Kommissar X - Heiß wie der Wind aus Yukatan von Brian Ford ISBN: 3-8328-1114-1
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Kommissar X - Heiß wie der Wind aus Yukatan von Brian Ford ISBN: 3-8328-1114-1
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Der Schuß war nicht zu hören. Die Kugel traf das rechte Vorderrad von Burke Biggers Cadillac, und sofort änderte sich das Fahrverhalten des weißen Wagens. Bigger, ein bekannter Geologe, international angesehen, riß erschrocken die Augen auf. Er hatte keine Ahnung, wieso sein Fahrzeug plötzlich verrückt spielte. Der Cadillac sank rechts vorne ein. Gleichzeitig war ein gewaltiger Zug in diese Richtung festzustellen. Bigger hatte das Lenkrad locker und unkonzentriert gehalten. Als es sich mit einem Ruck nach rechts drehte, packte er hastig zu und fing den Wagen auf diese Weise ab. Die Fahrgeschwindigkeit betrug etwa fünfzig Meilen in der Stunde. Also nicht ganz ungefährlich. Wenn der Wagen bei diesem Tempo in den Straßengraben kippte, gab es nicht nur blaue Flecken. Biggers Fuß wechselte vom Gaspedal zur Bremse. Verbissen kämpfte er mit dem Fahrzeug, das nicht auf der nächtlichen Straße bleiben wollte. Gegeneinschlag. Noch mehr Druck auf die Bremse. Die Pneus kreischten schrill. Der Cadillac schwänzelte hin und her. Er schlitterte gefährlich an den Straßenrand heran. Burke Bigger brach der kalte Schweiß aus allen Poren, als er den finsteren Straßengraben immer näher kommen sah. Sein Körper versteifte sich. Er preßte die Kiefer aufeinander, während er mit großen Augen auf die Katastrophe wartete. Doch er hatte Glück. Der Sturz in den Graben blieb ihm erspart. Wenige Zoll davor hielt der Cadillac wippend an. Burke Bigger stieß die Luft geräuschvoll aus. Das war knapp gewesen. Er schluckte und merkte, wie sein Herz aufgeregt gegen die Rippen trommelte. Mit zitternden Fingern löste er den Sicherheitsgurt, der sich automatisch aufrollte. Nervös wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Als er ausstieg, merkte er, daß seine Knie weich waren. Die Beine wollten ihn nicht so recht tragen. Das war der Schock. Bigger fuhr sich mit der Hand über die Augen. Er schaute sich um. Er befand sich in Nassau. Nur noch ein paar Meilen bis New York City. Die Straße führte an einer weiten Grünanlage vorbei. Schwarz, irgendwie unheimlich lag sie vor dem Geologen. Grillen zirpten monoton. Burke Bigger wischte sich die feuchten Handflächen an den Schenkeln trocken. Er schüttelte den Kopf. "Meine Güte, ein Reifenplatzer mitten in der Nacht. Das ist mir auch noch nie pas-siert." Weit und breit nichts. Kein Mensch. Kein Wagen. Kein Haus. Bigger ging um den Wagen herum, um sich den Schaden anzusehen. Das grelle Licht der Scheinwerfer blendete ihn kurz. Neben dem rechten Vorderrad ging er in die Hocke. Er tastete die platte Karkasse ab, und plötzlich zuckten seine Hände zurück, als hätte er eine heiße Herdplatte angefaßt. "Das ist ja...!", stieß er aufgeregt hervor. Noch einmal berührte er prüfend den Reifen. Nein, kein Irrtum war möglich. Was er mit den Fingern ertastet hatte, war tatsächlich - ein Einschußloch!
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Es war, als umschlösse eine Eishand sein Herz. Mit unstetem Blick drehte er sich um. Er starrte suchend in die Finsternis. Ein Schuß. Jemand hatte auf den Reifen geschossen. Das war ein Anschlag gewesen! Burke Bigger hatte das Gefühl, dicke Hagelschloßen würden über seinen Rücken rieseln. Mit einem Schlag war sein Mund wie ausgetrocknet. Er begriff, daß er hier auf der Straße wie auf einem Präsentierteller hockte. Deshalb spannte er die Muskeln und sprang hastig in die Schwärze des Straßengrabens. Geduckt verweilte er eine Weile, wo er gelandet war. Er lauschte. Da! War nicht eben ein schleifendes Geräusch zu hören gewesen? Jemand stahl sich davon. Das konnte nur der Schütze sein. Burke Bigger richtete sich vorsichtig auf. Der Mann, mit dem er es hier zu tun hatte, besaß bestimmt ein Gewehr mit Nachtzieleinrichtung. Das Infrarotfernrohr ließ den Schützen weit mehr von der nächtlichen Umgebung erkennen als Bigger, der nur auf seine Augen angewiesen war. Bigger war kein Feigling. Es kam für ihn nicht in Frage, den Mann mit dem Gewehr einfach abhauen zu lassen. Seine Empörung trieb ihn aus dem Straßengraben. So einfach sollte es der Kerl nicht haben. Bigger wollte sich ihn greifen und ihm ein paar beinharte Fragen stellen. Ohne es an der nötigen Vorsicht fehlen zu lassen, tauchte Burke Bigger aus der Versenkung auf. Mit gekrümmtem Rücken rannte er in jene Richtung, aus der das schleifende Geräusch an sein Ohr gedrungen war. Er glaubte, die Umrisse eines Menschen zu sehen. Nur für einen Augenblick. Dann verschwand die Silhouette geisterhaft hinter wild wuchernden Haselnußsträuchern. Bigger lief schneller. Mit langen Sätzen hielt er auf die Sträucher zu. Er wußte, daß er dem Unbekannten gegenüber im Nachteil war, denn er war unbewaffnet. Aber er verließ sich auf seine gute Kondition und auf die ausgezeichneten Karatekenntnisse, mit denen er dem Schützen zu Leibe rücken wollte. Zwanzig Yards noch bis zu den Büschen. Bigger vernahm ein leises Geräusch. Da war soeben ein Wagenschlag geöffnet worden. Der Geologe lief darauf zu, so schnell er konnte. Er hörte, wie ein Anlasser mahlte. Gleich darauf brummte ein Motor, "Verdammt!", stieß Burke Bigger wütend hervor. Es wurde mit jeder Sekunde mehr zur Gewißheit, daß er den Unbekannten nicht stellen konnte. Dennoch gab der Geologe noch nicht auf. Er mobilisierte die letzten Kraftreserven und lief, als ginge es um sein Leben. Zehn Yards noch bis zu den Haselnußsträuchern. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Neun Yards... Biggers Gesicht war von der Anstrengung verzerrt. Er wollte nicht wahrhaben, daß er diesen Wettlauf nicht mehr gewinnen konnte. Keuchend übersprang er einen schmalen Unkrautstreifen. Acht Yards... Der Wagen schob sich an den Haselnußsträuchern vorbei. Es war ein 78er Buick, soviel Burke Bigger sehen konnte. Rot, mit einem schwarzen Kunstlederdach. Die Fahrzeugbeleuchtung war nicht eingeschaltet. Deshalb konnte Burke das polizeiliche Kennzeichen nicht sehen. Schaukelnd entfernte sich das Fahrzeug über einen schlechten Naturweg. Der Mann am Steuer war nicht zu erkennen. Und Bigger fehlten noch sieben Yards bis zu den Sträuchern. Mit einer Mordswut im Bauch blieb der Geologe stehen. Er resignierte. Es hatte keinen Sinn mehr, weiterzulaufen. Der Buick beschleunigte und verschwand sehr schnell in der Dunkelheit.
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Bigger rann der Schweiß in kleinen salzigen Bächen über das Gesicht. Er keuchte schwer, war ausgepumpt, erholte sich aber rasch wieder, machte zornig kehrt und stolperte zu seinem Wagen zurück. Ihm war klar, daß er die Sache nicht auf sich beruhen lassen durfte. Er mußte nach diesem heimtückischen Anschlag etwas unternehmen. Und er wußte auch schon, was...
* Das Telefon läutete. Der Privatdetektiv Jo Luis Walker drehte sich mit verdrossener Miene im Bett um. Er öffnete ein Auge und warf einen Blick auf den elektrischen Wecker. Es war ein Uhr. Eine barbarische Zeit für einen Anruf. Das Läuten wiederholte sich und rief in Jos Kopf einen dumpfen Schmerz hervor. Er setzte sich ächzend auf. "Das darf doch nicht wahr sein. Das kann sich doch nur um einen Irrtum handeln", maulte er. Mürrisch nahm er den Hörer aus der Gabel. "Walker" "Entschuldige die Störung, Jo. Ich weiß, daß auch ein Mann wie du seine acht Stunden Schlaf braucht, und ich würde deine nächtliche Ruhe nicht stören, wenn es nicht wirklich dringend wäre." Die Stimme kam Jo bekannt vor, aber er konnte sie im Augenblick nirgendwo unterbringen. "Darf ich vielleicht erfahren, mit wem ich das Vergnügen habe?", sagte Jo giftig. "Oh, wie konnte ich erwarten, daß du meine Stimme wiedererkennst. Hier spricht Burke. Burke Bigger." "Moment! War das soeben ein Hörfehler? Oder kam da wirklich der Name Bigger durch den Draht?" "Kein Hörfehler, Jo." "Also wenn das so ist, dann freue ich mich natürlich über diesen Anruf, Burke." Jo Walker und Burke Bigger waren in jüngeren Jahren unzertrennliche Freunde gewesen. Eines Tages hatte der Geologe einen Job in der Antarktis angenommen und war für vier Jahre aus Jos Leben verschwunden. Ab und zu hatte sich Bigger mit einem Brief oder mit einer Karte gemeldet, und wenn er seinen Urlaub in New York verbrachte, rief er bei Jo an. Jo hätte es ihm nicht verziehen, wenn er das nicht getan hätte. Die Jobs häuften sich für Jo und Burke. Selbst als Bigger wieder in New York wohnte, hatten die Freunde nicht mehr so viel Zeit wie früher füreinander. Der Beruf hatte Vorrang. Dennoch verloren sich die Freunde nicht ganz aus den Augen. Jo wußte, daß Bigger ein international anerkannter Geologe geworden war. Und Burke wußte, daß Walker zum bekanntesten Privatdetektiv der Ostküste avanciert war. Sie hatten es beide geschafft. Jeder auf seinem Gebiet. Und nun rief Burke Bigger mitten in der Nacht an, weil es angeblich dringend war. Das konnte nur bedeuten, daß Burke in der Klemme saß. Jo knipste die Nachttischlampe an und fragte: "Was hast du auf dem Herzen, Junge?" "Man hat auf mich geschossen." Jo stand auf. "Wann?" "Vor wenigen Minuten." "Wo?"
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Bigger sagte es ihm. Er fügte hinzu: "Jo, ist es unverschämt, wenn ich dich bitte, hierher zu kommen? Ich möchte, daß du dir an Ort und Stelle ein Bild von dem Vorfall machst." "Ich komme", sagte Kommissar X und ließ den Hörer in die Gabel klappern. Er schlüpfte aus dem Pyjama, zog sich an, holte die Wagenschlüssel und verließ sein Büro-Apartment. Der Fahrstuhl brachte ihn von der 14. Etage im Expreßtempo zur Tiefgarage hinunter. Augenblicke später saß er in seinem silberfarbenen Mercedes 450 SEL. Der Exote rollte auf die Auffahrt zu und bog gleich darauf in die 7th Avenue ein. Nachts war es noch ein Vergnügen, durch New York zu fahren. Kaum Verkehr. Nur ein paar Nachtschwärmer, deretwegen Jo die Fahrgeschwindigkeit jedoch nicht drosseln mußte. Als er am Tatort eintraf, war der kaputtgeschossene Reifen von Bigger bereits durch das Reserverad ersetzt worden. Der Pneu mit dem Loch lehnte am Cadillac, damit Jo ihn sich ansehen konnte. KX stieg aus seinem Mercedes und eilte auf den Freund zu. Bigger warf die Zigarette, von der er noch einen letzten Zug nahm, auf den Boden und trat sie aus. Dann reichte er Jo die Hand und drückte fest zu. "Du mußt geflogen sein." Jo lächelte. "Alle Verkehrsampeln waren auf meiner Seite." Er betrachtete Bigger kurz. Der Freund hatte sich kaum verändert. Sein Gesicht war sonnengebräunt. Die Lachfalten hatten sich etwas mehr vertieft, und vielleicht hatten seine Augen auch etwas von ihrem jugendlichen Glanz verloren. Daran konnte aber auch das Erlebnis schuld sein, das Burke gehabt hatte. "Danke, daß du so schnell gekommen bist, Jo." "War doch selbstverständlich." Bigger zeigte Jo den kaputtgeschossenen Reifen. Jo meinte: "Am Telefon sagtest du, auf dich sei geschossen worden." "Ich war noch ganz durcheinander", erwiderte Bigger. Er hatte sich mit KX über das Autotelefon in Verbindung gesetzt. Jo erfuhr von ihm nun die Einzelheiten des Anschlags. Auch, daß es dem unbekannten Schützen gelungen war, in einem roten 78er Buick mit schwarzem Kunstlederdach zu entkommen. "Kennzeichen?", fragte Jo. Bigger hob bedauernd die Schultern. Jo winkte ab und meinte, das wäre nicht so wichtig. Und dann stellte er eine Frage, die eigentlich nicht hierher paßte, die ihn aber interessierte: "Du bist seit einem Jahr verheiratet. Ist es eine gute Ehe?" "Lea ist ein Glücksfall. Ich hoffe, du lernst sie bald mal kennen. Ich habe ihr viel von dir erzählt. Sie kennt dich fast so gut wie mich." "Pack den Pneu an", sagte Jo. Burke Bigger verstaute den kaputten Reifen im Kofferraum. Jo blickte zu den Haselnußsträuchern hinüber. "Bin gleich wieder da", sagte er und sah sich die Sträucher aus der Nähe an. Mit seiner kleinen Kugelschreiberstablampe suchte er den verfilzten Boden ab, doch er fand nichts, womit sich etwas hätte anfangen lassen. Als er zu Bigger zurückkehrte, sagte er: "In einem solchen Fall ist es üblich, daß der Detektiv eine Menge Fragen stellt, Burke. Du willst doch, daß ich mich um die Sache kümmere." "Ja. Ja, natürlich, Jo." "Woher kommst du?" "Ich hatte eine geschäftliche Besprechung in Suffolk." "Bis in die Nacht hinein?" "Es gab da ein paar Dinge, über die wir uns nicht einig werden konnten." "Wer wußte, daß du hier vorbeikommen würdest?", wollte Jo wissen. Copyright 2001 by readersplanet
"Keine Ahnung." "Du weißt auch nicht, aus welchem Grund auf deinen Wagen geschossen wurde?" "Doch, Jo. Ich glaube, ich kenne den Grund." KX staunte. "Hör mal, Burke, warum suchen wir uns nicht eine nette Bar und unterhalten uns darüber bei einem Drink weiter?" Bigger zog die Mundwinkel nach unten. "Die Bars, die um diese Zeit noch auf haben, sind nichts für mich, Jo. Den Drink können wir auch bei mir zu Hause haben. Wenn wir Glück haben, ist Lea noch nicht zu Bett gegangen. Dann kann ich sie dir vorstellen. Was hältst du von meinem Vorschlag?" "Einverstanden. Fahr voraus", sagte Jo und setzte sich in den Mercedes. Bigger wohnte in einer noblen Gegend von Brooklyn. In seinem supermodernen Bungalow brannte noch Licht. Er lenkte den Cadillac in die Garage. Jo stoppte seinen Wagen davor. Bigger kam aus der Garage. Er schloß die Tür und sagte zu Jo: "Wenn ich dich bitten darf kein Wort von dem, was passiert ist, zu Lea." "Okay." "Ich möchte nicht, daß sie sich deswegen zu Tode erschreckt. Es ist ja nichts passiert." "Fast nichts", schränkte Jo ein. "Ja", sagte Bigger. "Du liebst Lea sehr, was?" "Mehr als mein Leben. Ich glaube, ich könnte ohne sie nicht mehr existieren. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich so lange ohne sie zurechtkommen konnte. Du bist immer noch zu haben, wie?" Jo grinste. "Es gibt so viele hübsche Mädchen. Ich kann mich für keines entscheiden." "Der typische Junggeselle. Aber warte nur, eines Tages kann auch für dich die Richtige kommen." Jo zuckte mit den Schultern. "Ich hab's nicht eilig. Du kennst meinen Job. Ich lebe hin und wieder verdammt gefährlich. Es wäre einer Frau gegenüber nicht fair, ihr ständig diese Sorgen aufzubürden." Die Bungalowtür öffnete sich, und im hellen Licht erschien eine junge Frau. Sie war blond, hatte eine makellose Figur, und ihr Anblick ließ bestimmt vielen Männern die Knochen im Leib schmelzen. Die Frau trug einen hautengen Hosenanzug. Sie musterte Jo aufmerksam mit ihren großen, schräggestellten, meergrünen Augen. Ihrem Mann machte sie keinerlei Vorwürfe, daß er so spät noch einen Gast mitbrachte, sondern reichte KX die Hand und sagte: "Freut mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen, Mr. Walker". Jo staunte. Burke Bigger lachte. "Sie hat eine Menge Fotos von dir gesehen. Komm rein, Jo. Lea, bist du so nett und machst du uns zwei schöne Drinks?" Jo betrat das Haus. Es war teuer und gediegen eingerichtet. Im Living-room lag ein dicker Astrachanteppich, der weich wie eine Daunendecke war. Jo mußte in einem Büffelledersessel Platz nehmen. Jo stellte fest, daß Burke eine Menge Geld besitzen müsse. Darauf antwortete Bigger: "Ein bißchen was hat Lea mit in die Ehe gebracht. Was natürlich nicht heißen soll, daß ich sie wegen des Geldes geheiratet habe." Die junge Frau brachte ihnen die Drinks, und Burke Bigger gab ihr zu verstehen, daß er mit Jo nun allein sein wollte. Lea Bigger nickte, reichte Jo zum Abschied ihre schlanke Hand, äußerte den Wunsch, ihn bald wieder begrüßen zu dürfen und zog sich anschließend zurück. "So", sagte Jo neugierig, nachdem sich die Tür hinter der jungen Frau geschlossen hatte. "Und nun sag mir den Grund, weshalb auf dein Vorderrad geschossen wurde, Burke." Copyright 2001 by readersplanet
Der Geologe erhob sich. Er drehte sein Glas zwischen den Handflächen, ging auf und ab. Mit ernster Miene sagte er: "Seit geraumer Zeit führt jemand einen Nervenkrieg gegen mich, Jo." "Wer?" "Das weiß ich nicht. Es gab bisher einige Anrufe. Zumeist nachts. Man hat mir mit allem möglichen gedroht. Man hat mich beschimpft. Der Schuß in den Reifen ist der bisherige Höhepunkt..." "Und warum das alles?", wollte Kommissar X wissen. "Auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan soll ein Kraftwerk errichtet werden. Man hat mich und mein Team beauftragt, zu prüfen, ob die geologischen Voraussetzungen dafür gegeben sind." "Einige Leute sind gegen dieses Projekt, hab' ich recht?" Bigger schaute Jo erstaunt an. "Woher weißt du...?" "Es gibt immer und überall ein paar Querköpfe, die aus diesem und jenem Grund gegen eine gute Sache sind. Kennst du ein paar Namen?" "Da ist vor allem Manolete Cortez..." "Was hat der gegen das Projekt einzuwenden?" "Er ist dort ein bekannter Großgrundbesitzer. Er müßte ein riesiges Stück Land hergeben, damit das Kraftwerkprojekt realisiert werden kann." "Und das gefällt ihm nicht." "Ganz und gar nicht", sagte Bigger. "Aber man würde von oben Druck auf ihn ausüben, damit er sich von seinem Land trennt." "Es hängt also von deinem Gutachten ab, ob das Kraftwerk gebaut wird oder nicht", sagte Jo. "So ist es", bestätigte Bigger. "Seit ich an meinem Gutachten arbeite, habe ich kein ruhiges Leben mehr. Man hat mir auch anonym Geld angeboten, wenn ich das Gutachten fälsche. Aber du kennst mich. Man kann mich nicht kaufen." "Das ist es, was mir so sehr an dir gefällt", sagte Jo. "Wann ist das Gutachten fertig?" "Ich habe meine Arbeit vorgestern abgeschlossen." "Und?" "Ich habe keinerlei Bedenken. Das Land, das ich untersucht habe, ist für das Projekt bestens geeignet. Ich werde übermorgen nach Yukatan fliegen und dieses Ergebnis im Fernsehen bekanntgeben." "Das wird eine üble Sache für Manolete Cortez sein." "Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen", sagte Bigger hart. Das Telefon schlug an. Burke Bigger zuckte zusammen. Er blickte Jo an. "Da ist einer noch unverfrorener, als ich es gewesen bin." Er ging an den Apparat und meldete sich: "Bigger..." Gleich darauf wurde sein scharf geschnittenes Gesicht blaß. Jo stellte gespannt sein Glas weg. Bigger hörte sich an, was der Anrufer ihm sagte. Es konnte nichts Erfreuliches sein. Plötzlich platzte es aus ihm heraus: "Jetzt hören Sie mir einmal genau zu, Sie verdammter...Hallo! Hallo! Zum Teufel!" Burke Bigger starrte den Hörer wutentbrannt an. "Der Kerl hat einfach aufgelegt!" Jo erhob sich. "Wer war es, Burke?" "Das muß der Kerl gewesen sein, der auf meinen Reifen geballert hat." Bigger legte den Hörer in die Gabel. "Was hat er gesagt?", wollte Jo wissen. "Er sagte, dies sei die letzte Warnung gewesen. Beim nächsten Mal würde er nicht mehr auf meinen Autoreifen, sondern auf meinen Kopf zielen. Ich solle es mir noch einmal reiflich überlegen, mit was für einem Gutachten ich nach Mexiko kommen wolle." Copyright 2001 by readersplanet
* Sie schwiegen eine Weile. Schließlich sagte Burke Bigger, während er KX fest in die Augen blickte: "Jo, ich weiß, du bist Privatdetektiv und kein Leibwächter. Ich bitte dich trotzdem, mit mir nach Yukatan zu fliegen. Mein Gefühl sagt mir, daß ich da eine Menge Ärger haben werde, mit dem ich allein nicht fertigwerden kann. Deine Anwesenheit wäre für mich eine große Beruhigung. Wer weiß, vielleicht schaffst du es sogar, dem Mann, der mich fertigmachen will, das Handwerk zu legen." Jo nickte. "Gut, Burke. Ich komme mit." "Ich danke dir, Jo." "Wenn ich einem Freund eine solche Bitte abschlagen würde, müßte ich mich vor mir selbst schämen." "Wir bleiben in Verbindung, nicht wahr?" "Versteht sich", gab Jo zurück. "Ich bezahle dich wie jeder andere Klient. Schließlich kann ich von dir nicht verlangen, daß du deinen Hals für nichts riskierst." "So schlimm wird's hoffentlich nicht werden." Bigger hob die Augenbrauen. "Wer kann das heute schon sagen?" Jo schlug dem Freund auf die Schulter, wünschte ihm eine gute Nacht und verließ den Bungalow. Er lenkte den Wagen vom Grundstück. Burke Bigger blieb so lange vor der Tür stehen, bis der Mercedes aus seinem Blickfeld verschwunden war, dann kehrte er in sein Haus zurück. Jo wollte gerade in den nächsthöheren Gang schalten, da machte er eine Entdeckung, die ihn elektrisierte: er sah einen roten 78er Buick mit schwarzem Kunstlederdach. Das war bestimmt kein Zufall!
