Seewölfe 132 1
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„Was ist denn mit Donegal los?“ fragte Smoky den Profos, der kopfschüttelnd auf den alt...
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Seewölfe 132 1
Fred McMason 1.
„Was ist denn mit Donegal los?“ fragte Smoky den Profos, der kopfschüttelnd auf den alten O'Flynn blickte, der bleich und verstört am Schanzkleid lehnte. „Keine Ahnung, vielleicht fühlt er sich nicht wohl“, meinte Carberry. „Dem alten Rauhbein geht es gut“, versicherte Smoky, „sonst würde er sich nicht ständig bekreuzen.“ Das alte Rauhbein benahm sich in der Tat sehr merkwürdig. Er hatte die Augen geschlossen, zitterte ein wenig und murmelte unverständliches Zeug vor sich hin. Vor ein paar Minuten, als er nach vorn aufs Vordeck gegangen war, hatte er noch ganz normal gewirkt, aber jetzt war er wie verwandelt. „Ich werde ihn fragen“, sagte der Profos, der sich das merkwürdige Benehmen des Alten ebenfalls nicht erklären konnte. „Ich habe es geahnt“, hörte er O'Flynn zähneklappernd murmeln, „ich habe es gewußt, das konnte nicht gut gehen.“ „Was, zum Teufel, konnte nicht gut gehen?“ fragte der Profos und stieß den Alten leicht an. O'Flynn öffnete die Augen. Seine Stimme klang zittrig. „Wir sind an einem Freitag in See gegangen“, sagte er matt, „das haben wir jetzt davon. Es wird ein Unglück geben.“ „Quatsch“, unterbrach Carberry grob. „Wir sind schon oft an einem Freitag in See gegangen, und nichts ist passiert. Und diesmal wird auch nichts passieren“, setzte er hinzu. Aber damit kam er bei O'Flynn schlecht an. „Glaubst du vielleicht, ich habe ihn nicht gesehen?“ fragte er. „Schau nur unter den Bugspriet, dann wird dir dein verdammtes Grinsen schon vergehen.“ Smoky, der sich den beiden genähert hatte, verstand gerade noch den letzten Satz. Carberry deutete mit dem Daumen nach vorn. „Er will wieder mal was gesehen haben“, erklärte er. „Bloß was es ist, das sagt er nicht.“
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„Der Höllengeist ist es“, sagte Old O'Flynn heiser, „er hockt direkt unter dem Bugspriet, ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen, er hockt immer noch dort!“ Carberrys Stirn umwölkte sich. Gegen den Aberglauben war er auch nicht ganz gefeit, obwohl er wußte, daß Donegal manchmal mächtig übertreiben konnte. „Wie sieht er denn aus?“ fragte er und schluckte. „Er hat einen Fischkopf zwischen den Schultern“, flüsterte der alte O'Flynn, „und langes struppiges Haar, einen blutigen Rachen mit langen, fletschenden gelben Zähnen. Er wird uns mindestens schlechtes Wetter bringen, wenn nicht gar ein Unheil!“ Der eiserne Profos reckte unbehaglich das Rammkinn vor. Old O'Flynn sprach mit einer solchen Bestimmtheit, daß man an seinen Worten eigentlich gar nicht zweifeln konnte. Außerdem war der Alte um Mitternacht an einem neunundzwanzigsten Februar geboren, und der Profos wußte, daß diese Leute immer mehr sahen als andere. Er gab sich einen Ruck und blickte Smoky an. „Los, wir gehen nachsehen, Smoky!“ sagte er dann. Dem Decksältesten wurde es ein wenig mulmig, aber das wollte er sich vor Carberry nicht anmerken lassen. Etwas mußte an dieser verfluchten Geschichte dran sein, und so entgegnete er: „Geh du schon vor, Ed, ich muß noch einmal nach achtern, etwas mit Ben besprechen.“ Carberry durchschaute den Decksältesten sofort. „Deine Besprechung hat noch Zeit, Mann. Zuerst sehen wir uns den Wassergeist an.“ „Ein Höllengeist“, widersprach O'Flynn, „die sind viel schlimmer als die Meermänner und Wassergeister.“ Smoky lief übellaunig hinter dem Profos her, der entschlossen immer weiterging, bis er den Bugspriet und die Blinde erreichte. Mit einiger Überwindung beugte er sich vor, hielt aber vorsorglich ein paar Sekunden lang die Augen geschlossen.
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Es war noch nicht sehr hell. Am fernen Horizont verschwand die Dämmerung nur allmählich und wich einem trüben Grau. Smoky prallte zurück, als der Profos einen Fluch zwischen den Zähnen zerbiß und zurückfuhr, als hätte ihn eine Natter gebissen. „Was ist denn?“ fragte er beklommen. „Sieh es dir selbst an!“ Auch Smoky kriegte im ersten Augenblick einen Schreck, doch dann sah er genauer hin und atmete erleichtert auf, ganz wie der Profos es vor ihm schon getan hatte. Vorn, unter dem Bugspriet, knapp ein Yard über dem Wasser, hatte die Bugwelle des Schiffes einen langen zotteligen Bart aus Seetang angehäuft; in dem zu allem Unglück ein halbzerfetzter Fisch hing. Sah man nur flüchtig hin, konnte man es ohne weiteres für einen alten Kerl mit zotteligem Bart und einem Fischkopf halten, der unter dem Spriet hockte. Kein Wunder, daß dem alten O'Flynn daraufhin der Schrecken gehörig in die Knochen gefahren war. „Na - habe ich recht?“ fragte O'Flynn zaghaft, als der Profos nach einem kleineren Bootshaken griff. Carberry nickte ernst, legte dann den Zeigefinger auf die Lippen und blickte O'Flynn todernst an. „Ja, dort unten hockt er“, sägte er leise, „er kämmt sich gerade seinen verlausten Bart und fletscht die Zähne.“ „Gott steh uns bei“, sagte Old O'Flynn stammelnd. „Willst du ihn etwa mit Gewalt vertreiben, Ed?“ „Nein, nur mit dem Haken hier“, sagte Carberry ernst. O'Flynn wurde von Zweifeln und Ängsten gemartert. „Du - du kannst einem Höllengeist nicht einfach mit dem Bootshaken zu Leibe rücken, Ed. Er ist unverwundbar, und er wird sich fürchterlich rächen. Du mußt ihn um Barmherzigkeit anflehen oder ihm etwas schenken, dann verläßt er uns wieder.“ „Ich werde ihm den Haken hier schenken“. erwiderte Ed und fletschte ebenfalls die
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Zähne, bis Old O'Flynn ein kalter Schauer nach dem anderen über den Körper rann. „So, jetzt werden wir Donegal mal mit seinen Geistern kurieren“, sagte Ed zu Smoky, während er sich mit dem Oberkörper nach vorn lehnte und den Haken in die Hand nahm. Der Haken verfing sich in dem dichten Gestrüpp, das jetzt, als es von weißem Schaum bespritzt wurde, wirklich so aussah wie der Bart eines alten Mannes. Carberry packte zu, zerrte es hoch, faßte am Haken nach und riß das Zeug dann mit einem wilden Ruck an Deck. Mit dem gleichen Schwung schleuderte er es auf Old O'Flynn zu. Der Alte stieß einen lauten Entsetzensschrei aus und sprang in die Höhe, als der Seetang mit dem zerfetzten Fisch direkt vor seinen Füßen landete. Er stand danach da wie erstarrt, unfähig zu der kleinsten Bewegung. „Da hast du deinen verdammten Höllengeist!“ rief Carberry und begann dröhnend zu lachen. „Hoffentlich ist dir das endlich mal eine Lehre, Donegal, wenn du wieder Geister und Gespenster siehst. Das ist nichts weiter als Tang und darin steckt ein halbvergammelter Fisch. Und jetzt, verdammt noch mal, zeig mir mal die gelben, gefletschten Zähne und das blutige Maul, du Schellfisch!“ O'Flynn stieß ärgerlich mit dem Holzbein auf, nachdem er seinen ersten Schreck überwunden hatte. „Das ist nicht nett von dir“, fluchte er laut, „einen alten Mann zu erschrecken. Ich habe schon Piraten gejagt, als du noch in den Windeln schwimmen gelernt hast, und ich sage dir trotzdem, daß auf dem Tang der Höllengeist hockte. Jawohl, was ich gesehen habe, das habe ich gesehen.“ Carberry starrte ihm verdutzt nach, als der Alte sich mit grimmigem Gesicht abwandte und zum Achterdeck humpelte. „Da hört sich doch alles auf“, schimpfte er, „dem Burschen kann man erzählen und zeigen, was man will, er glaubt es einfach nicht! Er faselt weiterhin von seinen Geistern.“
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Carberry packte das übelriechende Zeug mitsamt dem toten Fisch und schleuderte es ärgerlich über Bord. Der Profos kontrollierte den Stand der Segel, hob fröstelnd die Schultern und blickte zum Horizont, wo das Meer mit dem Himmel zusammenschmolz. Es will einfach nicht hell werden, dachte er. Sie befanden sich jetzt ungefähr auf der Höhe von Tsingtao und segelten mit südwestlichen Winden in Richtung Shanghai. Peking lag weit hinter ihnen, der Empfang durch den Großen Chan, die feierliche Beisetzung der Mumie, der Tod Hung-wans — das alles lag schon wieder weit zurück, obwohl es erst ein paar Tage her war. Carberry ging in den Aufenthaltsraum, wo schon Batuti, Bob Grey, der junge Dan O'Flynn und sein Freund Ferris Tucker saßen. Der Kutscher hatte einen großen Topf voll Tee aus diesen grünen Blättern gekocht. Er war mit Sirup gesüßt und kochend heiß. Carberry nahm eine Muck und trank in kleinen Schlucken. „Je mehr man davon trinkt, desto besser schmeckt es“, sagte Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann. „Ich glaube, an das Zeug kann man sich gewöhnen.“ Carberry blickte in seine Muck und nickte. „Wir kriegen Sturm“, sagte er, „und wenn mich meine Knochen nicht täuschen, einen verdammt knüppelharten Sturm. Wenn ihr ausgetrunken habt, wird das Deck klariert, alles verschalkt, die Boote nachgesehen und das Gut überprüft. Bill!“ wandte er sich an den Schiffsjungen, der etwas verschlafen eintrat und grüßte. „Du überprüfst nachher die Wasserfässer und zurrst sie fest.“ „Die Fässer sind festgezurrt, Mister Carberry“, sagte der Junge. „Dann zurr sie noch fester!“ „Aye, aye, Sir!“ Ferris Tucker setzte seine Muck auf die Back zurück und stand auf. „Lausekälte“, schimpfte er leise. „Ich bin froh, wenn wir das chinesische Meer hinter uns haben und weiter im Süden eine stille Bucht finden,
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wo wir die „Isabella“ endlich wieder einmal krängen können. Wir laufen nicht mehr so hart wie früher. Wenn es so weit ist, könnt ihr euch alle auf eine Heidenarbeit gefaßt machen.“ „Nichts Neues für uns“, sagte der junge O'Flynn. „Muscheln und Algen abkratzen, Teer drüber und fertig.“ Tucker grinste ihn an. „Diesmal nicht, Söhnchen. Ich fürchte wir haben den Schiffsbohrwurm im Rumpf, von den Algen und Muscheln ganz abgesehen. Das bedeutet, daß wir den Rumpf ausbrennen müssen, kalfatern, schwefeln, mit Pech bestreichen. So einfach wird es diesmal nicht. Immerhin schwimmt die „Isabella“ jetzt schon ein paar Jahre im Wasser, und in den salzigen Meeren setzt der Schiffsbohrwurm dem Holz am meisten zu, auch dem härtesten.“ Tucker verließ den Raum, die anderen sahen sich freudlos an, als des Profos ausgestreckter Daumen sie ebenfalls an Deck scheuchte. Schon an Deck spürte jeder, daß der Wind etwas Unangenehmes an sich hatte. Er war ekelhaft kühl, fiel mitunter in Böen ein und änderte leicht die Richtung. Am Horizont verdeckten jetzt schwere graue Schichtwolken die Sonne. Immer mehr frischte der Wind auf, bis die „Isabella“ in der stetiger werdenden Dünung zu rollen begann. Die Ladeluken wurden verschalkt, die Boote nachgesehen, fester gezurrt und überprüft. Die schweren Kanonen sicherten Al Conroy, Big Old Shane und Matt Davies ab, damit sie bei schwerer See nicht selbständig wurden und die Schanzkleider durchbrachen. Gegen Mittag begann es dunkel zu werden. Der Seewolf ließ die Schiffslampen anzünden und aufhängen. Er, Ben Brighton, der junge O'Flynn und Pete Ballie befanden sich auf dem Achterdeck. Hasard blickte aus schmalen Augen dorthin, wo er die Küste vermutete. Zu sehen war außer einer schwarzen Wolkenwand und schäumenden Wasserwirbeln nichts. Aber man hörte den
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Regen, der sich in einer breiten Front der „Isabella“ näherte. Die „Isabella“ fuhr Sturmsegel, denn es stand außer Frage, daß der Wind immer stärker wurde und sie bald in einen lausigen Sturm geraten würden, einen Sturm, wie sie ihn in diesem Meer wahrscheinlich noch nicht erlebt hatten. 2. Der Regen näherte sich blitzschnell in breiter Front und durchnäßte den Schweden Stenmark, der im Ausguck hockte, bis auf die Knochen. Wer an Deck nichts zu tun hatte, verzog sich nach vorn oder hielt sich in einem anderen Deck auf. Der Wind blies immer heftiger und peitschte die See zu beängstigender Höhe auf. Der Schiffsjunge Bill, der einmal kurz an Deck erschien, starrte furchtsam und erschrocken in die wütende See, die sich immer heftiger gegen den Schiffsrumpf warf. Wirbelnde weiße Kronen schäumten hoch, gischteten über Deck und überschwemmten alles mit brüllendem salzigen Wasser. Bevor er wieder unter Deck verschwand, warf er einen schnellen Blick in den Großmast. Der Schimpanse Arwenack und der Ara-Papagei Sir John, der so ordinär fluchen konnte, befanden sich längst nicht mehr an Deck. Irgendjemand hatte sie in Sicherheit gebracht. Der Bengel Bill hatte auf der „Isabella VIII.“ schon so manchen harten Sturm abgeritten, aber als er jetzt in diesen Wellengang blickte und sah, wie sich die Wasserberge immer höher auftürmten und zu riesengroßen Gebirgen anschwollen, verließ ihn fast der Mut, und er ahnte, daß das Ärgste vermutlich noch bevorstand, denn bis jetzt hielt sich das Schiff hervorragend. Die kochende See griff mit langen gewaltigen Armen nach dem Rahsegler, hob ihn spielerisch in schwindelnde Höhen, aus denen man in finstere tiefe Abgründe blicken konnte, und warf ihn dann voller Wut in die Täler hinunter.
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Gleich darauf wuchs die nächste Gigantenmauer vor dem Schiff auf, das eilig versuchte, an dem Berg aus Wasser emporzuklimmen. Doch das schaffte das Schiff nicht, und so schlug ein brüllender, sich überschlagender Wasserberg wild über den Segler, um ihn unter sich zu begraben. Die „Isabella“ schüttelte sich trotzig, warf die Wassermassen von sich wie ein schnaubendes Pferd und stieß in den nächsten Wellenberg hinein, bereit, das gefährliche Spiel zu wiederholen und den Kampf mit den tobenden Wassermassen wieder aufzunehmen. Das Heulen der kochenden See steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll, aus dem ein Höllenlärm wurde. Die Sicht war gleich Null, man sah vor überkommenden Wassermassen nicht mehr vom Vor- bis zum Achterschiff. Dort kämpften jetzt drei Mann am Ruder, das durch eine von Ferris Tucker erbaute Holzhütte einigermaßen geschützt war. Dennoch donnerten die tosenden Brecher auch hier hinein. Es gab nichts, was sie aufzuhalten vermochte. Etwas später gab es keine normalen Wellen mehr, und von einer starken Dünung konnte längst keine Rede mehr sein. Es gab nur noch turmhohe schäumende Wellen, die unablässig von allen Seiten auf das Schiff einhämmerten, das sich ächzend und stöhnend wie ein krankes Tier immer wieder hart zur Seite legte. Die „Isabella“ wirkte, als würde sie in einem kochenden Hexenkessel von einem erzürnten Riesen umhergeschleudert werden. In eins der aufgegeiten und durch Zeisinge gesicherten Segel fraß sich der Wind fauchend und brüllend hinein und zerrte so lange daran, bis es den ersten Riß gab. Carberry, ebenfalls auf dem Achterdeck, hatte es gesehen. Er stieß die Tür auf und wollte hinaus. Eine eisenharte Hand umklammerte sein Handgelenk. Zwei eisblaue Augen blickten ihn an.
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Der Seewolf mußte laut brüllen, um in dem Tosen und Heulen, Pfeifen und Brüllen verstanden zu werden. „Laß das verdammte Segel davonfliegen, Ed! Du kannst nichts mehr retten, es würde dich über Bord reißen!“ Gerade als Ed zur Bestätigung nickte, holte die „Isabella“ stark über. Wasser und Wind donnerten das Holzschott im Ruderhaus zu und warfen Carberry an die gegenüberliegende Wand. Das Steuerrad drehte sich wie rasend, als die Männer durcheinander flogen. Fluchend und schimpfend rappelten sie sich auf. Hasards Sorge galt den beiden Frauen, die sie noch an Bord hatten. Siri-Tong und das chinesische Mädchen „Flüssiges Licht im beginnenden Sommer befanden sich achtern in der Kammer. Für die Rote Korsarin war das alles kein Problem, aber das junge Mädchen, die Flußbraut, die sie bei Xiapu an Bord genommen hatten, würde sich vermutlich zu Tode ängstigen, denn etwas Ähnliches hatte sie mit Sicherheit noch nicht erlebt. Vom überkommenden Seewasser rötliche Augen sahen auf das Segel, das Sturm und See jetzt mit vereinten Kräften auseinanderfetzten. Carberry wußte. daß die Zeisinge und Bändsel so fest saßen, daß man sich daran aufhängen konnte, aber der brüllende und fauchende Wind zerrte und riß weiter, bis das Unterliek des Segels an einer Stelle hervorflatterte. Es war Wahnsinn, etwas dagegen unternehmen zu wollen, aber den Profos juckte es schon wieder in den Fäusten. Draußen hätte er sich trotz der Manntaue keine zehn Sekunden auf den Beinen halten können. Immer länger wurde das Segel. Sein Knattern und Schlagen übertönte noch das Brüllen der See und das Heulen des Windes. Dann zerfetzte es mit einem peitschenden Knall. Die Reste flogen davon und verschwanden in der kochenden See. Unermüdlich rannte die „Isabella“ gegen die brüllenden Wogen an. Die See rüttelte sie durch, stauchte sie zusammen, schlug'
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tobend und fauchend nach ihr, um ihr alle Planken aus dem Rumpf zu reißen. Vorn in der Kombüse, schrie der Kutscher Zeter und Mordio, verfluchte die See, den Wind und sein Geschirr, das ihm von allen Seiten um die Ohren flog. Die Kombüse sah aus, als wäre eine ganze Breitseite Siebzehn-Pfünder eingeschlagen. Der Kutscher, der das Feuer unter dem Herd schon lange gelöscht hatte, stand in einem Berg aus matschigem Unrat, schmieriger Holzkohle, ausgelaufenem zähen Sirup und einer hin und her rollenden Substanz, die er selbst nicht definieren konnte. Und immer wieder schleuderten ihn starke anrollende Seen von einer Ecke in die andere, bis er sich fluchend in sein Schicksal ergab und verzweifelt Halt suchte, den er doch nicht fand. „Das hätte ich dieser lausigen Wasserlache gar nicht zugetraut!“ schrie Carberry, der durch den Sturz eine faustgroße Beule an der Stirn trug. „Dieser gottverdammte Fischteich wird sich doch wohl wieder einmal beruhigen!“ Insgeheim dachte er dabei an Old O'Flynn. Hatte der alte Bursche nicht doch wieder einmal mit seiner Unkerei recht gehabt? Hasard, der bei Beginn des Sturmes erwogen hatte, näher an die Küste heranzusegeln, war froh, diesen Gedanken nicht in die Tat umgesetzt zu haben. Gerade auf dieser Höhe, auf der sie sich nun befanden, war es dicht unter Land klippenreich, gespickt mit tückischen kleinen Felsen, die kaum aus dem Wasser ragten. der Wind, der jetzt fast auflandig wehte, hätte sie auf die Küste geworfen und zerschmettert. Dann war es schon besser, hier draußen auf See um sein Leben zu kämpfen. Wieder trieb der brüllende Sturm eine Regenfront heran, die sich diagonal über das Schiff ergoß. Es ließ sich nicht mehr unterscheiden, ob es Seewasser oder Regen war, der auf die „Isabella“ niederging. Zu aller Verwunderung stand immer noch das Sturmsegel, obwohl der Wind sich daran austobte, es unter Spannung hielt, und es jeden Augenblick so aussah, als würde es davonfliegen, in Streifen
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gerissen, zerfetzt. Der Sturm schaffte dieses Segel nicht. Etwas später war die Regenfront durchgezogen, und das wilde Brüllen des Sturmes mäßigte sich. Nur die Wellen waren immer noch haushoch und schaumig. Hasard griff nach der Seekarte, die sie unlängst von den Chinesen erhalten hatten, und studierte sie. Bei den heftigen Schlingerbewegungen des Schiffes war das nicht einfach, denn immer wieder warf es ihn an die Wand des Ruderhauses. „Hier befinden wir uns“, sagte er und wies auf die Karte, „weit abgetrieben können wir nicht sein. Das ist der südlichste Teil der Provinz Shandongbandao, und dort gibt es geschützte Buchten. Wir werden versuchen, eine dieser Buchten anzulaufen, um dort das Unwetter abzuwarten.“ „Und die Riffe?“ fragte Brighton. Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Auf der Hinfahrt habe ich hier keine gesehen, sonst hätte ich sie markiert und in die Karte eingezeichnet.“ Er wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Augenblick fegte ein riesiger Brecher heran, der sich brüllend auf das Vorschiff warf, es überflutete und die restlichen Wassermassen voller Kraft auf das Achterdeck schleuderte. Sekundenlang sah es so aus, als würde das Ruderhaus unter dem gewaltigen Ansturm entfesselter Wassermassen davonfliegen. Salzige schäumende Brühe stieg im Ruderhaus auf. Instinktiv riß der Seewolf die Karte hoch und hielt sie schützend über seinen Kopf, damit das Reispapier nicht naß wurde. Nur sehr langsam lief das Wasser wieder ab. „Mann, war das ein Ding“, sagte der Profos stöhnend. „Viel mehr von der Sorte können wir nicht verkraften, dann fliegen uns die Spanten um die Ohren.“ Die kochende See nahm einen letzten brüllenden Anlauf, um die „Isabella“ hinwegzuwischen, und diesmal erwischte sie auch das standhafte kleine Sturmsegel. Mit einem häßlichen Knall flog es davon und verschwand in der See.
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Sie lenzten jetzt vor Topp und Takel, und der Wind, der nur leicht gedreht hatte, trieb sie der Küste entgegen. Unendlich langsam, dabei immer wieder von schweren Brechern halb unter Wasser gedrückt, legte sich die „Isabella“ gegen den Wind, was dem Profos ein frohes Grinsen entlockte. „Nun sag noch einer, die alte Tante hat keinen Verstand!“ rief er. „Die weiß genau, in welcher Lage sie sich am wohlsten fühlt. Treibt achterlich auf die Küste zu und streckt den Kopf genau in den Wind. Dicht vor Land brauchen wir nur noch den Anker zu werfen, und alles ist in bester Ordnung.“ „Deinen Optimismus möchte ich haben“, sagte Pete Ballie, dessen riesige Fäuste das Ruder umklammerten, das bei jeder Bewegung wild hin und her schlug. Der Sturm ließ auch weiterhin nach, und unmerklich wurden die Wellen kleiner. Da es bei diesem Wetter im Großmast keinen Ausguck gab, suchte Hasard die See mit dem Spektiv ab. Es dauerte nicht lange, bis er die Küste als feinen Strich entdeckte. Ziemlich schnell trieb der Wind die „Isabella“ dem Küstenstrich zu. Die Buchten waren noch nicht zu erkennen. Während sie weiter dem Küstenstrich entgegen trieben, begann die „Isabella“ sich erneut langsam um sich selbst zu drehen, bis sie dwars vor den heranrollenden Wellen lag. Carberry begann zu fluchen: Sein schöner Plan, achteraus in eine Bucht zu treiben und mit slippendem Anker einen ruhigen Platz zu finden, war beim Teufel. Obwohl die See jetzt nicht mehr ganz so hoch ging, holte der ranke Segler noch härter über. Wie ein Spielzeug trieben ihn die Wellen weiter, warfen ihn vor sich her und hoben ihn ab und zu in himmelhohe Höhen. Die Küste rückte näher, das harte Rollen des Schiffes mäßigte sich, und dann war auch die Bucht zu erkennen. Ein harter Regenschauer ging dort hinten nieder. Der Wind trieb den Regen in langen Schleiern blitzartig vor sich her.
