpft, wäre nicht er selbst gefallen. Die Ionier und Sparta waren kompromittiert. So unterstützte Sparta nun ab 400/399 die Ionier bei der Abwehr der erneuten Disziplinierung durch die Perser. Die Kämpfe in Kleinasien zeigten im Grunde die Schwäche beider Seiten. Sparta entsandte nur Neodamoden (zum Zweck des Kriegsdienstes freigelassene Heloten) und Bundesgenossen unter spartiatischen Offizieren. Die herrschende Polis hatte selbst zu wenig Bürger. Ihre Zahl war durch Kriegsverluste, niedrige Geburtenrate und Konzentration des Landbesitzes immer mehr gesunken. Auch das Perserreich war nicht wirklich stark. Noch vor dem Regierungsantritt des Artaxerxes hatte sich Ägypten losgelöst und konnte sich behaupten. Die griechischen Söldner des Kyros schlugen sich auf ihrem Weg in die Heimat durch Mesopotamien und Armenien bis ans Schwarze Meer durch. Dieser ,Zug der Zehntausend’ ist von Xenophon, einem leitenden Teilnehmer, ausführlich beschrieben worden (Anabasis). Als Sparta 396 sein Engagement in Kleinasien verstärkte und 76
unter König Agesilaos erfolgreich war, setzte Artaxerxes vorwiegend auf Diplomatie und Geld und förderte antispartanische Strömungen in Griechenland, so daß Agesilaos schließlich mit seinen Truppen heimkehren mußte. In einem unbedeutenden mittelgriechischen Grenzstreit fanden die Lokrer Hilfe bei Theben, die Phoker bei Sparta. Zwischen den bisher verbündeten Siegermächten des Peloponnesischen Krieges kam es 395 zum offenen Krieg. Sparta verlor ein Gefecht bei Haliartos in Böotien wegen mangelnder Kooperation zwischen Lysander und Pausanias. Lysander fiel im Kampf, Pausanias wurde angeklagt und floh nach Tegea. Athen, Korinth, Argos und andere traten auf Thebens Seite (,Korinthischer Krieg’ 395–386). Sparta siegte zwar 394 zu Lande am Nemeabach nahe Korinth und bei Koroneia in Böotien, verlor jedoch in der Seeschlacht bei der Halbinsel Knidos an der Südwestspitze Kleinasiens die Seeherrschaft an die persische Flotte, die von dem Satrapen Pharnabazos und dem athenischen Emigranten Konon geführt wurde. 393 brachte Konon persische Subsidien nach Athen, die unter anderem zum schon begonnenen Wiederaufbau der Mauern verwendet wurden. Die Athener gewannen die zur Sicherung der Getreideroute vom Schwarzen Meer wichtigen Inseln Lemnos, Imbros und Skyros zurück. In Korinth kam es 392 zu einer blutigen demokratischen Umwälzung und einem Anschluß an Argos, der dann sogar zu einer staatlichen Vereinigung führte. Der weitere Kriegsverlauf gestaltete sich wechselhaft. Endlich gelang es dem spartanischen Verhandlungsführer Antalkidas, Persien zum Frontwechsel zu bewegen. 386 kam ein ,allgemeiner Frieden’ der Griechen zustande (Antalkidas- oder Königsfrieden). Ihm lag eine Willenserklärung des persischen Königs zugrunde: ,König Artaxerxes hält für recht, daß die Städte in Asien ihm gehören und von den Inseln Klazomenai und Zypern, die anderen griechischen Städte aber, kleine und große, autonom gelassen werden außer Lemnos und Imbros und Skyros; diese sollen wie in alter Zeit den Athenern gehören. Welche diesen Frieden nicht annehmen, gegen die werde 77
ich Krieg führen zusammen mit denen, die das wollen, zu Lande und zu Wasser, mit Schiffen und mit Geld.’ Die darin enthaltene Autonomie-Klausel diente Sparta zur Wiederherstellung der eigenen Hegemonie. Die Union Korinth-Argos wurde ebenso aufgelöst wie der böotische Bundesstaat. 382 spielten Freunde der Spartaner ihnen die Burg von Theben in die Hand. Damals waren peloponnesische Truppen auf dem Marsch zur Chalkidike. Dort hatte die Stadt Olynthos einen expansiven Bundesstaat gegründet, den sogenannten Chalkidischen Bund. Gegen ihn ließ sich Sparta von Nachbarn zu Hilfe rufen und erreichte 379 sein Ziel, ihn zu zerschlagen. Jetzt schien Sparta auf dem Höhepunkt seiner Macht zu sein. Bereits zu Beginn dieses Feldzuges hatte es sein Herrschaftsgebiet in 10 Kreise gegliedert, die zu gleichmäßigen Leistungen für die Sicherung der militärischen Machtgrundlage verpflichtet waren. Der Zweite Attische Seebund und die Hegemonie Thebens Das Jahr von Spartas Sieg über Olynth brachte den ersten Rückschlag. Thebanische Demokraten befreiten in kühnem Handstreich ihre Stadt von der spartanischen Besatzung. Infolgedessen wurde auch Böotien wieder zu einem Staat vereinigt, sogar noch enger als früher mit einer demokratischen Primärversammlung aller Bürger. Dadurch erhielt freilich Theben ein noch stärkeres Übergewicht. Zur selben Zeit gründete Athen den sogenannten Zweiten Attischen Seebund, nachdem schon Einzelbündnisse vorangegangen waren. Die Stoßrichtung ging eindeutig gegen Sparta, während die persischen Interessen ausdrücklich respektiert wurden. Alle Beschlüsse des neuen Bundes waren gemeinsam von einem Bundesrat, dem Athen nicht angehörte, und der athenischen Volksversammlung zu fassen. Ein athenischer Volksbeschluß, der zum Beitritt aufruft, ist inschriftlich erhalten. Er sichert den Mitgliedern volle Autonomie zu, freie Wahl der Verfassung, Freiheit von Besatzung, athenischen Aufsichtsbeamten und Tributen. Athener dürfen keinen Boden auf dem 78
Territorium von Bundesgenossen besitzen. Alles, was beim Ersten Seebund Anstoß erregt hatte, sollte also vermieden werden. Unter den ersten Mitgliedern waren die Thebaner. Kurzfristig gehörte dem Bündnis auch der Tyrann Iason von Pherai als Person an. Er erlangte unter dem Titel eines gewählten Bundesfeldherrn die Herrschaft über ganz Thessalien und verfügte danach mit dem Aufgebot des großen Landes und vielen erstklassigen, weil gut bezahlten Söldnern über das stärkste Heer Griechenlands. Offenbar hegte er hochfliegende Pläne, angeblich sogar den eines Angriffs auf das Perserreich. Doch 370 wurde er ermordet, die Einheit Thessaliens zerfiel wieder. Noch davor hatten sich in Mittel- und Südgriechenland umstürzende Wandlungen vollzogen. Nach jahrelangen Kämpfen zwischen Theben, Athen und Sparta trat 371 wieder eine Friedenskonferenz in Sparta zusammen. Dabei kehrte Sparta erneut die Autonomie-Klausel des Königsfriedens gegen den böotischen Bundesstaat. Es verwehrte dem thebanischen Böotarchen Epameinondas die Unterschrift für ganz Böotien. Dieser lehnte darauf den Frieden ab. Sogleich entsandte Sparta ein Heer nach Böotien. Doch es wurde bei Leuktra von den Böotern unter Epameinondas durch die taktische Maßnahme einer ungewöhnlichen Tiefenstaffelung des linken Flügels der Phalanx (,schiefe Schlachtordnung’) vernichtend geschlagen; von 700 Spartiaten fielen 400, darunter der König Kleombrotos. Die Schwächung Spartas hatte Auflösungserscheinungen im Peloponnesischen Bund zur Folge, verbunden mit blutigen inneren Kämpfen zwischen Oligarchen und Demokraten. Die Arkader schlössen sich zu einem neuen Bundesstaat (koinón) zusammen und riefen gegen Sparta Epameinondas zu Hilfe (370). Dieser durchzog Lakonien, doch die meisten Periöken hielten zu Sparta, sogar die lakonischen Heloten. Die messenischen aber erhoben sich und bildeten mit Hilfe Thebens einen eigenen Staat (369). Damit hatte Sparta einen erheblichen Teil seiner ökonomischen Basis verloren. Es weigerte sich lange, die bittere Realität anzuerkennen. Seinen Verbündeten mußte es zugestehen, mit Böotien Frieden zu schließen. 79
Der Machtgewinn Thebens machte die Athener besorgt, so daß sie 369 ein Defensivbündnis mit Sparta schlossen, 366 andererseits auch mit Arkadien. In der Ägäis konnten sie ihre Position festigen, während Persien durch einen Satrapenaufstand in Kleinasien abgelenkt war. Vorstellungen und Praktiken des Ersten Seebundes lebten wieder auf, z. B. in der Ansiedlung von 2000 Kleruchen auf Samos nach Vertreibung einer persischen Besatzung (365). Zwar strebte auch Theben an, Seemacht zu werden, doch dazu kam es nicht mehr. Im Laufe von Streitigkeiten auf der Peloponnes spaltete sich der Arkadische Bund. Der nördliche Teil unter Führung Mantineias bildete eine antiböotische Koalition mit Elis, Achaia, Phleius, dazu Athen und Sparta. Bei Mantineia siegte 362 das böotische Heer, doch Epameinondas fand den Tod, und man schloß Frieden. Die thebanische Hegemonie war zu sehr an die Person des Epameinondas gebunden gewesen. Athen vermochte keinen Nutzen aus dem Ende des Rivalen zu ziehen. Bald fielen wichtige Bundesgenossen ab und bildeten eine unabhängige Vereinigung: Chios, Rhodos, Kos, Byzanz (357); dabei hatte der karische Dynast Maussolos seine Hand im Spiel. Athens Versuch zu ihrer Rückgewinnung blieb vergeblich (,Bundesgenossenkrieg’ 357–55). Bald trat auch Lesbos aus dem Seebund aus. Der verbleibende Rest stellte keinen Machtfaktor mehr dar. Einige athenische Politiker trugen der neuen Lage Rechnung, besonders Eubulos. Er sorgte für eine Neuordnung des athenischen Finanzsystems, und seine geschickte Finanzpolitik als Vorsteher des Theorikon (,Schaugeldkasse’) trug zu einer zeitweiligen materiellen Erholung Athens bei. Die Polis-Struktur der griechischen Staaten hat auch und gerade im 4. Jh. dauerhafte Zusammenschlüsse großen Maßstabs verhindert. Schließlich mußten sie sich einer anderen Macht beugen: Makedonien. Angesichts des machtpolitischen Niedergangs verdient Beachtung, daß die demokratische Ordnung Athens im 4. Jh. zur Vollendung kam. Charakteristisch dafür ist die zentrale Stel80
lung der Geschworenengerichte. Sie waren in mancher Hinsicht sogar der Volksversammlung übergeordnet. Die heutige Forschung sieht darin oft eine Beschränkung der Demokratie. Zeitgenössischen Beobachtern wie Aristoteles erschien es eher als deren letzte Konsequenz. Tatsächlich waren fast jeden Tag Hunderte oder gar Tausende von Laienrichtern aktiv, denn schon der kleinste Gerichtshof in Privatprozessen umfaßte 200 Mitglieder. In Verfahren von öffentlichem Interesse saßen 500 oder ein Mehrfaches dieser Zahl. Jeden Morgen wurden die Richter aufs neue ausgelost, um Beeinflussung auszuschließen. Zwecks rascher Verteilung ihrer großen Anzahl wurden Losapparate entwickelt (Bruchstücke sind gefunden worden). Die Volksversammlung gab um 355 die noch in ihrer Hand befindlichen politischen Prozesse an die Dikasterien ab. Schon seit dem letzten Drittel des 5. Jh.s konnten auch Beschlüsse der Volksversammlung durch eine Klage gegen den Antragsteller wegen Gesetzwidrigkeit angefochten werden. Seit der Wiederherstellung der Demokratie um die Jahrhundertwende wurden Gesetze begrifflich klar von Volksbeschlüssen unterschieden. Die Gesetzgebung ging auf die Gremien der Nomotheten über, die in ihrer Zusammensetzung den Gerichtshöfen entsprachen (wohl mindestens 500 erloste Geschworene) und in einem prozeßähnlichen Verfahren die Entscheidung trafen. Vermutlich sollten übereilte Beschlüsse der Volksversammlung vermieden werden. Auch hier wurde eine Klagemöglichkeit vor Gericht gegen den Antragsteller wegen Einbringung eines unzweckmäßigen Gesetzes eröffnet. Der Volksversammlung blieben immer noch genug Entscheidungen. In der Mitte des 4. Jh.s trat sie in jeder Prytanie 4mal zusammen, also 40mal im Jahr. Für die Teilnahme wurden seit den 90er Jahren Sitzungsgelder gezahlt (vielleicht nur bis zur Zahl von 6000, die für manche Abstimmungen erforderlich waren). In der Volksversammlung wurden die schwierigen Auseinandersetzungen um die Außenpolitik geführt, insbesondere das Verhalten gegenüber Makedonien.
