POL-Leitsymptome
Herz-Kreislauf-System
Berthold Block
107 Abbildungen 97 Tabellen
Georg Thieme Verlag Stuttgart · N...
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POL-Leitsymptome
Herz-Kreislauf-System
Berthold Block
107 Abbildungen 97 Tabellen
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome - Herz-Kreislauf-System (ISBN 978-313-142831-8) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Dr. med. Berthold Block Fallersleber-Tor-Wall 5 D-38100 Braunschweig Zeichnungen: Rose Baumann, Schriesheim Layout: Summerer und Thiele, Stuttgart Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
c 2006 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: http://www.thieme.de Printed in Germany Satz: Hagedorn Kommunikation, Viernheim gesetzt auf 3B2 Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe ISBN 3-13-142831-7 ISBN 978-3-13-142831-8
1 2 3 4 5 6
Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome - Herz-Kreislauf-System (ISBN 978-313-142831-8) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Vorwort Trotz der rasanten Entwicklung diagnostischer Methoden in allen Bereichen der Medizin bilden die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung nach wie vor den ersten und wichtigsten Zugang zum Patienten und die Grundlage jeder weiteren Diagnostik. Die Inhalte der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung sind seit über hundert Jahren im Grundsatz unverändert geblieben. Geändert hat sich die Art und Weise, die Systematik dieser diagnostischen Methoden zu vermitteln. In der neuen Approbationsordnung werden detailliert die Rahmenbedingungen der ärztlichen Ausbildung festgelegt. Neu ist der Versuch, vorklinische und klinische Lerninhalte enger miteinander zu verzahnen. Neu ist auch der Versuch, ein problemorientiertes Vorgehen bei der Lösung klinischer Fragestellungen frühzeitig während des Studiums zu trainieren. Damit soll das Studium patientennah und praxisrelevant gestaltet werden. Dieses Buch soll einen Beitrag zu diesen Bemühungen leisten. Inhaltlich ist das Buch in drei Abschnitte unterteilt. Im ersten Teil finden Sie eine Einführung zum POL, Grundlagen zu Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung sowie die Symptome bei Erkrankungen des kardiovaskulären Systems. Im zweiten Teil werden ausgehend von einer klassischen klinischen Situation, dem Leitsymptom, zunächst die Probleme formuliert, die dieses Leitsymptom beinhaltet. Dann werden kurz die relevanten anatomischen und physiologischen Voraussetzungen rekapituliert und es wird eine orientierende Übersicht über mögliche, häufige und seltene Ursache für die Beschwerden gegeben. Der umfangreichste Abschnitt gibt dann eine detaillierte und systematische Handlungsvorgabe für die Problemlösung aufgrund von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung. Hieran schließt sich eine orientierende Übersicht über die weitergehenden Untersuchungen und Therapieansätze an. Im dritten Teil des Buches wird schließlich ein zusätzlicher Zugang zur Anamneseerhebung vorgestellt: Bei bekannter Diagnose – dabei kann diese das Hauptproblem der Konsultation darstellen oder einen Nebenaspekt – wird eine auf diese spezielle Situation abgestimmte Anamneseerhebung skizziert. Thema des vorliegenden Buches ist das Herz-Kreislauf-System. Die Symptomatik bei Erkrankungen des Herzens und der Gefäße ist sehr vielfältig und erlaubt bereits eine sehr präzise differenzialdiagnostische Eingrenzung möglicher Ursachen. Die relevanten und klinisch häufigsten Erkrankungen: koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, arterielle Verschlusskrankheit, Varikose und Thrombose lassen sich fast immer auf Grund der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung sicher diagnostizieren. Der Autor und der Verlag hoffen, mit diesem Buch eine Handlungsanleitung zu geben, die zum einen den Leser in die Lage versetzt, die klassischen klinischen Situationen bei Erkrankungen des kardiovaskulären Systems kompetent anzugehen. Zum anderen wünschen wir uns, dass es gelingt, Freude an der Kunst der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung – und um eine Kunst handelt es sich – zu vermitteln. Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Georg-Thieme-Verlages, die es mir ermöglicht haben, dieses Buch zu erstellen. Allen voran möchte ich hier Frau Dr. Bettina Hansen nennen, die das Projekt der POL-Reihe von der Planung bis zur Veröffentlichung mit Rat und Tat unterstützt hat. Besonders bedanken möchte ich mich bei Frau Dr. Christina Schöneborn und Frau Sigrun Ehlers-Rückert für die redaktionelle Bearbeitung des Textes. Für die Gestaltung des Layouts danke ich Summerer und Thiele sowie Frau Albrecht für die Betreuung der Herstellung.
V
Braunschweig, im August 2006
Berthold Block
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Inhalt
A VI
Grundlagen
3
1
Gebrauchsanleitung 1.1 POL – Problemorientiertes Lernen
4 4
2
Grundlagen der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung 2.1 Aktuelle Beschwerden 2.2 Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden 2.3 Systemische Anamneseerhebung 2.4 Körperliche Untersuchung
5 6 6 6 6
3
4
B
Grundlagen und Symptome 3.1 Grundlagen 3.2 Symptome bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
11 11 12
Körperliche Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems 4.1 Die Untersuchung des Herzens 4.2 Die Untersuchung der Arterien 4.3 Untersuchung der Venen
16 16 22 23
Leitsymptome
27
1
28 28 28 29 31 31 43 46
Thoraxschmerzen 1.1 Begriffe 1.2 Problemstellung 1.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 1.4 Ursachen von Thoraxschmerzen 1.5 Problemlösung 1.6 Weitergehende Diagnostik 1.7 Diagnosesicherung
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2
Herzrhythmusstörungen 2.1 Begriffe 2.2 Problemstellung 2.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 2.4 Ursachen von Herzrhythmusstörungen 2.5 Problemlösung 2.6 Weitergehende Diagnostik 2.7 Diagnosesicherung
50 50 50 51 59 61 70 73
3
Synkope 3.1 Begriffe 3.2 Problemstellung 3.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 3.4 Ursachen von Synkopen 3.5 Problemlösung 3.6 Weitergehende Diagnostik 3.7 Diagnosesicherung
78 78 78 79 82 84 89 91
4
Ödeme 96 4.1 Begriffe 96 4.2 Problemstellung 96 4.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 96 4.4 Ursachen von Ödemen 99 4.5 Problemlösung 101 4.6 Weitergehende Diagnostik 108 4.7 Diagnosesicherung 111
5
Varizen 114 5.1 Begriffe 114 5.2 Problemstellung 114 5.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 114 5.4 Ursachen der Varikosis 117 5.5 Problemlösung 118 5.6 Weitergehende Diagnostik 121 5.7 Diagnosesicherung 122
6
Claudicatio intermittens 125 6.1 Begriffe 125 6.2 Problemstellung 125 6.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 126 6.4 Ursachen belastungsabhängiger Beinschmerzen129
VII
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6.5 6.6 6.7
Problemlösung Weitergehende Diagnostik Diagnosesicherung
130 135 136
7
Raynaud-Syndrom 138 7.1 Begriffe 138 7.2 Problemstellung 138 7.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 138 7.4 Ursachen des Raynaud-Syndroms 139 7.5 Problemlösung 141 7.6 Weitergehende Diagnostik 145 7.7 Diagnosesicherung 148
8
Arterielle Hypertonie 151 8.1 Begriffe 151 8.2 Problemstellung 151 8.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 152 8.4 Ursachen der Hypertonie 157 8.5 Problemlösung 157 8.6 Weitergehende Diagnostik 161 8.7 Diagnosesicherung 163
9
Herz-Kreislauf-Stillstand 9.1 Begriffe 9.2 Problemstellung 9.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 9.4 Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands 9.5 Problemlösung 9.6 Weitergehende Diagnostik 9.7 Diagnosesicherung
VIII
167 167 167 167 168 169 173 176
10 Zyanose 178 10.1 Begriffe 178 10.2 Problemstellung 178 10.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 178 10.4 Ursachen der Zyanose 179 10.5 Problemlösung 180 10.6 Weitergehende Diagnostik 184 10.7 Diagnosesicherung 186
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C
Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1
2
D
191
Zusatzuntersuchungen bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems 1.1 Blutdruckmessung 1.2 EKG 1.3 Ultraschalluntersuchungen 1.4 Röntgenaufnahme des Thorax 1.5 Computertomographie 1.6 Magnetresonanz-Tomographie 1.7 Myokardperfusionsszintigraphie 1.8 Positronen-Emissions-Tomographie 1.9 Herzkatheteruntersuchung 1.10 Labordiagnostik 1.11 Funktionsdiagnostik
192 192 192 202 205 206 207 207 207 207 208 210
Von der Diagnose zur systematischen Anamneseerhebung 2.1 Häufige Krankheiten
211 211
Anhang Laborwerte – Normalbereiche Quellenverzeichnis Sachverzeichnis
IX
223
224 230 233
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Grundlagen
A
1 Gebrauchsanleitung
4
2 Grundlagen der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung
5
3 Grundlagen und Symptome
11
4 Körperliche Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems
16
3
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Grundlagen tungszeit im Jahr 1969 in Hamilton, Ontario statt. Die weitere Anwendung des POL konzentrierte sich zunächst auf Nordamerika. In Europa war die Universität Maastricht ein Vorreiter im Anbieten von POL, es wurde dort 1974 eingeführt.
1.1.2 Methodik
1 Gebrauchsanleitung 1.1 POL – Problemorientiertes Lernen
4
Die neue Approbationsordnung hat zu vielfältigen Veränderungen im Lehrbetrieb an den Universitäten geführt. Neue Unterrichtsformen haben Einzug gehalten, POLKurse, Tutorien, Bedside-Teaching und Fallbesprechungen gehören immer öfter zu den neuen Lehr- und Lernformen, die zu einem praxisnahen, fächerübergreifenden Verständnis der Medizin führen sollen. Für die Studenten stellt dieses Ziel eine große Herausforderung dar. Die neue Reihe POL-Leitsymptome geht deshalb auf die Bedürfnisse der Studenten ein, die mit diesen neuen Unterrichtsformen konfrontiert werden. Das Ziel ist es, den Studentinnen und Studenten mehr Praxisnähe zu vermitteln und die Entwicklung von Problemlösungsstrategien zu fördern.
1.1.1 Geschichte Die Wurzeln des POL lassen sich bis ins Jahr 1920 zurückverfolgen. Ein französischer Grundschullehrer war als Soldat im ersten Weltkrieg so stark verwundet worden, dass er für sich und seine Schüler eine Lehr- und Selbstlernmethode entwickelte, die ihn weniger anstrengte als der damals übliche Frontalunterricht. Die Schüler mussten dazu Eigenverantwortung für ihr Lernen übernehmen, ihren Lernerfolg selbst evaluieren und in Gruppen zusammenarbeiten. Dies sind Schlüsselfähigkeiten, die auch in POL-Kursen gefordert werden. Der erste POL-Kurs an einer medizinischen Fakultät fand nach dreijähriger Vorberei-
POL ist eine bewährte, praxisorientierte Methode, bei der es gilt, neben dem klassischen Wissenserwerb vor allem eigene Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Dabei werden in Kleingruppen Lernziele anhand bestimmter Fallbeispiele erarbeitet. Das POL folgt einem schrittweisen Ablauf, den „7 Steps“ (Siebensprung), die bei der Erarbeitung der Lernziele helfen: Step 1 Begriffe klären Step 2 Definition des Problems bzw. von Teilproblemen Step 3 Sammlung von Ideen und Lösungsansätzen Step 4 Systematisches Zusammenfassen und Ordnen der Ideen Step 5 Lernziele formulieren Step 6 Eigenstudium Step 7 Wissen zusammentragen, Ausblick formulieren Die POL-Reihe behandelt Organsysteme anhand von Leitsymptomen. Die neue Reihe ist nach folgendem System aufgebaut, das sich an den „7 Steps“ orientiert: 1. Begriffe klären 2. Problem erkennen 3. Grundlagen rekapitulieren 4. Mögliche Ursachen kennen/ bedenken 5. Problem schrittweise lösen Anamneseerhebung 6. Weitergehende Diagnostik 7. Diagnose sichern und Therapie einleiten. Jedes Leitsymptomkapitel wird durch komplexe Kasuistiken ergänzt, die die Inhalte vertiefen. So soll ausgehend von einem bestimmten Leitsymptom schrittweise der Weg zu Diagnose und Therapie erlernt werden.
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Grundlagen
2 Grundlagen der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung Die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung bei einem Arztbesuch bedeuten für den Patienten eine Öffnung seiner Intimsphäre. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden im Auftreten, bei der Wahl des Ortes und bei der Wahl der Zeit. Einige Grundregeln sind bei der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung zu beachten (Tab. 2.1). Begrüßen Sie den Patienten mit Handschlag und stellen Sie sich mit Namen und Funktion vor. Wählen Sie für das Gespräch einen ruhigen Ort, an dem Sie mit dem Patienten ungestört unter vier Augen sprechen können. Ausreichend Zeit ist für die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung ebenfalls nötig. Bei jedem Patienten sollte, soweit es die Situation und die Zeit erlauben, eine komplette Anamneseerhebung und eine
Tabelle 2.1 Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung Grundregeln Selbstvorstellung
Handschlag Vorstellung mit Namen Vorstellung der Funktion
Wahl des Ortes
unter vier Augen ungestört ruhig gleichberechtigt
Wahl der Zeit
ausreichend Zeit keine Unterbrechungen
komplette Untersuchung erfolgen. Sie betreffen: das respiratorische System (RS) das kardiovaskuläre System (KVS) das Verdauungssytem (VS) den Stoffwechsel (SW) das hämatologische System (HS) das Urogenitalsystem (UGS) und das Nervensystem (ZNS, PNS). Außerdem: Familienanamnese und Sozialanamnese. Das Ausmaß der Familien- und Sozialanamnese hängt natürlich vom aktuellen Beschwerdebild ab. Als Basisprogramm sollten bei der Familienanamnese aber die folgenden Fragen immer geklärt werden: Gibt es Krankheitshäufungen in der Familie? Woran sind Mutter und Vater gestorben und in welchem Alter? Hat der Patient Geschwister und, wenn ja, sind sie gesund oder krank?
5
Die Sozialanamnese umfasst Fragen nach Familienstand, Kindern und Beruf. Bei der Erhebung der Sozialanamnese ergibt sich oft die Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild vom Leben und der Person des Kranken zu machen. Angesichts der Vielzahl funktioneller Beschwerden sollte die Bedeutung der Sozialanamnese nicht unterschätzt werden. Sie ist außerdem oft sehr gut geeignet, einen persönlichen Zugang zum Patienten zu finden. Die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung erfolgen strukturiert. Zunächst wird nach den aktuellen Beschwerden gefragt, dann nach der Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden. Schließlich erfolgen eine systematische Anamneseerhebung nach Organsystemen, die Erhebung der Familienanamnese und die Erhebung der Sozialanamnese. Anschließend wird die körperliche Untersuchung durchgeführt.
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LERNTIPP
Grundlagen Systematik von Anamneseerhebung und Untersuchung: 1. Aktuelle Beschwerden. 2. Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden 3. Systematische Anamneseerhebung der Organsysteme, Familienanamnese, Sozialanamnese. 4. Körperliche Untersuchung.
2.1 Aktuelle Beschwerden
6
Der Beginn des Gesprächs sollte möglichst offen sein und dem Patienten die Möglichkeit geben, erst mal frei und unter Umständen auch ungeordnet über den Grund seines Arztbesuchs und seine Beschwerden zu berichten. Anschließend erfolgt die von Ihnen gestützte Präzisierung des Problems. Grund der Konsultation Fragen nach dem Leitsymptom: n Wo wird das Symptom gespürt? n Seit wann besteht es? n Frequenz des Auftretens? n Dauer bei Auftreten? n Verlauf n Welchen Charakter hat es? n Welche Intensität hat es? n Wodurch wird es ausgelöst? n Wodurch wird es modifiziert? n Welche Begleitsymptome bestehen? n Welche aktuelle Therapie wird zurzeit durchgeführt?
2.2 Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden Wenn die aktuellen Beschwerden besprochen sind erfolgt die Befragung nach der Vorgeschichte des aktuellen Problems. Es liegt in der Natur der Sache, dass zwischen diesen beiden Anteilen der Anamneseerhebung nicht immer eine klare Trennung erfolgt. Wie lange bestehen überhaupt schon Beschwerden? Wie war der Verlauf? Welche Diagnosen wurden bisher gestellt? Welche diagnostischen Maßnahmen wurden durchgeführt? Welche therapeutischen Maßnahmen wurden mit welchem Erfolg durchgeführt? Welche Risikofaktoren bestehen?
2.3 Systemische Anamneseerhebung Mit der systematischen Anamneseerhebung verschaffen Sie sich einen orientierenden aber strukturierten und umfassenden Eindruck von der Krankheitsgeschichte, sowie von der familiären und sozialen Situation Ihres Patienten. Tab. 2.2 enthält einen Vorschlag, diese Informationen systematisch zu erfragen.
2.4 Körperliche Untersuchung Um eine gründliche körperliche Untersuchung durchführen zu können, sollten Sie sich einen geordneten und schematischen Ablauf angewöhnen. Die einzelnen Untersuchungsschritte sind in Tab. 2.3 aufgeführt.
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Grundlagen Tabelle 2.2 Systematische Anamneseerhebung der Organsysteme und allgemeine Fragen Organsystem
Fragen
respiratorisches System
n n
n n
kardiovaskuläres System
n n
n n
Verdauungssystem
n n n n n
Ist bei Ihnen eine Lungenerkrankung bekannt? Hatten Sie einmal eine Lungenentzündung oder eine Tuberkulose? Rauchen Sie? Bestehen Husten, Auswurf, Luftnot? Ist bei Ihnen eine Herzerkrankung bekannt? Hatten Sie einmal einen Infarkt, Herzschmerzen, Herzrasen, unregelmäßigen Herzschlag? Hatten Sie einmal Wasser in den Beinen? Besteht ein Bluthochdruck? Wie sind Appetit, Stuhlgang, Gewicht? Bestehen Bauchschmerzen? Besteht Blutabgang? Hatten Sie einmal eine Gelbsucht (Ikterus)? Hatten Sie einmal eine Erkrankung der Leber, der Gallenblase oder der Bauchspeicheldrüse?
Stoffwechsel
n
Bestehen ein Diabetes mellitus oder eine Gicht?
Urogenitalsystem
n
Hatten Sie einmal eine Erkrankung der Niere oder der ableitenden Harnwege? Haben Sie Probleme beim Wasserlassen? Liegen gynäkologische Erkrankungen vor?
n n
Nervensystem
n
7
Hatten Sie einmal einen Krampfanfall, Ohnmachten, Stürze, Lähmungen?
Außerdem fragt man nach: Kinderkrankheiten n Allergien n Operationen n Krankenhausaufenthalten n Medikamenteneinnahme n Auslandsaufenthalten n Nikotin n Alkoholkonsum n
Familienanamnese Sozialanamnese: n Beruf, berufliche Risiken n familiäre Situation n Kinder n Sport
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Grundlagen Tabelle 2.3 Schematischer Ablauf der körperlichen Untersuchung Untersuchung Allgemeiner Eindruck
achten auf
n
Allgemeinzustand
n
normal, geschwächt, schwer krank
n
Größe, Gewicht
n
Adipositas, Anorexie
n
Mimik
n
Grimassieren, Tics, Maskengesicht
n
Sprache
n
Heiserkeit, Stottern, verwaschen
n
Geruch
n
Alkohol, Urämie
n
Haut und Schleimhäute
n
Effloreszenzen, Turgor, Farbe (Ikterus, Anämie)
n
Sehschärfe
n
normal, vermindert, Sehhilfe
n
Inspektion Lider, Bulbi, Konjunktiven, Skleren
n
Beweglichkeit, Entzündung, Rötung
n
Pupillen und Pupillenreaktion
n
weit, eng, entrundet, Lichtreaktion
n
Inspektion äußere Nase, Nasenschleimhaut
n
Septumdeviation, Sekret
n
Palpation Nervenaustrittspunkte
n
Druck- oder Klopfschmerz
n
Hörvermögen
n
normal, Hörminderung
n
Inspektion äußeres Ohr, Gehörgang, Trommelfell
n
Entzündung, Zerumen
n
Perkussion Mastoid
n
Klopfschmerz
n
Inspektion Lippen, Mundschleimhaut, Zunge
n
Farbe, Rhagaden, Beläge
n
Tonsillen, Pharynx
n
Größe, Beläge, Schleim- oder Eiterstraßen
n
Zähne und Zahnfleisch
n
Prothese, Karies, Entzündung
Kopf
8 n
n
n
n
Augen
Nase und Nasennebenhöhlen
Ohren
Mund und Mundhöhle
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Grundlagen Tabelle 2.3 Fortsetzung Untersuchung Hals
Thorax
n
n
n
Lunge
Herz-Kreislauf
Mammae
Abdomen
achten auf
n
Beweglichkeit
n
Meningismus
n
Inspektion Halsvenen
n
obere Einflussstauung
n
Inspektion und Palpation Schilddrüse, Lymphknoten
n
Struma, Lymphknotenvergrößerung
n
Auskultation A. carotis
n
Stenosegeräusch
n
Inspektion
n
Thoraxform, Atemexkursionen, Atemfrequenz
n
Perkussion
n
(hyper-)sonor, Dämpfung, Lungengrenzen
n
Auskultation
n
Atemgeräusch abgeschwächt, verschärft, Nebengeräusche, Pleurareiben
n
Bronchophonie und Stimmfremitus
n
vorhanden/nicht vorhanden
n
Palpation
n
Herzspitzenstoß, Schwirren
n
Auskultation Frequenz und Rhythmus, Blutdruckmessung bds.
n
Sinusrhythmus, Extrasystolen, Arrhythmie
n
Auskultation Herztöne
n
Extratöne, Spaltung
n
Auskultation Herzgeräusche
n
systolisch, diastolisch, Ort, Fortleitung
n
Blutdruckmessung bds.
n
art. Hypertonie, RR-Seitenunterschied
n
Inspektion und Palpation
n
Knoten, Schmerz, Einziehungen, Sekret, Lymphknoten
n
Inspektion Bauchdecken
n
Gefäßzeichnung, Narben, Einziehungen, Vorwölbungen
n
Palpation oberflächlich und tief
n
Druckschmerz, Resistenzen, Leber, Milz
n
Perkussion
n
Leber-, Milzgröße, Klopfschmerz Nierenlager
n
Auskultation
n
Darmgeräusche, Gefäßgeräusche, Kratzauskultation (Lebergröße)
9
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Grundlagen Tabelle 2.3 Fortsetzung Untersuchung
achten auf
Extremitäten und Wirbelsäule n
n
n
Allgemein
Arme
Beine
10 n
Wirbelsäule
Neurologische Untersuchung
Rektum, Genitale
n
Inspektion
n
Fehlstellungen, Umfangsdifferenzen
n
Beweglichkeit
n
Bewegungseinschränkung
n
Inspektion Hände
n
Uhrglasnägel, Trommelschlegelfinger, Palmarerythem, Dupuytren-Kontraktur
n
Palpation periphere Pulse
n
tastbar ja/nein, Pulsdifferenzen
n
Inspektion
n
Varizen, Ulzera, Ödeme, Fußdeformitäten
n
Palpation periphere Pulse
n
tastbar ja/nein, Pulsdifferenzen, Strömungsgeräusche
n
Inspektion
n
Skoliose, Kyphose, Lordose
n
Palpation
n
Klopfschmerz Dornfortsätze
n
Beweglichkeit
n
Finger-Boden-Abstand, Schober-Zeichen
n
Inspektion
n
Tremor, Tics, Atrophien
n
Bewusstsein, Orientierung, psychische Auffälligkeiten
n
Stimmung depressiv, manisch, aggressiv, Halluzinationen
n
Untersuchung der Hirnnerven
n
Ausfälle
n
Überprüfung von Kraft und Muskeltonus
n
latente Paresen, Spastik, Rigor, Tremor
n
Eigen- und Fremdreflexe
n
gesteigert, abgeschwächt, pathologische Reflexe
n
Oberflächen- und Tiefensensibilität
n
Sensibilitätsstörung
n
Koordinationsprüfung
n
Ataxie
n
rektale Untersuchung
n
Hämorrhoiden, Fissuren, Resistenzen, Prostata
n
Untersuchung äußeres Genitale
n
Varikozele, Behaarung
n
Palpation Lymphknoten
n
vergrößert, druckdolent
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Grundlagen
3 Grundlagen und Symptome 3.1 Grundlagen Das kardiovaskuläre System umfasst das Herz und die arteriellen und venösen Gefäße des großen und kleinen Kreislaufs. Es hat zwei Funktionen, es ermöglicht den Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe (Abb. 3.1) und hat eine wesentliche Funktion in der Thermoregulation des Organismus. Das Herz umfasst folgende Strukturen: Die aus drei Schichten aufgebaute Herzwand, von außen nach innen sind dies: der Herzbeutel (Perikard) der Herzmuskel (Myokard) und die innerste Schicht, eine seröse Haut (Endokard) sowie
Abb. 3.1 Schematische Darstellung von Herz und Kreislauf. Im Lungenkreislauf wird Sauerstoff (O2) aufgenommen, im Kapillarnetz des Körperkreislaufs wird er an das Gewebe abgegeben. Den umgekehrten Verlauf nimmt CO2. Die Herzklappen sind während der Systole in der Austreibungsphase dargestellt: Segelklappen geschlossen, Taschenklappen geöffnet
11
die Koronararterien, die Herzklappen, das Gewebe der Reizbildung und das Reizleitungssystem (Abb. 3.2). Umgangssprachlich wird vom linken und vom rechten Herz gesprochen. Das linke Herz umfasst den linken Vorhof und die linke Kammer. Es nimmt Blut aus dem kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) auf
Abb. 3.2 Schematische Darstellung der Anatomie des Herzens
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Grundlagen
MERKE
und bringt es in den großen. Das rechte Herz umfasst den rechten Vorhof und die rechte Kammer. Es nimmt Blut aus dem großen Kreislauf auf und bringt es in den kleinen. Das arterielle System umfasst die großen, herznahen Gefäße, die peripheren Arterien und die Arteriolen. Das venöse System umfasst die Venolen, die peripheren Venen und die großen herznahen Venen: V. cava inferior und superior.
12
Die Aa. pulmonales führen sauerstoffarmes Blut, die Vv. pulmonales führen sauerstoffreiches Blut.
Tabelle 3.1 Herzerkrankungen direkt spürbare Symptome Schmerzen: Ischämieschmerz, Schmerz bei Perikarditis (stechend) Palpitationen: Herzklopfen, Herzrasen Herzrhythmusstörungen: Extraschläge, Pausen, Aussetzer Organgefühl
schrieben, unabhängig von Schmerzen oder Herzrhythmusstörungen.
Indirekte Symptome Erkrankungen des Herzens und der Gefäße des großen Kreislaufes gehören zu den häufigsten gravierenden Erkrankungen. Primäre Gefäßerkrankungen des kleinen Kreislaufes sind selten. Bei der primären pulmonalen Hypertonie kommt es zu einer Drucksteigerung im kleinen Kreislauf aufgrund einer unbekannten Ursache. Sekundär ist das Gefäßsystem des kleinen Kreislaufs häufig mitbetroffen: Bei der pulmonalen Hypertonie auf dem Boden einer Lungenerkrankung, bei der Lungenembolie und bei der kardialen Stauung.
3.2 Symptome bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems 3.2.1 Symptome bei Erkrankungen des Herzens Herzerkrankungen können direkt am Herzen spürbar werden oder indirekt auffallen. Wesentlich seltener sind andere Symptome.
Direkte Symptome Direkt am Herzen spürbar sind Schmerzen, Palpitationen (s. S. 50), Herzrhythmusstörungen (s. S. 50) und das Organgefühl (Tab. 3.1). Als Organgefühl wird das Bewusstwerden des eigenen Herzens be-
Die indirekten Symptome betreffen das linke und das rechte Herz. Unterschieden werden nach dem pathogenetischen Mechanismus: Rückwärtsversagen (backward failure): die diastolische Füllung ist behindert, es kommt es zu einem Rückstau des Blutes n vor dem linken Herzen in den pulmonalen Kreislauf oder n vor dem rechten Herzen in den großen Kreislauf. Vorwärtsversagen (forward failure): eine verminderte Pumpfunktion führt zu einer verminderten peripheren Zirkulation. Das Vorwärtsversagen entsteht meistens auf dem Boden einer reduzierten Auswurfleistung bei einer primär kardialen Erkrankung (low-output-failure). Seltener ist das Herzversagen aufgrund eines erhöhten Herzzeitvolumens, das zu einer chronischen Überlastung führt. Die Ursachen sind extrakardialer Art: Hyperthyreose, Anämie, arteriovenöse Fistel (high-output-failure). Häufig bestehen Funktionsstörungen von rechtem und linkem Herzen gleichzeitig (Tab. 3.2). Bei der Funktionsstörung des linken Herzens bestehen Rückwärts- und Vorwärtsversagen meistens in unterschiedlich starker Ausprägung.
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Grundlagen Tabelle 3.2 Herzerkrankungen- indirekte Folgen linksventrikulär
rechtsventrikulär
Rückwärtsversagen: pulmonale Stauung
Dyspnoe Husten Auswurf Hämoptoe
Vorwärtsversagen: vermindertes Herz-Zeitvolumen
Schwindel Synkope Leistungsminderung Müdigkeit Erschöpfbarkeit Schwäche
Rückwärtsversagen: periphere Stauung
Gastrointestinaltrakt: Inappetenz n Übelkeit n Völlegefühl n Obstipation n
Leberkapselschmerz Ikterus Aszites Ödeme: n Füße n Unterschenkel n Oberschenkel n Rücken
Tabelle 3.3 Zusätzliche Symptome bei Erkrankungen des Herzens Ursache
Symptom
künstliche Herzklappen
Symptome der hämolytischen Anämie
Vitien mit Rechts-Links-Shunt
Zyanose
rezidivierendes Vorhofflimmern
Symptome durch kardiale Embolien
Vorhofseptumdefekt
Symptome durch paradoxe venöse Embolien
Das Rückwärtsversagen des linken Herzens führt zu einem Rückstau im kleinen Kreislauf mit pulmonaler Stauung und Dyspnoe (Luftnot). Das Vorwärtsversagen des linken Herzens äußert sich überwiegend am ZNS und den Allgemeinsymptomen: Schwindel, Synkope, Müdigkeit, Erschöpfbarkeit, Schwäche, Minderung der intellektuellen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Die Symptome des Rechtsherzversagens entstehen überwiegend durch den Rückstau im großen Kreislauf beim Rückwärtsversagen: Gastrointestinale Beschwerden, periphere Ödeme.
Zusätzliche Symptome Schließlich können Beschwerden durch Herzerkrankungen und deren Folgen entstehen, die weder zu den direkten noch
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zu den indirekten Symptomen gezählt werden (Tab. 3.3): Künstlichen Herzklappen können eine Hämolyse mit Anämiesymptomen verursachen. Vitien (Herzfehler) mit Rechts-LinksShunt können zum Bild der Zyanose führen. Bei einer Zyanose handelt es sich um eine blau-rote Färbung von Haut und Schleimhäuten, die eine Folge der Zunahme von desoxygeniertem Hämoglobin ist. Es werden die zentrale und die periphere Zyanose unterschieden (s. S. 179). Beim Vorhofseptumdefekt, etwa beim persistierenden Foramen ovale, kann ein Embolus aus peripheren Venen in den arteriellen Schenkel des großen Kreislaufs gelangen und dort eine periphere Embolie (paradoxe Embolie) bewirken.
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Grundlagen Rezidivierendes Vorhofflimmern kann zu Embolien aus dem linken Herzen in den großen Kreislauf führen.
3.2.2 Symptome bei Erkrankungen der Arterien Direkte Symptome Eine direkt spürbare Erkrankung der Arterien ist die Dissektion eines Aneurysmas der thorakalen oder der abdominalen Aorta. Sie führt zu starken Schmerzen in Brustkorb, Rücken oder Abdomen.
Indirekte Symptome
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Bei Erkrankungen der Arterien dominieren die Beschwerden, die durch die Funktionsminderung der Gefäße als Leitungsbahnen für das Blut –und damit den O2-Transport– entstehen: Blässe, Kühle, intermittierende Ischämieschmerzen, Dauerschmerz, Funktionseinschränkungen mit Folgen für die abhängigen Organe (Tab. 3.4). Häufigste Ursache ist die Arteriosklerose. Unterhalb eines arteriellen Verschlusses sind die fehlenden Pulse auffällig.
Die Funktionsminderung der Gefäße entwickelt sich meistens schleichend und kann ein beachtliches Ausmaß annehmen, bevor es überhaupt zu Symptomen kommt. Beschwerden treten zunächst meist belastungsabhängig bei einem bestimmten Belastungsniveau auf (s. S. 132) oder intermittierend reversibel. Weniger häufig, dann aber meist mit katastrophalen Folgen verbunden, ist der akute arterielle Verschluss. Die Leitsymptomatik hängt von der Lokalisation ab. Das Beschwerdebild wird dominiert durch den Ischämieschmerz und den akut einsetzenden Funktionsausfall des abhängigen Gebietes: Schlaganfall, Myokardinfarkt, Verschluss einer Extremitätenarterie, Verschluss einer Mesenterialarterie.
3.2.3 Symptome bei Erkrankungen der Venen Erkrankungen der Venen des großen Kreislaufs betreffen meistens die großen herznahen Venen (V. cava superior und inferior) oder die großen Extremitätenvenen der Beine, aber auch die Becken-
Tabelle 3.4 Arterielle Erkrankungen Versorgungsgebiet
Erkrankung
Herz
KHK Angina pectoris Myokardinfarkt
ZNS
transitorisch-ischämische Attacke (TIA) prolongiertes, reversibles neurologisches Defizit (PRIND) ischämischer Hirninfarkt Amaurosis fugax hämorrhagischer Insult
Extremitäten
belastungsabhängiger Schmerz akuter Verschluss
Abdominalorgane
Angina abdominalis Mesenterialarterienverschluss
Niere
Hypertonus Niereninsuffizienz
Haut
Schmerzen der Akren Nekrosen
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Grundlagen Tabelle 3.5 Venenerkrankungen Erkrankung
Symptom
Varikosis
Hervortreten der Venen, Schweregefühl in den Beinen, Schmerzen und Schwellung der Knöchel und Unterschenkel
Thrombophlebitis
Rötung, Schwellung, Schmerzen, Überwärmung
Phlebothrombose
akut einsetzende schmerzhafte Schwellung
Trauma
venöse Blutung
Symptome durch Venenveränderungen Die weitaus häufigste Erkrankung der Venen ist die Varikosis (s. S. 114). Hierbei dominiert das tastbare und sichtbare Hervortreten der Venen, das den Patienten zum Arzt führt. Oft besteht ein Schweregefühl, Schmerzen und Schwellung der Knöchel und Unterschenkel. Akut kann es zu Entzündungen der erweiterten Venen kommen (Thrombophlebitis, s. S. 121), die mit Schmerzen, Rötung und Überwärmung einhergeht. Während bei der Varikosis der Abfluss über die tiefen Beinvenen meistens intakt ist, führt die tiefe Beinvenenthrombose (Phlebothrombose, s. S.121) zu einer Verlegung der Hauptabflussbahn mit einer akut einsetzenden schmerzhaften Schwellung der betroffenen Extremität. Eine seltene, aber unangenehme Komplikation ist die venöse Blutung aus verletzten Varizen, häufig nach Bagatelltraumen (Tab. 3.5).
Symptome durch Abflussstörungen Als Spätschaden der Varikosis ebenso wie der Phlebothrombose kann es zu einem
dauerhaften Versagen der venösen Drainage kommen, zum Bild der chronisch venösen Insuffizienz (CVI, s. S. 120). Folge der CVI ist ein Rückstau des Blutes in tiefer gelegene Körperpartien, bei nicht bettlägerigen Menschen in die Beine und Füße. Die Betroffenen klagen über ein Schweregefühl, Müdigkeit in den Beinen, Ödeme, Zunahme der Beschwerden im Sitzen und Stehen, bei Wärme sowie prämenstruell. Besserung im Liegen und bei Kühlung. Der Rückstau führt dann oft auch zu typischen Hautveränderungen: Hyperpigmentierung, Ulcera crura, Hautatrophie (s. S. 117) und Narben. Zu den Stadien der CVI s. S. 116.
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Symptome durch Verschleppung embolischen Materials Gelegentlich kann es auf dem Boden einer venösen Thrombose –meist der tiefen Becken- oder Beinvenen– zu einer Lungenembolie mit Luftnot, Thoraxschmerz und Schocksymptomatik kommen. Die Lungenembolie kann bei einer bekannten Thrombose, als Erstmanifestation einer bis dahin nicht erkannten Thrombose oder auch ohne klinisch erkennbare Hinweise auf eine Thrombose auftreten.
Lungenembolie: als Folge einer bekannten oder unbekannten tiefen Beinvenenthrombose Symptome: Luftnot, Thoraxschmerz, Schocksymptomatik
MERKE
venen und gelegentlich auch die Venen der oberen Extremitäten. Symptome entstehen durch die Veränderungen an den Venen selbst, durch die Abflussstörung und durch die Verschleppung von thrombotischem Material, wie es bei der Lungenembolie (s. S. 29) geschieht.
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Grundlagen Tabelle 4.1 Körperliche Untersuchung des Herzens Inspektion Patient ängstlich, still oder agitiert Schmerzäußerungen, Gestik/Mimik
4 Körperliche Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems
Atmung: Dyspnoe/Tachypnoe Gesichtsfarbe: gerötet, zyanotisch oder blass Halsvenenstauung
Die körperliche Untersuchung des HerzKreislauf-Systems besteht aus der Untersuchung des Herzens, der Arterien und der Venen.
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4.1 Die Untersuchung des Herzens Die Untersuchung des Herzens besteht aus Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation. Im klinischen Alltag werden diese nicht immer streng nacheinander durchgeführt, sondern unter Umständen überlappend. Außerdem wird der Blutdruck gemessen.
4.1.1 Inspektion Die Inspektion (Tab. 4.1) beginnt mit der Beurteilung des allgemeinen Eindrucks: Wie krank ist der Patient? Ist der Patient ängstlich, still oder agitiert? Äußert der Patient Schmerzen? Wie sind seine Gestik und Mimik? Wie ist die Atmung: dyspnoisch (kurzatmig) oder tachypnoisch (erhöhte Atemfrequenz)? Wie ist die Gesichtsfarbe des Patienten: gerötet, zyanotisch oder blass? Als relativ typisch für die Mitralstenose gelten die geröteten Wangen bei zyanotischen Lippen. Besteht eine Halsvenenstauung? Sind Ödeme (s. S. 96) feststellbar?
kardiale Ödeme: symmetrisch in den abhängigen Körperregionen venöse Pulsationen präkordial hebender Herzimpuls Herzspitzenstoß: sichtbar/verlagert/ stark pulsierend
den abhängigen Regionen auf, d. h. beim stehenden Patienten in den unteren Extremitäten und beim auf dem Rücken liegenden Patienten am Rücken. Sind venöse Pulsationen erkennbar? Bei genauer Beobachtung kann gelegentlich die Pulsation der Jugularvene erkannt werden. Eine einseitige Füllung der V. jugularis mit fehlender Pulsierung spricht für eine Abflussstörung durch Kompression, z. B. durch eine maligne Lymphknotenschwellung. Bei genauer Inspektion lässt sich bei schlanken Individuen der normale Herzspitzenstoß erkennen. Eine Links- oder Rechtsherzvergrößerung kann ihn deutlicher in Erscheinung treten lassen.
4.1.2 Palpation Die Palpation des Herzens erfolgt an zwei Orten. Sie beginnt mit dem Auflegen der flachen Hand links parasternal über der Herzregion. Besteht ein präkordiales Schwirren?
Kardiale Ödeme treten in der Regel symmetrisch an beiden Seiten des Körpers in
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Körperliche Untersuchung Als präkordiales Schwirren wird das tastbare Vibrieren der Thoraxwand bezeichnet, wie es bei lauten Herzgeräuschen auftritt. Anschließend wird linksthorakal mit Zeige- und Mittelfinger die Lage des Herzspitzenstoßes getastet. Der Herzspitzenstoß ist der äußerste, unterste Punkt, an dem die Herzpulsation spürbar ist. Normalerweise liegt er im 5. Interkostalraum in der Medioklavikularlinie. Ist er nach lateral (links unten außen) verlagert? Dies kommt bei der Linksherzdilatation vor, die etwa durch eine Mitralklappeninsuffizienz entsteht. Ist der Herzspitzenstoß vor allem links parasternal palpabel? Dieser Befund wird bei einer Rechtsherzdilatation erhoben (Tab. 4.2). Schließlich gehört zur Palpation bei kardiovaskulären Erkrankungen auch die Untersuchung der Leber im Hinblick auf eine Vergrößerung, die sogenannte Stauungsleber, sowie Kapsel- und Druckschmerz, wie sie bei einer Rechtsherzinsuffizienz vorkommen können. Bestehen bei einem Patienten Ödeme, werden diese palpiert und beurteilt: Sind sie weich, eindrückbar oder induriert (verhärtet)?
Tabelle 4.2 Körperliche Untersuchung des Herzens- Palpation Befund
mögliche Erkrankung
präkordiales Schwirren
Pulmonalstenose
Herzspitzenstoß nach lateral verlagert links parasternal palpabel
Linksherzdilatation Rechtsherzdilatation
4.1.3 Perkussion Die Perkussion des Herzens spielt im klinischen Alltag keine wesentliche Rolle, weil die Genauigkeit der Ergebnisse erheblich eingeschränkt ist. Orientierend perkutorisch beurteilbar sind die Lage, Größe und Form des Herzens im Hinblick auf eine Kardiomegalie oder einen Perikarderguss. Wegen der höheren Aussagekraft sollte die Größenbestimmung des Herzens aber mittels Röntgen-Thorax und Echokardiographie erfolgen.
4.1.4 Auskultation Zum Schluss werden Herz und Lunge auskultiert. Bei der Auskultation des Herzens werden die Qualität und Hörbarkeit der Herztöne und Herzgeräusche über den Ostien (Einmündungsstellen) beurteilt. Fahndung nach Punctum maximum, Fortleitung der Geräusche, Perikardgeräuschen, bei Extrasystolen Vergleich der Herzfrequenz auskultatorisch und peripher.
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Auskultationsstellen am Herz Es wird über den vier Herzklappen, der Herzspitze und dem Erb-Punkt auskultiert. Die Lokalisationen der Auskultationsstellen (Abb. 4.1): Aortenklappe : 2. ICR rechts parasternal Pulmonalklappe : 2. ICR links parasternal Trikuspidalklappe : 4. ICR rechts parasternal Mitralklappe : 4. oder 5. ICR links parasternal bis Medioklavikularlinie Herzspitze : Ort des vorher getasteten Herzspitzenstoßes Erb-Punkt: 3. oder 4. ICR links parasternal
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Grundlagen Herztöne In der Auskultation werden die physiologischen Herztöne (erster und zweiter Herzton) sowie Zusatztöne von den Herzgeräuschen (s. S. 21) unterschieden. In Tab. 4.3 sind wichtige pathologische Befunde der Herztöne und ihre möglichen Ursachen dargestellt.
Herzgeräusche
18 Abb. 4.1 Auskultationsstellen für das Herz: Aorten- (A), Pulmonal- (P), Trikuspidal- (T) und Mitralklappe,* Erb-Punkt
Herzgeräusche sind länger anhaltende, eher klingende Schallphänomene, die meist durch Wirbelbildung beim Blutfluss durch das Herz oder die herznahen Gefäße entstehen. Um sie zu charakterisieren werden sie nach folgenden Gesichtspunkten beschrieben: Lautstärke zeitliche Zuordnung zeitlicher Verlauf
Tabelle 4.3 Wichtige pathologische Befunde der Herztöne und mögliche Ursachen Befunde
denken an
1. Herzton: n
lauter 1. Herzton
n
n n
leiser 1. Herzton
n n n
n
wechselnde Lautstärke des 1. Herztones
hyperdyname Kreislaufverhältnisse (Fieber, Hyperthyreose) Mitralklappenstenose Herzinsuffizienz Tachykardie (geringe Kammerfüllung) Mitralklappeninsuffizienz (fehlender Klappenschluss)
n
Vorhofflimmern (wechselnd starke Kammerfüllung)
2. Herzton: n
lauter 2. Herzton
n
Hypertonie
n
leiser 2. Herzton
n
Aortenklappenstenose
n
„fixierte“ Spaltung des 2. Herztones auch in der Exspiration
n
Vorhofseptumdefekt (späterer Pulmonalklappenschluss durch vermehrte Volumenbelastung) Pulmonalklappenstenose bzw. Rechtsschenkelblock (jeweils verspäteter Pulmonalklappenschluss) hypertrophe Kardiomyopathie (verspäteter Aortenklappenschluss)
n
n
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Körperliche Untersuchung Tabelle 4.3 Fortsetzung Befunde
denken an
3. Herzton: n
niederfrequent (besser mit der Glocke zu hören), in der Mitdiastole am Ende der schnellen Phase der Ventrikelfüllung
n
junge Personen mit hyperdynamer Kreislaufsituation (Fieber, Sportler, Schwangerschaft), kein Krankheitswert
n
Galopprhythmus, d. h. der 3. Herzton ist verbunden mit Tachykardie und leisem 1. und 2. Herzton, sodass die schnelle Sequenz der drei Herztöne an einen Pferdegalopp erinnert (da-da-bumm)
n
Ausdruck einer meist dekompensierten Herzinsuffizienz wie z. B. bei dilatativer Kardiomyopathie, akutem Vorderwandinfarkt oder massiver Lungenembolie
n
am ehesten Ausdruck einer Linksherzhypertrophie bei arteriellem Hypertonus oder Aortenstenose
4. Herzton: n
zusätzlicher Herzton direkt vor der Systole; entsteht durch eine verstärkte Kontraktion eines hypertrophierten Vorhofes und/oder den Aufprall des ausgestoßenen Vorhofblutes auf eine hypertrophierte Ventrikelwand
Charakter Fortleitung Veränderung durch Umlagerung
Tabelle 4.4 Lautstärke von Herzgeräuschen Grad
Beschreibung
Die Lautstärke (Tab. 4.4) wird nach einer Sechstel-Einteilung beschrieben.
1 (1/6)
nur mit einem guten Stethoskop in ruhiger Umgebung gerade eben zu hören
Zeitliche Zuordnung
2 (2/6)
leises Geräusch, aber sicher zu hören
3 (3/6)
deutliches, gut hörbares Geräusch
4 (4/6)
lautes Geräusch
5 (5/6)
sehr lautes Geräusch, das sich fortleitet und so auch außerhalb der präkordialen Region noch zu hören ist
6 (6/6)
sehr lautes Geräusch („Distanzgeräusch“), auch ohne Stethoskop neben dem Patienten stehend zu hören
Lautstärke
Die zeitliche Zuordnung der Herzgeräusche zur Herzaktion kann Hinweise auf die mögliche Ursache geben. Die systolischen Geräuschphänomene und ihre möglichen Ursachen sind aus Tab. 4.5 ersichtlich, die diastolischen aus Tab. 4.6.
Zeitlicher Verlauf, Charakter, Fortleitung Der zeitliche Verlauf wird mit den Begriffen crescendo, decrescendo und gleichförmig beschrieben. Der Charakter eines Geräusches kann hell oder rau sein. Eine Fortleitung von Geräuschen besteht typischerweise bei: Mitralstenose in die Axilla Aortenstenose in die Karotiden Pulmonalstenose in die linke subklavikuläre Region.
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Grundlagen Tabelle 4.5 Systolische Geräuschphänomene und mögliche Ursachen Entstehungsphänomen
Charakteristik des Geräuschs
denken an
1. pathologischer Blutfluss durch eine Struktur, die in der Systole eigentlich geschlossen sein müsste
meist bandförmig, gleichmäßig, während der gesamten Systole (Holosystolikum)
n
2. normaler Blutfluss durch eine nicht (mehr) ausreichend weite Struktur
dynamisch, d. h. innerhalb einer Systole zunächst lauter und dann wieder leiser werdend (spindelförmiges Geräusch)
n
n
n n n
n
20
3. vermehrter Blutfluss durch eine eigentlich gesunde Klappe und Blutstrombahn
spindelförmig, fast ausschließlich über der Aortenklappe zu hören; die Unterscheidung von der Aortenklappenstenose gelingt meist schon auf Grund der größeren Pulsamplitude
4. funktionelle Geräusche bei Kindern und Jugendlichen ohne pathologisches Korrelat
ausschließlich systolisch, immer leise (I 3/6), meist nur links parasternal zu hören, ohne andere Veränderungen bei der klinischen Untersuchung
n
Mitralklappeninsuffizienz Trikuspidalklappeninsuffizienz Ventrikelseptumdefekt
Aortenklappenstenose Pulmonalklappenstenose Aortenklappensklerose oder Aortensklerose mit Verlust der Windkesselfunktion der proximalen Aorta hyperdyname Kreislaufsituationen bei Anämie, Fieber, Schwangerschaft oder Hyperthyreose
Tabelle 4.6 Diastolische Geräuschphänomene und mögliche Ursachen Geräuschform
denken an
1. frühdiastolische Geräusche, Beginn direkt nach dem 2. Herzton, schnell leiser werdend im Sinne eines Decrescendo
n
2. mitdiastolische Geräusche
n
n
n
Aortenklappeninsuffizienz (sehr viel seltener) Pulmonalklappeninsuffizienz
entstehen meist durch Fluss über eine zu enge Mitralklappe oder Trikuspidalklappe; Mitralklappenstenose (häufigste Ursache) etwas versetzter Beginn nach dem 2. Herzton mit einem leisen Mitralklappenöffnungston, Fortsetzung als tieffrequentes holosystolisches Geräusch, dabei oft etwas leiser werdend, evtl. bei noch erhaltenem Sinusrhythmus nochmals lauter werdend durch die Vorhofkontraktion am Ende der Diastole
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Körperliche Untersuchung Veränderung durch Umlagerung Eine Verstärkung der Geräusche kann durch eine Umlagerung erreicht werden. Bei Auskultation in Linksseitenlage können Geräusche, die in der Mitralklappe entstehen, besser in der Axilla gehört werden. Bei Auskultation am sitzenden, nach vorne gebeugten Patienten kann zu einer Verstärkung von Geräuschen führen, die an der Aortenklappe entstehen.
Auskultationsbefunde bei Herzklappenfehlern Auskultaionsbefunde bei Vitien: Aortenstenose (Abb. 4.2a): n meso- bis holosystolisches spindelförmiges Geräusch mit Punctum maximum über Erb und dem Aortenareal, Fortleitung in die Karotiden Aorteninsuffizienz (Abb. 4.2b): n hochfrequentes diastolisches Geräusch mit Punctum maximum über Erb (besonders gut am vornübergebeugten, sitzenden Patienten zu auskultieren) n häufig zusätzlich leises spindelförmiges Geräusch durch relative Aortenstenose
Pulmonalstenose (Abb. 4.2c): n vom ersten Herzton abgesetztes, spindelförmiges Systolikum über dem Pulmonalklappenareal n pulmomaler Ejectionsclick n Spaltung des zweiten Herztons durch verspäteten Schluss der Pulmonalklappe Pulmonalinsuffizienz: n diastolisches Decrescendogeräusch, das in Frequenz und Dauer von der Druckhöhe in der A. pulmonalis abhängt Trikuspidalstenose (Abb. 4.2d): n evtl. ist ein Trikuspidalöffnungston mit einem anschließenden Diastolikum zu hören (seltene Diagnose) Tikuspidalinsuffizienz (Abb. 4.2e): n hochfrequentes Holosystolikum mit Punctum maximum im 4.-5. ICR links Mitralstenose (Abb. 4.2f): n paukender erster Herzton n Mitralöffnungston (MÖT) mit anschließendem diastolischem Decrescendogeräusch (Punctum maximum über der Herzspitze, verstärkt durch Linksseitenlage) n bei Sinusrhythmus präsystolisches Crescendogeräusch
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Abb. 4.2 Auskultationsbefunde (HT = Herzton, EC = Ejektionsclick, TÖT = Trikuspidalöffnungston). a Aortenstenose, b Aorteninsuffizienz, c Pulmonmalstenose, d Trikuspidalstenose, e Trikuspidalinsuffizienz, f Mitralstenose, g Mitralinsuffizienz
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Grundlagen
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4.1.5 Blutdruckmessung Zur Untersuchung des kardiovaskulären Systems gehört immer auch die Blutdruckmessung (s. S. 192).
4.2 Die Untersuchung der Arterien Die Untersuchung der Arterien besteht aus Inspektion, Palpation und Auskultation. Die Untersuchung beginnt in der Regel an der betroffenen Region. Immer jedoch sollten alle Arterien untersucht werden.
4.2.1 Inspektion Die Inspektion betrifft das von der Arterie versorgte Gebiet: Wie ist die Hautfarbe? Normal, blass, zyanotisch, gerötet? Bestehen Nekrosen?
Die weitaus häufigste Ursache arterieller Erkrankungen ist die Arteriosklerose als Folge des normalen Alterungsvorgangs, verstärkt durch die bekannten Risikofaktoren (s. S. 154). Seltener sind entzündliche Prozesse des Arterienwand.
4.2.2 Palpation Bei der Palpation beginnt man mit dem Fühlen der Hauttemperatur. Diese wird seitenvergleichend gefühlt und von proximal nach distal wandernd. Die spürbare Differenz liegt bei 1h C. Ursachen einer Temperaturerniedrigung sind ein vermindertes Herzzeitvolumen, ein hoher Arteriolentonus oder eine Verlegung der arteriellen Strombahn. Eine Verlegung der arteriellen Strombahn führt meistens zu einer Seitendifferenz.
Ursache einer peripheren Temperaturerniedrigung: niedriges Herz-Zeitvolumen (seitengleich) hoher Arteriolentonus (seitengleich) Verlegung der arteriellen Strombahn (seitendifferent)
MERKE
evtl. frühdiastolisches Graham-SteelGeräusch (funktionelle Pulmonalinsuffizienz durch Überdehnung des Klappenrings) Mitralinsuffizienz (Abb. 4.2g): n bandförmiges, gießendes hochfrequentes Holosystolikum mit Punctum maximum über der Herzspitze (Mitralklappenareal), evtl. Fortleitung in die Axilla (in Linksseitenlage besser hörbar) n dritter Herzton als Kammerdehnungston n leiser erster Herzton Bei der Auskultation der Lunge steht die Fahndung nach feuchten Rasselgeräuschen und Pleuraergüssen im Vordergrund. Feuchte Rasselgeräusche entstehen, wenn Luft durch Flüssigkeit strömt. Man auskultiert dann feuchte, klingende, feinoder mittelblasige Geräusche. Der Pleuraspalt drainiert sowohl in den großen als auch in den kleinen Kreislauf. Zu einer vermehrten Flüssigkeitsansammlung kann es bei der Rechts- und Linksherzinsuffizienz kommen. Ein Pleuraerguss führt zu einer Klopfschalldämpfung und einer Abschwächung des Atemgeräuschs. n
Dann werden die der Palpation zugänglichen Pulse getastet (Abb. 4.3). Beurteilt werden das Vorhandensein und folgende Kriterien: Pulsfrequenz: n Tachykardie: Ruhepuls i 100/min n Bradykardie: Ruhepuls I 60/min Rhythmus: n regelmäßig n respiratorische Arrhythmie: Pulsbeschleunigung bei der Inspiration n regelmäßig mit Extrasystolen n arrhythmisch Die Beurteilung der Pulsqualitäten (Spannung, Größe/Höhe, Form, Äqualität) ist heute nur noch von untergeordneter Bedeutung.
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Körperliche Untersuchung
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Abb. 4.3 Palpation und Auskultation peripherer Arterienpulse: Die Arterienpulse werden von der A. temporalis bis zur A. dorsalis pedis seitenvergleichend untersucht.
4.2.3 Auskultation Folgende Pulse können und sollten auskultiert (Abb. 4.3) werden, um Stenosen zu entdecken: A. carotis A. subclavia A. brachialis Aorta A. renalis A. femoralis A. poplitea
rium allerdings die Anamnese und der Palpationsbefund.
4.3 Untersuchung der Venen Die Untersuchung der Venen erfolgt unter zwei Aspekten, im Hinblick auf: die Herzfunktion (V. jugularis) und Venenerkrankungen am Bein.
4.3.1 Inspektion der V. jugularis Aus der Auskultation der Gefäße können sich Hinweise auf ausgeprägte Stenosen ergeben, z. B. über den Karotiden, den Nierenarterien und den Femoralarterien. Auch ein Aneurysma spurium, das im Bereich der Leiste nach arterieller Punktionen entstanden ist, kann durch Strömungsgeräusche erkannt werden. Im Vordergrund stehen beim Aneurysma spu-
Die V. jugularis ist einer Inspektion gut zugänglich. Die Ausprägung ihrer Füllung erlaubt einen guten Rückschluss auf den Druck im rechten Vorhof. Als Maß wird das Sternoklavikulargelenk benutzt. Um abzuschätzen, wie hoch der Druck im venösen System ist, wird die Höhe der Flüssigkeitssäule über diesem Punkt benutzt.
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4.3.2 Untersuchung der Beinvenen Die Untersuchung der Beinvenen erfolgt durch Inspektion und Palpation der Venen zuerst am stehenden, dann am liegenden Patienten. Es wird auf Veränderungen der Venen selbst und auf Folgen der venösen Insuffizienz geachtet. Varizen (s. S. 114) sind in aller Regel prompt iden-
tifizierbar. Man registriert die Lokalisation, die Art der Varizen und die Ausprägung. Die Thrombophlebitis (s. S. 121) führt zu einer knotigen, schmerzhaften Verhärtung im Bereich der betroffenen Varize. Die Phlebothrombose der tiefen Beinvenen führt zu einer Schwellung des Unterschenkels mit unter Umständen erheblicher Schmerzhaftigkeit (Abb. 4.4). Die Schmerzhaftigkeit bestimmter Druckpunkte sowie Schmerzen bei der Dorsalflexion des Fußes sind Hinweiszeichen auf eine Phlebothrombose.
Auch wenn ein Patient keines der in Abb. 4.4 dargestellten klinischen Zeichen zeigt, ist eine Phlebothrombose nicht ausgeschlossen.
MERKE
Beim liegenden Gesunden reicht die Venenfüllung, wenn der Kopf auf dem Kissen liegt, bis zu etwa 1/3 des Halses hoch, nämlich bis auf die Höhe des Sternoklavikulargelenks. Bei leichter Stauung reicht die Füllung halb bis zum Kieferwinkel hoch, bei starker Stauung bis zum Unterkiefer. Wenn sich ein gesunder Mensch dann aufsetzt, sinkt die Flüssigkeitssäule ab, bei 45 h, also in halbaufrechter Position; kollabiert die Vene. Das Ausmaß der Venenfüllung in halbaufrechter Position erlaubt einen guten Rückschluss auf den zentralvenösen Druck (ZVD).
Auch die Folgen der chronisch venösen Insuffizienz (s. S. 117) sind meistens gut erkennbar: Ödeme, Induration, Hautveränderungen (Tab. 4.7).
Abb. 4.4 Druckpunkte und Hinweiszeichen bei Phlebothrombose
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Körperliche Untersuchung Tabelle 4.7 Untersuchung der Venen Sichtbare Zeichen von Venenerkrankungen Varizen
hervortretende Venenstränge
Phlebitiszeichen
Rötung, Überwärmung, Schwellung, druckdolente Verhärtung
Ödeme
Schwellung an Knöchel, Unterschenkel
chronisch venöser Insuffizienz
Induration
Hautveränderungen
Hyperpigmentation Hautatrophie Ekzeme Ulcus cruris Ulkusnarben
25
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Leitsymptome
B
1 Thoraxschmerzen
28
2 Herzrhythmusstörungen
50
3 Synkope
78
4 Ödeme
96
5 Varizen
114
6 Claudicatio intermittens
125
7 Raynaud-Syndrom
138
8 Arterielle Hypertonie
151
9 Herz-Kreislauf-Stillstand
167
10 Zyanose
178
27
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Leitsymptome 1.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht des Patienten
1 Thoraxschmerzen 1.1 Begriffe
28
Thoraxschmerzen: Schmerzen im Bereich des Brustkorbs. Angina pectoris (synonym Stenokardie): Enge- oder Schmerzgefühl im Bereich des Brustkorbs, im allgemeinen Sprachgebrauch auf dem Boden einer Myokardischämie. Der Schmerz strahlt häufig in die linke Schulter-Armregion aus. Stabile Angina pectoris: Angina pectoris, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit ab einem bestimmten Belastungsniveau auftritt, in Ruhe reversibel ist und auf eine Therapie mit Nitrat-Präparaten anspricht. Instabile Angina pectoris: Zusammenfassung unterschiedlicher klinischer Krankheitsbilder mit unterschiedlicher Ursache, Therapie und Prognose: Erst-Angina Zunehmende Intensität, Dauer und Häufigkeit von Angina pectorisAnfällen und Ruhe-Angina (sie tritt spontan ohne vorherige Belastung auf). Prinzmetal-Angina: Angina pectoris mit reversibler Anhebung der ST-Strecke im EKG, ohne Entgleisung der Enzyme. Ausgelöst wird sie durch Koronarspasmen, wobei signifikante morphologische Koronarstenosen vorliegen können, oder nicht.
Bei Ihnen in der Notaufnahme stellt sich der 68-jährige Horst S. vor und klagt über Schmerzen in der Brust. Die Beschwerden bestehen seit 2-3 Stunden, zusätzlich ist es zu Übelkeit gekommen. Schon am Vormittag waren ähnliche Schmerzen aufgetreten, diese hatten sich aber nach einer 1/ 4 bis 1/ 2 Stunde wieder gelegt. Dann ging es Herrn S. zunächst relativ gut, allerdings kam es immer wieder zu einem kurzzeitigen Ziehen in der Brust. Da die Beschwerden in der letzten Stunde stark zugenommen haben und jetzt so stark ausgeprägt sind wie nie zuvor, beschloss der Patient die Notaufnahme aufzusuchen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen In dieser Situation muss als wichtigste Differenzialdiagnose eine Myokardischämie in Erwägung gezogen werden. Es könnte eine Ischämie ohne Gewebeuntergang vorliegen. Da die Beschwerden jetzt seit 2-3 Stunden bestehen, könnte auch ein Myokardinfarkt, also eine Ischämie mit Gewebeuntergang eingetreten sein. Dies ist bis zum Beweis des Gegenteiles die Arbeitsdiagnose. Natürlich werden andere Differenzialdiagnosen beachtet: andere kardiale Erkrankungen, pulmonale, ösophageale Erkrankungen. p Weiter auf S. 31 Der Thoraxschmerz gehört zu den größten Herausforderungen des klinischen Alltags. Zum einen kann er Ausdruck einer akut lebensbedrohlichen Situation sein, die ein sofortiges Handeln erfordert, zum anderen besteht ein sehr großes Spektrum an Differenzialdiagnosen. Schmerzen im Brustkorb werden vom Patienten in der Regel als bedrohlich empfunden.
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Thoraxschmerzen 1.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
Gefäße
Schmerzen können in sämtlichen anatomischen Strukturen des Thorax entstehen (Abb. 1.1, Tab. 1.1): Von Herz und großen Gefäßen über die intrathorakal und mediastinal gelegenen Organe des respiratorischen Systems bis zum Bewegungsapparat und den Ösophagus.
