CHRISTINA DODD
In den Armen der Nacht
Buch Tausend Jahre ist es her, dass ein Urahn von Rurik Wilder seine Seele und ...
11 downloads
571 Views
141KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
CHRISTINA DODD
In den Armen der Nacht
Buch Tausend Jahre ist es her, dass ein Urahn von Rurik Wilder seine Seele und die seiner Nachfahren dem Teufel verkaufte. Erst als Erwachsener erfährt Rurik davon. Um den Fluch zu brechen, benötigt er ein besonderes Reliquiar – und die wahrhafte, aufrichtige Liebe einer wunderbaren Frau. Er weiß genau, wer für ihn die Richtige wäre: die Fotografin Tasya Hunnicutt. Doch die würdigt ihn keines Blickes – aus gutem Grund …
Autorin Christina Dodd wurde für ihre Romane bereits vielfach ausgezeichnet – u. a. mit dem »America’s Golden Heart« und dem »RITA Award«. Ihre Bücher stehen regelmäßig auf diversen amerikanischen Bestsellerlisten. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Texas.
Bei Blanvalet lieferbar: Geraubte Herzen (36196) – Mein Herz in deiner Hand (36355) – Ketten der Liebe (37043) – Die schottische Brautjagd (37044) – Nachtschwarze Küsse (37259)
Christina Dodd
In den Armen der Nacht Roman
Aus dem Amerikanischen von Beate Darius
Die Originalausgabe erschien erstmals 2007 unter dem Titel »Touch of Darkness« bei Signet, an imprint of New American Library, a division of Penguin Group (USA) Inc.
SGS-COC-1940
Verlagsgruppe Random House fsc-deu-0100 Das für dieses Buch verwendete fsc-zertifizierte Papier Holmen Book Cream liefert Holmen Paper, Hallstavik, Schweden.
1. Auflage Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2009 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München Copyright © der Originalausgabe 2007 by Christina Dodd Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München Umschlaggestaltung: HildenDesign, München, unter Verwendung eines Motivs von fmbackx / iStockphoto Redaktion: Thomas Paffen TKL/lf . Herstellung: rf Satz: DTP Service Apel, Hannover Druck und Einband: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany ISBN: 978-3-442-37260-7 www.blanvalet.de
Dieses Buch widme ich dem pensionierten Air-ForcePiloten Roger Bell mit Dank für seine Anregungen und Verbesserungen und seiner Kopilotin Joyce Bell, die das Manuskript sorgfältig gelesen und auf sachliche Stimmigkeit hin überprüft hat.
Die Nacht, in der alles begann
I
ch will, dass du mir Rückendeckung gibst.« Konstantine reichte seinem Bruder die Flasche und deutete mit einer ausholenden Geste ins Tal, wo die Zigeuner ihr Lager aufgeschlagen hatten. »Ich bin nämlich fest entschlossen, dieses Zigeunermädchen zu rauben.« »Wir dürfen uns nicht mit den Zigeunern anlegen.« Oleg trank einen großen Schluck Wodka. »Streng mal deine grauen Zellen an. So ist es festgeschrieben. Wir dürfen uns an alle Frauen ranmachen, aber nicht an die se schlampigen Roma-Bräute.« Zwischen Konstantines Kiefern entstand ein breites Grinsen. »Kannst du mir mal verraten, wieso nicht?« Die Familie Varinski kannte keinen Moralkodex. Folglich gab es auch keine Verhaltensregeln. Sie konnten tun und lassen, was sie wollten: vergewaltigen, zündeln, foltern, morden – und niemand hätte sie daran zu hindern vermocht. Es gab nur ein ehernes Gesetz. Sie durften sich keine Zigeunerin nehmen. »Zigeunerinnen sind schmutzig.« Oleg spuckte verächtlich in Richtung Lager, und der warme Auswurf traf in einer kleinen Dampfwolke auf den gefrorenen Waldboden. Der Herbst war eisig kalt wie schon lange nicht mehr, der frühe Frost hatte die Getreideernte ver