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Die Westgriechen in der Zeit der jüngeren Tyrannis Im-Unterschied zum Mutterland wurden die Geschicke Siziliens vorwiegend durch das Hegemoniestreben einer einzigen Polis, Syrakus, sowie durch das Verhältnis zu den Karthagern im Westen Siziliens bestimmt. Diese waren nicht Erbfeinde, sondern wurden durch die Griechen selbst in Konflikte verwikkelt – nach Jahrzehnten der Ruhe seit Gelons Sieg von 480. Die Sizilische Expedition der Athener war 415 von Segesta ausgelöst worden, als Karthago Hilfe ablehnte. 410 freilich folgten die Karthager einem neuerlichen Ersuchen Segestas bei ähnlicher Konstellation und verstärkten zunehmend ihren Einsatz. 409 zerstörten sie Selinus und Himera (auch als Vergeltung für die Niederlage von 480), 406/05 nahmen sie in einem weiteren Anlauf Akragas, Gela und Kamarina und bedrohten das durch politische Richtungskämpfe zerrissene Syrakus. Dort machte der 25jährige Dionysios mit demagogischem Geschick die bisherige Führung für die Mißerfolge verantwortlich. An Stelle des Strategenkollegiums wurde er allein zum bevollmächtigten Strategen’ (strategós autokrátor) gewählt. Bald darauf ließ er sich eine Leibwache bewilligen (405) und gab die Macht bis zu seinem Tod nicht mehr aus der Hand. Wie die ältere sizilische Tyrannis, so trug auch die neu etablierte jüngere ein stark militärisches Gepräge, erscheint aber zugleich wie eine Vorläuferin der hellenistischen Monarchie. Als erstes sicherte Dionysios Syrakus und seine eigene Herrschaft durch einen Frieden, in dem er den Karthagern die Hoheit über Elymer und Sikaner und einzelne Griechenstädte, anderen und den Sikelern die Autonomie zugestand. Für die Revanche traf er dann umfangreiche Vorbereitungen: Ausbau der Stadt zu einer ungewöhnlich starken Festung, Produktion von Waffen und modernen Belagerungsgeräten, Bau einer Flotte von 300 Einheiten. Schrittweise gewann er die Herrschaft über andere Poleis und die Sikeler zurück und griff nach Vollendung der Rüstungen 397 die Karthager an, um sie von der Insel zu vertreiben. Der sehr wechselhafte Verlauf des bru82
tal geführten und verlustreichen Krieges entsprach nicht ganz seinen Erwartungen, doch im Frieden von 392 behielt Karthago nur die Nordwestecke Siziliens, der größte Teil fiel Dionysios zu. Anschließend dehnte er seine Macht, ausgehend von dem bereits verbündeten Lokroi, gewaltsam auf die Südspitze Italiens aus. Er errichtete Flotten- und Handelsstützpunkte an den Küsten des Adriatischen Meeres und Korsikas und unterhielt Beziehungen zu den Kelten, die bis Apulien vorgestoßen waren (eine andere Gruppe hatte 387 Rom vorübergehend besetzt). Auf Pyrgoi, den Hafen des etruskischen Caere, unternahm seine Flotte einen Raubüberfall. Dauerhafte Freundschaft bestand zu Sparta, mit gelegentlicher gegenseitiger Unterstützung. Ein Vertrag mit Athen kam erst unmittelbar vor dem Tod des Tyrannen zustande. Ein 383/82 ausgebrochener neuer Krieg mit Karthago, wohl von Dionysios provoziert, endete gegen 375 mit einer gewissen Grenzverschiebung zugunsten des karthagischen Gebiets, die Dionysios in einem letzten Krieg 368 nicht mehr rückgängig machen konnte. 367 starb er, ohne sein Ziel erreicht zu haben. Ob ihm das Verdienst einer Rettung des Griechentums zuzuschreiben ist, muß bezweifelt werden. Zeitgenossen empfanden jedenfalls den hohen Preis eines Regimes, das das Bild der Tyrannis sogar rückwirkend prägte. Der Herrscher gestaltete die Insel Ortygia, die Keimzelle von Syrakus, zu seiner Privatfestung um und ließ seine Untertanen überwachen und bespitzeln. Im Heer und auf der Flotte dienten weitgehend Söldner, viele davon aus Unteritalien. Er machte aber auch, wie frühere Tyrannen, Söldner zu Bürgern und nahm Bevölkerungsverpflanzungen vor. Er regierte in sehr persönlicher Weise mit Hilfe von Verwandten und Freunden, hatte zwei Frauen gleichzeitig und verheiratete seine Töchter nach dynastischen Gesichtspunkten mit nahen Verwandten. Sein Sohn und Nachfolger Dionysios II. war ein schwacher Charakter. Die stärkere Persönlichkeit war sein Mitarbeiter Dion, Schwager und Schwiegersohn von Dionysios I. Der Philosoph Piaton aus Athen versuchte vergeblich, mit seiner Hilfe 83
eigene Staatsideale zu verwirklichen; die Überlieferung dazu ist allerdings sehr problematisch, ihr Wert hängt vor allem von dem Urteil über die Echtheit des 7. Briefs Piatons ab. Dion mußte schon 366 Sizilien verlassen. 357 kehrte er, während der Tyrann in Italien weilte, mit Söldnern und mit Unterstützung Karthagos zurück und führte ein Jahrzehnt der Wirren herauf. In ihrem Verlauf wurde er 354 von einem seiner bisherigen Mitkämpfer ermordet, nachdem er seinerseits einen anderen beseitigt hatte. 347/46 kam Dionysios II. wieder an die Macht – es war aber nicht mehr die alte, denn inzwischen war die Hegemonie über Ostsizilien zusammengebrochen, an mehreren Orten hatten sich lokale Tyrannen etabliert. Bald folgte eine tiefgreifende Änderung. Die Korinther entsandten 344 auf einen Hilferuf aus Sizilien hin Timoleon mit einer kleinen Söldnertruppe. Er erzielte überraschende Erfolge. Überall mußten die Tyrannen weichen. Manche wurden hingerichtet, andere gingen ins Exil, darunter Dionysios II. Eine karthagische Intervention wurde 342 oder etwas später am Krimisos abgeschlagen. Timoleon leitete den Wiederaufbau ein und holte dazu viele Einwanderer, um die stark zurückgegangenen Bevölkerungszahlen auf Sizilien wieder aufzufüllen. 337 zog er sich ins Privatleben zurück. Sizilien war vorübergehend stabilisiert, der materielle Aufschwung hielt sogar längere Zeit an. Dagegen geriet das griechische Unteritalien schon im 5. Jh. immer mehr unter den Druck italischer Stämme aus dem Bergland, besonders der Samniten und Lukaner. Im einzelnen ist über die Vorgänge wenig bekannt. Die älteste Griechenstadt Kyme wurde 431 samnitisch, Poseidonia um 400 lukanisch (es erhielt dann den Namen Paestum). Syrakus war nach dem Ende der Tyrannis kein wirksamer Bündnispartner mehr. Mit Niederlagen endeten die von Tarent erbetenen Hilfsexpeditionen des spartanischen Königs Archidamos III. (344–38) und des Königs der Molosser in Epirus, Alexander (333–30); beide fanden dabei den Tod. Die weiteren Geschicke Unteritaliens verbanden sich mit der Expansion Roms.
