Geophysikalisches Institut, Universit¨at Karlsruhe
Mathematische Grundlagen der Geophysik
Ein Skript zur gleichnamigen...
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Geophysikalisches Institut, Universit¨at Karlsruhe
Mathematische Grundlagen der Geophysik
Ein Skript zur gleichnamigen Vorlesung.
Version v2.03 Stand: November 2001
Vorwort Warum dieses Manuskript? Dieses Skript wurde geschrieben, um allen Studenten einen roten Leitfaden f¨ur die Mathematik, die in der Geophysik gebraucht wird, zu geben. Schwerpunkte sind dabei die Themengebiete Wellentheorie, Filtertheorie, Kommunikationstheorie und Spektralanalyse, die insbesondere in der Seismik und Seismologie von Bedeutung sind. Aber auch andere geowissenschaftliche Arbeitsgebiete werden tangiert. Dieses Skript kann nat¨urlich nur das Basiswissen vermitteln und dient eher zum kurzen Nachschlagen. Ein gr¨undliches Studium der hier behandelten Mathematik ist nur mit der Hilfe von Textb¨uchern m¨oglich. Eine Literaturliste findet sich im Anhang.
An wen richtet sich dieses Manuskript? Die Vorlesung “Mathematische Grundlagen der Geophysik“ wird normalerweise von Studenten im f¨unften Semester, d.h. nach dem Vordiplom, besucht. Ein Besuch der Vorlesungen “H¨ohere Mathematik“ oder “Analysis“ wird vorausgesetzt.
Fehler?! Dieses Manuskript wurde unter LATEX 2ε mit deutschen Anpassungen gesetzt und mit dvips nach Postscript konvertiert. Es entstand im Laufe vieler Wochen und Monate. Es bleibt nicht aus, daß im Verlaufe dieser Zeit bessere und weniger gute Abschnitte entstanden. Auch wenn wir eine Menge Fehler beseitigen konnten, so m¨ochten wir den Eindruck vermeiden, es handele sich um ein fertiges Produkt. Die dicken Fehler sind nur besser versteckt ;–) Vielleicht haben wir ja die Chance, es beim n¨achsten Mal besser zu machen. Verbesserungsvorschl¨age und Korrekturhinweise sind daher stets erw¨unscht und willkommen.
Danksagung Die vorliegende zweite Auflage (v2.0) des Skriptes basiert auf den ursr¨unglichen Quelltexten und wurde von Th. Hertweck komplett u¨ berarbeitet und erweitert. Leider konnten viele Abbildungen sowie die Kapitel 7 und 8 noch nicht erneuert werden, aber wir arbeiten daran. Am Gelingen des Werkes haben viele Menschen direkt oder indirekt mitgewirkt – Allen sei hiermit herzlich gedankt. Autoren: Kapitel 1 - Vektoranalysis (neu in v2.0): Th. Hertweck Kapitel 2 - Spektralanalyse (¨uberarbeitet): P. Hubral, Th. Hertweck Kapitel 3 - Analytische Signale (¨uberarbeitet): P. Hubral, Th. Hertweck Kapitel 4 - Kugel- und Kugelfl¨achenfunktionen (neu in v2.0): Th. Hertweck Kapitel 5 - Die Wellengleichung (¨uberarbeitet): F. Adler Kapitel 6 - Funktionentheorie (urspr. Version v1.1): M. Tygel Kapitel 7 - Statistik (urspr. Version v1.1): S. Shapiro, J. Schleicher Kapitel 8 - Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik (neu in v2.0): Th. Hertweck Anhang A - Definitions (neu in v2.0): Th. Hertweck Anhang B - Matlab (tm) Beispielprogramm (neu in v2.0): Th. Hertweck Wem dieses Skript gef¨allt, der empfehle es weiter, wem es nicht gef¨allt, der schweige stille.
I
Inhaltsverzeichnis 1
2
Vektoranalysis 1.1 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Vektoroperationen in verschiedenen Koordinatensystemen . . . . . . 1.2.1 Vektorielle Operationen im kartesischen Koordinatensystem . 1.2.2 Vektorielle Operationen im zylindrischen Koordinatensystem 1.2.3 Vektorielle Operationen im sph¨arischen Koordinatensystem . 1.2.4 Rechenregeln f¨ur den Gradienten eines Skalarfeldes . . . . . 1.2.5 Rechenregeln f¨ur die Divergenz eines Vektorfeldes . . . . . . 1.2.6 Rechenregeln f¨ur die Rotation eines Vektorfeldes . . . . . . . 1.2.7 Der Laplaceoperator eines Vektorfeldes . . . . . . . . . . . . 1.3 Integrals¨atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektralanalyse 2.1 Fourierreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Reelle Fourierreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Alternative Darstellungen der Fourierreihe . . . . . . . . . 2.1.3 Das Gibbs’sche Ph¨anomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Fourier-Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Herleitung der Fouriertransformation aus den Fourierreihen 2.2.2 Kurze Einf¨uhrung der Dirac’schen Deltafunktion . . . . . . 2.2.3 Definition des Fourierintegralpaares . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Eigenschaften der Fouriertransformierten . . . . . . . . . . 2.2.5 Alternative Darstellung der Fouriertransformation . . . . . . 2.2.6 Einfache Theoreme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Faltung (Konvolution) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Die Autokorrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die Kreuzkorrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Kurze Einf¨uhrung in Lineare Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Mehrdimensionale Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 2D-Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Hankeltransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 3D-Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Spektralanalyse diskreter Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Abtasttheorem und Aliasing-Effekte . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Die Fouriertransformation diskreter Funktionen (DFT) . . . 2.6.3 Die schnelle Fouriertransformation (FFT) . . . . . . . . . . III
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1 1 2 2 2 3 3 4 4 4 5
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7 7 7 8 9 9 9 11 12 14 14 16 21 24 24 26 27 27 28 30 30 30 32 32
INHALTSVERZEICHNIS
2.7 2.8
3
4
5
2.6.4 Zweidimensionale diskrete Fouriertransformation . . . 2.6.5 Theoreme der diskreten Fouriertransformation . . . . 2.6.6 Die z-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.7 Theoreme der z-Transformation . . . . . . . . . . . . 2.6.8 Die inverse z-Transformation . . . . . . . . . . . . . . Die Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Theoreme der Laplace-Transformation . . . . . . . . Fenster- und Gewichtsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.1 Gegen¨uberstellung verschiedener Gewichtsfunktionen
Reelle und analytische Signale 3.1 Definition des Hauptwertintegrals . . . . . . . . . . . . . 3.2 Definition des Analytischen Signals . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Hilbert-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Einige Eigenschaften der Hilbert-Transformation . 3.4 Complex seismic trace analysis - Ein Anwendungsbeispiel 3.5 Berechnung des Analytischen Signals . . . . . . . . . . . 3.5.1 Berechnung mit Hilfe der Hilberttransformation . . 3.5.2 Berechnung im Frequenzraum . . . . . . . . . . . 3.5.3 Berechnung durch Konvolution . . . . . . . . . . 3.6 Modellsignale in der Seismik . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Details zum Rayleigh-Puls . . . . . . . . . . . . . 3.7 Energie und L¨ange eines Signals . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Anwendung auf den analytischen Rayleigh-Impuls
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33 33 33 34 35 35 36 37 38
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43 43 44 44 45 47 48 48 49 49 49 52 53 54
Legendre-Polynome und Kugelfla¨ chenfunktionen 4.1 Legendresche Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die zugeordneten Legendreschen Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Kugelfl¨achenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Entwicklung nach Kugelfl¨achenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Entwicklung des Gravitationspotentials der Erde nach Kugelfl¨achenfunktionen
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55 55 57 58 59 61
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63 63 63 65 66 67 67 68 69 70 70 71 73 74 74
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Die Wellengleichung 5.1 Die elastodynamische Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Die Kinematik der Deformation und der Verzerrungstensor 5.1.2 Der Spannungstensor (stress tensor) . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Die Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Das Hook’sche Gesetz und die Naviergleichung . . . . . . 5.1.5 Der Elastizit¨atstensor von Kristallsystemen . . . . . . . . 5.1.6 Die elastodynamische Wellengleichung . . . . . . . . . . 5.2 Die akustische Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ans¨atze zur L¨osung der Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Anfangs- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Die Green’sche Funktion der Wellengleichung . . . . . . 5.3.3 Die Green’sche Funktion des unbegrenzten Raumes . . . . 5.3.4 Das retardierte Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5 Der Separationsansatz und die Eigenfunktionsentwicklung IV
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INHALTSVERZEICHNIS
5.3.6 6
7
8
Die Eikonal- und die Transportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Funktionentheorie 6.1 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Einige Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Operationen und spezielle Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Funktionen einer komplexen Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.4 Grenzwert, Stetigkeit und Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.5 Cauchy-Riemann’sche (CR) Gleichungen und analytische Funktionen . . . . 6.2 Kurvenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Jordan Theorem f¨ur Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Linien- oder Kurven-Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Fundamentale Beziehungen zwischen analytischen Funktionen und einfachen abgeschlossenen Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.6 Stammfunktionen und Unabh¨angigkeit vom Weg . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.7 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.8 Cauchy’sche Integral Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Taylor- und Laurent - Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Taylor- und Laurent - Theoreme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Residuen und Pole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Residuensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Pole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Berechnung bestimmter Integrale mit Hilfe des Residuensatzes . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Berechnung von Integralen mit sin und cos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Berechnung von uneigentlichen Integralen mit Hilfe des Residuensatz . . . . 6.6 Methode der Station¨aren Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 77 77 78 81 82 83 84 84 86 86 88 93 96 97 98 99 99 101 104 104 105 105 106 106 107 111 118
Statistik 7.1 Einf¨uhrung und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Station¨are Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Eigenschaften von Korrelationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Fluktuationsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Streufeld (scattering field) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Streuquerschnitt eines Einheitsvolumens in einem Zufallsmedium 7.2.5 D¨ampfung durch einfache Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.6 Wellenfeld (mean field) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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131 131 133 133 133 134 136 137 138
Die Grundgleichungen der Stro¨ mungsmechanik 8.1 Die Kontinuit¨atsgleichung (Masseerhaltung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Die Navier-Stokes-Gleichungen (Impulserhaltung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Die Energiegleichung (Erhaltung der Energie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139 139 140 145
V
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INHALTSVERZEICHNIS
A Definitions and explanations
149
B A Matlab (tm) example program
157
C Literatur
161
VI
Abbildungsverzeichnis 1.1
Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19 2.20 2.21 2.22 2.23 2.24
Das Gibbs’sche Ph¨anomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Der Ubergang vom diskreten zum kontinuierlichen Spektrum . . . . . . . Die Dirac’sche Deltafunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen und ihre Fouriertransformierten . . . . . . . . . . . . . . . . Symmetrieeigenschaften von Funktionen und ihren Fouriertransformierten Das Additionstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Das Ahnlichkeitstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Das Ahnlichkeitstheorem am Beispiel der Cosinusfunktion . . . . . . . . Das Verschiebungstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Modulationstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Differentiationstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Parseval’sche Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Schritte bei der Konvolution. . . . . . . . . . . . . . . . . Der Gl¨attungseffekt der Konvolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Konvolutionstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Autokorrelationstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphischer Vergleich zwischen Konvolution und Korrelation . . . . . . Zweidimensionale Fouriertransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Besselfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Aliasing-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrenzte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewichtsfunktionen und ihre Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Einfluß von L¨ange und Gestalt der Gewichtsfunktion . . . . . . . . .
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9 10 12 13 15 17 18 18 19 20 20 21 22 22 23 24 25 28 29 30 31 39 40 41
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Die Hilberttransformation . . . . . . . . . . . Komplexe seismische Spur . . . . . . . . . . Zerlegung einer komplexen seismischen Spur Gebr¨auchliche phyiskalische Signale . . . . . Klauder-Wavelet . . . . . . . . . . . . . . . Ricker-Wavelet . . . . . . . . . . . . . . . .
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46 47 48 50 50 52
4.1 4.2
Die Legendre-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veranschaulichung einer Kugelfl¨achenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 60
VII
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1
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Verschiebungsvektoren . Volumen¨anderung . . . . Der Spannungstensor . . Die Randbedingungen . Das Fermat’sche Prinzip
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64 65 65 71 76
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19 6.20 6.21 6.22 6.23 6.24 6.25 6.26 6.27 6.28 6.29 6.30
Komplexe Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe Quadratwurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion einer komplexen Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzwertdefinition im der komplexen Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . Glatter Bogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgeschlossene Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jordan-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Jordan-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurvenintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inverse Richtung einer Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Cauchy-Goursat-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Cauchy-Goursat-Theorem (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orientation von Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein weiteres Beispiel zum Cauchy-Goursat-Theorem . . . . . . . . . . . . . . Zum Cauchy-Goursat-Theorem f¨ur mehrfach zusammenh¨angende Bereiche . . Zum Cauchy-Goursat-Theorem f¨ur mehrfach zusammenh¨angende Bereiche (II) Kurvenintegrale - Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurvenintegrale - Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurvenintegrale - Beispiel 2 f¨ur kleine Epsilon . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurvenintegrale - Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Cauchy’sche Integralformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Taylor-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Laurent-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CR = C1R ∪ C2R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cρ,R = CR ∪ C2ρ,R ∪ Cρ ∪ C1ρ,R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Punkt station¨arer Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur L¨osung des Fresnel-Integrals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung des Integrals IC2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 80 81 83 84 85 85 85 86 86 87 88 89 89 90 91 92 93 93 94 94 95 99 100 101 111 116 120 124 125
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5
Zufallsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elementare Kugelwelle . . . . . . . . . . . . . Streuquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . Verh¨altnis des Streuquerschnitts zum Winkel . . Skizze zur D¨ampfung durch einfache Streuung.
. . . . .
. . . . .
. . . . .
131 135 136 137 137
8.1 8.2 8.3
Die Massenstr¨ome am Volumenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Die Impulsstr¨ome am Volumenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Die Normal- und Schubspannungen am Volumenelement . . . . . . . . . . . . . . . 141
VIII
. . . . .
. . . . .
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Kapitel 1
Vektoranalysis 1.1 Koordinatensysteme Ein Punkt P wird im rechtwinklig kartesischen Koordinatensystem durch die Angabe der drei Koordinaten x, y und z beschrieben, im Zylinderkoordinatensystem durch die Angabe der Koordinaten ρ, ϕ und z und im Kugelkoordinatensystem (sph¨arisches Koordinatensystem) durch die Angabe der Koordinaten r, ϕ und ϑ. Die Definitionen der einzelnen Strecken und Winkel k¨onnen der nachstehenden Abbildung entnommen werden. ~e3
ρ P
r
ϑ
z
~e2 ϕ
x y
~e1
Abbildung 1.1: Zusammenhang zwischen einem kartesischen, einem zylindrischen und einem sph¨arischen Koordinatensystem.
1
KAPITEL 1. VEKTORANALYSIS
Im kartesischen Koordinatensystem ist ein Volumenelement gegeben durch dV = dx dy dz .
(1.1)
F¨ur das Zylinderkoordinatensystem gilt x = ρ cos ϕ y = ρ sin ϕ
(1.2)
z=z dV = ρ dρ dϕ dz , entsprechend f¨ur das Kugelkoordinatensystem x = r sin ϑ cos ϕ y = r sin ϑ sin ϕ
(1.3)
z = r cos ϑ dV = r 2 sin ϑ dr dϑ dϕ .
1.2 Vektoroperationen in versch. Koordinatensystemen 1.2.1 Vektorielle Operationen im kartesischen Koordinatensystem ~ = grad f = ∂f ~e1 + ∂f ~e2 + ∂f ~e3 ∇f ∂x ∂y ∂x ~ · ~v = div ~v = ∂vx + ∂vy + ∂vz ∇ ∂x ∂y ∂z ~e1 ~e2 ~e3 ∂ ∂ ∂ ~ × ~v = rot ~v = ∇ ∂x ∂y ∂z v v v x
y
(1.4) (1.5)
(1.6)
z
∂2f ∂2f ∂2f ~ ∇f ~ ∇ = ∆f = + + ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 p ds = dx2 + dy 2 + dz 2
(1.7) (1.8)
1.2.2 Vektorielle Operationen im zylindrischen Koordinatensystem ~ = grad f = ∂f ~eρ + 1 ∂f ~eϕ + ∂f ~ez ∇f ∂ρ ρ ∂ϕ ∂z ~ · ~v = div ~v = 1 ∂(ρvρ ) + 1 ∂vϕ + ∂vz ∇ ρ ∂ρ ρ ∂ϕ ∂z ~e ~eϕ ~ez 1 ∂ρ ∂ ∂ ~ ∇ × ~v = rot ~v = ∂ρ ∂ϕ ∂z ρ vρ ρvϕ vz
1 ∂f ∂2f 1 ∂2f ∂2f ~ ∇f ~ + + ∇ + = ∆f = ∂ρ2 ρ ∂ρ ρ2 ∂ϕ2 ∂z 2 p ds = dρ2 + ρ2 dϕ2 + dz 2 2
(1.9) (1.10)
(1.11)
(1.12) (1.13)
KAPITEL 1. VEKTORANALYSIS
1.2.3 Vektorielle Operationen im sph¨ arischen Koordinatensystem
~ = grad f = ∂f ~er + 1 ∂f ~eθ + 1 ∂f ~eϕ ∇f ∂r r ∂θ r sin θ ∂ϕ
(1.14)
2 ~ · ~v = div ~v = 1 ∂(r vr ) + 1 ∂(vθ sin θ) + 1 ∂vϕ ∇ r 2 ∂r r sin θ ∂θ r sin θ ∂ϕ
(1.15)
~er ∂ 1 ~ ∇ × ~v = rot ~v = 2 r sin θ ∂r vr 1 ∂ ~ ∇f ~ ∇ = ∆f = 2 r ∂r
r
2 ∂f
ds =
∂r
q
∂ 1 + 2 r sin θ ∂θ
r~eθ r sin θ ~eϕ ∂ ∂ ∂θ ∂ϕ rv r sin θ v ϕ
θ
∂f sin θ ∂θ
(1.16)
+
∂2f 1 r 2 sin2 θ ∂ϕ2
dr 2 + r 2 dθ 2 + r 2 sin2 θ dϕ2
(1.17)
(1.18)
1.2.4 Rechenregeln f ¨ur den Gradienten eines Skalarfeldes
grad c = 0 grad (cF ) = c grad F grad (F1 + F2 ) = grad F1 + grad F2 grad (F1 F2 ) = F1 grad F2 + F2 grad F1 grad f~1 · f~2 = f~1 grad f~2 + f~2 grad f~1 + f~1 × rot f~2 + f~2 × rot f~1 Dabei gilt c = const. F ist eine skalare, f~ eine vektorielle Funktion. 3
(1.19)
KAPITEL 1. VEKTORANALYSIS
1.2.5 Rechenregeln f ¨ur die Divergenz eines Vektorfeldes div ~c = 0 div cf~ = c div f~ div f~1 + f~2 = div f~1 + div f~2 div F f~ = F div f~ + f~ grad F div f~1 × f~2 = f~2 rot f~1 − f~1 rot f~2 div rot f~ = 0
(1.20)
Dabei gilt ~c, c = const. F ist eine skalare, f~ eine vektorielle Funktion.
1.2.6 Rechenregeln f ¨ur die Rotation eines Vektorfeldes rot ~c = 0 rot cf~ = c rot f~ rot f~1 + f~2 = rot f~1 + rot f~2 rot F f~ = F rot f~ + grad F × f~ rot f~1 × f~2 = f~2 grad f~1 − f~1 grad f~2 + f~1 div f~2 − f~2 div f~1
(1.21)
rot grad F = 0
Dabei gilt ~c, c = const. F ist eine skalare, f~ eine vektorielle Funktion.
1.2.7 Der Laplaceoperator eines Vektorfeldes Es sei f~ ein Vektorfeld. Dann definiert man ∆ f~ durch ∆f~ = grad div f~ − rot rot f~ .
(1.22)
∆f~ = (∆fx ) ~e1 + (∆fy ) ~e2 + (∆fz ) ~e3 ,
(1.23)
In kartesischen Koordinaten gilt
in anderen Koordinatensystemen besitzt ∆ f~ nicht so eine einfache Gestalt. Man benutze dann die Definitionsgleichung (1.22) und die entsprechenden Ausdr¨ucke f¨ur grad F , div f~ und rot f~. 4
KAPITEL 1. VEKTORANALYSIS
1.3 Integrals¨ atze Mit V sei im folgenden stets ein Volumen, mit S die Randfl¨ache dieses Volumens gemeint. Die Funktion f sei in V stetig und habe stetige beschr¨ankte erste partielle Ableitungen. Die Randfl¨ache S besitze bis auf endlich viele Ecken und Kanten sich stetig a¨ ndernde Tangentialebenen, wobei die in¨ neren Offnungswinkel der Ecken und Kanten gr¨oßer als Null sind. 1. Satz von Gauß:
Z ZZ
div f~ dV =
V
ZZ
~ f~ · dS
S
2. Reynoldssches Transportheorem (~v = Geschwindigkeitsvektor): ZZZ ZZ ZZ Z ∂f d ~ f ~v · dS f dV = dV + dt ∂t V
V
(1.25)
S
3. Erste Greensche Formel: ZZ Z ZZ Z ZZ ~ − (∆f1 ) f2 dV = f2 (grad f1 ) · dS (grad f1 ) · (grad f2 ) dV V
(1.24)
S
(1.26)
V
4. Zweite Greensche Formel: ZZ Z ZZ ~ {(∆f1 ) f2 − f1 (∆f2 )} dV = {f2 (grad f1 ) − f1 (grad f2 )} · dS V
(1.27)
S
Mit A sei im folgenden ein ebenes Gebiet, mit R die Randkurve dieses Gebietes gemeint. Die Funktion f sei in A stetig und habe stetige beschr¨ankte erste partielle Ableitungen. Die Randkurve R besitze bis auf endlich viele Ecken eine sich stetig a¨ ndernde Tangente, wobei die Innenwinkel der Ecken gr¨oßer als Null sind. 5. Satz von Stokes:
ZZ A
~ = rot f~ · dA
5
I
R
~ f~ · dR
(1.28)
Kapitel 2
Spektralanalyse Fourierreihen und -integrale spielen in der Angewandten Geophysik eine tragende Rolle. Sie dienen dazu, gemessene Daten so zu transformieren, daß entweder der Informationsgehalt leichter u¨ berschaubar ist oder die Daten einfacher mit Hilfe mathematischer Prozesse weiter zu bearbeiten sind.
2.1 Fourierreihen 2.1.1 Reelle Fourierreihen Die Darstellung einer st¨uckweise glatten, 2p-periodischen Funktion f (t) als Reihe trigonometrischer Funktionen ∞ π π a0 X an cos n t + bn sin n t + (2.1) f (t) = 2 p p n=1
heißt Fourierreihe. Die Entwicklung einer Funktion in ihre Fourierreihe wird als harmonische Analyse bezeichnet. In praktischen Anwendungen bricht man die Entwicklung der Fourierreihe oft nach endlich vielen Gliedern ab und hat dann eine Approximation der Funktion f (t) durch ein trigonometrisches Polynom fN (t). Mit den Konstanten an und bn , den sog. Fourierkoeffizienten, 1 an = p
bn =
1 p
d+2p Z
π f (t) cos n t dt, p
d d+2p Z
π f (t) sin n t dt, p
n = 0, 1, 2, . . .
(2.2)
n = 1, 2, 3, . . .
(2.3)
d
wird der mittlere quadratische Fehler 2
σ =
d+2p Z
[f (t) − fN (t)]2 dt
(2.4)
d
minimal. Der Parameter d kann dabei frei gew¨ahlt werden, meistens wird jedoch d = 0 oder d = −p gesetzt. F¨ur viele Fragen ist es von Interesse, wann die Fourierreihe konvergiert und inwieweit sie f (t) darstellt. Auf diese Fragestellung kann der Satz von Dirichlet eine weitgehende Antwort geben: 7
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
f (t) gen¨uge in (−p, p) den sogenannten Dirichletschen Bedingungen: 1. Das Intervall (−p, p) l¨aßt sich in endlich viele Teilintervalle zerlegen, in denen f (t) stetig und monoton ist. 2. Ist t0 eine Unstetigkeitsstelle von f (t), dann existieren die Grenzwerte f (t 0− ) und f (t0+ ). Dann konvergiert die Fourierreihe von f (t), und es gilt: ( ∞ f (t) a0 X π π an cos n t + bn sin n t = f (t0+ )+f (t0− ) + 2 p p 2 n=1
falls f in t stetig sonst
(2.5)
In Worten bedeutet dieser Satz folgendes: Unter den o.g. Bedingungen konvergiert die Fourierreihe und hat in allen Punkten, in denen f (t) stetig ist, genau den Wert f (t). In Unstetigkeitstellen nimmt die Fourierreihe das Mittel des rechts- und linksseitigen Grenzwertes der Funktion an der Unstetigkeitsstelle an. Ist f (t) eine gerade Funktion, d.h. f (−t) = f (t), dann ist 2 an = p
Zp
π f (t) cos n t dt p
bn = 0 .
(2.6)
π f (t) sin n t dt . p
(2.7)
und
0
Ist f (t) eine ungerade Funktion, d.h. f (−t) = −f (t), dann ist an = 0
2 bn = p
und
Zp 0
2.1.2 Alternative Darstellungen der Fourierreihe Statt (2.1) findet man h¨aufig auch folgende komplexe Fourierreihendarstellung: f (t) =
∞ X
π
cn ein p t
(2.8)
n=−∞
mit 1 cn = 2p
d+2p Z
f (t) e
−in πp t
dt .
(2.9)
d
Die Fourierreihe (2.1) kann auch mit Hilfe eines Amplituden- und Phasenspektrums dargestellt werden: ∞ X π f (t) = A0 + (2.10) An cos n t − Φn p n=1
mit
A0 =
a0 , 2
An =
p a2n + b2n
und
Φn = arctan
bn . an
(2.11)
Die Koeffizienten An werden als diskretes Amplitudenspektrum, die Koeffizienten Φ n als diskretes Phasenspektrum bezeichnet. 8
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.1.3 Das Gibbs’sche Ph¨ anomen Die Fourierreihe zeigt in der N¨ahe einer Unstetigkeitsstelle nur eine sehr langsame Konvergenz gegen 1 die Grundfrequenz des f (t) f¨ur n → ∞. Deutet man t als Zeit und f (t) als ein Signal, dann ist 2p n Signals und νn = 2p , (n = 1, 2, . . .) sind die zur Komposition aus Sinus- und Cosinusfunktionen ben¨otigten Oberfrequenzen. Zur Beschreibung von Unstetigkeitsstellen werden (sehr) hohe Frequenzen ben¨otigt. Die Fourierreihendarstellung zeigt in der N¨ahe dieser Stellen starke Undulationen, wobei sie direkt an der Unstetigkeitsstelle den Mittelwert aus rechts- und linksseitigem Grenzwert der Funktion annimmt. Dieses Verhalten der Funktion f (t) in der N¨ahe von Unstetigkeitsstellen wird nach J. W. Gibbs (1839-1903) als Gibbs’sches Ph¨anomen bezeichnet.
7 6 5
f(t)
4 3 2 1 0 −6
−4
−2
0 t
2
4
6
Abbildung 2.1: Zum Gibbs’schen Ph¨anomen. Hier wurde eine Dreiecksfunktion mit einer Fourierreihe bis zur 14. Oberfrequenz angen¨ahert. Man erkennt deutlich die Undulationen in der N¨ahe der Unstetigkeitsstellen, w¨ahrend die Funktion an sich bereits gut approximiert wird.
2.2 Fourier-Integrale 2.2.1 Herleitung der Fouriertransformation aus den Fourierreihen Zur Erweiterung der Fouriertheorie auf nichtperiodische Funktionen, die nicht mit Hilfe von Fourierreihen dargestellt werden k¨onnen, setzen wir (2.9) in (2.8) ein und erhalten damit ∞ X
1 f (t) = 2p n=−∞
Zp
−p
0
f (t ) e
−in πp t0
dt
π 0 in p t
e
9
∞ X
1 = 2p n=−∞
Zp
−p
π
0
f (t0 ) e−in p (t −t) dt0 .
(2.12)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE Weil wir sp¨ater t als Zeit ansehen wollen, nennen wir jetzt ω n = n πp die (diskrete) Kreisfrequenz und substituieren πp mit ∆ω. F¨ur nichtperiodische Funktionen geht p → ∞ und wir erhalten schließlich f (t) = lim
p→∞
∞ X
∆ω 2π n=−∞
Zp
−p
0
f (t0 ) e−iωn (t −t) dt0 .
(2.13)
Vergleichen wir dies nun mit der Riemannschen Summe einer Funktion g bei a¨ quidistanter Zerlegung (siehe auch Abbildung 2.2), lim
∆S→0
∞ X
n=0
g(n · ∆S) ∆S
=⇒
Z∞
g(s) ds ,
(2.14)
0
wobei hier ∆S = 1p ist. Dementsprechend f¨uhren wir in Gleichung (2.13) den Grenz¨ubergang f¨ur p → ∞ aus: Aus ∆ω wird dann ein dω, aus dem diskreten ω n = n · ∆ω wird ein kontinuierliches ω und aus der Summation u¨ ber n wird eine Integration u¨ ber ω. Die Grenzen des nun inneren Integrals 1 vor die Integrale und erhalten u¨ ber t0 verschieben sich ebenfalls ins Unendliche. Wir ziehen noch 2π 1 f (t) = 2π
Z∞ Z∞
0
f (t0 )e−iωt dt0 eiωt dω .
(2.15)
−∞ −∞
ˆ Bezeichnet man das innere Integral als f(ω), so ergibt sich das folgende Transformationspaar 1 f (t) = 2π und fˆ(ω) =
Z∞
fˆ(ω) eiωt dω
(2.16)
−∞
Z∞
0
f (t0 )e−iωt dt0 .
−∞
¨ Abbildung 2.2: Der Ubergang vom diskreten zum kontinuierlichen Spektrum. 10
(2.17)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE Bemerkung: Die Unterscheidung zwischen t und t 0 ab Formel (2.12) ist eine “k¨unstliche“, um nicht die Unabh¨angige der Funktion f (t) mit t 0 , der Integrationsvariablen des Koeffizienten, zu verwechseln. Physikalisch gesehen kann man sich sowohl t als auch t 0 als Zeitvariable denken.
2.2.2 Kurze Einf ¨uhrung der Dirac’schen Deltafunktion Die Dirac’sche Deltafunktion δ(t) ist ein bedeutendes Hilfsmittel in der angewandten Mathematik. Sie vereinfacht die Herleitung und Darstellung vieler Resultate, die sonst a¨ ußerst kompliziert w¨aren. Die Deltafunktion stellt im eigentlichen Sinne keine Funktion mehr dar, vielmehr f¨allt sie in den Bereich der Distributionen, die Grenzwerte von Funktionenfolgen sind. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Verallgemeinerten Funktionen. Die Deltafunktion darf nicht als gew¨ohnliche Funktion aufgefaßt werden, die f¨ur alle t fest definierte Werte besitzt. Es kommt eigentlich nur auf gewisse Eigenschaften von δ(t) an, die im folgenden definiert werden. Die Deltafunktion wird definiert durch die Eigenschaft Z∞
δ(t)f (t) dt = f (0) ,
(2.18)
−∞
wobei f (t) eine beliebige, im Ursprung stetige Funktion ist. Manchmal wird die Deltafunktion auch durch Z∞ δ(t) dt = 1, δ(t) = 0 f¨ur t 6= 0 (2.19) −∞
oder als Grenzwert δ(t) = lim fn (t) n→∞
(2.20)
einer Funktionenfolge mit den Eigenschaften Z∞
−∞
fn (t) dt = 1,
lim fn (t) = 0 f¨ur t 6= 0
n→∞
(2.21)
eingef¨uhrt. Es soll nicht unerw¨ahnt bleiben, daß die letzten Gleichungen die Deltafunktion nicht exakt definieren, da es andere Distributionen gibt, die diese ebenfalls erf¨ullen, z.B. die Distribution δ(t) + δ 0 (t). Weitere wichtige Eigenschaften der Deltafunktion (a = const): • δ(t) = 0 f¨ur t 6= 0 • f (t)δ(t − a) = f (a) • δ(at) = • δ(t) =
1 |a| δ(t)
1 2π
R∞
eiωt dω
−∞
Diese Relationen sind streng genommen nur unter dem Integral u¨ ber t definiert, wobei das Integrationsintervall die Stelle, an der das Argument der Deltafunktion verschwindet, einschließen muß.
11
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE f (t)
f (t) a 2 a −a|t| e 2
1 a
− a2
a 2
t
t
f (t)
f (t)
1 a
−a
√1 2πa
a
−t2
√ 1 e 2a2 2πa
t
t
Abbildung 2.3: Verschiedene Funktionenfolgen, die im Grenzfall gegen die Dirac’sche Deltafunktion streben. Bemerkung: Sicherlich ist in vergangenen Vorlesungen bereits einmal der Name “Green’sche Funktion“ aufgetaucht. Die Green’sche Funktion stellt dabei nichts anderes dar als die Antwort eines Linearen Systems auf den Input Deltafunktion. Ist die Green’schen Funktion eines Systems einmal bekannt, so kann die Antwortfunktion auf jeden beliebigen Input berechnet werden (siehe Abschnitt 2.4 auf Seite 26).
2.2.3 Definition des Fourierintegralpaares Die Fourier-Transformation ˆ f(ω) =
Z∞
f (t) e−iωt dt
(2.22)
−∞
und die Fourier-R¨ucktransformation (inverse Fouriertransformation) 1 f (t) = 2π
Z∞
ˆ f(ω) eiωt dω
(2.23)
−∞
bilden das sogenannte Fourierintegralpaar. Das Fourierintegralpaar ist von absolut fundamentaler Bedeutung. Es existieren alternative Definitionen (umgekehrte Vorzeichen in den Exponenten, andere Vorfaktoren), die alle gleichwertig sind. Nach der Wahl einer Definition muß allerdings genau darauf geachtet werden, daß alle folgenden Schritte konform sind. ˆ Die Funktion f(ω) nennt man das (komplexe) Spektrum von f (t). Es l¨aßt sich auch darstellen als ˆ f(ω) = R(ω) + iI(ω) = A(ω)eiΦ(ω)
(2.24)
mit dem Amplitudenspektrum A(ω) und dem Phasenspektrum Φ(ω). Die Funktion −Φ(ω) nennt man phaselag spectrum.
12
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Graphisch wird das komplexe Spektrum meist in der Form eines Plots f¨ur das Amplitudenspektrum und eines getrennten Plots f¨ur das Phasenspektrum dargestellt. Es stellt sich, wie auch bei den Fourierreihen, die Frage nach der Konvergenz und G¨ultigkeit des Fourierintegralpaares. Dar¨uber geben die Kriterien von Dirichlet-Jordan Auskunft. Die G¨ultigkeit des Transformationspaares ist garantiert, wenn • f (t) nur endlich viele Sprungstellen besitzt, wobei die Grenzwerte von beiden Seiten existieren und endlich sind, • f (t) in jedem Teilintervall von begrenzter Schwankung ist und • f (t) absolut integrierbar ist, d.h.
R∞
−∞
|f (t)| dt = G < ∞.
Falls das Integral (2.22) nicht existiert, kann mit der erweiterten Definition der Fouriertransformation fˆ(ω) = lim
Z∞
a→∞ −∞
2
f (t) e−at e−iωt dt
(2.25)
manchmal dennoch eine Fouriertransformierte (im Sinne einer hebbaren Unstetigkeit) berechnet werden.
Abbildung 2.4: Einige Funktionen und ihre Fouriertransformierten, graphisch dargestellt.