nichtet, und die Menschen hungerten. »Nachher holst du dir noch irgendeine tödliche Krankheit.« »Ich lach mich schlapp! Der Einzige, der mich umbringen kann, bist du, Bruderherz.« »Ich würde dich nicht umbringen«, versetzte Oleg eilends. Oleg und Konstantine waren gleich alt und von ähnlicher Statur: beide an die einsneunzig groß, muskelbepackt, mit schnellen Fäusten. Zudem war Oleg ein begnadeter Kämpfer. Er steckte jedoch ungern ein. Folglich kämpfte er nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Anders als Konstantine. Er liebte den Kampf. Und natürlich den Sieg. Eigentlich liebte er alles, was mit einer Fehde zusammenhing. Bei Prügeleien stand er wie ein Fels mittendrin und erging sich in Strategien, wer, wann, wie angreifen würde, welcher seiner Gegner am leichtesten auszuschalten wäre und bei wem er sich besonders ins Zeug würde legen müssen. Der Schmerz wirkte auf ihn wie ein Stimulans, und Rot war seine Lieblingsfarbe. Heute Abend juckte es Konstantine mal wieder in den Fingern: Er brauchte Action. Er schätzte, dass in dem Zigeunerlager ungefähr vierzig Leute lebten: dreißig Männer und Frauen im Alter von fünfzehn bis siebzig und zehn Kinder. »Haben wir heute Abend nicht hart gekämpft? Und unsere Hände im Blut unserer Feinde gewaschen?« »Das waren keine Feinde von uns.« Oleg starrte auf das Lagerfeuer im Tal. »Das war bloß ein Job.« »Wenn ich den Auftrag bekomme, jemanden zu töten, so ist dieser mein Feind und damit basta.«
Konstantine nahm die Flasche und trank, bis der Wodka in seinen Eingeweiden brannte, bevor er sie Oleg zurückgab. Man durfte die Zigeuner keinesfalls unterschätzen; sie verteidigten ihren Clan bis aufs Messer, das Mädchen bedeutete ihnen verdammt viel, und sie waren nicht zuletzt gerissene, skrupellose Kämpfer. So etwas wusste er zu schätzen. Er hatte auch schon eine Strategie, wie er ihnen das Mädchen unter der Nase wegschnappen wollte. »Ich verhandle derzeit mit einem indonesischen Gangster. Wir kämpfen demnächst für diese Bande. Bis es so weit ist …« – von einem plötzlichen Adrenalinschub befeuert, setzte er den Abhang in Richtung Lager hinab –, »… amüsier ich mich mit einem dieser süßen Zigeunerflittchen.« Oleg zog ihm kurzerhand die Flasche über den Schädel. Konstantine sah tausend Sterne. Mit einem gezielten Schlag in die Kniekehlen brachte Oleg ihn zu Fall und nahm ihn in den Schwitzkasten. »Wenn du das machst, musst du unseren Clan verlassen.« »Wer sollte denn den Mumm haben, mich rauszuwerfen, hä?« Konstantine fixierte seinen Bruder provozierend. »Du bestimmt nicht, Oleg.« »Nein. Ich nicht. Aber vielleicht … vielleicht stammt dieses Zigeuner-Gesetz gar nicht von dem ersten Konstantine … sondern von seinem Erzeuger.« »Du meinst wohl von seiner Mama?« Konstantines Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Grinsen. »Der Stinkstiefel brachte seine Mama um die Ecke, um den Pakt mit ihrem Blut zu besiegeln.« 9
»Nein.Vom Fürsten der Finsternis höchstpersönlich.« Oleg riss Konstantine an den Haaren. »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass der Teufel dies als Bedingung in den Pakt aufgenommen haben könnte?« »Klar doch. Hast du dir schon mal überlegt, warum? Warum sollte der Teufel es dem alten Konstantine verbieten, mit einer Zigeunerin rumzumachen?« »Ich … keine Ahnung.« Konstantine entspannte sich im Klammergriff seines Bruders und fuhr im beiläufigen Plauderton fort: »Hast du das Zigeunermädchen in der Stadt gesehen?« Er machte eine Kunstpause. »Na sag schon, Bruderherz.