TERRA ASTRA 58
Legende der Roboter von Klaus Fischer
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TERRA ASTRA 58
Legende der Roboter von Klaus Fischer
1. "Es wird Zeit!" Dirk Halland blickte hinüber zu dem Mann am Fenster. Die Worte, die der hochdekorierte Offizier gesprochen hatte, bekamen unter den gegebe nen Umständen einen doppelten Sinn. General Graves hatte außer einem beruflichen auch ein ganz persönliches Interesse an dem bevorstehenden Ereignis. Für ihn bedeutete die Rückkehr des Hellström-Konvois gleichzeitig das Wiedersehen mit seinem Sohn. Captain Urs L. Graves war Schiffsführer eines der Konvoischiffe und gleichzeitig stellvertretender Kommandant des Unternehmens. "Wie alt ist Ihr Sohn?" "Fünfunddreißig", antwortete der General, ohne sich umzuwenden. Neben dem Fenster erhellte sich ein Bildschirm. Das Gesicht einer Frau formte sich, und eine Stimme tönte aus einem Lautsprecher: "Hier Raumstation JX-ol, Jupitermond Europa, Jelisa Schtarjeff spricht. Erwartetes Objekt - Kodegruppen folgen - hat Jupiterorbit passiert. Eintritt Atmosphäre Terra: X minus 31,08 Minuten. Ende!" Dirk Halland hörte den erleichterten Seufzer des Mannes am Fenster. Doch dann versteifte sich plötzlich dessen Haltung. Die Augen des Gene rals starrten auf den Monitor, auf dem die Kodegruppen erschienen. "Was ist?" fragte der Psychologe. "Die Kodegruppen ...!" stieß der General hervor. Er drehte sich zu dem anderen herum. "Kommen Sie, Doc!" Während er dem Hinauseilenden folgte, überlegte Dirk, was den Kom mandanten so erregt haben mochte. Was war mit den Kodegruppen? Als sie einen Augenblick später die Zentrale betraten, blickte er in betrof fene Gesichter. Männer und Frauen, die sich hier versammelt hatten, disku tierten erregt miteinander. General Graves überflog mit einem Blick die Anwesenden. "Meine Damen und Herren", sagte er, und Dirk bemerkte, daß er sich wieder gefangen hatte, "die Nichteingeweihten haben es, wie ich sehe, in-
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zwischen erfahren: statt der erwarteten acht Schiffe ist nur ein einziges zurückgekehrt!" Er winkte den Psychologen zu einem leeren Sessel hinüber und setzte sich selbst vor das große Schaltpult. "Die Gründe hierfür können verschiedenster Art sein. Vorerst müssen wir abwarten." Mirelle Loignet, Chefin der Terran Stereovision, wandte sich an den Kommandanten des Raumhafens "Nord": "Sir, Sie erlauben die Frage: Ist es nicht möglich, daß die übrigen Schiffe noch später eintreffen können?" Graves hob die Augenbrauen. Doch dann erschienen Kränze von Lach fältchen um seine Augen, als er erwiderte: "Ich lese in den Mienen einiger Anwesender, daß diese Frage nicht Sie allein bewegt, Mirelle. Leider ist meine Antwort negativ. Die kodierte Nachricht, die die Station auf dem Jupitermond Europa an uns abgestrahlt hat, beinhaltete auch die Mitteilung, daß das Schiff, das die Jupiterbahn passierte, seine Rückreise allein angetreten hat." "Wenn ich recht verstehe", warf Magnie Bou ein, der die Regierung re präsentierte, "so hat der Kommandant des zurückgekehrten Schiffes die Station auf Europa per Funkspruch darüber informiert, daß es die Rückreise allein angetreten hat. Warum hat er uns nicht direkt informiert?" Der General sah seinen Adjutanten, Colonel Ishigava, an. Der verstand den Blick und antwortete anstelle seines Chefs: "Ob der Kommandant den Spruch abgab, vermögen wir noch nicht zu. beantworten. Die Hellström-Schiffe verfügen über automatische Funkanla gen mit gespeicherten Kodesendungen, die durch Frageimpulse ausgelöst werden. Im übrigen ist es aus technischen Gründen üblich, daß aus dem interstellaren Raum zurückkehrende Schiffe ihre Informationen über Re laisstationen an uns abstrahlen." Dirk sah auf das Sichtfenster der Zeitangabe. Es war 22.41 Uhr. Die Zeit bis zum Eintreffen des Raumschiffes betrug noch genau vierundzwanzig Minuten. Aus dem Hintergrund fragte jemand: "Weiß man schon, welches Schiff zurückgekehrt ist?" "Es ist ...;", General Graves drehte den Kopf und sah Dirk einen Moment lang an ... die AETERNA!" Der Psychologe starrte zu dem Kommandanten hinüber. Welche Ängste, Zweifel, Hoffnungen mochten sich hinter der Stirn des Mannes abspielen? Wie sehr bewunderte er, Dirk, die Haltung des Generals, der seine Erre gung rigoros zu meistern wußte! Der Kommandant der AETERNA war