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Es waren drei Buchten, wie der Seewolf erkannte. Zwei waren von See her nicht einsehbar, die letzte bestand aus einem riesigen Halbkreis, der sich an einer Stelle zu einem schlauchartigen Gebilde verjüngte. Häuser schien es an der Küste der drei Buchten nicht zu geben, in dieser Provinz waren ohnehin weite Teile der Küstenregionen unbesiedelt. „Verdammt starke Brandung vor der Bucht“, ließ sich Carberry vernehmen, „aber dahinter ist alles ruhig. Wenn wir da heil hindurchlenzen, liegen wir wie in Abrahams Schot. Wieder drehte sich das Schiff ein wenig, Wasserwirbel schoben und zerrten an ihm, brachten es immer wieder in eine andere Lage. Jetzt streckte es den Bug erneut in den Wind und trieb weiter. Die beiden anderen Buchten sah man aus der jetzigen Position nicht. Dann hätte man weiter südlich segeln müssen, aber Wind und Wellen drückten die „Isabella“ genau in diese Bucht, und die Crew war über das Plätzchen heilfroh. Nur die Brandung mußte noch genommen werden. Es waren nicht mehr als zwei, drei ständig wiederkehrende Wogen, die sich vor der Bucht gefährlich aufrichteten und dann mit Donnergetöse auf den Strand zuliefen. Noch weit davor, beruhigten sie sich und wurden sanft wie Lämmer. Von einem Augenblick zum anderen befand sich die „Isabella“ in fast ruhigem Wasser. Der harte Wellenschlag hörte auf, das Schiff bewegte sich ächzend und stöhnend wie ein krankes Tier auf jene Stellen zu. die buchstäblich wie Türme aus dem Wasser wuchsen. Die erste Brandungswelle hob die „Isabella“ sanft an, reichte sie weiter, bis sie in einen Abgrund glitt, aus dem sie nur schwerfällig wieder den Bug streckte. Dann folgte das Schlimmste. Eine Riesenhand packte das Schiff, drehte es, als suche die Hand eine günstige Position und warf die „Isabella“ dann krachend in einen schäumenden, tobenden und brüllenden Abgrund hinunter. Die Verbände des Schiffes krachten, als
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würden sie bersten. Urplötzlich tobten sich furchtbare Gewalten aus, schmetterten das Schiff fast auf den Grund, rissen es im nächsten Moment wieder erbarmungslos hoch und schleuderten es der Küste entgegen. Dazwischen erklangen das schrille Heulen des Windes und das urweltliche Brausen und Dröhnen der kochenden Brandung. Die letzte Hürde wurde mit Schwung genommen. Der Segler wurde zusammengestaucht, blieb auf der Stelle stehen und bewegte sich endlich viel zu schnell wieder weiter. Der Rest war ein sanftes Abgleiten, die Schaukelbewegungen hörten abrupt auf, als sie seichtes Wasser erreichten. Auf diesen Augenblick hatte der Profos gewartet, ebenso wie Ben Brighton. Sie hatten es geschafft, aber immer noch blies der Wind auflandig und trieb sie weiter. Zum Tiefeloten blieb keine Zeit. Die beiden Männer hasteten nach vorn, und gleich darauf rauschte die Ankertrosse aus, lief durch die Klüse, und der schwere Anker donnerte in den Grund. Ben Brighton ließ das Schiff noch ein wenig slippen. Dann grinsten die beiden sich an. „Prächtig, prächtig“, sagte Carberry grinsend. „Jetzt kann sich der Orkan in Ruhe dort draußen austoben, hier sind wir so sicher, wie in — äh ...“ „Abrahams Schoß“, half Ben aus. „Du sagst es.“ Der Profos wies mit der ausgestreckten Hand nach vorn. „Sieh nur, was da draußen los ist“, sagte er rauh. „Man sollte nicht glauben, daß wir das heil überstanden haben.“ „Oder fast heil“, ergänzte Ben. Das, was sich auf See abspielte, war selbst für einen erfahrenen Seemann eine haarsträubende Angelegenheit. Das Wasser schien zu kochen, die Berge, die da scheinbar aus der See wuchsen, waren höher als große Häuser. Es war ein Wirbel aus Wasser, Himmel und Hölle, der mit Urgewalt dahertobte und alles kurz und klein schlug, was sich in seiner Umgebung befand.
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Dazwischen fielen immer wieder gewaltige Sturzbäche vom Himmel, Regen so dicht, daß man keine Luft mehr kriegte. Das Brüllen der aufgewühlten Wassermassen erstickte selbst hier noch in der Bucht fast jedes Geräusch. „Dabei war es vorhin noch schlimmer“, sagte Ed andächtig. Hinter ihm räusperte sich jemand. Carberry drehte sich um und blickte die Gestalt an, die an Deck stand. Der Kutscher war bleich, aber das sah man unter seiner Dreckschicht nur an vereinzelten Stellen. Seine Haare hingen ihm wirr in die Stirn, seine linke Hand war blutig verkratzt) und auf seiner Wange schillerte ein blauroter Fleck, der zusehends anschwoll. „Womit, zum Teufel, hab ich das bloß verdient!“ schrie er und fuchtelte mit den Armen. „In der Kombüse sieht es aus wie in der Vorpiek des schwarzen Seglers. Mann, da ist eine Menge zu Bruch gegangen. Da drin kann man nur noch schwimmen.“ Carberry musterte ihn immer noch grinsend. „Wärst du bei dem bißchen Wind doch an Deck geblieben“, sagte er trocken. „Richtig gemütlich war es da. Wir haben in der Kuhl gewürfelt und uns köstlich amüsiert. Aber du mußt ja in deiner lausigen Kombüse hocken bleiben.“ Dem Kutscher verschlug es sekundenlang die Sprache, aber nicht wegen Eds Worten. Er brachte erst nach längerer Zeit einen Ton hervor, als er das aufgewühlte Meer und die Höllenbrandung sah, die mit unverminderter Kraft weiter tobte und brüllte. „Da sind wir durchgesegelt?“ fragte er fassungslos. „Nicht gerade gesegelt“, widersprach Ben, „schön gemütlich durchgelenzt oder getrieben. Na ja, ein paar kleine Schlingerbewegungen bleiben da wohl nicht aus. Zum Glück war es kein richtiger Sturm, stimmt's, Ed?“ „Von Sturm kann sowieso keine Rede sein“, sagte Carberry verächtlich.
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„Richtigen Sturm hat der Kutscher noch gar nicht bei uns erlebt.“ „Jetzt hört aber mit eurer verdammten Untertreibung auf!“ schrie der Kutscher ärgerlich. „Unser Schiff ist angeschlagen, und verdammt noch mal, ich habe auch schon harte See erlebt, am Kap Hoorn, in der Karibik und überall! Und ihr wollt behaupten, das war ein bißchen Wind! Ihr spinnt wohl, was? Dann möchte ich wissen, was bei einem richtigen Sturm passiert.“ Carberry ließ sich nicht erschüttern. Er wußte, daß der Kutscher sich immer mächtig aufregte, wenn man alles als kleine Bagatelle abtat. „In einem richtigen Sturm saufen die Schiffe ab, Kutscher. Sie kentern oder werden zerschlagen, bis sie untergehen. Uns fehlt aber nichts, wir sind auch nicht abgesoffen, also war es auch kein richtiger Sturm! Stimmt's, Ben?“ „Natürlich stimmt das, Ed!“ Sie nervten den Kutscher weiter, der verzweifelt abwinkte, weil er wußte, daß er gegen die beiden Helden doch nicht ankam. Sie hatten nun einmal das bessere Argument, und das schlachteten sie auch weidlich aus. Hasard, Tucker und ein paar andere Seewölfe erschienen auf dem Vordeck. Der Seewolf und Ferris Tucker hatten gerade einen kurzen Inspektionsgang hinter sich. Auch der Bengel Bill gesellte sich zu ihnen. Sie sahen sein grünes Gesicht, seine rötlichen Augen und grinsten ihn an. „Seekrank, Junge?“ fragte Carberry. „Keine Spur, Sir!“ Der Bengel grinste frech. „Ich habe erst nur ein Stück Fisch gegessen, und das ist mir im Hals steckengeblieben.“ „Dann schluck es doch endlich runter“, riet Ed. „Es hängt mir noch im Hals, Mister Carberry. Madame Siri-Tong hat mich geschickt, ob der Kutscher ein Medikament hätte. Sie sagt, das Chinesenmädchen habe Angst und ihr sei ganz schlecht.“
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„Ist sonst alles in Ordnung?“ fragte Hasard. „Ja, Sir! Auch Arwenack und dem Papagei geht es gut. Sir John fehlen ein paar Federn, sonst nichts.“ „Gegen Seekrankheit gibt es leider kein Medikament, sagte der Kutscher. „Aber ich werde ihr eine Muck voll Saft zusammenbrauen, das beruhigt sicher.“ Als der Kutscher kopfschüttelnd in die Kombüse blickte, erschien auch Siri-Tong. Die Rote Korsarin gab sich gelassen. Der Seegang hatte sie nicht im geringsten erschüttert, was der Kutscher ein wenig neidvoll zur Kenntnis nahm. „Ihr fehlt nichts“, sagte sie, denn sie hatte Bills letzte Worte noch vernommen. „Sie ist seekrank und hat sich geängstigt. Das vergeht von allein wieder. Ich habe sie beruhigt.“ Dennoch ließ der Kutscher es sich nicht nehmen, das versprochene Mittel zu brauen. Bill half ihm beim Aufräumen, und auch Gary Andrews und Blacky packten mit an, um in der lädierten Kombüse wieder Ordnung herzustellen. Der Kutscher mixte etwas zusammen und reichte die Muck an den Moses weiter. „Hier, bring ihr das!“ „Und blas dich nicht wieder in ihrer Nähe so auf, sonst gehst du nicht durch das Schott durch, Moses!“ Carberry rief es dem Jungen nach, und alle grinsten, denn sie kannten seine heimliche Liebe. Das Mädchen, das sich „Flüssiges Licht im beginnenden Sommer“ nannte, hatte es dem Bordjüngsten nun einmal angetan. Sobald er sich ihrer Anwesenheit bewußt war, spielte er den Helden, pumpte sich auf, reckte seine Hühnerbrust vor und ließ gesalbte Sprüche vom Stapel oder protzte mit Kraftakten. Ein sanfter Wellengang hob die „Isabella“ immer wieder sacht hoch, bis der Bug an der Ankertrosse hart zerrte. Dann gab der Druck sofort nach. Es war nicht mehr als ein leichtes Schaukeln, während es „draußen“ immer noch brüllte, heulte und pfiff.
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Die Inspektion wurde jetzt auf alle Räume des Schiffes ausgedehnt. Davon blieben auch die Laderäume nicht verschont. Tucker und Big Old Shane, der unbeugsame Schmied von Arwenack, erledigten das. Conroy und zwei weitere Seewölfe, Stenmark und Bob Grey, überprüften und reinigten die Kanonen. Will Thorne und der Gambianeger Batuti holten Segel aus der Segellast, fierten die eine Rah ab und entfernten die restlichen Fetzen des Sturmsegels. Der Kutscher klarte immer noch die Kombüse auf, in der Wasser schwamm, Holzkohle trieb und verpapptes Mehl einen unansehnlichen Brei bildete. „Wie sieht es aus, Ferris?“ fragte der Seewolf den rothaarigen Schiffszimmermann, der aus dem Raum stieg und sich die Haare aus der Stirn strich. „Wir haben keinen Wassereinbruch, alles ist absolut dicht. Auf das Schiffchen können wir jeden Tag stolzer sein, das baut so schnell keiner nach. Auch die Pulverkammer ist trocken geblieben, nur ein wenig in Unordnung, aber das klart Al auf. Bei diesem Wetterchen wäre manch anderes Schiff in Trümmer gegangen“, versicherte Ferris Tucker. Ja, sie konnten wirklich auf ihre „Isabella“ stolz sein. Sie hatte standgehalten, denn das „Wetterchen“ war mehr als ein harter, ausgewachsener Orkan gewesen, den sie abgeritten hatten. Was waren dagegen schon zwei verlorene Segel? Hasard nickte. Wenn Ferris sagte, daß alles dicht war, dann konnte er sich darauf verlassen, dann war jede weitere Frage überflüssig. Bis zum späten Nachmittag wurde aufgeklart, überprüft und kleinere Dinge ausgebessert. Hasard kümmerte sich um die junge Chinesin und sah nach ihr. Ihr Gesicht war immer noch bleich, und der ausgestandene Schrecken war noch nicht ganz überwunden. Aber sie lächelte ihm tapfer zu und versuchte ihre Angst zu verbergen.
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„Es war schlimmer als damals auf dem Floß, hoher Herr“, sagte sie leise. „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Der hohe Herr ist ein sehr guter Kapitän, er beherrscht die Elemente der zürnenden Götter, die keine Macht über ihn haben.“ „Es war auch eine Menge Glück dabei“, sagte Hasard lächelnd. „Und vermutlich standen mir die Götter bei, sonst hätten wir es nicht geschafft. Möchtest du nicht einmal an Deck gehen, um frische Luft zu schnappen?“ „Später, hoher Herr. Wo befinden wir uns jetzt?“ Hasard erklärte es ihr. „Wir sind in dieser Bucht geschützt“, sagte er, „und wir werden hier solange liegen bleiben, bis der Sturm vorbei ist. Dann erst segeln wir weiter nach Shanghai.“ „Shanghai“, wiederholte sie lächelnd. Ihr Blick wurde etwas schmerzlich, als sie Hasard direkt in die Augen blickte. „In Shanghai werden sich unsere Wege trennen, hoher Herr“, flüsterte sie mit ihrer zarten Stimme. „Der hohe Herr wird seinen Weg um die Welt fortsetzen und sie erobern, und das kleine Chinesenmädchen wird immer an ihn denken, weil er ihr Leben gerettet hat und so gütig ist.“ „Sprich nicht davon“, sagte Hasard bewegt, „du hast viel mehr für uns getan. Ohne dich wären wir niemals nach Peiping gelangt. Und wenn du weg bist, wird kein ‚Flüssiges Licht' mehr über das Schiff schimmern“, versuchte er zu scherzen. „Was wirst du in Shanghai tun, Mädchen? Hast du Verwandte oder Bekannte dort?“ Sie nickte schnell. „Eine Familie wird mich aufnehmen.“ „Möchtest du nicht nach Xiapu zurück? Ich werde dich dorthin bringen, wenn du es willst!“ „Nein, nein, hoher Herr. Ich kann nicht mehr zurück. In Xiapu hätte ich kein Gesicht mehr. Versteht der hohe Herr das?“ Sie vermied es immer noch, den Seewolf direkt anzureden, denn der Respekt vor dem Mann, der spielend Wind und Wellen bezwang, der alles schaffte, was er sich vornahm, und der Piraten und sogar die
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Soldaten des Großen Chan bezwang, war riesengroß. „Ja, ich verstehe das, es ist im Reich des Großen Chan besser, tot zu sein, als kein Gesicht zu haben. Das habe ich schon seit langem begriffen. Aber ich sagte dir schon einmal, daß ich Hasard heiße. Nenne mich nicht immer hoher Herr!“ Leichtfüßig stand sie von der Koje auf, auf der sie halb liegend gesessen hatte. Wieder lächelte sie ihn an. „Es geht nicht, hoher Herr. es steht mir nicht zu. Ich könnte jeden anderen der Mannschaft mit Namen anreden, aber niemals den hohen Herrn. Der Unterschied zwischen uns ist zu groß. Für mich ist der hohe Herr ein ...“ Sie senkte verschämt den Kopf, blickte dann verstohlen zu ihm auf und beendete ihren Satz. „Ein Gott“, hauchte sie. Da half alles nichts. Hasard konnte mit Engelszungen reden, sie blieb dabei und war davon nicht abzubringen. Er stellte eben ein höheres Wesen für sie dar, und obwohl der Seewolf immer wieder, betonte, daß er ein ganz normaler Mensch, wie alle anderen auch, sei, ließ sie sich auf keine Diskussion über das Thema ein. „Wenn du später in Shanghai an Land gehst“, sagte er, „dann bist du mittellos und besitzt nichts außer dem, was du auf dem Leib trägst. Meine Mannschaft und ich, ebenso wie die Korsarin, möchten sich aber gern erkenntlich zeigen für das, was du getan hast, und so wirst du es mir auch sicherlich nicht abschlagen, wenn wir dir in Shanghai ein Geschenk überreichen. Ich möchte, daß du bei deiner neuen Familie sorglos und glücklich leben kannst. Aber darüber sprechen wir später noch.“ „Ich kann kein Geschenk annehmen, alles was ich tat, geschah selbstverständlich, und es hat mir nicht die geringste Mühe bereitet. Der hohe Herr hat mir mein Leben geschenkt und mein Denken in andere Bahnen gelenkt.“ „Willst du, daß ich böse werde?“ „Nein, hoher Herr“, murmelte sie erschreckt.
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„Dann ist ja alles gut.“ Hasard strich ihr sanft über das fast blauschwarze Haar. „Ruh dich noch aus. Bill wird dir etwas zu essen bringen, damit du wieder zu Kräften kommst. Und vergiß nicht, später ein wenig an die frische Luft zu gehen.“ „Ja, hoher Herr!“ Am Schott blieb Hasard noch einmal stehen. „Wenn der Wind nach Norden umspringt und die See sich wieder beruhigt hat, segeln wir weiter. In zwei bis drei Tagen werden wir dann in Shanghai sein“, sagte er. „Dann hast du endlich wieder festen Boden unter dir.“ „Mein Herz wird so schwer sein wie der Anker, den ihr auf dem Schiff habt“, sagte sie leise. Sie blickte dem Seewolf noch nach, als sich das Schott hinter dem schwarzhaarigen Mann längst geschlossen hatte. Zwei kleine Tränen rollten über ihre Wangen, winzigen Perlen gleich, die schließlich zu Boden fielen. Sie verstand sich selbst nicht mehr. Alles in ihr war durcheinander, ihr Leben hatte sich grundlegend geändert, seit man sie auf dem Floß ausgesetzt hatte, damit sie die Braut des Flußgrafen Ho-Po werden sollte. Sie sank auf die Koje zurück und versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken, aber das ging nicht, und so schluchzte sie leise vor sich hin, bis sie schließlich einschlief, und von einem großen schwarzhaarigen Mann träumte, der mit blitzend weißen Zähnen am Ruder stand und den Windgott auslachte, der sein Schiff holen wollte, und der wütend seinen Atem anhielt, weil er den schwarzhaarigen Mann nicht bezwingen konnte. Inzwischen war es Abend geworden. Der Wind drehte in die Richtung, die Hasard angenommen hatte. Er blies nicht mehr so stark, und vor der Bucht wurde das Wasser etwas ruhiger. Aber immer noch jagten dunkle Wolken über den Himmel, die sich sintflutartig ergossen. Der Kutscher, dessen Kombüse wieder aufgeklart war, hatte heißen Tee gekocht, Lü-Cha, wie die Chinesen es nannten,
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Sirup und Rum hineingetan und verteilte das Getränk. Carberry schlürfte in langen Zügen. Die meisten hielten sich jetzt, nachdem an Bord alles klariert war, in dem Aufenthaltsraum auf. An Deck war es immer kälter geworden, dafür war der Schimpanse Arwenack der beste Beweis, denn er ließ sich oben nicht mehr blicken und sauste zwischen den Männern herum, dem flatternden Sir John nach, der von den üblen Spielereien des Affen nicht viel hielt, weil der ihm pausenlos nachjagte. Als er sich endlich auf Carberrys Schulter in Sicherheit gebracht hatte, schlich sich der Schimpanse unter der Back heran und grapschte nach der prächtigen Schwanzfeder des Aracangas. Sir John hackte zu und biß den Affen kräftig in die Hand. Arwenack schrie Zeter und Mordio und schlich zu seinem Freund Dan O'Flynn. „Laß ihn in Ruhe“, sagte Dan, „dann wird er dir auch nichts tun, du Affe. Das hast du jetzt davon!“ Arwenack verzog sich beleidigt und blieb unter der Back hocken. Er ließ sich auch nicht mehr hervorlocken. Hasard hatte die Seekarte ausgebreitet, weil die Männer wissen wollten, wie es weiterging, wenn man erst einmal Shanghai verlassen hatte. „Wir segeln weiter nach Süden“, erläuterte er. „Es wird eine Fahrt, von der wir nicht genau wissen, wohin sie führt, doch Spanier und Portugiesen haben von einem riesigen Meer geredet mit vielen Inseln. Von dort soll es einen Weg geben, der zum afrikanischen Kontinent führt. Hier habe ich ein paar Karten, auf denen andeutungsweise Inseln eingezeichnet sind. Früher habe ich sie nicht beachtet, doch jetzt fiel es mir wieder ein. Natürlich sind sie ungenau, denn die Spanier hüten ihre Seekarten wie ihr Gold und die Schätze aus der Neuen Welt.“ Ben, Carberry und Dan beugten sich darüber. Als sie aufsahen, wirkten ihre Gesichter enttäuscht. „Diesen Karten nach werden wir den Kontinent nie finden“, sagte Dan
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überzeugt. „Die sind so schlecht wie jene, nach denen wir das Kap der Stürme umsegelt haben.“ „Wir haben aber trotzdem den Weg gefunden“, sagte Hasard. „Und wenn wir Afrika erreichen, müssen wir an der Küste früher oder später auch wieder auf Old England stoßen. Wir haben dann praktisch die Welt umsegelt.“ Batuti grinste und verzog die Lippen. „Wenn nach Afrika segeln, dann Batuti sofort riechen, ob richtig“, sagte er erfreut. „Batuti riechen Afrika schon jetzt ein wenig. Ah, gutes Luft“, sagte er schnuppernd. „Batuti vielleicht Heimat wiedersehen.“ „Klar“, sagte Dan grinsend. „Du brauchst dich nur in den Wind zu stellen und zu schnüffeln. Dann finden wir ganz sicher hin.“ Hasard zog mit dem Finger imaginäre Linien auf der Karte und überlegte scharf. „Wenn wir den Kurs finden, dann haben wir eine Verbindung vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean, die beweist, daß wir die Welt diagonal umsegelt haben. Später werde ich das einmal aufzeichnen und eine große Karte anhand unserer zurückgelegten Strecke anfertigen. Aber noch fehlt uns ein Verbindungsglied dazu.“ Carberry kratzte sich mit einer Hand an jener Stelle, wo ihn eine farbenprächtige Beule zierte. „Wir sollten uns mehr an die Dons halten“, sagte er. „Wenn wir auf dem Weg nach Süden einen erwischen, kapern wir ihn und durchsuchen ihn von oben bis unten nach Seekarten. So ganz nebenbei können wir ihm dann auch die Beute abnehmen. Die lausigen Dons haben nun einmal bessere Karten, das beweist schon, daß sie immer vor uns auf allen möglichen Inseln waren.“ Der Vorschlag fand begeisterte Zustimmung. Auch der Seewolf nickte sofort. „Das werden wir tun, die Roteiros jagen, die geheimen Seekarten, die die Spanier bei einer Kaperung lieber auffressen und verschlucken, als sie einem anderen zu gönnen. Die Dons kennen die geheimen
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Seewege, und sie werden bei der nächsten Begegnung dieses Wissen mit uns teilen.“ „Und wenn sie sie eintätowiert auf ihren verdammten Affenärschen mit sich 'rumschleppen, wir kriegen sie“, versicherte der Profos grimmig. „Die Karten sind nicht mit Gold zu bezahlen.“ Länger als eine Stunde noch wurde diskutiert, Pläne entworfen, geredet und Lü-cha getrunken, das „Gesöff, das einem wieder auf die Beine hilft', wie Ben Brighton betonte. Seltsamerweise beteiligte sich die Rote Korsarin so gut wie gar nicht an der Diskussion, die sich um die Fortsetzung der Reise drehte. Still und in sich gekehrt saß sie da mit geistesabwesendem Blick und schien gar nicht hinzuhören. Hasard verstand sie. Immerhin stand ihr noch einiges bevor, sobald sie in Shanghai waren. Es würde einen neuen Prozeß geben, aber das war nur noch eine reine Formsache, sobald sie das Schreiben des Großen Chan vorwies. Und der Seewolf war sich sicher, daß es sich längst herumgesprochen hatte, denn im Land des Großen Chan hatten die Meldungen und Gerüchte Beine. Sie verbreiteten sich in dem Reich schneller, als der Wind blies. Etwas später löste sich die Versammlung auf. Die Deckswachen wechselten, die anderen Männer suchten ihr Quartier auf, und bald herrschte Ruhe an Bord. Nur Hasard und der junge O'Flynn saßen noch eine Weile beieinander und schmiedeten Pläne, redeten über neue Kontinente, fremde Meere und unbekannte Inseln. Das große Fieber, etwas Neues zu entdecken, hatte sie wieder einmal gepackt. 3. Der nächste Morgen brachte eine höllische Überraschung. Zunächst klarte das Wetter auf. Die schwere Brandung hatte sich gelegt, und auf See blies der Wind aus Nordost. Erne langrollende Dünung war entstanden.