* In dem Wagen saß ein Mann. Jo sah kurz sein Gesicht. Es war breit und zeigte gemeine Züge mit böse funkelnden Augen. Der Mann trug sein fettiges schwarzes Haar links gescheitelt, und über seine Stirn verlief schräg eine rote, wulstige Narbe. Das linke Ohr fehlte. In diesem Augenblick beschleunigte das rote Fahrzeug. Der Buick raste mit aufheulendem Motor die Straße entlang. Erst nach einigen hundert Yards schaltete der Fahrer, bei dem es sich offensichtlich um einen Mexikaner handelte, die Wagenbeleuchtung ein. Jo ließ sich die Chance nicht entgehen, sich den Burschen zu greifen. Auch er gab Gas und nahm die Verfolgung des Buick umgehend auf. Die Fahrt ging durch Brooklyn und über die Verrazano-Narrows Bridge nach Staten Island. Der Buick schwänzelte durch Arrochar und Grasmere. Jo blieb ihm dicht auf den Heckleuchten. Der Mann im roten Wagen konnte anstellen, was er wollte, es gelang ihm nicht, Jo loszuwerden. Die Tricks, mit denen er KX abhängen wollte, waren zwar gut, aber nicht gut genug für einen Fuchs wie Jo. Die Fahrt ging durch finstere Nebenstraßen. Der Mexikaner scheute sich auch nicht, in verkehrter Richtung durch deutlich gekennzeichnete Einbahnen zu rasen. Jo blieb auch dann am Ball. Sunny Side. Dahinter kam der Clove Lakes Park. Bäume. Büsche. Ein kleiner See. Asphaltierte Spazierwege. Allgemeines Fahrverbot. Doch darum kümmerte sich der Copyright 2001 by readersplanet
Mexikaner nicht. Er preschte mitten in den finsteren Park hinein, und stoppte den Buick vor einem kleinen Birkenhain. Jo sah die Bremslichter des Fahrzeugs kurz aufleuchten und hielt sofort an. Während er aus dem SEL sprang, zog er die 38er Automatic aus der Schulterhalfter. Mit angespannten Zügen lief er auf den Buick zu. Eine Pappelreihe diente ihm als Deckung. Er lief von einem Baum zum nächsten, verharrte immer wieder einen kurzen Moment, lauschte, rannte weiter. Und dann war er beim Buick. Mit schußbereiter Waffe trat er hinter der letzten Deckung hervor. Der Wagen war leer. Die Tür auf der Fahrerseite stand offen. Der Mexikaner hatte sich abgesetzt. Vermutlich hatte sich der Bursche im Birkenhain verkrochen. Jo suchte den Mann. Lautlos schlich er zwischen den weißen Stämmen hindurch. Plötzlich krachte ein Schuß. Gleichzeitig blähte eine Feuerblume auf. Jo ließ sich fallen und hielt auf den Mündungsblitz. Er zog den Stecher durch. Der Rückschlag warf seine Schußhand hoch. Er rollte sich zur Seite. Hätte er es eine Sekunde später getan, wäre er ein toter Mann gewesen. Zwei Projektile pfiffen haarscharf an ihm vorbei und bohrten sich neben ihm in den Boden. Jo sprang auf. Er gab keinen weiteren Schuß ab, wollte an den Schützen erst einmal näher herankommen. Mit katzenhafter Geschmeidigkeit eilte Kommissar X durch den Hain. Ein Schatten zwischen zwei Birken! Jo legte an. "Stop!" rief er. Der Kerl war sofort wieder weg. Zwei ungezielte Schüsse trieben Jo zurück. KX wechselte die Position. Und dann herrschte mit einem Mal Stille. Jo gefiel das nicht. Gespannt richtete er sich auf. Er traute dem Frieden nicht. Nach wie vor hielt er die Automatic schußbereit in der Hand. Er horchte angestrengt in die Dunkelheit hinein. Nichts. Vorsichtig tastete er sich durch den Hain. Der Bursche, der ihm gerade noch ein heißes Feuergefecht geliefert hatte, schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Jo suchte ihn zwanzig Minuten lang. Dann stand es fest: dem Mexikaner war es gelungen, sich unbemerkt abzusetzen. Enttäuscht schob KX seine Kanone in die Schulterhalfter und kehrte zu seinem Wagen zurück.
* Der Rest der Nacht war schnell vorbei. Jo stieg unausgeschlafen aus dem Bett, setzte Kaffeewasser auf, schlurfte ins Bad und stellte sich zehn Minuten lang unter die eiskalte Dusche. Das belebte seine Lebensgeister. Nachdem er rasiert und angekleidet war, frühstückte er ausgiebig. Kurz darauf kam seine Mitarbeiterin April Bondy. Frisch wie ein Sommerwind wehte sie zur Tür herein. Ausgeruht und mit wippenden Locken, ein strahlendes Lächeln auf den roten Lippen. "Du siehst aus, als wäre der Steuerprüfer dagewesen", bemerkte sie. "Hast du schlecht geschlafen?" "Schlecht nicht, aber auf Raten", gab Jo zurück. Die Detektiv-Volontärin wurde sofort ernst. "Was ist passiert?", fragte sie. Jo erzählte es ihr.
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Sie ließ ihn mit der Morgenzeitung allein. Eine Stunde später betrat sie sein Allerheiligstes wieder und meinte: "Ich freu' mich schon auf Yukatan." Jo blickte sie groß an. "Du?" "Du nimmst mich doch mit, oder?" "Davon war nie die Rede." "Das kannst du mir doch nicht antun, Jo. Mein Platz ist an deiner Seite." Jo grinste. "Das hört sich an, als wären wir ein Ehepaar. Ich kann dich nicht mitnehmen, April. Das geht nicht." "Warum denn nicht?" "Sieh mal, einer muß doch hier die Stellung halten." "Kann das denn nicht Wilkie Lenning tun?", fragte April Bondy enttäuscht. "Du weißt, daß der Junge im Moment andere Sorgen hat. Er hat sich vorgenommen, dieses süchtige Mädchen auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Ein hartes Stück Arbeit." "Lohnt sich das denn?" Jo blickte seine Mitarbeiterin ernst an. "Es lohnt sich immer, einem Menschen zu helfen, April." "So habe ich das nicht gemeint. Ich wollte sagen, wenn das Mädchen wieder rückfällig wird, war Wilkies ganzer Eifer vergebens." "Dann hatte die Kleine wenigstens ihre Chance, die ihr außer Wilkie keiner mehr geben wollte", erwiderte Jo. Er bat seine Sekretärin, ihn mit Captain Tom Rowland zu verbinden. Kurz darauf hatte er den Leiter der Mordkommission Manhattan C/II an der Strippe. "Captain Rowland!" röhrte Tom, mit dem Jo eine seit langem bestehende, wetterfeste Freundschaft verband. "Hallo, Tom. Hier ist Jo." "Wie geht's, Gangsterschreck?" "Ausgezeichnet. Und dir?" "Immer Ärger mit den Kollegen. Die Jungs machen mich noch mal wahnsinnig. Weshalb rufst du an? Hast du mal wieder Karten fürs Boxen ergattert?" "Ich brauche eine schnelle Auskunft, Tom." "Fast hab' ich's mir gedacht. In letzter Zeit meldest du dich ja nur noch, wenn du was von mir brauchst." "Das ist nicht wahr, Tom. Denk an den Samstag vor drei Wochen..." "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Na schön, was kann ich für dich tun?" "Ich möchte, daß du für mich ermittelst, wem das Fahrzeug mit folgendem polizeilichem Kennzeichen gehört", sagte Jo und nannte die Nummer. "Weißt du, daß ich mich manchmal frage, für wen ich nun eigentlich arbeite - für dich oder für die Bürger dieser Stadt." "Bin ich nicht auch ein Bürger dieser Stadt?", sagte Jo schmunzelnd. "Okay, okay. Ich rufe zurück, sobald ich weiß, wem der fahrbare Untersatz gehört." "Du bist mit Gold nicht aufzuwiegen", sagte Jo und legte auf. Dreizehn Minuten später meldete sich Rowland wieder. " 78er Buick. Farbe rot. Mit schwarzem Kunstlederdach." "Stimmt genau", sagte Jo. "Gehört einem gewissen George Moss. Hautfarbe weiß. Fünfundfünfzig Jahre alt. Apotheker. Wohnhaft in Queens. Astoria Boulevard 1912." "Heute übertriffst du dich mit deiner Gründlichkeit mal wieder selbst", sagte Jo. Copyright 2001 by readersplanet
"Der Wagen wurde vorgestern als gestohlen gemeldet. Darf ich fragen, warum du dich dafür interessierst?" "Tut mir leid, Tom, aber das fällt unter mein Berufsgeheimnis." "Also, da hört sich doch wirklich alles auf!", polterte Rowland. "Dafür kriegst du von mir eine Ansichtskarte von Yukatan." "Da sieht man's wieder mal. Ihr Privatdetektive seid doch die größten Tagediebe, die es gibt. Von ernsthafter, seriöser Arbeit haltet ihr Burschen nicht viel, was?" "Wir arbeiten hin und wieder rund um die Uhr." "Ja, vielleicht einmal im Jahr. Bei uns hingegen passiert das fast täglich." Jo lachte. "Tja, wenn du in der Schule besser aufgepaßt hättest, hättest du auch Privatdetektiv werden können, Tom." "Du wag dich mal wieder unter meine Augen, dann kannst du was erleben", donnerte der Captain am anderen Ende der Leitung, bevor er auflegte. Jo bat April, für ihn alles zusammenzutragen, was man aus der Entfernung über Manolete Cortez in Erfahrung bringen konnte. Am frühen Nachmittag legte ihm das blonde Mädchen die Facts vor. "Cortez ist auf der Halbinsel so etwas wie ein kleiner König. Manchen Politikern wurde er in letzter Zeit ein bißchen zu groß", erläuterte April. "Deshalb versucht man, ihn zurückzustutzen, wo es möglich ist." "Verheiratet? Kinder?" fragte Jo. "Weder noch. Cortez ist ein rauher Geschäftsmann. Stets auf seinen Vorteil bedacht." "Warum hängt er so sehr an dem Land, das er an die Regierung verkaufen soll?" "Er ist darauf groß geworden. Dieses Land erinnert ihn an seine Jugend. Er will nicht, daß es unter Wasser gesetzt wird." "Sentimentalität?", fragte Jo verwundert. "Bei einem solchen Mann?" "Irgendwo hat eben auch ein Manolete Cortez seinen schwachen Punkt. Man sagt ihm nach, daß seine Gangart nicht immer sauber ist, wenn es ihm darum geht, ein Geschäft für sich an Land zu ziehen. Er handelt mit Agrargütern, landwirtschaftlichen Maschinen und - das kann man ihm aber nicht nachweisen - mit Waffen. Nach außen hin trägt er eine lupenreine Weste. Dennoch scheint sicher zu sein, daß er Kontakte zur internationalen Unterwelt unterhält." Das war eine ganze Menge, was April Bondy in dieser kurzen Zeit über Cortez herausbekommen hatte. Jo sparte nicht mit Lob. Nun wußte er über den Mann, der gegen das Kraftwerkprojekt war, einigermaßen Bescheid. Ob er auch hinter dem Anschlag von der vergangenen Nacht steckte? Es würde sich früher oder später herausstellen. Gegen Abend telefonierte Jo mit Burke Bigger. Es war nichts mehr vorgefallen. "Morgen", sagte Bigger ernst, "geht es also nach Yukatan. Man erwartet mich da bereits ungeduldig." "Hast du an deinem Gutachten irgend etwas geändert?" "Nicht ein Komma", sagte Bigger hart. "Dann wird man dafür sorgen, daß es uns auf Yukatan nicht langweilig wird." "Damit ist zu rechnen", sagte Bigger. Er gab Jo die genaue Abflugzeit bekannt und bat ihn überflüssigerweise, pünktlich zu sein. Am nächsten Morgen brachte April Bondy ihren Chef zum Kennedy Airport. Biggers Privatflugzeug war bereits startklar gemacht worden. Der Geologe flog die Maschine selbst. Es handelte sich um eine Cessna Citation 500, die mit zwei Mantelstromtriebwerken von Pratt & Whitney ausgestattet war. Bigger begrüßte Jo in der Flughäfenhalle.
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KX stellte dem Freund seine Sekretärin vor. Bigger sagte erstaunt: "Donnerwetter, mit Ihrem Aussehen hätten Sie's aber wirklich nicht nötig, für Jo den Vorzimmerdrachen zu spielen. Warum sind Sie nicht zum Film gegangen?" "Diese Frage habe ich mir inzwischen auch schon öfter gestellt, Mr. Bigger", sagte April mit einem kurzen Seitenblick auf Jo. Lea Bigger kam. Sie hatte sich für die Reise noch schnell einige Bubble Gums gekauft. Jo machte die beiden Frauen miteinander bekannt. Anschließend stellte Burke Bigger ihnen die Mitglieder seines Teams vor. Da war Rennie Kelly, ein rothaariger Mann mit unzähligen Sommersprossen. Lang wie ein Baum. Seine Schultern hingen nach vorn. Dadurch sah es so aus, als wäre sein Brustkorb eingesunken. Das zweite Teammitglied war Elliot Shuman. Brillenträger. Schwammig. Mit gutmütigen Augen, Kraushaar und wulstigen Lippen, die stets feucht glänzten, da es zu Shumans Angewohnheiten gehörte, sich die Lippen ständig mit der Zunge zu befeuchten. Das einzige weibliche Mitglied des Teams war Mabel Bond. Jung. Süß. Mit unwahrscheinlich langen Beinen und einem Blick, der den Männern unter die Haut ging. Ihr Haar war pechschwarz und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Augen waren rehbraun und mit großem Interesse auf Jo Walker gerichtet. Das fiel April Bondy natürlich sofort auf. Als KX sich von ihr verabschiedete, raunte sie ihm zu: "Diese Mabel Bond ist geradezu unverschämt hübsch, Jo." Jo tätschelte die Wange seiner Mitarbeiterin. "Du bist genauso hübsch." "Laß dich von mir mit der nicht erwischen, sonst kannst du was erleben." Jo grinste. "Ich werd's mir merken." Er drückte April einen Kuß auf die Stirn und verließ dann mit den andern das Flughafengebäude.
* Als sie Yukatan erreichten, lag eine Hitzewelle über der Halbinsel. Während des Fluges hatte Mabel Bond neben Jo gesessen. Sie hatten viel Zeit gehabt, sich zu unterhalten. Nun kannte Jo den Lebenslauf der braunäugigen Katze und wußte bis ins Detail, wie sie zu Burke Bigger gestoßen war. Mabel war ein offenes Mädchen. Sie machte kein Hehl daraus, daß Jo ihr gefiel. Natürlich schmeichelte ihm das, und er erwiderte, daß auch er sie sehr attraktiv finde. Als der Flug zu Ende war, siezten sie sich zwar immer noch, aber sie sprachen sich bereits mit dem Vornamen an, und es lag noch mehr in der Luft... Burke Bigger setzte die Citation 500 sicher auf der Landepiste auf. Der Umkehrschub fing die Maschine ab. Sie rollte langsam aus. Der Lärm der Düsen erstarb. Jo sah einen wilden Reporterhaufen, der von den Polizeibeamten kaum noch zurückgehalten werden konnte. Sie schossen Bilder von der Cessna und konnten es kaum mehr erwarten, ihre Fragen auf Burke Bigger abzuschießen. Ein Mann löste sich aus der Menge. Mit Erlaubnis der Polizisten. Er war kräftig und breitschultrig, war muskulös. Sein Nacken war so breit wie der eines Stiers. Mit gesenktem Kopf kam er angeschnaubt. Sein Haar war dunkel, aber er war kein Mexikaner. Er trug ein weißes Hemd und weiße Jeans. Seine Füße steckten in weißen Leinenschuhen. Jo wies auf ihn und fragte Mabe1: "Wer ist das?" "Das ist Clint Oliver." "Sagt mir gar nichts." Copyright 2001 by readersplanet
"Der Manager des Kraftwerkprojekts. Netter Kerl", sagte Mabel. "Ein :Mann, der sich in seine Arbeit so richtig verbeißen kann. "So sieht er aus", meinte Jo. Sie stiegen aus. Clint Oliver begrüßte Lea und Burke Bigger mit großer Herzlichkeit. Anschließend drückte er den Mitgliedern des Geologenteams die Hand. Er kannte sie alle. Als er Jo erreichte, stutzte er. "Das ist Jo Walker aus New York", sagte Bigger. "Ein guter Freund von mir." "Angenehm, Mr. Walker", sagte Oliver und schüttelte Jo genauso herzlich die Hand wie vorhin Burke. "Sind Sie auch Geologe?" "Jo ist Privatdetektiv", antwortete Bigger. Clint Oliver nickte. "Verstehe." "Neuigkeiten?", erkundigte sich Bigger. "Zum Glück nein. Wie fühlen Sie sich, Burke?" "Großartig. Einfach großartig." "Glauben Sie, daß Sie der Reportermeute gewachsen sein werden?" "Ich habe keine Angst vor denen", sagte Bigger lachend. "Die Jungs tun mir im Grunde genommen leid." "Wieso?", fragte Oliver. "Sie werden nichts erfahren", erwiderte Burke Bigger. Clint Oliver wandte sich um und gab den Polizisten ein Zeichen, worauf sich die Schleuse öffnete und die drängenden Reporter durchließ. "Vorsicht!", rief Burke Bigger seinen Leuten amüsiert zu. "Paßt auf, daß sie euch nicht niedertrampeln." Und dann waren sie da. Gut und schlecht gekleidete Männer. Bunt gemischt. Auch ein paar Mädchen waren dabei. Mit Notizblock. Mit Magnetophon. Mit Fotoapparat. Mikrophone wurden dem Geologen unter die Nase gehalten. Er wurde mit Fragen überschüttet. Aus dem Stimmengewirr war kaum etwas herauszuhören. Burke Bigger blieb locker und gelassen. Er war völlig Herr der Lage. Er hatte seinen Arm um die Mitte seiner Frau gelegt, strahlte in die Fotolinsen und war zu allen Leuten freundlich. "Wie war der Flug, Mr. Bigger?" "Phantastisch", antwortete der Geologe. "Warum haben Sie Ihre Frau mitgebracht?" "Nun, es war noch Platz in der Maschine, und ich sah nicht ein, weshalb ich Lea zu Hause lassen sollte." "Haben Sie Ihr Gutachten abgeschlossen?" "Wäre ich sonst hier?" "Wie ist Ihre Arbeit ausgefallen." "Das werde ich übermorgen im Fernsehen bekanntgeben. Ich hoffe, daß Sie verstehen, daß ich dieser Sendung nicht vorgreifen möchte. Damit würde ich ihr die Würze nehmen." "Wir würden uns auch mit einer Andeutung begnügen, Mr. Bigger." "Tut mir leid, Herrschaften. Ich muß Sie bitten, meine Entscheidung zu respektieren." "Hat sich Senor Manolete Cortez mit Ihnen in Verbindung gesetzt?" Biggers Gesicht überzog sich für einen Augenblick mit einem düsteren Schatten. "Bis jetzt noch nicht", antwortete er mit einer Stimme, die ein wenig belegt war. "Wird er sein Land hergeben müssen?"