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niemand anders als Urs L. Graves ...! * Fünfunddreißigtausend Kilometer über der Erde befand sich die Raumstati on RS 4 im freien Fall um den Planeten. Vor dem Orter saß Sergeant D. Flavius und beobachtete den Schirm. Ab und zu wanderte sein Blick zur Zeitangabe. Pausenlos murmelte er Ver wünschungen vor sich hin. Sergeant Orffs Gedanken wurden abrupt unterbrochen: "Da ist sie...!" sagte Sergeant Flavius. Orff richtete sich auf und starrte auf den Schirm. Ein winziger Reflex zeichnete sich am rechten Rand ab, und jedesmal, wenn der Peilstrahl das anfliegende Objekt überstrich, rückte es näher der Mitte zu. Dick Flavius drückte ein paar Tasten. Auf verschiedenen Monitoren er schienen Zahlen- und Symbolgruppen. Der Orter schaltete erneut und sprach dann in ein Mikrophon: "Achtung! Raumstation RS 4, Terra. Es spricht Sergeant Flavius. Ange kündigtes Objekt im Anflug auf Terra. Landung Raumhafen Nord: X minus 8 Minuten. Ende!" * Auf dem grauen Landefeld des Raumhafens glitt das riesige Schott eines Landeschachtes in seiner Schienenführung zurück. Unterirdische Spezia l kraftwerke sprangen ans beschickten die Projektoren mit Energie. Unsicht bar bauten sich die energetischen Felder des Landegerüstes auf. Einen Augenblick starrte General Graves auf den erloschenen Schirm. Dann stand er langsam auf. "Kitei", wandte er sich an seinen Adjutanten, "geben Sie mir Bescheid, wenn etwas Besonderes anliegt! Ich gehe 'rüber. Kommen Sie, Doc!" Er nickte Ishigava zu und schritt, gefolgt von Dirk, aus dem Raum. Auf dem breiten Korridor traten sie auf das Laufband, das sie direkt zum Landeschacht bringen würde. Als sie ein paar Minuten schweigend durch den erleuchteten Korridor geglitten waren, meldete sich das Gerät am Handgelenk des Kommandan ten. Der General drückte einen kleinen Knopf.
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"Was ist?" Die kühle Stimme Ishigavas schien einen erregten Unterton zu haben, als sich der Oberst meldete: "Sir, der O.D. vom Landeschacht vier! Hören Sie selbst!" Im nächsten Moment klang aus dem winzigen Lautsprecher eine aufge regte Stimme: "Hier spricht Captain Dietz. Sir ... sind Sie es?" Graves sprach leise in das Mikrophon: "Sprechen Sie, Captain!" "Ja, Sir. Das gelandete Schiff, die AETERNA ..." Dirk sah, wie der General erblaßte. Er preßte die Lippen zusammen und sagte dann scharf: "Captain Dietz! Reißen Sie sich zusammen!" Dirk vermeinte zu sehen, wie der Offizier Haltung annahm: "Jawohl, Sir. Die AETERNA ...", seine Stimme klang jetzt ruhig, "ist leer." Eine endlose Weile schien zu vergehen. Dann sagte der General: "Ishigava - verhängen Sie totale Nachrichtensperre!" Er schaltete das Gerät ab und sah den Psychologen an. * Der Korridor mit dem Laufband mündete in den Landeschacht. Als sie anlangten, blickten die beiden Männer durch das offene Schott in die Hauptschleuse. Dort erwartete sie der O. D. Neben ihm standen einige Männer und Frauen in blaugrauen Kombinationen. Der Captain hob die Hand an die Mütze. Graves winkte ab und wandte sich sofort an einen kle i nen, schlanken Mann in Zivil, der heben dem Offizier stand: "Don ...?" Der Abwehrchef zuckte die Achseln. "Was soll ich sagen? Wir standen hier und warteten, daß die Klappe auf ging. Sie ging auch auf. Aber niemand war in der Schleuse. Ich sagte den anderen, sie sollten draußen warten. Dann ging ich mit Sandor", er deutete mit dem Daumen auf einen der Männer, "und Captain Dietz hinein, und wir fuhren zur Zentrale. Der Lift funktionierte einwandfrei ..." "Und die Zentrale?" unterbrach der Kommandant ungeduldig. "Leer - keine Seele drin. Schirme, Monitoren und Instrumente, alles war abgeschaltet. Die Automatik hatte die Energiewerke stillgelegt. Nur die