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Gerade als Stenmark und Jeff Bowie abgelöst wurden und der blonde Schwede abentern wollte, sah er Mastspitzen, geblähte Segel und ein Schiff von der Art, wie die Japaner sie besaßen. Es mußte aus der anderen Bucht stammen, wo es vermutlich bei dem gestrigen Orkan ebenfalls Schutz gesucht hatte. Vielleicht hatte es aber auch nur auf der Lauer gelegen. Das ließ sich nicht mehr feststellen. Noch war es leicht dämmerig, und Wolkenfetzen jagten über den Himmel. „Schiff vor der Bucht!“ brüllte Stenmark, und damit löste er eine Hektik aus. Der Seewolf erschien sofort an Deck, im Nu war alles munter und auf den Beinen. „Ein Japaner“, sagte Hasard. „Verdammt noch mal, Sten, hast du den nicht früher bemerkt?“ „Tut mir leid, Sir“, sagte der Schwede zerknirscht. „Weder Jeff noch ich habe ihn gesehen. Er muß hinter den Hügeln der anderen Bucht gelegen haben. Er tauchte ganz plötzlich auf.“ „Schon gut. Sicher hatte er sich da schon seit gestern versteckt.“ Das Schiff konnte friedliche Absichten haben, aber das war noch lange nicht sicher. Sie lagen hier in der Bucht wie auf dem Präsentierteller, ein Fehler, den Hasard sich selbst nicht verzieh. Niemand hatte angenommen, daß sich bei dem brüllenden Sturm ein anderes Schiff ganz in der Nähe befand. Zeit zum Überlegen blieb nicht, es mußte schnell gehandelt werden, denn Hasard hatte mit den Japanern schon üble Erfahrungen gesammelt. Die setzten alles auf eine Karte, plünderten an den chinesischen Küsten und ließen kein Schiff aus, das auch nur etwas Beute versprach. „Alle Mann auf die Stationen!“ rief er. Die „Isabella“ erwachte schlagartig zum Leben. Die letzte Müdigkeit fuhr den Männern aus den Knochen, als sie den schnellsegelnden Zweimaster entdeckten, der sich jetzt direkt vor der Bucht befand und sie ansteuerte.
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„Das wird uns Affenärschen eine Lehre sein!“ schrie der Profos ergrimmt. Sein Gebrüll war lauter als sonst, und er trieb die Seewölfe mit harter Stimme und wilden Flüchen an. Die Stückpforten gingen hoch. Dahinter drohten die dunklen Schlünde der Siebzehn-Pfünder-Culverinen. Hasard lief nach achtern, um Brandsätze zu holen, denn sie lagen derart ungünstig vor Anker, daß der Japaner sie aus allen Rohren befeuern konnte, wenn er geschickt in die Bucht lief und das Überraschungsmoment auszunutzen verstand. Da konnten nur noch die „Chinesischen Pfeile“ helfen und das Schlimmste abwenden. Der Kutscher eilte mit glimmenden Lunten über Deck, die er an die Männer verteilte. Flüche und Gebrüll hallten über Deck. Diesmal waren nicht sie es, die einen anderen überlisteten. Diesmal war es umgekehrt, und das war, weiß Gott, ein verdammt lausiges und unangenehmes Gefühl. Die vorderen Drehbassen wurden mit Kettenkugeln geladen, als der Japaner in einem gekonnten Manöver auch schon in die Bucht segelte. Er hielt geraden Kurs auf die „Isabella“, zwei Segel auf und tat genau das, was die Seewölfe insgeheim befürchtet hatten. Er zeigte die Breitseite und griff blitzartig an. Damit war er im Vorteil. Auf der „Isabella“ konnten die Culverinen im Augenblick nicht eingesetzt werden, denn der Bug wies genau auf das Meer. „Der feuert, versucht zu rammen und anschließend zu entern“, sprach Brighton seine Vermutung aus. „Und wenn er dabei selbst zum Teufel geht.“ Hasard erwiderte nichts. Er hatte vier Brandsätze unter dem Arm und steckte sie verbissen und schweigend in die bronzenen Halterungen. Ebenso wortlos nahm er Al Conroy eine brennende Lunte aus der Hand.
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Das alles geschah innerhalb von Sekunden. Ausrichten, die Zündschnur anstecken und warten, bis der Treibsatz davonjagte. In diesem Augenblick lösten sich kleine schwarzgraue Pulverwolken von der Bordwand des japanischen Schiffes, die rasch vom Wind verweht wurden. Drei Sekunden später schlug es zweimal hintereinander auf der „Isabella“ ein. Die erste Kugel knallte in die Kuhl, riß eine Planke auf und stülpte sie wie einen ausgefransten Pinsel nach oben. Der zweite Treffer pfiff ganz dicht über Smoky weg, der mit verzerrtem Gesicht das Genick einzog. Dicht hinter ihm jagte die Kugel über das Deck und bohrte sich krachend in die Stufen des Niederganges. Splitter wirbelten durch die Luft. Die anderen Kugeln heulten über den Rahsegler und versanken im Wasser. Über sechs Kanonen kleineren Kalibers verfügte das japanische Schiff, und jetzt hatte es die Breitseite verschossen. Mit Hartruder lief es in einem gewundenen Bogen jetzt genau auf die „Isabella“ zu. Hasard erkannte die Absicht des Gegners. Der Japaner wollte sie täuschen und den Eindruck erwecken, sie zu rammen, um dann seine andere Breitseite abzufeuern. Wenn er die aus den Rohren hatte, würde er in einem letzten blitzschnellen Manöver zum Stoß ansetzen, die Verwirrung ausnutzen und entern. An Bord befanden sich kleine flinke Kerle, die wie Ameisen durcheinander hasteten, um die erforderlichen Manöver auszuführen. Hasard sah, daß die abgefeuerten Kanonen schon wieder in fliegender Eile nachgeladen wurden. Zwei Brandsätze heulten los und sausten unter nervtötendem Geheul zu dem Japaner hinüber. Gleichzeitig mit dem grellen Jaulen donnerten die beiden vorderen Drehbassen los. Der Erfolg war buchstäblich durchschlagend. Während der erste Brandsatz aus unerfindlichen Gründen vom Kurs abwich und zu spät explodierte, traf der zweite das Schiff in der Mitte und verwandelte das
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Deck in eine Wolke aus rotem Purpur, aus dessen Zentrum grünliche Leuchtkaskaden aufstiegen, die sich blitzartig nach allen Seiten ergossen. Es sah aus wie eine gigantische Explosion, als wären hundert Tonnen Pulver in die Luft geflogen. In das grelle Lohen mischte sich der dumpfe Einschlag der Kettenkugeln aus den vorderen Drehbassen. Die Fockmastspitze wurde wie von Geisterhänden weggewischt. Die Rah zerfetzte und sauste splitternd über das Schiff. Umherfliegende Trümmerbrocken holten schreiende Männer von den Beinen, die sich in panischer Angst mittschiffs retteten, wobei sie geradewegs in die feurige Lohe liefen. Auch der zweite Schuß aus der Drehbasse hatte sein Ziel gefunden. Die Kettenkugeln rasierten einen Teil des Bugs weg und verwandelten ihn in Kleinholz, dessen Trümmer durch die Luft flogen. Der Treffer hatte mehr eine moralische Wirkung, denn außer dem oberen Holzdeck hatte er nichts beschädigt. Mit diesem Gegenangriff hatte der japanische Kapitän ganz sicher nicht gerechnet, denn unter den Leuten herrschte eine heillose Verwirrung, wie Hasard erkannte. Sie legte sich jedoch erstaunlich rasch, ein Zeichen, daß der Kapitän seine Männer bestens unter Kontrolle hatte. Einige von ihnen versuchten, den Brand, der sich auf dem Deck ausbreitete, unter Kontrolle zu kriegen. Anscheinend besaßen sie etwas, genau wie die Chinesen, das in der Lage war, das Feuer zu ersticken. Doch so schnell war der Brand nicht zu löschen, die glühenden Tropfen, die der Brandsatz verschleuderte, brannten in sich selbst weiter und entzündeten sich immer wieder. Ben Brighton fluchte erbittert, als das Schiff erneut den Kurs änderte. „Praktisch schicken wir uns jetzt einen eigenen Brander auf den Hals“, sagte er. „Wir sollten den Kahn in Klumpen schießen, aber es geht nicht.“
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„Die Zeit reicht nicht“, erwiderte Hasard. „Wenn wir ihn von der Steuerbordseite kriegen, dann ...“ Er sprach nicht weiter, denn soeben merkte er, daß der Japaner leicht aus dem Ruder lief, und sich vielleicht jetzt die Chance bot, ihm eine Breitseite aufzubrennen. Auch Al Conroy lauerte auf diese Chance. Geduckt stand er neben der Culverine und hob die Hand, als der Winkel des Schiffes sich verkürzte. Er ließ noch ein paar Sekunden verstreichen, um alle acht Culverinen einsetzen zu können. Dann war es soweit. Funken fraßen sich durch das Zündkraut, bis sie das Pulver erreichten und entzündeten. Eine Salve von acht Siebzehn-Pfündern heulte aus den Rohren. Der Ruck und die Wucht ließ das Schiff krängen, als die Culverinen durch den Rückstoß auf ihren Lafetten zurückrasten. Die starken Brooktaue fingen sie jedoch auf und hielten sie fest. Schwärzlicher Pulverqualm quoll noch aus den Rohren. als es bei dem Japaner einschlug. Das Krachen und Bersten erfüllte die ganze Bucht. Geschrei klang herüber, Stöhnen, die Flüche Getroffener, denen scharfe Holzsplitter ins Gesicht flogen. In der Bordwand erschienen. sauber hineingestanzt, große Löcher. Von der „Isabella“ aus konnte man ins Schiffsinnere blicken, so hatten die Kugeln die Bordwand aufgerissen. Auf dem Deck wuchsen zerborstene Planken, wie von Riesenfäusten eingepflanzt. Die Verwüstungen waren beeindruckend. Ein Teil des Decks brannte, der Fockmast, der rahbesegelt war, bestand nur noch aus einem häßlichen Stumpf, und im Besan des Zweimasters klaffte im Lateinersegel ein riesiges Loch. Das einzige, was Hasard bedauerte, war die Tatsache, daß der Japaner zu dicht herangesegelt war, denn sonst hätten ihn die schweren Eisenkugeln unter der Wasserlinie erwischt. und er wäre wahrscheinlich auf der Stelle abgesoffen. So aber war er immer noch bedingt
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manövrierfähig, trotz seiner leichten Kopflastigkeit. Wie eine flügellahme Ente trieb er auf den Rahsegler zu, Tote und Verwundete an Bord, teilweise brennend, aber immer noch entschlossen, es mit dem Gegner aufzunehmen. Eine zweite Breitseite konnte nicht mehr abgefeuert werden, es hätte zu lange gedauert. Das brennende Schiff trieb näher, während sich die Seewölfe in Windeseile mit Entermessern, Schiffshauern, Koffeynägeln und anderen Waffen ausrüsteten. „Jetzt gibt's japanisches Hackfleisch!“ drohte Carberry, der einen Belegnagel hoch über seinem Schädel schwang. Ferris Tucker griff zu seiner scharfgeschliffenen bewährten Zimmermannsaxt, einer Waffe, mit der man sich rasieren konnte, wäre sie etwas handlicher gewesen. Der Seewolf hielt seine Radschloßpistole in der Faust. Was er dann sagte, ließ die Männer ungläubig staunen. „Bewaffnet euch mit langen Haken!“ rief er. „Ein paar andere nehmen Musketen!“ „Aber die Schlitzaugen ...“ wandte der Profos ein. „Wir kriegen sie schon noch, und ich verstehe auch euren Eifer. Aber ich möchte kein brennendes Schiff, oder kapiert ihr nicht, daß das Feuer sofort auf uns übergreifen wird? Seht euch doch mal den sprühenden Brandsatz und die Funken an!“ Zugegeben, in ihrem Eifer hatten sie nicht daran gedacht, überlegte Carberry. Aber der Seewolf hatte recht. Der Fockmast und ein Teil des zerschossenen Decks sprühten pausenlos Funken nach allen Seiten, die der Nordostwind immer wieder zu hellen Flammen entfachte. Ein paar Funken würden genügen, um die „Isabella“ ebenfalls in Brand zu setzen, wenn das Schiff geentert wurde. Big Old Shane und Batuti hatten sich mit ihren weittragenden Bögen bewaffnet, höllischen Bögen, die immer wieder ihre Gefährlichkeit unter Beweis gestellt hatten. Sie schossen damit weiter und genauer als
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andere mit Musketen, und aus diesem Grund verzichteten sie nur selten auf ihre Waffen und die dazugehörigen Brandpfeile, die beim Aufschlag explodierten. Batutis erster Pfeil schwirrte von der Sehne und traf einen Japaner, der auf Matt Davies mit einer Armbrust angelegt hatte. Der Japaner warf schreiend die Arme hoch und fiel aus dem Stand auf das zersplitterte Schanzkleid, wo er regungslos hängenblieb. Hasard feuerte mit der Radschloßpistole vom Achterkastell, als er sah, wie einer der Piraten auf ihn anlegte. Ohne einen Ton von sich zu geben, sackte der Mann zusammen. Qualm und kleine Rußflocken hüllten die Männer ein. Die Seewölfe hielten die Haken bereit, um das Schiff wegdrücken zu können. Die anderen nahmen sich nur die aufs Korn, die aus sicherer Deckung auf sie feuerten. Musketenschüsse krachten, die Piraten stimmten ein wütendes Geheul an und warfen Enterhaken zur „Isabella“, die sich hinter dem Schanzkleid verfingen. Jedesmal war sofort der Schiffszimmermann zur Stelle. Ein Schlag mit der Axt kappte die Taue. Gleichzeitig schlugen die langen Bootshaken in das Holz des anderen Schiffes. Die Männer drückten aus Leibeskräften, um den zum Brander gewordenen Piraten wegzustoßen. Zwei kleine Kerle sprangen todesmutig herüber, wieselten über das Deck und griffen mit langen gebogenen Messern an. Der Profos erschien ihnen das geeignete Objekt zu sein, denn er war waffenlos. Daher sprangen sie mit den Messern auf ihn los. Dan O'Flynn war wie der Blitz zur Stelle. Er unterlief das Messer, das haarscharf an seinem Schädel vorbeizischte und schlug mit einem Belegnagel aus Hartholz zu. Der Hieb ließ den Piraten über das Deck bis zum Laderaum in der Kuhl schlittern. Dort brach er erst zusammen, aber noch bevor er die Planken berührte, schleuderte ihn Sam Roskill wie ein Bündel Lumpen über Bord.
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Die schlitzäugigen kleinen Männer waren mutig und flink. Jetzt sprangen wieder drei von ihnen auf den Rahsegler. Einer hielt eine brennende Fackel in der Hand, die er auf Deck warf, wobei die Funken nach allen Seiten stoben. Zwei schnelle Sätze brachten ihn dorthin, wo sein Kumpan den Profos attackierte. Ed ließ zornbebend den Bootshaken los, der sich in das Piratenschiff gebohrt hatte. Bisher hatte er den Kerl mit Fußtritten abgewehrt, aber jetzt waren es zwei. Den einen erwischte die große eisenharte Faust des Profos wie ein Hammer. Er schlug sie ihm von oben auf den Schädel, bis der Mann mit einem unartikulierten Schrei zusammenbrach. „Wenn dir die Latschen geplatzt sind, bist du selber schuld, du kleines Rübenschwein“, sagte Ed. Er drehte sich noch nach dem an- deren um, aber der war inzwischen bereits in besten Händen. Er zappelte schreiend an der Hakenprothese von Jeff Bowie, der ihm das Messer aus der Faust geschlagen hatte und den Kerl so verdrosch, daß er schreiend zurück auf sein Schiff sprang. Gary Andrews warf die Fackel auf das Piratenschiff zurück, in jene schwelendeund brennende Stelle, die der Brandsatz getroffen hatte. Sofort begann es stärker zu glühen. Immer noch krachten Schüsse, klirrten Messer, wurden Pfeile und Armbrustbolzen verschossen. Auf der „Isabella“ lag ein toter Pirat. Ben Brighton hatte ihn erwischt, als er sich an ihn heranschlich, um, den Bootsmann von hinten zu erstechen. Ben hob ihn auf und schleuderte ihn über Bord. Auf dem Achterdeck des Zweimasters schrie und brüllte der Kapitän. Was er schrie, verstand niemand, aber wahrscheinlich blies er zum Rückzug, denn niemand von den kleinen Teufeln sprang mehr herüber. Das Schiff entfernte sich auch wieder von der „Isabella“ unter dem Druck der Bootshaken und trieb
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weiter in die Bucht hinaus, dem kurzen Brandungsstrand entgegen. Haßerfüllt schleuderten die japanischen Piraten etwas später brennende Feuertöpfe auf die „Isabella“. Matt Davies und Jeff Bowie griffen die qualmenden und brennenden Geschosse mit den Prothesen und schleuderten sie ins Meer. Aber nicht immer gelang das. Einige Male spritzte brennender schwarzer Sud nach allen Seiten, der einen höllischen Gestank verbreitete und zäh wie Pech an den Planken klebte. Al Conroy revanchierte sich mit den von Ferris Tucker erfundenen Teufelsflaschen. Zweimal gelang es ihm, seine gefährlichen Geschosse an Deck des Japaners zu schleudern, und zweimal erschütterte eine Detonation die Bucht, vermischt mit gellenden Schreien der Piraten, die von den rostigen Nägeln und Eisenstücken getroffen wurden. Die Piraten zogen sich zurück. Qualmend, mit einem halbzerfetzten Segel und angeschlagen, erreichten sie die flachen Brandungswogen und glitten mit dem lädierten Schiff hindurch. „Anker auf! Hoch die Segel!“ rief Hasard. „Klariert wird unterwegs. Wir segeln weiter.“ Brighton und der Profos trieben die Leute an, packten selbst mit zu und sahen dem Schiff nach, das jetzt eine knappe Kabellänge entfernt war. Wie benommen torkelte es durch die See, in die langrollende Dünung hinein. Conroy blickte ihm grimmig nach. „Die Culverinen sind wieder klar. Sir!“ rief er dem Seewolf auf dem Achterdeck zu. „Sollen wir den hinterhältigen Schuften nicht noch eins aufbrennen?“ „Das wäre genau richtig“, sagte auch Tucker. „Überfallen uns feige. beziehen Prügel und hauen ab, nachdem es nichts für sie zu holen gab.“ Hasard wollte etwas erwidern, doch dann sah er zu seiner Überraschung, wie sich aus der Bordwand des Piraten wieder zwei graue Pulverwölkchen lösten. Das dumpfe Rollen erfolgte sofort danach, und gleich darauf stoben zwanzig Yards vor der
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„Isabella“ zwei Fontänen im Wasser hoch. Als sie schäumend zusammenfielen, nickte der Seewolf. „Zeigt ihnen, daß wir besser treffen können!“ „Das werden wir ihnen auch zeigen“, versicherte Al Conroy, der einer der besten Waffen- und Stückmeister war, wie der Seewolf wußte. „Zwei müssen genügen“, brummte Conroy vor sich hin. „Schließlich haben wir nicht Kugeln im Überfluß!“ Da die „Isabella“ jetzt breitseits zur Bucht lag, war die Gelegenheit günstig. Conroy nahm Maß, hielt die Lunte ans Zündkraut und ließ die erste Culverine loswummern. Eine Kabellänge war der Pirat jetzt entfernt, als die schwere Eisenkugel ihren Flug begann. Sie war noch unterwegs, und man konnte ihre Flugbahn mit dem bloßen Auge verfolgen, da zündete Al die nächste Ladung. Auf den Decks rissen die Männer die Arme hoch und brüllten sich die Kehlen heiser. Mit der Wucht unzähliger schwerer Schmiedehämmer schlug die Kugel genau an der Wasserlinie in das Schiff. Ein großes scharf gezacktes Loch begann zu klaffen. Nach allen Seiten flogen zerbrochene Planken davon. Wasser stieg hoch in einer riesigen Fontäne, die das Deck des Piraten überschüttete. Noch hatten die Holztrümmer sich nicht beruhigt, als ein Yard neben dem ersten Loch, etwas nach schräg unten versetzt, ein zweites klaffte. Wie von unsichtbaren Händen wurden weitere Planken aus dem Rumpf gerissen. „Er zieht Wasser!“ schrie Blacky begeistert. „Mann, waren das zwei saubere Schüsse, Al!“ „Mit dem Kasten werden sie keine halbe Meile mehr segeln“, sagte Dan, seiner Sache absolut sicher. „Die saufen ab, sobald sie richtig draußen sind.“ Carberry grinste und schob sein Eisenkinn wie einen Rammbock vor. „Und ihr lausiges Beiboot ist verkohlt und schwimmt auch nicht mehr. Diese
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schlitzäugigen Hurensöhne werden verdammt kalte Affenärsche in dem Wasser kriegen.“ Sie sahen, wie die rollende Dünung das Schiff hob und senkte. Befand es sich auf der Höhe einer Welle, spie es Wasser aus seinem Rumpf, aber gleich darauf tauchte es tief ein, und das Chinesische Meer drängte sich mit aller Gewalt in die Räume. Zusehends sackte es tiefer ab. Während die Seewölfe hinübersahen, holten sie den schweren Anker ein. Einige andere waren an den Nagelbänken beschäftigt und standen an den Fallen, Brassen und Schoten. „Aus dem Grund!“ rief Smoky, der Decksälteste, nach achtern, als der Anker nach oben gehievt wurde. Die aufgegeiten Segel entfalteten sich wie riesige graue Tücher und faßten Wind. Pete Ballie legte Ruder. Seine große Pranke deutete zu dem absaufenden Zweimaster hinüber. „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff, Sir! Die ersten springen bereits über Bord.“ „Ein kaltes Bad wird die Hitzköpfe abkühlen“, erwiderte Hasard trocken. „Wir versuchen, die Luvseite zu behalten, Pete. Umsegle ihn also von Backbord!“ „Aye, aye, Sir!“ Langsam schob die „Isabella“ einen Bart vor sich her, eine kleine, kaum schäumende Bugwelle, die erst in der Brandung größer und höher wurde. Carberry ließ Segel trimmen und wartete, bis das Schiff die Bucht verließ und dann nach Steuerbord einschwenkte. Danach wurde rundgebraßt, als die „Isabella“ auf den anderen Bug ging und jetzt mit steifem Nordostwind auf Südkurs lief. „Da sind diese Klugscheißer“, sagte Carberry zu Tucker. „Wenn wir in Luv an ihnen vorbeisegeln, werden sie vor lauter Angst volle Hosen haben. Dann geht nichts mehr bei den Kerlen.“ „Vier oder fünf sind schon über Bord gejumpt“, erwiderte Ferris. „Die haben sich total überschätzt, diese Flöhe. Hoffentlich läßt Hasard ihnen noch eins
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aufs Fell brennen, als Anerkennung für die Arbeit, die mir noch bevorsteht.“ Dabei wies er auf die aufgesplitterte Planke und die zweite, die ebenfalls etwas abgekriegt hatte. Die mußten erst entfernt, dann neue zurechtgeschnitten werden, und schließlich sollte alles danach kalfatert werden. Es sah zwar nach nicht viel Arbeit aus, aber Tucker wußte das besser, und daß er sich damit begnügte, einfach ein kleines Stück zwischen die Fetzen zu setzen, kam für ihn, der immer ganze Arbeit leistete, nicht in Frage. Carberry kratzte sich den Schädel. „Ich jedenfalls würde ihm jetzt den Rest geben. Hasard denkt da vielleicht anders, obwohl er jedesmal die gleiche üble Erfahrung gemacht hat. Solche hinterhältigen Burschen soll man immer gleich zur Hölle schicken - als reine Vorsichtsmaßnahme.“ Ed kontrollierte noch einmal den Stand der Segel und nickte zufrieden vor sich hin. Der Rahsegler holte auf, und zu aller Verwunderung gab sich das lausige Piratenschiff immer noch nicht geschlagen. Es lag bis zur Halskrause im Wasser und hatte Schlagseite. Ein paar schwammen in der Dünung auf das Ufer zu, aber der Rest gab sich trotzig und von finsterer Rache erfüllt. „Jetzt bin ich gespannt wie Batutis Bogen“, sagte Ed. „Die haben immer noch einen ihrer Sechs-Pfünder in Reserve.“ Auch Hasard sah die Bemühungen vom Achterdeck aus, wie ein fäusteschüttelnder Haufen Kerle herüberdrohte und dabei zu kaschieren versuchte, daß sie noch einen Schuß abfeuern wollten. Für Hasard war klar, daß die Piraten in allerkürzester Zeit untergehen würden. Die Kerle selbst konnten ihr Schiff nicht mehr retten, aber ihr lausiges Leben behielten sie, denn bis sie zur Küste schwammen, waren sie zwar klammgefroren, aber sie befanden sich danach in relativer Sicherheit, sofern die Chinesen sie nicht aufstöberten und ihnen die Hälse umdrehten. Nein, entschied er, sie sollten nicht mehr zum Schuß gelangen. Sie waren
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hinterhältig und kannten keine Gnade, und mit etwas Pech erwischt es jetzt noch einen aus der Crew. „Al!“ rief Hasard. „Sir?“ Der Waffenmeister lauerte schon auf die Worte, die gleich folgen würden, und er täuschte sich auch nicht. „Schieß ihnen den Kasten zusammen. Halte auf die noch intakte Kanone!“ Während Conroy bestätigte, war der Profos mit drei blitzschnellen Sätzen schon neben ihm. Ein kurzer Blick, und et sah, wie sie drüben versuchten, das Zündkraut in Brand zu setzen. Der Profos ließ die Stückpforte hochgehen und lauerte, bis Al die Lunte klar hatte. „Bei der Dünung wird es nicht leicht sein, die Kanone zu treffen, Al“, sagte er. „Wir schaffen es schon“, versicherte der Waffenmeister und wartete auf die Gelegenheit, bis sie mit der Kanone fast auf gleicher Höhe waren. Carberry hatte die zweite ebenfalls klar. Dann warf er einen schnellen Blick zum Achterkastell, wo Hasard stand. Sein Gesicht war hart, seine eisblauen Augen drohten stumm zu dem Japaner hin. Nein, entschied er, hier war jede Nachsicht fehl am Platz. Carberry nickte grimmig, als der ohrenbetäubende Knall erfolgte. Die Eisenkugel schlug in das gegnerische Schiff, als sich gerade eine kleine Rauchwolke löste. Der Treffer riß die Bordwand unterhalb des Geschützes auf. Die Kanone verschwand polternd zwischen Planken, wirbelnden Trümmern und einem schreienden Mann in der See. Der Schuß hatte nicht mehr das Rohr verlassen. „Und vergeßt den alten Carberry nicht!“ schrie der Profos. „Der euch jetzt den letzten Gruß schickt.“ Drüben traten die Kerle sich gegenseitig auf die Zehen. Sie schrien, brüllten und rannten nach Lee, wo sie sich in langen Sätzen über Bord schnellten, als der letzte Schuß krachte.