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Der Aufstieg Makedoniens Makedonien lag am Rande der griechischen Welt. Die Sprache, von der nur wenige Worte überliefert sind, war wohl ein stark vom Illyrischen und Thrakischen beeinflußter griechischer Dialekt und den anderen Griechen kaum verständlich. Fremd war ihnen auch die Lebensweise, denn die Makedonen hatten lange abseits der griechischen Kulturentwicklung gestanden. Der Staat war wenig entwickelt. Als Poleis organisierte Gemeinwesen fehlten. Bäuerliche Landkantone wurden von Adelsfamilien beherrscht, die in manchen Gegenden wie Fürsten regierten. In der Familie der Argeaden war das Königtum erblich, das formale Wahlrecht der Heeresversammlung daher beschränkt. Seit Anfang des 5. Jh. suchten die Könige Kontakt zur griechischen Zivilisation. Alexander I. (etwa 497–454) erreichte die Anerkennung seines Hauses als griechisch und damit die Zulassung zu den Olympischen Spielen. Sein Nachfahre Archelaos (413–399) zog herausragende griechische Dichter und Künstler an seinen Hof, darunter den Tragiker Euripides. Vor allem verbesserte er die Heeresorganisation, ließ Straßen und Festungen bauen, führte Münzen persischen Standards ein und verlegte die Residenz von Aigai (das erst kürzlich durch die Entdeckung der Königsgräber beim heutigen Vergina lokalisiert wurde) in das küstennähere Peüa. Nach seinem Tode hatte die Zentralgewalt jedoch einen schweren Stand sowohl gegenüber Teilen des Adels als auch gegenüber den Nachbarn, griechischen und barbarischen. Ganz katastrophal erschien die Lage, als 359 der König Perdikas III. mit Tausenden seiner Leute im Kampf gegen die Illyrier gefallen war. An Stelle des unmündigen Sohnes übernahm dessen Onkel Philipp II., selbst erst 24jährig, die Herrschaft und schaltete rasch alle Konkurrenten aus. Ihm gelang die Einbindung der mächtigen Adligen in den makedonischen Staat, und er machte Makedonien zur überragenden Militärmacht. Der Stärke des Adels entsprach die große Rolle der Reiter in Angriff und Verfolgung. Sie trugen den Ehrennamen hetairoi (,Kameraden’ des Königs). Aber auch das bäuerliche Fußvolk wurde zu pezhetai85
roi (,Kameraden zu Fuß’) erhoben. Ausgerüstet mit langen Lanzen, war die Phalanx tiefer als üblich gestaffelt (16 Reihen und mehr). Die Taktik der schiefen Schlachtordnung hatte Philipp als Geisel in Theben bei Epameinondas kennengelernt. Neben der Phalanx und der Kavallerie kämpften leichtbewaffnete Abteilungen. Außer dem heimischen Aufgebot zog Philipp viele Söldner heran. Große Aufmerksamkeit schenkte er allen Errungenschaften der Belagerungstechnik. Die ersten Feldzüge richteten sich gegen Illyrier und Thraker. Der Gewinn der Goldvorkommen des Pangaiongebirges ermöglichte die Einführung einer neuen Währung, die rasch auch außerhalb Makedoniens Anerkennung fand. Sie war natürlich vor allem wichtig zur Finanzierung des Heeres. Einen in der Nähe des Pangaion gelegenen Ort, an dem er Militärkolonisten ansiedelte, benannte Philipp nach sich selbst Philippoi – der erste bekannte Fall derartiger Namensgebung im griechischen Bereich (356). Die Eroberung von Amphipolis, Pydna und Poteidaia provozierte Krieg mit Athen, das wieder in Thrakien Fuß gefaßt hatte. Die Athener waren jedoch infolge des gleichzeitigen Bundesgenossenkrieges nicht voll handlungsfähig und suchten ihre Interessen im Norden durch Bündnisse mit Königen der Thraker, Illyrier und Päonen zu schützen. Ab 356 unterstützten die Athener die mittelgriechischen Phoker im sogenannten 3. Heiligen Krieg um die Vorherrschaft in der Amphiktyonie von Delphi, einer griechischen Kultgemeinschaft, die auch eine gewisse politische Bedeutung hatte. Die Phoker bemächtigten sich der Tempelschätze von Delphi und verwendeten sie für ein starkes Söldnerheer, das ihnen zeitweilig die Führung in Mittelgriechenland verschaffte. Ihre Hauptgegner waren die Böoter und ein Teil der Thessaler. Von diesen gerufen, vertrieb Philipp II. nach anfänglichen Niederlagen 352 die Phoker aus Thessalien und behielt es von da an unter Kontrolle. An weiterem Vordringen nach Süden hinderten ihn einstweilen die Athener und sonstigen Verbündeten der Phoker. Nun wandte er sich dem weiteren Ausbau seiner Stellung im Norden zu und provozierte 349 einen Krieg mit Olynth und dem Chalkidischen Bund, der mit der Zerstörung 86
der Stadt und dem Anschluß des Gebietes an Philipps Herrschaftsbereich endete. Athen konnte Olynth nicht mehr helfen. 346 kam es zum Frieden des Philokrates zwischen Philipp und Athen sowie den jeweiligen Bundesgenossen. Nutznießer war hauptsächlich Philipp. Er konnte endlich die Phoker niederwerfen, somit den 3. Heiligen Krieg beenden und sich zum Lohn an Stelle der Phoker in die Amphiktyonie aufnehmen lassen. Bald wurde auch seine Kontrolle Thessaliens durch Wahl zu dessen Bundesoberhaupt auf Dauer legitimiert. In Athen warf der an der Friedensgesandtschaft beteiligte Demosthenes, vorher ein eifriger Fürsprecher der Hilfe für Olynth, seinen Kollegen Philokrates und Aischines bald Verrat der Interessen Athens vor und führte von da an einen leidenschaftlichen Kampf für die Bewahrung der Unabhängigkeit der Poleis. Wie Aischines trat auch der Publizist Isokrates für die Unterstellung der Griechen unter Philipps Führung ein, nicht zuletzt im Hinblick auf einen erhofften Krieg gegen die Perser. Tatsächlich hatte Philipp wohl schon einen solchen im Auge, obwohl er mit Artaxerxes III. einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte, der den Persern 343 die Rückeroberung des seit 404 selbständigen Ägypten erlaubte. Einstweilen stabilisierte Philipp seine Position im Norden und gliederte Thrakien nach dem Vorbild einer persischen Satrapie unter einem Strategen seinem Reich an (341). Dadurch nahmen die Reibungen mit Athen wieder zu und führten, als Philipp eine athenische Getreideflotte kaperte, zu offenem Krieg. Er inszenierte außerdem einen 4. Heiligen Krieg, der ihm als Feldherrn der Amphiktyonen den Einmarsch in Mittelgriechenland gestattete. Jetzt schloß sich auch Theben einem von Athen kurz vorher zusammengebrachten Bund mehrerer griechischer Staaten (vorwiegend aus dem mittleren Griechenland) an. 338 fiel die Entscheidung in einer großen Schlacht bei Chaironeia in Böotien. Zahlenmäßig waren beide Heere etwa gleich stark, aber das makedonische erwies sich als das bessere, sein Sieg war überlegen. Philipp gewährte milde Friedensbedingungen, besonders an Athen, an dessen Gefolgschaft ihm gele87
gen war. Zwar mußte es auf den Rest des Zweiten Seebundes und auf die thrakische Chersones verzichten, behielt aber Lemnos, Imbros, Skyros und Delos. Bei einem Vorstoß auf die Peloponnes zwang Philipp das allein sich noch widersetzende Sparta zur Beschränkung auf das Territorium, das es vor dem 6. Jh. innegehabt hatte. Sparta blieb deshalb dem sogenannten Korinthischen Bund fern. Dieser Bund mit dem offiziellen Namen ,die Griechen’ wurde 337 auf einem Kongreß in Korinth gegründet. Man vereinbarte einen allgemeinen Frieden zwischen den Beteiligten, dazu Achtung ihrer Unabhängigkeit, Garantie der bestehenden inneren Ordnung (Verbot von Enteignungen, Neuaufteilungen von Grund und Boden, Schuldenerlaß und Freilassung von Sklaven zum Zweck politischen Umsturzes), Bundesexekution im Falle der Vertragsverletzung, Freiheit der Seeschiffahrt, Bildung eines Rates (Synedrion) mit Vertretung der Mitgliedsstaaten gemäß ihrer Stärke, Entscheidung von Streitfällen durch diesen Rat. Philipp selbst wurde nicht Mitglied, schloß aber mit den Teilnehmern ein ewiges Bündnis, durch das ihm die Hegemonie auf Lebenszeit übertragen wurde. Das Bündnis war auf einen Feldzug gegen Persien abgestellt. Er wurde nun ebenfalls beschlossen und propagandistisch als Rache für die Zerstörung griechischer Heiligtümer durch Xerxes (480/79) bemäntelt. Nach dem Tod des Artaxerxes III. 338 und einem kurzen Zwischenspiel kam 336 Dareios III. auf den Thron. Im selben Jahr setzte ein makedonischer Vortrupp von 10 000 Mann über den Hellespont. Das Hauptheer folgte aber nicht so bald wie geplant, denn ebenfalls 336 wurde Philipp während der Hochzeit seiner Tochter mit dem MolosserKönig Alexander in der alten Residenz Aigai von einem Adligen ermordet. Er hatte aber durch sein Wirken alle Machtmittel geschaffen, die dann sein Sohn Alexander (bei Chaironeia Befehlshaber der Reiterei) nutzen konnte.
