KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
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LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
VITALIS
HEFTE
PANTENBURG
LUFTKREUZ NOR...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
VITALIS
HEFTE
PANTENBURG
LUFTKREUZ NORDPOL DIE SCHNELLSTEN STRASSEN F Ü H R E N ÜBER D E N P O L
VERLAG MURNAU
SEBASTIAN
-MÜNCHEN
LUX
- I N N S B R U C K - ÖLTEN
Reich des „Großen Bären' TX7eit im Norden, eigentlich schon jenseits der bewohnten Welt, ist der blaugrüne, offene Ozean zu Ende. Auch das Land weicht mehr und mehr zurück, bis zuletzt nur noch einige öde, von ewigem Packeis blockierte Inseln die letzten Vorposten der Groß-Kontinente bilden. Den Raum um die Nordachse der Erde umspannt zwar immer noch Meer, aber es ist bedeckt von einem Panzer treibenden Eises, großer und kleiner Schollen und riesiger Felder. Dieses Treibeis ist viele Meter stark. Unter den ständig driftenden Eisfeldern finden sich viele, die groß genug wären, um kilometerlange Landebahnen für Flugzeuge darauf einzurichten. Die kühnen Seefahrer, die zum ersten Male in die Unendlichkeit des Polareises blickten, nannten dieses Meer den „Geronnenejn Ozean", in den niemand eindringen könne. Sie hatten nichts eiligeres zu tun, als die Steven ihrer gebrechlichen Fahrzeuge alsbald wieder in die entgegengesetzte Richtung zu wenden, den bewohnten und wärmeren Zonen zu. Wer der erste unter ihnen war, der bis in die Arktis vordrang, wissen wir nicht; aber es liegt nahe, anzunehmen, daß es Nordbewohner — Wikinger aus Skandinavien oder Schottland — gewesen sind. Die früheste Entdeckungsgeschichte der Polarwelt verzeichnet aber auch einen Seefahrer aus dem Mittelmeer: den Kauffahrer Pytheas aus „Massilia", dem heutigen Marseille, der uns aus der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. die erste Kunde von einer Fahrt in den Eisozean überliefert hat. Wo das Inselland Thule lag, das er hoch im Norden erreicht haben will, wissen wir nicht. Man vermutet, daß es eine der FaröerInseln jenseits der Nordspitze Englands oder daß es Island gewesen sei. , Diesem nördlichsten Teil der Erde hat man den Namen Arktis — Bereich des „Großen Bären", des Polargestirns — gegeben. Die Arktis dehnt sich in ungeheurem Rund um den Nordpol. Um ihn als Achsenpunkt wiederum dreht sich die Welt. Das eisstarrende Polarmeer ist das Reich der beißenden Kälte, wilder Stürme, aber auch unerhörter Naturschönheiten. Im langen Polarwinter geistert das Strahlenspiel des Nordlichtes über den nördlichen Himmel. In
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immer neuen Formen und Farben erlebt es der Bewohner der Nordpolarkuppel. Im kurzen Sommer geht viele Wochen lang die Sonne überhaupt nicht unter. Die Forscher, die dort oben weilen, können in dieser Jahreszeit nachts um 24.00 Uhr im Freien ohne künstliche Beleuchtung die Buchstaben eines Buches genau so klar erkennen wie um 12 Uhr mittags. Der Nordpol ist ein merkwürdiger Ort. Er liegt nicht auf festem Land, weil es im Umkreis von vielen hundert Kilometern nicht einmal irgendein Inselchen gibt. Das Meer ist mit seinen Treibeismassen am Nordpol in beständiger Bewegung; deshalb hat vermutlich bisher noch kein Mensch genau an der Stelle des Pols gestanden. Weil dort kein Land, sondern ewig treibende Eismassen sind, kann man diesen Punkt wohl auch kaum einwandfrei bestimmen. Aber an dem ungefähr richtigen Endpunkt der Erdachse sind inzwischen schon viele Menschen gewesen. Als erster der amerikanische Poleroberer Robert Peary (1909), vielleicht auch sein erbitterter amerikanischer Wettbewerber Frederick Cook im Jahre zuvor. Dann die Russen, die 1937/38 aus der Luft landeten, später amerikanische Flieger, und dann wieder Russen. Wer genau auf dem Nordachspunkt der Erde steht, wird erleben, daß es dort nur eine einzige Himmelsrichtung gibt. Wohin er auch seinen Blick wenden mag, es muß stets nach Süden sein. Genau so ist es mit den Winden, sie haben immer die gleiche Richtung, pämlich ebenfalls Süden. Wenn es jemandem gelänge, sich ein ganzes Jahr genau auf dem Pol aufzuhalten, so würde er noch eine andere ungewöhnliche Feststellung machen: daß es dort im Ablauf des Jahres nur einen einzigen Tag und nur eine einzige Nacht gibt. Als Nacht erschiene ihm der halbjährige Winter; der halbjährige Sommer entspräche dem Tag. Im Nordpolsommer sinkt die Sonne zu keinem Zeitpunkt unter den Horizont, ebensowenig wie man erleben wird, daß sie im Winter über den Horizont kommt. Indes ist es doch nicht so, daß im Winter nur pechschwarze Nacht herrscht. Die Sterne gleißen nämlich in unwahrscheinlicher Helligkeit, und der kalte Silbermond wandert wochenlang über den Himmel. Zur Erhellung des Dunkels tragen auch die phantastischen Vorhänge des Polarlichtes bei, die in unirdischen Farben, schimmern. Diese Strahlenbündel kommen in Höhen zwischen achtzig und tausend Kilometern durch 3
Sonneneinflüsse zustande. Das ist erst seit knapp einem Menschenalter bekannt, aber hinter die letzten Geheimnisse um dieses geisterhafte Polarlicht ist man immer noch nicht gekommen. Vor einem Menschenalter galt die Arktis nur als feindliche, Furcht einflößende Zone. Forscher und Entdecker, die sich in den Hohen Norden wagten, setzten stets ihr Leben ein, und viele von ihnen büßten ihren Wagemut mit dem Tode. Heute freilich haben die sportgestählten Polarfahrer kaum noch etwas zu befürchten. Sie lernten, mit der arktischen Natur fertig zu werden. Die bitteren Erfahrungen der Vorgänger sind nicht ohne Nutzen geblieben; zudem stehen den heutigen Arktisexpeditionen die modernsten Hilfsmittel der Technik zur Verfügung. Es ist jedoch ein weiter, verlustreicher und enttäuschender Weg gewesen von den ersten Nordmeerfahrern bis zu den Verkehrsfliegern unserer Tage, die mit pfeilschnellen Maschinen in Minuten Strecken zurücklegen, zu denen die Polarfahrer noch vor vier Jahrzehnten ebensoviele Tage gebraucht haben.