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"Das werden Sie übermorgen erfahren", sagte Bigger. Die Journalisten gaben sich jedoch nicht damit zufrieden. Sie versuchten dem Geologen rhetorische Fallen zu stellen, um doch noch etwas mehr aus ihm herauszukriegen. Aber Burke Bigger bewies, daß er nicht auf den Kopf gefallen war. Er beantwortete nur die unverfänglichen Fragen. Alle anderen überhörte er entweder geflissentlich, oder er gab darauf ausweichende bis nichtssagende Antworten. Jo Walker war während der ganzen Zeit in den Hintergrund gedrängt. Das machte ihm durchaus nichts aus. So konnte er sich das Geschnatter aus einer Distanz anhören, die dafür gerade richtig war. Seine Augen betrachteten die angespannten Gesichter der Reporter, die sich auf ihre Fragen konzentrierten und alles immer um eine Nuance besser als ihre Kollegen machen wollten. Weiter hinten fiel Jo noch ein Gesicht auf. Kaum hatte er es gesehen, zog sich auch schon seine Kopfhaut zusammen: es handelte sich um ein breites Antlitz mit gemeinen Zügen und böse funkelnden Augen. Das fettige schwarze Haar war links gescheitelt und glänzte in der Sonne. Über die Stirn verlief schräg eine rote, wulstige Narbe, und das linke Ohr fehlte. "So klein ist die Welt!", brummte Jo überrascht. Er hatte jenen Kerl vor sich, der in New York einen roten 78er Buick geklaut und auf Burke Biggers Vorderreifen geschossen hatte. Den Mexikaner, mit dem Jo im Cloves Lake Park eine Schießerei gehabt hatte. Der Mexikaner war wieder zu Hause - auf der Halbinsel Yukatan! Zwischen ihm und Jo befand sich die Journalistentraube. Jo begann sofort, sich durch die Menschenwand zu drängeln. Der Mexikaner schien genug gesehen zu haben. Er wandte sich ab und ging seiner Wege. Vielleicht hatte er auch mitgekriegt, daß Jo sich um ihn kümmern wollte. Ehe Kommissar X die Reportermenge durchstoßen hatte, verschwand der Kerl im Hangar für Privatflugzeuge. Er tauchte im schwarzen Schatten des riesigen Gebäudes ein und war nicht mehr zu sehen. Jo eilte dem Mann hinterher. In New York hatte der Bursche Glück gehabt und war ihm entwischt. Wenn sich das Glück diesmal auf Jos Seite schlug, würde er den Mann kriegen. Dann würde sich herausstellen, in wessen Auftrag der Bursche das alles machte. Jo erreichte den Hangar. Eine weiße Dassault-Breguet Falcon 50 spreizte vor ihm eindrucksvoll die Tragflächen. Dahinter stand eine Fokker F 27 Friendship 500. Und es gab noch einige leichte Reiseflugzeuge mehr. Aber Jo sah keinen Menschen im Hangar. Er ging in die Hocke und schaute unter den Maschinen hindurch. Nichts. Der Mexikaner schien sich zum zweitenmal seiner Gabe besonnen zu haben, sich in Luft auflösen zu können. Jo lauschte. Kein Geräusch hier drinnen. Es roch nach Treibstoff und Schmiermitteln. Vorsichtshalber angelte Kommissar X seine Automatic aus der Schulterhalfter. Sicher ist sicher, sagte er sich. Der Bursche hatte schon einmal auf ihn geschossen. Er könnte es wieder tun. Wenngleich es diesmal nicht ratsam gewesen wäre, denn draußen gab es eine Menge Polizisten, die sich sofort um den Schießer gekümmert hätten. Jo entsicherte seine Waffe. Vorsichtig schlich er unter der Falcon 50 durch. Seine Nerven waren angespannt. Er wartete auf ein Geräusch, das ihm die Position des Mexikaners verriet. Doch der Kerl verhielt sich im Augenblick mucksmäuschenstill. Daß er den Hangar verlassen hatte, hielt Jo für ausgeschlossen. Die Halle war einfach zu groß. In der kurzen Zeit, die dem Verbrecher zur Verfügung stand, hatte er sie unmöglich durchqueren können. Nein, der Mexikaner war noch da. Es fragte sich nur, wo er sich versteckt hatte. Jos sechster Sinn warnte ihn: Sei auf der Hut! Es kann jeden Moment passieren. Und da geschah es schon... Copyright 2001 by readersplanet
Zwei Tragflächen. Abmontiert von einer Britten-Norman BN-2A Islander. Abgestellt an der Hangarwand. Dahinter hatte sich der Kerl verborgen. Jetzt flitzte er aus seinem Versteck heraus. Er hatte einen großen, schweren Schraubenschlüssel in der Rechten. Den schwang er kraftvoll hoch. Im nächsten Moment ließ er ihn bereits auf Jos Pistolenarm herabsausen. Kommissar X war zwei Schritte an den Islander-Tragflächen vorbeigegangen. Nun drehte er sich blitzschnell herum. Er sah den Mann, sah den Schraubenschlüssel und riß den Pistolenarm zurück. Der Schlüssel hätte ihm Elle und Speiche gebrochen, wenn er voll getroffen hätte. Dadurch, daß Jo aber so prompt reagiert hatte, blieb ihm der Armbruch erspart. Er konnte aber nicht verhindern, daß der Schraubenschlüssel ihn streifte. Ein glühender Schmerz schoß ihm bis ins Schultergelenk. Sein Gesicht verzerrte sich. Die Finger gehorchten ihm nicht mehr. Die Hand wurde einen Augenblick schlaff, und die Automatic fiel zu Boden. Ein Ausdruck des Triumphs huschte über die gemeinen Züge des Mexikaners. Jo ließ die Pistole liegen und griff den Mann unbewaffnet an. Er wich dem nächsten Schraubenschlüsselhieb geschickt aus und schlug dann mit großer Kraft zu. Der Mexikaner bewies, daß er unwahrscheinlich schnell reagieren konnte. Er blockte Jos Schlag ab, tänzelte zur Seite und versuchte erneut, KX mit dem Schraubenschlüssel von den Beinen zu holen. Schon nach dem ersten Abtasten wußte Jo, daß er es hier mit einem Mann zu tun hatte, den er höllisch ernst nehmen mußte. Das war kein Gegner, mit dem man im Handumdrehen fertigwerden konnte. Dieser Mann war durch viele Kämpfe gestählt. Er hatte ein sicheres Auge, war schnell und wendig. Seine Kraft war nicht zu unterschätzen, und er kämpfte klug und rationell. Da gab es keine überflüssigen Bewegungen. Stets ging der Mexikaner entschlossen auf sein Ziel los. Und dieses Ziel hieß: Jo Walker zu Fall zu bringen. Der blitzende Schraubenschlüssel fegte soeben waagrecht durch die Luft. Jo tauchte unter ihm weg und versuchte das Kinn des Gegners von unten her mit einer Geraden zu treffen. Dadurch, daß der Mexikaner seinen Kopf rasch zurücknahm, würde Jos Schlag viel von seiner Härte genommen. Der Gangster hatte keine Schwierigkeiten, den Treffer wegzustecken. Reflexhaft zuckte gleichzeitig die Faust mit dem Schraubenschlüssel nach unten. Jo erkannte die Gefahr und schnellte sich zur Seite. Die ungewöhnliche Waffe des Gegners knallte schräg seitlich gegen seine Stirn. Jo sah Sterne. Sein Gehirn wurde kräftig durchgerüttelt. Er hatte Gleichgewichtsstörungen, sah den Mexikaner nur noch wie durch einen dichten Schleier. Seine Reaktionsfähigkeit war durch diesen schweren Treffer stark gemindert. Er wußte, daß er jetzt alles auf eine Karte setzen mußte, sonst machte ihn der Gangster fertig. Der Mexikaner holte zum vernichtenden Schlag aus. Jo wollte dem Mann in den Arm fallen. Doch plötzlich kam alles ganz anders. Schritte. Stimmen, die "Mr. Walker! Mr. Walker!" riefen. Der Mexikaner warf den Schraubenschlüssel weg, machte auf den Hacken kehrt und lief davon. "Mr. Walker! Hier stecken Sie!", hörte Jo jemanden sagen. Er bückte sich und hob die Automatic auf. Das Blut schoß ihm in den Kopf und löste da einen wild hämmernden Schmerz aus. Rennie Kelly und Elliot Shuman kamen herbeigeeilt. "Mr. Walker, was ist geschehen?", fragte der lange rothaarige Kelly. "Sage ich Ihnen später", erwiderte Jo und wollte dem Mexikaner nachlaufen.
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Doch der schwammige Brillenträger Elliot Shuman stellte sich ihm in den Weg und stieß erschrocken her-vor: "Großer Gott, Mr. Walker, wer hat Ihnen denn diese riesige Beule geschlagen?", "Ich hab' mich an einer Tragfläche gestoßen. Würden Sie mir jetzt bitte aus dem Weg gehen, Mr. Shuman?" Die beiden Männer aus Biggers Team schauten sich verwirrt an. Jo hatte sich von dem Treffer bereits wieder erholt. Er ließ Kelly und Shuman stehen und versuchte den Mexikaner vor den Lauf seiner Waffe zu kriegen. Doch vergebens. Der Vorsprung des Kerls war so groß, daß es ihm abermals gelungen war, ungeschoren davonzukommen. Jo war sicher, daß dies nicht sein letztes Zusammentreffen mit diesem ebenbürtigen Gegner gewesen war. Sie würden wieder aufeinanderprallen, und dann wollte Jo dafür sorgen, daß der Mexikaner nicht mehr das Weite suchen konnte...
* Die Stadt hieß Villahermosa. 100.000 Einwohner. Hauptstadt des Bundesstaates Tabasco. Das Hotel nannte sich "Greene" und befand sich in der Nähe des Flugplatzes. Hier war Burke Bigger mit seinem Team abgestiegen. Und in Biggers Suite versammelten sie sich alle. Der Geologe erzählte Clint Oliver von den Pressionen, denen er in New York ausgesetzt gewesen war. Er erwähnte auch den Schuß in den Vorderreifen, als Lea gerade nicht dabei war. Olivers Züge wurden grau. Die kalte Wut packte ihn. "Verdammt noch mal, hinter all diesen Gemeinheiten steckt Manolete Cortez." "Wenn das so sicher wäre, könnten wir uns an die Polizei wenden", sagte Burke Bigger ernst. "Hören Sie, Burke, soll das heißen, Sie haben auch nur den geringsten Zweifel, daß Cortez der gemeingefährliche Mann im Hintergrund ist? Dieser Mann ist ein Teufel. Er geht über Leichen." "Das behauptet man von ihm, aber gibt es auch nur einen einzigen stichhaltigen Beweis dafür, Clint?" "Ach, zum Teufel mit den Beweisen, Burke. Sie und ich - wir beide wissen, daß sämtliche Gaunereien von diesem Schakal ausgeheckt werden." "Damit können wir ihm nichts anhaben." "Ich sage Ihnen, der Bursche, der Walker diese schöne Beule geschlagen hat, steht auf Cortez' Lohnliste", ereiferte sich der Manager des Kraftwerkprojekts. "Daß der Mann nicht auf eigene Faust tätig ist, ist klar", schaltete sich Kommissar X ein. Die Beule auf seiner Stirn war unübersehbar und schimmerte in den Regenbogenfarben. "Aber damit ist noch lange nicht bewiesen, daß er für Cortez arbeitet." "Fangen Sie jetzt bloß nicht auch noch mit dem Beweisen an, Walker!" stöhnte Oliver. "Darum geht es aber", sagte Jo hart. "Solange man diesem Cortez keine Unregelmäßigkeiten nachweisen kann, hat er eine saubere Weste." "Er trägt die Flecken inwendig." "Dann wird es bei uns liegen, sie sichtbar zu machen", sagte Jo. "Im übrigen ist er nicht der einzige, der gegen den Bau des Kraftwerks ist, hat Burke mir gesagt." "Nicht der einzige, das ist richtig. Aber der radikalste und gewissenloseste von allen", behauptete Clint Oliver. "Man sollte dieses Dreckschwein in Stücke reißen und im Golf von Mexiko an die Haie verfüttern. Wobei noch fraglich ist, ob die Fische ihn überhaupt fressen würden. Bei allen Heiligen, es fehlt nicht mehr viel, dann platzt mir der Kragen..." Copyright 2001 by readersplanet
Jo legte Oliver die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. "Lassen Sie sich zu keiner Unbesonnenheit hinreißen, Clint. Das könnte ins Auge gehen." Burke Bigger nickte besorgt. "Jo hat recht, Clint. Tun Sie nichts Unüberlegtes. Halten Sie sich von Cortez fern und sprechen Sie mit niemandem darüber, wie Sie über diesen Mann denken. Es ist verdammt gefährlich, ihn zu reizen." Oliver schob sein Kinn trotzig vor. "Ich habe keine Angst vor Cortez." "Ihr Mut in allen Ehren", sagte Jo, "aber gerade er kann einem Mann wie Ihnen zum Verhängnis werden." "Was wollen Sie damit sagen?" fragte Clint Oliver scharf. "Ihnen fehlt die nötige Erfahrung im Umgang mit Burschen wie Manolete Cortez", sagte Jo. "Sie würden ihm gewissermaßen ins offene Messer laufen, wenn Sie ihn frontal angreifen würden. Ihr Job ist es, das Kraftwerkprojekt zu managen. Beschränken Sie Ihren Eifer darauf. Mein Job wird es sein, Burke und sein Team sowie das Projekt von störenden Einflüssen abzuschirmen, und ich werde versuchen, dafür zu sorgen, daß es bis zur TV-Sendung übermorgen zu keinem größeren Ärger kommt. Nach der Sendung werden die Dinge ohne uns ihren Lauf nehmen, und wer sich ihnen dann noch in den Weg stellt, wird von ihnen garantiert überrollt werden. Auch ein Manolete Cortez." Mabel Bond brachte ihnen drei Martinis und zog sich dann wieder zu Kelly und Shuman zurück. Lea war im Moment nicht im Raum. Burke Bigger seufzte. Er nippte an seinem Glas und sagte dann: "Ich fürchte, uns stehen zwei Tage bevor, die so heiß sein werden wie der Wind von Yukatan." "Wir werden sie überstehen", sagte Jo zuversichtlich. "Wenn Cortez nicht mit schwereren Geschützen auffährt!", knurrte Clint Oliver und ging zu Mabel und ihren Kollegen. "Er haßt Cortez wie die Pest", sagte Bigger. "Er ist ein Hitzkopf. Das ist schlecht", sagte Jo. "Er wird nichts gegen Cortez unternehmen. Er hat bloß Dampf abgeblasen. Das hat er schon mehrmals getan." "Egal wie der Mann im Hintergrund heißt, Burke, er weiß, was in deinem Gutachten steht." "Das kann ich mir nicht vorstellen." "Überleg doch, Burke. Wäre dein Gutachten negativ ausgefallen, brauchte er dich nicht immer stärker unter Druck zu setzen. Das ist doch einleuchtend, oder? Ein negatives Ergebnis wäre in seinem Sinn, deshalb wird er vor der TV-Sendung noch alles daransetzen, um dich dazu zu bringen, das Ergebnis deiner Untersuchungen zu ändern." Biggers Augen wurden schmal. "Dazu kriegt er mich nie!" "Bleibt immer noch die Tatsache bestehen, daß er den Inhalt des Gutachtens kennt, Burke." "Meinst du?" "Ich bin sicher. Wer kann es ihm verraten haben, Burke?" "Ich habe keine Ahnung." "Du antwortest zu schnell, Burke. Willst du über meine Frage nicht erst gründlich nachdenken?" Bigger schüttelte entschieden den Kopf. "Das hätte nicht den geringsten Zweck, Jo. Es gibt niemanden, dem ich zutrauen würde, daß er mit diesem Unbekannten gemeinsame Sache macht." "Es müßte einer aus deinem Team sein", sagte Jo. "Genau, und das halte ich für ausgeschlossen", stellte Bigger überzeugt fest. "Ebensogut könntest du mich verdächtigen, daß ich..." "Erzähl mir trotzdem etwas über Rennie Kelly und Elliot Shuman", fiel Jo dem Freund ins Wort. Copyright 2001 by readersplanet
"Und warum nicht über Mabel?" "Ihren Lebenslauf habe ich schon im Flugzeug kennengelernt." "Rennie kommt von ganz unten. Er mußte hart für sein Studium arbeiten, hatte keinen Vater, nur eine Mutter, die er abgöttisch liebt. Kein Spieler. Keine Weibergeschichten. Er trinkt mäßig. Sein Hobby ist seine Arbeit. Er ist intelligent, hat alle Prüfungen mit Vorzug bestanden, ist zuverlässig und grundanständig." "Und wie steht's mit Shuman?" fragte Jo. Er nahm einen Schluck von seinem Martini und zündete sich anschließend eine Pall Mall an. "Ein netter Bursche mit einem sauberen Charakter. Er war mal verheiratet. Die Ehe ist nicht durch seine Schuld in die Brüche gegangen. Er ist arbeitsam und ehrgeizig. Er liebt gutes Essen und amüsiert sich gern." "Hat er Schulden?" "Soviel ich weiß, nein." "Wie ist er dem Geld gegenüber eingestellt?" wollte Jo wissen. "Er liebt es - wie wir alle. Er ist ein ganz normaler Mensch, Jo." "Angenommen, jemand würde ihm Geld anbieten. Sehr viel Geld. Was würde Shuman in einem solchen Fall tun?" "Ablehnen", sagte Bigger überzeugt. "Dieser Mann ist für keine schmutzigen Geschäfte zu haben, das kannst du dir aus dem Kopf schlagen, Jo." "Tja, dann weiß ich auch nicht mehr, wem ich den Schwarzen Peter zuschieben soll." Burke Bigger wechselte das Thema. "Ich habe einen Hubschrauber bestellt. Er wird in einer halben Stunde auf dem Hoteldach landen. Hast du Lust, mitzukommen?" "Wohin?" fragte Jo. "Ich möchte mich noch mal da umsehen, wo in einigen Jahren das Kraftwerk stehen wird." "Cortez' Land. Das würde ich gern mal kennenlernen." "Dann also in dreißig Minuten auf dem Dach", sagte Bigger. "Wer kommt sonst noch mit?" "Niemand." "Aha." Die Gruppe löste sich auf. Lea kam umgezogen in den Salon zurück. Rennie Kelly begab sich auf sein Zimmer. Elliot Shuman ebenfalls. Jo fuhr mit dem Lift hinunter und ließ sich auf der Hotelterrasse einen Longdrink servieren, und während er an dem gestreiften Plastiktrinkhalm saugte, ließ er sich all das durch den Kopf gehen, was mit dem Kraftwerkprojekt zusammenhing. "Darf ich mich zu Ihnen, setzen?" Eine Mädchenstimme. Jo hob den Blick. Es war Mabel Bond. Er wies auf den Stuhl neben sich. "Bitte." Sie bestellte dasselbe wie er. Mit Bedauern in der Stimme sagte sie: "Ihre Beule sieht aber nicht gerade schön aus." "Das haben Beulen im allgemeinen so an sich", erwiderte Jo lächelnd. "Wissen Sie, was meine Mutter immer getan hat, wenn ich mir irgendwo so ein Ding geholt hatte?" "Nein", sagte Jo. "Sie hat mir einen Kuß darauf gegeben, und es tat gleich nicht mehr so furchtbar weh." Jo grinste. "Ich könnte mir vorstellen, daß mir das auch guttun würde." Mabel erhob sich, beugte sich über ihn und küßte die schillernde Erhebung auf seiner Stirn. "Besser?" Copyright 2001 by readersplanet
"Viel besser", erwiderte Jo blinzelnd. "Ihre Mutter war eine kluge Frau, Mabel." "Das ist sie immer noch." Mit kühlen Fingern streichelte das Mädchen Jos Stirn. "Sie haben wohl öfters solche Blessuren." "So, wie ein Elektriker ab und zu in den Stromkreis gerät, werde ich hin und wieder durch den Wolf gedreht. Das gehört zu meinem Job." "Sie müssen aus einem besonders harten Holz geschnitzt sein." "Es geht. Aber der Kern ist weich." Jo blickte auf seine Uhr. Es war Zeit, sich zu verabschieden. Als er wenig später das Hoteldach betrat, stand ein Bell 206 B Jetranger II im grellen Sonnenlicht. Die stählerne Libelle konnte einen Piloten und vier Passagiere befördern. Burke Bigger öffnete soeben die Kanzeltür. Jo begab sich zu dem Freund und schlug ihm auf die Schulter. Bigger zuckte erschrocken herum. Ein Zeichen dafür, wie angespannt und nervös er war, wenngleich er es sich nicht anmerken lassen wollte. "Kann's losgehen?" fragte er, um seinen Schrecken zu übergehen. "Von mir aus", sagte Jo. "Dann steig ein." Kurz darauf heulte die Allison-Gasturbine, und der Hubschrauber hob mit knatterndem Rotor vom Hoteldach ab. Sie waren etwa zwanzig Minuten unterwegs. Bigger hielt direkt auf die Bergrücken zu und setzte den Helikopter schließlich vor dem Eingang eines tiefen, schattigen Einschnitts auf den felsigen Boden. "So hart wie dieses Land ist auch Cortez", sagte Burke Bigger, nachdem sie den Jetranger verlassen hatten. "Hier ist er aufgewachsen. Ich kann verstehen, daß er sich nicht davon trennen möchte." Ein Flußlauf schlängelte sich aus dem Tal. Burke Bigger erklärte Jo während des Rundganges, wie es hier in einigen Jahren aussehen würde. Da die mächtige Staumauer. Dahinter ein klarer, tiefer Stausee. Die Landschaft würde dadurch völlig verändert werden. Doch nicht zu ihrem Nachteil. Und darüber hinaus würde man hier eine neue ergiebige Energiequelle geschaffen haben, was in Anbetracht des allmählich zur Neige gehenden Rohöls nicht zu unterschätzen war. Es war ein herrliches Stück Land mit mächtigen Bergen und kantigen Felsen und mit einer guten Vegetation. Noch war es unberührt, und irgend jemand wollte mit allen Mitteln erreichen, daß das so blieb. Manolete Cortez? Die Sonne sank langsam im Westen. "Wenn wir nicht in der Dunkelheit zurückfliegen wollen, sollten wir jetzt umkehren", sagte Jo. Burke Bigger nickte stumm. Im selben Moment sah Jo zwischen zwei Büschen Metall blinken. "In Deckung, Burke!" stieß er hastig hervor. Bigger reagierte nicht schnell genug, deshalb half Jo nach. Er versetzte dem Freund einen Stoß, der ihn zu Boden warf. Gleichzeitig ließ sich auch Kommissar X auf den Bauch fallen. Da krachte auch schon der Schuß. Ein zweiter folgte. Ein dritter. So knapp hintereinander, daß sie fast zur selben Zeit knallten. So schnell konnte kein einzelner Mann feuern. Jo nahm deshalb an, daß sie es mit drei Gegnern zu tun hatten. Die Kugeln pfiffen ihnen dicht um die Ohren. "Hinter den Felsen!", rief Jo dem Geologen zu. Bigger robbte sofort los. Jo rollte zur Seite. Er hatte die Automatic längst in der Hand und schoß zurück. Die Angreifer verteilten sich im Gelände. Bigger lag hinter dem eiförmigen Felsen.