IV. Hellenistisches Zeitalter Der Sieg Makedoniens über die griechischen Poleis signalisierte das Ende der Zeit, in der souveräne Stadtstaaten die Geschichte bestimmten. Eine weitere Verlagerung der politischen Geschichte ergab sich infolge der Eroberung des Perserreichs durch Alexander den Großen. Sein Reich zerfiel, aber auf dessen Boden entstanden große, von Makedonen und Griechen regierte Staaten von ganz anderem Typ als dem der Polis. Im Blick auf die Symbiose griechischer und orientalischer Elemente in diesen Staaten ist der Begriff ,Hellenismus’ geprägt worden, hat sich aber als Periodenbezeichnung auch für die westlichen Gebiete eingebürgert. Eine umfassende Charakteristik ist daher nicht möglich, zumal da im Orient die sozioökonomische Basis nicht grundlegend verändert wurde. Als Ende der Periode gilt meist die Einverleibung des letzten von einer makedonischen Dynastie regierten Großstaats, Ägyptens, in das Römische Reich (30 v. Chr.). Die Eroberungszüge Alexanders des Großen Der erst 20jährige Alexander III. (d. Gr.) fand im makedonischen Adel genug Rückhalt, um die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Sein geistig behinderter Halbbruder Arrhidaios war kein Rivale, andere wurden beseitigt. In Griechenland freilich keimte Hoffnung auf Befreiung. Theben begann 335 einen Aufstand, er endete aber sehr rasch mit Zerstörung der Stadt und Versklavung der Einwohner (formell auf Beschluß des Korinthischen Bundes). Nach dieser Abschreckungsmaßnahme konnte Alexander unbesorgt den Orientfeldzug beginnen. Daß er den Kriegsplan Philipps beibehielt und später erweiterte, entsprach einem sowohl beim Adel als auch der Bauernschaft Makedoniens erwachten Interesse am Gewinn von Land und Beute. Unter den Griechen waren ähnliche Hoffnungen verbreitet. Alexander führte den Krieg offiziell im Namen des Korinthischen Bundes, doch der war nur mit einem geringen 89
Aufgebot an dem überwiegend makedonischen und von Makedonen kommandierten Heer beteiligt. 334 überschritt es den Hellespont. Alexander warf vom Schiff aus einen Speer auf den asiatischen Boden und erklärte damit symbolisch alles ,speererworbene’ Land zu seinem Eigentum. Der Perserkönig überließ die Verteidigung den Satrapen des Westens und dem griechischen Söldnerführer Memnon von Rhodos, der die bessere strategische Konzeption hatte, sie aber nicht durchsetzen konnte. Alexanders Sieg am Flüßchen Granikos entschied über die Herrschaft in Kleinasien. Die griechischen Städte wurden befreit (nicht alle nach ihrem Willen). Die Einführung demokratischer Verfassungen mochte den Anschein größerer Freiheit erwecken, im übrigen gab es nur einen Wechsel des Oberherrn. In den Satrapien setzte Alexander Makedonen als Satrapen ein (mit Ausnahme Kariens). Er versuchte freilich nicht, ganz Anatolien zu besetzen. Nach Winterruhe in Gordion marschierte er nach Kilikien. Dort trat ihm endlich Dareios III. selbst entgegen; zu seinen besten Truppen zählten griechische Söldner. Vielleicht zu früh gab er die Schlacht bei Issos (333) verloren und floh, Troß und eigene Familie dem Sieger überlassend. Alexander beanspruchte nunmehr in seiner Antwort auf ein Friedensangebot selbst den Titel eines Königs von Asien und forderte die Unterwerfung des Persers. Noch stieß er nicht ins Kerngebiet des Reiches vor. Da die phönikische Flotte des Großkönigs mit Erfolg in der Ägäis operierte, mußte ihr zunächst die Basis entzogen werden. Das gelang schnell, nur Tyros wurde erst nach monatelanger Belagerung gestürmt. Dareios bot inzwischen die Abtretung aller Gebiete westlich des Euphrat an – vergeblich. Ägypten, erst 343 durch Artaxerxes III. zurückerobert, wurde durch den Satrapen kampflos übergeben, Alexander trat in die Reihe der einheimischen, dort als göttlich angesehenen Pharaonen ein. Am Meer westlich des Nildeltas gründete er die erste Alexanderstadt im Orient: Alexandreia (331). Eine Expedition zu der Orakelstätte des mit Zeus gleichgesetzten Ammon in der Oase Siwa scheint Alexander im Glauben an seine eigene Göttlich90
keit bestärkt zu haben. Im Herbst 331 rückte er nach Nordmesopotamien vor und siegte bei Gaugamela über Dareios, der nun nach Medien floh. Alexander besetzte weithin kampflos die Zentren des Reiches und seine Residenzen: Babylon, Susa, Persepolis, schließlich Ekbatana. Der Palast in Persepolis wurde niedergebrannt zur Rache für die Zerstörung griechischer Heiligtümer durch Xerxes. Das vorgebliche Kriegsziel des Korinthischen Bundes war erreicht. Folgerichtig entließ Alexander dessen Kontingente von Ekbatana aus in die Heimat (330); viele Griechen blieben aber freiwillig als Söldner. Zu Satrapen der neu eroberten Gebiete ernannte Alexander nun auch Iranier bzw. bestätigte sie in ihrem Amt. Die Verfolgung des flüchtigen Dareios führte weiter nach Osten. Als er vom Satrapen Baktriens, Bessos, ermordet worden war, ließ Alexander ihn in Persepolis bestatten und betrachtete sich nun als legitimen Nachfolger der Achämeniden. Der Anspruch auf das ganze Reich mußte aber erst realisiert werden, vor allem gegen wehrhafte iranische Stämme. Das makedonische Heer hatte unter neuen und schwierigen geographischen Bedingungen in Gebieten des heutigen Afghanistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan enorme Aufgaben zu bewältigen. Alexander gründete im äußersten Nordosten Alexandreia eschate (Chodschent). Die Heirat mit Roxane, Tochter eines sogdischen Adligen, im Jahr 327, war Teil des Bemühens, die Oberschicht Irans an sich zu ziehen. Mit Makedonen allein meinte Alexander das asiatische Riesenreich nicht regieren zu können. Auch ins Heer gliederte er immer mehr Iranier ein. Die Übernahme des persischen Hofzeremoniells und anderer persischer Bräuche verschärfte allerdings Spannungen mit den Makedonen, die nicht durchweg den Zielen ihres Königs zu folgen vermochten; in einzelnen Fällen reagierte Alexander mit Hinrichtung oder Ermordung sogar nahestehender Personen. 327 begann der Zug nach Indien. Teile davon hatten nominell zum Perserreich gehört. Im übrigen hatten Alexander und sein Stab unzutreffende geographische Vorstellungen; sie wähnten, dort bald das Weltmeer und damit die Grenze der 91
Abb. 3: Hellenismus, Alexanderreich und Reiche der Diadochen
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bewohnten Erde zu erreichen. Das Heer besiegte mehrere indische Fürsten (deren bedeutendster Poros war), verweigerte aber, als kein Ende in Sicht kam, am Hyphasis (Sutlei) den Weitermarsch. Alexander wählte nicht denselben Weg zurück. Mit Hilfe einer neuerbauten Flotte führte er das Heer auf dem Indus bzw. an ihm entlang bis in dessen Delta, stellenweise unter schweren Kämpfen (er selbst wurde lebensgefährlich verwundet). Mitte 325 kam die Streitmacht in Pattala an. Der schwerfälligere Teil der Landtruppen (mit Verwundeten und Troß) trat schon vorher unter Führung von Krateros den Rückmarsch durch Arachosien (Südafghanistan) an. Die Flotte unter Nearchos sollte den Seeweg zur Euphratmündung erkunden. Alexander selbst führte den Rest des Heeres in relativer Nähe zur Küste durch die Wüsten Gedrosiens (Belutschistan); Wassermangel und Feindeinwirkung brachten große Verluste. In Karmanien vereinigten sich beide Landheere. Dieser Rückmarsch erfolgte im Winter 325/24. Die jahrelange Abwesenheit Alexanders hatte inzwischen manche Satrapen veranlaßt, sich selbständig zu machen. Sogar der Reichsschatzmeister Harpalos hatte seine Stellung zum Ausbau einer eigenen Position genutzt und floh nun mit Söldnern und viel Geld nach Griechenland. Vorübergehend fand er Aufnahme in Athen. Dort soll er einflußreiche Politiker bestochen haben. Jedenfalls konnte er vor der Auslieferungsforderung Alexanders fliehen (wenig später wurde er auf Kreta ermordet). Athen hatte, während Alexander weit im Osten weilte, eine relativ selbständige Position behaupten können. Erstaunlich erscheint besonders die gute Finanzlage der Stadt. Sie gestattete den Besitz einer großen Kriegsflotte, die Errichtung der dazu nötigen Schiffshäuser und Magazine sowie repräsentativer öffentlicher Bauten, darunter eines neuen Dionysos-Theaters. Ein Hauptverdienst daran kam Lykurgos zu. Ähnlich wie früher Eubulos leitete er eine zentrale Finanzbehörde, angeblich (direkt oder indirekt) 12 Jahre lang. Die Zeit zwischen der Schlacht von Chaironeia 338 und seinem Tod 324 wird daher auch als Lykurgische Ära bezeichnet. Lykurgos war gewiß kein Anhänger der makedonischen 93
Herrschaft, wie überhaupt die Stimmung in Griechenland weithin alexanderfeindlich war. Athen beteiligte sich jedoch 331 nicht an einem Aufstand Spartas und anderer peloponnesischer Staaten, der durch den ,Strategen von Europa’, Antipatros, niedergeschlagen wurde. Alexanders Forderung von 324, die griechischen Staaten des Mutterlands sollten alle Verbannten wiederaufnehmen, war nicht geeignet, den Unmut zu dämpfen. Wenig später forderte er von denselben Griechen gottgleiche Verehrung, die zwar griechischer Mentalität entsprach, jetzt aber nur formal geleistet wurde. Auf Unmut stieß Alexander auch im makedonischen Heer. Bei der Entlassung von Veteranen brach 324 in Opis am Tigris eine Meuterei aus; Alexander unterdrückte sie mit Entschiedenheit und Härte. Hauptstadt seines Weltreiches, das er nach bisweilen angezweifelter Überlieferung auch nach Westen ausdehnen wollte, sollte Babylon werden. Doch im Frühsommer 323 erlag er dort einer Fieberkrankheit, erst 33 Jahre alt. Das Alexanderreich Der König der Makedonen starb als absoluter Herrscher über ein asiatisches Reich. Die Herrschaft war zu kurz, als daß man mit Sicherheit über ihre Chancen bei längerer Lebenszeit Alexanders urteilen könnte. Das Perserreich hatte 200 Jahre bestanden. Seine Verbindung mit Makedonien und Griechenland war aber von vornherein problematisch. Alexander respektierte von Anfang an die einheimischen Strukturen und Traditionen. Später strebte er ein Bündnis der makedonischen und iranischen Aristokratie an. 324 stellte er persische Elitetruppen, die in makedonischer Taktik ausgebildet waren, sogar den Pezhetairoi (der schweren makedonischen Infanterie) gleich und organisierte in Susa eine Massenhochzeit makedonischer Offiziere und Soldaten mit Iranierinnen. Die staatliche Organisation konnte um so eher an die persische anknüpfen, als die makedonische strukturell ähnlich war. Hauptzweck des Staates in Asien war die Ausbeutung ganzer 94
Territorien durch eine dünne Oberschicht, die die staatlichen Funktionen unter sich verteilte. In der Perserzeit waren die Satrapen für die Einziehung der Tribute, die Verwaltung der Krondomänen, die Rechtsprechung, die innere und äußere Sicherheit verantwortlich gewesen. Dabei blieb es, nur das Militärkommando war Makedonen vorbehalten. Das Finanzwesen war zwangsläufig auf den Krieg ausgerichtet. Die Ausmünzung des persischen Staatsschatzes folgte mehr aus unmittelbarem Geldbedarf als aus fortgeschrittenen griechischen Wirtschaftsgewohnheiten. Die neuen Münzen Alexanders wurden für die Soldzahlung vorwiegend in Silber geprägt. Die oberste Finanzbehörde hatte ihren Sitz in Babylon, bis 324 von dem Makedonen Harpalos geleitet. Ein anderes wichtiges Reichsamt war die königliche Kanzlei unter dem Griechen Eumenes. Dort wurde auch ein zentrales Tagebuch geführt. Von den Achämeniden her wurde schließlich das Amt des Chiliarchen (,Großwesirs’) als Stellvertreter des Königs übernommen, bekleidet von Alexanders engstem Freund Hephaistion, der aber noch vor ihm starb. Hephaistion gehörte auch zu den 7 ,Leibwächtern’ (somatophylakes), die den engsten Beraterstab bildeten. Ein weiterer Kreis wurde wie die Adelsreiterei Hetairoi genannt. Die Stellung griechischer Poleis im Reich war anscheinend nicht einheitlich. Ein Teil war direkt dem König unterstellt, aber wohl nicht alle. Manche neuen Poleis waren bloße Militärsiedlungen, andere waren alte orientalische Städte, die nach Zuzug von Griechen mit einer Polisverfassung und griechischem Namen ausgestattet wurden. In beiden Fällen war der Status oft nicht von Dauer. Grundsätzlich konnte es für Poleis als Bestandteile eines übergreifenden Staates nur eine begrenzte Autonomie geben, aber schon unter den Persern war die Variationsbreite erheblich, und sie blieb es.