Erster Polarfahrer — ein Nordmann Ottar von Haalogaland gilt als der erste, der in der nachchristlichen Zeit eine Fahrt in den Norden gewagt hat. Er wollte einmal sehen, was hinter dem Nordkap Europas liegen mochte, und er geriet bis an die Grenze des Treibeises. Dieser Wiking lebte in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts als Bauer und Meerfahrer an der Küste des heutigen Troms. Damals hieß dieser Teil Norwegens „Haa-Loga-Land"; das heißt „Land der hohen Flammen", weil man hier das Nordlicht beobachten kann. Ottar fühlte sich selber als der nördlichste Weiße, und das schrieb er auch an den englischen König jener Zeit, Alfred den Großen. In diesem uns überlieferten Bericht erzählt er, daß er das meist recht stürmische Nordkap mit seinen Drachenschiffen umrundet habe und daß er schließlich bis ins Weiße Meer vorgedrun-, gen sei. Vermutlich wollte Ottar von Haalogaland in diesen unbekannten Gebieten Beute machen, nicht nur in den neuen, ergier bigen Jagdgründen mit dem zahllosen arktischen Meergetier, den Walrossen, Seehunden, Walen und Eisbären, sondern auch bei den vielleicht dort wohnenden Menschen. Der erste Wunsch ging in E r 4
füllung, der zweite nicht; denn Ottar betrat nirgends das Land und bemerkte nichts von einer Besiedlung. Der Nordmann Ottar war klug genug, die Kiele seiner Flottille recht bald wieder wenden zu lassen, sobald der kurze Sommer dem Ende zuging. Er erkannte, daß es nicht ratsam war, die Sperre des treibenden Eises, in die er nördlich und östlich des Nordkaps geraten war, zu durchstoßen. Nach Ottar segelte rund hundert Jahre später ein anderer Landsmann in das arktische Meer: Erik der Rote. Er steuerte westwärs und stieß an der Südküste Grönlands ins Große Eis. Auch in diesen Breiten war das Meer ungeheuer reich an wertvollen Seesäugern, die Felle, Tran und Fleisch in Hülle und Fülle lieferten. i Was den roten Erik lockte, war die grönländische Küste, die damals noch weite Strecken eisfreien Landes und grüner WeiderJ aufwies. Da der sehr jähzornige und rauflustige Wiking aus seiner isländischen Heimat ausgewiesen worden war, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Treibeisgürtel zu durchsegeln und in Südgrönland mit seinen Gefährten und deren Familien eine Kolonie zu gründen, die mehr als drei Jahrhunderte bestanden hat. Eriks Sohn — Leif Eriksson — segelte später noch weiter. Er landete an der Nordostküste des heutigen Kanada. Deshalb gilt Leif als der eigentliche Entdecker Amerikas, obwohl ihm und seinen Gefolgsmännern wie auch später Columbus niemals klar gewesen ist, daß sie einen neuen Erdteil entdeckt hatten. Heute sind auf dem Boden jenes verschollenen kleinen Wikingcrreiches in Grönland Funk- und Radarstationen eingerichtet mit modernen Flugplätzen und langen, betonierten Startbahnen. Hier erfolgt die Zwischenlandung der großen Silbervögel, die in brausendem Flug nach Norden, Osten und Westen über die Arktis fliegen.
Der Globus wies den Weg nach Norden Nach dem verwegenen Vorstoß des Haalogaländers Ottar in das eisgefesselte Meer und nach Eriks des Roten Koloniegründung verging mehr als ein halbes Jahrtausend, ehe wieder kühne Seefahrer nach Norden aufbrachen. In dieser Zeit hatten die Entdecker schon, eine ziemlich genaue Vorstellung von der Welt des höchsten Nordens 5
und viel weiter gesteckte Ziele. Sie beabsichtigten nicht mehr undi nicht weniger, als von Europa über das Polarmeer in dJe Länder zu segeln, die auf der „anderen Seite" des Nordpols liegen mußten. Diese Arktisforscher kamen nicht zufällig auf diesen Gedanken. Als die großen Seefahrer nach der weltbewegenden Wiederentdekkung Amerikas durch Columbus im 16. und 17. Jahrhundert endgültig bewiesen hatten, daß die Erde wirklich eine Kugel sei, hatte nach allen Himmelsrichtungen die Eroberung der außereuropäischen Erdteile durch den weißen Mann begonnen.
Das Nordkap Europas — der scharfgeschnittene Bug unseres Erdteils
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So fanden die reichen Handelsherren Europas und ihre wagemutigen Seefahrer endlich auch die Seewege zu den sagenhaften Schatzländern des Fernen Ostens, nach Indien und China, die man bisher nur über die Landenge nahe der Nilmündung oder auf dem Landwege quer durch Südasien hatte erreichen können. Um in jene reichen Erdstriche zu gelangen und die durch die Türken unterbrochenen Handelsbeziehungen mit ihren Bewohnern wieder aufzunehmen und auf diese Weise den mittelmeerischen und arabischen Zwischenhandel mit seinen beträchtlichen Zwischengewinnen auszuschalten, konnte man künftig zwei Wege wählen. Der eine führte um die Südspitze Afrikas, das Kap der Guten Hoffnung, herum; auf der anderen viel weiteren Route war das sturmumtoste Kap Hoorn, die Südspitze Südamerikas, zu umfahren. Man konnte von Europa aus also südwestlichen oder südöstlichen Kurs setzen. Es waren mit den schwerfälligen hölzernen Segelschiffen des 16. und 17. Jahrhunderts unglaublich beschwerliche und lange Reisen. Fast die Hälfte des ganzen Erdumfangs mußten die Seeleute auf solchen Fahrten zurücklegen. Doch was bringt der Mensch nicht alles zustande, wenn es darum geht, Ehren und Ruhm, Reichtum und Ansehen zu gewinnen! Die Wikinger waren nur nach den Gestirnen gefahren, nach Gefühl und Erfahrung. Die Seefahrer der Neuzeit benutzten Kom-, passe, Sextanten und Seekarten, um ihre Fahrtrichtung und den jeweiligen Schiffsstandort zu bestimmen. In den Zeiten jener ersten Weltumsegier bekamen die Seekapitäne sie als großartige neue Hilfsmittel der Schiffsführung in die Hände. Aber die Seekarten reichten bald nicht mehr aus, da man feststellen mußte, daß unter der Voraussetzung der Kugelgestalt der Erde folgerichtig jede Karte ungenau sein mußte. Eine Karte kann stets nur eine ebene Fläche sein; jedes Stück Land oder Meer auf der Erde aber hat eine gewölbte Oberfläche. Der dadurch entstehende Meßfehler auf der Karte war ziemlich belanglos bei kleinen Teilstrecken; wenn man jedoch einige tausend Seemeilen weit von einem Kontinent zum anderen segeln wollte, machte sich die Wölbung der Erde recht erheblich bemerkbar. Ganz besonders, wenn es galt, die nächsten Wege zwischen sehr weit voneinander liegenden Orten auf der Erde ausfindig zu machen. Mit dieser entscheidenden Frage hatten sich nunmehr die Fern-
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Seefahrer, die Geographen und Kartenzeichner der Neuzeit zu befassen. Unter ihnen war ein Mann, der sich sagte, daß Karten allein nicht genügen könnten, wenn die ganze Welt dem Verkehr erschlossen werden sollte; man mußte die Erde im Kleinen genau so sehen, wie sie im Großen in der Wirklichkeit war. So entwarf Martin Behaim aus Nürnberg als erster eine Weltkugel in Kleinstausgabe, einen Globus, der allein die Gestalt der Erde unverzerrt wiedergeben kann. Das war um die Wende zum 16. Jahrhundert. Auf dem Globus erst erkannte man, wie die Weltteile zueinander lagen, wenn man auch über ihre Verteilung und ihre Umrisse jnl jener Zeit großenteils nur Vermutungen anstellen konnte. Was die Arktis betrifft, so ist es erstaunlich, daß Martin Behaim sie, ohne eine Ahnung von ihrem Aussehen haben zu können, immerhin ziemlich richtig auf seinen ersten Globussen angedeutet hat. Er hat nämlich um den Pol ein großes Binnenmeer eingezeichnet, das von einer Landmasse eingeschlossen wird. In großen Zügen entspricht diese Anschauung der Wirklichkeit. Es war ein Vorteil, daß diese sinnbildhafte Kleinstausgabe die Erde ohne die irreführenden Verzerrungen wiedergab, die bei jeder Karte unvermeidlich sind. Und schon bald machten die seefahrenden Eroberer der Erde und ihre mächtigen Auftraggeber, Handelsherren, Fürsten und Könige, eine Entdeckung, die dann J a h r hunderte lang die Menschheit auf der Nordhalbkugel der Erde bewegt hat; sie ist gerade in unserer Zeit wieder von größter Bedeutung geworden. Das Globusbild wies nämlich deutlich darauf hin, daß die nächsten Wege von Europa zum Stillen Ozean, zu den damals reichsten Ländern der Erde, über den Norden führten — nicht nach Osten und nicht auf den eben erst gefundenen neuem Ozeanstraßen nach Westen, sondern über die Arktis. Als eine verbindende Klammer umgeben die Nordteile der größten Kontinente der Erde — die Nordküsten Europas, Asiens und Nordamerikas — den eisbedeckten Nördlichen Ozean.