« »Doch, ja, hab ich«, räumte Oleg widerwillig ein. Er sträubte sich gegen Konstantines Vorhaben, obwohl er die Obsessionen seines Bruders nachvollziehen konnte. »Sie ist schön. Aber zu klein für dich.« »Spitze Brüste, schlanke Taille, schmale Hüften, wilde blauschwarze Locken …« »Diesen rassigen dunklen Typen wächst irgendwann ein Damenbart. Wetten?« »Was kümmert mich das? Ich will sie ja nicht auf Dauer. Aber hast du auch diese dunklen tiefgründigen Augen bemerkt, denen nichts zu entgehen scheint? Weißt du, weshalb sie solche Augen hat? Weil sie in die Zukunft sehen kann.« Olegs eiserne Selbstkontrolle ließ nach. »Typisch für die Zigeuner. Sie lügen, dass sich die Balken biegen. Damit ziehen sie gutgläubigen Bürgern das Geld aus der Tasche.« »Nein, ich bekam zufällig mit, wie die Roma darüber sprachen – sie beachteten mich nicht weiter, weil sie 10
mich für einen streunenden Hund hielten, der ihr Lager umschlich. Das Mädchen weissagt einem nicht bloß die Zukunft. Sie hat Visionen. Und sie wird mir einen Sohn schenken.« »Wovon träumst du eigentlich nachts, Mann? Du darfst keinen Sohn mit ihr zeugen. Sie ist eine Zigeunerin!« Konstantine packte Olegs Handgelenk. »Erst denken, dann reden, Oleg. Streng mal dein Hirn an. Stell dir einen Sohn mit meinen Gaben und ihren Visionen vor. Er wäre mächtig, so mächtig, dass er den Teufel in Angst und Schrecken versetzen würde. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns nicht mit Zigeunerinnen einlassen dürfen. Weil mein Kind dem Höllenfürsten den Platz streitig machen würde.« Oleg lehnte sich zurück. »Manchmal frage ich mich, ob du noch alle Tassen im Schrank hast, Konstantine«, entrüstete er sich. Konstantine verwandelte sich so blitzartig, dass Oleg nicht einmal blinzeln konnte. Wo er eben noch in dem verharschten Gras gelegen hatte, lag jetzt bloß noch ein Häufchen Kleider, und darüber stand ein großer, sehniger, zottelig brauner Wolf – der Wolf war Konstantine. Oleg versuchte ihn festzuhalten, doch der Wolf biss ihn wütend in die Hand, dass die Knochen knackten. »Du dreckiger Bastard!«, brüllte Oleg mit schmerzverzerrter Miene. Konstantine ließ los. Zuweilen brauchte Oleg eine kleine Abreibung. Der Wolf lief den Hügel hinunter und schlich sich 11
geduckt in das Lager. Unversehens witterte er den Duft des Mädchens – ein junger Körper, frisch und rein. Er machte einen weiten Bogen um die Männer, denn er wollte keinen Ärger, bis er seine Beute im Visier hatte. Niemand beachtete ihn, denn Wölfe jagten für gewöhnlich im Rudel, und streunende Hunde waren allenfalls lästig. Er folgte seiner Nase und entdeckte sie. Sie saß mit den übrigen jungen Frauen zusammen, plauderte und lachte über ein anderes Mädchen, das eine Fellkappe nähte, während sie mit einer Spindel Wolle zu einem feinen Faden spann. Der einsame Wolf stand am Rande des Lagerfeuers und beobachtete sie heimlich. Sein Vorhaben war eiskalt kalkuliert; er wollte einen Sohn von der kleinen Wahrsagerin. Und der Sex mit ihr würde das reinste Vergnügen sein, denn das Mädchen war bildhübsch. Plötzlich sträubte sich sein Nackenfell. Gefahr. Er spähte umher. Die Männer saßen in feuchtfröhlicher Runde und hatten ihn nicht mal bemerkt. Oleg hatte kapituliert; vermutlich untersuchte er fluchend seine verletzte Hand. Wo lauerte also die Gefahr? Dort. Auf der anderen Seite des Feuers. Die alte Frau. Holla! Sie sah zum Fürchten aus, ein buckliges greises Weib mit buschig dunklen Brauen, die ihm schon von Weitem ins Auge fielen. Mit einer gewaltigen Hakennase, die sich über ihre faltigen Lippen wölbte. Ungeachtet 12