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Die Diadochenkämpfe Beim Tod Alexanders war kein Nachfolger vorhanden. Adel und Heer schlossen endlich einen faulen Kompromiß: Könige wurden formal Alexanders behinderter Halbbruder Arrhidaios als Philipp III. und sein kurz nach seinem Tod von Roxane geborener Sohn als Alexander IV. In die wirkliche Herrschaft teilten sich der Chiliarch Perdikkas, Antipatros als Stratege von Europa und Krateros als Vertreter der königlichen Belange und Reichsfeldherr. Neben ihnen besaßen einzelne Satrapen große Macht. Die einflußreichsten stammten aus dem Kreis der bisherigen ‚Leibwächter’: Antigonos Monophthalmos (der Einäugige) in Großphrygien, Lykien, Pamphylien; Ptolemaios in Ägypten; Lysimachos in Thrakien. Es begann eine Zeit wechselvoller Kämpfe um das Erbe Alexanders, die im wesentlichen erst mit dem Aussterben der Generäle und unmittelbaren Nachfolger (Diadochen) Alexanders endete (281). Gemeinsam war den Diadochen die Abkehr von der sogenannten Verschmelzungspolitik und von weiteren Eroberungsplänen. Sonst zeichneten sich divergierende Grundtendenzen ab: Erhaltung der Reichseinheit zugunsten der Familie Alexanders oder unter einem neuen Herrscher oder Begründung selbständiger Teilreiche. Ein Teil der Griechen des Mutterlandes unter Führung Athens sah in Alexanders Tod eine Gelegenheit, die makedonische Herrschaft abzuschütteln. Es gelang, Antipatros in Mittelgriechenland in Lamia einzuschließen (Lamischer Krieg), aber nur, bis für ihn Entsatz kam. Antipatros und Krateros siegten entscheidend bei Krannon in Thessalien, nachdem schon kurz zuvor die Schlacht bei der Insel Amorgos Athens Stellung als Seemacht beendet hatte (322). Athen wurde eine makedonische Besatzung und eine oligarchische Verfassung aufgezwungen. Demosthenes nahm sich auf der Flucht das Leben. Inzwischen hatte in Asien Perdikkas das Heereskommando an sich gerissen und versuchte mit Hilfe des Eumenes, alle Macht auf sich zu konzentrieren. Dagegen verbanden sich Antigonos, Ptolemaios, Lysimachos, Antipatros und Krateros. Bei 96
einem Feldzug gegen Ptolemaios wurde Perdikkas 321 auf ägyptischem Boden von eigenen Leuten ermordet. Im selben Jahr fiel Krateros im Kampf gegen den in Kleinasien erfolgreichen Eumenes. Eine Konferenz in Triparadeisos (Syrien) versuchte eine Neuordnung ohne und gegen Eumenes. Stratege von Asien wurde Antigonos. Antipatros erhielt die von Perdikkas usurpierte Aufsicht über die beiden nominellen Könige und nahm sie mit sich nach Makedonien. Satrap von Babylon wurde Seleukos, der damit einen steilen Aufstieg begann. 319 starb Antipatros. Zum Nachfolger hatte er von sich aus Polyperchon bestimmt. Sein eigener Sohn Kassandros nahm das nicht hin, ebensowenig Antigonos, Lysimachos, Ptolemaios. Vergeblich versuchte Polyperchon, den Korinthischen Bund zu erneuern. Athen fiel bald Kassandros zu. Er setzte als Vertrauensmann den Athener Demetrios aus dem Demos Phaleron an die Spitze der Stadt. Sie erlebte unter ihm eine kurze wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit (317–307). In Makedonien tauchte Alexanders Mutter Olympias wieder auf. Sie ließ den ihr verhaßten Philipp Arrhidaios und viele andere umbringen, bis sie selbst durch Kassandros gefangengenommen und durch das Heer zum Tode verurteilt wurde (316). Im selben Jahr wurde der aufrichtigste Verfechter der Reichseinheit, Eumenes, im Iran von Antigonos geschlagen, von eigenen Soldaten ausgeliefert und hingerichtet. Seleukos floh aus Babylon. Antigonos strebte mit seinem Sohn Demetrios eindeutig nach Alleinherrschaft. Die Griechen suchte er durch Proklamation ihrer Freiheit von Kassandros zu lösen, auf den Kykladen gründete er den Bund der Nesioten (Inselbewohner). Der Terraingewinn in Asien war schon beträchtlich, da erlitt Demetrios 312 bei Gaza eine schwere Niederlage gegen Ptolemaios. In einem kurzlebigen Kompromißfrieden (311) wurde den Griechen die Freiheit zugesichert, Antigonos die in Asien errungene Stellung, Kassandros seine Stellung als Stratege von Europa, bis Alexander IV. regierungsfähig sei. Kassandros ließ darauf den jungen König und Roxane umbringen (310/09). Nun war das Haus Alexanders d. Gr. ausgerottet. Ernstzuneh97
mender Anwärter auf dessen Erbe war ohnehin nur noch Antigonos. Er konnte freilich nicht verhindern, daß Seleukos 312 Babylon wiedergewann und danach Medien. In der Ägäis setzte sich Antigonos gegen Ptolemaios durch. Sein Sohn Demetrios vertrieb 307 den Vertrauensmann des Kassandros, Demetrios von Phaleron, aus Athen und stellte die Demokratie wieder her. Die Athener beschlossen in überschwenglicher Begeisterung für ihn und seinen Vater kultische Ehren, zwei neue Phylen wurden nach ihnen benannt. Nach einem Seesieg des Demetrios über Ptolemaios beim zyprischen Salamis nahmen Antigonos und sein Sohn 306 den Königstitel an. Tatsächlich beherrschten sie jetzt den relativ größten Teil des Alexanderreiches, vom Hellespont bis zum Euphrat. Ptolemaios, Lysimachos, Kassandros und Seleukos reagierten, indem sie sich gleichfalls zu Königen erklärten, freilich nur mit Anspruch auf den jeweiligen Machtbereich. Dem Beispiel der Diadochen folgte interessanterweise der sizilische Tyrann Agathokles (304). Er hatte 317 in Syrakus ähnlich wie Dionysios I. als bevollmächtigter Stratege, gestützt auf den Demos, die Macht an sich gerissen, das griechische Sizilien unterworfen und bis 306 gegen die Karthager gekämpft, sogar auf afrikanischem Boden. Später dehnte er seine Herrschaft auf Unteritalien und Kerkyra aus. Nach seinem Tod 289 fiel dieses Reich wieder auseinander. Im Osten gingen die Diadochenkämpfe weiter. Demetrios belagerte 305/04 vergeblich das mit Ptolemaios sympathisierende Rhodos. Der Einsatz aller damals modernen Belagerungstechnik trug ihm den Beinamen Poliorketes (Städtebelagerer) ein. Das frei gebliebene Rhodos spielte lange Zeit eine hervorragende Rolle als Handelszentrum und Seemacht. Größere Erfolge hatte Demetrios in Griechenland. 302 erneuerte er den Korinthischen Bund. Aber nun wandten sich die anderen Diadochen gemeinsam gegen ihn und Antigonos. Seleukos gab dafür den Kampf um die östlichsten Satrapien (FünfStromland, Paropamisaden, Arachosien, Gedrosien) auf und trat sie an den indischen König Tschandragupta (griech. Sandrokottos), den Begründer der Maurya-Dynastie, ab, der 98
ihm als Gegenleistung 500 Kriegselefanten lieferte. Eingesetzt wurden sie in der Schlacht bei Ipsos in Phrygien, wo der 81jährige Antigonos kämpfend fiel (301). Den kleinasiatischen Teil seines Reiches eignete sich Lysimachos an, Syrien Seleukos. Demetrios entkam und konnte sich weiterhin auf Inseln und Küstenstädte stützen. Seine Aktionen erstreckten sich von Syrien bis Griechenland. 294 wurde er König in Makedonien, wo nach Kassandros’ Tod (297) Wirren eingetreten waren. Vorübergehend konnte er seine Macht weit ausdehnen. Despotisches Auftreten kostete ihn aber viele Sympathien. 288/87 wurde er aus Makedonien vertrieben; Lysimachos und Pyrrhos, der König der Molosser in Epirus, teilten es unter sich. Bei dem Versuch, sich eine neue Basis in Asien zu erobern, wurde Demetrios 286 von Seleukos gefangengenommen und starb 3 Jahre später in der Internierung. 283 starb auch Ptolemaios. Schon 285 hatte er seinen Sohn Ptolemaios II. zum Mitregenten gemacht und ihm so die Nachfolge gesichert. Ein älterer Sohn von einer anderen Frau, Ptolemaios Keraunos, war daraufhin ins Exil gegangen. Seine Stunde kam, als der letzte Diadochenkrieg zwischen Lysimachos, dem endlich die Vorherrschaft in Europa und Kleinasien zugefallen war, und Seleukos ausbrach. Bei Kurupedion in Lydien fiel der greise Lysimachos 281 im Kampf. Der Sieger Seleukos wollte nun die Herrschaft auch in Makedonien übernehmen, wurde aber beim Betreten europäischen Bodens von Ptolemaios Keraunos ermordet. Dieser konnte sich in Makedonien als König etablieren. Pyrrhos von Epirus, der dasselbe für sich erhofft hatte, versuchte nun sein Glück in Italien und Sizilien. Die hellenistische Staatenwelt bis zum Eingreifen der Römer Als Ergebnis der Diadochenkämpfe waren drei große Staaten geblieben: das Ptolemäerreich, das Seleukidenreich und das Stammland Makedonien. Hier vollzog sich noch ein Wechsel. 279 fiel Ptolemaios Keraunos in einer verlorenen Schlacht gegen von Norden eingedrungene Kelten, die erst in Mittelgrie99