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Der Profos vollendete in meisterlicher Manier das, was Al Conroy so hoffnungsvoll begonnen hatte. Sein Treffer landete noch tiefer und vergrößerte das Loch um fast das Dreifache, das jetzt bis weit unter die Wasserlinie reichte. Das Zischen und Brodeln, mit dem das Meerwasser schwallartig hineinschlug, war bis zur „Isabella“ zu hören. Damit war das Schicksal des Piraten endgültig besiegelt. Conroy schloß die Stückpforten und hörte auf Carberrys sinnigen Satz, der gerade sagte: „Jetzt sind sie das Problem mit dem Feuer endlich los. Bei denen brennt es nie wieder!“ Der lädierte Zweimaster blieb wie ein störrischer alter Esel im Wasser stehen. Er war so träge geworden, daß die Dünung alle Mühe hatte, ihn noch zu bewegen. Er war auch nicht mehr in der Lage, die kleinen Wellen zu erklimmen, und so schlugen sie langsam über dem Schiff zusammen, das sich immer stärker zur Seite neigte. In Richtung Küste aber schwamm ein ganzer Pulk Männer, mindestens fünfzehn waren es, wie Hasard schätzte, die es eilig hatten, an Land zu gelangen. Sie würden nicht mehr viel Freude haben, denn in dieser Küstenregion gab es vor dem kalten Wetter und dem peitschenden Regen keinen Unterschlupf, und bis ihre Klamotten trockneten, hatten die ersten schon eine Erkältung weg. Der Seewolf bedauerte sie nicht. Sie waren nichts anderes als ein Trupp Mörder, und sie hatten es nicht besser verdient. Der Teufel sollte sie holen! 4. Während die „Isabella“ unter vollen Segeln südwärts lief, ging der Moses Bill nach achtern, bewaffnet mit Schüsseln und Näpfen, um den beiden Frauen etwas zu essen zu bringen. Vor der achteren Kammer blickte er erschrocken auf den Riegel. „Verdammt“, murmelte er leise, „den hab ich ganz vergessen!“
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Da er um das Chinesen-Mädchen „Flüssiges Licht im beginnenden Sommer“ immer äußerst besorgt war, hatte er kurzerhand das Schott von außen verriegelt, als der Überfall der Japaner erfolgte. Später hatte er dann ganz vergessen, es wieder zu öffnen. Damit war aber auch gleichzeitig die Rote Korsarin gefangen! Und die würde jetzt geladen sein, dachte er, schon weil sie sich an dem Kampf nicht hatte beteiligen können. Vielleicht nahm sie an, daß die anderen dachten, sie hätte Angst und sich deshalb nicht an Deck blicken lassen. Kaum hatte er den Riegel zurückgelegt und klopfte leise, als sie ihn auch schon anfuhr: „Wer hat das Schott verriegelt? Oben wird gekämpft, und ich sitze hier unten. Wer, zum Teufel, war das?“ Empörung blitzte aus ihren Augen, aber der Moses traute sich nicht zu sagen, daß er es gewesen war. Sein Gesicht wirkte erstaunt, die großen Augen sahen die Rote Korsarin an, und er schüttelte den Kopf. „Das hat mich auch gewundert, Madam“, sagte er verdutzt und erhaschte dabei gleich einen schnellen Blick auf die Chinesin, die ihn lächelnd ansah. Er kriegte einen roten Kopf und grinste. „Was hat dich gewundert?“ „Daß der Riegel vorgelegt war, als ich kam.“ Düster blickte er auf die Schüsseln und schien zu überlegen, bis sich sein Gesicht erhellte. „Natürlich!“ rief er. „Die grobe See, der Sturm, das Schiff tanzte wie verrückt auf den Wellen, da ist der Riegel - äh, ganz sicher von selbst nach unten gefallen.“ Er stotterte, grinste, wurde wieder rot und schielte auf die Schönheit, die ans Schott ging und ihm eine der Schüsseln abnahm. Als sie dabei seine Hand berührte, glaubte der Bengel er wäre in einen Pulk Feuerquallen geraten. Das ging bis in den Schädel, daß sich ihm die Kopfhaut zusammenzog und er das Gefühl hatte, als würden tausend Ameisen über seinen Hinterkopf marschieren.
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„Und weshalb wirst du ständig so rot?“ fragte Siri-Tong. „Was fehlt dir, hast du Fieber?“ „Nein, nein“, stotterte Bill verlegen. „Mir wurde nur noch ganz heiß, als ich an das Licht dachte.“ „An das Licht?“ „Äh - an das viele Wasser“, murmelte er. „an - an die Wellen.“ „Richtig! Die Wellen, die den Riegel fallen ließen. Du vergißt dabei nur, daß wir zu der Zeit in der Bucht lagen, die See ruhig war, und es demnach keine Wellen gab.“ Siri-Tong lächelte unmerklich, denn jetzt erst begriff sie, was mit dem Bengel los war, der vom Licht faselte und damit die Chinesin meinte, und dessen Birne knallrot angelaufen war. Verlegen stand er da, versteckte seine Hände und sagte in schnoddrigem Tonfall: „Ich höre mich oben mal um, vielleicht hat einer aus Versehen das Schott verriegelt. Sie hören wieder von mir, Madam, und und ich wünsche Ihnen, daß es schmeckt, oder ich hoffe es, ich habe beim Kochen mitgeholfen.“ Dann rannte er los, sich seiner Verantwortung für Schiff und Mannschaft voll bewußt. Erst an Deck fühlte er sich wieder wohler und ging zu Ferris Tucker, der seine Werkzeugkiste auf Deck ausgebreitet hatte und leise vor sich hinfluchte. „Soll ich etwas helfen, Mister Tucker?“ fragte er. Tucker sah hoch. „Ja“, sagte er grimmig, „du kannst eine halbe Stunde lang die lausigen Piraten verfluchen und ihnen die Pest an den Hals wünschen. Hol mal die abgesägte Planke her, dort drüben liegt sie.“ Bill konnte von Deck aus ins Innere des Schiffes sehen, weil Tucker zwei Planken herausgenommen hatte. Er schleppte die Planke heran, und der Schiffszimmermann paßte das alte abgelagerte Holz haargenau ein. Bill bewunderte ihn immer wieder, wie geschickt und zielsicher der rothaarige Mann mit der Säge und der mörderischen Axt umging, und wie genau immer alles
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paßte, obwohl er es nur ganz flüchtig abzumessen schien. Am frühen Nachmittag sichtete der Ausguck zwei Gemüsedschunken, die auf Südkurs lagen. Als die „Isabella“ achtern aufkam, begann wieder das gleiche Spielchen, wie sie es schon auf der Fahrt nach Norden mehrmals erlebt hatten. Die beiden Dschunken flüchteten in Richtung Land, ungeachtet der Klippen, die es dort gab. Hasard lachte und schüttelte den Kopf. „Für die armen Kerle muß es eine ständige Plage sein. Jeder lausige Pirat klaut ihnen das Gemüse, und uns halten sie jetzt ganz sicher auch wieder für Piraten. Etwas Backbord, Shane, damit sie merken, daß wir nichts von ihnen wollen“, sagte Hasard zu dem ehemaligen Schmied von Arwenack, der seit einer Stunde am Ruder stand und Pete Ballie abgelöst hatte. Doch auch der Kurswechsel der Galeone beeindruckte die beiden Dschunkenkapitäne nicht. Sie glaubten an einen Trick, und als die „Isabella“ längst vorbeigesegelt war, steuerten sie immer noch dem Land entgegen, bis sie sich in Sicherheit glaubten. * Am zweiten Tag begegneten ihnen immer mehr Schiffe. Kleine Dschunken, Fischerboote und ab und zu ein größeres Schiff. Zu Hasards Verwunderung änderten sie jedesmal den Kurs und wichen in weitem Bogen aus. „Sie meiden uns wie die Pest“, sagte er zu der zierlichen Chinesin, die fröstelnd auf dem Achterdeck stand. „Sie haben vor dem hohen Herrn Angst“, entgegnete das Mädchen, deren richtiger Name Ch'ing-chao Li-Hsia lautete. „Sie kennen uns doch gar nicht. Wie können sie da vor uns Angst haben?“ „Sie wissen das mit den Japanern in der Bucht!“
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Der Seewolf kniff mißtrauisch die Augen zusammen. Diese Behauptung war nun wohl doch etwas weit hergeholt, fand er. „Unmöglich, wir haben dem Teufel fast ein Ohr abgesegelt, schneller geht es kaum noch.“ Sie lächelte fein; unergründlich und schlug die Augen nieder. „In diesem Land weiß man schon um die Dinge, bevor sie geschehen werden“, sagte sie leise. „Boten haben es längst herumgetragen, reitende Boten. Die Nachrichten verbreiten sich schneller als der Wind, hoher Herr.“ Ja, das stimmt, überlegte Hasard. Schneller als der Wind gingen hier die Nachrichten um. Es war unerklärlich, aber in diesem riesigen Land blieb nichts verborgen. Sie hatten das schon mehr als einmal erfahren und waren darüber immer wieder erstaunt. „Ich möchte den hohen Herrn vor Shanghai warnen“, sagte das Mädchen kaum hörbar. Das war wirklich ein Problem für sich. Shanghai! Man hatte sie dort nicht gerade in bester Erinnerung. Aber wenn sich hier alles herumsprach, dann hatte sich mit Bestimmtheit auch schon herumgesprochen, daß sie ein persönliches Schreiben des Großen Chan hatten, das ihnen Tür und Tor öffnen mußte. So jedenfalls waren Hasards Überlegungen. „Sie werden uns nichts tun“, sagte er und teilte ihr seine Überlegungen mit. Doch das Mädchen schüttelte nur den Kopf. „Chinesen vergessen nie, hoher Herr. Egal, ob man ihnen Gutes oder Böses getan hat. Sie werden sich immer daran erinnern.“ „Und das Schreiben, das Siri-Tong hat?“ Diesmal war ihr Lächeln noch ausgeprägter. „Wovon man nichts wissen will, davon wird man auch nichts wissen, hoher Herr. Ich bin sicher, daß wir schon vor Shanghai Ärger und Verdruß kriegen werden.“ Hasard zuckte mit den Schultern. „Mir bleibt keine andere Wahl, als in den Hafen zu segeln, und wenn dabei noch einmal alles zum Teufel geht. Wir waren
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im Recht, und daran hat sich bis jetzt noch nichts geändert.“ Sie schwiegen beide, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Das Wetter hatte ein wenig aufgeklart, doch der Wind blies immer noch stetig und trieb sie schnell weiter. Eine kleine Regenwand entlud sich am Horizont und streifte sie nicht einmal. Das Ufer war jetzt auch bevölkert. Teefelder tauchten auf, man sah arbeitende Menschen und dicht zusammengedrängte Hütten. Dazwischen gab es wieder meilenlange Strände, die nicht besiedelt waren. Siri-Tong erschien ebenfalls an Deck. Zuerst wollte sie Hasard von der verschlossenen Kammer berichten, doch als sie den Bengel sah, der Ferris Tucker so emsig und mit knallrotem Schädel halft, unterließ sie es lieber. Er hatte es ja nur gut gemeint, denn kein anderer kam in Frage als er. Vielleicht wollte er sie beide auch nur schützen. Die Korsarin bewegten genau die gleichen Gedanken wie „Flüssiges Licht“. Wenn sie an Shanghai dachte, rann ihr ein kühler Schauer über den Rücken. Zwangsläufig fielen ihr die angesetzte Hinrichtung und der riesige Henker ein, vor dem die Seewölfe sie buchstäblich in allerletzter Sekunde gerettet hatten. Fast wäre ihr Kopf in den Straßenstaub von Shanghai gerollt, so wie der Shu-Kuan es ihr gehässig prophezeit hatte. Siri-Tong kannte ihre Landsleute, und mit jeder Meile, der sie sich der Hafenstadt näherten, wuchs ihre Beklemmung. Dabei blickte sie immer wieder verstohlen auf den Seewolf. Hasard schien das alles nicht im geringsten zu erschüttern. Er lehnte an der Five-Rail und gab sich unbekümmert und gelassen. Dabei hatte er noch eine Rechnung in Shanghai offen, auf deren Begleichung sich die Chinesen schon jetzt freuten. Auch sie warnte ihn davor, doch der schwarzhaarige Mann winkte verächtlich ab. „Was willst du?“ fragte er. „In Shanghai wartet auf dich dein Schiff, du bist vom
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Kaiser persönlich voll rehabilitiert worden, und wir gelten als Personen, die man mit dem allergrößten Respekt behandeln muß. Wir haben dem Chan die Mumie gebracht und ihm den gefährlichsten Seeräuber samt Steuermann, der hier im Gelben Meer sein Unwesen trieb, ausgeliefert. Man wird uns in Shanghai so zuvorkommend behandeln, daß es mir schon jetzt peinlich ist.“ „Und wenn es noch keiner weiß ?“ „‚Flüssiges Licht’ behauptet das Gegenteil“, erwiderte Hasard. „Hoffentlich behältst du recht“, sagte sie pessimistisch. „Notfalls können wir das Schreiben vorweisen, an dessen Echtheit wohl niemand zweifeln wird.“ Hasard deutete nach unten, wo das Schreiben des Großen Chan und seiner Minister in seiner Kammer eingeschlossen war. Er hob die Schultern und verstand die beiden Frauen nicht, die immer nervöser wurden. Der Ruf aus dem Ausguck ließ Siri-Tong zusammenzucken. „Große Dschunke ein Strich Steuerbord voraus!“ Durch die prallgefüllten Segel konnte Hasard voraus kaum etwas erkennen. Erst als er das Schiff etwas abdrehen ließ, sah er sie. Durch das Spektiv erkannte er sie auf Anhieb. Es war jene große stark armierte Dschunke voller Seesoldaten, die ihnen aus Shanghai nachgesegelt war und ihnen Brandsätze hinterher gejagt hatte, aber hoffnungslos zurückgeblieben war, als die „Isabella“ sich so hastig verabschiedet hatte. Jetzt schien sie auf der Lauer zu liegen, um den Seewölfen den Weg zu verlegen. Sie kreuzte gegen den Nordost, aber so, daß sie sich fast an derselben Stelle aufhielt. Genau dort aber war auch die breite Einfahrt in den Hafen von Shanghai. Hasard sah, wie sich alle Augen auf ihn richteten. Eine Begegnung mit der Kriegsdschunke wurde von keinem der Männer angestrebt, denn wenn es zum Kampf kam, gab es Kleinholz auf beiden Seiten. Und solche Narren waren die
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Seewölfe nicht, die sich nur dann freuten, wenn sie kämpfend untergingen. Natürlich konnte die Anwesenheit der Dschunke auch ein bloßer Zufall sein, vielleicht hielt sie eine Übung auf See ab oder wollte auslaufen und wartete auf günstigeren Wind. Das redete Hasard sich zuerst ein, aber tief in seinem Innern wußte er, daß keine von seinen Annahmen zutraf.' Die Dschunke lauerte. einzig und allein auf sie, daran gab es kaum noch einen Zweifel, und Hasards Wunschdenken fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. „Das habe ich befürchtet“, sagte die Korsarin leise. „Geht nach unten!“ befahl Hasard. „Nimm das Mädchen mit!“ Die Rote Korsarin rührte sich nicht. Hasard blickte sie kühl an. „Ich wiederhole einen Befehl nicht zweimal“, sagte er scharf. „Bitte, wenn das ein Befehl ist“, sagte sie spitz. Sie sprach ein paar Worte zu der jungen Chinesin, die sich vor Hasard stumm verneigte und augenblicklich der Roten Korsarin folgte. „Es scheint Ärger zu geben, Hasard“, sagte Ben Brighton. „Wir können die Dschunke nicht ignorieren.“ „Das habe ich auch nicht vor. Laß das Schiff in Gefechtsbereitschaft versetzen, Ben. Sollten sie uns angreifen, werden wir so hart, wie es geht, zurückschlagen. Es wird aber nur ausdrücklich auf meinen Befehl gefeuert.“ „Hoffentlich wird es nicht nötig sein“, sagte Ben und gab die Befehle des Seewolfs weiter. Der einzige, der nicht den geringsten Anflug von Besorgnis zeigte, war Edwin Carberry, Zuchtmeister und Profos. „An die Arbeit, ihr Filzläuse“, sagte er heiter. „Ihr müßt eure Rolle doch schon im Schlaf beherrschen. Bill!“ wandte er sich an den Schiffsjungen. „Der Kutscher weiß noch nichts davon. Geh nach vorn und sag ihm, daß er die Feuer unter den Kombüsenherden löschen, aber Lunten und Messingbecken bereithalten soll.“
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„Aye, aye, Sir. Glauben Sie, die werden uns angreifen?“ „Keine Spur“, sagte Ed abwinkend, „die wollen uns nur Chinesisch beibringen, weil die Sprache so schwer ist.“ Inzwischen war die Dschunke zu beachtlicher und imponierender Größe angewachsen. Es war eine von jenen Dschunken, die auch über schwere Kanonen verfügten. Daß sie außerdem jede Menge weitreichende Brandsätze hatten, war nur natürlich. Während die Männer auf ihre Stationen gingen, verstaute Ferris Tucker sein Werkzeug. Er warf einen wehmütigen Blick auf das Deck, wo die neuen Planken eingezogen waren. „Vielleicht hätte ich mit der Arbeit noch warten sollen“, meinte er bekümmert. „Wenn wir Pech haben, kannst du ein neues Schiff bauen“, sagte der Profos. Auf dem Achterdeck blickte Hasard erneut durch den Kieker. „Sie haben ihre Stückpforten offen“, sagte er zu Dan, der sich jetzt allein mit ihm dort oben befand. „Was würdest du an Stelle des Dschunkenkapitäns jetzt tun?“ „Wenn er wirklich noch nichts von unserem Glorienschein weiß“, erwiderte Dan gelassen, „dann würde ich an seiner Stelle warten, bis die fremden Teufel auf fast gleicher Höhe sind. Ich würde die schätzungsweise zwanzig Kanonen auf Backbord als Salve abfeuern.“ „Ohne Anruf oder Warnung?“ „Ganz überraschend, denn die Kampfkraft der ‚Isabella' wäre mir ja ungefähr bekannt.“ „Man könnte ihn täuschen“, überlegte Hasard laut. „Er kreuzt in langsamen und ziemlich langen Schlägen. Er wird es sich verdammt genau überlegen, ob er eine Backbordbreitseite abfeuert.“ „Er hat nichts zu befürchten“, entgegnete Dan. „O doch! Wenn er nicht richtig trifft, werden seine schweren Kugeln den Hafen treffen und damit andere Leute gefährden.“ „Er wird ganz bestimmt treffen, und zwanzig Eisenkugeln auf einmal hält auch die ,Isabella' nicht aus. Wir befinden uns in
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einer verteufelten Klemme, weil wir nicht genau wissen, was er tun wird. Eröffnen wir zuerst das Feuer, stehen wir schlecht da, ob mit oder ohne Begleitschreiben des Chan. Greift er uns an, ist es für uns in jedem Fall zu spät.“ Ja, das ist eine verteufelte Klemme, dachte Hasard. Eine verzwickte Situation, der sie sich jetzt rasch näherten. Er ließ deutlich sichtbar die neuen Brandsätze in die Halterungen stecken, so daß man sie von der Dschunke aus sofort sah. Vielleicht überlegten sich die Kerle dann noch einmal, ob sie angriffen, zumal sie ja bemerken mußten, daß die „Isabella“ den Hafen ansteuerte, in dem sie anschließend praktisch in der Falle saßen. An Deck herrschte eine Stimmung wie vor einem gewaltigen Gewitter. Man glaubte, die Luft knistern zu hören. 5. Mehr als hundert Seesoldaten standen bis an die Zähne bewaffnet auf dem oberen Deck der Riesendschunke. Ihre Armbrüste und auch die Bögen waren gespannt. Die Kanoniere standen neben den schweren Kanonen, als die „Isabella“ in einem leichten Bogen den Hafen ansteuerte und die Dschunke in einem Abstand von etwa achtzig bis hundert Yards passierte. Ob es ein fehlgegangener Warnschuß oder ein blitzartiger gezielter Überfall werden sollte, wußte später keiner mehr so recht zu sagen, die Ereignisse überschlugen sich. Im Hafen, gleich hinter der buchtförmigen Einfahrt, lauerten andere kleinere Kriegsdschunken, wie der Seewolf aus den Augenwinkeln blitzschnell registrierte. Seine Männer standen in lauernder Haltung da, glimmende Lunten in den verkrampften Fäusten, bereit, sie sofort auf das Zündkraut zu setzen. Fast geisterhafte Stille herrschte auf beiden Schiffen. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt, als beide Schiffe auf gleicher Höhe standen. Da ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen. Eine der großen Kanonen auf der Kriegsdschunke wär abgefeuert worden.