13
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.2.4 Eigenschaften der Fouriertransformierten Eine Funktion f(t) heißt gerade, ungerade, kausal oder hermitisch, falls sie gewisse Symmetrieeigenschaften aufweist: • Gerade Funktion: f (t) = f (−t) • Ungerade Funktion: f (t) = −f (−t) • Kausale Funktion: f (t) = 0 f¨ur t < 0 • Antikausale Funktion: f (t) = 0 f¨ur t > 0 • Hermitische Funktion: f (t) = f ∗ (−t), d.h. ihr Realteil ist gerade, ihr Imagin¨arteil ungerade. • Antihermitische Funktion: f (t) = −f ∗ (−t), d.h. ihr Realteil ist ungerade, ihr Imagin¨arteil gerade. Kausale Funktionen spielen in der Geophysik eine entscheidende Rolle, da (normalerweise) an einem Empf¨anger kein Signal ankommen kann, bevor es an der Quelle ausgesandt wurde. Grunds¨atzlich gilt: Weist eine Funktion f (t) eine gewisse Symmetrie auf, so weist auch ihre konjugiert komplexe Funkˆ tion f ∗ (t) diese Symmetrie auf. Ebenso besitzt dann die Fouriertransformierte f(ω) eine gewisse Symmetrie. Dabei gilt (siehe dazu auch Abb. 2.5): Funktion f (t) gerade ungerade reell imagin¨ar hermitisch antihermitisch
ˆ Fouriertransformierte f(ω) gerade ungerade hermitisch antihermitisch reell imagin¨ar
Selbstverst¨andlich gilt analog: ˆ Weist eine Funktion f(ω) eine gewisse Symmetrie auf, so besitzt auch ihre konjugiert komplexe Funk∗ ˆ tion f (ω) diese Symmetrie. In Abbildung 2.5 sind diese Symmetrieeigenschaften von Funktionen und deren Fouriertransformierten dargestellt.
2.2.5 Alternative Darstellung der Fouriertransformation Die Fouriertransformierte einer reellen Funktion f (t) ist hermitisch, d.h. fˆ(ω) = fˆ∗ (−ω). Daraus folgt, daß das Integral (2.23) darstellbar ist als Integral nur u¨ ber positive Frequenzen: ∞ 1 Z ˆ (2.26) f(ω) eiωt dω f (t) = Re π 0
Dieses Integral akzeptiert auch komplexe Werte f¨ur t mit nicht-negativem Imagin¨arteil.
14
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
f(u)
f(v)
reell, gerade
reell, gerade
reell, ungerade
imaginaer, ungerade
imaginaer, gerade
imaginaer, gerade
imaginaer, ungerade
reell, ungerade
gerade
gerade
ungerade
ungerade
reell (nach rechts verschoben)
hermitisch
imaginaer (nach rechts verschoben)
antihermitisch
Abbildung 2.5: Symmetrieeigenschaften von Funktionen (linke Spalte) und ihren entsprechenden Fouriertransformierten (rechte Spalte).
15
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.2.6 Einfache Theoreme Im folgenden werden einige einfache Theoreme aufgef¨uhrt, die alle aus den Gleichungen (2.22) und (2.23) hergeleitet werden k¨onnen. Es wird davon ausgegangen, daß f¨ur alle angef¨uhrten Funktionen ˆ auch tats¨achlich Fourierintegrale existieren. Es gelte ferner stets f (t) ◦−• f(ω) und g(t) ◦−• gˆ(ω). 1. Linearit¨at, Additionstheorem (a, b = const) (Abb. 2.6): afˆ1 (ω) + bfˆ2 (ω)
◦−•
af1 (t) + bf2 (t)
(2.27)
2. Symmetrie: ˆ f(t)
◦−•
2π f (−ω)
(2.28)
¨ 3. Ahnlichkeitstheorem - time scaling (a = const) (Abb. 2.7 und 2.8): f (at)
1 ˆ ω f |a| a
◦−•
(2.29)
4. Verschiebungstheorem - time shifting (τ = const) (Abb. 2.9): f (t − τ )
e−iωτ fˆ(ω)
◦−•
(2.30)
5. Verschiebungstheorem - frequency shifting (Ω = const): eiΩt f (t)
ˆ − Ω) f(ω
◦−•
(2.31)
6. Modulationstheorem (Ω = const) (Abb. 2.10): 1ˆ 1ˆ f(ω − Ω) + f(ω + Ω) 2 2
◦−•
f (t) cos Ωt
(2.32)
7. Differentiationstheorem - time differentiation (Abb. 2.11): dn f (t) dtn
ˆ (iω)n f(ω)
◦−•
(2.33)
8. Differentiationstheorem - frequency differentiation: (−it)n f (t)
◦−•
ˆ dn f(ω) dω n
(2.34)
9. Konjugiert komplexe Funktion: f ∗ (t)
◦−•
fˆ∗ (−ω)
(2.35)
10. Momententheorem (n = 1, 2, 3, . . .): (−i)
n
Z∞
tn f (t) dt
−∞
16
◦−•
ˆ dn f(0) dω n
(2.36)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
11. Konvolutionstheorem - time convolution (Abb. 2.15): f (t) ∗ g(t)
◦−•
ˆ f(ω) · gˆ(ω)
(2.37)
1 ˆ f(ω) ∗ gˆ(ω) 2π
(2.38)
12. Konvolutionstheorem - frequency convolution: f (t) · g(t)
◦−•
Die Faltung oder Konvolution wurde bisher noch nicht eingef¨uhrt, wir werden das in Abschnitt 2.3 nachholen. Die Theoreme seien hier aber der Vollst¨andigkeit wegen mit aufgef¨uhrt. 13. Parseval’sches Theorem (Energiespektrum) (Abb. 2.12): Z∞
−∞
1 |f (t)| dt = 2π 2
Z∞
−∞
2 ˆ |f(ω)| dω
(2.39)
Nach dem letzten Theorem ist die Energie von f (t) proportional dem Integral u¨ ber das Absolutquadrat ˆ des komplexen Spektrums f(ω). Man bezeichnet die Gr¨oße |fˆ(ω)|2 deshalb als spektrale Energiedichte der Funktion f (t).
Auf den nun folgenden Seiten werden einige der Theoreme durch Abbildungen verdeutlicht.
f(t)
f(w)
g(t)
g(w)
f(t)+g(t)
f(w)+g(w)
Abbildung 2.6: Zum Additionstheorem. Man beachte: Wenn es sich nicht um rein relle gerade Funktionen handelt, muß eine Vektoraddition durchgef¨uhrt werden!
17
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
¨ Abbildung 2.7: Zum Ahnlichkeitstheorem: Effekte bei verschiedener Skalierung. Die graue Fl¨ache bleibt stets konstant.
¨ Abbildung 2.8: Das Ahnlichkeitstheorem am Beispiel der Cosinusfunktion. Links: Cosinusfunktionen, rechts: Spektren der Cosinusfunktionen. 18
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.9: Zum Verschiebungstheorem.
19
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.10: Zum Modulationstheorem. Eine H¨ullfunktion f (t) wird mit Cosinusfunktionen verschiedener Frequenzen multipliziert (linke Spalte). Rechts sieht man die zugeh¨origen Spektren.
exp(-pi t^2)
exp(-pi w^2)
t d/dt(exp(-pi t^2))
i 2pi w exp(-pi w^2)
t
Abbildung 2.11: Zum Differentiationstheorem.
20
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
t
t
Abbildung 2.12: Zum Parseval’schen Theorem.
2.3 Die Faltung (Konvolution) Die Faltung (Konvolution) zweier Funktionen f (t) und g(t) ist definiert als f (t) ∗ g(t) =
Z∞
−∞
0
0
0
f (t )g(t − t ) dt =
Z∞
−∞
f (t − t0 )g(t0 ) dt0 .
(2.40)
Die Faltung ist • kommutativ, d.h. f (t) ∗ g(t) = g(t) ∗ f (t), • assoziativ, d.h. f (t) ∗ [g(t) ∗ h(t)] = [f (t) ∗ g(t)] ∗ h(t), und • distributiv bez¨uglich der Addition, d.h. f (t) ∗ [g(t) + h(t)] = f (t) ∗ g(t) + f (t) ∗ h(t). Die einzelnen Schritte bei der Berechnung einer Faltung werden in Abb. 2.13 verdeutlicht. Die Faltung kann zur Gl¨attung einer Funktion eingesetzt werden (siehe Abb. 2.14). Zwei spezielle Faltungen spielen in den Anwendungen eine besondere Rolle: 1. Die Faltung einer Funktion f (t) mit der Dirac’schen Deltafunktion: f (t) ∗ δ(t) = f (t)
f (t) ∗ δ(t − τ ) = f (t − τ )
bzw.
(2.41)
Die Faltung einer Funktion mit δ(t − τ ) entspricht also einer Verschiebung der Funktion um τ . 2. Die Faltung einer Funktion f (t) mit der Heaviside-Funktion: Die Heaviside-Funktion ist definiert als ( 0 f¨ur t < 0 h(t) = . 1 f¨ur t > 0 Als Resultat der Faltung ergibt sich f (t) ∗ h(t) =
Z
f (t) dt ,
d.h. die Heaviside-Funktion fungiert als Integraloperator.
21
(2.42)
(2.43)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.13: Die einzelnen Schritte bei der Konvolution.
Abbildung 2.14: Zum Gl¨attungseffekt der Konvolution. 22
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Wie bereits erw¨ahnt, entspricht der Faltung zweier Funktionen im Zeitbereich eine Multiplikation der entsprechenden Fouriertransformierten im Frequenzbereich und, bis auf einen Vorfaktor, vice versa. Dies wird in untenstehender Abbildung nochmals verdeutlicht. Bemerkung: Alle Rechenregeln f¨ur die Faltung im Zeitbereich gelten analog im Frequenzbereich, wenn t durch ω, t0 durch ω 0 und dt0 durch dω 0 ersetzt wird.
Abbildung 2.15: Zum Konvolutionstheorem.
23
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.3.1 Die Autokorrelation Die Autokorrelation entspricht einer Faltung von f (−t) mit g(t) = f ∗ (t): f (−t) ∗ f ∗ (t) =
Z∞
−∞
f (t0 )f ∗ (t0 − t) dt0 =
Z∞
f (t + t0 )f ∗ (t0 ) dt0
(2.44)
gˆ(ω) = fˆ(ω) · fˆ∗ (ω) = |fˆ(ω)|2 ,
(2.45)
−∞
F¨ur die Fouriertransformierte einer Autokorrelationsfunktion gilt g(t) = f (t) ∗ f ∗ (−t)
◦−•
d.h. die Bildung einer Autokorrelation im Zeitbereich f¨uhrt zu einer Quadrierung des Spektrums (Autokorrelationstheorem). Alle Funktionen, die die gleiche Autokorrelation haben, unterscheiden sich nur in den Phasenspektren. Die Amplitudenspektren sind gleich. In Abbildung 2.16 ist der Effekt der Autokorrelation dargestellt.
Abbildung 2.16: Zum Autokorrelationstheorem.
2.3.2 Die Kreuzkorrelation Die Kreukorrelation entspricht einer Faltung von f (−t) mit g(t). Der einzige Unterschied bei der Berechnung im Vergleich zur Faltung selbst besteht darin, daß die Funktion g nicht gespiegelt wird. Es gilt: Z∞ f (t0 )g(t + t0 ) dt0 ◦−• fˆ(ω)∗ · gˆ(ω) (2.46) f (−t) ∗ g(t) = −∞
Man beachte, daß die Kreuzkorrelation nicht kommutativ ist! Mit Hilfe der Kreuzkorrelation k¨onnen z.B. Einsatzzeiten in einem Seismogramm bestimmt werden. Ein graphischer Vergleich zwischen Konvolution und Korrelation zeigt Abbildung 2.17 auf der n¨achsten Seite. 24
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.17: Vergleich zwischen Konvolution und Korrelation (oben). Anwendungsbeispiel f¨ur Korrelation/Autokorrelation (unten). 25
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.4 Kurze Einf ¨uhrung in Lineare Systeme Die Analyse der meisten physikalischen Systeme kann darauf reduziert werden, eine Beziehung zwischen einer Ursache und deren Auswirkung(en) zu finden. In diesem Sinne kann jedes System als eine Art “Wandler“ aufgefaßt werden, mit der Ursache f (t) als Eingangssignal und der Auswirkung g(t) als Ausgangssignal oder Antwort des Systems. Das System wird komplett beschrieben, wenn die Abh¨angigkeit des Ausgangssignals vom Eingangssignal bekannt ist, d.h. es muß sowohl der systembeschreibende Operator S als auch die Verkn¨upfung ◦ bekannt sein: g(t) = S ◦ f (t)
(2.47)
Ein System wird als linear bezeichnet, wenn folgende Eigenschaft erf¨ullt ist: Mit g1 (t) als Ausgangssignal zum Input f1 (t) und g2 (t) als Ausgangssignal zum Input f2 (t) und zwei beliebigen Konstanten a 1 und a2 l¨aßt sich das Ausgangssignal zum Input a1 f1 (t) + a2 f2 (t) schreiben als a1 g1 (t) + a2 g2 (t). Lineare Systeme haben zus¨atzlich folgende Eigenschaften: • Stabilit¨at, d.h. die Antwort auf ein begrenztes Eingangssignal |f (t)| < M < ∞ ist ebenfalls begrenzt mit |g(t)| < M · I, wobei I < ∞ eine vom Eingangssignal unabh¨angige Konstante ist. • Kausalit¨at, d.h. bei einem Eingangssignal f (t) = 0 f¨ur t < t 1 (kausal) ist auch das Ausgangssignal g(t) = 0 f¨ur t < t1 . • Die Antwort g(t) auf ein beliebiges Eingangssignal f (t) kann bei bekannter Antwort G(t) des Systems auf einen Normimpuls, mathematisch beschrieben durch die Dirac’sche Deltafunktion δ(t), geschrieben werden als g(t) = G(t) ∗ f (t) =
Z∞
−∞
G(t0 )f (t − t0 ) dt0 .
(2.48)
G(t) wird als Green’sche Funktion des Systems, Impulsantwort des Systems oder Systemantwort bezeichnet. Bei linearen Systemen ist also der systembeschreibende Operator die Impulsantwort und die Verkn¨upfung entspricht einer Faltung. Lineare Systeme spielen insbesondere in der Filtertheorie eine entscheidende Rolle. Der Ausdruck “Filter“ wird benutzt, um ein Lineares System zu beschreiben, dessen Amplitudencharakteristik A(ω) in gewissen Frequenzbereichen (nahezu) verschwindet bzw. vernachl¨assigt werden kann. Ist z.B. A(ω) verschwindend klein f¨ur ω > ωc , dann wird das System Tiefpaßfilter und ω c cutoff frequency genannt.
26
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.5 Mehrdimensionale Fouriertransformation 2.5.1 2D-Fouriertransformation Das 2D-Fourierintegralpaar ist gegeben durch die Gleichungen ˆ v) = f(u,
Z∞ Z∞
f (x, y) e−i(ux+vy) dx dy
(2.49)
−∞ −∞
und 1 f (x, y) = 2 4π
Z∞ Z∞
ˆ v) ei(ux+vy) du dv . f(u,
(2.50)
−∞ −∞
Einige Eigenschaften von 2D-Fouriertransformationen: • Linearit¨at, Additionstheorem (a, b = const): ◦−•
af1 (x, y) + bf2 (x, y) ¨ • Ahnlichkeitstheorem (a, b = const): f (ax, by)
afˆ1 (u, v) + bfˆ2 (u, v)
(2.51)
◦−•
1 ˆ u v f , |ab| a b
◦−•
ˆ v) e−i(ua−vb) f(u,
(2.53)
1ˆ 1ˆ f(u − a, v) + f(u + a, v) 2 2
(2.54)
(2.52)
• Verschiebungstheorem (a, b = const): f (x − a, y − b) • Modulationstheorem (a = const): f (x, y) cos ax
◦−•
• Konvolutionstheorem: f (x, y) ∗∗ g(x, y)
◦−•
ˆ v) · gˆ(u, v) f(u,
(2.55)
ˆ v)|2 |f(u,
(2.56)
• Autokorrelationstheorem: f (x, y) ∗∗ f ∗ (−x, −y)
◦−•
• Parseval’sches Theorem: Z∞ Z∞
−∞ −∞
2
|f (x, y)| dx dy
◦−•
• Differentiationstheorem: m n ∂ ∂ f (x, y) ∂xm ∂y n
27
1 4π 2
◦−•
Z∞ Z∞
−∞ −∞
|fˆ(u, v)|2 du dv
ˆ v) (iu)m (iv)n f(u,
(2.57)
(2.58)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
0.5
cos(Pi x)
x
y
2
(u-0.5,v)+
v
2
(u+0.5,v)
u
cos[2Pi(xcos +ysin )] x
2
v
u
(x,y)
y
v
x
u
exp[-Pi(u2 +v 2)]
exp[-Pi(x2+y2)]
y
v
x
u
Abbildung 2.18: Zweidimensionale Fouriertransformationen.
2.5.2 Hankeltransformation Die Hankeltransformation beschreibt die 2D-Fouriertransformation radialsymmetrischer Funktionen. Radialsymmetrische Funktionen sind Funktionen, die in Polarkoordinaten nur vom Abstand ρ zum Ursprung, nicht jedoch von der Winkelkoordinate ϕ abh¨angen.
ˆ = 2π f(q)
Z∞
f (ρ) J0 (ρq) ρ dρ
(2.59)
0
1 f (ρ) = 2π
Z∞
ˆ J0 (ρq) q dq f(q)
0
28
(2.60)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Die Funktion J0 (ρq) ist die Besselfunktion nullter Ordnung, definiert durch 1 J0 (ρq) = 2π
Z2π
e−iρq
cos ϕ
dϕ .
(2.61)
0
Die Besselfunktion ν−ter Ordnung ist allgemein definiert durch Jν (z) =
∞ X (−1)n ( 21 z)ν+2n , n! Γ(ν + n + 1) n=0
(2.62)
wobei Γ(z) die Gamma-Funktion Γ(z) =
Z∞
e−t tz−1 dt ,
Re{z} > 0
0
ist. J (x) n
1.0
n=0 n=1
n=2
n=3
0 x
0
2
4
6
8
10
12
14
Abbildung 2.19: Besselfunktionen bis zur dritten Ordnung.
29
(2.63)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.5.3 3D-Fouriertransformation Das 3D-Fourierintegralpaar ist gegeben durch fˆ(u, v, w) =
Z∞ Z∞ Z∞
f (x, y, z) e−i(ux+vy+wz) dx dy dz ,
(2.64)
−∞ −∞ −∞
1 f (x, y, z) = 3 8π
Z∞ Z∞ Z∞
ˆ v, w) ei(ux+vy+wz) du dv dz . f(u,
(2.65)
−∞ −∞ −∞
2.6 Spektralanalyse diskreter Funktionen Geophysikalische Vorg¨ange, wie z.B. die Ausbreitung seismischer Wellen, laufen zeitlich und r¨aumlich kontinuierlich ab. Bei der Registrierung, sp¨atestens jedoch bei der Bearbeitung, werden die kontinuierlichen Meßgr¨oßen aber durch Abtasten diskretisiert und so in eine Form gebracht, die die weitere Bearbeitung mittels Digitalrechner und die Anwendung digitaler Rechenverfahren erm¨oglicht. Viele Meßinstrumente registrieren bereits digital, d.h. sie liefern direkt die Zeitreihe u¨ ber einen angeschlossenen Analog-Digital-Wandler. Bei der zeitlichen Diskretisierung wird das Signal nur durch seine Werte in bestimmten fixierten Zeitpunkten dargestellt. Aufgrund der technisch und rechnerisch einfacheren Handhabung hat sich die a¨ quidistante Abtastung durchgesetzt. Dabei wird der St¨utzstellenabstand durch den Frequenzgehalt des Signals bestimmt, das als frequenzbandbegrenzt mit der oberen Grenzfrequenz fmax angenommen wird.
2.6.1 Abtasttheorem und Aliasing-Effekte Von zentraler Bedeutung f¨ur die diskrete Erfassung kontinuierlicher Funktionen ist die Frage nach dem St¨utzstellenabstand ∆t. Ist der St¨utzstellenabstand gemessen an der oberen Grenzfrequenz zu klein gew¨ahlt, dann ergibt sich eine Datenfolge hoher Redundanz und damit ein unn¨otiges Anwachsen der insgesamt zu verarbeitenden Datenmenge. Demgegen¨uber kann ein zu großer St¨utzstellenabstand den Frequenzgehalt nicht richtig erfassen. Falsches Abtasten f¨uhrt dabei stets zu einem scheinbar niederfrequenteren Signal.
Abbildung 2.20: Zum Aliasing-Effekt: Vort¨auschung einer niedrigeren Frequenz durch die Wahl eines zu großen St¨utzstellenabstandes. Das vorgegebene Signal besitzt die Frequenz f = 4 Hz. Bei einer Abtsatung mit ∆t = 0.2 s wird eine 1-Hz-Schwingung vorget¨auscht.
30
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
F¨ur eine diskrete Zeitreihe x[j · ∆t], j = −∞, . . . , ∞ wird die k¨urzere Schreibweise x j gew¨ahlt. Die Reihe xj kann als kontinuierliche Funktion x s (t) verstanden werden, die nur an den abgetasteten Stellen die Funktionswerte von x(t) annimmt und sonst Null ist. Somit l¨aßt sich x s (t) als Produkt der Funktion x(t) mit der Delta-Kammfunktion darstellen: xs (t) = x(t) ·
∞ X
j=−∞
δ(t − j · ∆t)
(2.66)
Abbildung 2.21: Zur Diskretisierung: a) kontinuierliche Funktion x(t); b) Delta-Kammfunktion; c) Produkt der kontinuierlichen Funktion mit der Delta-Kammfunktion Unter Benutzung des Faltungstheorems und der Beziehung f = x ˆs (f ) =
ω 2π
folgt f¨ur das Spektrum von xs (t)
∞ n 1 X x ˆ f− . ∆t n=−∞ ∆t 1 ∆t
und h¨angt von der Wahl von ∆t ab. Unter
1 2∆t
(2.68)
Das Spektrum x ˆs (f ) ist periodisch mit der Periode Einf¨uhrung der sog. Nyquist-Frequenz fN y =
(2.67)
l¨aßt sich Gleichung (2.67) darstellen als ( ) ∞ h i X 1 x ˆ(f ) + x ˆs (f ) = x ˆ(f − 2nfN y ) + x ˆ(f + 2nfN y ) , ∆t
(2.69)
n=1
1 d.h. zum abgesch¨atzten Spektralwert an der Stelle f = f 0 ≤ 2∆t tragen die Spektralwerte an den Stellen f0 ±2nfN y , n = 1, 2, 3, . . . bei. Um Spektralverf¨alschungen zu vermeiden, muß ∆t so gew¨ahlt
31
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
werden, daß die gr¨oßte in x(t) vorkommende Frequenz f max kleiner als die sich ergebende NyquistFrequenz ist: 1 ∆t < (2.70) 2fmax Der Summenterm in Gleichung (2.69) liefert dann f¨ur das Intervall (−f N y , fN y ) keinen Beitrag, und f¨ur dieses Intervall ist x ˆ s (f ) = x ˆ(f ). Außerhalb dieses Grundintervalls ist x ˆ s (f ) dann eine periodische Wiederholung von x ˆ(f ). Hat man dagegen ∆t nicht hinreichend klein gew¨ahlt, so daß x ˆ(f ) 6= 0 1 f¨ur |f | > 2∆t ist, dann treten Spektralanteile oberhalb der Nyquist-Frequenz als St¨orung im Intervall 1 1 − 2∆t ≤ f ≤ 2∆t auf und verf¨alschen das tats¨achliche Spektrum. Dieser Effekt wird als Aliasing bezeichnet. Gleichung (2.70) wird als Abtasttheorem (sampling theorem) bezeichnet und sagt aus, daß eine Abtastung mit wenigstens zwei St¨utzwerten pro Wellenl¨ange erfolgen muß.
2.6.2 Die Fouriertransformation diskreter Funktionen (DFT) Die Funktion x(t), 0 ≤ t ≤ T mit der Fouriertransformierten x ˆ(f ) werde an N a¨ quidistanten St¨utzstellen t = j · ∆t, j = 0, 1, . . . , N − 1 diskretisiert. Die diskrete Fouriertransformierte ist dann gegeben durch N −1 X nj (2.71) xj e−i2π N , n = 0, 1, . . . N − 1 . x ˆn = j=0
Die inverse diskrete Fouriertransformation lautet xj =
N −1 nj 1 X x ˆn ei2π N , N n=0
j = 0, 1, . . . N − 1 .
(2.72)
2.6.3 Die schnelle Fouriertransformation (FFT) Die FFT (fast fourier transform) ist ein spezieller Algorithmus zur Auswertung der diskreten Fouriertransformation (DFT) und liefert dasselbe Resultat. Man macht sich zur Berechnung der in den Gleichungen (2.71) und (2.72) auftretenden Summen die Symmetrieeigenschaften der trigonometrischen Funktionen zu Nutzen. Die Anzahl der Rechenoperationen ist dabei deutlich reduziert. Als Voraussetzung muß jedoch die Anzahl N der St¨utzstellen folgende Beziehung erf¨ullen: N = 2γ ,
γ∈N
(2.73)
Sind bei der diskreten Fouriertransformation N 2 komplexe Multiplikationen und N (N − 1) komplexe Additionen durchzuf¨uhren, so reduziert sich der Arbeitsaufwand bei der FFT auf N γ2 komplexe Multiplikationen und N γ komplexe Additionen. Die Rechenzeit am Computer h¨angt haupts¨achlich von Multiplikationsoperationen ab, so daß sich die Rechenzeitersparnis leicht aus der Formel N2 FFT 2N = γ = DFT N2 γ
(2.74)
absch¨atzen l¨aßt. So ergibt sich z.B. f¨ur N = 2 10 , daß die FFT rund 200 Mal schneller als die DFT ist. 32
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
2.6.4 Zweidimensionale diskrete Fouriertransformation F¨ur die zweidimensionale diskrete Fouriertransformation gilt analog zu den Gleichungen (2.71) und (2.72): x ˆjl =
N −1 M −1 X X
nj
ml
xnm e−i2π( N + M ) ,
n=0 m=0
j = 0, . . . , N − 1; l = 0, . . . , M − 1
(2.75)
n = 0, . . . , N − 1; m = 0, . . . , M − 1 .
(2.76)
und xnm
N −1 M −1 nj ml 1 X X x ˆjl ei2π( N + M ) , = NM j=0 l=0
2.6.5 Theoreme der diskreten Fouriertransformation Die Theoreme (2.27) bis (2.39) gelten entsprechend modifiziert auch f¨ur die diskrete Fouriertransformation. Die Faltung zweier diskreter Funktionen f n und gn ist dabei wie folgt definiert: fn ∗ g n =
∞ X
fk gn−k =
∞ X
fn−k gk
(2.77)
k=−∞
k=−∞
Im zweidimensionalen Fall gilt: fmn ∗∗ gmn =
∞ X
∞ X
fkl g(m−k)(n−l) =
∞ X
∞ X
f(m−k)(n−l) gkl
(2.78)
k=−∞ l=−∞
k=−∞ l=−∞
2.6.6 Die z-Transformation F¨ur die numerische Bearbeitung diskreter Zeitreihen wird die z-Transformation eingef¨uhrt. Sie besitzt die wichtige Eigenschaft, daß mit ihr f¨ur diskrete Zeitreihen vielfach ein analytischer Ausdruck in geschlossener Form angegeben werden kann. Dar¨uber hinaus bietet die z-Transformation insbesondere zwei Vorteile: • Bestimmte mathematische Prozesse k¨onnen damit bei diskreten Folgen unter Ausnutzung bestimmter Theoreme leichter durchgef¨uhrt werden. • Digitalfilter lassen sich anhand ihrer z-Transformierten gezielt entwerfen und klassifizieren. Die z-Transformierte der diskreten Folge x n wird als Funktion der komplexen Variablen z (z = u + iv) wie folgt definiert: Z{xn } = X(z) =
∞ X
xn z n
(2.79)
n=−∞
X(z) ist eine Potenzreihe in z. Aus der Sicht der Funktionentheorie entspricht die z-Transformierte der Laurent-Reihenentwicklung um z 0 = 0. F¨ur rechtsseitige Zeitreihen, d.h. x n = 0 f¨ur n < 0, lautet die z-Transformierte Z{xn } = X(z) = 33
∞ X
n=0
xn z n .
(2.80)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Die einseitige z-Transformierte (2.80) ist eine Taylor-Reihe um z 0 = 0 (MacLaurin-Reihe). Die Taylorsche Reihe ist die zu f (z) geh¨orende Potenzreihe f (z) =
∞ X 1 (n) f (z0 )(z − z0 )n n!
(2.81)
n=0
mit der Bedingung, daß f (n) (z) in der Umgebung von z0 existiert, d.h. f (z) im Punkt z0 analytisch ist. Unter einer MacLaurinschen Reihe versteht man die Entwicklung einer Funktion in eine Taylorsche Reihe um z0 = 0. Besitzt die einseitige Zeitreihe x n nur endlich viele St¨utzstellen, dann ist die z-Transformierte das Polynom N X xn z n . (2.82) Z{xn } = X(z) = n=0
Die z-Transformierte der linksseitigen Folge x n (xn = 0 f¨ur n ≥ 0) lautet −1 X
X(z) =
n
xn z =
n=−∞
∞ X
n=1
x−n z −n .
(2.83)
Im allgemeinen konvergiert die z-Transformierte einer Folge x n nicht f¨ur alle z-Werte; vielmehr l¨aßt sich f¨ur jede Folge ein Bereich angeben, f¨ur den die z-Transformierte konvergiert und in dem sie eine regul¨are Funktion darstellt. Die z-Transformierte konvergiert f¨ur die z-Werte mit r = |z|, f¨ur die ∞ X
n=−∞
|xn r n | ≤ c < ∞
(2.84)
ist. F¨ur Folgen endlicher L¨ange konvergiert die z-Transformierte X(z) =
n2 X
xn z n ,
(2.85)
n=n1
falls |xn | < ∞ f¨ur n1 ≤ n ≤ n2 . z kann alle Werte annehmen mit Ausnahme von z = ∞, falls n2 > 0 und z = 0, falls n1 < 0 ist. Rechtsseitige Folgen konvergieren im Inneren eines Kreises ¨ |z| < rmax mit der Ausnahme von z = 0, falls n1 < 0. Linksseitige Folgen konvergieren im Außeren eines Kreises |z| > rmin mit der Ausnahme von z = ∞, falls n2 > 0. Bei zweiseitigen Folgen X(z) =
∞ X
n
xn z =
n=−∞
−1 X
n=−∞
n
xn z +
∞ X
xn z n
(2.86)
n=0
ist die erste Summe der rechten Seite die z-Transformierte einer linksseitigen Folge, die f¨ur |z| > r min konvergiert; die zweite Folge in (2.86) ist rechtsseitig und konvergiert f¨ur |z| < r max . Falls rmin < rmax ist, so konvergiert die z-Transformierte der zweiseitigen Folge innerhalb des Ringgebietes, das durch rmin < |z| < rmax bestimmt wird.
2.6.7 Theoreme der z-Transformation Es sei X(z) = Z{xn } und Y (z) = Z{yn }. 34
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
1. Linearit¨at (a, b = const): axn + byn
◦−•
aX(z) + bY (z)
(2.87)
xn+N
◦−•
z −N X(z)
(2.88)
◦−•
z N X(z)
(2.89)
◦−•
X(az)
(2.90)
d X(z) dz
(2.91)
2. Vorschub (N = const):
3. Verz¨ogerung (N = const): xn−N 4. Multiplikation mit an (a = const): an xn 5. Multiplikation mit n: nxn
◦−•
z
6. Zeitliche Umkehr:
1 z
x−n
◦−•
X
xn ∗ y n
◦−•
X(z)Y (z)
7. Faltung:
(2.92)
(2.93)
2.6.8 Die inverse z-Transformation Ein einfacher Weg, um aus der z-Transformierten X(z) die zugeh¨ x n zu bestimmen, ist P∞ orige Folge n die Entwicklung von X(z) in eine Potenzreihe in z: X(z) = n=−∞ an z . Bei gegebenem Konvergenzbereich sind die auftretenden Koeffizienten a n eindeutig bestimmt und entsprechen der inversen z-Transformierten xn . Eine andere M¨oglichkeit zur Bestimmung der inversen z-Transformierten ergibt sich aus der Tatsache, daß die zweiseitige z-Transformierte eine Laurent-Reihe ist. Die Entwicklungskoeffizienten einer komplexen Funktion in eine solche Reihe sind gegeben durch I 1 X(z) xn = dz , n = 0, ±1, ±2, . . . (2.94) 2πi z n+1 C
Der geschlossene Integrationsweg C ist innerhalb des Konvergenzbereiches so zu legen, daß die in C liegenden Singularit¨aten des Integranden zX(z) n+1 im mathematisch positiven Umlaufsinn umschlossen werden. Dann kann das obige Integral mittels des Residuensatzes ausgewertet werden. Siehe dazu Kapitel 6.
2.7 Die Laplace-Transformation Die Konvergenz des Fourierintegrals versagt in einigen sehr wichtigen F¨allen. Sie l¨aßt sich jedoch erzwingen, indem man anstelle von x(t) die Funktion x(t) e −αt transformiert. Dieser Ansatz f¨uhrt 35
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
auf die Laplace-Transformation, durch die eine komplexwertige Funktion x(t) der reellen Variablen t mittels Z∞ X(p) = x(t) e−pt dt (2.95) 0
in eine Funktion der komplexen Variablen p transformiert wird, deren imagin¨arer Teil die Kreisfrequenz ω ist: p = α+iω. Im Vergleich zur Fourier-Transformation ist e −αt ein die Konvergenz erzwingender Faktor. In Gleichung (2.95) wird zugrunde gelegt, daß x(t) = 0 ist f¨ur t < 0 (Kausalit¨at). Die eingef¨uhrte Laplace-Transformation ist eine Funktion der komplexen Variablen p und existiert nur f¨ur Re{p} = α > αmin , d.h. in dem Teil der p-Ebene, der rechts der Konvergenzabszisse α min liegt. Dabei ist die Konvergenzabszisse α min so definiert, daß f¨ur jede Konstante α > α min der Grenzwert von x(t) e−αt f¨ur t → ∞ verschwindet. F¨ur p-Werte links der Konvergenzhalbebene hat Gleichung (2.95) keinen Sinn. Vergleicht man die Laplace-Transformierte einer kausalen Zeitfunktion x(t) mit der Fourier-Transformierten derselben Funktion, so scheinen beide f¨ur p = iω identisch zu sein. Dies gilt nur dann, wenn die imagin¨are Achse innerhalb des Konvergenzbereiches liegt. Ist α min > 0, dann liegt die imagin¨are Achse in jenem Bereich der p-Ebene, f¨ur den die Laplace-Transformierte nicht existiert. Eine Fourier-Transformierte gibt es in diesem Fall nicht. Mit funktionentheoretischen Methoden l¨aßt sich die Umkehrungsformel zu Gleichung (2.95) gewinnen, die es gestattet, die Originalfunktion x(t) zu berechnen, wenn ihre Transformierte X(p) bekannt ist: C+i∞ Z 1 X(p) ept dp (2.96) x(t) = 2πi C−i∞
Der Integrationsweg ist l¨angs einer Parallelen zur imagin¨aren Achse der p-Ebene zu f¨uhren, derart, daß alle Singularit¨aten der Funktion X(p) links des Integrationsweges liegen, d.h. links der Geraden Re{p} = C. Die Laplace-Transformation ist zwar weniger anschaulich als die Fourier-Transformation, sie bietet aber den Vorteil, daß mit ihr oft eleganter und einfacher gerechnet werden kann.
2.7.1 Theoreme der Laplace-Transformation X(p) sei die Laplace-Transformierte von x(t), Y (p) die Laplace-Transformierte von y(t). 1. Linearit¨at, Additionstheorem (a, b = const): ax(t) + by(t)
◦−•
aX(p) + bY (p)
(2.97)
x(t) ∗ y(t)
◦−•
X(p) · Y (p)
(2.98)
X(p) p
(2.99)
2. Konvolutionstheorem:
3. Integrationstheorem:
Z
t
x(t0 ) dt0
0
◦−•
4. Verschiebungstheorem (τ = const): x(t − τ )
◦−• 36
e−τ p X(p)
(2.100)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE ¨ 5. Ahnlichkeitstheorem (a = const > 0): p 1 X a a
◦−•
x(at)
(2.101)
6. D¨ampfungstheorem (a = const): e−at x(t)
◦−•
X(p + a)
7. Multiplikationstheorem: tn x(t)
(−1)n
◦−•
(2.102)
dn X(p) dpn
(2.103)
8. Divisionstheorem (g¨ultig, falls 1t x(t) transformierbar ist): 1 x(t) t
◦−•
Z∞
X(s) ds
(2.104)
p
9. Differentiationstheorem: dn x(t) dtn (ν)
◦−•
wobei x0 = limt→0+
(0)
(n−2)
pn X(p) − pn−1 x0 − . . . − px0
dν x(t) dtν
(n−1)
− x0
,
(2.105)
ist.