chenland zurückgeschlagen werden konnten (andere gingen nach Kleinasien hinüber, ließen sich in der nach ihnen benannten Landschaft Galatien nieder und waren fortan bei den Nachbarn gefürchtet). Ein neuerlicher Sieg über sie bei Lysimacheia (277) brachte dem Sohn des Demetrios Poliorketes, Antigonos Gonatas, der in Griechenland ererbte Positionen hatte halten können, schließlich den vakanten Thron von Makedonien (276). Seitdem regierten dort die Antigoniden. Ihr Königtum trug noch gewisse traditionelle Züge. Es kannte nicht den Herrscherkult, der in den östlichen Reichen eine große Rolle spielte. Ihr Interesse an Herrschaft über Griechenland (Thessalien war schon fest mit Makedonien verbunden) stieß auf die Konkurrenz der Ptolemäer. Diese besaßen oder erstrebten außerhalb Ägyptens die Herrschaft über Kyrene, Südsyrien, Zypern sowie Teile Kleinasiens und Griechenlands. Südsyrien war mehr als ein Jahrhundert lang Anlaß zu Kriegen mit den Seleukiden, nachdem Ptolemaios I. es schon vor der Schlacht von Ipsos besetzt hatte (sogenannte Syrische Kriege: 1. 274–271, 2. 260–253, 3. 246–241, 4. 221–217, 5. 201–195, 6. 170–168). Die Ägypter waren bloße Untertanen eines Staates, in dem Makedonen und Griechen alle leitenden Stellen innehatten. Papyri, durch den trockenen Wüstensand in großer Zahl erhalten, vermitteln ein detailliertes Bild eines Systems, das von der antiken Polisgesellschaft grundverschieden war. Nur 3 Poleis existierten: Alexandreia, Naukratis, Ptolemais. Das ganze übrige Land galt als Eigentum des Königs. Ein durchorganisierter Staatsapparat lenkte die Wirtschaft. In der Theorie sollte er bis ins einzelne bestimmen, was die Bauern anzubauen und abzuliefern hatten. Handwerk und Handel standen ebenfalls unter Kontrolle, soweit sie nicht sogar königliches Monopol waren. Der König vergab jedoch auch Land an Tempel, Würdenträger und Militärsiedler (Kleruchen). Die Organisation des Seleukidenreiches wies wegen seiner Größe und heterogenen Zusammensetzung eine größere Vielfalt auf. Weite Teile wurden auch hier als Königsland von abhängigen Bauern (laoí) bewirtschaftet. Zu den vorhandenen 100
Städten wurden aber manche neuen gegründet. Sie besaßen eine relative Autonomie. Wenn der König Land an Einzelpersonen verschenkte, wurde es anscheinend in der Regel einer Polis zugeschrieben und eben dadurch Privateigentum. Auf den Polisterritorien konnte es wie auf dem Königsland abhängige Bauern ohne Bürgerrecht geben. Im übrigen bestand wie in Ägypten die Praxis königlicher Landvergabe an Tempel, Würdenträger und Militärsiedler (Katöken). In Griechenland erwiesen sich die Poleis immer mehr als machtlos. An Bedeutung gewannen dagegen Bundesstaaten, erwachsen aus älteren Stammesorganisationen (éthne) und meist koiná genannt. In ihnen gab es ein gemeinsames Bürgerrecht neben dem der Einzelgemeinden, eine Volksversammlung, zu der alle Bundesbürger Zutritt hatten, sowie gemeinsame Zentralorgane (Rat und Beamte), vor allem zur Vertretung nach außen. Der Bund der Ätoler war 278 an der Abwehr der Kelten beteiligt und dehnte sich von da an über Ätolien hinaus in Mittelgriechenland aus, wobei auch die Form einer loseren Mitgliedschaft angewandt wurde. Die zentralen Ämter mit einem jährlich gewählten Strategen an der Spitze wurden nur von Ätolern ausgeübt. Ein Gegenstück auf der Peloponnes war der Achäische Bund, ursprünglich beschränkt auf Achaia im Nordwesten, das wie Ätolien lange am Rande der Polisentwicklung gestanden hatte. Dem 280 neu organisierten Bund schlössen sich bald andere Poleis an, darunter Sikyon und Korinth. Die Verfassung ähnelte der des Ätolischen Bundes. Als Stratege fungierte von 245 bis 213 in jedem zweiten Jahr Aratos von Sikyon, der dadurch eine überragende Stellung einnahm (ähnlich zwischen 208 und 183 Philopoimen von Megalopolis). Monarchisch geführt war bis etwa 232 der schließlich ganz Epirus umfassende Bund der Molosser. Das Königsgeschlecht der Aiakiden beanspruchte für sich griechische Herkunft. Alexander I. (342–330) wurde Schwiegersohn Philipps II. von Makedonien; er fiel in Italien bei einer Hilfeleistung für Tarent. Der bedeutendste König von Epirus war Pyrrhos. Nach Einmischung in die Diadochenkämpfe um Makedonien unterstützte er seit 280 Tarent gegen Rom. 278 bis 275 versuchte er, in Sizi101
lien als Erbe seines zeitweiligen Schwiegervaters Agathokles und als Helfer gegen die mit Rom verbündeten Karthager ein neues Königtum zu errichten, wandte sich dann aber wieder nach Osten, um Antigonos Gonatas vom Thron Makedoniens zu stoßen, und fand dabei 272 in Argos den Tod. Ein von Ptolemaios II. gefördertes antimakedonisches Bündnis zwischen Athen und Sparta samt weiteren Bundesgenossen führte 267 zum Chremonideischen Krieg (benannt nach dem Initiator des Bündnisses, dem Athener Chremonides). Antigonos Gonatas blieb Sieger. König Areus von Sparta, selbst ein Herrscher hellenistischen Typs, fiel 265, Athen kapitulierte um 262/61 und kam völlig unter makedonische Kontrolle. Während das Ptolemäerreich unter Ptolemaios II. und Ptolemaios III. seine beste Zeit hatte, erlebte das Seleukidenreich bald Erschütterungen. Um 255 löste der Grieche Diodotos Baktrien heraus, das im Laufe der Zeit selbst ein großes Reich bis nach Indien bildete (Gräko-Baktrisches Reich). Um 238 entstanden westlich davon die Anfänge des Partherreiches, getragen von dem iranischen Reitervolk der Parner, auf das der Name des Landes überging. Um dieselbe Zeit machte sich Antiochos Hierax, Bruder Seleukos’ II., in Kleinasien selbständig. Die Wirren benutzte Attalos I. von Pergamon, um nach Vertreibung des Antiochos Hierax einen großen Teil Kleinasiens vorübergehend (etwa 228–223) unter seine Kontrolle zu bringen. In Pergamon hatte Philetairos 283 eine relativ selbständige Herrschaft begründet. Der formalen seleukidischen Oberhoheit entzog sich schon sein Nachfolger Eumenes I. Attalos I. erklärte sich um 230 nach Siegen über die östlich benachbarten Galater (Kelten) zum König. In Griechenland wuchs die Macht des Achäischen Bundes. Gemeinsam mit dem Ätolischen Bund machte er sogar gegen Makedonien Front. Eine neue Lage ergab sich aber durch Veränderungen in Sparta. Dort hatte König Agis IV. (244–241) eine Wiederherstellung der angeblich lykurgischen Ordnung versucht, war aber gescheitert und hingerichtet worden. Mehr Erfolg hatte Kleomenes III. ab 235. Er schaffte das Ephorat ab und führte eine Landreform durch, wobei er die Zahl der auf 102
wenige hundert abgesunkenen Spartiaten mit Periöken auffüllte. So stärkte er die militärische Schlagkraft erheblich und weckte außerdem Sympathien bei den freien Unterschichten der übrigen Peloponnes. Gegen diese Gefahr rief der Achäische Bund lieber den bisherigen Feind Makedonien zu Hilfe. Antigonos Doson besiegte Kleomenes 222 bei Sellasia an der Grenze zwischen Lakonien und Arkadien; Kleomenes floh nach Ägypten, die Reformen wurden vermutlich wenigstens teilweise rückgängig gemacht. Schon 224 war ein makedonisch geführter Hellenenbund aus Achäern, Thessalern, Epiroten, Akarnanen, Böotern, Phokern, Lokrern und Euböern entstanden, der dann 220 einen ,Bundesgenossenkrieg’ gegen die mit Sparta verbündeten Ätoler beschloß. Er wurde 217 mit dem Frieden von Naupaktos beigelegt, dem letzten ohne römische Mitwirkung. Die Römer hatten kurz zuvor im 1. und 2. Illyrischen Krieg (229 und 219) auf der Balkanhalbinsel und damit in der Interessensphäre Makedoniens Fuß gefaßt. Daher verbündete sich Philipp V. mit Karthago gegen Rom, das seinerseits 212 ein Bündnis mit den Ätolern schloß und 205 Frieden erreichte (1. Makedonischer Krieg 215–205). In diese Zeit fällt ein nochmaliger Aufstieg des Seleukidenreiches unter Antiochos III. Er stellte die Oberhoheit im Osten großenteils wieder her (215–205), wenn auch nur formal, und wurde daher der Große genannt. Nicht so erfolgreich war sein Kampf gegen Ägypten im 4. Syrischen Krieg (221–217). Ptolemaios IV. siegte bei Raphia (südlich von Gaza) – aber nur mit Hilfe einheimischer ägyptischer Truppen; von da an nahm die Rolle der Einheimischen in diesem Staat zu. In Sizilien hatte Hieron II. in Syrakus bald nach dem Abzug des Pyrrhos eine neue Tyrannis begründet (275/74) und sich sogar zum König ausrufen lassen (269). Dies tat er nach einem Sieg über die Mamertiner, frühere Söldner des Agathokles aus Unteritalien, die sich der Stadt Messana bemächtigt hatten. Die aus dem Konflikt entstandenen weiteren Verwicklungen führten letztlich zum 1. Punischen Krieg zwischen Rom und Karthago (264–241). Indem Hieron rechtzeitig auf die Seite 103
Roms überwechselte, rettete er sein auf die Oligarchie gestütztes Königtum. Nach seinem Tod 215 bewirkte allerdings der Übertritt seines Enkels Hieronymos zu den Karthagern während des 2. Punischen Krieges (218–201) die Einbeziehung von Syrakus in die römische Provinz Sizilien. Das Westgriechentum hatte seine selbständige Rolle ausgespielt. Eine Ausnahme bildete noch Massalia (Marseille) mit seinen Tochterstädten an den Küsten Galliens und Spaniens, dank anhaltend guter Beziehungen zu Rom. Ausblick: Der Untergang der hellenistischen Staatenwelt Bereits mit der Wende vom 3. zum 2. Jh. begann die immer stärkere Einmischung der Römer in die Verhältnisse des östlichen Mittelmeerraumes. Am Ende stand dessen vollständige Einbeziehung in ihr Herrschaftsgebiet. Dazu haben allerdings die Könige der hellenistischen Reiche und die griechischen Poleis in hohem Maße selbst beigetragen. Als in Ägypten 204 Ptolemaios V. noch als Kind König geworden war, sahen der Antigonide Philipp V. und der Seleukide Antiochos III. darin eine Gelegenheit, sich die auswärtigen Besitzungen des Ptolemäerreiches anzueignen. Antiochos besetzte ab 201 Südsyrien (5. Syrischer Krieg), Philipp griff die den Ptolemäern unterstellten Poleis im Bereich der Ägäis an. Gegen diese Expansion wandten sich Attalos I. von Pergamon, Rhodos und andere Staaten und riefen überdies die Römer zu Hilfe, die dem Makedonenkönig sein Bündnis mit den Karthagern nachtrugen. Der im Jahr 200 von den Römern aufgenommene 2. Makedonische Krieg wurde erst 197 durch die Schlacht von Kynoskephalai in Thessalien zu ihren Gunsten entschieden. Noch hatten sie kein Interesse an direkter Herrschaft oder gar Territorialgewinn im griechischen Raum. Vorerst genügte ihnen die Beschränkung Philipps auf Makedonien. Die bislang von ihm beherrschten griechischen Gebiete wurden für frei erklärt. Die Verkündung geschah publikumswirksam bei den Isthmischen Spielen 196 durch den Sieger Titus Quinctius Flamininus. 104