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Er preßte das Gesicht auf den harten Boden und hielt den Atem an. Der Kugelhagel, in den er so unverhofft geraten war, schüttelte seine Nerven. Am liebsten hätte er laut losgebrüllt, damit er sich hinterher etwas leichter fühlte. Doch er wollte sich vor Jo keine Blöße geben, deshalb hielt er den erleichternden Schrei zurück, preßte die Kiefer zusammen und biß sich die Lippen blutig, während ihm der Schweiß von der Stirn tropfte. Jo sah Mündungsfeuer und hielt darauf. Sofort wurde er von zwei anderen Seiten mit Kugeln eingedeckt, die ihn in die Deckung zurücktrieben. Er kroch in eine flache Senke. Die Gegner rückten näher. Ihre Schüsse wurden aus immer kürzerer Distanz abgegeben. Drei Kanonen gegen eine. Ein denkbar ungünstiges Verhältnis. Jo hatte noch zwei Reservemagazine in der Tasche. Aber was dann? Es hatte wenig Sinn, hier den Helden zu spielen. Viel vernünftiger war es, schleunigst zum Hubschrauber zurückzukehren und abzuschwirren, ehe die Situation kritisch werden konnte. "Burke!", zischte Jo. "Ja?" "Bist du noch ganz?" "Ich denke schon." "Wir müssen zum Jetranger zurück." "Okay", keuchte Bigger. "Du zuerst. Spring und lauf, so schnell du kannst. Renn wie ein Hase. Im Zickzack. Sieh dich nicht um. Kümmere dich nicht um mich. Ich halte dir den Rücken frei. Und was auch immer hinter dir passieren mag, achte nicht darauf. Spring in die Mühle und bring den Rotor in Gang. Sollte ich bis dahin noch nicht beim Jetranger eingetroffen sein, fliegst du ohne mich, ist das klar?" "Aber ich kann dich doch nicht..." "Tu, was ich dir sage, Burke. Es ist jetzt keine Zeit für lange Diskussionen!" Jo verschoß die letzten Patronen und wechselte dann das Magazin. Mittlerweile handelte Bigger, wie Jo es von ihm verlangt hatte. Er schnellte aus der Deckung hoch und fing mit langen Sätzen zu laufen an. Immer wieder änderte er blitzschnell die Richtung. Auf diese Weise bot er ein denkbar schlechtes Ziel. Er krümmte außerdem den Rücken, lief nicht aufrecht, sondern so geduckt wie möglich. Die Gangster ballerten hinter ihm her, ohne ihn jedoch zu treffen. Jo holte einen von ihnen von den Beinen. Dem zweiten verpaßte er einen Streifschuß. Den Dritten zwang er, sich hinter eine Bodenwelle zu werfen. Dann rannte auch er los, als wäre der Teufel hinter ihm her. Bigger erreichte mit brennenden Lungen und ausgetrockneter Kehle den Jetranger. Er sprang in den Hubschrauber und ließ die Allison-Turbine an. Schon schwirrte der Rotor durch die Luft. Immer schneller drehte er sich. Bigger hielt nach Jo Ausschau. Da kam Kommissar X. Er lief fast so schnell wie ein Gepard. Einer der Gangster verfolgte ihn. Jetzt blieb der Mann stehen. Er legte auf Jo an. Burke Biggers Herz übersprang einen Schlag. "Jo!", brüllte er, so laut er konnte. KX kapierte sofort. Er wirbelte herum und drückte ab. Der Gangster ging zu Boden. Ob er getroffen worden war oder ob er sich absichtlich fallen gelassen hatte, konnte Jo nicht erkennen. Es war auch von zweitrangiger Bedeutung. Hauptsache war, der Kerl ließ für eine Weile seine Nase unten. Atemlos erreichte Jo den Helikopter. Kaum befand er sich in der Kanzel, Copyright 2001 by readersplanet
da ließ Bigger die stählerne Libelle auch schon steigen. Eine neue Serie von Schüssen wurde unten abgegeben. Mehrere Kugeln trafen klatschend in den Rumpf des Jetranger. Mit einer Schrägsteiggeschwindigkeit von 7,8 m/Sek. schraubte sich der Jetranger in den Himmel. Burke Bigger nahm Kurs auf Villahermosa. Auf halber Strecke bemerkte er, daß mit dem Hubschrauber irgend etwas nicht stimmte. Die Maschine war in ihrem Flugverhalten gestört. Sie fing zu taumeln an. Der Motor hustete. Bigger warf Jo einen nervösen Blick zu. "Da scheint irgend etwas kaputtgegangen zu sein!" "Denkst du, wir schaffen's noch bis Villahermosa?" "Ich werd's versuchen!" Immer bedrohlicher torkelte der Hubschrauber durch die Luft. "Geh lieber runter!" riet Jo dem Freund. "Wir sind gleich da. Dort vorn...Die ersten Häuser..." Bigger ließ den Jetranger steigen. Er gab mit Gefühl Gas. Sein Gesicht war angespannt. Die Züge wirkten wie gemeißelt. Hart lagen seine Lippen aufeinander. Er wollte sich von der Maschine nicht unterkriegen lassen. Mehrmals begann der Hubschrauber gefährlich zu trudeln, doch Bigger fing ihn immer wieder geschickt ab. Jo kam allmählich die letzte Mahlzeit hoch. "Gleich ist es überstanden", sagte Bigger. Das Hoteldach kam in Sicht. Deutlich war die Markierung des Landekreises zu erkennen. Bigger flog ihn an, doch knapp vor dem Hotel machte der Jetranger förmlich einen Sprung zur Seite. Jo hielt sich fest und atmete nicht mehr. Er war kein Angsthase, aber was er im Augenblick durchzustehen hatte, machte ihn doch einigermaßen bange. Bigger unternahm einen zweiten Landeversuch, und diesmal schaffte er es. Der Hubschrauber setzte mitten im Zentrum der markierten Fläche auf. Jo stieß die Luft erleichtert aus. Er löste den Gurt. Bigger wandte sich ihm zu und fragte mit einem schiefen Lächeln: "Na, wie habe ich das hingekriegt?" "Hervorragend. Besser hätte ich es auch nicht gekonnt", seufzte Jo. Er wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. "Weißt du, was mich brennend interessieren würde, Burke?" "Was?" "Wer diesen Kerlen verraten hat, daß wir dorthin kommen würden. Sie können's schließlich nicht vom Heiligen Geist erfahren haben."
* Clint Oliver war immer noch wütend. Er mochte Burke Bigger gut leiden, und was man diesem in New York angetan hatte, machte Oliver auch zu seiner eigenen Sache. Da er Männer wie Manolete Cortez nicht ausstehen konnte, war es ihm unmöglich, seinen Zorn zu zügeln. Cortez war für ihn der Drahtzieher. Ob man ihm das nun beweisen konnte oder nicht, darum scherte sich Oliver nicht. Für ihn stand fest, daß Manolete Cortez der Mann im Hintergrund war, dem jedes Mittel recht war, um seinen Willen durchzusetzen. "Cortez, dieses Krebsgeschwür!", sagte Oliver ärgerlich. "Gott, wie ich diesen Satan hasse!" Wenn Cortez es schaffte, den Bau des Kraftwerks zu verhindern, war Clint Oliver seinen Traumjob los. Auch das fiel erheblich ins Gewicht. Dann war es vorbei und geschehen um den gut bezahlten Managerposten, den sich Oliver schwer erkämpfen mußte. Copyright 2001 by readersplanet
"Es muß etwas geschehen!", sagte Oliver energisch. "Man muß diesem Drecksack zuvorkommen. Irgend jemand muß ihm klarmachen, daß er sich genug zuschulden kommen ließ, daß es jetzt reicht. Er muß wissen, daß man über ihn Bescheid weiß!" Oliver war zu Hause. Allein. Er redete mit sich selbst. Doch diesmal war es kein bloßes Dampfablassen. Diesmal redete er sich mehr und mehr in Wut. So lange, bis er vor Zorn beinahe platzte. Das war der Moment, wo er aus der Wohnung stürmte und sich in seinen Range Rover setzte, um die Stadt zu verlassen. Er wollte mit Cortez reden. Er wollte ihm drohen, wollte ihn einschüchtern, damit er ein für allemal die Finger vom Projekt ließ. "Diese Fahrt hätte ich schon viel früher machen sollen!", sagte sich Oliver, während er mit dem Wagen den Hauptplatz überquerte, an dem das Museo de Tabasco steht. Er verließ die Stadt in westlicher Richtung. Kurz bevor die Dämmerung einsetzte, erreichte Clint Oliver die große Hazienda des verhaßten Mannes. Ein flacher weißer Bau mit überdachten Terrassen und einem großen Springbrunnen davor. Oliver stoppte den Range Rover vor dem Gebäude und sprang aus dem Fahrzeug. Seine Haltung war unverkennbar aggressiv. Cortez' Diener empfing ihn an der Tür. Ein Mann mit finsteren Zügen. Schlank. Beweglich. Zugleich auch Cortez' Leibwächter, wie es schien. "Sie wünschen?", fragte der Diener, während er Clint Oliver scharf musterte. "Ist Cortez da?" "Nun..." "Ich will zu ihm. Gehen Sie mir aus dem Weg." "Das werde ich nicht tun." "Mann, ich warne Sie. Ich bin fast auf hundert. Reizen Sie mich nicht!" "Es ist meine Pflicht, meinem Herrn jeden Besucher zu melden." "Denken Sie, daß ich das nicht allein schaffe?" "Bitte, Sir. Nennen Sie mir Ihren Namen." "Oliver. Clint Oliver. Sagen Sie Cortez, daß ich mit ihm reden muß." "Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden wollen." Oliver wartete in einer geräumigen Halle. Der Diener verschwand durch eine hohe Tür. Oliver wurde sich der Gefahr nicht bewußt, in die er sich begab. Er war zu wütend, um daran zu denken. Niemand wußte, daß er zu Cortez gefahren war. Der Großgrundbesitzer hätte ihn also ohne weiteres hier verschwinden lassen können. Aber konnte Cortez wissen, daß keiner ahnte, wo sich Oliver befand? Der Diener kam zurück und führte ihn zu Manolete Cortez, der sich in seinem Arbeitszimmer aufhielt. Cortez war der Prototyp eines Mexikaners: Jettschwarzes Haar, hohe Wangenknochen, dunkle Augen. Er war elegant gekleidet, trug einen weißen Anzug und eine Schalkrawatte. Genießerisch zog er an seiner dicken Zigarre, ehe er sie aus dem Mund nahm und sich steif erhob, um Oliver mit falscher Freundlichkeit zu begrüßen. "Ich heiße Sie in meinem Hause willkommen, Mr. Oliver", sagte der Mexikaner in leicht gefärbtem Englisch. Er streckte Oliver die Hand über den Tisch entgegen, die dieser aber absichtlich übersah. Das machte Cortez jedoch anscheinend nicht das geringste aus. Er behielt sein freundliches Lächeln bei. "Was führt Sie zu mir, Mr. Oliver?" "Haben Sie meinen Namen schon mal gehört, Mr. Cortez?" "Ja. Im Zusammenhang mit diesem Kraftwerkprojekt, wenn ich mich nicht irre." Copyright 2001 by readersplanet
"Ganz recht. Ich bin der Manager." "Sicherlich ein aufreibender Job." "Es wäre weit weniger aufreibend, wenn es Männer wie Sie nicht gäbe." Cortez setzte sich wieder. "Wie darf ich das verstehen?" "Sie sind gegen das Projekt!" "Jeder kann nicht dafür sein. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich an dem Land hänge, das ich dem Kraftwerk opfern soll. Hinzu kommt, daß mich die Regierung mit einem Pappenstiel abspeisen möchte. Versuchen Sie sich in meine Lage zu versetzen, Mr. Oliver. Würde Ihnen das gefallen?" "Seit Burke Bigger damit beauftragt wurde, ein Gutachten zu erstellen, hat der Mann keine ruhige Minute mehr, Mr. Cortez." "Wollen Sie dafür etwa mich verantwortlich machen?" "Nennen Sie mir jemand anders, der mehr Interesse daran hätte, daß das Kraftwerk nicht gebaut wird." "Es gibt eine Menge Leute, die das nicht wollen", erwiderte Cortez sachlich. "Das ist durchaus richtig, aber würden diese Leute ihren Standpunkt auch mit Hilfe eines Killers durchzudrücken versuchen?" Cortez nahm gelassen wieder einen Zug von seiner Zigarre. Er lehnte sich bequem zurück. Ein Anflug von einem Lächeln lag um seine schmalen Lippen. "Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen, Mr. Oliver." "Zuerst hat man versucht, Burke Bigger mit Geld zu ködern. Er hat nicht angebissen. Daraufhin hat man ihn immer wieder angerufen und versucht, ihn auf diese Weise mürbe zu machen. Als auch das nicht fruchtete, hat man ihm gedroht, und schließlich hat man auf seinen Wagen geschossen, um ihm klar zu machen, daß die Gangart langsam härter werden würde, wenn er nicht bestimmte Dinge in seinem Gutachten ändern würde." "Der arme Mr. Bigger tut mir leid. Er hat bestimmt kein leichtes Leben. Aber warum hat er den Auftrag nicht an jemand anders abgegeben, wenn er sich ihm nicht gewachsen fühlte?" "Nicht gewachsen? Bigger soll sich dem Auftrag nicht gewachsen fühlen? Davon kann überhaupt keine Rede sein, Mr. Cortez. Bigger ist kein Mann, der so leicht klein beigibt. Das ist ein Steher. Der geht nicht so schnell k. o." "Wie schön für ihn", sagte Manolete Cortez gelangweilt. "Hören Sie, Mr. Oliver, warum kommen Sie nicht endlich zur Sache? Ich habe noch eine Menge zu tun..." "Ich bin bei der Sache, Mr. Cortez." "Sie erzählen mir von Mr. Biggers Problemen..." "Für die Sie verantwortlich sind, Mr. Cortez." "Mein lieber Mr. Oliver, ich fürchte, nun gehen Sie ein bißchen zu weit!", sagte Manolete Cortez vorwurfsvoll, aber weder ärgerlich noch wütend. "Lassen Sie das Versteckenspielen, Cortez", sagte Clint Oliver schneidend. "Sie können mich nicht täuschen!" "Ich muß schon sehr bitten..." "Warum legen Sie Ihre Karten nicht offen auf den Tisch?" "Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie jetzt gehen würden, Mr. Oliver." "Ich bin mit Ihnen noch nicht fertig." "Ich möchte mich nicht mehr länger mit Ihnen unterhalten. Leben Sie wohl, Mr. Oliver." "Einen Augenblick noch", sagte der Manager des Kraftwerkprojekts scharf. "Ich möchte Sie wissen lassen, daß Sie es mit keinen Holzköpfen zu tun haben, Mr. Cortez. Uns allen ist bekannt, wer hinter all diesen Gemeinheiten steckt. Und nun möchte ich Sie warnen. Wenn noch irgend etwas Dreckiges passiert - und sei es auch nur die geringste Kleinigkeit, die Ihre Copyright 2001 by readersplanet
Handschrift trägt-, hetze ich Ihnen persönlich die Polizei auf den Hals, und die wird Ihnen dann garantiert mehr Ärger machen, als Sie verkraften können!" Das war's, was Clint Oliver loswerden wollte. Jetzt fühlte er sich erleichtert. Der Druck war von seiner Brust gewichen. Er konnte wieder richtig durchatmen. Und er hoffte, Cortez für die nächste Zeit genügend eingeschüchtert zu haben. Zufrieden verließ Oliver das Haus. Stolz setzte er sich in seinen Range Rover und fuhr nach Villahermosa zurück. Was er getan hatte, das mußte sich ein anderer erst mal trauen. Er kannte niemanden, der dazu den Mut gehabt hätte. Und dabei war es so einfach gewesen...
* Als die Tür hinter Oliver zufiel, ließ Manolete Cortez die Maske des biederen Bürgers fallen. Es blitzte gefährlich in seinen dunklen Augen. Er war wütend. Seine Wangen zuckten. So hatte noch niemand mit ihm zu sprechen gewagt, und er wollte sich das auch diesmal nicht so einfach bieten lassen. Dieser tolle Irre sollte ihn kennenlernen. "Odd!", rief Manolete Cortez mit scharfer Stimme. Er paffte ungeduldig an seiner Zigarre. Die Verbindungstür wurde geöffnet, und der Mann trat ein, der in der jüngsten Vergangenheit für einige Unruhe gesorgt hatte - in New York ebenso wie auf dem Airport. Odd Silva! Der Mann, dem das linke Ohr fehlte und über dessen Stirn eine rote, wulstige Narbe verlief. Ein Bursche, der über Leichen ging. Bei ihm waren Cortez' Probleme bestens aufgehoben. Es gab nichts, was Odd Silva für Cortez nicht getan hätte, denn der Großgrundbesitzer bezahlte seine Dienste gut und wußte Leistungen des gefinkelten Killers darüber hinaus sehr zu schätzen. Auch ein Übelfinger wie Silva rang nach Anerkennung, und die enthielt ihm Manolete Cortez niemals vor. Der katzengewandte Killer betrat das Arbeitszimmer. Sein Boß blickte ihn mit zusammengezogenen Brauen unmutig an. "Du hast die Unterhaltung mit angehört?", fragte Cortez. "Jedes Wort", gab Odd Silva mit einem eisigen Lächeln zurück. Er wußte, was nun kommen würde. "Dieser Schwachkopf hat doch tatsächlich die Stirn, mir zu drohen." "Da fragt man sich, woher dieser Clint Oliver soviel Mut nimmt", ätzte Odd Silva. Cortez legte die Zigarre weg. Sie schmeckte ihm nicht mehr. "Was würdest du jetzt an meiner Stelle tun, Odd?" "Ich würde den Mann umlegen!", antwortete Silva, ohne daß sich sein gleichgültiger Gesichtsausdruck veränderte. Manolete bleckte die Zähne. "Ich sehe, wir verstehen uns. Wir sind mal wieder ganz einer Meinung. "Oja, Boß, das sind wir." "Nimm die Sache gleich in Angriff." "Mach' ich, Boß." "Mach den Mann fertig." "Es wird geschehen, Boß."
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Cortez schlug mit der Faust verärgert auf den Tisch. "Zum Teufel, die Zeit, wo mit Platzpatronen geschossen wurde, ist nun ein für allemal vorbei!", fauchte er, und Odd Silva verließ die Hazienda, um den Mordauftrag von Manolete Cortez auszuführen...
* Wieder hatte Burke Bigger seinen Freund Jo gebeten, Lea gegenüber nichts von dem Überfall zu erwähnen. Er wollte alles Schlimme von ihr fernhalten. Jo hatte eingewilligt, zu schweigen. Bigger hatte sich mit der Firma in Verbindung gesetzt, die ihm den Hubschrauber zur Verfügung gestellt hatte und hatte einen Mechaniker angefordert, der sich um die defekte Libelle kümmern sollte. Es war mittlerweile dunkel geworden, und Jo hatte die Absicht, sich auf sein Zimmer zurückzuziehen. Doch Bigger wollte mit dem Freund noch unbedingt einen zur Brust nehmen. "Auf den Schrecken", wie er sagte. Jo machte Burke die Freude und begab sich mit ihm in die Hotelbar. Sie tranken einen doppelten Tequila und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich sagte Bigger leise: "Es gärt ganz gewaltig hinter den Kulissen, was?" "Hast du etwas anderes erwartet?" Burke Bigger schüttelte den Kopf. Er schob sein Glas auf dem Tisch hin und her. "Ob die Kerle die Absicht hatten, uns abzuknipsen, Jo? Oder wollten sie uns bloß verjagen?" "Wir hätten die richtige Antwort bekommen, wenn wir geblieben wären", sagte Jo. Bigger schüttelte wieder den Kopf. "Es ist, als würde man mit einem Schatten boxen, der die Fähigkeit hat, dann zuzuschlagen, wenn man es am wenigsten erwartet." "Besser, du unterläßt von nun an solche Spritztouren, Burke", riet Jo dem Freund. "Das versteht sich von selbst. Ich verlasse dieses Hotel nur noch dann, wenn es unbedingt sein muß. Versuchst du, herauszukriegen, wer hinter all dem steckt?" Jo nickte. "Morgen." "Tja, dann wollen wir die Sitzung für heute aufheben, nicht wahr?", sagte Bigger mit einem jungenhaften Lächeln. Er trank sein Glas aus und erhob sich. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben. Vor der Tür zu Biggers Suite verabschiedete sich Jo von dem Freund. Nachdem sich die Tür hinter Burke Bigger geschlossen hatte, ging Kommissar X weiter. Er kam an Mabel Bonds Zimmer vorbei. Sie schien auf ihn gewartet zu haben, denn als sie seine Schritte vernahm, trat sie auf den Gang. Ihr Blick versprach ihm sehr viel. Sie trug ihr langes schwarzes Haar off en. Es floß in lockeren Wellen auf ihre wohlgerundeten Schultern. Der Ausschnitt ihres Angorapullis war reichlich gefüllt. Sie roch nach einem teuren, betörenden Parfüm. Ihre rosige Zungenspitze tanzte über die vollen Lippen. Mit einer leicht sinnlichen Stimme fragte sie, während sie sich an den Türrahmen lehnte: "Wie war der Ausflug?" "Sehr aufschlußreich", gab Jo zurück. "Und beeindruckend. Ein prachtvolles Land, von dem Manolete Cortez sich nicht trennen möchte." "Er wird sich davon trennen müssen. Man wird den nötigen Druck von oben auf ihn ausüben." Jo nickte. "Das wird unumgänglich sein." Mabel machte mit ihrer schlanken Hand eine einladende Bewegung. "Wollen wir uns noch ein bißchen unterhalten, Jo? Ich habe Langeweile. Wir könnten uns eine Flasche Pommery bringen lassen..."
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Den Rest ließ sie dahingestellt. Teufel, ihr Angebot war äußerst verlockend, und Jo war im allgemeinen kein Kostverächter. Doch an diesem Abend wäre er nicht so richtig bei der Sache gewesen. Ihn beschäftigte immer noch das, was dort draußen in der Einsamkeit vorgefallen war. Er wäre ein denkbar schlechter Gesellschafter gewesen. Vom andern ganz zu schweigen. Mit dem nötigen Feingefühl lehnte Jo ab. Er vergaß aber nicht, gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß er auf Mabels Angebot gern an einem anderen Abend zurückkommen würde. "Sie wissen, wo mein Zimmer ist", sagte sie, ein wenig enttäuscht. Jo lächelte. "Und ich werd's bestimmt nicht vergessen." Er ging weiter, nachdem er Mabel eine gute Nacht gewünscht hatte. Ein wenig abgespannt schloß er die Tür zu seinem Zimmer auf. Mit einem tiefen Atemzug trat er ein. Die Tür bekam von ihm einen leichten Schubs und fiel hinter ihm ins Schloß. Während seine Hand zum Lichtschalter unterwegs war, hatte er plötzlich den Eindruck, daß er nicht allein im Raum war. Wie ein Blitz schoß es ihm durch den Kopf: Weiß Mabel davon? Hat sie deshalb versucht, mich in ihr Zimmer zu locken? Damit ihr Komplize hier ungestört arbeiten kann? Bevor Jos Hand den Lichtschalter berührte, passierte es. Sein Arm wurde hochgeschlagen, und eine Faust wühlte sich schmerzhaft in seine Magengrube. Der Treffer hatte es in sich. Jo japste. Er spannte die Muskeln an und ging in Abwehrstellung. Seine Augen mußten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, während der andere offenbar wie ein Nachttier sehen konnte. Jo merkte, daß sein Gegner an ihm vorbeistürmen wollte, doch das schaffte der Unbekannte nicht, denn Jo ließ ihn auflaufen. Und dann kam der Konterschlag von Kommissar X. Jo sah die Umrisse des Fremden. Er ging darauf los. Mit brettharten Schlägen trieb er den Mann zurück. Der andere war kein besonders guter Fighter, wie sich herausstellte. Er hatte seinen ersten Punkt nur deshalb gemacht, weil es ihm gelungen war, den ahnungslosen Privatdetektiv zu überraschen. Doch nun geriet der Kerl in arge Bedrängnis. Jo schlug abwechselnd links und rechts, links, rechts, links, rechts.... Er arbeitete wie eine Maschine. Hart und präzise. Der Mann wankte. Jo hörte den Gegner keuchen und ächzen. Jeder neue Treffer stieß den Unbekannten weiter auf seinen Untergang zu. Und dann kam der Schlag, dem der Schatten nicht mehr gewachsen war. Ein unterdrückter Schmerzlaut flog durch das Zimmer. Der Mann ging zu Boden und schaffte es nicht mehr, hochzukommen. Nun machte Jo Licht. Grell flammte es auf. Und KX erlebte eine große Überraschung. Vor ihm hockte -groggy und mit glasigen Augen - Rennie Kelly!