Suche nach Durchfahrten im Polarmeer Diese für das 16. Jahrhundert verblüffende Feststellung machten! sich zunächst die Engländer und die Niederländer zunutze. In jener Zeit waren Spanien und Portugal noch immer die stärksten See-l 8
mächte der Erde, und keine andere Nation sollte ihnen die Herr^ schaft zur See streitig machen. Was entdeckt war, wollten sie ganz allein besitzen und ausbeuten; was noch nicht bekannt war, dahin sollte keine andere Macht Zugang haben. Den aufkommenden jungen Seemächten des Nordens blieb also nichts weiter übrig, als ganz neue Wege in die ferne Welt zu suchen. Nur der Norden war noch unbefahren, un
Ganz nutzlos waren freilich jene Entdeckerfahrten nicht. Man konnte seit den ersten Nordpolarexpeditionen zu Beginn des 16. Jahrhunderts viele weiße Flecken auf den Karten der Arktis tilgen; neue Küsten, Länder und Inseln wurden entdeckt und kartographisch erfaßt. Auch Schätze traten zutage. Zwar nicht Gold, Silber, Eisenerz und Edelstein, hinter denen die Abenteurer jener Zeit in erster Linie her waren; man stieß auf einen sagenhaften Reichtum an wertvollen Meertieren. Es waren die Riesenherden der gewaltigen Grönlandwale vor den Küsten Spitzbergens und Grönlands, die fast einhundertfünfzig Jahre lang gejagt wurden, bis zuletzt fast kaum eines dieser größten Säugetiere der Erde übrigblieb. Der Grönlandwal ist etwa fast doppelt so schwer wie die heute gejagten größten Wale der Südpolarwelt. Genau ein Jahrtausend nach Ottar, dem ersten Polarfahrer, gelang endlich die erste Durchfahrt durch das Polareis von einem Ozean zum andern. Im Jahre 1878/79 erkämpfte sich die mit Segeln und einer Dampfmaschine betriebene „Vega" des Schweden A. E. von Nordenskjöld bei einer Überwinterung die Nordost-Passage, den Seeweg längs der Eismeerküsten Europas und Sibiriens. Heute gelingt es den Russen, mit Hilfe gewaltiger Stahleisbrecher, mit Flugzeugen, Helikoptern und Funkeismeldestationen, diese Nordost-Durchfahrt in jedem Sommer zweieinhalb Monate lang mit normalen Frachtern zu befahren. i Den Weg vom Atlantik zum Stillen Ozean an den Eismeerküsten Nordamerikas entlang — die Nordwest-Passage — erzwang als erster 25 Jahre später (1903/0) ein anderer skandinavischer Polarheld, der Norweger Roald Amundsen. Diese Nordwest-Durchfahrt werden die Kanadier aber wohl kaum je als alljährlichen Sommerseeweg benutzen können wie drüben die Russen ihre „sibirische" Passage; denn die Eishindernisse sind in der amerikanischen Arktis fast unüberwindlich.
Flugzeuge und Luftschiffe über dem Nordpolarmeer Nach seinem Sieg über die Eisbarrieren der Nordwest-Passage hatte die Welt den modernen Wikinger Roald Amundsen mit Recht als einen der größten Polarhelden gefeiert. Sein Ruhm stieg ins Ungemessene, als er in schneller Hundeschlittenfahrt auch als der 10
Itiesiee Treibeis-Felder liedecken (las Polarmeer
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erste den Südpol erreichte. Jetzt lockte ihn ein neues kühnes Ziel. Kaum hatten sich vor dem ersten Weltkrieg die ersten Luftschiffe und Flugzeuge in die Lüfte erhoben und sich kraft ihrer Motoren dort halten und gewisse Strecken zurücklegen können, als der große Nordmann daran ging, sie in der Polarforschung einzusetzen. Bis dahin hatten sich die Polarfahrer unter unmenschlichen Mühen mit Schlitten oder mit unzulänglichen Schiffen durch die Eiswüsten kämpfen müssen. Nun sollten nach Amundsens Idee Luftfahrzeuge die Expeditionen mühelos über riesige, noch völlig unbekannte Zonen tragen. Der Pol war nun erneut — aus der Luft — zu erobern. Amundsens Plan stand fest, als er 1913 zum ersten Male in Deutschland ein Flugzeug starten und fliegen sah. „Da stand ich n u n " , schrieb er nach diesem für ihn eindrucksvollen Erlebnis, „und sagte mir, in noch guter Erinnerung an die langen Schlittenreisen im Südpolargebiet, daß eine solche Maschine der Luft in nur einer einzigen Stunde Strecken zurücklegen kann, die bei Expeditionen in den Polarzonen tagelange schwere Strapazen kosten müßten." Ehe der Norweger seinen Gedanken verwirklichen konnte, brach der erste Weltkrieg über die Menschheit herein. Trotz der Furchtbarkeit des Völkerringens brachten diese Jahre der Arktisforschung doch einen entscheidenden Gewinn; denn die Luftfahrt entwickelte sich im Verlaufe des Kriegsgeschehens zu immer größerer betriebstechnischen Sicherheit und Reichweite. Schon bald nach Kriegsende begann Amundsen erneut mit den Vorbereitungen. Für 1922 war der erste Flug geplant. Mit dem norwegischen Flieger Omdal wollte der Nordmann von Nord-Alaska aus in einer deutschen Junkers-Ganzmetall-Eindeckermaschine das Polarmeer kreuzen und Grönland oder Spitzbergen ansteuern. Aber es kam nicht zum Start, auch im darauffolgenden Sommer nicht. Sie hatten Pech mit ihrer Maschine. Der Motor funktionierte nicht, das Fahr werk hielt nicht stand; auch das Wetter machte einen Strich durch alle Berechnungen. Um jene Zeit gab es noch keine einzige weitreichende Funkwetterwarte in der Zentralarktis, auf deren Vorhersage man sich hätte verlassen können. Trotz allem Wagemut war Amundsen nicht tollkühn. Wenn er sah, daß seine
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Chance gering, daß die Voraussetzungen zu einem guten Gelingen nicht gegeben waren, so ließ er von seinem Vorhaben ab. Erst 1925 konnte Amundsen seinen Gedanken, mit Flugzeugen den Pol zu erobern, verwirklichen. Zwei deutsche Dornier-WalFlugboote trugen ihn und fünf Begleiter über das Nordpolarmeer polwärts. Aber man mußte 250 Kilometer vor dem Ziel notlanden. Schließlich kamen die Flieger nach wochenlangen verzweifelten Anstrengungen, während die Welt sie fast aufgegeben hatte, mit einer Maschine nach Spitzbergen, ihren Ausgangsort, wieder zurück. Doch Amundsen war zäh. Schon im folgenden Jahre fuhr er mit einem Luftschiff in den Hohen Norden. Von Ny Aalesund im Kongsf jord auf Spitzbergen waren es rund 1200 Kilometer bis zum Pol, weitere 2000 bis zur Nordküste der Neuen Welt, nach Alaska. Das war das Ziel der Arktis-Luftfahrer. Das kleine Luftschiff, das Amundsen gewählt hatte, war die „ N o r g e " (Norwegen), es war 120 Meter lang und hatte drei Motoren zu je 250 PS. Man konnte, günstige Windverhältnisse vorausgesetzt, eine Reisegeschwindigkeit von etwa 80 Kilometer in der Stunde erreichen. Im April 1926 trafen sich die Teilnehmer der Polarfahrt in Ny Aalesund. ( Nie zuvor hatte diese nördlichste Kohlenbergwerksstadt der Erde so viele Menschen und Schiffe gesehen. Außer den Norwegern und dem Personal der Amundsen-Luftschiff-Expedition war eine Gruppe Amerikaner gekommen. Richard Evelyn Byrd hieß ihr Leiter; es war der später berühmt gewordene Admiral und erfolgreichste Polarforscher der Luft. Byrd wollte erreichen, was dem Norweger im Jahre zuvor mißlungen war. Amundsen aber hatte inzwischen seine Ziele viel wei^ ter gesteckt: er beabsichtigte einen Ohnehaltflug über den Pol zum nordamerikanischen Festland. Ebensosehr lag ihm an der Durchführung von bestimmten Forschungsaufgaben. Niemand hatte zuvor diese Einöde des Ewigen Eises mit eigenen Augen gesehen. Wie bedeutungsvoll, wenn in diesen Zonen noch neues Land zu entdekken und zu vermessen wäre — aus der Vogelschau! Byrd und sein Pilot Bennett starteten vor der „Norge" und umflogen als erste die Nordachse der Welt. Was Byrd am Pol sah und empfand, hat er in seinem Bordtagebuch niedergelegt: „9. Mai 1926, 9 Uhr 2 Minuten. Unsere Berechnung ergab, daß