Das letzte Theorem ist eine der wesentlichen Grundlagen f¨ur die Anwendung der LaplaceTransformation auf Anfangswertprobleme gew¨ohnlicher Differentialgleichungen.
2.8 Fenster- und Gewichtsfunktionen In der geophysikalischen Praxis spielen zeitlich begrenzte Beobachtungen eine dominierende Rolle. Im folgenden werden daher die Auswirkungen der Beschr¨ankung auf endliche Intervall¨angen f¨ur determinierte nichtperiodische unbegrenzte Vorg¨ange dargestellt. Die Beschr¨ankung auf ein zeitlich begrenztes Intervall der L¨ange T bedeutet anschaulich eine Multiplikation des zeitlich nichtbegrenzten Signals s(t), −∞ < t < ∞, mit der Rechteckfunktion (boxcar function) ( 1 f¨ur |t| ≤ T2 wR (t) = , (2.106) 0 f¨ur |t| > T2 das heißt sT (t) = s(t) · wR (t) .
(2.107)
Nach dem Faltungstheorem entspricht dieser Gleichung im Frequenzbereich das Faltungsintegral ST (f ) =
Z∞
−∞
S(g)WR (f − g) dg , 37
(2.108)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
wobei ST (f ), S(f ) und WR (f ) die Fourier-Transformierten von s T (t), s(t) und wR (t) sind. WR (f ) l¨aßt sich leicht berechnen und ergibt sich zu sin πf T . πf T
WR (f ) = T
(2.109)
F¨ur kleines T gibt ST (f ) im allgemeinen ein stark verwaschenes Bild des tats¨achlichen Spektrums S(f ), da dann das Spektralfenster W R (f ) relativ breit ist, und daher Spektralwerte, die weit entfernt von einem bestimmten f0 sind, noch zu ST (f0 ) beitragen. Diesen Effekt nennt man leakage (“Durchsickern“). Mit wachsendem T wird die Sch¨atzung des Spektralwertes besser, und f¨ur T → ∞ strebt WR (f ) gegen den Dirac’schen Deltaimpuls und S T (f0 ) stimmt mit S(f0 ) u¨ berein. Die aus einem begrenzten Intervall berechneten Spektren ergeben also nicht das wahre Spektrum, sondern sind lediglich eine Sch¨atzung des Faltungsintegrals (2.108). Die zeitliche Begrenzung der zu analysierenden Funktion hat zur Folge, daß man das wahre Spektrum wie durch einen breiten Spalt sieht. Durch diese Gl¨attung sind benachbarte Spektralanteile schlechter voneinander zu trennen. Dar¨uber hinaus k¨onnen nichtexistierende Spektralanteile vorget¨auscht werden. Siehe dazu Abbildung 2.22 auf der n¨achsten Seite.
2.8.1 Gegen ¨uberstellung verschiedener Gewichtsfunktionen Das spektrale Aufl¨osungsverm¨ogen und das Vort¨auschen nichtrealer Spektralanteile h¨angen sowohl von der Fensterbreite als auch von der Form des benutzten Fensters ab. Vor allem bewirken Diskontinuit¨aten am Anfang und Ende der gew¨ahlten Gewichtsfunktion hohe Nebenmaxima im Spektrum. Es ist daher vorteilhaft, anstelle der Rechteck-Gewichtsfunktion andere Fenster zu benutzen, deren Spektren ein m¨oglichst scharfes Hauptmaximum bei stark reduzierten Nebenmaxima besitzen. Das sind jedoch zwei kontr¨are Forderungen, zwischen denen lediglich Kompromißl¨osungen m¨oglich sind. Im Prinzip existiert eine Vielzahl m¨oglicher Kriterien zur Bestimmung geeigneter Gewichtsfunktionen. So sind z.B. die Minimierung der effektiven Signaldauer (Berkhout, 1973) oder auch die Minimierung der Nebenmaxima (Chebychev) sinnvolle Ans¨atze. Andere Kriterien basieren auf Fehler und/oder Varianz der Spektralsch¨atzung (Papoulis, 1973). Von der Vielzahl der m¨oglichen Gewichtsfunktionen werden vier Gewichtsfunktionen, die sich als zweckm¨aßig erwiesen haben, gegen¨ubergestellt: 1. Rechteck-Gewichtsfunktion: ( wR (t) =
1, 0,
|t| ≤ M |t| > M
◦−•
2. Bartlett- oder Dreieck-Gewichtsfunktion: ( |t| 1− M , |t| ≤ M wB (t) = ◦−• 0, |t| > M
WR (f ) = 2M
WB (f ) = M
sin 2πf M 2πf M
sin πf M πf M
2
(2.110)
(2.111)
3. Tukey- oder Hanning-Gewichtsfunktion: wT (t) =
(
1 2
0,
πt 1 + cos M ,
|t| ≤ M |t| > M
◦−• WT (f ) = M 38
1 sin 2πf M (2.112) 2πf M 1 − (2πf M )2
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.22: Gegen¨uberstellung der Spektren einer unendlich langen und einer zeitlich begrenzten monochromatischen Cosinusfunktion. a) zeitlich nicht begrenzte Cosinusfunktion der Frequenz f 0 = 50Hz, b) Spektrum der Funktion aus (a), c) zeitlich begrenzte Cosinusfunktion der L¨ange 0.2s, d) Spektrum der Funktion aus (c).
4. Parzen-Gewichtsfunktion:
wP (t) =
1 − 6
2 1− 0,
t 2 + M 3 |t| M ,
6
|t| M
3
,
|t| ≤ M 2
M 2
< |t| ≤ M |t| > M 39
◦−•
3 WP (f ) = M 4
sin πf M 2 πf M 2
!4
(2.113)
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.23: Verschiedene Gewichtsfunktionen a) und ihre Spektren b). Bei gleicher Fensterl¨ange besitzt das Rechteckfenster das gr¨oßte und die Parzenfunktion das geringste Aufl¨osungsverm¨ogen
Die Gewichtsfunktionen sind reelle, gerade Funktionen, w(t) = w(−t), f¨ur die das Phasenspektrum Null bzw. 180◦ ist. Da die Spektren der Bartlett- und Parzengewichtsfunktion stets positiv sind, erm¨oglichen diese Gewichtsfunktionen phasentreue Spektralbestimmungen, dagegen kann die Anwendung der Rechteck- oder Tukey-Gewichtsfunktion zu Phasenumkehrungen f¨uhren. Das Spektrum der Rechteckgewichtsfunktion besitzt das sch¨arfste Hauptmaximum, aber auch die gr¨oßten Nebenmaxima. Die Spektralfenster der Rechteck-, Bartlett- und Parzengewichtsfunktion sind von der Form
W (f ) =
sin 2πf M n 2πf
M n
!n
,
n = 1, 2, 4 ; M =
T . 2
(2.114)
Wachsendes n bedeutet Abnahme der H¨ohe der Nebenmaxima, aber gleichzeitig Verbreiterung des n Hauptmaximums, da die erste Nullstelle bei f = 2M liegt. Den Effekt der unterschiedlichen Fensterbreite und der Fenstergestalt zeigt Abbildung 2.24. 40
KAPITEL 2. SPEKTRALANALYSE
Abbildung 2.24: Der Einfluß von L¨ange und Gestalt der Gewichtsfunktion (links) auf das berechnete Signalspektrum (rechts). a) vorgegebenes Spektrum einer Zeitfunktion, bestehend aus zwei periodischen Anteilen der Frequenz 1Hz und 2Hz, d.h. ∆f = 1Hz, b) Spektrum bei Anwendung des Recht1 eckfensters der L¨ange T = ∆f , c) wie (b), jedoch doppelte Fensterl¨ange, d) und e) Spektren bei der Anwendung der Tukey- und Parzengewichtsfunktion, Fensterl¨ange wie bei (c).
41
Kapitel 3
Reelle und analytische Signale 3.1 Definition des Hauptwertintegrals Rb Die Integration a f (t) dt ist unter der Bedingung definiert, daß die Funktion f (t) beschr¨ankt und das Integrationsintervall endlich ist. Die Motivation zur Einf¨uhrung des Hauptwertintegrals besteht in der Erweiterung der Integraldefinition auf unbeschr¨ankte Funktionen f (t) und unbeschr¨ankte Grenzen a und b. Man spricht in diesen F¨allen von uneigentlichen Integralen. 1. Unbeschr¨ankte Funktion: f (t) sei in der Umgebung des inneren Punktes c im Intervall (a, b) unbeschr¨ankt. Dann ist laut Definition c− Zb Z 1 Zb f (t) dt = lim f (t) dt + lim f (t) dt , (3.1) 1 →0+
a
2 →0+ c+2
a
falls die Integrale der rechten Seite von Gleichung (3.1) existieren. Die beiden Grenzwerte sind einzeln zu berechnen, d.h. 1 und 2 gehen unabh¨angig voneinander gegen Null. Bildet man dagegen c− Zb Z f (t) dt , (3.2) lim f (t) dt + →0+ c+
a
so nennt man den Grenzwert, falls er existiert, den Cauchyschen Hauptwert des Integrals und bezeichnet das Integral mit
V.p.
Zb
f (t) dt
oder
PV
a
Zb
f (t) dt
oder
a
2. Unbeschr¨ankte R ∞Grenzen: Das Integral −∞ f (t) dt bedeutet eigentlich lim
lim
f (t) dt .
(3.3)
a
Za2
a1 →∞ a2 →∞ −a1
43
P
Zb
f (t) dt ,
(3.4)
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
d.h. a1 und a2 streben unabh¨angig voneinander gegen ∞. Der spezielle Grenzwert lim
Za
a→∞ −a
f (t) dt
(3.5)
heißt, falls er existiert, Hauptwert des Integrals. Die Bezeichnung erfolgt wie unter 1. Anstelle der Bezeichnung Hauptwertintegral findet man auch die Namen Cauchyscher Hauptwert, Hauptwert des Integrals oder auch einfach Hauptwert. Oft wird bei uneigentlichen Integralen ohne eine besondere Kennzeichnung vorausgesetzt, daß es sich um den Hauptwert des Integrals handelt.
3.2 Definition des Analytischen Signals Das Analytische Signal F (t) ist definiert als 1 F (t) = π
Z∞
ˆ f(ω) eiωt dω ,
0
Im{t} ≥ 0 .
(3.6)
Man vergleiche diese Definition mit der alternativen Darstellung der Fouriertransformation reeller Signale (2.26). F (t) bezeichnet man als das Analytische Signal der reellen Funktion f (t); es ist definiert f¨ur reelle t und f¨ur komplexe t mit nicht-negativem Imagin¨arteil. Das analytische Signal hat folgende Eigenschaften: • F (t) ist eindeutig f¨ur Im{t} > 0. • F (t) ist stetig f¨ur Im{t} ≥ 0, analytisch f¨ur Im{t} > 0. • F (t) verschwindet f¨ur Im{t} → ∞. F¨ur reelle Signale, d.h. t und f (t) reell, gilt: Der Realteil des analytischen Signals F (t) ist das Signal f (t) selbst, d.h. Re{F (t)} = f (t). Der Imagin¨arteil des analytischen Signals multipliziert mit −1 ist die Hilbert-Transformierte des reellen Signals, die im n¨achsten Abschnitt eingef¨uhrt wird. Das analytische Signal l¨aßt sich also f¨ur reelle t schreiben als ∞ ∞ 1 Z 1 Z ˆ ˆ (3.7) f(ω) eiωt dω + i Im f(ω) eiωt dω = f (t) − i H{f (t)} F (t) = Re π π 0
0
3.3 Die Hilbert-Transformation
Die Hilbert-Transformation wird durch die folgenden Gleichungen auf drei verschiedene Arten definiert: 1. Definition:
1 Z∞ H{f (t)} = Im − fˆ(ω) eiωt dω π 0
44
(3.8)
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
2. Definition: i H{f (t)} = 2π
Z∞
ˆ f(ω) sgn(ω) eiωt dω
(3.9)
−∞
3. Definition: 1 1 H{f (t)} = − ∗ f (t) = V.p. πt π
Z∞
−∞
f (ξ) dξ ξ−t
(3.10)
Das Amplitudenspektrum der Hilberttransformierten einer Funktion f (t) und das Amplitudenspektrum der Fouriertransformierten fˆ(ω) sind gleich, die Spektren unterscheiden sich nur in der Phase. Das Phasenspektrum ist um 90◦ verschoben (phase shift), was einer Multiplikation mit der imagin¨aren Einheit i entspricht. ˆ F¨ur die Fouriertransformierte f(ω) einer kausalen Funktion f (t) gilt: n n o o ˆ ˆ (3.11) und Re{f(ω)} = −H Im f(ω) Im{fˆ(ω)} = H Re fˆ(ω) Wie man anhand von Gleichung (3.10) sieht, ist die Hilberttransformierte einer Funktion f (t) f¨ur alle t definiert, auch f¨ur t, bei denen f (t) eventuell verschwindet. Das bedeutet, daß die Hilberttransformierte einer kausalen Funktion f (t) nicht kausal sein muß! Eine zweimalige Anwendung der Hilberttransformation auf eine Funktion f (t) liefert H H{f (t)} = −f (t) . (3.12)
3.3.1 Einige Eigenschaften der Hilbert-Transformation
Es sei g(t) die Hilberttransformierte von f (t), d.h. g(t) = H{f (t)}. Dann gilt: • Linearit¨at, Addition (a, b = const): af1 (t) + bf2 (t)
⇐⇒
ag1 (t) + bg2 (t)
(3.13)
f (at)
⇐⇒
g(at)
(3.14)
f (t − τ )
⇐⇒
g(t − τ )
(3.15)
⇐⇒
Z∞
g(t)g ∗ (t) dt
(3.16)
Z∞
g(t0 )g ∗ (t0 − t) dt0
(3.17)
¨ • Ahnlichkeit (a = const): • Verschiebung (τ = const): • Parseval:
Z∞
f (t)f ∗ (t) dt
−∞
−∞
• Autokorrelation: Z∞
−∞
0
∗
0
f (t )f (t − t) dt
0
⇐⇒
45
−∞
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
• Konvolution:
f1 (t) ∗ f2 (t)
⇐⇒
−g1 (t) ∗ g2 (t)
(3.18)
FT a)
b)
HT
FT
c)
d)
HT
FT e)
f)
Abbildung 3.1: Zur Hilberttransformation. Linke Spalte: Vorgegebene Funktion und zwei aufeinanderfolgende Hilberttransformationen; rechte Spalte: korrespondierende Fouriertransformationen.
46
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
3.4 Complex seismic trace analysis - Ein Anwendungsbeispiel In der Seismik kann man durch Auswertung analytischer anstatt reeller Signale Zusatzinformationen erhalten, die, verbunden mit empirischen Beobachtungen, Interpretationshilfen geben. Es werden Entscheidungen erleichtert, ob Kontinuit¨aten, Anomalien oder Spr¨unge vorliegen, außerdem l¨aßt sich die Datenqualit¨at besser bewerten. Der Vorteil beim Verwenden von analytischen Signalen liegt neben der vereinfachten Mathematik (Singularit¨aten werden vermieden) unter anderem darin, daß lokale Informationen bewahrt werden, wogegen die Fouriertransformation gemittelte Eigenschaften eines Spurabschnittes auswertet. Die Darstellung einer komplexen Spur mit ihrem Real- und Imagin¨arteil geht aus Abbildung 3.2 hervor.
time quadrature trace (imaginary)
actual seismic trace (real)
complex seismic trace
Abbildung 3.2: Isometrisches Diagramm einer komplexen seismischen Spur. Die reelle seismische Spur (actual seismic trace) f (t) l¨aßt sich in Abh¨angigkeit von Amplitude und Phase schreiben als f (t) = A(t) cos Θ(t) . (3.19) Einige beim Betrachten von analytischen Signalen wichtige Gr¨oßen sind: 1. Imagin¨are Spur (quadrature trace): g(t) = H{f (t)} = A(t) sin Θ(t)
(3.20)
2. Analytisches Signal / komplexe Spur: F (t) = f (t) − ig(t) = A(t) e−iΘ(t)
(3.21)
3. Betrag (reflection strength), Einh¨ullende: A(t) = |F (t)| = 47
p f 2 (t) + g 2 (t)
(3.22)
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
4. Momentane Phase (instantaneous phase): Θ(t) = arctan
g(t) f (t)
(3.23)
¨ 5. Zeitliche Anderung der Phase (instantaneous frequency): ω(t) =
dΘ(t) dt
(3.24)
a)
b)
c)
d)
Abbildung 3.3: Zerlegung einer komplexen seismischen Spur in a) Realteil mit Einh¨ullender, b) Imagin¨arteil mit Einh¨ullender und c) Phase Θ(t). In d) sieht man die instantaneous frequency mit gewichteter mittlerer Frequenz.
3.5 Berechnung des Analytischen Signals 3.5.1 Berechnung mit Hilfe der Hilberttransformation Wir wir bereits kennengelernt haben, h¨angt das Analytische Signal einer reellen Funktion eng mit der Hilberttransformation zusammen: Re{F (t)} = f (t) Im{F (t)} = −H{f (t)} H Im{F (t)} = Re{F (t)}
Das Analytische Signal l¨aßt sich also einfach nach Gleichung (3.7) berechnen. 48
(3.25)
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
3.5.2 Berechnung im Frequenzraum ˆ Man multipliziere die Fouriertransformierte f(ω) von f (t) f¨ur negative Frequenzen mit Null und f¨ur positive Frequenzen mit 2 und transformiere die so entstandene Funktion zur¨uck in den Zeitbereich: 1 F (t) = π
Z∞
ˆ f(ω) eiωt dω
(3.26)
0
Die o.g. Manipulation der Fouriertransformierten l¨aßt sich formal einfach mit der mit 2 multiplizierten Heaviside-Funktion durchf¨uhren.
3.5.3 Berechnung durch Konvolution Das Analytische Signal l¨aßt sich auch u¨ ber eine Konvolution berechnen: F (t) = f (t) ∗ ∆(t)
(3.27)
Bei der Funktion ∆(t) handelt es sich um das Analytische Signal der bereits besprochenen Dirac’schen Deltafunktion δ(t): 1 ∆(t) = π
Z∞ 0
e
iωt
dω =
(
δ(t) +
i πt
i πt
f¨ur reelle t f¨ur komplexe t mit Im{t} > 0
(3.28)
3.6 Modellsignale in der Seismik Die Theorie seismischer Signale (Pulse, Wavelets) ist ein umfangreiches Teilgebiet der seismischen Erkundung. Im einfachsten Fall einer Kompressionspunktquelle wird das Druckfeld in einem homogenen Vollraum in der Entfernung R vom Zentrum beschrieben durch f t− Φ(R, t) = R
R c
,
(3.29)
wobei c die Ausbreitungsgeschwindigkeit und f (t) ein beliebiges kausales Signal ist. In Abbildung 3.4 sind einige gebr¨auchliche physikalische Signale dargestellt. Gew¨unscht sind m¨oglichst kurze, also breitbandige, und sehr stark physikalische Quellsignale, d.h. eine Approximation der Dirac’schen Deltafunktion. Doch auch Signale, deren Autokorrelation eine Deltafunktion approximiert, sind erw¨unscht, da z.B. Korrelationstechniken zur Signalkompression angewendet werden k¨onnen. In Abbildung 3.5 ist die Autokorrelationsfunktion eines Vibroseis-Signals dargestellt. Diese Funktion hat einen speziellen Namen, sie wird Klauder-Wavelet genannt. Selbstverst¨andlich besteht der Wunsch, die in situ beobachteten Signale durch einfache mathematische Modellsignale zu beschreiben. Die Modellsignale sollen einfache Funktionen sein und einfache Attribute (Spektrum, Hilberttransformierte, Autokorrelation, Hauptfrequenz, Bandbreite, Pulsl¨ange, etc.) haben. Dabei l¨aßt man auch gerne die Einschr¨ankung fallen, daß ein Modellsignal unbedingt kausal sein soll. 49
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
a) Landseismik Signal
b) Seeseismik Signal - Airgun Signature -
c)
Vibroseis (UPSWEEP)
d) Zufallssignal (Mini-Sourci)
Abbildung 3.4: Gebr¨auchliche physikalische Signale.
Abbildung 3.5: Autokorrelationsfunktion eines Vibrosignals: Klauder-Wavelet.
50
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
Folgende Modellsignale haben in der Seismik eine gewisse Popularit¨at erlangt und werden daher oft benutzt. a) Nicht-kausale Signale: 1. Rayleigh-Signal: b (t) =
1 π t2 + 2
2. Gabor-Signal: x(t) = cos(2πfM t + ν) e
−
(3.30) “
2πfM t γ
”2
,
wobei fM die Hauptfrequenz des Signals, ν die Verschiebung und D¨ampfungsterm ist. 3. Ricker-Signal (normierte zweite Ableitung der Gauss’schen Glockenkurve): 2 x(t) = 1 − 2(βt)2 e−(βt)
(3.31) 2πfM t γ
ein
(3.32)
b) Kausale Signale:
4. Berlage-Signal: x(t) = tN sin(2πfM t + ν) e−βt 5. K¨upper-Signal: x(t) = sin
N πt πN t − sin (N + 2) γ N +2 γ
(3.33)
(3.34)
Alle Parameter in obigen Formeln, d.h. , ν, γ, β, f M und N , k¨onnen beliebig gew¨ahlt werden. Oft braucht man von einem Signal die Hilberttransformierte. Nur der Rayleigh-Puls hat eine einfache Hilberttransfromierte, gegeben durch H{b (t)} = h (t) = −
t 1 . 2 π t + 2
(3.35)
F¨ur große fM hat auch das Gabor-Signal eine einfache Approximation der Hilberttransformierten, gegeben durch 2 F − 2π γM t2 . (3.36) H{x(t)} = − sin(2πfM t + ν) e
F¨ur das (immer noch) h¨aufig benutzte Ricker-Wavelet gibt es keine analytische Hilberttransformierte. F¨ur die Berlage- und K¨upper-Signale existiert sie zwar, ist jedoch nur a¨ ußerst kompliziert zu beschreiben.
51
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
Re(f(t))
|f(t)|
Im(f(t))
phase Re(f(t)) Im(f(t))
a)
b)
|f(t)| Spektrum
0 Hz
c)
25 Hz
60 Hz
d)
Abbildung 3.6: Ricker-Wavelet (25Hz). a) Real- und Imagin¨arteil, Betrag und Phase; b) Real- und Imagin¨arteil; c) Polardarstellung des Betrages; d) Spektrum.
3.6.1 Details zum Rayleigh-Puls Aus dem Rayleigh-Puls (3.30) und seiner Hilberttransformierten (3.35) l¨aßt sich ein analytisches Wavelet t i B (t) = +i 2 = (3.37) π(t2 + 2 ) π(t + 2 ) π(t + i) aufbauen, dessen n-te Ableitungen ebenfalls analytische Signale sind: B(n) (t) =
n! i (n) (−1)n = b(n) + ih π (t + i)n+1 (n)
(3.38)
(n)
Es folgt, daß sich die Einh¨ullende von b und h darstellen l¨aßt als n d n! i (n) = |B (t)| = n n+1 , dt π(t + i) π(t2 + 2 ) 2
(3.39)
deren Maximum bei t = 0 gleich
|B(n) (0)| = 52
n! πn+1
(3.40)
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
ist. Normiert man das analytische Signal (3.38) mit (3.40), so ergibt sich das normierte analytische Wavelet i (n) n . (3.41) N B (t) = (−1) (i + t )n+1 π
Multipliziert man dieses Signal mit C = e iα und nutzt i = ei 2 , so ergibt sich schließlich das verallgemeinerte analytische Wavelet (n) N B,α (t)
1
π
= (−1)n ei(α+ 2 )
(i + t )n+1
.
(3.42)
Bemerkung: Wie man leicht sieht, ist B (t) = ∆(t + i), d.h. bei der Definition obiger analytischer Signale kommt eine komplexe Zeit als Argument der ∆-Funktion ins Spiel. In obigen Formeln l¨aßt sich ersetzen durch =
n , 2πfM
(3.43)
¨ wobei fM wieder die sog. Hauptfrequenz ist. Sie resultiert aus folgender Uberlegung: (n) Das Fourierspektrum von B ist ˆ(n) (ω) = 2(iω)n e−ω h(ω) B
(3.44)
mit h(ω) als Heaviside-Funktion. Sucht man das Maximum ω M dieses Spektrums, so folgt aus d ω n e−ω = (n − ω) ω n−1 e−ω , dω n
daß n − ωM = 0 ist und mit ωM = 2πfM = Die Funktionen
(n) B
ω > 0, n > 0 ,
(3.45)
resultiert Gleichung (3.43).
werden als analytische Rayleigh-Wavelets n-ter Ordnung bezeichnet.
3.7 Energie und L¨ ange eines Signals Die Energie eines beliebigen Signals x(t) definiert man als Z∞
Ex =
−∞
|x(t)|2 dt
und dessen L¨ange in Bezug auf die Referenzzeit t 0 als v u u 1 Z∞ u (t − t0 )2 |x(t)|2 dt . L(t0 ) = t Ex
(3.46)
(3.47)
−∞
Die normierte L¨ange schließlich erh¨alt man dann, wenn man t 0 = tw setzt mit 1 tw = Ex
Z∞
−∞
t |x(t)|2 dt .
53
(3.48)
KAPITEL 3. REELLE UND ANALYTISCHE SIGNALE
3.7.1 Anwendung auf den analytischen Rayleigh-Impuls (n)
Berechnet man die Energie EB und die L¨ange LB des analytischen Rayleigh-Pulses B (t), so ergibt sich 2 (2n)! (3.49) EB = π (2)2n+1 bzw.
LB = √ . 2n − 1
54
(3.50)
Kapitel 4
Legendre-Polynome und Kugelfl¨ achenfunktionen 4.1 Legendresche Polynome Das Legendre-Polynom Pn (x), −1 ≤ x ≤ 1, ist die einzige linear unabh¨angige L¨osung der Legendreschen Differentialgleichung (1 − x2 )y 00 (x) − 2xy 0 (x) + n(n + 1)y(x) = 0 ;
n ∈ N0 ,
(4.1)
die in x = −1 und x = 1 beschr¨ankt ist. Es gibt verschiedene Wege die Legendreschen Polynome zu berechnen, die im folgenden aufgez¨ahlt werden: 1. Formel von Rodriguez: Pn (x) = 2. Summendefinition: Pn (x) =
t X j=0
1 dn 2 n (x − 1) 2n n! dxn
(2n − 2j)! xn−2j ; (−1)j n 2 j! (n − j)! (n − 2j)!
t=
(4.2)
(
n 2, n−1 2 ,
n gerade n ungerade
(4.3)
3. Erste Rekursionsformel (P0 (x) = 1, P1 (x) = x): (n + 1)Pn+1 (x) = (2n + 1)xPn (x) − nPn−1 (x)
(4.4)
4. Zweite Rekursionsformel (P0 (x) = 1, P1 (x) = x): d Pn+1 (x) − Pn−1 (x) = (2n + 1)Pn (x) dx
(4.5)
5. Dritte Rekursionsformel (P0 (x) = 1): (x2 − 1)
d Pn (x) = n xPn (x) − Pn−1 (x) dx
Wichtige Eigenschaften der Legendre-Polynome sind: 55
(4.6)
¨ KAPITEL 4. LEGENDRE-POLYNOME UND KUGELFL ACHENFUNKTIONEN
• Pn (x) ist ein Polynom n-ten Grades in x mit |P n (x) ≤ 1|. • Pn (−x) = (−1)n Pn (x). • Pn (x) ist linear unabh¨angig von Pm (x) f¨ur n 6= m. • Die Legendreschen Polynome bilden ein orthogonales Funktionensystem: ( Z1 1, n = m 2 Pn (x) Pm (x) dx = δnm mit δnm = 2n + 1 0, n = 6 m
(4.7)
−1
Die normierten Legendreschen Polynome ergeben sich aus √ P n (x) = 2n + 1 Pn (x)
(4.8)
mit der Eigenschaft Z1
P n (x) P m (x) dx = 2δnm .
(4.9)
−1
Unter der Entwicklung einer quadratisch integrierbaren Funktion f (x), −1 ≤ x ≤ 1, nach Legendreschen Polynomen versteht man die Reihenentwicklung f (x) =
∞ X
An Pn (x) =
∞ X
An P n (x)
(4.10)
n=0
n=0
mit den Koeffizienten 2n + 1 An = 2
Z1
f (ξ) Pn (ξ) dξ
−1
bzw.
An An = √ . 2n + 1
Abbildung 4.1: Legendresche Polynome P 0 (x) bis P4 (x). 56
(4.11)
¨ KAPITEL 4. LEGENDRE-POLYNOME UND KUGELFL ACHENFUNKTIONEN
4.2 Die zugeordneten Legendreschen Polynome Die den Legendreschen Polynomen Pn (x) zugeordneten Funktionen m
Pnm (x) = (1 − x2 ) 2
dm d(n+m) 2 1 2 m 2 P (x) = (1 − x ) (x − 1)n n m n (n+m) dx 2 n! dx
(4.12)
mit n = 0, 1, 2, . . . und m = 0, 1, . . . , n werden zugeordnete Legendresche Polynome genannt. Sie gen¨ugen der Differentialgleichung
m2 (1 − x )y (x) − 2xy (x) + n(n + 1) − 1 − x2 2
00
0
y(x) = 0 .
(4.13)
Auch f¨ur die zugeordneten Legendreschen Polynome existieren Rekursionsformeln. Sie lauten: 1. Erste Rekursionsformel: x Pn(m+2) (x) − 2(m + 1) √ Pn(m+1) (x) + n(n + 1) − m(m + 1) Pnm (x) = 0 (4.14) 1 − x2
mit den Startwerten
Pn0 (x) = Pn (x)
und
n Pn1 (x) = √ Pn−1 (x) − xPn (x) . 1 − x2
(4.15)
2. Zweite Rekursionsformel: (n − m + 1)P(n+1)m (x) − (2n + 1)xPnm (x) + (n + m)P(n−1)m = 0
(4.16)
mit Pnm (x) = 0 f¨ur m > n. Einige Eigenschaften von zugeordneten Legendre-Polynomen sind: • Es sei n, n ¯ ≥ m ≥ 0: Z1
Pnm (x) Pn¯ m (x) dx =
−1
(n + m)! 2 δn¯n (n − m)! 2n + 1
(4.17)
• Es sei n = 0, 1, 2, . . .; m = 1, 2, . . . , n: Z1
2 Pnm (x) dx =
0
(n + m)! 1 (n − m)! 2n + 1
(4.18)
• Es sei n = 0, 1, 2, . . .; m = 1, 2, . . . , n: Z1 0
2 (x) 1 (n + m)! Pnm dx = 2 1−x 2m (n − m)!
57
(4.19)
¨ KAPITEL 4. LEGENDRE-POLYNOME UND KUGELFL ACHENFUNKTIONEN
Die vollst¨andig normierten zugeordneten Legendreschen Polynome ergeben sich aus √ P n0 (x) = P n (x) = 2n + 1 Pn (x) s (n − m)! Pnm (x), n ≥ m > 0 P nm (x) = 2(2n + 1) (n + m)!
(4.20)
In der Praxis treten fast ausschließlich Probleme auf, f¨ur die x = cos ϑ gesetzt wird. Die zugeordneten Legendreschen Polynome werden dann mit P nm (cos ϑ) bezeichnet. Wir beschr¨anken uns bei allen weiteren Betrachtungen auf diesen Fall.
4.3 Kugelfl¨ achenfunktionen Bei allen folgenden Betrachtungen gehen wir von einem sph¨arischen Koordinatensystem mit den Koordinaten (r, ϑ, λ) aus, wie es in der Geod¨asie, wo Kugelfl¨achenfunktionen eine tragende Rolle spielen, u¨ blich ist. Unter einer Laplace’schen Kugelfl¨achenfunktion n-ten Grades versteht man die Reihe Yn (ϑ, λ) =
n X
(anm cos mλ + bnm sin mλ) Pnm (cos ϑ) .
(4.21)
m=0
Die Laplace’schen Kugelfl¨achenfunktionen erf¨ullen die partielle Differentialgleichung 2. Ordnung (Laplace-Beltrami-DGL) ∂Yn 1 ∂ 2 Yn ∂ 2 Yn + cot ϑ · + + n(n + 1)Yn = 0 . ∂ϑ2 ∂ϑ sin2 ϑ ∂λ2
(4.22)
Rnm (ϑ, λ) = cos mλ · Pnm (cos ϑ)
(4.23)
Snm (ϑ, λ) = sin mλ · Pnm (cos ϑ) ,
(4.24)
Oft setzt man und so daß Yn (ϑ, λ) =
n X
m=0
anm Rnm (ϑ, λ) + bnm Snm (ϑ, λ) .
(4.25)
Die Funktionen Rnm (ϑ, λ) und Snm (ϑ, λ) werden dann ebenfalls als Kugelfl¨achenfunktionen bezeichnet. Man unterscheidet die Kugelfl¨achenfunktionen in • zonale Kugelfl¨achenfunktionen mit m = 0; R n0 (ϑ, λ) = Pn (cos ϑ), unabh¨angig von λ, Nullstellen auf n Breitenkreisen, Unterteilung der Kugel in n + 1 Zonen mit unterschiedlichem Vorzeichen der Funktion. • sektorielle Kugelfl¨achenfunktionen mit m = n; P mm (cos ϑ) ≥ 0, 2π-periodisch in λ, Nullstellen auf 2m Meridianen, Unterteilung der Kugel in 2m Sektoren mit unterschiedlichem Vorzeichen der Funktion. 58
¨ KAPITEL 4. LEGENDRE-POLYNOME UND KUGELFL ACHENFUNKTIONEN
• tesserale Kugelfl¨achenfunktionen mit n 6= m 6= 0; Nullstellen auf n − m Breitenkreisen und 2m Meridianen sowie auf beiden Polen. Die Kugelfl¨achenfunktionen Rnm (ϑ, λ) und Snm (ϑ, λ) bilden ein vollst¨andiges orthogonales Funktionensystem auf der Fl¨ache der Einheitskugel σ: ZZ Rnm (ϑ, λ) Ssr (ϑ, λ) dσ = 0 ∀ n, m, s, r (4.26) ZZ
ZσZ σ
ZZ
σ
Rnm (ϑ, λ) Rsr (ϑ, λ) dσ = 0
f¨ur s 6= n oder r 6= m oder beides
(4.27)
Snm (ϑ, λ) Ssr (ϑ, λ) dσ = 0
f¨ur s 6= n oder r 6= m oder beides
(4.28)
ZZ
2 Rn0 (ϑ, λ)
σ
2 Rnm (ϑ, λ) dσ =
σ
ZZ
dσ =
ZZ
Pn2 (cos ϑ) dσ =
σ
2 Snm (ϑ, λ) dσ =
σ
4π 2n + 1
2π (n + m)! 2n + 1 (n − m)!
Die vollst¨andig normierten Kugelfl¨achenfunktionen ergeben sich aus s (n − m)! Rnm (ϑ, λ) Rnm (ϑ, λ) · , = 2(2n + 1) Snm (ϑ, λ) S nm (ϑ, λ) (n + m)!
(4.29) f¨ur m > 0
(4.30)
m>0.
(4.31)
4.4 Entwicklung nach Kugelfl¨ achenfunktionen Jede auf der Fl¨ache der Einheitskugel stetige Funktion f (ϑ, λ) kann durch eine Reihe nach Kugelfl¨achenfunktionen dargestellt werden: f (ϑ, λ) = = =
∞ X
n=0 ∞ X
Yn (ϑ, λ) n X
n=0 m=0 ∞ X n X
n=0 m=0
(anm cos mλ + bnm sin mλ) Pnm (cos ϑ)
anm Rnm (ϑ, λ) + bnm Snm (ϑ, λ)
(4.32)
Diese Reihe konvergiert gleichm¨aßig und stellt ein zweidimensionales Analogon zur Fourierentwicklung einer periodischen Funktion dar.
59
¨ KAPITEL 4. LEGENDRE-POLYNOME UND KUGELFL ACHENFUNKTIONEN
Die Koeffizienten anm und bnm ergeben sich aus den Orthogonalit¨atsbeziehungen f¨ur Kugelfl¨achenfunktionen: ZZ 2n + 1 an0 = f (ϑ, λ) Pn (cos ϑ) dσ ; n ≥ 0 (4.33) 4π σ
bn0 = 0 ; anm = bnm =
n≥0
(4.34)
2n + 1 (n − m)! · 2π (n + m)! 2n + 1 (n − m)! · 2π (n + m)!