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Notbeleuchtung brannte." "Und die übrigen Sektionen?" Don Guernsey schüttelte den Kopf. "Während Captain Dietz die Zentrale anrief, haben wir das ganze Schiff durchsucht - wie gesagt, das Liftsystem funktionierte - aber wir fanden niemand." "Irgendwelche Hinweise?. Verdacht?" "Nein - keine!" Dirk sann einen Augenblick darüber nach, warum der Mann ihn nicht mochte. Nun ja, das war im Augenblick unwichtig. Außerdem würde er vermutlich niemals in die Verlegenheit geraten, mit dem Chefagenten zu sammenarbeiten zu müssen ... Der General, der einen Augenblick seinen eigenen Gedanken nachgehan gen hatte - Gedanken um den vermißten Sohn -, ergriff wieder das Wort: "Führen Sie die Untersuchungen zu Ende, Don! Lassen Sie nichts aus, auch nicht das geringste Verdachtsmoment. Wir wissen nicht - vielleicht hängt der Fortbestand der Menschheit davon ab, daß wir erfahren, was mit Professor Hellström und seinen Leuten geschehen ist. Berichten Sie mir laufend! Ich bin in der Zentrale." "In Ordnung, Sir!" 2. Es war, wie Senta Limhoff vermutet hatte; die Speicher der Bordelektronik waren gelöscht worden. Auch eine gründliche Untersuchung des "Gespen sterschiffes" - wie einer von Don Guernseys Leuten die unbemannt zurück gekehrte AETERNA getauft hatte - hatte nichts zutage gefördert, was über das Schicksal von Kommandant und Besatzung Aufschluß gab. Major Don Guernsey ging mit großen Schritten in seinem Büro auf und ab. Hin und wieder blieb er am Arbeitstisch stehen und schlürfte aus einer riesigen Tasse kalten Kaffee. Es war ein vollkommenes Rätsel. Vor drei Jahren - genauer: vor achtunddreißig Monaten waren die acht Schiffe des Hellström-Konvois zu der großen Reise aufgebrochen, die sie in das unbe kannte Zentrum der Milchstraße bringen sollte. Die acht Schiffe waren Wunderwerke terranischer Raumfahrttechnik gewesen, ausgestattet mit den modernsten Errungenschaften der Technik, der Wissenschaft und der For schung. Sie verfügten über die neuen ÜL-2-Triebwerke, die den Raumfahr zeugen eine Geschwindigkeit erlaubte, die die Geschwindigkeit des Lichts
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um das Zwanzigtausendfache übertraf und ihnen einen nahezu unbegrenz ten Aktionsradius verliehen. Don Guernsey goß sich eine neue Tasse Kaffee ein. Es war ein Wunder, dachte er, daß es heute überhaupt noch eine Instituti on wie die Terranische Abwehr gab. Und es war ein ebensolches Wunder, daß die Leitung der Raumhäfen noch immer in den Händen der Militärs lag. Dies geschah im Grunde genommen nur, weil man die wenigen hohen Offiziere, die die terranische Rumpfarmee noch besaß, nicht ohne Funktion lassen wollte. Es gab noch zwei Generäle. Manus M. Graves war einer der beiden. Man hatte ihm die Leitung des Raumhafens Nord anvertraut. Don Guernsey ahnte, wie dem Kommandanten zumute war. Nicht nur, daß sein eigener Sohn auf dieser unglückseligen Expedition verschollen war; kaum weniger stark - soweit meinte Don Guernsey den alten General zu kennen - würde ihn die Sorge erfüllen, das Scheitern des Projekts würde das Ende menschlichen Forschergeistes, menschlicher In itiative überhaupt bedeuten; denn - und der Chefagent teilte diese Befürch tung - die vor den STV-Geräten satt und zufrieden dahindämmernde Ge sellschaft