* Der rothaarige Bursche mit den unzähligen Sommersprossen starrte Jo Walker belämmert an. Der Lange sah ziemlich erledigt aus. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Ein dünner Blutsfaden sickerte aus seinem Mundwinkel. Die Nase war geschwollen. Desgleichen die Oberlippe. Und seine Wangen waren stark gerötet. Er schüttelte mehrmals benommen den Kopf, um wieder einigermaßen klarzukommen. "Damit haben Sie nicht gerechnet, was?" sagte Jo schneidend. "Mr. Walker, ich..." "Was haben Sie in meinem Zimmer zu suchen, Kelly?" "Ich habe... Ich wollte..." Copyright 2001 by readersplanet
Jo packte derb zu. Der Bursche sollte sehen, wie er mit Jo dran war. KX riß den Langen hoch und warf ihn in den Sessel, in dem der Mann wie ein Häufchen Elend versank. "Jetzt wollen wir beide mal Tacheles miteinander reden!", sagte Jo. "Ich könnte mir vorstellen, daß Sie mir eine ganze Menge zu erzählen haben, Kelly!" Rennie Kellys Hände zitterten. Er fuhr sich über die Augen und hüstelte nervös. "Ich wußte, daß es irgendwann mal schiefgehen würde. Als Burke Sie mir vorstellte, wußte ich, daß ich auffliegen würde." "Sie haben den Inhalt des Gutachtens verraten, stimmt's?" "Ja." "Sie haben an die richtige Adresse weitergegeben, daß Burke und ich zu den Bergen fliegen würden." "Ja." "Man hätte uns da beinahe abgeknallt!", herrschte Jo den Mann an. Rennie Kelly schüttelte entsetzt den Kopf. "Das wußte ich nicht. Man hat mir gesagt, man wolle Ihnen nur einen Denkzettel verpassen." "Steckt Mabel mit Ihnen unter einer Decke?" "Nein." Jo fühlte sich etwas erleichtert. Er zog die Mundwinkel verächtlich nach unten. "Sie sind ein widerliches Stück Dreck, Kelly. Burke Bigger würde für Sie die Hand ins Feuer legen, und Sie danken ihm sein Vertrauen auf diese Weise! Warum tun Sie das? Warum fallen Sie Bigger und Ihren Kollegen so gemein in den Rücken?" Kellys Augen füllten sich mit Tränen. "Fangen Sie jetzt bloß nicht zu heulen an", sagte Jo hart. "Die Tour zieht bei mir nicht." Kelly schluckte mehrmals. "Ich weiß, daß ich mich wie ein Schwein benommen habe, Mr. Walker." "Jetzt kommt wohl die Reue-Platte, wie?", fragte Jo hartherzig. "Sie können mir glauben, es ist mir nicht leichtgefallen, das zu tun, was ich getan habe, Mr. Walker." "Warum haben Sie's überhaupt getan?" "Wegen des vielen Geldes, das man mir dafür geboten hat." "Sie haben Ihre Seele für Geld an den Teufel verkauft?" "Ich brauchte es", stöhnte Kelly. "Wieviel haben Sie bekommen?" "Fünfzigtausend. Und noch mal fünfzigtausend hätte ich gekriegt, wenn alles vorbei gewesen wäre." "Also wenn Burke Bigger sein Gutachten revidiert hätte." "Ja", sagte Kelly kleinlaut. "Kann ich... Kann ich bitte eine Zigarette haben?" Jo gab ihm eine Pall Mall. Er brannte sie ihm an, nahm sich selbst vorläufig aber kein Stäbchen. "Sie wurden also des Geldes wegen zum Verräter", stellte Jo fest. "Ja." "Schämen Sie sich denn nicht?" "Sie wissen ja nicht, was mich bewogen hat, dieses Angebot anzunehmen", schluchzte Rennie Kelly verzweifelt. "In meinen Augen rechtfertigt nichts einen solchen verwerflichen Schritt", sagte Jo.
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"Ich habe eine Mutter, Mr. Walker. Eine solche Frau gibt es kein zweites Mal. Sie ist einmalig. Hat sich ihr Leben lang für mich aufgeopfert. Hielt immer zu mir. In guten wie in schlechten Zeiten. Ich bin heute dreiunddreißig, und bestimmt haben Sie sich schon gefragt, wieso ich immer noch nicht verheiratet bin. Ich kann es Ihnen sagen: weil ich keine Frau finde, die so ist, wie meine Mutter. Ich hänge an der alten Dame. Sie ist mein ein und alles. Es gibt nichts, was ich für sie nicht tun würde. Diese Frau ist jede Tat wert, Mr. Walker. Ein aufrechter, ehrlicher Mensch ist sie. Voller Liebe und Güte. Sie versteht es, mir Geborgenheit zu geben. Was ich erreicht habe, verdanke ich ihr. Meine Mutter ist der großartigste Mensch auf dieser Welt!" "Behaupten das nicht alle Söhne von ihren Müttern?" "Bei den andern kann das nicht zutreffen, Mr. Walker. Das ist ausgeschlossen." "Vielleicht hätten Sie beizeiten mal einen Psychoanalytiker aufsuchen sollen", sagte Jo ärgerlich. "Ihr Mutterkomplex ist ja kaum noch auszuhalten, Mann!" Rennie Kelly nahm einen Zug von der Pall Mall. Er starrte in die Rauchwolke, die er ausblies. Jo schien für ihn plötzlich nicht mehr da zu sein. "Was wissen Sie denn", murmelte er niedergeschlagen. "Da kommt man eines Tages nach Hause, und dieser prachtvolle Mensch liegt auf dem Boden und rührt sich nicht. Sie können sich den Schock nicht vorstellen, den ich dabei erlitt. Ich dachte, meine Mutter wäre tot. Ich fuhr sie auf dem schnellsten Wege ins Krankenhaus. Die Ärzte brachten sie sehr rasch wieder auf die Beine, und wir dachten, wir könnten dieses schreckliche Erlebnis vergessen. Aber kurz darauf fiel die alte Dame wieder um. Und dann sagten mir die Ärzte, daß meine Mutter nicht mehr lange zu leben hätte. Ein Tumor... Es hätte keinen Sinn mehr, zu operieren. Man machte mir klar, daß sie immer häufiger umkippen würde. Auch blind würde sie werden. Und eines Tages würde sie nicht mehr aufwachen..." Kelly schaute Jo mit großen, traurigen Augen an. "Mr. Walker!", sagte er heiser. "Ich werde den wunderbarsten Menschen von der Welt verlieren. In diesem Jahr noch... Es gibt so viele Dinge, die die gute Frau noch nicht gesehen hat. Sie träumte Zeit ihres Lebens von einer Weltreise, von einem eigenen Haus... Ich möchte ihr diese Träume erfüllen, bevor sie mich verläßt. Ist das denn ein Verbrechen?" "Was wollten Sie in meinem Zimmer?", fragte Jo zum zweitenmal. Kelly griff in die Außentaschen seines Jacketts. Jos Hand flog sofort zum Kolben der Automatic. Kelly schüttelte schwach den Kopf. "Keine Angst, Mr. Walker. Ich bin unbewaffnet." Er holte zwei kleine Nylonbeutel hervor. "Heroin", sagte er blechern. "Was wollten Sie damit?", fragte Jo. "Ich wollte den Stoff in Ihrem Zimmer verstecken und dann die Polizei anrufen..." "Verstehe", sagte Jo grimmig. "Man hätte das Zeug bei mir gefunden, hätte mich festgenommen und mich so für eine Weile aus dem Verkehr gezogen." "Das war geplant." "Zum Glück hat es nicht geklappt!", sagte Jo mit einem frostigen Lächeln. "Ich würde alles, was ich getan habe, wieder tun. Für meine sterbenskranke Mutter!" "Wenn die Frau wirklich so einmalig ist, wie Sie behaupten, würde sie von dem Verrätergeld nichts haben wollen, Kelly. Darüber hinaus würde sie Sie verabscheuen." "Woher sollte sie erfahren, wie ich zu dem Geld gekommen bin?" Jo überging die Frage. Seine Augen wurden schmal. "Jetzt mal raus mit der Sprache, Kelly. Wer ist der Kerl, der Sie bezahlt?" Rennie Kelly schüttelte heftig den Kopf. "Das kriegen Sie aus mir nicht raus, Walker! Ich habe mich verpflichtet, den Mund zu halten!" "Ich könnte es aus Ihnen herausprügeln." "Sie würden es nicht schaffen. Nicht einmal, wenn Sie mich halb tot schlagen würden." Copyright 2001 by readersplanet
"Tja, wenn das so ist, dann ist es wohl vernünftiger, ich übergebe Sie der Polizei", sagte Jo. Wie elektrisiert sprang Kelly plötzlich auf. Er hatte sich von den Prügeln, die er bezogen hatte, wieder einigermaßen erholt. Kraftvoll warf er sich nach vorn. Er stieß Jo beiseite und jagte mit langen Sätzen durch den Raum. "Stop, Kelly!" schrie Kommissar X, doch der Verräter hörte nicht. Er erreichte die Balkontür und riß sie auf. Jo wollte den Mann zurückholen. Rennie Kelly überkletterte hastig die Balkonbrüstung. Er hatte die Absicht, auf den tieferliegenden Nachbarbalkon zu springen, doch Jo wußte, daß Rennie Kelly das nicht schaffen würde. "Tun Sie's nicht!" rief Kommissar X. "Sie brechen sich dabei den Hals!" "Es ist mein Hals, Walker!" "Denken Sie an Ihre Mutter, Kelly. " Der Mann spannte die Muskeln. An seiner Entschlossenheit, zu springen, war nicht zu rütteln. Jo erreichte den Balkon, beugte sich über die Brüstung und wollte Kelly beim Kragen packen. Doch seine Hand stieß ins Leere. Kelly hatte den Sprung einen Sekundenbruchteil zuvor gewagt. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde Rennie Kelly schwerelos zwischen Himmel und Erde hängen. Er flog auf den Balkon zu. Während er durch die Luft sauste, schien er zu erkennen, daß er nicht kraftvoll genug gesprungen war. Er hätte sich mit mehr Kraft, als ihm zur Verfügung gestanden hatte, abstoßen müssen. Was er eingesetzt hatte, reichte nicht. Als Rennie Kelly das erkannte, streckte er sich in der Luft. Er zog verzweifelt den Oberkörper nach vorn und drückte die langen Arme dem Nachbarbalkon entgegen. Seine Finger berührten die Brüstung. Er wollte sich daran festkrallen, doch die Finger glitten an dem glatten Stein ab, und dann gab es nichts mehr, was die Katastrophe noch verhindern konnte. Wie ein nasser Sack sauste Kelly in die Tiefe...
* Jo hatte gleich danach Rennie Kellys Zimmer mit größter Gründlichkeit durchsucht. Es war ihm jedoch nicht gelungen, einen Hinweis auf Kellys Auftraggeber zu finden. Kurz darauf war die Polizei eingetroffen. Und nun stand Burke Bigger - umgeben von seiner Frau Lea, von Mabel Bond, Elliot Shuman und Jo Walker - kopfschüttelnd in seiner Suite und sagte erschüttert: "Ich kann es einfach nicht fassen." Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. "Es will mir einfach nicht in den Schädel, daß Rennie mich verraten hat. Ich war wie ein Freund zu ihm. Elliot kann das bestätigen", sagte der Geologe zu Jo. "Ich habe Rennie bedingungslos vertraut." "Wir haben ihm alle vertraut", sagte Shuman. "Er hat nie erwähnt, wie es um seine Mutter steht", sagte Lea Bigger. Sie war blaß. Das furchtbare Ereignis hatte sie tief erschüttert. "Wenn er sich mit seinen Sorgen an mich gewandt hätte", sagte Burke Bigger, "hätte ich ihm geholfen. Auch mit Geld. Wir hätten gemeinsam einen Weg gefunden, um der alten Dame bis zu ihrem Ende noch eine schöne Zeit zu bescheren. Was Rennie getan hat, war uns allen gegenüber nicht fair. Er hat unser aller Vertrauen mißbraucht. Er hat uns verkauft. Wie konnte er nur so etwas Abscheuliches tun?" Die Zeit verging im Flug. Copyright 2001 by readersplanet
Es war bald weit nach Mitternacht, doch niemand dachte daran, zu Bett zu gehen. Die Luft in Biggers Salon war so sehr mit Rauch geschwängert, daß man sie kaum noch einatmen konnte. Erst um halb drei Uhr früh zerfiel die Gruppe. Drohung, Erpressung, Bestechung. Dem Mann, der gegen das Kraftwerkprojekt war, war jedes Mittel recht, um sein Ziel zu erreichen. Während sich Jo müde und mit brennenden Augen ins Bett legte, festigte sich in ihm der Entschluß, mal mit Manolete Cortez ein ernstes Wort zu reden. Wer außer dem Großgrundbesitzer mit den vielen undurchsichtigen Geschäften konnte es sich leisten, hunderttausend Dollar springen zu lassen? Es hatte in diese Fall den ersten Toten gegeben. Jos Instinkt sagte ihm, daß das er der Auftakt war, wenn es ihm nicht gelang, den Drahtzieher all dieser Aktionen entschieden in die Schranken zu weisen.
* Clint Oliver feierte seinen privaten Triumph über Manolete Cortez in einer kleinen Cantina. Er schluckte dort eine ganze Menge Tequila, und jedermann, der Durst hatte, wurde von ihm zu einem Drink eingeladen. Soeben schlug er einem schmuddeligen Mexikaner auf die Sehulter und sagte lachend: "Dem hab' ich's gegeben, Junge. Du hättest mich sehen sollen, wie ich in Fahrt war. Der kam nicht einmal zum Luftholen. So etwas war noch nicht dagewesen. Bisher hat es noch keiner gewagt, sich so offen gegen ihn zu stellen, aber ich hab's getan, Freund. Zivilcourage nennt man das. Was ich ihm an den Schädel geworfen habe, wird er sich hinter den Spiegel stecken, mein Wort darauf. Und er wird sich's von nun an gründlich überlegen, ob er noch mal was unternimmt..." "Von wem sprichst du, Amigo?", wollte der Mexikaner wissen. Oliver griente. "Von einem ganz, ganz großen Stück Dreck. Sein Name tut nichts zur Sache. Was sind schon Namen? Nichts weiter als Schall und Rauch." Oliver klopfte mit der flachen Hand auf den zerkratzten Tresen und bestellte für sich und den Mexikaner einen weiteren Tequila. "So'n Sieg gehört gebührend gefeiert!", rief er. "So was passiert nämlich nicht alle Tage." Der dicke Wirt schob ihm die neu gefüllten Gläser zu. "Es ist zwar gegen meine Geschäftsinteressen, aber ich denke, Sie haben bereits genug, Senor Oliver. Ich möchte nicht, daß Sie morgen früh mit einem dicken Kopf erwachen und mich verfluchen, weil ich Ihnen so viel zu trinken gegeben habe." Clint legte dem Wirt grinsend die Hand auf den Arm. "Sie sind ein guter Mensch, Pablo. Ehrlich. Wie Sie um mich besorgt sind, ist einfach rührend." Der Wirt lächelte gütig. "Warum ist er nicht so wie Sie?", fragte Oliver. "Wen meinen Sie?" "Den Drecksack, von dem ich euch erzählt habe, meine ich. Wenn er so wäre wie Sie, gäb's für uns keine Probleme. Verdammt noch mal, wäre das herrlich." Oliver legte das Geld für die Schnäpse auf den Tresen, leerte sein Glas und verabschiedete sich dann grölend von den Anwesenden. Mit schwerer Schlagseite verließ er die Cantina. Die frische Luft, die ihn draußen in Empfang nahm, gab ihm den Rest. Die schmale Straße schaukelte unter seinen Füßen. Sie stieg mal vor ihm, mal hinter ihm hoch, als wolle sie ihn unbedingt zu Fall bringen. Er lehnte sich schnaufend an die Wand und schloß für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, fuhren die Häuser um ihn herum Karussell. Oliver nahm seinen schweren Copyright 2001 by readersplanet
Kopf in beide Hände und sagte mit lahmer Zunge: "Meine Güte, ist das ein Mordsrausch. Ist mindestens acht Jahre her, seit ich so was zum letzten Mal geliefert habe." Er stemmte sich von der Hausmauer ab und lief im Zickzackkurs nach Hause. Es war zum Glück nicht weit. Drei Minuten später stand er vor dem Haustor und brachte den Schlüssel nicht ins Schloß. Als er es endlich geschafft hatte, stolperte er in das Gebäude. Er schleppte sich bis zum Fahrstuhl, setzte sich in der Kabine auf den Boden und fuhr so bis zur sechsten Etage hinauf. Kurz darauf betrat er die Diele seiner Wohnung. Vor dem Wandspiegel blieb er grinsend und wankend stehen. Er betrachtete sich amüsiert und sagte zu seinem Spiegelbild: "Sieger! Du bist ein Sieger. Du hast Manolete Cortez deine Meinung gesagt und bist trotzdem immer noch am Leben. Ja, ja. Der Knabe hat in dir seinen Meister gefunden. Deine Unerschrockenheit hat ihn aus der Bahn geworfen. Damit hat er nicht gerechnet. Du kannst stolz auf dich sein, mein Junge..." Oliver torkelte weiter. Er begann sich umständlich auszuziehen, wollte noch duschen, bevor er unter die Decke kroch. Während er an den Knöpfen seines verschwitzten Hemds herumfummelte, schlich im Treppenhaus eine Gestalt die Stufen hoch. Odd Silva! Der personifizierte Tod. Bisher hatte Manolete Cortez keine Leichen haben wollen, deshalb hatte Silva lediglich Schreckschüsse abgegeben. Doch nun hatte der Killer von seinem Boß grünes Licht bekommen, was diesen sogleich veranlaßt hatte, in den nächsthöheren Gang zu schalten, und das war bei Gott kein Schongang mehr. Silva stammte aus Merida, der Hauptstadt des Bundesstaates Yukatan, die 1542 auf den Ruinen einer Mayastadt gegründet worden war. Er hatte mit sechzehn seinen ersten Mord begangen. Für Geld. Da hatte ein Fischer in Puerto Juarez gelebt, der mit seinem Partner nicht mehr klarkommen konnte. Odd Silva hatte die Sache prompt und zuverlässig erledigt. Der Partner seines Auftraggebers war vor den gefräßigen Mäulern der blutrünstigen Haie gelandet. Von diesem Tag an war das Killen für Silva zum Beruf geworden. Frauen, Männer, Kinder - niemand war vor ihm sicher, wenn die Kasse stimmte. Seine Auftraggeber wurden immer wohlhabender. Er verdiente von Job zu Job mehr. Seine zuverlässige Arbeit wurde für ihn in gewissen Kreisen alsbald zu einem Markenzeichen. Man schätzte und man fürchtete ihn. Ab und zu kam es sogar vor, daß er seine Auftraggeber umbrachte. Das geschah jedoch nur dann, wenn diese versuchten, ihn hereinzulegen. So etwas konnte ihm bei Manolete Cortez nicht passieren, deshalb arbeitete er nun schon seit geraumer Zeit nur noch für ihn. In gewisser Weise war Cortez ein Ehrenmann. Ein mündliches Versprechen war so gut wie ein Vertrag, der beglaubigt und besiegelt war. Und es war noch nie passiert, daß Manolete Cortez eine getroffene Vereinbarung nicht eingehalten hätte. Odd Silva arbeitete gern für diesen Mann. Eine Sache wie diese hier war für den Killer das reinste Kinderspiel. Er erreichte die Tür, die erst vor wenigen Augenblicken hinter Clint Oliver zugefallen war. Silva legte das Ohr auf das Holz und lauschte. Er hörte den Betrunkenen mit sich selbst sprechen. Mit einer fließenden Handbewegung holte er einen Dietrich aus der Hosentasche. Behutsam führte der Mörder das Metall ins Schlüsselloch. Nichts war davon zu hören. Silva suchte mit Gefühl die Schloßzunge. Als er sie mit dem Sperrhaken ertastet hatte, ließ er sie leise zur Seite schnappen. Vorsichtig drückte er auf die Klinke. Die Tür ließ sich lautlos öffnen. Silva steckte den Dietrich weg. In der Wohnung grunzte das Opfer. Odd Silvas Gesicht erstarrte zu einer Eismaske. Er hatte noch niemals Mitleid mit den Menschen gehabt, die von ihm getötet worden waren. Er war ein Schlächter. Geradezu erschreckend gefühllos. Copyright 2001 by readersplanet
Clint Oliver befand sich im Living-room. Odd Silva glitt in die Diele, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Er drückte die Tür sachte hinter sich zu. Olivers Hemd flatterte im Wohnzimmer zu Boden. Nun öffnete der Manager des Kraftwerkprojekts den Gürtel seiner Hosen. Beinahe wäre er hingefallen. Da die Hose nach unten rutschte, konnte er, als er die Balance verlor, keinen Schritt zur Seite machen. Er fing sich gerade noch an der Lehne eines Stuhls und strampelte das hinderliche Kleidungsstück mühsam fort. Indessen holte Odd Silva in der Diele aus seiner Jackettasche einen klobigen Schalldämpfer, den er auf den Lauf seiner Luger schraubte. Mit oft geübten Handgriffen geschah das. Wenige Drehungen nur. Dann saß der Schalldämpfer fest. Clint Oliver hakte die Daumen in den Gummirand seiner Unterhosen. Da alarmierte ihn plötzlich etwas. Obwohl sein Geist schwer benebelt war, kapierte er doch, daß er sich plötzlich in großer Gefahr befand. Er drehte sich verstört um und erblickte Odd Silva. Reglos stand de Killer im Türrahmen. Mit unbeweglicher Miene zielte er auf Clint Oliver. Der Manager des Kraftwerkprojekts stieß einen heiseren Schrei aus. Er begriff in diesem Moment - dem letzten in seinem Leben -, daß es ein Fehler gewesen war, Manolete Cortez herauszufordern und zu reizen. Er war schlagartig nüchtern. Gern hätte er das, was er getan hatte, ungeschehen gemacht, doch zu spät. Cortez' Todesengel war da, um reinen Tisch zu machen. Oliver wußte, daß es keinen Zweck mehr hatte, den Mann anzugreifen. Er tat es dennoch. Aber es war ihm nur ein einziger schneller Schritt gegönnt. Dann drückte der Killer eiskalt ab!