ZZ
f (ϑ, λ) cos mλ Pnm (cos ϑ) dσ ;
n ≥ 1, m 6= 0
(4.35)
f (ϑ, λ) sin mλ Pnm (cos ϑ) dσ ;
n ≥ 1, m 6= 0
(4.36)
σ
ZZ σ
Statt der (nichtnormierten) Kugelfl¨achenfunktionen k¨onnen auch die vollst¨andig normierten zur Entwicklung verwendet werden, d.h. n ∞ X X anm Rnm (ϑ, λ) + bnm S nm (ϑ, λ) f (ϑ, λ) =
(4.37)
n=0 m=0
mit
anm bnm
=
s
1 (n + m)! anm · , bnm 2(2n + 1) (n − m)!
m>0.
(4.38)
Zur Auswertung der Integrale (4.33) - (4.36) mache man sich stets die Orthogonalit¨atsbeziehungen der trigonometrischen Funktionen zu Nutze.
Abbildung 4.2: Veranschaulichung einer Kugelfl¨achenfunktion. Die Kugelfl¨achenfunktion Y 69 (ϑ, λ) wurde einer Kugel vom Radius l0 gem¨aß l(ϑ, λ) = l0 + const · Y69 (ϑ, λ) aufmodelliert. 60
¨ KAPITEL 4. LEGENDRE-POLYNOME UND KUGELFL ACHENFUNKTIONEN
4.5 Entwicklung des Gravitationspotentials der Erde nach Kugelfl¨ achenfunktionen Das Gravitationspotential V (r, ϑ, λ) der Erde l¨aßt sich f¨ur Punkte P außerhalb einer Kugel, die den gesamten Erdk¨orper umschließt, in eine Reihe nach Kugelfl¨achenfunktionen entwickeln. Die Darstellung lautet ( ) ∞ X n X GM a n V (r, ϑ, λ) = 1+ (cnm cos mλ + snm sin mλ) Pnm (ϑ) (4.39) r r n=1 m=0 2
mit der allgemeinen Gravitationskonstanten G = 6.673 · 10 −11 Nkgm2 , der großen Halbachse des Erdellipsoids a ≈ 6.380 · 106 m und der Gesamtmasse des Erdk¨orpers M ≈ 5.99 · 10 24 kg. Die Koeffizienten berechnen sich aus ZZ Z 0 n 1 r 2 cn0 = Pn (ϑ0 ) ρ r 0 sin ϑ0 dr 0 dϑ0 dλ0 , (4.40) M a Ω Z ZZ 0 n r 2(n − m)! cos mλ0 cnm 2 Pnm (ϑ0 ) ρ r 0 sin ϑ0 dr 0 dϑ0 dλ0 . (4.41) = sin mλ0 snm M (n + m)! a Ω
Die Koeffizienten niedrigen Grades haben eine einfache physikalische Bedeutung, die im folgenden erl¨autert wird: • c00 = 1: Hauptterm (Erde in sph¨arischer N¨aherung) • c11 ,s11 ,c10 : Diese Koeffizienten entsprechen mit der großen Halbachse a skalierten Komponenten des Massenmittelpunktes der Erde. Sie verschwinden, wenn das zugrunde liegende Koordinatensystem geozentrisch gelagert ist. Die Koeffizienten zweiten Grades h¨angen alle mit dem Tr¨agheitstensor des Erdk¨orpers zusammen: • c20 : Dieser Koeffizient spiegelt die Erdabplattung wider. ¨ • c22 : Dieser Koeffizient spiegelt die Asymmetrie der Aquatorebene bez¨uglich des Erdaufbaus, ¨ also die asymmetrische Massenverteilung in der Aquatorebene, wider. • c21 ,s21 ,s22 : Diese Koeffizienten h¨angen mit den Deviationsmomenten zusammen. Sie verschwinden, wenn die Haupttr¨agheitsachsen des Erdk¨orpers mit den Koordinatenachsen zusammenfallen. • c30 : Dieser Koeffizient spiegelt die Asymmetrie zwischen der Nord- und S¨udhemisph¨are (“Birnenform“) wider. In der Realit¨at kann nat¨urlich keine Summation bis Unendlich erfolgen, sondern die Reihendarstellung wird nach endlich vielen Termen abgebrochen. Heutzutage wird bis zum Grad n = 360 entwickelt, das entspricht einer Anzahl von (n + 1) 2 ≈ 130000 Termen. Eine tiefergehende Einf¨uhrung in dieses Thema wird in den Vorlesungen “Potentialtheorie“ am Geophysik. Institut oder “Physikalische Geod¨asie“ am Geod¨at. Institut geboten.
61
Kapitel 5
Die Wellengleichung
1 ∂2 −∆ c2 ∂t2
u(~x, t) = 0
(5.1)
5.1 Die elastodynamische Wellengleichung Die Wellengleichung wird im Rahmen der Kontinuumsmechanik behandelt. Dabei werden die Eigenschaften des Mediums und alle physikalischen Gr¨oßen als stetige und f¨ur unsere Zwecke gen¨ugend oft differenzierbare Funktionen angesehen. Die diskrete Struktur der Materie wird nicht ber¨ucksichtigt. Daher versagt die Kontinuumsmechanik in atomaren Dimensionen. Die Wellengleichung wird aus folgenden grundlegenden physikalischen Prinzipien hergeleitet: 1. Beschreibung der Kinematik bei einer Deformation. 2. Beschreibung der Kr¨afte und Spannungen, Definition des Spannungstensors. 3. Aufstellung der Bewegungsgleichung aus dem Newton’schen Gesetz. 4. Das Hook’sche Gesetz und die Naviergleichung. 5. Reduzierung der Naviergleichung zur Wellengleichung.
5.1.1 Die Kinematik der Deformation und der Verzerrungstensor Bei der Wellenausbreitung werden Partikel des Mediums um ihre Gleichgewichtslage ausgelenkt. Diese Auslenkungen kann man mit dem Verschiebungsfeld ~u(~x, t) beschreiben. Dieses Vektorfeld ordnet jedem Punkt ~x im Medium einen Verschiebungsvektor ~u zur Zeit t zu. Die Art der Verformung kann man durch eine Betrachtung des Verschiebungsfeldes an infinitesimal benachbarten Punkten ~x und ~x + d~x beschreiben (siehe Abbildung 5.1). Aus der linearisierten Taylorentwicklung (h¨ohere Terme werden vernachl¨assigt) erh¨alt man ui (~x + d~x, t) = ui (~x, t) +
∂ui dxj = ui (~x, t) + dui . ∂uj
63
(5.2)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
du dx’
u(x)
u(x+dx) dx
x x + dx
O
Abbildung 5.1: Ortsvektoren ~x und ~x + d~x und Verschiebungsvektoren ~u(~x) und ~u(~x + d~x). ∂ui ist ein Tensor und wird Deformationsgradiententensor gennant. Er kann wie folgt umDer Term ∂x j geformt werden: 1 ∂ui ∂uj ∂uj ∂ui 1 ∂ui = + − + (5.3) ∂xj 2 ∂xj ∂xi 2 ∂xj ∂xi
Hierdurch werden zwei neue Tensoren definiert: a) Der Verzerrungstensor (strain tensor): 1 ij = 2
1 Ωij = 2
b) Der Rotationstensor:
∂ui ∂uj + ∂xj ∂xi
∂uj ∂ui − ∂xj ∂xi
(5.4)
(5.5)
Somit setzt sich eine Deformation lokal in linearer N¨aherung aus einer Translation, einer Verzerrung und einer Rotation zusammen: ~u(~x + d~x, t) = ~u(~x, t) + d~x + Ω d~x
(5.6)
Der Verzerrungstensor heißt auf englisch strain tensor und ist f¨ur die Elastizit¨atstheorie im Zusammenhang mit dem Hook’schen Gesetz bedeutsam. Einige Eigenschaften des strain tensors sind: • ij ist symmetrisch. • ij ist nur f¨ur Deformatuionsgradienten • Die Spur von ij , ii = Abbildung 5.2).
dV 0 −dV dV
∂ui ∂xj
1 g¨ultig (Linearisierung).
beschreibt die relative Volumen¨anderung ohne Scherung (siehe
64
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG • ∗ij = ij − 31 kk δij beschreibt eine reine Scherung ohne Volumen¨anderung (siehe Abbildung 5.2).
x2
x2
x1
x1 x2
x2
x1
x1
Abbildung 5.2: Volumen¨anderung ohne Scherung (oben) und Scherung ohne Volumen¨anderung (unten).
5.1.2 Der Spannungstensor (stress tensor) W¨ahrend der Deformation eines Festk¨orpers wirken auf jedes Teilvolumen V Kr¨afte, die zur Beschleunigung dieses Teilvolumens beitragen. Dabei ist die Gesamtkraft F~ , die auf V wirkt, gleich der ~ dV in V , wobei K ~ die Kraftdichte in V ist (siehe dazu Abbildung 5.3). Summe aller Teilkr¨afte K p u
K dV V
F
Abbildung 5.3: Zum Spannungstensor. Dies ergibt das Volumenintegral Fi =
Z
Ki dV .
V
65
(5.7)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
Da die interatomaren Kr¨afte sehr kurze Reichweiten besitzen, wirken die Kr¨afte der Umgebung von V vor allem u¨ ber dessen Oberfl¨ache ∂V , so daß F~ auch durch ein Oberfl¨achenintegral u¨ ber diese Oberfl¨achenkr¨afte p~ ausgedr¨uckt werden kann: Fi =
Z
pi dS =
∂V
Z
~σi · ~n dS =
∂V
Z
σij nj dS
(5.8)
∂V
Da pi eine Vektorkomponente ist, muß der Einheitsvektor ~n mit einem Tensor verkn¨upft sein. Eine Oberfl¨achenkraft ist erst durch die Angabe der Oberfl¨ache, auf die sie wirken soll, definiert. Aus dem Gauß’schen Integralsatz folgt: Z
σij nj dS =
Z
V
∂V
∂σik dV , ∂xk
d.h.
Ki =
∂σik ∂xk
(5.9)
Der Tensor σij wird Spannungstensor (stress tensor) genannt. Einige Eigenschaften des Spannungstensors: • σij ist symmetrisch. ∗ , wobei p der hydrostatische Druck ist. • σij = −pδij + σij
5.1.3 Die Bewegungsgleichung F¨ur das Teilvolumen V lautet das Newton’sche Gesetz Z Z Z d ρ~v dV = σ · ~n dS + f~ dV . dt V
∂V
(5.10)
V
d auf, die auch materielle oder substantielle Ableitung genannt wird. Hier tritt die zeitliche Ableitung dt Sei a eine beliebige Gr¨oße, so ist
d ∂ ~ a(~x, t) a(~x, t) = a(~x, t) + ~v · ∇ dt ∂t
mit
~v =
d~x . dt
(5.11)
Die substantielle Ableitung ber¨ucksichtigt die Bewegung des Mediums und ist in der Str¨omungslehre x d~v ∂2u ~ wichtig. Hier soll das Medium als Ganzes ruhen, so daß d~ dt = 0 ist. Mit dt = ∂t2 folgt damit Z
ρ
∂ 2 ~u(~x, t) dV = ∂t2
Z
~ · σ dV . ∇
(5.12)
V
V
Wenn die Felder gen¨ugend oft stetig differenzierbar sind, gilt ρ
∂ 2 ~u(~x, t) ~ · σ(~x, t) . =∇ ∂t2
Diese Gleichung wird als Cauchy-Bewegungsgleichung bezeichnet. 66
(5.13)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
5.1.4 Das Hook’sche Gesetz und die Naviergleichung Um die Bewegungsgleichung zu einer Gleichung in ~u zu machen, muß man das Hook’sche Gesetz f¨ur ideal linear elastische K¨orper einsetzen. Es lautet σij = Cijkl kl .
(5.14)
Cijkl heißt Elastizit¨atstensor und ist ein Tensor 4. Stufe mit insgesamt 81 Elementen. Der Elsatizit¨atstensor beschreibt das Materialverhalten bei Deformationen, die Spannungen ausl¨osen. Da der Spannungs- und der Verzerrungstensor symmetrisch sind, besteht der Elastizit¨atstensor nur aus 21 unabh¨angigen Elementen. F¨ur ein isotropes Medium ist das elastische Verhalten richtungsunabh¨angig, d.h. der Elastizit¨atstensor ist rotationsinvariant. Dadurch vereinfacht sich das Hook’sche Gesetz zu σij = λkk δij + 2µij .
(5.15)
Die Parameter λ und µ heißen Lam´e’sche Gr¨oßen. Aus der Diskussion u¨ ber den Verzerrungstensor sieht man, daß λ das Verhalten bei Volumen¨anderung beschreibt, w¨ahrend µ auch die Schereigenschaften beschreibt. Es gilt: 2 1 σij = λkk δij + 2µ(∗ij + kk δij ) = (λ + µ)kk δij + 2µ∗ij 3 3 2 k =λ+ µ (Kompressionsmodul) 3 G=µ (Schermodul)
(5.16) (5.17) (5.18)
Die Divergenz des Spannungstensors lautet nun ∂σij ∂ = (λkk δij + 2µij ) ∂xj ∂xj ∂uj ∂ ∂ui ∂µ ∂ ~ λ∇ · ~u δij + µ + ij +2 = ∂xj ∂xj ∂xj ∂xi ∂xj ∂ ~ · ~u + µ ∆ui + µ ∂ ∇ ~ · ~u + 2 ∂µ ij = λ∇ ∂xi ∂xi ∂xj i h ~ λ∇ ~ · ~u + µ ∆~u + µ∇ ~ ∇ ~ · ~u + 2∇µ ~ · . = ∇
(5.19)
i
Damit entsteht aus der Bewegungsgleichung die Naviergleichung ρ(~x)
∂ 2 ~u(~x, t) ~ λ(~x)∇·~ ~ u(~x, t) +µ(~x)∇ ~ ∇·~ ~ u(~x, t) +µ(~x)∆~u(~x, t)+2∇µ(~ ~ x)·(~x, t) . (5.20) = ∇ ∂t2
Sie gilt f¨ur inhomogene, isotrope und linear elastische Medien.
5.1.5 Der Elastizit¨ atstensor von Kristallsystemen Aufgrund der Tatsache, daß sich durch den Kristallaufbau gewisse Symmetrien ergeben, kann die Anzahl der Komponenten des urspr¨unglichen Elastizit¨atstensors verringert werden. Es geht hierbei um den Elastizit¨atstensor aus Gleichung (5.14), die sich in der Voigt’schen Schreibweise auch darstellen l¨aßt als σi = Cij j . (5.21)
67
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
Der Elastizit¨atsmodul hat dabei folgende Anzahl von unabh¨angigen Komponenten: Kristallsystem triklin monoklin rhombisch trigonal tetragonal hexagonal kubisch elastisch isotrop
Zahl unabh. Konstanten 21 13 9 7 bzw. 6, je nach Kristallklasse 7 bzw. 6, je nach Kristallklasse 5 3 2
5.1.6 Die elastodynamische Wellengleichung Nun wird die Naviergleichung f¨ur ein homogenes, isotropes und linear elastisches Medium vereinfacht, d.h. ρ(~x) = ρ, λ(~x) = λ und µ(~x) = µ. ρ
∂ 2 ~u(~x, t) ~ ∇ ~ · ~u(~x, t) + µ ∆~u(~x, t) = (λ + µ)∇ 2 ∂t ~ · ~u − µ ∇ ~ × ∇~ ~u, ~ ∇ = (λ + 2µ)∇
(5.22)
~ ∇ ~ · ~u − ∇ ~ × ∇~ ~ u benutzt wurde. Nun ist zu verwenden, daß sich ein wobei die Identit¨at ∆~u = ∇ Vektorfeld in einen divergenzfreien und einen rotationsfreien Anteil zerlegen l¨aßt: ~u = ~up + ~us
mit
~ × ~up = 0 ∇
~ · ~us = 0 ∇
und
(5.23)
Setzt man dies in Gleichung (5.22) ein, so ergibt sich ρ
∂2 ~ ∇ ~ · ~u − µ ∇ ~ × ∇~ ~ us . (~up + ~us ) = (λ + 2µ)∇ 2 ∂t
(5.24)
Dies ist die Summe zweier Wellengleichungen
λ + 2µ ∂ 2 ~up λ + 2µ ~ ~ = ∇ ∇ · ~up = ∆~up , 2 ∂t ρ ρ −µ ~ ∂ 2 ~us ~ us = µ ∆~us , = ∇ × ∇~ ∂t2 ρ ρ ~ ∇ ~ · ~u − ∇ ~ × ∇~ ~ u angewendet wurde. wobei wieder jeweils ∆~u = ∇ Gleichung (5.25) ist die Wellengleichung f¨ur Kompressionswellen s λ + 2µ 1 ∂2 − ∆ ~up (~x, t) = 0 , cp = , 2 2 cp ∂t ρ Gleichung (5.26) ist die Wellengleichung f¨ur Scherwellen 1 ∂2 − ∆ ~us (~x, t) = 0 , c2s ∂t2 68
cs =
r
µ . ρ
(5.25) (5.26)
(5.27)
(5.28)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG ~ × ~up = 0 und ∇ ~ · ~us = 0 gibt es auch zwei Funktionen Φ und Ψ ~ mit ~up = ∇Φ ~ und Wegen ∇ ~ ~ ~us = ∇ × Ψ, f¨ur die die Wellengleichungen gelten: 1 ∂2 − ∆ Φ(~x, t) = 0 (skalare Wellengleichung) (5.29) c2p ∂t2 1 ∂2 ~ x, t) = 0 − ∆ Ψ(~ (vektorielle Wellengleichung) (5.30) c2s ∂t2
5.2 Die akustische Wellengleichung Die akustische Wellengleichung f¨ur Fluide l¨aßt sich aus den folgenden grundlegenden physikalischen Gleichungen herleiten: 1. Aus der Euler’sche Bewegungsgleichung f¨ur ein Fluid ohne Viskosit¨at (innere Reibung) und ¨ W¨armeleistung. Außere Kr¨afte sollen vernachl¨assigt werden: ∂˜ ~ ~v˜(~x, t) = − 1 ∇˜ ~ p(~x, t) ~v (~x, t) + ~v˜(~x, t) ∇ ∂t ρ˜(~x, t)
(5.31)
2. Aus der Kontinuit¨atsgleichung: ∂ ~ · ρ˜(~x, t)~v˜(~x, t) = 0 ρ˜(~x, t) + ∇ ∂t
(5.32)
3. Aus der Zustandsgleichung des Fluids: p˜(~x, t) = f ρ˜(~x, t), s˜(~x, t)
(5.33)
Die Gr¨oßen ~v˜ (Geschwindigkeit), ρ˜ (Dichte), p˜ (Druck) und s˜ (Entropie) sollen kleine Schwankungen um eine Gleichgewichtslage ~v0 , ρ0 , p0 und s0 beschreiben. Man macht daher einen linearen St¨orungsansatz ~v˜ = ~v0 + ~v
,
ρ˜ = ρ0 + ρ ,
p˜ = p0 + p ,
s˜ = s0 + s .
(5.34)
F¨ur → 0 geht das Problem in das ungest¨orte Problem u¨ ber. Diese Ans¨atze werden nun in die Gleichungen (5.31) - (5.33) eingesetzt und die Terme nach Potenzen von geordnet. F¨ur die 1. Potenz ~ 0 = 0 und ∂ρ0 = 0 erh¨alt man folgende Differentialgleichungen: von und f¨ur ~v0 = 0, ∇p ∂t 1 ~ ∂~v (~x, t) =− ∇p(~x, t) ∂t ρ0 (~x)
(5.35)
∂ρ(~x, t) ~ · ~v (~x, t) + ~v (~x, t) · ∇ ~ ρ0 (~x) = 0 + ρ0 (~x ∇ (5.36) ∂t Die Zustandsgleichung dient dazu, die Gleichungen (5.35) und (5.36) zu verkn¨upfen. Es soll voraus- gesetzt werden, daß die Wellenausbreitung isentrop (verlustfrei) verl¨auft, so daß p˜(~x, t) = f ρ(~ ˜ x, t) ist. Nun bildet man d d p˜(~x, t) = f 0 ρ0 (~x) ρ˜(~x, t) , (5.37) dt dt 69
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
und mit
d dt
=
~ erh¨alt man + ~v · ∇
∂ ∂t
∂ p(~x, t) = f 0 ρ0 (~x) ∂t
∂ ~ 0 (~x) ρ(~x, t) + ~v (~x, t) · ∇ρ ∂t
.
(5.38)
Nun setzt man Gleichung (5.36) in Gleichung (5.38) ein und erh¨alt ∂ ~ · ~v (~x, t) . p(~x, t) = f 0 ρ0 (~x) ρ0 (~x) ∇ ∂t
(5.39)
Einmal partiell nach t ableiten und Gleichung (5.35) einsetzen ergibt
∂2 1 ~ 0 ~ 0 = 2 p(~x, t) − f ρ0 (~x) ρ0 (~x) ∇ · ∇p(~x, t) ∂t ρ0 (~x) 1 ∂2 ~ ln ρ0 (~x) · ∇p(~ ~ x, t) − ∆p(~x, t) . 2 p(~x, t) + ∇ = 0 f ρ0 (~x) ∂t
(5.40)
F¨ur ρ0 (~x) = ρ0 erh¨alt man die akustische Wellengleichung
1 ∂2 − ∆ p(~x, t) = 0 f 0 (ρ0 ) ∂t2
(5.41)
mit c2 = f 0 (ρ0 ).
5.3 Ans¨ atze zur L¨ osung der Wellengleichung 5.3.1 Anfangs- und Randbedingungen F¨ur eine partielle Differentialgleichung ist ein Problem korrekt gestellt, wenn die L¨osung folgende Bedingungen erf¨ullt: • Die L¨osung existiert. • Die L¨osung ist eindeutig. • Die L¨osung muß stetig von Anfangs- und Randbedingungen abh¨angen, d.h. eine kleine Variation der Anfangs- bzw. Randwerte darf die L¨osung nur wenig ver¨andern (→ Chaos). Die Wellengleichung ist im allgemeinen f¨ur ein gewisses Gebiet G zu l¨osen. Es gibt dabei folgende Problemstellungen: a) Anfangswertproblem: Falls G unbegrenzt ist, m¨ussen u(~x, 0) = f (~x) ∂ u(~x, 0) = g(~x) ∂t in G vorgegeben sein. 70
und
(5.42) (5.43)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
b) Anfangs- und Randwertproblem: Falls G begrenzt ist, m¨ussen die Anfangswerte wie unter a) in G und die Randbedingungen ∂u(~x, t) α(~x)u(~x, t) + β(~x) = B(~x, t) ∂u ∂Vx
(5.44)
auf dem Rand ∂Vx vorgegeben sein1 . Spezielle Randbedingungen sind die Dirichlet-Bedingung mit β(~x) = 0 und die Neumann-Bedingung mit α(~x) = 0. Ein korrekt gestelltes Problem ist:
1 ∂2 Lu(~x, t) = − ∆ u(~x, t) = q(~x, t) , c2 ∂t2 ∂ u(~x, 0) = f (~x) , u(~x, 0) = g(~x) ∂t ∂u(~x, t) B(~x, t) = α(~x)u(~x, t) + β(~x) ∂t
~x ∈ G ,
t>0
∂Vx
z
VT
V Vx
y
G G= V0 x
Abbildung 5.4: V - Volumen im (~x, t)-Raum; G - Volumen im ~x-Raum.
5.3.2 Die Green’sche Funktion der Wellengleichung ~ τ ) einer partiellen DGL in Ziel der Methode der Green’schen Funktionen ist es, die L¨osung u( ξ, Integralform unter Einbeziehung aller Anfangs- und Randbedingungen anzugeben. Dazu bildet man 1 ∂ ∂u
~ = ~u · ∇
71
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG folgenden Auasdruck, der in einen Divergenzausdruck u¨ berf¨uhrt werden kann 2 : 1 ∂2u 1 ∂2w w − u c2 ∂t2 c2 ∂t2 1 ∂w 1 ∂u ∂ ~ ~ ~ w − 2 = ∇ · −w∇u + u∇w + ∂t c2 ∂t c ∂t 1 ∂u 1 ∂w ∗ ~ ~ ~ = ∇ · −w∇u + u∇w; 2 w − 2u c ∂t c ∂t
wLu − uLw = −w∆u + u∆w +
(5.45)
Damit ist Z Z 1 ∂u 1 ∂w ~ + u∇w; ~ (wLu − uLw) dV = −w∇u · ~n dS w − 2u c2 ∂t c ∂t V ∂V Z Z ∂w 1 ∂w 1 ∂u ∂u d3 x +u w − 2u dS + = −w (5.46) ∂n ∂n c2 ∂t c ∂t t=T ∂Vx ∂VT Z 1 ∂w 1 ∂u d3 x . w − 2u − c2 ∂t c ∂t t=0 ∂V0
F¨ur w(~x, t) m¨ussen nun Bedingungen festgelegt werden, damit u(~x, t) aus den Integralen verschwindet. 1. Die DGL f¨ur w: ~ Lw = δ(~x − ξ)δ(t − τ) , ξ~ ∈ G , 0 < τ < T Z Z ~ τ) =⇒ (wLu − uLw) dV = wq dV − u(ξ, V
(5.47) (5.48)
V
2. Die Randbedingungen f¨ur w:
∂w α(~x)w + β(~x) =0, t
∂u 1 ∂w −w = − Bw ∂n ∂n β Z Z Z ∂w 1 ∂w ∂u u dS = − −w B dS + ∂n ∂n α ∂n
∂Vx 2~ ∗
ˆ
~ ∇ = ∇;
∂ ∂t
∂Vx0
˜
72
(5.50)
(5.51)
u
=⇒
(5.49)
∂VxN
(5.52) 1 Bw dS . β
(5.53)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
3. Die Anfangsbedingungen f¨ur w: w muß keine Anfangsbedingungen erf¨ullen, denn Z Z 1 ∂u ∂w 1 ∂w 1 3 d3 x . wg − f w − 2u d x= 2 c2 ∂t c ∂t t=0 c ∂t t=0 ∂V0
(5.54)
G
4. Die Endbedingung f¨ur w: ∂ u(~x, T ) nicht bekannt sind, muß das Integral u¨ ber ∂V T verschwinden: Da u(~x, T ) und ∂t ∂ w(~x, T ) = 0 ∂t
w(~x, T ) = 0 ,
(5.55)
Eine Funktion die die o.g. Bedingungen erf¨ullt, heißt Green’sche Funktion G: ~ τ) w(~x, t) = G(~x, t|ξ,
(5.56)
~ τ ) lautet damit Die L¨osung u(ξ, ~ τ) = u(ξ,
ZT Z
0 G
+
~ τ )q(~x, t) d x dt − G(~x, t|ξ, 3
ZT Z
0 ∂GN
1 + 2 c
Z
G
ZT Z
u(~x, t)
∂ ~ τ ) dS dt G(~x, t|ξ, ∂n
0 ∂GD
∂ ~ τ ) dS dt u(~x, t)G(~x, t|ξ, ∂n
(5.57)
∂ ~ ~ G(~x, t = 0|ξ, τ )g(~x) − f (~x) G(~x, t = 0|ξ, τ ) d3 x . ∂t
~ τ ): Eigenschaften der Green’schen Funktion G(~x, t| ξ, • Zeitinvarianz: • Symmetrie: • Reziprozit¨at:
~ τ ) = G(~x, −τ |ξ, ~ −t) G(~x, t|ξ,
(5.58)
~ τ ) = G(ξ, ~ t|~x, τ ) G(~x, t|ξ,
(5.59)
~ τ ) = G(ξ, ~ τ |~x, t) G(~x, t|ξ,
(5.60)
5.3.3 Die Green’sche Funktion des unbegrenzten Raumes ~
ξ| δ(τ − t − |~x− c ) ~ ~ GF (~x, t|ξ, τ ) = G(~x − ξ|τ − t) = ~ 4π|~x − ξ| Z∞ ~ − t) e−iw(τ −t) d(τ − t) ~ GF (~x − ξ|τ gF (~x − ξ|w) = −∞
w
~
e−i c |~x−ξ| = ~ 4π|~x − ξ| 73
(5.61)
(5.62)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
5.3.4 Das retardierte Potential Da physikalische Prozesse kausal verlaufen, ist ~ τ) = u(ξ,
ZT Z∞
3
GF q d x dt =
0 −∞
Z∞
q(~x, τ −
−∞
~ |~ x−ξ| c )
~ 4π|~x − ξ|
d3 x .
~ τ ) aus Werten τ − Den Integranden nennt man retardiertes Potential, da sich u( ξ,
(5.63)
~ |~ x−ξ| c
berechnet.
5.3.5 Der Separationsansatz und die Eigenfunktionsentwicklung Problemstellung: 1 ∂2 u(x, t) + L u(x, t) = 0 c2 ∂t2
(5.64)
2
∂ mit x ∈ G = [0, l], t > 0, L = − ∂x 2 und den Bedingungen
u(x, 0) = f (x) ;
∂ u(x, 0) = g(x) ; ∂t
L¨osungsansatz:
∂ α(x)u(x, t) + β(x) u(x, t) =0. ∂n δG
u(x, t) = M (x)N (t) =⇒ =⇒ =⇒ bzw.
(Separationsansatz)
1 00 N (t)M (x) + N (t)LM (x) = 0 c2 1 N 00 (t) LM (x) =− = k2 2 c N (t) M (x) N 00 (t) = c2 k 2 N (t) 2
LM (x) = −k M (x)
(5.65)
(5.66)
(5.67) (5.68) (5.69) (5.70)
M (x) erf¨ullt obige homogene Randbedingungen. Gleichung (5.70) heißt Helmholtzgleichung und lautet ausf¨uhrlich 2 ∂ 2 (5.71) + k M (x) = 0 . ∂x2 Gleichung (5.70) ist eine Eigenwertgleichung mit dem Eigenwert k 2 und der Eigenfunktion M (x). Es gibt unendlich viele L¨osungen f¨ur die Gleichungen (5.69) und (5.70). L¨osungen: Nn (t) = an cos ωn t + bn sin ωn t r nπ nπ 2 Mn (x) = sin x, kn = l l l Die Eigenfunktionen bilden ein orthogonales Funktionensystem, denn f¨ur L gilt Z Z ∂w ∂u (wLu − uLw) dV = u dS = 0 . −w ∂n ∂n G
δG
74
(5.72) (5.73)
(5.74)
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG ∂u αu + β ∂n
αw +
= 0
β ∂w ∂n
=⇒
= 0
u
∂u ∂w −w =0. ∂n ∂n
(5.75)
F¨ur zwei Eigenfunktionen gilt Z Z Z (Mi LMj − Mj LMi ) dV = (λj Mi Mj − λi Mj Mi ) dV = (λj − λi ) Mi Mj dV = 0 . G
G
G
(5.76) Zeigt man die Vollst¨andigkeit der Menge {M n }, so konvergiert die Eigenfunktionsentwicklung u(x, t) =
∞ X
Nn (t)Mn (t) .
(5.77)
n=1
Die Koeffizienten ak und bk erh¨alt man aus den Anfangsbedingungen ∞ X
u(x, 0) = f (x) =
n=1 ∞ X
∂ u(x, 0) = g(x) = ∂t
an Mn (x) ,
(5.78)
ωn bn Mn (x) .
(5.79)
n=1
Die Summen sind Fourierreihen und gehen f¨ur G = (−∞, ∞) in Fourierintegrale u¨ ber.
5.3.6 Die Eikonal- und die Transportgleichung Zur L¨osung der Wellengleichung macht man h¨aufig einen St¨orungsansatz, wenn die DGL von abh¨angt: ∞ X un (~x, t)n (5.80) u(~x, t) = n=0
Ein spezieller Ansatz ist un (~x, t) = an (~x)eiω
t−τ (~ x)
Dann ist u(~x, t) = e
iω t−τ (~ x)
mit
X ∞
= (iω)−n .
an (~x) (iω)−n .
(5.81)
(5.82)
n=0
F¨ur → 0 bzw. ω → ∞ erh¨alt man die L¨osung des ungest¨orten Problems u(~x, t) = eiω
t−τ (~ x)
a0 (~x) .
(5.83)
Gleichung (5.83) heißt Hochfrequenzapproximation und f¨uhrt uns direkt zur Strahlentheorie. Setzt man Gleichung(5.83) in die Wellengleichung ein, so ergibt sich h i 2 1 2 ~ ~ 0 ∇τ ~ + ∆a0 + iω a0 ∆τ + 2∇a =0. (5.84) ω a0 2 − ∇τ c 75
KAPITEL 5. DIE WELLENGLEICHUNG
F¨ur ω → ∞ ist ∆a0 vernachl¨assigbar und wir erhalten 1 ~ 2=0 − ∇τ c2 ~ 0 ∇τ ~ =0 a0 ∆τ + 2∇a
(Eikonalgleichung)
(5.85)
(Transportgleichung)
(5.86)
Der Parameter τ heißt Eikonal und ist nach dem Fermat’schen Prinzip definiert durch τ (~x) =
ZM
ds . v(~x)
(5.87)
M0
M
ds
V(x) M0 Abbildung 5.5: Zum Fermat’schen Prinzip. Der hier pr¨asentierte Ansatz f¨uhrt direkt zur Strahlentheorie, die ausf¨uhrlich in der Vorlesung ˇ “Wellentheorie“ behandelt wird. Sehr umfassend wird dieses Thema auch bei Cerven´ y (1977) und Popov (1996) dargestellt.
76
Kapitel 6
Funktionentheorie 6.1 Komplexe Zahlen 6.1.1 Einige Definitionen Y
z = x + iy
y = Im{z} Re{z} < 0 Im{z} > 0
r = |z| i Θ
X x = Re{z}
−i Re{z} < 0 Im{z} < 0
Re{z} > 0 Im{z} < 0
Abbildung 6.1: Komplexe Zahlenebene und Darstellung der komplexen Zahl z. Es gilt √ −1
z = x + iy
mit i =
x = Re{z}
Realteil von z
y = Im{z} Imagin¨arteil von z p r = |z| = x2 + y 2 Betrag von z y Argument von z ; z 6= 0 Θ = arg z = arctan x 77
(6.1) (6.2) (6.3) (6.4) (6.5)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Zu beachten ist: 1. F¨ur z = 0 ist arg z nicht definiert. 2. F¨ur z 6= 0 ist arg z mehrdeutig definiert: k = 0, ±1, ±2, . . .
arg z = arg z + 2kπ ,
3. F¨ur z 6= 0 gilt arg z = arctan xy . Ist x = 0, so gilt ( + π2 + 2kπ, arg z = arg iy = − π2 + 2kπ,
y>0 . y<0
(6.6)
(6.7)
Zur Definition einer eindeutigen Argumentfunktion wird ein Schnitt (branch cut) in der z-Ebene ben¨otigt. Ein Definitionsbeispiel w¨are dann das sog. Hauptargument (principal argument) Arg z = arg z
mit
− π < arg z ≤ π .
(6.8)
Die Polardarstellung einer komplexen Zahl ist gegeben durch z = x + iy = r(cos Θ + i sin Θ) ,
(6.9)
wobei r und Θ durch die Gleichungen (6.4) und (6.5) gegeben sind. Mit der Euler’schen Formel eiΘ = cos Θ + i sin Θ
(6.10)
folgt aus Gleichung (6.9) die Exponentialdarstellung z = x + iy = r eiΘ .
(6.11)
Die konjugiert komplexe Zahl zu z ist gegegben durch z ∗ = x − iy = r(cos Θ − i sin Θ) = r e−iΘ .
(6.12)
6.1.2 Operationen und spezielle Funktionen Es sei z1 = x1 + iy1 = r1 eiΘ1 und z2 = x2 + iy2 = r2 eiΘ2 . Zwei komplexe Zahlen z1 und z2 sind gleich, falls x1 = x 2
und
y 1 = y2 ,
(6.13)
oder falls r1 = r 2
und
Θ1 = Θ2 + 2kπ
mit
k = 0, ±1, ±2, . . . .