Haut Knochen
Der Einriss der Intima im Bereich der Brustaorta (Pars thoracica) führt zu einer intramuralen Einblutung mit Bildung eines zweiten Lumens und ist extrem schmerzhaft (Aortendissektion). Die embolische Verlegung einer großen Lungenarterie (Lungenembolie, Abb. 10.5) ist ebenfalls meistens mit starken Schmerzen verbunden.
Ösophagus
Muskeln Bänder
Luftwege Pleura Lunge Herz Aorta
29
Mamma
Gallenblase
Abb. 1.1 Synopse der Organe und Strukturen, die zu Thoraxschmerzen führen können
Schließlich können Thoraxschmerzen bei Erkrankungen oder Funktionsstörungen extrathorakaler Organe auftreten: Abdominalorgane, ZNS (Psyche), Mammae und Haut (Integument).
Herz Der klassische Thoraxschmerz ist der Ischämieschmerz bei der Koronarstenose (Angina pectoris oder akuter Myokardinfarkt) auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung (KHK). Er muss differenzialdiagnostisch großzügig in Erwägung gezogen werden. Daneben führen entzündliche (Perikarditis) oder seltener tumoröse Perikardprozesse zu erheblichen und anhaltenden Schmerzen.
Abb. 1.2 Angiographiebefund bei Lungenembolie: Die linke A. pulmonalis (li AP) ist durch den Embolus verschlossen, die rechte A. pulmonalis (re AP) ist normal darstellbar
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Leitsymptome Erkrankungen der Luftwege und der Lunge Infektionen der Luftwege (Tracheitis, Bronchitis) können ein wundes Gefühl und Schmerzen hinter dem Brustbein verursachen. Selten einmal kann auch die Tuberkulose Ursache eines pulmonal bedingten Thoraxschmerzes sein.
Pleurale Erkrankungen Die Pleura parietalis ist sehr schmerzempfindlich. Ursachen pleuraler Schmerzen sind Entzündungen, etwa bei der Pleuritis sicca, der Pneumothorax und Tumoren. Der Schmerz ist gut lokalisiert, stechend und atemabhängig.
30
Mediastinum Erkrankungen im Mediastinum können seltene Ursachen von Thoraxschmerzen sein: Mediastinalemphysem, Mediastinitis.
Abb. 1.3 Röntgenbefund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung (hier am Beispiel der HWS): Osteochondrose und Spondylose monosegmental HWK 6/7
einer schmerzhaften Verformung Brustwirbelsäule führen.
der
Bewegungsapparat Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates sind häufig. Sie können erhebliche differenzialdiagnostische Schwierigkeiten in der Abgrenzung gegenüber dem kardialen Schmerz machen. Häufig sind Irritationen der Interkostalnerven, parainfektiös oder nach Kälte, auch durch Trauma. Myalgien treten ebenfalls im Rahmen von Infekten auf und natürlich nach körperlicher Anstrengung. Die Hiatushernie kann Schmerzen im Bereich des Zwerchfells verursachen. Knochenschmerzen entstehen meistens durch eine Reizung des Periosts bei Trauma, etwa durch eine Rippenfraktur, aber auch im Rahmen von Metastasen oder primären Malignomen des Knochens (Plasmozytom). Der Schmerzcharakter ist dumpf. Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen (Abb. 1.3) führen über eine Reizung der Hinterwurzeln zu radikulären Syndromen. Häufig sind Thoraxschmerzen bei der Osteoporose. Auch der Morbus Bechterew, die ankylosierende Spondylitis, kann zu
Ösophagus Thoraxschmerzen bei pathologischen Prozessen im Ösophagus sind häufig und ihre Abgrenzung von kardialen Schmerzen kann schwierig sein. Ursachen sind säurebedingte Schädigung, Tumore, Motilitätsstörungen.
Abdominalorgane Bei Erkrankungen thoraxnaher Abdominalorgane können Schmerzen im Thorax entstehen: Gallenblasenerkrankungen, Pankreatitis, Ulkuskrankheit, Erkrankungen/Funktionsstörungen im Bereich des Colon transversum, Splenomegalie.
ZNS Häufige Differenzialdiagnosen thorakaler Schmerzempfindungen sind psychosomatische und psychiatrische Beschwerdebilder: Angsterkrankungen, Neurosen („Herzneurose“), Depression.
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Thoraxschmerzen Mammae Schmerzen im Bereich der Mammae können zyklusabhängig entstehen sowie durch Tumor und Entzündung. Sie sind meist gut lokalisiert und ihr Ursprung ist gut zuzuordnen.
Haut Schmerzhafte Affektionen der Haut sind meist evident. Beim Herpes zoster (Abb. 1.4) wird das in den Spinalganglien persistierende Varicella-Zoster-Virus reaktiviert. Erhebliche Schmerzen können den Hautveränderungen, einem Exanthem, um Tage vorausgehen. Der Schmerz wird als oberflächlich, gut lokalisiert und sehr intensiv beschrieben. Er kann das Exanthem unter Umständen um lange Zeit überdauern.
Abb. 1.4 Herpes zoster im fünften Thorakalsegment links mit hämorrhagisch vesikulären Effloreszenzen
1.4 Ursachen von Thoraxschmerzen Eine Übersicht über Krankheitsbilder, die zu Thoraxschmerzen führen können, gibt Tab. 1.2.
31
1.5 Problemlösung Tabelle 1.1 Thoraxschmerz Ursächlich betroffene Organe n
Herz
n
große Gefäße
n
Organe des respiratorischen Systems im engeren Sinne: Pleura Lunge Luftwege (Bronchien, Trachea)
n
Mediastinum
n
Bewegungsapparat: Knochen Muskeln (incl. Zwerchfell) Bänder Nerven
n
Ösophagus
n
Abdominalorgane
n
ZNS
n
Mammae
n
Haut
1.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Sie führen bei Herrn S. eine detaillierte Anamnese durch. Er berichtet, dass ähnliche Beschwerden in den vergangenen Wochen und Monaten häufiger auftraten. Diese bildeten sich aber meist nach spätestens einer 1/ 4 Stunde wieder gut zurück. Er bemerkte, dass die Beschwerden meistens im Zusammenhang mit körperlicher Belastung standen. Dabei spürte er bei Belastung auch etwas Luftnot, die er aber auf sein Alter zurückführte. Übelkeit, so wie er sie jetzt erlebt, trat früher nicht auf. Seit Jahren leidet der Patient immer wieder unter Sodbrennen, das er mit Riopan, einem Antazidum, behandelt. In der weiteren Vorgeschichte ist ein Hypertonus bekannt, der früher medi-
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Leitsymptome Tabelle 1.2 Ursachen von Thoraxschmerzen nach Häufigkeiten Organ
häufig
Herz
Angina pectoris Myokardinfarkt
Gefäße respiratorisches System
Bronchitis Tracheitis
weniger häufig
Perikarditis Lungenembolie (s. Abb. 1.2)
Aortendissektion
Pleuritis Bronchialkarzinom
Pleuramesotheliom
Mediastinum Bewegungsapparat
32
selten
Mediastinalemphysem Mediastinitis Wirbelsäulenerkrankungen
Zwerchfellerkrankungen (Hiatushernie)
Myalgien (im Rahmen infektiöser Erkrankungen, Myositis) Neuralgien (im Rahmen infektiöser Erkrankungen, Kälte, Trauma) Ösophagus
Refluxerkrankung (auch ohne entzündliche Veränderungen)
Abdominalorgane
Meteorismus (linke Flexur)
ZNS
psychogene „Herzneurose“
Refluxösophagitis (mit entzündlichen Veränderungen) Ösophaguskarzinom
narbige Stenose
Gallenkolik
Ulcus ventriculi
Mamma
Mastitis (z. B. im Wochenbett) Mammakarzinom Mastodynie (prämenstruelle Schmerzhaftigkeit)
Haut
Herpes zoster (s. Abb. 1.4)
Motilitätsstörungen („NussknackerÖsophagus“ beim hyperkontraktilen Ösophagus, diffuser Ösophagusspasmus, Achalasie) Ösophagusdivertikel
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Thoraxschmerzen
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die gezielte Anamnese erhärtet die Verdachtsdiagnose einer Myokardischämie, wahrscheinlich eines Myokardinfarkts. Es liegt eine Vorgeschichte mit immer wieder auftretenden, ähnlichen Beschwerden vor, die allerdings reversibel waren – also wahrscheinlich als Angina pectoris interpretiert werden müssen. Außerdem passen die Risikofaktoren: Geschlecht, Alter, Hypertonus, Nikotin. Differenzialdiagnostisch muss aber weiterhin eine Anzahl anderer Ursachen berücksichtigt werden: Bronchitis, auch Bronchialkarzinom bei Nikotinabusus, aber auch das Ulcus ventriculi, auch wenn es eine seltene Ursache von Thoraxschmerzen ist. p Weiter auf S. 39
führlichkeit der folgenden diagnostischen und nötigenfalls prompten therapeutischen Maßnahmen.
Es gibt kein standardisiertes Vorgehen zur Problemlösung beim Thoraxschmerz.
MERKE
kamentös behandelt wurde, was derzeit nicht der Fall ist. Eine Herzerkrankung wurde bisher in der Vorgeschichte noch nicht diagnostiziert. Horst S. leidet seit Jahren an einer chronischen Bronchitis, die sich in der letzten Zeit etwas gebessert hat. Gelegentlich besteht heller Auswurf. In der Jugend hatte Herr S. ein Magengeschwür, seither hat er nur selten Magenschmerzen, aber immer wieder das bereits erwähnte Sodbrennen. Ansonsten keine Vorerkrankungen im Bereich des Magendarmtraktes. Nikotin: 10-15 Zigaretten pro Tag.
Akut lebensbedrohliche Thoraxschmerzen Ursachen akut lebensbedrohlicher Thoraxschmerzen, die unter Umständen innerhalb von Minuten zum Tode führen können, sind, in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit: Myokardischämie (instabile Angina pectoris, Myokardinfarkt, Abb. 1.5) Lungenembolie und Aortendissektion.
33
Weniger dramatisch verlaufen: Ösophagusruptur Ulkuskrankheit und nekrotisierende Pankreatitis.
Ein standardisiertes Vorgehen zur Problemlösung beim Thoraxschmerz kann es nicht geben. Das differenzialdiagnostische Spektrum bei einem 72-jährigen, frisch operierten Raucher ist ein anderes als das bei einem sportlichen jungen Mann von 24 Jahren. Die erste Frage, die aber immer bei einem Patienten mit Thoraxschmerzen geklärt werden muss, ist: Liegt eine akut lebensbedrohliche Situation vor oder nicht? Die Antwort auf diese Frage bestimmt dann die Geschwindigkeit und die Aus-
Abb. 1.5 Frischer Hinterwandinfarkt, der als lehmgelber Bezirk imponiert (Pfeile) und auf das Septum übergreift
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Leitsymptome
Anamnese und Untersuchung fallen beim Verdacht auf lebensbedrohliche Situationen zunächst kurz aus.
Umstände, die generell den Verdacht auf eine dieser Ursachen lenken sollten, sind: hohes Alter Todesangst Tachykardie und Kaltschweißigkeit.
34
Die Anamneseerhebung bei Verdacht auf eine lebensbedrohliche Situation muss gezielt erfolgen und schnell Angaben zu folgenden Aspekten des Thoraxschmerzes ergeben: zeitlicher Verlauf Lokalisation des Schmerzes Schmerzcharakter Auslöser, Umstände, Linderungsmöglichkeiten Begleitphänomene und Vorerkrankungen, Risikofaktoren.
und dauert an. Häufig hatten ähnliche Beschwerden in der Vergangenheit schon bestanden.
Bei Diabetikern kann die Symptomatik der Myokardischämie durch die diabetische Polyneuropathie maskiert werden. Bei Frauen kommt es immer wieder zu untypischen Infarktsymptomen (Druckgefühl im Oberbauch als einziger klinischer Befund).
MERKE
LERNTIPP
Im Hinblick auf die drei häufigsten, möglicherweise akut lebensbedrohlichen Ursachen von thorakalen Schmerzen sollte, wenn die Umstände auch nur im geringsten an sie denken lassen, gezielt gefragt und untersucht werden.
Die Schmerzen bei der Lungenembolie haben einen plötzlichen Beginn und sind gleichmäßig anhaltend. In dieser Intensität sind sie meist das erste Ereignis dieser Art. Der Schmerz der Aortendissektion (Abb. 1.6) beginnt schlagartig. Ähnliche Schmerzen in der Vorgeschichte bestehen nicht.
Lokalisation Bezüglich der Lokalisation interessiert: Wo spüren Sie den Schmerz? Wohin strahlt der Schmerz aus? Die Schmerzlokalisation selbst erlaubt keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Bedrohlichkeit der Situation.
Zeitlicher Verlauf
MERKE
Sammeln Sie zum zeitlichen Verlauf folgende Informationen: Wie ist der zeitliche Verlauf? Seit wann haben Sie Schmerzen? Hält der Schmerz noch an? Wie hat der Schmerz begonnen? Hatten Sie so etwas schon mal?
Schlagartiger, abrupter, zeitlich gut eingrenzbarer Beginn und eine kurze Anamnese (Minuten, Viertelstunden, bis eine Stunde) sprechen für eine bedrohliche Ursache.
Die Myokardischämie beginnt relativ plötzlich, nimmt unter Umständen zu
Abb. 1.6 Aortendissektion
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Thoraxschmerzen Der Schmerz beim Myokardinfarkt liegt häufig linksthorakal, retrosternal, ringförmig, kann aber auch rechts-thorakal und im Oberbauch gespürt werden. Er kann ausstrahlen in die linke Schulter und den linken Arm, in den linken Hals, in den Kieferwinkel, in den Rücken, aber auch nach rechts, zum Rücken, zum Bauch. Der Schmerz bei der Lungenembolie ist weniger gut lokalisiert, im rechten oder linken Thorax. Der Schmerz der Aortendissektion, wird, je nach Lokalisation, im Rücken, besonders interskapulär, gespürt, sowie im Hals und im Bauch.
Schmerzcharakter Wie ist der Schmerzcharakter? Man sollte sich kurz den Charakter des Schmerzes beschreiben lassen. Starke, auch extrem starke Schmerzen, Vernichtungsgefühl, Enge, Beklemmung sprechen für eine gravierende Ursache. Der Schmerz der Myokardischämie wird als drückend, beklemmend, ziehend, dumpf beschrieben. Der Schmerz der Lungenembolie ist dumpf, unter Umständen atemabhängig. Der Schmerz der Aortendissektion ist extrem stark, reißend, vernichtend.
Auslöser, Umstände, Linderungsmöglichkeiten
LERNTIPP
Diese sollten gezielt erfragt werden. Gibt es erkennbare Auslöser für den Thoraxschmerz? Tritt der Schmerz in bestimmten Situationen gehäuft oder regelmäßig auf? Wodurch werden die Schmerzen verstärkt oder gelindert?
Gut erkennbare Auslöser, spezielle Situationen, benennbare Linderungsmöglichkeit lassen unter Umständen bedrohliche von weniger bedrohlichen Ursachen unterscheiden.
Der Schmerz der Myokardischämie zeigt oft eine Abhängigkeit von körperlicher Belastung und wird in Ruhe wieder gelindert. Der Infarktschmerz hält an und wird durch Nitratpräparate nicht gelindert. Die Lungenembolie tritt unter Umständen aus heiterem Himmel auf, gehäuft in speziellen Situationen: Postoperativ, nach Entbindung, bei Bettlägerigkeit, akut dann evtl. ausgelöst durch Pressen, Aufstehen (Toilettengang). Die Aortendissektion ist meist nicht mit besonderen Umständen verbunden.
Begleitphänomene Es sind häufig die Begleitphänomene, die den lebensbedrohlichen Charakter der Situation unterstreichen. Welche zusätzlichen Beschwerden bestehen? Besteht Atemnot? Angst? Vernichtungsgefühl? Husten?
35
Die Myokardischämie, besonders der Infarkt, ist häufig verbunden mit Angst, Luftnot, Kaltschweißigkeit und Schocksymptomatik. Die Lungenembolie kann durch eine Schocksituation völlig dominiert werden. Häufig bestehen Tachypnoe, Husten und Luftnot. Bei der Aortendissektion dominiert der Schmerz.
Vorerkrankungen und Risikofaktoren Gibt es Vorerkrankungen und Risikofaktoren? Vorerkrankungen und Risikofaktoren können entscheidende Hinweise auf die möglichen Ursachen und damit die Bedrohlichkeit der Situation liefern. Bei der Myokardischämie besteht nicht selten eine längere Anamnese und es liegen die entsprechenden Risikofaktoren vor, die erfragt werden sollten: Hatten Sie bereits einen Herzinfarkt? Ist eine koronare Herzkrankheit (KHK) bekannt? Besteht ein erhöhter Blutdruck? Eine Hypercholesterinämie?
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Leitsymptome
MERKE
Wurden in der Vergangenheit ein Belastungs-EKG oder eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt? Wie waren die Befunde? Rauchen Sie?
36
Bei der Mehrzahl der Infarkte besteht keine Vorgeschichte im Hinblick auf die oben genannten Beschwerden.
Auch die Lungenembolie kann ohne bekannte Vorerkrankungen und Risikofaktoren auftreten. Häufig besteht jedoch eine Risikosituation: Operation, Bettruhe, Entbindung. Auch eine vorausgegangene Thrombose und eine Lungenembolie stellen einen Risikofaktor dar. Bei der Aortendissektion besteht meistens ein Hypertonus.
Nicht lebensbedrohliche Thoraxschmerzen Wenn, wie in den meisten Fällen, keine akut lebensbedrohliche Situation vorliegt, werden systematisch und ausführlich die Anamnese erhoben und die körperliche Untersuchung durchgeführt. Ein Flussschema zur Anamneseerhebung kann nicht angegeben werden. Dazu ist das Thema zu komplex. Es ist empfehlenswert, zunächst strukturiert und vollständig die notwendigen Informationen zu sammeln und aus der Gesamtheit der Daten eine Verdachtsdiagnose zu formulieren. Die Fragen zur systematischen Abklärung von Thoraxschmerzen sind die gleichen wie in der vital bedrohlichen Situation. Es interessieren: die Lokalisation der Schmerzen der zeitliche Verlauf der Schmerzcharakter die Umstände, Auslöser und Linderungsmöglichkeiten Begleitphänomene sowie Vorerkrankungen und Risikofaktoren.
Lokalisation Wo spüren Sie den Schmerz?
Die spontanen Schmerzangaben von Patienten mit Thoraxschmerzen können sehr variabel und zunächst irreführend sein. Häufig wird berichtet: „Ich habe immer so Herzschmerzen“. Oder: „Herzstiche“. Bei Nachfrage werden die Beschwerden dann meistens linksthorakal, präkordial lokalisiert, oft werden sie mit dem Finger über der linken Brust angezeigt. Die Ursache dieser Schmerzen liegt dann eigenartigerweise meistens nicht im Bereich des Herzens, sondern wird hier nur vermutet. Die Patienten mit ischämischen Herzschmerzen hingegen klagen oft über Druck, Ziehen, Enge, Beklemmung in der Brust, „als ob ein Stein auf mir liegt“. Die genaue Lokalisation sollte in jedem Falle sorgfältig erfragt werden (Tab. 1.3): Spüren Sie die Schmerzen links, rechts oder beidseits im Brustkorb? Besteht eine Zuordnung zu einer definierten anatomischen Struktur? In der Brust, hinter dem Brustbein, im Bereich der Rippenbogen, in der Schulter, am Rücken, interskapulär? Oder im Bereich der Mamma (s. S. 29)? Spüren Sie die Beschwerden eher oberflächlich, im Bereich der Haut (s. S. 31) oder der Thoraxwand, oder in der Tiefe? Sind die Schmerzen gut lokalisiert oder eher diffus? Sind sie großräumig oder großflächig bzw. umschrieben oder punktuell?
Tabelle 1.3 Anamneseerhebung bei Thoraxschmerz Schmerzlokalisation rechts, links, beidseits thorakal Beziehung zu anatomischer Struktur? oberflächlich/tief gut lokalisiert/schlecht lokalisiert/ großflächig/punktuell Ausstrahlung?
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Thoraxschmerzen Hals rechter Unterkiefer rechte Schulter rechter Arm
Hals Kiefer links
retrosternal
linke Schulter linker Arm
präkardial
Oberbauch linke Hand Abb. 1.7 Ausstrahlung des Schmerzes bei Angina pectoris und Myokardinfarkt
37 Strahlen die Schmerzen aus : In den linken Arm, den linken Hals, den Unterkiefer, den Rücken, den Oberbauch (Abb. 1.7)?
Zeitlicher Verlauf Der nächste Fragenkomplex betrifft den zeitlichen Verlauf. Zunächst: Seit wann bestehen die Schmerzen? Stunden, Tage, Wochen, länger? Dann: Wie ist die Frequenz des Auftretens: Erstmalig, wiederholt, häufiger, unregelmäßig, ständig?
LERNTIPP
Und: Besonders bei wiederholtem Auftreten : Wie lange dauern die Schmerzepisoden? Sekunden, Minuten, Stunden, Tage? Wie ist der Schmerzbeginn? Schlagartig, plötzlich, langsam, schleichend? Wie ist der Intensitätsverlauf? Gleichbleibend, zunehmend, abnehmend?
Erfragen Sie zum zeitlichen Verlauf: die Dauer der Beschwerden Frequenz und Dauer der Episoden die Dynamik des Schmerzbeginns und die Dynamik des Schmerzverlaufs.
Schmerzcharakter Dann wird der Schmerzcharakter erfragt. Bei der Myokardischämie wird er oft spontan genannt: „Das ist hier so ein Ziehen“. Oder, besonders beim Infarkt: „Das ist so ein richtiger Druck“. Oder: „Das schnürt mich ein“. Die Thoraxschmerzen können auch als dumpf, bohrend empfunden werden oder als scharf, brennend. Oder, beim Myokardinfarkt und besonders bei der Aortendissektion, als vernichtend.
Auslöser, Umstände, Linderungsmöglichkeiten Auch Auslöser werden unter Umständen schon spontan genannt. „Beim Treppensteigen habe ich in der letzten Zeit immer so ein Ziehen in der Brust“. Diese Angabe ist, besonders bei prädisponierten Personen mit entsprechenden Risikofaktoren bis zum Beweis des Gegenteils verdächtig auf eine Myokardischämie. Auslöser, Umstände, Linderungsversuche sollten immer gezielt erfragt werden. Zunächst mit der direkten Frage: Können Sie irgendwelche Ursachen erkennen? Und dann im Einzelnen: Treten die Schmerzen in Ruhe auf oder bei Belastung?
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Leitsymptome
Stadium
Symptom
0
stumme Ischämie
I
Angina pectoris-Anfälle nur bei schwerer körperlicher Belastung
II
leichtgradige Beeinträchtigung der normalen körperlicher Belastung; Angina pectoris-Anfälle treten z. B. beim schnellen Treppensteigen auf
III
38
IV
merkliche Beeinträchtigung der normalen körperlicher Belastung; Angina pectorisAnfälle treten z. B. beim Steigen einer Treppe in normalem Tempo auf Angina pectoris-Anfälle treten bei geringster körperlicher Belastung oder in Ruhe auf
Bei körperlicher oder seelischer Belastung? Patienten mit Angina pectoris sind unterschiedlich stark belastbar. Die stabile Angina pectoris wird in fünf Stadien eingeteilt (Tab. 1.4). Bei bestimmten Bewegungen, etwa von Kopf, Nacken, Thorax oder Rumpf oder bei Lageänderungen? Sind die Schmerzen atemabhängig oder werden sie durch tiefes Luftholen ausgelöst oder aggraviert? Spielt Kälte eine Rolle? Oder essen und trinken? Wodurch werden die Schmerzen gelindert? Durch Ruhe oder durch eine Schonhaltung? Haben Sie Schmerzmittel eingenommen, helfen Nitratpräparate: Spray oder Kaukapseln?
Begleitphänomene Schließlich wird nach zusätzlichen Beschwerden gefragt, die im zeitlichen Zusammenhang mit den Schmerzen auftreten: Leiden Sie unter Luftnot, Husten, Auswurf? Bestehen Palpitationen (Herzklopfen) oder Herzrhythmusstörungen? Bestehen Fieber, Angst oder Übelkeit?
Vorerkrankungen und Risikofaktoren Schließlich wird nach Vorerkrankungen und Risikofaktoren gefragt. Diese Fragen stehen natürlich in der systematischen Erarbeitung eines Leitsymptoms nicht am Anfang.
In der täglichen Praxis können Fragen nach Vorerkrankungen und Risikofaktoren die Anamneseerhebung deutlich abkürzen.
LERNTIPP
Tabelle 1.4 Stadien der Angina pectoris nach der Canadian Cardiovascular Society
Bei einem 74-jährigen Raucher mit Thoraxschmerzen, der bereits zwei Herzinfarkte und eine Bypassoperation hinter sich hat, ist ein erneuter Infarkt die wichtigste und bei weitem wahrscheinlichste Diagnose. Im Einzelnen sollte bei einem Patienten mit Thoraxschmerzen gefragt werden: Liegt eine Herzerkrankung vor? Eine koronare Herzkrankheit? Ist schon einmal ein Infarkt durchgemacht worden, eine Bypass-Operation? Gibt es Anhalt für eine bisher nicht erkannte Herzerkrankung, wie Schmerzen, Ödeme, Herzrhythmusstörungen, Dyspnoe? Liegt eine Lungenerkrankung vor (COPD)? Besteht eine Refluxerkrankung? Eine Wirbelsäulenerkrankung? Bestehen Risikofaktoren: Eine positive Familienanamnese im Hinblick auf eine KHK, Hypertonus, Nikotinabusus, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht, Diabetes mellitus?
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Thoraxschmerzen Bisherige Untersuchungen Immer sollte dann nach den zuletzt durchgeführten, relevanten diagnostischen Maßnahmen gefragt werden: EKG Belastungs-EKG und Herzkatheteruntersuchung. Es ist gar nicht selten, dass Patienten mit „Herzschmerzen“ zum Arzt kommen und Angst vor einem Infarkt haben. Ganz zum Schluss berichten sie dann, dass wegen der gleichen Beschwerden vor einem 1/ 2 Jahr eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt worden ist, die unauffällig war. Damit ist aktuell eine Ischämie natürlich nicht völlig ausgeschlossen. Aber sie ist ziemlich unwahrscheinlich und Sie haben erst einmal Zeit für eine ausführliche Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung. Schließlich interessieren eine orthopädische Diagnostik (vertebragene Schmerzen), eine Röntgenaufnahme des Thorax, eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie. Am Ende der Anamneseerhebung sollten Sie so viele Informationen systematisch gesammelt haben (Tab. 1.5), dass Sie in der Lage sind, eine tragfähige Diagnose zu stellen und nachgeordnete Differenzialdiagnosen zu formulieren.
1.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie einen 68-jährigen, krank wirkenden Patienten in einem leicht adipösen Ernährungszustand. Er scheint schmerzgeplagt. Im Bereich von Kopf und Hals können Sie keinen pathologischen Befund erheben. Es besteht ein leichter Emphysemthorax. Über den Lungen perkutieren Sie einen leicht hypersonoren Klopfschall. Das Exspirium ist etwas verlängert. Es bestehen
minimale bronchitische Rasselgeräusche. Feuchte Rasselgeräusche bestehen nicht. Die Herztöne sind rein und leise, pathologische Geräusche sind nicht auskultierbar. Herzfrequenz 112/min., Blutdruck 178/96 mmHg. Das Abdomen ist weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, keine Resistenzen. Regelrechte Darmgeräusche. Die peripheren Pulse sind an den Armen beidseits tastbar. An den Beinen sind die A. tibialis posterior und die A. dorsalis pedis links kaum tastbar, rechts schwach.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der körperliche Untersuchungsbefund hat nicht sehr viel weitergeholfen. Immerhin: Der Patient ist tachykard und hyperton, es besteht Anhalt für eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, da die Fußpulse kaum bzw. schwach tastbar sind. Hinweise auf eine Lungenembolie (z. B. eine Thrombose als Emboliequelle) die die Schmerzen verursacht, konnten Sie nicht finden. Falls eine kardiologische Ursache vorliegt, ist der Patient zum jetzigen Zeitpunkt hämodynamisch stabil. p Weiter auf S. 43
39
Die körperliche Untersuchung bei Thoraxschmerzen ist oft nicht sehr ergiebig. Zunächst lässt man sich die Lokalisation des Schmerzes am entkleideten Thorax zeigen. Der Ischämieschmerz bei Angina pectoris oder Infarkt wird oft mit der Handfläche über der linken Brust oder dem Sternum gezeigt, während knöcherne Schmerzen, Myalgien und Neuralgien oft präziser zu lokalisieren sind.
Inspektion Bei der Inspektion verschafft man sich zunächst einen allgemeinen Eindruck: Wie krank wirkt der Patient? Leidet er unter Schmerzen? Nimmt er eine Schonhaltung ein? Zeigt er Angst?
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Ort
linksthorakal, linke Schulter, Ausstrahlung Arm
linksthorakal, linke Schulter, Ausstrahlung Arm
retrosternal
Tief im Thorax
Rücken, Thorax, mittig
retrosternal
einseitig, großflächig
einseitig, großflächig
im Brustkorb
gut lokalisiert, entlang der Rippen
Angina pectoris
Myokardinfarkt
Perikarditis
Lungenembolie
Aortendissektion
Bronchitis, Tracheitis
Pleuritis
Pleuramesotheliom
Bronchialkarzinom
Neuralgie, Myalgie
Enge, Beklemmung, Ziehen, Vernichtungsgefühl
akut, anhaltend, zunehmend
akut einsetzend, anhaltend
schleichend, zunehmend
schleichend, zunehmend
relativ akut, erstmals
subakut
schlagartig, anhaltend
akut
stechend
dumpf
stechend, ziehend
stechend, ziehend
dumpf, wund
vernichtend, intensiv
vernichtend, intensiv
stechend
Enge, Beklemmung, Ziehen
akut, rezidivierend
akut, anhaltend
Charakter
Zeit
Kälte, Zug, Infektion
keine
Atemexkursionen
Atemexkursionen
Husten
keine
keine
keine
körperliche, seelische Belastung
körperliche, seelische Belastung
Auslöser
Fieber, Krankheitsgefühl
Gewichtsverlust, Husten
Gewichtsverlust, Husten
Fieber, Husten
Husten, Auswurf, Fieber
Tachykardie, Schocksymptomatik
nach Pressen
Palpitation, Rhythmusstörungen, Fieber
keine
Nikotinabusus
Asbestexposition
Nikotin
COPD, Nikotin
Hypertonie, AVK
Immobilisierung, vorausgegangene Thrombosen, postoperativ, Entbindung
keine
KHK, Hypertonie, Nikotin, Fettstoffwechselstörung, Alter
KHK, Hypertonie, Nikotin, Fettstoffwechselstörung, Alter
Angst, Palpitation, Übelkeit, Luftnot Angst, Palpitation, Übelkeit, Luftnot
Vorerkrankungen/ Risikofaktoren
Begleitphänomene
40
Erkrankung
Tabelle 1.5 Anamneseerhebung bei thorakalen Schmerzen
Leitsymptome
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Ort
Thorax, Rücken, ringförmig
retrosternal, Oberbauch
retrosternal
retrosternal
retrosternal
akut, rezidivierend
retrosternal
Mammae beidseits
beschränkt auf Mamma, einseitig
beschränkt auf Mamma, einseitig
überall, auch linksthorakal
Erkrankung
vertebragene Schmerzen
Hiatushernie
Ösophagitis, Refluxerkrankung
Ösophaguskarzinom
narbige Stenose
motorische Störung
ÖsophagusDivertikel
Mastodynie
Mastitis
Mammakarzinom
Herpes zoster
Tabelle 1.5 Fortsetzung
akut, anhaltend
schleichend
Wochenbett, anhaltend, zunehmend
rezidivierend
rezidivierend
sporadisch
gleichbleibend
schleichend, progredient
akut, rezidivierend
rezidivierend
akut, rezidivierend
Zeit
brennend
dumpf
intensiv, brennend
ziehend
dumpf
brennend, ziehend
ziehend
dumpf
brennend, säuerlich
stechend, brennend
dumpf, auch stechend, ziehend
Charakter
nein
keine
keine
prämenstruell
keine, u. U. Essen
u. U. keine, Nahrung, Flüssiges, Kaltes
Nahrung, Festes
Nahrungsaufnahme, Festes
bücken, liegen, Alkohol, Süßes, Saures
liegen, bücken
Zugluft, Kälte, Bewegung, Arbeit
Auslöser
Vorerkrankungen/ Risikofaktoren bekannte Wirbelsäulenerkrankung keine keine
Alkoholabusus, Nikotin, Alter Refluxerkrankung keine
keine keine Entbindung, Stillen
keine (evtl. familiäre Belastung) keine, evtl.: Immunsuppression
Begleitphänomene
keine Sodbrennen Übelkeit
Gewichtsverlust u. U. Gewichtsverlust keine
Mundgeruch keine Rötung, Schwellung, Fieber Hauteinziehung, tastbarer Knoten keine, später: Bläschen
Thoraxschmerzen
41
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Leitsymptome Bestehen Dyspnoe und/oder Tachypnoe? Ist der Patient schwitzig? Besteht eine Zyanose? Bestehen eine Halsvenenstauung oder Ödeme? Nimmt der Patient eine Schonhaltung ein? Dann wird inspektorisch auf erkennbare Hautveränderungen geachtet oder Veränderungen der Mamma. Es ist keine Rarität, dass ein Patient mit Thoraxschmerzen kommt und bei der Untersuchung werden dann erstmals die kleinen Bläschen eines Herpes zoster gesehen.
42
Palpation Es folgt die Palpation der schmerzhaften Region. Besteht eine Schmerzhaftigkeit der Muskeln oder entlang der Knochen? Knöcherne Läsionen sind schmerzhaft bei direkter Palpation oder auch bei Kompression des Thorax von vorne oder seitlich. Frakturen, Prellungen oder knöcherne Auffälligkeiten lassen sich palpatorisch meistens gut erkennen. Voraussetzung ist eine sorgfältige Untersuchung entlang der einzelnen Rippen im schmerzhaften Areal. Auch bei schmerzhaften Prozessen im Bereich der Mamma lässt sich die Diagnose meistens aufgrund der Inspektion und Palpation stellen. Zur Palpation gehört auch die Untersuchung der peripheren Pulse (s. S. 23): Besteht ein Anhalt für eine begleitende periphere arterielle Verschlusskrankheit? Bei Ödemen (s. S. 96) werden auch diese palpiert. Die Ödeme der Herzinsuffizienz (s. Abb. S. 105) sind weich und gut eindrückbar, die Ödeme bei venösen Abflussstörungen sind ebenfalls weich und die Ödeme bei chronisch venöser Insuffizienz sind derb und induriert (s. Abb. S. 117)
Perkussion und Auskultation An die Palpation schließt sich die systematische Untersuchung des Thorax mit Perkussion und Auskultation an. Es sollten großzügig das gesamte kardiovaskuläre (s. S. 16) und respiratorische System untersucht werden. Besteht ein pathologischer Auskultationsbefund über dem Herzen? Bestehen perkutorisch und auskultatorisch Anhaltspunkte für einen Pleuraprozess, eine Pneumonie oder einen Erguss? Bei der Angina pectoris und dem Myokardinfarkt hilft die körperliche Untersuchung bei der Diagnosefindung meistens nicht weiter. Im Gegensatz dazu hilft sie bei pulmonalen und pleuralen Prozessen, die zu Thoraxschmerzen führen, oft relativ gut weiter. Von besonderem Wert ist die körperliche Untersuchung bei der hypertensiven Krise, bei der es auf dem Boden einer hypertensiven Entgleisung (Blutdruckwerte oft über 230 mmHg) zu pektanginösen Beschwerden kommt. Deshalb gehört die BlutdruckMessung unbedingt zur körperlichen Untersuchung beim Thoraxschmerz. In den meisten Fällen steht die Abschätzung der kardiologischen und respiratorischen Einschränkungen im Vordergrund: Finden sich Anhaltspunkte für eine drohende zirkulatorische Insuffizienz: Hypotonie, Tachykardie, pulmonale Stauung, besteht eine Herzrhythmusstörung?
Körperliche Untersuchung bei akut lebensbedrohlichem Thoraxschmerz Abhängig vom klinischen Bild wird die orientierende körperliche Untersuchung vor, während oder nach der Anamneseerhebung durchgeführt. Registriert werden: Allgemeiner Eindruck (Wachheit, Kooperationsfähigkeit), Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Atemtiefe. Beim Verdacht auf eine lebensbedrohliche Ursache des Thoraxschmerz steht, vor der systema-
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Thoraxschmerzen tischen Anamneseerhebung und Untersuchung, die Sicherung vitaler Funktionen im Vordergrund: Atmung, Zirkulation, Schaffung eines stabilen venösen Zugangs.
1.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
geführten Laboruntersuchung werden die in Tab. 1.6 dargestellten Befunde erhoben. Es wird das in Abb. 1.8 abgebildete EKG abgeleitet.
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie entschließen sich, den Patienten stationär aufzunehmen. In der durch-
Bei Horst S. kann die Diagnose eines Myokardinfarkts als gesichert angesehen werden. Es bestehen ST-Streckenhebungen in allen Brustwandableitungen (Normalbefund im EKG s. S. 70). Außerdem sind die Werte von CK-MB und Troponin erhöht. Die übrigen
Tabelle 1.6 Laborwerte Parameter
Patient
Norm
Leukozyten
12 100/ml
4000–10 000/ml
Hämoglobin
14,3 g/dl
14–18 g/dl (5)
MCV
96 fl
85–98 fl
MCH
32 pg
27–34 pg
Thrombozyten
242 Tsd./ml
150–300 Tsd./ml
Natrium
141 mmol/l
135–150 mmol/l
Kalium
3,6 mmol/l
3,5–5,0 mmol/l
Kreatinin
1,2 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl
Harnsäure
4,8 mg/dl
2,6–6,4 mg/dl
Cholesterin gesamt
296 mg/dl
120–250 mg/dl
Triglyceride
318 mg/dl
75–150 mg/dl
GOT
138 U/l
I 50 U/l (5)
GPT
32 U/l
I 50 U/l (5)
g-GT
59 U/l
I 66 U/l (5)
LDH
263
135–225 U/l (5)
CK
678 U/l
I 174 U/l (5)
CK-MB
123 U/l
I 6 % der CK
Troponin T
0,3 ng/dl
I 0,1 ng/dl
Glukose nüchtern
163 mg/dl
55–110 mg/dl
BSG nach Westergren
47/65 mm
3–10 mm (1 h)
43
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Leitsymptome
I
II
44
III
aVR
aVL
aVI
Abb. 1.8 Akuter Vorderwandinfarkt im EKG: während sich R und S in den Brustwandableitungen unauffällig verhalten, zeigt sich in den Brustwandableitungen ein mangelhafter R-Aufbau.
Laborwerte passen zur Diagnose (Leukozytose, GOT, LDH, BSG) oder deuten auf Risikofaktoren hin (Cholesterin, Triglyceride, Glucose), beweisen aber den Infarkt nicht. p Weiter auf S. 46
Das Ausmaß der weitergehenden Diagnostik richtet sich natürlich nach der klinischen Situation, dem Ergebnis von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung. Ein EKG sollte großzügig durchgeführt werden. Eine klinisch appa-
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Thoraxschmerzen
V1
V2
45
V3
V4
V5
V6 Abb. 1.8 In allen Brustwandableitungen ist die ST-Strecke angehoben (Linkstyp)
rente koronare Herzkrankheit tritt durchaus auch im jungen Alter und bei atypischen Patienten, also Patienten ohne Risikofaktoren, auf. Sie zu übersehen, wäre ein fataler Fehler. Außerdem sollte der „therapeutische“ Effekt eines unauffäl-
ligen EKGs nicht unterschätzt werden. Obligatorisch wird meistens eine Röntgenaufnahme des Thorax sein sowie die Untersuchung der relevanten Laborwerte (s. Tab. 1.6).
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Leitsymptome Tabelle 1.7 Weitergehende Diagnostik bei Thoraxschmerzen Untersuchung
Parameter
Interpretation
Ruhe-EKG
ST-Streckenhebung
Infarkt
Belastungs-EKG
ST-Streckensenkung
Ischämie
Echokardiographie
Motilitätsstörungen
Infarktnarbe
Laborwerte
CK, Troponin
Infarkt
Koronarangiographie
Stenosen
KHK
Rippen
Rippenfraktur
Pleuraprozesse
Pleuritis, Mesotheliom
Rundherd
Bronchialkarzinom
Rundherd
Bronchialkarzinom
Gefäßerweiterung
Aortenaneurysma
Angiographie
Pulmonalarterien
Lungenembolie
Bronchoskopie mit Probenentnahme
Gewebeprobe
Bronchialkarzinom
Endoskopie
Ösophagusschleimhaut
Entzündung, Tumor, Stenose
orthopädische Untersuchung
Gelenkuntersuchung
degenerative Erkrankung
Knochenstatus
orthopädische Erkrankungen
kardiologische Diagnostik:
pulmonale Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Thorax in 2 Ebenen
46 Computertomographie des Thorax
V. a. ösophageale Ursache:
Weitergehende Untersuchungen (Tab. 1.7) werden dann je nach klinischem Bild empfohlen.
1.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Bei Herrn S. kann die Diagnose allein aufgrund der vorliegenden Werte als
gesichert angesehen werden. Bei der Koronarangiographie wird das Ausmaß der koronaren Herzerkrankung abgeschätzt, im gleichen Arbeitsgang kann möglicherweise eine Therapie (Dilatation, Stenteinlage) durchgeführt werden.
Die wegweisenden Symptome und Befunde bei Erkrankungen, die zu Thoraxschmerzen führen, sind in Tab. 1.8 aufgeführt.
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Thoraxschmerzen Tabelle 1.8 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Angina pectoris
typische Schmerzattacke
Belastungs-EKG, Herzkatheter
Myokardinfarkt
typische Schmerzattacke: akuter Beginn; kardiovaskuläre Risikofaktoren, vorausgegangener Infarkt
EKG, Troponin I und T, Herzenzyme
Perikarditis
stechender Schmerz
EKG, Echokardiographie
Lungenembolie
klinisches Bild, dran denken!
EKG, CT, Angiographie, D-Dimere
Aortendissektion
dran denken!
Röntgen, CT, MRT
Bronchitis, Tracheitis
klinisches Bild
klinisches Bild
Pneumothorax
Auskultationsbefund, Perkussionsbefund
Röntgen Thorax
Pleuritis, Pleuramesotheliom
Auskultationsbefund
Perkussion, Röntgen Thorax, Histologie
Bronchialkarzinom
Husten, Nikotin, Gewichtsverlust
Röntgen Thorax, Bronchoskopie, Histologie
Bewegungsapparat
klinisches Bild
Röntgen, klinisches Bild
Refluxerkrankung
Sodbrennen
Endoskopie
Ösophaguskarzinom
Dysphagie
Endoskopie, Histologie
narbige Stenose
lang anhaltendes Sodbrennen
Endoskopie
Motilitätsstörung des Ösophagus
klinisches Bild
Manometrie
Ösophagusdivertikel
Mundgeruch
Endoskopie, Röntgen-Breischluck
Mastodynie
zyklusabhängig
klinisches Bild
Mastitis
klinisches Bild
klinisches Bild
Mammakarzinom
Tastbefund
Mammographie, Punktion
Herpes zoster
Schmerzen, typische Effloreszenzen
klinisches Bild
psychogene Störung
junge Patienten, Fehlen von Risikofaktoren, stechende Schmerzen, psychische Auffälligkeiten
Ausschlussdiagnose
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Leitsymptome 1.7.1 Therapieansätze Ziel der Behandlung sind die Schmerzbefreiung und die Therapie der Ursache. Angesichts der Vielfalt der möglichen Ursa-
chen kann im Folgenden nur eine orientierende Übersicht gegeben werden. Tab. 1.9 stellt die Therapieansätze bei Erkrankungen, die Thoraxschmerzen verursachen, dar.
Tabelle 1.9 Therapie des Thoraxschmerzes Erkrankung
Therapie
Angina pectoris
Basistherapie: Prophylaxe einer Koronarthrombose mit ASS, alternativ Clopidogrel; Statine zur LDL-Cholesterin-Senkung antianginöse Therapie: b-Blocker, Nitrate, Molsidomin, Calciumantagonisten Revaskularisation: perkutane transluminale Angioplastie (PTCA) evtl. mit Stentimplantaion; Bypass-Operation
48 Myokardinfarkt
Therapie von Komplikationen(Rhythmusstörungen, Linksherzinsuffizienz) Heparin, ASS, Opiate Revaskularisierung (PTCA, Operation)
Perikarditis
akut: Therapie des Grundleidens n symptomatisch: antiphlogistisch, Entlastungspunktion bei drohender Herzbeuteltamponade chronisch konstriktiv: n operative Entschwielung, Perikardektomie n
Lungenembolie
Notfalltherapie bei akuter Lungenembolie: halbsitzende Lagerung, Sedierung, O2, zentralvenöser Zugang, Heparinbolus i. v., Thrombolyse spezifische Maßnahmen: n konservativ: Heparin, Thrombolyse n Ultraschall-Thrombolyse, mechanische Fragmentierung mittels Rechtsherzkatheter, lokale Fibrinolyse n operativ n
Aortendissektion
Blutdruck senken, Operation, Aortenstentimplantation
Bronchitis, Tracheitis
symptomatisch; antibiotische Behandlung, wenn Indikation (vorbestehende Lungenerkrankung, Gefahr einer Bronchopneumonie etc.) bei bakterieller Ursache gegeben
Pneumothorax
Saugdrainage
Pleuritis
antibiotische Behandlung
Pleuramesotheliom
potenziell kurativ: Pleurapneumonektomie palliativ: Radiatio, intrapleurale oder systemische Chemotherapie, Immunotherapie
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Thoraxschmerzen Tabelle 1.9 Fortsetzung Erkrankung
Therapie
Bronchialkarzinom
je nach Stadium und Histologie: Operation, Radiatio, Chemotherapie, evtl. in Kombination
Bewegungsapparat
NSAR, Tramadol (Opioid), physikalische Therapie, Krankengymnastik
nicht erosive Refluxerkrankung
n
n
allgemein: diätetisch (Auslöser meiden) Gewichtsnormalisierung kleine, fettarme Mahlzeiten Verzicht auf Spätmahlzeiten medikamentös: Antazida H2-Rezeptorenblocker
erosive Refluxerkrankung
Protonenpumpeninhibitoren (1. Wahl), H2-Rezeptorenblocker (2. Wahl) Ultima ratio: Fundoplicatio nach Nissen Protonenpumpeninhibitoren
Ösophaguskarzinom
endoskopisch interventionell, Operation
narbige Stenose
Bougierung
Motilitätsstörungen des Ösophagus
schlecht behandelbar, Versuch mit Calciumantagonisten, Nitraten
Ösophagusdivertikel
Operation
Mastodynie
symptomatisch
Mastitis
Stillpause, Kühlung, Antibiose
Mammakarzinom
je nach Stadium und Histologie: Operation, Radiatio, Chemotherapie, Hormontherapie
Herpes zoster
49
Indikation zur antiviralen Therapie: Patient i 50 Jahre n immunsupprimiert n mit florider Dermatitis atopica oder Ekzem n mit Zoster im Kopf-Hals-Bereich n mit schwerem Zoster am Stamm oder den Extremitäten (z. B. mit hämorrhagischen Läsionen) n
psychogene Ursache
Aufklärung, Ausschlussdiagnostik, Psychotherapie
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Leitsymptome aber zugenommen. Frau K. erzählt, dass sie sich in den letzten Monaten häufig aufregt. Grund dafür ist die Trennung ihrer Tochter vom Ehemann vor 1/ 2 Jahr. Diese Situation belastet sie sehr und löst Beklemmungen aus.
2 Herzrhythmusstörungen 2.1 Begriffe
50
Herzrhythmusstörungen : Störungen der Herzfrequenz oder der Regelmäßigkeit des Herzschlages. Arrhythmie: Abweichung des Herzschlages vom regelmäßigen Sinusrhythmus. Normofrequente Herzrhythmusstörung: Herzrhythmusstörung, bei der die Frequenz zwischen 60 und 100/min liegt. Bradykardie : Verlangsamung der Herzfrequenz auf I 60/min. Tachykardie : Beschleunigung der Herzfrequenz auf i 100/min. Supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen : Herzrhythmusstörungen, deren Ursache oberhalb des HIS-Bündels liegt. Ventrikuläre Herzrhythmusstörungen : Herzrhythmusstörungen, deren Ursache unterhalb des HIS-Bündels liegt. Extrasystole: Herzschlag, der außerhalb des kardialen Grundrhythmus auftritt. Absolute Arrhythmie: Völlig unregelmäßiger Herzschlag. Palpitation : Das subjektive Gefühl eines beschleunigten oder verstärkten Herzschlages.
2.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht der Patientin Die 54-jährige Renate K. stellt sich in Ihrer Praxis vor und klagt über immer wieder auftretendes „Herzjagen“. Die Beschwerden bestehen schon seit längerem, in der letzten Zeit haben sie
Differenzialdiagnostische Überlegungen Herzklopfen (Palpitationen) und Herzrasen sind häufige Beschwerden, die Patienten zum Arzt führen. Oft besteht ein subjektives Beschwerdebild bei unauffälliger Herzfrequenz und normalem Blutdruck. Diese Beschwerden treten insbesondere im Rahmen seelischer Belastungssituationen auf. Nicht selten liegt eine Herzrhythmusstörung, entweder als eigenständige Erkrankung oder als Ausdruck einer kardialen oder extrakardialen Grunderkrankung, zugrunde. Bei den kardialen Grunderkrankungen müssen insbesondere die koronare Herzerkrankung als Ursache berücksichtigt werden, aber auch die hypertensive Herzerkrankung sowie Vitien. Extrakardiale Grunderkrankungen, die mit Herzrhythmusstörungen oder einer beschleunigten Herzfrequenz einhergehen können, sind vor allem die Anämie und die Hyperthyreose. Auch Medikamente und zahlreiche weniger häufige Ursachen können Herzrhythmusstörungen verursachen. p Weiter auf S. 61 Herzrhythmusstörungen können: als Störung der Frequenz oder des Grundrhythmus (s. Tab. 2.2) gespürt werden sowie in Form von Extraschlägen oder Pausen völlig andere Beschwerden verursachen, wie Symptome der Herzinsuffizienz (Dyspnoe in Ruhe, Tachypnoe, Hypotonie, Thoraxschmerz, s. S. 28) Ursache kardialer Embolien (s. S. 29) sein oder ohne Symptome und Beschwerden auftreten.
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Herzrhythmusstörungen
LERNTIPP
Herzrhythmusstörungen können als harmlos, lästig oder gravierend empfunden werden.
Unter Umständen werden prognostisch harmlose Herzrhythmusstörungen als gravierend empfunden und gravierende, lebensbedrohliche, nicht gespürt.
MERKE
Herzrhythmusstörungen können intermittierend auftretend und sind dann schwer nachzuweisen oder sie können hochakut auftreten und zum Tod führen (plötzlicher Herztod).
Intermittierend auftretende Herzrhythmusstörungen sind schwer nachzuweisen.
Herzrhythmusstörungen können Ausdruck primär kardialer oder primär extrakardialer Erkrankungen sein und als Beschwerden ohne Krankheitsmerkmal auftreten. In diesem Leitsymptomkapitel geht es um Beschwerden, die als Rhythmusstörungen gespürt werden und den Patienten zum Arzt führen.
2.3.1 Schrittmacherzentren Eine Erregung, die in einem dieser Schrittmacher entsteht, breitet sich über sämtliche erregbare Fasern des Leitungssystems und des Myokards aus. Grund dafür ist die elektrische Kopplung der Herzzellen untereinander. Der Schrittmacher mit der höchsten Entladungsfrequenz dominiert diejenigen mit einer niedrigeren Entladungsfrequenz, da diese von der Erregung getroffen werden, bevor sie selbst eine auslösen. Normalerweise ist der Sinusknoten der führende Schrittmacher (primärer Schrittmacher). Er liegt im rechten Vorhof an der Einmündung der V. cava. Seine Entladungsfrequenz liegt bei etwa 70/min. Von hier breitet sich die Erregung über die Arbeitsmuskulatur der Vorhöfe zum Atrioventrikular (AV)-Knoten, über das His-Bündel und die beiden Tawara-Schenkel zu den Purkinje-Fasern, die die Erregung auf das Ventrikelmyokard übertragen, aus (Abb. 2.1). Bei Ausfall des Sinusknotens oder bei Blockade der sinuatrialen Überleitung kann der AV-Knoten als sekundäres Erregungsbildungszentrum (sekundärer Schrittmacher) mit einer Frequenz von 40-50/min die Schrittmacherfunktion übernehmen. Bei Blockade der Erregungs-
51
2.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Grundlage der regelmäßigen Kontraktion des Herzmuskels ist das spezifische Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem des Herzens. Die Zellen des Erregungsbildungssystems, die Schrittmacherzellen, sind zur spontanen Depolarisation fähig. Die so ausgelösten Aktionspotenziale führen zur rhythmischen Erregung (Autorhythmie) des Herzens. Nach dem Entstehungsmechanismus werden: Erregungsbildungsstörungen und Erregungsleitungsstörungen unterschieden.
Abb. 2.1 Erregungsleitungs- und Erregungsausbreitungssystem des Herzens: Der im Sinusknoten gebildete Reiz wird über die Vorhöfe zum AV-Knoten geleitet. Von dort wird er über das His-Bündel und die Tawara-Schenkel in die Purkinje-Fasern weitergeleitet
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Leitsymptome Tabelle 2.1 Frequenzen einzelner Schrittmacher am Herzen
52
Schrittmacher
Frequenz
Sinusknoten
70/min
AV-Knoten
40–60/min
Ventrikelmyokard
30–40/min
übertragung von den Vorhöfen auf die Kammer kann das Reizleitungssystem der Ventrikel als tertiäres Erregungsbildungszentrum mit einer Frequenz von 25-40/min als Schrittmacher einspringen (Tab. 2.1). Die elementare Grundlage der rhythmischen Herzaktion sind die autonome Erregungsbildung und die ungestörte Erregungsausbreitung. Die Erregungsbildung wird durch nervale und humorale Einflüsse modifiziert. Die nervale Modifikation erfolgt durch den N. vagus und den Sympathikus. Die wichtigsten humoralen Einflüsse sind: Hormone (Adrenalin, Noradrenalin, Schilddrüsenhormone) Toxine (Alkohol, Koffein, Nikotin) Medikamente und Elektrolyte, insbesondere die Kaliumkonzentration. Die Erregungsausbreitung wird ebenso wie die Erregungsbildung vom N. vagus und vom Sympathikus sowie durch Medikamente, Hormone und Elektrolyte beeinflusst. Außerdem werden das Erregungsbildungs- und Leitungssystem häufig durch chronische, seltener auch akute Herzkrankheiten geschädigt. Häufig sind koronare Herzkrankheit (KHK), hypertensive Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Kardiomyopathie, Myokarditis, Endokarditis, Cor pulmonale, Vitien.
2.3.2 Einteilung von Herzrhythmusstörungen Störungen des normalen, regelmäßigen Sinusrhythmus können die Frequenz und die Regelmäßigkeit betreffen. Herzrhythmusstörungen können: bradykard tachykard oder normofrequent sein (Tab. 2.3). Der Rhythmus kann regelmäßig völlig unregelmäßig oder regelmäßig mit eingestreuten Unregelmäßigkeiten sein (Tab. 2.2).
Tabelle 2.2 Grundformen von Herzrhythmusstörungen Frequenz
Rhythmus
Bradykardie
regelmäßig
Tachykardie
absolute Arrhythmie
normofrequente Rhythmusstörung
regelmäßig mit Extrasystolen
Bradykardien Bradykarde Herzrhythmusstörungen entstehen durch Störungen der Erregungsbildung oder der Erregungsleitung im Bereich des Sinusknotens, der sinuatrialen Überleitung (SA-Blockierung), des AVKnotens oder der His-Bündel. Häufige klinische Bilder sind die Sinusbradykardie, die SA-Blockierung und die AV-Blockierung. Besonders beim älteren Menschen sind nicht selten das Sick-SinusSyndrom (s. S. 80) und das KarotissinusSyndrom (s. S. 80) Ursache einer Bradykardie.
Sinusbradykardie Eine Sinusbradykardie kann physiologisch sein bei erhöhtem Vagotonus, während des Schlafes, bei älteren Menschen. Bei Sportlern ist sie Ausdruck einer Adap-
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Herzrhythmusstörungen Tabelle 2.3 Einteilung der Herzrhythmusstörungen Störung
Ursache
Bradykardien
Sinusbradykardie SA-Blockierungen n SA-Block 3. Grades (totaler SA-Block mit oder ohne Ersatzrhythmus) AV-Blockierung n AV-Block 2. Grades n Typ I (Wenckebach) n Typ II (Mobitz) n AV-Block 3. Grades (totaler AV-Block mit oder ohne Ersatzrhythmus) Vorhofflimmern
Tachykardien
Sinustachykardie supraventrikuläre Tachykardie n Vorhoftachykardie n Vorhofflattern n Vorhofflimmern n AV-Knotentachykardie (AV-junktionale Tachykardie) ventrikuläre Tachykardie
normofrequente Herzrhythmusstörungen
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Arrhythmie durch Extrasystolie n supraventrikuläre Extrasystolen n Sinusextrasystolen n Vorhofextrasystolen n Knotenextrasystolen n ventrikuläre Extrasystolen Arrhythmie durch Vorhofflimmern Arrhythmie durch inkonstante Blockformen und Doppelrhythmen Arrhythmie bei Herzschrittmacher
tation der Herzfrequenz bei erhöhter Auswurfleistung. Es kommt zu einer Größenzunahme und Myokardhypertrophie mit einer Vergrößerung der Herzleistung. Die Herzmuskeldurchblutung wird verbesert, die Herzarbeit ökonomisiert und die Ruhefrequenz nimmt ab (Ruhebradykardie). Schließlich ist die Sinusbradykardie nicht selten Ausdruck einer Erkrankung des Sinusknotens (Sick-Sinus-Syndrom) als Folge degenerativer Prozesse des Sinusknotens und zahlreicher chronischer Herzerkrankungen (s. S. 80). Eine Besonderheit ist das Syndrom des hypersensitiven Karotissinus (KarotissinusSyndrom). Dieses Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Überempfindlichkeit der Barorezeptoren im Bereich der Karotisgabel. Bei Druck oder Kopfdrehung kommt es zu einem Frequenzabfall (kardioinhibitorischer Typ) oder zu einem
Blutdruckabfall (vasodepressorischer Typ, seltener). Die Funktionsstörung des Karotissinus ist meistens Folge einer Arteriosklerose. Einzelheiten zur Ursache von Störungen der Erregungsbildung im Sinusknoten s. S. 58.
SA-Blockierung Bei der SA-Blockierung ist die Überleitung der Erregung vom Sinusknoten zur Vorhofmuskulatur entweder verzögert (SABlock Ih), intermittierend unterbrochen (SA-Block IIh) oder total unterbrochen (SABlock IIIh). SA-Blockierungen sind immer pathologisch (Ursachen s. S. 59). Der SA-Block Ih ist im EKG nicht erkennbar und führt nicht zu einer Bradykardie. Der SA-Block IIh tritt in zwei Typen auf: Typ I (Wenckebach-Periodik): Es kommt zu einer zunehmenden Ermüdung der sinuatrialen Über-
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Leitsymptome leitung. Bei gleichbleibender PQ-Zeit werden die PP-Intervalle kürzer, bis es zum Auftreten einer längeren Pause kommt, die kleiner als das doppelte RR-Intervall ist. Typ II (Mobitz): Es kommt zu einem periodisch auftretenden SA-Block, der sich in einem plötzlichen Ausfall von Vorhof- und Kammeraktionen äußert, wobei die Pause exakt dem doppelten oder mehrfachen des normalen PP-Intervalles entspricht. Beim SA-Block IIIh sind keine P-Wellen erkennbar und ein nachgeordnetes Zentrum, meistens der AV-Knoten, übernimmt die Schrittmacherfunktion.
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Typ I (Wenckebach-Periodik): Es kommt zu einer zunehmenden Ermüdung der AV-Überleitung. Nach einer P-Welle erfolgt die Kammererregung zunächst nach einem normalen oder nur gering verlängertem AVIntervall. Bei den nächsten Erregungen verlängert sich die Überleitung zunehmend, bis schließlich eine Kammererregung infolge der Erschöpfung des Leitungssystems ausfällt. Typ II (Mobitz): Bei dieser Form besteht ein wechselndes Überleitungsverhältnis der Vorhoferregung zum Ventrikel. Die PQ-Dauer ist normal oder konstant verlängert, es kommt im EKG intermittierend zum Ausfall eines oder mehrerer QRS-Komplexe.
AV-Blockierung Als AV-Blockierung bezeichnet man eine Überleitungsstörung im AV-Knoten, die charakterisiert ist durch eine Verlangsamung der Überleitung (AV-Block Ih), eine intermittierende Blockade der Überleitung (AV-Block IIh) oder eine totale Blockade der Überleitung (AV-Block IIIh). AV-Block Ih : Dieser ist gekennzeichnet durch eine Verlängerung der PQ-Zeit auf mehr als 0,2 Sekunden. Da jedoch alle Vorhoferregungen übergeleitet werden, kommt es nicht zu einer Bradykardie. Auch beim AV-Block IIh werden zwei Typen unterschieden:
Beim AV-Block IIIh ist die AV-Überleitung komplett blockiert und es kommt zu einer Dissoziation zwischen Vorhof und Kammertätigkeit. AV-Blockierungen liegt praktisch immer eine strukturelle Herzerkrankung oder eine Medikamentennebenwirkung zugrunde (s. S. 60). Abb. 2.2 zeigt eine schematische Darstellung der EKG-Befunde bei den unterschiedlichen AV-Blockierungen.
AV-Blockierungen Sinusrhythmus
AV-Block I. Grades
AV-Block II. Grades
Typ 1 Wenckebach
Typ 2 Mobitz AV-Block III. Grades
AV-Ersatzrhythmus KammerErsatzrhythmus
Abb. 2.2 AV-Blockierungen: schematische Darstellung der EKG-Befunde
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Herzrhythmusstörungen Tachykardien Tachykarde Herzrhythmusstörungen entstehen durch Störungen der Erregungsbildung oder der Erregungsleitung im Bereich des Sinusknotens, der Vorhöfe, des AV-Knotens, der Tawara-Schenkel, der Kammern oder evtl. vorhandener akzessorischer Leitungsbahnen. Häufige klinische Bilder sind die Sinustachykardie und die supraventrikuläre Tachykardie (Vorhoftachykardie, Vorhofflimmern, AV-Knotentachykardie, Abb. 2.3). Weniger häufig liegt der Tachykardie ein Vorhofflattern zugrunde. Seltener und bedrohlicher sind ventrikuläre Tachykardien.
Sinustachykardien Die Sinustachykardie beim Erwachsenen ist Ausdruck einer physiologischen Reaktion auf körperliche und emotionale Belastung. Sie kann auch Symptom einer Grundkrankheit sein: Herzinsuffizienz, entzündliche Herzerkrankung, Lungenembolie. Zustände wie Anämie, Hypoxie
und Hypovolämie können ebenfalls Sinustachykardien hervorrufen (s. Tab. 2.6).