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wir uns unmittelbar über dem Pol befinden mußten. Der Traum meines Lebens ist in Erfüllung gegangen. Wir steuerten nach rechts, um zur Bestätigung zwei Sonnenmessungen zu machen, und darauf nach links. Mit meiner Kamera schoß ich zwei Aufnahmen und drehte dann einen Kreis, um den Pol auch ganz sicher einzufangen. Dabei vollendeten wir in wenigen Minuten einen ganzen Flug um die Erde. Wir verloren einen Tag und gewannen ihn gleich darauf wieder. i Alles steht hier auf dem Kopf. In gerader Linie über den Scheitel des Pols fliegt man erst nordwärts und gleich südwärts. Oben auf dem Pol bläst jeder Wind gen Süden: und wohin man auch blickt, es ist überall Süden. Von diesem Kreiselpunkt aus mußten wir nun Spitzbergen fassen, die kleine Insel, die irgendwo, südlich von uns lag. Zwei kitzlige Fragen tauchten auf. Befanden, wir uns tatsächlich dort, wo wir zu sein glaubten? Wenn nicht, dann würden wir Spitzbergen verfehlen. Und angenommen, unser Kurs stand richtig, wie lange würde unser Motor noch laufen? Wir umkreisten das Haupt der Welt, und unter uns dehnte sich das ewig gefrorene Meer. Zackige Eisrippen bezeichneten die Ränder seiner mächtigen Bruchschollen. Daraus konnte man auf diej Bewegung des Meeres fern von jedem Land schließen. Hier unid da sah man eine mit Jungeis überzogene Rinne, die grünblau injmitten des schneeigen Weiß aufleuchtete. Um 9 Uhr 15 Minuten nahmen wir Kurs auf Spitzbergen . . . " Fünfzehn und eine halbe Stunde hatte sich die einmotorige Fokkermaschine ununterbrochen in der Luft gehalten. Der Nordpol war nunmehr auch durch ein Flugzeug erobert. Ein Amerikaner war der Glückliche; siebzehn Jahre vorher hatte ein anderer Amerikaner, Robert Peary, ihn auf einer Hundeschlittenfahrt erreicht. Zwei Tage später gab Amundsen das Signal zum Start — nordwärts, polwärts. Anders als beim Sturm der beiden Dornier-Wale auf den Pol im Sommer zuvor verfügte das Luftschiff „ N o r g e " über eine Bord-Funkstation. Sie hielt laufend die Verbindung mit den Erdstationen im weiten Rund um den Pol aufrecht, empfing Wetternachrichten und sandte Berichte vom Fahrtverlauf in die Welt, die aufs höchste gespannt an den Empfangsgeräten lauschte. 16 Stunden und 30 Minuten glatter Fahrt brauchte das silbergleißende Luftschiff bis zum Pol. Der Zeiger des Bord-Chrono14
meters stand auf genau 1 Uhr 25 Minuten. Der Kalender izeigte den 12. Mai 1926, als der Scheitelpunkt der Erde unter dem Luftschiffern lag. Nun ging der Kurs südwärts, nicht zum Startplatz der Polarexpedition zurück; zum ersten Male in der Geschichte der Arktisfahrten flogen Menschen in Richtung auf die Neue Welt, hinüber nach Nordostamerika. Von den insgesamt 3200 Kilometern der Strecke Spitzbergen— Nordpol—Point Barrow in Alaska lagen vom Pol aus noch 2000 vor der „Norge". Würden die Motoren durchhalten, würde der Himmel den kühnen Luftschiffern gnädig sein und gutes Wetter bescheren? Es war der 13. Mai, 6 Uhr 45 Minuten. Der norwegische Flugkapitän Riiser-Larsen, der später als Polarflieger noch große Verdienste erwerben sollte, stand als Steuermann in der Buggondel, als die sehnlichst erwartete Küste Amerikas vor ihnen auftauchte. Es war zwar ein sehr öder Landstrich, aber wer könnte nicht nachfühlen, wie glücklich die ersten Transarktisflieger waren, als sie endlich im wogenden Nebel des Festlandes ansichtig wurden! Die wagemutigen Luftfahrer fielen sich in die Arme; nun hatten sie die Gewißheit: das Arktische Zentralmeer war zum ersten Male überflogen, war der Luftfahrt keineswegs verschlossen. 46 Stunden und zwanzig Minuten waren sie ununterbrochen geflogen. In einer einzigen glückhaften Fahrt hatte das kleine Luftschiff erstmals die arktische Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt geschlagen. Die Luftfahrer hatten im Durchschnitt 69 Kilometer in der Stunde zurückgelegt — eine heute bescheiden erscheinende Geschwindigkeit, wenn man bedenkt, daß die großen Verkehrsflugzeuge unserer Tage mindestens sieben- bis achtmal so schnell fliegen und für die gleiche Strecke nicht einmal sechseinhalb Stunden benötigen! Um so höher ist die Leistung der kühnen ersten TransarktisLuftfahrer zu bewerten. Ihre Fahrt wurde zu einem Ereignis von entscheidender Bedeutung in der Geschichte der Eroberung des polaren Nordens. Roald Amundsen und seine Gefährten hatten der Welt bewiesen, daß Luftlinien über die eisumgürtete Nordkappe der Erde keine Hirngespinste waren. Der alte Wunschtraum der Nordpassagensucher, deren erste dreieinhalb Jahrhunderte zuvor ausgezogen waren, um die nächsten 15
Das falsche Bild der Karten nadi der „Mercatoc-ProjekÜoa"
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Wege zwischen den größten Festländern der Erde zu entdecken, war endlich in Erfüllung gegangen. Der große Polarheld des Nordens, den k « n Mißgeschick, keine bittere Enttäuschung von dem Ziel, das er vor sich sah, hatte abbringen können, war zum Wegbereiter für die transarktischen Fernluftlinien geworden. Vilhjalmar Stefansson, der amerikanische Polarforscher isländischer Abstammung, drückte damals sehr treffend aus, daß nunmehr der Erde ein ganz neues Gesicht aufgeprägt worden sei: „Durch die Fahrt der ,Norge' ist die Arktis zum ersten Male zu einer Durchgangsstraße geworden. Die Erde wurde kleiner, und weit auscinonderliegende Länder entdeckten plötzlich, daß sie nahe Nachbarn waren. Vor Magellan, dem berühmten Portugiesen, der zum ersten Male nach Westen segelnd die Südspitze Amerikas umschiffte und auf diesem Wege in den Stillen Ozean gelangte, war eigentlich die Erde noch eine Fläche; denn nach Asien konnte man von Europa jnur gelangen, indem man ostwärts über die Meere reiste. Nach Magellan nahm die Erde gleichsam die Form eines Zylinders an, denn nun konnte einer nach Asien kommen, indem er ostwärts und westwärts fuhr. Nach der Tat der Luftfahrer Amundsen, Nobile und Ellsworth aber kam endlich die Kugelgestalt der Erde zur Geltung. Denn nunmehr war es bewiesen, daß man nicht nur über den Westen und den Osten, sondern auch über den Norden nach Fernost reisen kann."