(6.14)
Ist z = 0, dann ist r = 0 und Θ nicht definiert. Ist r = 0, dann ist auch z = 0. Die Addition (Subtraktion) zweier komplexer Zahlen ergibt sich aus z1 ± z2 = (x1 + iy1 ) ± (x2 + iy2 ) = (x1 ± x2 ) + i(y1 ± y2 ) .
(6.15)
Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen ist gegeben durch z1 z2 = (x1 + iy1 )(x2 + iy2 ) = (x1 x2 − y1 y2 ) + i(x1 y2 + x2 y1 ) , 78
(6.16)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
die Division (z2 6= 0) durch x1 + iy1 x1 x2 + y 1 y2 x2 y1 − x 1 y2 z1 = = +i . 2 2 z2 x2 + iy2 x2 + y 2 x22 + y22
(6.17)
Viel leichter lassen sich die Ergebnisse in der Exponentialform darstellen: z1 z2 = r1 eiΘ1 eiΘ1
r2 eiΘ2 = r1 r2 ei(Θ1 +Θ2 )
r1 r1 i(Θ1 −Θ2 ) z1 = = e iΘ 2 z2 r2 e r2
f¨ur
z2 6= 0
(6.18) (6.19)
Die komplexe Exponentialfunktion ist definiert als ez = ex+iy = ex eiy = ex (cos y + i sin y) .
(6.20)
Etwas komplizierter ist die Definition des Logarithmus. Es ist f¨ur z 6= 0 log z = Log |z| + i arg z .
(6.21)
Log |z| steht f¨ur den reellen nat¨urlichen Logarithmus einer positiven Zahl; log z ist mehrdeutig, da es von arg z abh¨angt. Mit Hilfe eines Schnittes in der z-Ebene kann log z aber eindeutig definiert werden durch Spezifizierung des Wertes von arg z. Der Hauptwert des Logarithmus (principal logarithm) ist gegeben durch Log z = Log |z| + iArg z . (6.22) Es gilt ferner log z = Log z + i2kπ
mit
k = 0, ±1, ±2, . . .
(6.23)
und elog z = z .
(6.24)
Definition der Potenz z α = exp(α log z)
(z, α komplex, z 6= 0)
(6.25)
Der Grund f¨ur diese Definition liegt in der analytischen Fortsetzung. Hinweise: 1. z α = exp(α log z) = exp [α(Log |z| + i arg z)] α
= exp(αLog |z|) · exp(iα arg z) = |z| exp(iα arg z)
2.
⇒ z α ist eindeutig. Wenn α = n (n ganzzahlig) Wenn α = p/q (p, q ganzzahlig, q 6= 0) ⇒ z α besitzt q Werte. Wenn α irrational oder nicht reell ist ⇒ z α ist unendlich-deutig. 79
(6.26) (6.27)
(6.28)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Spezialfall Quadratwurzel √ 1 z = z 2 = exp Mit arg z = Arg z + 2kπ , exp
i arg z 2
1 log z 2
(−π < Arg z ≤ π ,
1
= |z| 2 ei
arg z 2
(6.29)
k = 0, ±1, ...) gilt
i i = exp (Arg z + 2kπ) = exp Arg z · exp(ikπ) 2 2
(6.30)
Da exp(ikπ) f¨ur gerade k gleich 1 und f¨ur ungerade k gleich −1 ist, folgt exp und damit
i arg z 2
p √ z = |z| exp
i arg z 2
= ± exp
i Arg z 2
p = ± |z| exp
i Arg z 2
(6.31)
.
(6.32)
1/2 z
w= z
y
y
Arg(z)
z =|z| exp(i/2 Arg(z))
(Arg(z))/2
Pi
-Pi
x
0
0
x
1/2
z =|z| exp(i/2 Arg(z))
Abbildung 6.2: Komplexe Quadratwurzel
Cosinus und Sinus
cos z = sin z = Hinweis: F¨ur alle komplexe z gilt
1 iz e + e−iz 2 1 iz e − e−iz 2i
cos2 z + sin2 z = 1 80
(6.33) (6.34)
(6.35)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Hyperbolische Funktionen cosh z = sinh z = Hinweis: F¨ur alle komplexe z gilt
1 z e + e−z 2 1 z e − e−z 2
(6.36) (6.37)
cosh2 z − sinh2 z = 1
(6.38)
cosh z = cos (iz)
(6.39)
sinh z = −i sin (iz)
(6.40)
Weitere hyperbolische Funktionen sind analog dem Reellen definiert. Inverse trigonometrische und hyperbolische Funktionen h i 1 arcsin z = −i log iz + (1 − z 2 ) 2 h i 1 arccos z = −i log z + i(1 − z 2 ) 2
arctan z =
i 1+z log 2 h 1−z
(6.41) (6.42) (6.43)
i 1
arcsinh z = log z + (z 2 + 1) 2 i h 1 arccosh z = log z + (z 2 − 1) 2 arctanh z =
(6.44) (6.45)
1 1+z log 2 1−z
(6.46)
Alle trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen sind eindeutig, dagegen alle dazu inversen Funktionen mehrdeutig.
6.1.3 Funktionen einer komplexen Variablen
y
z-Ebene
w = f(z)
w-Ebene
v
z=x+iy E
D x
w=u+iv u
0
Abbildung 6.3: Funktion einer komplexen Variablen 81
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
w = f (z) = u + iv u(z) = <{f (z)}: Realteil von f (z) , v(z) = ={f (z)}: Imagin¨arteil von f (z) D: Definitionsbereich von f (z) E: Wertebereich von f (z) , E = f (z) zD
Achtung: Wenn die Funktion gegeben ist durch eine Vorschrift w = f (z), dann wird angenommen, daß der Definitionsbereich D die Menge aller m¨oglichen z ist, f¨ur die die Vorschrift w = f (z) angewendet werden kann.
Beispiele 1. w = f (z) = z 2 = (x + iy)2 = (x2 − y 2 ) + i 2xy = u(x, y) + i v(x, y)
(6.47)
Dann ist D die Menge der komplexen Zahlen. 2. w = g(z) =
1 1 x −y = = 2 +i 2 = u(x, y) + i v(x, y) 2 z x + iy x +y x + y2
(6.48)
Dann ist D die Menge der komplexen Zahlen ohne die Null. Eine Funktion w = f (z) bewirkt eine Transformation der Punkte der z-Ebene in Punkte der w-Ebene. In diesem Zusammenhang nennt man die Funktion eine Abbildung. In vielen F¨allen kann man die Eigenschaften einer Funktion w = f (z) besser aufgrund ihrer geometrischen Charakteristiken verstehen. Einige gute Beispiele sind gegeben in Churchill und Brown, Kap. 7.
6.1.4 Grenzwert, Stetigkeit und Ableitung Grenzwertdefinition lim f (z) = w0
z→z0
bedeutet:
(6.49)
F¨ur ein positives, beliebiges ε > 0 existiert ein positives δ, so daß |f (z) − w 0 | < ε, immer dann wenn 0 < |z − z0 | < δ. Hinweis: Wenn z0 oder w0 unendlich sind, m¨ussen die Definitionen entsprechend ge¨andert werden. Beispiel: lim f (z) = w0
z→∞
bedeutet:
(6.50)
F¨ur ein positives, beliebiges ε existiert ein positives δ, so daß |f (z) − w 0 | < ε > 0, immer dann, wenn |z − z0 | > 1/δ. 82
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
y
v
w = f(z) z z
w0 w
0 x
w
w-Ebene
z-Ebene
Abbildung 6.4: Grenzwertdefinition im der komplexen Zahlenebene Stetigkeit Eine Funktion f (z) ist stetig in einem Punkt z 0 , wenn gilt lim f (z) = f (z0 )
z→z0
(6.51)
In anderen Worten, der Grenzwert existiert und ist gleich dem Funktionswert im Punkt z 0 (f (z) muß definiert sein in z0 ). Alternativ kann man Stetigkeit in einem Punkt z 0 beschreiben durch: F¨ur ein positives, beliebiges ε > 0 existiert ein positives δ, so daß |f (z) − f (z 0 )| < ε, immer dann, wenn 0 < |z − z0 | < δ. Eine Funktion w = f (z) kann einen Grenzwert im Punkt z 0 besitzen, ohne dort definiert zu sein. Stetigkeit bedeutet, daß die Funktion dort auch definiert ist. Wenn der Grenzwert w 0 einer Funktion im Punkt z0 existiert, kann man die Funktion dort stetig machen durch die Definition f (z 0 ) = w0 . Ableitung Die Ableitung von f (z) im Punkt z0 ist definiert durch den Grenzwert f 0 (z0 ) = lim
z→z0
f (z) − f (z0 ) z − z0
(6.52)
Die Berechnung von Grenzwerten und Ableitungen sind sehr a¨ hnlich wie bei gew¨ohnlichen Funktionen reeller Variablen.
6.1.5 Cauchy-Riemann’sche (CR) Gleichungen und analytische Funktionen Kartesische Koordinaten Es sei z = x + i y und f (z) = u(x, y) + i v(x, y). Wenn f 0 (z0 ) existiert (z0 = x0 + iy0 ), dann gilt ∂u ∂v ∂v ∂u 0 f (z0 ) = (x0 , y0 ) + i (x0 , y0 ) = −i (x0 , y0 ) + i (x0 , y0 ) , (6.53) ∂x ∂x ∂y ∂y so daß die Cauchy-Riemann’schen (CR) Gleichungen im Punkt z 0 g¨ultig sind: ∂v ∂u = ∂x ∂y
∂v ∂u =− ∂x ∂y
,
83
(6.54)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Polarkoordinaten Es sei z = r eiθ und f (z) = u(r, θ) + i v(r, θ). Wenn f 0 (z0 ) existiert (z0 = r0 eiθ0 , dann gilt 0
f (z0 ) = e
−iθ0
∂u ∂v (r0 , θ0 ) + i (r0 , θ0 ) ∂r ∂r
e−iθ0 = r0
∂v ∂v (r0 , θ0 ) − i (r0 , θ0 ) ∂θ ∂θ
,
(6.55)
so daß die Cauchy-Riemann’schen (CR) Gleichungen lauten ∂u 1 ∂v = ∂r r ∂θ
∂v 1 ∂u =− ∂r r ∂θ
,
(6.56)
Die Cauchy-Riemann’schen Gleichungen sind notwendige Bedingungen, daß eine Funktion f (z) differenzierbar ist. Das bedeutet, wenn die Cauchy-Riemann’schen Gleichungen von einer Funktion in einem Punkt nicht erf¨ullt werden, kann die Ableitung in diesem Punkt nicht existieren. Sie alleine sind ∂u ∂u ∂v ∂v , , , keine hinreichende Bedingung, denn außerdem m¨ussen die partiellen Ableitungen ∂x ∂y ∂x ∂y ∂u ∂u ∂v ∂v , , , definiert sein in einer Umgebung um z 0 und stetig sein in z0 . oder ∂r ∂θ ∂r ∂θ Analytische Funktionen f (z) ist analytisch im Punkt z0 , wenn die Ableitung f 0 (z) in jedem Punkt der Umgebung um z0 existiert. Mathematisch ausgedr¨uckt: Es muß ein δ > 0 existieren, so daß f 0 (z) existiert, immer dann wenn |z − z0 | < δ.
6.2 Kurvenintegrale 6.2.1 Kurven C:
z = z(t) = x(t) + i y(t) ;
(a ≤ t ≤ b)
(6.57)
x(t) und y(t) sind stetige Funktionen des Parameters t. Die Ableitung lautet z 0 (t) = x0 (t) + i y 0 (t)
(6.58)
(1) Glatter Bogen: z 0 (t) existiert, ist stetig und ungleich Null im Intervall a ≤ t ≤ b
z(b) z(t)
z(a)
Abbildung 6.5: Glatter Bogen (2) Kurve (stuckweise ¨ glatte Bo¨ gen): Endliche Anzahl von glatten B¨ogen, verkn¨upft von Endpunkt zu Endpunkt 84
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
z(b)
z(c)
z(d)
C2
C4 C3
C1 C=C1 U C2 U C3 U C4
z(a)
Abbildung 6.6: Kurve
(3) Einfache Kurve: Kurve schneidet sich nicht selbst: z(t 1 ) 6= z(t2 ) f¨ur t1 6= t2 .
z(c) z(t1)
C
z(a)
z(t2)
z(b)
Abbildung 6.7: Einfache Kurve
(4) Abgeschlossene Kurve: Endpunkte stimmen u¨ berein: z(a) = z(b).
z(c)
z(d)
z(a)=z(b)
z(e)
C
Abbildung 6.8: Abgeschlossene Kurve
85
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
(5) Einfache abgeschlossene Kurve (Jordan-Kurve): Kurve schneidet sich nicht selbst und Endpunkte stimmen u¨ berein.
z(c)
z(d)
z(a)=z(b)
z(e)
Abbildung 6.9: Jordan-Kurve
6.2.2 Jordan Theorem f ¨ur Kurven F¨ur jede einfache abgeschlossene Kurve (Jordan Kurve) C existieren zwei Bereiche, die beide die ¨ Punkte von C als Grenzpunkte besitzen. Der Innere dieser Bereiche ist beschr¨ankt, der Außere ist unbeschr¨ankt.
Aeussere von C z(c) z(d)
Innere von C
z(a)=z(b)
C
z(e)
Abbildung 6.10: Das Jordan-Theorem
6.2.3 Linien- oder Kurven-Integrale Definition Gegeben sei: Eine Kurve C: z = z(t) = x(t) + i y(t) ; Funktion w = f (z), die darstellbar ist als
(a ≤ t ≤ b) und eine komplexwertige
f (z(t)) = u(x(t), y(t)) + i v(x(t), y(t)) und die st¨uckweise stetig ist f¨ur a ≤ t ≤ b. Dann definiert man Zb Z f (z) dz = f (z(t)) z 0 (t) dt C
a
86
(6.59)
(6.60)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Also: Zb
0
f (z(t)) z (t) dt =
a
Zb a
so daß
Z
f (z) dt =
C
Hinweis: Wenn C = C1
S
Z
0
0
(ux − vy ) dt + i
(u dx − v dy) + i
C
Zb
(vx0 + uy 0 ) dt ,
(6.61)
a
Z
(v dx + u dy) .
(6.62)
Z
f (z)dz
(6.63)
C
C2 , dann gilt Z
f (z) dz =
C
Z
f (z) dz +
C2
C1
z(c) z(a)
z(b)
C1
C2
Abbildung 6.11: Kurvenintegral Linearit¨at Z
[αf (z) + βg(z)] dz = α
C
Z
f (z) dz + β
C
Z
g(z) dz
(6.64)
C
(α, β: komplexe Konstanten) Reverse Richtung Definition der Kurve in reverser Richtung −C: z = z(−t), (−b ≤ t ≤ a). Dann gilt f¨ur alle f (z): Z
f (z) dz = −
f (z) dz
(6.65)
Zb
Zb p |z (t)| dt = (x0 (t))2 + (y 0 (t))2 dt
(6.66)
−C
Z
C
L¨ange einer Kurve
L=
Z
C
|dz| =
a
0
a
87
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
z(b) z(b)
C -C
z(a)
z(a)
Abbildung 6.12: Inverse Richtung einer Kurve ML-Theorem Wenn f (z) beschr¨ankt ist durch M entlang einer Kurve C (z.B. |f (z(t))| ≤ M , a ≤ t ≤ b), und wenn L die L¨ange der Kurve ist, dann gilt Z f (z) dz ≤ M L (6.67) C
6.2.4 Fundamentale Beziehungen zwischen analytischen Funktionen und einfachen abgeschlossenen Kurven Cauchy-Goursat Theorem
Wenn eine Funktion f (z) analytisch ist in allen Punkten innerhalb und auf einer einfach abgeschlossenen Kurve C, dann gilt Z f (z) dz = 0 (6.68) C
Cauchy-Goursat Theorem fur ¨ einfach zusammenh a¨ ngende Bereiche Wenn f (z) analytisch ist u¨ berall in einem einfach zusammenh¨angenden Bereich D, dann gilt Zf
(z) dz = 0
C
f¨ur jede einfach abgeschlossene Kurve C, die vollst¨andig innerhalb D liegt. 88
(6.69)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
D
C
Abbildung 6.13: Zum Cauchy-Goursat-Theorem
D
C
Abbildung 6.14: Zum Cauchy-Goursat-Theorem (einfach zusammenh¨angende Beeiche) Hinweise 1. Wenn C abgeschlossen ist und sich selbst endlich oft schneidet, S dann gilt das Cauchy-Goursat Theorem ebenfalls. Denn man kann C ausdr¨ucken durch N j=1 Cj , wobei Cj einfach abgeschlossene Kurven sind. Es gilt Zf
C
(z) dz =
N Z X j=1 C
f (z) dz = 0
.
(6.70)
j
2. Als Konsequenz aus dem Cauchy-Goursat Theorem folgt: Wenn C 1 und C2 zwei einfache B¨ogen mit denselben Anfangs- und Endpunkten innerhalb eines einfach zusammenh¨angenden 89
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Bereichs D sind, dann gilt
Z
f (z) dz =
C1
Dies gilt, weil der Bogen C = C1 D ist, so daß gilt
0=
Z
f (z) dz =
C
Z
C1
S
Z
f (z) dz
.
(6.71)
C2
(−C2 ) ein einfach abgeschlossener Bogen innerhalb von
f (z) dz +
Z
−C2
f (z) dz =
Z
C1
f (z) dz −
Z
f (z) dz
(6.72)
C2
3. Eine einfach abgeschlossene Kurve C, parametrisiert durch z = z(t), (a ≤ t ≤ b) heißt positiv orientiert, wenn mit wachsendem t die Kurve in mathematisch positiver Richtung (entgegen dem Uhrzeigersinn) durchlaufen wird. Gleichwertig ist die Aussage, daß z(t) die Kurve so beschreibt, daß das Innere von C immer links liegt.
Inn(C)
Inn(C) linke Seite
rechte Seite
C
C
Abbildung 6.15: Links: Positiv orientierte Kurve; rechts: negativ orientierte Kurve. 90
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
C3 C = C1 U C2 U C3
C2 C1
B
C1 C2
A
D
Abbildung 6.16: Ein weiteres Beispiel zum Cauchy-Goursat-Theorem
Z
f (z) dz = 0
Z
;
C
C1
f (z) dz =
Z
f (z) dz
(6.73)
C2
Cauchy-Goursat Theorem fur ¨ mehrfach zusammenh a¨ ngende Bereiche R: Abgeschlossener Bereich, bestehend aus allen Punkten auf und zwischen C, außer den Inneren der Cj . N [ [ Cj (C positiv orientiert, Cj negativ orientiert). B=C j=1
91
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Wenn f (z) analytisch ist in R, dann gilt Z
f (z) dz =
B
Z
f (z) dz +
N Z X j=1 C
C
f (z) dz = 0
(6.74)
j
R
C2
C1 C
Abbildung 6.17: Zum Cauchy-Goursat-Theorem f¨ur mehrfach zusammenh¨angende Bereiche Hinweis: Wenn C und alle Cj positiv orientiert sind, dann lautet das Cauchy-Goursat Theorem Z
f (z) dz =
N Z X j=1 C
C
f (z) dz
(6.75)
j
Dies bedeutet, daß das Integral entlang der a¨ ußeren Kurve C (in positiver Richtung) gleich ist der Summe der Integrale entlang der inneren Kurven C j (ebenso in positiver Richtung). Z
C
f (z) dz =
Z
f (z) dz +
C1
Z
C2
(f (z) ist analytisch in R) 92
f (z) dz
(6.76)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
R
C2
C1 C
Abbildung 6.18: Zum Cauchy-Goursat-Theorem f¨ur mehrfach zusammenh¨angende Bereiche (II)
6.2.5 Beispiele Bestimmung der Integrale entlang der einfach abgeschlossenen Kurve C in den Abbildungen: 1. I1 =
Z
sin7 z dz
(6.77)
C
y
x
0
C
Abbildung 6.19: Kurvenintegrale - Beispiel 1 I1 = 0, da f (z) = sin7 z analytisch ist u¨ berall in der komplexen z-Ebene. 2. I2 =
Z
C
dz (z − 1)(z + i) 93
(6.78)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
y
C
1 x
0 -i
Abbildung 6.20: Kurvenintegrale - Beispiel 2 1 ist nicht analytisch innerhalb C. Es besitzt singul¨are Punkte (d.h. Punk(z − 1)(z + i) te, in denen f (z) nicht analytisch ist) in z = 1 und z = −i. Man kann kleine Kreise mit dem Radius ε um die singul¨aren Punkte zeichnen und sie betrachten als einfach abgeschlossene Kurven Cj , die gegeben sind durch f (z) =
z = z1 (t) = 1 + ε eit ,
z = z2 (t) = −i + ε eit ,
(0 ≤ t ≤ 2π) .
(6.79)
F¨ur ausreichend kleine ε sieht das Bild wie folgt aus
y
C
C1
1
x
0
C2
-i
Abbildung 6.21: Kurvenintegrale - Beispiel 2 f¨ur kleine Epsilon 1 analytisch ist innerhalb des mehrfach zusam(z − 1)(z + i) menh¨angenden Bereichs R, folgt mit dem Cauchy-Goursat Theorem Z Z Z dz dz dz = + (6.80) (z − 1)(z + i) (z − 1)(z + i) (z − 1)(z + i) Da die Funktion f (z) =
C
Wegen
C1
C2
1 1 1 1 gilt = − (z − 1)(z + i) 1+i z−1 z+i Z Z Z dz dz dz 1 = − (z − 1)(z + i) 1+i z−1 z+i C1
C1
94
C1
(6.81)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Da der Punkt z = −i außerhalb von C1 liegt, ist g(z) = daß gilt
Z
1 analytisch innerhalb von C1 , so z+i
dz = 0. z+i
(6.82)
C1
Nun soll
Z
C1
dz berechnet werden: z−1
Mit z(t) = 1 + ε eit , z 0 (t) = i ε eit (0 ≤ t ≤ 2π) folgt Z
C1
dz = z−1
Analog l¨aßt sich berechnen
Z2π 0
Z
C2
Damit lautet das Ergebnis I2 =
i ε eit dt = (1 + ε eit ) − 1
Z2π i dt = 2π i
(6.83)
0
dz = 2π i (z − 1)(z + i)
(6.84)
Z
(6.85)
C
dz = 4π i (z − 1)(z + i)
3. I3 =
Z
C
dz 1 − z2
(6.86)
y
C
0 -1
1
x
Abbildung 6.22: Kurvenintegrale - Beispiel 3 1 analytisch ist außer in den Punkten z = ±1, welche 1 − z2 außerhalb des von C umschlossenen Bereichs liegen. I3 = 0, da die Funktion f (z) =
95
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
6.2.6 Stammfunktionen und Unabh¨ angigkeit vom Weg f (z) sei eine stetige Funktion in einem Bereich D. Eine analytische Funktion F (z) heißt Stammfunktion von f (z) in D, wenn gilt F 0 (z) = f (z), (zD). Das folgende wichtige Resultat ist g¨ultig, wenn f (z) eine Stammfunktion F (z) besitzt: Satz: Wenn eine stetige Funktion f (z) u¨ berall in einem Bereich D eine Stammfunktion F (z) besitzt, dann ist der Wert des Linienintegrals von f vom Punkt z 1 in D zum Punkt z2 in D unabh¨angig vom benutzten Weg, vorausgesetzt dieser liegt vollst¨andig in D. Dann gilt Zz2 f (z) dz = F (z2 ) − F (z1 ) ,
(6.87)
z1
wobei das Integral f¨ur irgendein Kurvenintegral von z 1 zu z2 steht. Beweis: Mit der Kettenregel d [F (z(t))] = F 0 (z(t)) z 0 (t) = f (z(t)) z 0 (t) dt
(6.88)
folgt, wenn z = z(t), (a ≤ t ≤ b) eine z1 = z(a) mit z2 = z(b) verbindende Kurve ist, Zb Zz2 t=b d [F (z(t))] dt = F (z(t)) t=a = F (z2 ) − F (z1 ) f (z) dz = dt
z1
qed
(6.89)
a
Der Umkehrschluß des vorhergehenden Resultats ist ebenfalls g¨ultig: Satz: Wenn alle Kurvenintegrale einer stetigen Funktion f (z) unabh¨angig vom Weg innerhalb des Bereichs D sind, dann besitzt f (z) eine Stammfunktion F (z). (F 0 (z) = f (z)) u¨ berall in D. Beweis: Die Stammfunktion ist wie folgt definiert: Man w¨ahle einen festen Punkt z 0 D und betrachte Zz f¨ur alle Punkte zD die Funktion F (z) = f (s)ds (wie zuvor steht das Integral f¨ur ein beliebiz0
ges Kurvenintegral von z0 zu z, vollst¨andig in D gelegen. Es kann gezeigt werden (Aufgabe!), daß F 0 (z) = f (z). Hinweis: F¨ur jedes z0 wird eine andere Stammfunktion ermittelt. Diese Stammfunktionen k¨onnen sich aber nur unterscheiden durch additive Konstanten (Aufgabe!). Denn bei der Benutzung einer beliebigen Stammfunktion tritt nur die Differenz Zz2 f (z) dz = F (z2 ) − F (z1 )
z1
auf. 96
(6.90)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
6.2.7 Beispiele 1.
Z1−i z 4 1−i (1 − i)4 14 5 3 = z dz = − =− 4 1 4 4 4
(6.91)
1
2.
Z
dz =0 z2
(6.92)
C
y
C
0 x
1
-1
1 C ist eine abgeschlossenen Kurve, d.h. es hat denselben Anfangs- und Endpunkt. f (z) = 2 z 1 besitzt die Stammfunktion F (z) = − . Das Resultat folgt also nicht aus dem Cauchy-Goursat z 1 Theorem, denn die Funktion f (z) = 2 ist nicht analytisch im Punkt z = 0, der innerhalb von z C liegt. 3.
Z
dz = 2π i z
z = z(t) = eit ,
(Kurve C :
0 ≤ t ≤ 2π)
(6.93)
C
y
C 0 x
1 entlang der abgeschlossenen Kurve C nicht Null z ist impliziert, daß eine Stammfunktion F (z) nicht existieren kann in einem beliebigen Bereich, 1 der die Kurve C enth¨alt. M¨ogliche Stammfunktionen f¨ur f (z) = w¨aren F (z) = log z, je z nach Definition von arg z. Dies erfordert immer einen Schnitt (‘branch cut’) der z-Ebene. Wie auch immer, jeder Schnitt schneidet die Kurve C.
Die Tatsache , daß das Integral von f (z) =
97
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE Z
i
dz entlang eines beliebigen Weges, der z 1 = 1 mit z2 = i in der oberen 1 z Halbebene ={z} > 0 verbindet.
4. Berechnung von
y
Im(z)>0
i
C 0 1
3Pi/2
x
-Pi/2
Wahl eines Zweigs des Logarithmus:
log z = log r + iθ ,
(−
π 3π <θ< ), 2 2
z = r eiθ
(6.94)
Im Bereich D, gegeben durch (− π2 < arg z < 3π 2 ), ist die oben definierte Funktion F (z) = 1 0 log z analytisch und es gilt F (z) = = f (z). Daher folgt z Zi 1
i π π dz = log z 1 = log i − log 1 = i − i 0 = i z 2 2
(6.95)
5. (Aufgabe:) Jede beliebige analytische Funktion f (z) innerhalb eines einfach abgeschlossenen Bereichs D besitzt eine u¨ berall in D analytische Stammfunktion F (z) (F 0 (z) = f (z)). (Hinweis: Wenden Sie das Cauchy-Goursat Theorem an!)
6.2.8 Cauchy’sche Integral Formel Die Funktion f (z) sei analytisch u¨ berall innerhalb und auf der einfach abgeschlossenen Kurve C (die wie u¨ blich positiv orientiert sei). Dann gilt f¨ur jeden Punkt innerhalb von C
f (z0 ) =
1 2π i
Z
C
98
f (z) dz z − z0
(6.96)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
y
C z0
Inn(C) 0 x
Abbildung 6.23: Die Cauchy’sche Integralformel
Konsequenz der Cauchy’schen Integralformel: Wenn eine Funktion f (z) analytisch ist in z 0 , dann dn sind alle Ableitungen f (n) (z) = n f (z) analytisch in z0 . Weiterhin gilt die Formel dz
f
(n)
n! (z0 ) = 2π i
Z
C
f (z) dz (z − z0 )n+1
(n = 0, 1, 2, ...)
(6.97)
f (z) muß analytisch innerhalb und auf der Kurve C sein und z 0 muß innerhalb von C liegen!
6.3 Taylor- und Laurent - Reihen 6.3.1 Taylor- und Laurent - Theoreme Taylor - Theorem Die Funktion f (z) sei analytisch u¨ berall innerhalb eines Kreises C mit Mittelpunkt z 0 und Radius R. Dann gilt in jedem Punkt z innerhalb von C
f (z) = f (z0 ) +
f 00 (z0 ) f (n) (z0 ) f 0 (z0 ) (z − z0 )1 + (z − z0 )2 + ... + (z − z0 )n + ... 1! 2! n!
(6.98)
In anderen Worten, die obige Reihe konvergiert gegen f (z) in allen Punkten z, so daß |z − z 0 | < R. Die Reihe repr¨asentiert die Funktion in der Scheibe |z − z 0 | < R. 99
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
D
R z0
C
Abbildung 6.24: Bedingung f¨ur die Taylorreihen - Darstellung von f (z) im Umkreis von z 0 : f (z) ist analytisch im Bereich D, der den Kreis |z − z 0 | < R enth¨alt.
Laurent - Theorem C0 und C1 seien zwei positiv orientierte Kreise mit dem Mittelpunkt z 0 , wobei C0 kleiner sei als C1 . Wenn f (z) analytisch ist auf C0 und C1 und in dem ringf¨ormigen Bereich dazwischen, dann gilt f¨ur jeden Punkt z dieses Bereichs die Reihendarstellung
f (z) =
∞ X
n=0
an (z − z0 )n +
∞ X
n=1
bn (z − z0 )n
(6.99)
f¨ur R0 < |z − z0 | < R1 (Rj sind die Radien der Kreise Cj ). Die Koeffizienten lauten 1 an = 2π i
Z
C
f (z) dz (z − z0 )n+1
Z
f (z) dz (z − z0 )−n+1
(n = 0, 1, 2, 3, ...)
(6.100)
(n = 1, 2, 3, ...)
(6.101)
und bn =
1 2π i
C
100
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
D
R0
Z0
C0
R1
C1
Abbildung 6.25: Bedingung f¨ur die Laurentreihen - Darstellung von f (z) in Bezug auf z 0 : f (z) ist analytisch in einem Bereich D, der den Ring R 0 < |z − z0 | < R1 enth¨alt.
6.3.2 Bemerkungen 1. Wenn f (z) analytisch innerhalb und auf dem gr¨oßeren Kreis ist, dann reduziert sich die Laurentreihe zur Taylorreihe (bn = 0). Mit dem Cauchy-Goursat Theorem gilt dann
1 bn = 2π i
Z
C0
1 f (z) dz = −n+1 (z − z0 ) 2π i
Z
f (z) (z − z0 )n−1 dz = 0
(n = 1, 2, ...) , (6.102)
C0
denn die Funktionen gn (z) = f (z) (z − z0 )n−1 sind dann analytisch im einfach zusammenh¨angenden, kreisf¨ormigen Bereich |z − z 0 | < R1 , der C0 enth¨alt. Andererseits folgt aus der Cauchy’schen Integralformel, da f (z) analytisch innerhalb und auf dem Kreis C 1 ist, 1 an = 2π i
Z
C1
1 f (z) dz = f (n) (z0 ) n+1 (z − z0 ) n!
(n = 0, 1, ...) .
(6.103)
Dies zeigt, daß die Taylorreihe aus der der Laurentreihe hervorgeht. 2. MacLaurin-Reihe: z0 = 0 in der Taylorreihe. ∞ X
an (z − z0 )n in einem Punkt z1 (z1 6= z0 ) konvergiert, dann
konvergiert sie absolut (d.h.
|an | |z − z0 |n konvergiert) f¨ur alle Punkte z, f¨ur die gilt:
3. Wenn eine Potenzreihe
n=0
|z − z0 | < |z1 − z0 |.
∞ X
n=0
101
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Das Konvergenzgebiet einer Potenzreihe ist daher eine Scheibe |z − z 0 | < R, wobei der Kreis |z − z0 | = R einen nicht-konvergenten Punkt der Reihe enth¨alt. Der Kreis |z − z 0 | = R heißt Konvergenzkreis und R ist der Konvergenzradius. 4. Die Potenzreihe
∞ X
n=0
an (z − z0 )n repr¨asentiert eine Funktion, die in jedem Punkt innerhalb
ihres Konvergenzkreises analytisch ist. 5. Integration und Differentiation von Potenzreihen (a) C bezeichne eine beliebige Kurve innerhalb des Konvergenzkreises einer Potenzreihe ∞ X an (z − z0 )n . g(z) sei eine beliebige, auf C definierte Funktion. Dann gilt S(z) = n=0
Z
S(z) g(z) dz =
C
Z
C
∞ X
n=0
an (z − z0 )
n
!
g(z) dz =
∞ X
n=0
an
Z
(z − z0 )n g(z) dz .
C
(6.104)
(b) Wenn z ein Punkt innerhalb des Konvergenzkreises der Potenzreihe ∞ X an (z − z0 )n ist, dann gilt S(z) = n=0
S 0 (z) =
"
∞ X
n=0
an (z − z0 )n
#0
=
∞ X
n=1
n an (z − z0 )n−1 .
(6.105)
In anderen Worten: Potenzreihen k¨onnen Term f¨ur Term integriert und differenziert werden. 6. Eindeutigkeit der Reihendarstellung: ∞ X Wenn eine Potenzreihe an (z − z0 )n in allen Punkten innerhalb eines Kreises |z − z 0 | = n=0
R gegen f (z) konvergiert, dann ist diese Potenzreihe die Taylorentwicklung von f (z) nach 1 (z − z0 ) und es gilt an = f (n)(z0 ) . n!
7. Operationen mit Reihen: Die Potenzreihendarstellungen f (z) =
∞ X
n=0
an (z − z0 )n ,
g(z) =
∞ X
n=0
bn (z − z0 )n ,
(6.106)
seien g¨ultig innerhalb eines Kreises |z − z 0 | = R. Dann sind die folgenden Darstellungen ebenfalls g¨ultig innerhalb desselben Kreises: (a) f (z) ± g(z) =
∞ X
n=0
(an ± bn ) · (z − z0 )n 102
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
(b) f (z) · g(z) =
∞ X
n=0
dn (z − z0 )
n
dn =
n X
ak bn−k
k=0
!
Diese Operation nennt man das Cauchy-Produkt der beiden Reihen. Die Koeffizienten d n erh¨alt man als n-fache Summe von Produkten. ∞ f (z) X (c) = en (z − z0 )n (g(z) 6= 0 in |z − z0 | < R) g(z) n=0
Die Koeffizienten en erh¨alt man wie folgt. f (z) Es sei h(z) = , so daß f (z) = h(z) · g(z), bzw. g(z) # # "∞ "∞ ∞ X X X n n n bn (z − z0 ) en (z − z0 ) · an (z − z0 ) =
(6.107)
n=0
n=0
n=0
Unter Anwendung des soeben eingef¨uhrten Cauchy-Produkt f¨ur Reihen kann das System f¨ur die en gel¨ost werden. 8. f (z) sei analytisch im Punkt z0 und es gelte f (z0 ) = 0. Dann gibt es eine Umgebung um z0 , in der f (z) keine weiteren Funktionswerte, die gleich Null sind, besitzt (außer f (z) ist identisch Null). Das bedeutet, wenn f (z) nicht v¨ollig verschwindet, sind die Stellen mit Funktionswert Null isoliert. Man betrachte die Taylorentwicklung von f (z) in der Umgebung von z 0 , wo f (z0 ) = 0 gilt, f (z) =
∞ X f (n) (z0 )
n!
n=0
(z − z0 )n .
(6.108)
Wenn alle Ableitungen von f (z) Null sind, (d.h. f (n) (z0 ) = 0, n = 0, 1, 2, ...), dann ist f (z) = 0 in allen Punkten der Umgebung. Wenn f (z) nicht vollst¨andig verschwindet, dann existiert ein 1 (m) f (z0 ) 6= 0). Es folgt, daß man schreiben m > 0, mit dem gilt f (m) (z0 ) 6= 0 (oder am = m! kann ∞ X f (z) = (z − z0 )m am+n (z − z0 )n = (z − z0 )m g(z) , (6.109) n=0
wobei g(z) =
∞ X
n=0
am+n (z − z0 )n analytisch ist in der Umgebung und g(z 0 ) 6= 0 ist.