Supraventrikuläre Tachykardien Vorhoftachykardien entstehen oft durch eine Digitalisüberdosierung, aber auch eine strukturelle Herzerkrankung kann die Ursache sein. Das Vorhofflimmern betrifft häufig ältere Menschen. Oft, aber nicht immer, lässt sich eine strukturelle Herzkrankheit nachweisen (KHK, Vitien), weitere Ursachen sind die arterielle Hypertension, Medikamentennebenwirkungen, gelegentlich auch eine Hyperthyreose. Den AV-Knotentachykardien (synonym paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, PSVT) liegen akzessorische Leitungsbahnen und angeborene Fehlbildungen des Reizleitungssystems zugrunde.
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Ventrikuläre Tachykardien Bei der ventrikulären Tachykardie besteht fast immer eine schwere kardiale Erkrankung, oft eine KHK. Spürbar sind ventrikuläre Tachykardien durch den beschleunig-
Tachykarde Rhythmusstörungen
Sinustachykardie
Supraventrikuläre Tachykardie
Ventrikuläre Tachykardie
Kammerflattern und -flimmern
Vorhofflattern
Vorhofflimmern
Vorhoftachykardie mit Block
Abb. 2.3 Tachykarde Herzrhythmusstörungen: schematische Darstellung der EKG-Befunde
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Leitsymptome ten Herzschlag selbst sowie durch die Folgen der Kreislaufinsuffizienz: Schwindel, Synkope (s. S. 78).
Normofrequente Herzrhythmusstörungen Normofrequente Herzrhythmusstörungen entstehen bei Störungen im Bereich des Sinusknotens, der Vorhöfe oder des Ventrikels. Es werden die Arrhythmie durch Extrasystolie, die Arrhythmien durch Vorhofflattern und Vorhofflimmern, die Arrhythmie durch inkonstante Blockformen und Doppelrhythmen und die Arrhythmie bei Herzschrittmacher unterschieden. Die Extrasystolen treten als supraventrikuläre Extrasystolen (SVES, Abb. 2.4) und ventrikuläre Extrasystolen (VES, Abb. 2.5) auf. Die SVES lassen sich, je nach Entstehungsort, nochmals in Sinus-, Vorhofund Knotenextrasystolen differenzieren. Typische klinische Bilder sind die nicht seltene respiratorische Arrhythmie, eine physiologische Erscheinung, die bei Säuglingen und Kindern besonders stark ausgeprägt ist, die Extrasystolie und das normofrequente Vorhofflimmern.
LERNTIPP
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Als respiratorische Arrhythmie wird die Beschleunigung der Herzfrequenz während der Inspiration bezeichnet. Ursachen sind der erhöhte venöse Rückfluss bei vergrößertem Thoraxvolumen und die atmungsabhängige Veränderung des ParasymphatikusEinflusses auf das Herz.
Extrasystolen Extrasystolen (ES) sind zusätzliche Herzaktionen während eines regelmäßigen Grundrhythmus. Sie kommen beim Gesunden vor oder sind durch organische Herzerkrankungen und extrakardiale Ursachen bedingt (s. S. 63). Extrasystolen können im Vorhof und im Ventrikel entstehen. Nach dem Ort ihrer Bildung werden deshalb supraventrikuläre Extrasystolen von ventrikulären Extrasystolen unterschieden. Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES) fallen verfrüht in einen vorliegenden Grundrhythmus ein und stören diesen. Im EKG werden folgende Charakteristika deutlich (Abb. 2.4): vorzeitiger Einfall der P-Welle leichte Deformierung der P-Welle die nächste Herzaktion folgt nach einem normal langen Intervall (keine kompensatorische Pause) und die auf die SVES folgende Herzaktion weist einen unauffälligen QRS-Komplex auf (normale Form und Breite). Der Patient spürt den verfrühten Einfall der SVES als einen Extraschlag. Ventrikuläre Extrasystolen (VES) können in jedem Teil des Ventrikelmyokards entstehen und breiten sich darin auf abnormalen Wegen aus. Auch bei der VES zeigt sich ein vorzeitiger Einfall der Kammererregung. Da es nicht zu einer retrograden Vorhoferregung kommt, bleibt der normale Sinusrhythmus der Erregung erhalten. Ein Sinusknotenimpuls trifft auf ein noch refraktäres Kammermyokard, die Herzaktion bleibt aus. Erst der nächste Sinusknotenimpuls wird auf das Kammermyokard übergeleitet. Der Abstand zwi-
SVES
PP Abb. 2.4 Schematische Darstellung der EKG-Charakteristika einer supraventrikulären Extrasystole: vorzeitiger Einfall der P-Welle, keine kompensatorische Pause
DiesokumntrfüdpölchGebrauchestimndfkFormanDitewgbd! AusBlock,.: POLLeitsympo-Herz-Kreislauf-System(ISBN978-3142)©GeorgThiemVerlagKG206
Herzrhythmusstörungen I
1 RR
2 RR
1 RR
linksventrikuläre Extrasystole I a I, V6
1 RR
2 RR
1 RR
I b
57 rechtsventrikuläre Extrasystole
Abb. 2.5 Schematische Darstellung der ventrikulären Extrasystole: vorzeitiger Einfall des verbreiterten QRS-Komplexes, fehlende P-Welle, kompensatorische Pause
schen der präextrasystolischen Herzaktion und der Extrasystole ist kleiner als der zwischen der Extrasystole und der ersten postextrasystolischen Herzaktion. Dieses verlängerte Intervall, die sogenannte kompensatorische Pause, spürt der Patient. Der Abstand zwischen den beiden Herzaktionen vor und nach der Extrasystole entspricht dem Abstand zwischen zwei normalen Herzaktionen. Im EKG finden sich bei VES folgende Charakteristika (Abb. 2.5): vorzeitiger Einfall des verbreiterten QRS-Komplexes fehlende P-Welle und kompensatorische Pause. Extrasystolen können vereinzelt auftreten, gehäuft, in regelmäßiger Beziehung zum Grundrhythmus (Bigeminus, Trigeminus, 2:1-Überleitung, 3:1-Überleitung usw.) oder als Salven.
Vorhofflimmern Vorhofflimmern tritt zwar meistens in einer tachykarden Form auf, kann jedoch
auch normofrequent verlaufen. Meistens liegen organische Ursachen zugrunde (s. S. 63).
Klinik Das klinische Erscheinungsbild von Herzrhythmusstörungen ist extrem variabel. Es reicht von Symptomfreiheit bis zum plötzlichen Herztod. Bei Herzrhythmusstörungen kommt es oft zu direkt für den Patienten spürbaren Veränderungen. Außerdem können Herzrhythmusstörungen zu einer verminderten Pumpfunktion führen und sich durch die Folgen der myokardialen Insuffizienz bemerkbar machen. Verursachen Herzrhythmusstörungen eine kardiale Embolie, treten deren Symptome in den Vordergrund. Möglicherweise dominieren auch die Symptome der Grundkrankheit des Patienten. Die direkt spürbaren Symptome sind es, die den Patienten meist zum Arzt führen: Tachykardie („Herzrasen“) Palpitationen („Herzklopfen“)
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Leitsymptome die gespürte Extrasystole („Extraschlag“) und die gespürte kompensatorische Pause („Aussetzer“). Mögliche Folgen der Myokardinsuffizienz durch die verminderte Pumpfunktion sind: Leistungsminderung Schwindel Synkopen und pektanginöse Beschwerden.
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Herzrhythmusstörungen, v. a. das Vorhofflimmern, können zur Thrombenbildung führen und Embolien auslösen. Thromben aus dem linken Vorhof können so eine embolische Verlegung arterieller Gefäße verursachen. Häufig sind die zerebralen Gefäße betroffen, aber auch Gefäße im Bereich der Eingeweide und der Extremitäten können embolisch verlegt werden. Da Rhythmusstörungen häufig Ausdruck einer kardialen Grundkrankheit sind, existieren häufig auch Symptome dieser Grundkrankheit: Angina pectoris (s. S. 29) Synkopen (s. S. 78) Herzinsuffizienz (s. S. 80) Anämiesymptome und pulmonale Beschwerden (s. S. 181).
Bradykardien Im Vordergrund stehen die Symptome der zerebralen Mangeldurchblutung: Leistungsminderung, Schwindel, Synkopen. Sinusbradykardie Sportler tolerieren oft ausgeprägte Bradykardien ohne jegliche Beschwerde. Auch sonst gesunde Menschen mit Überwiegen des Vagotonus haben oft kaum Beschwerden. Eine Sinusbradykardie auf dem Boden eines Karotissinussyndroms führt häufig zu Schwindel und Ohnmachten, insbesondere bei Kopfdrehung. Auch bei der Sinusbradykardie im Rahmen eines Sick-SinusSyndromes kann eine erhebliche Schwindelsymptomatik auftreten und es kann zu Synkopen kommen. Häufig kommt es neben den Bradykardien zu tachykarden Phasen.
SA-Blockierung SA-Blockierung Ih: symptomlos SA-Blockierung IIh: unter Umständen Schwindel und Ohnmacht SA-Blockierung IIIh: häufig Schwindel und Ohnmacht AV-Blockierung AV-Block Ih: keine Symptome AV-Block IIh: oft Beschwerdefreiheit, unter Umständen Schwindel und Kollapsgefühl AV-Block IIIh: unter Umständen Beschwerdefreiheit, Schwindel, Synkopen (Adam-Stokes-Anfall)
Tachykardien Bei Tachykardien dominieren direkt spürbare Symptome : Tachykardie, Palpitationen. Bei ausgeprägten Tachykardien arbeitet das Herz ineffezient und es kann zu einer Herzkreislaufinsuffizienz mit Schwindelgefühlen kommen, Kollaps, Ohnmachten bis hin zu einem Herz-Kreislaufstillstand bei ausgeprägter ventrikulärer Tachykardie. Sinustachykardien Unter Umständen wird eine Sinustachykardie überhaupt nicht gespürt, z. B. im Rahmen einer sich langsam entwickelnden Anämie oder einer Hypoxämie. U. U. jedoch wird die Herzfrequenz als unangenehm schnell empfunden und die Patienten klagen über Herzrasen oder den unangenehm gespürten Herzschlag. Supraventrikuläre Tachykardie Vorhoftachykardien werden oft gar nicht gespürt, gelegentlich jedoch auch als Herzrasen. Auch das tachykarde Vorhofflimmern wird u. U. nicht als solches gespürt, oft dominiert die zugrundeliegende Herzkrankheit, nicht selten aber auch die Herzinsuffizienz. Gelegentlich einmal ist auch eine periphere Embolie die erste Manifestation eines bis dahin sonst unbekannten Vorhofflimmern. Die paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie wird als ein plötzlich einsetzendes, unangenehmes Herzrasen empfunden, das über mehrere Stunden anhalten kann. Die Kreislaufinsuffizienz ist oft mäßig aus-
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Herzrhythmusstörungen geprägt, es kann allerdings auch zu Schwindel kommen. Ventrikuläre Tachykardie Die ventrikuläre Tachykardie ist ein gravierendes Krankheitsbild, das zu einer erheblichen Symptomatik führen kann: Herzrasen, Luftnot, pectanginöse Beschwerden, Schocksymptomatik.
Tabelle 2.4 Ursachen von Herzrhythmusstörungen
Normofrequente Rhythmusstörungen Bei den normofrequenten Rhythmusstörungen dominieren die direkt spürbaren Symptome. Extrasystolen Bei supraventrikulären Extrasystolen wird oft der zusätzliche Herzschlag gespürt, bei ventrikulären Extrasystolen u. U. die kompensatorische Pause. Vorhofflimmern Das normofrequente Vorhofflimmern wird u. U. als unregelmäßiger Herzschlag gespürt, gelegentlich kann es auch zu Zeichen der Herzinsuffizienz kommen. Eine cerebrale Symptomatik besteht meistens nicht.
2.4 Ursachen von Herzrhythmusstörungen Herzrhythmusstörungen können unter physiologischen Bedingungen auftreten, bei primären Herzerkrankungen, bei pri-
a
Ursache
typisch für
physiologisch
respiratorische Arrhythmie
primäre Herzerkrankung
ventrikuläre Tachykardie
primär extrakardiale Erkrankung
Sinustachykardie bei Hyperthyreose
Adaption an Mehrbedarf
Sinustachykardie bei Anämie
Folge ineffektiver Herzarbeit
Herzinsuffizienz
mär extrakardialen Erkrankungen, die Wirkung auf das Herz haben, als Adaptation des Herzens an einen Mehrbedarf und als Folge einer ineffektiven Herzarbeit (Tab. 2.4).
59
2.4.1 Ursachen der Bradykardie Die häufigste Ursache einer physiologischen Bradykardie ist der gute Trainingszustand. Das Sportherz (Abb. 2.6) entsteht durch aerob-dynamisches Ausdauertraining. Auch im Alter gibt es Bra-
b
Abb. 2.6 a Normales Herz (245 g); b Herzhypertrophie (675 g)
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Leitsymptome Tabelle 2.5 Ursachen von Bradykardien nach Häufigkeiten häufig
weniger häufig
physiologische Bradykardie
Alter
primäre Herzerkrankungen
degenerativ/Alter
Myokarditis
koronare Herzkrankheit
Sick-Sinus-Syndrom
selten
Training (Sportherz)
hypertensive Herzkrankheit Kardiomyopathie extrakardiale Erkrankungen
vasovagale Synkope (s. S. 80)
60
Elektrolytveränderungen (Hypokalzämie, Hyperkaliämie)
endokrinologische Erkrankungen (Hypothyreose)
KarotissinusSyndrom
Infektionskrankheiten (Typhus abdominalis, Brucellose) Urämie Hypothermie Lebererkrankungen/ schwerer Ikterus Hämochromatose Porphyrie Schädel-Hirn-Trauma Sarkoidose akutes rheumatisches Fieber
Medikamente
b-Blocker, Herzglykoside, Ca2+-Antagonisten, Reserpin, Antiarrhythmika Klasse I, Clonidin, Chinidin, Lidocain, Mexiletin, Amiodaron
dykardien ohne krankhafte Bedeutung. Häufig aber ist die Bradykardie Ausdruck einer pathologischen Veränderung (Tab. 2.5). Beim älteren Menschen kann es auf dem Boden chronischer Herzkrankheiten (KHK, hypertensive Herzkrankheit, Kardio-
myopathie) zu Störungen im Bereich des Sinusknotens kommen sowie im Bereich der sinuatrialen Überleitung und der AVÜberleitung. Daneben können zahlreiche extrakardiale Erkrankungen zu einer Bradykardie führen. Schließlich sollten auch
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Herzrhythmusstörungen immer Medikamente (b-Blocker, Digitalis) als Ursache berücksichtigt werden. Eine Verlangsamung der Herzfrequenz kann auftreten im Bereich des Sinusknotens, als SA-Block und als AV-Block.
hofflimmerns, bei älteren Patienten der Myokardinfarkt und die Linksherzinsuffizienz.
2.4.3 Ursachen normofrequenter Herzrhythmusstörungen 2.4.2 Ursachen der Tachykardie Die häufigste Ursache physiologischer tachykarder Herzrhythmusstörungen ist der größere Bedarf bei Mehrarbeit. Physiologische Tachykardien kommen häufig auch bei Kindern und im Rahmen emotionaler Reaktionen vor. Pathologische Tachykardien können durch zahlreiche kardiale und extrakardiale Erkrankungen mit direkter Wirkung auf das Herz hervorgerufen werden (Tab. 2.6). Die ineffektive Herzarbeit, die als Folge von Herzinsuffizienz, Vitien und Shunt auftreten kann, verursacht ebenfalls Tachykardien. Eine häufige Ursache einer Tachykardie ist das Vorhofflimmern (s. S. 59). Die Ursache für eine Herzfrequenzbeschleunigung kann im Bereich des Sinusknotens liegen, der Vorhöfe, des AVKnotens, der akzessorischen Leitungsbahnen (supraventrikulär), der Tawaraschenkel und der Kammern (ventrikuläre Tachykardie).
Vorhofflimmern Vorhofflimmern (VHF) kann beim Herzgesunden ohne erkennbare Ursache auftreten (idiopathisches VHF, Tab. 2.7). Häufiger werden aber primäre Herzerkrankungen oder extrakardiale Erkrankungen die Ursache sein. Das Vorhofflimmern führt in den meisten Fällen zu einer Tachykardie, deren Rhythmus arrhythmisch ist. Durch eine Erregungsbildungsstörung entstehen ungeordnete hochfrequente Vorhofaktionen, die nicht zu einer hämodynamisch wirksamen Vorhofkontraktion führen. Eine unregelmäßige Überleitung zum AV-Knoten resultiert in einem völlig unregelmäßigen Herzschlag (absolute Arrhythmie, s. S. 68). Bei jüngeren Patienten ist ein Mitralklappenvitium die häufigste Ursache des Vor-
Die Ursachen normofrequenter Rhythmusstörungen sind Extrasystolen sowie das Vorhofflimmern, das auch normofrequent verlaufen kann. Vorhofflimmern (s. Tab. 2.7) ist meist tachykard (s. S. 59), kann aber auch normofrequent sein.
Extrasystolen Extrasystolen (s. S. 56) gehören zu den häufigsten Herzrhythmusstörungen, die vom Patienten bemerkt werden und ihn zum Arzt führen. Sie treten bei Herzgesunden auf sowie bei kardialen oder extrakardialen Grunderkrankungen (Tab. 2.8). Sie können im Bereich der Vorhöfe und des AV-Knotens (supraventrikuläre ES) entstehen sowie in den Ventrikeln (ventrikuläre ES, s. Tab. 2.3).
61
2.5 Problemlösung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Bei Nachfrage berichtet Renate K., dass ihre Beschwerden schon seit mehreren Jahren auftreten. Manchmal alle zwei oder drei Wochen, dann auch wieder in größeren Zeitabständen. Das Herzjagen beginnt relativ plötzlich, hält eine halbe Stunde bis maximal zwei oder drei Stunden an und hört dann auch plötzlich wieder auf. Frau K. beschreibt die Beschwerden als sehr unangenehm, beklemmend, aber eigentliche Schmerzen hat sie nicht. Ansonsten ist sie relativ gesund. Eine kardiologische Diagnostik wurde bisher nicht durchgeführt, eine Herzerkrankung wurde bisher nicht festgestellt.
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Leitsymptome Tabelle 2.6 Ursachen von Tachykardien nach Häufigkeiten
physiologische Tachykardie
häufig
weniger häufig
Kinder
Tachykardie ohne Grunderkrankung
selten
emotionale Reaktion Adaptation an Mehrbedarf
körperliche Belastung (physiologisch)
Hypotonie
Trainingsmangel (physiologisch)
Hypovolämie Hypoxämie Anämie
primäre Herzerkrankung
KHK
kongenitale akzessorische Leitungsbahnen (paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie)
hypertensive Herzerkrankung
Myokarditis
62
Tumore (Myxom)
Kardiomyopathie Vitien, Mitralklappenprolaps extrakardiale Erkrankung
Fieber
Elektrolytverschiebungen (Hyperkaliämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie)
Schädel-HirnTrauma
Intoxikation (Alkohol, Nikotin, Koffein)
endokrine Erkrankungen (Hyperthyreose, Phäochromozytom, Diabetes mellitus)
Lungenembolie
Eiweißmangel Medikamente
Vagolytika, Vasodilatatoren, Katecholaminderivate, Theophyllinderivate, trizyklische Antidepressiva
ineffektive Herzarbeit
Herzinsuffizienz
Vitien
Shunt
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Herzrhythmusstörungen Tabelle 2.7 Ursachen des Vorhofflimmerns nach Häufigkeiten häufig beim Gesunden
weniger häufig
selten
idiopathisches Vorhofflimmern Toxine (Alkohol, Koffein)
primäre Herzerkrankung
KHK
Vitien
Myokardinfarkt
Myokarditis
Linksherzinsuffizienz extrakardiale Erkrankung
Hypertonus
Hyperthyreose
chronisch obstruktive/restriktive Lungenerkrankung
Lungenembolie
Hypoxämie
Schädel-Hirn-Trauma
Toxine (Medikamente)
Erbrechen
63
Tabelle 2.8 Ursachen von Extrasystolen nach Häufigkeiten häufig beim Gesunden
weniger häufig
selten
ohne Grunderkrankung Toxine (Alkohol, Koffein)
primäre Herzerkrankung
KHK
Vitien
hypertensive Herzerkrankung
Myokarditis Kardiomyopathie
extrakardiale Erkrankung
emotionale Belastung
Roemheld-Syndrom (Luft im Bereich der linken Flexur mit Druck auf das Zwerchfell)
Hypokaliämie
Toxine (Mediakmente) Hyperthyreose
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen Der zeitliche Verlauf, das spontane Auftreten, die Dauer der Tachykardie, der plötzliche Beginn und das plötzliche Ende sprechen am ehesten für eine paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie. Allerdings müssen auch andere Ursachen berücksichtigt werden. Zum einen situativ bedingte Tachykardien im Rahmen von äußeren Belastungen, zum anderen gravierende Ursachen, unter Umständen im Rahmen einer bisher nicht bekannten Herzerkrankung. p Weiter auf S. 69
64
2.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen Anamneseerhebung und körperliche Untersuchungen werden unter Umständen teilweise gleichzeitig durchgeführt, so wird der Puls des Patienten schon während der Anamneseerhebung gefühlt. Das erwartet der Patient auch meistens. Nach der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung sollten Sie in der Lage sein, soweit wie möglich fünf Fragen zu beantworten: Ist die Situation akut bedrohlich oder nicht? Liegt wirklich eine Herzrhythmusstörung vor? Liegt eine Bradykardie vor, eine Tachykardie oder eine normofrequente Herzrhythmusstörung, ist sie regelmäßig oder unregelmäßig, bestehen Extrasystolen? Um welche Form einer Herrhythmusstörung handelt es sich? Welche ist die Ursache? Die erste Frage wird sofort geklärt: Ist die Situation akut bedrohlich? Die Bedrohlichkeit von Herzrhythmusstörungen kann zum einen aus der Rhythmusstörung selbst resultieren und der durch sie entstehenden Minderung des Herzzeitvolumens, zum anderen aus der
ursächlichen Grunderkrankung, die potenziell eigene Risiken birgt. Klassische Beispiele für diese Situation sind die ventrikuläre Tachykardie und der Myokardinfarkt. Anamnestische Angaben, die auf eine potenzielle Bedrohlichkeit hinweisen sind: bekannte koronare Herzkrankheit vorausgegangene Synkopen und bekannte gravierende Herzrhythmusstörungen.
Befunde, die auf eine Bedrohlichkeit hinweisen, sind: ausgeprägte Bradykardie (I 40/min) ausgeprägte Tachykardie (i 140/min) Hypotonie Dyspnoe Schwindel Bewusstseinsstörungen Schocksymptomatik sowie Schmerzen. Um die restlichen drei Fragen zu klären, müssen folgende Informationen gesammelt werden (Tab. 2.10): Charakteristik der Beschwerden Begleitphänomene zeitlicher Verlauf Auslöser Vorerkrankungen Risikofaktoren bisherige Diagnostik und Therapie.
Charakteristik der Beschwerden Zunächst sollte man den Patienten berichten lassen, unter welchen Beschwerden er leidet. Die Schilderungen der Patienten sind dabei relativ variabel und manchmal irreführend. Häufig wird gesagt: „Ich habe Herzrhythmusstörungen“. Oft aber auch: Herzklopfen, Herzrasen, Herzjagen, Aussetzer, Extraschläge, Herzstolpern. Es lohnt sich zu fragen, ob die Beschwerden zurzeit auch bestehen. Bejaht der Patient dies, sollten Sie gleich den Puls fühlen. Nicht selten werden Sie eine Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der subjektiven Empfindung und der tatsächlich bestehenden Herzfrequenz feststellen.
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LERNTIPP
Herzrhythmusstörungen zusätzliche kardiale Symptome: Thoraxschmerz, Beklemmungsgefühle vegetative Symptomatik: Angst, Unruhe, Schwitzen.
Häufig lässt sich die Natur der Rhythmusstörungen erfühlen: Bradykardie, Tachykardie, absolute Arrhythmie, Extrasystolie.
Zeitlicher Verlauf Schwierig kann es werden, wenn eine Rhythmusstörung sporadisch auftritt. Beim Verdacht auf eine Brady- oder Tachykardie sollte gefragt werden, ob die Herzfrequenz einmal gemessen wurde: Palpatorisch oder z. B. mit einem Blutdruckmessgerät, das auch die Frequenz anzeigt. Berichtet der Patient über Herzstolpern, sollte man fragen, ob Extraschläge oder Pausen gespürt werden. Die supraventrikuläre Extrasystole wird als Extraschlag gespürt, bei der ventrikulären Extrasystole wird unter Umständen die Pause gespürt (s. S. 57). Es kann gelegentlich außerordentlich schwierig sein, die Natur von Herzrhythmusstörungen durch eine aussagekräftige Methode zu dokumentieren, selbst bei Einsatz technischer Untersuchungen.
Begleitphänomene Oft berichten die Patienten über begleitende Beschwerden. Falls nicht, sollte zunächst allgemein nachgefragt werden, dann gezielt: Bestehen neben den Herzrhythmusstörungen noch weitere Beschwerden? Die gezielte Befragung betrifft (Tab. 2.9): arrhythmiebedingte Begleitphänomene
Die nächsten Fragen betreffen den zeitlichen Verlauf: Seit wann bestehen die aktuellen Beschwerden? Wann haben Sie das Auftreten von Herzrhythmusstörungen erstmals bemerkt? Wie oft treten sie auf und wie lange halten sie an, wenn sie auftreten? Ist der Beginn abrupt oder langsam, enden die Beschwerden abrupt oder eher schleichend?
65
Bradykardie Eine Bradykardie besteht oft schon über einen längeren Zeitraum (Wochen, Monate) bevor ärztlicher Rat aufgesucht wird. Es handelt sich meistens um andauernde, mehr oder minder ausgeprägte Bradykardien der bekannten Ursachen (s. S. 60). Kurzfristig auftretende Bradykardien sollten an eine Medikamentennebenwirkung als Ursache denken lassen (s. Tab. 2.5).
Tachykardie Tachykardien sind unter Umständen schwer zu verifizieren. Mäßig ausgeprägte, über längere Zeiträume bestehende Tachykardien sollten an eine Anämie und eine pulmonal bedingte Hypoxämie denken lassen, aber auch an eine emotionale Labilität.
Tabelle 2.9 Begleitphänomene bei Herzrhythmusstörungen Mechanismus
Phänomen
Verminderung des Herzzeitvolumens
Schwäche, Präsynkope (Schwindel), AdamsStokes-Anfall (Synkope, s. S. 78) und Luftnot
Vermehrung des Herzzeitvolumens
Harndrang
kardiale Symptome
Thoraxschmerzen, Beklemmungsgefühl
vegetative Symptome
Angst, Unruhe, Schwitzen
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Leitsymptome
Fast jede Herzerkrankung kann im Laufe der Zeit zu tachykarden Rhythmusstörungen führen.
Vorerkrankungen Grundsätzlich sollten sämtliche Vorerkrankungen erfasst werden. Die wichtigsten Fragen im Hinblick auf die Einschätzung der Gefährdung sind die nach kardialen Vorerkrankungen: Ist eine Herzkrankheit bekannt: KHK, Herzklappenfehler, Herzinsuffizienz? Wurde ein Herzinfarkt durchgemacht? Besteht ein Hypertonus? Weitere Vorerkrankungen, die von Interesse sind: Bestehen eine Schilddrüsenerkrankung, ein Diabetes mellitus?
Grundsätzlich gilt: Rhythmusstörungen bei sonst Herzgesunden sind meistens – aber nicht immer – harmlos, Rhythmusstörungen bei Herzkranken sind häufig gravierend.
LERNTIPP
66
MERKE
Plötzlich auftretende Tachykardien sieht man bei Fehlbildungen des Reizleitungssystems mit akzessorischen Bahnen, häufig bei sonst Herzgesunden. Der plötzliche Beginn und das plötzliche Ende, die vom Patienten sehr deutlich gespürt werden, sind typisch für die in der Regel harmlose paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (PSVT). Die Tachykardie dauert Minuten bis mehrere Stunden und wird oft von Harndrang gefolgt. Die Frequenz des Auftretens kann sehr variabel sein. Als unangenehmes, längere Zeit bestehendes Herzrasen, das unter Umständen intermittierend auftritt wird oft das tachykarde Vorhofflimmern geschildert.
Extrasystolen
LERNTIPP
Auch der zeitliche Verlauf von Extrasystolen kann sehr variabel sein, nicht selten wird über jahrelanges, rezidivierendes Auftreten berichtet, mit sehr variabler Häufigkeit und unter Umständen wochenlangen, beschwerdefreien Phasen.
Neu aufgetretene Rhythmusstörungen sollten immer an eine strukturelle Herzkrankheit denken lassen.
Risikofaktoren Wenn nach Vorerkrankungen gefragt wird, sollten auch die Risikofaktoren mit abgedeckt werden: Rauchen, Alkohol, Kaffeegenuss, beruflicher und privater Stress.
Bisherige Diagnostik und Therapie
Bei intermittierendem oder akutem Auftreten sollte nach Auslösern gefragt werden, zunächst durch die allgemeine Frage: Gibt es für Sie erkennbare Auslöser?
Schließlich interessiert natürlich, welche diagnostischen Bemühungen bisher gemacht wurden. Wurde eine Herzrhythmusstörung einmal im EKG aufgezeichnet? Gibt es den Befund eines LangzeitEKGs? Wann war das letzte Belastungs-EKG? Wann die letzte Echokardiographie?
Und dann im Einzelnen: Spielen Stress, Unruhe, körperliche Belastungen eine Rolle? Kaffeegenuss?
Schließlich müssen alle therapeutischen Bemühungen erfasst werden: Einnahme von Antiarrhythmika, Anlage eines Schrittmachers oder eines Defibrillators.
Auslöser
Häufig lassen sich jedoch keine Auslöser eruieren.
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gut Trainierte
ältere Menschen
Zusammenhang mit Einnahme
typisches Bild, alte Menschen
Sport
primäre Herzerkrankungen
Medikamentennebenwirkung
Hypothyreose
situativ
junge Menschen, mittleres Alter
Blässe, allgemeine Abgeschlagenheit
Emotionen
PSVT*
Anämie
Tachykardie
alte Menschen
allgemeiner Eindruck
Alter
Bradykardie
Ursache
schleichend, progredient
rezidivierend, Wochen, Monate
Herzrasen schneller Herzschlag
rezidivierend, Wochen, Monate
Wochen, Monate, progredient
zeitlicher Zusammenhang zur Medikamenteneinnahme
Monate, u. U. Jahre
lange bestehend
lange bestehend, undulierend
zeitlicher Verlauf
Herzrasen, Herzjagen
Antriebsarmut
Leistungsminderung, Schwäche
Schwindel, Synkopen, Schwäche
meistens keine Beschwerden
Leistungsschwäche, Schwindel, Synkope
Beschwerdebild
Vorerkrankungen
u. U. keine, KHK, Hypertonus keine KHK, Hypertonus, Kardiomyopathie, Myocarditis u. U. kardiologische Grunderkrankungen keine
keine keine gynäkologische, gastrointestinale Vorerkrankungen
Auslöser
keine keine keine
keine
keine
Stress, Aufregungen keine keine
Tabelle 2.10 Synopse häufiger Krankheitsbilder, die Herzrhythmusstörungen verursachen- Anamnese und körperliche Untersuchung
I 120
120–140
meistens I 120
50–60
40–60
u. U. I 50
50–60
oft 50–60
Frequenz
Herzrhythmusstörungen
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Dyspnoe
ältere Menschen
typisches Bild, mittleres Alter
typisches Bild, ältere Menschen
junge Patienten, ältere Menschen
Hypoxämie
primäre Herzerkrankung
Hyperthyreose
Diabetes mellitus
Intoxikationen
ältere Menschen
absolute Arrhythmie
unregelmäßiger Herzschlag, Herzklopfen
Extraschläge, Pausen
Herzrasen
Herzrasen, Schwindel
Herzrasen
Herzrasen, Extraschläge, Angina pectoris, Synkope, Schocksymptomatik
Herzrasen
Beschwerdebild
* paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie
ältere Patienten, auch jüngere
Extrasystolen
normofrequente Herzrhythmusstörungen
allgemeiner Eindruck
intermittierend, Wochen, Monate
intermittierend, sporadisch, Wochen, Monate, Jahre
akut
intermittierend
Tage, Woche, progredient
Wochen, Monate, u. U. progredient
akut, rezidivierend, progredient
zeitlicher Verlauf
Toxine, Kaffee, Alkohol
Alkohol, Aufregung, nach Belastungen, Kaffee
Einnahme von Drogen, Toxinen
keine
keine
keine, körperliche Belastung
Belastung
Auslöser
68
Ursache
Tabelle 2.10 Fortsetzung
KHK, Hypertonus, Kardiomyopathie, Vitien, COPD
u. U. keine, u. U. strukturelle Herzerkrankung
keine
Diabetes mellitus
keine, evtl. bekannte Schilddrüsenerkrankung
KHK , Hypertonus, Vitien, Mitralklappenprolaps
Lungenerkrankungen, COPD
Vorerkrankungen
100–140
keine wesentliche Frequenzbeschleunigung
120–140
I 120
100–200
100–200
I 120
Frequenz
Leitsymptome
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Herzrhythmusstörungen
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie eine 54-jährige, gesund wirkende Patientin in gutem Allgemeinund Ernährungszustand. Der Puls ist regelmäßig, die Herzfrequenz liegt bei 84/min, der Blutdruck bei 125/85 mmHg. Der Auskultationsbefund über Herz und Lunge ist unauffällig. Auch die übrige internistische Untersuchung erbringt keinen auffälligen Befund.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die körperliche Untersuchung hat in diesem Fall nicht zur Klärung beigetragen. Die Herzfrequenz der Patientin ist normofrequent, der Blutdruck normoton. Wichtig ist festzuhalten, dass kein weiterer Anhalt für eine Herzerkrankung besteht, keine Insuffizienzzeichen, (feuchte Rasselgeräusche, Ödeme), kein Vitium. Es bleibt weiterhin ein großes Spektrum differenzialdiagnostischer Möglichkeiten zu berücksichtigen: Palpitationen, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, Hyperthyreose, Anämie, Emotionen, KHK, hypertensive Kardiomyopathie. p Weiter auf S. 70 Die körperliche Untersuchung bei Herzrhythmusstörungen hat drei Ziele: die Herzrhythmusstörung zu verifizieren mögliche Folgen festzustellen. mögliche Ursachen festzustellen.
Rhythmusstörung verifizieren Die Erfassung der Rhythmusstörungen gelingt häufig durch einfaches Tasten des Pulses: Bradykardien, Tachykardien und eine absolute Arrhythmie können sicher diagnostiziert werden. Wenn über Extrasystolen geklagt wird, sollte über einen
Intermittierende Herzrhythmusstörungen sind oft schwer zu verifizieren!
MERKE
Fallbeispiel
genügend langen Zeitraum der Puls gefühlt werden, dies kann auch während der weiteren Anamneseerhebung erfolgen. Vom Patienten wird die prompte Zuwendung zu seinem Problem durch das Tasten des Pulses in der Regel anerkennend honoriert.
Mögliche Folgen feststellen Bradykarde und tachykarde Rhythmusstörungen können zu einem Vorwärts(s. S. 12) und Rückwärtsversagen (s. S. 12) führen. Die Ausprägung der zirkulatorischen Folgen hängen von der Art und der Ursache der Herzrhythmusstörung und den Grund- und Begleiterkrankungen des Patienten ab. Zunächst, und das geschieht natürlich schon während der Anamneseerhebung, wird auf den allgemeinen Eindruck geachtet. Bestehen körperliche Schwäche, Schwindel, Somnolenz, Blässe? Ist der Patient ängstlich oder unruhig? Ist eine Halsvenenstauung erkennbar?
69
Die nächst wichtige Untersuchung ist die Blutdruckmessung. Bradykardien, Tachykardien und das Vorhofflimmern können mit erhöhten, erniedrigten oder normalen Blutdruckwerten einhergehen. Als bedrohlich ist ein systolischer Blutdruck I 100 mmHg anzusehen, er deutet auf eine beginnende zirkulatorische Insuffizienz hin. Extrasystolen führen in der Regel nicht zu einer zirkulatorischen Beeinträchtigung.
Ein systolischer Blutdruck I 100 mmHg zusammen mit Herzrhythmusstörungen deutet auf eine beginnende zirkulatorische Insuffizienz hin!
MERKE
2.5.2 Körperliche Untersuchung
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Leitsymptome Anschließend werden Füße und Unterschenkel inspiziert und palpiert: Liegen periphere Ödeme vor? Sie können auf eine bestehende Herzinsuffizienz hinweisen.
Sie ist an feuchten Rasselgeräuschen zu erkennen. Besteht Anhalt für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung? Oder eine andere Lungenerkrankung, die mögliche Ursache einer Hypoxie ist? Besteht ein Pulsdefizit? (Vorhofflimmern)
Mögliche Ursachen feststellen Aus der körperlichen Untersuchung können sich auch Hinweise auf die direkte Ursache der Rhythmusstörungen ergeben und auch auf die zugrunde liegende Erkrankung. Die wichtigsten Untersuchungen hierfür sind die Perkussion und Auskultation von Herz und Lunge. Besteht eine Kardiomegalie, bestehen vitientypische Geräusche (s. S. 21)? Besteht ein Mitralklappenprolaps? Besteht eine pulmonale Stauung?
70
2.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei Renate K. ein Ruhesowie ein Belastungs-EKG durch. Außerdem ein Basis-Laborprogramm mit
I
II
III
aVR
aVL
aVF
Abb. 2.7 Ruhe-EKG: normofrequenter Sinusrhythmus mit 83/min, Indifferenztyp (normales EKG)
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Herzrhythmusstörungen unauffälligen Werten für: Blutbild, Natrium, Kalium, Harnstoff, Kreatinin, Glucose, Cholesterin, Triglyceriden, g-GT, GOT, GPT, CK, LDH, T3, T4, TSH. Im Ruhe-EKG sehen Sie einen normofrequenten Sinusrhythmus (Abb. 2.7). Das Belastungs-EKG ist unauffällig. Sie fordern die Patientin auf, sich prompt wieder vorzustellen, wenn sie die Rhythmusstörungen bemerkt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Normales Ruhe- und Belastungs-EKG sprechen bei dieser Anamnese gegen eine strukturelle Herzerkrankung und für das Vorliegen einer paroxysmalen supraventrikulären Tachykardie. p Weiter auf S. 73
Ziel der weitergehenden Untersuchungen ist die Dokumentation der Herzrhythmusstörungen und die Abklärung der Ursache. Die bei weitem wichtigste Untersuchung ist das EKG, als Ruhe-EKG, Belastungs-EKG und 24h-Langzeit-EKG. In besonderen Situationen (unklare Befundlage) kann eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU) notwendig sein und, bei selten auftretenden aber gravierenden Ereignissen, die an eine Bedrohung des Patienten denken lassen, ein Ereignisrekorder (extern getragenes oder implantiertes EKG-Gerät, das auffällige EKG-Ereignisse aufzeichnet. Bei der Ursachenabklärung steht dann die Diagnostik der primären Herzkrankheit im Vordergrund. Je nach Ergebnis von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung aber auch die Suche nach extrakardialen Ursachen (Tab. 2.11).
71
V1
V2
V3
V4
V5
V6
Abb. 2.7 Fortsetzung
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Leitsymptome Tabelle 2.11 Weitergehende Diagnostik bei Herzrhythmusstörungen (HRS) Untersuchung
Parameter
Interpretation
Dokumentation der HRS: n
EKG
Frequenz, Rhythmus
Bradykardie, Tachykardie, Überleitungsstörungen
n
Belastungs-EKG
Frequenz, Rhythmus, Ischämiezeichen
Bradykardie, Tachykardie, Überleitungsstörungen, KHK
n
Langzeit-EKG
Frequenz, Rhythmus
Bradykardie, Tachykardie, Asystolie
n
Ereignisrekorder
Frequenz, Rhythmus
Bradykardie, Tachykardie, Asystolie
n
EPU*
Rhythmus
tachykarde Herzrhythmusstörungen
Ursachenabklärung: n
Echokardiographie
Kontraktilität, Herzhöhlen, Herzklappen
strukturelle Herzerkrankung, Motilitätsstörung, Herzinsuffizienz, Dilatation, Hypertrophie, Vitien
n
Koronarangiographie
Koronararterien, Herzhöhlen
KHK, Stenosen, Verschlüsse, Kontraktionsstörung
n
Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen
Herzgröße, Herzform
Kardiomegalie, Dilatation, vitientypische Konfiguration
n
Blutgasanalyse
02, CO2
Hypoxie
n
Lungenfunktionsprüfung
Lungenfunktion
Hypoxie, pulmonale Grunderkrankung
72
Labor: n
Elektrolyte
Kalium
Hyperkaliämie, Hypokaliämie
n
Herzenzyme
GOT, CK, LDH
Ischämie
n
Blutbild
Hb
Anämie
n
Blutzucker
Glucose
Hypoglykämie
n
Nierenfunktion
Kreatinin
Niereninsuffizienz
n
Schilddrüse
fT3, fT4, TSH basal
Hypothyreose, Hyperthyreose
n
medikamentöse Therapie
Digoxinspiegel
Überdosierung
* elektrophysiologische Untersuchung
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Herzrhythmusstörungen 2.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Nach ein paar Tagen kommt die Patientin erneut zu Ihnen in die Praxis, als sie gerade die Herzrhythmusstörungen bemerkt. Sie leiten sogleich ein EKG ab und sehen einen Befund wie den in Abb. 2.8 dargestellten.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der Übergang vom Sinusrhythmus zur AV-Knoten-Tachykardie mit einer Kammerfrequenz von 182/min ist aus dem EKG ersichtlich. Mit dieser Untersuchung kann die Herzrhythmusstörung als abgeklärt angesehen werden.
Die bei weitem wichtigste Untersuchung zur Dokumentation der Rhythmusstörungen ist das EKG, in Ruhe, bei Belastung und als Langzeit-EKG, evtl. auch als Ereignisrekorder. Tabelle Tab. 2.12 gibt eine Übersicht über die Möglichkeiten, die Diagnose bei Herzrhythmusstörungen zu sichern.
2.7.1 Therapieansätze Soweit wie möglich sollte bei Herzrhythmusstörungen immer die zugrunde liegende Ursache behandelt werden (Tab. 2.13): Revaskulisierende Behandlung bei KHK, Hypertonustherapie, Ausgleich von Elektrolytstörungen, Absetzen arrhythmogener Medikamente, Behandlung endokriner Ursachen. Häufig muss jedoch auch eine mehr oder weniger spezifische Therapie der Rhythmusstörungen selbst erfolgen.
73
Abb. 2.8 Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie: a Sinusrhythmus, Kammerfrequenz 82/min; b Übergang vom Sinusrhythmus zur AV-Knoten-Tachykardie (q); c AV-Knoten-Tachykardie, Kammerfrequenz 182/min, P-Zacke in QRS-Komplexen verborgen und nicht sichtbar
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Leitsymptome Tabelle 2.12 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Sinusbradykardie
Schwindel, Synkope
Ruhe-EKG, Belastungs-EKG (geringer Frequenzanstieg)
SA-Blockierung
Schwindel, Synkope
Langzeit-EKG
Sick-Sinus-Syndrom
Schwindel, Synkope
Belastungs-EKG, Atropintest (fehlender Frequenzanstieg)
AV-Block
Schwindel, Synkope
EKG
hypersensitiver Karotissinus
Schwindel bei Kopfdrehung
Karotisdruckversuch
körperliches Training
Beschwerdefreiheit
EKG, Anamnese
primäre Herzerkrankung
kardiale Symptome
Echokardiographie, Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Koronarangiographie
Elektrolytstörung
Schwindel, Synkope
Labor
Hypothyreose
klinisches Bild
TSH basal
Medikamentennebenwirkung
Medikamentenanamnese
Auslassversuch
Bradykardie
74
Tachykardie, Extrasystolie, absolute Arrhythmie Sinustachykardie
Grunderkrankung, Stress
EKG, Langzeit-EKG
PSVT*
plötzlicher Beginn, plötzliches Ende, Herzrasen
Langzeit-EKG, EKG im Anfall
atriale Tachykardie
Palpitationen, Herzrasen
Langzeit-EKG, EKG im Anfall
tachykardes Vorhofflimmern
Unruhe, bekannte Grundkrankheit
EKG
Vorhofflattern
Tachykardie
EKG
ventrikuläre Tachykardie
Palpitationen, Schwindel, Synkope
EKG
Extrasystolie
Extraschläge, Pausen
EKG, Langzeit-EKG, Belastungs-EKG
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Herzrhythmusstörungen Tabelle 2.12 Fortsetzung Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
emotionale Labilität
Anamnese
EKG (Ausschlussdiagnose)
Anämie
chronische Blutung (gynäkologisch, GI-Trakt), Blässe
Hb
Hypoxämie
pulmonale Grunderkrankung
O2-Sättigung, Lungenfunktionsprüfung
Hypovolämie
Grunderkrankung (Diarrhö, Blutung)
ZVD, klinisches Bild, Blutdruck
primäre Herzerkrankung
kardiale Symptomatik
EKG, Echokardiographie, Langzeit-EKG, BelastungsEKG, Koronarangiographie
Fieber
fieberhafte Grunderkrankung
Anamnese, EKG
Medikamentennebenwirkung
Anamnese
Auslassversuch
Intoxikation (Kaffee, Alkohol)
Anamnese
Auslassversuch
Elektrolytstörung
Anamnese
EKG, Labor
Hyperthyreose
klinisches Bild
fT3, fT4, TSH basal
Phäochromozytom
Hypertonus
Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin im 24 h-Sammelurin
Diabetes mellitus
bekannte Grunderkrankung
EKG, Belastungs-EKG, Langzeit-EKG
Lungenembolie
Risikosituation (Immobilisierung, Entbindung)
Echokardiographie, Angiographie, Szintigraphie
andere Erkrankungen
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* paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie
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Leitsymptome Tabelle 2.13 Therapie bei Herzrhythmusstörungen Erkrankung
Therapie
Bradykardie Sinusbradykardie
Ursache beseitigen (Medikamente, Hypothyreose), Atropin (passagere Gabe), Schrittmacher
SA-Blockierung
durch toxische Medikamentenwirkung (Digitalis, Antiarrythmika) Absetzen der Medikamente, im Notfall Versuch mit Atropin, bei Adam-Stokes-Anfällen Schrittmachertherapie
Sick-SinusSyndrom
symptomatische Bradykardie: Schrittmacher symptomatische Tachykardie-Bradykardie: Schrittmacher und antiarrhythmische Therapie
AV-Block
kausal: bei toxischer Medikamentenwirkung (Digitalis, Antiarrythmika) Absetzen der Medikamente n Behandlung einer Myokarditis, eines Herzinfarktes symptomatisch: n AV-Block 1. und 2. Grades (Wenckebach): s. kausal, meist keine symptomatische Therapie nötig n AV-Block 2. Grades (Mobitz): Digitalis, Antiarrythmika absetzen, relative Schrittmacherindikation n AV-Block 3. Grades: Reanimation beim Adam-Stokes-Anfall n
76
hypersensitiver Karotissinus
Schrittmacher beim kardioinhibitorischen Typ
primäre Herzerkrankung
Behandlung der Grunderkrankung (z. B. Revaskularisierung, Operation bei Vitium usw.)
Elektrolytstörung
Korrektur der Elektrolytstörung
Hypothyreose
L-Thyroxin
Medikamentennebenwirkung
Medikament absetzen
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Herzrhythmusstörungen Tabelle 2.13 Fortsetzung Erkrankung
Therapie
Tachykardie Sinustachykardie
Ursache beseitigen (Stress, Anämie, Hypoxämie, Hypovolämie, Fieber, Medikamentennebenwirkungen, Intoxikationen, Hyperthyreose, Phäo-chromozytom), evtl. b-Blocker bei Hyperthyreose und hyperkinetischem Herzsyndrom
PSVT*
Vagusreizung (Valsalvaversuch, Karotissinusmassage), Antiarrhythmika
atriale Tachykardie
kausal: z. B. bei Digitalisintoxikation symptomatisch: z. B. Adenosin bei unifokaler atrialer Tachykardie ohne AV-Block evtl. Katheterablation: medikamentös therapierefraktäre unifokale atriale Tachykardien
Vorhofflimmern
falls möglich kausal, z. B. bei Hyperthyreose symptomatisch: Digitalis, Verapamil, Betablocker medikamentöse oder elektrische Kardioversion, Rezidivprophylaxe: Antikoagulation
Vorhofflattern
falls möglich kausal symptomatisch: Thromboembolieprophylaxe, atriale Überstimulation, elektrische Kardioversion, Hochfrequenz-Ablation des arrhythmogenen Zentrums
ventrikuläre Tachykardie
Notfall! Akuttherapie: n Ursache beseitigen (Digitalis), Kaliumspiegel prüfen n Antiarrhythmika: 1. Wahl Ajmalin n Elektrokardioversion Behandlung der Grunderkrankung (KHK: Revaskularisation) Rezidivprophylaxe: n Postinfarktpatienten und Patienten mit Herzinsuffizienz b-Blocker ohne intrinsische Aktivität senken Inzidenz des plötzlichen Herztodes signifikant
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Extrasystolen Extrasystolen
Verapamil, b-Blocker
* paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie
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Leitsymptome 3.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht des Patienten
3 Synkope 3.1 Begriffe Synkope: Ein kurz anhaltender Bewusstseins- und Tonusverlust, der spontan reversibel ist (in der Umgangssprache als Ohnmacht bezeichnet). Adams-Stokes-Anfall: Ohnmacht aufgrund einer hochgradigen, durch eine akute Herzfunktionsstörung hervorgerufenen Hirndurchblutungsstörung.
MERKE
78
Die Definition des Begriffs „Synkope“ hat sich im Laufe der Jahre gewandelt und als Synkope wurden und werden von unterschiedlichen Autoren unterschiedliche Situationen definiert.
Die hier genannte Definition ist die am weitesten gefasste. Sie beinhaltet auch die Synkope aufgrund einer Epilepsie. Manche Autoren definieren die Synkope als den nicht epileptischen Bewusstseinsund Tonusverlust. In neueren Arbeiten wird als Synkope der plötzliche und spontan reversible Bewusstseins- und Tonusverlust infolge einer zerebralen Minderperfusion bezeichnet. Diese Einschränkung erscheint jedoch problematisch, weil die Synkope keine Erkrankung, sondern ein Symptom ist. In die Definition der Synkope die pathophysiologische Erklärung „infolge einer zerebralen Minderperfusion“ einzuschließen ist ungünstig. Denn gerade die Ursache muss herausgefunden werden, wenn der Patient plötzlich und spontan reversibel sein Bewusstsein und seinen Tonus verloren, d. h. eine Synkope erlitten hat.
Der 72-jährige, rüstige Paul D. berichtet bei der Vorstellung in Ihrer Praxis über zwei Ereignisse kurzzeitiger Bewusstlosigkeit mit Sturz, die innerhalb der letzten 4 Wochen aufgetreten waren. Gravierend verletzt hat sich Herr D. bei den Stürzen nicht, die Bewusstlosigkeit dauerte auch nur kurz an. Trotzdem macht er sich Sorgen und möchte die Ursache abklären lassen, auch wenn er sich momentan wieder uneingeschränkt wohl fühlt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Bei einem 72-jährigen Patienten müssen kurzzeitige Bewusstlosigkeiten sehr ernst genommen werden. Es können gravierende kardiale, zrebrovaskuläre und zerebrale Ursachen dahinter stehen. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind sicherlich die Herzrhythmusstörungen und die Arteriosklerose der hirnzuführenden Gefäße. p Weiter auf S. 84 Der Bewusstseinsverlust, auch wenn er nur kurzfristig und spontan reversibel auftritt, wird als bedrohlich empfunden. Für den betroffenen Patienten sind mehrere Aspekte einer Synkope von Bedeutung: Zum einen geht jeder Bewusstseins- und Tonusverlust, mit einem mehr oder weniger hohen Verletzungsrisiko einher. Zum anderen kann jeder Bewusstseinsverlust natürlich Ausdruck einer gravierenden, möglicherweise lebensbedrohlichen Grunderkrankung sein. Und schließlich hat bereits ein einmalig aufgetretener Bewusstseinsverlust unter Umständen berufliche Konsequenzen für den Betroffenen: Kraftfahrer, Piloten usw. Der kurzzeitige, spontan reversible Bewusstseinsverlust ist ein mit zunehmendem Alter gehäuft auftretendes Beschwer-
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Synkope debild, das Grund für zahlreiche Krankenhausaufnahmen und intensivierte diagnostische Bemühungen ist.
3.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Bewusstsein und Tonus sind, vereinfacht formuliert, gebunden an eine ausreichende Durchblutung des Gehirns mit ausreichend oxygeniertem Blut und an eine Intaktheit des Gehirns selber. Zu einer Synkope kann es kommen, wenn entweder die Hirndurchblutung vermindert ist (Synkope im engeren Sinne) oder die Hirnfunktion selbst gestört ist (Synkope im weiteren Sinne). Die Hirndurchblutung benötigt: eine ausreichende Auswurfleistung des linken Ventrikels und ein intaktes arterielles Gefäßsystem.
3.3.1 Synkopen bei verminderter linksventrikulärer Auswurfleistung Zu einer Verminderung der linksventrikulären Auswurfleistung kommt es bei Störungen der Ventrikelentleerung, der Ventrikelfüllung, bei zu langsamem Herzschlag oder bei zu schnellem Herzschlag sowie, selten, beim myokardialen Pumpversagen. Ursachen einer verminderten linkenventrikulären Auswurfleistung: gestörte Ventrikelentleerung gestörte Ventrikelfüllung Bradykardie/Tachykardie und myokardiales Pumpversagen.
Gestörte Ventrikelentleerung Ursachen einer gestörten Ventrikelentleerung sind die Aortenstenose (Abb. 3.1) und die hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (s. S. 88). Bei diesen beiden Krankheitsbildern kommt es zu einer Verlegung der linksventrikulären Ausflussbahn. Gerade die hochgradige Aortenstenose kann auch beim jungen Menschen unter körperlicher Anstrengung Ursache
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Abb. 3.1 Röntgen-Thorax-Befund bei Aortenklappenstenose: der Aortenbogen und die linke Herzkontur treten verstärkt hervor
79
für Synkopen, auch für den plötzlichen Herztod, sein.
Gestörte Ventrikelfüllung Eine gestörte Ventrikelfüllung kann zahlreiche Ursachen haben: orthostatische Dysregulation Valsalva-Manöver Kompression der Vena cava Dilatation venöser Kapazitätsgefäße Volumenmangel Perikardtamponade Verlegung der Lungenstrombahn Vorhoftumor und Mitralstenose.
Orthostatische Dysregulation Eine der häufigsten Ursachen von Synkopen ist die orthostatische Dysregulation. Sie ist bedingt durch die ungenügende Vasokonstriktion der venösen Kapazitätsgefäße beim plötzlichen Aufstehen aus dem Liegen oder Sitzen oder bei längerem Stehen. Eine orthostatische Dysregulation mit ungenügender Vasokonstriktion und u. U. gleichzeitig fehlendem Frequenzanstieg ist nicht selten bei der diabetischen Polyneuropathie und anderen Neuropathien (alkoholische Polyneuropathie, primäre Polyneuropathie, Guillain-BarréSyndrom).
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Leitsymptome Pressorische Synkope
Rhythmogene Ursachen
Die Ursache der sogenannten pressorischen Synkope ist eine Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen bei Erhöhung des intrathorakalen Druckes: Beim Pressen (Defäkation, Miktion), Husten, Benutzung von Blasinstrumenten u.ä.
Weniger häufig als die oben genannten Synkopenursachen, aber trotzdem nicht selten, sind die rhythmogenen Ursachen, insbesondere die Bradykardie. Aber auch tachykarde Herzrhythmusstörungen können zur Reduktion des Herzzeitvolumens mit zerebraler Minderdurchblutung führen.
Vena cava Kompressionssyndrom Auch die Kompression der Vena cava während der Gravidität kann, besonders im Liegen, zu einer kritischen Verminderung des venösen Rückstromes mit anschließender ungenügender Ventrikelfüllung führen.
Neurokardiogene Synkope 80
Eine häufige Ursache von Synkopen bei sonst gesunden Menschen ist die sogenannte neurokardiogene Synkope (Synonym: vasovagale Synkope). Zunächst kommt es, situationsbedingt (Schreck, Schmerz) zu einer Sympathikusaktivierung mit anschließender Aktivierung des Parasympathikus und konsekutivem Blutdruckabfall. Aggravierend kommt es u. U. zu einer Bradykardie. Die Ursache der neurokardiogenen Synkope ist, hämodynamisch gesehen, eine verminderte Ventrikelfüllung in Kombination mit einer Bradykardie.
Volumenmangel Volumenmangel kann alleinige Ursache einer Synkope sein (Blutung), aber auch bei anderen Ursachen aggravierend wirken (Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen und orthostatische Dysregulation, z. B. beim längeren Stehen in der Sonne).
Bradykardie Ursachen für Bradykardie, die zu Synkopen führen, sind das Sick-Sinus-Syndrom mit Bradykardie und höhergradige AV-Blockierungen. Eine nicht seltene Ursache für Synkopen bei älteren Menschen ist das Syndrom des hypersensitiven Karotissinus. Hierbei handelt es sich um eine Überempfindlichkeit der Barorezeptoren im Bereich der Karotisgabel (s. S. 86). Bei mechanischer Reizung dieser Rezeptoren kann es zu einer Bradykardie mit passagerer Asystolie kommen (kardioinhibitorischer Typ des hypersenstiven Karotissinus, weitaus häufigste Form) oder zu einem Blutdruckabfall ohne Bradykardie (vasodepressiver Typ, seltener).
Tachykardie Tachykardien führen ab einer gewissen Frequenz zu einer Verminderung des Herzzeitvolumens und können die Ursache für Synkopen sein. Supraventrikuläre Tachykardien sind nur selten Ursache. Ventrikuläre Tachykardien sind zwar insgesamt seltener als supraventrikuläre Tachykardie, führen dann aber häufiger als diese zu Synkopen. Sie sind fast immer Ausdruck einer gravierenden Grunderkrankung, meistens einer koronaren Herzerkrankung.
Seltenere Ursachen Eine seltene Ursache ist die Perikardtamponade. Auf dem Boden eines Perikardergusses kommt es zu einer Verminderung der diastolischen Ventrikelfüllung. Ebenfalls seltener sind Synkopen infolge einer Strombahnverlegung der Aa. pulmoanles (Lungenembolie), bei Vorhofmyxom oder bei einer Mitralstenose.
Myokardiales Pumpversagen Schließlich kann auch einmal ein myokardiales Pumpversagen im Rahmen eines Myokardinfarkts Ursache einer Synkope sein. Meistens dominiert dann allerdings die Schocksymptomatik. Auch die fortgeschrittene Herzinsuffizienz kann bei kritisch reduzierter Auswurfleistung zu einer Synkope führen.
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Synkope
Neben einer ausreichenden linksventrikulären Auswurfleistung ist ein intaktes Gefäßsystem Voraussetzung für eine suffiziente zerebrale Durchblutung. Das Gehirn wird durch die A. carotis und die A. vertebralis beidseits versorgt. Die A. carotis entspringt rechts aus dem Truncus brachiocephalicus, links aus dem Aortenbogen (Abb. 3.2). Die A. vertebralis entspringt beidseits aus der A. subclavia und vereint sich zur A. basilaris. Diese und die linke und die rechte A. carotis interna münden in den Circulus arteriosus cerebri (Willisii, Abb. 3.3). Arteriosklerotische Verengungen im Bereich der A. carotis communis, der A. vertebralis sowie ihrer distalen Äste können, insbesondere bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren (Anämie, Bradykardie) zu einer kritischen Unterschreitung einer suffizienten Hirndurchblutung mit ausrei-
chend oxygeniertem Blut führen und damit Anlass von Synkopen sein. Eine Besonderheit ist das SubclavianSteal-Phänomen. Bei einer hochgradigen Stenose der A. subclavia proximal des Vertebralisabganges kommt es zu einer Strömungsumkehr in der A. vertebralis (Abb. 3.4).
Insbesondere bei Arbeiten mit dem Arm der betreffenden Seite kann es beim Subclavian-Steal-Phänomen zu einer kritischen Einschränkung der Hirndurchblutung mit Synkopen kommen.
3.3.3 Synkopen bei Erkrankungen des Gehirns
LERNTIPP
3.3.2 Synkopen bei arterieller Durchblutungsstörung
81
Schließlich können eigentliche Hirnerkrankungen zu kurzen Bewusstseinsund Tonusverlusten führen: Epilepsie,
A. carotis interna A. carotis externa A. carotis communis dextra A. vertebralis Truncus thyrocervicalis
A. subclavia dextra
A. carotis externa A. carotis communis sinistra A. thyroidea ima (Variation 10%) Truncus brachiocephalicus A. subclavia sinistra Aortenbogen (Arcus aortae)
Truncus costocervicalis A. thoracica interna (Truncus thyrocervicalis auf Höhe d. A. thoracica interna)
Aorta thoracica
Abb. 3.2 Große Arterien im Bereich von Kopf und Hals
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Leitsymptome
A. communicans anterior A. cerebri anterior A. carotis interna
A. cerebri media
A. communicans posterior A. cerebri posterior
A. choroidea anterior
A. superior cerebelli A. basilaris
A. inferior anterior cerebelli
A. inferior posterior cerebelli A. vertebralis
82
Abb. 3.3 Gefäßversorgung des Gehirns: Arterien der Hirnbasis
A.basilaris A.vertebralis
Aa.carotis communis
A.subclavia Truncus brachiocephalicus
3.3.4 Seltene Ursachen von Synkopen Zur Erinnerung: Für die Intaktheit der zerebralen Funktion braucht es neben der Durchblutung auch Blut, das ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe enthält. Eine gestörte Oxygenierung des Blutes kann ebenso wie eine gestörte Nährstoffversorgung zu Synkopen führen: Hypoxie, Anämie, Hypoglykämie.
Verschluss Aorta
3.4 Ursachen von Synkopen Abb. 3.4 Subclavian-Steal-Phänomen
Narkolepsie, basiläre Migräne, Subarachnoidalblutung. Selten kann auch eine Verhaltensstörung zu einem scheinbaren oder tatsächlichen Bewusstseinsverlust mit Sturz führen und das klinische Bild einer Synkope bieten.
Die folgende Zusammenstellung gibt eine Übersicht über die möglichen Ursachen von Synkopen, geordnet nach dem im Vordergrund stehenden Pathomechanismus (Tab. 3.1). Häufig bedingt die Konvergenz verschiedener Mechanismen das klinische Bild der Synkope (Abb. 9.1).