Das Geheimnis der „schnellsten Luftstraßen" Bevor die ersten Polluftschiffer und Polflieger ihre Routen über die Arktis festlegten, nach denen sie ihre Ziele anfliegen mußten, nahmen sie sich den Globus vor. Nicht die Karte, weil deren Angaben und Maße, je näher die eingezeichneten Erdteile den Polen liegen, immer ungenauer werden müssen. Fast alle Karten gehen auf den Entwurf des berühmten Kartenzeichners und Karten Verlegers Gerhard Kremer zurück. Er nannte sich, seinen Namen Kremer ins Lateinische übersetzend, Mercator; seine Karten werden daher „Mercator"-Projektionen genannt. Der erste Entwurf Kremers, der 1569 herausgegeben wurde, gilt auch heute noch in seinen Grundzügen für unsere Landkarten. 17
Bei diesen „Projektionen" werden Stücke der Kugelfläche des Erdballs in eine Ebene verlegt („projiziert"). Der Erdball aber ist gewölbt, nicht ebenflächig. Große Fehler sind unvermeidlich. Die Verzerrungen, die auf diese Weise entstehen, werden für die Zonen um die Pole der Erde geradezu grotesk. Man prüfe nur einmal die Weltkarte Seite 16, wie sie ähnlich in den amtlichen Dienststellen und bei den Luftverkehrsgesellschaften zu finden ist. Der Nordpol, der nach unserer Kenntnis ein Punkt ist, erscheint auf der „Mercator"-Karte als eine Linie, die über die ganze Blattbreite geht! Das hätte nichts weiter zu bedeuten, wenn die Polargebiete noch immer außerhalb des Weltverkehrs lägen und für die Menschheit uninteressant wären. Das ist heute im Zeitalter des immer schneller werdenden Luftverkehrs aber nicht mehr der Fall. Nicht minder verzerrt wie der Nordpol ist auf unserer Karte auch die arktische Insel Grönland. Obwohl Grönland die größte Insel der Erde ist, bleibt sie weit hinter dem Erdteil Afrika zurück. Man könnte Grönland gut 13mal im schwarzen Kontinent verschwinden lassen. Die Weltkarte zeigt nun nicht nur den Pol als Linie von genau gleicher Länge wie der Äquator, auf ihr ist auch die Insel Grönland in genau gleicher Größe dargestellt wie Afrika. Südamerika ist auf unserer Weltkarte sogar kleiner als die Nordpolarinsel. Vergleicht man die wirklichen Größen, so stellt man staunend fest, daß Südamerika Gröiiland rund achtmal in seinem Kaum aufgehen lassen könnte. Der Globus beseitigt all diese Fehlerquellen; er allein zeigt die wahren Verhältnisse. Auch bei den Weltverkehrsstraßen zur See täuscht uns die W e l t karte in der Mercator-Projektion. Als nächsten Weg von Hamburg nach Tokio zeigt sie den Schiffen die Route Mittelmeer—Suezkanal—Colombo—Singapore—Hongkong an. Der Globus aber weist einen anderen Kurs auf, den Weg entlang den Eismeerküsten Europas und Sibiriens: die Nordost-Passage. Diese Route ist nur etwa halb so lang. Leider ist sie nur knapp drei Sommermonate, und auch dann nur unter Schwierigkeiten und erheblichen Gefahren zu benutzen. Für die Luftfahrzeuge aber gibt es diese Schwierigkeiten nicht. Die Planer der großen Weltluftverkehrsgesellschaften haben die Karten längst gegen den Globus ausgetauscht. Auf der Nachbildung 18
der Erdkugel allein finden sie die schnellsten Wege, um durch Verkürzung der Flugstrecken an Zeit und Geld einzusparen. Wie leicht sind diese absolut schnellsten Straßen zu finden, wenn man nur das „Geheimnis" kennt! Dabei gibt schon ein ganz einfacher Bindfaden Aufschluß. Ein Ende legt man zum Beispiel auf New York. Dann wird der Faden nach Peking gespannt. Auf der zur Zeit meist beflogenen Strecke dorthin könnte man eigentlich ebensogut nach Westen wie nach Osten fliegen. Die Entfernung ist in beiden Richtungen ungefähr gleich weit. Aber weder der westliche noch der östliche Kurs sind die kürzesten Routen; viel näher ist der Flugweg nach Peking quer über die Arktis. Er führt fast genau über den Pol. Wenn wir unsern Meßfaden einmal über diesen Nordkurs spannen, werden wir überrascht bemerken, daß uns ein hübsches Stück Bindfaden übrig bleibt. Wenn man es nachrechnet, kommen gut dreitausend KiIo~ meter an ersparter Strecke heraus. Bei den heute üblichen Reisegeschwindigkeiten wären das mindestens sechs Flugstunden. Man
Dag Globusbild zeigt deutlich die kürzesten Arktisstraßen 19
kann verstehen, daß die großen Fluggesellschaften mit aller Energie daran gegangen sind, sich diesen Vorteil zunutze zu machen. J e doch führen nicht alle Fluglinien zwischen den Großflughäfen der Nordhälfte über den Pol; aber viele würden, über die Nordpolarwelt gelegt, die nächsten sein. Selbst die über das Polarmeer führende Luftlinie Moskau—San Franzisko ist 2000 Kilometer kürzer als die Route über den Nordatlantik, die rund 12000 Kilometer beträgt. Der Flugweg Tokio— New York in Ostrichtung über Hawaii—San Franzisko ist mit 13800 Kilometern anscheinend die kürzeste Verbindung. Sie folgt fast dem gleichen Breitengrad. Fliegt man von Toldo nach Westen über Sibirien—Moskau—Irland—Neufundland nach New York, so errechnet sich der Luftweg zu 16400 Kilometern. Und wie ist es mit der Luftlinie auf dem „Großkreis" über die Arktis, der über Jakutsk (Nordost-Sibirien)—Grant-Land (Kanadische Arktische Inselwelt) und Kap Chidley hinweggeht? Der Globus lehrt, daß sie mit 11900 Kilometern um fast 2000 Kilometer kürzer ist als die anscheinend schnellste Breitenkreisroute nach Osten und um mehr als das doppelte, nämlich 4500 Kilometer, kürzer als die Westlinie! Das sind nur zwei Beispiele, aber sie lassen sich auf viele Städteverbindungen der Erde anwenden.
Das eigentliche Mittelmeer der Erde Wenn man den Globus, die „Weltkugel im kleinen", genau betrachtet, wird man noch etwas anderes entdecken, was begreiflich macht, warum eine ganze Reihe der wichtigsten Luftstraßen der Zukunft über die Arktis führen müßten. Auf der Nordhalbkugel liegen die meisten und größten Städte der Welt, die wichtigsten Mittelpunkte der bedeutendsten Staaten, der mächtigsten Industrien, des dichtesten Verkehrsnetzes. Der fleißigste Teil der Menschheit, die meisten Erdbewohner überhaupt, wohnen nördlich des Äquators. Die meistbefahrenen Seewege und Autostraßen, die am dichtesten beflogenen Luftverkehrsstraßen finden wir daher in den mittleren und nördlichen Teilen der größten Kontinente. Es sind Eurasien — Europa mit dem ihm fest verbundenen Erdteil Asien — und Nordamerika. Die Liste der Städte mit über einer Million Einwohnern zeigt, daß nur acht auf der 20
südlichen Erdhälfte zu finden sind. Von den übrigen liegen mehr als fünfunddreißig der Arktis näher als dem Äquator. Zu diesen gehören zum Beispiel Moskau und San Franzisko, Paris und Peking, London und Tokio, Hamburg und Montreal, Berlin und Vancouver. Schauen wir uns den Globus einmal von oben, von 'der Arktis her, an, so erscheint uns das von ewigem Treibeis bedeckte Nördliche Eismeer, das von den gewaltigen Festlandmassen der größten Kontinente gleichsam umklammert wird, als das wahre „Mittelmeer der Erde". Das hatte bereits Martin Behaim geahnt, als er die vermutlichen Meeres- und Festlandsgrenzen der Nordpolzonen auf seinen Globus einzeichnete; das war auch den Suchern und Entdeckern der Nordost -und Nordwest-Passage klar geworden. Diese Erkenntnis klar bewiesen zu haben aber ist das Verdienst der kühnen polaren Flugpioniere. In unseren Tagen erst wird sie mit Hilfe der modernsten Hilfsmittel der Technik verwirklicht.