9. Reihen mit negativen Exponenten: In der Reihe
∞ X
bn (z − z0 )n n=1 kann man durch Variablensubstitution w = ∞ X
n=1
(6.110)
1 schreiben z − z0 ∞
X bn = bn w n n (z − z0 ) n=1
103
(6.111)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Die Reihe auf der rechten Seite ist eine Potenzreihe, die f¨ur w = 0 verschwindet. F¨ur diese Reihe gelten alle bisherigen Resultate. Z.B., wenn die Reihe auf der linken Seite f¨ur z 1 6= z0 1 konvergiert, dann konvergiert die Reihe auf der rechten Seite f¨ur w 1 = . Es folgt, daß z1 − z 0 ∞ X bn wn f¨ur alle Punkte |w| < |w1 | konvergiert und eine analytische Funktion
n=0
g(w) =
∞ X
bn w n
(|w| < |w1 |)
n=1
(6.112)
darstellt. Zur¨uck zur z-Variable, stellt sich heraus, daß die Reihe mit negativen Exponenten von (z − z0 ) in der Umgebung von unendlich konvergiert 1 1 > = |z1 − z0 | = R und dort die analytische Funktion |z − z0 | = |w| |w1 | f (z) = g
1 z − z0
=
∞ X
n=1
bn (z − z0 )n
1 |z − z0 | > R = |z0 − z1 |
(6.113)
darstellt. Aufgabe: Erweitern Sie die bisherigen Ergebnisse auf Reihen mit negativen Exponenten!
6.4 Residuen und Pole 6.4.1 Definitionen Singularit¨at Ein Punkt z0 ist eine Singularit¨at der Funktion f (z), wenn f (z) nicht analytisch ist in z 0 . Isolierte Singularita¨ t Eine isolierte Singularit¨at liegt vor, wenn es eine Umgebung |z − z 0 | < R gibt, in der f (z) analytisch ist mit Ausnahme des Punktes z0 . Mit anderen Worten: f (z) ist analytisch f¨ur alle 0 < |z − z 0 | < R. F¨ur eine isolierte Singularit¨at kann man die Funktion f (z) in der “gepunkteten Scheibe” 0 < |z−z 0 | < R darstellen durch die Laurentreihe f (z) =
∞ X
n=0
an (z − z0 )n +
∞ X
bn (z − z 0 )n n=1
(0 < |z − z0 | < R)
(6.114)
Residuum Das Residuum von f (z) an einer isolierten Singularit¨at z 0 ist der Wert des Koeffizienten b1 in der Laurentreihen-Darstellung f¨ur f (z) im Bereich 0 < |z − z 0 | < R. Es gilt 1 Resz=z0 [f (z)] = b1 = 2π i
Z
f (z) dz ,
C
wobei C eine beliebige, einfach geschlossene Kurve um z 0 innerhalb 0 ≤ |z − z0 | < R ist. 104
(6.115)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
6.4.2 Residuensatz Die einfach geschlossene Kurve C sei positiv orientiert. Die Funktion f (z) sei auf und innerhalb C analytisch, mit Ausnahme einer endlichen Anzahl von isolierten Singularit¨aten in den Punkten z1 , z2 , ..., zn innerhalb von C. Wenn B1 , B2 , ..., Bn die Residuen von f (z) in diesen singul¨aren Punkten bezeichnen, dann gilt Z
f (z) dz = 2π i (B1 + B2 + ... + Bn ) .
(6.116)
C
6.4.3 Pole Hauptteil einer Funktion z0 sei ein singul¨arer Punkt von f (z), so daß die Laurentreihen - Darstellung f (z) =
∞ X
n=0
an (z − z0 )n +
bn (z − z0 )n
(0 < |z − z0 | < R)
(6.117)
g¨ultig ist. Der Teil der Reihe p(z) =
b1 b2 bn + + ... + + ... 2 z − z0 (z − z0 ) (z − z0 )n
(6.118)
heißt der Hauptteil der Funktion f (z) in z 0 . Pole Die isolierte Singularit¨at z0 einer Funktion f (z) ist ein Pol der Ordnung m, wenn der Hauptteil der Funktion f (z) in z0 nur aus endlich vielen Summanden besteht p(z) =
b1 b2 bm + + ... + z − z0 (z − z0 )2 (z − z0 )m
(bm 6= 0)
(6.119)
In anderen Worten, in der Laurentreihen - Darstellung f¨ur f (z) im Bereich 0 < |z − z 0 | < R sind die Koeffizienten f¨ur negative Exponenten bn = 0 f¨ur (n = m + 1, m + 2, ...)
(6.120)
Dies bedeutet, daß f (z) geschrieben werden kann als f (z) =
1 Φ(z) (z − z0 )m
(0 < |z − z0 | < R) ,
wobei Φ(z) analytisch ist in der vollst¨andigen Scheibe |z − z 0 | < R. Außerdem gilt Φ(z0 ) = bm 6= 0. Den Punkt z0 nennt man einen Pol der Ordnung m. 105
(6.121)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Residuum in einem Pol Wenn z0 ein Pol der Ordnung m der Funktion f (z) ist, dann gilt nach dem obigen f (z) =
Φ(z) (z − z0 )m
0 < |z − z0 | < R ,
wobei Φ(z) analytisch ist in |z − z0 | < R und Φ(z0 ) 6= 0. Das Residuum b1 von f (z) in z0 ist gegeben durch Φ(m−1) (z0 ) dm−1 (m−1) b1 = Φ (z0 ) = m−1 Φ(z0 ) . (m − 1)! dz
(6.122)
(6.123)
Spezialfall: Wenn m = 1 ist, d.h. der Pol z 0 ein einfacher Pol ist, dann gilt f (z) =
Φ(z) und b1 = Φ(z0 ) . z − z0
(6.124)
F¨ur einen Pol der Ordnung m ist die Funktion Φ(z) gegeben durch Φ(z) = (z − z0 )m f (z) .
(6.125)
Eine M¨oglichkeit, die Ordnung m eines Pols zu bestimmen, ist der Grenzwert Ak = lim (z − z0 )k f (z). Denn f¨ur einen Pol der Ordnung m gilt z→z0
f¨ur k = 0, 1, ..., m − 1 ∞ Ak = b = 6 0 f¨ur k = m . m 0 fu ¨r k = m + 1, m + 2, ...
(6.126)
Pole meromorpher Funktionen
p(z) (p(z) und q(z) sind analyq(z) tisch). Pole treten auf, wenn q(z) = 0. Wenn p(z 0 ) 6= 0 und q(z) = (z − z0 )m r(z) (r(z0 ) 6= 0), dann gilt Φ(z) p(z) , (6.127) = f (z) = (z − z0 )m r(z) (z − z0 )m Eine meromorphe Funktion f (z) l¨aßt sich ausdr¨ucken durch f (z) =
da Φ(z) =
p(z) p(z0 ) und Φ(z0 ) = 6= 0. Also hat f (z) einen Pol der Ordnung m. r(z) r(z0 )
6.5 Berechnung bestimmter Integrale mit Hilfe des Residuensatzes 6.5.1 Berechnung von Integralen mit sin und cos Im folgenden sollen Integrale der Form I=
Z2π
f (cos θ, sin θ) dθ
0
berechnet werden. Die Funktionen f (t) seien rationale Funktionen, d.h. es gilt f (t) = p(t) und q(t) Polynome sind. 106
p(t) , wobei q(t)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Trick Einf¨uhrung des Einheitskreises z = exp iθ 1 eiθ + e−iθ = cos θ = 2 2
1 z+ z
(0 ≤ θ ≤ 2π) und Substitution: ;
1 eiθ − e−iθ = sin θ = 2i 2i
1 z− z
(6.128)
Dann kann das Integral I dargestellt werden durch das Kurvenintegral I=
Z
C
1 1 1 1 dz f z+ , z− 2 z 2i z iz
(6.129)
Das Integral kann nur Pole als Singularit¨aten besitzen. In vielen F¨allen lassen sich L¨osungen mit Hilfe des Residuensatzes berechnen. Beispiel I=
Z2π
dθ a + cos θ
(a > 1)
(6.130)
0
Folgt man der oberen Prozedur, kann das Integral transformiert werden in I=
Z
C
a+
1 2
1 2 dz 1 iz = i z+z
Z
z2
dz + 2az + 1
(6.131)
C
Die Singularit¨aten des Integranden m(z) = z 2 + 2az + 1 sind die Wurzeln z1 = −a +
p a2 − 1 ,
Nur z1 liegt innerhalb des Einheitskreises C :
z2 = −a −
(6.132)
|z| < 1. Daher gilt
2 1 I = 2π i Res z=z1 2 = 4π i z + 2az + 1 =
p a2 − 1
4π 2π =√ . 2z1 + 2a a2 − 1
1 d 2 + 2az + 1) (z dz
(6.133) z=z1
(6.134)
6.5.2 Uneigentliche Integrale Definition Ein Integral
Zb
f (t) dt heißt uneigentlich, wenn zumindest eine der folgenden Bedingungen zutrifft:
a
1. f (t) hat eine Singularit¨at im Intervall [a, b]. 2. Eine oder beide Intervallgrenzen a oder b sind unendlich. 107
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Berechnung eines uneigentlichen Integrals: 1. f (t) habe nur eine Singularit¨at t = t 1 im Intervall [a, b]. Dann definiert man Zb
I=
f (t) dt = lim
ε1 →0
a
t1Z−ε1
f (t) dt + lim
Zb
ε2 →0 t1 −ε2
a
f (t) dt ,
(6.135)
wenn die beiden Grenzwerte existieren. ε 1 und ε2 streben unabh¨angig voneinander gegen Null. Man sagt, das obige Integral konvergiert gegen I. Wenn f (t) eine endliche Anzahl von Singularit¨aten a ≤ t 1 < t2 < ... < tN ≤ b besitzt, so teilt man das Intervall [a, b] in N + 1 Unterintervalle, so daß jedes genau eine Singularit¨at enth¨alt. Dann kann die obige Prozedur auf jedes Intervall einzeln angewendet werden. 2. Man definiert ZB1 Z∞ f (t) dt = lim I(B1 ) (a) I1 = f (t) dt = lim B1 →∞
α
(b) I2 =
Zβ
f (t) dt =
−∞
(c) I3 =
Z∞
f (t) dt =
−∞
B1 →∞
α
lim
B2 →−∞
ZB2 f (t) dt = β
lim
B2 →−∞
ZB1 f (t) dt =
lim
B1 →∞,B2 →−∞ B2
I(B2 )
lim
B1 →∞,B2 →−∞
I(B1 , B2 )
Die Grenz¨uberg¨ange B1 → ∞ und B2 → −∞ geschehen unabh¨angig voneinander. Beispiele 1. I1 =
Z1 0
dt √ = lim t ε→0+
Z1 ε
dt √ = lim t ε→0+
√ 1 2 t ε
= lim 2 · (1 − ε→0+
√ ε) = 2
(6.136)
Das uneigentliche Integral I1 konvergiert gegen 2. 2.
B Z∞ ZB e−t −t −t I2 = e dt = lim = lim (1 − e−B ) = 1 e dt = lim B→∞ B→∞ B→∞ −1 0 0
(6.137)
0
Das uneigentliche Integral I2 konvergiert gegen 1. 3. I3 = =
Z1
−1
−ε Z 1 Z1 h 1 i −ε dt dt dt = lim ln |t| −11 + ln |t| ε2 (6.138) = lim + ε1 ,ε2 →0+ ε1 ,ε2 →0+ t t t
lim
ε1 ,ε2 →0+
−1
ε2
[ln |ε1 | − ln |ε2 |] konvergiert nicht! 108
(6.139)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
4. I4 =
Z∞
sin t dt =
−∞
lim
ZB2
(6.140)
lim
(− cos B2 + cos B1 ) konvergiert nicht!
(6.141)
B1 ,B2 →∞ −B1
=
B1 ,B2 →∞
sin t dt =
lim
B1 ,B2 →∞
2 − cos t|B −B1
Die uneigentlichen Integrale I3 und I4 konvergieren nicht, da die beiden Grenz¨uberg¨ange unabh¨angig voneinander erfolgen. Hauptwert eines Integrals 1. Endliches Intervall [a, b] Die Funktion f (t) besitze nur eine Singularit¨at t 1 im Intervall [a, b] und es gelte a < t1 < b. Wenn der Grenzwert t −ε Zb Zb Z1 PV f (t) dt = lim f (t) dt + f (t) dt ε→0+ a
a
(6.142)
t1 +ε
existiert, so heißt er der (Cauchy’sche) Hauptwert des Integrals u¨ ber f (t) im Intervall (a, b),
2. Unendliches Intervall (−∞, ∞) Wenn der Grenzwert PV
Z∞
f (t) dt = lim
ZB
B→∞ −B
−∞
f (t) dt
(6.143)
existiert, so heißt er der (Cauchy’sche) Hauptwert des Integrals u¨ ber f (t) im Intervall (−∞, ∞). Beispiele 1. PV
Z
1
−1
dt t
= =
2. PV
Z∞
lim
ε→0+ −1
+
lim 0 = 0 ZB
B→∞ −B
−∞
t
ε→0+
cos x dx = lim
konvergiert nicht.
ε Z dt
Z1 ε
dt t
= lim {ln |ε| − ln |ε|} ε→0+
(6.144) (6.145)
cos x dx = lim sin x|B −B = lim 2 sin B B→∞
B→∞
(6.146)
3. PV
Z∞
−∞
sin x dx = =
lim
ZB
B→∞ −B
sin x dx = lim
B→∞
− cos x|B −B
lim (− cos B + cos B) = 0
B→∞
109
(6.147) (6.148)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Hinweise 1. Wenn ein uneigentliches Integral konvergiert, dann konvergiert auch sein Hauptwert, beide gegen denselben Grenzwert. 2. Der Hauptwert eines Integrals kann konvergieren, ohne daß das uneigentliche Integral konvergiert. 3. Im Prinzip ist es einfacher, den Hauptwert zu berechnen als das uneigentliche Integral selber. Daher wird h¨aufig erst u¨ berpr¨uft, ob das uneigentliche Integral konvergiert, und dann wird der Hauptwert berechnet.
Konvergenz eines uneigentlichen Integrals Z∞ Betrachtung von Integralen der Form I = f (t) dt. 0
Das uneigentliche Integral I konvergiert, wenn Zahlen α > 0 und β > 0 existieren, so daß gilt 1. f (t) = O (tα ) 2. f (t) = O
(t → 0+)
1 t1+β
, und
(t → ∞)
.
Die beiden Bedingungen bedeuten: 1. Es gibt ein ε > 0 und ein M > 0, so daß f¨ur 0 < t < ε gilt: |f (t)| ≤ M t α . 2. Es gibt ein B > 0 und ein N > 0, so daß f¨ur t > B gilt: |f (t)| ≤ Z∞
N . t1+β
Zb
f (t) dt,
(1 + x) dx konvergiert. x (x2 + 1)
Z∞
dx √ konvergiert. x(1 + x)
(6.149)
x dx konvergiert nicht. +x+1
Z5
dx √ konvergiert nicht. x x
(6.150)
Analoge Bedingungen gelten f¨ur andere F¨alle, wie z.B.
−∞
Aufgabe: Formulieren Sie sie!
f (t) dt, etc. .
−∞
Beispiele Z∞
Z∞
−∞
−∞
x2
0
0
110
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
6.5.3 Berechnung von uneigentlichen Integralen mit Hilfe des Residuensatz Beispiele 1. I1 =
Z∞
−∞
1 + x + 2x2 dx (1 + x2 )2
1 1 + x + 2x2 = O( 2 ) (x → ∞) konvergiert das Integral. Es reicht daher (1 + x2 )2 x aus, den Hauptwert des Integrals zu berechnen:
Wegen f (x) =
I1 = PV
Z∞
−∞
1 + x + 2x2 dx = lim R→∞ (1 + x2 )2
ZR
1 + x + 2x2 dx . (1 + x2 )2
(6.151)
−R
Man betrachtet dazu einen festen, großen Wert R > 0 und die Kurve C R = C1R ∪ C2R (siehe Abbildung 6.26), mit C1R :
z=x
(−R ≤ x ≤ R) ,
z = R eiθ
C2R :
(0 ≤ θ <
π ). 2
(6.152)
y 6 iR
C2R
i -
−R
C1R R
- x
−i
Abbildung 6.26: CR = C1R ∪ C2R 1 + x + 2x2 ist analytisch u¨ berall in der komplexen z-Ebene außer an (1 + x2 )2 den Singularit¨aten z1,2 = ±i, f¨ur die der Nenner verschwindet. Diese Singularit¨aten sind Pole zweiter Ordnung. Aus Cauchy’s Residuensatz folgt Die Funktion f (x) =
Z
CR
f (z) dz =
Z
C1R
f (z) dz +
Z
f (z) dz = 2π i Res z=i f (z)
(6.153)
C1R
Das Residuum bei z = −i wurde nicht benutzt, da es außerhalb der Kurve C R liegt. Das Residuum bei z = i kann einfach berechnet werden: 2 d 1 + z + 2z 2 1 d 2 1 + z + 2z Res z=i f (z) = = lim lim (z − i) z→i dz 1! z→i dz (1 + z 2 )2 (z + i)2 (z + i)(1 + 4z) − 2(1 + z + 2z 2 ) = = −6 i (z + i)3 z=i 111
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Damit
lim
Z
R→∞ CR
lautet
das
Z
Integral
f (z) dz = 2π i · (−6i) = 12π
und
der
Grenzwert
CR
f (z) dz = 12π.
Wir berechnen nun die folgenden Grenzwerte: (a) lim
Z
f (z) dz = lim
(b) lim
Z
f (z) dz = lim
R→∞ C1R
R→∞ C2R
ZR
R→∞ −R Zπ R→∞
f (x) dx = lim
ZR
R→∞ −R
1 + x + 2x2 dx (1 + x2 )2
f (R eiθ ) i R eiθ dθ
0
Bei dem ersten Grenzwert handelt es sich um das Hauptwertintegral, das bestimmt werden soll. Wie gezeigt werden wird, ist der zweite Grenzwert gleich Null (was eine Konsequenz der Tatsache ist, daß gilt f (z) =O(z −2 ) (|z| → ∞). Daraus folgt das Resultat Z Z Z I1 = lim f (z) dz + f (z) dz = lim f (z) dz = 12π (6.154) R→∞ R→∞ C1R
C2R
CR
Es verbleibt nun zu zeigen, daß der Grenzwert (b) gleich Null ist. Dazu sch¨atzen wir den Betrag ab: Zπ Z Zπ iθ iθ (6.155) i R e dθ ≤ R f R eiθ dθ f (z) dz = f R e CR 0 0 1 + z + 2z 2 |z|2 z12 + 1z + 2 M (R) = , (6.156) |f (z)| = ≤ (1 + z 2 )2 |z|4 1 + 12 2 R2 z wobei M (R) > 0 beschr¨ankt ist f¨ur R → ∞ und lautet M (R) =
1 z2
+
1+
1 z
+2
1 2 z2
.
Damit folgt Z Zπ Zπ M (R) M (R) iθ dθ = π, f (z) dz ≤ R f R e dθ ≤ R 2 R R CR 0 0 Z woraus wie bereits erw¨ahnt lim f (z) dz → 0 folgt. R→∞ CR
(6.157)
(6.158)
Bemerkung: Das Integral I1 h¨atte auch berechnet werden k¨onnen unter Benutzung der alternativen Kurve eines Halbkreises unterhalb der x-Achse. Aufgabe: Zeigen Sie dasselbe Resultat. 112
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
2. I2 =
Z∞
−∞
x2
cos x dx − 2x + 2
Dieses Integral kann auch dargestellt werden durch I2 = <{J2 } ,
J2 =
Z∞
−∞
eix dx x2 − 2x + 2
(6.159)
Der Nenner z 2 − 2z + 2 hat die komplexen Wurzeln z = 1 ± i, auf der reellen Achse befindet sich also keine Singularit¨at. Wegen ix e 1 ≤ = O(x−2 ) (x → ∞) (6.160) |f (x)| = 2 x − 2x + 2 |x2 − 2x + 2|
konvergiert das Integral J2 . Daher reicht es aus, den Hauptwert zu berechnen unter Benutzung derselben Kurve wie in Abbildung (6.26). Es gilt eiz J2 = 2π i Res z=1+i 2 = π ei(1+i) (6.161) z − 2z + 2
Daher folgt I2 = <{J2 } =
π cos 1. e
Aufgabe: Was passiert bei Benutzung von
J 20
=
Z∞
−∞
e−ix dx? x2 − 2x + 2
3. Jordan’sche Ungleichung: Bei der Berechnung einiger uneigentlicher Integrale, die Sinus und Cosinus enthalten, wird das folgende Resultat genutzt, das bekannt ist als Jordan’sche Ungleichung. π
Z2
e−R sin θ dθ <
π 2R
(R > 0)
(6.162)
0
Diese Ungleichung folgt direkt aus der elementaren Ungleichung sin θ ≥
2θ π
(0 ≤ θ ≤
π ) 2
(6.163)
¨ Aufgabe: Uberpr¨ ufen Sie diese Ungleichung! Aus dieser Ungleichung folgt π
Z2 0
π
e
−R sin θ
dθ ≤
Z2 0
e
− 2Rθ π
π π π −π − 2R θ 2 π = 1 − e−R < dθ = e . 2R 2R 2R 0
(6.164)
Als ein Beispiel der Benutzung der Jordan’schen Ungleichung dient die Berechnung des Integrals Z∞ x sin x dx . (6.165) I3 = 1 + x2 0
113
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Wegen
x sin x ≤ |x| = O(x−1 ) |f (x)| = 1 + x2 1 + x2
(6.166)
ist nicht garantiert, daß das Integral konvergiert. Trotzdem gilt, da f (x) eine gerade Funktion ist, I3 = lim
R→∞
ZR
x sin x 1 dx = lim 2 R→∞ 2 1+x
0
ZR
x sin x 1 dx = PV 2 1+x 2
−R
Z∞
−∞
x sin x dx , 1 + x2
(6.167)
so daß es wieder ausreicht, den Hauptwert zu berechnen, um das Integral I 3 zu erhalten. Man schreibt ∞ Z Z∞ ix xe x sin x dx = = dx (6.168) 1 + x2 1 + x2 −∞
−∞
und berechnet (falls es existiert!)
J = PV
Z∞
−∞
x eix dx 1 + x2
(6.169)
so daß das gesuchte Integral lautet I 3 = 12 ={J}.
Unter Benutzung der gleichen Kurve C R = C1R ∪ C2R wie in Abbildung (6.26) gilt f¨ur große, feste R > 0 Z π z eiz z eiz dz = 2π i Res z=i =i (6.170) 2 2 1+z 1+z e CR
¨ Aufgabe: Uberpr¨ ufen Sie dies! Also gilt (a)
Z
z eiz dz = 1 + z2
Z
z eiz dz = 1 + z2
C2R
x eix dx und 1 + x2
Zπ
R eiθ eiR e i R eiθ dθ 1 + R2 e2iθ
−R
C1R
(b)
ZR
iθ
0
Das erste Integral als Grenzwert stellt das gesuchte J dar. Das zweite Integral geht gegen Null f¨ur R → ∞, wie gezeigt wird. Es gilt Z Zπ R2 eiReiθ Zπ iz ze R2 dz ≤ dθ ≤ 2 e−R sin θ dθ (6.171) 1 + z2 |1 + R2 e2iθ | R −1 C2R 0 0 π
=
2R2 R2 − 1
Z2
e−r sin θ dθ <
0
114
π πR 2R2 · = 2 2 R − 1 2R R −1
(6.172)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Dabei wurden die Jordan’sche Ungleichung sowie 2 i2θ 1 + R e ≥ R2 − 1 (R > 1)
iR eiθ e = e−R sin θ
und
benutzt. Es wurde also gezeigt, daß das Integral (b) gegen Null geht f¨ur R → ∞. Zusammenfassend gilt iπ e
=
lim
Z
R→∞ CR
z eiz dz = lim R→∞ 1 + z2
Z
z eiz dz + lim R→∞ 1 + z2
C1 R
Z
z eiz dz 1 + z2
(6.173)
C2 R
= J +0=J,
(6.174)
so daß das Resultat des gesuchten Integrals lautet I3 =
π 1 ={J} = . 2 2e
(6.175)
Mit der Berechnung des Wertes des Integrals wurde gleichzeitig seine Konvergenz gezeigt. 4. Integration mit “branch cut”-Singularit¨aten I4 =
Z∞
1
x− 2 dx = lim I(ρ, R) ρ→0,R→∞ 1 + x2
(6.176)
0
mit I(ρ, R) =
ZR ρ
1
x− 2 dx . 1 + x2
(6.177)
F¨ur beliebige, feste, kleine ρ > 0 und große R > 0 werde die in Abbildung (6.27) dargestellte Kurve betrachtet Cρ,R = CR ∪ C2ρ,R ∪ Cρ ∪ C1ρ,R (6.178) wobei CR : Cρ =
C2ρ,R = − C2ρ,R
−
−Cρ− ; ;
Cρ− C1ρ,R − C2ρ,R
:
z = R eiθ z = ρe
iθ i·0
:
z = xe
:
z = x ei·2π
(0 ≤ θ ≤ 2π)
(0 ≤ θ ≤ 2π)
(ρ ≤ x ≤ R, oberhalb der x-Achse) (ρ ≤ x ≤ R, unterhalb der x-Achse)
1 = exp − log z mit log z = Log |z| + i arg z, sei definiert als z Die Funktion z 2 (0 < arg z < 2π), so daß die positive x-Achse die Schnittgerade (“branch cut”) f¨ur den Logarithmus bildet. − 21
− 21
1
z− 2 Die Funktion f (z) = ist daher analytisch innerhalb der Kurve C ρ,R , außer in den Sin1 + z2 gularit¨aten z = ±i, bei denen es sich um einfache Pole handelt. Die Residuen in diesen Punkten lauten # " 1 π 1 i− 2 e−i 4 z− 2 = = (6.179) a1 = Res z=i 1 + z2 2i 2i 115
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE y6
CR
Cρ
-
ρ
C1ρ,R -
C2ρ,R
- x
R
-
Abbildung 6.27: Cρ,R = CR ∪ C2ρ,R ∪ Cρ ∪ C1ρ,R und a2 = Res z=−i
"
1
z− 2 1 + z2
#
3π
1
π
e−i 4 ei 4 (−i)− 2 =− = , = −2i 2i 2i
(6.180)
woraus mit Hilfe des Cauchy’schen Residuensatzes folgt Z
Cρ,R
√ 2π i −i π π z− 2 iπ 4 + e 4 dz = 2π i(a + a ) = e = 2π cos 2. = π 1 2 1 + z2 2i 4 1
(6.181)
F¨ur die beiden geraden Kurvenanteile gilt Z
1
z− 2 dz = 1 + z2
C1ρ,R
ZR ρ
1
x− 2 dx 1 + x2
(6.182)
und Z
C2ρ,R
1 Z 1 ZR − 1 ZR − 1 z− 2 z− 2 x 2 −iπ x 2 dz = − dz = − e dx = dx . 2 2 2 1+z 1+z 1+x 1 + x2 − ρ ρ (C2ρ,R )
(6.183)
Dabei wurde benutzt daß f¨ur ρ < x < R gilt: 1 1 1 1 i0 i 0 −2 = exp − (Log x + i 0) = x− 2 xe = exp − log x e 2 2 1 1 1 1 i 2π i 2π − 2 xe = exp − log x e = exp − (Log x + i 2π) = x− 2 e−i π . 2 2 116
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Die Summe der Integrale entlang beider geraden Teilkurven lautet also Z
Z
1
z− 2 dz + 1 + z2
1
z− 2 dz = 2 1 + z2
C2ρ,R
C1ρ,R
ZR ρ
1
x− 2 dx . 1 + x2
(6.184)
F¨ur die Integrale entlang der anderen Teilkurven gilt Z CR Z Cρ
2π 1 √ Z Z2π − 1 iθ − 2 2R R e R z R iθ dz = R e dθ ≤ dθ = 2π 2 (6.185) 2 2 2iθ 2 1+z 1+R e R −1 R −1 0 0 1 Z2π Z2π − 1 1 √ iθ − 2 ρ e ρ z− 2 ρ 2ρ iθ dz = ρ e dθ ≤ dθ = 2π 2 (6.186) 2 2 2iθ 2 1+z ρ −1 ρ −1 1+ρ e 0 0 − 12
und f¨ur die Grenzwerte
Z lim R→∞ CR Z lim ρ→0 Cρ
z dz ≤ 2 1+z − 12 z dz ≤ 1 + z2 − 12
√ R lim 2π 2 =0 R→∞ R −1 lim 2π
ρ→0
(6.187)
√ ρ =0 2 ρ −1
(6.188)
Faßt man die Zwischenergebnisse zusammen, so ergibt sich √ π 2 =
lim
Z
1
R→∞,ρ→0 Cρ,R
z− 2 dz 1 + z2
(6.189)
1 Z Z Z Z z− 2 + + + dz = lim (6.190) 1 + z2 R→∞,ρ→0 CR Cρ C1ρ,R C2ρ,R ZR − 1 Z Z −1 x 2 z 2 dz dx (6.191) + 2 lim = lim + R→∞,ρ→0 R→∞,ρ→0 1 + z2 1 + x2 CR
= 0+2
Z∞
ρ
Cρ
1
x− 2 dx . 1 + x2
(6.192)
0
Daraus folgt π I4 = √ . 2 117
(6.193)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
6.6 Methode der Station¨ aren Phase Das Problem: Das Integral I(λ) =
Zb
f (t)eiλq(t) dt =
?,
(6.194)
a
ist analytisch f¨ur allgemeine f (t), q(t) nicht integrierbar. Der Sinn der Methode der Station¨aren Phase ist es, wenigstens f¨ur große λ einen N¨aherungswert f¨ur I(λ) zu erhalten. Wo tritt dieses Integral auf? • Problem Streuk¨orper Bestimmt man im ω-Raum die L¨osung der Wellengleichung (Helmholtzgleichung), so ergibt sich, falls ein Streuk¨orper mit der Oberfl¨ache S C vorhanden ist, folgendes Integral: ZZ ZZ ∂Φ ∂g f (r, φ)eiωq(r,φ) drdφ (6.195) G −Φ dS = ∂n ∂n SC
SC
Mit Hilfe der station¨aren Phase kann eine N¨aherungsl¨osung f¨ur große ω (Hochfrequenzl¨osung) gefunden werden. • Problem R¨ucktransformation Die Fourier-R¨ucktransformation einer Funktion sieht folgendermaßen aus: 1 f (t, x, y, z) = 2π
Z∞
F (ω, x, y, z)eiωt dw
(6.196)
−∞
Dieses Integral ist ebenfalls von der obigen Art, besonders wenn die Abh¨angigkeit von den r¨aumlichen Variablen ebenfalls exponentiell ist und diese linear von der Zeit abh¨angen (z.B. x = pt ). Es kann dann eine L¨osung f¨ur große Zeiten gefunden werden. Idee zur N¨aherungsl¨osung Bekannt ist, daß das Integral u¨ ber ein ganzzahliges Vielfaches einer Periode u¨ ber die trigonometrischen Funktionen sin t und cos t verschwindet, d.h. a+2nπ Z
cos tdt =
a
a+2nπ Z
sin tdt =
a
a+2nπ Z
eit = 0
(6.197)
a
Bei Multiplikation des Arguments t mit einem (großen) Faktor bleibt diese Eigenschaft erhalten, d.h. es gilt entsprechend: a+2nπ a+ 2nπ a+ 2nπ Z λ Z λ Zλ cos tdt = sin tdt = eit = 0 (6.198) a
a
a
Die Idee f¨ur die N¨aherungsl¨osung von I(λ) besteht nun darin, anzunehmen, daß e iλq(t) f¨ur große λ so stark oszilliert, daß die Amplitudenfunktion f (t) jeweils u¨ ber eine Periode von e iλq(t) praktisch 118
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
konstant ist. Offensichtlich liefert das Integral I(λ) aus den Bereichen, wo dies erf¨ullt ist, keinen Beitrag. Die Beitr¨age zu I(λ) stammen also nur aus Bereichen, in denen die Phase des Integrals, λq(t), praktisch konstant -station a¨ r- ist, denn dort oszilliert eiλq(t) nicht. Ein Punkt t0 mit dq dt t0 = 0, in dessen Umgebung λq(t) praktisch konstant bleibt, heißt Punkt station¨arer Phase. Weitere Beitr¨age stammen von den R¨andern des Integrationsintervalles, denn dort wird nicht u¨ ber eine vollst¨andige Periode integriert. Zur Veranschaulichung dieser Argumentation siehe Abbildung 6.28.
N¨aherungsl¨osung F¨ur die N¨aherungsl¨osung (λ 1) werden folgende F¨alle unterschieden: 1.) kein Punkt station¨arer Phase 2.) ein Punkt station¨arer Phase innerhalb des Integrationsintervalles 3.) mehrere Punkte station¨arer Phase innerhalb des Integrationsintervalles 4.) ein Punkt station¨arer Phase auf der Integrationsgrenze 119
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Abbildung 6.28: Im unteren Teilbild ist eine schematische Darstellung der Funktion f (t)e iλq(t) f¨ur ein im oberen Teilbild gegebenes f (t) und ein im mittleren Teilbild gegebenes q(t) bei großem λ zu sehen. Die Funktion f (t)eiλq(t) oszilliert sehr stark außerhalb des Bereiches, in dem q(t) in etwa konstant (station¨ar) ist. Der Punkt t 0 , an dem q(t) eine horizontale Tangente hat ( dq dt |t=0 = 0), heißt Punkt station¨arer Phase. 120
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Betrachtung der einzelnen Fa¨ lle dq 1.) (t) 6= 0 ∀ t ∈ [a, b] dt d.h. q(t) ist streng monoton in [a, b]. Dann kann mit Hilfe der Variablentransformation q(t) = u f¨ur das Integral (6.194) eine Potenzreihe in λ1 gefunden werden. q(t) = u
q(a) = ua
t = q −1 (u)
dt = Z
⇒ I(λ) =
ub ua
1 F (u)eiλu I(λ) = iλ
ub
ua
1 − iλ
Zub
dq −1 du = du
1 dq dt (u)
=
j=1
i Cj ( )j λ
mit
du
dq −1 iλu e du f (q −1 (u)) |{z} | {z du } G0 (u)
(6.200)
(6.201)
F 0 (u)eiλu du
ua
iub iub 1 h 1 1 h − ( )2 F 0 (u)eiλu F (u)eiλu + ( )2 = iλ iλ iλ ua ua ∞ X
(6.199)
F (u)
Wiederholte partielle Integration:
q(b) = ub
h
Cj = − F (j−1) (u)eiλu
Zub
F 00 (u)eiλu du
(6.202)
ua
i ub
ua
wobei der Strich die Ableitung nach u kennzeichnet und F (j−1) (u) die (j − 1)-te Ableitung. F¨ur λ >> 1 kann man die Terme mit j > 1 vernachl¨assigen. Es ergibt sich:
I≈
1 f (b) iλq(b) f (a) iλq(a) e − e dq iλ dq dt dt b a
(6.203)
Wie erwartet stammen die gr¨oßeren Betr¨age in diesem Fall also von den Integrationsgrenzen. 2.) dq dq = 0 , 6= 0 ∀ t ∈ [a, b]\{t0 } , t0 ∈ (a, b) t dt 0 dt d.h. q(t) ist streng monoton außer im Punkt t 0 , bzw. t0 ist der einzige Punkt station¨arer Phase in [a, b], liegt aber nicht auf dem Rand. Taylorentwicklung von f (t) und q(t) bis zur zweiten Ordnung in t an der Stelle t = t 0 : f (t) = f (t0 ) + q(t) = q(t0 ) +
1 d2 f df (t − t0 ) + dt t0 2 dt2 d2 q
t0
(t − t0 )2
dq 1 (t − t0 )2 (t − t0 ) + dt 2 dt2 t t | {z 0} | {z 0} =0
=k
121
(6.204)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE d2 q = q 00 (t0 ), Diese wird in Gleichung (6.194) eingesetzt und mit abk¨urzender Schreibweise k = dt2 t0 wobei hier und im folgenden der Strich f¨ur die Ableitung nach t steht, erh¨alt man: I(λ) = +
Z
Z
b
a b
a
Z
1
2
f (t0 )eiλ[q(t0 )+ 2 k(t−t0 ) ] dt 1
2
f 0 (t0 )(t − t0 )eiλ[q(t0 )+ 2 k(t−t0 ) ] dt
b
1 1 00 2 f (t0 )(t − t0 )2 eiλ[q(t0 )+ 2 k(t−t0 ) ] dt a 2 Z b λk 2 iλq(t0 ) ei 2 (t−t0 ) dt = f (t0 )e {z } |a
+
0
+ f (t0 )e
iλq(t0 )
Z
b
λk
(t − t0 )ei 2 {z |a
1 + f 00 (t0 )eiλq(t0 ) 2
Z
(t−t0 )2
I1 ( λk ) 2
b
(t − t0 )2 ei {z |a
dt }
λk (t−t0 )2 2
) I2 ( λk 2
Die Integrale I1 und I2 sind relativ einfach zu l¨osen: Unter Einf¨uhrung der abk¨urzenden Schreibweise α = Z
I1 (α) =
b a
(6.205)
I0 ( λk ) 2
λk 2
dt }
schreiben wir: 2
(t − t0 )eiα(t−t0 ) dt = ?