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Synkope 7 8
6
2g
2 3
4
1 2h 5
2b
2f
2c 2e
2a 2d
1 gestörte Ventrikelentleerung: Aortenstenose hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie 2 verminderte Ventrikelfüllung: a orthostatische Dysregulation b pressorische Synkope c V. cava- Kompression d neurokardiogene Synkope e Volumenmangel f Perikardtamponade g Lungenembolie h Mitralstenose rythmogene Ursachen: 3 Bradykardie 4 Tachykardie 5 Pumpversagen: Myokardinfarkt fortgeschrittene Herzinsuffizienz 6 arteriell- vaskuläre Minderperfusion 7 Gehirnerkrankungen 8 psychogen
83
Abb. 3.5 Synopse der Synkopenursachen
Tabelle 3.1 Ursachen von Synkopen nach Häufigkeiten Pathomechanismus
häufig
weniger häufig
selten
Verminderung der linksventrikulären Auswurfleistung gestörte Ventrikelentleerung gestörte Ventrikelfüllung
n
hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
n
Aortenstenose
n
orthostatische Dysregulation
n
pressorische Synkope (Husten, Defäkation, Miktion)
n
Perikardtamponade
n
Polyneuropathie (Diabetes mellitus, Alkohol)
n
Vena cavaKompression (Gravidität)
n
Lungenembolie
n
neurokardiogene Synkope (synonym vasovagale Synkope)
n
Vorhofmyxom
n
Volumenmangel (Diurese, Schwitzen, Blutung)
n
Mitralstenose
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Leitsymptome Tabelle 3.1 Fortsetzung Pathomechanismus
häufig
weniger häufig
Bradykardien
n
Sick-Sinus-Syndrom
n
AV-Block höheren Grades
n
KarotissinusSyndrom
n
Medikamente (b-Blocker)
Tachykardien
selten
n
supraventrikuläre Tachykardie
n
ventrikuläre Tachykardie
84 Pumpversagen
n
Myokardinfarkt
fortgeschrittene Herzinsuffizienz
n
transitorisch ischämische Attacke
n
SubclavianSteal-Phänomen
n
Epilepsie
n
Narkolepsie
n
Migräne
n
Subarachnoidalblutung
arterielle Durchblutungsstörung
Hirnerkrankungen
3.5 Problemlösung 3.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Auf Ihre Nachfrage berichtet der Patient Folgendes: Während der ersten Bewusstlosigkeit stürzte er in der Küche. An den Sturz selbst kann sich Herr D. allerdings nicht erinnern, bis ummittelbar zuvor ging es ihm aber
gut. Seine Frau fand ihn, und kurz danach kam er wieder zu sich. Er war im Anschluss an die Bewusstlosigkeit ein wenig benommen, konnte sich aber mit seiner Frau unterhalten. Die Dauer der Bewusstlosigkeit schätzt Herr D. auf höchstens 1 oder 2 Minuten. Eingenässt hat er nicht, kein Stuhlabgang, kein Zungenbiss. Frau D. berichtet Ihnen, dass ihr Mann völlig regungslos dalag, als sie ihn fand, er hatte eine „dicke Beule“ am Kopf. Ansonsten erholte sich Paul D. schnell und vollständig von diesem Ereignis. Vor zwei Tagen stürzte er allerdings zum zweiten Mal. Auch an diesen Sturz kann er sich nicht erinnern. Er-
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Synkope
Differenzialdiagnostische Überlegungen Zusammengefasst handelt es sich bei einem bisher gesunden Mann um zweimalige Synkopen von kurzer Dauer. Keine erinnerlichen Prodromi, keine Auslöser. Der Sturz selbst ist nicht erinnerlich. Anschließend bestand Wohlbefinden. Die Vorgeschichte lässt an eine Bradykardie mit längerer Asystolie denken. Die orthostatische Dysregulation und die neurokardiogene Synkope sind oft an Auslöser gebunden und werden als drohender Kontrollverlust gespürt. Synkopen bei Störungen der ventrikulären Entleerung kommen überwiegend bei körperlicher Anstrengung vor. Gegen einen epileptischen Anfall sprechen die kurze Dauer der Bewusstlosigkeit, das anschließende Wohlbefinden und das Fehlen von Zungenbiss und Stuhlabgang.
Differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen bleibt aber noch eine kurzzeitige zerebrale Minderdurchblutung auf dem Boden einer bisher nicht bekannten Arteriosklerose. p Weiter auf S. 89 Allein aufgrund der Anamnese lässt sich bei den meisten Synkopen zumindest eine aussagekräftige Verdachtdiagnose formulieren. Hierfür müssen Sie Informationen zu vier Fragen sammeln: Wie war die Situation vor der Synkope? Wie war die Situation während der Synkope? Wie war die Situation nach der Synkope? Welche Vorerkrankungen und Risikofaktoren bestehen?
Oft wird man bei der Abklärung dieser Fragen auf die Angaben Dritter angewiesen sein. Deshalb muss frühzeitig geklärt werden, ob jemand die Synkope miterlebt hat und ob der Betreffende Angaben zu den Vorfällen machen kann.
85
LERNTIPP
neut fand ihn seine Frau, innerhalb von zwei Minuten war er wieder ansprechbar. Dennoch rief seine Frau den Notarzt. Als dieser eintraf, fühlte sich Herr D. wieder relativ wohl. Der Blutdruck lag bei 164/98 mmHg, der Puls bei 64/min. Der Notarzt wollte Ihren Patienten zur Kontrolle ins Krankenhaus einweisen, das lehnte Herr D. aber ab. Er fühlte sich nämlich „ansonsten gesund“. Die Vorgeschichte ist im Wesentlichen unauffällig. Bisher ist keine Herzerkrankung bekannt, keine Thoraxschmerzen, kein Herzrasen und keine Herzrhythmusstörungen. Auch Gefäßerkrankungen sind nicht bekannt, auch keine Erkrankungen des Gehirns. Bisher sind nie Ohnmachten oder Krampfanfälle aufgetreten. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. In der Jugend rauchte ihr Patient, dies ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall. Kein Alkoholabusus. Eine Vorsorgeuntersuchung wurde vor zwei Jahren durchgeführt. Damals waren Laborwerte und EKG normal, der Blutdruck leicht erhöht.
Situation vor der Synkope Was war vor der Synkope? Mit dieser Frage wird nach Prodromi (Vorzeichen, Frühsymptomen) gefahndet sowie nach möglichen Auslösern. Die Prodromi betreffen die Sekunden vor der Synkope, die möglichen Auslöser können Minuten bis Viertelstunden vor dem Ereignis liegen. Zunächst sollte man fragen: Können Sie sich erinnern, wie es zum Bewusstseinsverlust kam? Haben Sie eine Erinnerung an den Sturz? Haben Sie bemerkt, dass sich der Kontrollverlust ankündigt? Hatten Sie ein Kollapsgefühl oder ein drohendes Ohnmachtsgefühl? Übelkeit, Schwitzen, Schwarzwerden vor den Augen?
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Leitsymptome Schwäche in den Beinen, Schwindel, Ohrensausen? Luftnot, Angina pectoris? Diffuse vegetative Symptome wie Kältegefühl oder eine gastroenterologische Symptomatik? Folgende fremdanamnestisch zu stellende Fragen können der Klärung dienen: War etwas auffällig, der Patient z. B. blass oder schweißig? Wie sah der Sturz aus? Ist eine Intoxikation möglich? (Verdächtige Essensreste, Tabletten, Injektionskanülen) Die häufigen orthostatischen Synkopen, die neurokardiogenen Synkopen, die pressorischen Synkopen oder Synkopen bei Volumenmangel kündigen sich oft durch Prodromi an. Synkopen bei Bradykardien oder Asystolien treten völlig ohne Ankündigung auf, meistens auch Synkopen im Rahmen ausgeprägter Tachykardien. Allerdings wird bei tachykardiebedingten Synkopen unter Umständen ein vorausgehendes Herzrasen gespürt.
MERKE
86
Bestehen Anhaltspunkte für eine neurokardiogene Synkope : Schmerz, Stress, Schreck, Angst, Trauma, Injektion? Trat die Synkope bei körperlicher Belastung auf? (Aortenstenose, s. S. 79, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, s. S. 88) Oder speziell im Zusammenhang bei Tätigkeiten mit den Armen? (SubclavianSteal-Phänomen, s. S. 81 und Abb. 3.4). Besteht ein Verdacht auf eine Reizung der Barorezeptoren (Abb. 3.6): Kopfdrehung, Rasur? (Hypersensitiver Karotissinus) Trat der Bewusstseinsverlust im Liegen auf? (Vena cava-Syndrom während der Schwangerschaft). Bestanden Schmerzen? (als Hinweis auf einen Myokardinfarkt bei der seltenen Synkope im Rahmen eines Infarktes). Synkopen bei Bradykardien und Tachykardien treten meistens plötzlich auf aber unter Umständen geht eine Schwindelsymptomatik oder das Gefühl von Palpitationen voraus.
Häufig mit Prodromi: orthostatische, neurokardiogene und pressorische Synkopen oder Synkopen bei Volumenmangel Meist ohne Prodromi: Synkopen bei Bradykardien oder Asystolien
Dann sollte man direkt nach denkbaren Auslösern fragen: Können Sie sich vorstellen, wie es zu dem Bewusstseinsverlust gekommen ist? Gab es Auslöser für einen orthostatischen Kollaps? n Hitze, schlechte Luft, längeres Stehen? n Eine Exsikkose? Alkoholgenuss, heißes Bad? Sind Auslöser für eine pressorische Synkope („Situationssynkope“) erkennbar: Pressen beim Stuhlgang, bei der Miktion, beim Husten?
A. carotis externa
M. sternocleidomastoideus
A. carotis interna Glomus caroticum
A. carotis communis
Abb. 3.6 Lage des Glomus caroticum
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Synkope Situation während der Synkope Was war während der Synkope? Die nötigen Angaben, um sich ein Bild über die Situation während der Synkope machen zu können, müssen Sie fremdanamnestisch sammeln. Hier ist natürlich die wichtigste Frage: Hat jemand die Synkope beobachtet? Wenn ja, holen Sie vom Beobachter die folgenden Informationen ein: Wie lange dauerte die Synkope? Können Sie die Dauer exakt angeben? Die Dauer lässt nur bedingt Rückschlüsse auf die Ursache zu. Orthostatische, neurokardiogene und pressorische Synkopen sind meistens von kurzer Dauer. Kardiale Rhythmusstörungen sind möglicherweise ebenfalls rasch reversibel, länger anhaltende gravierende Tachykardien gehen dann in eine Schocksymptomatik über. Transitorisch ischämische Attacken können sowohl zu einer länger anhaltenden Bewusstlosigkeit als auch zu einer Bewusstseinstrübung führen. Schließlich will man wissen: Kam es während der Synkope zu unwillkürlichen Muskelkontraktionen?
Tonisch-klonische Krämpfe können natürlich Hinweis auf einen primären epileptischen Anfall sein, andererseits kann auch jede zerebrale Hypoxie sekundär dazu führen. Auch Zungenbiss, Stuhl- und Urinabgang kommen sowohl beim primären als auch beim sekundären epileptischen Anfall vor.
Situation nach der Synkope Was war nach der Synkope? Informationen, die sich auf diesen Zeitraum beziehen, sollten evtl. ebenfalls fremdanamnestisch eingeholt werden. Um die Frage zum Zustand nach der Synkope beantworten zu können, wird gefragt, woran sich der Patient nach dem Erwachen als erstes wieder erinnern kann. Und weiterhin: Waren Sie gleich wieder voll orientiert?
Bradykardiebedingte Synkopen sind oft gefolgt von prompt wieder vorhandenem klarem Bewusstsein. Nach dem orthostatischen Kollaps sowie bei neurokardiogenen und pressorischen Synkopen bestehen unter Umständen noch Schwindel und Benommenheit. In diesem Zusammenhang sollte man auch fragen, ob jemand während bzw. unmittelbar nach der Synkope den Puls oder den Blutdruck gemessen hat. Je nach dem zeitlichen Intervall zwischen Ereignis und Messung können aber sehr variable Werte bestimmt werden. Und unter Umständen ist es bereits reaktiv zu einem Blutdruckanstieg gekommen. Nach epileptischen Anfällen besteht unter Umständen eine Bewusstseinstrübung, häufig bestehen auch Kopfschmerzen und die Erholung nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch (postiktaler Dämmerzustand oder Schlaf). Und schließlich sollte natürlich immer nach Verletzungen gefragt werden. Bei orthostatischem Kollaps und bei neurokardiogenen Synkopen kommt es oft zu einem Zusammensacken ohne gravierende Verletzungen. Auch psychogene Ohnmachten sind meistens nicht mit gravierenden Verletzungen verbunden. Bradykardien, aber auch Tachykardien können zu einem plötzlichen Sturz mit großer Verletzungsgefahr führen. Das gleiche gilt für epileptische Anfälle.
87
Vorerkrankungen und Risikofaktoren Welche Vorkrankungen liegen vor? Diese Frage ist oft eine ganz entscheidende Hilfe bei der Diagnosefindung. Bei einem jungen, sonst gesunden Menschen, ist eine orthostatische Dysregulation wesentlich wahrscheinlicher die Ursache einer Synkope als bei einem 78-jährigen Mann mit einem Hypertonus, der bereits einmal einen Apoplex durchgemacht hat. Bei ihm ist eine kardiogene oder vaskuläre Ursache am wahrscheinlichsten. Fragen Sie im Hinblick auf Vorerkrankungen auch nach bereits durchgemachten Synkopen.
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Wiederholte Ohnmachten ohne gravierende Folgen sprechen beim jungen Menschen für eine orthostatische Dysregulation oder eine neurokardiogene Synkope.
Bei durchgemachtem Apoplex kann die Synkope Ausdruck einer erneuten Ischämie sein, aber auch Ausdruck einer symptomatischen Epilepsie.
MERKE
LERNTIPP
Leitsymptome
ZNS-Erkrankungen Die Befragung nach Vorerkrankungen betrifft dann folgende: kardiale Erkrankungen pulmonale Erkrankungen Gefäßerkrankungen und ZNS-Erkrankungen.
88
Holen Sie außerdem Informationen ein zu: Risikofaktoren Medikamenteneinnahme seelischen Belastungen und bisheriger Diagnostik und Therapie.
Kardiale Erkrankungen Liegt eine strukturelle Herzkrankheit vor? Nämlich: Eine koronare Herzkrankheit (s. S. 211), ein in der Vergangenheit durchgemachter Myokardinfarkt? Ein Vitium, eine hypertensive Herzkrankheit (s. S. 151), eine Kardiomyopathie? Bestehen pektanginöse Beschwerden (s. S. 29), Herzinsuffizienzbeschwerden? Schwindel? Herzrhythmusstörungen (s. S. 50)? Sind Bradykardien oder Tachykardien festgestellt worden?
Ist eine Erkrankung des Gehirns bekannt? Eine Epilepsie? Ein in der Vergangenheit durchgemachter Apoplex?
Risikofaktoren Bestehen Risikofaktoren für Herz- und Gefäßkrankheiten oder Herzrhythmusstörungen: Nikotinabusus, Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen, ein Diabetes mellitus? Besteht ein Alkoholabusus? Wurde ein Alkoholentzug durchgemacht? (Entzugsbedingter epileptischer Anfall)
Medikamenteneinnahme Welche Medikamente nehmen Sie ein? Antihypertensiva: b-Blocker, Calciumantagonisten, Diuretika? Nitrate? Besonders b-Blocker können Bradykardien unter Umständen erheblichen Ausmaßes verursachen. Die gleichzeitige Einnahme von Calciumantagonisten und Nitraten kann zu einem überschießenden Abfall des Blutdrucks führen. Besteht ein Benzodiazepin-Abusus?
Pulmonale Erkrankungen Sehr selten einmal kann eine pulmonal bedingte Hypoxie zu einer Synkope führen.
Hier können entzugsbedingt epileptische Anfälle auftreten.
Gefäßerkrankungen
Seelische Belastungen
Sind Gefäßerkrankungen bekannt? Eine PAVK (s. S. 126)? Bestehen Durchblutungsstörungen (s. S. 126)? Ist anamnestisch ein Apoplex bekannt? Sind bei dem Patienten (kurz dauernde) Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Sprachstörungen (Dysphasien) oder Sehstörungen (Doppelbilder, Amaurosis fugax) aufgetreten?
Bestehen seelische Belastungen? Bei unklarem Krankheitsbild sollte man immer auch an die Möglichkeit psychogener Ohnmachtsanfälle denken und nach möglichen Hinweisen suchen: Psychische Belastungen, durchgemachte Psychotherapien.
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Synkope Bisherige Diagnostik und Therapie Und zum Schluss wird bei wiederholten Synkopen gefragt, welche diagnostischen Bemühungen bisher zur Abklärung durchgeführt wurden, und ob bei wiederholten Synkopen therapeutische Maßnahmen eingeleitet wurden: Medikamente, Herzschrittmacher, Defibrillator.
3.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie einen Patienten in altersentsprechend gutem Allgemeinzustand und einem guten Ernährungszustand. Die Herzfrequenz im Sitzen beträgt 74/min., der Puls ist regelmäßig, der Blutdruck liegt bei 138/86 mmHg. Es bestehen keine Zyanose und keine Ödeme. Über den Lungen hören Sie ein vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche. Die Herztöne sind rein und leise, pathologische Geräusche hören Sie nicht. Die orientierende neurologische Untersuchung ist unauffällig. Die peripheren Pulse sind gut tastbar, Strömungsgeräusche bestehen nicht.
Die körperliche Untersuchung nach einer Synkope beginnt mit der Untersuchung des kardiovaskulären Systems : Messung der Herzfrequenz Bestimmung des Rhythmus (regelmäßig/arrhythmisch) Messung des Blutdrucks im Sitzen an beiden Armen. Eine Blutdruckdifferenz weist auf ein evtl. vorliegendes Subclavian-Steal-Phänomen hin. Es wird nach kardialen Insuffizienzzeichen gefahndet (pulmonale Stauung, periphere Ödeme), dann erfolgt die Auskultation des Herzens (s. S. 17): Wie sind die Herztöne, liegen pathologische Geräusche vor, besteht der Verdacht auf ein Vitium? An die Herzauskultation schließt sich die Untersuchung der peripheren Gefäße an (s. S. 22), insbesondere die Auskultation der Karotiden. Schließlich sollte eine orientierende neurologische Untersuchung durchgeführt werden. Bei Verdacht auf einen orthostatischen Kollaps sollte eine Testung der orthostatischen Regulation mittels des SchellongTests erfolgen.
89
3.6 Weitergehende Diagnostik
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die körperliche Untersuchung hat hier keine wesentlichen Erkenntnisse gebracht. Immerhin: Ein klinisch relevantes Vitium besteht offenbar nicht, eine Herzinsuffizienz liegt nicht vor, Hinweise für eine arterielle Verschlusskrankheit bestehen ebenfalls nicht. Die wahrscheinlichste Diagnose bleibt die bradykarde Herzrhythmusstörung.
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei Herrn D. ein Ruhe-EKG durch. Es zeigt sich ein Befund wie der auf Seite 90 dargestellte. Der EKGBefund und die Blutdruckwerte nach vorsichtiger Massage des Karotissinus entsprechen dem in Abb. 3.7 abgebildeten. Während der Testung kommt es zur Synkope. Das ebenfalls durchgeführte Langzeit-EKG ergibt einen im Wesentlichen unauffälligen Befund.
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Leitsymptome Beginn des Karotissinusdrucks
Ende
mmHg
EKG
180
Blutdruck A. femoralis
140 100 60
4,4s
Abb. 3.7 Befunddarstellung des Karotissinus-Syndroms (kardioinhibitorischer Typ): Ventrikelstillstand nach Karotissinusdruck und konsekutiver Blutdruckabfall mit Synkope
90
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der Verlauf während des Karotisdruckversuchs legt die Diagnose eines hypersensitiven Karotissinus nahe. Andere Ursachen, insbesondere bradykarde oder tachykarde Rhythmusstörungen sind damit natürlich nicht ausgeschlossen, allerdings spricht das unauffällige Langzeit-EKG eher gegen eine derartige Ursache.
Das Ausmaß der weitergehenden Untersuchungen richtet sich nach dem Ergebnis von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung. Die Diagnostik erfolgt dann stufenweise. Im Vordergrund steht die Fahndung nach kardialen Arrhythmien und nach Synkopen auf dem Boden einer orthostatischen Dysregulation sowie nach neurokardiogenen (vasovagalen Synkopen). Nachgeordnet werden bei entsprechenden Hinweisen eine neurologische Diagnostik und eine psychiatrische Diagnostik durchgeführt (Tab. 3.2).
Tabelle 3.2 Weitergehende Diagnostik bei Synkopen Untersuchung
Parameter
Interpretation
Frequenz, Rhythmus
Bradykardie, Tachykardie, SA-Blockierung, AV-Blockierung
Frequenz, Blutdruck
Bradykardie, Tachykardie, Hypotension
Arrhythmiediagnostik Ruhe-EKG Langzeit-EKG Belastungs-EKG externer Ereignisrekorder implantierbarer Ereignisrekorder Karotisdruckversuch
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Synkope Tabelle 3.2 Fortsetzung Untersuchung
Parameter
Interpretation
weitere kardiologische Diagnostik Echokardiographie
Kontraktilität, Herzhöhlen, Herzklappen
globale/umschriebene Motilitätsstörungen, Vitien, morphologische Veränderungen
pneumologische Diagnostik Lungenfunktionsprüfung
Lungenfunktion
respiratorische Insuffizienz
Diagnostik der hirnversorgenden Gefäße Dopplersonographie
Arterienwand
Stenosen
EEG
pathologische Muster
Epilepsie
CT
Hirnmorphologie
Raumforderung, Ischämie, Narben, symptomatische Epilepsie
Persönlichkeitsmerkmale, psychiatrische Erkrankungen
psychogene Synkope
Duplexsonographie neurologische Diagnostik
MRT
91
psychiatrische Diagnostik
MERKE
Anamnese
Der Karotisdruckversuch darf bei bestehenden Karotisstenose nicht durchgeführt werden!
Die wichtigsten Untersuchungen zur Aufdeckung kardialer Arrhythmien sind das Langzeit-EKG und das Belastungs-EKG sowie der Karotisdruckversuch. Mit der Echokardiographie wird nach strukturellen Herzerkrankungen gefahndet, insbesondere nach Motilitätsstörungen und Vitien. Wenn Anamnese und körperliche Untersuchung Anhalt für eine gravierende Lungenerkrankung geben, wird in dieser Richtung weiter gefahndet, allerdings ist die Synkope auf dem Boden einer pulmonal bedingten Hypoxämie eher selten. Die Labordiagnostik führt meistens nicht weiter.
Wenn die kardiologische Diagnostik nicht weiterführt und insbesondere, wenn Anhaltspunkte für eine neurologische Erkrankung bestehen, sollte mit bildgebenden Verfahren sowie mit dem EEG die Diagnostik intensiviert werden.
3.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Bei Ihrem Patienten kann bei dem positiven Ausfall des Karotisdruckversuches die Diagnose eines Karotissinus-Syndroms als gesichert angesehen werden.
Wegweisende Symptome und Befunde in der Synkopendiagnostik listet Tab. 3.3 auf.
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Leitsymptome Tabelle 3.3 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Verminderung der linksventrikulären Auswurfleistung n
gestörte Ventrikelentleerung
Aortenstenose
belastungsinduzierte Synkope
Auskultationsbefund, Echokardiographie
hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
Schwindel, belastungsinduzierte Synkope, Leistungsminderung, Thoraxschmerzen
Auskultationsbefund, Echokardiographie
n
gestörte Ventrikelfüllung
orthostatische Dysregulation
Auftreten bei Lageänderung, Schwarzwerden vor den Augen, Wärme, Schwitzen, Blutdruck q
typische Anamnese, klinisches Bild: schnelle Erholung im Liegen, Schellong-Test
Polyneuropathie
Auftreten bei Lageänderung, Schwarzwerden vor den Augen, Wärme, Schwitzen, evtl. Diabetes mellitus-Erkrankung
klinisches Bild, Schellong-Test
neurokardiogene Synkope
Initialstadium mit Blässe, Hyperhydrosis, Übelkeit, epigastrischen Beschwerden, häufig typischer Auslöser: Übernächtigung, langes Stehen, schlecht gelüftete Räume, Fasten, Rekonvaleszenzstadium
Umgebungsanamnese, rasche Besserung im Liegen, Kipptisch-Test
Volumenmangel
Schwarzwerden vor den Augen, Umstände
klinisch, orthostatischer Blutdruckabfall
pressorische Synkope
Umstände: Husten, Miktion, Defäkation, Lachen, Punktion oder kleinere medizinische Eingriffe. Peritoneale Reizung durch Trauma, Koliken, Erbrechen
Umgebungsanamnese, Provokation mit gleichzeitiger Blutdruckmessung, rasche Besserung nach Beseitigung der Ursache
Vena cavaKompression
Gravidität, Auftreten im Liegen
klinisches Bild
Perikardtamponade
Zeichen der oberen und unteren Einflussstauung, Auskultation: sehr leise Herztöne, Hypotonie
Echokardiographie
Sick-SinusSyndrom
alte Patienten, plötzliches Auftreten, intermittierend/ permanent, SA-Blockierung, Sinusknotenstillstand
EKG, fehlender Herzfrequenzanstieg unter Belastung und nach i. v.-Injektion von Atropin
AV-Block
ältere Patienten, plötzliches Auftreten
typisches EKG je nach Grad
92
n
Bradykardie
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Synkope Tabelle 3.3 Fortsetzung Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
KarotissinusSyndrom
Auftreten bei Kopfdrehung, Druck am Hals, Sinusknotenstillstand, AV-Blockierung wechselnder Grade, Asystolie
positiver Karotisdruckversuch = Asystolie i 3 sek (wenn dopplersonographisch Thrombosierung ausgeschlossen)
medikamentös
Medikamentenanamnese
Auslassversuch, EKG
ventrikuläre Tachykardie
bekannte schwere Herzerkrankung, unregelmäßige Pulsationen der Halsvenen
EKG
paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie
rezidivierendes Herzrasen, evtl. Terminierung durch KarotissinusMassage
EKG
n
n
Tachykardie
93
Synkope bei Pumpversagen
Myokardinfarkt
Angina pectoris, Thoraxschmerzen, evtl. in Arm und Unterkiefer ausstrahlend
EKG, Troponin I und T
fortgeschrittene Herzinsuffizienz
bekannte Herzinsuffizienz
Echokardiographie
arterielle Durchblutungsstörung Subclavian-StealSyndrom
Blutdruckdifferenz zwischen linkem und rechtem Arm
Doppleruntersuchung, Angiographie
transitorischischämische Attacke
ältere Patienten, Strömungsgeräusch
klinisches Bild, Doppleruntersuchung der A. carotis
Synkope bei Erkrankungen des Gehirns Epilepsie
tonisch-klonische Krämpfe
EEG
Narkolepsie
erhöhte Tagesschläfrigkeit; Kataplexie (Tonusverlust), Schlaflähmung; hypnagoge Halluzination (optisch/akustisch im Halbschlaf, beim Aufwachen oder Einschlafen), fragmentierter Nachtschlaf, automatisches Verhalten (Fremdanamnese)
Polysomographie (elektrophysiologische Untersuchung im Schlaflabor): frühe REM-Phasen, häufiger Stadienwechsel
psychogen
Umstände
Ausschluss anderer Ursachen, psychiatrische Untersuchung
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Leitsymptome 3.7.1 Therapieansätze Ebenso heterogen wie die Ursachen einer Synkope sind natürlich auch die therapeutischen Versuche (Tab. 3.4).
Bei Störungen der Ventrikelentleerung muss immer die Möglichkeit einer operativen Sanierung in Erwägung gezogen werden. Ansonsten, insbesondere bei der hypertrophen obstruktiven Kardiomyo-
Tabelle 3.4 Therapie der Synkope Erkrankung
Therapie
Verminderung der linksventrikulären Auswurfleistung n
gestörte Ventrikelentleerung
Aortenstenose
n n
n n
94
hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
n
Prophylaxe einer bakteriellen Endokarditis asymptomatische Patienten mit leichter AS: körperlich aktiv bleiben symptomatische Patienten: körperliche Schonung Operation bei manifester Linksherzinsuffizienz
konservativ: b-Blocker oder Calciumantagonisten (Verapamil-Typ) interventionell: n Schrittmacher, Kardioverter-Defibrillator, perkutane transluminale septale Myokardablation operativ: n Herztransplantation n
gestörte Ventrikelfüllung
orthostatische Dysregulation
Allgemeinmaßnahmen: Trinkmenge erhöhen n Sport n Hydrotherapie medikamentös: n Sympathomimetika n Dihydroergotamin n Mineralokortikoide
Polyneuropathie
schlecht behandelbar, symptomatisch
neurokardiogene Synkope
Auslöser meiden
Volumenmangel
Volumensubstitution
pressorische Synkope
Meiden des Auslösers
Vena cava-Kompression
Schlaf in Seitenlage
Perikardtamponade
Therapie der Ursache
n
n
Bradykardie
Sick-Sinus-Syndrom
Schrittmacher bei symptomatischer Bradykardie
AV-Block Karotissinus-Syndrom medikamentös
Absetzen des Medikamentes
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Synkope Tabelle 3.4 Fortsetzung Erkrankung n
Therapie
Tachykardie
ventrikuläre Tachykardie
implantierbarer Defibrillator
paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie
Antiarrhythmika
n
Pumpversagen
Myokardinfarkt
Therapie von Komplikationen(Rhythmusstörungen, Linksherzinsuffizienz) Heparin, ASS, Opiate Revaskularisierung (PTCA, Operation)
arterielle Durchblutungsstörung
95
Subclavian-Steal-Syndrom
Operation
transitorisch-ischämische Attacke
ASS, Marcumar, Revaskularisierung
Erkrankungen des Gehirns Epilepsie
antiepileptische Behandlung
Narkolepsie
gezielte Schlafpausen nach einem Schlafprotokoll, medikamentös: Methylphenidat, Modafinil, evtl. auch MAO-Hemmer, REM-assoziierte Symptome: trizyklische Antidepressiva
psychogene Synkopen
Aufklärung über das Krankheitsbild, Psychotherapie
pathie, wird man sich auf eine Behandlung der Komplikationen beschränken müssen. Bei der großen Gruppe der Synkopen, die durch ein Versacken des Blutes in die venösen Kapazitätsgefäße der entscheidende Pathomechanismus ist, wird man sich meistens auf Allgemeinmaßnahmen beschränken sowie mögliche Auslöser meiden. Ausgeprägte Bradykardien werden durch die Implantation eines Herzschrittmachers behandelt. Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien kann man u. U. gut medikamentös behandeln. Ventrikuläre Tachykardien, wie sie bei gravierenden Herzkrankheiten gesehen werden, erfordern u. U. die Implantation eines Defibrillators.
Bei arteriellen zerebralen Durchblutungsstörungen steht im Vordergrund die Verhinderung des Progresses, außerdem werden Thrombozytenaggregationshemmer und Marcumar gegeben. Gelegentlich kann eine Revaskularisierungsmaßnahme, operativ oder semioperativ, notwendig sein.
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Leitsymptome mendes „Wasser in den Beinen“. Die Beschwerden, die zuvor gering ausgeprägt waren, haben in der letzten Zeit deutlich zugenommen. Frau F. hat bemerkt, dass ihr das Anziehen ihrer Schuhe Probleme bereitet, so stark sind ihre Füße angeschwollen.
4 Ödeme 4.1 Begriffe
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Ödem : Schmerzlose, nicht gerötete Schwellung, die durch eine pathologische Flüssigkeitsansammlung im Interstitium entsteht. Phlebödem : Vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Interstitium aufgrund eines gestörten venösen Abflusses. Lymphödem: Vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Interstitium aufgrund eines gestörten Lymphabflusses. Anasarka : Massive, generalisierte, den gesamten Körper betreffende Ödembildung (Anasarka, griechisch: „überall um die Haut herum“). Angioödem: Ödematöse Schwellung der tieferen Dermisschichten und der Subcutis. Urtikaria : Ödematöse Schwellung der oberen Dermis. Lipödem : Unterhautfettvermehrung, die symmetrisch an den Extremitäten auftritt, mit zusätzlicher orthostatischer Ödembildung und Hyperlipoproteinämie. Myxödem : Pathologische Einlagerung von Mukopolysacchariden in der Haut, im Unterhautgewebe und im Muskelgewebe v. a. bei Hypothyreose.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Eine Wasseransammlung in den Beinen muss an sehr viele Ursachen denken lassen. Eine der häufigsten Ursachen beim älteren Menschen ist die Rechtsherzinsuffizienz. Besonders bei Frauen findet man häufig auch Ödeme auf dem Boden einer venösen Abflussstörung. Deutlich weniger häufig sind Lymphödeme, Ödeme bei Nieren-, Leber- und gastrointestinalen Erkrankungen. Außerdem muss eine ganze Reihe seltener Ödemursachen berücksichtigt werden. p Weiter auf S. 101
Generalisierte Ödeme sind meistens Ausdruck eines pathologischen Prozesses. Sie können das führende Symptom einer Herzinsuffizienz sein, einer Nierenerkrankung und einer Lebererkrankung. Lokalisierte Ödeme der unteren Extremitäten kommen bei harmlosen und gravierenden Erkrankungen mit Stauung des venösen oder lymphatischen Abflusses vor. Umschriebene Ödeme, oft im Bereich des Kopfes, sieht man bei immunologisch vermittelten entzündlichen Reaktionen. Da Ödeme zum einen als lästig und unangenehm empfunden werden und zum anderen auch Ausdruck einer gravierenden Grunderkrankung sein können, müssen sie immer abgeklärt werden.
4.2 Problemstellung 4.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Fallbeispiel Bericht der Patientin In Ihrer Praxis stellt sich die 68-jährige Gerda F. vor. Sie berichtet über zuneh-
Die Flüssigkeitsverteilung zwischen Kapillarlumen, Interstitium und Lymphabfluss steht beim Gesunden in einem Gleichgewicht. Die interstitielle Flüssigkeitsmenge bleibt innerhalb gewisser physiologischer Grenzen konstant (Abb. 4.1). Das Gleichge-
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Ödeme Blut: Wasser, Proteine, Elektrolyte Arteriole Druck 32 mm Hg
Venole Druck 12 mm Hg
Interstitium
Lymphgefäß
Abb. 4.1 Flüssigkeitsverteilung zwischen kapillärem Gefäßbett, Interstitium und Lymphe
wicht besteht zwischen der Menge an Flüssigkeit, Ionen und Proteinen, die das Kapillarlumen verlassen, und der Menge der zurücktransportierten Stoffe. Auf dem venösen Schenkel werden vor allem die kleinen Moleküle rückresorbiert, über die Lymphgefäße die Proteine. Wenn die Flüssigkeitsmenge im Interstitium über das normale Maß hinaus zunimmt, kommt es zum klinischen Bild des Ödems. Zu einer interstitiellen Flüssigkeitsvermehrung kommt es – allgemein gesprochen – bei: Zunahme des kapillären Drucks Zunahme der Kapillarpermeabilität Abnahme des onkotischen Drucks im Kapillarblut und Verminderung des Lymphabflusses. Zwei Ödemformen, die primär durch eine Fettvermehrung bzw. eine Einlagerung von Mukopolysacchariden gekennzeichnet sind, sind das Lipödem bzw. das Myxödem.
4.3.1 Ödeme bei Erhöhung des Kapillardrucks Der häufigste Pathomechanismus einer Ödembildung ist die Erhöhung des kapillären Drucks auf dem Boden einer Wasser-
retention oder eines gestörten venösen Abflusses. Bei der Rechtsherzinsuffizienz kommt es ausgehend von der Abnahme des Herzminutenvolumens auf drei Wegen zur Ödembildung: Durch die Abnahme des zirkulierenden Blutvolumens bei einer Zunahme des totalen Blutvolumens kommt es zu einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems (RAAS) und einer vermehrten Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH). Aus beidem resultiert eine Natrium- und Wasserretention. Die Verminderung des renalen Plasmaflusses bedingt eine Abnahme des Glomerumfiltrats und eine Natrium- und Wasserretention. Durch das kardiale Rückwärtsversagen kommt es zu einem Anstieg des hydrostatischen intravasalen Drucks (venöse Hypertonie).
97
Bei der Niereninsuffizienz im Stadium der dekompensierten Retention kommt es häufig zu einer Natrium- und Wasserretention mit ebenfalls unter Umständen ausgeprägter Ödembildung. Eine Störung des venösen Abflusses führt zu einer Drucksteigerung im Kapillarbett und einer Verschiebung der Flüssigkeitsverteilung in Richtung Interstitium. Häufige Ursachen sind die chronisch venöse Insuffizienz, die tiefe Beinvenenthrombose (Abb. 4.2) und das postthrombotische Syndrom. Seltener sind Kompressionen der Vene von außen, zum Beispiel durch Tumore. Schließlich können Medikamente über eine Wasserretention zu einem erhöhten Druck im Kapillarbett führen. Scheinbar paradoxerweise tritt dies auch bei chronischer Einnahme von Diuretika auf, oft bei jungen Frauen, die durch die Diuretikaeinnahme eine Gewichtsreduktion erreichen wollen. Zunächst kommt es zum gewünschten Effekt einer vermehrten Wasserausscheidung, später aber oft zu einer verminderten Wirkung und Stimulierung des RAAS mit konsekutiver Natrium- und Wasserretention. Auch ein ab-
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Leitsymptome
Abb. 4.3 Beginnendes Erysipel am rechten Fuß mit lymphogener Ausweitung auf die Wade, Eintrittspforte ist eine Zwischenzehenmykose
4.3.3 Ödeme bei Erniedrigung des onkotischen Drucks
98
Abb. 4.2 Tiefe Beinvenenthrombose: Schwellung und Zyanose des linken Beins
ruptes Absetzen von Diuretika kann eine erhebliche Flüssigkeitsretention zur Folge haben (Rebound-Effekt).
4.3.2 Ödeme bei erhöhter Kapillarpermeabilität Die erhöhte Kapillarpermeabilität ist Ursache der entzündlichen Ödeme, sei es auf dem Boden eines bakteriellen Infektes (Erysipel, Abb. 4.3), sei es bei einer abakteriellen, immunologisch vermittelten entzündlichen Reaktion (Angioödem, Urtikaria). Beim Diabetes mellitus und bei der akuten Glomerulonephritis kann es zu einer generalisierten Erhöhung der kapillaren Permeabilität mit daraus folgender Ödemneigung kommen. Schließlich können auch Medikamente über diesen Mechanismus zu Ödemen führen (z. B. Calciumantagonisten).
Eine Verminderung der Plasmaproteinkonzentration bewirkt eine Erniedrigung des onkotischen Drucks und führt ab einem gewissen Grad regelhaft zum Austritt von Flüssigkeit in das Interstitium. Ursachen sind: Eiweißverlust (nephrotisches Syndrom, Abb. 4.4, exsudative Enteropathie) verminderte Eiweißsynthese (Leberzirrhose) verminderte Resorption (Malabsorptionssyndrom) oder verminderte Zufuhr (Malnutrition).
Abb. 4.4 Lidödeme beim nephrotischen Syndrom
4.3.4 Ödeme bei Störung des Lymphabflusses Das funktionsfähige Lymphsystem ist Voraussetzung für den Abfluss der interstitiellen Flüssigkeit. Jede Störung kann zu einer Flüssigkeitsvermehrung mit dem klinischen Bild des Lymphödems führen (Abb. 4.5). Häufige Ursachen sind Operationen mit Lymphadenektomie, Z. n. Radiatio, aber
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Ödeme 4.3.6 Myxödem Auch das Myxödem ist kein Ödem im eigentlichen Sinne. Eine vermehrte Einlagerung hydrophiler Mukopolysaccharide ins Interstitium führt beim Myxödem (Abb. 4.6) zu einer verminderten lymphatischen Drainage. Es kommt bei der Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) vor, selten ist es ein Symptom der Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) beim Morbus Basedow. Abb. 4.5 Primäres Lymphödem beider Beine, das nie behandelt wurde
auch maligne Tumorinfiltrationen von Lymphgefäßen oder Lymphknoten. Außerdem können Tumore von außen die Lymphgefäße komprimieren. Eine rezidivierende Lymphadenitis, z. B. bei wiederholt auftretendem Erysipel, führt ebenfalls häufig zu ausgeprägten Lymphödemen. Seltener ist das primäre Lymphödem, dem angeborene Störungen des Lymphabflusses zu Grunde liegen.
Abb. 4.6 Prätibiales Myxödem
4.3.5 Lipödem
4.4 Ursachen von Ödemen
Das Lipödem ist kein Ödem im eigentlichen Sinne. Es ist gekennzeichnet durch eine progrediente, symmetrische Unterhautfettvermehrung, meistens der unteren Extremitäten. Sekundär kommt es zu einer orthostatisch bedingten Ödembildung. Das Lipödem tritt vor allem bei Frauen auf.
Eine vermehrte Wassereinlagerung sieht man physiologischerweise während der Gravidität und zyklusabhängig (prämenstruell). Die häufigsten Ursachen pathologischer Ödeme sind die Herzinsuffizienz als Endzustand zahlreicher Herzerkrankungen und venöse Abflussstörungen. Weniger häufig findet man Lymphabflussstörungen, Nierenerkrankungen, Lebererkrankungen oder andere Ursachen (Tab. 4.1). Zu den seltenen Ursachen von Ödemen gehören die Ödeme beim enteralen Eiweißverlust.
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Leitsymptome Tabelle 4.1 Ursachen von Ödemen nach Häufigkeiten
Herzinsuffizienz
häufig
weniger häufig
selten
KHK
Myokarditis
Vitien
tiefe Beinvenenthrombose
Einflussstauung (Kompression durch Tumor)
hypertensive Herzkrankheit Kardiomyopathie venöse Abflussstörung
chronisch venöse Insuffizienz
postthrombotisches Syndrom Lymphabflussstörung
primäres Lymphödem
Nierenerkrankungen
nephrotisches Syndrom
sekundäres Lymphödem (postoperativ, Radiatio, nach wiederholten Erysipelen)
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akute Glomerulonephrits chronische Glomerulonephritis Niereninsuffizienz
Lebererkrankungen
Zirrhose
gastrointestinale Erkrankungen
Diabetes mellitus
exsudative Enteropathie, Malabsorption Malnutrition
hormonelle Ursachen
Gravidität (physiologisch)
Hyperaldosteronismus
zyklusabhängig (physiologisch) bakteriell entzündlich
Erysipel (s. Abb. 4.3)
allergisch
Urtikaria (s. Abb. 4.8) Quincke-Ödem (s. Abb. 4.7)
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Ödeme Tabelle 4.1 Fortsetzung häufig
weniger häufig
Medikamente
Calciumantagonisten, nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Sexualhormone (Kontrazeption), Steroidhormone, Antihypertensiva Hydralazine, a-Methyldopa und Minoxidil sowie Phenylbutazon
idiopathisch
idiopathisch: kein Grund erkennbar
4.5 Problemlösung 4.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Im Anamnesegespräch sammeln Sie weitere Informationen: Frau F. waren im Laufe des letzten Jahres leichte Ödeme am Fußrücken aufgefallen, diese beeinträchtigten sie aber nicht weiter. In den letzten Wochen nahmen die Ödeme ständig zu, was sich auch in einer Gewichtszunahme ausdrückte. Frau F. wundert sich etwas darüber, denn eigentlich hat sie wenig Appetit und isst weniger als in der Vergangenheit. Zu den Vorerkrankungen Ihrer Patientin erfahren Sie, dass ein langjähriger Hypertonus besteht, der in der Vergangenheit medikamentös behandelt wurde. Nach der Normalisierung der Blutdruckwerte nahm die Patientin die Tabletten aber nicht länger ein. Frau F. gibt an, seit Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen zu sein. Eine Herzerkrankung ist bisher nicht bekannt, aber sie ist schon seit Jahren nicht mehr gut be-
selten
lastbar und bekommt beim Treppensteigen schnell Luftnot. Pektanginöse Beschwerden oder Rhythmusstörungen traten nicht auf. Auf Ihre gezielte Nachfrage gibt Frau F. an, dass sie vor vielen Jahren eine beidseitige Krampfaderoperation hatte. Postoperativ ging es der Patientin gut, Ödeme traten zunächst nicht auf. Erkrankungen der Leber oder der Nieren sind nicht bekannt, es besteht keine Diarrhö, eher eine Neigung zur Obstipation. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme.
101
Differenzialdiagnostische Überlegungen Weiterhin wichtigste Differenzialdiagnose ist die Herzinsuffizienz, am ehesten auf dem Boden einer hypertensiven Herzerkrankung. Differenzialdiagnostisch muss natürlich auch die möglicherweise vorhandene chronisch venöse Insuffizienz berücksichtigt werden. p Weiter auf S. 105
Die Ursache der meisten Ödeme lässt sich aufgrund der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung feststellen. Im Folgenden wird eine systematische und strukturierte Übersicht über das Vorgehen bei einem Patienten mit Ödemen gegeben. In der Regel wird in der Praxis weniger
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Leitsymptome
Lokalisation Zunächst interessiert natürlich, wo die Schwellung aufgetreten ist. Meistens haben die Betroffenen schon spontan berichtet: „Meine Beine sind so dick“, oder: „Ich habe Wasser in den Beinen“, oder aber auch: „Mein linkes Bein ist angeschwollen.“ Eine mögliche Einteilung nach der Lokalisation ist Folgende: beidseitige Fuß-, Unterschenkel- und Oberschenkelödeme einseitige Fuß-, Unterschenkel- und Oberschenkelödeme Ödeme von Gesicht, Lippe, Lidern und Ödeme anderer Lokalisation: Arme, Oberkörper, generalisiert („überall“)
Beidseitige Fuß-, Unterschenkelund Oberschenkelödeme Beidseitige Knöchel- und Unterschenkelödeme, die sich im Laufe der Erkrankung bis auf die Oberschenkel erstrecken können, sprechen für eine Wasserretention, meistens bei einer kardialen Ursache. Bei jungen Menschen liegt oft auch eine leichte Bindegewebsschwäche vor. Seltenere Ursachen sind die präterminale Nie-
reninsuffizienz und die Ödeme bei erniedrigtem onkotischem Druck. Sehr selten ist ein im Becken lokalisiertes venöses oder lymphatisches Abflusshindernis die Ursache. Das Lipödem betrifft die gesamte Extremität, das Myxödem ist prätibial lokalisiert.
Einseitige Fuß-, Unterschenkel- und Oberschenkelödeme Einseitige Knöchel- und Unterschenkelödeme sprechen für eine venöse oder eine lymphatische Abflussstörung. Lymphödeme beziehen die Zehen mit ein. Bei ausgeprägten Formen kann das gesamte Bein betroffen sein.
Ödeme von Gesicht, Lippe, Lidern Umschriebenen Schwellungen im Gesicht liegen meistens immunologische Prozesse zugrunde: Urtikaria, Angioödem, Allergie. Typisch ist allerdings auch die Lidschwellung beim nephrotischen Syndrom, die dann aber nicht isoliert, sondern zusammen mit Unterschenkelödemen auftritt.
Ödeme anderer Lokalisation Ausgeprägte Ödeme einzelner Regionen (Kopf/Arm) sind meistens Folge einer venösen Kompression oder auch einer Thrombose in diesem Bereich, und Folge von Lymphabflussstörungen. Schwellungen, die „überall “ beschrieben werden, lassen an ein großes Spektrum von Differenzialdiagnosen denken, natürlich an alle Formen einer Wasserretention, an Eiweißmangelödeme, aber auch an zyklusabhängige vermehrte Wassereinlagerungen.
Ursachen generalisierter Ödeme: Herzinsuffizienz Leberzirrhose Medikamente Malabsorption Eiweißverlust Nierenerkrankungen: Nephritis nephrotisches Syndrom Niereninsuffizienz zyklusabhängig
LERNTIPP
102
systematisch, sondern pragmatischer und zielgerichteter vorgegangen. Zum einen berücksichtigt man bei unterschiedlichen Patienten natürlich verschiedene Differenzialdiagnosen: Bei einer jungen Frau, die im Hochsommer über geschwollene Knöchel klagt, berücksichtigt man ein anderes Spektrum als bei einem alten Mann, der seit Wochen unter zunehmenden Unterschenkelödemen leidet. Zum anderen wird man während der Anamnese frühzeitig einen Blick auf die Schwellung werfen. Damit lässt sich die weitere Anamneseerhebung oft drastisch abkürzen. Sammeln Sie in der Anamneseerhebung Informationen zum Ödem, die folgende Aspekte berücksichtigen: Lokalisation zeitlicher Verlauf Vorerkrankungen und vorausgegangene Diagnostik.
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Ödeme Zeitlicher Verlauf Bei jedem Ödem muss zur näheren differenzialdiagnostischen Eingrenzung natürlich der zeitliche Verlauf erfragt werden: Seit wann besteht das Ödem? Tage, Wochen, Monate? Wann tritt das Ödem auf: In den warmen Monaten? Besonders morgens oder abends? Nach langem Sitzen, Stehen? Zyklusabhängig? Wie oft tritt das Ödem auf: Dauernd, gelegentlich, selten? Wie ist der Verlauf: Progredient, gleich bleibend, intermittierend (zwischenzeitlich nachlassend)?
MERKE
Kardiale Ödeme entwickeln sich meistens langsam progredient. Oft kamen ähnliche Episoden bei den Patienten in der Vergangenheit bereits mehrfach vor. Ödeme bei erniedrigtem onkotischen Druck, bei Leberzirrhose, nephrotischem Syndrom oder Eiweißverlust entwickeln sich unter Umständen relativ rasch und sind progredient.
Bei der Leberzirrhose werden die Ödeme vom Betroffenen manchmal über relativ lange Zeiträume toleriert, ohne dass ein Arzt aufgesucht wird.
Die chronisch venöse Insuffizienz (s. S. 116) ist meistens ein langsam progredientes Leiden mit einem dementsprechenden Verlauf der Unterschenkelschwellung. Häufig sind die Beschwerden morgens gering, abends dann stärker. Die tiefe Beinvenenthrombose (s. S. 114) ist ein akutes, meist alarmierend empfundenes Ereignis mit innerhalb von Stunden einsetzender klinischer Symptomatik. Das postthrombotische Syndrom entwickelt sich über Monate und Jahre nach einer Thrombose. Lymphabflussstörungen sind häufig speziellen Ereignissen zuzuordnen, wie Operation, Radiatio oder Erysipel und entwickeln sich über längere Zeiträume. Sie
Abb. 4.7 Quincke-Ödem der Zunge
zeigen kaum eine Rückbildungstendenz über Nacht. Die gut umschriebenen Ödeme bei Urtikaria (s. Abb. 4.8) oder beim Quincke-Ödem (Abb. 4.7) entwickeln sich innerhalb von Minuten bis Viertelstunden. Die milden Knöchelödeme, die oft bei Frauen ohne Grunderkrankung auftreten, haben häufig eine lange Vorgeschichte und treten bevorzugt in den warmen Monaten auf, oft nach längerem Stehen. Morgens sind diese Beschwerden meistens deutlich geringer ausgeprägt oder die Ödeme sind komplett zurückgebildet. Die Schwellungen nehmen dann im Laufe des Tages wieder zu. Aufgrund der Umstände (Alter, Gesamteindruck), der Lokalisation der Ödeme und dem zeitlichen Verlauf kann meistens eine orientierende Verdachtsdiagnose gestellt werden. Im Hinblick auf diese wird dann die Anamnese vertieft.
103
Vorerkrankungen Bei Verdacht auf eine kardiale Ursache sollte nach möglichen Grunderkrankungen gefragt werden: Ist eine Herzerkrankung bekannt? n Eine KHK (s. S. 211)? n Wurde in der Vergangenheit ein Herzinfarkt (s. S. 29) durchgemacht? n Besteht ein Hypertonus (s. S. 151), ein Herzklappenfehler (s. S. 21) oder eine Herzmuskelerkrankung (s. S. 60)? Bestehen weitere Symptome, die an eine Herzkrankheit denken lassen:
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Leitsymptome Tabelle 4.2 Herzinsuffizienzscore der Framingham-Studie Majorkriterien
Minorkriterien
nächtliche Dyspnoe, Orthopnoe
Belastungsdyspnoe
Halsvenenstauung
nächtlicher Husten
pulmonal: feuchte Rasselgeräusche
Pleuraerguss
Kardiomegalie
Hepatomegalie
Lungenödem
Knöchelödeme
dritter Herzton
Tachykardie i 120/min
hoher zentralvenöser Druck (ZVD, i 16 cm Wassersäule)
Vitalkapazität vermindert i 1/3
hepatojugulärer Reflux Die Diagnose ist wahrscheinlich bei j 2 Major- oder j1 Major- und 2 Minorkriterien
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Herzrasen, Herzrhythmusstörungen (s. S. 50), Luftnot, pektanginöse Beschwerden (s. S. 28)?
LERNTIPP
Eine Möglichkeit, die Diagnose einer Herzinsuffizienz klinisch zu überprüfen, bietet der Herzinsuffizienz-Score der Framingham Studie (Tab. 4.2). Die Diagnose ist wahrscheinlich bei j 2 Major- oder j 1 Major- und 2 Minorkriterien. Bei Verdacht auf Eiweißmangelödeme (generalisiert, auch Gesicht, Lider) wird nach Nieren-, Leber- und gastrointestinalen Erkrankungen gefragt: Besteht eine eingeschränkte Nierenfunktion? Ein Diabetes mellitus?
Bei Diabetikern auftretende Ödeme können einerseits bei einer Glomerulosklerose mit nephrotischem Syndrom entstehen, andererseits auch ohne Hypoproteinämie durch eine erhöhte Durchlässigkeit der Kapillaren.
Wurde ein Streptokokkeninfekt durchgemacht? (akute Glomerulonephritis) Ist eine Lebererkrankung bekannt? Eine chronische Hepatitis?
Ein Alkoholabusus? Bestehen Durchfall oder Gewichtsverlust? Wurde in der Vergangenheit eine Darmoperation durchgeführt? Bei Verdacht auf eine venöse Abflussstörung wird nach Varizen (s. S. 114) gefragt sowie nach vorausgegangenen möglichen Thrombophlebitiden (s. S. 114). Bei einer akut auftretenden Unterschenkelschwellung ist die wichtigste Differenzialdiagnose die tiefe Beinvenenthrombose (s. S. 121). Umstände, die diese begünstigen, sind: Immobilisierung eines Beins Bettlägerigkeit Operationen Entbindung Tumorerkrankungen bereits durchgemachte Thrombosen und chronisch venöse Insuffizienz. Bei Verdacht auf ein Lymphödem wird nach möglichen Auslösern gefragt: Erysipel, Tumor und Operation im Abflussgebiet, Radiatio. Bei Verdacht auf eine Urtikaria (Abb. 4.8) oder ein Quincke-Ödem (s. Abb. 4.7) wird nach möglichen Auslösern gefragt:
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Ödeme
Abb. 4.8 Urtikaria am Rumpf
Medikamente, bekannte Nahrungsmittelallergien (Nüsse, Südfrüchte, Gewürze) Auch bei Unterschenkelödemen sollte immer nach den vom Patienten eingenommenen Medikamenten gefragt werden, besonders: Antihypertensiva: Calciumantagonisten, Hydralazine, a-Methyldopa und Minoxidil, nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Sexualhormone (Kontrazeption), Steroidhormone, Phenylbutazon.
Vorausgegangene Diagnostik Wenn sich aus der gezielten Anamnese weitere Hinweise ergeben, wird nach der bereits durchgeführten Diagnostik und deren Ergebnis gefragt: Diagnostik im Hinblick auf Herz-, Nieren-, Leber- oder Darmerkrankungen, venöse Doppleruntersuchung, Phlebographie.
ödeme sowie Ödeme der Unterschenkel, die bis zu den Knien reichen (Abb. 4.9). Die Ödeme persistieren nach dem Eindrücken über längere Zeit. Die Haut ist nicht im Sinne einer Stauungsdermatose verändert, ausgeprägte Varizen sehen Sie nicht. Die Untersuchung des Kopfes ist unauffällig. Am Hals sehen Sie im Liegen kräftige Jugularvenen, die auch in halbsitzender Position noch gut gefüllt sind. Über den Lungen hören Sie ein vesikuläres Atemgeräusch und basal diskret feuchte, feinblasige Rasselgeräusche. Die Herztöne sind leise, es besteht ein 1/6 Systolikum mit Punctum maximum über der Mitralklappe. Die Herzfrequenz liegt bei 96/min, der Blutdruck bei 162/98 mmHg. Das Abdomen ist adipös und etwas gebläht, eine palpatorische Feinbeurteilung der Abdominalorgane ist nicht möglich.
105
Differenzialdiagnostische Überlegungen In Anamnese und körperlicher Untersuchung haben Sie periphere Ödeme, eine Halsvenenstauung und basal diskrete feuchte, feinblasige Rasselgeräusche, die auf eine pulmonale Stauung schließen lassen, festgestellt. Die Befunde sprechen für eine Herzinsuffizienz, zu der auch die festgestellte Hypertonie beitragen könnte. p Weiter auf S. 108
4.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Frau F. ist eine adipöse Patientin in einem reduzierten Allgemeinzustand. Als sich die Patientin entkleidet, bemerken Sie bei ihr eine leichte Dyspnoe. Es bestehen ausgeprägte weiche, eindrückbare Fußrücken- und Knöchel-
Abb. 4.9 Inspektion: Ödeme an Fußrücken und Unterschenkel, die nach dem Eindrücken über längere Zeit persistieren
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Leitsymptome Bei der körperlichen Untersuchung wird mit dem Leitsymptom, das den Patienten zu Ihnen führt, begonnen. Zuerst erfolgen die Inspektion und meistens gleichzeitig die Palpation des Befundes. Stellen Sie sich dabei folgende Fragen: Liegt ein Ödem vor oder besteht eine Adipositas? Wo ist das Ödem lokalisiert? Wie ausgedehnt und ausgeprägt ist es? Finden sich weitere Flüssigkeitsansammlungen?
106
Bei Unterschenkelödemen werden Ausmaß und Konsistenz sehr genau erfasst: Ist das Ödem einseitig oder beidseitig? Fällt eine Umfangsdifferenz der Unterschenkel auf? Wie groß ist sie (Abb. 4.10)? Sind die Zehen betroffen, der Fußrücken, wie weit reicht die Flüssigkeitsansammlung am Bein nach oben?
a
b Abb. 4.11 Anasarka. a Bei einem bettlägerigen Patienten am Rücken entstandene Anasarka als Folge einer dekompensierter Herzinsuffizienz; b Ödemflüssigkeitsanssammlung im Gewebeschnitt
Abb. 4.10 Messung des Unterschenkelumfangs
Die beidseitigen Ödeme bei Herzinsuffizienz sind weich, gut eindrückbar, mit relativ lang erkennbarer Dellenbildung nach vorsichtigem, aber konsequentem Eindrücken mit der Fingerspitze. Die Haut ist meistens gespannt, aber in der Regel intakt und unauffällig. Bei massiven Ödemen kann es zu Spannungsblasen kommen. Die Ödeme der Herzinsuffizienz finden sich immer an den tiefliegenden Körperabschnitten, beim liegenden Patienten also auch am Steißbein und am Rücken (Abb. 4.11). Eine generalisierte Ödembildung wird als Anasarka bezeichnet.
Auch die Ödeme bei Hypalbuminämie sind weich und eindrückbar, die Haut ist intakt, häufig sind sie sehr ausgeprägt und betreffen besonders auch das weiche Bindegewebe des Gesichtes mit unter Umständen deutlichen Lidödemen (s. Abb. 4.4). Die milden Ödeme bei Bindegewebsschwäche und sonst fehlender Grunderkrankung können sehr flüchtig sein. Oft ist die leichte Schnürfurche durch die Strümpfe erkennbar. Bei der chronisch venösen Insuffizienz (s. S. 120) sieht man zunächst mäßig bis stärker ausgeprägte Ödeme, besonders des Fußrückens und der Unterschenkel. Die Zehen sind meistens ausgespart. Bei längerem Bestehen der venösen Insuffizienz und besonders beim postthrombotischen Syndrom mit erheblicher venöser Abflussstörung treten typische Veränderungen (s. S. 117) auf: Die Ödeme sind sehr derb, schlecht eindrückbar, oft schmerzhaft bei Druck,
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Ödeme
Bei ausgeprägten Formen der chronisch venösen Insuffizienz ist die Diagnose mit einem Blick zu stellen. Das prätibiale Myxödem kann bei der Hypo- und Hyperthyreose vorkommen. Das Lymphödem ist meistens relativ derb, typischerweise sind auch die Zehen betroffen. Beim Lipödem besteht eine starke Vermehrung des subkutanen Fettgewebes, oft allein der Beine. Typisch ist die Diskrepranz zum schlanken Oberkörper. Die Konsistenz ist weich, beim Eindrücken bleiben keine Dellen zurück. Im weiteren Krankheitsverlauf ist die Konsistenz knotig-derb, bei Druck bestehen Schmerzen. Häufig liegen Hämatome vor. Fußrücken und Zehen sind typischerweise ausgespart. Die einseitige ödematöse Schwellung des Unterschenkels ist immer verdächtig auf das Vorliegen einer Thrombose, insbesondere wenn die anamnestischen Daten passen (s. S. 121). Typisch für die tiefe Beinvenenthrombose ist der Wadendruckschmerz bei Palpation und der Schmerz bei Dorsalflexion des Fußes (s. S. 24). Das Bein ist überwärmt, gerötet und deutlich umfangsvermehrt. Die ödematöse Schwellung beim Erysipel ist meistens gering ausgeprägt. Im Vordergrund steht die starke Rötung und Überwärmung, die Haut ist in der Regel bei Berührung außerordentlich schmerzempfindlich. Typisch ist die relativ scharfe Begrenzung der Rötung. Häufig bestehen Fieber und ein deutliches Krankheitsgefühl. Ödematöse Schwellungen anderer Regionen sind im Vergleich zu denen an Fuß und Unterschenkel relativ selten. Auch am Arm gibt es venöse Thrombosen, meistens aber im Zusammenhang mit der Anlage eines zentralen Venenkatheters. Häufig ist das Lymphödem des Arms nach
axillärer Lymphadenektomie bei Mammakarzinom. Die Anamnese ermöglicht hier die prompte Diagnosestellung. Die umschriebenen entzündlichen Ödeme bei der Urtikaria und beim Quincke-Ödem sind gut erkennbar. Schwierigkeiten bereitet meist deren ursächliche Abklärung.
Beim Phlebödem sind die die Zehen meist ausgespart, beim Lymphödem meist mit betroffen.
Die Anamnese und die körperliche Untersuchung werden bei Ödemen, generalisiert, beidseitig, einseitig oder umschrieben, meistens eine gut fundierte Verdachtsdiagnose möglich machen: Liegt ein kardiales, renales, hypoproteinämisches Ödem vor, besteht eine venöse oder lymphatische Abflussstörung oder eine Entzündung (Abb. 4.12)?
LERNTIPP
die Haut ist induriert, es kommt zu einer vermehrten Pigmenteinlagerung an den Knöcheln, unter Umständen entstehen Ulcera crura und nach Abheilung bleiben narbige Residuen sichtbar.
107
Dann sollte eine gezielte Untersuchung der relevanten Organsysteme erfolgen: Lässt sich eine kardiale Ursache weiter einengen? Wie sind Puls und Blutdruck? Besteht eine Tachykardie? Eine Herzrhythmusstörung? Ein Hypertonus oder eine Hypotonie? Bestehen weitere Zeichen der Herzinsuffizienz: Halsvenenstauung, Lebervergrößerung, Zeichen einer zusätzlichen Linksherzinsuffizienz wie pulmonale Stauung? Ein Pleuraerguss? Besteht eine Kardiomegalie? Die spezielle körperliche Untersuchung bei Nierenerkrankungen ist meistens nicht sehr ergiebig. Neben den Unterschenkelödemen besteht oft eine generalisierte Ödembildung. Der Blutdruck ist oft erhöht. Wenn eine Leberzirrhose Ursache der Ödeme ist, lassen sich meistens die klassischen Leberhautzeichen in der einen oder anderen Ausprägung finden: Ikterus, Palmarerythem und Caput medusae.