der Falten und der schütteren Haare bemerkte Konstantine jedoch, dass die Frau einmal sehr schön gewesen war. Als hätte ein böser Zauber sie in eine hässliche alte Hexe verwandelt. Er verharrte bewegungslos und fühlte sich durch das dunkle Fell vor Blicken getarnt, gleichwohl starrte sie ihn durch ihre horngerahmte Brille an, ihre Augen riesig hinter den dicken Gläsern. Wie in Trance hob sie eine Hand und deutete mit ihrem gichtknotigen Zeigefinger auf ihn. Die Mädchen verstummten und drehten automatisch die Köpfe in die betreffende Richtung. »Varinski«, sagte sie, und es klang wie ein Fluch. »Sei nicht töricht, Alte. Die Varinskis würden uns niemals behelligen.« »Varinski«, wiederholte die alte Frau. Woher wusste sie das? Wieso erkannte sie ihn? Das Mädchen, das die Visionen hatte, sprang spontan auf, die Spindel in der Hand. »Ich geh mal nachschauen, Alte.« Es war einfacher, als er gedacht hatte. Die Kleine lief auf ihn zu. Er verwandelte sich eilends wieder in einen Mann. »Nein, nicht!«, kreischte die Alte schrill. Das Mädchen drehte sich kurz zu ihr um und lief dann unbekümmert weiter. »Was hast du denn? Ich muss sowieso noch neue Wolle holen.« Während die alte Frau sich mühsam aufrappelte, lief die schöne Zigeunerin geradewegs in Konstantines Arme. Sie schrie nicht; dazu blieb ihr keine Gelegenheit. Er 13
presste blitzartig eine Hand auf ihren Mund, schlang seinen anderen Arm um ihre Taille und hob sie hoch. Die verlockende Trophäe fest an seine Brust gestemmt, schlich er sich zum Rand des Lagers. Er war nackt. Sie trug ein Kleid. Folglich hatte er leichtes Spiel. Unvermittelt rammte sie ihm die Spindel in die Seite. Er ließ das Mädchen los und stöhnte vor Schmerz. Sie schrie, was ihre Lungen hergaben, und flüchtete. Aus einem Augenwinkel heraus gewahrte er, wie Leben in die verblüfften Männer kam. Die Horde stürmte auf ihn los. Er packte das Mädchen am Arm, wirbelte es zu sich herum, und als sie ein weiteres Mal mit der Spindel ausholte, riss er sie ihr geistesgegenwärtig aus der Hand und schleuderte sie in den Pulk ihrer Retter. »Arme Irre!« Mordlustig grinsend ging er auf ihren Anführer los und boxte ihn mitten in die Menge zurück. Dann warf er sich die kleine Zigeunerin über die Schulter und lief in die Dunkelheit. Die Roma würden ihn niemals zu fassen bekommen. Sie hatten nicht seine Schnelligkeit, seine Ausdauer und seine Instinkte. Nachdem es mehrmals versucht hatte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, wehrte sich das Mädchen nicht länger. Er machte dennoch nicht den Fehler zu denken, dass sie kapituliert hätte. Nein, sie spielte auf Zeit. Wartete, bis er stehen blieb, um dann mit neuem Elan auf ihn loszugehen. Es fehlte nicht viel, und er hätte laut aufgelacht. Dieses winzige Ding hatte doch tat14
sächlich versucht, ihn mit einer Spindel niederzustrecken. Er fieberte schon darauf, die widerspenstige kleine Lady zu zähmen. Eine halbe Stunde später stoppte er vor einem Gasthaus kurz vor Poltawa. Er hatte eine Vereinbarung mit dem dortigen Inhaber getroffen: Der Wirt hatte stets ein Zimmer für Konstantine reserviert, dafür ließ Konstantine ihn am Leben. Das Mädchen war erschöpft vom Kämpfen und bibberte vor Kälte. Er schob sich durch die Tür in den warmen Raum. Er ließ sie von seiner Schulter gleiten und hielt sie fest, bis sie die Balance wiedergefunden hatte. Wartete, während sie ihn mit Blicken abtastete. Nicht von Kopf bis Fuß – keineswegs, sie fokussierte sich spontan auf seine Genitalien, die sie mit unbewegter Miene betrachtete. Die meisten Frauen wären jetzt in Ohnmacht gefallen oder hätten anerkennend mit der