(6.206)
Ber¨ucksichtigt man jetzt, daß ∂ iα(t−t0 )2 2 e dt = 2iα(t − t0 )eiα(t−t0 ) dt ∂t
(6.207)
ist, so ergibt sich: 1 ⇒ I1 (α) = 2iα
Z
b a
Entsprechend wird aus I2 : I2 (α) =
∂ iα(t−t0 )2 1 h iα(t−t0 )2 ib e dt = e ∂t 2iα a Z
a
b
2
(t − t0 )2 eiα(t−t0 ) dt = ?
.
(6.208)
(6.209)
und wegen ∂ iα(t−t0 )2 2 e dt = i(t − t0 )2 eiα(t−t0 ) dt ∂α erh¨alt man 1 ⇒ I2 (α) = i
Z
b a
∂ iα(t−t0 )2 1 ∂ e dt = I0 (α) ∂α i ∂α 122
(6.210)
.
(6.211)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Wenden wir uns nun also I0 zu: I0 (α) =
Z
b
2
eiα(t−t0 ) dt
(6.212)
a
Um die Integralgrenzen gesondert zu betrachten, wird Integral (6.212) in drei einzelne Integrale aufgespalten: Z∞ Z a Z ∞ 2 iα(t−t0 )2 iα(t−t0 )2 I0 (α) = e dt − e dt − eiα(t−t0 ) dt (6.213) −∞
−∞
b
Variablentransformation t − t0 = t0 , dt = dt0 im ersten und dritten sowie t − t0 = −t0 , dt = −dt0 im zweiten Integral liefert: I0 (α) =
Z∞
e
−∞
iαt2
{z
|
dt − }
I01
Z
∞
iαt2
e | t0 −a{z
I02 (t0 −a)
Z
∞
2
eiαt dt dt − } | b−t0 {z } I02 (b−t0 )
I0 = I01 − I02 (t0 − a) − I02 (b − t0 )
(6.214)
Betrachten wir zun¨achst I02 . F¨ur alle c > 0 kann dieses Integral geschrieben werden als I02 (c) =
Z
∞
d→∞ c
c
q(t) = t 2 und
Nach 1.), Gleichung (6.203) mit f (t) = 1, f¨uhrende Term von I02 von der Ordnung
α−1 .
Wir finden:
d
2
eiαt dt .
∂q = 2t > 0 ∂t
(6.215)
∀t > 0 ist f¨ur α 1 der
1 1 eiαd2 − 1 eiαc2 d→∞ iα 2d | {z } 2c
I02 = lim
=
Z
2
eiαt dt = lim
−1 1 iαc2 e 2iα c
(6.216)
→0
und damit f¨ur I02 mit den obigen Grenzen: 1 2 1 eiα(a−t0 ) + O(α−2 ) 2iα (a − t0 ) 1 1 2 eiα(b−t0 ) + O(α−2 ) I02 (b − t0 ) = − 2iα (b − t0 )
I02 (t0 − a) =
(6.217)
Es bleibt also noch das Integral I01 (α) =
Z∞
e
iαt2
dt = 2
−∞
Z∞
2
eiαt dt
0
zu l¨osen. Hierzu ist eine Fallunterscheidung bez¨uglich des Vorzeichens von α n¨otig. 123
(6.218)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Abbildung 6.29: Geschlossener Integrationsweg C f¨ur die L¨osung des Fresnel-Integrals (6.218). Da der Integrand in der gesamten komplexen Ebene holomorph (analytisch) ist, verschwindet jedes Integral u¨ ber eine geschlossene Kurve.
2a) Beginnen wir mit α > 0 : Zun¨achst erg¨anzen wir in Gleichung (6.218) das Integral auf der rechten Seite in der komplexen Ebene zu einer geschlossenen Kurve (siehe Abbildung 6.29). Wir schreiben
IC =
Z
2
eiαt dt = IC1 + IC2 − IC3 = 0
(6.219)
C
wobei IC1 =
Z∞
2
eiαt dt =
1 I01 . 2
(6.220)
0
Wegen IC = 0 folgt IC1 = −IC2 + IC3
(6.221)
Zur Berechnung von IC2 parametrisieren wir t mit Amplitude r und Phase φ, d.h. t = re iφ . Damit ergibt sich folgende Darstellung f¨ur I C2 :
IC2
Zπ/4 2 = lim eiαr (cos 2φ+i sin 2φ) rdφ r→∞
0
124
(6.222)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Wir zeigen nun, daß der Betrag von IC2 verschwindet: Zπ/4 iαr2 (cos 2φ+i sin 2φ) |IC2 | ≤ lim e rdφ r→∞
0
Zπ/4 iαr2 cos 2φ −αr2 sin 2φ) ≤ lim e e rdφ r→∞
(6.223)
0
Zπ/4 2 = lim e−αr sin 2φ rdφ r→∞
0
wobei benutzt wurde, daß der Betrag einer Summe (oder eines Integrales) komplexer Zahlen immer kleiner als die Summe ihrer Betr¨age ist.
Abbildung 6.30: Die Funktion y = sin 2φ liegt im gesamten Intervall (0, π4 ) u¨ ber der Funktion y = π4 . Bei φ = 0 und φ = π4 sind beide Funktionswerte gleich. Wie in Abbildung 6.30 zu sehen ist, gilt im gesamten Intervall 0 ≤ φ ≤ π/4, daß sin 2φ ≥ 4φ/π ist. Daher ist Zπ/4 Zπ/4 2 2 lim e−αr sin 2φ rdφ ≤ lim e−αr 4φ/π rdφ
r→∞
r→∞
0
0
−πr −αr2 4φ/π π/4 e = lim r→∞ 4αr 2 0 π αr 2 = lim (1 − e ) = 0 r→∞ 4αr
(6.224)
Da der Betrag von IC2 somit verschwindet, muß auch IC2 selbst verschwinden. Damit ergibt sich aus Gleichung (6.221) IC1 = IC3 (6.225) 125
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE √ Zur Berechnung von IC3 f¨uhren wir eine neue Variable x mit t = (1 + i)x/ 2 ein. Damit ist t2 = (1 + i)2 x2 /2 = (12 + i2 + 2i)x2 /2 = ix2 . IC3 =
=
(1 + i) √ 2
Z∞
(1 + i) √ 2 2
Z∞
2
e−αx dx
0
2
e−αx dx
−∞
=
(1 + i) ˜ √ I 2 2
Z∞
−αx2
(6.226)
wobei ˜2
I =
=
e
−∞ Z∞
Z∞
Z∞
dx
2
e−αy dy
−∞
eα(x
2 +y 2 )
dxdy
−∞ −∞
=
Z2π Z∞ 0
= 2π
2
e−αr rdrdφ
0 Z∞
2
re−αr dr
(6.227)
0
−2π = 2α
Z∞ 0
2
−2αre−αr dr
Z∞
∂ −αr2 e dr ∂r 0 π h −αr2 i∞ =− e α 0 π π = − [0 − 1] = α α =−
π α
˜ Damit folgt f¨ur I: I˜ =
r
π α
(6.228)
Einsetzen in Gleichung (6.226) liefert also wegen den Gleichungen (6.220) und (6.225): ⇒ I01 = 2IC1 = 2IC3 ⇒ I01
r r 1+i π π iπ = √ = e 4 α α 2 r π iπ e 4 = α
126
(6.229)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
2b) F¨ur α < 0 setzt man in Gleichung (6.218) α = −β und erh¨alt I01 (α) = I01 (−β) =
Z∞
e
−iβt2
dt = 2
−∞
Z∞
2
∗ e−iβt dt = I01 (β)
(6.230)
0
Diese Gleichung ist konjugiert komplex zu Gleichung (6.218). Die L¨osung erfolgt analog, wobei immer i durch −i zu ersetzen ist, und liefert ∗ I01 (β)
=
Allgemein (f¨ur α 6= 0) kann man schreiben: I01 (α) =
r
r
π −i π e 4 β
(6.231)
π i π sgn α e 4 |α|
(6.232)
F¨ur I0 ergibt sich nach Gleichung (6.214) bis zur ersten Ordnung in α −1 : I0 (α) =
r
π i π sgn α 1 e 4 + |α| 2iα
1 2 1 2 eiα(b−t0 ) − eiα(a−t0 ) b − t0 a − t0
(6.233)
Damit ist gezeigt, daß der f¨uhrende Term von I 0 proportional zu α−1/2 ist. Wegen der Gleichungen (6.208) und (6.211) ist dies auch der f¨uhrende Term der Entwicklung des gesuchten Integrales I(λ) aus Gleichung (6.194). Um das asymptotische Ergebnis f¨ur I(λ) bis zur ersten Ordnung in λ −1 angeben zu k¨onnen, muß man aber noch einen weiteren Beitrag berechnen. Wegen Gleichung (6.211) ist I2 = '
1 ∂ I0 (α) i ∂α 1 2 2 (b − t0 )eiα(b−t0 ) − (a − t0 )eiα(a−t0 ) 2iα
(6.234)
wobei h¨ohere Ordnungen als α−1 vernachl¨assigt wurden. Das Ergebnis lautet damit nach Gleichung (6.205) unter Ber¨ucksichtigung von α = kλ/2 und k = q 00 (t0 ) sowie unter der Annahme, daß λ > 0: I(λ) = f (t0 )e
iλq(t0 )
s
2π |q 00 (t
0 )λ|
π
ei 4 sgn q
00 (t
0)
1 1 1 iq 00 (t0 )λ(b−t0 )2 /2 iq 00 (t0 )λ(a−t0 )2 /2 + f (t0 )e e − e iq 00 (t0 )λ b − t0 a − t0 00 1 2 00 2 + f 0 (t0 )eiλq(t0 ) 00 eiq (t0 )λ(b−t0 ) /2 − eiq (t0 )λ(a−t0 ) /2 iq (t0 )λ 1 00 2 00 2 + f 00 (t0 )eiλq(t0 ) 00 (b − t0 )eiq (t0 )λ(b−t0 ) /2 − (a − t0 )eiq (t0 )λ(a−t0 ) /2 2iq (t0 )λ (6.235) iλq(t0 )
127
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE
Wir ordnen nun die Terme, die zur oberen bzw. unteren Grenze b bzw. a geh¨oren: s π 2π 00 I(λ) = f (t0 )eiλq(t0 ) ei 4 sgn q (t0 ) 00 |q (t0 )λ|
f (t0 ) + f 0 (t0 )(b − t0 ) + 21 f 00 (t0 )(b − t0 )2 1 iq 00 (t0 )λ b − t0 0 f (t0 ) + f (t0 )(a − t0 ) + 21 f 00 (t0 )(a − t0 )2 1 iλ[q(t0 )+q 00 (t0 )(a−t0 )2 /2] −e iq 00 (t0 )λ a − t0 (6.236)
+eiλ[q(t0 )+q
00 (t
0 )(b−t0 )
2 /2]
Unter Ber¨ucksichtigung der Taylorentwicklungen (6.204) finden wir s π 2π 00 iλq(t0 ) I(λ) = f (t0 )e ei 4 sgn q (t0 ) |q 00 (t0 )λ| +
1 f (b) iλq(b) f (a) iλq(a) e − e dq iλ dq dt dt b a
(6.237)
Eine Weiterf¨uhrung der Taylorreihe (6.204) f¨ur f (t) bis zu h¨oheren Gliedern in t − t 0 f¨ugt zu Gleichung (6.205) weitere Summanden mit Integralen vom Typ I 0 , I1 , I2 hinzu. Das Ordnen nach obigem Vorbild liefert aber in jedem Fall das Ergebnis (6.237). 3.) q 0 (t0 = a) = 0, q 0 (t) 6= 0 ∀ t ∈ (a, b] d.h., der einzige Punkt station¨arer Phase liegt genau auf der unteren Integrationsgrenze. Die Berechnung f¨ur t 0 = b erfolgt analog. Einsetzen der Taylorentwicklung (6.204) f¨ur f (t) und q(t) in Integral (6.194) liefert dann statt (6.205): I = f (t0 )e
iλq(t0 )
Zb
e
(t−t0 )2 i λk 2
t0
|
1 + f 00 (t0 )eiλq(t0 ) 2
{z I00
Zb
t0
|
ei
0
dt +f (t0 )e }
iλq(t0 )
Zb
t0
λk (t−t0 )2 2
(t − t0 )2 dt
{z
}
I20
|
ei
λk (t−t0 )2 2
{z I10
(t − t0 )dt }
(6.238)
wobei wieder k = q 00 (t0 ) geschrieben wurde. In allen drei Integralen wird eine Variablentransformation t − t0 → t0 eingef¨uhrt. Mit α = kλ 2 erhalten wir: I00
=
b−t Z 0
02
eiαt dt0
(6.239)
0
I10
1 = 2iα
b−t Z 0 0
i 1 iαt0 2 b−t0 1 h iα(b−t0 )2 d iαt0 2 0 e dt = i = e e − 1 . 0 dt0 2iα 2iα 128
(6.240)
KAPITEL 6. FUNKTIONENTHEORIE b−t Z 0
1 I20 = i
d iαt0 2 0 1 d 0 e dt = I dα i dα 0
(6.241)
0
I00 errechnet sich analog zum ersten Fall. Z ∞ Z∞ Z∞ 02 iαt0 2 0 0 iαt0 2 0 eiαt dt0 dt − I0 = e dt − e | b−t0 {z } −∞ 0 | {z } {z } | =I02 (b−t0 ) =I01
= 12 I01
1 I01 − I02 (b − t0 ) 2 Einsetzen der unter 2.) errechneten Ergebnisse (6.217) und (6.232) gibt die L¨osung f¨ur I 00 : r 1 1 π i π sgn α 1 2 0 I0 = e 4 eiα(b−t0 ) + O(α−2 ) + 2 |α| 2iα (b − t0 ) =
(6.242)
(6.243)
Entsprechend (6.234) ist I20 bis zur Ordnung α−1 : 1 2 I20 ' (b − t0 )eiα(b−t0 ) (6.244) 2iα Jetzt l¨aßt sich nach (6.238) das Problem f¨ur den Fall l¨osen, daß der Punkt station¨arer Phase auf einer Integrationsgrenze liegt: s π 2π 1 00 f (t0 )eiλq(t0 ) ei 4 sgn q (t0 ) I = 00 2 |q (t0 )λ| +eiλ[q(t0 )+q −eiλq(t0 )
00 (t
0 )(b−t0 )
f 0 (t0 ) iq 00 (t0 )λ
2 /2]
f (t0 ) + f 0 (t0 )(b − t0 ) + 21 f 00 (t0 )(b − t0 )2 1 (6.245) iq 00 (t0 )λ b − t0 (6.246)
und unter Ber¨ucksichtigung der Taylorentwicklung (6.204) ist s 1 f (b) iλq(b) f 0 (t0 ) iλq(t0 ) 2π 1 iλq(t0 ) i π4 sgn [q 00 (t0 )] e + e − 00 e I(λ) = f (t0 )e 2 |q 00 (t0 )λ| iλ q 0 (b) q (t0 )
(6.247)
Das heißt, falls der Punkt station¨ qarer Phase auf einer der Integrationsgrenzen liegt, bekommt der f¨uhrende Term (proportional zu λ1 ) einen Faktor 21 . Damit l¨aßt sich eine einheitliche Formel angeben, wie die N¨aherungsl¨osung des Integrals f¨ur große λ aussieht: Z b I(λ) = f (t)eiλq(t) dt a 1 s 1 2 2π i π sgn [q00 (t0 )] (6.248) e 4 ' f (t0 )eiλq(t0 ) H[(b − t0 )(t0 − a)] 00 λ q (t0 ) i 1 h iλq(b) + e K[b; t0 ] − eiλq(a) K[a; t0 ] , iλ ( f 0 (x) 0 ∀ x<0 q 00 (x) x = 0 1 wobei H[x] = x=0 und K[x; t0 ] = . f (x) 2 sonst q 0 (x) 1 ∀ x>0 129
Kapitel 7
Statistik 7.1 Einf ¨uhrung und Definitionen Einen Prozeß nennt man zuf¨allig, wenn man seinen zuk¨unftigen Zustand nicht 100%-ig vorhersagen kann, obwohl die Prozeßzust¨ande in der Vergangenheit bekannt sind (siehe Abbildung 7.1).
? ?
Abbildung 7.1: Zufallsprozeß Um Zufallsprozesse genauer zu untersuchen, ben¨otigt man einige mathematische Abstraktionen. Es werden deshalb folgende zwei Begriffe eingef¨uhrt: 1. Statistisches Ensemble: eine Anzahl von Ereignissen; 2. Wahrscheinlichkeit: ein Maß, wie oft ein Ereignis innerhalb des beobachteten Prozesses auftritt. Nun soll der Begriff der Zufallsvariablen eingef¨uhrt werden: Definition: Eine Variable β, f¨ur die man zwar nicht exakt vorhersagen kann, welche Werte sie annehmen wird, f¨ur die man aber angeben kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Werte auftreten, nennt man eine Zufallsvariable. Wenn die Funktion f (z) eine Zufallsvariable f¨ur jeden Punkt z darstellt, nennt man f (z) einen Zufallsprozeß. Es gibt mehrere Funktionen f (z), die die gleiche Statistik haben (Mittelwert, Varianz,..), aber unterschiedliche Werte an den Stellen z. Jede dieser i Funktionen wird als Realisierung 131
KAPITEL 7. STATISTIK
fi (z) der statistischen Variablen bezeichnet. Verschiedene Realisierungen f i (z) nennt man ein statistisches Ensemble. f (~r) ≡ f (x, y, z) nennt man ein Zufallsfeld (random field). Ein Medium, das durch Zufallsfelder charakterisiert wird (z.B. Dichte, Geschwindigkeit,..), nennt man Zufallsmedium (random medium). Warum sind Prozesse zuf¨allig? Ursachen f¨ur Zufallsprozesse sind z.B. quantenmechanische Wechselwirkungen oder die Nichtlinearit¨at von Prozessen. Wann ist ein Zufallsfeld (random field) β(~r = (x, y, z)) vollst¨andig bestimmt? Wir f¨uhren zu diesem Zweck einen neuen Punktraum ein: Bν = (β(~r1 ), β(~r2 ), . . . β(~rν ))
.
(7.1)
Dabei ist die Wahrscheinlichkeitsdichte eines Punktes gegeben durch: Pν (Bν )
,
(7.2)
wobei Pν dBν die Wahrscheinlichkeit ist, den Punkt im Bereich zwischen B ν und Bν + dBν zu finden. Wenn das Zufallsfeld vollst¨andig bestimmt sein soll, muß P ν f¨ur alle Punkte des Mediums bekannt sein. Einige weitere Begriffe: Station¨ares Feld (im strengen Sinn): ~rν → ~rν + δ~r
,
(7.3)
Pν (β(~r1 + δ~r), β(~r2 + δ~r), ..., β(~rν + δ~r)) = Pν (β(~r1 ), β(~r2 ), . . . β(~rν ))
.
(7.4)
Mittelwert eines Zufallfeldes ( ≡ 1. statistisches Moment): hβ(~r )i ≡
Z∞
βP1 (β) dβ
.
(7.5)
−∞
Korrelationsfunktion oder 2. Moment: ˜ β ≡ hβ(~r1 )β(~r2 )i ≡ Ψ
∞ ZZ
β1 β2 P2 (β1 , β2 ) dβ1 dβ2
−∞
Ψβ ≡ h(β1 − hβ1 i) (β2 − hβ2 i)i
,
(7.6)
.
(7.7)
Unabh¨angige Variablen a, b, c: P3 (a, b, c) = P1 (a) P1 (b) P1 (c) Varianz:
σβ2 ≡ (β − hβi)2
σβ2 = Ψβ
⇒
.
, wenn ~r1 ≡ ~r2
(7.8) .
(7.9)
Korrelationsfunktion eines komplexen Zufallsfeldes: Ψβ (~r1 , ~r2 ) ≡ hβ(~r1 ) · β ∗ (~r2 )i
;
132
E D σβ2 = |β− < β >|2
.
(7.10)
KAPITEL 7. STATISTIK
Station¨arer Prozeß (im weiteren Sinn): hβ(~r)i = hβ(~r + δ~r)i
,
(7.11)
Ψβ (~r1 , ~r2) = Ψβ (~r1 + δ~r, ~r2 + δ~r) ⇒ hβi = const
,
.
(7.12) (7.13)
Wenn wir δ~r = −~r2 setzen, folgt: Ψβ = Ψβ (~r1 − ~r2 ) σβ2
= Ψβ (0)
,
(7.14)
.
(7.15)
7.2 Station¨ are Prozesse Im weiteren Text werden wir nur noch station¨are Prozesse mit < β >= 0 betrachten.
7.2.1 Eigenschaften von Korrelationsfunktionen σβ2 = Ψβ (0) |Ψβ (∆r)| = ≤
σβ2
,
(7.16)
.
(7.17)
Ergodizit¨at: Gegeben: Φ(β(x)). R¨aumlicher Erwartungwert: ¯ β ≡ lim 1 Φ T →∞ 2T
ZT
Φ(β(x + t))dt
.
(7.18)
−T
Wenn f¨ur den Prozeß β immer gilt: ¯β hΦβ i = Φ
,
dann nennt man β einen ergodischen Prozeß.
7.2.2 Fluktuationsspektrum Fβ (~k) =
1. Fβ (~k) ≥ 0 und immer reell
⇒
ZZ
1 (2π)3
Z∞
~
Ψβ (~r) e−ik·~r d3 r
.
(7.19)
−∞
* Z 2 + 3 β(~r) u(~r) d r ≥ 0
Ψβ (~r1 , ~r2 ) u(~r1 ) u∗ (~r2 ) d3 r2 d3 r1 ≥ 0 . 133
(7.20)
KAPITEL 7. STATISTIK ~
u → eik·~r . Es ergibt sich daraus f¨ur reelle Zufallsfelder: Ψβ (~r) = Ψβ (−~r) und ∞ Z 1 ~ Ψβ (~r) cos(~k · ~r)d3 r Fβ (k) = (2π)3
(7.21) .
(7.22)
−∞
2. F¨ur isotrope Zufallsfelder gilt:
Ψβ (~r) = Ψβ (−~r) und Z2π Zπ Z∞ 1 ~ Fβ (k) = dφ sin θ dθ Ψβ (~r) e−ikr cos θ r 2 dr (2π)3 0
=
1 2π 2 k
Z∞
0
(7.23)
0
sin(kr) Ψβ (r) rdr = Fβ (k)
,
(7.24)
0
Ψβ (r) =
4π r
Z∞
sin(kr) Fβ (k) k dk
.
(7.25)
0
Green’sche Funktion des freien Raums“: ” Die akustische Wellengleichung f¨ur monochromatische Wellen lautet: ∆p(~r) + k02 p(~r) = −q
,
(7.26)
2
mit p dem Druck, k02 = ωc2 und q dem Quellterm. Wenn q eine punktf¨ormige Quelle ist, ist die Green’sche Funktion als eine L¨osung der Wellengleichung bekannt: ∆G + k02 G + δ(~r0 − ~r) = 0 , (7.27) G(~r0 − ~r) =
eik|~r0 −~r| 4π|~r0 − ~r|
.
(7.28)
Die allgemeine L¨osung der Wellengleichung (mit beliebigem Quellterm F (~r)), kann geschrieben werden als: ZZ∞Z + F (~r0 ) G(~r − ~r0 ) d3 r 0 . (7.29) p(~r) = p0 (~r) | {z } homogeneL¨ osung
−∞
7.2.3 Streufeld (scattering field) In inhomogenen Medien gilt:
∆p(~r) + k02 (1 +
(~r) |{z}
Inhomogenit¨ at
134
) p(~r) = 0
.
(7.30)
KAPITEL 7. STATISTIK
Die L¨osung lautet: p(~r) = p0 (~r) + k02
Z Z∞Z −∞
G(~r − ~r0 ) (~r0 ) p(~r0 )d3 r 0
.
(7.31)
r r
s scattered wave direction
| r0 - r | i incident wave direction
Abbildung 7.2: Elementare Kugelwelle durch punktf¨ormige Anregung; Einfallende Welle, Inhomogenit¨at und gestreute Welle. Gegeben sei eine Inhomogenit¨at (siehe Abbildung 7.2). Sei c , ~r 6∈ V (~r) = 6= c , ~r ∈ V so ist p(~r) = p0 (~r) +
k02
ZZ Z
, .
G(~r − ~r0 ) (~r0 ) p(~r0 )dV
,
(7.32)
V
mit p = p0 + pS , wobei pS das gestreute Feld ist. In großer Entfernung von der Inhomogenit¨at gilt: pS
eik|~r−~rS | f (~s,~i) , wobei |~r − ~rS | Z ~ ~i) p(δr, k02 ~ e−ik0~s·δr (δr) d3 δr 4π |p0 |
≈ |p0 |
f (~s,~i) =
(7.33) ,
(7.34)
V
mit f (~s,~i) der Streuamplitude. Der Streuquerschnitt (scattering cross section) ergibt sich zu: σ(~s,~i) = |f (~s,~i)|2 = f 2 (~s,~i)
.
Der totale Streuquerschnitt (total scattering cross section) ist: Z σt = σ(~s,~i) dΩ .
(7.35)
(7.36)
4π
F¨ur eine kleine Inhomogenit¨at ergeben sich folgende Proportionalit¨aten (siehe Abbildung 7.3): k02 V , 4π σ ∝ k04 2 V2 . f
∝
135
(7.37) (7.38)
KAPITEL 7. STATISTIK
2S a
(kappa*a) 4
~ 0.5 ~1
~ 10
kappa*a
Abbildung 7.3: Streuquerschnitt
7.2.4 Streuquerschnitt eines Einheitsvolumens in einem Zufallsmedium Wir ben¨otigen die statistischen Eigenschaften des Feldes aus dem vorangegangenen Abschnitt und benutzen die Born’sche N¨aherung: k02 4π
f (~θ,~i) =
huS i = 0
Z
ˆ ˆ ~
eik0 (i−θ)∆r (~r0 ) d3 r 0
,
(7.39)
V0
,
(7.40)
und erhalten f¨ur den Streuquerschnitt dann:
σ(θ, i) = =
D
E 1 f (~θ,~i), f ∗ (~θ,~i) V0 Z 4 k0 ˆ ∆r ~ ~ eik0 (ˆi−θ) ~ d3 ∆r Ψ (∆r) (4π)2 ∞
=
π 4 ˆ k F (k(ˆi − θ)) 2 0
.
(7.41)
Mit Ausnutzung der Eigenschaften von σ ergeben sich mit k s = 2k sin( 2θ ) f¨ur ein Medium mit exponentialer Verteilung F (ks ) =
σ2 π2
a3 1 + (ks a)2
2
.
Das Verh¨altnis des Streuquerschnits (σ ) zum Winkel ist in Abbildung 7.4 dargestellt. 136
KAPITEL 7. STATISTIK
Abbildung 7.4: Verh¨altnis des Streuquerschnitts zum Winkel
e ikz
z0
d
z 0+dz
z
P0 d
P d -dPs 0
Abbildung 7.5: Skizze zur D¨ampfung durch einfache Streuung.
7.2.5 D¨ ampfung durch einfache Streuung Zur Verdeutlichung des Sachverhaltes sei die Abbildung 7.5 gedacht. Die einfallende Wellenfront kommt von links und geht durch ein zylindersymmetrisch gedachtes Medium. F¨ur ein Elementarvolumen dV ergibt sich dann ein Verh¨altnis, dV = dzdΣ
.
F¨ur die P -Energiedichte auf der Einheitsoberfl¨ache einer ebenen Welle k¨onnen wir folgendes schreiben. Die Energie der direkten Welle in z 0 ist P0 dΣ, und die Energie der direkten Welle in z 0 + dz ist P0 dΣ − dPs , wodurch sich dPs darstellen l¨aßt als dPs = −P σ0 dzdΣ
.
Betrachten wir einen rein akustischen Fall, so gilt f¨ur die p-Welle, dP = (P0 dΣ − (P0 dΣ − dPs )) = −P σ0 dzdΣ ⇒ P ∼ e−σ0 z 137
KAPITEL 7. STATISTIK
7.2.6 Wellenfeld (mean field) Wir bleiben in einem rein akustischen Modell und betrachten den Druck p, der sich mit folgender Differentialgleichung beschreiben l¨aßt: ∆p(r) + k02 (1 + (r)) p(r) = 0 Mitteln wir nun diese Differentialgleichung, so kommen wir zu folgender Aussage u¨ ber die Mittelwerte, ∆ hpi + k02 hpi + h(r)p(r)i = 0 . es ergibt sich mit der multiplen Streutheorie, 2 ∆ hpi + kef f hpi = 0
.
Der effektive Wert f¨ur k setzt sich nun wie folgt zusammen: kef f = k0 + ∆kRe + i∆kIm
,
mit dem D¨ampfungskoeffizienten ∆k Im und dem Renormalisationswert der Geschwindigkeit ∆k Re . Als Beispiel sei kef f f¨ur ein exponentiales Medium angef¨uhrt (Bourret-Approximation). 3 2 2 2 2 (k0 a) σ k σ a +i . kef f = k0 1 + 0 2 1 + 4 (k0 a)2 2 1 + 4 (k0 a)
Zufallsgr¨oßeX Wahrscheinlichkeit Normierung i-tes Moment i-tes zentrales Moment Erwartungswert, hXi = α1 Varianz,σ 2 = µ2
diskret X = {xk |k = 1, 2, . . .} pk = p(X = xk ) P k pk = 1 αi :=
µi :=
P
k
P
P
i
(xk − α1 ) pk
hXi := σ 2 :=
i k xk pk
P
k xk pk
kontinuierlich X = {x|x ∈ IR} p(x) R∞ p(x) dx = 1 −∞
αi := µi :=
R∞
(x − α1 )i p(x) dx
hXi := R∞
−∞
xi p(x) dx
−∞
−∞
2 2 k (xk − hXi) pk σ :=
R∞
R∞
x p(x) dx
−∞
(x − hXi)2 p(x) dx
σ heißt Streuung oder Standardabweichung
Tabelle 7.1: Die Momemte einer Verteilung – diskret und kontinuierlich.
138
Kapitel 8
Die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik F¨ur manch einen mag dieses Kapitel auf den ersten Blick nichts mit Geophysik zu tun zu haben. Die Str¨omungsmechanik spielt aber auch in diesem Fachbereich eine große Rolle, insbesondere bei Betrachtung der Str¨omungen im a¨ ußeren Erdkern oder der Mantelkonvektion. Und schließlich hat sicher jeder bereits einmal etwas von Navier-Stokes-Gleichungen geh¨ort. Wir werden sie in diesem Kapitel neben den anderen Grundgleichungen f¨ur den allgemeinen dreidimensionalen Fall herleiten. Bei allen folgenden Betrachtungen gehen wir von einem kartesischen Koordinatensystem aus. Die Str¨omungsgeschwindigkeit ist durch den Vektor ~v mit den Komponenten (u, v, w) T gegeben. Die Dichte des str¨omenden Mediums sei ρ.
8.1 Die Kontinuit¨ atsgleichung (Masseerhaltung) In Worten ausgedr¨uckt lautet das Gesetz der Masseerhaltung:
P ¨ Die zeitliche Anderung der Masse in einem der einstr¨omenden P Volumenelement = Massenstr¨ome in das Volumenelement − der ausstr¨omenden Massenstr¨ome aus dem Volumenelement.
Mathematisch ausgedr¨uckt lautet das Gesetz (siehe dazu Abbildung 8.1): ∂ρ ∂(ρu) ∂(ρ dx dy dz) = dx dy dz = ρu − (ρu + dx) dy dz ∂t ∂t ∂x ∂(ρv) (8.1) + ρv − (ρv + dy) dx dz ∂y ∂(ρw) + ρw − (ρw + dz) dx dy ∂z Fassen wir nun die Terme auf der rechten Seite von Gleichung (8.1) zusammen und bringen sie auf die linke Gleichungsseite, so erhalten wir nach Division durch dV ∂ρ + div ρ~v = 0 . ∂t
(8.2)
F¨ur ein inkompressibles Medium, d.h. ρ = const, geht Gleichung (8.2) u¨ ber in div ~v = 0 . 139
(8.3)
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK {ρw +
∂(ρw) ∂z dz}dx
dy {ρv +
∂(ρv) ∂y dy}dx
{ρu +
ρu dy dz
dz
∂(ρu) ∂x dx}dy
dz
dz
dy ρv dx dz
dx
z
y x
ρw dx dy
Abbildung 8.1: Zur Masseerhaltung. Hier sieht man die ein- und ausfließenden Massenstr¨ome am Volumenelement.
8.2 Die Navier-Stokes-Gleichungen (Impulserhaltung) In Worten ausgedr¨uckt lautet das Gesetz der Impulserhaltung: P ¨ Die zeitliche Anderung des Impulses in einem der eintretenden P Volumenelement = Impulsstr¨ome in dasPVolumenelement − der ausstr¨omenden Impulsstr¨ome aus dem Volumenelement + der auf die Masse des Volumenelementes wirkenden Kr¨afte.
¨ Das Medium innerhalb des Volumens besitzt den Impuls ρ~v dx dy dz, dessen zeitliche Anderung mit dem Ausdruck ∂(ρ~v ) ∂(ρ~v dx dy dz) = dx dy dz (8.4) ∂t ∂t beschrieben wird. Pro Zeiteinheit tritt durch die Oberfl¨achen des Volumenelements ein Impulsstrom in das Volumen ein bzw. aus ihm heraus. Wir beschr¨anken uns zun¨achst auf die Betrachtung der xRichtung (siehe Abbildung 8.2). Durch die linke Oberfl¨ache dy dz tritt der Impulsstrom (ρu) u dy dz = ρuu dy dz
(8.5)
ein. Der austretende Impulsstrom auf rechten Oberfl¨ache dy dz l¨aßt sich schreiben als ρuu +
∂(ρuu) dx dy dz . ∂x
(8.6)
Weiterhin tritt der in x-Richtung wirkende Impuls (pro Volumen) ρu auch u¨ ber die verbleibenden Oberfl¨achen dx dy und dx dz ein bzw. aus, allerdings str¨omt er jeweils mit der Geschwindigkeitskomponente v bzw. w durch die Oberfl¨achen. Das bedeutet, daß sich auf jeder Oberfl¨ache insgesamt drei Impulsstr¨ome angeben lassen. ¨ Weitere Ursache f¨ur die zeitliche Anderung des Impulses im Volumenelement sind die am Volumen angreifenden Kr¨afte. Dazu geh¨oren: 140
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK {ρwu +
(ρwu)dy dz
∂(ρwu) ∂x dx}dy
(ρvu)dy dz
{ρvu +
(ρuu)dy dz
dz
∂(ρvu) ∂x dx}dy
{ρuu +
z
dz dz
∂(ρuu) ∂x dx}dy
dz
dy
y
dx x
Abbildung 8.2: Zur Impulserhaltung. Hier sieht man alle ein- und ausfließenden Impulsstr¨ome, die mit der Geschwindigkeitskomponente u str¨omen.