dieser Tage würde vermutlich davor zurückschrecken, sich in ein Abenteuer einzulassen, das sie aus ihren Kontursesseln aufscheuchen könn te. Lieber würde sie ein paar hundert Individuen ihrem Ungewissen Schic k sal preisgeben, in der fatalen Verkennung der Tatsache, daß die Rückkehr der unbemannten AETERNA ein Zeichen war, ein Zeichen, das eine unge heure Gefahr signalisierte, die deshalb, weil sie in einer Entfernung von 30000 Lichtjahren aufzog, nicht ignoriert werden durfte. Bei diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen, wurde sich Don Guernsey darüber klar, daß er alles tun würde, was in seinen Kräften stand, um die maßgebenden Stellen davon zu überzeugen, daß etwas getan werden mußte, um das Rätsel der verschollenen Expedition zu lösen. Und das hieß: Eine zweite Expedition mußte gestartet werden, um das Schicksal der er sten aufzuklären. Diese zweite Expedition mußte so ausgerüstet werden wie noch niemals ein terranisches Raumschiffunternehmen zuvor. Und zu die ser Ausrüstung gehörten Waffen: Defensiv- und Offensivwaffen. Don Guernsey lächelte humorlos. Nun zahlte sich aus, daß die Abwehr im geheimen für den Fortschritt der Waffenforschung gesorgt hatte. Nur eine Handvoll Männer und Frauen wußten von den geheimen For schungslabors tief unter der Oberfläche des Saturnmondes Dione, in denen
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fähige terranische Wissenschaftler geforscht, entwickelt, konstruiert und getestet hatten für den Zeitpunkt, an dem es einmal notwendig werden würde, Raumschiffe mit Waffen auszurüsten, die vielleicht das Überleben der Menschheit garantieren würden. Dieser Zeitpunkt schien gekommen. Don Guernsey trommelte mit den Fingern auf die Platte seines Arbeitsti sches. Ein ÜL-Gespräch würde genügen. Auf Dione würden die geheimen Gerä te und Waffen in Spezialfahrzeuge verladen werden, zu den in den unterir dischen Hangars bereitstehenden Raumtransportern geschafft werden, und diese würden zur Erde starten. Doch noch war es nicht soweit. Noch stand der Kampf gegen das Parlament bevor. Gegen diese Masche gelangweilter, fetter Ignoranten, die nichts weiter im Kopf hatten als die Erträge ihrer Uranminen auf dem Mars und die Abschußquoten der Xirljä ger auf den Alpha Centauri-Planeten. "Sir, Funkruf von JX-ol!" Das war die Außenstation auf dem Jupitermond Europa. Don Guernsey war wie elektrisiert. "Schalten Sie durch!" Das Bild wechselte. Anstelle des Sekretärs erschien das Gesicht einer Frau: Jelisa Schtarjeff. Der Abwehrchef sah sofort ihre Erregung. "Sir, SO 201 meldet den Einflug eines Objekts zwischen Saturn- und Jupiterbahn elf Grad Nord zur Systemebene. Der Identifikationskode ist verstümmelt. Die von der Sonde aufgefangenen Signale deuten jedoch dar auf hin, daß es sich um die WERNER HEISENBERG handelt. Weitere Angaben folgen in Kürze. Ende." Don Guernsey drückte einen Knopf. "Ellis, die Verbindung bleibt bestehen!" Die Gedanken des Majors jagten sich, Hoffnung und Zweifel lösten ein ander ab. Die WERNER HEISENBERG war das Flaggschiff des Hellström-Konvois. Hellström, Leiter der Gesellschaft für interstellaren Kon takt und nebenbei ein ausgezeichneter Astronaut, hatte es selbst geflogen. Kehrte der Professor zurück? Und mit ihm seine Mannschaft? Oder kehrte auch dieses Schiff unbemannt zurück? Oder - brachte es vielleicht etwas ganz anderes mit? Etwas, was den