Zunge geschnalzt. Daraufhin glitten ihre Augen über seinen Körper. Verharrten auf der blutig ausgezackten Wunde, die sie ihm mit der Spindel beigebracht hatte. »Schau mal einer an. Du bist also doch verletzbar«, sagte sie, ihr Lächeln frostig wie Eisnadeln. Sie war kein bisschen ängstlich. Sie war ärgerlich und aggressiv. Klein, aber oho, dachte er bei sich. Sie war nicht mal einen Meter sechzig groß, trotzdem würde sie ihre Unschuld verteidigen wie eine Löwin ihr Junges. Sie zu ihrem Glück zu zwingen, konnte er sich gründlich abschminken. Folglich tat er etwas für ihn völlig Untypisches. Er küsste sie. 15
Wieso es ihn plötzlich überkam, hätte er nicht zu sagen vermocht. Er hatte noch nie eine Frau geküsst. Ihm ging es einzig und allein um den Geschlechtsakt, und den erreichte Mann auch ohne zärtliche Intimitäten. Irgendetwas an der Kleinen bewog ihn jedoch dazu, ihre Lippen mit seinen zu berühren. Sie reizte ihn, und er gehörte keinesfalls zu den Typen, die erotischen Reizen gegenüber unempfänglich waren.Wenn er auf etwas scharf war, bekam er es auch. Punkt. Es war ein lausiger Kuss. Er quetschte seinen Mund auf ihren. Woraufhin sie ihre Lippen rigoros zusammenpresste und ihm gleichzeitig fest in die Arme kniff. Kaum jedoch streifte ihr Atem sein Gesicht, fing er Feuer. Eine solche Wollust war völlig neu für ihn; er presste ihren biegsamen Körper an seinen, kostete das erotisierende Prickeln in seinen Lenden freimütig aus. Sie ließ die Hände sinken und erstarrte in seinen Armen. Du lieber Himmel, dann wurden ihre Lippen weich und öffneten sich. Ihr Mund eine köstlich reife Frucht, die darauf wartete, vernascht zu werden. Er knabberte behutsam an ihrer sinnlich vollen Unterlippe. Sie erschauerte, und als er mit der Zunge darüberschleckte, erschauerte sie abermals. Ihre Zunge berührte seine, woraufhin ihre Lippen sich zu einem stürmischen Kuss fanden, ein inniges Spiel ihrer Sinne, ihrer Sehnsüchte, ihrer Seelen. Konstantine war halb verrückt vor Leidenschaft, und das machte ihn blind gegenüber der Gefahr. Nie wieder wollte er eine andere Frau verführen. Er 16
begehrte nur sie, die kleine Zigeunerin. Das war ihm noch nie passiert. Als sie sich voneinander lösten, atemlos und aufgewühlt, senkte er den Blick zärtlich in ihren. Und gewahrte sein Schicksal in jenen unergründlich rauchbraunen Tiefen. Da wusste er, warum er sie begehrte. Und er begriff, weshalb der Teufel die Liebe zu den Roma-Mädchen verboten hatte. Schließlich raunte sie mit kehlig leidenschaftlicher Stimme: »Ich heiße Zorana.« »Zorana«, wiederholte er, fasziniert von der Magie des Augenblicks. Sie hatte das Geheimnis ihres Namens gelüftet und ihm somit ein Stück ihrer Seele geschenkt. Und er antwortete, gleich einem wilden Tier, das zum ersten Mal Vertrauen fasst: »Ich bin Konstantine.« »Konstantine.« Sie nickte. Dann fasste sie seine Hand und zog ihn zum Bett. Mit einem Mal schienen die Geschicke des Universums aus der Bahn geworfen, und die alten Regeln galten nicht mehr. Stattdessen glomm ein winziger Funke Hoffnung, lange unterdrückt, zu einem strahlend hellen Flämmchen auf. Aber er sollte sich nicht täuschen. Kein Sterblicher lehnte sich gegen die Autorität des Höllenfürsten auf, ohne die schmerzlichen Konsequenzen zu spüren …
1
I