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Leitsymptome Kardial Hypertonus Vitium Kardiomegalie pulmonale Stauung Pleuraerguss Halsvenenstauung Renal Hypertonus Lidödem
Hepatisch Aszites Bauchglatze Gynäkomastie Splenomegalie Caput medusae Palmarerythem Spider naevi Blutdruck niedrig
Intestinal Unterernäherung Muskelatrophie
108
Venös Varikosis postthrombotisches Syndrom Thrombosezeichen Lymphabfluss Zehen mitbetroffen
Abb. 4.12 Differenzialdiagnose von Beinödemen
Auch ein Aszites kommt bei der Leberzirrhose gehäuft vor. Der Blutdruck ist oft niedrig. Bei Eiweißmangelödemen auf dem Boden eines enteralen Eiweißverlustes besteht oft ein Untergewicht mit Muskelatrophie. Ob eine venöse Abflussstörung mit Varizen vorliegt oder Zeichen eines postthrombotischen Syndromes, wird man schon bei der Untersuchung der Extremitäten festgestellt haben.
4.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei Frau F. ein EKG und eine Echokardiographie durch und veranlas-
sen eine Röntgenaufnahme des Thorax. Das EKG ist in Abb. 4.13 wiedergegeben. In der Echokardiographie sehen Sie ein generalisiert kontraktionsgemindertes Herz. Das Röntgenbild der Lunge sehen Sie in Abb. 4.14.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Das EKG zeigt einen kompletten Linksschenkelblock. Die Echokardiographie und der Röntgenbefund stützen die Diagnose einer Herzinsuffizienz. p Weiter auf S. 111 Reihenfolge und Ausmaß der weitergehenden Untersuchungen richtet sich nach dem klinischen Verdacht (Tab. 4.3): Bei Verdacht auf eine kardiale Ursache steht die bildgebende Diagnostik durch die Echokardiographie im Vordergrund. Sie kann insbesondere eine Aussage über
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Ödeme I
*
V1
V2 II
III
aVR
aVL aVF
V3
V4
V5 V6
Abb. 4.13 EKG-Befund bei komplettem Linksschenkelblock. Sinusrhythmus, Frequenz 62/min, Linkslagetyp, linksschenkelblockartig verbreiterter QRS-Komplex (M-förmige Aufsplitterung), Erregungsrückbildungsstörungen im Sinne von ST-Streckenhebungen in V1-V5. = Eichzacke
109
*
Abb. 4.14 Röntgen-Thorax im p.-a. Strahlengang: Linksherzinsuffizienz mit interstitiellem Lungenödem
den Klappenapparat sowie die myokardiale Funktion machen. Die wichtigsten Untersuchungen bei V. a. Nierenerkrankungen sind die Urinunter-
suchung, die Labordiagnostik sowie die sonographische Darstellung der Nieren.
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Leitsymptome Lebererkrankungen werden laborchemisch diagnostiziert sowie mit Hilfe der Sonographie. Bei Verdacht auf einen gastrointestinalen Eiweißverlust steht die Diagnostik der Grunderkrankung mittels der bildgebenden Darstellung des Gastrointestinaltraktes im Vordergrund. Wichtigste Primäruntersuchung bei einer venösen Abflussstörung ist die farbkodierte Duplexsonographie.
Goldstandard der Diagnostik von Lymphabflussstörungen ist die Lymphographie. Bei umschriebenen Ödemen (QuinckeÖdem und Urtikaria) steht die allergologische Diagnostik im Vordergrund sowie die weitere immunologische Abklärung.
Tabelle 4.3 Weitergehende Diagnostik bei Ödemen Untersuchung
Parameter
Interpretation
kardiologische Diagnostik: Echokardiographie
Kontraktilität
Globalfunktion, umschriebene Kontraktionsstörungen
Herzklappen
Vitien
Herzgröße
Zeichen der Linksherzinsuffizienz
Herzform
Dilatation
Rhythmus
Rhythmusstörungen
QRS-Komplex
Perikarditiszeichen
Endstrecken
Ischämiezeichen
PQ-Zeit, QRS-Komplex
Blockbilder
Rhythmus
Rhythmusstörungen
Frequenz
Bradykardie
Belastungs-EKG
Endstrecken
Ischämiezeichen
Koronarangiographie
Koronararterien
KHK
110
Röntgen Thorax
EKG
Langzeit-EKG
nephrologische Diagnostik: Urindiagnostik
Labor
Sonographie
Eiweißbestimmung
Proteinurie
Sediment
Erythrozyturie, Zylindrurie
Kreatinin
Niereninsuffizienz
Harnstoff
Niereninsuffizienz
Gesamt-Eiweiß
Hypoproteinämie
Nierengröße
Schrumpfniere, akute Glomerulonephritis
Nierenparenchym
Parenchymschaden
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Ödeme Tabelle 4.3 Fortsetzung Untersuchung
Parameter
Interpretation
Transaminasen
Hepatitis
Stauungsenzyme
toxischer Leberschaden
Elektrophorese
Hypoproteinämie
Gesamt-Eiweiß
Hypoproteinämie
Cholinesterase
Lebersyntheseleistung
Gerinnungsfaktoren
Lebersyntheseleistung
Form
Zirrhose?
Leberdiagnostik: Labor
Sonographie
Größe
111
Muster Lebervenen Zeichen der portalen Hypertension sonstige Diagnostik: Endoskopie
Schleimhautbefund
Entzündung, gastrointestinaler Eiweißverlust
Funktionstest (D-Xylosetest)
D-Xylose-Konzentration im Urin
Resorptionskapazität des proximalen Dünndarms
farbkodierte Duplexsonographie
Venendurchgängigkeit
venöse Abflussstörung
Lymphographie
Darstellung der Lymphgefäße
lymphatische Abflussstörung
immunologische Diagnostik
C1-Esteraseinhibitor, funktionell, qualitativ
Quincke-Ödem
Allergiediagnostik
Urtikaria
4.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Sie können die Diagnose einer Herzinsuffizienz bei Gerda F. durch die Be-
funde der Echokardiographie sowie der Röntgenaufnahme des Thorax als gesichert ansehen. Ursächlich dürfte eine hypertensive Herzkrankheit vorliegen, ob zusätzlich eine koronare Herzkrankheit vorliegt, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Diese wird durch eine Koronarangiographie abgeklärt.
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Leitsymptome Tabelle 4.4 Diagnostik
112
Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Herzinsuffizienz
Vorerkrankungen, Risikofaktoren
Echokardiographie
venöse Abflussstörung
Varikosis, Z. n. Thrombose
farbkodierte Duplexsonographie
Lymphabflussstörung
klinisches Bild, Anamnese (Erysipel)
Ausschluss venöser Abflussstörung, Lymphographie
Nierenerkrankung
Hypertonie, renale Vorerkrankung
Proteinurie, Hypoproteinämie
Leberzirrhose
Leberzeichen, Aszites
Gesamt-Eiweiß, Cholinesterase, Sonographie
gastrointestinaler Eiweißverlust
Diarrhö
Endoskopie, Probenentnahme
Erysipel
Rötung, Schmerzen, Fieber
klinisches Bild
Urtikaria
anamnestisch Hinweise auf Allergie
Allergenexposition, Allergenkarenz
Quincke-Ödem
klinisches Bild mit umschriebenen, akut auftretenden Ödemen
C1-Esterase- Inhibitor im Serum
Medikamentennebenwirkungen
Anamnese
Auslassversuch
idiopathisch
Anamnese leer
Ausschlußdiagnostik
Zur Diagnosesicherung beim Ödem tragen wegweisende Symptome und Befunde bei den verschiedenen Erkrankungen bei (Tab. 4.4).
4.7.1 Therapieansätze In Tab. 4.5 sind die Therapieansätze bei den unterschiedlichen Ödemen aufgeführt.
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Ödeme Tabelle 4.5 Therapie bei Ödemen Erkrankung
Therapie
Herzinsuffizienz
n
n
n n
n
venöse Abflussstörung
allgemein: Kochsalzrestriktion kausale Therapie der Herzinsuffizienz: Hypertonustherapie Rhythmustherapie Revaskularisierung symptomatische Therapie bei chronischer Herzinsuffizienz nach Stadien mit: ACE-Hemmern (Vor- und Nachlastsenker) Diuretika (Ausscheidung o) Glykoside (positiv inotrop) b- Blocker bei KHK: Nitrate (Senkung Vorlast i Nachlast)
Allgemeinmaßnahmen (Gewichtsreduktion, Beinhochlagerung, Kompressionsstrümpfe) Varizensklerosierung, Operation
Lymphabflussstörung
Lymphdrainage
Nierenerkrankungen (nephrotisches Syndrom)
Therapie der Grundkrankheit (ggf. antibiotische bzw. immunsuppressive Behandlung, Hypertonustherapie). Beseitigung toxischer Ursachen; symptomatisch allgemein: körperliche Schonung, eiweiß- und kochsalzarme Kost, diuretische Therapie
Leberzirrhose
absolute Alkoholkarenz, Vermeiden hepatotoxischer Medikamente, wenn möglich Behandlung der Grundkrankheit: ggf. antivirale Therapie bei Hepatitis B, C, Ursodeoxycholsäure bei primärer biliärer Zirrhose symptomatische Therapie: Diuretika (Spironolacton, Furosemid)
gastrointestinale Erkrankungen, exsudative Enteropathie
Behandlung der Grundkrankheit, Kochsalzrestriktion, eiweißreiche Kost
Erysipel
Ruhigstellung, lokale Kühlung, symptomatische Schmerz- und Fiebertherapie, Antibiose mit Penicillin, bei Penicillinallergie mit Erythromycin
Urtikaria
Allergenkarenz, Antihistaminika, Kortikosteroide
Quincke-Ödem
Allergenkarenz, Antihistaminika, Kortikosteroide
Medikamentennebenwirkungen
Absetzen der Medikamente
idiopathisch
Kompressionsstrümpfe
113
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Leitsymptome sen gibt es in dieser Situation nicht. p Weiter auf S. 118
5 Varizen 5.1 Begriffe
114
Varizen : Krankhafte, irreversible Erweiterung der epifaszialen Venen und der Perforansvenen infolge degenerativer Veränderungen der Venenwand, Venenklappeninsuffizienz oder intravasaler Druckerhöhung (ugs. Krampfadern). Varikosis: Vorliegen von Varizen. Thrombophlebitis: Nichtinfektiöse, lokal begrenzte Entzündung der epifaszialen Venen oder der Perforansvenen, bei der es zu einer Verlegung des Lumens durch einen Thrombus kommt. Phlebothrombose: Akute thrombotische Verlegung der tiefen Leitvenen, in der Mehrzahl der Fälle der tiefen Beinvenen.
Die Varikosis gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen. Sie ist unter Umständen Ursache ausgeprägter Beschwerden und kann zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Eine frühzeitige Diagnostik und Behandlung kann helfen, den Progress günstig zu beeinflussen und Komplikationen zu vermeiden oder zu verzögern.
5.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Die Venen der Extremitäten werden in oberflächliche und tiefe Venen unterteilt. Die oberflächlichen Venen verlaufen epifaszial, die tiefen Venen subfaszial. Beide Venensysteme sind an der venösen Drainage beteiligt. Am Bein erfolgt die venöse Drainage über die tiefen Beinvenen, die V. poplitea, die in die V. femoralis übergeht (Leitvenen)
5.2 Problemstellung V. femoralis
Fallbeispiel Bericht der Patientin Die 54-jährige Maria D. stellt sich bei Ihnen in der Praxis vor und klagt über Krampfadern. Diese bestehen schon länger, sie sind jedoch im Laufe der Zeit immer stärker geworden. Zu Beginn störte Frau D. nur der kosmetische Aspekt. Jetzt bemerkt sie aber oft ein unangenehmes Ziehen, manchmal auch richtige Schmerzen in den Beinen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Wer zum Arzt kommt und über Varizen klagt, hat praktisch immer Varizen. Ernstzunehmende Differenzialdiagno-
V. saphena magna
V. poplitea V. saphena parva
a
b
Abb. 5.1 Oberflächliches Venensystem am Bein; a V. saphena magna; b V. saphena parva
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Varizen
Venenklappen V. perforans Beinmuskeln
oberflächliche Beinvene
Stromrichtung bei Muskelerschlaffung (kein Rückstrom bei Muskelanspannung)
sowie über das oberflächliche Venensystem. Dieses besteht aus V. saphena magna, V. saphena parva (Stammvenen) und deren Seitenästen. Die Kommunikation beider Systeme findet über die Vv. perforantes (Perforansvenen) statt. Die V. saphena magna (Abb. 5.1a) verläuft von der Unterschenkelinnenseite zur Oberschenkelvorder- und innenseite und mündet unmittelbar unterhalb des Leistenbandes in die V. femoralis. Die Mündungsstelle wird als Crosse bezeichnet. Die V. saphena parva (Abb. 5.1b) verläuft an der Wade aufwärts und mündet unterhalb der Kniekehle in die V. poplitea. Die ungestörte Drainage des Blutes ist gebunden an eine intakte Venenwand, ein freies Lumen, intakte Venenklappen und die funktionierende Muskelpumpe (Abb. 5.2).
Abb. 5.2 Normale Flussverhältnisse der venösen Drainage am Bein
Für die primäre Varikosis ursächliche Faktoren: familiäre Belastung Alter konstitutionelle Faktoren: angeborenes Fehlen der Venenklappen, hormonell (Schwangerschaft), Adipositas äußere Einflüsse: Bewegungsmangel, überwiegend stehende Tätigkeiten, Alkoholabusus, Obstipation
MERKE
tiefe Beinvene
115
Zu einer sekundären Varikosis kommt es bei Verlegung der tiefen Leitvenen, meistens auf dem Boden einer Thrombose, selten durch eine Verletzung oder eine Kompression von außen.
Varikosisformen 5.3.1 Varikosis Störungen dieses Systems führen zur Varikosis. Es werden nach der Entstehung primäre und sekundäre Formen unterschieden. Die häufigste Störung (95 %) ist die primäre Varikosis. Es kommt dabei zu degenerativen Strukturveränderungen der Venenwand mit Verminderung der muskulären und der elastischen Fasern. Bei der Entstehung dieser Veränderungen spielen viele Faktoren eine Rolle: Familiäre Belastung, Alter, Konstitution, äußere Einflüsse.
Die primäre Varikosis kann betreffen (Abb. 5.3): die beiden Stammvenen (Stammvarikosis der V. saphena magna und der V. saphena parva) Seitenäste (Seitenastvarikosis) die Verbindungen zwischen oberflächlichem und tiefem Venensystem (Perforansvarikosis) und die kleinen Hautäste (retikuläre Varikosis, Besenreiser). Mischformen sind häufig. Bei der Stammvarikosis besteht häufig eine Klappeninsuffizienz im Bereich der Einmündung von V. saphena magna bzw. V. saphena parva in die tiefe Leitvene.
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Leitsymptome Stammvarikosis
Seitenastvarikosis
Besenreiser
V. saphena magna
Leitvene
Stammvene
Perforansvene V. saphena parva
Abb. 5.3 Verschiedene Varizenformen: Stammvarikosis, Seitenastvarikosis und Besenreiser
116
Damit kann es zu einem Reflux von Blut retrograd in die Stammvenen kommen mit Abfluss über die Seitenäste und die Perforansvenen zurück in die tiefe Leitvene. Abhängig von der Lokalisation der varikösen Veränderungen kommt es dann zu unterschiedlich ausgeprägten Formen der Stammvarikosis, der Seitenastvarikosis oder der Varikosis der Perforansvenen. Es bildet sich eine Rezirkulation von venösem Blut über Leitvenen, Stammvarizen, Seitenäste und Perforansvenen aus (Abb. 5.4). Die Stammvarikosis schreitet von proximal nach diastal fort. Bis zu einem gewissen Grad können die Leitvenen das vergrößerte zirkulierende Volumen bewältigen. Es besteht eine mehr oder weniger ausgeprägte Varikosis. Auf Dauer kommt es oft zu einer Überschreitung der Drainagekapazität der tiefen Leitvenen mit morphologischen Veränderungen dieser Venen: Elongation und Knickbildung. Es resultiert das Bild der chronisch venösen (Leitvenen-)Insuffizienz (CVI) bei Stammvarikosis (Abb. 5.5). Dieses ist gekennzeichnet durch den Blutrückstau bis in die Kapillaren mit konsekutiver Kapillarschädigung, perikapillärem Ödem, Sauerstoffdiffusionsstörungen, trophischen Störungen, Gewebeschädigung. Es entsteht die klassische klinische Trias der chronisch venösen Insuffizienz: Varikosis, Ödem, Hautveränderungen (Abb. 5.6).
a
Klappeninsuffizienz Stromumkehr Rückstrom bei Muskelanspannung
b Abb. 5.4 Rezirkulation bei Varikosis: a Ansicht gesamtes Bein; b vergrößerter Ausschnitt
Die chronisch venöse Insuffizienz wird in drei klinische Stadien eingeteilt: Stadium I : Corona phlebectatica paraplantaris Stadium II : Stauungsdermatose, Atrophie blanche, Depigmentierung, Stauungsinduration, Hyperpigmentierung, Ekzem Stadium III : abgeheiltes oder florides Ulcus cruris
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Varizen Eine differenziertere Einteilung sieht die neuere CEAP-Klassifikation vor (s. S. 121).
5.4 Ursachen der Varikosis
Abb. 5.5 Strömungsverhältnisse bei chronisch venöser Insuffizienz
Die weitaus häufigste Form der Varikosis ist die primäre Varikosis (Abb. 5.7) mit 95 %. Demgegenüber tritt die durchgemachte tiefe Beinvenenthrombose als Ursache deutlich in den Hintergrund. Noch seltener ist die Varikosis auf dem Boden einer Venenverletzung oder einer Kompression von außen.
117
a
b
Abb. 5.6 Hautveränderungen bei chronisch venöser Insuffizienz. a Corona phlebectatica paraplantaris, CVI Grad I (links); zusätzlich braune Pigmentation, Ödem, Induration der Haut, CVI Grad II (Mitte); Ulcus cruris, CVI Grad III (rechts); b Ulcus cruris am Unterschenkel, CVI Grad III
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen Anamnestisch spricht bisher alles für das Vorliegen einer symptomatischen aber unkomplizierten Varikosis. Es sind drei Beschwerdekomplexe, die die Patientin oder den Patienten mit Varizen zum Arzt führen: kosmetische Probleme Beschwerden, die durch die chronisch venöse Insuffizienz entstehen und Komplikationen der Varikosis. Nach diesen Beschwerden sollte, wenn sie nicht spontan erwähnt werden, gezielt gefragt werden. Anschließend wird erfragt, welche therapeutischen Bemühungen bisher durchgeführt wurden.
118 Abb. 5.7 Primäre Varikosis mit großen Varizenkonvoluten
Kosmetische Probleme
5.5 Problemlösung 5.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Sowohl eine Stammvarikosis als auch eine Seitenastvarikosis kann relativ deutlich ausgeprägt sein, ohne zu Beschwerden zu führen. Häufig wird der Befund aber als kosmetisch störend empfunden. Besenreiservarizen (Verizen der kleinen Hautäste) verursachen in der Regel auch keine Beschwerden, stören aber die Betroffenen kosmetisch.
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Die weitere Befragung von Frau D. ist nicht sehr ergiebig. Abgesehen davon, dass sich die Beschwerden in den letzten Monaten etwas verstärkt haben, ist die Vorgeschichte unauffällig. Insbesondere sind keine Ursachen erkennbar, eine tiefe Beinvenenthrombose ist nicht bekannt, auch gravierende Komplikationen (Entzündungen und Hautläsionen) sind bisher nicht aufgetreten. Die übrige Anamnese ist unauffällig. Es besteht keine besondere Disposition für eine Varikosis, die Patientin ist mobil, es besteht kein Alkoholabusus, die Familienanamnese ist unauffällig.
Beschwerden durch die Varikosis Das klassische Beschwerdebild der Varikosis ist geprägt durch ein Schweregefühl, Gefühl der müden Beine, unter Umständen Schmerzen und nächtliche Krämpfe, Schwellungen. Die Beschwerden sind häufig morgens geringer ausgeprägt als abends, eine Linderung wird durch Gehen oder Beinhochlagerung erzielt. Eine Aggravierung tritt bei längerem Stehen auf, besonders in der Wärme. Gelegentlich wird eine Zunahme der Schmerzen prämenstruell beschrieben, evtl. auch bei Vorliegen von Besenreiservarizen. Stellen Sie darum in der Anamneseerhebung Fragen, die das Beschwerdebild erfassen.
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Patienten mit Varikosis sollen „nicht sitzen oder stehen, sondern liegen oder gehen“!
bestehen nicht. Der körperliche Untersuchungsbefund ist im Übrigen unauffällig.
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Komplikationen Komplikationen derVarikosis, die schmerzhafte Thrombophlebitis (Abb. 5.10) und das Ulcus cruris („offenes Bein“, Abb. 5.6b) können Anlass einer Erstvorstellung wegen einer Varikosis sein. Bei der Thrombophlebitis handelt es sich um eine Entzündung im Bereich der oberflächlichen epifaszialen Venen, meist mit der thrombotischen Verlegung des Lumens. Die Patienten klagen unter Umständen über erhebliche Schmerzen in diesem Bereich. In jedem Falle sollte nach möglichen Komplikationen gefragt werden: Gab es entzündliche Veränderungen im Bereich der Varizen? Bestand einmal ein Ulcus cruris? Evtl. auch eine tiefe Beinvenenthrombose? Diese kann Folge einer Phlebitis sein, aber auch Ursache einer sekundären Varikosis.
Vorausgegangene Therapie Natürlich gehört zur Anamneseerhebung die Frage nach bisherigen Behandlungen: äußerliche Behandlungen Anwendung sog. „Venenmittel“ Kompressionsstrümpfe Sklerosierungen und Operationen.
5.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie eine Stammvarikosis der V. saphena magna beidseits. Zeichen einer chronisch venösen Insuffizienz
Bei der Patientin besteht offenbar das nicht seltene Bild einer Varikosis mit mäßigen Beschwerden, ohne Komplikationen bei ansonsten körperlicher Gesundheit. p Weiter auf S. 121 Bei der körperlichen Untersuchung werden zum einen die oberflächlichen Venen untersucht und zum anderen die Folgen der venösen Blutabflussstörung beurteilt: Ödeme und Hautveränderungen. Das tiefe Venensystem ist einer direkten Untersuchung nicht zugänglich, allerdings lässt sich durch klinische Funktionstests die Suffizienz der Drainage abschätzen. Die Bedeutung dieser Funktionstests ist gegenüber den sonographischen Untersuchungsmethoden in den Hintergrund getreten.
119
Untersuchung der oberflächlichen Venen Die körperliche Untersuchung wird zunächst am stehenden Patienten durchgeführt und beginnt mit der Inspektion und der Palpation der Varizen, die die Beschwerden verursachen. Anschließend wird das oberflächliche Venensystem beider Beine komplett untersucht: Zunächst der Verlauf der V. saphena magna in ihrer gesamten Länge, die Region der Seitenäste und die Faszienlücken, durch die die Perforansvenen treten. Die Perforansvenen der V. saphena magna liegen auf einer Linie zwischen Innenknöchel und Leistenband (Linton-Linie, Abb. 5.8). Dann wird die V. saphena parva an der Wade mit ihren Perforansvenen untersucht (Abb. 5.9).
Die große Variabilität der oberflächlichen Venen kann ziemlich verwirrend sein.
MERKE
LERNTIPP
Varizen
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Leitsymptome Leistenband V. saphena magna DoddGruppe
HunterPerforansvene
BoydPerforansvene
120
ShermanPerforansvene
Gastroknemiuspunkt laterale Perforansvenen
Perforansvenen Cocket I- III 12 cm- Perforansvene
Abb. 5.8 Perforansvenen der V. saphena magna
Untersucht und dokumentiert wird die Lokalisation und Ausdehnung der Varizen, ob eine Stammvarikosis vorliegt, eine Seitenastvarikosis, eine Perforansvenenvarikosis oder eine Besenreiservarikosis.
Ödeme Dann erfolgt die Fahndung nach Ödemen (s. S. 96). Dabei sollte man beachten, dass sich venös bedingte Ödeme über Nacht komplett zurückbilden können und unter Umständen erst im Laufe des Tages wieder evident werden. Milde Ödeme am Fußrücken, Knöchel und Schienbein lassen sich am besten durch Palpation feststellen.
Hautveränderungen Die weitere Untersuchung erfolgt dann im Liegen. Die chronisch venöse Insuffizienz
Abb. 5.9 Perforansvenen der V. saphena parva
verursacht bei längerem Bestehen sehr typische Hautveränderungen. Es kommt zur Einlagerung von dunklem Hämosiderinpigment, zur Hautatrophie und zu Ulzerationen (Ulcus cruris, s. Abb. 5.6). Nach Abheilung der Ulzerationen erkennt man die typischen blassen Narben in der hyperpigmentierten Haut. Das Bild der Stauungsdermatitis auf dem Boden einer chronisch venösen Insuffizienz ist fast unverwechselbar. Die typischen Hautveränderungen gehen in die klinische Klassifizierung der chronisch venösen Insuffizienz mit ein. Innerhalb der zahlreichen Klassifikationsversuche hat sich z. Z. die CEAP-Klassifikation durchgesetzt (Tab. 5.1).
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Varizen Tabelle 5.1 CEAP-Klassifikation der chronisch venösen Insuffizienz Abkürzung
steht für
C
klinisches Bild
E
Ätiologie
A
Anatomie
P
Pathophysiologie
Das klinische Bild (C) wird in eine 7-stufige Klassifizierung eingeordnet (Tab. 5.2).
Abb. 5.10 Akute Thrombophlebitis mit poplitealer Rötung
5.6 Weitergehende Diagnostik
Tabelle 5.2 Einteilung des klinischen Bildes nach der CEAP-Klassifikation Stufe
Befund
0
kein sicht- oder tastbarer Nachweis einer Venenerkrankung
1
Teleangiektasien, retikuläre Varizen
2
Varizen
3
Ödembildung
4
Hautveränderungen der chronisch venösen Insuffizienz: Pigmenteinlagerungen, Atrophiezeichen, Stauungsekzem
5
zusätzlich: Narbenbildung nach Ulzeration
6
zusätzlich: Ulcus cruris
Der Untersuchungsbefund bei einer Thrombophlebitis (Abb. 5.10) ist sehr typisch. Man sieht eine derbe, knotige, schmerzhafte Verhärtung im Venenverlauf mit Rötung und Überwärmung. Ein Ödem besteht meistens nicht. Demgegenüber dominiert bei der Phlebothrombose, der Verlegung einer tiefen Beinvene, die erhebliche ödematöse Schwellung, verbunden mit u. U. starken Schmerzen in dem betroffenen Bein.
121
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei Maria D. eine Duplexsonographie der V. saphena magna durch und stellen eine Mündungsklappeninsuffizienz sowie eine Stammveneninsuffizienz mit Reflux fest (Abb. 5.11). Die tiefen Leitvenen sind unauffällig, eine Thrombose besteht nicht.
a
b Abb. 5.11 Stammvarikose der V. saphena magna mit Refluxnachweis. a Blau kodiert ist die orthograde Strömung von distal nach proximal; b rot kodiert ist die Strömungsumkehr während des Valsalva-Manövers
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Leitsymptome Tabelle 5.3 Weitergehende Diagnostik bei Varikosis Untersuchung
Parameter
Interpretation
Dopplersonographie
Mündungsklappen, Stammvenen, Perforansvenen, tiefe Leitvenen
Beurteilung der Suffizienz von Venenklappen
Duplexsonographie*
Durchgängigkeit, Klappenfunktion
Klappeninsuffizienzen, morphologische Darstellung der tiefen Leitvenen, Lokalisation insuffizienter Perforansvenen
Phlebographie
Durchgängigkeit, Klappenfunktion
angewendet bei besonderen Fragestellungen: Ulcus cruris, komplizierte diagnostische Verhältnisse, weitgehend ersetzt durch die Duplexsonographie
* Kombination von Dopplersonographie und konventionellem Ultraschall
122 Differenzialdiagnostische Überlegungen Der Befund der Duplexsonographie unterstreicht die Diagnose einer primären Varikosis.
5.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Mit der weitergehenden Diagnostik (Tab. 5.3) werden drei Ziele verfolgt: Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Varikosis Beurteilung der Suffizienz der tiefen Beinvenen und Planung der weiteren Therapie. Um diese Ziele zu erreichen kommen drei Untersuchungsmethoden zur Anwendung: Dopplersonographie, Duplexsonographie und Phlebographie. Die relevante Untersuchung in der Varizendiagnostik ist die Duplexsonographie, die Phlebographie ist deutlich in den Hintergrund getreten.
Bei Frau D. kann aufgrund des klinischen Bildes und der Duplexsonographie die Diagnose einer Varikosis als gesichert angesehen werden.
Mit der körperlichen Untersuchung und der Duplexsonographie kann praktisch immer die Diagnose einer Varikosis gesichert werden. Mit ihr wird das Ausmaß der Varikosis sowie das Ausmaß der Klappeninsuffizienz bestimmt (s. S. 205). Die Diagnosestellung der Thrombophlebitis erfolgt klinisch. Die der Phlebothrombose erfolgt sonographisch durch Darstellung des intraluminalen Thrombus.
5.7.1 Therapieansätze Therapieansätze bei Varikosis Die Therapie bei Varikosis betrifft die Varikosis selbst und ihre Komplikationen. Für die Therapie der Varikosis stehen konservative und operative Methoden zur Verfügung.
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Varizen Konservative Methoden Die konservativen Maßnahmen sind die Basis jeder Therapie, auch nach Durchführung eines operativen Eingriffs. Allgemeinmaßnahmen : Gewichtsnormalisierung körperliche Aktivität : schwimmen, wandern, Skilanglauf, Rad fahren ohne Belastung Lebensführung: nicht Sitzen und Stehen, sondern Liegen und Gehen Hydrotherapie (Kneipp-Güsse, KneippWassertreten) Allgemeinmaßnahmen werden bei allen Varikoseformen in einem frühen Stadium empfohlen. Kompression: Durch die Kompression kommt es zu einer Verminderung des venösen Gefäßdurchmessers und dadurch zu einer Funktionsfähigkeit von vorher relativ insuffizienten Venenklappen. Eingesetzt werden: phlebologischer Kompressionsverband : mit elastischen oder unelastischen Binden wird die Extremität umwickelt, der Verband umschließt mindestens ein großes Gelenk medizinischer Kompressionsstrumpf
Medikamente : Eine medikamentöse Therapie ist meistens nicht indiziert, zu Beginn der Behandlung kann bei allen Varizenformen für kurze Zeit ein Diuretikum gegeben werden. So genannte „Venentherapeutika “ (z. B. Rosskastanienpräparate) führen unter Umständen zu einer subjektiven Besserung. Sklerosierung : Bei der Sklerosierungstherapie wird eine Substanz in die varikösen Gefäße injiziert, die zu einer Verödung führt und zu einer Umwandlung in einen fibrösen Narbenstrang. Die Sklerosierung wird bei Besenreiservarizen, kleinkalibrigen Varizen, Ast- und Seitenastvarikosis, Perforansinsuffizienz und Restvarizen nach Operation durchgeführt.
Als Alternative zur medikamentösen Therapie stehen endovasal eingesetzter Laser und Hochfrequenzwellen zur Verfügung.
Operative Methoden Ausgeprägte Varizen werden operativ entfernt („strippen “). Sie kommen bei ausgeprägter Varikosis der V. saphena magna und der V. saphena parva sowie bei Insuffizienz der Perforansvenen zur Anwendung.
Therapieansätze bei chronisch venöser Insuffizienz Ebenso wie bei der Varikosis stehen bei der CVI Allgemeinmaßnahmen als Basistherapie im Vordergrund. Kompression: Verbände, Strümpfe
123
Medikamente : Die medikamentöse Therapie der CVI ist keine Alternative zur Kompressionstherapie. Zur Anwendung kommt vor allem: Dehydroergotamin: es tonisiert vorwiegend die Gefäßwand des venösen Systems und verringert so den Gefäßdurchmesser
Therapieansätze bei Thrombophlebitis Die Thrombophlebitis ist oft sehr schmerzhaft. Die wirksamste Behandlungsmethode ist die Stichinzision. Allgemeinmaßnahmen : Mobilisation Bettruhe kontraindiziert!
Kompression: mit elastischer Binde Lokale Maßnahmen: Diclofenac per os Stichinzision und Thrombusentfernung bei fluktuierendem Thrombus. Bei ausgeprägter Thrombophlebitis im Bereich des Oberschenkels: Heparinisierung.
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Leitsymptome Therapieansätze beim Ulcus cruris
Therapieansätze bei Phlebothrombose
Das Ulcus cruris ist eine sehr unangenehme und schlecht therapierbare Komplikation. Oft sind wochen- und monatelange Behandlungen nötig. Kompression: Verbände, Strümpfe
Primäres Therapieziel ist es, ein Thrombuswachstum und eine Embolisierung zu verhindern. Die Antikoagulation wird mit unfraktioniertem Heparin begonnen, überlappend wird die Marcumarbehandlung eingeleitet. Eine Rekanalisierungstherapie durch Fibrinolyse wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt (frische, ausgedehnte, proximale Thrombose mit massiver Schwellung).
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Claudicatio intermittens 6.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht des Patienten
6 Claudicatio intermittens 6.1 Begriffe Claudicatio intermittens (synonym Schaufensterkrankheit): Intermittierendes Hinken. Beschwerdebild, das charakterisiert ist durch einen belastungsabhängigen Schmerz in den Beinen, der beim Stehenbleiben nachlässt. Claudicatio arteriosa : Belastungsabhängige Schmerzen in den Beinen bei arterieller Durchblutungsstörung. Claudicatio venosa : Belastungsabhängige Schmerzen in den Beinen bei venöser Abflussstörung. Claudicatio spinalis (synonym Claudicatio der Cauda equina oder neurogene Claudicatio): Belastungsabhängig in den Beinen auftretende neurologische Symptome (Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, Paresen), die durch eine Kompression des Spinalkanals entstehen. Arteriosklerose (synonym Atherosklerose): Erkrankung der Arterienwand, die charakterisiert ist durch Verhärtung, Verdickung, Elastizitätsverlust sowie Lumeneinengung. Arterielle Verschlusskrankheit (AVK): Symptomatische Arteriosklerose. Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): AVK von Aorta, Beckenarterien, Extremitätenarterien.
In Ihre Sprechstunde kommt der 63-jährige Alfred P. und klagt über Schmerzen im linken Bein. Die Beschwerden treten regelmäßig beim Gehen auf und sind so stark, dass der Patient stehen bleiben muss bis sie sich wieder zurückbilden und er weitergehen kann. Herr P. hat den Eindruck, dass die Beschwerden in den letzten Monaten zugenommen haben.
Differenzialdiagnostische Überlegungen
125
Die weitaus häufigste Ursache derartiger Beschwerden ist die stenosierende, periphere arterielle Verschlusskrankheit, die zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Verlegung der arteriellen Strombahn und dann zu einem belastungsabhängigen Ischämieschmerz führt. Allerdings sind seltenere Ursachen auch zu berücksichtigen: spinale und venöse Claudicatio. p Weiter auf S. 130
Schmerzen in den Beinen beim Gehen, die sich in Ruhe wieder zurückbilden, müssen immer an eine arterielle Verschlusskrankheit denken lassen. Das Auftreten von Schmerzen bei einer arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) ist Ausdruck einer weit fortgeschrittenen Erkrankung, weil die arterielle Durchblutung der Beine über eine sehr große Reserve und gute Kompensationsmechanismen verfügt. Für den Betroffenen bedrohlich ist zum einen der progrediente Verlauf der Erkrankung bis hin zum Verlust der Extremität und zum anderen ein möglicherweise akut entstehender Verschluss, der eine Amputation nötig machen kann.
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Leitsymptome
MERKE
Die Symptomatik ist fast immer Ausdruck einer generalisierten Gefäßerkrankung, die die anderen arteriellen Versorgungsgebiete ebenfalls gefährdet: Hirn, Herz, Eingeweide. Aus diesem Grund müssen die Beschwerden prompt und konsequent abgeklärt werden.
126
Patienten mit AVK sterben meist nicht an ihrer peripheren Durchblutungsstörung, sondern an Myokardinfarkt oder Apoplex.
Wesentlich seltener sind die belastungsabhängigen Schmerzen im Bein bei venöser Abflussstörung und bei einer Verengung des Spinalkanals.
6.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Bewegungsabhängige Schmerzen treten auf bei arteriellen Durchblutungsstörungen, bei venösen Abflussstörungen, einer Verengung des spinalen Kanals und bei orthopädischen Krankheitsbildern.
6.3.1 Arterielle Durchblutungsstörungen Zum arteriellen System gehören das Herz, die großen Gefäße sowie die kleinen Arterien und Arteriolen. Unter normalen Bedingungen ermöglicht es die suffiziente Versorgung der Körpergewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen.
P1
a
P2
P1
b
P2
Im klinischen Alltag sind die arteriellen Durchblutungsstörungen am häufigsten.
Arterielle Verschlusskrankheit Die AVK ist charakterisiert durch eine progrediente Lumeneinengung der Arterien mit Minderung des Blutdrucks und einer reduzierten Durchblutung distal der Engstelle. Zu einer Minderung der Ruhedurchblutung kommt es, wenn mehr als 50 % des Lumens verlegt sind. Bis zu einem gewissen Grad kann der Körper diese Lumeneinengung kompensieren: Durch eine Dilatation der poststenotischen Gefäße mit Senkung des Gefäßwiderstandes, eine zunächst funktionelle Dilatation von Kollateralen und schließlich eine organische Erweiterung der Kollateralgefäße (Abb. 6.1). Eine kritische Unterschreitung der Extremitätengefäßdurchblutung führt zum Ischämieschmerz in den abhängigen Geweben. Sie kann bedingt sein durch: einen belastungsabhängigen Sauerstoffmehrbedarf bei in Ruhe noch kompensierter Durchblutungseinschränkung, eine Progredienz der Lumeneinengung mit Überschreitung der kompensatorischen Reserve (Kollateralgefäße, poststenotische Dilataion) und einen akuten Verschluss.
P1
c
P2
Abb. 6.1 Entwicklung des Kollateralkreislaufs bei arteriellen Verschlüssen: a durchgängige Stammarterie; b passive Erweiterung der präformierten Bahnen nach Verschluss der Stammarterie zwischen den beiden Seitenästen. Umkehr der Strömungsrichtung im Seitenast distal des Verschlusses. Großer Druckgradient (P1–P2); c Umbau der Gefäße zu Kollateralen. Abnahme des Druckgradienten (P1–P2) durch Abnahme des kollateralen Widerstandes
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atheromatöser Fettkern
Ausgedehnte Plaquebildungen im Verlauf der Aorta können folgenlos bleiben, während kleine Stenosen an peripheren Gefäßen oder an Gefäßabgängen erhebliche Funktionseinbußen verursachen.
DP
a
b Abb. 6.2 Atheromatöser Plaque: die fibröse Deckplatte (DP) grenzt den atheromatösen Fettkern gegen das Lumen ab. a Grafische Darstellung; b Endatherektomiezylinder der A. carotis: Fettkern durch Pfeile markiert (PS = Plaqueschulter, GI = Gefäßintima, GM = Gefäßmedia)
Die Gefäßwandveränderungen der Atherosklerose sind charakterisiert durch einen Elastizitätsverlust, eine Proliferation der Gefäßwandzellen und Lipideinlagerungen, die schließlich zum Bild der atherosklerotischen Plaque führen (Abb. 6.2). Dieser Prozess tritt bei der Gefäßalterung physiologisch auf, wird aber aggraviert durch Risikofaktoren (Fettstoffwechselstörungen, Hypertonus, Nikotin und andere, s. S. 132). Das klinische Bild hängt ab von der Lokalisation der Engstellung und von der Dynamik ihres Auftretens.
Bei langsam progredienten Stenosen bleibt dem Organismus häufig ausreichend Zeit für die Ausbildung von Kollateralkreisläufen. Dies bedeutet, dass klinische Manifestationen dann meistens Ausdruck einer bereits weit fortgeschrittenen Erkrankung sind mit ausgeprägten und ausgedehnten Stenosen und schließlich Versagen der Kompensationsmechanismen. Der mehr oder weniger langsame Progress der Erkrankung tritt gesetzmäßig auf und prägt das klinische Bild der arteriellen Verschlusskrankheit. Zu jedem Zeitpunkt kann es außerdem zur akuten Verlegung des Restlumens kommen, durch Embolien oder Thrombosen im Bereich atheromatöser Plaques oder zur embolischen Verlegung des Lumens gesunder Gefäße. Hieraus resultiert das Bild des akuten arteriellen Verschlusses.
LERNTIPP
Claudicatio intermittens
127
Formen Die wichtigsten Formen der arteriellen Verschlusskrankheit sind, entsprechend dem dominierenden Befallsmuster: die AVK der peripheren Aorta und der Extremitätenarterien, die pAVK, die Thema dieses Abschnitts ist, die AVK der extrakraniellen hirnversorgenden Arterien die KHK und die AVK der Viszeralarterien und der Nierenarterien. Da die Arteriosklerose eine Systemkrankheit ist, ist immer mit entsprechenden Komorbiditäten zu rechnen, seien sie klinisch apparent oder noch inapparent. Bei der pAVK dominiert der belastungsabhängige Schmerz in den Beinen, der sich in Ruhe relativ rasch wieder zurückbildet.
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Leitsymptome Akuter Verschluss Der akute Verschluss der Extremitätenarterien ist nicht selten. In etwa der Hälfte der Fälle liegt ein Verschluss im Bereich der A. femoralis vor (Abb. 6.3). In 80 % der Fälle ist der arterielle Verschluss Folge einer Embolie, die meist (90 %) aus dem Herzen stammt (Vorhofflimmern, Vitien, Infarkt) und seltener (10 %) aus dem proximal gelegenen Gefäßsystem (Arterie, arterielle Embolie). In 20 % der Fälle ist der Verschluss bedingt durch die thrombotische Verlegung des Gefäßlumens über einer atherosklerotischen Plaque (Abb. 6.4).
128
6.3.2 Venöse Abflussstörung Besteht ein postthrombotisches Syndrom (s. S. 121) kann es während stärkerer körperlicher Belastung zu Schmerzen im Bein kommen. Grund ist die Dekompensation des eingeschränkten venösen Rückstroms bei belastungsabhängiger Mehrdurchblutung der Extremitäten. Es kommt zu einer akuten, schmerzhaften Zunahme des Beinvolumens.
6.3.3 Claudicatio spinalis
Lokalisation (Beine)
Aorta 8 % A. iliaca 15 % A. femoralis 46 %
A. poplitea 13 % Aa. tibiales 3 %
Abb. 6.3 Lokalisation des akuten Arterienverschlusses am Bein
a
Klinisch ist der akute arterielle Verschluss gekennzeichnet durch plötzliche starke Schmerzen sowie Blässe, Pulslosigkeit, Sensibilitätsstörungen.
Als Claudicatio spinalis wird ein Krankheitsbild bezeichnet, dessen Entstehen im Einzelnen nicht vollständig geklärt ist. Auf dem Boden angeborener Störungen (z. B. Osteochondrodystrophie) oder erworbener Wirbelsäulenveränderungen (spondylotische Randwulstbildung, Verdickung des Ligamentum flavum) kommt es zu einer Verengung des Spinalkanals (Abb. 6.5). Bei der Schmerzentstehung spielen wahrscheinlich die mechanische Kompression und eine belastungsabhängige Wurzelischämie eine Rolle. Typisch sind die unangenehmen Parästhesien im Bereich der Hüfte, des Gesäßes und der Oberschenkel beim Gehen, besonders bei Lordosehaltung.
b
Abb. 6.4 Atherosklerotische Plaqueruptur (REM; Vergr. 1:1000). Stadien: a oberflächlicher Einriss (q) der ins Lumen vorgewölbten Lipidplaque; b aus der rupturierten Plaque (q) entleert sich atheromatöses Material
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Claudicatio intermittens 6.4 Ursachen belastungsabhängiger Beinschmerzen
Abb. 6.5 Claudicatio spinalis: degenerativ bedingte Einengung des Spinalkanals, es verbleibt ein dreieckiges Restlumen (q), Nebenbefund: ausgeprägte Verkalkung des Hauptgefäßstamms (*)
Die häufigste Ursache des klassischen, belastungsabhängigen Beinschmerzes ist die pAVK. Sie wird durch erkennbare und teilweise behandelbare Grunderkrankungen aggraviert. Ein seltenere Ursache ist die Thrombangiitis obliterans (Morbus WiniwarterBürger). Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch segmentale Stenosen und Verschlüsse ausschließlich der Extremitätenarterien. Es besteht fast immer ein Nikotinabusus und ein eigentümliches selbstzerstörerisches Verhalten der Betroffenen, die trotz mehrerer und fortgesetzter Amputationen den Zigarettenkonsum nicht aufgeben. Gegenüber der pAVK sind die Claudicatio venosa und die Claudicatio spinalis deutlich seltener (Tab. 6.1).
129
Tabelle 6.1 Ursachen belastungsabhängiger Beinschmerzen häufig arterielle Durchblutungsstörungen
weniger häufig
Arteriosklerose im Alter
selten Thrombangiitis obliterans (Morbus WiniwarterBürger)
Arteriosklerose bei Grunderkrankung: Diabetes mellitus Fettstoffwechselstörungen Hypertonus Arteriosklerose bei Nikotinabusus venöse Durchblutungsstörungen
postthrombotisches Syndrom
spinale Einengung
Syndrom des engen Spinalkanals
orthopädische Ursachen
Beckenschiefstand Fußdeformitäten Arthrosen
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Leitsymptome 6.5 Problemlösung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese
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Bei der weiteren gezielten Anamneseerhebung berichtet Alfred P. dann Folgendes: Die Schmerzen, die er zum ersten Mal vor einem Jahr bemerkte, treten im Bereich der Wade auf. Zunächst waren die Beschwerden nur mild ausgeprägt, seit einem 1/ 4 Jahr kann er nur noch 300 m gehen, bis die Schmerzen ihn zum Stehen bleiben zwingen. Er kann die Gehstrecke deshalb so genau angeben, weil auf dem morgendlichen Weg zum Bäcker immer ziemlich genau an der gleichen Stelle stehen bleiben muss. Zu Hause und beim Gehen kurzer Strecken treten die Schmerzen nie auf. Alfred P. raucht etwa 30 Zigaretten pro Tag, früher waren es auch oft mehr. Außerdem besteht ein Übergewicht und die Blutzucker- und Fettwerte waren bei der letzten Untersuchung „nicht so ganz im grünen Bereich“. Der Blutdruck ist etwas erhöht, deshalb nimmt der Patient den ACE-Hemmer Ramipril ein. Der Vater des Patienten starb mit 59 Jahren an einem Herzinfarkt und die Mutter mit 73 Jahren an einem Mammakarzinom.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Angesichts der typischen Anamnese mit regelhaft auftretenden Schmerzen nach einer bestimmten Gehstrecke und des Risikoprofils ist die wichtigste Differenzialdiagnose die pAVK. In diese Richtung werden die weiteren diagnostischen Schritte unternommen. p Weiter auf S. 133
6.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen Ziel von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung ist es, drei Fragengruppen abzuklären: Welche Form der Belastungsabhängigkeit liegt vor? Liegt eine arterielle, venöse oder spinale Ursache vor? Wenn bei einer arteriellen Durchblutungsstörung eine Arteriosklerose ursächlich ist, muss abgeklärt werden: Wie sind Ausprägung und Lokalisation der Arteriosklerose und welche Komorbiditäten sind feststellbar?
Form der Belastungsabhängigkeit Zur Unterscheidung zwischen Bewegungsschmerz und Claudicatio intermittens sind zwei Fragen nützlich: Haben Sie Schmerzen beim Gehen, die bewegungsabhängig auftreten und in Ruhe nicht vorhanden sind? Diese Form von Schmerzen findet man häufig bei orthopädischen Krankheitsbildern. Orthopädisch bedingte Beinschmerzen treten in aller Regel frühzeitig während des Gehens auf. Sie kommen häufig vor und sind oft gut einem Gelenk oder einer Gelenkregion zugeordnet und zeigen eine Haltungsabhängigkeit (s. Tab. 6.2). Oder liegt eine Schmerzsymptomatik vor, die bei einem bestimmten Belastungsniveau auftritt und in Ruhe wieder nachlässt? Dies ist das Beschwerdebild der Claudicatio intermittens im engeren Sinne, um das es in diesem Kapitel geht. Sie zeigt eine Schmerzhaftigkeit, die nach einer längeren Gehstrecke auftritt und häufig ziemlich exakt nach der gleichen Entfernung reproduzierbar ist.
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Unterscheidung zwischen arterieller, venöser und spinaler Ursache
Im Unterschied zur Claudicatio intermittens treten bei der Claudicatio spinalis keine Beschwerden beim Radfahren auf, weil dabei eine entlordosierte Haltung eingenommen wird.
Die zweite Frage, die zu beantworten ist, ist die nach der zugrunde liegenden Ursache : Arteriell, venös oder spinal?
Das Beschwerdebild der Claudicatio venosa ist charakterisiert durch ziehende Schmerzen, Schweregefühl und Spannungsgefühl in den Extremitäten.
Linderung Charakteristische Unterschiede zwischen einer arteriellen, venösen oder spinalen Ursache bestehen auch in den Maßnahmen zur Linderung: arterielle Durchblutungsstörungen bessern sich bei Tieflagerung des Beins venöse Durchblutungsstörungen bessern sich bei Hochlagerung des Beins und eine Claudicatio spinalis wird durch eine gebückte Kyphosehaltung gelindert.
Lordose: nach ventral konvexe Verbiegung der Wirbelsäule in der Medianebene, in geringem Maße physiologisch im HWS- und LWSBereich Kyphose: nach dorsal konvexe Verbiegung der Wirbelsäule in der Medianebene, physiologisch angedeutet im HWS-Bereich
131
MERKE
Um diese Frage anamnestisch zu klären, werden zum einen eingehende Fragen zum Beschwerdebild gestellt, zum anderen wird nach Risikofaktoren im Hinblick auf eine Arteriosklerose gefahndet. Die Claudicatio arteriosa und die Claudicatio spinosa können sehr schwer zu differenzieren sein. Häufig lassen sich jedoch charakteristische Unterschiede erfragen (Tab. 6.2). Der Schmerzcharakter der Claudicatio arteriosa ist krampfartig. Bei der Claudicatio spinalis bestehen oft unangenehme Parästhesien im Bereich von Gesäß, Hüfte und Oberschenkel. Die schmerzfreie Gehstrecke ist bei der AVK relativ konstant und der Schmerz nach einer bestimmten Entfernung gut reproduzierbar. Die schmerzfreie Gehstrecke bei der Claudicatio spinalis ist abhängig von der Körperhaltung. In vorgebeugter, kyphotischer Körperhaltung lässt sich eine Linderung erzielen. Eine Verstärkung der Schmerzen bei AVK findet beim bergauf gehen durch die vermehrte Muskelarbeit und den damit verbundenen Sauerstoffmehrbedarf statt. Die Beschwerden der Claudicatio spinalis bestehen verstärkt beim bergab gehen wegen der damit verbundenen Lordosehaltung.
LERNTIPP
Claudicatio intermittens
Risikofaktoren Der nächste Fragenkomplex zur Differenzierung zwischen arterieller, venöser und
Tabelle 6.2 Unterscheidung zwischen arterieller und spinaler Ursache Parameter
Claudicatio arteriosa
Claudicatio spinalis
Schmerzcharakter
krampfartig
Parästhesien
schmerzfreie Gehstrecke
konstant
haltungsabhängig
Aggravierung
bergauf gehen
bergab gehen
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Leitsymptome Tabelle 6.3 Risikofaktoren für die AVK I. Ordnung
II. Ordnung
Fettstoffwechselstörungen
Hyperurikämie
Nikotinabusus
Übergewicht
Hypertonus
Bewegungsmangel
Diabetes mellitus
Ovulationshemmer
Hypercholesterinämie
chronische Infekte terminale Niereninsuffizienz
132
spinaler Claudicatio intermittens betrifft die Risikofaktoren: Bei der symptomatischen AVK bestehen meistens Risikofaktoren. Zu den wichtigsten gehören hohes Alter, männliches Geschlecht und positive Familienanamnese. Weitere relevante, potenziell auch beeinflussbare Risikofaktoren sind in Tab. 6.3 angegeben. Die Risikofaktoren sollten abgefragt werden. Häufig sind sie dem Patienten bekannt, insbesondere der Nikotinabusus. Risikofaktor für eine venöse Claudicatio ist die durchgemachte tiefe Beinvenenthrombose. Für die Claudicatio spinalis lässt sich kein Risikoprofil wie bei den anderen beiden Formen angeben.
Ausprägung, Lokalisation und Komorbidität bei AVK Meistens sollte es möglich sein, aufgrund der Anamnese eine ziemlich gut fundierte Verdachtsdiagnose bei Bestehen einer AVK zu stellen. Wenn eine arterielle Durchblutungsstörung die Ursache ist, muss abgeklärt werden wie ausgeprägt die Durchblutungsstörung ist und wo sie lokalisiert ist. Außerdem ist es von Bedeutung herauszufinden, ob Komorbiditäten bestehen und wie sie sich manifestieren.
Ausprägung Das Ausmaß der AVK, d. h. das Maß der Funktionseinschränkung, lässt sich am besten über die Feststellung der schmerzfreien Gehstrecke bestimmen. Diese ist auch die Basis der klinischen Stadieneinteilung nach Fontaine (Tab. 6.4). Die Stadien III und IV nach Fontaine bedeuten eine Amputationsgefahr. Neben der Feststellung der schmerzfreien Gehstrecke gibt ein weiteres Charakteristikum des Schmerzverlaufs zusätzliche Informationen: Wird die schmerzfreie Gehstrecke bei wiederholter Belastung kürzer, ist dies ein prognostisch ungünstiges Zeichen. Eine Rückbildung der Beschwerden beim Weitergehen trotz Beschwerden spricht für diagnostische günstige, funktionierende Kompensationsmechanismen. Dieses Phänomen wird als walking through-Phänomen bezeichnet.
Tabelle 6.4 Stadieneinteilung der AVK nach Fontaine Stadium
Klinik
I
Beschwerdefreiheit
II
Belastungsschmerz
II a
schmerzfreie Gehstrecke i 200 m
II b
schmerzfreie Gehstrecke I 200 m
III
Ruheschmerz
IV
trophische Störungen: Ulcus, Gangrän, Nekrose
Die Stadien III und IV nach Fontaine bedeuten eine Amputationsgefahr.
Lokalisation Eine Lokalisationsbestimmung der Stenose ist aufgrund der Schmerzlokalisation möglich. Der Schmerz tritt deutlich unterhalb der Stenose auf (Tab. 6.5, Abb. 6.3).
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Claudicatio intermittens Tabelle 6.5 Schmerzlokalisation bei stenosierender AVK Lokalisation der Stenose
Lokalisation der Schmerzen
Aorta, Beckenarterien
Gesäß, Oberschenkel
Oberschenkel
Wade
Unterschenkel
Fuß
Komorbiditäten Schließlich wird anamnestisch nach weiteren Manifestationen der AVK an anderen Organen gefahndet: Gehirn n Trat in der Vergangenheit einmal Schwindel auf? n Wurden eine transitorischischämische Attacke (TIA) oder ein Apoplex durchgemacht? Herz n Bestehen Beschwerden einer Angina pectoris? n Wurde einmal ein Myokardinfarkt durchgemacht? n Bestehen Herzrhythmusstörungen (s. S. 50)? n Besteht Anhalt für eine Herzinsuffizienz? (Dyspnoe, Ödeme) n Besteht Schwindel oder waren Synkopen aufgetreten? Niere n Besteht ein Hypertonus? (möglicher Hinweis auf eine Nierenarterienstenose) Gastrointestinaltrakt n Bestehen Beschwerden im Sinne einer Angina abdominalis mit postprandialen abdominalen Beschwerden? (Hinweis auf Durchblutungsstörungen im Bereich der Eingeweide) Stoffwechsel n Sind die Blutzuckerwerte erhöht? (Hinweis auf einen Diabetes mellitus)
Medikamentenanamnese Auch die vom Patienten eingenommenen Medikamente werden erfragt.
6.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung von Herrn P. sehen Sie einen Patienten in gutem Allgemeinzustand und etwas adipösem Ernährungszustand (Größe 174 cm, Gewicht 86 kg). Das linke Bein ist inspektorisch unauffällig, insbesondere im Vergleich mit der Gegenseite. Der Pulsstatus: Links sind die Fußpulse nicht tastbar, der Puls der A. poplitea ist nicht sicher zu tasten, der Puls der A. femoralis ist tastbar. Rechtsseitig sind die Fußpulse ebenfalls nicht tastbar, die A. poplitea ist relativ gut zu fühlen und der Puls der A. femoralis ist palpabel. Der übrige Pulsstatus ist unauffällig. Über der linken A. femoralis auskultieren Sie ein Strömungsgeräusch. Der Blutdruck liegt, am linken Oberarm gemessen, bei 165/95 mmHg, rechts bei 170/95 mmHg. Die Herztöne sind leise, sie auskultieren ein 1/6-Systolikum über der Herzspitze. Über den Lungen perkutieren Sie einen etwas hypersonoren Klopfschall. Sie auskultieren ein leises Atemgeräusch, Rasselgeräusche hören Sie nicht. Das Abdomen ist weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen. Keine Strömungsgeräusche auskultierbar. Die orientierende Untersuchung des Nervensystems ist unauffällig.
133
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die beidseits fehlenden Fußpulse und der fehlende Puls der A. poplitea links sprechen für eine arterielle Durchblutungsstörung als Ursache der Beschwerden. Das Strömungsgeräusch über der A. femoralis spricht für eine Stenose in diesem Bereich. Die Blutdruckdifferenz an den Armen liegt im Bereich des Normalen. Das 1/6 Systoli-
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Leitsymptome kum dürfte Ausdruck einer im Hinblick auf die Beschwerden irrelevante Mitralklappeninsuffizienz sein. Der hypersonore Klopfschall über der Lunge und das leise Atemgeräusch sprechen für ein leichtes Emphysem. Bei der körperlichen Untersuchung konzentriert man sich zunächst auf das schmerzhafte Bein. Das gesamte Bein wird untersucht, auch im Höhenvergleich sowie im Vergleich zur Gegenseite. Beurteilt werden Farbe, Temperatur, Hinweise auf trophische Störungen, Berührungsschmerz, Pulsstatus, Blutdruck, Funktion und zusätzliche Erkrankungen.
134
Farbe Eine kritisch stenosierende AVK führt zu einer Blässe distal der Stenose. Diese lässt sich oft gut erkennen.
zu einer Arztkonsultation geführt. Eine Gangrän in einem Hautareal, z. B. einer Zehe, ist nicht zu übersehen (Abb. 6.6).
Berührungsschmerz Bei einer kritisch verminderten arteriellen Durchblutung ist das betroffene Bein spontan und bei Berührung unter Umständen sehr schmerzhaft. Die Untersuchung erfolgt in diesen Fällen sehr vorsichtig.
Pulsstatus Schließlich wird natürlich der Pulsstatus der betroffenen Region untersucht (s. S. 23). Nach der Untersuchung der betroffenen Extremität erfolgt die des gesamten Pulsstatus. Soweit möglich, werden die Pulse palpiert und auskultiert. Bei der AVK besteht eine Pulsabschwächung oder Pulslosigkeit unterhalb des arteriellen Verschlusses, bei venöser Durchblutungsstörung ist der Puls erhalten.
Temperatur Temperaturdifferenzen sind ab 1h Celsius spürbar. Untersucht wird seiten- und höhenvergleichend. Die relevante Stenosierung bei der pAVK ist oft mit einer spürbaren Temperaturminderung verbunden.
Trophische Störungen Trophische Störungen sieht man bei der Erstvorstellung eines Patienten mit AVK meistens nicht. Bevor sie auftreten, hat der Schmerz in der Regel schon einmal
Blutdruckmessung und Funktionsprüfung Außerdem wird der Blutdruck bds. an der A. brachialis gemessen (s. Abb. S. 193). Eine Blutdruckdifferenz spricht für eine Stenosierung proximal der A. brachialis. Eine Funktionsprüfung, mit dem die Suffizienz der arteriellen Versorgung des Beines überprüft werden kann, ist die Lagerungsprobe nach Ratschow.
Komorbiditäten Bei der klinisch manifesten AVK der Beine sollte immer auch bei der körperlichen Untersuchung nach Manifestationen der Atherosklerose an anderen Organen gefahndet werden, da das Ausmaß dieser Komorbiditäten die Mortalität entscheidend beeinflusst.
Herz Abb. 6.6 Fortgeschrittene trockene Gangrän bei peripherer AVK im Stadium IV, Gewebeverlust an den Zehen
Die Atherosklerose der Herzkranzgefäße kann zu Herzrhythmusstörungen (s. S. 50) sowie einer Herzinsuffizienz (s. S. 183) mit den entsprechenden Zeichen führen:
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Claudicatio intermittens Pulmonale Stauung, periphere Ödeme (s. S. 96).
Gehirn Die körperliche Untersuchung umfasst neben der Untersuchung der Karotiden eine orientierende neurologische Untersuchung (Sensorik, Motorik, Reflexstatus).
Abdomen Durchblutungsstörungen des Gastrointestinaltraktes sind einer körperlichen Untersuchung nicht zugänglich, abgesehen von der Auskultation der arteriellen Bauchgefäße. Die körperliche Untersuchung bei der Claudicatio spinalis ist oft nicht ergiebig. Typisch ist die Induktion lageabhängiger (Lordosehaltung) Schmerzen und Missempfindungen.
6.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie veranlassen eine Dopplersonographie der A. dorsalis pedis und der A. tibialis posterior. Bei der Verschlussdruckmessung (Durchführung s. Abb. 6.7) wird im Vergleich zum Blutdruck am Arm ein deutlich erniedrigter Druck der peripheren Arterien gemessen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Anamnese, die körperliche Untersuchung und die Doppleruntersuchung sprechen eindeutig für das Vorliegen einer arteriellen Verschlusskrankheit. p Weiter auf S. 136 Die Auswahl und Reihenfolge der weitergehenden Untersuchungen richten sich nach den Ergebnissen der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung (Tab. 6.6). Bei Verdacht auf eine pAVK kann zunächst ein Belastungstest auf dem Laufband zur Bestimmung der freien Gehstrecke durchgeführt werden. Eine einfache und ambulant durchzuführende Untersuchung ist die Bestimmung der arteriellen Durchblutung mit der Dopplersonographie (s. S. 203). Mit der farbkodierten Duplexsonographie (FKDS, s. S. 203) ist zusätzlich die morphologische Darstellung der Gefäße möglich. Damit lassen sich typische Strömungsphänomene des fließenden Blutes innerhalb des arteriosklerotisch veränderten Gefäßes darstellen. Weitere bildgebende Verfahren sind die digitale Subtraktionsanalyse (DSA, s. S. 208), die computertomographische Angiographie (CTA, s. S. 207) und die Magnetresonanzangiographie (MRA, s. S. 207). Bei Verdacht auf eine Claudicatio spinalis ist die Untersuchung der Wahl das MRT oder die Computertomographie. Zur Diagnostik venöser Durchblutungsstörungen s. S. 122
135
Abb. 6.7 Dopplerdruckmessung der A. dorsalis pedis
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Leitsymptome Tabelle 6.6 Weitergehende Diagnostik bei bewegungsabhängigen Beinschmerzen Untersuchung
Parameter
Interpretation
arterielle Durchblutungsstörungen Laufbanduntersuchung
schmerzfreie Gehstrecke
arterielle Durchblutung vermindert
Dopplersonographie
Blutdruckmessung
Blutdruckminderung
FKDS
zusätzlich: Morphologie
Plaque/Stenose
DSA
Gefäßdarstellung
Plaque/Stenose
CTA
Gefäßdarstellung
Plaque/Stenose
MRA
Gefäßdarstellung
Thrombangiitis
CT
Spinalkanal
Verengung
MRT
Spinalkanal
Verengung
Claudicatio spinalis
136
venöse Durchblutungsstörungen FKDS
Venendurchgängigkeit Klappeninsuffizienz
postthrombotisches Syndrom
FKDS = farbkodierte Duplexsonographie, DSA = digitale Subtraktionsanalyse, CTA = computertomographische Angiographie, MRA = Magnetresonanzangiographie, CT = Computertomographie, MRT = Magnetresonanztomographie
6.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Der Goldstandard für die Gefäßdarstellung und die Diagnostik der AVK ist die digitale Subtraktionsangiographie (Tab. 6.7).