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Menschen gefährlich werden konnte. Die WERNER HEISENBERG kam aus dem galaktischen Kern. Niemand wußte zu sagen, ob dort auch nur annähernd die gleichen Verhältnisse herrschten wie im leidlich erforschten Orion-Spiralarm. In einem plötzlichen Entschluß beugte sich der Major vor: Er drückte eine Tastenkombination und stellte eine Direktverbindung zum Raumhafen Nord her. "Endersen", sagte er, als .sich auf dem Stereophon das Gesicht des diensthabenden Captains formte, "machen Sie die SENTINEL klar. Ich bin in fünfzehn Minuten drüben." Er wartete die Bestätigung ab und rief dann über den Hausschirm seinen Sekretär: "Ist Charly greifbar - oder Raoul?" Er sah,, wie der Mann sich umwandte. "Äh ja, da kommt sie gerade!" "Soll 'rüberkommen! Handwaffe mitbrin gen !" "In Ordnung, Chef!" Kurz darauf klopfte es an der Tür. Der Major öffne te durch Funkimpuls. Im Rahmen stand eine junge Frau. Sie trug einen enganliegenden, bla u grünen Rock, eine weiße Bluse und Palton-Stiefel. Ihr langes braunes Haar hatte sie hochgesteckt. Ihre Augen waren blau und blickten, wie immer, leicht erstaunt. In der Rechten hielt sie lässig einen Strahler. Und das soll eine Agentin sein! dachte Don Guernsey und betrachtete sie. Aber sie war es, und zwar seine beste! "Charlotte", sagte der Major und versuchte, streng zu sein, "wann wirst du je erwachsen?" "Warum?" "Wie oft habe ich dir schon gesagt, daß man im Einsatz nicht Rock und Bluse trägt?" "Ist denn Einsatz?" Don Guernsey zeigte auf die Waffe in ihrer Hand. "Und das?" Das Madchen lächelte. "Ich ..." Der Major winkte ab. Aus einem Wandschrank nahm er einen Desintegrator. "Komm, wir ha ben keine Zeit zu. verlieren!" "Darf man fragen, wohin die Reise geht?" erkundigte sich das Mädchen, als sie auf dem Weg zum Raumhafen waren. Don Guernsey informierte sie über das, was geschehen war.
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"Ich will mir das Schiff persönlich ansehen, bevor es auf der Erde landet. Ich habe ein verdammt ungutes Gefühl..." "Wegen der Fracht?" "Fracht...?" Der Major sah seine Agentin erstaunt an. Dann nickte er an erkennend. "Ja, deshalb. Die AETERNA kehrte leer zurück. Wer weiß, was die WERNER HEISENBERG mitbringt!" Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Am Raumhafen angelangt, fuhr Don Guernsey den Gleiter durch den eigens für die Abwehr angelegten Korridor direkt bis zu dem Schacht, in dem die SENTINEL bereits mit aktiviertem Triebwerk wartete. Der Major erwiderte den Gruß der Techniker und stieg, gefolgt von der Agentin, in die Kabine. Seine Hände glitten über die Kontrollen. Kurze Zeit später hob sich die Jacht aus dem Spezialschacht heraus und stieg, schneller werdend, in den dunstigen Morgenhimmel empor. Als sie eine gewisse Höhe erreicht hatten, schaltete Don Guernsey das Ionentriebwerk ein. Die SENTINEL beschleunigte auf Fluchtgeschwindigkeit und verließ in einer steilen Parabel den Anziehungsbereich des Planeten. Die Automatik aktivierte das Photonentriebwerk. Der Major beugte sich vor und rief die Station auf Europa. "Was Neues?" Der Frauenkopf auf dem Bordschirm nickte: "Ja, Sir - es steht nunmehr ohne jeden Zweifel fest: Es ist die WERNER HEISENBERG." "Funkverbindung?" "Außer dem automatischen Kodeaustausch keine, Sir." Don Guernsey nickte vor sich hin. "Geben Sie mir die Positionsdaten!" Auf dem Schirm erschienen Buchstaben- und Zahlengruppen. Don Guernsey lehnte sich zurück. Eine halbe Stunde war vergangen, da erschien auf dem Orterschirm ein Echo. Der Reflex wanderte vom äußeren Rand genau in Richtung Schirm mittelpunkt. Der Pilot spähte durch die Panoramascheibe der Kanzel. "Da ist sie!" Das Mädchen Charlotte beugte sich vor. Auch sie erblickte den gleißen den Punkt, der sich der SENTINEL mit großer Geschwindigkeit näherte