Wetterfunker um den Pol „Hallo, hallo! Hier Jan Mayen-Radiol Hallo, hallo! Hier Jan Mayen-Radio! An Zentrale Tromsö . . ." Der Wetterfunker des norwegischen Postens Jan Mayen im Nördlichen Eismeer ruft mit diesem Funkspruch die Wetterzentrale Tromsö in Nordnorwegen. Es ist der Zeitpunkt, zu dem er seinen Bericht zu senden hat. „Hallo, hallo! Hier antwortet Wetterdienst für Nordnorwegen! Hallo, hallo! Jan Mayen — ich höre . . ." Die Verbindung ist hergestellt. Der Jan Mayen-Funker gibt funktelefonisch seine Meldung durch: „Wetter für Gegend um Jan Mayen — 12. Mai, 20 Uhr — Nordostwind, drehend nach Nord, auf Sturm zunehmend — Temperatur minus fünf Grad Celsius — Schneetreiben — Barometerstand siebenhundertdreiundvierzig Millimeter — keine Sicht — Meldung gilt für die nächsten drei Stunden . . . " • Dieser Funkspruch aber bedeutet Sturm. Unmittelbar darauf melden sich die anderen norwegischen Stationen: zwei hoch oben aus Spitzbergen, eine von der Bären-Insel zwischen dem europäischen Nordkap und Spitzbergen; zwei von 21
der ostgrönländischen Küste. Ihre Berichte deuten ebenfalls auf schlechtes Wetter; aber sie liegen nicht im Mittelpunkt des aufkommenden Sturmes. Sturmzentrum ist meist das kleine Eiland Jan Mayen, das wegen seiner rasenden Orkane berüchtigt ist. Zwischen Jan Mayen und der norwegischen Küste zieht der warme Golfstrom nordwärts in die Arktis. Vom Nordpol kommen ihm riesige kalte Eismassen entgegen, zwängen sich zwischen Ostgrönland und Spitzbergen durch und ziehen dann zwischen Jan Mayen und Grönland an dessen Küste südwärts. So mischen sich gerade unter „ J a n " Warm und Kalt beständig miteinander. Daher gibt es hier besonders viel Nebel und Sturm. Der Wetterdienst Nordnorwegen in Tromsö sichtet die eingegangenen Meldungen und gibt das Ergebnis kaum eine Stunde später
:a-Ö, eine dänische Funkwetterwarte und wissenschaftliches Observatorium im Norden der sehr schwer zugänglichen Ostküste Grönlands
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durch Funk weiter. Viele Länder haben größtes Interesse daran, daß die einsamen „Wettermacher" auf den weltfernen Stationen in der Zentralarktis ihren schweren Dienst tagaus, tagein tun. Alle drei Stunden geben sie ihre Beobachtungsergebnisse durch Funk an ihre Zentralen, die oft ein paar tausend Kilometer südlicher liegen. Der Dienst auf diesen Stationen ist mühevoll und dauert ohne Ablösung meist ein ganzes Jahr. Am schwersten jedoch haben es die Männer auf Jan Mayen. Die Norweger nennen dieses Orkaneiland die „Teufelsinsel". Heute wissen wir, daß der ungeheure Kältespeicher Arktis das Wetter auf der Nordhalbkugel der Erde fast ausschließlich bestimmt. In Deutschland wären zum Beispiel Wettervoraussagen kaum möglich, wenn nicht die nördlichsten Wetterfunker der Welt auf Posten ständen. Zwischen dem Wetter in der Arktis und den Witterungsverhältnissen in den anschließenden Zonen bestehen also enge Wechselbeziehungen. Für den nördlichen Luftverkehr, besonders für die Fluglinien, die über die Nordpolarwelt führen, braucht man aber ein noch dichteres und polnäheres Netz von Funkwetterwarten. Leider gibt es mitten im arktischen Ozean nur Wasser und Eis, aber kein Land. Die nördlichsten Küsten und Inseln sind mindestens 650, 700 und 900 Kilometer vom Pol entfernt. Die „Nachb a r n " des Pols, die Großstaaten Rußland, USA und Kanada haben sich jedoch zu helfen gewußt. Sie richteten vor ern paar Jahren neben ständig unterhaltenen, aus der Luft eingerichteten und versorgten Funkstationen an den nördlichsten Küsten auch Forschungsstellen auf dem treibenden Eise ein. Flieger fanden gewaltige Gletschereisinseln, die zur Aufnahme schwimmender Stationen wie geschaffen sind. Manche der Eisinseln sind sechzig Meter dick und so groß, daß man eine mittlere Stadt darauf unterbringen könnte. Der arktische Funkwetterdienst ist noch recht jung. Im Jahre 1911 haben die Norweger die erste Station auf Spitzbergen eingerichtet. Jan Mayen sendet seit 1921. Zur gleichen Zeit begannen} auch die Russen, längs des „Sibirischen Seeweges" ständige Wetterfunkwarten auszubauen. Die Zahl ihrer Stationen soll zweihundert übersteigen. Die nördlichsten sind auf Treibeisfeldern eingerichtet. 23
Drüben auf der anderen Seite des Pols sind Kanada und die Vereinigten Staaten mit Alaska seit dem letzten Kriege bestrebt, das Netz von Stationen in ihren Polarzonen weiter auszudehnen. Die Amerikaner senden „Wetterflieger" in Gebiete, in denen noch keine Dauerstationen eingerichtet sind. „Fliegende Festungen", zu Laboratorien und Beobachtungsstationen ausgebaut, legen seit sechs Jahren mehrmals in der Woche zu Wetterbeobachtungen die Strecke Fairbanks—Alaska—Nordpol—Fairbanks zurück. Das sind rund 5000 Kilometer, wozu sie etwa vierzehn Stunden benötigen. Diese riesigen Viermotorigen fliegen „blind", nach Funkortungsgeräten. Alle halben Stunden funken sie ihre Meldungen — Luftdruck, Feuchtigkeitsgehalt, Temperatur, Windrichtung und Windgeschwindigkeit, Beschaffenheit und Verteilung der Wolken, Beobachtungen über das Meer und das Eis, seine Beschaffenheit und Driftrichtung — an ihre Flugplatzzentrale nach Alaska. Bald danach gehen sie ausgewertet durch Funk weiter in die ganze Welt. In einem regelmäßigen Flugverkehr auf den „schnellsten Straßen", von denen viele über den Norden der Erde führen müssen, braucht man diese dauernd unterhaltenen Stationen für die Wetter-Funkmeldungen und die Funk-Ortung. Ihre Besatzungen haben es weit besser als die ersten Wetterfunker, die vor fünfunddreißig Jahren in der Arktis eingesetzt wurden. Gegenüber den heutigen Zuständen lebten jene unter geradezu armseligen Verhältnissen; selbst ihre Geräte erscheinen primitiv, gemessen an der Ausrüstung, mit der heute die Posten im Norden ausgestattet sind. In den modernen, ölgeheizten, behaglich eingerichteten Heimen, die dem wildesten Orkan trotzen, verliert selbst die Einsamkeit des Winters ihre Unerträglichkeit. Größere Stationen haben sogar einen Arzt. Es gibt heute keinen Posten mehr, der nicht auf dem Luftwege — für Flugzeuge oder Helikopter — fast jederzeit erreichbar wäre. Viele der in den letzten Jahren errichteten Stationen, z. B. die kanadischen und amerikanischen, haben ausgedehnte feste Startbahnen, die auch für Düsenflugzeuge genügen, und tief in der ewig gefrorenen Erde liegende Hangars.