1. Normal- und Schubspannungen:
z
{τxz +
y
∂τxz ∂x dx}dy
dz
x {τxy +
∂τxy ∂x dx}dy
dz
{τxx +
∂τxx ∂x dx}dy
dz
τxx dy dz dz τxy dy dz dy dx
τxz dy dz
Abbildung 8.3: Die Normal- und Schubspannungen. Hier sieht man alle auf der Oberfl¨ache dy dz wirkenden Spannungen und die daraus resultierenden Kr¨afte.
Wir gebrauchen dabei folgende Notation: Der erste Index gibt an, auf welcher Oberfl¨ache die Spannung wirkt. Der zweite Index gibt an, in welche Richtung die aus der Spannung resultierende Kraft wirkt. Das Vorzeichen ist dabei positiv, wenn die Normale der Oberfl¨ache in positive Koordinatenrichtung zeigt und vice versa. 141
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK
2. Volumenkr¨afte: Dazu z¨ahlen z.B. die Schwerkraft oder elektromagnetische Kr¨afte. Die Summe all dieser Kr¨afte ~ = (Kx , Ky , Kz )T bezeichnet. pro Volumen wird mit K ¨ Wir sind nun in der Lage, eine Gleichung f¨ur die zeitliche Anderung des Impulses in x-Richtung aufzustellen: ∂(ρu) ∂(ρuu) dx dy dz = ρuu − (ρuu + dx) dy dz ∂t ∂x ∂(ρuv) dy) dx dz + ρuv − (ρuv + ∂y ∂(ρuw) + ρuw − (ρuw + dz) dx dy ∂z + Kx dx dy dz ∂τxx + −τxx + (τxx + dx) dy dz ∂x ∂τyx dy) dx dz + −τyx + (τyx + ∂y ∂τzx dz) dx dy + −τzx + (τzx + ∂z
(8.7)
Fassen wir nun die Terme in Gleichung (8.7) zusammen, so erhalten wir als Impulsgleichung in xRichtung ∂(ρu) ∂(ρuu) ∂(ρuv) ∂(ρuw) ∂τxx ∂τyx ∂τzx + + + = Kx + + + . ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z
(8.8)
Entsprechend ergeben sich f¨ur die zwei anderen Raumrichtungen ∂τxy ∂τyy ∂τzy ∂(ρv) ∂(ρvu) ∂(ρvv) ∂(ρvw) + + + = Ky + + + ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z
(8.9)
∂τyz ∂(ρw) ∂(ρwu) ∂(ρwv) ∂(ρww) ∂τxz ∂τzz + + + = Kz + + + . ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂z
(8.10)
bzw.
Es stellen sich nun zwei entscheidende Fragen: 1. Wo findet man in den Gleichungen den Fl¨ussigkeitsdruck bzw. bei Gasen den thermodynamischen Druck wieder? 2. Wie lautet der Zusammenhang zwischen der Spannung τ und der Geschwindigkeit ~v ? Zu 1.: In einer reibungsfreien Str¨omung treten keine Schubspannungen, sondern nur Normalspannungen auf, die alle gleich groß sind und dem Fl¨ussigkeitsdruck bzw. dem thermodynamischen Druck entsprechen. Wir definieren daher den Druck p als p=−
τxx + τyy + τzz . 3 142
(8.11)
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK
Das Minuszeichen kommt daher, daß der Druck als negative Normalspannung wirkt. Wir spalten nun die Normalspannungen in einen Anteil p, der dem Druck entspricht, und einen Anteil, der mit den Reibungseffekten des Fluids zusammenh¨angt, auf: τxx = σxx − p ,
τyy = σyy − p ,
τzz = σzz − p
(8.12)
Setzen wir nun (8.12) in die Gleichungen (8.8), (8.9) und (8.10) ein, so erhalten wir ∂(ρu) ∂(ρuu) ∂(ρuv) ∂(ρuw) ∂p ∂σxx ∂τyx ∂τzx + + + = Kx − + + + , ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂x ∂y ∂z ∂p ∂τxy ∂σyy ∂τzy ∂(ρv) ∂(ρvu) ∂(ρvv) ∂(ρvw) + + + = Ky − + + + , ∂t ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂y ∂z ∂(ρw) ∂(ρwu) ∂(ρwv) ∂(ρww) ∂p ∂τxz ∂τyz ∂σzz + + + = Kz − + + + . ∂t ∂x ∂y ∂z ∂z ∂x ∂y ∂z
(8.13) (8.14) (8.15)
Zu 2.: F¨ur dem Zusammenhang zwischen den Spannungen und der Geschwindigkeit machen wir den sog. Stokes’schen Reibungsansatz, der implizit das Newton’sche Reibungsgesetz f¨ur den eindimensionalen Fall enth¨alt. Der Ansatz lautet ∂u 2 ~ − ∇ · ~v , σxx = µ 2 ∂x 3 ∂v 2 ~ σyy = µ 2 − ∇ · ~v , ∂y 3 ∂w 2 ~ σxx = µ 2 − ∇ · ~v , ∂z 3 (8.16) ∂u ∂v , + τxy = τyx = µ ∂x ∂y ∂w ∂v , τyz = τzy = µ + ∂y ∂z ∂u ∂w + τzx = τxz = µ , ∂z ∂x wobei µ die sog. dynamische Z¨ahigkeit (Viskosit¨at) ist. Nun setzten wir den Ansatz (8.16) in die Gleichungen (8.13) - (8.15) ein und erhalten ∂u 2 ~ ∂(ρu) ∂(ρuu ∂(ρuv) ∂(ρuw) ∂p ∂ µ 2 + + + = Kx − + − ∇ · ~v ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂x ∂x 3 (8.17) ∂u ∂v ∂w ∂u ∂ ∂ + + µ + µ , + ∂y ∂y ∂x ∂z ∂x ∂z ∂(ρv) ∂(ρvu ∂(ρvv) ∂(ρvw) ∂p ∂ ∂u ∂v µ + + + = Ky − + + ∂t ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂y ∂x (8.18) ∂v 2 ~ ∂ ∂ ∂v ∂w + µ 2 + µ , − ∇ · ~v + ∂y ∂y 3 ∂z ∂z ∂y ∂(ρw) ∂(ρwu ∂(ρwv) ∂(ρww) ∂w ∂u ∂p ∂ µ + + + = Kz − + + ∂t ∂x ∂y ∂z ∂z ∂x ∂x ∂z (8.19) ∂v ∂w ∂ ∂ ∂w 2 ~ + µ + µ 2 + − ∇ · ~v . ∂y ∂z ∂y ∂z ∂z 3 143
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK
Betrachten wir uns nun die linke Gleichungsseite der ersten Navier-Stokes-Gleichung etwas n¨aher: ∂u ∂ρ ∂(ρu) ∂u ∂(ρv) ∂(ρu) ∂(ρuu ∂(ρuv) ∂(ρuw) + + + =ρ +u +u + ρu +u ∂t ∂x ∂y ∂z ∂t ∂t ∂x ∂x ∂y ∂u ∂(ρw) ∂u + ρv +u + ρw ∂y ∂z ∂z ∂u ∂u ∂u ∂u =ρ +u +v +w ∂t ∂x ∂y ∂z ∂ρ ∂(ρu) ∂(ρv) ∂(ρw) + + + +u ∂t ∂x ∂y ∂z {z } |
(8.20)
=0 (Kontinuit¨atsgleichung)
Entsprechende Betrachtungen f¨uhren wir f¨ur die anderen zwei Navier-Stokes-Gleichungen durch. So erhalten wir schließlich als Endergebnis die Navier-Stokes-Gleichungen f¨ur instation a¨ re, dreidimensionale, kompressible Stro¨ mungen:
∂ ∂p ∂u 2 ~ + − ∇ · ~v = Kx − µ 2 ∂x ∂x ∂x 3 ∂ ∂ ∂u ∂v ∂w ∂u µ + µ + + + ∂y ∂y ∂x ∂z ∂x ∂z
(8.21)
∂p ∂v ∂v ∂v ∂v ∂ ∂u ∂v ρ = Ky − µ +u +v +w + + ∂t ∂x ∂y ∂z ∂y ∂x ∂y ∂x ∂v 2 ~ ∂ ∂ ∂v ∂w − ∇ · ~v + µ 2 + µ + ∂y ∂y 3 ∂z ∂z ∂y
(8.22)
∂u ∂u ∂u ∂u +u +v +w ρ ∂t ∂x ∂y ∂z
∂w ∂w ∂w ∂ ∂w ∂u ∂w ∂p +u +v +w + + ρ = Kz − µ ∂t ∂x ∂y ∂z ∂z ∂x ∂x ∂z ∂v ∂w ∂ ∂ ∂w 2 ~ + − ∇ · ~v + µ + µ 2 ∂y ∂z ∂y ∂z ∂z 3
(8.23)
F¨ur den wichtigsten Fall der Newton’schen Medien und inkompressiblen Str o¨ mungen vereinfachen sich die drei Navier-Stokes-Gleichungen zu
ρ
∂~v ~ ~v + ~v · ∇ ∂t
~ − ∇p ~ + µ ∆~v . =K
144
(8.24)
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK
8.3 Die Energiegleichung (Erhaltung der Energie) In Worten ausgedr¨uckt lautet das Gesetz der Energieerhaltung: ¨ DiePzeitliche Anderung der inneren und kinetischen Energie im Volumenelement P = der durch die Str¨omung ein- und ausfließenden Energiestr¨ der P ome + durch W¨armeleitung ein- und ausfließenden Energiestr¨ome + der durch Druck-, Normalspannungs- und Schubspannungskr¨afte am Volumenelement geleisteten Arbeit pro Zeit + der Energiezufuhr von Außen + der Arbeit pro Zeit, die durch das Wirken der Volumenkr¨afte verursacht wird. Die im Volumenelement befindliche Gesamtenergie (innere und kinetische Energie) ist gegeben durch V2 dx dy dz (8.25) 2 ¨ mit V 2 = ~v · ~v = u2 + v 2 + w2 . Die zeitliche Anderung der Energie im Volumenelement ist ∂ V2 ρ e+ dx dy dz . (8.26) ∂t 2 ρ e dx dy dz + ρ
¨ Die Anderung der Energie erfolgt durch:
1. die mit der Str¨omung in das Volumenelement hinein- bzw. heraustransportierte innere und ki˙ netische Energie pro Zeit (Konvektion). Diesen Anteil bezeichnen wir mit d E. 2. den Transport von Energie, die pro Zeiteinheit durch W¨armeleitung in das Volumen ein bzw. ˙ austritt (Konduktion). Diesen Anteil bezeichnen wir mit d Q. 3. durch die am Volumenelement durch Druck-, Normalspannungs- und Schubspannungskr¨afte ˙ geleistete Arbeit pro Zeit. Diesen Anteil bezeichnen wir mit d A. 4. die Energie pro Zeit, die von Außen dem im Volumenelement befindlichen Medium zugef¨uhrt wird (Radiation). Diesen Anteil bezeichnen wir mit q˙ s (massenspezifisch). ~ [N/m3 ] pro Zeit 5. die Arbeit, die am Volumenelement durch das Wirken der Volumenkr¨afte K ~ · ~v dx dy dz. geleistet wird. Die Leistung ist gegeben durch K Zu 1.: Die Herleitung erfolgt nach Abbildung 8.1, in dem die Massenstr¨ome durch Energiestr¨ome ersetzt werden. So ergibt sich V2 ∂ V2 ∂ V2 ∂ dE˙ = − ρ e+ u + ρ e+ v + ρ e+ w dx dy dz . ∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 (8.27) Zu 2.: W¨arme fließt in Richtung abnehmender Temperatur. Im eindimensionalen Fall lautet das Gesetz q˙ = armeleitf¨ahigkeit ist. Auf unseren Fall angewandt ergibt sich −λ dT dx , wobei λ die sog. W¨ ∂T ∂T ∂T ∂ ˙ dQ = −λ −λ dx dy dz − −λ + ∂x ∂x ∂x ∂x ∂T ∂ ∂T ∂T − −λ + + −λ −λ dy dx dz (8.28) ∂y ∂y ∂y ∂y ∂T ∂ ∂T ∂T − −λ + + −λ −λ dz dx dy , ∂z ∂z ∂z ∂z 145
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK
d.h. nach Zusammenfassen der Terme ∂ ∂T ∂ ∂T ∂ ∂T dQ˙ = λ + λ + λ dx dy dz . ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z
(8.29)
Zu 3.: Wie wir bereits wissen, wirken auf jeder Oberfl¨ache drei Spannungen, die auf die Reibung zur¨uckzuf¨uhren sind, und der statische Druck. Die Arbeit pro Zeit (Leistung) ergibt sich jeweils aus dem Produkt der Geschwindigkeit und der Kraft, die in Richtung der jeweiligen Geschwindigkeitskomponente wirkt. Das Vorzeichen ist dabei positiv, wenn die Geschwindigkeitskomponente in Richtung der Druck-, Normalspannungs- oder Schubspannungskraft zeigt und vice versa. F¨ur die xKomponente ergibt sich damit ∂(p dy dz u) ˙ dAx = p dy dz u − p dy dzu + dx ∂x ∂(σxx dy dz u) − σxx dy dz u + σxx dy dz u + dx ∂x (8.30) ∂(τxy dy dz v) dx − τxy dy dz v + τxy dy dz v + ∂x ∂(τxz dy dz w) − τxz dy dz w + τxz dy dz w + dx , ∂x d.h. nach Zusammenfassen der Terme ∂(pu) ∂(σxx u) ∂(τxy v) ∂(τxz w) dx dy dz . + + + dA˙ x = − ∂x ∂x ∂x ∂x Entsprechend ergeben sich ∂(τ u) ∂(σ v) ∂(τ w) ∂(pv) yx yy yz + + + dA˙ y = − dx dy dz , ∂y ∂y ∂y ∂y ∂(pw) ∂(τzx u) ∂(τzy v) ∂(σzz w) ˙ + + + dx dy dz . dAz = − ∂z ∂z ∂z ∂z
(8.31)
(8.32) (8.33)
Nun sind wir in der Lage, einen vorl¨aufigen Energiesatz aufzustellen: i i i h h h V2 V2 V2 u v 2 ∂ ρ e + ∂ ρ e + ∂ ρ e + 2 2 2 w V ∂ ρ e+ =− + + ∂t 2 ∂x ∂y ∂z ∂T ∂ ∂T ∂ ∂T ∂ λ + λ + λ + ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂(pu) ∂(σxx u) ∂(τxy v) ∂(τxz w) + − + + + (8.34) ∂x ∂x ∂x ∂x ∂(pv) ∂(τyx u) ∂(σyy v) ∂(τyz w) + + + + − ∂y ∂y ∂y ∂y ∂(pw) ∂(τzx u) ∂(τzy v) ∂(σzz w) + + + + − ∂z ∂z ∂z ∂z ~ · ~v + ρq˙s +K 146
¨ KAPITEL 8. DIE GRUNDGLEICHUNGEN DER STR OMUNGSMECHANIK
Dabei wurde bereits durch dV = dx dy dz dividiert. Weitere Umformungen, auf die wir hier nicht n¨aher eingehen wollen, f¨uhren auf ∂e ∂e ∂e ∂e ∂ ∂T ∂ ∂T ∂ ∂T ρ +u +v +w = λ + λ + λ ∂t ∂x ∂y ∂z ∂x ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ~ · ~v + ρq˙s − p div ~v + K (8.35) ∂u ∂u ∂u ∂v ∂v + σxx + τyx + τzx + τxy + σyy + τzy ∂x ∂y ∂z ∂x ∂y ∂v ∂w ∂w ∂w + + τxz + τyz + σzz . ∂z ∂x ∂y ∂z Setzen wir nun den Stokes’schen Reibungsansatz (8.16) in Gleichung (8.35) ein, so erhalten wir den endg¨ultigen Energiesatz f¨ur homogene Str o¨ mungen Newton’scher Medien ρ
∂e ∂e ∂e ∂e +u +v +w ∂t ∂x ∂y ∂z
∂ = ∂x
2
∂ ∂T ∂ ∂T + λ + λ ∂y ∂y ∂z ∂z ~ · ~v + ρq˙s + µΦ − p div ~v + K
(8.36)
2 )
(8.37)
∂T λ ∂x
mit der Dissipationsfunktion (
2 ∂u ∂v ∂w 2 + + Φ=2 + + − 3 ∂x ∂y ∂z 2 2 2 ∂v ∂u ∂w ∂v ∂u ∂w + + + + + + . ∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂x ∂u ∂x
2
∂v ∂y
∂w ∂z
147
Appendix A
Definitions and explanations • Absorption: A process whereby some of the energy of a seismic wave is converted into heat while passing trough a medium. • Acoustic impedance: The product of density ρ and the acoustic propagation velocity v for a given rock mass: Z = ρv. The reflection coefficient for an interface is governed by the contrast in the acoustic impedances of the two adjacent rock masses. • Alias(ing): An ambiguity in the frequency represented by sampled data. Where there are fewer than two samples per cycle, an input signal at one frequency yields the same sample values as (and hence appears to be) another frequency at the output system. Half of the frequency of sampling is called “Nyquist frequency”. To avoid aliasing, frequencies above the Nyquist frequency must be removed by an anti-alias filter before the sampling. Aliasing is an inherent property of all sampling systems. • Amplitude-versus-offset (AVO), Amplitude-versus-angle (AVA): Analysis of the amplitude variation with offset or angle. Such analyses aim to point out amplitude anomalies which may be caused by hydrocarbon reservoirs. • Anisotropy: Variation of a physical property depending on the direction in which it is measured. The general elasticity tensor relating stress and strain in anisotropic media contains 21 independent constants. If properties are the same in two directions (transversely isotropic medium), these reduce to five independent constants. Isotropic media possess only two independent elastic constants (Lam´e’s parameter). Anisotropic media have two modes of S- and one mode of P-wave propagation, wavefronts are not necessarily orthogonal to the direction of wave propagation, and Snell’s law requires modifications; opposite of isotropy. • Attenuation: A reduction in the amplitude of a seismic wave not depending on geometrical spreading. This decrease depends on the physical characteristics of the transmitting media, involving reflection, scattering, and absorption. 149
APPENDIX A. DEFINITIONS AND EXPLANATIONS
• Automatic gain control (AGC): A system, in which the output amplitude is used for automatic control of the gain of an amplifier. Amplifiers used in seismic have usually individual AGC for each channel. • Band-limited function: A function whose Fourier transform vanishes (or is very small) outside some finite range of frequencies. • Common depth point (CDP): In multichannel reflection profiling, the unique point on an individual reflector from which seismic reflection information is recorded in traces at different offsets. A set of traces containing information of one CDP is called a CDP gather. For horizontal reflectors, a CDP gather and a CMP gather are identical, but the reader should notice that for dipping reflectors the identity is no longer valid. • Common midpoint (CMP): A shot-receiver configuration where shots and receivers have different offsets but always the same midpoint position between them. A set of traces containing information for one CMP is called a CMP gather. • Common offset (CO): A shot-receiver configuration where the shot and the receiver have a constant offset. A seismic CO gather can be obtained when the whole configuration moves along the seismic profile – it is a side-by-side display of traces which have the same offset. • Common receiver (CR): Another shot-receiver configuration which is in contrast to common shot (CS). The shot moves along the seismic profile while the receiver always remains at the same position. All traces recorded for one specified receiver form a CR gather. • Common reflection surface (CRS) stack: Based on three-parametric traveltime expansion formulas, the CRS stack provides a velocity model independent stacking procedure. As a result, one obtains an enhanced simulated zero offset section (compared to standard imaging processes like CMP/stack or NMO/DMO/stack procedures), and several wavefield attributes which may be used for further calculations. • Common shot (CS): The most frequently used shot-receiver configuration in practical field recording. The receiver moves along the seismic profile while the shot always remains at the same position. All traces recorded for one specified shot form a CS gather. • Demigration: Demigration is the inverse process to migration (in an asymptotic sense). This process reconstructs a time section (primary events only) from a depth-migrated section. • Diffraction: Scattered seismic energy which emanates from an abrupt discontinuity of rock type, particularly common where faults cut reflecting interfaces. • Dip: The angle which a reflector or refractor makes with the horizontal. 150
APPENDIX A. DEFINITIONS AND EXPLANATIONS
• Dip moveout (DMO) correction: v. Moveout • Dispersion: Distortion of the shape of a wave train because of the variation of velocity with frequency. The dispersion of seismic body waves is very small under most circumstances. • Downward continuation: The transformation of an actual measured seismic record to a different measurement surface (at lower level). • Exploding reflector: A theoretical experiment which produces a seismic zero offset (ZO) section. Think of a reflector within the subsoil. If this reflector suddenly explodes, waves will travel up to the earth’s surface where they are observed. If all model velocities are halved according to their true values, the recorded section will be a ZO section with true two-way traveltimes. • Filter: That part of a system which discriminates against some of the information entering it. The discrimination is usually on the basis of frequency, although other bases such as wavelength or coherence may be used. • Gather: A display of the input data to a stacking process rearranged that all the seismic traces corresponding to some criterion are displayed side-by-side. • Geometrical spreading: The amplitude of a moving wave emanating from a point source changes with time and position due to the fact that the wavefront diverges or converges, in other words, the energy of the wavefield spreads over a continuously changing area. In a homogeneous medium, energy density decays proportional to r12 , where r is the radius of the wavefront produced by a point source. The wave amplitude is proportional to the square root of energy density, i.e. the amplitude decays as 1r . For non-homogeneous media, e.g. layered structures, the effect is more difficult to describe but can be calculated by dynamic ray tracing. • Homogeneity: Uniformity of a physical property throughout a material; opposite of inhomogeneity. • Imaging: Any seismic process that transforms one seismic reflector image into another, including not only data transformation between time and depth domain but also transformations within the same domain. The most widely investigated imaging process is seismic migration. The dynamic as well as the kinematic aspects have to be treated correctly, i.e. imaging implies the term trueamplitude. • Inhomogeneity: Lack of a spatial uniformity of a physical property, also called heterogeneity; opposite of homogeneity. 151
APPENDIX A. DEFINITIONS AND EXPLANATIONS
• Isotropy: Having the same physical properties regardless of the direction in which they are measured; opposite of anisotropy. • Macro-model: Model of the subsoil containing only large scale features (with respect to the seismic wavelength). The most frequently used term is “macro-velocity model”. This model is needed for the migration and demigration processes and must be estimated in advance. • Mapping: Similar to imaging, any seismic process that transforms one seismic reflector image into another one, but the dynamic parts are not considered here. One can say that mapping is the kinematic part of imaging. • Migration, pre-stack migration, post-stack migration: Migration is a method of reconstructing a seismic time section so that dipping reflection events are repositioned to lie beneath their true surface locations and at corrected vertical two-way traveltimes (time migration). If the output is in the depth domain, the process is called depth migration. Usually, the geophysicist distinguishes between migration before (pre-stack migration) and after (post-stack migration) a stacking process. • Migration to zero offset (MZO): The term “migration to zero offset” defines a process which produces a zero offset (ZO) section out of a common offset (CO) section. For homogeneous media, MZO can be seen as a sum of normal moveout (NMO) and dip moveout (DMO) correction processes. • Moveout, Normal moveout (NMO), Dip moveout (DMO): Generally, moveout is the difference between the two-way traveltimes of reflected energy detected at two receiver offset distances in a CMP gather. Normal moveout is the difference in two-way traveltime between the reflection event at an offset position x (t = t x ) and at zero 2 offset (t = t0 ), such that ∆tN M O = tx − t0 ≈ 2v2 x t0 , where vRM S is the root-mean-square RM S velocity of the media above the reflector. This assumes that the reflection events have a hyperbolic shape in the CMP gather. In case of a planar dipping reflector, dip moveout is the difference between the moveout up-dip and down-dip, proportional to the angle of dip θ, such sin θ that ∆tDM O = 2x vRM S , where x is the offset distance from the midpoint (half offset). The result of a moveout-corrected CMP gather is a simulated ZO section. • Multiple: Seismic energy which has been reflected more than once. • Multiple coverage: Seismic arrangement wherby the same portion of the subsurface is involved in several records. The redundancy of measurements permits various types of noise to be attenuated in processing. • Noise: Noise is a signal that conveys no useful information. If the useful signal comprises data that are being recorded, random (white) noise can be reduced by summing the recorded signals. Incoherent noise is effectively damped out and the coherent signal is enhanced, thus improving the signal-to-noise ratio. The definition of noise depends on the problem because “one man’s noise is another man’s signal!”. 152
APPENDIX A. DEFINITIONS AND EXPLANATIONS
• Normal incidence: A wavefront striking an interface broadside that the angle between the wavefront and the interface is zero. In ray theory, normal incidence requires a ray to be perpendicular to an interface at the intersection point. • Offset: The distance between a receiver position (or the center of a receiver group) and the shot position. • Offset continuation: The transformation of one common offset record into another one of a different offset. • Primary reflection: Seismic energy which has been reflected only once and hence is not a multiple. • Profile: A seismic profile is a line (2D experiments) or an array (3D experiments) at the surface where data is acquired by several measurements. • Ray code: Consider a 3D laterally varying model divided by structural interfaces into layers (blocks). Assume that all layers in the model and all interfaces are suitably numbered. The ray code then specifies which type of wave the ray tracing program has to follow at an interface (e.g. transmitted or reflected, converted). The ray code, sometimes also called ray signature, has to be known to perform a ray tracing procedure. • Ray theory: A special theory to descripe the propagation of a wavefield within the earth. Ray theory is based on a high-frequency approximation of the elastodynamic equation and is liable to certain restrictions. • Ray tracing: Determining the arrival times (kinematic ray tracing) and amplitudes (dynamic ray tracing) of seismic body waves at detector locations by following ray paths which obey Snell’s law through a model for which the velocity distribution is known. • Receiver: A device used to detect the arrival of seismic waves by transforming the ground motion (geophone; land seismic) or the pressure fluctuations (hydrophone; marine seismic) into an electrical voltage. • Redatuming: The transformation of a seismic record to a different measurement surface. • Reflection: The energy or wave from a shot or other seismic sources which has been reflected (returned) from an acoustic impedance contrast (reflector) or series of contrasts within the earth. • Reflection coefficient: 1 The ratio of the amplitude of a reflected ray (A 1 ) to that of the incoming ray (A0 ): R = A A0 . In the case of normal incidence, R can be expressed in terms of the acoustic impedances of the 2 −Z1 two media above and below the reflector, Z 1 and Z2 , that R = Z Z2 +Z1 . The range of values 153
APPENDIX A. DEFINITIONS AND EXPLANATIONS
for R lie between −1 and +1. If R is negative a phase reversal (π) in the wave occurs at the reflector. For water/air R has a typical value of −1; for rocks R has an average value of 0.2 or ˜ = R2 . less. The reflection coefficient can also be expressed in terms of energy, when R • Reflector: A contrast in acoustic impedance which gives rise to a seismic reflection. • Remigration (RM): The improvement of a depth-migrated seismic image according to a different or updated macrovelocity model. This process is also known as velocity continuation. • Reverberation: Multiple reflection in a layer, usually the water layer in marine work. Reverberations sometimes occur on land record also. • Root-mean-square (RMS) velocity: For a series of parallel layers of velocity v i , where the traveltime for seismic energy perpendicqP ularly through each is ti , the RMS velocity is vRM S =
by vav =
P Pvi ti . ti
2 Pvi ti . ti
The average velocity is given
• Scattering: The irregular and diffuse dispersion of energy caused by inhomogeneities in the medium through which the energy is traveling. • Shadow zone: A portion of the subsurface from which reflections are unobservable because their raypaths do not reach the surface. The overlaying beds may have such dips and velocity contrasts that ray paths to or from reflectors within the shadow zone become refracted or undergo total reflection. • Shot: A source of seismic shock waves that are produced for experimental purposes, e.g. by a hammer, an explosion, an airgun, or a water gun. Guns in marine seismics use high pressure air or water to produce a pressure wave. • Shot continuation (SCO): The transformation of one common shot record into another one of an adjacent shot position. • Signal-to-noise ratio (SNR): The energy of desired events divided by all remaining energy (noise) at that time. • Stacking: The summing of traces from a variety of seismic records to increase the signal-to-noise ratio and enhance coherent signals into a composite record. The most frequently used stacking process is the CMP stack. To obtain a CMP stacked section (which in fact is nothing else than a simulated ZO section), all traces, which correspond to the same common midpoint but which originate from different seismic profiles and different offsets, are summed up. This technique reduces not only the amplitude of incoherent noise, but also multiples with their different normal moveout, and diffractions. • Time-to-depth conversion: The change of a (poststack) time-migrated section into a depth-migrated section. 154
APPENDIX A. DEFINITIONS AND EXPLANATIONS
• Trace: A recorded seismic dataset for one channel (receiver). • Transmission coefficient: The ratio of the amplitude of a transmitted ray (A 2 ) to that of the incident ray (A0 ), such that A2 T = A . In the case of normal incidence, and in terms of acoustic impedances (Z 1 and Z2 ) 0 1 of the two media above and below the boundary, T = Z22Z +Z1 . Also, T = 1 − R, where R is the reflection coefficient. The transmission coefficient can also be expressed in terms of energy, 1 Z2 when T˜ = (Z4Z 2. 1 +Z2 ) • True-amplitude (TA): The term true-amplitude means that the desired seismic output image is free of geometricalspreading effects. Thus, the output contains direct information about the angle-dependent reflection coefficient and can be used to determine geological and physical properties of the underground by means of an AVO/AVA analysis. • Two-way traveltime: The time taken for a seismic wave to travel from a shot down to a reflector (or refractor) and back to a receiver at the surface. The normal-incidence two-way traveltime is measured at zero offset. • Velocity continuation (VC): v. Remigration • Vertical seismic profile (VSP): A form of seismic record obtained by positioning a receiver in a borehole at a succession of depths and firing a shot from a fixed point at the surface. • Zero offset (ZO): Theoretical shot-receiver configuration where a receiver position coincides with the shot position. This configuration cannot be used in field recording, i.e. it must be calculated from other shot-receiver configurations, e.g. by migration to zero offset (MZO) or common midpoint (CMP) stacking. A seismic ZO section with n traces corresponds to n (theoretical) experiments.
155
Appendix B
A Matlab (tm) example program %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % example.m: Matlab (tm) M-Script % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % This script is a brief tutorial to show you the basic and frequently used % % Matlab commands. Usage: execute this Matlab script, then read through this % % file and try to understand each command. There are a lot of explanations; % % if you need more help, write "help " directly at the Matlab prompt and % % substitute with your desired Matlab command. % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % programmed by Thomas Hertweck (Geophysical Institute, Karlsruhe University) % % September 1999 % %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% % % % % % % %
Now let’s start; as you have already seen, "%" is a special Matlab sign: it is used to mark comments; comments may start at the beginning of a line or at your option somewhere else, even behind a real Matlab command. The aim of this example script is to define a function g(t), to plot this function, to calculate the sprectrum, and finally to plot the spectrum. Let’s see how we can program this....
% First of all, we erase all previously defined variables; this is just to be % safe _not_ to use some results from previous runs clear all % If we want to display some floating numbers we should use a short format; this % is enough. The internal representation of floating numbers in Matlab is always % with double precision. format short % We want to use a time axis, so let’s define where the axis should end; this % is the maximum value [in sec] on the time axis. The semicolon at the end % prevents the output on the display. t_max = 1.0; % % % % n
Remember that a computer uses a discrete representation of a function g(t), therefore we have to specify the number of time samples; since we want to use a Fast Fourier Transform (FFT) routine later, the number of time samples should be a power of 2. = 2ˆ10;
157
APPENDIX B. A MATLAB (TM) EXAMPLE PROGRAM
% % % t
We’ve already defined the number of samples and the maximum value on the time axis, now we can calculate the actual time values. We use a simple linear distribution along the time axis. = linspace(0,t_max,n);
% Here we define the main frequency of our input signal [in Hz]. We should be % able to detect this frequency somewhere in our spectrum later on.... f_main = 15; % Now, let’s calculate the values of our input function g(t); we chose a % simple sine-function because we know (?) the spectrum of this function. % To make the plot a little bit more interesting, we add some random numbers % to the actual values - this simulates some noise. gt = 2*sin(2*pi*f_main*t) + randn(size(t)); % Let’s open a new figure window; this figure window could be addressed as % number one figure(1) % Ok, we put two plots in one figure window, that will be nice; here is the % first one; the second one will be below the first one in the figure window. subplot(2,1,1) % Now we can graph the function. The real part will be red (r), the imaginary % part will be blue (b). Since we have defined a real function, the imaginary % part should always be zero. Check it out. plot(t,real(gt),’r-’,t,imag(gt),’b-’) % Let’s produce a title, labels, and a legend; this is an important step, % because other persons do not know what we have done up to now! And perhaps % we can’t remember it in future :-) title(’Input function g(t)’) xlabel(’Time t [s]’) ylabel(’g(t)’) legend(’Real part’,’Imaginary part’) % Now it is time to calculate the spectrum of the input function by a Fast % Fourier Transform (FFT) routine; that’s the reason why we have chosen the % time samples to be a power of 2. It’s simple, isn’t it? Gf = fft(gt,n); % Now we are in the frequency domain. We should just calculate a frequency axis, % but.... stop. First of all, we should think about it. We have positive and % negative frequencies in the freqeuncy domain. The first part of Gf contains % data for positive frequencies, the second part of Gf contains data for negative % frequencies. We expect a certain symmetry of the spectrum in the frequency % domain - do you know this? So it should be sufficient to calculate the positive % frequencies. How can it be done? Remember the Nyquist frequency, f_Nyq is % 1/(2 Delta_t), where Delta_t is the sampling interval in the time domain. % As the values have a linear distribution along the frequency axis, we can % calculate them rather simple.... f_Nyq = n/(2*t_max); f = linspace(0,f_Nyq,n/2); % Let’s put the second plot in our figure window.... subplot(2,1,2)
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APPENDIX B. A MATLAB (TM) EXAMPLE PROGRAM
% We graph the spectrum of our input function for positive frequencies only, i.e. % we use Gf(1:n/2) instead of Gf; Gf(n/2+1:n) contains the data for negative % frequencies. This seems to be a little bit strange but it is a common use to % store the data in this way. The real part of our spectrum will be red, the % imaginary part will be blue; this time, all real values should be zero (why?). % Since we have added some noise, the values won’t exactly be zero, but.... hmm, % have a look at it. Is it ok? plot(f,real(Gf(1:n/2)),’r-’,f,imag(Gf(1:n/2)),’b-’) % Once again, we produce a title, labels, and a legend.... title(’Spectrum of input function G(f)’) xlabel(’Frequency f [Hz]’) ylabel(’G(f)’) legend(’Real part’,’Imaginary part’) % % % %
Ooops, bad scaling! We are not able to pick the main frequency of the peak. It should be the value we specified for f_main, but how can we check it? Ok, no problem, we plot it once again in another window with another axis scaling....
% Here we go! The third plot; we open a new figure window; this figure window % could be addressed as number two. figure(2) % Here we graph the spectrum of our input function for positive frequencies % once again.... plot(f,real(Gf(1:n/2)),’r-’,f,imag(Gf(1:n/2)),’b-’) % ....but with another frequency axis scaling. % To check whether our values in the frequency domain are correct, we plot % only a short range, this should be sufficient :-) axis([0 f_main+30 -1000 1000]) % Once again: a title, labels, and a legend.... title(’Spectrum of input function G(f)’) xlabel(’Frequency f [Hz]’) ylabel(’G(f)’) legend(’Real part’,’Imaginary part’) % Now, we have a nice plot of the frequency domain. Don’t care about the % width of the peak, this is just because of the discrete structure; can % you pick the peak frequency? Is it correct? % To check the value automatically, we calculate the index of the minimum % value of the imaginary part of Gf. Then we check which frequency corresponds % to this index. It should be a frequency round about f_main (if our % calculations are correct :-) index = find(imag(Gf)==min(imag(Gf))); f_peak = f(index) % Check it with another main frequency f_main.... - play around with the % Matlab commands, try it!
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Anhang C
Literatur Die hier aufgef¨uhrte Literatur stellt nat¨urlich nur einen kleinen Auszug aus allen Ver¨offentlichungen dar, die u¨ ber die Jahre hinweg erschienen sind. Der Leser kann sich hier Anregungen holen, er soll aber auch Eigeninitiative zeigen und sich selbst auf die Suche nach geeigneter Literatur begeben. Literatur, die zur Nachbereitung und Weiterf¨uhrung dieser Vorlesung aus unserer Sicht besonders empfehlenswert ist, ist in Fettschrift dargestellt.
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