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und dabei größer wurde. Als bereits die Konturen des Raumschiffes auszumachen waren, führte die SENTINEL abermals eine geringfügige Änderung der Flugrichtung aus. Sie war so bemessen, daß sie die Jacht auf einen Parallelkurs zur WERNER HEISENBERG bringen würde. Der Abwehroffizier griff zum Mikrophon. "Achtung!" funkte er auf der terranischen Standardfrequenz für Raum fahrzeuge. "Hier terranische Raumpatrouille, Major Guernsey. Ich grüße die heimkehrende WERNER HEISENBERG, den Kommandanten und die Besatzung. Bitte melden Sie sich!" Er wartete eine Weile, und als alles still blieb, wiederholte er den Funk spruch. Nichts! Wie erwartet! Major Don Guernsey schaltete auf Manuellsteuerung. Er verringerte den Abstand zwischen den beiden. Schiffen. Dann holte er aus seiner Tasche einen elektronischen Schlüssel und drückte ihn in einen dafür vorgesehenen Schlitz. "Nun zeig', was in dir steckt!" murmelte der Major. In einem bestimmten Sektor des schlanken Bootsrumpfes liefen Kraft werke an, speisten Projektoren. Diese richteten sich auf das parallel flie gende Raumschiff. Kraftfelder entstanden zwischen den beiden Flugkör pern und Traktorstrahlen griffen hinüber zu der dahinrasenden WERNER HEISENBERG: Lautlos näherten, sich die beiden Schiffskörper einander, der schlanke, torpedogleiche der Polizeijacht und der walzenförmige des interstellaren Forschungsschiffes. Durch die Kanzel beobachtete Don Guernsey das Manöver. Seine Finger griffen behutsam in die Tastatur, ließen die Jacht um die Längsachse rotie ren, sodann den Bug ein wenig über das Vorderschiff der WERNER HEI SENBERG hinausgleiten, bis die Schleusen der beiden Schiffe sich genau gegenüberlagen. Dann gab es einen kleinen Ruck. Die SENTINEL "klebte" an der großen Schwester. In diesem Augenblick sprach das Funkgerät an. Fassungslos starrte der Major auf den Bordsprecher, aus dem die Funksi gnale eines starken Senders schrillten. Don Guernsey drehte den Lautstärkeregler zurück und schaltete den Ana lysator ein. Ungeduldig wartete er. Schließlich klang eine mechanische
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Stimme auf: "Aufgenommene Funkzeichen ergeben keinen Sinn." Der Major fluchte ungeniert. "Aber, aber!" meldete sich Charly, die hinter ihrem Chef saß. "Vielleicht ist ihr Sender kaputt." "Oh, wirklich?" schnappte Don Guernsey sarkastisch. "Und was haben wir davon? Das Sprechgerät wäre dann ebenfalls gestört. Die Schiffshülle jedoch weist nicht die geringste Anomalität auf, die Triebwerke arbeiten einwandfrei ..." Er dachte einen Moment nach. Dann öffnete er die Gurte und stand auf. "Wir werden uns die Sache aus der Nähe betrachten" sagte er. "Nimm deine Waffe mit." Sie schlossen die Helme, schalteten auf Anzugbeatmung, und begaben sich zur Schleuse. Nachdem die Kammer evakuiert worden war, öffnete sich das Außenschott. Vor ihnen ragte das große Einstiegschott der WERNER HEISENBERG. Don Guernsey begann, den Öffnungskode der Großschiffsschleusen auf seinem Kodegeber einzustellen, als er sah, wie sich das rechteckige Tor bewegte. Das Schott öffnete sich von selbst. Langsam glitt es in seine Füllung zurück. Dahinter war es stockdunkel. Der Major und das Mädchen sprangen hinüber. Sie hoben die Handstrah ler - und fuhren zurück. Der Lichtstrahl fiel auf die Gestalt eines reglos dastehenden Mannes. Der Offizier hob die Lampe, um dem ändern ins Gesicht zu leuchten. Was er sah, ließ ihm fast das Blut in den Adern gefrieren. Der Mann war ohne Helm. In dem bläulich verfärbten Gesicht waren die Augen weitaufgerissen und aus ihren Höhlen gequollen. Die Züge waren schrecklich verzerrt. Der Major hörte im Helmfunk den erstickten Aufschrei seiner Begleite rin. Im nächsten Augenblick griff der Mann vor ihm mit beiden Händen über sich ins Leere und stürzte, ehe der Major es verhindern konnte, zu Boden. Hinter ihnen schloß sich das Außenschott. Dann hörten sie über die Au ßenmikrophone ihrer Raumanzüge das Zischen von Düsen. Ein Blick auf die Instrumente zeigte, daß die Kammer geflutet wurde. Kurz darauf öffnete sich das Innenschott. Der Gang dahinter war beleuch tet. Nach kurzem Zögern klappte Major Guernsey den Raumhelm zurück.