* Jemand klopfte ungestüm an die Tür. Jo Walker öffnete verwirrt die Augen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war halb sieben. Wenn man bedachte, wann er ins Bett gekommen war, hatte er ein Recht darauf, jetzt noch darin zu liegen. Die Sonne versuchte vergeblich, durch die Lamellenjalousie zu dringen. Es gelang nur einigen wenigen dünnen Strahlen, ins Zimmer zu kommen. Abermals wurde geklopft. Diesmal lauter. "Wer ist denn da?", fragte Jo verstimmt. "Ich bin es. Burke. Laß mich bitte rein, Jo." KX warf die Decke zurück und schlüpfte in seine Pantoffeln. Während er zur Tür ging, dehnte er seinen Rücken. Als er dann die Tür aufmachte, wußte er sofort, daß schon wieder etwas passiert war. Burke Bigger brauchte keinen Ton zu sagen. "Was ist es diesmal?", fragte Jo. Bigger trat ein. Seine geweiteten Augen waren starr auf Jo gerichtet. "Clint Oliver ist tot, Jo, und wenn ich sage, daß er tot ist, dann meine ich nicht, daß er an Herzschwäche gestorben ist oder von einem Lkw überrollt wurde. Der Mann ist ermordet worden. Ein Nachbar hat ihn heute morgen in seiner Wohnung gefunden. Mit einer Kugel, die ihm jemand genau zwischen die Augen geballert hat." "Hattest du für mich nichts leichter Verdauliches vor dem Frühstück?" "Zwei Tote, Jo. Innerhalb von zwölf Stunden. Die Sache spitzt sich zu. Was gedenkst du zu tun? Ich meine, wir können die Sache doch nicht so einfach auf sich beruhen lassen, oder? Auf diese Weise würden wir mitten in eine handfeste Katastrophe hineinschlittern. Ich bin dabei nicht so sehr um meine als um Leas Sicherheit besorgt..." Copyright 2001 by readersplanet
Jo nickte. Sein Mund war verkniffen. "Ich werde mit Cortez reden." "Was versprichst du dir davon?" "Er hat genug Geld, um Kelly zu kaufen. Er verfügt über Kontakte zur internationalen Unterwelt. Das heißt, daß er jederzeit auch einen zuverlässigen Killer für sich arbeiten lassen kann..." "Er wird das alles abstreiten. Du wirst ihm keinerlei Zusammenhänge nachweisen können, Jo." "Das ist richtig. Aber er wird nervös werden. Und ein Mann, der nervös ist, macht Fehler." "Du lässt dich da auf ein verdammt gefährliches Spiel ein, Jo." KX lächelte kurz. "Das weiß ich, Burke. Auf diese Weise verdiene ich mir seit einer Reihe von Jahren mein Geld."
* Während auf Yukatan weiterhin die Hitze lastete, fegte durch die Straßenschluchten von New York ein kalter, beißender Wind, der den Regen heftig vor sich herpeitschte. April Bondy war denkbar schlechter Laune, als eine Bö ihr Haar zerzauste und ihr die Regentropfen hart ins Gesicht klatschte. Sie war froh, in den Wolkenkratzer zu kommen, in dem sich Walkers Detektei befand. Schon im Fahrstuhl versuchte das Mädchen, seine Frisur wieder halbwegs in Ordnung zu bringen, und im Office ging dann eine halbe Stunde für weitere Restaurationsarbeiten auf. Es war ohnedies nicht viel los. Die paar Anrufe, die erledigt werden mußten, waren nicht so dringend. Der Brief an den Staatsanwalt eilte auch nicht so sehr, und mit der erst halb fertigen Spesenaufstellung hatte April bis zu Jos Rückkehr Zeit. Sie setzte sich seufzend an ihren Schreibtisch. Der Himmel war bleigrau. Die großen Regentropfen schlugen gegen die Fensterscheibe. April drehte sich mit dem Stuhl um und blickte mit gerümpfter Nase nach draußen. "Das sieht dem guten Jo mal wieder ähnlich. Während es hier in Strömen schüttet, läßt er sich auf Yukatan die Sonne auf den Bauch scheinen. Und mich nimmt er nicht mit." Ein Eilbote brachte einen Umschlag, der nicht für Jo Walker bestimmt war. Aprils Name stand darauf. Sie quittierte den Empfang und griff dann neugierig zum Brieföffner. Sobald der Umschlag offen war, rutschten dem Mädchen mehrere große Farbfotos entgegen. Die hübsche Volontärin war wie vom Donner gerührt. Was sie sah, empörte sie so sehr, daß sie keine Worte fand. "Das ist doch... Also das ist doch wirklich die Höhe!", rief sie schließlich entrüstet aus. Sechs gestochen scharfe Aufnahmen lagen vor ihr. Vermutlich mit einem Teleobjektiv geschossen. Die Bilder zeigten Jo Walker und diese verflixte Mabel Bond. Und was da im Bild festgehalten war, ließ April Bondys Blutdruck gefährlich steigen. "Ich habe ihn gewarnt!", zischte das Mädchen wütend. Immer wieder betrachtete sie die Aufnahmen. Jo und Mabel saßen auf einer Terrasse. Weit genug entfernt von New York! Aber jemand, der es gut mit April meinte, hatte ihr diese Bilder zugespielt, damit sie Kenntnis hatte von dem, was in Villahermosa lief. Mabel streichelte Jo zärtlich. Mabel beugte sich über Jo. Mabel küßte seine Stirn. "Oh!", fauchte April Bondy. "Dieser Schurke. Dieser Schürzenjäger! Wie kann er mir das nur antun?" Die junge Detektiv-Volontärin war nahe daran, vor Wut und Entrüstung zu zerspringen. Es war kein Geheimnis, daß Jo ihr nicht gleichgültig war. Und Aufnahmen. wie diese reichten, um sie auf die höchste Palme zu bringen. Sie nagte an ihren roten Fingernägeln. Gegen das, was in Villahermosa lief, mußte unbedingt etwas Copyright 2001 by readersplanet
unternommen werden. Aber was? April schielte nach dem Telefon. Ob sie Jo anrufen sollte? Er würde sie nach allen Regeln der Kunst belügen, der Halunke, Vielleicht würde er ihr sogar sagen, daß er sie vermisse. Das wäre zuviel für sie gewesen. Nein, anzurufen kam für April nicht in Frage. Nach Villahermosa fliegen, die beiden auf frischer Tat ertappen, das war schon eher nach Aprils Geschmack. Sie rief sofort den Flugplatz an und buchte einen Flug nach Villahermosa. Es funkelte aggressiv in ihren Augen. "Die beiden werden staunen!", sagte April triumphierend. Sie legte den Hörer in die Gabel, griff aber sofort wieder danach und rief Wilkie Lenning an. Er war zum Glück sofort am Apparat. "Lenning." "Hallo, Wilkie. Hier ist April." "Oh, wie geht's denn meiner kleinen Betschwester?" "Meinst du damit etwa mich?", fragte April ärgerlich. "Wen denn sonst." "Das kriegst du zurück, wenn ich mehr Zeit habe. Hör zu, Wilkie, ich brauche ganz dringend deine Hilfe. Du mußt mich hier vertreten. Jo ist in Mexiko. Er ist in Schwierigkeiten. Ich muß unbedingt sofort zu ihm..."
* In Jo Walkers Augen war Manolete Cortez ein schleimiger Bruder ohne Rückgrat. Ein Kerl, so glatt wie ein Aal, und deshalb verflixt schlecht in den Griff zu bekommen. Er überschlug sich förmlich vor Höflichkeit und bezeichnete es als eine Ehre, Mr. Jo Luis Walker, den bekanntesten Privatdetektiv von Amerikas Ostküste, auf seiner Hazienda begrüßen zu dürfen. "Ich habe weitreichende geschäftliche Verbindungen", erzählte Cortez im freundschaftlichen Plauderton. "Ein paar von meinen Geschäftsfreunden wohnen in New York. Von ihnen kenne ich Ihren Namen, Mr. Walker. Sie genießen einen ausgezeichneten Ruf. Daran mußten Sie gewiß hart arbeiten." "Das tu' ich immer noch", erwiderte Jo. "Oja, damit darf man natürlich niemals aufhören, denn nichts ist so schnell dahin wie der gute Ruf." "Sie sagen es." "Sie haben Mr. Burke Bigger hierher begleitet, wie ich den Zeitungen entnehme." "Ja, das stimmt." "Hat Mr. Bigger Sie als Leibwächter engagiert." "Burke ist ein guter Freund von mir. Seit man ihn damit beauftragt hat, das für den Kraftwerkbau erforderliche Gutachten auszuarbeiten, hat er einigen Ärger durchzustehen gehabt." "Tatsächlich? Weshalb denn?" "Jemandem liegt sehr viel daran, daß das Gutachten negativ ausfällt, damit das Projekt nicht realisiert wird." Manolete Cortez zuckte nicht einmal mit der Wimper. "Interessant", sagte der abgebrühte Halunke. "Ihre Aufgabe ist es nun, weiteren Ärger von Ihrem Freund fernzuhalten, nicht wahr?"
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"Sehr richtig", bestätigte Jo. "Und ich werde alles daransetzen, um meiner Aufgabe gerecht zu werden." "Davon bin ich überzeugt", sagte Cortez. "Das geplante Projekt bewegt hierzulande die Gemüter ziemlich heftig." "Auch das Ihre?", fragte Jo lauernd. "Nun, ich gebe zu; daß mich der Verlauf der Dinge, nicht kalt läßt. Schließlich habe ich damit ja unmittelbar zu tun." "Jemand in diesem Land würde es gern sehen, wenn mein Freund und sein Team auf eine handfeste Krise zusteuern würden, Mr. Cortez." "Mr. Bigger scheint keine allzu guten Nerven zu haben, wie mir scheint." "Sie wissen nicht zufällig, an wen ich mich halten soll, damit dieses ständige Querschießen endlich aufhört, Mr. Cortez?" Der Großgrundbesitzer lächelte nachsichtig. "Ich? Woher sollte ich das denn wissen, Mr. Walker." "War ja nur eine Frage", gab Jo trocken zurück. Er erhob sich. Manolete Cortez saß hinter seinem Schreibtisch. Er blickte zu Jo auf. Es war verblüffend, wie offen und ehrlich dieser gerissene Gauner dreinsehen konnte. "Sie wollen schon wieder gehen, Mr. Walker?" "Ich möchte meinen Freund nicht länger als unbedingt nötig allein lassen." "Wer sich unter Ihren persönlichen Schutz stellt, der ist bestimmt so sicher wie in Abrahams Schoß. Ich bedaure, daß Sie mir nicht mehr die Ehre geben, mit Ihnen ein Glas Portwein zu trinken." "Ein andermal vielleicht", sagte Jo. Seine Stimme war plötzlich granithart geworden. "Sollte meinem Freund nämlich in naher Zukunft etwas zustoßen, dann sehen wir beide uns wieder, Mr. Cortez!" Der Mexikaner erhob sich nun ebenfalls und lachte verhalten. "Donnerwetter, Mr. Walker, das hörte sich soeben beinahe wie eine Drohung an." Jo nickte grimmig. "Das war eine, Mr. Cortez. Und ich gebe Ihnen den dringenden Rat, sie zu beherzigen!"
* April Bondy hatte nur das Nötigste zusammengerafft. Es füllte die ochsblutfarbene Reisetasche nur halb aus. Ihr Aufenthalt in Villahermosa würde nur ein paar Tage dauern. Sie verließ mit den anderen Passagieren die Maschine der Aeromexico und gelangte nach einer kurzen Zollkontrolle in die Flughafenhalle, in der sich sogleich ein Mann auf ihre Reisetasche stürzte und wild drauflosplapperte. "Darf ich Ihnen behilflich sein, Miß..." "Die Tasche ist nicht schwer." "Ich kann es trotzdem nicht sehen, wenn eine so hübsche Frau wie Sie etwas trägt", sagte der Mexikaner. "Sie brauchen sicherlich ein Taxi. Ich bin zwar offiziell nicht zugelassen, aber was kann das Sie schon stören. Ich fahre Sie überall hin. Billiger sogar als ein richtiges Taxi. Und ich kenne mich in Villahermosa viel besser aus als diese Idioten, die es auf irgendeine krumme Tour geschafft haben, eine Taxikonzession zu bekommen." April fand den Mexikaner amüsant, deshalb ging sie mit ihm. Er erzählte ihr von seiner Frau und seinen acht Kindern und daß er nicht wüßte, woher er das Geld nehmen solle, das seine Familie verschlang.
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Ein geplagter Mann, der in seinem Leben schon viel durchgemacht zu haben schien. Dennoch voll sonnigen Gemüts. Einfach, aber nicht einfältig. Schlau und gerissen. Ein Schlitzohr, das es immer irgendwie schaffte, obenzubleiben, sosehr ihn der Lebensstrudel auch nach unten zu ziehen versuchte. Sein Wagen war ein schiefergrauer alter Mustang, dessen Motor abenteuerlich röhrte. Er stellte Aprils Reisetasche auf die Rücksitze. Das blonde Mädchen setzte sich neben ihn. "Wohin darf ich Sie bringen?", erkundigte sich der Mexikaner. "Leider wird es keine lange Fahrt", sagte April. "Ich möchte zum Hotel ,Greene'. Soviel ich weiß, ist das in der Nähe des Airports." "Tja, da kann man eben nichts machen. Jeden Tag fliegen einem die gebratenen Tauben nicht in den Mund. Ich bin trotzdem froh, Ihnen begegnet zu sein, Miß. Woher kommen Sie?" "Aus New York." "Große Stadt." "Viel zu groß. Manche Leute sagen, es ist der größte Misthaufen der Welt." "Ist es wirklich so schlimm?" "Man gewöhnt sich daran", sagte April, während der Mexikaner seinen Mustang in Fahrt brachte. "Ich war noch nie in New York", sagte er. "Es entgeht Ihnen nichts." Er grinste. "Sind dort alle Mädchen so hübsch wie Sie?" April lachte. "He, sagten Sie nicht vorhin, daß Sie verheiratet sind?" "Wenn eine Frau einmal acht Kinder hat, soll ihr Mann sie nicht mehr ansehen. Maria ist einfach zu fruchtbar, verstehen Sie." Die Fahrt war kurzweilig. Dem Mexikaner fielen immer wieder neue Gesprächsthemen ein. Nach einer Weile bekam April dann aber doch mit, daß hinter diesem Geplapper eine ganz bestimmte Absicht steckte. Der Bursche versuchte die Fahrt künstlich zu verlängern, damit mehr Geld für ihn herausschaute. Einige Zeit hatte April dafür Verständnis. Immerhin hatte der Mann - außer seinem - neun hungrige Mägen sattzukriegen. Aber was zuviel war, war dann schließlich doch zuviel. April wurde ernst. "Sagen Sie mal, wie lange wollen Sie mir noch die Gegend zeigen?", fragte sie energisch. "Wie bitte?" Er stellte sich dumm. "Das Hotel, zu dem Sie mich bringen sollen, befindet sich in der Nähe des Flugplatzes. Ich wette, ich wäre längst da, wenn ich zu Fuß gegangen wäre." "Oh, das stimmt nicht ganz, Miß..." "Vielleicht haben Sie die Orientierung verloren." "Miß", sagte der Mexikaner entrüstet. "Ich kenne mich in Villahermosa aus wie in meiner Westentasche." "Sie sollten meine Geduld nicht mehr länger auf die Probe stellen", warnte April den Mann. "Für ein bißchen Schummeln habe ich ja Verständnis. Was Sie sich aber erlauben..." "Wir sind gleich da, Miß. Wirklich. Sie müssen sich nicht aufregen. Ich liefere Sie schon an der richtigen Adresse ab." Zehn Minuten später stoppte der Mexikaner seinen Mustang vor einem schäbigen Bretterschuppen. "So", sagte er. "Da wären wir." April Bondy traute ihren Augen nicht. Verärgert blickte sie zu dem windschiefen Gebäude hinüber, das von Unkraut umwuchert war. "Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst!" stieß sie zornig hervor. Copyright 2001 by readersplanet
Sie wandte den Kopf um... und blickte in die Mündung einer Luger, die der Mexikaner auf sie gerichtet hatte...
* "Sagen Sie mal, was soll das?", fragte April Bondy wütend. "Endstation!", sagte der Mexikaner rauh. "Du steigst hier aus, Baby!" "Wer sind Sie?" "Ich bin der Mann, der dir die Fotos geschickt hat." Eine Falle!, schoß es April Bondy siedendheiß durch den Kopf. Du bist wie eine Anfängerin in eine Falle gegangen. "Walker macht sich hier unbeliebt", sagte der Mexikaner. Es war niemand anders als Odd Silva, der Todesbringer von Manolete Cortez. Er war stolz darauf, daß er seine Rolle vorhin so gut gespielt hatte. Mit einem hämischen Grinsen fuhr er fort: "Ich weiß über Walker sehr gut Bescheid. Mir ist auch bekannt, daß ihr beide viel füreinander übrig habt. Deshalb habe ich den Schnüffler vor dem Hotel mit Mabel Bond fotografiert und dir die Bilder zugespielt. Ich wußte, daß du dich in die nächste Maschine setzen und hierher kommen würdest. Walker ist eine schlaue Maus, die ich fangen möchte. Du bist der richtige Speck für mein Vorhaben, Süße. Hab' ich das nicht geschickt eingefädelt?" "Erwarten Sie lieber kein Lob von mir", sagte April aggressiv. "Es würde nicht nach Ihrem Geschmack ausfallen!" "Steig aus!", befahl Odd Silva scharf. April öffnete den Wagenschlag. "Keine Tricks!", warnte der Killer das Mädchen. "Ich würde nicht zögern, dich über den Haufen zu schießen." "Dann hätten Sie aber keinen Köder mehr." "Ich bin intelligent genug, um mir etwas Neues einfallen zu lassen", sagte Silva und stieg gleichzeitig mit April Bondy aus. Auf der Stirn des Mädchens glänzte ein Schweißfilm. Sie war wütend auf sich, weil sie sich so leicht übertölpeln lassen hatte. Aber woher hätte sie ahnen sollen, daß hier jemand für sie eine raffinierte Fall aufgebaut hatte? Sie blickte sich um. Der Bretterschuppen war weit und breit das einzige Gebäude. Ringsherum nur Gegend. Das Ende der Welt konnte nicht trostloser aussehen. Odd Silva kam um den Mustang herum. Er grinste schadenfroh. "Wie gefällt dir das Hotel?" "Jo wird Ihnen das zurückzahlen!" fauchte April wie eine Wildkatze. "Er wird dazu keine Gelegenheit haben", erwiderte Silva. "Los, Mädchen. Zur Hütte mit dir!" April setzte sich mit steifen Beinen in Bewegung. Sie dachte fieberhaft darüber nach, wie sie sich selbst aus dieser Klemme heraushelfen konnte. Wenn sie sich selbst nicht half, war der verfahrene Karren nicht mehr flottzukriegen. Sie ging dem Mexikaner nicht schnell genug. Er stieß ihr den Lauf seiner Pistole in den Rücken. "Nun mach schon!", sagte er ungeduldig. Der Stoß schmerzte. Aprils Wut überschwemmte ihre Vernunft. Würde er tatsächlich abdrücken, wenn sie sich jetzt blitzschnell umdrehte und ihn angriff? Sie wollte es darauf ankommen lassen, denn wenn sie sich erst einmal in diesem Bretterschuppen befand, würde sie kaum noch eine Chance haben, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Es mußte jetzt geschehen. Auf der Stelle. Mit einer verblüffenden Schnelligkeit wandte das Mädchen sich um. Aprils Handkanten trafen den Mexikaner zweimal. Die Luger fiel zu Boden. Odd Silva zerbiß einen derben Copyright 2001 by readersplanet
mexikanischen Fluch zwischen den Zähnen und massierte seinen schmerzenden Hals. April hetzte an ihm vorbei. Zurück zum Mustang. Sie riß die Fahrertür auf und ließ sich auf den Sitz fallen. Ihre Hand suchte den Startschlüssel. Die Finger griffen ins Leere. Odd Silva hatte den Schlüssel sicherheitshalber abgezogen. In weiser Voraussicht. April hörte den Killer knurrend neben sich lachen. Sie wandte ihm mit einem erschrockenen Ruck ihr Gesicht zu. Er stand vor ihr. Die Luger zielte auf ihren Lockenkopf. Sein Grinsen hatte etwas Teuflisches an sich. In der linken Hand hielt er den Startschlüssel, der an einer vernickelten Kette baumelte. Der Schlüssel, den April Bondy so dringend gebraucht hätte. "Das hast du dir so gedacht! Raus aus dem Wagen!", schnauzte Odd Silva das Mädchen an. Resignierend stieg April zum zweitenmal aus. "Du bist verdammt gut, Baby", knurrte der Killer. "Besser als ich angenommen habe. Ich hab' dich unterschätzt. Aber das passiert mir kein zweites Mal!" Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er schlug mit dem Handrücken zu. April wurde gegen den Mustang geworfen. Silva packte sie brutal, drehte ihr den Arm auf den Rücken und führte sie zu ihrem Gefängnis, wo sie bis auf weiteres zu bleiben gezwungen sein würde.