„Arktis-Tank" — genau am Nordpol Für das sichere Geleiten der Verkehrsflugzeuge auf den transarktischen Linien der Zukunft, die mitten über das zentrale Mee24
resbecken führen, haben sich die Fachleute eine ideale Einrichtung ausgedacht. Weil die bisher bestehenden Stationen meist auf dem festen Land und infolgedessen weit entfernt sind und die driftenden Stationen ihren Standort ständig verändern, braucht mau Stützpunkte, die im Eismeer selbst, aber an genau bestimmten Punkten stehen. So tauchte das Projekt des „Arktis-Tanks" auf,1 der das feste Land und die Inseln ersetzen könnte, die im zentralen Eismeer fehlen. Die Techniker glauben, daß ein derartiges Fahrzeug zu bauen ist, die Polarsachverständigen halten es für ein großartiges Hilfsmittel der Flugzeugführung über den Wüsten des Ewigen Eises. Ein derartiger ,,Arktis-Tank" müßte folgende Eigenschaften und Einrichtungen aufweisen: Fahrten auf Land, Schnee, Eis und sehr unebenem Gelände (durch Kaupenketten) Gleiten durchs Wasser (schwimmfähig durch Schiffsschrauben) „Klettern" vom Wasser aufs Eis (durch besondere Heckund Bugform, durch Eisanker, Winden und Trossen) Funk-, -Sprech- und Radar-Station von größter Reichweite Raum für wissenschaftliche Beobachtungsstation (vor allem Wetterwarte) Behagliche Unterkunft für die Besatzung (drei bis sechs Mann) Einrichtungen zur weitgehenden Hilfeleistung bei Flugzeugunglücken Ausrüstung, Proviant, Brennstoff für mindestens ein halbes Jahr Versorgung, Ablösung der Besatzung muß aus der Luft erfolgen (Flugzeuge, Helikopter, sobald Station ihren Standort einmal erreicht hat). Ein derartiger „Arktis-Tank" muß dann stets genau auf der gleichen, ihm zugewiesenen Stelle (bestimmt durch Längen- und Breitengrad) bleiben. Das ist die größte Schwierigkeit, weil eine feste Verankerung — wegen der Tiefe des Meeres, die am Nordpol 3700 Meter beträgt, und wegen der ständig treibenden Eismassen 25
— nicht möglich ist. Daher müßte eine solche Station beständig ihren Standort korrigieren, um an dem ihr zugewiesenen geographischen Punkt zu verharren. Geradezu ideal wäre es, wenn genau am Geographischen Pol eine derartige fahrbare Station stünde und als „Luftkreuzungspunkt" den Flugverkehr durch Funkleitstrahlen sicher auf die vorgesehenen Routen einweisen und die einzelnen Flugzeuge sozusagen zur nächsten Station „weiterreichen" würde. Eine Utopie? Keineswegs! Es ist lediglich eine Frage des guten Zusammenarbeiten und des guten Willens der Nachbarstaaten des Nordpols!
Skandinavier — allen voran Zwar ist die russische Arktis jeglichem Luftverkehr aus dem nichtrussischen Teil der Welt vorerst noch verschlossen, aber die nordeuropäische Fluggesellschaft S A S (Scandinavian Airlines System) hat im Jahre 1952 angefangen, Versuchsflüge auf der Strecke Kopenhagen—Arktis—West-USA durchzuführen. Diese Linie berührt kein russisches Gebiet. Die erste Maschine für den Zivilluftverkehr flog am 15. November 1954 von Kopenhagen nach Norden. Die Route geht über den Flughafen Söndre Strömfjord (Südwestgrönland)—Winnipeg (Mittelwest-Kanada)—Los Angeles (Kalifornien). Während man auf der bisher stets beflogenen Linie über den Nordatlantik 31 reine Flugstunden brauchte, spart man auf der transpolaren sieben Stunden (und rund 3000 Kilometer Flugstrecke). Die SAS richtete im Sommer 1955 eine weitere Arktislinie ein *— zum Fernen Osten. Sie führt von Kopenhagen über Bodo (Nordnorwegen)—Nordgrönland—Alaska—Aleuten nach Tokio. Bisher flog man von Kopenhagen, um nach Tokio zu gelangen, über Rom unjd Bangkok in Thailand; der Flug nahm 42 Stunden in Anspruch. Auf der transarktischen Linie spart man genau 12 Stunden. Auch andere Nationen wollen nicht nachstehen. Die größte kanadische Fluggesellschaft „Canadian Pacific Airlines" hat am 12. April 1955 ihren Passagierdienst auf der transpolaren Linie Vancouver (Britisch Columbia/Kanada)—Grönland—Island—London eröffnet. Man spart hier etwa fünf Stunden gegenüber der Flugzeit auf der bisher beflogenen Strecke. 26
Magnetkompaß unbrauchbar Die ersten Polarflieger zerbrachen sich den Kopf darüber, wie sie in der Arktis Flugzeuge und Luftschiffe sicher ihren Zielen zusteuern sollten. Auf den Magnetkompaß ist nämlich in diesen Bereichen kein Verlaß mehr. Je weiter man nach Norden kommt, um so stärker weicht die Magnetnadel ab, weil hier der Geographische Pol, auf Globus und Karte der Nordachspunkt der Erde, in eine immer ungünstigere Lage zum Magnetischen Nordpol gerät, nach dem die Magnetnadel sich ausrichtet. Die 1800 Kilometer, die beide Pole auseinanderhegen und die in mittleren Breiten kaum ins Gewicht fallen, sind in Polnähe völlig verwirrend. Zudem haben Beobachtungen ergeben, daß der Magnetische Pol dauernd wandert. Der Ort des Geographischen Nordpols ist deshalb auf Polarreisen kaum noch einwandfrei zu ermitteln. Die Polarpiloten der Pionierflüge haben sich mit dem „Sonnenkompaß" zu helfen gesucht. Wenn aber die Sonne oder die Gestirne, die man anpeilt, um den eigenen Standort zu bestimmen, nicht zu sehen sind, ist auch dieses Gerät nutzlos. Kein Wunder, daß es oft reine Glückssache war, wenn die Polarluftfahrer durch Stürme und Nebel ihre Ziele richtig erreichten. Auch deshalb sind die immer zahlreicher werdenden Funkwetterwarten und Funkortungsstationen nicht mehr zu entbehren. Sie verfügen heute über vorzügliche, meist genau arbeitende Geräte, die dem Flieger durch Funkwellen und Funkgespräche die Richtung weisen, ohne daß er das geringste zu sehen braucht: er wird wie durch eine Schneise sicher geleitet. Aber auch dieses Ortungssystem ist nicht immer einsatzbereit. Denn das sonst so schöne\ Nordlicht stört den Funkverkehr zuweilen ganz erheblich. Flugschwierigkeiten kann in der Arktis, im Luftmeer über diesem Kältespeicher, auch das Wetter bereiten. Man weiß, daß das Luftschiff „ I t a l i a " des Generals Nobile 1928 nördlich von Spitzbergen auf einem Polflug verunglückte, weil sich auf seiner, Bespannungsflächen Eis gebildet hatte. Zusätzliche Eislasten sind sehr gefährlich und können zu Abstürzen führen. Die „ I t a l i a " ist nicht das einzige Luftfahrzeug, dessen Untergang auf das Konto 27
dieser Vereisung zu setzen ist. Aber man kann ihr heute unschwer entgehen. Vereisung tritt dann ein, wenn es bei Nebel oder feuchter Luft zu frieren beginnt. Es gibt bereits Einrichtungen, durch die der Eisansatz schon im Entstehen beseitigt werden kann. Heute weiß man dank der regelmäßigen Meldungen der Dauerfunkstationen, daß die Wolken und damit die Vereisungsgefahr in hochnördlichen Gebieten seltener sind als in südlicheren Zonen, seltener auch als über dem Nordatlantik, über den die heute meistbeflogenen Linien gehen. Der dunkle Himmel über der Arktis ist besonders im Winter klar und rein. Der Nebel und die Vereisung über den größeren Stellen mit offenem Wasser oder über den Randmeeren stört heute die Maschinen nicht mehr. Sie ziehen in mindestens 6000 bis 7000 Metern Höhe sicher ihre Bahnen, vorangerissen durch Motoren, von denen jeder stärker ist als das Getriebe einer D-Zug-Lokomotive.