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose einer arteriellen Verschlusskrankheit kann bereits als gesichert angesehen werden. Mit der DSA kann der betroffene Gefäßabschnitt dargestellt und der Befund für die weitere Therapieplanung dokumentiert werden (s. S. 208).
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Claudicatio intermittens Tabelle 6.7 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
pAVK
Claudicatio intermittens, typisches klinisches Bild
Dopplersonographie, FKDS
Thrombangiitis obliterans
Schmerzen, akrale Nekrosen, Nikotinabusus
MR-Angiographie
Claudicatio spinalis
Claudicatio spinalis mit typisch klinischem Bild
spinales MRT
venöse Durchblutungsstörungen
vorausgegangene Thrombose, postthrombotisches Syndrom
FKDS
6.7.1 Therapieansätze In Tab. 6.8 sind die Therapieansätze bei Erkrankungen, die zu Schmerzen in den Beinen führen, aufgelistet.
137
Tabelle 6.8 Therapie bei Claudicatio Erkrankung
Therapie
pAVK
Beseitigung aller beeinflussbarer Risikofaktoren Stadiengerechte Therapie n Stadium II: Gehtraining n Stadium II-IV: n medikamentös: ASS, Prostaglandine, Pentoxifyllin n Revaskularisierung: Katheterverfahren: perkutane transluminale Angioplasie, Stentimplantation n operativ: Thrombendarteriektomie, Bypass-Operation n Stadium IV: Infektbehandlung, Amputation als Ultima ratio
Thrombangiitis obliterans
absolute Nikotinkarenz (auch passive); Applikation von Prostaglandinen: PGE1 und das Prostazyklin-Analogon Iloprost; bei Läsionen: lokale Wundbehandlung
Claudicatio spinalis
n n
n n
konservativ: Lagerung im Stufenbett, physikalische Maßnahmen (Wärme, Massagen), Physiotherapie, Schmerztherapie operativ: unterschneidende Dekompression zur Erweiterung des Spinalkanals
venöse Durchblutungsstörungen
Kompressionsstrümpfe
akuter arterieller Verschluss
Embolektomie
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen
7 Raynaud-Syndrom 7.1 Begriffe
138
Raynaud-Syndrom (synonym RaynaudPhänomen): Anfallsartig auftretende Vasokonstriktion der Fingerarterien, seltener der Fußarterien oder der Arterien von Ohren und Nase. Sie kann spontan, durch Wärme sowie durch Pharmaka wieder gelöst werden. Zwei Formen des RaynaudSyndroms werden unterschieden: Primäres Raynaud-Syndrom : RaynaudSyndrom, das ohne eine erkennbare Grunderkrankung auftritt. Sekundäres Raynaud-Syndrom: Raynaud-Syndrom, das bei einer erkennbaren Grundkrankheit auftritt. Akrozyanose (periphere Zyanose): Mehr oder weniger ständige, lang anhaltende schmerzlose Blauverfärbung der Akren (Finger, Zehen, Nase, Ohren).
7.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht der Patientin Die 35-jährige Christine W. klagt bei der Vorstellung in Ihrer Sprechstunde über eine immer wieder auftretende, umschriebene Blässe der Finger mit anschließender Schmerzhaftigkeit. Zwischendurch bilden sich die Beschwerden komplett zurück. Die Beschwerden der Patientin treten besonders bei Kälte auf.
Das Beschwerdebild ist typisch für das Raynaud-Syndrom. Abgegrenzt werden muss es von der Akrozyanose, der mehr oder weniger anhaltenden Blauverfärbung. Das Raynaud-Syndrom kann ohne Grunderkrankung auftreten, aber auch Ausdruck zahlreicher Ursachen sein, die häufigsten sind Kollagenosen, Bindegewebserkrankungen mit sehr variablen klinischen Erscheinungsbildern. p Weiter auf S. 141 Das primäre Raynaud-Syndrom wird meistens als lästiges, aber nicht gravierendes Beschwerdebild empfunden. Die Beschwerden im Rahmen des sekundären Raynaud-Syndroms können gravierend und äußerst schmerzhaft sein sowie mit trophischen Störungen (Nekrosen) einhergehen. Sie können Erst- und Begleitmanifestationen schwerer Krankheitsbilder sein. Die Zahl möglicher Grunderkrankungen ist sehr groß.
7.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Das primäre Raynaud-Syndrom ist charakterisiert durch morphologisch normale Arterien und Arteriolen, die auf Katecholamine eine erhöhte Reagibilität zeigen. Die Pathomechanismen sind nicht in allen Einzelheiten bekannt. Typisch ist die Trias von weiß-blau-rotVerfärbung der Haut im betroffenen arteriellen Versorgungsgebiet. Bei Kälte- oder Stressbelastung kann es auf dem Boden dieser Hyperreagibilität zu einer anfallsartigen, spastischen Vasokonstriktion der Arterien und Arteriolen kommen. Diese ischämische Phase ist charakterisiert durch die Blässe. Die Hypoxie führt dann im Bereich der Venolen zu einer Zyanose (Blauverfärbung). Bedingt durch die Akkumulation vasodilatatorisch wirksamer Substanzen kommt es anschließend zu einer Vasodilatation mit Hyperämie und Hautrötung.
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Raynaud-Syndrom
MERKE
Demgegenüber ist das sekundäre Raynaud-Syndrom charakterisiert durch das Vorliegen einer morphologisch erkennbaren Verengung der Arterien oder Arteriolen mit organisch fixierter poststenotischer Druckminderung. Bei einer zusätzlichen, kältebedingten Vasokonstriktion der distal der Stenose gelegenen Gefäße kommt es zu einem kritischen Abfall des Durchblutungsdrucks mit klinisch manifester Ischämie und dem typischen klinischen Bild. Sowohl beim primären als auch beim sekundären Raynaud-Syndrom sind am häufigsten die Finger betroffen, seltener die Zehen, Ohren oder Nase.
7.4 Ursachen des Raynaud-Syndroms Die Ursache des primären Raynaud-Syndroms ist unbekannt. Das sekundäre Raynaud-Syndrom wird häufig bei Kollagenosen, systemischen entzündlichen Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes, und rheumatischen Erkrankungen gesehen, weniger häufig bei chronischen Mikrotraumen (Presslufthammer) und anderen Grunderkrankungen. Die Liste der Ursachen ist außerordentlich lang und vielfältig. Tab. 7.1 stellt die Häufigkeiten der zugrunde liegenden Ursachen dar, wenn bei einem Patient ein Raynaud-Syndrom besteht.
Typisch für das Raynaud-Phänomen ist die Farbfolge der weiß-blau-rotVerfärbung der Haut!
139
Tabelle 7.1 Ursachen des sekundären Raynaud-Syndroms Grund
häufig
Kollagenosen
systemischer Lupus erythematodes
weniger häufig
selten
Arterioskleriose
Thrombangiitis obliterans
Sjögren-Syndrom Mischkollagenose CREST-Syndrom (spezifische Verlaufsform der systemischen Sklerodermie) Sklerodermie Poly-/Dermatomyositis arterielle Erkrankungen neurologische Erkrankungen
Neuropathien multiple Sklerose Karpaltunnel-Syndrom Apoplex
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Leitsymptome Tabelle 7.1 Fortsetzung Grund
häufig
Medikamente
b-Blocker
weniger häufig
selten Ergotamine Clonidin hormonelle Antikonzeptiva Bleomycin Vinblastin
Trauma
Vibrationstrauma (Kettensäge, Presslufthammer)
anatomische Engstellen
Scalenus anteriorSyndrom
140
Halsrippe Lebererkrankungen
Zirrhose
Lungenerkrankungen
primäre pulmonale Hypertonie
hämatologische Erkrankungen
Kälteagglutinine Kryoglobuline Polyzythämiea vera Paraproteine Hyperviskositätssyndrom
endokrinologische Erkrankungen
Phäochromozytom
paraneoplastisch
Karzinome
Hypothyreose
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Raynaud-Syndrom 7.5 Problemlösung 7.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Liegt eine Akrozyanose oder ein Raynaud-Syndrom vor? Liegt ein primäres oder ein sekundäres Raynaud-Syndrom vor? Beim sekundären Raynaud-Syndrom: Welche Grunderkrankung lässt sich eruieren?
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Die Beschwerden treten bei Frau W. seit mehreren Monaten, vielleicht auch schon seit einem Jahr, immer wieder auf. Betroffen sind die Finger II – V in variabler Ausprägung, meistens treten die Beschwerden asymmetrisch auf. Bei Nachfrage berichtet Christine W. über eine initiale Blässe, die gefolgt wird von einer Blaufärbung und anschließenden Rötung. Diese Phase kann etwas schmerzhaft sein, gelegentlich besteht auch ein anhaltendes Kribbelgefühl. Bei gezielter Anamnese gibt Frau W. an, Gelenkschmerzen in den Fingern und auch in den Ellenbogengelenken bemerkt zu haben. Die Schmerzen sind allerdings oft flüchtig. In der letzten Zeit hat die Patientin auch das Gefühl leichter Muskelschmerzen, denen sie zunächst aber keine Bedeutung schenkte. Im Übrigen sind keine Vorerkrankungen bekannt, die Patientin nimmt keine Medikamente ein.
Unterscheidung zwischen Akrozyanose und Raynaud-Syndrom Zunächst wird geklärt, ob ein RaynaudSyndrom oder eine Akrozyanose vorliegt. Der Angabe: „Ich habe immer so blaue Finger“ liegt meistens eine Akrozyanose zugrunde. Schmerzen und trophische Störungen bestehen bei der Akrozyanose nicht (Tab. 7.2), sie wird durch Kälte aggraviert. Das Raynaud-Syndrom tritt typischerweise anfallsartig auf, meistens wird die initiale Weißverfärbung registriert (Abb. 7.1). Auslöser sind Kälte und Emotionen.
141
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Ziel der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung ist die Klärung von drei Fragenkomplexen:
Abb. 7.1 Raynaud-Syndrom: Stadium der Blässe
Beim sekundären Raynaud-Syndrom kann es u. U. zu trophischen Störungen mit Nekrosen kommen.
LERNTIPP
Die immer wieder auftretenden Arthralgien und Myalgien im Zusammenhang mit dem Raynaud-Syndrom lassen an eine Kollagenose denken. Da diese Beschwerden aber relativ unspezifisch sind, müssen weitere Differenzialdiagnosen (Engstellensyndrom, hämatologische und endokrinologische Erkrankungen) berücksichtigt werden. p Weiter auf S. 143
Typische Auslöser des Raynaud-Syndroms sind Kälte und emotionaler Stress. Allerdings muss das Raynaud-Syndrom nicht immer den erkennbaren phasenartigen Verlauf mit Weiß-, Blau- und Rotverfärbung nehmen.
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Leitsymptome Tabelle 7.2 Differenzierung zwischen Akrozyanose und Raynaud-Syndrom
142
Parameter
Akrozyanose
Raynaud-Syndrom
Dynamik
länger anhaltend, dauernd, nicht anfallsartig
anfallsartig
Auslöser
Kälte aggraviert die Beschwerden
Kälte, Emotionen
Schmerzen, Kribbelparästhesien
nein
ja
trophische Störungen
nein
primäres Raynaud-Syndrom: nein sekundäres Raynaud-Syndrom: u. U. Nekrosen
Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Syndrom Häufig liefert schon die Anamnese differenzialdiagnostische Hinweise zur Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Syndrom (Tab. 7.3). Das primäre Raynaud-Syndrom tritt meistens symmetrisch mit Befall der Finger auf, es betrifft die Finger II–V, während beim sekundären Raynaud-Syndrom das Verteilungsmuster oft asymmetrisch ist. Auslöser beider Formen ist Kälte, das primäre Raynaud-Syndrom wird oft auch durch emotionalen Stress ausgelöst. Weitere Merkmale sind das Vorliegen von Nekrosen (Abb. 7.2), Grunderkrankungen und begleitende vasospastische Erkrankungen (Tab. 7.3).
Abb. 7.2 Ulzerationen der Fingerkuppen beim fortgeschrittenen Raynaud-Syndrom
Ursachenabklärung beim sekundären Raynaud-Syndrom Wenn der Verdacht auf das Vorliegen eines sekundären Raynaud-Syndroms besteht, kann die weitere Abgrenzung der ursächlichen Erkrankung aufgrund der Anamnese allein schwierig sein. Allerdings lassen sich oft tragfähige Verdachtsdiagnosen formulieren.
Kollagenosen Insbesondere bei Frauen sollten Kollagenosen, die eine deutliche Präferenz des weiblichen Geschlechtes zeigen, in die ersten Überlegungen einbezogen werden. Das Raynaud-Syndrom kann anderen Symptomen lange vorausgehen. Häufige Symptome von Kollagenosen sind allgemeines Krankheitsgefühl, subfebrile bis febrile Temperaturen, Arthralgien, Arthritiden und Myalgien. Außerdem sollte nach Hautveränderungen gefragt werden (s. S. 144). Die Sklerodermie (s. Abb. 7.3b) kann zu Schluckstörungen führen, das Sjögren-Syndrom führt nicht selten zu einer Sicca-Symptomatik, d. h. zu trockenen Augen und Mundtrockenheit. Weniger häufig sieht man im frühen Verlauf von Kollagenosen eine Lungenbeteiligung mit Dyspnoe oder eine Herzbeteiligung mit entsprechender Symptomatik: perikarditische Schmerzen,Herzrhythmusstörungen (s. S. 50), Herzinsuffizienzzeichen (s. S. 181).
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Raynaud-Syndrom
MERKE
Tabelle 7.3 Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Syndrom Parameter
primäres RaynaudSyndrom
sekundäres RaynaudSyndrom
symmetrisch
ja
nein
trophische Störungen
nein
u. U. ja
Auslöser
Kälte, emotionaler Stress
Kälte
Grunderkrankung
nein
ja
begleitende vasospastische Erkrankungen
Migräne, Prinzmetal-Angina
nein
Frauen erkranken häufiger an Kollagenosen als Männer. Typische Symptome sind allgemeines Krankheitsgefühl, subfebrile bis febrile Temperaturen, Arthralgien, Arthritiden und Myalgien.
Arterielle Erkrankungen Das Raynaud-Syndrom kann auch im Rahmen generalisierter arterieller Erkrankungen auftreten: Thrombangiitis obliterans (s. S. 129) und arterielle Verschlusskrankheit (AVK, s. S. 126). Bei entsprechendem Verdacht sollte man nach Risikofaktoren (Nikotin, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen) fragen.
Mikrotraumen Da ein Raynaud-Syndrom auch im Rahmen lang anhaltender Mikrotraumatisierungen auftreten kann, sollte nach speziellen beruflichen Belastungen gefragt werden, wie etwa die Arbeit mit Presslufthammer, Kettensäge oder ähnlichen Werkzeugen.
Medikamente Immer sollte auch eine sorgfältige Anamneseerhebung im Hinblick auf die Einnahme von Medikamenten erfolgen. Zahlreiche Medikamente können zu Vasospasmen führen (s. Tab. 7.1). Im Zweifel sollte jedes einzelne Medikament, das vom
Patienten eingenommen wird, überprüft werden.
Weitere Grunderkrankungen
143
Liegen andere Ursachen dem sekundären Raynaud-Syndroms zugrunde, sind sie dem Patienten meistens bekannt. Im Zweifelsfalle sollte aber gezielt gefragt werden: Besteht eine hämatologische Erkrankung? Sind Sie an einem malignen Tumor erkrankt? Das Raynaud-Syndrom kann im Rahmen endokrinologischer Erkrankungen selten einmal auftreten, ebenso dürfte eine Leberzirrhose oder eine primäre pulmonale Hypertonie zu den sehr seltenen Ursachen zählen. Man sollte diese Erkrankung berücksichtigen, wenn bei Verdacht auf das Vorliegen eines sekundären Raynaud-Syndroms keine sonstige zugrunde liegende Ursache erkennbar ist.
7.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie eine gesund wirkende Patientin. Im Bereich von Kopf und Hals können Sie keinen pathologischen Befund
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Leitsymptome
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erheben. Über den Lungen besteht ein sonorer Klopfschall und Sie auskultieren ein vesikuläres Atemgeräusch ohne Rasselgeräusche. Die Herztöne sind rein und leise, der Blutdruck liegt bei 115/75 mmHg. Das Abdomen ist weich, es bestehen kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen. Alle Gelenke sind bei der Untersuchung unauffällig, allerdings bestehen derzeit auch keine Beschwerden. Die Muskulatur der Oberarme ist bei Druck etwas schmerzempfindlich. Die der Palpation zugänglichen Lymphknotenstationen sind unauffällig. Eine Weiß-, Blau- oder Rotverfärbung der Finger besteht zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die einzige Auffälligkeit bei der körperlichen Untersuchung ist die leichte Schmerzhaftigkeit der Oberarmmuskulatur. Wahrscheinlichste Differenzialdiagnose bleibt unter Berücksichtigung von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung die Kollagenose. Die körperliche Untersuchung ist oft nicht ergiebig. Wegen der großen differenzialdiagnostischen Breite, an die gedacht werden muss, sollte im Zweifelsfalle großzügig eine Ganzkörperuntersuchung erfolgen. Selten einmal liefert allein der Aspekt schon eine Verdachtsdiagnose: Das Schmetterlingserythem beim systemischen Lupus erythematodes (Abb. 7.3a) oder der typische Tabaksbeutelmund bei Sklerodermie (Abb. 7.3b). Im Vordergrund steht dann natürlich zunächst die Inspektion der betroffenen Finger bzw. Zehen: Bestehen derzeit Auffälligkeiten? Blässe, Zyanose, Rötung? Bestehen trophische Störungen? (Abb. 7.4) Betsehen Nagelveränderungen?
a
b Abb. 7.3 a Schmetterlingserythem beim systemischen Lupus erythematodes; b Tabaksbeutelmund bei Sklerodermie mit typischen senkrechten Falten
Abb. 7.4 Typische Nagelveränderungen bei Kollagenosen mit Erythem und Teleangiektasien im Bereich des Nagelfalzes sowie Atrophie des Nagelhäutchens
Beurteilen Sie anschließend den Pulsstatus der betroffenen Extremität: Gibt es Hinweise auf eine AVK?: n Besteht eine Pulsabschwächung? n Besteht eine Pulsdifferenz zwischen rechts und links? n Bestehen Strömungsgeräusche? Im Hinblick auf eine organisch fixierte Erkrankung der Arterien sollte dann außerdem der komplette Pulsstatus erhoben (s. S. 23) werden. Auch im Hinblick auf eine Kollagenose sollte untersucht werden. Bei manchen
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Raynaud-Syndrom
LERNTIPP
Kollagenosen stehen die Myalgien, mit Druckschmerzhaftigkeit der Muskulatur, im Vordergrund. Oft sind vor allem die proximalen Extremitäten betroffen. Die großen und kleinen Gelenke sollten inspiziert und palpiert werden im Hinblick auf Entzündungen und Schmerzen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der Nachweis der antinukleären Antikörper legt die Diagnose einer Kollagenose nahe. Die leichte HämoglobinErniedrigung sowie die leichte Leukozytopenie kommen beim systemischen Lups erythematodes häufig vor. Die BSG-Beschleunigung und die CRP passen zum Bild der entzündlichen Erkrankung. p Weiter auf S. 148
Beim systemischen Lupus erythematodes kommt eine Polyarthritis bei 80 % der Patienten vor.
Da Kollagenosen praktisch sämtliche Organsysteme betreffen können, sollten schließlich das Herz, die Lunge und die Abdominalorgane untersucht werden. Allerdings ist es selten, dass im Rahmen der Erstvorstellung bereits Veränderungen im Bereich dieser Organe gefunden werden, z. B. eine Lungenfibrose oder eine Perikarditis.
145
7.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Bei den weitergehenden Laboruntersuchungen werden die in Tab. 7.4 dargestellten Befunde erhoben. In der durchgeführten indirekten Immunfluoreszenz zeigt sich das in Abb. 7.5 ersichtliche Bild.
Abb. 7.5 Nachweis von antinukleären Antikörpern auf Epithelzellen in der indirekten Immunfluoreszenz: fleckförmiges Fluoreszenzmuster
Tabelle 7.4 Labor Parameter
Patientin
Norm
Leukozyten
3800/ml
4000–10 000/ml
Hämoglobin
11,9 g/dl
12–16 g/dl (4)
Thrombozyten
198 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
CRP
11 mg/l
I 5 mg/l
BSG nach Westergren
32 mm
3–10 mm (1 h, 4)
antinukleäre Antikörper (ANA)
i 1:1280
nicht nachweisbar
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Die weitergehende Diagnostik hat folgende Zielsetzung: Nachweis des Raynaud-Syndroms Nachweis bzw. Ausschluss einer erkennbaren Ursache und Nachweis bzw. Ausschluss begleitender Krankheitsmanifestationen.
Völlig unauffällige Entzündungsparameter sprechen gegen eine Kollagenose!
MERKE
Leitsymptome
Antikörperdiagnostik
Nachweis des Raynaud-Syndroms Der Nachweis des Raynaud-Syndroms kann durch die Kälteprovokation oder die Faustschlussprobe gelingen.
Kälteprovokation
146
Bei der Kälteprovokation wird eine Hand für etwa drei Minuten in Eiswasser gelegt. Häufig lässt sich hierdurch ein typischer Anfall auslösen.
Faustschlussprobe Der Patient hebt bei der Faustschlussprobe den Arm, der Untersucher komprimiert am Handgelenk. Dann öffnet und schließt der Patient etwa 20 q die Faust, wodurch sich nicht selten ein Anfall auslösen lässt.
Ein wesentliches Instrument in der Diagnostik von Kollagenosen ist die Bestimmung von Autoantikörpern (Auto-AK, Tab. 7.5).
Tabelle 7.5 Autoantikörper bei Kollagenosen Auto-AK
Erkrankung
ANA, ss-DNS-AK, ds-DNS-AK
systemischer Lupus erythematodes
Anti-Scl 70
Sklerodermie
SSA-AK SSB-AK
Sjögren-Syndrom
anti-U1-RNP
Mischkollagenosen
Kapillarmikroskopie
Nachweis bzw. Ausschluss einer erkennbaren Ursache Um eine erkennbare Ursache benennen oder ausschließen zu können, werden Laboruntersuchungen inklusive Antikörperdiagnostik, Kapillarmikroskopie und angiologische Diagnostik durchgeführt. Beim Verdacht auf eine neurologische Ursache muss eine entsprechende Diagnostik erfolgen.
Laboruntersuchungen Bei jedem Patienten mit Raynaud-Syndrom werden die Entzündungsparameter bestimmt: Blutbild, CRP, BSG Völlig unauffällige Entzündungsparameter sprechen gegen eine Kollagenose. Bei stark beschleunigter BSG sollte, insbesondere bei älteren Patienten, eine Elektrophorese (Paraproteine?) durchgeführt werden.
Bei der Kapillarmikroskopie wird das Kapillarbett am Nagelfalz intravital mikroskopisch eingesehen. Beim SjögrenSyndrom, aber auch beim Lupus erythematodes kommt es zu typischen Kapillarveränderungen (Riesenkapillaren, vermehrte Schlängelung).
Angiologische Diagnostik Bei Verdacht auf eine relevante Arteriosklerose kann zur weiteren Abklärung das arterielle Gefäßsystem der betroffenen Extremität angiographisch dargestellt werden (Abb. 7.6, Abb. 7.7 und S. 208).
Neurologische Diagnostik Sehr selten einmal können neurologische Erkrankungen (s. S. 139) Ursache eines Raynaud-Syndroms sein. Bei entsprechendem Verdacht wird eine neurologische Diagnostik durchgeführt.
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Raynaud-Syndrom
147
a
b Abb. 7.6 Angiographie bei primärem Raynaud-Syndrom: a vor i.a., Gabe eines gefäßerweiternden Mittels: Vasospastik mit Engstellung der Gefäße, keine akrale Füllung; b nach Gabe eines gefäßerweiternden Mittels: verbesserter bis normaler Befund
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Leitsymptome
148
Abb. 7.7 Angiographie bei sekundärem Raynaud-Syndrom im Rahmen einer Kollagenose (z. B. systemische Sklerose): zahlreiche Gefäßwandläsionen
Nachweis bzw. Ausschluss von begleitenden Manifestationen Das Ausmaß der weiteren Diagnostik hängt dann vom Ergebnis der vorausgegangenen Untersuchungen ab. Wegen der großen Zahl möglicher Differenzialdiagnosen und der zahlreichen Organmanifestationen bei Kollagenosen kann das Ausmaß möglicher Folgeuntersuchungen beachtlich sein: Es kann eine komplette pulmonologische Diagnostik notwendig werden, eine kardiologische Diagnostik, eine gastrointestinale Diagnostik, eine neurologische Diagnostik mit entsprechenden Laboruntersuchungen, Funktionstests, bildgebenden Verfahren.
7.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnosesicherung erfolgt bei Frau W. durch die weitere Antikörperdiagnostik. Es lässt sich anti-U1-RNP nachweisen. Nach Ausschluss weiterer Organmanifestationen, an die im Rahmen einer Kollagenose gedacht werden muss, kann bei der Konstellation: Raynaud-Syndrom, Myalgien, antinukleäre Antikörper und insbesondere der Nach-
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Raynaud-Syndrom weis von U1-RNP-AK die Diagnose einer Mischkollagenose (mixed connective tissue disease MCTD, SharpSyndrom) gestellt werden.
Die Diagnosesicherung bei Kollagenosen ist nicht immer leicht. Oft ergibt sie sich aus einem Mosaik von Symptomen und Befunden (Tab. 7.6).
Tabelle 7.6 Diagnosesicherung bei Raynaud-Syndrom Krankheit
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
primäres RaynaudSyndrom
Symmetrie, Fehlen von Nekrosen
Ausschlussdiagnose
sekundäres Raynaud-Syndrom systemischer Lupus erythematodes
Schmetterlingserythem, Myalgien, Arthralgien
ANA, ds-DNS-AK
Sjögren-Syndrom
trockene Augen, trockener Mund
Schirmer-Test (Nachweis der reduzierten Tränenproduktion), SSA-AK, SSB-AK, Lippen-PE (typische Histologie)
Mischkollagenose
blande Symptomatik, Myalgien
ANA, anti-U1-RNP
Sklerodermie, CREST-Syndrom
Hautveränderungen, Fazies
ANA, anti-Scl-70, anti-ZentromerAK, Kapillar-Mikroskopie, Haut-PE
Poly-/Dermatomyositis
Myalgien, Hautveränderungen
CK-Erhöhung, Muskel-PE
AVK, Thrombangiitis obliterans
Risikofaktoren, klinisches Bild
MR-Angiographie
Neuropathien
Parästhesien, sensible Ausfälle
neurologische Diagnostik
multiple Sklerose
dran denken!
neurologische Diagnostik
KarpaltunnelSyndrom
Parästhesien Finger I–IV
Nervenleitgeschwindigkeit
Apoplex
klinisches Bild
CT
Medikamente
Anamnese
Auslassversuch
Trauma
Anamnese
Anamnese, Ausschlussdiagnose
EngstellenSyndrome
Pulsdifferenz
orthopädische Diagnostik, MRT
Leberzirrhose
klinisches Bild: Aszites, Leberhautzeichen
Cholinesterase, Sonographie, Histologie
primär pulmonale Hypertonie
Leistungsminderung Rechtsherzversagen
Farbduplexsonographie Rechtsherzversagen
149
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Leitsymptome Tabelle 7.6 Fortsetzung Krankheit
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
hämatologische Erkrankungen
dran denken
spezialisierte Labordiagnostik (Blutbild, Elektrophorese, Kälteagglutinine, Kryoglobuline u. a.)
Phäochromozytom
hypertensive Anfälle, Dauerhypertonie
Katecholamine im Urin, Lokalisationsdiagnostik
Hypothyreose
klinisches Bild
TSH
paraneoplastisch, bekannter maligner Tumor
Anamnese
Ausschlussdiagnostik
PE = Probeexzision
150
7.7.1 Therapieansätze
Medikamentöse Behandlung
Die Behandlung des Raynaud-Syndroms ist oft unbefriedigend. Beim primären Raynaud-Syndrom besteht die Aufklärung über die Harmlosigkeit des Krankheitsbildes im Vordergrund sowie die Anfallsprophylaxe durch Schutz vor Kälte (Handschuhe, Handwärmer). Beim sekundären Raynaud-Syndrom kann wegen der trophischen Störungen ein erheblicher Leidensdruck bestehen. Man kann versuchen, die Beschwerden symptomatisch zu lindern, im Vordergrund steht die Behandlung der Grundkrankheit.
Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit: Calciumantagonisten Nitrate per os, als Salbe Alpha-1-Rezeptorenblocker Angiotensin-2-Antagonisten selektive Serotonin-Reuptake-Hemmer Prostaglandine i. v. bei trophischen Hautveränderungen mit Ulkus
Allgemeinmaßnahmen
Behandlung der Grundkrankheit Behandlung einer Kollagenose (Immunsuppression), revaskularisierende Maßnahmen, Nikotinkarenz, Absetzen auslösender Medikamente.
Folgende Allgemeinmaßnahmen werden angewendet: Schutz vor Kälte, Nässe Sport, Wechselbäder Nikotinkarenz Stressreduktion
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Arterielle Hypertonie
8 Arterielle Hypertonie 8.1 Begriffe Als arterielle Hypertonie (synonym arterieller Hypertonus) wird eine klinische Situation bezeichnet, in der eine Blutdruckhöhe besteht, bei der Diagnostik und Behandlung für den Patienten von Vorteil sind. Mit dieser, von der Deutschen Hochdruckliga benutzten Definition wird die Tatsache berücksichtigt, dass eine direkte Beziehung besteht zwischen der Höhe des arteriellen Blutdrucks und dem Risiko, eine Erkrankung des kardiovaskulären Systems zu entwickeln oder an ihr zu versterben. Ob ein bestimmter Blutdruck als Hypertonie bezeichnet und behandelt werden sollte oder nicht, hängt vom übrigen Risikoprofil der Betroffenen ab. Für den klinischen Alltag wird aus pragmatischen Gründen an einer Klassifizierung der gemessenen Blutdruckhöhe festgehalten. Diese Klassifizierung entspricht derjenigen der WHO sowie der deutschen Hochdruckliga (Tab. 8.1).
Es wird zwischen der primären (synonym essenziellen) Hypertonie, deren Ursache unbekannt ist und der sekundären Hypertonie, die durch eine Grunderkrankung verursacht wird, unterschieden. Hypertensive Krise : Der Begriff ist nicht eindeutig definiert: Die meisten Autoren verstehen darunter eine drastische Blutdruckerhöhung auf Werte i 230/130 mmHg beim Fehlen von Zeichen einer Organschädigung. Hypertensiver Notfall: Als hypertensiver Notfall wird eine Situation bezeichnet, in der es blutdruckbedingt zu Zeichen einer lebensbedrohlichen Organschädigung kommt: hypertensive Enzephalopathie (Schwindel, Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung) kardiale Ischämie (Angina pectoris, Myokardinfarkt) und kardiale Dekompensation (Luftnot, Lungenödem) oder akute Gefäßschädigung (intrazerebrale Massenblutung, Aortendissektion).
151
8.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht der Patientin In Ihrer Praxis stellt sich die 57-jährige Inge D. vor und berichtet, dass ihr nach einer Blutdruckmessung in der
Tabelle 8.1 Klassifikation des Blutdrucks [mm Hg] Kategorie
systolisch
diastolisch
optimal
I 120
I 80
normal
120–129
80–84
hochnormal
130–139
85–89
Hypertonie Stufe I
140–159
90–99
Hypertonie Stufe II
160–179
100–109
Hypertonie Stufe III
i 180
i 110
isolierte systolische Hypertonie
i 140
I 90
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Leitsymptome Apotheke geraten wurde, sich bei ihrem Hausarzt vorzustellen. Frau D. bringt eine Karte mit, auf der ein Blutdruck von 164/98 mmHg ausgedruckt ist.
Tabelle 8.2 Blutdruck-Regulation
n
Herz
n
Neurohypophyse
Differenzialdiagnostische Überlegungen
n
Blutgefäße
n
Nebennierenrinde
Bei Frau D. wurde offenbar ein erhöhter Blutdruckwert gemessen. Es kann sich um ein einmaliges Ereignis handeln, der Messwert kann aber auch Ausdruck einer dauerhaften, behandlungsbedürftigen Blutdruckerhöhung sein. p Weiter auf S. 157
n
Blutvolumen
n
Nebennierenmark
n
Niere
Die Hypertonie ist ein Risikofaktor für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen und Todesfälle. Sie ist Hauptrisikofaktor für die Schädigung der hirnversorgenden Gefäße und damit für das Auftreten eines Apoplex. Nach dem Nikotinabusus und der Hypercholesterinämie steht sie an dritter Stelle der Risikofaktoren für das Auftreten einer koronaren Herzerkrankung und damit eines Myokardinfarkts. Weitere Folgen des hohen Blutdrucks sind die hypertensive Herzerkrankung und die hypertensive Nephropathie. Bei jedem Patienten mit hohem Blutdruck kann es zu einer hypertensiven Entgleisung kommen, die dann Akutfolgen nach sich ziehen kann: Hypertensive Enzephalopathie, Apoplex, Angina pectoris und Myokardinfarkt, kardiale Dekompensation und Aortendissektion.
MERKE
152
Ein auffälliger Blutdruckwert muss konsequent abgeklärt und der Patient nötigenfalls einer Therapie zugeführt werden, weil die Hypertonie Risikofaktor für gravierende Folgeerkrankungen ist.
8.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Die anatomischen Strukturen und Komponenten, die das Phänomen Blutdruck bedingen und an seiner Regulation betei-
beteiligte Komponenten
ligt sind, sind das Herz und die Gefäße, das Blutvolumen, die Nieren sowie die Drüsen der inneren Sekretion (Tab. 8.2). Der Blutdruck wird überwiegend konstant gehalten, er unterliegt aber erheblichen situativen Schwankungen. Über 24 Stunden besteht eine Rhythmik mit höheren Werten am Tage und einer Absenkung von systolischem und diastolischem Wert in der Nacht.
8.3.1 Blutdruckregulierung Der Blutdruck ist bedingt durch das Herzzeitvolumen und den peripheren Widerstand. Eine Blutdruckregulation ist möglich über: das Herz den Verteilungsraum des Blutvolumens und das Blutvolumen selbst. Diese drei Komponenten des Blutdrucks werden beeinflusst durch: Katecholamine das Renin-Angiotensin-AldosteronSystem (RAAS) und das antidiuretische Hormon (ADH, Adiuretin). Ein Blutdruckabfall wird durch Pressound Barorezeptoren im arteriellen System registriert. Es folgt zum einen eine Vasokonstriktion der arteriellen Widerstandsgefäße in Muskulatur, Haut, Niere sowie im Splanchnikusgebiet. Zum anderen kommt es zu einer Vasokonstriktion der venösen Kapazitätsgefäße der Haut und des Splanchikusgebiets.
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Arterielle Hypertonie
Katecholamine Die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin werden im Nebennierenmark gebildet. Neben anderen Wirkungen führen sie zu einer Erhöhung des Schlagvolumens und der Herzfrequenz und damit des Herzzeitvolumens und des Blutdrucks.
Renin-Angiotensin-AldosteronSystem Eine Verminderung der Nierendurchblutung bei Erniedrigung des Blutdrucks führt zu einer vermehrten Freisetzung des Enzyms Renin, das im juxta-glomerulären Apparat der Nieren gebildet wird (Abb. 8.1). Es spaltet das in der Leber gebildete Angiotensinogen in Angiotensin-I, das wiederum durch das u. a. in der Lunge gebildete Angiotensin-ConvertingEnzyme (ACE) zum Angiotensin-II (ATII) gespalten wird. ATII hat mehrere Wirkungen : Es wirkt kurzfristig stark vasokonstriktorisch auf die Arteriolen. Langfristig hat es einen proliferativen Effekt auf die Herzmuskulatur und ist damit wesentliche Ursache der Myokardhypertrophie bei der Hypertonie In der Niere führt ATII zu einer Verminderung der Nierendurchblutung und zu einer Erniedrigung der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Am Tubulus hat es eine antinatriuretische Wirkung. An der Nebennierenrinde führt ATII zu einer Freisetzung von Aldosteron. Dieses erhöht die Natriumresorption im distalen Tubulus und führt damit zu einer vermehrten Wasserretention und Steigerung des zirkulierenden Volumens. Schließlich führt ATII zu einer Stimulation des Sympathikus.
Antidiuretisches Hormon Das Hypophysenhinterlappenhormon ADH führt zu einer vermehrten Wasserresorption an den Sammelrohren und damit zu einer Erhöhung des zirkulierenden Blutvolumens.
Die Blutdruckregulation erfolgt durch: Presso- und Barorezeptoren im arteriellen System Vasokonstriktion der arteriellen Widerstandsgefäße Vasokonstriktion der venösen Kapazitätsgefäße Variation der Herzfrequenz Katecholaminausschüttung Renin-Angiotensin-AldosteronSystem und antidiuretisches Hormon.
MERKE
Außerdem steigt die Herzfrequenz an, das Nebennierenmark schüttet Katecholamine aus, das RAAS wird aktiviert und ADH wird vermehrt abgegeben.
153
Das Zusammenspiel von Herzzeitvolumen, Verteilungsraum im Gefäßsystem, Blutvolumen sowie Katecholaminen, RAAS und ADH unterliegt einer großen Variationsbreite und damit zeigt auch der Blutdruck eine große interindividuelle Variabilität. Blutdruckwerte jeder Höhe stellen eine Belastung für das Gefäßsystem dar und tragen damit zur Atherosklerose (s. S. 127) bei, auch wenn sich diese im Rahmen der physiologisch altersentsprechenden Veränderungen hält. Mit zunehmendem Lebensalter kommt es häufig zu einem kontinuierlichen Anstieg des Blutdrucks. Hierzu tragen genetische
Blutdruck Hypovolämie Hyponatriämie Hyperkaliämie Azidose Sympathikus..
Angiotensinogen +
Renin
+
Angiotensin I ACE
+ Angiotensin II
Na+-Retention K+-, H+-Sekretion
Aldosteron
ADH , Durstgefühl
Vasokonstriktion
Abb. 8.1 Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
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Leitsymptome Tabelle 8.3 Risikofaktoren für die primäre Hypertonie Faktor genetisch
männliches Geschlecht familiäre Belastung
äußere Umstände
Kochsalzaufnahme Stress fettreiche Kost Übergewicht
Abb. 8.2 Einseitige Schrumpfniere bei arteriosklerotischer Nierenarterienstenose
Alkohol Nikotin
154
Koffein nicht steroidale Antirheumatika (NSAR)
und äußere Faktoren bei (Tab. 8.3). Zunächst steht das erhöhte Herzzeitvolumen (HZV) ursächlich im Vordergrund, während der periphere Widerstand nicht erhöht ist. Im weiteren Verlauf kommt es dann meist zu einer Widerstandserhöhung und einer Normalisierung des HZV.
8.3.2 Formen der Hypertonie Bei den meisten Patienten (i 90 %) mit auffälligen Blutdruckwerten lässt sich eine zugrunde liegende Ursache nicht eruieren. Es liegt eine essentielle oder primäre Hypertonie vor. Bei wenigen Patienten (I 10 %) lässt sich eine Ursache finden: Nierenerkrankungen, endokrinologische Erkrankungen, Medikamente. Diese Form wird als sekundäre Hypertonie bezeichnet.
Hypertonie bei Nierenerkrankungen Die weitaus häufigste Ursache einer sekundären Hypertonie sind parenchymatöse Nierenerkrankungen (renoparenchymatöse Hypertonie): chronische Glome-
rulonephritis, chronische Pyelonephritis, Nierenzysten, diabetische Nephropathie. Die Blutdruckerhöhung kann durch zwei Mechanismen bedingt sein: bei regionaler Minderdurchblutung kann es zu einer Aktivierung des RAAS kommen und bei fortgeschrittener Nierenerkrankung kann es zu einer verminderten Fähigkeit der Niere kommen, Natrium und Wasser auszuscheiden.
Seltener ist eine so genannte renovaskuläre Hypertonie bei Erkrankungen der Nierenarterie. Eine angeborene fibröse Dysplasie der Nierenarterie oder erworbene atherosklerotische Verengungen der Nierenarterie oder eines Hauptasts können Ursache für eine Minderdurchblutung mit konsekutiver Aktivierung des RAAS sein (Abb. 8.2).
Hypertonie bei endokrinologischen Erkrankungen Endokrinologische Erkrankungen, die eine Hypertonie verursachen, sind insgesamt selten. Infrage kommen: primärer Aldosteronismus, Hypercortisolismus, Phäochromozytom und Hyperthyreose.
Primärer Aldosteronismus Beim primären Aldosteronismus (ConnSyndrom) führt ein Adenom der Glomerulosazellen der Nebennierenrinde zu einer
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Arterielle Hypertonie vermehrten Sekretion von Aldosteron. Dieses führt zu einer Hypernatriämie, Hypervolämie und Hypokaliämie.
Hypertonie und Aortenisthmusstenose
MERKE
Eine sehr seltene Ursache der sekundären Hypertonie ist die Aortenisthmusstenose.
Typisch für das Conn-Syndrom ist die Erhöhung des diastolischen und systolischen Blutdrucks bei gleichzeitiger Hypokaliämie.
Die Hypokaliämie ist auch Ursache der häufig bestehenden muskulären Schwäche und der Adynamie.
Hyperkortisolismus Eine Erhöhung des Kortisols, gleich welcher Ursache, kann über die mineralokortikoide Wirkung zu einer Hypertonie führen, neben den anderen charakteristischen und klinischen Veränderungen. Ursachen sind: die hypophysäre Mehrsekretion von ACTH (Morbus Cushing) die ektope ACTH-Produktion bei Neoplasien (z. B. Bronchialkarzinom) ACTH-unabhängige kortisolproduzierende Nebennierenadenome oder Karzinome sowie der iatrogene Hyperkortisolismus bei mehr oder weniger länger bestehender Kortikosteroidmedikation.
Phäochromozytom Phäochromozytome sind katecholaminproduzierende Tumore des Nebennierenmarks. Sie führen zu anfallsartigen Blutdruckerhöhungen oder zu einer anhaltenden ausgeprägten Hypertonie. Zusätzlich bestehen eine Tachykardie (s. S. 55), Schweißneigung, Kopfschmerzen, Übelkeit.
Hypertonie und Medikamente Auch Medikamente können über verschiedene Mechanismen zu einer Hypertonie führen: Ovulationshemmer Kortikosteroide Antirheumatika Sympathomimetika und Cyclosporin A.
8.3.3 Hochdruckfolgen Unabhängig von der Ursache führt der erhöhte Blutdruck zu einer Schädigung von Herz und Gefäßen (Tab. 8.4).
155
Blutdruck und Herz Am Herz führt der erhöhte Blutdruck zu einer Muskelhypertrophie (Abb. 8.3). Es kommt zu einem Missverhältnis zwischen Muskelmasse und Koronardurchblutung mit einem zunehmenden Sauerstoffmangel. Dieser wird aggraviert durch die evtl. ebenfalls bestehende hypertoniebedingte koronare Herzkrankheit (KHK, s. S. 29) sowie den erhöhten intramuralen Druck, der die Perfusion ebenfalls reduziert. Es
Hyperthyreose Gelegentlich kann eine Hyperthyreose Ursache einer Hypertonie sein. Grund ist die thyroxinbedingte, gesteigerte adrenerge Aktivität. Im Vordergrund stehen die typischen Hyperthyreosesymptome: Nervosität, Wärmeintoleranz, Schweißneigung, Palpitationen (s. S. 50), Gewichtsverlust, hohe Stuhlfrequenz.
Abb. 8.3 Schwere linksventrikuläre Hypertrophie des Herzens
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Leitsymptome resultiert eine Myokardschädigung, das Bild der hypertensiven Kardiomyopathie.
Blutdruck und Gefäße Die Hypertonie ist führender Risikofaktor für die Arteriosklerose. Somit ist sie auch Hauptrisikofaktor für den Apoplex. Neben dem Nikotinabusus und der Hypercholesterinämie ist sie auch Hauptrisikofaktor für die koronare Herzkrankheit und damit den Myokardinfarkt. An den Nieren kommt es zu einer Atherosklerose der afferenten Arterien und zu einer glomerulären Schädigung. Folgen sind zum einen die renale Minderdurchblutung mit Aktivierung des RAAS, die zu einer Akzeleration der Blutdruckerhöhung führt. Zum anderen kommt es zu der diagnostisch relevanten Proteinurie, die ein guter Indikator einer hypertoniebedingten Nierenschädigung ist. Außerdem kann die Hypertonie nicht nur Folge, sondern auch Ursache einer atherosklerotischen Nierenarterienstenose sein, die sie dann aggraviert.
LERNTIPP
156
Ein guter Indikator der hypertoniebedingten Nierenschädigung ist die Proteinurie.
Im Hinblick auf die pAVK (s. S. 126) steht die Hypertonie gegenüber dem Nikotin an nachgeordneter Stelle.
Selten, aber dann mit u. U. schwerwiegenden Folgen, ist die ektatische Form der Atherosklerose der Aorta mit der Ausbildung eines Aortenaneurysmas (Abb. 8.4). Hochdruckfolgen am Auge sind besonders diagnostisch von Bedeutung, da hier die arterielle Endstrombahn direkt eingesehen und beurteilt werden kann.
Tabelle 8.4 Folgen der Hypertonie Organ
Folge
Herz
Linksherzhypertrophie hypertensive Kardiomyopathie
Gefäße
Atherosklerose der hirnversorgenden Arterien: Ischämie, Blutung Atherosklerose der Koronararterien: KHK, Infarkt Atherosklerose der Nierengefäße: Nierenarterienstenose Nephrosklerose: Arteriolopathie der afferenten Arteriolen Atherosklerose der Aorta: Aortenaneurysma (Abb. 8.4) Atherosklerose der Extremitäten: pAVK Atherosklerose der Augenarterien: diagnostisch hinweisgebend
Abb. 8.4 Aortenaneurysma der Aorta abdominalis bei schwerer Hypertonie
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Arterielle Hypertonie 8.4 Ursachen der Hypertonie Die weitaus häufigste Ursache eines erhöhten Blutdrucks ist die primäre Hypertonie. Sekundäre Formen sind vergleichsweise selten (Tab. 8.5).
8.5 Problemlösung 8.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Während des Anamnesegesprächs berichtet Inge D., dass sie in der Vergangenheit gelegentlich ihren Blutdruck
gemessen hat. Ihrer Meinung nach waren die Werten meistens „ganz gut, so um die 150“, manchmal aber auch etwas höher. Im Übrigen war sie immer gesund. Die Patientin schätzt sich als ein bisschen übergewichtig ein. Anamnestisch findet sich kein Anhalt für das Vorliegen einer Herz- oder Gefäßerkrankung. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme, kein Nikotinabusus, wenig Alkohol. Der Vater der Patientin verstarb im Alter von 72 Jahren an einem Apoplex. Bei ihm bestand auch eine Hypertonie. Die Patientin erklärt, dass er außerdem geraucht hat. Ihre Mutter starb im Alter von 78 Jahren, es sei „das Herz“ gewesen. Auch sie nahm während der letzten Lebensjahre Medikamente wegen eines erhöhten Blutdrucks ein.
157
Tabelle 8.5 Ursachen der Hypertonie häufig primäre Hypertonie (i 90 % der Fälle)
weniger häufig
selten
renoparenchymatöse Hypertonie (ca. 5 % der Fälle): chronische Glomerulonephritis, chronische Pyelonephritis, Nierenzysten, diabetische Nephropathie
endokrinologisch bedingte Hypertonie: Conn-Syndrom, Hypercortisolismus, Phäochromozytom, Hyperthyreose
renovaskuläre Hypertonie: fibröse Dysplasie der Nierenarterie, atherosklerotische Verengungen der Nierenarterie
medikamentös bedingte Hypertonie: Ovulationshemmer Kortikosteroide Antirheumatika Sympathomimetika Cyclosporin A
genetische Komponente sympathikotone Aktivität Stress Übergewicht Ernährung
sekundäre Hypertonie (I 10 % der Fälle)
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Schilderung der Patientin spricht für das Vorliegen einer primären Hypertonie. Es wurden offenbar mehrfach relativ hohe Blutdruckwerte gemessen und Frau D. neigt, wie die meisten Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten, zu einer gewissen Bagatellisierung. Wenn als Wert „um 150, manchmal auch höher“ angegeben wird, spricht das sehr für überhöhte Werte. Die Familienanamnese ist zudem positiv, was auch für eine essentielle Hypertonie spricht.
158
Dokumentation der Blutdruckwerte Zunächst wird nach der Höhe der vom Patienten gemessenen Blutdruckwerte gefragt. Dabei sollte auch immer erfragt werden, wer gemessen hat, mit welchem Gerät und wo: am Oberarm oder am Handgelenk? Auch die Umstände, unter denen gemessen wurde, sollten erfragt werden (s. S. 192). Denn zum einen werden nicht selten qualitativ unzureichende Geräte benutzt und zum anderen wird die Messung oft falsch durchgeführt. Auch werden gelegentliche Beschwerden auf einen Hochdruck zurückgeführt, die nicht Folge, sondern Ursache einer Hypertonie sind. So
kann emotionaler Stress auf einen erhöhten Blutdruck zurückgeführt werden, tatsächlich jedoch Ursache für eine passagere Blutdruckerhöhung sein.
Mögliche Folgen hoher Blutdruckwerte Dann wird nach möglichen Hochdruckfolgen gefragt. Bestehen Hinweise auf Hochdruckfolgen am oder Durchblutungsstörungen des ZNS : Wurde eine TIA durchgemacht oder ein Apoplex (Abb. 8.5)? Das Beschwerdebild kann sehr variabel sein. Häufig wird eine Hypertonie überhaupt nicht gespürt. Nicht selten jedoch bestehen Beschwerden: Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Ohrensausen, Nervosität, Präkordialschmerz, Herzklopfen, Nasenbluten und vasomotorische Labilität. Auch nach Anhaltspunkten für Schädigungen des Herzens ist zu suchen: Besteht eine KHK? Bestehen pektanginöse Beschwerden? Wurde ein Herzinfarkt durchgemacht? Gibt es Hinweise auf eine Herzinsuffizienz: Luftnot, Ödeme? Schließlich sollte nach bekannten Nierenerkrankungen gefragt werden sowie nach der letzten augenärztlichen Untersuchung.
hinterer MediaTeilinfarkt links
Abb. 8.5 Teilinfarkt der A. cerebri media: Patientin mit Hemiplegie und Hemianapsie nach rechts. Hypodense Zone links parietal.
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Arterielle Hypertonie Ursachenabklärung Bei der Ursachenabklärung sollte nach möglichen Auslösern oder aggravierenden Faktoren gefragt werden: Besteht eine Belastungssituation? Stress: Beruflich, privat? Rauchen Sie? Wie viel Kaffee trinken Sie? Trinken Sie in größeren Mengen Alkohol? Während geringen Mengen Alkohol (z. B. 1/4 l Rotwein/d) eine gefäßprotektive Wirkung zugesprochen wird, sind große Mengen oft mit erhöhten Blutdruckwerten und damit einem erhöhten kardiovaskulärem Risiko verbunden. Kam es in der Vergangenheit zu einer Gewichtszunahme? Außerdem sollte nach potenziellen Ursachen einer sekundären Hypertonie gefragt werden: Ist eine Nierenerkrankung bekannt? Besteht ein Diabetes mellitus (diabetische Nephropathie)? Schließlich sollten alle vom Patienten eingenommenen Medikamente erfragt werden.
Weitere Risikofaktoren Schließlich sollte die Liste möglicher weiterer Risikofaktoren abgefragt werden, soweit dies noch nicht geschehen ist (s. Tab. 8.3 und Tab. 8.10).
Vorausgegangene diagnostische und therapeutische Maßnahmen Schließlich wird natürlich nach vorausgegangenen diagnostischen Maßnahmen gefragt. Die Folgenden sind von Interesse: Langzeitblutdruckmessung Belastungs-EKG Echokardiographie Nierendiagnostik (Laboruntersuchung des Urins, Sonographie) und augenärztliche Untersuchung.
Abschließend sollte obligatorisch gefragt werden, ob in der Vergangenheit eine antihypertensive Behandlung eingeleitet wurde und mit welchen Medikamenten in welcher Dosis therapiert wurde. Auch der Erfolg dieser Therapie sollte erfragt werden.
Familienanamnese Erheben Sie auch die Familienanamnese in Bezug auf relevante Erkrankungen (Hypertonie, Myokardinfarkt, Apoplex, Nierenerkrankungen).
8.5.2 Körperliche Untersuchung 159
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich, dass Frau D. eine Patientin in gutem AZ und adipösem EZ (Gewicht: 79 kg, Größe 163 cm) ist. Zunächst messen Sie den Blutdruck. Er liegt am linken und am rechten Arm bei 170/95 mmHg. Der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist komplett unauffällig, insbesondere besteht kein Anhalt für eine kardiale Erkrankung. Die peripheren Pulse sind regelrecht tastbar. Die orientierende Untersuchung des Nervensystems zeigt keine Auffälligkeiten.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Sollte sich der Wert bestätigen, liegt eine behandlungsbedürftige Hypertonie vor. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass auch eine situativ bedingte Blutdruckerhöhung vorliegen könnte. p Weiter auf S. 161 Die körperliche Untersuchung wird als Ganzkörperuntersuchung (s. S. 16) durchgeführt. Wie bei der Anamneseerhebung wird der Blutdruck dokumentiert, es wird
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Leitsymptome nach Folgen, Ursachen und zusätzlichen Risikofaktoren der Hypertonie gefahndet. Zunächst verschaffen Sie sich einen allgemeinen Eindruck: Besteht eine Adipositas (Abb. 8.6) oder ein typischer cushingoider Habitus (Abb. 8.7, Abb. 8.8)?
a
160
MERKE
Für die Quantifizierung der Adipositas stehen der Body-Mass-Index (BMI) zur Verfügung sowie die Bestimmung des Taillenumfangs. Insbesondere letzterer scheint zur Risikostratifizierung (Tab. 8.6) besser geeignet zu sein als der BMI, da die abdominale Adipositas prognostisch ungünstiger ist.
BMI = Körpergewicht (kg)/ Körperlänge zum Quadrat (m2) b
Tabelle 8.6 Taillenumfang und Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen Risiko
Taillenumfang
erhöht
5 i 94, 4i 80
deutlich erhöht
5 i 102, 4i 88
LERNTIPP
Das kardiovaskuläre System wird insbesondere im Hinblick auf eine Kardiomegalie (s. S. 59) und eine Herzinsuffizienz (pulmonale Rasselgeräusche, periphere Ödeme, s. S. 183) untersucht. Außerdem werden sämtliche Pulse untersucht (s. S. 23).
Bei der Erstuntersuchung wird der Blutdruck an linkem und rechtem Arm gemessen sowie auf Strömungs geräusche über der rechten und linken A. renalis geachtet.
Eine Blutdruckdifferenz entsteht bei einer Stenose im Bereich der A. subclavia, außerdem kann die Arteriosklerose mit Verhärtung der Arterienwand zu einer
Abb. 8.6 Typen der Adipositas. a Stammbetont, android, abdominal (Apfelform); b Hüftbetont, gynoid, glutäal-femoral (Birnenform)
Blutdruckdifferenz führen. Ein Strömungsgeräusch über der A. renalis kann Ausdruck einer für den Hypertonus ursächlich verantwortlichen Nierenarterienstenose sein, ebenso aber auch eine Folge der Hypertonie. Die Beurteilung des Augenhintergrunds erfordert einige Erfahrung (Abb. 8.9). In
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Arterielle Hypertonie der täglichen Praxis wird sie während der körperlichen Untersuchung meistens nicht durchgeführt, sondern, wenn die Untersuchung erwünscht wird, dem Augenarzt überlassen.
8.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik
Abb. 8.7 Typen der Adipositas. Cushingoider Habitus
Abb. 8.8 Patient mit zentralem CushingSyndrom und dem typischen Stiernacken
Bei den weitergehenden Untersuchungen erheben Sie folgende Befunde: Meistens liegen bei wiederholter Messung die Blutdruckwerte über 160 mmHg systolisch und zwischen 95 und 100 mmHg diastolisch. Die veranlasste Laboruntersuchung der Blutwerte ergibt die in Tab. 8.7 ersichtlichen Werte. In der Langzeit-Blutdruckmessung erheben Sie einen Durchschnittswert von 142/98 mmHg über 24 Stunden. Die Echokardiographie zeigt eine linksventrikuläre Hypertrophie. Die Werte der Urindiagnostik sind unauffällig. In der Sonographie des Abdomens sehen Sie eine Steatosis hepatis sowie Gallensteine. Der Befund der Nieren ist unauffällig. Die augenärztliche Untersuchung bei einem Kollegen ist ebenfalls unauffällig.
161
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Abb. 8.9 Hypertoniebedingte Veränderungen am Augenhintergrund (Fundus hypertonicus) in einem weit fortgeschrittenen Stadium: Blutungen, Cotton-wool-Herde (Pfeile) und Papillenödem
Bei der Patientin liegen hypertensive Blutdruckwerte vor. Die 24-StundenBlutdruckmessung zeigt einen erhöhten Mittelwert, echokardiographisch bestehen Hypertrophiezeichen. Laborchemisch bestehen eine Hypercholesterinämie mit Erhöhung des LDL, leicht erhöhte Triglyzeridwerte und eine Blutzuckererhöhung. Die Werte für Kalium und Kreatinin sind unauffällig. Ein Anhalt für das Vorliegen einer sekundären Hypertonie besteht somit nicht. p Weiter auf S. 163
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Leitsymptome Tabelle 8.7 Laborwerte
162
Parameter
Patient
Norm
Kalium
4,2 mmol/l
3,5–5 mmol/l
Kreatinin
0,9 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl
Cholesteringesamt
282 mg/dl
120–250
HDL
65 mg/dl
i 40 mg/dl
LDL
192 mg/dl
I 160 mg/dl
Triglyzeride
198 mg/dl
75–150 mg/dl
Glukose nüchtern
132 mg/dl
55–110 mg/dl
Die weitergehenden Untersuchungen dienen dem gleichen Zweck und folgen dem gleichen Schema wie die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung: Dokumentation der Höhe der Blutdruckwerte (s. S. 192) Suche nach Folgen (s. S. 158) und potenziellen Ursachen (s. S. 157) der Hypertonie und Fahndung nach zusätzlichen Risikofaktoren (s. S. 154). Denn aus dem Gesamtbild von Höhe des Blutdrucks, Vorliegen oder Fehlen von Endorganschäden und zusätzlichen Risikofaktoren wird die Indikation zur Therapie gestellt. Die Suche nach Ursachen hätte selbstverständlich bei Nachweis einer sekundären Hypertonie (Tab. 8.8) ebenfalls therapeutische Konsequenzen.
8.6.1 Dokumentation der Blutdruckwerte Zur Dokumentation der Höhe der Blutdruckwerte kommen in der weitergehenden Diagnostik beim Verdacht auf Hypertonie folgende Maßnahmen zum Einsatz: 1. wiederholte Einzelmessungen 2. Selbstmessungen zu Hause 3. 24-Stunden-Blutdruckmessung und 4. Blutdruckmessung unter definierter Belastung.
Die Blutdruckmessung unter definierter Belastung dient der Aufdeckung einer belastungsinduzierten Hypertonie. Belastet wird, wenn möglich, mit 100 Watt. Als normaler Grenzwert gilt ein Blutdruck von 200/100 mmHg.
8.6.2 Suche nach Endorganschäden Die Suche nach Endorganschäden umfasst Untersuchungen, die die Nieren, das Herz, das Gefäßsystem und den Augenhintergrund betreffen: 1. Urinuntersuchung auf Eiweiß (hypertensive Nephropathie) 2. EKG (Hypertrophie, Infarktnarben) 3. Echokardiographie (Hypertrophie) 4. sonographische Untersuchung der Karotiden (Intima- und Mediadicke, Plaquebildung) sowie 5. augenärztliche Untersuchung (hypertensive Retinopathie, Hämorrhagien, Exsudat, Papillenödem).
8.6.3 Zusätzliche Risikofaktoren Schließlich werden weitere zusätzliche Risikofaktoren in der Diagnostik abgeklärt: 1. Cholesterin, HDL, LDL, Triglyzeride im Serum (Dyslipoproteinämie) 2. Blutzucker (Diabetes mellitus) und 3. CRP (chronische Entzündung)
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Arterielle Hypertonie Tabelle 8.8 Weitergehende Diagnostik bei Verdacht auf sekundäre Hypertonie Verdacht
Diagnostik
Interpretation
renoparenchymatöse Hypertonie
Sonographie
Schrumpfniere, Zystennieren, diabetische Nephropathie
Eiweiß im Urin
Glomerulonephritis, Diabetes mellitus
Kreatinin im Serum
Niereninsuffizienz
Sonographie der A. renalis
Arteriosklerose
MR-Angiographie
Nierenarterienstenose
Plasmarenin o
Nierenarterienstenose
Kalium im Serum q Plasma-Aldosteron o Plasma-Renin q
Hyperaldosteronismus
Lokalisationsdiagnostik
Adenom
Phäochromozytom
24h-Sammelurin
Katecholamine im Urin
Hypercortisolismus
Cortisol im Urin o
Hyperthyreose
T3 o, FT4 o, TSH im Serum q
renovaskuläre Hypertonie
primärer Hyperaldosteronismus
8.6.4 Potenzielle Ursachen der sekundären Hypertonie
den unterschiedlichen Hypertonieformen eine Rolle spielen.
Schließlich muss bei jedem hohen Blutdruckwert an die Möglichkeit eines sekundären Hypertonus gedacht werden und im Zweifelsfall sollte das diagnostische Spektrum in diese Richtung erweitert werden.
8.7.1 Therapieansätze
8.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Mit Hilfe der Ergebnisse aus der weitergehenden Diagnostik können Sie die Diagnose der primären Hypertonie mit Notwendigkeit einer Therapie als gesichert ansehen.