* Lea Bigger zündete sich eine Zigarette an. Sie stand am Fenster und blickte nach draußen. Burke war wegen Rennie Kelly und Clint Oliver im Polizeipräsidium. Wo Elliot Shuman und Mabel Bond waren, wußte die junge Frau nicht. Sie hatte auch keine Ahnung, daß Jo Walker zur Hazienda von Manolete Cortez gefahren war. Es sagte ihr ja keiner etwas. Ein wenig verdros-sen fragte sie sich, wozu sie überhaupt hierher mitgekommen war. Es klopfte. Lea wandte sich um. Sie drückte die eben erst angebrannte Zigarette im Aschenbecher aus und begab sich dann zur Tür. Sie machte auf. Zwei dunkelhaarige Männer standen auf dem Gang. "Ja, bitte?" sagte Lea Bigger. "Mrs. Bigger?" "Ja?" "Ich bin Capitano Jose Ogares, und das ist mein Assistent Julio Torres." Der Capitano wies sich kurz aus. Lea beachtete das Dokument kaum. Ihr Blick pendelte zwischen Ogares und Torres beunruhigt hin und her. Sie befürchtete, daß ihr die beiden nichts Gutes zu sagen hatten. "Ist etwas passiert?" preßte sie heiser hervor. Ogares senkte den Blick. "Leider ja. "Mi... mit meinem Mann?" fragte Lea erschrocken. Der Capitano nickte stumm. "Was ist mit Burke?" wollte Lea wissen. Die Beamten ließen sich Zeit. Lea hatte das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu stehen. "So reden Sie doch, Capitano!" sagte sie flehend. "Was ist mit meinem Mann?" "Er hatte einen Autounfall", antwortete Ogares. Er seufzte. "Ich will Sie nicht erschrecken, aber..." "Um Gottes willen! Ist es so schlimm?" Copyright 2001 by readersplanet
Jose Ogares hob die Schultern. Schwieg. "Wie ist es passiert?", fragte Lea hastig. "Ihr Mann wurde beim Verlassen des Präsidiums von einem Kleinbus erfaßt und..." "Er... er lebt doch, oder?", fiel die junge Frau dem Capitano bestürzt ins Wort. "Nun, vielleicht wird er einige Zeit im Krankenhaus bleiben müssen, aber sterben wird er nicht." Lea fiel ein Stein vom Herzen. "Dem Himmel sei Dank", sagte sie. "Wenn Sie zu ihm möchten..." "Ja", sagte Lea Bigger schnell. "Ja, natürlich." Sie fuhr sich mit einer nervösen Handbewegung durch das Haar. "Wir würden Sie zu ihm bringen." "Das wäre furchtbar nett von Ihnen", sagte Lea. Sie schaute sich um, überlegte, ob sie etwas mitnehmen sollte, schüttelte dann aber den Kopf und verließ die Suite. Irgend jemandem eine Nachricht zu hinterlassen hielt sie für überflüssig. Capitano Ogares und sein Assistent Julio Torres nahmen die junge Frau in ihre Mitte, als würden sie sie abführen. Auf dem Hotelparkplatz stand ein weißer Wagen. Lea kannte die Marke nicht. Es handelte sich jedenfalls um keinen Amerikaner. Jose Ogares öffnete die Fahrertür. Er war ein biederer Mann um die Vierzig, zur Dickleibigkeit neigend und stets ernst. Seine dunkelblaue Krawatte, um deren korrekten Sitz der Capitano ständig bemüht war, paßte nicht zu dem lindgrünen Stecktuch. Torres - ein Fuchsgesicht, drahtig, mit olivfarbener Haut - machte eine einladende Handbewegung, was zu bedeuten hatte, daß Lea sich neben den Capitano setzen solle. Die junge Frau stieg auf der Beifahrerseite ein. Torres schlüpfte in den Fond. Jose Ogares warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel, dann startete er den Motor und fuhr los. Lea glaubte, einen zufriedenen Ausdruck über sein Gesicht huschen zu sehen, doch sie redete sich sofort ein, daß sie sich geirrt haben müsse. Die Aufregung. Plötzlich war ein süßlicher Geruch im Wagen. Lea wollte sich erstaunt umdrehen, denn der Geruch kam von hinten. Da schnellte ihr mit einemmal etwas Weißes entgegen. Ein Wattebausch, getränkt mit Chloroform! Die weiche Watte legte sich auf Leas Mund und Nase. Gleichzeitig wurde ihr Kopf festgehalten, damit sie dem betäubenden Chloroform nicht entgehen konnte. Sie war geschockt. Die Polizei? Wandte hierzulande die Polizei solche Methoden an? Niemals! Diese Männer waren keine Polizisten. Verflixt, warum hatte sie sich die Ausweise der Männer nicht genauer angesehen? Das rächte sich nun bitter. Nicht atmen!, schoß es der jungen Frau durch den Kopf. Du darfst nicht atmen, sonst wirst du ohnmächtig! Sie hatte sich also doch nicht geirrt. Der Capitano, der keiner war, hatte vorhin tatsächlich zufrieden gegrinst. Er tat es schon wieder. Diesmal allerdings nicht mehr heimlich. Er brauchte nicht mehr zu befürchten, daß Lea vorzeitig mißtrauisch wurde. Nicht atmen! Wer kann das schon? Lea wurde die Luft immer knapper. Sie versuchte sich am Armaturenbrett festzuhalten. Sie wollte sich nach vorn ziehen, doch ihre Finger glitten von dem gerippten Plastik ab. Bald war kein Sauerstoff mehr in ihren Lungen. Sie mußte den nächsten Atemzug tun. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Verzweifelt unternahm sie noch eine letzte Anstrengung, freizukommen. Vergebens. Copyright 2001 by readersplanet
Und dann machte sie jenen Atemzug, der ihr die Besinnung raubte...
* Der Mann, dem das rechte Ohr fehlte, war für Jo Walker ein handfester Anhaltspunkt. Es erschien Kommissar X wenigstens den Versuch wert, nach dem Burschen zu suchen. Jo fand schnell heraus, in welcher Gegend von Villahermosa sich die üblen Typen am wohlsten fühlten, und da durchstreifte KX etliche Kneipen, Bars und Cantinas. Überall gab er eine genaue Beschreibung des Mannes, den er suchte. Er behauptete, er hätte einen Job für ihn, und er ließ dezent durchblicken, daß er sich einen guten Tip einiges kosten lassen würde. Mehrmals winkte er sogar offen mit den Scheinen. Das war die Holzhammermethode. Doch auch sie fruchtete nicht. Das Einohr blieb unauffindbar. Sein Name blieb unbekannt. Die letzte Kneipe. Bunte Holzperlen vor der Eingangstür. Dahinter Visagen, die sogar einen mutigen Mann zu Tode erschrecken konnten. Jo bestellte nichts. Er nahm den Wirt auf die Seite und sprach kurz mit ihm. Die Anwesenden warfen Jo mißtrauische Blicke zu. Er war ein Fremdkörper, und jedermann fragte sich, was er hier zu suchen hatte. Der graugesichtige Wirt schüttelte bestimmt den Kopf. "Der Mann, den Sie suchen, verkehrt bei mir nicht, Senor." "Fast hätte ich mir's gedacht", sagte Jo. "Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann." "Oh, das macht nichts. Sie sind nicht der erste, dem das leid tut. Ich werd' schon irgendwie darüber hinwegkommen." Jo verließ die Kneipe, in der es stank wie in einem Schweinestall. Er setzte sich in den Leih-Cadillac, den er sich organisiert hatte, um beweglich zu sein, und fuhr zum Hotel zurück. In der Halle kam ihm der gelackte Empfangschef entgegen. "Mr. Walker..." Jo blieb stehen. "Was kann ich für Sie tun?" "Da war ein Anruf für Sie..." "Wer?" "Eine Miß Bondy." "Und?" "Sie sagte, sie würde später noch mal anrufen." "Das soll sie lieber bleiben lassen", murmelte Jo in seinen imaginären Bart. "Die weiß wohl nicht, was das kostet - von New York nach Villahermosa." Zum Empfangschef sagte Jo laut und vernehmlich: "Vielen Dank für die Information." Er nickte dem Gelackten freundlich zu und steuerte auf den Fahrstuhl zu. Zehn Minuten später kam Aprils zweiter Anruf. Jo rauchte gerade eine Pall Mall und hatte die Beine auf dem Couchtisch liegen. Er griff mit einer lässigen Bewegung nach dem Hörer und meldete sich. "Walker." "Jo..." Unverkennbar Aprils Stimme. So deutlich, als würde das Mädchen nicht aus New York anrufen. Irgend etwas störte und beunruhigte Jo am Klang dieser Stimme. Da war ein zaghafter, deprimierter Ton drinnen. Ob zu Hause irgend etwas schiefgelaufen war? Bei April wäre so etwas möglich gewesen. Sie war zwar ein überdurchschnittlich gescheites Mädchen, aber sie schoß in ihrem Übereifer hin und wieder weit über das Ziel hinaus. "Jo, ich könnte mich ohrfeigen!", sagte April gepreßt. Copyright 2001 by readersplanet
"Was ist denn passiert?", fragte Jo sanft. "Ich habe keine Sekunde daran gedacht, daß das eine Falle sein könnte..." "Eine Falle?" fragte Jo unangenehm berührt. "Mädchen, spann mich nicht länger auf die Folter. Was ist geschehen "Ich bin hier, Jo. In Villahermosa. Dieser Gangster hat mich in seiner Gewalt!" Jo spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief. Er schluckte die Aufregung mühsam hinunter. Verflucht und zugenäht, was hatte April bewogen, hierher zu kommen? Ein frostiges Lachen drang plötzlich aus dem Hörer. Von diesem Moment an hatte Jo einen Mann an der Strippe. "Na, was sagen Sie dazu, Walker?", höhnte der Kerl. "Geben Sie mir noch mal April." "Nichts zu machen. Ihr habt genug geturtelt. Jetzt wird's ernst, mein Bester!" Jo war sicher, daß er mit dem Mexikaner sprach, dem das linke Ohr fehlte. Eine Zornwelle stieg ihm in den Kopf. April war seine Schwachstelle. Er war bereit, vieles einzustecken, ohne sich zu beklagen. Aber wenn sich jemand an April vergriff, ging ihm das an die Nieren. Er preßte wütend den Hörer an sein Ohr, während sein Herz schneller als sonst gegen die Rippen pochte. "Wie haben Sie April nach Villahermosa gelockt?", wollte Jo wissen. Der Gangster sagte es ihm nicht ohne Stolz. Jo knirschte mit den Zähnen. So einfach war das also gewesen. Weil bei April immer der Verstand aushakte, wenn sie ein attraktives Mädchen in seiner Nähe wußte! Jo mußte sich mit den Gegebenheiten abfinden. Was geschehen war, war nicht mehr ungeschehen zu machen. Jo konnte nur noch versuchen, das Beste aus der Sache herauszuholen. Dazu gehörte vor allem, daß er sich friedlich und verhandlungsbereit zeigte. Der Kerl war nicht an April, sondern an ihm interessiert. Okay, Jo wollte sich ihm zur Verfügung stellen. Dafür mußte April aber die Freiheit zurückkriegen: "Wie soll's nun weitergehen?", erkundigte sich Kommissar X grimmig. "Ich stelle mir vor, daß Sie starkes Interesse daran haben, April Bondy gesund wiederzusehen, Mr. Walker" "Mann, wenn Sie dem Mädchen auch nur ein Haar krümmen...!", brauste Jo auf, doch er bremste sich sofort wieder und keuchte: "Sie haben mich in der Hand." "Freut mich, daß Sie das einsehen." "Was verlangen Sie von mir?" "Kommen Sie zum nördlichen Stadtrand von Villahermosa. Wählen Sie die Straße, die nach Frontera führt." "Okay. Und wo genau soll ich hinkommen?", fragte Jo ungeduldig. "Kurz vor der Stadtgrenze gibt es rechter Hand einen großen Baustofflagerplatz. Sie können ihn nicht übersehen..." "Wird April dasein?", fiel Jo dem Verbrecher ins Wort. "Selbstverständlich." "Dann fahr' ich jetzt gleich los." "Kommen Sie allein!", verlangte der Killer. "Und zu niemandem ein Wort! Sonst stirbt das Mädchen!" "Gut", sagte Jo mit zusammengezogenen Brauen. "Ich werde mich an Ihre Spielregeln halten!" KX verließ das Hotel in großer Eile. Er setzte sich in seinen Cadillac und lenkte das Fahrzeug zur nördlichen Stadtausfahrt. Ein paar Wegweiser halfen ihm, die richtige Straße zu finden.
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Und dann kam der Baustofflagerplatz in Sicht. Jo hatte sofort ein flaues Gefühl im Magen. Dort wurde April festgehalten. Jo fragte sich, wie es dem Mädchen ging. Wenn sie einen Fluchtversuch unternommen hatte - und wenn dieser Fluchtversuch schiefgegangen war-, lebte sie vielleicht schon nicht mehr. Der Kerl brauchte sie nicht mehr. Er hatte sie als Lockvogel verwendet. Sie hatte die ihr zugedachte Aufgabe erfüllt. Nun war sie nutzlos. Ballast. Möglicherweise hatte sich der Mexikaner dieses Ballastes bereits erledigt. Um Jos Hals legte sich eine unsichtbare Hand und drückte kräftig zu. Sein Atem ging schnell. Wenn April etwas zugestoßen war, dann... Er zwang sich, nicht mehr daran zu denken. Es lenkte ihn zu sehr ab. Er mußte sich jetzt voll auf den Gegner konzentrieren, der nirgendwo zu erblicken war. Jos Auge streifte über das weite Gelände. Baustoffe aller Art wurden hier gelagert. Dahinter erhob sich ein kantiger grauer Lagerschuppen mit Flachdach. Jo ließ den Mietwagen vor einem breiten, offenen Tor ausrollen. Bevor er ausstieg, prüfte er den Sitz seiner Automatic, die ihm hier wahrscheinlich nicht viel nützen würde. Dennoch hoffte Kommissar X, die Waffe gegen den hinterlistigen Mexikaner einsetzen zu können. Er stieß die Tür auf und setzte seinen Fuß auf den staubigen Boden. Die Sonne stand wie ein Glutball am Himmel und trieb Jo den Schweiß auf die Stirn. Er kniff wegen des grellen Lichts die Augen zusammen und setzte sich langsam in Bewegung. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt. Irgendwo zwischen diesen Baustofftürmen lauerte die Gefahr. Möglicherweise entschieden die nächsten Minuten schon über Leben und Tod. Jos Miene war unbeweglich. Nur seine Augen waren ständig auf der Suche. Vielleicht verriet sich der Kerl durch seinen Schatten. Jo lauschte. Es war kein Geräusch zu hören. Bestimmt wußte der Gangster längst, daß Jo eingetroffen war. Vermutlich beobachtete der Mexikaner ihn bereits. Der Mann war Jo gegenüber im Vorteil. KX hatte noch keine Ahnung, wo der Bursche steckte. Und wo war April? Der Verbrecher hatte gesagt, sie würde ebenfalls hier sein. Wo war sie? Ein leises Knirschen ließ Jo blitzschnell herumfahren. Reflexhaft zog er die Automatic. Niemand war zu sehen. Jo versuchte sich wieder zu entspannen. Er richtete sich aufatmend auf und setzte seinen Weg durch die Straße, die die gelagerten Baustoffe bildeten, fort. Zwischen zwei breiten Ziegelblocks war ein Blick bis zum Lagerschuppen möglich. Jo merkte, wie sich ganz plötzlich seine Kopfhaut zusammenzog. Seine Augen weiteten sich. Er hatte April gefunden! An der grauen Lagerhauswand war eine schmale Eisenleiter befestigt, die zum Flachdach des Gebäudes hinaufführte, und an diese Leiter hatte der Gangster das Mädchen gebunden. Ihre Beine waren an die unterste Sprosse gefesselt. Sie stand mit hochgehobenen Armen da. Um ihre Handgelenke waren widerstandsfähige Stricke gewunden, die an der Leiter festgeknotet waren. Das Mädchen sah blaß und verzweifelt aus. Aprils blondes Haar war zerzaust. Ihre Kleidung war in Unordnung geraten. Die Fesseln spannten ihren schlanken Körper so sehr, daß sie sich nicht bewegen konnte. Als sie Jo sah, senkte sie besorgt den Blick. "Jo", stieß sie erschöpft hervor. Die Sonne hatte ihren Mund ausgetrocknet. Durst quälte sie. "Jo, komm nicht näher. Er wartet hier irgendwo auf dich!" Jo konnte nicht mit ansehen, wie das Mädchen litt. Mit schnellen Schritten ging er auf April zu. "Jo!", rief sie verzweifelt. "Bleib, wo du bist! Er will dich umbringen!" "Halt, Walker!", rief in diesem Augenblick plötzlich eine. beinharte Stimme.
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Jo richtete sich nach dem Schall. Er drehte sich hastig um und hob die Automatic. Da krachte ein Schuß. Die Kugel des Gangsters bohrte sich vor Walkers Schuhspitzen in den Boden. Sand wirbelte auf. Der Schuß war von schräg oben abgefeuert worden. Jetzt sah Kommissar X den Mexikaner wieder. Der Mann stand auf dem Ziegelturm, und seine Luger wies auf Jo. "Lassen Sie die Waffe fallen!", befahl der Killer schneidend. "Werden Sie April freilassen?" fragte Jo eiskalt. "Aber sicher. Ich hab' ja jetzt Sie. An dem Mädchen bin ich nicht mehr interessiert. Werfen Sie die Kanone weg, sonst sitzt meine nächste Kugel mitten in Ihrem Leben, Walker!" Jo zögerte. "Und dann mache ich auch das Mädchen kalt!", sagte Odd Silva gedehnt. Jos Finger ließen die Waffe los Die Automatic fiel zu Boden. Silva gab Jo zu verstehen, daß er vier Schritte zurückgehen solle. Erst als Jo das getan hatte, kletterte der Killer von dem Ziegelblock herunter. Triumph glitzerte in den Augen des Mexikaners. "Jetzt hab' ich dich, KX!", knurrte er ganz hinten in der Kehle. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich auf diesen Augenblick gewartet habe. Es hat mich die ganze Zeit über interessiert, wer von uns beiden der bessere Mann sein würde. Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, daß ich so leicht mit dir fertigwerden würde." "Du bist mit mir noch nicht fertig!", sagte Jo gelassen. Odd Silva grinste schief. "Aber es wird nicht mehr lange dauern. Wie du siehst, versteht Odd Silva sein Handwerk besser als du das deine. Mach dir nichts draus, KX. Jeder findet irgendwann mal seinen Meister." Der Killer kam vorsichtig näher. Er hielt die Waffe weiterhin schußbereit in der Hand. Soeben erreichte er Jos Automatic. Er schob sie mit dem Fuß zur Seite. Aber er ließ Kommissar X dabei keinen Moment aus den Augen. Er wußte, wie gefährlich Jo war. Ihm war bekannt, daß Kommissar X selbst aus der kleinsten Chance noch etwas machen konnte. Deshalb durfte Jo Walker eine solche Chance nicht geboten bekommen. Silva fletschte die Zähne. Er musterte Jo verächtlich. "Du bist bloß halb so gut wie man behauptet, Walker" Jo überging den beißenden Spott. Im Augenblick gab es für ihn keine Möglichkeit, dem Kerl das Gegenteil zu beweisen. Aber Jo hoffte, daß sich in den nächsten Minuten daran etwas ändern würde. April Bondy seufzte geplagt. Jo hatte den Wunsch, sie loszubinden, doch Odd Silva hätte das nicht zugelassen. Der Mann, dem das linke Ohr fehlte, hätte seinen Willen mit einer schnellen Kugel durchgesetzt. Es war nicht ratsam, ihn in dieser kritischen Situation zu provozieren, deshalb gab Jo sich den Anschein, als würde er sich mit dem unvermeidlichen Schicksal abfinden. "Für wen schwingst du die Kanone, Silva?" fragte Kommissar X den Mexikaner. "Für Manolete Cortez?" Grinsend nickte der Mann. "Wie bist du nur so schnell darauf gekommen, he?" "Clint Oliver. Geht der auch auf dein Konto?" "Erraten, KX. Der Bursche ging dem Boß auf die Nerven. Er machte ebensoviel Wind wie du, Walker, deshalb mußte er die lange Reise nach drüben antreten. Er hatte die Vermessenheit, Cortez offen zu drohen. Du hast das ebenfalls getan. Deshalb werde ich auch dich ins Jenseits befördern. Und sie wird dir folgen!" Odd Silva wies auf April. Er lachte gemein. "Oder dachtest du wirklich, ich würde die Puppe laufenlassen? Sie weiß zu viel. Ihr Wissen könnte Cortez und mir schaden. Deshalb werde ich dafür - weil ich ein gründlicher Mensch bin - sorgen, daß sie nicht mehr plappern kann."
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Jo hatte das befürchtet. Er hatte mit einemmal eiskalte Hände. Seine und Aprils Lage war schlimmer, als er befürchtet hatte, und im Moment sah es nicht danach aus, als ob Silva einen Fehler machen würde. "Was geschieht, wenn du uns beide erledigt hast?", fragte Jo. Er zwang sich, seine Stimme unerschrocken klingen zu lassen. "Dann hat Burke Bigger keinen Schutzengel mehr", sagte Odd Silva grinsend. "Er wird sein Gutachten selbst dann nicht fälschen", behauptete Jo. "Laß das mal unsere Sorge sein, Walker. Ich kann dir versichern, daß Bigger noch heute, bei Sonnenuntergang, so klein wie ein Gartenzwerg sein wird." "Das schafft ihr nie!" "O doch. Aber du wirst zu diesem Zeitpunkt nicht mehr leben." Odd Silva richtete seine Luger auf Jos Herz. "Jo!", stieß April Bondy entsetzt hervor. "Jo, es tut mir so leid, daß ich uns in diese Lage gebracht habe." "Vergiß es, April", erwiderte Kommissar X ruhig. "Wir machen alle mal einen Fehler." "Dreh dich um, KX!", verlangte der Killer. "Oder ist es dir lieber, wenn ich dich vor den Augen deiner Sekretärin abknipse?" Jo machte auf den Hacken kehrt. Silva näherte sich ihm. Jo hörte die knirschenden Schritte des gefährlichen Mörders. Der Mann hatte nach wie vor alle Trümpfe in der Hand. Es war wie verhext. Silva bohrte Jo die Luger in den Rücken. "Vorwärts!", befahl er schroff. Jo bewegte sich. Er bog mit dem Killer um die Ecke. "Jo!", schluchzte April, und sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Aber er konnte nichts tun. Er mußte weitergehen. Odd Silva stieß ihn auf eine Tür zu. "Aufmachen!" Jo öffnete die Tür. Wieder bekam er von dem Killer einen derben Stoß. Er wankte in den Lagerschuppen, mußte vor einer in den Boden eingelassenen Klappe stehenbleiben. "Da geht es in den Keller hinunter", erklärte der Mexikaner. "Du machst jetzt die Klappe ganz langsam auf, hörst du?" "Und dann?", fragte Jo, ohne sich umzudrehen. "Dann", sagte der Killer frostig, "kriegst du das, was dir zusteht!" Jo bekam bei diesen Worten die Gänsehaut. Silva bluffte bestimmt nicht. Der machte wahr, was er soeben angekündigt hatte. Jo bückte sich. In spätestens sechzig Sekunden würde alles vorbei sein, wenn er nicht... Er mußte es wagen! In Jos Wadenholster steckte die kleine Derringer-Pistole. Wie hatte Jo vorhin gesagt? Wir machen alle mal einen Fehler. Odd Silva war der Meinung, keinen solchen begangen zu haben. Und doch war es sein Fehler gewesen, Jo nicht nach weiteren Waffen abzutasten. Vielleicht war das die winzige Chance, die Kommissar X brauchte, um sein und April Bondys Leben zu retten. Während er mit der linken Hand nach dem rostigen Eisenring griff, an dem er die Klappe hochziehen mußte, streifte seine rechte Hand behutsam das Hosenbein nach oben. "Schlaf nicht ein!", blaffte der Killer hinter Jo. "Mach endlich die Klappe auf!" Jo zog den Deckel hoch. Die Derringer glitt in seine Hand, ohne daß Odd Silva es mitbekam. Jo versetzte dem schweren Holzdeckel einen kräftigen Stoß. Es gab einen donnernden Knall, als der Deckel zu Boden fiel, und dann war die Luke offen.