ch hab das Flugzeug voll unter Kontrolle«, brüllte Rurik und umklammerte den Steuerknüppel. Ein gewaltiges Bergmassiv türmte sich vor ihnen auf. Das Geschoss hatte sie fast erreicht. Er riss die Maschine hoch und zog sie seitwärts. Sie würden es nicht schaffen. Sie würden es niemals … »Entschuldigen Sie, Sir, aber wir werden in wenigen Minuten landen. Bitte bringen Sie die Rückenlehne Ihres Sitzes in die aufrechte Position.« Rurik Wilder schrak aus dem Schlaf hoch, schweißgebadet, sein Herz raste. Die Stewardess stand neben seiner Sitzreihe im Gang und bedachte ihn mit einem aufgesetzten Halblächeln. Was kümmerte es sie, dass sie ihn geweckt hatte? Immerhin war sie auf dem siebenstündigen Flug von Newark nach Edinburgh die ganze Zeit auf den Beinen gewesen, und er war offenbar völlig unberührt davon geblieben, dass sich etliche Mitreisende beim Flugpersonal beschwert hatten, weil irgendwelche kleinen Gören durch den Gang getobt waren, deren Eltern friedlich dösten. Er blinzelte sie benommen an, während er sich zu orientieren versuchte. 19
»Entschuldigen Sie, Sir, wir landen in wenigen Minuten, und Sie müssen …« »Okay, okay!« Er schenkte ihr ein jungenhaftes Grinsen und stellte die Lehne hoch. Die Stewardess nickte unversöhnlich und ging weiter. Die alte Dame, die links von ihm saß, fixierte ihn aus dunkelbraunen, fast schwarzen Augen. Aus dem Augenwinkel heraus nahm er wahr, dass man ihn auch von der anderen Seite her beobachtete. Als er den Kopf demonstrativ nach rechts drehte, senkte seine junge Sitznachbarin den Blick. Leicht panisch fuhr er sich mit den Händen über sein Gesicht. Bloß jetzt nicht überreagieren. Er ertastete menschliche Züge – dem Himmel sei Dank! –, und sein Herzschlag normalisierte sich allmählich wieder. Er nötigte sich ein Lächeln ab. »Hab ich etwa geschnarcht?« »Sie haben um sich geschlagen. Das muss ein ziemlicher Albtraum gewesen sein.« Das Mädchen war schätzungsweise neunzehn, hatte große rehbraune Augen, pfirsichzarte Haut und einen Busen, der ihr bestimmt eine weltweite Fangemeinde bescherte. Schade drum, aber sein Interesse galt nun mal einer Frau mit strahlend blauen Augen und kurzen schwarzen Haaren, die meistens eine Nikon-SLR-Digitalkamera vor ihren hinreißenden Brüsten baumeln hatte und nie da war, wenn er sie brauchte. Zum Henker mit Tasya Hunnicutt. Scheiß auf die Faszination, die sie seit ihrer ersten Begegnung auf dich ausübt! Es 20
wurmte ihn, dass sie ihn am ausgestreckten Arm verhungern ließ und er sie umso mehr begehrte, nachdem er sie einmal rumgekriegt hatte. Tasya war sein Schicksal – und sie ahnte es nicht einmal. »Wenn ich fliege, habe ich immer denselben Albtraum. Normalerweise schlafe ich nicht ein, aber ich bin seit dreiundzwanzig Stunden unterwegs. Die Zeitverschiebung, eine verspätete Zwischenlandung in Chicago … wie das halt so ist.« Er zuckte beiläufig mit den Schultern, spielte das Ganze herunter, als wäre der Albtraum lediglich eine Folge von Jetlag und Erschöpfung. Das Mädchen kaufte ihm das ab und nickte mitfühlend. »Fliegen Sie zum ersten Mal nach Schottland?« Er lauschte angespannt auf jedes Motorengeräusch. »Was? Nein. Nein, ich lebe schon seit zehn Monaten hier.« Da wurde sie hellhörig. »Cool! Es war immer mein Wunsch, mal eine Zeit lang im Ausland zu leben. Weil ich finde, dass es meinen Horizont erweitern würde, oder was meinen Sie?« »Ja, ich hab mittlerweile einen ziemlich erweiterten Horizont.« Und einen tauben Hintern vom langen Sitzen. »Was machen Sie in Schottland?« »Ich leite die archäologische Ausgrabung auf den Ork ney-Inseln im Norden Schottlands.« Das Mädchen machte große Augen. »Wenn das kein Zufall ist! Ich wollte immer Archäologin werden!« Du und alle anderen, die über die Entdeckung von Pharao Tutenchamuns Grab und die Wahnsinnsgoldfunde gelesen haben. »Das ist wahrhaftig Zufall.« 21