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Gleichzeitig stoben zartgraue Pulverwolken wie eine Nebelwand davon. „Feuer!“ schrie Hasard. Noch während sich acht Lunten nach unten senkten, erbebte die „Isabella“ unter dem schweren Einschlag einer Fünfundzwanziger Eisenkugel. Ein bestialisches Krachen überlagerte sich mit dem brüllenden Geräusch der abgefeuerten Breitseite. Die schwere Kugel riß am Vorschiff die Blinde mit den beiden Segeln weg und zerfetzte alles zu einem Trümmerreigen, der teilweise auf dem Vorschiff und zum anderen Teil in der See landete. Was dann passierte, gab noch lange Zeit Gesprächsstoff für die Chinesen, denn es war so unwahrscheinlich, daß niemand damit gerechnet hatte. Die Breitseite der „Isabella“, acht solide Siebzehn-Pfünder, mußte die Pulverkammer der Dschunke getroffen haben, und wie es den Anschein hatte, waren da etliche Tonnen Pulver und riesige Mengen Brandsätze gelagert. Zunächst entstand auf der Dschunke ein Blitz, der heller strahlte als die Sonne. Dem Blitz folgte ein Donner, der die Seewölfe fast taub werden ließ. Ein rasch nach oben strebender Rauchpilz, pechschwarz wie die Nacht, verbreitete sich. Weitere hallende Explosionen folgten, die sich durch das ganze Schiff fortpflanzten. Auf der chinesischen Dschunke gab es keine Verwirrung und auch keine Panik. Dazu blieb keine Zeit. Das Schiff verwandelte sich in einen Trümmerhaufen, der unter ohrenbetäubendem Krach nach allen Seiten auseinanderflog. Menschen wirbelten wie leichte Federn durch die Luft. Die gewaltige Druckwelle schleuderte einen Regen aus Asche und Holztrümmern bis hin zur „Isabella“. Teile der Masten und verglühende Mattensegel rasten wild durch die Luft. Die Explosionswelle drückte auf das Lateinersegel, als die „Isabella“ jetzt ihr Heck zeigte, bis die Schoten knallend auseinanderflogen und der schwere Baum herumfuhr.
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Hunderte von Brandsätzen entzündeten sich gleichzeitig durch die enorme Hitzeentwicklung. Eingehüllt in eine feurige Lohe stand der Rauchpilz da. Die Dschunke selbst war nicht mehr zu sehen, doch aus dem schwarzen Pilz ertönte jetzt ein Heulen, als hätten sich alle Höllenschlünde aufgetan. Brandsätze fegten davon, rasten schlangengleich über das Wasser, erhoben sich heulend und kreischend in die Luft und schufen ein Bild, das dem Untergang des ganzen Hafens glich. Auf der „Isabella“ waren die Seewölfe aschfahl geworden, und selbst Hasard spürte, daß seine Finger leicht zitterten. Um seine Mundwinkel zuckte es, als er einen raschen Blick auf das höllische Inferno warf. In der See trieben Soldaten, die die Druckwelle von Bord gefegt hatte, und die sich jetzt noch verblüfft fragten, weshalb sie sich plötzlich in dem kalten Wasser befanden. Das tiefe Glühen auf der Wasseroberfläche blieb noch eine Weile bestehen, bis das Wasser auch die restlichen Brandsätze verschluckte. Dort, wo vormals das stark armierte Kriegsschiff gestanden hatte, kochte und brodelte es noch, aber von der großen Dschunke war nichts mehr zu sehen — bis auf die unzähligen Holztrümmer, die noch in der See trieben. Ein Großteil der Soldaten schwamm im Wasser. Sie hielten auf die andere Seite zu, die nicht so weit entfernt war. Zusammen mit dem Oberdeck waren viele von ihnen in die See katapultiert worden. Auf der „Isabella“ aber geiten unterdessen geschockte Seewölfe die Segel auf. Noch keiner von ihnen begriff so richtig, was da eben geschehen war. Sie hatten nur noch die brüllenden Detonationen im Ohr und waren von dem Feuer geblendet. In Shanghai war wieder einmal der Teufel los. *
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Auf dem schwarzen Segler, der immer noch an der Pier lag, seit er Shanghai angelaufen hatte, ging dem Wikinger Thorfin Njal fast der Helm hoch, als Hilo, der den Ausguck erklommen hatte, die „Isabella“ meldete. Wie ein Blitz enterte er ab, nachdem sich die Nachricht bei der ganzen Mannschaft in Windeseile verbreitet hatte. Zur selben Zeit gab es auf dem schwarzen Segler aber auch Gelächter, und das handelte sich wieder einmal um Mißjöh Buveur, trinkfreudigstes Besatzungsmitglied. Überhaupt, fand Thorfin, daß sich die Sitten reichlich gelockert hatten, seit die Korsarin nicht mehr an Bord war. Aber er konnte es den Kerlen kaum verdenken, daß sie mitunter über ihr Ziel hinausschossen. Shanghai und ihre quasi Gefangennahme stieg ihnen zu Kopf, und so mußten sie sich irgendwie abreagieren. Hinzu kam noch, daß keiner wußte, was mit der Korsarin passiert war und wie ihr eigenes Schicksal in Zukunft aussah. Heute war — wie fast jeden Tag —der fette Kuan von Shanghai erschienen, begleitet von seinen Höflingen, in seiner Sänfte hockend, vor der der Riesenkerl herumtanzte, seinen stinkenden Rauchkessel schwang und Platz für den Kuan schaffte, indem er großzügig Fußtritte an den niederen Pöbel und die dummen Bauernlümmel verteilte. Diesmal stahl Mißjöh Buveur ihm die Schau.. In grotesken Verrenkungen hüpfte er taumelnd auf einem Bein herum, grinste und lallte und stank nach Fusel, daß der in der Sänfte sitzende Kuan angewidert die Nase rümpfte und sich immer wieder mit ungnädiger Stimme nach dem Störenfried erkundigte. Ein scharfer Zuruf des Wikingers setzte dem Treiben schließlich ein Ende. Der Kuan hatte für die Mannschaft jegliches Interesse verloren, seit die Ankunft der „Isabella“ bekannt geworden war. Niemand sah hin, als die Sänfte abgesetzt wurde, wie der Kuan mit dem Tüchlein aus
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Seide vor seinem Gesicht herumwedelte und selbst bei dieser Kälte noch zu schwitzen schien. Indigniert blickte er auf die fremden Teufel und wartete auf die höhnisch gemeinten, aber von ihm nicht bemerkten Ovationen. Diesmal blieben die Kotaus und Bücklinge aus, mit denen die Crew den Kuan verhöhnte. Thorfin enterte trotz seiner Leibesfülle blitzschnell in die Wanten, grinste breit, als er die geblähten Segel der „Isabella“ sah, und wurde zugleich auch besorgt, denn die Kriegsdschunke schien direkt auf den Rahsegler zu lauern. Neben ihm hingen wie riesige Spinnen die Wikinger seiner ehemaligen Crew in den Wanten. Eike, Ar-neu. Olig und der Stör, jener Wikinger mit dem langen Gesicht und der Angewohnheit, Thorfins letzte Worte zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten nachzuquatschen. Aus der Kehle des Wikingers war ein tiefes Grollen zu hören. „Das sieht nach einem Kampf aus“, sagte er laut. „Diese Hurensöhne haben die Absicht, den Seewolf anzugreifen.“ „Die ‚Isabella' ist feuerbereit“, sagte Arne, „sie haben längst bemerkt. was hier gespielt wird.“ Dem Wikinger entging auch nicht das Treiben im Hafen, diese unauffällige Hektik, mit der kleinere Dschunken bestimmte Positionen bezogen. Die Kerle mußten von der Ankunft des Schiffes längst gewußt haben, überlegte er. Er blickte aus seiner luftigen Höhe nach unten und musterte den Kuan aus schmalen Augen. „Hat dieser Fettsack das etwa angeordnet?“ fragte er leise. Darauf konnte ihm Eike auch keine Antwort geben. „Er unternimmt jedenfalls nichts“, sagte er lahm. Thorfin hoffte, daß die schwer armierte Kriegsdschunke vielleicht nur die Aufgabe hatte, die „Isabella“ am Vorbeisegeln zu hindern. Aber einerseits war das Quatsch, Blödsinn, denn wenn sie nicht nach Shanghai hätte segeln wollen, dann wäre
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sie in einem weiten Bogen über das Meer ausgewichen. So aber nahm sie geradewegs Kurs auf den Hafen. Thorfins Augen brannten. Angestrengt versuchte er, Einzelheiten zu erkennen. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Die Männer trauten ihren Augen nicht, als sich eine Pulverwolke von der Dschunke löste und gleich darauf die Blinde der „Isabella“ wegflog. Thorfin Njal brüllte und stieß laute Verwünschungen aus. In aller Eile wollte er abentern. Sollten die Chinesen denken, was sie wollten, er würde jetzt in den Feuerzauber eingreifen, egal, ob da noch Soldaten in der Nähe der Pier standen oder nicht. Dann ließ ihn ein greller Blitz zusammenzucken, als die „Isabella“ sofort mit einer Breitseite antwortete. „Das ist ein Kerl, der Seewolf!“ brüllte er laut, und das waren für eine ganze Weile' seine letzten Worte, denn er hatte das Gefühl, als wäre er in tiefen Schlaf verfallen und das, was er sah, wäre nichts anderes als ein bedrückender Alptraum. Er war zu keiner Bewegung fähig, die Stimmbänder versagten ihm den Dienst, und die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. Die riesige Dschunke verwandelte sich vor aller Augen in eine Feuersäule von nie gesehener Pracht. Sie flog auseinander, als wäre sie nichts anderes als ein Spielzeug. Sie schien direkt Lust am Explodieren zu haben, denn die Feuersäule wurde immer mächtiger, weitere Detonationen zerrissen sie inmitten eines schwarzen Rauchpilzes, der zum Himmel stob. Etliche Soldaten, die auf dem Oberdeck Posten bezogen hatten, wurden nach allen Seiten davongewirbelt. Einmal war fast das halbe Deck zu erkennen, das sich in dem Inferno in die Luft erhob, dort zerbarst und nach allen Seiten abregnete. Den Kuan schien eine Starre befallen zu haben. Und der mächtige Glatzkopf hielt seinen Rauchkessel und verfolgte mit weit
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aufgerissenem Mund die Wrackteile, die überall herumflogen. Inmitten dieser brennenden und kochenden Hölle explodierten dann massenhaft Brandsätze. Es war ein Schauspiel von derart eindringlicher Pracht, daß Thorfin ebenfalls den Mund aufriß. Sogar dem stockbesoffenen Mißjöh Buveur wurde es unheimlich, obwohl er nicht ganz begriff, was hier ablief. „Schschöön“, lallte er, in totaler Verkennung der Sachlage, „das sieht aber fein aus, Mißjöh. Ei - ein Wunder, glaube ich!“ Es verstand ihn ohnehin niemand, denn der gesamte Hafenbereich wurde von einem nachhallenden Dröhnen und Donnern bestrichen, und etwas später fegte eine Druckwelle über den schwarzen Segler. Thorfin enterte erschüttert ab. So hatte er sich die Heimkehr der „Isabella“ nicht vorgestellt, weiß Gott nicht! An Deck brüllten jetzt alle durcheinander. Keiner verstand den anderen. Sie schrien, gestikulierten und deuteten immer wieder zur „Isabella“, die jetzt in den Hafen segelte, nachdem sie sich mit diesem einmaligen Schauspiel erneut hart und trotzig in Erinnerung gebracht hatte. Aber die Männer auf dem schwarzen Segler waren begeistert und gebärdeten sich wie toll. Schadenfroh blickten sie auf den Kuan, der immer noch wie eine Salzsäule in der Sänfte hockte, erstarrt und reglos, zu keiner Handlung fähig. Auf dem schlanken Rahsegler wurden die Segel aufgegeit, doch jetzt, da er in das riesige Hafengelände segelte, erwachte auf den kleineren Dschunken alles wieder zum Leben. Die meisten hatten sich aus ihrer Erstarrung gelöst. Die ganze Tragweite dessen, was eben vor ihren Augen passiert war, ging ihnen jetzt auf. In die Empörung mischten sich Wut, Ärger und der Wille, es dem Rahsegler jetzt endgültig heimzuzahlen. Thorfin sah es mit umwölkter Stirn.
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Auch sein Kampfgeist erwachte schlagartig, seit die „Isabella“, und der Seewolf, das Glanzstück gezeigt hatte. „Los, Boston-Mann!“ herrschte er den zuverlässigsten Mann an Bord an. „Sorge dafür, daß die Kanonen geladen werden. Wir greifen sofort in den Kampf ein.“ Der Boston-Mann grinste schnell und hart. „Ich habe sie erst gestern nacht heimlich laden lassen“, sagte er. „Die Kerle haben uns doch das Pulver weggenommen.“ „Wir hatten ja noch welches versteckt, in dem Raum wo der tote Mandarin verborgen war.“ „Eben, das habe ich heute nacht holen lassen. Keiner von den Chinesen hatte es bemerkt.“ Thorfin sah allerdings noch etwas anderes: Das Schiff „Eiliger Drache über den Wassern“ lag ziemlich ungünstig da. Mit viel Glück würden sie vielleicht eine der kleineren Dschunken erwischen, aber das war kein Erfolg und würde dem Seewolf nichts nutzen. Da hatte er eine andere Idee. Kurz blickte er den fetten Kuan an. „Wir nehmen den Fettsack als Geisel“, sagte er entschlossen. „Aber das muß jetzt verdammt schnell gehen!“ Der Boston-Mann starrte den Wikinger ungläubig an. „Los, lös!“ schrie Thorfin die Umstehenden an. „Schnappt euch die Sänfte mitsamt dem Fettsack, ich werde mir den Glatzkopf vornehmen. Damit rechnet keiner.“ Der Kuan war wirklich ein gutes Faustpfand. Wenn sie ihn an Bord hatten, sah alles anders aus. So schnell würde keiner mehr auf die „Isabella“ feuern. Mit. einem Satz war der nordische Riese über Bord geflankt, gefolgt von dem Boston-Mann, dem Bootsmann Juan und den Wikingern, denen es jetzt gar nicht mehr schnell genug ging. Der Kuan begriff immer noch nicht, was hier passierte,. und auch der chinesische Riesenlümmel sah ihn erstaunt an. Daß der Kerl nur aus Kraft und Muskeln bestand, sah man ihm an.
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Für Thorfin war das jedoch kein Hindernis. Unvermittelt tauchte die mächtige in Felle gehüllte Gestalt des Wikingers vor dem Chinesen auf. Der Glatzkopf zuckte zusammen, ließ den Weihrauchkessel fallen und hob die Fäuste. Sein Gesicht verzerrte sich. Thorfin überrannte ihn regelrecht. Gegen den Riesen hatte niemand eine Chance. Zwei Fäuste, hart und groß wie eiserne Pfannen, flogen dem Wächter an den Schädel. Der doppelte Schlag hob ihn von den Beinen und ließ ihn drei, vier Yards zurückschlittern, wo, er auf der Pier ächzend zusammenbrach. Der Boston-Mann schnappte sich blitzschnell den dürren Dolmetscher, ergriff ihn am Genick und stieß ihn mit harter Hand vor sich her auf den schwarzen Segler zu, wo er von Hilo und dem Koch in Empfang genommen wurde. Jetzt erst begann der Kuan zu zetern und zu lamentieren. Die Wikinger störten sich nicht an dem Geschrei. Sie hieben den Sänftenträgern ihre großen Fäuste um die Ohren und wischten sie einfach von der Pier, ohne daß die Männer Gelegenheit hatten, sich zu wehren. Blitzschnell und respektlos hoben sie die Sänfte an, stemmten sie über die Köpfe, damit der Kuan nicht auf die Idee verfiel auszusteigen, und schleppten die Sänfte an Bord. Vor dem Wikinger stellten sie sie ziemlich unsanft auf die Planken. Thorfin hatte schon sein Instrument in der Hand, das er liebevoll als Messer zu bezeichnen pflegte, und das jeder andere als ganz normales, etwas schweres Schwert bezeichnet hätte. Er drückte es dem tödlich entsetzten Kuan direkt an den Hals. Der Boston-Mann hielt immer noch den Dolmetscher am Hals gepackt, der sich gegen den eisenharten Griff nicht zur Wehr setzen konnte. Die andere Faust hielt der Wikinger hoch und drohte damit zu der Pier hin, auf der die Soldaten standen, die schon seit etlichen Tagen den schwarzen Segler bewachten. Die Kerle waren ratlos, sie
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wußten nicht, was sie tun sollten. Griffen sie an, um den Kuan zu befreien, dann würde der nordische Riese ihn mit Sicherheit aufspießen. Taten sie nichts, würde es später Ärger mit dem Kuan von Shanghai geben, aber den würde es ohnehin geben, weil sie sich so schnell hatten überrumpeln lassen. Thorfins drohend erhobene Faust hinderte sie daran, etwas zu unternehmen. Dieser Gigant verstand keinen Spaß. Inzwischen gab der Wikinger Diego Valeras mit Donnerstimme zu verstehen, was er dem Dolmetscher übersetzen möge. Thorfin selbst sprach nur sehr wenig Spanisch, und deshalb sorgte er gleich dafür, daß keine Mißverständnisse auftraten. „Ein Schuß von den Dschunken auf die ‚Isabella' „, kündigte er an, „und dieses Würstchen von einem Statthalter stirbt den nordischen Heldentod!“ Valeras übersetzte, allerdings nicht im selben Wortlaut, und sah dabei den Dolmetscher an. Der wiederum beeilte sich, seinem Herrn und Meister die augenblickliche Lage äußerst kritisch vor Augen zu führen. Der Kuan war einem Zusammenbruch nahe. Mit halbgeschlossenen Augen hockte er, leicht nach hinten geneigt, in seiner Sänfte, ständig von der Spitze des Schwertes bedroht, das der Wikinger ihm mit grimmigem Gesicht an den Hals hielt. Er sagte zu allem Ja und Amen, nickte immer wieder und brächte kaum einen Ton heraus. Inzwischen war man im Hafen aufmerksam geworden. Die Neugier richtete sich jetzt nicht mehr so stark auf den einlaufenden Rahsegler, denn einige hatten gesehen, was mit dem Kuan, seinen Trägern und dem Wächter passiert war. Auch von den kleineren Kriegsdschunken sahen ein paar Soldaten aufmerksam herüber. „Und nun laß deine Stimme über den Hafen klingen!“ brüllte Valeras den Dolmetscher an. „Aber laut, ganz laut, sonst wird dein Herr mit dem Schwert rasiert!“
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Den harten Männern gefror das Blut in den Adern, als sie die Stimme des Dolmetschers hörten. Selbst der Wikinger zuckte zusammen, als der schrille, sich überschlagende Diskant erklang. Natürlich verstand niemand, was er sagte, doch als er seinen inbrünstigen Schrei noch einmal wiederholte, erlosch im Hafen schlagartig jede Aktivität. Die Seesoldaten traten von den Kanonen zurück, die Feuerwerker drückten ihre Lunten in die bereitstehenden Sandkästen und hüteten sich, die abschußbereiten Gestelle auch nur anzurühren. Thorfin Njal grinste über das ganze Gesicht. Er hatte es geschafft! Nur der Boston-Mann warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, als die „Isabella“ jetzt mit schwacher Restfahrt auf die Pier direkt neben ihnen, zulief. „Hoffentlich haben wir uns damit nicht eine Menge Ärger eingehandelt“, sagte er düster. Der Wikinger lachte unbekümmert. „Wir — Ärger? Pah, den Ärger haben die anderen. Und wenn sie uns nicht segeln lassen, nehmen wir das dicke Prunkstück da ganz einfach mit, solange, bis er eingetrocknet ist wie der andere Mandarin. Die Kerle werden sich noch wundern. Wir lassen uns nicht mehr auf der Nase herumtanzen.“ 6. Dem Seewolf entging nicht die plötzliche Aktivität auf den Dschunken, die sich nun anschickten. zur ..Isabella“ aufzuschließen, um sie von allen Seiten unter Feuer nehmen zu können. Hasard hatte jetzt jenes Maß überschritten, bei dem immer er als der Unterlegene galt. Wenn man von Peking absah, hatten sie bisher nur Niederlagen und Demütigungen einstecken müssen. Jetzt war das vorbei, er hatte genug. Er hatte sich mit Feuer und Rauch in Shanghai verabschiedet, und sich mit einem noch größeren Feuerzauber wieder
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eingeführt. Sein Handeln war nicht ohne Eindruck geblieben. „Wir feuern aus allen Rohren zurück, sobald wir noch ein einziges Mal angegriffen werden“, sagte er kalt. „Und wenn wir den ganzen Hafen auseinandernehmen.“ Das war so ganz nach dem Geschmack der harten Kerle, und so standen sie an schnell wieder nachgeladenen Culverinen, einsatzbereiten Brandsätzen und an den Drehbassen. Zum Teufel, sie waren die Fürsten der Meere, die Herren der See und nicht länger gewillt, sich von jedem dahergelaufenen, lausigen Kerl demütigen zu lassen. Er sah, wie auf dem schwarzen Segler alles durcheinanderrannte. Die Kerle brüllten und schrien, und der gewaltige Wikinger enterte in die Wanten auf. Keiner der Seewölfe hatte jetzt für die malerische Exotik des Hafens einen Blick. In ihren Gesichtern lag Besorgnis, während sich die Dschunken dichter heranschoben. Etwas später traute der Seewolf seinen Augen nicht, als der Wikinger und ein paar andere wie die Wilden auf die Pier stürzten, und sich dort ein kurzer, ziemlich einseitiger Kampf entspann. „Der Kuan“, sagte Ben Brighton, „die Kerle sind verrückt geworden! Sie schnappen sich den Würdenträger.“ Thorfin fällte den muskulösen Begleiter des Kuan mit zwei Harten Schlägen, dann ging alles blitzschnell. Die Sänfte wurde davongeschleppt und an Bord getragen, und nur ganz kurze Zeit darauf ertönte eine grelle Stimme im Hafen, die die ganze Szene schlagartig änderte. „Ist der denn wahnsinnig geworden?“ ächzte Ben. „Jetzt werden die Schwierigkeiten noch größer für uns werden.“ „Er nimmt ihn als Geisel“, sagte Hasard, „damit sie nicht auf uns feuern.“ Nachdem die quäkende schrille Stimme ein zweitesmal erklungen war, strichen die kleinen Dschunken ihre Segel. Wie steifgewordene Marionetten traten die
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Seesoldaten von den Kanonen zurück und bewegten sich nicht mehr. Auf Hasards Lippen erschien ein hartes Lächeln. Was der Wikinger getan hatte, würde mit Sicherheit Ärger bringen, überlegte er, aber sie hatten das Schreiben des Großen Chan, und das rechtfertigte so manches. Nur würde es hunderter Erklärungen seitens der Seewölfe bedürfen, um den Kuan später wieder gnädig zu stimmen –falls ihnen das überhaupt gelang. Aber Thorfin hatte zu dem einzig richtigen Mittel in dieser außergewöhnlichen Situation gegriffen, das erkannte jeder an. Keiner der zahlreichen Chinesen dachte jetzt noch daran, sich der „Isabella“ zu nähern, keiner würde es wagen, zu feuern, solange Thorfin dem Mandarin sein „Messer“ an den Hals hielt. So konnten sie sich ganz dem Anlegemanöver widmen. Links von dem schwarzen Segler war noch immer ein kleiner Teil der hölzernen Pier zerstört, den sie vor ihrer überstürzten Abreise in die Luft gesprengt hatten. „Gehen wir nicht bei dem schwarzen Segler längsseits?“ fragte der Profos überrascht. Hasard schüttelte den Kopf. „Nein, wir legen auf der anderen Seite an, Ed.“ Der Seewolf verfolgte damit eine ganz bestimmte Taktik, die sich später noch als klug erweisen sollte. Bill, the Deadhead genannt, der eine grobe Goldkette mit einem Totenkopf um den Hals trug, Mike Kaibuk und der Kreole Jonny standen an der Pier, um die Leinen in Empfang zu nehmen. Fast vierkant legte die „Isabella“ an, und schon wiederholte sich das Geschrei der Begeisterung. „Niemand verläßt das Schiff!“ befahl Hasard und blickte auf den Glatzkopf, der mit hängenden Schultern in respektvoller Entfernung dastand und sich nicht traute, etwas zu unternehmen. Sein Blick war auch noch leicht glasig, und er schwankte ein wenig.