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Wie der riesige Rachen eines gefährlichen Raubtiers gähnte die Öffnung Kommissar X entgegen. Jo wußte, daß er nun keine Sekunde mehr vergeuden durfte. Mit der Derringer in der Hand hechtete er sich zur Seite. Er drehte sich in der Luft um die eigene Achse und drückte gleichzeitig mit Odd Silva ab. Die Kugel des Killers strich haarscharf an seiner Wange vorbei, während sein Projektil den Mann tödlich traf. Ein heftiger Ruck ging durch Odd Silvas Körper. Augenblicklich verließ ihn die Kraft. Er konnte die Luger nicht mehr halten. Ungläubig starrte er auf das Loch in seinem Hemd. Er. konnte nicht fassen, daß es Kommissar X doch noch geschafft hatte. Verbissen versuchte er, auf den Beinen zu bleiben. Er schwankte wie ein Halm im Wind, und einen Augenblick später kippte er mit einem langen Seufzer nach vorn. Er fiel in den Keller. Dorthin, wohin er Jo Walker befördern wollte...
* April Bondy stand von dem Moment an, als die Schüsse im Lagerschuppen fielen, eine bange Zeit durch. Zwei Waffen hatten geknallt. Die eine war unverkennbar Jos kleine Derringer-Pistole gewesen. Ein Glück, daß Jo auf die Waffe, die er nicht immer bei sich trug, diesmal nicht verzichtet hatte. Sie konnte ihm das Leben gerettet haben... April vernahm Schritte. Sie wandte gespannt den Kopf. Mit banger Miene wartete sie. Wer würde jetzt gleich um die Ecke biegen? Jo? Das bedeutete Leben für sie. Silva? Das bedeutete Tod! Es war Jo. Ihr fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. Sie lachte, während ihr glitzernde Tränen über die Wangen rollten. "Jo!", rief sie mit erstickter Stimme. "Jo, ich wußte, daß er dir nicht gewachsen sein würde." Kommissar X befreite das Mädchen von den Fesseln. "Alles okay, April?" "Was auch passiert ist, ich hab's schon vergessen", sagte das blonde Girl. Sie legte Jo die Arme um den Nacken und küßte ihn glücklich. "O Jo. Ich habe mich wie eine dumme Gans benommen. Diese Fotos, die dich mit Mabel Bond zeigten, machten mich so wütend, daß ich den Verstand verlor." "Würde es dich beruhigen, wenn ich dir sagte, daß zwischen Mabel und mir nichts vorgefallen ist?" "Wenn es wahr ist - ja." "Es ist wahr", sagte Jo. Er hob seine Automatic auf, reinigte sie vom Staub und schob sie in die Schulterhalfter. April blickte über die Schulter zurück. "Ist Odd Silva..." "Für den kann keiner mehr etwas tun", sagte Jo ernst. Er haßte es, einen Menschen zu töten. Selbst dann, wenn es sich um einen Kerl wie Silva handelte. Aber der Killer hatte ihm keine andere Wahl gelassen... Sie verließen den Lagerplatz, setzten sich in den Cadillac, und Jo fuhr zum Hotel zurück. Bereits in der Halle lief ihnen Burke Bigger mit kreidebleichem Gesicht entgegen. "Jo! Endlich! Wo hast du so lange gesteckt?", preßte Bigger nervös hervor. Daß April neben dem Detektiv stand, bekam der Geologe gar nicht richtig mit. "Ich war verhindert", sagte Jo. "Es... es ist während deiner Abwesenheit etwas Furchtbares passiert, Jo!" "Was?", fragte Kommissar X schnell. "Lea wurde entführt. Mein Gott, Jo, sie haben Lea!"
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Jo erinnerte sich an das, was Odd Silva gesagt hatte: Bis zum Sonnenuntergang würde Burke Bigger so klein wie ein Gartenzwerg sein. Es gab nur eine Möglichkeit, Bigger in die Knie zu zwingen: Man mußte sich an seine Frau halten, und genau das war auf Manolete Cortez' Veranlassung hin geschehen. Burke Bigger fuhr mit blecherner Stimme fort, während er auf seine Schuhspitzen starrte: "Jetzt haben sie mich in der Hand, Jo. Nun bleibt mir keine andere Wahl mehr. Ich werde das Gutachten revidieren. Sie haben gewonnen, daran läßt sich nun nichts mehr ändern." "Warte noch mit dem Überarbeiten des Gutachtens, Burke", sagte Jo. "Das kann ich nicht. Sie haben mich angerufen. Sie haben mir gesagt, daß sich Lea in ihrer Gewalt befindet. Sie machen alles Weitere von der morgigen Fernsehsendung abhängig. Wenn mein Bericht nicht in ihrem Sinn ausfällt, sehe ich Lea nicht mehr lebend wieder. Jo, die machen damit keinen Spaß. Die meinen es verdammt ernst! Ich will Lea nicht verlieren! Ich liebe meine Frau! Soll doch dieses verdammte Kraftwerkprojekt, das so vielen Menschen Unglück gebracht hat, der Teufel holen. Ich bin nicht bereit, dafür das Leben meiner Frau zu opfern!" Jo legte dem verbitterten Freund die Hand auf den Arm. "Das brauchst du nicht, Burke. Gib mir zwei Stunden..." "Wozu?" "Ich bin vor wenigen Augenblicken erst mit dem Killer von Manolete Cortez zusammengeraten." Bigger riß die Augen auf. "Ist das wahr?" "Der Kerl hat April nach Villahermosa gelockt. um mich zu kriegen. Er wollte uns beide umlegen, aber die Geschichte ging nach hinten los, und nun lebt der Killer nicht mehr. Er war so zuversichtlich, daß ich ins Gras beißen würde, daß er mir freimütig bestätigte, Cortez wäre sein Boß." "Hat er dir auch gesagt, wohin sie Lea verschleppt haben?", fragte Bigger, sofort wieder hoffend. "Das hat er nicht getan", antwortete Jo. "Aber das erfahre ich ganz bestimmt von Manolete Cortez." "Er wird alles abstreiten." "Laß mich nur machen", sagte Jo. Er wandte sich an April. "Kümmere dich inzwischen um Burke. Ich komme so bald wie möglich zurück. Und Lea wird bei mir sein. Unversehrt!"
* Als sich die Tür öffnete, trat Jo mit dem Fuß kräftig dagegen. Cortez' Diener stieß einen heiseren Schrei aus. Die Tür hatte ihn voll getroffen und schleuderte ihn anschließend mit großer Wucht gegen die Wand. Bevor der Bursche sich wieder sammeln konnte, eilte Kommissar X an ihm vorbei. Er fand Manolete Cortez in seinem Arbeitszimmer. Der Großgrundbesitzer verlor seine gesunde Gesichtsfarbe. "Mr. Walker!", stieß er verdattert hervor. "Ich sagte, daß ich wiederkommen würde, Cortez!" Der Mexikaner sprang verwirrt auf. "Was hat dieser Schmierenauftritt zu bedeuten?" "Ich hatte eine Begegnung mit Ihrem Killer Odd Silva", sagte Jo beißend. "Der Mann hatte von Ihnen den Auftrag, mich aus dem Verkehr zu ziehen." "Hat er das gesagt?", fragte Cortez entrüstet. "Ja, das hat er." "Er ist ein unverschämter Lügner!", schrie Cortez aufgebracht. Copyright 2001 by readersplanet
"Das war er. Er lebt nicht mehr!", sagte Jo mit finsterer Miene. In diesem Augenblick kam Cortez' Diener mit zornrotem Gesicht in den Raum. Er stürzte sich auf Jo, wollte KX mit seinen eisenharten Fäusten für das bestrafen, was dieser ihm angetan hatte. Da, wo ihn die Tür getroffen hatte, verlief ein roter Strich senkrecht über sein wutverzerrtes Gesicht. Er drosch mit großer Wucht zu. Doch Jo bekam im Handumdrehen heraus, wo der Mann seine Schwachstelle hatte. Mehrmals wich KX den schweren Schlägen geschickt aus. Da der Diener nicht viel von guter Deckung hielt, trafen Jos Konterschläge den Burschen recht schmerzhaft. Nur zweimal bekam der Diener ganz kurz Oberwasser. Dann hatte Kommissar X seinen Gegner so gut im Griff, daß ihm nichts mehr passieren konnte. Ein harter Schwinger holte den Mann von den Beinen. Als sich der Diener noch einmal verbissen hochkämpfte, gab ihm Jo mit einem rasant hochgezogenen Aufwärtshaken den Rest. Danach war von dem Kerl nichts mehr zu befürchten. Jo wollte sich sofort wieder des Großgrundbesitzers annehmen, doch Manolete Cortez hatte es vorgezogen, die günstige Gelegenheit zu nützen, und Fersengeld zu geben, während Jo mit dem Diener beschäftigt war. Jo rannte aus der Hazienda. Cortez durfte auf keinen Fall entkommen. Ein Motor heulte auf. Jo sah einen schwarzen Wagen davonrasen. Er setzte sich unverzüglich in seinen Cadillac und folgte der schwarzen Limousine. Manolete Cortez fuhr wie der Teufel. Jo holte dennoch auf der kurvenreichen Straße auf. Er hatte die bessere Technik. Als er nahe genug an den schwarzen Wagen herangekommen war, lenkte er den Caddy nur noch mit einer Hand. In der anderen hielt er die Automatic. Er beugte sich zum Seitenfenster hinaus. Der Fahrtwind nahm ihm den Atem und zerzauste sein Haar. Er gab kurz hintereinander mehrere Schüsse ab. Plötzlich begann der schwarze Wagen wie verrückt zu tanzen. Das Heck schleuderte nach links. Cortez' Fahrzeug schlitterte mehrere Meter quergestellt über die Fahrbahn, wurde dann wie von einer riesigen unsichtbaren Faust hochgehoben, wodurch es sich mehrmals überschlug und schließlich auf dem Dach liegenblieb. Wie durch ein Wunder überstand Cortez diesen Unfall ohne den geringsten Kratzer. Er kroch auf allen vieren aus dem Wagen und eröffnete auf Jo, der aus seinem Fahrzeug sprang, das Feuer. Kommissar X warf sich auf den Boden und schoß zurück. Manolete Cortez lief über einen breiten Wiesenstreifen auf einen flachen Reihenhausrohbau zu und verschwand darin. Als Jo den Rohbau erreichte, rief er: "Cortez, geben Sie auf! Jeder weitere Widerstand ist sinnlos! Werfen Sie die Waffe weg und kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!" "Das würde Ihnen so passen!", kreischte der Großgrundbesitzer. "Mann, zwingen Sie mich nicht, auf Sie zu schießen!" "Wenn Sie mich kriegen wollen, müssen Sie mich schon holen, Walker." "Das werde ich. Aber es wäre vernünftiger, die Sache ohne Kanonen zu regeln." "Das können Sie sich aus dem Kopf schlagen. Ich trenne mich von meiner Waffe erst, wenn Sie tot sind!" "Zum letztenmal, Cortez. Geben Sie auf und sagen Sie mir, wo ich Lea Bigger finde!" Der Großgrundbesitzer kümmerte sich nicht weiter um Jos Aufforderung. KX hörte, wie der Mann mit schnellen Schritten den Keller durchquerte. Jo folgte den Geräuschen. Er fand einen Eingang und eine Treppe, die noch kein Geländer hatte. Immer zwei Stufen nehmend, hastete Jo nach unten. Er sah Cortez auf die Treppe des Nachbarhauses zueilen. "Cortez!", schrie Kommissar X mit stahlharter Stimme. Copyright 2001 by readersplanet
Seine Waffe war auf den Mann gerichtet. Manolete Cortez war so verrückt, anzunehmen, daß er noch eine Chance hatte. Er zuckte herum und feuerte. Jo drückte ebenfalls ab. Cortez' Kugel, zu überstürzt abgefeuert, bohrte sich zwei Meter neben Jo in einen der rauhen Schalsteine, während Jos Geschoß den Groß-rundbesitzer gegen die Wand stieß und zu Boden warf. Cortez verlor seine Waffe. Jo eilte auf den Mann zu. Seine Automatic war sicherheitshalber auf den Verletzten gerichtet. Cortez verstand das falsch. Er schüttelte entsetzt den Kopf. Seine Augen waren furchtvoll aufgerissen. Er glaubte, Jo würde ihn nun mit einer zweiten Kugel erledigen. "Nicht schießen!", schrie er verstört. Sein Schrei hallte durch den Keller. "Bitte, Walker! Nicht schießen!" "Wo ist Lea?", fragte Jo. Er nützte den Schock des Mannes sofort aus. "Zwei meiner Männer haben sie in ein Landhaus gebracht." "Ich hoffe, der Frau geht es noch gut." "Sie ist unversehrt." "Wo steht das Landhaus, in dem sie festgehalten wird?" "Drei Kilometer von der Stadtgrenze von Villahermosa entfernt. An der Straße nach Cardenas." "Leicht zu finden?", fragte Jo. "Ja. Es ist das einzige Haus weit und breit." "Lassen Sie sehen, wie schlimm Ihre Verletzung ist", sagte Jo. Er nahm Cortez' Waffe an sich und untersuchte den Mann. "Sie haben großes Glück gehabt", murmelte Jo. "Ich habe Sie gewarnt, aber Sie wollten nicht auf mich hören." Blut tränkte das Hemd des Mexikaners. "Ich habe furchtbare Schmerzen, Mr. Walker..." "Sie sind trotzdem besser dran als Odd Silva. Bleiben Sie hier sitzen. Bewegen Sie sich so wenig wie möglich..." Cortez blickte Jo erschrocken an. "Sie haben doch nicht etwa vor, mich hier allein zu lassen." "Doch." "Das können Sie nicht tun. Ich verblute. Ich brauche dringend einen Arzt." "Sie werden einen Arzt kriegen. Mein Cadillac ist mit einem Autotelefon ausgerüstet. In längstens zehn Minuten sind ein Krankenwagen und die Polizei hier. Sie können sich darauf verlassen."
* Es waren wirklich nur zwei Männer, die auf Lea Bigger aufpaßten. Jo schlich um das Landhaus herum, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Er hatte Lea bereits entdeckt. Sie war auf einem Stuhl gefesselt. Die Kerle hatten sie geknebelt, um von ihr Ruhe zu haben. Mit rotge-weinten Augen sah die junge Frau ihrem ungewissen Schicksal entgegen. Jo hob einen Stein auf und kratzte damit über das Fensterbrett. Der kräftigere Gangster hob sofort beunruhigt den Kopf. "Hast du das gehört?", fragte er seinen Gefährten auf spanisch. Der andere, der sich Lea Bigger gegenüber als Julio Torres ausgegeben hatte, zuckte mit den Schultern. "Kein Grund, nervös zu sein." "Was war das?" "Was weiß ich. Ist nicht wichtig."
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"Für mich schon. Ich möchte keine unliebsame Überraschung erleben", sagte der Bursche, der als Capitano Jose Ogares aufgetreten war. Er erhob sich, schob die Zeitung zurück, in der er gelesen hatte, und meinte: "Ich seh' draußen mal nach dem Rechten." "Tu, was du nicht lassen kannst", erwiderte der andere gleichmütig. Er pulkte mit dem Taschenmesser weiter seine Fingernägel. Der falsche Capitano kam aus dem Haus. Jo hatte sich hinter einen wild wuchernden Strauch zurückgezogen und wartete. Der Mexikaner angelte einen Colt Peacemaker aus dem Hosenbund und begann seinen Rundgang. Wachsam kam er auf das Gebüsch zu, hinter dem Kommissar X - zusammengedrückt wie eine Sprungfeder - lauerte. Drei Schritte noch, dann würde der Gangster Jo sehen. Der Mann machte den ersten Schritt. Jo rechnete mit keinen Schwierigkeiten. Er hatte den Überraschungsmoment auf seiner Seite. Wenn Jo hochschnellte, würde der Bursche zunächst einmal so sehr erschrecken, daß er gar nicht auf die Idee kam, eine Abwehrmaßnahme gegen den Angreifer zu ergreifen. Der zweite Schritt... Jo schaltete vollkommen ab. Er dachte in diesem Augenblick nicht an Odd Silva, nicht an Manolete Cortez, um den sich inzwischen bereits die Polizei und Rettung kümmerten, er verschwendete auch keinen Gedanken an Lea. Er konzentrierte sich ausschließlich auf den Mann, den es auszuschalten galt. Der dritte Schritt... Wie vom Katapult geschleudert flog Jo Walker auf den Gangster zu. Der Mann zog die Luft geräuschvoll ein. Er zuckte zurück und wollte den Peacemaker auf Jo richten. Doch zu spät. Jos Handkante raffte den Verbrecher dahin. KX brauchte sich nicht mehr weiter um den Halunken zu kümmern. Der Mann würde lange genug ohne Besinnung bleiben. Blieb nur noch eine einzige Hürde zu überwinden. Die nahm Kommissar X sogleich in Angriff. Um mehr Eindruck auf den zweiten Gangster zu machen, holte Jo seine 38er aus dem Leder. Er betrat damit das Landhaus. Ein schmaler Gang. Vier Türen. Eine davon war offen. Jo ging auf sie zu. Der Mexikaner widmete sich immer noch seinen Fingernägeln. Er saß mit dem Rücken zur Tür. und fand es nicht der Mühe wert, sich umzudrehen, als er Jos Schritte hörte. "Na", sagte er spöttisch. "Zufrieden?" Lea sah Jo mit großen, ungläubigen Augen an. Daß er hierher kommen würde, um sie zu befreien, damit hatte sie nicht gerechnet. Ihr Blick drückte grenzenlose Erleichterung aus. "Klar bin ich zufrieden", gab Jo mit einem kalten Lächeln zurück. "Schließlich läuft alles wie geschmiert." Der Mann zuckte bestürzt zusammen. Das war nicht die Stimme seines Kumpans. Mit einem erschrockenen Schrei sprang der Mexikaner auf. Er riß die Hand, die das Messer hielt, hoch und wollte es nach Jo schleudern. "Tu das ja nicht, sonst drücke ich ab, und du bist mausetot!", sagte Jo schneidend. Der falsche Assistent des falschen Capitano erkannte, daß er gegen Jos Automatic keine Chance hatte. Seine Finger öffneten sich. Das Messer fiel zu Boden und blieb in den Bohlen stecken. Kommissar X wies mit dem Waffenlauf auf Lea Bigger. "Binde sie los!", befahl er dem Mexikaner. "Wer sind Sie?", stieß der Gangster heiser hervor. "Wo ist...." "Dein Freund schlummert draußen hinter dem Busch. Nimm der Frau die Fesseln ab!"
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Der Gangster nickte hastig. "Schon gut. Ich tu' ja schon, was Sie von mir verlangen." Er starrte bekümmert auf die Automatic. Während er die Knoten löste, keuchte er: "Ich bin nur ein kleines Licht. Ein Befehlsempfänger. Ich habe nur das getan, was man mir aufgetragen hat." "Der Befehl kam von Manolete Cortez." "Ja." "Damit ist es nun vorbei. Wenn du Glück hast, wirst du mit Cortez in dieselbe Zelle gesteckt." "Ist er...?" "Die Polizei hat ihn geschnappt." Sobald Lea Bigger ihre Fesseln los war, erhob sie sich. Sie nahm den scheußlichen Knebel aus ihrem Mund und ging mit einem dankbaren Lächeln auf Jo zu. Das war ein Fehler, den sich der Mexikaner sofort zunutze machte. Lea stand zwischen Jo und ihm. KX konnte nicht schießen. Eine solche Chance brauchte der Mann. Blitzschnell ergriff er den Stuhl, auf dem Lea Bigger gesessen hatte. Er schwang ihn hoch, machte einen Schritt zur Seite und wollte Jo das Möbel auf den Kopf knallen. Doch KX war auf der Hut. Als der Mexikaner ihn attackierte, beförderte er Lea mit einem sanften Stoß aus dem Gefahrenbereich. Dann tauchte er unter dem herabsausenden Stuhl weg und schlug mit der Automatic rasch und kompromißlos zu. Wie vom Blitz getroffen brach der Mann zusammen. Jo streckte der jungen Frau die Hand entgegen und sagte: "Kommen Sie, Lea. Wir wollen Burke nicht länger auf Sie warten lassen." Während der Fahrt zum Hotel setzte sich Jo zum zweitenmal per Autotelefon mit der Polizei in Verbindung, damit diese sich um die beiden ausgeschalteten Gangster kümmerte. Burke Bigger verlor vor Freude darüber, seine Frau unversehrt in die Arme nehmen zu können, fast den Verstand. Es war eine rührende Szene, der Jo und April schmunzelnd beiwohnten. Hinterher drückte Bigger seinem Freund ergriffen die Hand. "Nun gibt es niemanden mehr, der in diesem Fall noch querschießen könnte", sagte Jo lächelnd. Und am darauffolgenden Vormittag hatte der Geologe Burke Bigger seinen großen, vielbeachteten Auftritt im mexikanischen Fernsehen, in dem er bekanntgab, daß es für den Bau des Kraftwerks nicht die geringsten Bedenken gab... ENDE
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