Historischer Augenblick in der Eroberung des Eis-Nordens: Luftschiff „Norge" (= Norwegen) startet unter Führung R. Amundsens in Ny-Aalesund/Spitzbergen zu der epochemachenden ersten Transarktisfahrt von der Alten zur Neuen Welt (1926). Dieser erste Nonstopflug ging ober den Pol nach Alaska und verwandelte das Nordmeer in das Mittelmeer der Zukunft
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In der Arktis hat das Wasser Balken Die Arktis bietet dem Luftverkehr ein besonderes Maß von Sicherheit bei Notlandungen, die größer ist als über offenem Wasser. Das Polarmeer hat tatsächlich „Balken", an die man sich bei Notlandungen klammern kann; es sind die „ F l ö ß e " aus treibendem Eis. Diese natürlichen Landeflächen sind mehrere Meter stark und manchmal viele Quadratkilometer groß. Nicht immer wird man indes Eisflächen finden, die eben sind. Dann kann es zu einer Bruchlandung kommen. Aber selbst ein Totalbruch braucht nicht zum völligen Verlust von Menschen, Maschine und Ausrüstung zu führen. Hilfsflugzeuge und Hubschrauber, von den nächsten ständig unterhaltenen Flugplätzen durch Funk herbeibeordert, werden rasch zur Stelle sein. Bis dahin hilft die Ausstattung mit Proviant und die erprobte arktische Ausrüstung über die erste Not hinweg. Doch gibt es zivile Luftlinien erst in der Westhälfte der Arktis. Die Frage, warum noch nicht mehr dieser „schnellsten Luftstraßen" eingerichtet worden sind, warum der Nordpol nicht längst zum großen „Luftkreuz" der nördlichen Erdkuppel wurde, ist leicht zu beantworten. Es liegt nicht an der Forschung, nicht an den Technikern oder gar an den Fliegern, nicht einmal daran, daß das Befliegen transarktischer Luftlinien größere Schwierigkeiten macht als auf anderen erdumspannenden Luftlinien; Grund ist, daß die großen Mächte, die „Nachbarn des Pols", Russen, Kanadier und Amerikaner, sich bisher noch nicht zu solch einer dankbaren gemeinsamen Aufgabe zusammenfinden konnten.
Tanzende Nordlichter um die Transarktisflugzeuge Wer das große Glück hatte, am 15. November 1954 im ersten Passagierflugzeug auf der Polarlinie Kopenhagen—Los Angeles mitzufliegen, sah beim Kreuzen der Arktis nicht viel vom Himmel und von der Erde. Der Polarwinter mit seiner halbjährigen Nacht hatte die Herrschaft bereits lange angetreten. Aber wer im Sommer fliegen kann, wenn sie vom halbjährigen Tag abgelöst ist, wird vom Zauber dieser majestätischen Landschaft gepackt werden. Tiefeingeschnittene eisumsäumte Fjorde der Polarinseln, das endlose 29
Labyrinth der Waken, Hinnen und Kanäle im packeisbedeckten Nordmeer breiten sich unter den Augen der Fluggäste. Sie sitzen in bequemen Ledersesseln und werden in dröhnendem Flug über die Zinnen der firngekrönten Berge auf Grönland oder im Kanadischen Arktischen Archipel getragen. Sie erleben im Winter die zauberhafte Farbensymphonie der tanzenden, flackernden Nordlichter und sommerüber das Feuerrot der hoch im Norden stehenden Mitternachtssonne. Vielleicht erinnert sich der Fluggast dann der Berichte jener tapferen Polarfahrer, die noch vor knapp einem Menschenalter ihre hochgepackten schweien Schlitten durch kaum bekannte, noch nicht verkartete oder erforschte Gebiete schleppten, oft im Mannschaftszug. Darüber stürmt nun in brausendem Flug der Silbers vogel dahin. Aus der Sensation der Polexpeditionen mit Hundeschlitten, die einst die ganze Welt erregt haben, sind Flugreisen mit fahrplanmäßigen Start- und Landungszeiten geworden.
Zeittafel aus der Geschichte der Luftfahrten Rußland wendet erstmals ein lenen Arktis-Expeditionen an
über die Arktis
1914 Flugzeug zur Suche nach (Flieger Nagurski).
verschol-
1923 Der Schweizer Flieger Mittelholzer macht die ersten Flüge Spitzbergen und photographiert aus der Luft.
über
1925 Der Norweger Amundsen erreicht mit fünf Gefährten auf zwei Flugbooten vom Typ Dornier-Wal 87 Grad 44 Minuten nördlicher Breite (rund 250 Kilometer vom Pol entfernt). 1926 Der US-Amerikaner Byrd rundet als erster mit einem Flugzeug den Nordpol.
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1926 Erste Durchquerung des arktischen Mittelmeeres: Amundsen fährt mit dem Luftschiff ,,Norge" (Italiener Nobile als Kapitän) von Rom über Spitzbergen und den Pol nach Alaska. 1928 , . Erster Transarktisflug von Amerika nach Europa: Der Australier Wilkins und der Kanadier Eielson fliegen von Point Barrow (Nordkap Alaskas) über Kap Columbia (auf Grant-Land in der Kanadischen Arktischen Inselwelt) nach Spitzbergen. 1928 Der Italiener Nobile macht mit dem Luftschiff „Italia" zwei Fahrten über die Arktis. Auf der Rückfahrt vom Pol wird das Luftschiff vernichtet. Amundsen, der zu Hilfe eilt, bleibt verschollen. 1930 Oer deutsche Flieger von Gronau befliegt als erster die „Arktische Route": Insel Sylt — Island—Südgrönland — Neuschotlland — New York. 1931 Arktisfahrt des deutschen Luftschiffes „Graf Zeppelin" als fliegende Polarforschungsstätte: Friedrichshafen (Bodensee) — Leningrad — Franz Josephland — Sewernaja Semlja — Nowaja Semlja — Friedrichshafen ohne Zwischenhalt. 1937 Russische „Eisdriftstation Nordpol" (UPOL) wird mit vier Mann Besatzung von Großflugzeugen auf dem Treibeis in der Nähe des Pols gelandet. 1931 Drei Transarktisflüge der Russen Tschkalow, Gromow und Lewanewski von Moskau ohne Zwischenlandung nach West-USA. Lewanewski bleibt verschollen. 1946 USA-Großflugzeug des viermotorigen Typs „Fliegende Festung" legt ohne Zwischenlandung auf der Linie Honolulu (auf Hawaii im nördlichen Pazifik) — Alaska — Nordpol — Kairo (Ägypten) 31
15200 Kilometer in 39 Stunden und 35 Minuten zurück. schnittsgeschwindigkeit: 382 Kilometer in der Stunde!
Durch-
Seit 1947 VSA-Viermotorige befliegen mehrmals in der Woche zur Wettererkundung (mit Funkmeldungen jede halbe Stunde) die Strecke Fairbanks (Alaska) — Nordpol — Fairbanks. 1952 Amerikanische Luftwaffe besetzt im Januar Eisdriftinsel „T 3" (15 Kilometer lang, 6,5 Kilometer breit, durchweg 50 Meter stark). Im Sommer 1954 vorläufig wieder aufgegeben, da die Insel sich zu stark dem kanadischen Arktis-Archipel nähert. 1954/55 Mehrere russische Stationen „driften" auf Eisfeldern in der sowjetischen Arktis. Sie wurden von Flugzeugen abgesetzt und werden laufend aus der Luft versorgt. SAS (Scandinavian Zivil-Luftverkehrslinie
1954 (15. November) Airlines-System) eröffnet erste transarktische auf der Route Kopenhagen — West-USA.
1955 (12. April) CPA (Canadian Pacific-Airlines) beginnen regelmäßigen PassagierFlugdienst auf transpolarer Strecke Vancouver (British Columbia) — London. 1955 (Sommer) SAS richtet Transarktislinie Kopenhagen — Nordgrönland — Alaska — Aleuten — Japan ein.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Bild auf der 2. Umschlagseite: Wetterfunker in der Zentral-Arktls
Lux-Lesebog'en 203 (Erdkunde) — H e f t p r e i s 25 Pig. Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM X.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Veriag Sebastian Lux, Murnau, Oberbayern, Seidl-Park. — Druck: Buchdruckerei Auer, Donauwörth
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Jeizt
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