»Was erforschen Sie denn da?« »Das wissen wir erst mit absoluter Sicherheit, wenn wir das Grab öffnen können« – obwohl er nicht den geringsten Zweifel an dem Fund hatte –, »trotzdem bin ich hinreichend überzeugt, dass es sich um das Grab eines keltischen Warlords handelt.« Er lauschte auf die veränderten Triebwerksgeräusche, während die Maschine zur Landung ansetzte. Mann, war er ein Angsthase. Er hatte vor fünf Jahren das letzte Mal im Cockpit gesessen. Damals hatte er sich geschworen, nie wieder selbst zu fliegen. Trotzdem konnte er sich nicht entspannen und den Berufspiloten vertrauen. An einem Fensterplatz hätte er das Flugmanöver des Piloten besser einzuschätzen vermocht, aber er hatte nun mal den Mittelplatz in der Reihe. Nach dem Anruf aus dem Ausgrabungsgebiet hatte er sofort den nächsten Flug gebucht, und das rächte sich: Der schmale Mittelsitz war dermaßen unbequem, dass er permanent die Schultern einziehen musste, seine angewinkelten Knie bohrten sich schmerzhaft in den Sitz seines Vordermannes. Aber wenigstens war er rechtzeitig genug zurück, um bei der Öffnung der Grabungsstätte anwesend zu sein. »Jetzt weiß ich, wer Sie sind!« Das Mädchen setzte sich kerzengerade auf, ihre Augen leuchteten. »Ich hab Sie auf CNN gesehen.« »Da sind Sie nicht die Einzige.« Er hatte die betreffende Nachrichtensendung auf dem Flughafen gesehen, das hatte seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. »Ein gewisser Mr. Hardwick sprach von Ihnen und Ihrer Forschungstätigkeit.« 22
»Der gute alte Hardwick.« Sein Vorarbeiter auf dem Grabungsgelände und, wie Rurik bemerkt hatte, ein publicitygeiler Wichtigtuer. »Sie sind doch der Typ, den alle für verrückt hielten, als er auf dieser winzigen Insel zu buddeln anfing. Und jetzt haben Sie dort einen riesigen Goldschatz gefunden.« Mit der natürlichen Vorsicht des erfahrenen Wissenschaftlers stellte er Folgendes klar: »Offen gestanden wird meine Forschungstätigkeit von der National Antiquities Society unterstützt, deshalb verfüge ich über ein kompetentes Team, und ja, wir haben etwas gefunden, das so aussieht, als könnte es pures Gold sein. Wir wissen nicht mal hundertprozentig, ob es überhaupt ein Grab ist. Das wissen wir erst, wenn wir den Schrein geöffnet haben.« Und genau deshalb wollte er bei der Bergung des Fundes unbedingt vor Ort sein. Hatte Hardwick die Schatztruhe lokalisiert, die er dort verborgen wähnte und die weitaus spektakulärere Kostbarkeiten als Gold enthielt? »Irre. Einfach … irre.« Das Mädchen himmelte ihn mit großen Augen an und hielt ihm spontan ihre Hand hin. »Ich bin Sarah.« Er schüttelte ihr die Hand. »Wieso haben Sie Albträume?« Sie lächelte und rieb mit ihren Fingerspitzen über seine weiß hervortretenden Fingerknöchel. »Weil ich … zufällig Flugangst habe?« Das war glatt gelogen. Trotzdem, die Wahrheit ging sie nichts an. »Sie Ärmster.« Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln. 23
UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Christina Dodd In den Armen der Nacht Roman DEUTSCHE ERSTAUSGABE Taschenbuch, Broschur, 384 Seiten, 11,5 x 18,3 cm
ISBN: 978-3-442-37260-7 Blanvalet Erscheinungstermin: Dezember 2009
Atemberaubend spannend, sexy und geheimnisvoll: ein großartiger Mystery-Roman! Ein Urahn von Rurik Wilder verkaufte seine Seele und die seiner Nachfahren einst dem Teufel. Um den Fluch zu brechen, benötigt Rurik ein besonderes Reliquiar – und die wahre Liebe einer Frau. Er weiß genau, wer für ihn die Richtige wäre: die Fotografin Tasya Hunnicut. Doch die würdigt ihn keines Blickes – aus gutem Grund …