Allerdings blieben römische Truppen noch bis 194 in Griechenland und beteiligten sich an einem Krieg des Achäischen Bundes und anderer griechischer Staaten gegen Nabis von Sparta, um ihn zur Freigabe des kurz vorher annektierten Argos zu zwingen. Nabis regierte 207–192 als Alleinherrscher und erscheint in der Überlieferung als brutaler Tyrann. Jetzt verlor er sogar die lakonischen Periökenstädte, behielt aber die Herrschaft in Sparta. Zur Zeit des Abzugs der Römer aus Griechenland bahnte sich schon der Konflikt mit Antiochos III. an. Er gedachte von der Schwächung Philipps zu profitieren und beanspruchte die Herrschaft nicht nur über die Griechenstädte Kleinasiens, sondern auch über die der thrakischen Chersones (Halbinsel Gallipoli) und der angrenzenden Gebiete Thrakiens, weil sein Ahnherr Seleukos I. sie 281 durch den Sieg über Lysimachos gewonnen habe. Die Stadt Lysimacheia baute er mit großem Aufwand wieder auf. Die Römer dagegen erstreckten ihre Freiheitserklärung für die Griechen schließlich auch auf Kleinasien. Der Krieg brach jedoch erst aus, als die Ätoler, die sich von den Römern benachteiligt fühlten, Antiochos zur Führung des Kampfes gegen diese gewannen (192). Er kam mit einem zu kleinen Heer, wurde 191 bei den Thermopylen zum Rückzug nach Kleinasien gezwungen und dort 189 bei Magnesia am Sipylos entscheidend geschlagen. Die Ätoler hatten ihm keine wirksame Hilfe geleistet und schlössen 189 mit den Römern einen für sie relativ günstigen Frieden. Der Achäische Bund, Rhodos, Pergamon und sogar Makedonien hatten sich gleich auf die Seite Roms gestellt, andere griechische Staaten hielten sich heraus. So mußte sich Antiochos 188 zum Frieden von Apameia in Phrygien bequemen. Dadurch wurde er verpflichtet, sich aus dem größten Teil Kleinasiens zurückzuziehen, eine gewaltige Geldsumme zu zahlen, die Kriegsflotte auszuliefern und Geiseln zu stellen. Rom beanspruchte selbst keine der abgetretenen Territorien, sondern schlug sie seinen Verbündeten zu, in der Hauptsache Eumenes II. von Pergamon, der sein Herrschaftsgebiet enorm vergrößern konnte. Eumenes war es dann auch, der die Residenzstadt großartig ausbaute und als 105
Denkmal für Siege über die Galater den großen Zeus-Altar (jetzt in Berlin) errichten ließ. Philipp V. vermied Konflikte mit den Römern trotz deren oft unfreundlicher Haltung und festigte lieber seine Herrschaft in den nördlich angrenzenden Gebieten. Ob sein Sohn Perseus als Nachfolger (ab 179) ernsthaft wieder nach einer Machtposition im Süden strebte, wo die mit der römischen Herrschaft Unzufriedenen Hoffnungen auf ihn setzten, ist fraglich. In Rom aber sah man es so und wurde darin nicht zuletzt durch Eumenes von Pergamon bestärkt. 171 wurde Perseus in den 3. Makedonischen Krieg hineingezwungen und nach anfänglichen Erfolgen 168 bei Pydna völlig geschlagen. Er starb in römischer Gefangenschaft, Makedonien wurde in 4 getrennte Republiken aufgeteilt und mannigfachen Beschränkungen unterworfen. Nicht nur in der Härte gegen Makedonien markiert das Jahr 168 einen Wendepunkt in der römischen Ostpolitik. Über Epirus, das Perseus unterstützt hatte, erging ein brutales Strafgericht; angeblich wurden 70 Orte zerstört, 150 000 Menschen in die Sklaverei verkauft. In Griechenland kamen überall die Römerfreunde an die Macht. Gegner und Verdächtige wurden nach Italien deportiert, 1000 allein aus dem Achäischen Bund, wozu der spätere Historiker Polybios zählte. Rhodos hätten die Römer fast vernichtet, weil es gewagt hatte, für Frieden mit Perseus einzutreten. Sie begnügten sich aber damit, Lykien und Karien, die durch den Frieden von Apameia an Rhodos gefallen waren, für frei zu erklären. Die Errichtung eines Freihafens auf der Insel Delos, die wieder Athen unterstellt wurde, war nachteilig für die rhodische Wirtschaft. Delos wurde zu einem Zentrum des Sklavenhandels. Dieser wurde unter anderem aus dem nun überhandnehmenden Seeraub versorgt. Der Seeraub beeinträchtigte auch die Getreidezufuhr nach Griechenland. Sogar Eumenes hatte sich bei den Römern verdächtig gemacht und fiel für den Rest seiner Regierungszeit in Ungnade. Der Seleukide Antiochos IV., ebenfalls bisher in einem guten Verhältnis zu Rom, wurde 168 durch ein in arroganter Weise 106
durch einen römischen Gesandten übermitteltes Ultimatum gezwungen, sich aus Ägypten zurückzuziehen, das zu annektieren er sich im 6. Syrischen Krieg anschickte (170–168). Danach provozierte er durch den Versuch, Jerusalem zu hellenisieren, den Aufstand der religiös konservativen Juden unter Führung der Makkabäer. Die letzten 100 Jahre des Seleukidenreiches waren gekennzeichnet durch Thronstreitigkeiten (z. T. von Rom gefördert) und den Verlust von östlichen Gebieten an das sich ausdehnende Partherreich unter den Arsakidenkönigen, die immerhin den Griechen freundlich gesinnt waren. Das Ptolemäerreich, durch die römische Intervention von 168 gerettet, geriet gleichfalls in Kämpfe rivalisierender Angehöriger des Herrscherhauses und verfiel immer mehr. Die von Rom für Makedonien getroffene Regelung hielt nicht lange. Ein gewisser Andriskos gab sich als Sohn des Perseus mit Namen Philipp aus und erklärte sich 149 zum König. Schon im folgenden Jahr wurde seine Erhebung niedergeschlagen, Makedonien nun direkter römischer Verwaltung als Provinz unterstellt. Noch danach wagten es führende Politiker des Achäischen Bundes, sich gegen römische Bevormundung aufzulehnen; sie ging jetzt allerdings so weit, eine erhebliche Verkleinerung des Bundes zu fordern. Während Rom Sparta unterstützte, nahmen die Achäer ihren schon fast traditionellen Krieg gegen Sparta 146 wieder auf. Die römische Reaktion war schnell und durchgreifend. Korinth, die bedeutendste Stadt des Bundes, wurde zerstört, viele Kunstwerke nach Italien entführt, Griechenland weitgehend der Kontrolle des Statthalters von Makedonien unterstellt. Etliche Poleis blieben formal frei, darunter Athen, aber das bedeutete wenig gegenüber dem nun uneingeschränkten Vorrang Roms. Kurz darauf fiel den Römern auch die unmittelbare Herrschaft in einem großen Teil Westkleinasiens zu. Attalos III. von Pergamon, selbst schon wenig an der Verwaltung seines Reiches interessiert, übertrug es durch Testament den Römern (133). Sie hatten noch einige Jahre mit einem Thronprätendenten zu kämpfen, Aristonikos, der sich auf königliche Dienstleute und die Unterschichten einschließlich von Sklaven stützte. 107
Dann organisierten sie den größten Teil des Gebietes als Provinz Asia, anderes überließen sie Nachbarn. Die Steuereinziehung wurde an private Unternehmer (publicani) verpachtet – praktisch für den römischen Staat, aber mit größerer Belastung für die Provinzialbevölkerung. Im Kampf gegen Aristonikos hatte Rom die Unterstützung des Herrschers des nordkleinasiatischen Königreiches Pontos, Mithradates V., gehabt. Dessen Nachfolger hingegen, Mithradates VI. Eupator, wurde zu einem gefährlichen Gegner der römischen Herrschaft im Osten. Nachdem er sein Reich schon erheblich erweitert und auch das Bosporanische Reich auf der Krim und der Tamanhalbinsel angegliedert hatte, führte ihn sein Bestreben, die benachbarten Königreiche Kappadokien und Bithynien an sich zu bringen, zum Konflikt mit Rom. In den Jahren 95 und 92 mußte er noch zurückweichen, aber 89 griff er auf die Provinz über und wurde von vielen Griechen dort als Befreier begrüßt. Bereitwillig folgten sie 88 seiner Weisung, alle Italiker auf einen Schlag umzubringen (angeblich 80 000). Bis ins Mutterland hinein fand er Anhänger, sogar Athen schloß sich ihm an. Der römische Feldherr Lucius Cornelius Sulla schlug die Truppen des Mithradates in zwei Schlachten in Böotien und fügte Athen schwere Zerstörungen zu (86). Sein Friedensschluß mit Mithradates vom Jahre 85 blieb prekär. Die endgültige Auseinandersetzung (mit neuen Belastungen für die Griechen des Ostens) vollzog sich zwischen 74 und 63, auf römischer Seite zuletzt unter Führung des Gnaeus Pompeius. Als Sieger ordnete er in umfassender Weise die Herrschaft der Römer über Kleinasien und verwandelte auch den Restbestand des Seleukidenreiches in die römische Provinz Syrien. Auf griechischem Boden wurden dann die entscheidenden Schlachten der römischen Bürgerkriege geschlagen: 48 siegte Caesar bei Pharsalos in Thessalien über Pompeius, 42 Marcus Antonius bei Philippi in der nunmehrigen Provinz Makedonien über die Caesarmörder Brutus und Cassius, 31 Caesars Erbe Octavianus (bzw. sein Feldherr Marcus Agrippa) bei Actium an der Westküste Griechenlands über Antonius und Kleopatra 108
VII., die letzte Herrscherin aus der Dynastie der Ptolemäer. Mit ihr hatte Antonius eine nach römischem Recht ungültige Ehe geschlossen und begonnen, ein dynastisches Herrschaftssystem im griechischen Osten aufzubauen. Beide nahmen sich im Jahr nach der Schlacht von Actium das Leben, als Octavian schließlich in Ägypten gelandet war. Das reiche Land, das schon in hohem Maße von Rom abhängig geworden war, wurde nun dem römischen Reich einverleibt. Damit war die Geschichte der griechischen und hellenistischen Staatenwelt zu Ende. Die griechische Zivilisation jedoch bestand weiter, sogar die Polis-Institutionen bewiesen ihre Lebenskraft und breiteten sich im aufblühenden Kleinasien noch weiter aus. Ihre Darstellung gehört aber üblicherweise in den Rahmen der Geschichte der römischen Kaiserzeit.