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Dann trat er in den Gang. Charly folgte ihm. Bei den Schiffen vom Typ "L 2 Droste", zu denen alle Einheiten des Hellström-Konvois gehörten, führte der Hauptkorridor direkt zur Zentrale. Der Transport geschah durch elektronisch gesteuerte Laufbänder. Die beiden Agenten betraten das Laufband, das sich sofort in Bewegung setzte. Während sie durch den Korridor glitten, passierten sie eine Reihe von Schotten, von denen, wie Guernsey wußte, die Gänge zu den weiteren Sektoren des Schiffes abzweigten. Als sie an der Zentrale anlangten, hielt das Transportband plötzlich an, gleichzeitig ging die Beleuchtung aus. Und dann blieben Guernsey und das Mädchen wie angewurzelt stehen. Aus den Schiffssprechern erscholl ein schauerliches Gelächter, gefolgt von einem markerschütternden Schrei. Don Guernsey stürmte vorwärts. Mit ein paar langen Sätzen hatte er die Zentrale erreicht. Das große Schott stand offen. Mit schußbereitem Strahler drang der Major in den Raum ein - und erstarrte. In dem halbkreisförmigen Raum, in dessen Rundung mehr als ein Dut zend leere Kontursessel vor der Panoramagalerie der Bildschirme standen, und in dem. sich mindestens fünfzehn Personen aufhalten sollten, befanden sich drei Männer. Zwei von ihnen saßen auf dem Boden und hielten Dinge in den Händen, die, wie der Major erkannte, einmal das Kernstück eines Ortergerätes ge bildet hatten, sie drehten die Teile hin und her und lachten glucksend. Die Uniform, die sie trugen, war an vielen Stellen zerrissen und verschmutzt. Die Männer selbst machten einen ungepflegten und heruntergekommenen Eindruck. Sie schienen sich seit Monaten nicht mehr rasiert zu haben. Einer von ihnen blickte den Major an. Der Abwehrchef war ein hartgesottener Mann. In seinem Beruf durfte man nicht zimperlich sein. Doch der Blick dieser Augen war von einer so abgrundtiefen Leere und Seelenlosigkeit, daß der Major sich schaudernd abwandte. Der dritte der Männer stand vor einem halbzertrümmerten Schaltpult, auf das er mit einem Werkzeug blindlings einschlug. Während Überschlagblit ze knisternd hin und herzuckten, stieß er entsetzliche Verwünschungen aus. Sein rechter Arm hing herunter, und Guernsey bemerkte, daß die Hand verbrannt war. Augenscheinlich hatte er bei seinen sinnlosen Hantierungen einen fürch terlichen Schlag erhalten. Daher auch der gräßliche Schrei.
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Der Major sprang zu dem Mann hinüber und riß ihn von dem Gerät weg. Der Raumfahrer blickte ihn einen Augenblick lang verblüfft an. Dann riß er sich los, hob das Werkzeug und stürzte sich auf den Offizier. Der Abwehrchef blockte ihn ab und setzte ihn mit einem gezielten Schlag außer Gefecht. Don Guernsey drehte sich um. Hinter ihm stand Charly. Sie war bleich, doch ihre Miene verriet nichts von ihren Empfindungen. Der Major bemerkte hinter dem Mädchen plötzlich eine Bewegung. Der eine der beiden Männer, die am Boden gehockt hatten, war aufgestanden