Aus Tab. 8.9 gehen die wegweisenden Symptome und Befunde hervor, die bei
163
Ein Grenzwert, der nicht pathologische von pathologischen Blutdruckwerten trennt, kann nicht definiert werden. Mit zunehmender Höhe steigt das Risiko des Auftretens kardiovaskulärer Erkrankungen exponentiell an. Aus diesem Grund ist die Einordnung eines Patienten als Hypertoniker oder Normotoniker willkürlich und von untergeordneter Bedeutung. Entsprechend den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga und der WHO wird ein gegebener Blutdruckwert im Kontext anderer Risikofaktoren bewertet (Tab. 8.10). Aus diesem Risikoprofil wird dann ggf. die Indikation zur Behandlung abgeleitet. Anhand der Merkmale: Höhe des Blutdrucks und Vorliegen oder Fehlen von Risikofaktoren und Endorganschäden, Diabetes
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Leitsymptome Tabelle 8.9 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
primäre Hypertonie
Zufallsbefund, Schwindel, Kopfschmerzen
Blutdruckmessung u. Bewertung innerhalb des Risikoprofils
sekundärer Hypertonie
164
renoparenchymatöse Hypertonie
schlecht einstellbar, bekannte Nierenerkrankung
Nachweis einer Nierenerkrankung (Kreatinin, Sonographie, Urin, PE)
renovaskuläre Hypertonie
dran denken! Strömungsgeräusch, schlecht einstellbar
Nachweis einer Nierenarterienstenose, sonographisch, MR-Angiographie
Aldosteronismus
Hypokaliämie, Muskelschwäche
Hypokaliämie, Renin erniedrigt, Aldosteron erhöht
Cushing-Syndrom
Habitus
Medikamenten-Anamnese, Cortisol imUrin, DexamethasonHemmtest
Phäochromozytom
krisenartiger Blutdruckanstieg, schlecht einstellbar, Kopfschmerzen, Schwitzen, Blässe, Gewichtsverlust
Katecholamine im Urin, Lokalisationsdiagnostik: CT, Sono
Hyperthyreose
Gewichtsverlust, Nervosität
TSH, T3, T4
mellitus sowie klinisch manifester kardiovaskulärer Erkrankungen wird dann eine Zuordnung des jeweiligen Patienten in eine der vier Risikogruppen vorgenommen: Niedriges, moderates, hohes und sehr hohes Risiko. Das Risiko innerhalb eines bestimmten Zeitraums an einer bestimmten kardiovaskulären Erkrankung zu versterben steigt mit: der Höhe des Blutdrucks der Anzahl der Risikofaktoren dem Vorliegen von Endorganschäden dem Vorliegen eines Diabetes mellitus und dem Vorliegen einer klinisch manifesten kardiovaskulären Erkrankung.
Therapie der essentiellen Hypertonie Im Vordergrund der Therapie stehen Allgemeinmaßnahmen. Bei konsequenter Durchführung lässt sich nicht selten eine medikamentöse Therapie umgehen. Allerdings scheitern diese Bemühungen häufig. Es wird weiter geraucht, getrunken, das Übergewicht bleibt und der Patient bewegt sich zu wenig. So bleiben oft nur medikamentöse Maßnahmen übrig. Behandlungsziel ist die Risikoreduktion im Hinblick auf eine kardiovaskuläre Erkrankung oder den Tod. Danach ist die Blutdrucksenkung immer nur Teil einer Therapiestrategie, die auch die anderen Risikofaktoren und Begleiterkrankungen berücksichtigt. Der Zielblutdruckwerte liegt bei behandelten Patienten bei I 140/90 mm Hg. Bei Patienten, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, werden ein Blutdruckwerte I130/80 mm Hg angestrebt.
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Arterielle Hypertonie Tabelle 8.10 Risikofaktoren, die bei der Bewertung einer Hypertonie berücksichtigt werden Faktor
Bewertung
Blutdruck und Risikofaktoren
Blutdruckhöhe Alter Rauchen Dyslipidämie Familienanamnese für frühzeitige kardiovaskuläre Erkrankungen abdominale Adipositas C-reaktives Protein j 2 mg/dl
Endorganschaden
linksventrikuläre Hypertrophie Intima-media-Verdickung
165
Serum-Kreatinin erhöht Mikroalbuminurie Diabetes mellitus
Nüchtern-Blutzucker i 126 mg/dl
klinisch manifeste kardiovaskuläre Erkrankung
n
zerebrovaskuläre Erkrankung: ischämischer Insult n TIA Herzerkrankung: n Zustand nach Myokardinfarkt n Angina pectoris n Herzinsuffizienz Nierenerkrankung: n diabetische Nephropathie n Niereninsuffizienz n Kreatinin erhöht n Proteinurie n
periphere Gefäßerkrankungen
fortgeschrittene Retinopathie: n Hämorrhagie n Exsudat n Papillenödem
Allgemeinmaßnahmen Therapeutische Allgemeinmaßnahmen bei behandlungsbedürftiger Blutdruckerhöhung: Nikotinkarenz Gewichtsreduktion
Alkoholreduktion körperliche Bewegung Reduktion der Kochsalzzufuhr Ernährungsumstellung: viel Gemüse, wenig tierische Fette.
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Leitsymptome Medikamentöse Therapie Für die medikamentöse Therapie stehen fünf Medikamentengruppen zur Verfügung, die als Erstlinientherapie empfohlen werden: b-Blocker Diuretika Calciumantagonisten ACE-Hemmer und ATII-Antagonisten.
166
Die Wahl des Medikaments wird durch zahlreiche Faktoren bestimmt: Begleiterkrankungen, weitere Risikofaktoren, Nebenwirkungsspektrum, vorausgegangene Therapien mit Antihypertensiva, Begleitmedikation und Kosten. Die Behandlung kann als Monotherapie oder als primäre Kombinationstherapie begonnen werden. Vorteil der Monotherapie ist die Möglichkeit bei Unverträglichkeit problemlos auf eine andere Medikamentengruppe zu wechseln. Nachteil ist die unter Umständen zeitaufwendige Blutdruckeinstellung. Vorteil der primären Kombinationstherapie ist die unter Umständen effektive, rasche Blutdrucksenkung mit geringer Dosis, wodurch die Nebenwirkungen gering gehalten werden. Nachteil ist die
evtl. unnötige Belastung des Patienten mit einem zweiten Medikament. Bei ungenügendem Ansprechen auf eine Monotherapie sind folgende Vorgehensweisen möglich: andere Monotherapie Dosis erhöhen oder Kombinationstherapie. Bei ungenügendem Ansprechen auf eine primäre 2-er-Kombinationstherapie sind folgende Vorgehensweisen möglich: Dosis erhöhen oder Gabe einer zusätzlichen Medikamentengruppe.
Therapie der sekundären Hypertonie Bei der sekundären Hypertonie steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund (Tab. 8.11).
Therapie der hypertensiven Krise Die hypertensive Krise wird folgendermaßen behandelt: Nitratpräparate per os Urapidil i. v. und Clonidin i. v.
Tabelle 8.11 Therapieansätze bei sekundärer Hypertonie Erkrankung
Therapieansätz
renoparenchymatöse Hypertonie
medikamentöse Blutdrucksenkung
renovaskuläre Hypertonie
Revaskularisation (Stent)
Aldosteronismus
einseitig: Operation beidseitig: Antihypertensiva, Aldosteronantagonisten
Hypercortisolismus
OP
Hypophysenadenom
OP
Nebennierentumor
OP
ektope ACTH-Produktion
Ketoconazol, Octreotid
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Herz-Kreislauf-Stillstand 9.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
9 Herz-Kreislauf-Stillstand 9.1 Begriffe Herz-Kreislauf-Stillstand : Sistieren einer effizienten Herzfunktion und Blutzirkulation.
9.2 Problemstellung
Fallbeispiel Bericht des Patienten Sie haben Dienst in der Notfallaufnahme, als von seinen Angehörigen der etwa 70 Jahre alte Johann G. eingeliefert wird. Die Verwandten erklären Ihnen, dass es dem Patienten nicht gut gehe. Noch während sie die ersten Worte mit ihm wechseln, sackt der Patient plötzlich in sich zusammen und stürzt zu Boden.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die wichtigste und bis zum Beweis des Gegenteils geltende Differenzialdiagnose ist in dieser Situation der HerzKreislauf-Stillstand. Differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen ist natürlich jede Form einer Synkope (s. S. 78) sowie der epileptische Anfall. p Weiter auf S. 169
Der Herz-Kreislauf-Stillstand ist ein Notfall, der unbehandelt innerhalb von Minuten zu einer irreversiblen Hirnschädigung und zum Tod führt. Er muss innerhalb kürzester Zeit diagnostiziert und therapiert werden.
Für eine effiziente Herzfunktion und Blutzirkulation sind viele Einflussgrößen von Bedeutung, die allesamt störanfällig sind. Für eine suffiziente Zirkulation braucht es: eine angemessene Erregungsbildung im Herzen eine Erregungsausbreitung eine Erregungsüberleitung auf das Myokard eine kardiale Pumpleistung ein intaktes Gefäßsystem ein zirkulierendes Blutvolumen und eine ausreichende Oxygenierung des Blutes. Die weitaus häufigsten Pathomechanismen (i 90 %) eines Herz-Kreislaufstillstandes sind kardialer Natur: eine gestörte Erregungsbildung: Kammerflimmern (s. Abb. 9.6), ventrikuläre Tachykardie (s. S. 55), Asystolie (s. S. 168) eine gestörte Erregungsausbreitung: totaler AV-Block (s. S. 54) eine gestörte Erregungsüberleitung auf das Myokard: elektromechanische Dissoziation eine gestörte kardiale Pumpleistung: myokardiales Pumpversagen durch einen Myokardinfarkt (s. S. 29), Vitium (s. S. 21), Papillarmuskelabriss
167
Seltener (I 10 %) besteht eine primär zirkulatorische Ursache: gestörte Zirkulation: Lungenembolie (s. S. 29) ein Verlust von zirkulierendem Blutvolumen: hämorrhagischer Schock, anaphylaktischen Schock oder eine primär respiratorische Ursache: unzureichende Oxygenierung: Aspiration, Verlegung der Atemwege, gestörte Atemregulation. Bei den kardialen Ursachen des Kreislaufstillstands dominiert mit 80 % die Tachykardie (Kammerflimmern, Kammerflattern, ventrikuläre Tachykardie) gegenüber
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Leitsymptome
Abb. 9.1 Sinusstillstand. Nicht ganz regelmäßiger Sinusrhythmus, Frequenz 98/min, dann Asystolie
168
der Asystolie mit 20 % (Asystolie, Abb. 3.5 oder elektromechanische Dissoziation). Wenn die Zirkulation ausfällt, aus welchen Gründen auch immer, kommt es: nach 10 bis 15 Sekunden zur Bewusstlosigkeit nach 30 bis 60 Sekunden zum Atemstillstand nach i 3 Minuten (altersabhängig) zur irreversiblen Hirnschädigung und schließlich zum Exitus. Die Zeit bis zur irreversiblen Hirnschädigung kann unter Umständen auch länger sein, z. B. bei niedrigen Temperaturen oder sehr jungen Patienten.
9.4 Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands Die häufigste Erkrankung, die einen HerzKreislauf-Stillstand verursacht, ist die koronare Herzkrankheit (KHK) mit ihren Akutmanifestationen Ischämie (s. S. 29) und Myokardinfarkt (80 % der kardial bedingten Herz-Kreislaufstillstände. Andere kardiale Ursachen sind vergleichsweise selten (Tab. 9.1). Bei der primär zirkulatorischen Ursache dominiert die Lungenembolie, die klinisch zunächst nicht von einer kardialen Ursache abzugrenzen ist. Beim Volumenmangel wird das klinische Bild in aller Regel durch den Auslöser (Blutung, Anaphylaxie) dominiert, ebenso wie bei der primär respiratorischen Ursache (Ersticken, Aspiration).
Tabelle 9.1 Ursachen des Herz-Kreislaufstillstands
kardial
zirkulatorisch respiratorisch
häufig
weniger häufig
selten
Myokardinfarkt
Kardiomyopathie
Myokarditis
Myokardischämie
hypertensive Kardiomyopathie
Vitium
medikamentös induzierte Arrhythmie
Perikardtamponade
Lungenembolie
Hämorrhagie Anaphylaxie Aspiration zentrale Atemdepression Ersticken Ertrinken
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Herz-Kreislauf-Stillstand Prüfung des Bewusstseinszustandes Prüfung der Atmung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Der Patient ist zu Boden gestürzt und sie knien sich zu ihm, sprechen ihn an, klopfen ihm auf die Wange und er reagiert nicht. Sie drehen den Patienten auf den Rücken, überstrecken den Nacken und heben das Kinn. Spontane Atembewegungen finden nicht statt. Sie rufen Hilfe herbei und beginnen mit der kardiopulmonalen Reanimation. Dabei fragen Sie die Angehörigen, ob der Mann eine bekannte Herzkrankheit hat. Ja, antworten sie, er hatte vor 2 Jahren einen Herzinfarkt und litt in den letzten Tagen immer wieder unter Herzschmerzen. Heute hielten die Schmerzen seit mehreren Stunden an, sie sprachen diesmal auch nicht, wie sonst meistens, auf Nitrospray an.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Angesichts der Vorgeschichte und der klinischen Situation dürfte die wahrscheinlichste Ursache ein Kammerflimmern oder eine ventrikuläre Tachykardie, weniger wahrscheinlich eine Asystolie, auf dem Boden einer myokardialen Ischämie oder eines Infarktes sein. Als weitere Ursache kommt eine medikamenteninduzierte Arrhythmie infrage, außerdem ein myokardiales Pumpversagen bei einem großen Infarktareal. Andere Differenzialdiagnosen erscheinen weniger wahrscheinlich. p Weiter auf S. 173 Umgekehrt zum sonstigen Vorgehen wird bei einem Verdacht auf einen Herz-Kreislauf-Stillstand zunächst untersucht und therapiert und anschließend oder im Verlauf der Diagnostik und Therapie wird, soweit möglich, eine Fremdanamnese erhoben. Die Reihenfolge der Diagnostik ist Folgende:
Parallel zur Diagnostik wird die Therapie eingeleitet und durchgeführt: Atemwege frei machen und frei halten beatmen und Zirkulation durch Herzdruckmassage sicherstellen. Unabhängig von der Zahl der Helfer ist das prinzipielle Vorgehen immer gleich.
Man kann eine Reanimation alleine durchführen, besser geht es zu zweit, optimal zu dritt.
Bei einer Reanimation, die von drei Personen durchgeführt wird, führt eine Person die Herz-Druckmassage durch, die zweite Person beatmet den Patienten und die dritte Person bereitet den venösen Zugang vor und legt diesen. Zu viele Helfer stören, insbesondere wenn die Kompetenzen nicht rasch und eindeutig festgelegt werden.
MERKE
9.5 Problemlösung
169
9.5.1 Prüfung des Bewusstseinszustandes Das Bewusstsein wird geprüft durch Ansprache : „Alles in Ordnung?“ (cave: Schwerhörigkeit), Schütteln, Klopfen auf die Wange oder Schmerzauslösung (Druck mit Knöchel auf das Sternum). All das sollte nur wenige Sekunden in Anspruch nehmen.
9.5.2 Prüfung der Atmung Sie prüfen die Atmung durch Hören, Spüren, Tasten und Sehen: Sie horchen auf ein Atemgeräusch über Mund und Nase. Sie spüren (oder spüren nicht) den Atemhauch am Ohr. Sie tasten nach Atemexkursionen des Brustkorbs. Sie sehen, ob eine Bauchatmung vorliegt.
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Leitsymptome All das sollte in maximal 5–10 Sekunden erledigt sein.
9.5.3 Prüfung des Pulses Nach den neusten Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) wird auf eine
Pulsuntersuchung verzichtet und prompt eine Herz-Druckmassage durchgeführt (Abb. 9.2). Sie bringen den Patienten in eine stabile Seitenlage. Wenn der Patient nicht atmet liegt ein Herz-Kreislaufstillstand vor und sie beginnen mit der Reanimation.
Kreislaufstillstand
Herzdruckmassage: Beatmung (30:2) bis Defibrillator/Monitor einsatzbereit ist
Rhythmus? Puls?
170 Kammerflimmern oder pulslose Kammertachykardie
Während der Reanimation: reversible Ursachen behandeln (s.u.) prüfen: Elektroden/Paddle (Position?, Kontakte?) Atemwege freimachen (Intubation) Venösen Zugang legen Adrenalin 1 mg i.v. oder 3 mg endotracheal alle 3-5 Minuten
1 x Defibrillation 360 J monophasisch 150-200 J biphasisch
Herzdruckmassage Beatmung (30:2) für 2 Minuten
Amiodaron 300 mg i.v. nach 3. erfolgloser Defibrillation
Natriumbikarbonat: Keine blinde Pufferung Evtl. bei ph < 7,1
(Evtl. Magnesiumsulfat 1-2 g i.v.) Potenziell reversible Ursachen: – Hypoxie – Hypovolämie – Hyperkaliämie, Hypokaliämie – Metabolische Störungen – Hypothermie – Spannungspneumothorax – Perikardtamponade – Intoxikation – Lungenembolie
Asystolie oder pulslose elektrische Aktivität
Herzdruckmassage Beatmung (30:2) für 2 Minuten
Atropin 1-3 mg i.v.
Evtl. Schrittmacher transkutan
Abb. 9.2 Kardiopulmonale Reanimation
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MERKE
Herz-Kreislauf-Stillstand Nach den neusten Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) wird auf die Pulsuntersuchung verzichtet und prompt eine HerzDruckmassage durchgeführt!
9.5.4 Durchführung der kardiopulmonalen Reanimation Atemwege frei machen und frei halten
a
Um die Atemwege frei zu machen untersuchen Sie den Mund durch Inspektion und manuell. Sie beseitigen ggf. Erbrochenes, möglichst durch Absaugen, sowie Fremdkörper (z. B. dislozierte Prothese). b
Zirkulation durch Herz-Druckmassage sicherstellen Nach den neuen Richtlinien beginnt die Reanimation mit der Herzdruckmassage. Sie sorgen für eine feste Unterlage. Der Handballen wird in der Mitte des Brustkorbs aufgesetzt. Der Druck wird mit gestrecktem Arm senkrecht auf das Sternum gebracht. Die Bewegung erfolgt in der Hüfte. Die Drucktiefe beträgt 3-5 cm. Die Frequenz liegt bei 80 bis 100/min. Das Verhältnis von Herzdruckmassage zur Beatmung beträgt nach den Reanmationsleitlinien des ERC 30:2.
Beatmung Für die Beatmung überstrecken Sie den Hals bei gleichzeitiger Anhebung des Kieferwinkels. Die Beatmung sollte möglichst mit Beatmungsbeutel erfolgen. Sie legen die Maske auf Mund und Nase und beatmen langsam und stetig (Abb. 9.3). Zu hohe Drucke öffnen den Ösophagus und führen zu einer Luftfüllung des Magens. Dieses führt zum Erbrechen mit deutlich erhöhtem Aspirationsrisiko. Wenn kein Beatmungsbeutel vorliegt, beatmen Sie Mund zu Mund.
171
Abb. 9.3 Durchführung der Maskenbeatmung. a Ansicht von vorn; b seitliche Ansicht
Kurzanamnese Sind all diese Maßnahmen soweit durchgeführt, können Sie möglicherweise von einer dritten Person, die die Situation miterlebt hat und den Patienten kennt, eine Kurzanamnese einholen. Daran schließt sich die Einleitung der weiteren Diagnostik an. Die Anamnese sollte folgende Inhalte umfassen: Alter unmittelbare Vorgeschichte vor dem Ereignis: Herzschmerzen, Schwindel, Luftnot kardiale Vorerkrankungen: koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt derzeit bestehende Medikation sonstige gravierende Vorerkrankungen (Tumorleiden) und das Vorliegen einer Patientenverfügung. In aller Regel wird aber die Anamneseerhebung keinen relevanten Einfluss auf das unmittelbare weitere Vorgehen haben.
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Leitsymptome EKG
Abb. 9.4 EKG-Gerät mit integriertem Defibrillator und Herzschrittmacher
Der Leser ist wegen des stetigen Wandels der Leitlinien gehalten, sich über die Entwicklung permanent zu informieren.
MERKE
172
So schnell wie möglich sollte ein EKG abgeleitet werden. Gleichzeitig wird die Möglichkeit zu einer Defibrillation geschaffen (Abb. 9.4, Abb. 9.5). Der häufigste Befund wird ein Kammerflimmern (s. S. 173) oder Kammerflattern sein, seltener eine Asystolie (s. S. 168) oder eine elektromechanische Entkopplung. Bei einer Lungenembolie (s. S. 29) können Sie unter Umständen Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung (s. S. 13) erwarten, allerdings lässt sich in der Akutsituation eine Lungenembolie in der Regel nicht mit Sicherheit diagnostizieren. Unmittelbar nach Diagnosestellung muss die Therapie eingeleitet werden. Angestrebt werden sollte die Anlage eines peripher venösen Zugangs. Cave: Die Empfehlungen zum Vorgehen während der kardiopulmonalen Reanimation in diesem Kapitel basieren auf den Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC). Die Leitlinien unterliegen einem stetigen Wandel und komplizierend kommt hinzu, dass in englischen und amerikanischen Leitlinien und Empfehlungen im Detail unterschiedliche Angaben gemacht werden.
Abb. 9.5 Lage der Elektroden bei Defibrillation
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Herz-Kreislauf-Stillstand 9.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Die weitergehende Diagnostik bei und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand besteht aus drei Phasen: Diagnostik während der Akutphase, Diagnostik unmittelbar nach Stabilisierung und weitergehende Diagnostik während der stabilen Phase.
Weitergehende Diagnostik Das erste abgeleitete EKG zeigt den in Abb. 9.6 erkennbaren Befund. Nach Stabilisierung des Patienten und Erreichen eines Sinusrhythmus sehen Sie das auf S. 70 dargestellte Bild. Im Herzecho, das später durchgeführt wird, wird eine Hypokinesie im Bereich der Vorderwand gesehen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Es liegt ein Kammerflimmern bei Vorderwandinfarkt vor. p Weiter auf S. 176
9.6.1 Diagnostik während der Akutphase Während der Akutphase steht, so weit wie möglich, die Überwachung der kardialen, zirkulatorischen und pulmonalen Funktionen (Tab. 9.2) im Vordergrund: fortlaufendes EKG-Monitoring u. U. vor der Stabilisierung intraarterielle Blutdruckmessung Messung des zentral venösen Venendrucks (ZVD) Messung der Lungenfunktionsparameter sowie Messung des Säurebasenhaushalts.
173
I
II
III
Abb. 9.6 Kammerflimmern. Es ist keinerlei rhythmische Aktivität erkennbar
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Leitsymptome Tabelle 9.2 Diagnostik während der Akutphase der Reanimation Untersuchung
Parameter
Interpretation
EKG-Monitoring (kontinuierlich)
Rhythmus
Kammerflimmern, Kammerflattern, Asystolie
intraarterielle Blutdruckmessung (kontinuierlich)
Blutdruck
Hypotonie
ZVD-Messung
ZVD
Hypovolämie, Hypervolämie
PO2
Hypoxie
PCO2
Hyperkapnie
pH
Azidose
Basenexzess
Azidose
Herz, Kreislauf
Lunge Blutgasanalyse
174
9.6.2 Diagnostik unmittelbar nach Stabilisierung Nach der Akutphase der Reanimation und Stabilisierung des Zustandes erfolgt zum einen die Überwachung der wiederher-
gestellten vitalen Funktionen, zum anderen die Suche nach eingetretenen krankheitsbedingten (Tab. 9.3) und reanimationsbedingten Schäden (Tab. 9.4).
Tabelle 9.3 Diagnostik nach Stabilisierung - krankheitsbedingte Schäden Untersuchung
Parameter
Interpretation
Monitoring der vitalen Funktionen fortsetzen
EKG-Monitoring, Blutdruck
Herzfunktion
ZVD, Blutgasanalyse
Lungenfunktion
Monitoring der renalen Ausscheidung
Dokumentation von Ein- und Ausfuhr
Nierenfunktion
Labor
Blutbild
Anämie?
Kreatinin, Harnstoff
Nierenfunktion
Gerinnungsparameter: Quick, PTT
Gerinnungsstatus
Natrium, Kalium
Elektrolytentgleisung?
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Herz-Kreislauf-Stillstand Tabelle 9.4 Diagnostik nach Stabilisierung – Schäden durch Reanimation Untersuchung
Parameter
Interpretation
Röntgenaufnahme des Thorax
Kontur der Rippen
Fraktur?
intratracheale Lage
Tubuskontrolle
Verschattungen
Aspirationspneumonie?
Parenchym, Flüssigkeit
Leberruptur?, Milzruptur?, freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle
Sonographie des Abdomens
9.6.3 Weitergehende Diagnostik während der stabilen Phase In der dritten Phase wird weiter nach der Ursache des Herz-Kreislaufstillstandes ge-
fahndet. Die Auswahl der Untersuchungen hängt natürlich von den klinischen Umständen ab (Tab. 9.5).
175 Tabelle 9.5 Weitergehende Diagnostik während der stabilen Phase Untersuchung
Parameter
Interpretation
Labor
CK, CK-MB, Troponin
Infarkt?
GOT, GPT, LDH
Infarkt?
Elektrolyte
Elektrolytentgleisung?
Langzeit-EKG
Rhythmus
Rhythmusstörungen?
Echokardiographie
Kontraktilität, Klappenapparat
globale/umschriebene Kontraktionsstörung, Aneurysma, Papillarmuskelabriss
Koronarangiographie
Morphologie der Gefäße
Stenose?
CT-Angiographie
Pulmonalarterien
Lungenembolie
farbkodierte Duplexsonographie
Durchgängigkeit der Gefäße
Fahndung nach Thrombose, bei Lungenembolie
Perfusions-Ventilationsszintigraphie
Perfusionsausfälle
Lungenembolie
Ösophago-GastroDuodenoskopie
Schleimhaut
Blutung
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Leitsymptome 9.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Pulslosigkeit, Atemstillstand. Die Sicherung der auslösenden Ursache erfolgt in den meisten Fällen durch die kardiologische Diagnostik (Tab. 9.6).
Fortsetzung
Diagnosesicherung
9.7.1 Therapieansätze
Die Diagnose kann als gesichert angesehen werden. Der Nachweis der Koronarveränderungen erfolgt mittels Koronarangiographie.
Im Vordergrund steht, soweit wie möglich, die Behandlung der Grundkrankheit. Wenn dieses nicht möglich ist oder als ergänzende Behandlung kann durch medikamentöse Maßnahmen versucht werden, ein Rezidiv eines Kreislaufstillstandes zu verhindern (Tab. 9.7).
Die Sicherung des Herz-Kreislaufstillstandes erfolgt klinisch: Bewusstlosigkeit,
Tabelle 9.6 Diagnostik bei Herz-Kreislaufstillstand
176
Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Herz-Kreislaufstillstand
Ohnmacht
Bewusstlosigkeit, Pulslosigkeit, Atemstillstand
KHK
Anamnese, Risikofaktoren
Koronarangiographie
Kardiomyopathie, Vitium, hypertensive Kardiomyopathie
Echokardiographie
Herzkatheter, Probenentnahme
Perikardtamponande
Pulsus paradoxus
Echokardiographie
Lungenembolie
klinische Umstände: paradoxe Embolie nach vorausgegangener tiefer Beinvenethrombose
CT, MR-Angiographie, Perfusionsszintigraphie
Hämorrhagie
Blutabgang, Hb-Abfall
Nachweis der Blutungsquelle
Anaphylaxie
klinische Umstände, z. B. Bienenstich
Allergiediagnostik
Aspiration
Umstände
Nachweis des Fremdkörpers
zentrale Atemdepression
Anamnese, Umstände: Schädel-Hirn-Trauma, Medikamenteneinnahme, Drogenabusus
Toxinnachweis (z. B. Heroin)
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Herz-Kreislauf-Stillstand Tabelle 9.7 Therapeutische Möglichkeiten bei Zustand nach Herz-Kreislaufstillstand Erkrankung
Strategie
Maßnahme
KHK
Revaskularisierung
Ballonkatheterdilatation Stent-Implantation Bypass-Operation
Herzrhythmusstörungen
Kardiomyopathie
medikamentöse Therapie
Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Clopidogrel)
Behandlung von Risikofaktoren
Hypertonus, Fettstoffwechselstörung, Nikotinabusus
ultima ratio
Herztransplantation
Antiarrhythmika
Natriumkanalblocker: akute ventrikuläre Arrhythmie b-Blocker: supraventrikuläre Extrasystolen, Z. n. Myokardinfarkt Kaliumkanalblocker: ventrikuläre Arrhythmie, Vorhofflimmern Kalziumkanalblocker: supraventrikuläre Tachyarrhythmie
interventionelle Therapie
implantierbarer Defibrillator
Allgemeinmaßnahmen
körperliche Schonung
medikamentöse Therapie von Herzrhythmusstörungen
s. o.
weiter medikamentöse Therapie
Marcumar
177
Calciumantagonisten b-Blocker
Lungenembolie
bei einigen Formen: interventionelle Therapie
Schrittmacherimplantation bzw.
ultima ratio
Herztransplantation
Notfalltherapie bei akuter Lungenembolie
halbsitzende Lagerung, Sedierung, O2, zentralvenöser Zugang, Heparinbolus i. v., Thrombolyse
spezifische Maßnahmen
n n
n
Anaphylaxie
konservativ: Heparin, Thrombolyse Ultraschall-Thrombolyse, mechanische Fragmentierung mittels Rechtsherzkatheter, lokale Fibrinolyse operativ
Sekundärprophylaxe nach Lungenembolie
Marcumar
Notfallset
Adrenalin, Prednisolon
Allergenkarenz Desensibilisierung Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome - Herz-Kreislauf-System (ISBN 978-313-142831-8) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen
10 Zyanose 10.1 Begriffe
178
MERKE
Zyanose: Blauverfärbung der Haut (und u. U. der Schleimhaut) als Folge einer Vermehrung von desoxygeniertem Hämoglobin in den peripheren Kapillaren.
Zyanose und Hypoxämie sind keine Synonyme! Bei der Hypoxämie ist der O2-Gehalt im Blut erniedrigt.
10.2 Problemstellung
Fallbeispiel
Die Tochter schildert Ihnen zwei Leitsymptome: Die Blaufärbung der Haut, also eine Zyanose, und eine allgemeine Leistungsminderung. Unter Berücksichtung des Alters ihres Patienten und der Konstellation der Symptome, ist die wichtigste Differenzialdiagnose die Herzinsuffizienz. Sekundär muss an eine chronische Erkrankung der Lunge oder der Atemwege gedacht werden. Andere Differenzialdiagnosen (s. Ursachen S. 179) werden in einer derartigen Situation erst herangezogen wenn eine näherliegende, im Verlauf von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung nicht bestätigt werden kann. p Weiter auf S. 180 Abgesehen von der Akrozyanose (Akren = Lippen, Ohren, Nase, Finger, Zehen, s. S. 138), die vor allem an Fingern und Nagelbett bei ängstlichen, vegetativ labilen Individuen gesehen wird, ist die Zyanose immer Ausdruck einer ernst zu nehmenden Erkrankung, bei akutem Auftreten Zeichen einer unter Umständen lebensbedrohlichen Situation.
Bericht des Patienten In Ihre Sprechstunde wird der 76-jährige Bruno V. von seiner Tochter begleitet und vorgestellt. Sie erzählt, dass es ihrem Vater in den letzten Wochen nicht gut gehe. Er sei müde, kraftlos und steht kaum noch auf. Aus dem Haus geht er schon lange nicht mehr. Seit etwa einer Woche, das fiel der Tochter auf, ist der Patient manchmal „richtig blau“ im Gesicht. Nun macht sie sich Sorgen und ist deswegen mit ihrem Vater zu Ihnen gekommen.
10.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Die Farbe der Haut wird durch mehrere Faktoren beeinflusst: Pigmente, Hautdicke, Blutfülle der subpapillären Kapillaren, Blutfarbe. Die Farbe des normalen Kapillarblutes ist hellrot. Es kann jedoch seinen Farbton verändern und eine dunkelblaurote Farbe annehmen. Das Durchschimmern dieses blau-roten Farbtones wird als Zyanose bezeichnet. Der Farbton hängt nicht von der Sauerstoffsättigung ab, sondern vom absoluten Gehalt an desoxygeniertem (reduziertem, sauerstoffarmen) Hämoglobin. Eine Zyanose wird sichtbar, wenn der Gehalt an desoxygeniertem Hämoglobin 5 g pro 100 ml übersteigt.
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LERNTIPP
Zyanose Da das Verhältnis von oxygeniertem zu desoxygeniertem Hb bei der Färbung keine Rolle spielt, sondern nur der absolute Gehalt, kann eine ausgeprägte Anämie eine Zyanose maskieren, da hier prozentual weniger reduziertes Hämoglobin vorliegt. Umgekehrt kann bei einer Polyglobulie eine Zyanose früher auftreten, da der kritische Wert von 5g % an desoxygeniertem Hb sehr schnell erreicht wird.
Der Vermehrung von desoxygeniertem Hämoglobin in den peripheren Kapillaren können folgende Pathomechanismen zugrunde liegen: Periphere Zyanose mit normaler O2-Sättigung und vermehrter Ausschöpfung von Sauerstoff in der Peripherie: In diesem Fall sind die warmen, körpernahen Schleimhäute nicht zyanotisch, sondern rosig-rot, nur die Haut ist zyanotisch verfärbt. Ursachen sind eine generalisierte Strömungsverlangsamung (Herzinsuffizienz, Polyzythämie), lokale Strömungsverlangsamung (Thrombose, Morbus Raynaud) oder selten eine arterielle Durchblutungsverminderung. Zentrale Zyanose mit verminderter Oxygenierung des Blutes: Haut und Schleimhäute sind zyanotisch (Abb. 10.1). Pulmonal bedingt infolge von Lungenerkrankungen mit gestörter Ventilation, Diffusion oder Perfusion. Folge ist ein verminderter Gasaustausch zwischen Alveolen und Kapillaren. Kardial bedingt bei angeborenen Herzfehlern mit Rechts-Links-Shunt durch Kontamination des arteriellen Blutes mit desoxygeniertem, venösem Blut. Eine verminderte Bindungsfähigkeit des Hämoglobines für Sauerstoff (Hämiglobinzyanose): Ursache ist das pathologische Methämoglobin (synonym Hämiglobin), in dem Eisen in dreiwertiger statt in zweiwertiger Form vorliegt. Es ist nicht zur O2-Bindung fähig. Angeborene Methämoglobinämien mit einem deutlich erhöh-
179
Abb. 10.1 Adipöser Patient mit Zyanose bei pulmonaler Grunderkrankung
ten Methämoglobulinanteil sind selten. Häufiger sind erworbene Methämoglobulinämien. Auslöser sind Toxine (Nitrit, Nitrat, Nitrosegase, Chlorate) und Medikamente (Sulfonamide, Phenacetin).
10.4 Ursachen der Zyanose Die häufigsten Ursachen einer generalisierten Zyanose beim Erwachsenen sind Herzinsuffizienz (periphere Zyanose) und respiratorische Insuffizienz (zentrale Zyanose). Weitere häufige Ursachen sind: Periphere Zyanose: generalisiert: Herzinsuffizienz, Vitien, Cor pulmonale lokalisiert: n funktionelle Durchblutungsstörung (Akrozyanose: junge, vegetativ empfindliche Individuen) n Varikosis (s. S. 115), Thrombose (s. S. 121 und Abb. 10.3), postthrombotisches Syndrom n Morbus Raynaud (s. S. 138) n Kälteagglutinine.
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Leitsymptome Zentrale Zyanose: pulmonal bedingt: Lungenemphysem, Asthma bronchiale, COPD, Lungenödem, Pneumonie, Lungenembolie, Pneumothorax, interstitielle Lungenerkrankung, Tumore, Bronchiektasen, Pleuraerguss, Pneumonie, Lungenfibrose. kardial bedingt: Angeborene Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt, Gefäßanomalien. Hämiglobinzyanose: angeboren (selten!) Medikamente (Sulfonamide, Phenacetin) Toxine (Nitrit, Nitrat, Nitrosegase, Chlorate).
180
10.5 Problemlösung 10.5.1 Anamnese und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Die gezielte Anamneseerhebung ergibt, dass sich der Zustand von Herrn V. schon seit dem Tod seiner Frau, vor über einem Jahr, verschlechtert. Seither ging er immer seltener aus dem Haus, in den letzten zwei Monaten hat er seine Wohnung nicht mehr verlassen. Eine strukturelle Herzerkrankung ist bei Bruno V. nicht bekannt. In der Vorgeschichte kein Myokardinfarkt, keine Angina pectoris. Der Patient erinnert sich, dass das Herz in der Vergangenheit „unregelmäßig geschlagen“ hat. Vor 5 Jahren wurde ein Hypertonus festgestellt, der mit einem Calciumantagonisten (Verapamil) behandelt wird. Momentan kommt es bei körperlicher Aktivität zu Luftnot, auch eine Schwellung der Knöchel hat der Patient bemerkt. Eine Lungenerkrankung ist Ihrem Patienten nicht bekannt. Seit 35 Jahren
raucht Herr V. nicht mehr, kein Husten, kein Auswurf. Vor 12 Jahren wurde ein Diabetes mellitus diagnostiziert, der derzeit mit Tabletten behandelt wird: Metformin 2 q 500 mg sowie Arkabose. Der Patient wohnt noch in der eigenen Wohnung, er versorgt sich überwiegend selbst, seine Tochter unterstützt ihn bei der Haushaltsführung.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die weiteren Angaben unterstützen die Anamnese einer Herzinsuffizienz: Der offenbar langsam progrediente Verlauf der Beschwerden, die Belastungsdyspnoe, die geschwollenen Knöchel. Ein Anhalt für das Vorliegen einer bronchopulmonalen Erkrankung, die zu einer Zyanose führt, insbesondere eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, besteht nicht: Kein Nikotinabusus, kein Husten oder Auswurf. Ursache für die Herzinsuffizienz könnte der Hypertonus sein, u. U. aggraviert durch Verapamil. Außerdem könnte der Diabetes mellitus über eine diabetesbedingte Koronarsklerose zu einer ischämischen Herzinsuffizienz beitragen. p Weiter auf S. 182 Das Vorgehen bei einer Zyanose ist abhängig von der Dramatik des Krankheitsgeschehens. Die klinische Situation einer Lungenembolie erfordert aufgrund der Gesamtumstände (Zyanose, Luftnot, Schocksymptomatik) ein ganz anderes Vorgehen als die vegetativ bedingte Akrozyanose der jungen, schlanken, im Übrigen etwas blassen Frau, die über kalte, blaue Finger klagt. Im Folgenden wird das systematische Vorgehen bei Zyanose vorgestellt, das im klinischen Alltag meistens weniger strukturiert erfolgt. Nach der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung sollte eine klare Vorstellung über folgende Fragen bestehen: Liegt eine akute Gefährdung vor oder nicht? Liegt eine Herzinsuffizienz vor?
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Zyanose
Eine ätiologische Abklärung erfolgt erst nach Klärung dieser Fragen.
Liegt eine akute Gefährdung vor? Die Krankheitsbilder mit Zyanose, die den Patienten akut gefährden, sind die akute linksventrikuläre Dekompensation und die akute respiratorische Insuffizienz.
MERKE
Bei der akuten linksventrikulären Dekompensation auf dem Boden einer drastisch reduzierten Pumpleistung dominieren die auslösende Ursache und die drohende oder manifeste Schocksymptomatik das klinische Bild: Thoraxschmerz (s. S. 28), Bewusstseinstrübung und Bewusstseinsverlust (s. S. 78), Dyspnoe. Bei der akuten respiratorischen Insuffizienz kommt es zu einer zentralen Zyanose mit einer das Krankheitsbild meist dominierenden Dyspnoe. Das Ausmaß der Dyspnoe und der Grad der Erschöpfung des Patienten zeigen das Ausmaß der Gefährdung an.
Hinweise für eine akute Gefährdung des Patienten mit Zyanose sind Dyspnoe, Thoraxschmerz (s. S. 28), Bewusstseinstrübung und Bewusstseinsverlust (s. S. 78).
Bei akuter Gefährdung werden die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung, wie sie im Folgenden vorgestellt werden, drastisch beschleunigt und reduziert und zielstrebig zu einem Ergebnis geführt. Kardiale oder pulmonale Vorerkrankung? Auskultatorisch Nachweis der respiratorischen Insuffizienz? Asystolie (s. S. 168)? Tachykardie (s. S. 55)? Blutdruckabfall? Ziel ist die rasche Therapieeinleitung (s. S. 188).
Wenn keine akute Gefährdung vorliegt, wird ausführlich und systematisch die Anamnese erhoben. Die erste Frage bei jedem Patienten mit Zyanose lautet dann: Besteht bei Ihnen eine Herzerkrankung oder eine Lungenerkrankung? Abgesehen von der akut einsetzenden Zyanose bei akuter kardialer oder pulmonaler Dekompensation ist beim zyanotischen Patienten meistens eine chronische Herzoder Lungenerkrankung bekannt. Diese Ursachen werden abgefragt: Besteht eine Herzschwäche, eine koronare Herzerkrankung? Wurde ein Herzinfarkt durchgemacht? Besteht ein Herzklappenfehler? Oder eine andere Herzerkrankung? Leiden Sie an Bluthochdruck? Besteht eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung? Eine chronische Bronchitis? Besteht ein Asthma bronchiale? Oder eine andere Lungenerkrankung? Wird geraucht? Wie lange haben Sie die Beschwerden bzw. die Blauverfärbung? Seit wann besteht Luftnot? Liegt eine bösartige Erkrankung vor?
In den weitaus meisten Fällen wird man anamnestisch Hinweise auf eine kardiale oder pulmonale Grunderkrankung finden. Die klinische Untersuchung bestätigt dann die Verdachtsdiagnose.
181
LERNTIPP
Ist die Ursache im Bereich der Lunge zu suchen? Oder muss nach einer anderen Ursache gefahndet werden.
Begleitsymptome Ist dem Patienten keine Herz- oder Lungenerkrankung bekannt, sollten neu aufgetretene berücksichtigt werden. Die Frage lautet dann: Liegt Luftnot vor? Außerdem ist nach Anhaltspunkten für eine Infektion zu fragen: Besteht Fieber? Nachtschweiß? Krankheitsgefühl? Schmerzen? Die entscheidenden Hinweise liefert die körperliche Untersuchung (s. S. 16).
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Leitsymptome MERKE
10.5.2 Körperliche Untersuchung
182
Fragen Sie nach Begleitphänomenen: Dyspnoe, Husten, Auswurf, Leistungsminderung, Fieber, Schmerzen.
Eine zentrale Zyanose mit Rechts-LinksShunt bei angeborenem Herzfehler oder Gefäßanomalien wird in der Regel schon in der Kindheit diagnostiziert. Die Betroffenen kennen ihr Krankheitsbild dann meistens. Eine nicht ganz seltene Form der peripheren Zyanose ist die Akrozyanose, eine funktionelle Durchblutungsstörung (s. S. 138). Die Anamnese ist meistens länger, eine Vorgeschichte von Lungen- oder Herzerkrankungen liegt nicht vor (Abb. 10.2). Der Übergang zum Raynaud-Syndrom, das durch Vasospasmen ausgelöst wird, kann fließend sein (s. S. 138). Typisch für das Raynaud-Syndrom ist die Abfolge von weiß- blau-rot-Verfärbung der Finger. Schließlich sollte bei unklarer Zyanose auch an die Methämoglobulinämie (Hämiglobinämie) gedacht werden. Sie ist sehr selten angeboren, häufiger durch Medikamente oder Toxine (s. S. 180) verursacht. Es sollte also eine sehr genaue Medikamentenanamnese erhoben werden und es wird nach Exposition gegenüber Toxinen gefragt werden.
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperlicher Untersuchungsbefund Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie, dass Bruno V. leicht vorgealtert ist. Schon beim Betreten des Sprechzimmers zeigt sich eine leichte Dyspnoe, die sich beim Entkleiden, das sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, verstärkt. Die von der Tochter beobachtete bläuliche Verfärbung der Wangen ist gut erkennbar. Der Patient ist mäßig übergewichtig (Gewicht: 95 kg, Größe 185 cm). Im Bereich des Kopfes erheben Sie am aufrecht sitzenden Patienten keinen pathologischen Befund. In halbsitzender Position erscheinen die Halsvenen etwas gestaut. Es besteht ein leichter Emphysemthorax. Über den Lungen hören Sie einen hypersonoren Klopfschall. Beidseits auskultieren Sie, betont basal, feinblasige feuchte Rasselgeräusche. Die Herzfrequenz liegt bei 62/min. Der Rhythmus erscheint etwas unregelmäßig. Der Blutdruck liegt bei 115/75 mmHg. Die Herztöne sind leise, sie auskultieren ein 1/6 Systolikum über dem Erb-Punkt. Die peripheren Pulse sind beidseits tastbar. Es bestehen leichte Knöchelödeme und Schnürfurchen an den Sockenrändern. Das Abdomen ist adipös und etwas gebläht, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen. Darmgeräusche regelrecht. Die der Palpation zugängigen Lymphknotenstationen sind unauffällig.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Abb. 10.2 Akrozyanose
Die relevanten Befunde sind neben der Zyanose die Halsvenenstauung, die feuchten Rasselgeräusche, außerdem natürlich der etwas langsame, unregelmäßige Herzschlag sowie der relativ niedrige Blutdruck und die Knöchelödeme. Auch bei der körperlichen
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Zyanose Untersuchung gibt es keinen Anhalt für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Die Diagnose einer biventrikulären Herzinsuffizienz auf dem Boden einer koronaren Herzkrankheit sowie eines in der Vergangenheit bestehenden Hypertonus ist jetzt sehr wahrscheinlich. p Weiter auf S. 184 Die körperliche Untersuchung hat bereits während der Anamneseerhebung begonnen: Besteht eine bedrohliche Erkrankung mit Luftnot oder drohender respiratorischer Insuffizienz oder nicht? Abhängig vom Schweregrad des Krankheitsbildes und von der Anamnese wird mehr oder weniger ausführlich und systematisch bei der körperlichen Untersuchung vorgegangen (Tab. 10.1). Zunächst ist zu klären: Wo entsteht die Zyanose und wo besteht die Zyanose? Liegt eine zentrale oder eine periphere Zyanose vor? Wenn eine periphere Zyanose vorliegt: Ist sie generalisiert oder lokalisiert?
Zentrale Zyanose Die zentrale Zyanose betrifft die Körperperipherie und die zentralen Schleimhäute, d. h. Mundschleimhäute und Zunge. Außerdem ist durch lokale Stimulation der Zirkulation eine Unterscheidung zwischen zentraler und peripherer Zyanose möglich: Ein zyanotisches Ohrläppchen wird bei peripherer Zyanose durch Reiben rosig, bei zentraler Zyanose nicht (LewisTest).
Bei zentraler Zyanose auf dem Boden einer pulmonalen Stauung bei Linksherzinsuffizienz oder einer primären Lungenerkrankung besteht meistens auch eine Dyspnoe. Im Vordergrund stehen bei der Untersuchung die Auskultation des Herzens (s. S. 17) sowie die Palpation, Perkussion und Auskultation des Thorax. Mithilfe der Auskultation werden vor allem vitientypische Herzgeräusche (s. S. 21), feuchte Rasselgeräusche, Giemen, ein einseitig aufgehobenes Atemgeräusch ausgeschlossen oder nachgewiesen. Bei der Palpation ist vor allem auf Rhythmus, Herzfrequenz, Schwirren, Blutdruck und Ödeme (s. S. 16) zu achten.
Periphere Zyanose Die generalisierte periphere Zyanose sieht man bei der Rechtsherzinsuffizienz mit peripherer Stauung, und bei der Linksherzinsuffizienz mit einer peripheren Strömungsverlangsamung. Führendes Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz ist neben der Zyanose die peripheren Ödeme (s. S. 96). Oft besteht gleichzeitig eine Linksherzinsuffizienz (Globalinsuffizienz). Die körperliche Untersuchung umfasst die Herzauskultation (Vitien), die Puls- und Blutdruckmessung (Bradykardie? Tachykardie? Arrhythmie? Hypertensive Entgleisung? Hypotonie?) sowie die Fahndung nach Stauungszeichen (Ödeme? Lebervergrößerung? Halsvenenstauung?). Die Akrozyanose bei einer funktionellen Störung des Gefäßtonus wird bei sonst unauffälligen Individuen gesehen. Die lokalisierte Zyanose bei der Phlebothrombose (s. S. 121) ist begleitet von
183
Abb. 10.3 Sonderform der tiefen BeinBecken-Venenthrombose: Phlegmasia coerulea dolens. Schlagartige Thrombosierung des gesamten Venensystems eines Beines mit stärksten Schmerzen, massiver Schwellung und Zyanose
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Leitsymptome
184
Achten auf
Beurteilung
Allgemeiner Eindruck
Lebensbedrohlich krank? Dyspnoe?
Art der Zyanose
Periphere Zyanose? Zentrale Zyanose? Generalisierte Zyanose? Umschriebene Zyanose?
Anhalt für Herzerkrankung
Puls (Frequenz, Rhythmus) Blutdruck Auskultation Ödeme? feuchte RG’s?
Anhalt für Lungenerkrankung
Inspektion Perkussion Auskultation
Anhalt für Thrombose?
Ödem, livide Verfärbung, Schmerz, einseitig
Varikosis?
postthrombotisches Syndrom?
einer einseitigen Umfangsvermehrung der betroffenen Extremität und Schmerzen (Abb. 10.3).
Unterscheidung periphere/zentrale Zyanose: peripher: Schleimhäute, Zunge p rosig. Reiben des Ohrläppchens: Haut wird rosig. zentral: Schleimhäute, Zunge p blau Reiben des Ohrläppchens: Haut bleibt blau.
LERNTIPP
Tabelle 10.1 Körperliche Untersuchung bei Zyanose
10.6 Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Untersuchungen Sie führen bei dem Patienten eine Labordiagnostik durch, die die in Tab. 10.2 aufgeführten Befunde ergibt,
Tabelle 10.2 Laborwerte Parameter
Patient
Norm
Leukozyten
7800 /ml
4000–10 000/ml
Hämoglobin
14,4 g/dl
14–18 g/dl (5)
Thrombozyten
174 000/ml
150 000–300 000/ml
Kreatinin
1,5 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl
Harnsäure
8,3 mg/dl
2,6–6,4 mg/dl
Glukose nüchtern
174 mg/dl
55–110 mg/dl
HbA1c
8,2 %
I 4,6 % (IFCC)
Cholesterin gesamt
295 mg/dl
120–250 mg/dl
HDL
63 mg/dl
i 40 mg/dl
LDL
201 mg/dl
I 160 mg/dl
Triglyzeride
342 mg/dl
75–150 mg/dl
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Zyanose sowie eine kardiologische Diagnostik mit EKG, Echokardiographie und Röntgenaufnahme des Thorax.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Aus den Laborwerten erkennen Sie, dass der Diabetes mellitus des Patienten ungenügend eingestellt ist. Außerdem bestehen eine Niereninsuffizienz und eine Dyslipoproteinämie. Im EKG befunden Sie ein bradykardes Vorhofflimmern. Die einfache und nichtinvasiv durchzuführende Echokardiographie belegt ihre Diagnose einer Herzinsuffizienz. Gleichzeitig diagnostizieren Sie eine linksventrikuläre Hypertrophie. Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigt eine pulmonale Stauung. p Weiter auf S. 186 Die Akutdiagnostik der Zyanose wird durch folgende Untersuchungen ergänzt (Tab. 10.3): Röntgenthorax in 2 Ebenen: Lungenödem, überblähte Lungen, Pneumonie, Atelektase, Pneumothorax (Abb. 10.4), Beurteilung der Herzgröße, Nachweis einer Lungenstauung.
Abb. 10.4 Pneumothorax: Aufnahme in Exspiration. Die Lungengrenze ist durch den Pfeil markiert
185
EKG: Beurteilung von Frequenz, Lagetyp, Rechtsherz-/Linksherzbelastungszeichen, Infarktzeichen, Herzrhythmusstörungen Laborwerte: Blutbild, Quick/INR, PTT, Elektrolyte, Kreatinin, CK, CK-MB, GOT, GPT, LDH Blutgasanalyse.
Tabelle 10.3 Weitergehende Diagnostik Untersuchung
Parameter
Interpretation
Röntgenthorax
intrathorakale Organe
Lungenödem, überblähte Lungen, Pneumonie, Atelektase, Pneumothorax, Beurteilung der Herzgröße, Nachweis einer Lungenstauung
EKG
Herzaktion
Beurteilung von Frequenz, Lagetyp, Rechtsherz-/Linksherzbelastungszeichen, Infarktzeichen, Rhythmusstörungen
Laborwerte
Blutbild Quick/INR, PTT Elektrolyte Kreatinin CK, CK-MB GOT, GPT LDH
Anämie, Polyglobulie
Myokardischämie
Blutgasanalyse ggf. Echokardiographie, Farbdoppler
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Leitsymptome Die weitere Diganostik richtet sich dann nach der vermuteten Ursache (z. B. Echokardiographie, s. S. 203, Farbdoppler).
als gesichert ansehen. Außerdem besteht eine hypertensive Herzkrankheit bei allerdings derzeit normotensiven Blutdruckwerten. Die Niereninsuffizienz Ihres Patienten ist wahrscheinlich auf dem Boden des Diabetes mellitus und des Hypertonus entstanden.
10.7 Diagnosesicherung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Sie können die Diagnose einer biventrikulären Herzinsuffizienz bei Bruno V.
Nachfolgend sind in Tab. 10.4 richtungsweisende Untersuchungsmethoden und Symptome für verschiedene wichtige Ursachen einer Zyanose aufgeführt.
Tabelle 10.4 Diagnosesicherung bei Zyanose
186
Erkrankung
wegweisende Symptome/ Befunde
Diagnosesicherung
periphere Zyanose (generalisiert/lokalisiert) Herzinsuffizienz
Ödeme, Dyspnoe, Arrhythmien
Echokardiographie
Phlebothrombose
einseitig, Ödem der betroffenen Extremität, Schmerzen
klinisches Bild, Farbdoppler, Phlebographie
Raynaud-Syndrom
weiß-blau-rot-Verfärbung, Auslösung durch Kälte
klinisches Bild, Kapillarmikroskopie (s. S. 208)
Akrozyanose
Kälte induziert
klinisches Bild
zentrale Zyanose, pulmonal bedingt Lungenembolie
akute Dyspnoe, Tachykardie, Schmerz, Schocksymptomatik
Lungenperfusionsszintigraphie (Abb. 1.2), Pulmonalisangiographie, BGA, Echokardiographie
Pneumothorax
plötzliche Zyanose, Dyspnoe, einseitige Thoraxschmerzen
klinischer Befund, Röntgenthorax
Asthma bronchiale, COPD, Lungenemphysem
Anamnese, Auskultation, Perkussion
Lungenfunktionsprüfung, Röntgenthorax
Pneumonie
Fieber, Schüttelfrost, Husten, Auswurf, RG’s
Röntgenthorax
Lungenödem
massive Dyspnoe, schaumiger Auswurf, feuchte RG’s
Auskultation, Röntgenthorax
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Zyanose Tabelle 10.4 Fortsetzung Erkrankung
wegweisende Symptome/ Befunde
Diagnosesicherung
zentrale Zyanose, kardial bedingt kongenitale Herzfehler mit RechtsLinks-Shunt
Auskultation
Echokardiographie, Herzkatheter
Hämiglobinzyanose
Anamnese
spektroskopische Methämoglobinbestimmung, Medikamentenanamnese, Ausschluss anderer Ursachen
187
Abb. 10.5 Perfusionsszintigraphie bei Lungenembolie. Nahezu vollständiger Perfusionsausfall des gesamten Ober- und Mittelfeldes, kleiner dorso-basaler Ausfall des linken Unterfeldes. Ein zentraler Bronchialtumor wurde differenzialdiagnostisch ausgeschlossen
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Leitsymptome 10.7.1 Therapieansätze Die Therapieansätze bei verschiedenen Ursachen für eine Zyanose sind in Tab. 10.5 aufgeführt.
Tabelle 10.5 Therapieansätze bei Zyanose Erkrankung
Therapieansätze
Herzinsuffizienz
kausale Therapie der Herzinsuffizienz: Hypertonustherapie Rhythmustherapie symptomatische Therapie bei chronischer Herzinsuffizienz nach Stadien mit: ACE-Hemmern (Vor- und Nachlastsenker) Diuretika (Ausscheidung o) Glykoside (positiv inotrop) Betablocker bei KHK: Nitrate (Senkung Vorlast i Nachlast)
Phlebothrombose
Allgemeinmaßnahmen; Heparin, Fibrinolytika Prophylaxe: Heparin, Marcumar; ASS
Raynaud-Syndrom
symptomatisch: Wärme (Handschuhe) Nifedipin (Calciumantagonist) Nitroglycerinsalbe lokal bei sekundärem Raynaud-Syndrom wenn möglich: kausale Therapie
chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Noxen meiden (Nikotin) Stufentherapie, eingesetzt werden: b2-Sympathomimetika inhalative und orale Kortikosteroide Theophyllin Sekretolytika
Lungenemphysem
Noxen meiden, Behandlung bronchopulmonaler Infekte, Influenza- und Pneumokokkenimpfung broncholytische Behandlung wie COPD, Atemgymnastik
Pneumothorax
Saugdrainage
Lungenödem
Sofortmaßnahmen: sitzende Lagerung, Sedierung, O2 kardial bedingt: Vorlastsenkung mit Nitraten, Schleifendiuretika (Furosemid) kausale Therapie
Herzfehler mit Rechts-/Links-Shunt
Operation
Hämiglobinzyanose
Methylenblau, Ascorbinsäure
188
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
C
1 Zusatzuntersuchungen bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
192
2 Von der Diagnose zur systematischen Anamneseerhebung
211
191
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1.1.1 Ambulante Langzeit-Blutdruckmessung
1 Zusatzuntersuchungen bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems 1.1 Blutdruckmessung Die Blutdruckmessung ist eine einfache Untersuchung, die Teil jeder kompletten körperlichen Untersuchung ist. Der Blutdruck wird nach einer Ruhephase, die einige Minuten umfassen sollte, am sitzenden Patienten an der A. brachialis gemessen. Bei der Erstuntersuchung sollte an beiden Armen gemessen werden.
192
MERKE
Bei der Auswahl der Manschette muss der Oberarmumfang berücksichtigt werden. In der Regel wird eine Manschette mit einer Breite von 12–13 cm angelegt. Dann wird der Brachialis- oder Radialispuls getastet und die Manschette wird aufgepumpt. Nach dem Verschwinden des tastbaren Pulses wird der Druck nach einmal um 20 mmHg erhöht. Jetzt wird das Stethoskop auf der A. brachialis aufgesetzt und langsam der Druck abgelassen. Das erste auftretende Pulsgeräusch markiert den systolischen Blutdruck, das Verschwinden der Pulsgeräusche den diastolischen (Abb. 1.1). Normale Blutdruckwerte liegen systolisch bei 120–129 mmHg und diastolisch bei 80–84 mmHg. Weitere Informationen zu erhöhten Blutdruckwerten finden Sie im Kapitel „Arterielle Hypertonie“ (s. S. 151).
So einfach die Methode der Blutdruckmessung ist, es können doch Fehler gemacht werden!
Bei der ambulanten Langzeit-Blutdruckmessung wird dem Patienten ein Blutdruckmessgerät angelegt, das in festgelegten Abständen (z. B. tagsüber alle 20 Minuten, nachts alle 40 Minuten) den Blutdruck misst und aufzeichnet. Auf diese Weise wird eine große Zahl von Blutdruckwerten gesammelt, es lässt sich ein 24-Stunden-Blutdruckmittelwert bilden und die Tagesrhythmik des Blutdrucks kann untersucht werden. Während der Untersuchung protokolliert der Patient Besonderheiten: Beschwerden, Tätigkeiten, Medikamenteneinnahme. Die Langzeit-RR-Messung ist indiziert bei großen Blutdruckschwankungen, Diskrepanz zwischen den gemessenen Werten in der Praxis und den zu Hause gemessenen und bei Verdacht auf einen sekundären Hypertonus (fehlende Absenkung des Blutdrucks in der Nacht) und zur Therapiekontrolle.
1.1.2 Blutdruckmessung während der ergometrischen Belastung Eine Blutdruckmessung während der Ergometrie kann in unklaren Situationen zur Aufdeckung eines behandlungsbedürftigen, belastungsabhängigen Hypertonus eingesetzt werden.
1.2 EKG Die elektrischen Vorgänge im Myokard bedingen im Körper ein elektrisches Feld. Die Potenzialdifferenzen, die während der Herzaktion auftreten, können an der Körperoberfläche abgeleitet werden. Die Aufzeichnung dieser Ableitung wird als Elektrokardiogramm bezeichnet. Das EKG erlaubt die Beurteilung von: Herzfrequenz Rhythmus der Herzaktion Erregungsausbreitung Erregungsrückbildung und Herzachse.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
193
Abb. 1.1 Blutdruckmessung am Oberarm: die wichtigsten Regeln
Es ermöglicht das Erkennen von Störungen : der Erregungsbildung und der Erregungsausbreitung
sowie von: Ischämiezeichen Narben Hypertrophiezeichen entzündlichen Veränderungen
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
Vitien Kardiomyopathien Elektrolytstörungen und Medikamentennebenwirkungen.
Das EKG kann in Ruhe durchgeführt werden, bei Belastung, über einen längeren Zeitraum oder gebunden an bestimmte Situationen (Ereignisrekorder).
1.2.1 Ruhe-EKG Im Anschluss an die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung erfolgt beim Verdacht auf eine Herzerkrankung eine Ruhe-EKG-Untersuchung. Aufgrund mehrerer Vorteile ist das Ruhe-EKG die Standarduntersuchung in dieser Situation: die einfache Durchführbarkeit, die fehlende Belastung für den Patienten und die hohe Aussagekraft bei zahlreichen Herzerkrankungen. Das Ruhe-EKG wird als 12-Kanal-Oberflächen-EKG durchgeführt. Es umfasst die sechs Extremitätenableitungen I, II, III, aVR, aVL, aVF sowie die 6 Brustwandableitungen: V1–V6.
LERNTIPP
194
Das Ruhe-EKG wird als 12-KanalOberflächen-EKG durchgeführt. Es umfasst sechs Extremitätenableitungen (I, II, III, aVR, aVL, aVF) sowie 6 Brustwandableitungen (V1 – V6).
Extremitätenableitungen Die Extremitätenableitungen projizieren die elektrische Herzachse auf die Frontalebene des Körpers.
Extremitäten-Ableitung nach Einthoven Die drei bipolaren Extremitätenableitungen nach Einthoven messen jeweils eine Potentialdifferenz zwischen zwei Elektroden, sie werden als Ableitung I, II und III bezeichnet. Sie entstehen durch die Verbindung zwischen zwei peripheren Punkten (Abb. 1.2):
Abb. 1.2 Extremitätenableitungen nach Einthoven
Ableitung I : Verbindung von rechtem Arm und linken Arm Ableitung II : Verbindung von rechtem Arm und linkem Bein Ableitung III : Verbindung von linkem Bein und linkem Arm.
Extremitäten-Ableitung nach Wilson Bei den drei unipolaren Extremitätenableitungen handelt es sich um die Ableitung von einer Extremität, an der die differente Elektrode liegt, gegen eine indifferente Sammelelektrode, die etwa dem elektrischen Nullpunkt entspricht. Die Sammelelektrode nach Wilson ist der Zusammenschluss aller drei Extremitätenkabel: VR (V = Voltage, R = right arm): Ableitung zwischen rechtem Arm und Sammelelektrode VL (V = Voltage, L = left arm): Ableitung zwischen linkem Arm und Sammelelektrode VF (V = Voltage, F = foot): Ableitung zwischen Fuß und Sammelelektrode Bei der Verwendung der Sammelelektrode nach Wilson sind die Ausschläge sehr flach.