Weiterführende Literatur Die Auswahl ist unter dem Gesichtspunkt getroffen, daß interessierte Leser nicht nur die wünschenswerten inhaltlichen Ergänzungen zu dem im vorliegenden Buch gegebenen knappen Abriß erhalten, sondern auch möglichst reichhaltige Hinweise auf einschlägige Quellen und Literatur finden. Austin, Michel und Vidal-Naquet, Pierre, Gesellschaft und Wirtschaft im alten Griechenland, München 1984 Bengtson, Hermann, Griechische Geschichte von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit, 5. Aufl., München 1977 (Handbuch der Altertumswissenschaft III4) Berve, Helmut, Die Tyrannis bei den Griechen, 2 Bde. München 1967 Bleicken, Jochen, Die athenische Demokratie, 2., völlig überarbeitete und wesentlich erweiterte Aufl., Paderborn 1994 Bleicken, Jochen, Die athenische Demokratie, 3. Aufl., Paderborn 1991 (UTB, Taschenbuch-Ausgabe ohne Forschungsteil der 1. Aufl. des vorigen Titels) Clauss, Manfred, Einführung in die Alte Geschichte, München 1993 Clauss, Manfred, Sparta. Eine Einführung in seine Geschichte und Zivilisation, München 1983 Dahlheim, Werner, Die griechisch-römische Antike, Bd. 1, Herrschaft und Freiheit: Die Geschichte der griechischen Stadtstaaten, Paderborn 1992 (UTB) Dahlheim, Werner, Die Antike. Griechenland und Rom von den Anfängen bis zur Expansion des Islam, Paderborn 1994 (im Teil Griechenland weitestgehend identisch mit dem vorigen) Davies, John K., Das klassische Griechenland und die Demokratie, 3. Aufl., München 1986 (dtv-Geschichte der Antike) Ehrenberg, Victor, Der Staat der Griechen, Zürich, Stuttgart 1965 Errington, Malcolm, Geschichte Makedoniens. Von den Anfängen bis zum Untergang des Königreiches, München 1986 Finley, M. I., Die frühe griechische Welt, München 1982 Finley, M. I., Das antike Sizilien. Von der Vorgeschichte bis zur arabischen Eroberung, München 1979 Gehrke, Hans-Joachim, Jenseits von Athen und Sparta. Das Dritte Griechenland und seine Staatenwelt, München 1986 Gehrke, Hans-Joachim, Geschichte des Hellenismus, München 1990 (Oldenbourg Grundriß der Geschichte Bd. 1 A) Gschnitzer, Fritz, Griechische Sozialgeschichte von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden 1981 Hiller, Stefan und Panagl, Oswald, Die frühgriechischen Texte aus mykenischer Zeit, 2. Aufl., Darmstadt 1986
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Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 1992 Lauffer, Siegfried, Alexander der Große, 3. Aufl., München 1993 Link, Stefan, Der Kosmos Sparta: Recht und Sitte in klassischer Zeit, Darmstadt 1994 Murray, Oswin, Das frühe Griechenland, 3. Aufl., München 1986 (dtvGeschichte der Antike) Rostovtzeff, Michael, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, 3 Bde. Stuttgart 1955/56, Nachdruck 1984 Schuller, Wolfgang, Einführung in die Geschichte des Altertums, Stuttgart 1994 (UTB) Schuller, Wolfgang, Griechische Geschichte, 3. Aufl., München 1991 (Oldenbourg Grundriß der Geschichte Bd. 1) Schuller, Wolfgang, Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund, Berlin 1974 Schuller, Wolfgang, Frauen in der griechischen Geschichte, Konstanz 1985 Walbank, Frank W, Die hellenistische Welt, 3. Aufl., München 1989 (dtvGeschichte der Antike) Weiler, Ingomar, Griechische Geschichte. Einführung, Quellenkunde, Bibliographie, 2. Aufl., Darmstadt 1988 Welwei, Karl-Wilhelm, Die griechische Polis. Verfassung und Gesellschaft in archaischer und klassischer Zeit, Stuttgart 1983 Welwei, Karl-Wilhelm, Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis, Darmstadt 1992 Will, Wolfgang, Alexander der Große, Stuttgart 1986 (Geschichte Makedoniens Bd. 2, Urban-Taschenbücher) Wirth, Gerhard, Philipp IL, Stuttgart 1985 (Geschichte Makedoniens Bd. 1, Urban-Taschenbücher)
Abbildungsnachweis Abb. 1, S. 22–23, aus: Oswin Murray, Das frühe Griechenland, S. 368f.; © Deutscher Taschenbuch Verlag, München. Abb. 2, S. 28, aus: Werner Dahlheim, Die Antike, S. 68, 3. Auflage 1994; © Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn. Abb. 3, S. 92, aus: Lexikon der Antike, S. 327, 10. Auflage 1990; mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers, Professor Johannes Irmscher.
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Personenregister Agariste 39, 46 Agathokles 98, 102–103 Agesilaos 77 Agis IV. 102 Agrippa, M. Vipsanius 108 Aischines 87 Aischylos 66 Alexander I. von Makedonien 85 Alexander III. (der Große) 88– 97 Alexander IV. 96–97 Alexander I. der Molosser (Epirus) 84, 88,101 Alkaios 40 Alkibiades 71–74 Alyattes 40, 43 Amasis 44 Anakreon 44 Anaxilaos 64–65 Andriskos 107 Antalkidas 77 Antigonos Doson 103 Antigonos Gonatas 100, 102 Antigonos Monophthalmos 96–99 Antiochos III. 103–105 Antiochos IV. 106 Antiochos Hierax 102 Antipatros 94, 96–97 Antonius, M. 108 Aratos 101 Archelaos 85 Archidamos I. 69 Archidaraos III. 84 Areus 102 Aristagoras 49–50 Aristeides 51, 54 Aristodemos 64 Aristogeiton 46 Aristonikos 107–108 Aristophanes 67
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Aristoteles 24, 39, 81 Arrhidaios 89, 96–97 Artaphernes 48–49 Artaxerxes I. 55 Artaxerxes II. 76–77 Artaxerxes III. 87–88, 90 Attalos I. 102, 104 Attalos III. 107 Bakchylides 66 Bessos 91 Brasidas 71 Brutus, M. Iunius 108 Caesar, C. Iulius 108 Cassius, C. 108 Chadwick, John 8 Charmides 75 Charondas 43 Chremonides 102 Damarete 65 Dareios I. 46, 50–51 Dareios II. 72 Dareios III. 88, 90–91 Datis 50 Deinomenes 65 Demetrios von Phaleron 97– 98 Demetrios Poliorketes 97–99 Demokedes 44 Demokrit 67 Demosthenes (Stratege) 70, 72 Demosthenes (Redner) 87, 96 Diodor 57 Diodotos 102 Dion 83–84 Dionysios I. 82–83, 98 Dionysios II. 83–84 Drakon 41 Duketios 66
Epameinondas 79–80, 86 Ephialtes 56, 58–60 Epilykos 57 Eubulos 80, 93 Eumenes von Kardia 95–97 Eumenes I. von Pergamon 102 Eumenes II. 105–106 Eupalinos 44 Euripides 67, 85 Eurybiades 52 Evans, Arthur 9 Flamininus, T. Quinctius 104 Gelon 65–66, 82 Gorgias67 Gylippos 72 Hamilkar 65 Harmodios 46 Harpalos 93, 95 Hegesistratos 45 Hephaistion 95 Herodot30, 67 Hesiod 21, 24, 26, 30 Hieron 1.65–66 Hieron II. 103 Hieronymos 104 Hipparchos, Sohn des Charmos 51 Hipparchos, Sohn des Peisistratos 45–46 Hippias, Sohn des Peisistratos 45–46,48,50 Hippias von Elis 67 Hippokrates von Gela 65 Homer 18,21,26 Iason von Pherai 79 Ibykos 44 Inaros 57 Isagoras 46–47 Isokrates 87 Kallias 57 Kallikratidas 74
Kambyses 44 Kassandros 97–99 Kimon 54–57 Kleandros 65 Kleinias 71 Kleisthenes von Athen 46–48, 51, 59 Kleisthenes von Sikyon 39, 46 Kleombrotos 79 Kleomenes I. 46 Kleomenes III. 102 –103 Kleon 70–71 Kleopatra VII. 108–109 Kleophon 73 Konon 77 Krateros 93, 96–97 Kritias 75 Kroisos 43 Kylon 40, 46, 69 Kypselos 38 Kyros II., der Ältere 43 Kyros der Jüngere 73, 76 Leonidas 52–53 Leotychidas 53–54 Libys 76 Lygdamis44 Lykurgos (Athen 6. Jh.) 44 Lykurgos (Athen 4. Jh.) 93 Lykurgos (Sparta) 31 Lysander 74–77 Lysimachos 96–99, 105 Mardonios 50, 52 Maussolos 80 Megakles (7. Jh.) 40 Megakles (6. Jh.) 39, 44–46 Megakles (5. Jh.) 51 Melanchros 40 Memnon von Rhodos 90 Miltiades 50–51, 54 Minos 9 Mithradates V. 108 Mithradates VI. 108 Myrsilos 40
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Nabis 105 Nearchos 93 Nikias 70 – 72 Octavianus (Augustus) 108–109 Olympias 97 Orthagoras 39
Ptolemaios III. 102 Ptolemaios IV. 103 Ptolemaios V. 104 Ptolemaios Keraunos 99 Pyrrhos 99, 101, 103 Pythagoras 44, 64 Roxane 91, 96–97
Panaitios von Leontinoi 40 Pausanias (Regent) 52–55, 69 Pausanias (König) 76–77 Peisistratos 44–46 Periander 38–39 Perdikkas II. 68 Perdikkas III. 85 Perdikkas (Chiliarch) 96–97 Perikles 56–60, 68–69, 71 Perseus 106–107 Phalaris 40 Pharnabazos 72, 77 Pheidon von Argos 38 Philetairos 102 Philipp II. 85–89, 101 Philipp III. siehe Arrhidaios Philipp V. 103–106 Philokrates 87 Philopoimen 101 Pindar 66 Pittakos 40 Piaton 83–84 Pleistoanax 57–58 Plutarch 32, 34 Polybios 106 Polykrates 44 Polyperchon 97 Polyzalos 66 Pompeius, Cn. 108 Porös 93 Prodikos 67 Protagoras 67 Psammetichos 39 Ptolemaios I. 96–100 Ptolemaios II. 99, 102
Sandrokottos siehe Tschandragupta Sappho 40 Seleukosl. 97–99, 105 Seleukos II. 102 Simonides 66 Sokrates 67 Solon 41–45 Sophokles 67 Sulla, L. Cornelius 108 Telys 64 Terillos 65 Theagenes 39–40 Themistokles 50–52, 55 Theramenes 73–75 Theron von Akragas 65 Thrasybulos von Milet 39, 43 Thrasybulos von Steiria (Athen) 73, 75 Thrasybulos von Syrakus 66 Thukydides 27, 67, 69, 71 Timoleon 84 Tissaphernes 72–73 Tschandragupta 98 Tyrtaios 32, 34 Ventris, Michael 8 Xanthippos 51, 53, 59 Xenophon 67, 76 Xerxes 51 –52, 91 Zaleukos 43