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Hasard flankte von der Kuhl aus über das Schanzkleid und gelangte mit federnden Knien auf den Holzsteg. Ganz nebenbei registrierte er, daß sich die Aufmerksamkeit im Hafen fast ausschließlich jetzt auf ihn richtete. Noch etwas bemerkte er. Das Mädchen „Flüssiges Licht“ und die Rote Korsarin waren an Deck erschienen. Sie wechselten ein paar Sätze, Siri-Tong nickte, und gleich darauf flankte die zierliche junge Chinesin ebenfalls leichtfüßig über Bord. Hasard blieb stehen und sah sie an. „Ich hatte angeordnet, daß niemand das Schiff verläßt“, sagte er scharf. „Das gilt für alle!“ „Der hohe Herr möge entschuldigen“, wisperte sie schuldbewußt. „Ich möchte nur helfen, ich habe das Schreiben des Kuan von der Roten Korsarin, die meinte, es wäre besser, wenn ich dolmetsche. Sie selbst würde man doch nicht anhören, und der Dolmetscher ist ein schlechter Übersetzer. Er könnte den hohen Herrn belügen.“ Hasard sah das ein. Er schenkte ihr einen langen Blick und nickte schließlich. „Deine Weisheit ist unendlich, liebliche Mandelblüte“, sagte er lächelnd, worauf die Chinesin hold errötete. Vom schwarzen Segler dröhnte ihnen Gebrüll und Geschrei entgegen. Der Wikinger ergriff Hasards Hand und schlenkerte sie, dabei vergaß er jedoch keinen Augenblick, sein Messer von dem Hals des fetten schwitzenden Kuans zu nehmen. Der lag immer noch halb in seiner Sänfte und starrte den Wikinger, Hasard und das zierliche Mädchen ängstlich und entgeistert an. Immer wenn er den Seewolf anblickte, begann er zu frösteln. Wie dieser Mann es geschafft hatte, die größte Kriegsdschunke von Shanghai so im Vorbeisegeln total zu vernichten, blieb ihm ein Rätsel. So einen Volltreffer gab es doch nicht! Der Kuan war aber auch weise genug, um sich über den Ernst seiner Lage klar zu werden, und als der Seewolf eine knappe Verbeugung vor ihm andeutete, atmete er auf. Zu seiner grenzenlosen Erleichterung
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nahm auch dieser nordische Riese endlich das monströse Schwert von seinem Hals, nachdem er mit dem Seewolf ein paar kurze Sätze gewechselt hatte. Schlau sind sie, diese fremden Teufel, dachte er, und daß sie so frech in den Hafen einliefen, grenzte schon an Unverfrorenheit, die kaum noch zu übertreffen war. Der Kuan war jedoch nicht gewillt. diese Blamage und die Gefangennahme so einfach auf sich sitzen zu lassen. Er würde drakonische Strafen androhen, denn noch war ihm allzu deutlich in Erinnerung, was sich im Hafen abgespielt hatte. Er erhob sich mühsam und ächzend und sagte etwas in seiner hohen, piepsig klingenden Stimme zu dem Dolmetscher. „Es läßt sich nicht mit Worten beschreiben, was die fremden Teufel angerichtet haben“, übersetzte die Chinesin. Der Kuan warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Sage ihm, du bist von mir als Dolmetscher eingesetzt worden, auch wenn er mit einer Frau nicht spricht.“ „Er ist aber ein sehr hoher Herr!“ Hasard winkte ab. „Er ist dick, er schwitzt wie ein Ochse, und ist genauso ein Mensch wie alle anderen auch.“ Sehr zaghaft, mit niedergeschlagenen Augen, begann sie zu dem Kuan zu sprechen. Dann wartete sie auf Antwort. Es dauerte lange, bis der Würdenträger sich dazu bequemte. Aber er sah keinen anderen Ausweg. Schließlich nickte er ungnädig. „Der hohe Herr ist zu einem Gespräch bereit“, sagte sie dann. „Das ist wirklich nett von dem hohen Herrn“, sagte Hasard sarkastisch. „Ihm wird wohl nichts anderes übrigblieben.“ Mißbilligend sah er den Kuan an, dann warf er einen Blick zum Land hinüber. Jenseits der Pier hatten sich Soldaten genähert. Steif wie ausgestopfte Puppen standen sie herum. Es waren mehr als hundert Mann, die sich in respektvoller Entfernung hielten. Als Hasard sah, daß sie ihre Armbrüste und Bögen spannten,
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drehte er sich zu seinen Männern um, die das Geschehen an Bord von „Eiliger Drache“ interessiert verfolgten. „Ladet alle Kanonen!“ rief er. „Hoch mit den Stückpforten und gebt acht! Vier Mann sichern die andere Seite ab!“ „Aye, aye, Sir!“ schrie der Profos zurück. Er rieb sich die großen Hände und starrte grimmig auf die Soldaten. Eine halbe Minute später ließen sie ihre Bögen sinken, als sie merkten, daß die Seewölfe es höllisch ernst meinten. Auch die Armbrüste nahmen sie herunter. „So gefällt mir das schon besser“, sagte Hasard. Er nahm der Chinesin das kunstvoll aufgesetzte Schreiben ab und reichte es dem Kuan, der es nur zögernd entgegennahm. Der fette Mann begann mit gefurchter Stirn zu lesen, doch er hatte die ersten Zeilen noch nicht richtig überflogen, als sein Unterkiefer herabfiel, er den Seewolf fast ehrfürchtig anstarrte und sich dann überraschend erhob. Seine Fettleibigkeit konnte er nicht ablegen, aber seine Trägheit war plötzlich überwunden. Ehrfürchtig hielt er das Schreiben vor sich, las wieder und wieder und verbeugte sich dann andächtig. „Keine Angst, das gilt nicht uns“, sagte Hasard erleichtert, „das ist nichts weiter als die Ehrfurcht vor dem Großen Chan.“ „Flüssiges Licht übersetzte wieder. „Er fragt nach der Roten Korsarin, hoher Herr.“ „Sie ist an Bord und fühlt sich wohl. Der Große Chan hat mit ihr Selbst gesprochen. Erzähle ihr auch von Khai Wang und der Mumie“, bat er. Jetzt war der Kuan wie umgewandelt und begann zu dienern. Die Chinesin übersetzte getreulich Hasards Worte, der um Verständnis für die Maßnahmen bat, und daß sie nicht anders handeln konnten, weil man sie überraschend angegriffen hatte. Schließlich entschuldigte er sich im Namen des Wikingers dafür, daß sie den Kuan vorsichtshalber als Geisel nehmen mußten, weil das Leben aller auf dem Spiel stand.
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Zwischen den beiden entspann sich ein längerer Dialog. Natürlich paßte es dem Kuan immer noch nicht, so schändlich behandelt worden zu sein, doch hinter seiner Stirn arbeitete es, und er versuchte ganz offensichtlich, sich in die Lage der Männer hineinzuversetzen, was ihm jedoch nicht so recht gelingen wollte. Immer wieder sprach „Flüssiges Licht“ behutsam auf ihn ein, und immer wieder griff der Kuan nach dem Schreiben, wobei er sich regelmäßig vor dem unsichtbaren Kaiser verbeugte. „Wir haben keinerlei feindliche Absichten“, ließ Hasard wieder übersetzen. „Man hat uns zu diesen außergewöhnlichen Maßnahmen gezwungen, denn wir sind als friedliche Seefahrer hier erschienen, und nicht als Gegner. Wir möchten das Land des Großen Chan in guter Erinnerung behalten, aber das ist mit einigen kleinen Auflagen verbunden.“ „Welche wären das, hoher Herr?“ f ragte die Chinesin, nachdem sie dem Kuan alles erklärt hatte. „Wir wünschen einen fairen Prozeß und volle Rehabilitierung Siri-Tongs, so wie der Große Chan es angeordnet hat, der uns sehr wohlwollend empfing. Ferner verlangen wir den Abzug der Soldaten und der Dschunken. Der Kuan soll sein Ehrenwort geben, das genügt mir. Dann werden auch wir alle Feindseligkeiten einstellen und unsere Kanonen entladen.“ Der Mandarin nickte nachdenklich, stellte wieder Fragen und rief einen seiner Leute persönlich herbei. Dann wechselte er mit ihm ein paar Worte, und der Mann, der Uniform nach zu urteilen, ein Hauptmann oder etwas Ähnliches, verneigte sich solange, bis Hasard befürchtete, sein Kreuz müsse jetzt ganz krumm sein. „Die Soldaten werden zurückgezogen, und der Kuan läßt ein Schreiben aufsetzen, in dem sinngemäß alles das schriftlich bestätigt wird, was der hohe Herr wünscht. Es gibt allerdings noch ein kleines Problem, hoher Herr!“ „Auch das kann gelöst werden.“
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Sie sah den Seewolf scheu an. „Es gibt ein altes Gesetz im Reich des Großen Chan, nach dem niemand einen Kuan ungestraft anfassen oder gar verletzen darf. Ein Angriff auf den Kuan, so wie er erfolgte, wird grundsätzlich mit dem Tode bestraft. Der Mann, der die Felle trägt, muß eine Strafe auf sich nehmen.“ Hasard schüttelte nur kurz den Kopf. „Das lasse ich auf keinen Fall zu“, sagte er scharf. „Bei den Fellmännern gibt es auch ein altes Gesetz, und das besagt, daß derjenige, der sie zu Unrecht als Feind behandelt, an den Füßen an einer Rah aufgehängt wird.“ Er hatte voller Ernst gesprochen, und als die Chinesin die Worte übersetzte, wurde der Kuan bleich und warf einen furchtsamen Blick auf den Wikinger, der überhaupt nicht richtig verstand, was man ihm anlastete. Hasard hielt es auch noch für verfrüht, den Wikinger schon jetzt aufzuklären, denn der hätte nur mit einem Tobsuchtsanfall reagiert, wie er ihn kannte. Der Kuan ließ bedauern, aber er sei nicht in der Lage, etwas an den alten Gesetzen zu ändern, die auf jahrhundertelanger Tradition beruhten. Die eben noch entspannte Atmosphäre schien wieder ausgesprochen frostig zu werden. Der Seewolf sah das mit wachsendem Unbehagen. Die Chinesen waren schon immer schwierige Verhandlungspartner gewesen, überlegte er, aber da half alles nichts, sollten ihre Gesetze lauten, wie sie wollten. Der Wikinger würde sich diesen Gesetzen nie und nimmer beugen und eine Strafe auf sich nehmen, die er nicht verdiente, denn durch seine Handlungsweise hatte er mit geholfen, daß kein unnötiges Blut vergossen wurde. „Sage dem Kuan, er möge sich etwas einfallen lassen, einen Trick vielleicht, wie man dieses Gesetz umgeht, ohne es zu verletzen. Der Kuan ist doch ein schlauer Mann.“ Das Gesicht des hohen Herrn wurde immer grämlicher. Schließlich faltete er seine Hände über dem feisten Bauch und dachte
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sehr lange nach, bis sich seine Züge endlich erhellten. Ausführlich unterhielt er sich mit dem 'Mädchen, dann deutete er mit einer knappen Handbewegung auf den Wikinger. „Um was geht es hier eigentlich, verdammt noch mal?“ fragte Thorfin. „Der Kerl quasselt und quasselt, ich verstehe kein Wort.“ „Abwarten“, sagte Hasard nur. „Der Dicke steckt gerade in einer Klemme, und ich bin gespannt, wie er sich da mit einigem Anstand herauswinden wird.“ „Er soll uns offiziell den Kahn zurückgeben und verschwinden“, grollte Thorfin. „So schnell geht das nicht. Aber beruhige dich, sonst kriegt der Bursche noch einen Herzanfall.“ Endlich hatte der Kuan eine Eingebung. „Die Strafe ließe sich abwandeln“, erklärte die Chinesin. „Der in Felle gehüllte Mann würde dann nur zehn Hiebe mit der Bambusgerte erhalten.“ Hasard lachte wider Willen. Er stellte sich die Reaktion des Wikingers vor, wenn der das erfuhr. Also schüttelte er noch einmal den Kopf, mit allem Nachdruck. „Auch das kommt nicht in Frage“, erklärte er knapp. „So läßt sich keine vernünftige Basis finden.“ Wieder überlegte der Kuan, nachdem er die Absage erhalten hatte. Hasard hatte nicht übel Lust, dieses Schauspiel mit ein paar harten Worten zu beenden und mit der Bemerkung, der Kuan möge sich gefälligst an die Weisungen des Kaisers halten und sich nicht mit Haarspaltereien abgeben. Aber er sah, wie der Mann mit sich rang und womöglich sein Gesicht verlor, wenn er mit den alten Traditionen brach. Nach den hiesigen Bräuchen verstand der Seewolf ihn. Aber bisher hatte er es immer mit äußerst listenreichen Würdenträgern zu tun gehabt, ausgekochten Halunken mitunter, denen immer etwas einfiel, das ihnen zum Vorteil gereichte. Weshalb also sollte es hier anders sein, fragte er sich.
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Der Kuan rang mit sich. Mit vor dem Bauch gefalteten Händen ging er nachdenklich mit trippelnden Schritten auf und ab. Dann blieb er ruckartig vor Hasard stehen, daß seine Hängebacken wabbelten. Ein paar Sätze in dem hohen Singsang, und er schien unendlich erleichtert zu sein. Wieder übersetzte die Chinesin, um die sich die ganze Mannschaft geschart hatte. Mitten hinein platzte Mißjöh Buveur, der aus dem Mannschaftsraum auftauchte und laut zu grölen begann. Mit schwankenden Schritten wollte er an Deck, aber der Boston-Mann war mit ein paar schnellen Sätzen bei ihm, drückte ihm die Hand ins Gesicht und beförderte ihn mit einem kurzen schnellen Ruck wieder nach unten. Das Gepolter, mit dem Mißjöh Buveur den Niedergang hinuntersauste, war auf dem ganzen Schiff zu hören. „Man sollte den Kerl über Bord werfen“, knurrte der Boston-Mann leise. „Der hohe Herr hat einen Weg gefunden“, sagte die Chinesin gerade erleichtert. „Der Mann mit den Fellen wird nur symbolisch mit zehn Hieben bestraft werden.“ „Symbolisch?“ fragte Hasard. „Wie ist das zu verstehen?“ „Bei einer symbolischen Bestrafung wird eine Puppe der betreffenden Person nachgebildet, die dann zehn Hiebe empfängt. Damit ist dem Gesetz Genüge getan.“ Hasard wollte gerade laut lachen, doch er hielt sich noch zurück. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik, zumal der Wikinger, um den sich alles drehte, daneben stand, von einem zum anderen blicke und nicht verstand, was hier vorging. „Dazu wird aber seine Kleidung benötigt“, sagte die Chinesin mit zaghafter Stimme. „Und seine Kopfbedeckung ebenfalls“, setzte sie verschämt hinzu. Hasard verbiß sich das Lachen jetzt nur noch mühsam, und als Thorfin ihn verständnislos anblickte, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Wikinger aufzuklären.
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Der hörte Hasards Erklärung fassungslos an. „Die spinnen, die Chinesen“, sagte er grollend. „Sei froh, daß es so glimpflich ausgegangen ist, der Kuan kann auch nicht über seinen Schatten springen. Und außerdem“, Hasard grinste jetzt ausgesprochen hinterhältig, „müssen deine Felle sowieso mal ausgeklopft und entstaubt werden. Eine bessere Gelegenheit kriegst du nicht wieder.“ „Bin ich denn hier unter Verrückten?“ schrie der Wikinger. „Eine Puppe wollen die basteln und der zehn Hiebe überziehen? Und dazu soll ich noch meinen Helm hergeben? Bei Odin, so was Idiotisches habe ich noch nie in meinem Leben gehört.“ „Dann laß es bleiben“, sagte Hasard. „Behalte deinen nordischen Läusebrüter auf, du Dickschädel, und laß dir persönlich zehn Hiebe mit der Bambusrute überziehen. Wir sind in einem Land, wo nun mal andere Gesetze gelten, und mögen sie uns noch so lächerlich erscheinen. Entscheide dich also bald.“ Thorfin sah grummelnd von einem zum anderen. Erbost blieb der Blick seiner Augen schließlich an dem Kuan hängen, der immer noch über seine vermeintlich gute Idee strahlte. „Wie lange dauert das denn?“ fragte er mißtrauisch. „Ich meine, wie lange muß ich den Helm hergeben?“ Hasard fragte die Chinesin, die sich wiederum beim Kuan erkundigte. „Die symbolische Auspeitschung findet heute abend statt“, erklärte sie. Selbst der Boston-Mann schüttelte den Kopf und grinste. „Sorgen haben diese Leute“, sagte er, „hier hat es Tote und Verwundete gegeben, Schiffe sind versenkt worden, und im Hafen ist ein Chaos ausgebrochen. Und jetzt dreht sich alles um diese lausige Kleinigkeit und einen verdammten Helm. Solche merkwürdigen Gesetze gibt es auf der ganzen Welt nicht. Ich jedenfalls würde nicht zögern, Nordmann! Dann haben wir diese leidige Sache endlich
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hinter uns gebracht, das ist doch sowieso nur lächerlich.“ „Meinetwegen“, fluchte Thorfin ergrimmt und zornig. „Du hast recht, Seewolf, und du auch, Boston-Mann!“ Was der Seewolf und die anderen als einen lächerlichen Spaß ansahen, faßte dagegen der Kuan als großen Ernst auf. Zuerst mußte der Tradition und der Würde Genüge getan werden, dann erst folgte alles andere. Etwas später hatte der erboste Nordmann sich zurückgezogen, und Jonny, der jüngste Mann an Bord des schwarzen Seglers, brachte die Klamotten und den Helm des Wikingers, der sich wütend versteckt hatte und nicht mehr blicken ließ. Einer der herbeigerufenen Träger nahm die rauchgrauen Felle in Empfang und wunderte sich, wie schwer sie waren. Der Kuan nannte einen Verhandlungstermin vor drei unabhängigen Richtern und setzte ihn für den morgigen Tag an. Dann erklärte er, daß über alles Weitere morgen entschieden würde und rief die Träger. Das Schreiben gab Hasard ihm mit, denn er hatte das Gefühl, als wolle der Kuan damit Eindruck schinden. Eine halbe Stunde später kehrte der Seewolf an Bord zurück und berichtete, was geschehen war. Sie alle durften sich, bis auf Siri-Tong, frei bewegen, so hatte der Kuan es angeordnet, und die Rote Korsarin dachte auch nicht daran, diese Anordnung zu ignorieren. Sie war froh, wenn alles vorbei war und sie rehabilitiert wurde. Auf dem schwarzen Segler empfing sie ein wahrer Sturm der Begeisterung, als sie zurückkehrte. Nur der Nordmann war nirgends zu sehen. Er hatte sich in seiner Kammer eingeschlossen und wollte sich erst dann wieder blicken lassen, wenn er seinen Helm und die Felle zurück hatte. Der Sturm der Heiterkeit pflanzte sich auf die „Isabella“ fort, und bei den Seewölfen fielen die ersten anzüglichen Bemerkungen.
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Fred McMason Man war gespannt.
auf
den
heutigen
Abend
* Nicht nur Hasard wunderte sich über den feierlichen Ernst, mit dem man die lächerliche Zeremonie begann. Vor Beginn der Dämmerung erschien der Kuan mit dem üblichen Gefolge und dem wiederhergestellten Burschen als Wegbereiter, der die ganze Hafengegend mit seinem Kessel rauchschwingend einnebelte. Ihm folgten vier Männer, die mit dem gleichen feierlichen Ernst eine Puppe trugen. Sie war lebensgroß. Man hatte sie mit Fellen bekleidet und ihr Thorfins funkelnden Helm aufgesetzt. Die Prozession näherte sich dem schwarzen Segler. Der Kuan fragte die Korsarin, ob es gestattet sei, den schwarzen Segler zu betreten, um die Strafe zu vollziehen. Für Siri-Tong, die sich mit den alten Gepflogenheiten gut auskannte, war das auch kaum lächerlich, mußte doch allem Genüge getan werden, und so erlaubte sie es mit einem tiefen Kotau. Der persönliche Auspeitscher des Kuan ließ sich von einem anderen seine Bambusgerte geben und wartete, bis man den „Wikinger“ an den Mast gebunden hatte. Anscheinend legte der Kuan Wert darauf, diese Prozedur hinter sich zu bringen. Das versteckte Grinsen der Männer übersah er großzügig oder wollte es nicht sehen. Auch auf der „Isabella“ war alles auf den Beinen, um sich diese „Seltsamste Auspeitschung der Welt“, wie Ben Brighton sich ausdrückte, nicht entgehen zu lassen. „Bildet euch bloß nicht ein, ich werde diese Sitten in Zukunft übernehmen“, sagte Carberry. „Wer sich bei uns daneben benimmt, für den gibt es keinen Ersatz, der wird von mir persönlich durchgewalkt.“ „Der arme Wikinger“, lästerte Matt Davies. „Richtig leid tut er mir, aber das geschieht ihm recht.“
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„Daß er seinen Helm ablegen muß, ist für ihn viel schlimmer“, sagte Dan O'Flynn grinsend. „Das verwindet er nicht so schnell.“ Auch Dans Vater, das alte Rauhbein Donegal, hatte sich einen Platz auf dem Achterdeck gesucht, sein Holzbein auf eine Querspante des Schanzkleides gesetzt und blickte kopfschüttelnd und höchst verwundert zu dem anderen Schiff hinüber. Sein von Sonne, Wind und Regen verwittertes Gesicht verzog sich. „Neumodischer Kram“, nörgelte er, „auf der ,Empreß of Sea` gab es so was nicht, sage ich euch. Da hatten wir ...“ „Ja ja, schon gut, Donegal“, sagte Ferris Tucker. „Fang bloß nicht wieder mit einem alten Geisterkahn an! Den hat es sowieso noch nie gegeben!“ „Hast du eine Ahnung, du feuerroter Holzkopf!“ schrie Old O'Flynn. „Ich habe mein halbes Leben auf dem Schiff zugebracht. Aber so was habe ich noch nie gesehen, sage ich euch!“ Old O'Flynns mißbilligender Blick sprach Bände. Er hörte mit dem Kopfschütteln nicht mehr auf. Drüben hatte man jetzt die Puppe an den Mast gebunden, und der Kuan sagte ein paar Worte. „Was sagte er?“ fragte Hasard die kleine Chinesin. „Der Gerechtigkeit muß Genüge getan werden“, übersetzte sie. „Er wird jetzt seine Strafe empfangen, damit der Kuan nicht sein Gesicht verliert.“ „Wenn ich daran denke, daß Thorfin jetzt zähneknirschend in seiner Kammer auf der Koje liegt, könnte ich mich totlachen“, sagte Smoky. „So möchte ich auch mal verprügelt werden.“ Die Kerle auf dem schwarzen Schiff lachten ungeniert und verstummten erst, als sie der flammende Blick der Korsarin traf. Dafür grinsten die Seewölfe jetzt noch breiter. Der Auspeitscher schritt würdevoll auf die ausgestopfte Figur zu und hob die Bambusgerte.
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Mit der Hand gab der Kuan ein Zeichen, und ein anderer Chinese zählte laut mit. Der erste Hieb sauste auf den Rücken der Puppe, gleich darauf der zweite, und die Seewölfe bogen sich vor Lachen, als der Helm bedrohlich wackelte. „Lacht gefälligst leiser“, befahl Hasard, „oder grinst für euch hin, oder sollen wir wieder unangenehm auffallen? Ihr seht doch, daß die Burschen diese Angelegenheit mit dem allergrößten Ernst vollziehen.“ Der vierte und fünfte Hieb klatschte auf den breiten gepolsterten Rücken von Thorfins miserabler Nachbildung, und immer zählte der eine Kerl genau mit. Aus den Fellen drangen kleine Staubwolken, die dem Auspeitscher in die Nase stiegen. „Thorfin wird durchgelüftet”, sagte Blacky und war bemüht, sein Grinsen nicht zu zeigen. Aber er krümmte sich und kriegte fast Bauchschmerzen, als er das sah. „Vielleicht ist er nun seine nordischen Riesenläuse los“, sagte Tucker leise. „Die haben sich jetzt sicher in den Lumpen der Puppe eingenistet.“ Es wurde gelästert, anzügliche Bemerkungen fielen, und alle grinsten mehr oder weniger versteckt. Da half auch des Seewolfs ernstes Gesicht nicht. Ihm war nicht anzusehen, wie er darüber dachte, aber die Männer kannten schließlich ihren Kapitän und hätten sich sehr gewundert, wenn Hasard sich nicht innerlich auch belustigt hätte. Nur ließ er sich das eben nicht anmerken. Nach dem zehnten Schlag waren Thorfins Felle so gut durchgeprügelt, daß es keinen Staub mehr gab. Der Auspeitscher gab die Bambusgerte an seinen Diener weiter, zwei andere banden die Nachbildung los und schleppten sie von Bord. Während der Kuan würdevoll das Schiff verließ und in seine Sänfte stieg, brachten etwas später zwei Männer die benötigten Utensilien zurück. Sie übergaben Siri-Tong die Felle und den Helm, sahen sie scheu an und verschwanden wieder.
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Es wurde gerade dunkel, als auch der Wikinger wieder auftauchte. Er trug seinen Helm und hatte sich die Klamotten wieder angezogen. Mit mißmutigem Blick marschierte er über die Pier, deren Bohlen unter seinen Tritten erzitterten. Er sah in grinsende Gesichter und mußte sich eine Menge anzüglicher Fragen gefallen lassen. In der Kuhl setzte er sich auf den Laderaum und packte ein paar Flaschen echten Branntwein aus. „Hat's weh getan, Nordmann?“ fragte Carberry grinsend. Der Wikinger winkte verärgert ab. „Hier, trinkt einen ordentlichen Schluck, wenn euer Satansbraten von einem Kapitän es erlaubt. Morgen werde ich mir eine Puppe basteln, die so aussieht wie der Kuan.“ „Und was willst du damit?“ fragte Tucker. Thorfin zog den Korken mit den Zähnen heraus und spie ihn gekonnt über Bord. Bevor er antwortete, nahm er erst einen tiefen Zug und blickte dabei den grinsenden Seewolf an. „Der werde ich zehnmal in den Hintern treten“, versprach er, „aber dazu brauche ich ganz besonders große Stiefel. So was Blödes ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert.“ Alle lachten. Ed deutete auf den Wikinger. „Der Nordmann gibt einen aus, Sir! Dürfen wir?“ „Selbstverständlich“, sagte Hasard, „das muß doch begossen werden“, und dabei schlug er dem Wikinger auf die breite Schulter, daß Thorfin sich fast an dem Branntwein verschluckte. „Ich habe selten so gelacht wie heute“, gab er dann zu. „Davon hat aber niemand etwas bemerkt“, sagte Ben Brighton erstaunt. „Du hast nicht eine Miene verzogen.“ „Rein äußerlich nicht“, gab Hasard zu, „aber ich hatte Magenkrämpfe vor innerlichem Lachen. Tut mir leid, das zugeben zu müssen, aber so war es nun einmal.“ Thorfin blickte in die Runde, sah die gelösten und grinsenden Gesichter dieser
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Satansbraten und nahm noch einen Schluck. Plötzlich fing er an zu lachen, erst leise, dann immer lauter, so laut wie,. nur ein Klotz von seiner Größe lachen konnte. Schließlich kriegte er kaum noch Luft, und sein Gesicht lief rot an. „Das ist wirklich ein Witz“, sagte er, „das waren die schlimmsten Prügel, die ich je in meinem Leben bezogen habe.“ Danach war der Wikinger wie umgekrempelt, und erst spät in der Nacht und nach weiteren Flaschen Branntwein kehrte er an Bord des schwarzen Seglers zurück. 7. Das gewöhnliche Publikum hatte zu dem neuerlichen Prozeß keinen Zugang. Der Kuan hatte auch dafür gesorgt, daß drei unabhängige und vorurteilslose Richter den Prozeß führten. Im Saal des „wahrheitsliebenden silbernen Drachen“ befanden sich die drei Richter, der Kuan mit einem Diener, Siri-Tong und die junge Chinesin sowie Hasard und Ben Brighton. Der Wikinger hatte auf die Teilnahme verzichtet und war an Bord geh lieben. Die Rote Korsarin lächelte und gab sich selbstbewußt, als das persönliche Schreiben des Großen Chan herumgereicht wurde. Die drei Richter flüsterten leise miteinander. Was Hasard nicht verstand, übersetzte die Chinesin ihm leise. Der oberste Richter versuchte, die Korsarin mit wohlwollenden Blicken zu betrachten, aber es gelang ihm nicht ganz. Sie war eine Frau, angeklagt des Mordes, der Piraterie und - der schlimmste Vorwurf - der Grabschänderei. Aber da war das Schreiben des Großen Chan mit vielen Siegeln und den zusätzlichen Unterschriften der Minister Yang Tingh-ho und Chang-Kuching. Immer wieder ging es durch die Runde, ehrfürchtig bestaunt und respektiert. Hasard hielt jetzt den Zeitpunkt für gekommen, auch das Schreiben zu
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überreichen, das der Große Chan ihm persönlich überreicht hatte. Es wies ihn und die Seewölfe als persönliche Freunde des Großen Chan aus und pries ihre Leistungen. „Sie sagen, daß es keinen fremden Teufel gibt, der jemals ein persönliches Schreiben des Großen Chan erhalten hat“, raunte die Chinesin dem Seewolf zu. „Umso besser für uns“, sagte Hasard. Dann wurden die einzelnen Anklagepunkte noch einmal genau durchgesprochen. Dazu erhob sich der eine Richter, verneigte sich dreimal und sah die Korsarin fest an. „Der Große Chan persönlich hat sich für dich eingesetzt, Frau“, sagte er, „und Beweise zusammentragen lassen, die einwandfrei deine Unschuld erweisen. Wir möchten dazu noch einmal deine Version hören, was den vermeintlichen Mord betrifft. Rede, Frau!“ „Es sind Zeugen bestochen worden, die diese Anschuldigung gegen mich erhoben haben. Aufgrund dieser Aussagen wurde ich verurteilt. Es ist bewiesen, daß diese Zeugen von der Familie meines Verlobten bestochen wurden“, sagte die Korsarin. Ihre Stimme klang ruhig und leidenschaftslos, als sie den Richter ansah. „Es war also ein Unfall, so wie du ihn den drei Richtern bei der ersten Verhandlung geschildert hast?“ „Ja, es war ein Unfall. Der Mann, den ich ablehnte, wollte mir Gewalt antun. Ich stieß ihn zurück, er stolperte und fiel über ein Bambustischchen. Er war sofort tot“, sagte sie leise. Die drei Richter nickten fast gleichzeitig. „Das ist erwiesen“, sagte der eine. „Dieser Punkt der Anklage ist folglich haltlos und kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Er ist demnach erledigt“. „Das geht aber schnell“, sagte Hasard, nachdem „Flüssiges Licht“ leise übersetzt hatte. „Es ist nur eine Formsache, denn das Material, das der Große Chan zusammentragen ließ, beeindruckt die Richter sehr.“ „Man beschuldigte dich der Piraterie“, fuhr der Richter fort.
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Siri-Tong lachte bitter. „Diese Aussage hat der ehrwürdige Chronist Hung-wan, der bei der Einsargung des Mandarins starb, längst widerlegt. Ich habe nur gegen Spanier gekämpft und wurde früher zum Dienst auf eine Dschunke gepreßt.“ „Dieser Anklagepunkt entfällt ebenfalls“, sagte der in der Mitte sitzende Richter. „Er gilt nicht für die hiesige Provinz, und der ehrwürdige Große Chan weist darauf ganz besonders hin.“ Offensichtlich hatte er es eilig, dieses Thema abzuhaken, und wartete nur noch auf die Zustimmung der beiden anderen Richter, die auch sofort erfolgte. Blieb noch der dritte Punkt. Grabplünderei der alten Kaisergräber, der schlimmste Frevel überhaupt. Auch diese Anklage ließ sich einwandfrei widerlegen, denn Siri-Tong hatte sich nie daran beteiligt. „Man hielt mich damals für einen Jungen“, erklärte sie leise. „Ich erhielt auf der Dschunke keinen Lohn, man schikanierte, schlug und bestrafte mich - ein Jahr lang, Tag für Tag. Eine Gelegenheit zur Flucht gab es nicht, der Kapitän hätte mich getötet. Wir segelten von Shanghai nach Tsingtau und bis hinunter nach Kaulun.“ „Das ist uns bekannt. Weiter!“ „Die hohen Herren werden verstehen, daß ich es als junges Mädchen nie gewagt hätte, eins der alten Kaisergräber auch nur zu betreten, geschweige denn zu plündern. Meine Ehrfurcht vor den toten Ahnen ist viel zu groß.“ Wieder nickten alle drei fast gleichzeitig und voller Verständnis für die Korsarin. „Wir wissen es. Frau. Du hast den ehrwürdigen Kapitän in das Land seiner Ahnen zurückgebracht, du hast Strapazen auf dich genommen, bis man dir die Mumie des Mandarins wieder geraubt hat. Selbst dann hast du noch versucht, sie unter Einsatz deines Lebens wieder zurückzuholen. Zusammen mit dem Mann, den man den Seewolf nennt, ist es gelungen. Auf diese Feststellung legt der ehrwürdige Große Chan ganz besonderen Wert. Du warst es auch, die das Schiff
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wieder zurückgebracht hat. Auch das gelang mit Hilfe jenes Mannes da, den der ehrwürdige Chan als seinen persönlichen Freund bezeichnet.“ Zu Hasards Verwunderung erhoben sich alle drei Richter, und dienerten dreimal in seine Richtung, ehe sie wieder Platz nahmen. „Der Kapitän dieser Dschunke“, erklärte der Richter weiter, „hat drei der alten heiligen Gräber geplündert. Unter anderem raubte er den aus kostbaren Steinen dargestellten Himmel und die TausendJahres-Lichter. Respektlos zerstörte er die von kostbaren Apparaturen bewegten Quecksilbermeere und die Nachbildungen der Flüsse.“ „Er hat seine gerechte Strafe empfangen“, sagte die Korsarin. „Und du selbst bist nie in einem dieser Gräber gewesen? Oder hat man dich gezwungen, mitzugehen?“ „Nein, ich war nie dort, ehrwürdiger, hoher Herr. Man hat mich auch nicht dazu gezwungen — aus Angst, ich könnte plaudern. Aber ich wurde mitschuldig, denn was der Kapitän tat, das lastete man auch der Mannschaft an.“ Der Blick des Richters wurde fast „Dies ist ein besonderer Fall. Dem anderen Gericht waren die näheren Umstände nicht bekannt. Das Entlastungsmaterial liegt erst jetzt vor. Somit bist du nicht schuldig!“ Alle drei erhoben sich wieder. „Im Namen des ehrwürdigen Großen Chan ist deine Unschuld hiermit erwiesen. Der Kuan gibt dir hiermit alle Freiheiten durch das Gericht zurück, das Schiff ,Eiliger Drache über den Wassern' geht auf Weisung des verehrungswürdigen Großen Chan endgültig und unwiderruflich in deinen Besitz über. Damit ist der offizielle Teil der Verhandlung geschlossen.“ Siri-Tong stand wie betäubt da. Sie dachte daran, wie entwürdigend die letzte Verhandlung gewesen war, als man sie in das Gefängnis gesteckt hatte und die Richter rigoros ihr Urteil fällten, das ein Todesurteil war. Jetzt hatte sich alles grundlegend gewandelt. Es gab keine Vorwürfe, dank
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des Großen Chans wurden alle anderen peinlichen Sachen einfach übergangen. Auch dem Seewolf lastete man nichts an. Die Versenkung der Dschunke wurde mit keinem Wort erwähnt, die Zerstörung des Hafens überging man freundlich, und daß der Henker kurz vor der Vollstreckung des Urteils von einem Pfeil getötet worden war, fand auch niemand erwähnenswert. „Gibt es noch einen inoffiziellen Teil der Verhandlung?“ fragte Hasard die Rote Korsarin, die gelöst und heiter wirkte, jetzt, nachdem alles vorbei war. „Ich weiß es nicht, aber wir werden es gleich erfahren.“ „Vielleicht wieder so eine Art symbolische Bestrafung?“ überlegte der Seewolf, doch die Korsarin schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht, dazu besteht kein Grund.“ „Ich habe noch nie von einem inoffiziellen Teil einer Verhandlung gehört“, sagte Ben Brighton, der von dem Ausgang des kurzen Prozesses kaum überrascht war. Es war wirklich nichts weiter als eine Formsache gewesen. Der Kuan näherte sich ihnen und dienerte so unterwürfig, wie Hasard es noch nie bei einem Würdenträger gesehen hatte. „Es wäre den hohen Richtern und mir eine außerordentliche Ehre, wenn ich den hohen Herrn des Schiffes in mein unwürdiges Haus einladen dürfte“, begann ei', „und seine Bekannten natürlich auch. Die Herren und auch ich hätten gern ein wenig geplaudert, und würden es sich zur Ehre anrechnen, wenn der hohe Herr des Schiffes ein wenig über die Sitten und Gebräuche bei Hofe plaudert. Es würde uns sehr interessieren, denn von uns hat noch niemand die Ehre gehabt, den Großen Chan persönlich zu sehen.“ Du altes Schlitzohr, dachte der Seewolf. Aber diese Einladung, die anscheinend der inoffizielle Teil war, konnte und wollte er nicht abschlagen. Sollte ruhig der Abglanz des Großen Chan auch über der unwürdigen Hütte des Kuan schimmern. Schließlich hatte der Mann viel für sie getan.
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Er sah, wie die drei Richter auf seine Antwort lauerten, die diesmal die Korsarin übersetzte. „Flüssiges Licht“ hielt sich still und bescheiden im Hintergrund, ganz wie es ihre Art war. „Es ist uns eine große Ehre, und wir nehmen diese Einladung sehr gern an“, übersetzte Siri-Tong, worauf die ehrwürdigen Herren sich wieder verneigten und strahlende Gesichter zeigten. Jetzt waren selbst die Frauen willkommen, dachte Hasard. Sogar die Frau wurde mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt, über deren Kopf vor kurzem noch das Schwert des Henkers geschwebt hatte. Den Seewolf wunderte noch immer, daß sich niemand nach der jungen Chinesin erkundigte. Vielleicht trauten sie sich nicht. Aber er nahm sich vor, diesen Punkt später auch noch zu klären, damit dem Mädchen keine Schwierigkeiten entstanden. Der Kuan gab seinem Diener einen Wink und wechselte ein paar Worte mit ihm, worauf der Mann eilig verschwand. Hasard sah die Korsarin fragend an. „Er läßt nach Trägern und Sänften schicken“, sagte sie. „Auch das noch“, entfuhr es Ben Brighton. „Heißt das etwa, wir werden jetzt durch die Straßen geschleppt oder getragen?“ „Genau das heißt es, Mister Brighton. Der Kuan bewohnt einen kleinen Palast, und als seine Ehrengäste können wir schlecht zu Fuß gehen. Das wäre nicht würdig.“ Selbst dem Seewolf wurde es etwas unbehaglich, als der Kuan und die drei Richter sie hinausdienerten. Entsagungsvoll schloß er die Augen, als er die kleine Armee sah, die sich draußen mit Sänften aufgestellt hatte und beim Anblick des Seewolfes und seiner Begleiter stumm dienerte. „Hoffentlich werden wir nicht seekrank“, unkte Ben, der viel lieber gelaufen wäre. 8. „Wie lange dauert denn so eine chinesische Verhandlung?“ fragte Carberry den
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Wikinger. „Mann, jetzt ist es schon fast Mittag, und sie sind immer noch nicht zurück.“ „Weiß ich nicht. Kenne sich einer mit diesen Zopfleuten aus“, brummte der Wikinger. Die beiden Männer standen auf der hölzernen Pier und beobachteten das rege Leben und Treiben im Hafen. Von den Soldaten war nichts Mehr zu sehen, sie waren alle wie durch Zauberei verschwunden, aber dafür gab es genügend Gaffer, die immer wieder zu ihnen herüberblickten. Ganz besonders fielen dem Profos dabei zwei kleine Lastenträger auf, die sich immer wieder in seiner Nähe herumdrückten. Ab und zu fing er einen Blick der beiden Männer auf. und dann sah er in ihren Augen eine fast tödliche Drohung. Sie schleppten Lasten, rollten Fässer und stellten mehrere davon am Ende der Pier auf, wo keine Schiffe mehr lagen. Doch immer wieder kehrten sie zurück, verständigten sich untereinander durch heimliche Blicke und sahen den Profos an. An Deck war Ferris Tucker zusammen mit dem ehemaligen Schmied von Arwenack und Batuti damit beschäftigt, die zerschossene Blinde wieder auszubessern. Obwohl es nicht gerade warm war, lief den Männern der Schweiß über die Gesichter. Der Kutscher erschien an Deck, sah einmal in die Runde und leerte dann einen Kübel voller Küchenabfälle schwungvoll über Bord. „Was ist?“ fragte er den Profos. „Verschieben wir das Mittagessen auf später?“ „Wozu soll das gut sein?“ fragte Carberry zurück. „Weil der Kapitän noch nicht zurück ist.“ „Kein Mensch weiß, wie lange das dauert. Außerdem knurrt mir der Magen. Wir essen wie immer, du kannst ja für den Seewolf nachher extra etwas kochen.“ „Was gibt's denn bei euch?“ fragte der Nordmann. „Hagelkörner“, entgegnete Ed.
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„Häh – Hagelkörner?“ fragte der Wikinger entgeistert. „Diese weißen Dinger, die wie Hagelkörner aussehen, die immer so aufquellen und einem das ganze Maul verpappen. Wir haben sie tonnenweise von der Gemüsedschunke, als wir Siri-Tong suchten.“ „Das Zeug kriege ich nicht 'runter“, erklärte der Wikinger. „Da sind mir diese kleinen Dinger lieber, die wie Kakerlaken aussehen, und bei denen man immer meint, sie würden sich gleich in die nächste Ritze verkriechen.“ Carberry lachte laut. Geschwänzte Bohnen hatten sie die Dinger genannt, und dabei drängte sich ihm tatsächlich ebenfalls der Gedanke an kleine Kakerlaken auf. Wieder warf er einen nachdenklichen Blick auf die beiden Chinesen, die ganz in ihrer Nähe standen. Auch Thorfin hatte sie jetzt bemerkt und drehte sich um. Als er einen Schritt auf sie zuging, verschwanden sie blitzartig. „Ist das nun Neugier, oder was wollen die?“ fragte er, aber darauf wußte Ed auch keine Antwort. Er lehnte sich mit seinem breiten Rücken an die Bordwand und sah den beiden Kerlen nach, die erst nach hundert Yards stehenblieben und miteinander tuschelten. „Sieht so aus, als hätten sie es auf dich abgesehen, Profos`“, meinte der Wikinger. „Die starren dich dauernd an.“ „Weshalb nur? Ich habe die Kerle noch nie gesehen und ihnen bestimmt nichts getan.“ „Chinesen lassen sich schlecht voneinander unterscheiden“, sagte Thorfin. „Die gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Alle sind gelb und haben Schlitzaugen und schwarze Haare.“ „Willst du bei uns essen?“ fragte Ed nach einer Weile. Ständig hielt er nach der Richtung Ausschau, aus der der Seewolf wieder auftauchen mußte, doch es war nichts zu sehen. „Gibt es Fleisch zu den Hagelkörnern?' erkundigte sich der Wikinger vorsichtig. „Natürlich!“ „Gut, Fleisch esse ich, aber die Hagelkörner könnt ihr weglassen, die will
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ich euch nicht wegessen“, erklärte er großzügig. Sie gingen an Bord zurück, wo der Schwede Stenmark und Blacky gerade damit beschäftigt waren, Näpfe und Schüsseln heranzuschleppen. „Gebt mal auf die beiden Kerle da drüben acht“, schärfte Ed ihnen ein. „Behaltet sie im Auge, die Burschen gefallen mir nicht, die sehen so verschlagen aus, als hätten sie etwas vor.“ „Die glotzen ständig zu uns herüber“, sagte Stenmark. „Nicht so neugierig wie die anderen, eher voller Haß.“ „Eben deshalb sollt ihr sie nicht aus den Augen verlieren!“ Niemand aß heute im Mannschaftsraum, als der Kutscher und der Schiffsjunge zwei Kübel voller Reis nach oben brachten. Sie setzten sich einfach auf die Planken oder nahmen auf den Ladeluken Platz, wie es ihnen am besten paßte. Thorfin wartete geduldig, bis der Kutscher auch das Fleisch brachte. Um die „Hagelkörner“ kümmerte er sich nicht, obwohl der Kutscher sie lautstark anpries. Während Carberry seinen Reis mampfte und sich ebenfalls mehr an das Fleisch hielt, blickte er unter halb geschlossenen Lidern ständig zu den beiden Chinesen hin. Sie gefielen ihm überhaupt nicht. Die Kerle kochten etwas aus, sie hatten etwas vor, aber da sie nur zu zweit waren, konnten sie kaum etwas unternehmen. Und immer wieder murksten sie an dem lausigen Faß herum, drehten es, tuschelten miteinander und benahmen sich mehr als verdächtig, bis der Profos aufstand. „Das muß ich mir mal ansehen“, sagte er entschlossen. Mit einem Satz flankte er über das Schanzkleid und ging den hölzernen Steg entlang. Die beiden Chinesen wandten ihm den Rücken zu. Der eine hatte sich auf das große Faß gelehnt, der andere stand daneben und tuschelte. Carberry bemühte sich, so leise wie nur möglich aufzutreten, aber die Bohlen erzitterten doch leicht unter seinem Schritt,
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und als er bis auf vier, fünf Schritte heran war, drehte der eine sich um. Angstvoll riß er die Augen auf und stieß den anderen an, der von Carberrys Anwesenheit noch nichts gemerkt hatte. „Sagt mal, ihr verlausten Rattenschwänze“, brüllte der Profos, „was wollt ihr eigentlich, was, wie? Man sollte euch eure gelben Affenärsche in Streifen ...“ Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als die beiden wie von Furien gehetzt losrannten. Carberry stemmte die Arme in die Hüften und schüttelte den Kopf. Er wurde aus der Geschichte nicht schlau, aber sein angeborenes Mißtrauen wurde immer größer. Er setzte sich auf das große Faß und ließ die Beine baumeln. Dabei hatte er nicht die geringste Ahnung, daß er auf zweihundert Pfund hochexplosivem Schießpulver hockte. Neben dem Faß stand noch ein zweites, das weitaus kleiner war, und darauf lag eine Taurolle. Ganz sicher sollten die Fässer irgendwo gestaut werden, aber weshalb taten die Kerle dann so geheimnisvoll? Diese Frage beschäftigte ihn immer wieder. Er sprang herunter und untersuchte das Faß. Nein, das ist ein ganz normales Faß, überlegte er, verschlossen und fest und von normalem Gewicht. Es gab jedenfalls nichts Außergewöhnliches daran zu entdecken, und Ed hatte auch kein Recht, das Faß zu öffnen. Mißmutig schlenderte er an Bord zurück. Von den Leiden Kerlen war nichts mehr zu sehen. Allem Anschein nach waren sie zu den kleinen Gemüsedschunken hinübergelaufen und hatten sich dort irgendwo versteckt. „Paßt gut auf!“ schärfte er jedem einzelnen noch einmal ein. „Achtet auf alles, das ungewöhnlich ist. Die beiden Stinker haben etwas vor. Zumindest werden sie versuchen, etwas zu klauen.“ 9.
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Das Essen an Bord der „Isabella“ unterschied sich ganz beträchtlich von dem, was den Seewolf und seine Begleiter erwartete. Zuerst gab es duftenden Tee, dem ein paar Tropfen Rosenöl beigemischt waren. Die unwürdige Hütte, die der Kuan bewohnte, entpuppte sich als prunkvoller Palast mit unzähligen Zimmern, Gemächern und Räumen. Der Palast lag inmitten eines kleinen Parks, in dem sich grünköpfige Enten und Zwerghühner tummelten. In einem künstlich angelegten Teich schwammen Goldfische mit unwahrscheinlich langen Flossen, wie Hasard sie noch nie gesehen hatte. Sie saßen an einer langen Tafel, aufmerksame Diener flitzten lautlos umher, gossen grünen oder roten Tee nach und verneigten sich immer wieder. Hasard erzählte vom Hof des Großen Chan und vergaß auch nicht, die Hinrichtung der Piraten Khai Wang und Wu's zu erwähnen. Er erzählte von den Zaubergärten, den Lotosteichen und dem Wohlwollen, das der Große Chan ihnen entgegengebracht hatte. Immer wieder baten die Richter der der Kuan um Einzelheiten, und der Seewolf sah keinen Grund, sie zu verschweigen. Dann begann das bescheidene Essen, wie der Kuan sich ausdrückte, und Hasard hatte das Wörtchen bescheiden noch nie so zweckentfremdet kennengelernt wie heute. Zunächst gab es Hsing-jen-djiding, zartes Hühnerfleisch mit Mandeln, angerichtet in einer kleinen lackierten Holzschale mit einem Deckel darauf. Aus Reismehl bereitete Glasnudeln folgten, die mit scharfer roter Soße gewürzt waren. Das Essen war fast so pompös wie das Mahl am Hof des Großen Chan, nur wurden die Speisen hier wieder anders zubereitet. Brighton aß mit sichtlichem Wohlbehagen, und der Bootsmann genierte sich auch nicht, zu fragen, wie dieses oder jenes zubereitet wurde und aus was es bestand. Immer mehr hölzerne Lackschalen wurden aufgetragen, dazwischen reichten die
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stummen Diener kleine Köstlichkeiten wie Pfirsiche, rote Lit-Schi, eine der populärsten Früchte des Landes, Aprikosen, Paradiesäpfel, Feigen und dicke saftige Trauben. Viele kannte der Seewolf nicht einmal vom Hörensagen. Der Kuan hatte alle feierliche Würde abgelegt, ebenso die drei Richter, die den Tee schlürften oder beim Essen laut schmatzten. Doch das Schlürfen und Schmatzen gehörte hier zum guten Ton, und es war ein sicheres Zeichen, daß es schmeckte. Also paßten sich der Seewolf und sein Bootsmann dieser Sitte an. Als Besteck gab es nur Löffel und hölzerne Stäbchen. Messer waren verpönt. Die gehörten nach Ansicht der Chinesen in die Küche, an der Tafel wirkten sie barbarisch. Vogelnester, die sie auch schon beim Großen Chan serviert bekamen, wurden aufgetragen. „Was ist das?“ fragte Ben und deutete auf eine kleine Schüssel, in der grünlichbraunes Zeug zusammengerollt lag, das, hätte es eine andere Farbe gehabt, ihn an saures Kraut erinnerte. „Algen aus dem Meer“, erklärte „Flüssiges Licht“ dem entsetzten Bootsmann. „Und die kann man essen?“ fragte Ben entgeistert. „Sie sind sehr bekömmlich“, war die Antwort. „Ich weiß nicht“, sagte Ben zu Hasard. „Algen! Dann fällt mir immer die Sargasso-See ein, das Meer der toten Seelen, wo wir auf den Algen gelaufen sind. Da hätten wir uns jahrelang durchfressen können.“ Sie sprachen Englisch, und außer SiriTong, die bei Bens Kommentaren nicht einmal das Gesicht verzog, verstand sie keiner. „Immer noch besser als Bohnen mit Salzfleisch“, sagte Hasard trocken, und griff nach der nächsten Schüssel. Ab und zu trank er einen kleinen Schluck heißen Reiswein. Er hob den Deckel und blickte hinein. Etwas rötlich-gezacktes lag darin, das er nicht kannte.
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„Das sind Hahnenkämme“, sagte Siri-Tong freundlich, die seinen versteinerten Blick bemerkte, und der Kuan lächelte liebenswürdig und sprach einen Satz auf Chinesisch. „Er sagt, der Magen liebt die Überraschungen“, übersetzte die Korsarin wieder. „Na ja, aber Hahnenkämme. Ich weiß nicht ...“ „Das da drüben sind eingelegte Fichtenzapfen, in der kleinen Schüssel liegen Seeschnecken und da drüben sind Wasserkastanien.“ „Was? Wasserzapfen und eingelegte Schnecken?“ fragte Ben entsetzt, der nicht richtig verstanden hätte. Er wünschte sich jetzt übergangslos meilenweit fort zu sein. Die Rote Korsarin lächelte. Es bereitete ihr ein kolossales Vergnügen, zuzusehen, wie der Bootsmann sich abquälte. „Greifen Sie ruhig zu, Mister Brighton“, sagte sie katzenfreundlich. „Man beleidigt den Gastgeber, wenn man nicht alles probiert.“ Ben schluckte und schluckte, und jedes Gericht brachte er mit etwas in Erinnerung, und das war nicht immer gerade angenehm. Bei den Wasserkastanien dachte er an die gottverdammten Spanier, die sie Kastanienfresser nannten, bei den Schnecken dachte er Ähnliches, und bei den Haifischflossen fiel ihm Baldwyn Keymis ein, den sie kielgeholt hatten, wobei ihn eine Haifischflosse leicht gestreift hatte. Verzweifelt blickte er den Seewolf an, doch der hatte sich längst überwunden und hieb rein, denn wenn die anderen das vertrugen, dann vertrug er das sicher auch. Das jedenfalls war seine Devise. Ben mußte rülpsen, als ihm ein eilfertiger Diener sogleich eine große Portion grünlich-brauner Algen servierte. In seinem Magen fand eine kleine Revolte statt, doch je mehr er die Augen verdrehte, desto öfter wurde ihm serviert. Die Diener hielten es für Zustimmung und stummes Lob, und so überboten sie sich
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gegenseitig, um dem geplagten Bootsmann immer neue Köstlichkeiten zu reichen. „Du frißt ja schlimmer als ein Ochse“, sagte Hasard tadelnd mit freundlichem Gesicht. „Ich bin längst bis obenhin voll“, jammerte Ben, „aber die Kerle geben mir immer mehr. Was soll ich nur tun?“ „Essen“, erwiderte Hasard lächelnd. „Bei Hofe hast du ja auch alles probiert!“ Brighton nickte ergeben, schließlich wollte er den gastgebenden Kuan ja nicht beleidigen. Er griff zum Reis, schob sich dicke scharfe Soße auf das Sargasso-Meer und würgte zwei blaßrote Hahnenkämme herunter. Die eingelegten Fichtenzapfen blieben ihm im Hals stecken, aber sein schauspielerisches Talent überwand auch das. Liebenswürdig grinsend aß er weiter, verfluchte den Kuan und seine Tafel und hätte sich lieber kielholen lassen, als pausenlos weiter zu essen. Er bewunderte den Seewolf, der nur kleine Bissen zu sich nahm, dazwischen immer wieder Reiswein trank und von den Zaubergärten des Großen Chan berichtete, von dem die Richter und der Kuan nicht genug kriegen konnten. Dann wollten sie alles über den Mandarin wissen, wo man das schwarze Schiff entdeckt hatte und weshalb Hung-wan noch an Bord gewesen war. Nach dem Essen gab es süßes Gebäck, dann folgten eiskalter Tee und kleine gezuckerte Kugeln. Der Kuan sagte wieder etwas, wobei er den Seewolf wohlwollend anblickte. „Du bist ein mutiger Mann“, übersetzte die Korsarin, für die es immer noch unvorstellbar war, daß sie hier als Frau mit Männern am Tisch saß, die ihre Richter waren und sich jetzt so freundlich benahmen, daß sie fast zur Familie zählte. „Der Kuan lobt deinen mutigen Einsatz. Er würde es begrüßen, wenn du öfter dieses Land besuchst und wieder sein Gast wärest. Dir sind keinerlei Beschränkungen auferlegt, du darfst alle Provinzen bereisen und segeln, wohin du willst. Das gleiche gilt auch für mich. Der hohe Herr würde
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dich auch morgen gern einladen, aber er unternimmt zu seinem großen Bedauern eine unaufschiebbare Reise in eine andere Provinz.“ Hasard bedankte sich, ließ dem Kuan die besten Grüße übermitteln und ihm mitteilen, daß er, ebenfalls zu seinem Bedauern, bald wieder weitersegeln müsse. Eine Stunde später, es war jetzt nachmittags, waren die Höflichkeitsfloskeln endlich ausgetauscht, und sie verabschiedeten sich von dem fetten, schwitzenden Mann. „Keine Sänfte“, sagte Ben, als die Träger wieder herbeieilten, „ich halte das diesmal wirklich nicht aus. Mein Magen ist bis oben hin voll.“ „Reiß dich zusammen, es geht nicht anders, Ben!“ „Ich werde versuchen, mit Würde zu sterben, aber in den nächsten Wochen kann ich nichts mehr essen.“ Der Kuan und die drei Richter begleiteten sie bis in den Park. Dort wurden sie nach vielen Verbeugungen endlich entlassen, und damit begann für Brighton das nächste Problem. Jetzt fühlte er sich selbst wie der Kuan, denn er hing schwitzend' und schnaufend in der Sänfte, und immer, wenn die Kerle schneller liefen, preßte er angstvoll beide Hände auf den Mund und glaubte, die Seeschnecken, die Vogelnester und Fichtenzapfen würden einen wilden Reigen in seinem Magen vollführen. So ein Essen ist doch verdammt anstrengend, dachte er, schlimmer. als einen ganzen Tag lang pausenlos zu arbeiten. 10. „Was ist denn jetzt los?“ fragte Carberry, als sich dem Hafengebiet eine feierliche Prozession näherte. Vier verhangene Sänften wurden herangeschleppt, von eilfertigen Dienern getragen, die erst kurz vor der Pier in eine normale Gangart fielen. Im Nu stand auf der „Isabella“ alles am Schanzkleid.
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Auch der alte O'Flynn blickte den vierundzwanzig Trägern skeptisch und voller Mißtrauen entgegen. „Ausgerechnet jetzt ist der Seewolf nicht da. Was wollen diese fetten Kerle eigentlich immer von uns?“ Neugierig verfolgten sie, wie die Träger den hölzernen Steg betraten, bis sie sich in der Nähe des Schiffes befanden. Dann wurden die Sänften abgesetzt. Carberry war keines Wortes mehr mächtig, als er die Korsarin sah, wie sie aus der Sänfte stieg. Ihr folgte „Flüssiges Licht“, und aus der anderen Sänfte stieg der Seewolf. Schließlich wankte aus der letzten Sänfte Ben Brighton. Sein Gesicht war blaß, etwas schwankend stand er auf den Beinen und blickte erschöpft auf die Männer. „Das kann doch nicht wahr sein“, wunderte sich Ferris Tucker, der achtlos seine gewaltige Axt auf die Planken fallen ließ und verwundert sah, wie die Träger die Sänften wieder aufnahmen und im Galopp davonzogen. Hilfreiche Hände streckten sich ihnen entgegen, doch die hatte nur Ben Brighton nötig, als er aufenterte. Sein voller Magen ließ kaum eine Bewegung zu. Die vier Ankömmlinge wurden von allen Seiten umringt. „Ist der Prozeß beendet?“ „Hat man Madam freigesprochen?“ „Wie war es?“ Unzählige Fragen prasselten auf den Seewolf ein, der beschwichtigend die Hände hob. „Eins nach dem anderen“, sagte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Schanzkleid. Als aber die Horde von dem schwarzen Segler heranstürmte, entschloß sich SiriTong, lieber an Bord zu gehen, um die Neuigkeiten dort zu verkünden. Die Horde stürmte wieder zurück, umringte die Rote Korsarin und wollte alles wissen. „Der Prozeß war nur eine Formsache“, erklärte Hasard. „Das Schreiben des Großen Chan hat den Ausschlag gegeben.
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Siri-Tong wurde in allen drei Punkten von der Anklage freigesprochen.“ „Hurra!“ brüllten die Männer. „Und was ist mit uns? Wir haben doch den Kahn da draußen versenkt.“ Hasard lächelte. Ben Brighton saß etwas abseits auf den Luken des Laderaums und war nicht ansprechbar. „Das wurde mit keinem einzigen Wort erwähnt, und wir haben natürlich dann auch nicht mehr darüber gesprochen. Die Chinesen sind nun einmal so. Sie reden nicht mehr darüber, und damit ist das Problem aus der Welt geschafft.“ „Das hat aber ziemlich lange gedauert“, ließ sich der junge O'Flynn vernehmen. „Ich denke, der Prozeß war nur eine reine Formsache.“ „Das war er auch, aber wir hatten etwas später noch eine kleine Unterredung mit dem Kuan und den drei Richtern. Aber das wird Ben euch erzählen. Wendet euch an ihn.“ Hasard ging nach achtern, und sobald er das Achterdeck betrat, stürzte sich alles auf Ben Brighton, der völlig erschlagen auf dem Luk hockte und immer noch bleich war. „Los, Ben, erzähle ein paar Einzelheiten“, wurde er von allen Seiten gebeten. Der Kutscher drängte sich durch die Seewölfe, schob sie beiseite und brüllte sie an. „Jetzt laßt doch den armen Kerl erst einmal essen. Seht ihr nicht, daß er schon halb verhungert ist?“ Er brachte eine dampfende Schüssel mit Reis und hielt sie Ben unter die Nase, aber der Bootsmann fuhr mit einem irren Schrei in die Höhe. „Bis du verrückt, Kutscher!“ schrie er. „Ich kann nichts mehr sehen, ich bin bis oben hin vollgestopft worden mit Reis und anderem Mist.“ Der Kutscher wich ungläubig zurück. „Gibt's denn bei den Prozessen Reis?“ fragte er erstaunt. „Nein“, schnauzte Ben ihn an. „Der Kuan hat uns und die drei Richter in sein schäbiges Haus eingeladen, und da gab's zu essen. Und jetzt sei so gut und hau mit dem
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verdammten Reis ab, ich kann das Zeug nicht mehr riechen, mir wird schlecht.“ „Dann hast du also zuviel gefressen“, stellte der Kutscher mit gerunzelter Stirn fest. „Merkwürdig, daß du nicht rechtzeitig aufhören kannst!“ „Verschwinde erst mit dem Reis“, sagte Ben. „Ich habe jetzt Bäume gefressen, Wurzeln, Würmer, Algen und Vogelnester geplündert, Entenzungen und sogar Bambus gekaut. Hahnenkämme gab es auch, ich habe die ganze Natur abgegrast und die Ozeane abgeräumt wie ein Mastochse. Deshalb kann ich nichts mehr sehen, was Reis und anderes Essen betrifft.“ „Einiges davon ist mir bekannt, aber nicht alles“, sagte der Kutscher. „Mich interessiert das aber, vielleicht könnte ich das auch mal versuchen.“ „Wage es ja nicht!“ schrie Old O'Flynn und schüttelte die Faust. Auch Carberry und Tucker hörten interessiert zu, aber nicht, um sich an den Speisen zu ergötzen. „Gab's noch mehr?“ forschte der Kutscher. „Haifischflossen“, zählte Ben auf, „Seeschnecken, Wasserkastanien, eingelegte Fichtenzapfen und Lotuswurzeln.“ „Pfui Deibel!“ schrie der Alte und stampfte mit dem Holzbein empört auf die Planken. „Die Burschen haben dich wohl vergiftet, was? So was kann man doch nicht essen!“ „Das mit den Algen glaube ich nicht“, sagte Jeff Bowie. „Aber es stimmt, es gab richtige Algen aus dem Meer, so'n Zeug, wie im Meer der toten Seelen.“ „Hätten wir dem Kuan eine ganze Schiffsladung voll mitbringen können, wenn er das so gern mag“, sagte Dan, und der Gambia-Neger Batuti zog ein Gesicht, das immer länger wurde. „Kastanien, Schnecken“, sagte er laut, „sind Zopfmann vielleicht gelbe Dons, he, wenn fressen Schnecken? Und wenn auch noch fressen Kastanien und Algen, warum dann Zopfmann nicht schwimmen draußen auf Wasser? Können fressen ganze Tag oder können segeln nach Sargassomeer,
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dann nie mehr Hunger. Können sich Hütte bauen auf Algen und ganzes Tag fressen.“ Die Männer lachten, als sie Batutis entsetztes Gesicht sahen. Der Neger konnte sich nicht vorstellen, daß man Algen aß, doch der Kutscher glaubte es. „Die werden nicht so gegessen, wie sie aus dem Meer kommen, ihr Heringe“, sagte er, „die werden extra zubereitet, genau wie die anderen Sachen auch.“ Während sie noch darüber stritten, verließ Carberry seinen Platz und marschierte dem Seewolf entgegen, der vom Quarterdeck zur Kuhl ging. „Was gibt es, Ed?“ fragte Hasard. Carberry zeigte auf die Pier. „Hier streunen zwei Chinesen rum, die mich immer so merkwürdig anstarren, als hätte ich Gott weiß was verbrochen. Sie lungern ständig in der Nähe und beschäftigen sich mit dem Faß, das da achtern auf der Pier steht.“ „Vielleicht warten sie auf eine Gelegenheit, um etwas zu klauen. Oder sie haben von den Schätzen erfahren. Du weißt ja, daß sich hier alles rasend schnell herumspricht.“ Carberry nickte. Sein Blick glitt suchend über den Holzbohlensteg. Dann hatte er sie entdeckt. „Da hinten an der Dschunke stehen sie wieder und haben die Köpfe zusammengesteckt. Ich wette, die Kerle hecken etwas aus.“ „Dann sollten wir sie gut im Auge behalten, Ed!“ „Ich möchte wissen, was in dem verdammten Faß drin ist, womit sie sich immer beschäftigen.“ Der Profos hoffte auf eine Erlaubnis, sich das geheimnisvolle Faß einmal näher ansehen zu dürfen, aber die kriegte er von Hasard nicht. Das Faß gehörte ihnen nicht, es sollte vermutlich auf ein Schiff verladen werden, und damit war der Fall erledigt. Dem Profos ließ es trotzdem keine Ruhe. Nach einer Weile schnappte er sich Matt Davies und grinste ihn an. „Du behauptest doch immer, daß du mit deiner Hakenprothese alles mögliche anstellen kannst.“
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„Klar“, versicherte Matt, „damit kann ich in der Nase bohren, Spundlöcher verdübeln und großschnauzigen Kerlen den Hintern aufreißen.“ „Nachher schleichen wir beide mal zu dem Faß hin. Ich kann aber kein Werkzeug mitnehmen, sonst fällt es auf. Aber du kriegst mit deinem Haken das Ding leicht auf. Ich will nur einen Blick hineinwerfen, mehr nicht.“ „Dürfen wir das denn?“ „Dürfen?“ fragte Ed. „Was heißt hier dürfen? Es geht schließlich um unsere Sicherheit, denn die beiden Chinesenlümmel haben etwas damit vor.“ „Wenn das so ist, in Ordnung. Ruf mich, wenn du losgehst!“ Der Profos nickte zufrieden. Es war alles im Lot. Der Seewolf hatte es weder verboten noch erlaubt, also konnte er sich das Ding später ruhig einmal ansehen. * Gegen Abend, als es dämmerte, gab es im Hafen eine kleine Überraschung, die sich niemand erklären konnte. Merkwürdig geformte Boote liefen ein. Sie waren vorn und achtern stark hochgezogen und endeten in großen Drachenköpfen. Gerudert wurden die Boote von zwei Männern, zwei weitere hockten untätig an Bord. Zehn oder zwölf Drachenboote liefen ein und verteilten sich an verschiedenen Stellen im Hafen. Eins wurde bis dicht in die Nähe der „Isabella“ gerudert, wo es träge auf dem Wasser schaukelte. Sonst tat sich nichts, außer, daß noch ab und zu ein weiteres Boot erschien. Hasard sah es mit wachsendem Unbehagen. Den anderen erging es ähnlich. Brighton, der sich von den Köstlichkeiten des Kuan einigermaßen wieder erholt hatte, stand neben Hasard und fand ebenso wenig eine Erklärung wie alle anderen. „Ob das uns gilt?“ fragte er mißtrauisch. „Die Boote haben alle strategischen Posten
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bezogen. Hoffentlich steckt keine Lumperei dahinter.“ „Das würde der Kuan nie zulassen“, erwiderte Hasard. „Nach allem, was vorgefallen ist, ganz sicher nicht. Wir stehen ganz gut in der Gunst der Chinesen.“ „Was hat es sonst zu bedeuten? Hast du eine andere Erklärung?“ „Nein, die habe ich nicht. Ich habe auch diese seltsam geformten Boote noch nicht gesehen.“ „Fragen wir doch die Chinesin oder die Korsarin. Vielleicht kennt eine der Frauen sich aus.“ Hasard ließ „Flüssiges Licht“ holen und zeigte auf die vielen Drachenboote, die immer noch träge an verschiedenen Stellen im Hafen dümpelten. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte er. „In jedem Boot befinden sich vier Männer, aber niemand tut etwas.“ „Ich kann es mir nicht erklären, hoher Herr.“ „Hast du schon mal Boote dieser Art gesehen?“ fragte Hasard. „Ja, es sind Drachenboote. Man veranstaltet Feste mit ihnen. Manchmal werden sie mit Blumen beladen und fahren dann umher, um die Menschen zu erfreuen.“ „Ich sehe aber keine einzige Blume.“ „Ich habe keine Erklärung, hoher Herr!“ Die Seewölfe blieben äußerst mißtrauisch, obwohl sie dem Kuan eine Hinterhältigkeit nicht zutrauten. Aber sie hatten schon zuviel erlebt, waren zu oft enttäuscht oder hinterrücks angefallen worden, als daß sie etwas auf die leichte Schulter nahmen. Auch die Rote Korsarin wusste nicht, was der Aufwand zu bedeuten hatte, und sagte fast genau die gleichen Worte, wie „Flüssiges Licht“ sie gebraucht hatte. Hasard ließ Al Conroy, Ben und den Profos rufen. „Mir gefällt das nicht“, sagte er kurz. „Sorgt dafür, daß die Männer unauffällig bewaffnet werden und ladet die Kanonen wieder nach, sobald es etwas dunkler geworden ist. Verhaltet euch aber so, daß niemand etwas bemerkt. Wenn man uns
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überraschen will, dann werden wir ebenfalls für Überraschungen sorgen.“ „Aye, aye, Sir, ich lasse sofort Waffen ausgeben“, erwiderte der Waffen- und Stückmeister. Die Dämmerung brach herein, und Carberry schielte bedauernd zu dem Faß, das da hinten immer noch einsam und verlassen stand, und von dem er gar zu gern gewußt hätte, was es enthielt. Aber jetzt bestand keine Möglichkeit mehr, das zu erfahren. denn er konnte das Schiff in dieser Situation nicht verlassen. „Ben! Schicke jemanden zu der Roten Korsarin. Ich habe vergessen, es ihr mitzuteilen. Sage ihr, was ich befürchte, daß nämlich vielleicht doch ein Überfall stattfindet.“ Brighton ging zum schwarzen Segler hinüber und teilte der Roten Korsarin Hasards Befürchtungen mit. „Sie glaubt nicht daran“, sagte er, als er wieder an Bord zurückkehrte, „aber auch sie läßt ihre Männer vorsichtshalber unauffällig bewaffnen.“ Hasard stand auf dem Achterdeck und blickte besorgt in die Dunkelheit. Die Drachenboote waren jetzt nur noch als große Schatten zu erkennen, aber er glaubte einige Male, etwas Helles in ihnen aufblitzen zu sehen. Dan, der die schärfsten Augen hatte, blickte pausenlos in das Boot, das der „Isabella“ am nächsten lag. „Sie haben Bronzegestelle an Bord“, sagte er schließlich, „jene Dinger, mit denen die Brandsätze verfeuert werden.“ „Du hast dich nicht geirrt?“ fragte Hasard hart, und zwischen seinen Augen erschien eine steile Falte. „Nein, ich habe mich nicht geirrt“, sagte Dan fest. „Gut, dann sollen sie es versuchen, wenn es nicht anders geht. Wir sind darauf vorbereitet und das ist immerhin ein kleiner Vorteil, den wir haben. Die Nerven der Männer waren zum Zerreißen gespannt. Niemand wußte, was passieren würde, aber jeder rechnete mit einem blitzartigen Angriff, was auch immer der Grund sein mochte.
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Im Hafen wurde es unheimlich still. Die Luft schien zu knistern, und immer noch rührte sich nichts. Die Seewölfe standen an den Kanonen, bereit, auf Hasards Befehl sofort das Feuer zu eröffnen.
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Was hatten die Kerle vor? so dachte jeder. Und warum warteten sie die Dunkelheit ab? Sie sollten es gleich erfahren...
ENDE