Extremitäten-Ableitung nach Goldberger Bei der Ableitung nach Goldberger wird von der Sammelelektrode jeweils die Extremität abgeschaltet, an der unipolar
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen +
Referenzelektrode
aVR
+ a
Referenzelektrode
aVL
195
Referenzelektrode
-
b
aVF
+ c
Abb. 1.3 Extremitätenableitung nach Goldberger
abgeleitet werden soll (Abb. 1.3). Bei dieser Form der Ableitung wird vor die Bezeichnung ein a (für augmented) gesetzt: aVR : Ableitung rechter Arm gegen indifferente Elektrode aus linken Arm und linkem Bein aVL : Ableitung linker Arm gegen indifferente Elektrode aus rechtem Arm und linkem Bein aVF : Ableitung linker Fuß gegen indifferente Elektrode aus rechtem Arm und linkem Arm
Brustwandableitungen
Die unipolaren Standardableitungen nach Wilson heißen V1 bis V6. Ihnen dienen die zusammen geschalteten Extremitätenableitungen als indifferente Bezugselektrode. Die Elektroden V1 bis V6 werden an definierten Punkten an der Brustwand aufgesetzt (Abb. 1.4): V1 : rechter Sternumrand, 4. ICR rechts V2 : linker Sternumrand, 4. ICR links V3 : zwischen V2 und V4 V4 : Medioklavikularlinie, 5. ICR links V5 : vordere Axillarlinie, gleiche Höhe wie V4 V6 : mittlere Axillarlinie, gleiche Höhe wie V4
Die Brustwandableitungen projizieren die elektrische Herzachse auf die durch die Herzmitte gelegte Horizontalebene.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen P-Welle
V1
Die elektrische Erregung (Abb. 1.6) beginnt im Sinusknoten und breitet sich über den rechten Vorhof zum AV-Knoten hin aus. Die Vorhoferregung entspricht im EKG der P-Welle. Der aufsteigende Schenkel entspricht der Erregung des rechten Vorhofs, der Gipfel der Septumerregung und der absteigende Schenkel der Erregung des linken Vorhofs.
V2 V3
V5 V6
V4
PQ-Strecke Abb. 1.4 Lage Elektroden bei der Brustwandableitung
Die elektrische Herzaktion Die Aufzeichnung der elektrischen Herzaktion liefert ein von der jeweiligen Ableitung abhängiges variables Bild der Herzstromkurve. Es können mehrere positive und negative Ausschläge registriert werden: Die P-Welle, die Q-Zacke, die R-Zacke, die S-Zacke und die T-Welle sowie die dazwischen liegenden Abschnitte der isoelektrischen Linie (Abb. 1.5). Gelegentlich findet sich noch eine U-Welle. Die Abbildung eines normalen Grundrhythmus (Sinusrhythmus) finden Sie auf Seite 70.
196
Die Überleitung im AV-Knoten und im HisBündel hinterlässt im Oberflächen-EKG keine erkennbare Spur. Der Verlauf ist isoelektrisch, weil zu diesem Zeitpunkt keine Änderung des Erregungszustandes stattfindet (die Vorhöfe sind vollständig erregt, die Ventrikel vollständig unerregt).
QRS-Komplex Der QRS-Komplex repräsentiert die Erregung des Ventrikelmyokards. Die initiale Elektronegativität, die Q-Zacke, repräsentiert die Septumerregung. Die große postive Zacke, die R-Zacke repräsentiert die Erregung der Ventrikel. Die kleine, negative Endzacke, die S-Zacke, repräsentiert die Erregung der Herzbasis.
MERKE
ST-Strecke Die Aufzeichnung der elektrischen Herzaktion liefert ein von der jeweiligen Ableitung abhängiges variables Bild der Herzstromkurve.
P-Welle
PQ-
QRS-
ST-
(< 0,1 Sek. Strecke Komplex Strecke <0,25 mV)
T-Welle
Die ST-Strecke verläuft isoelektrisch, weil diese die Zeit der vollständigen Ventrikelerregung repräsentiert.
U-Welle
QRS-Dauer (0,06 – 0,1Sek. )
QT-Dauer
PQ-Dauer (0,12 – 0,2Sek. )
R
Q S
Abb. 1.5 Nomenklatur der Wellen und Zacken im EKG
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen T-Welle
Störungen der Erregungsleitung
Die T-Welle ist in der Regel positiv. Sie repräsentiert die Repolarisation der Ventrikel.
Störungen der Erregungsleitung betreffen die sinuatriale Überleitung (s. S. 53) sowie die AV-Überleitung (s. S. 54).
U-Welle
Formveränderungen
Gelegentlich wird nach der T-Welle noch eine U-Welle beobachtet, deren Bedeutung bisher noch unklar ist.
Formveränderungen betreffen die P-Welle, den QRS-Komplex, die ST-Strecke und die T-Welle.
Auffälligkeiten im EKG Auffälligkeiten im EKG betreffen die Erregungsbildung, die Erregungsleitung und Formabweichungen von der normalen Stromkurve.
Störungen der Erregungsbildung Die häufigsten Abweichungen von der normalen Reizbildung sind: die Sinusbradykardie (s. S. 52), die Sinustachykardie (s. S. 55), die Sinusarrhythmie sowie die heterotopen Reizbildungsstörungen : Vorhofflimmern (s. S. 57), paroxysmale Tachykardie (s. S. 73), Extrasystolie (s. S. 56).
P-Welle Eine Hypertrophie des rechten Vorhofs bei chronischer Überlastung führt zu einer Erhöhung der P-Welle in den Ableitungen II und III (P-dextroatriale, synonym P-pulmonale). Eine Hypertrophie des linken Vorhofs führt zu einer verbreiterten, oft doppelgipfligen P-Welle in I und II (P-sinistroatriale, synonym P-mitrale).
197
QRS-Komplex Morphologische Veränderungen des QRSKomplexes sieht man bei Überleitungsstörungen und bei der links- oder rechtsventrikulären Hypertrophie.
Sinusknoten
erregt
AV-Knoten unerregt P
+ (mV) 0 –
PQ
EKG (Ableitung II)
QRS
QRS
QRS
ST
T
QRS
Abb. 1.6 Erregungsausbreitung im Herz
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Bei einer Überleitungsstörung des linken Tarawa-Schenkels (Linksschenkelblock, s. S. 109) durchwandert die Erregung des rechten Tawara-Schenkels die Kammerwand nach links und damit erfolgt die Erregung des linken Ventrikels verspätet. Es kommt zu einer typischen Verplumpung des QRS-Komplexes. Bei einer Unterbrechung des rechten Tawara-Schenkels (Rechtsschenkelblock, Abb. 1.7) wird der rechte Ventrikel über den linken Schenkel erregt und es kommt
I
V1
II
V2
III
V3
aVR
V4
aVL
V5
ebenfalls zu einer Verplumpung des QRSKomplexes. Die Vermehrung der Muskelmasse bei einer ventrikulären Hypertrophie (s. S. 59) führt zu einer Vergrößerung der Ausschläge im EKG. Die linksventrikuläre Hypertrophie führt zu einer hohen R-Zacke in V6 und einer tiefen S-Zacke in V1 (Abb. 1.8). Die rechtsventrikuläre Hypertrophie führt zu einer hohen R-Zacke in V1 und einer tiefen S-Zacke in V6 (Abb. 1.9).
198
aVF
V6
Abb. 1.7 EKG-Befund: vollständiger Rechtsschenkelblock bei großem Vorhofseptumdefekt. QRS-Komplex deutlich verbreitert und deformiert. QRS in V1 deutlich aufgesplittert (M-förmige Konfiguration). Störung der Erregungsrückbildung in Form einer ST-Senkung und negativen T-Zacken in V1 und V2.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
V1 I
II
III
V2
V3
199
V4 aVR
aVL V5
aVF
V6
Abb. 1.8 EKG-Befund: linksventrikuläre Hypertrophie bei Aortenstenose. Tiefes S in V1 und hohes R in V5 sowie ST-Senkung und negatives T in V5 und V6 sprechen für die linksventrikuläre Hypertrophie
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
200
I
V1
II
V2
III
V3
aVR V4
aVL V5
aVF
V6
Abb. 1.9 EKG-Befund: rechtsventrikuläre Hypertrophie bei rezidivierenden Lungenembolien. ST-Senkung und negatives T in II und III, hohes R in V1 und V2 sowie tiefes S in V5 und V6, P-dextroatriale als Zeichen der rechtsventrikulären Hypertrophie
ST-Strecke, T-Welle Veränderungen der ST-Strecke und der T-Welle treten als so genannte Endstreckenveränderungen oder Repolarisations-
störungen auf. Man sieht Endstreckenveränderungen in typischer Weise bei Ischämien, bei Myokardinfarkten und bei der Perikarditis.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
Abb. 1.10 EKG-Befund: frische Peri-Myokarditis. Deutliche ST-Streckenhebung in den Brustwandableitungen, abnehmend von V3-V6. T-Welle andeutungsweise terminal negativ in denselben Ableitungen: deutliche Erregungsrückbildungsstörungen
Die myokardiale Ischämie ist im EKG gekennzeichnet durch die ST-Streckensenkung und die Abflachung oder präterminale Negativierung der T-Welle. Die klassische EKG-Veränderung beim frischen Myokardinfarkt ist die Deformierung des Kammerendteils mit einer deutlichen ST-Streckenhebung, die vom absteigenden Schenkel der R-Zacke hoch über der isoelektrischen Linie abgeht (s. S. 45). Auch bei der Perikarditis kommt es typischerweise zu einer Erhöhung der ST-Strecke (Abb. 1.10). Im Gegensatz zu derjenigen beim Myokardinfarkt geht diese bei der Perikarditis oft nicht vom abfallenden Schenkel der R-Zacke ab, sondern von einer erhaltenen, hoch gezogenen S-Zacke.
Belastet wird mit zunächst 25 Watt, bei jungen trainierten Menschen auch mit 50 Watt. Als submaximale Belastung gilt als Richtwert eine Herzfrequenz von 200/minLebensalter, als maximale Belastung 220/min-Lebensalter. Durch die körperliche Mehrarbeit wird beim Belastungs-EKG eine Erhöhung des Herz-Zeitvolumens (HZV) herbeigeführt und dadurch der myokardiale Sauerstoffverbrauch gesteigert. Beurteilt werden: klinisches Bild Frequenzverhalten Blutdruckverhalten Rhythmusauffälligkeiten und ST-Streckenveränderungen.
1.2.2 Belastungs-EKG
Es ist die klassische, nicht invasive Untersuchungsmethode im Hinblick auf eine koronare Herzerkrankung. Eine mehr als 75 %-ige Koronarstenose führt bei Belastung zu einer Sauerstoffunterversorgung mit unter Umständen klinisch fassbaren Beschwerden (Angina pectoris) und typischen Endstreckenveränderungen (s. S. 200) im EKG. Weitere Indikationen sind die Erfassung belastungsabhängiger Rhythmusstörungen, die Hypertoniediagnostik sowie die
Beim Belastungs-EKG wird während einer definierten körperlichen Belastung kontinuierlich ein EKG abgeleitet. In regelmäßigen Intervallen wird außerdem der Blutdruck gemessen. Es ist indiziert insbesondere zum Ausschluss bzw.- Nachweis einer KHK, nach Revaskularisierung, in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen (s. S. 72) und zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Patienten.
201
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
LERNTIPP
Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Erst eine hochgradige Koronarstenose führt bei Belastung unter Umständen zu einer Sauerstoffunterversorgung mit klinisch fassbaren Beschwerden (Angina pectoris) und typischen Endstreckenveränderungen im EKG.
1.2.3 Langzeit-EKG
202
Das Langzeit-EKG ist eine 24-stündige kontinuierliche EKG-Aufzeichnung. Dem Patienten werden Elektroden angelegt und er nimmt ein kleines, am Gürtel getragenes EKG-Gerät mit nach Hause. Klassische Indikation ist die Dokumentation von Herzrhythmusstörungen in der Primärdiagnostik sowie zur Therapiekontrolle. Außerdem dient es dem Nachweis kardialer Ischämien.
1.2.4 Ereignisrekorder Bei nur sporadisch auftretenden Herzrhythmusstörungen (s. S. 50) kann ein externer Ereignisrekorder eingesetzt werden oder, wenn die Notwendigkeit zu einer längerfristigen Kontrolle besteht, ein Ereignisrekorder implantiert werden. Es handelt sich hierbei um ein miniaturisiertes EKG-Gerät, das bei auftretenden Herzrhythmusstörungen diese registriert.
1.3 Ultraschalluntersuchungen In der Diagnostik von Herz- und Gefäßerkrankungen ist die Ultraschalldiagnostik das bedeutendste bildgebende Verfahren, weil es nicht invasiv ist, nebenwirkungsfrei und praktisch überall ohne großen Aufwand einsetzbar. Ultraschall wird angewendet als Echokardiographie und Sonographie des Abdomens, als Dopplersonographie und als farbkodierte Duplexsonographie (FKDS). Die Methoden lassen sich auch kombinieren.
1.3.1 Erzeugung und Erfassung von Ultraschallwellen: Impulsechoverfahren Die Grundlage von Ultraschalluntersuchungen ist das Impulsechoverfahren: Ein kurzer Schallimpuls wird ausgesendet, an einer Grenzfläche im Gewebe reflektiert und wieder empfangen. Die Intensität des Echos ist abhängig von dem Härteunterschied zwischen dem schallleitenden Medium und der Grenzfläche und ist die Basis der elektronischen Bildrekonstruktion. Die Zeit, die vergeht, bis der ausgesendete Schallimpuls wieder als Echo empfangen wird, erlaubt die Lokalisation der betreffenden Grenzfläche in dem Bild.
A-Mode A steht für „amplitude “. Ein kurzer Schallimpuls wird ausgesendet und breitet sich im Gewebe aus. Die reflektierten Echos werden entsprechend ihrer Laufzeit auf einer Zeitachse als Amplitude dargestellt. Die Höhe der Amplitude ist abhängig von der Signalintensität des Echos (Abb. 1.11).
B-Mode Im so genannten B-Bild (B steht für Brightness) wird die Intensität des Echos auf einer Grauwertskala dargestellt. Die bildliche Darstellung der empfangenen Signale in Form von Grauwerten auf einer Bildzeile ist eindimensional. Die einzelnen Bildzeilen werden kurzzeitig gespeichert. Durch Versetzen der akustischen Achse des Schallkopfes wird die Gesamtzahl der Bildzeilen für ein Schnittbild erzeugt. Anschließend werden die einzelnen Bildzeilen abgerufen und auf dem Monitor zu einem zweidimensionalen Bild zusammengesetzt. Der B-Mode ist die klassische Ultraschallmethode zur bildlichen Darstellung anatomischer Strukturen: Herz, Gefäße, intraabdominale Organe.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen logische Strömungen in Gefäßen hörbar dargestellt werden.
M-Mode Der M-Mode (M steht für Motion) wird für die Darstellung bewegter Strukturen verwendet. Wie im B-Mode wird eine grauwertmodulierte Bildzeile erzeugt. Während in der zweidimensionalen B-Bilddarstellung eine Vielzahl von Bildzeilen verwendet wird, bleibt im M-Mode die akustische Achse konstant. Stattdessen wandert die Lokalisation der bewegten Struktur auf der Bildzeile. Das Monitorbild des M-Modes entsteht durch die Aneinandereihung zeitlich aufeinanderfolgender B-Mode-Bildzeilen, einer akustischen Achse. Der M-Mode ist in idealer Weise geeignet, bewegte Strukturen bildlich darzustellen: Herzklappen, Herzscheidewand.
1.3.2 Dopplersonographie Bei der Dopplersonographie macht man sich die Tatsache zu nutze, dass der reflektierte Schall an einer bewegten Struktur, in diesem Fall dem Erythrozyt, eine andere Frequenz hat als der von der Schallquelle ausgesandte. Die Differenz zwischen ausgesandter Schallfrequenz und empfangener Schallfrequenz ist ein Maß für die Geschwindigkeit der bewegten Struktur und liefert ein hörbares Signal. Auf diese Weise können physiologische und patho-
A-Mode
1.3.3 Farbcodierte Duplexsonographie Bei der farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) werden Flussrichtung und Flussgeschwindigkeit als Farbsignal in ein B-Bild projiziert. Damit werden Flussphänomene in vaskulären und kardialen Strukturen in idealer Weise sichtbar gemacht.
1.3.4 Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) Die Ultraschalluntersuchung des Herzens umfasst die Untersuchung im B-Mode, im M-Mode sowie die FKDS. Sie erlaubt die Darstellung der Morphologie und der Funktion von Myokard, Herzhöhlen, Klappen und großen Gefäßen sowie die Beurteilung der Blutflüsse im Herzen. Sie ist ubiquitär einsetzbar, technisch überschaubar und nicht invasiv. Sie ist damit das ideale und erste bildgebende Verfahren in der Diagnostik der meisten Herzerkrankungen. Insbesondere erlaubt sie die Beurteilung folgender Parameter und struktureller Phänomene: Pumpfunktion Myokardhypertrophie umschriebene Motilitätsstörungen
B-Mode
203
M-Mode
Abb. 1.11 Sonomodi: A, B und M. Verdeutlichung an einer Schallachse durch das Herz
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Stressechokardiographie
a
Hierunter versteht man die Echokardiographie unter Ergometriebedingungen oder während eines pharmakologisch induzierten Sauerstoffmehrbedarfs. Umschriebene Motilitätsstörungen weisen auf eine Minderdurchblutung dieses Bereiches hin. Sie ist eine ergänzende Methode in der Diagnostik der KHK und kann bei unklarer Befundlage nach dem BelastungsEKG eingesetzt werden.
1.3.5 Ultraschalluntersuchung des Abdomens (Sonographie, FKDS) 204 b Abb. 1.12 Normalbefund der Aortenklappe. a Echokardiographisches Bild; b Schemazeichnung. RV = rechter Ventrikel, RA = rechter Vorhof, LA = Linker Vorhof, TK = Trikuspidalklappe, PK = Pulmonalklappe, RKS, NKS und LKS = drei Taschen der Aortenklappe
Klappenapparat Druckgradienten Reflux Morphologie der Herzklappen (Abb. 1.12) und Shunts.
Transösophageale Echokardiographie Bei der transösophagealen Echokardiographie (TEE) wird die Ultraschallsonde über den Ösophagus in unmittelbare Nähe hinter das Herz eingebracht. Da wegen der geringen Entfernung hochfrequente Schallfrequenzen (5-7,5 mHz) verwendet werden können, wird eine hohe Auflösung erreicht. Haupteinsatzgebiet sind die Fahndung nach kardialen Emboliequellen, Vorhofthromben, die Vitiendiagnostik, die Endokarditisdiagnostik und Kontrolluntersuchungen bei künstlichen Herzklappen.
Auch die Ultraschalluntersuchung des Abdomens kann bei Erkrankungen des HerzKreislaufsystems indiziert sein. Sie erlaubt die morphologische Darstellung der intraabdominalen Strukturen im B-Bild sowie die Darstellung von intravasalen Strömungsphänomenen mit FKDS. Sie ist indiziert in der Hypertonusdiagnostik (Nieren, Nebennieren, Nierengefäße), in der Diagnostik der AVK (große arterielle Gefäße) und in der Diagnostik der Herzinsuffizienz (Rückstau in den großen Kreislauf, Vena cava, Lebergröße).
Nieren Der Nachweis morphologischer Veränderungen der Nieren spielt in der Diagnostik des renoparenchymatösen Bluthochdrucks eine Rolle. In fortgeschrittenen Stadien chronischer Nierenerkrankungen kommt es zu einer Verkleinerung der Nieren und zu einer Hypertonie.
Nebennierenregion Immer sollte die Nebennierenregion eingesehen werden. Allerdings spielt die Sonographie in der Diagnose endokrin aktiver Tumoren eine untergeordnete Rolle. Primär werden die Erkrankungen laborchemisch nachgewiesen.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Die großen arteriellen Gefäße (Aorta, viszerale Gefäße, Iliakalgefäße) werden morphologisch dargestellt. Häufige Befunde sind arteriosklerotische Plaques, Kaliberunregelmäßigkeiten, aneurysmatische Erweiterungen. Relevant in der Bluthochdruckdiagnostik ist insbesondere die FKDS der Nierenarterien bei Verdacht auf eine Nierenarterienstenose.
Große venöse Gefäße Bei der Rechtsherzinsuffizienz lässt sich regelhaft eine kräftige Vena cava finden. Die atemabhängigen Lumenschwankungen fehlen und die Vene ist schlecht komprimierbar. Häufig sind die Lebervenen erweitert.
1.3.6 Ultraschalluntersuchungen der peripheren Gefäße Die peripheren Gefäße können im B-Bild morphologisch dargestellt werden im Hinblick auf atherosklerotische Veränderungen sowie, bei Venen, im Hinblick auf pathologische Veränderungen, insbesondere bei Thrombosen. Mit der Dopplersonographie werden in Arterien Blutströmungen hörbar gemacht. Auf diese Weise kann analog zur Blutdruckmessung mit einer Blutdruckmanschette der Blutdruck in den Fußarterien gemessen werden. Mit der Duplexsonographie wird ein morphologisches Bild der Gefäße erstellt, innerhalb dessen die Blutströmung farbkodiert dargestellt wird. Die Methode ist insbesondere zur Untersuchung von Gefäßstenosen geeignet. In der Venendiagnostik lassen sich mit der Dopplersonographie insbesondere Klap-
peninsuffizienzen nachweisen und Blutströme in oberflächlichen und tiefen Beinvenen erkennen. Die Duplexsonographie ermöglicht auch im venösen System die simultane Darstellung von Strömungen im B-Bild. Insbesondere können hiermit Beinvenenthrombosen beurteilt werden sowie Venenklappen.
1.4 Röntgenaufnahme des Thorax Die Röntgenaufnahme des Thorax liefert ein Summationsbild der intrathorakalen Strukturen. Sie wird in zwei Ebenen durchgeführt (Abb. 1.13). Die Strahlenbelastung ist sehr gering. Sie gehört ebenso wie das Ruhe-EKG und die Echokardiographie zur Basisdiagnostik bei kardiologischen Symptomen und Erkrankungen. Die Röntgenaufnahme des Thorax bildet die Herzkontur, die großen Gefäße und die Lungenflügel ab. Damit ergibt sich nicht nur ein morphologisches Bild dieser anatomischen Strukturen, sondern die Aufnahme erlaubt über die Darstellung der Lungengefäße auch einen Rückschluss auf die Funktion des Herzens. Beurteilt werden: Größe des Herzens (Verhältnis Herzzu Thoraxdurchmesser I 0,5) Form der Herzhöhlen Verkalkungen (Klappen, Koronarien) und Lungengefäßzeichnung.
Die Röntgenaufnahme des Thorax gehört zur Basisdiagnostik bei kardiologischen Symptomen und Erkrankungen, sie liefert ein Summationsbild der intrathorakalen Strukturen.
205
LERNTIPP
Große arterielle Gefäße
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
206 a
b
1.5 Computertomographie Die Computertomographie ist ein radiologisches Verfahren, das serielle transversale Schnittbilder liefert. Sie ist geeignet für die Darstellung der herznahen großen Gefäße (Aortenaneurysma), bei Perikardprozessen sowie bei Tumoren des Herzens. Nachteil ist die
Abb. 1.13 Normalbefund der RöntgenThoraxaufnahme in zwei Ebenen. 1 Kaliber der Lungengefäße, 2 Trachealumen, 3 Herzgröße (Querdurchmesser Herz zu Lunge = 1:2), 4 Karinawinkel, 5 Kavadreieck (a = Kavaverlauf, b = parallel WK-Deckfläche)
Bildunschärfe bei der Darstellung myokardialer Strukturen, die bedingt ist durch den Herzschlag. Mit dem Spiral-CT kann das Herz in weniger als einer Minute komplett dargestellt werden, die Untersuchung ist also, bei nichtdyspnoeischen Patienten, während einer Phase des Atemanhaltens möglich.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1.6 MagnetresonanzTomographie Die Magnetresonanz-Tomographie (MRT, synonym Kernspintomographie) ist ein Verfahren zur Erzeugung von Schnittbildern in einer frei wählbaren Raumebene. Die physikalische Grundlage stellen magnetische Hochfrequenzimpulse dar, die die Wasserstoffprotonen (H+) im Gewebe anregen. Mit der MRT kann eine kontrastreiche Darstellung von Herz und großen Gefäßen erreicht werden, das Indikationsspektrum ist ähnlich wie das des CT. Das Hauptindikationsgebiet ist die Untersuchung, wenn die Echokardiographie eine klinische Fragestellung nur unzureichend beantworten kann. Es ist kontraindiziert beim Vorliegen von implantiertem Metall (Schrittmacher). Es ist geeignet für die Darstellung myokardialer und perikardialer Prozesse sowie zur Darstellung der Herzklappen.
1.7 Myokardperfusionsszintigraphie Die Myokardperfusionsszintigraphie ist ein funktionelles bildgebendes Verfahren, bei dem während einer ergometrischen Belastung eine radioaktive Substanz (201Thallium) appliziert wird. Diese Substanz wird in vitale Myokardzellen aufgenommen. Eine verminderte Aufnahme wird bei verminderter Durchblutung (KHK) oder einer Nekrose bzw. Vernarbung gesehen. Die Untersuchung ist indiziert bei Verdacht auf eine KHK sowie bei bekannter KHK zur Beurteilung von Koronarstenosen, narbigen Arealen sowie zur Therapiekontrolle.
1.8 Positronen-EmissionsTomographie Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist ein bildgebendes nuklearmedizinisches Verfahren, dessen Prinzip in der Applikation von 18F-Deoxyglukose (FDG) besteht, die eine Beurteilung des Glukosestoffwechsels ermöglicht. Aus diesem wird
dann auf die Kontraktionsfähigkeit des Myokards zurück geschlossen. Die Methode erlaubt die Differenzierung zwischen normalem, ischämischem und narbigem Gewebe. Die Positronenemissionstomographie ist kein Routineverfahren. Sie wird in spezialisierten Zentren eingesetzt. Sie ist geeignet zur Beurteilung der Vitalität des Myokards.
1.9 Herzkatheteruntersuchung Das Prinzip der Herzkatheteruntersuchung besteht darin, eine große Vene oder Arterie zu punktieren und einen Katheter in das rechte bzw. das linke Herz einzubringen. Damit ist es möglich, im Herzen und in den herznahen Gefäßen Druckmessungen durchzuführen, Sauerstoffmessungen, Kontrastmittel einzubringen, Proben zu entnehmen, Ultraschallsonden einzuführen und Therapien durchzuführen.
207
1.9.1 Rechtsherzkatheteruntersuchung Bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung wird ein Katheter über eine Vene (V. brachialis) in den rechten Vorhof, den rechten Ventrikel bis zur Pulmonalarterie vorgeschoben. Indikationen sind die Diagnostik bei der Trikuspidal- und der Pulmonalstenose (Messung des Druckgradienten), die Diagnostik bei Links-Rechts-Shunts (Sauerstoffmessung) sowie die Diagnostik bei pulmonaler Hypertonie (Druckmessung). Die Untersuchung ist weitgehend ersetzt worden durch die farbkodierte Duplexsonographie und wird nur noch selten durchgeführt.
1.9.2 Linksherzkatheteruntersuchung Bei der Linksherzkatheteruntersuchung wird ein Katheter über eine Arterie (A. femoralis, A. brachialis) in den linken Vorhof
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
Abb. 1.14 Koronarangiogramm mit hochgradiger Stenose am 1. Ramus posterolateralis sinister
208
und die linke Kammer bis zur Aorta und zu den Koronararterien vorgeführt. Haupteinsatzgebiet sind die Diagnostik der KHK (Koronarangiographie, Abb. 1.14), die Darstellung der linksventrikulären Pumpfunktion (Ventrikulographie) und die Vitiendiagnostik der Aortenklappen und Mitralklappenfehler (s. S. 21).
1.9.3 Digitale Subtraktionsangiographie Bei der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) werden arterielle Gefäße mittels eines Kontrastmittels dargestellt. Das Kontrastmittel kann arteriell oder venös appliziert werden. Heute wird die arterielle Applikation bevorzugt, da hiermit eine deutlichere Darstellung des Gefäßsystems möglich ist. Bei der DSA wird zunächst eine Röntgenaufnahme der untersuchten Region durchgeführt und digital gespeichert. Dann erfolgt die Kontrastmittelapplikation und das Bild wird ebenfalls gespeichert. Von diesem Bild wird elektronisch das Nativbild subtrahiert. Das neu entstandene Bild ist dann weitgehend frei von Überlagerungen durch knöcherne und Weichteilstrukturen. Die Hauptindikation ist die bildliche Darstellung arterieller Gefäße zur Planung möglicher chirurgischer Interventionen bei stenosierender Arteriosklerose.
1.9.4 Kapillarmikroskopie Bei der Kapillarmikroskopie wird das kapillare Gefäßbett am Nagelfalz mikroskopisch eingesehen. Die Methode wird in der Abklärung des Raynaud-Syndroms eingesetzt. Organische Ursachen führen zu typischen Veränderungen (venöse Erweiterung, geschlängelter Verlauf).
1.10 Labordiagnostik 1.10.1 Myokardinfarkt Die Labordiagnostik hat in der Akutphase des Myokardinfarkts (s. S. 47) eine große diagnostische Bedeutung. Die Troponine I und T zeigen sehr früh und sehr spezifisch eine Myokardschädigung an, sie sind aber nicht spezifisch für den Infarkt. Die Serumenzyme CK-MB, GOT und LDH zeigen nach einem Infarkt einen typischen Verlauf. Die CK ist ein Muskelenzym, das bei einer Muskelschädigung erhöht im Serum nachweisbar ist. Es werden verschiedene Isoenzyme unterschieden. Die CK-MB ist spezifisch für den Herzmuskel. GOT und LDH sind zytoplasmatische Enzyme, die nicht spezifisch bei Herzmuskelschädigungen erhöht sind (Tab. 1.1).
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 1.1 Troponinerhöhung Organsystem
Erkrankung
kardial
Myokardinfarkt Myokarditis hypertensive Krise akutes Linksherzversagen
renal
präterminale oder terminale Niereninsuffizienz
pulmonal
Lungenembolie
1.10.2 Hypertonus Auch in der Hypertonusdiagnostik spielen Laboruntersuchungen eine Rolle, allerdings überwiegend im Hinblick auf das Vorliegen eines sekundären Hypertonus (s. S. 151). Hinweise können sich schon aus den Routineuntersuchungen der Serum-Elektrolyte ergeben: hypokaliämische Hypertonie beim Conn-Syndrom (synonym primärer Hyperaldosteronismus) hypokaliämische Hypertonie bei einer Nierenarterienstenose (renovaskulärer Hypertonus).
Kreatinin erhöht, Eiweiß im Urin: Verdacht auf renoparenchymatösen Hypertonus Kalium erniedrigt, Kortisol im Urin erhöht: Hypercorticolismus Kalium erniedrigt, Renin (Plasma) erhöht, Aldosteron normal: Nierenarterienstenose Kalium erniedrigt, Renin (Plasma) erhöht, Aldosteron erhöht: Hyperaldosteronismus Katecholamine im 24-Stundensammelurin erhöht: Phäochromozytom TSH erniedrigt: Hyperthyreose Zur Hypertonusdiagnostik gehört immer auch die Fahndung nach weiteren Risikofaktoren sowie nach Endorganschäden. Die hierfür relevanten Laborwerte sind: Blutzucker (Diabetes mellitus) Cholesterin, HDL, LDL (Dyslipidämie) Triglyzeride (Dyslipidämie) Harnsäure (Hyperurikämie) Kreatinin, Hb (Niereninsuffizienz) Urin (Mikro-Albuminurie, hypertensive Nephropathie) und CRP (Entzündungsparameter, Indikator für Endothelschäden).
209
1.10.3 Gefäßerkrankungen Weitere wichtige Laboruntersuchungen bei Verdacht auf einen sekundären Hypertonus sind (falls nicht anders angegeben im Serum gemessen):
Ergibt sich im Rahmen der Differenzialdiagnostik von Gefäßerkrankungen der Verdacht auf eine Kollagenose (z. B. bei Raynaud-Phänomen), spielt die AutoAntikörperdiagnostik eine Rolle (Tab. 1.2).
Tabelle 1.2 Autoantikörperdiagnostik bei Kollagenosen Auto-Antikörper
Erkrankung
antinukleäre Antikörper (ANA)
systemischer Lupus erythematodes
Antikörper gegen dsDNS
systemischer Lupus erythematodes
SSA-AK
Sjögren-Syndrom
SSB-AK
Sjögren-Syndrom
Anti-Scl 70
Sklerodermie
1-URNP
Mischkollagenose
antizytoplasmatische Antikörper (ANCA)
Vaskulitiden
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MERKE
Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1.10.4 Lungenembolie
Hypersympathikotone Reaktion
In der Diagnostik der Lungenembolie spielt die Bestimmung der Fibrinspaltprodukte (d-Dimer) eine große Rolle. Die Sensitivität liegt bei 100 %, aber die Spezifität ist geringer. Das heißt: Ein negativer dDimer-Test schließt eine Lungenembolie aus, bei einem positiven Nachweis müssen Differenzialdiagnosen beachtet werden.
Hierbei kommt es zu einem deutlichen Anstieg der Herzfrequenz mit einem nur geringen Abfall des systolischen Blutdrucks. Die Patienten klagen über Schwindel und Herzklopfen. Ursache ist ein „Versacken“ des Blutes in den venösen Kapazitätsgefäßen mit überschießender sympathikotoner Anpassung.
Eine d-Dimer-Erhöhung kommt vor bei Lungenembolie tiefer Beinvenenthrombose und postoperativ Tumorerkrankungen.
Hyposympathikotone Reaktion
1.11 Funktionsdiagnostik
Hierbei kommt es sowohl zu einem ungenügenden Anstieg oder einem Abfall der Herzfrequenz als auch zu einem Abfall des systolischen und diastolischen Blutdrucks. Die Patienten klagen über ein Kollapsgefühl und Schwindel. Dieses ist die häufigste Form einer pathologischen Orthostasereaktion.
1.11.1 Testung der orthostatischen Regulation
Asympathikotone Reaktion
210
Der Schellong-Test dient der Einschätzung der orthostatischen Regulationsfähigkeit. Zunächst befindet sich der Patient für 10 Minuten in Horizontallage. Während dieser Zeit wird im 2-minütigen Abstand der Blutdruck gemessen. Dann stellt sich der Proband zügig auf. Im Stehen wird sofort der Blutdruck gemessen sowie in 1-minütigem Abstand für einen Zeitraum von 5-10 Minuten. Als normale Reaktion gelten ein Anstieg der Herzfrequenz um nicht mehr als 20/min und ein Abfall der Herzfrequenz um nicht mehr als 5/min. Die Erniedrigung des Blutdrucks gilt als normal, wenn sie nicht mehr als 10 mmHg systolisch beträgt. Es werden drei pathologische Reaktionsformen unterschieden, die hypersympathikotone, die hyposympathikotone und die asympathikotone Reaktion.
Hierbei fehlt der Herzfrequenzanstieg völlig und systolischer und diastolischer Blutdruck fallen deutlich ab. Die Patienten klagen über ein Kollapsgefühl, evtl. tritt auch eine Ohnmacht auf.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Schließlich werden die bisher durchgeführte Diagnostik und die relevanten Begleiterkrankungen erfragt (Tab. 2.1).
2.1 Häufige Krankheiten 2.1.1 Koronare Herzkrankheit
2 Von der Diagnose zur systematischen Anamneseerhebung Der überwiegende Teil dieses Buches befasst sich mit klinischen Leitsymptomen, die einen Patienten zum Arzt führen und abgeklärt werden sollen. Sehr häufig liegt eine andere Situation vor: Der Patient kommt mit einer bereits bekannten Diagnose, z. B. mit einer Hypertonie, und erwartet Hilfe. Die folgenden Seiten ergeben eine Übersicht über häufige Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und die systematische Anamneseerhebung für diese Situationen. Das Vorgehen wird dabei immer gleich sein: Zunächst werden die aktuellen Beschwerden behandelt, dann die Vorgeschichte und der Verlauf.
Die koronare Herzkrankheit (KHK, s. S. 29) ist charakterisiert durch eine atherosklerotische Verengung der Herzkranzgefäße. Das Krankheitsbild äußert sich in drei Verlaufsformen: Als plötzliche Ruptur einer atheromatösen Plaque (= instabile Plaque, s. S. 128) mit Thrombosierung und kompletter Verlegung des Lumens, die zum akuten Myokardinfarkt führt. Unter Umständen tritt sie aus völligem Wohlbefinden heraus und ohne vorausgegangene pektanginöse Beschwerden auf. Als belastungsabhängige thorakale Schmerzsymtomatik bei fixierter, hochgradiger Lumeneinengung (stabile Plaque, Abb. 2.1) mit u. U. kritischer Unterversorgung und Myokardinfarkt bei akuter Mehrbelastung.
211
Tabelle 2.1 Bekannte Diagnose – systematische Anamneseerhebung Vorgehen 1. Aktuelle Beschwerden n Welche Beschwerden haben Sie zurzeit, was führt Sie zu mir? n Welche Therapie wird zurzeit durchgeführt? n Welche Funktionseinschränkungen bestehen? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wann wurde die Erstdiagnose gestellt? n Welche Beschwerden bestanden zum Zeitpunkt der Erstdiagnose? n Wie war der Verlauf der Erkrankung? n Welche Komplikationen gab es bisher? n Welche Therapie wurde bisher durchgeführt? 3. Letzte Diagnostik n Welche Untersuchungen wurden durchgeführt? n Wann? n Mit welchem Ergebnis? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Welche Begleiterkrankungen bestehen? n Gibt es Risikofaktoren?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
Abb. 2.1 Angiographiebefund einer über 90 %-igen Hauptstammstenose
212 Als langsam progrediente, diffuse KHK mit zunehmender klinischer Symptomatik: Herzinsuffizienz mit Dyspnoe und peripheren Ödemen,
Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris-Anfällen. Oft besteht eine relevante, gefäßbedingte Komorbidität (Tab. 2.2).
Tabelle 2.2 Koronare Herzkrankheit Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Schmerzen? n Sind die Schmerzen in Ruhe vorhanden oder belastungsabhängig? n Bei welchem Belastungsniveau treten sie auf? n Bestehen Zeichen einer Herzinsuffizienz: Dyspnoe, Ödeme? n Bestehen Herzrhythmusstörungen? 2. Bisherige Krankengeschichte n Welche Beschwerden bestanden bei Erstdiagnose? n Wie wurde die Diagnose gesichert? n Wurde bereits einmal ein Myokardinfarkt durchgemacht? n Wurde bereits einmal eine Bypass-Operation durchgeführt? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden das letzte EKG, das letzte Belastungs-EKG und das letzte Langzeit-EKG durchgeführt? n Wann wurde die letzte Echokardiographie durchgeführt? n Wurde bereits einmal eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Bestehen Beschwerden einer peripheren AVK? n Bestehen Anhaltspunkte für zerebrale Durchblutungsstörungen: Schwindel, durchgemachte TIA, durchgemachter Apoplex? n Sind Fettstoffwechselstörungen bekannt, ein erhöhter Blutdruck, ein Diabetes mellitus, Übergewicht, eine positive Familienanamnese? n Besteht ein Nikotinabusus?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 2.1.2 Herzinsuffizienz
2.1.3 Hypertonie
Die Herzinsuffizienz ist der Endzustand zahlreicher Herzerkrankungen, insbesondere der koronaren Herzkrankheit (s. S. 29), der hypertensiven Herzkrankheit (s. S. 151) und der Kardiomyopathie (Tab. 2.3). Die Insuffizienz kann den linken Ventrikel (Linksherzinsuffizienz), den rechten Ventrikel (Rechtsherzinsuffizienz) sowie beide Ventrikel (Globalinsuffizienz) betreffen. Die Folgen der Linksherzinsuffizienz sind ein Vorwärtsversagen mit Reduktion des Herzzeitvolumens und Unterversorgung der peripheren Gewebe (Hirn, Extremitäten) und ein Rückwärtsversagen mit pulmonaler Stauung (Luftnot). Bei der Rechtsherzinsuffizienz dominiert das Rückwärtsversagen mit peripherer Stauung in die Extremitäten und die Eingeweide (Unterschenkelödeme, s. S. 13 Stauungsgastritis, Hepatomegalie).
Als Hypertonie (s. S. 151) wird eine Blutdruckerhöhung bezeichnet, die allein oder in Kombination mit anderen Risikofaktoren zu Folgeerkrankungen des kardiovaskulären Systems (s. S. 156), der Nieren (s. S. 154) und der Augen (s. S. 161) führen kann. Die Ursache ist meistens eine Kombination aus anlagebedingten und äußerlich erworbenen Faktoren (s. S. 154). Seltener ist der erhöhte Blutdruck Folge einer Nierenerkrankung oder einer endokrinologischen Störung (Tab. 2.4). Die gravierendsten Folgen der Hypertonie sind die Arteriosklerose der hirnversorgenden Arterien (s. S. 158), die Koronarsklerose (s. S. 156 und Abb. 2.2) und seltener die periphere AVK (s. S. 156) sowie die hypertensive Herkrankung mit ihrem Endzustand, der Herzinsuffizienz. Außerdem führt der erhöhte Blutdruck nicht selten zu einer Nierenschädigung mit konsekutiver Einschränkung der Nierenfunktion.
213
Tabelle 2.3 Herzinsuffizienz Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Besteht eine Leistungsminderung? n Wie ist die körperliche Belastbarkeit? n Besteht Luftnot? Wenn ja, in Ruhe, bei Belastung oder im Liegen? n Bestehen periphere Ödeme? n Wie ist der Gewichtsverlauf? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wird eine medikamentöse Therapie durchgeführt? Welche? n Welches ist die Ursache der Herzinsuffizienz: eine KHK, ein Hypertonus oder ein Vitium? n Wurde ein Myokardinfarkt durchgemacht? n Bestand einmal ein Lungenödem? n Wann war der letzte stationäre Krankenhausaufenthalt? 3. Letzte Diagnostik n Wann war die letzte Echokardiographie? n Wann war die letzte Röntgenaufnahme des Thorax? n Wann waren das letzte EKG und Langzeit-EKG? n Wann war die letzte Herzkatheteruntersuchung? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Ist eine KHK bekannt? n Sind ein Hypertonus oder ein Nikotinabusus bekannt? n Bestehen Herzrhythmusstörungen?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
Abb. 2.2 Stenose einer Koronararterie
214 Meistens werden hypertensive Blutdruckwerte nicht gespürt, gelegentlich kann es jedoch zu Kopfschmerzen, Schwindel und pektanginösen Beschwerden kommen.
2.1.4 Herzrhythmusstörungen Als Herzrhythmusstörungen (s. S. 50) werden Abweichungen von der normalen Herzfrequenz und von der Regelmäßigkeit
Tabelle 2.4 Hypertonie Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Gibt es zurzeit irgendwelche Beschwerden: Kopfschmerzen, Schwindel, Angina pectoris? n Wie liegen die aktuellen Blutdruckwerte? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wann wurde die Erstdiagnose gestellt? n Welche Beschwerden bestanden damals oder handelte es sich um einen Zufallsbefund? n Gab es einmal Komplikationen: hypertensive Krise, Angina pectoris, Schwindel, wurde ein Apoplex durchgemacht, eine TIA, ein Myokardinfarkt? n Ist eine Ursache für den Bluthochdruck bekannt, liegt eine Nierenerkrankung vor oder eine Arteriosklerose? n Welche Hinweise gibt es für eine sekundäre Hypertonie? 3. Letzte Diagnostik n Wie oft wird der Blutdruck gemessen? n Wann war die letzte Blutdruckmessung? n Wird regelmäßig zu Hause selbst gemessen? n Wird eine medikamentöse Therapie durchgeführt? Welche? n Ist einmal eine Langzeit-Blutdruckmessung durchgeführt worden? n Wann war das letzte EKG? n Wann war die letzte Echokardiographie? n Wann wurde die Nierenfunktion zuletzt untersucht: Nieren-Sonographie, Eiweiß im Urin?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.4 Fortsetzung Systematische Anamneseerhebung n n
Wann war die letzte augenärztliche Untersuchung? Welche Bemühungen wurden unternommen, um eine sekundäre Ursache auszuschließen: Urin auf Katecholamine, Serum-Elektrolyte, Nierenuntersuchung?
4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Bestehen besondere Auffälligkeiten bei der Lebensweise: Stress, intensiver Kaffeegenuss, Alkoholabusus? n Bestehen andere Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen: Nikotinabusus, Hyperlipoproteinämie, familiäre Belastung? n Besteht eine koronare Herzerkrankung, eine periphere AVK oder eine AVK der hirnzuführenden Gefäße?
des Herzschlages bezeichnet. Herzrhythmusstörungen können beim Gesunden auftreten und sind häufig Folge zahlreicher Erkrankungen. Sie können klinisch inapperent auftreten und sie können sehr
variabel ausgeprägte Beschwerdebilder verursachen, von vereinzelt gespürten Extrasystolen bis hin zu einer Schocksymptomatik (s. S. 167) und zu einer arteriellen Embolie (Tab. 2.5).
215
Tabelle 2.5 Herzrhythmusstörungen Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Werden zurzeit Herzrhythmusstörungen gespürt: Extrasystolen, Aussetzer, Palpitationen, Herzrasen? n Gibt es mögliche Folgen von Herzrhythmusstörungen? Schwindel, Benommenheit, Dyspnoe, periphere Ödeme, Angina pectoris, Präsynkopen, Synkopen? 2. Bisherige Krankengeschichte n Um was für eine Form von Herzrhythmusstörungen handelt es sich: Schlägt das Herz zu langsam, zu schnell, liegt ein Vorhofflimmern vor, liegen Extrasystolen vor? n Konnte eine Ursache festgestellt werden? n Wird eine medikamentöse Therapie durchgeführt? Welche? n Gab es in der Vorgeschichte eine arterielle Embolie? n Ist es in der Vergangenheit zu Synkopen gekommen? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden das letzte EKG, Langzeit-EKG und Belastungs-EKG durchgeführt? n Wann wurde die letzte Echokardiographie durchgeführt? n Ist es einmal gelungen, während einer Herzrhythmusstörung ein EKG aufzuzeichnen? n Wurde eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Ist eine strukturelle Herzerkrankung bekannt? n Liegt eine KHK vor, ein Vitium, eine Kardiomyopathie? n Bestehen ein Nikotinabusus, eine Fettstoffwechselstörung, ein Hypertonus? n Welche Medikamente nimmt der Patient ein?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
Abb. 2.3 Kardio-MRT: Darstellung einer Aortenklappeninsuffizienz. Der turbulente Regurgitaionsjet (dunkel) hebt sich deutlich vom hellen blutgefüllten Ventrikelmyokard ab
216
2.1.5 Bekannter Herzfehler Herzfehler können die Herzklappen (s. S. 21) betreffen, die Scheidewände sowie die großen, herznahen Gefäße (Tab. 2.6). Sie können angeboren oder erworben sein. Die meisten angeborenen Herzfehler werden in der Kindheit manifest, diagnostiziert und ggf. therapiert.
Erworbene Klappenfehler können lange Zeit asymptomatisch bleiben. Die Symptomatik wird bestimmt durch das Ausmaß des Pendelvolumens (Klappeninsuffizienz, Abb. 2.3), das Ausmaß der Druckbelastung (Stenose) und das Ausmaß des Shuntvolumens (Scheidewanddefekt). Im Vordergrund stehen die
Tabelle 2.6 Bekannter Herzfehler Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Wie ist die körperliche Belastbarkeit: normal oder eingeschränkt? n Besteht eine Dyspnoe: in Ruhe oder ab welcher Belastung? n Bestehen Knöchelödeme? n Bestehen Fieber oder subfebrile Temperaturen? n Bestehen Rhythmusstörungen: Palpitationen, Tachykardien? 2. Bisherige Krankengeschichte n Welche Herzklappe ist betroffen? n Liegt eine Insuffizienz vor oder eine Stenose? n Liegt ein Scheidewanddefekt vor: in den Vorhöfen oder in der Kammer? n Bestanden in der Vergangenheit Knöchelödeme, Dyspnoe, Herzrhythmusstörungen, Synkopen oder Schwindel? n Wurde der Herzklappenfehler operativ therapiert? n Wurde über die Notwendigkeit einer Operation gesprochen? n Gab es einmal eine bakterielle Endokarditis? n Wird eine Endokarditisprophylaxe durchgeführt?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.6 Fortsetzung Systematische Anamneseerhebung 3. Letzte Diagnostik n Wie hoch ist der Blutdruck? n Wann wurde das letzte EKG, Langzeit-EKG, Belastungs-EKG durchgeführt? n Wann war die letzte Echokardiographie? n Wann war die letzte Röntgenaufnahme des Thorax? n Wurde einmal eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Wird eine Endokarditisprophalaxe durchgeführt? n Liegt ein Endokarditispass vor?
Leistungsminderung, Dyspnoe, Schwindel, Synkopen, bakterielle Endokarditiden mit unter Umständen septischen Embolien und später eine mögliche Herzinsuffizienz.
2.1.6 Zustand nach Herztransplantation Bei der Herztransplantation wird in aller Regel orthotop ein Spenderherz implantiert und eine immunsuppressive Dauerbehandlung durchgeführt. Der häufigste Grund für eine Herztransplantation ist
a
die Herzinsuffizienz (Abb. 2.4) auf dem Boden einer Kardiomyopathie, einer koronaren Herzerkrankung oder eines Vitiums (Tab. 2.7). Das Krankheitsbild nach Herztransplantation ist charakterisiert zum einen durch die chronische Abstoßung mit einer Vaskulopathie überwiegend der kleinen, koronnaren Endgefäße sowie zum anderen durch die Nebenwirkungen und Komplikationen der immunsuppressiven Therapie.
217
b
Abb. 2.4 Röntgenthorax. a Vor Herztransplantation: Erhebliche Vergrößerung der Herzsilhouette mit ausgeprägter pulmonaler Stauung als Zeichen der Linksherzinsuffizienz; b Nach Herztransplantation: Weitgehende Normalisierung mit normal großer Herzsilhouette und nahezu normaler Lungengefäßzeichnung
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.7 Zustand nach Herztransplantation Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Wie ist die Leistungsfähigkeit? n Besteht eine Dyspnoe? n Bestehen Ödeme? n Besteht ein Anhalt für eine infektiöse Komplikation? (Fieber) n Besteht ein Anhalt für medikamentöse Nebenwirkungen der immunsuppressiven Therapie? (arterielle Hypertonie) 2. Bisherige Krankengeschichte n Wann wurde die Herztransplantation durchgeführt? n Welche Grundkrankheit war der Auslöser? n Gab es in der Vergangenheit infektiöse Komplikationen? n Wurde einmal eine akute Abstoßungsreaktion durchgemacht und musste sie behandelt werden?
218
3. Letzte Diagnostik n Wann war das letzte EKG? n Wann war die letzte Röntgenaufnahme des Thorax? n Wann war die letzte Echokardiographie? n Wurde jemals eine Myokardbiopsie entnommen? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Besteht ein Hypertonus? n Welche immunsuppressiven Medikamente nimmt der Patient ein?
2.1.7 Periphere arterielle Verschlusskrankheit Als periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK, s. S. 125) wird die obliterierende Arteriosklerose der Aorta, der Beckenarterien und der Extremitätenarterien bezeichnet. Das Krankheitsbild äußert sich in zwei Verlaufsformen: Der progredienten Verengung der arteriellen Strombahn
und dem akuten arteriellen Verschluss. Am Bein ist die progrediente Verengung (s. S. 126) zunächst durch die belastungsabhängigen Schmerzen charakterisiert, später durch den Ruheschmerz und trophische Störungen. Der akute Verschluss (s. S. 127) führt zu einem plötzlichen Schmerz, zu Blässe und Pulslosigkeit (Tab. 2.8).
Tabelle 2.8 Periphere arterielle Verschlusskrankheit Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Schmerzen beim Gehen? n Wie lang ist die schmerzfreie Gehstrecke? n Bestehen Ruheschmerzen? n Besteht eine Gangrän? 2. Bisherige Krankengeschichte n Hat sich die Gehstrecke seit der Diagnosestellung verändert? n Wird ein Gehtraining durchgeführt? n Nimmt der Patient Medikamente zur Thrombozytenaggregationshemmung ein? n Wurde eine operative Behandlung der AVK durchgeführt? n Hat es einmal einen akuten Verschluss gegeben?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.8 Fortsetzung Systematische Anamneseerhebung 3. Letzte Diagnostik n Wann war die letzte standardisierte Gehstreckenuntersuchung? n Wann war die letzte Ultraschalluntersuchung (farbcodierte Duplexsonographie)? n Wann war die letzte Ultraschalluntersuchung des Abdomens (Aortenaneurysma)? n Welche Untersuchungsergebnisse gab es? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Bestehen ein Nikotinabusus, ein Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen? n Besteht ein Diabetes mellitus, eine familiäre Belastung? n Besteht eine koronare Herzkrankheit? n Besteht eine AVK der hirnzuführenden Gefäße? n Wurde einmal ein Myokardinfarkt durchgemacht? n Wurde einmal eine TIA oder ein Apoplex durchgemacht?
2.1.8 Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose Als tiefe Beinvenenthrombose wird die Verlegung einer tiefen Beinvene durch eine Thrombose bezeichnet (Abb. 2.5). Sie ist akut charakterisiert durch die venöse Abflussstörung mit Schwellung des betroffenen Beines bzw. Unterschenkels und das Risiko einer embolischen Verschleppung thrombotischen Materials via rechtes Herz in die Pulmonalarterien (paradoxe Embolie).
Bei ungenügender Rekanalisierung nach einer tiefen Beinvenenthrombose kommt es zum postthrombotischen Syndrom, das durch die Drainageinsuffizienz der tiefen Leitvenen charakterisiert ist mit venösem Rückstau und trophischen Störungen (Tab. 2.9).
219
Abb. 2.5 Farbkodierte Duplexsonographie: Darstellung einer Thrombose in der V. femoralis
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.9 Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Ödeme? Bilden sie sich im Liegen zurück? n Bestehen Schmerzen? n Bestehen Hautveränderungen: Ulzerationen? 2. Bisherige Krankengeschichte n Gab es für die Thrombose eine Ursache: Operation, Bettlägerigkeit, Entbindung? n Wann wurde die Thrombose durchgemacht und welches Ausmaß hatte sie? n Hat der Patienten in der Vergangenheit eine Lungenembolie durchgemacht? n Hatte der Patient in der Vergangenheit ein Ulcus cruris („offenes Bein“)? n Wurde eine Thromboseprophylaxe durchgeführt (Antikoagulanzien: Heparin, Marcumar; Thrombozytenaggregationshemmer: ASS, Clopidogrel)? n Wurde einmal ein Erysipel durchgemacht?
220
3. Letzte Diagnostik n Wann war die letzte Ultraschalluntersuchung der Venen (farbcodierte Duplexsonographie)? n Wurde einmal eine Gerinnungsdiagnostik im Hinblick auf eine angeborene Thrombophilie durchgeführt? 4. Relevante Risikofaktoren/Begleiterkrankungen n Werden Hormonpräparate genommen (Antikonzeptiva, postmenopausale Hormonsubstitutionstherapie)? n Besteht eine schwere Varikosis? n Raucht der Patient?
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Anhang
D
Laborwerte – Normalbereiche
224
Quellenverzeichnis
230
Sachverzeichnis
233
223
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Anhang
Anhang Laborwerte – Normalbereiche Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
224
ACTH
S
9–52 ng/l
0,2202
2–11 pmol/l
Albumin
S
3,5–5,5 g/dl
10
35–55 g/l
Aldosteron (liegend)
S
50–150 pg/ml
2,774
139–416 pmol/l
a-Amylase
P/S U
I 100 U/l I 600 U/l
a1-Fetoprotein (AFP)
S
I 10 ng/ml
Alkalische Phosphatase (AP)
P/S
m: 40–129 U/l w: 35–104 U/l
Ammoniak
P/S
m: 19–80 mg/dl w: 25–94 mg/dl
0,59
m: 11–48 mmol/l w: 15–55 mmol/l
Antistreptolysintiter
S
I 200 IU/ml
Antithrombin (AT III)
S
75–120 %
P/S P/S P/S
0,2–1,1 mg/dl 0,05–0,3 mg/dl I 0,8 mg/dl
Bilirubin gesamt direkt indirekt
17,1 3,4–18,8 mmol/l 0,9–5,1 mmol/l I 13,7 mmol/l
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
Blutgase (arteriell) pH pCO2 pO2 BE StandardBikarbonat O2-Sättigung
7,36–7,44 35–45 mmHg 90–100 mmHg –2 bis +2 mmol/l 22–26 mmol/l
Blutungszeit
I 2–8 Min.
92–96 %
0,133 0,133
4,67–6,00 kPa 12–13,3 kPa
0,01
0,92–0,96
BSG (BKS)
C
m: 3–10 mm (1 h) w: 6–20 mm (1 h)
Calcium
S U
2,3–2,6 mmol/l 4,0–5 mmol/l
Carcinoembryonales Antigen (CEA)
S
Chlorid
P/S U
98–112 mmol/l 160–178 mmol/24 h
P/S P/S P/S
120–250 mg/dl i 40 mg/dl I 160 mg/dl
Cholinesterase (CHE)
S
m: 5320–12920 U/l w: 4260–11250 U/l
C3-Komplement
S
0,55–1,2 g/l
C4-Komplement
S
0,2–0,5 g/l
Coeruloplasmin
S
20–60 mg/dl
0,063
1,26–3,7 mmol/l
C-Peptid
S
0,37–1,2 nmol/l
2,97
1,1–3,6 mg/l
C-reaktives Protein (CRP)
P/S
I 5 mg/l
Creatinkinase (CK)
P/S
m: I 174 U/l w: I 140 U/l
CreatinkinaseIsoenzym MB (CK-MB)
P/S
I 6 % der CK
Cholesterin gesamt HDL LDL
225 I 3 mg/l
0,026 3,1–6,5 mmol/l i 1,0 mmol/l I 4,0 mmol/l
Cortisol: siehe Kortisol
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
226
Differenzialblutbild: n stabkernige neutrophile Granulozyten n segmentkernige neutrophile Granulozyten n eosinophile Granulozyten n basophile Granulozyten n Monozyten n Lymphozyten
E
Digoxin
S
0,8–2,0 ng/ml
1
0,8–2,0 mg/l
Digitoxin
S
15–25 ng/ml
1
15–25 mg/l
Eisen
S
m: 80–150 mg/dl w: 60–140 mg/dl
0,179
m: 14–27 mmol/l w: 11–25 mmol/l
Eiweiße Albumin a1-Globulin a2-Globulin b-Globulin g-Globulin
S
(Elektrophorese) 3,6–5,0 g/dl (45–65 %) 0,1–0,4 g/dl (2–5 %) 0,5–0,9 g/dl (7–10 %) 0,6–1,1 g/dl (9–12 %) 0,8–1,5 g/dl (12–20 %)
10 10 10 10 10
36–50 g/l 1–4 g/l 5–9 g/l 6–11 g/l 8–15 g/l
Elastase-1
St
i 200 mg/g Stuhl
Erythrozyten
E
m: 4,5–5,9 Mio./ml w: 4,0–5,2 Mio./ml
Ferritin
S
30–200 mg/l
Fibrinogen
P
200–400 mg/dl
0,03
5,9–11,8 mmol/l
Folsäure
P
3–15 ng/ml
Gastrin
S
I 100 pg/ml
Gesamteiweiß
S
6–8,4 g/dl
10
60–84 g/l
Glukose nüchtern
B/S
55–110 mg/dl
0,0555
3,05–6,1 mmol/l
gGT
S
m: I 66 U/l w: I 39 U/l
GOT (AST)
S
m: I 50 U/l w: I 35 U/l
0–5 %
50–70 % (1800–7000/ml)
0–5 % (I 450/ml) 0–2 % (I 200/ml) 2–6 % (I 800/ml) 25–45 % (1000–4800/ml)
I 100 ng/l
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
GPT (ALT)
S
m: I 50 U/l w: I 35 U/l
HbA1C
E
I 4,6 % (IFCC, entspricht 6,3 % der bisherigen Methode)
Hämatokrit
E
m: 41–50 % w: 37–46 %
Hämoglobin
E
m: 14–18 g/dl w: 12–16 g/dl
0,62
8,7–11,2 mmol/l 7,5–9,9 mmol/l
Haptoglobin
S
20–204 mg/dl
0,01
0,2–2,04 g/l
Harnsäure
S
2,6–6,4 mg/dl
60
155–384 mmol/l
Harnstoff
S
10–55 mg/dl
0,17
1,7–9,3 mmol/l
a-HBDH
S
72–182 U/l
Immunglobulin G
S
0,8–1,8 g/dl
10
8–18 g/l
Immunglobulin A
S
0,09–0,45 g/dl
10
0,9–4,5 g/l
Immunglobulin M
S
0,06–0,26 g/dl
10
0,6–2,6 g/l
INR (international normalized ratio)
C
1,0
Kalium
S U
3,5–5 mmol/l 30–100 mmol/24 h
Kalzium
S U
2,3–2,6 mmol/l 4,0–5 mmol/l
Kortisol 8.00 Uhr 16.00 Uhr
S
5–25 mg/dl 3–12 mg/dl
27,59
140–690 nmol/l 80–330 nmol/l
Kortisol
U
20–100 mg/24 h
2,759
55–275 nmol/24 h
Kreatinin
S
0,5–1,2 mg/dl
88,4
44–106 mmol/l
KreatininClearance (alters- und geschlechtsabhängig)
227
80–160 ml/min
Kupfer
S
m: 70–140 mg/dl w: 85–155 mg/dl
0,157
m: 11–22 mmol/l w: 13–24 mmol/l
Laktat
S
9–16 mg/dl
0,111
1–1,8 mmol/l
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
228
LDH
S
m: 135–225 U/l w: 135–214 U/l
LAP
S
16–32 U/l
Leukozyten
E
4000–10000/ml
Lipase
S
30–180 U/l
Lipoprotein (a)
S
I 30 mg/dl
10
I 300 mg/l
Magnesium
S
1,75–4 mg/dl
0,41
0,7–1,6 mmol/l
MCH (mittlerer Hb-Gehalt des Erythrozyten)
E
27–34 pg
MCHC (mittlere Hb-Konzentration der Erythrozyten)
E
30–36 g/dl
MCV (mittleres Erythrozytenvolumen)
E
85–98 fl
Natrium
S U
135–150 mmol/l 120–220 mmol/24 h
Osmolalität
S U
280–300 mosm/kg 800–1400 mosm/kg
Partielle Thromboplastinzeit (PTT)
C
20–38 Sek.
Prolaktin
S
m: I 11 ng/ml w: I 15 ng/ml
1
m: I 11 mg/l w: I 15 mg/l
Phosphat
S
0,77–1,55 mmol/l
Prostataspez. Antigen (PSA)
S
I 3 ng/ml
1
I 3 mg/l
Quick
C
siehe Thromboplastinzeit
Renin (8.00 Uhr, im Liegen)
P
1–2,5 ng/ml/h
Retikulozyten
E
4–15 ‰ (20000–75000/ml)
Rheumafaktor (Latex)
S
I 20 IU/ml
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
Spezifisches Uringewicht
U
1,002–1,035
STH (GH)
S
I 5 ng/ml
Stuhlfett
St
I 7 g/24 h
Theophyllin
S
10–20 mg/ml
Thrombinzeit (TZ)
C
14–20 Sek.
Thromboplastinzeit (Quick)
C
70–100 %
Thrombozyten
E
150000–350000/ml
TSH basal 30 Min. nach Injektion von 200 mg TRH
S
0,3–4,0 mU/l Anstieg i 2 mU/l
freies Thyroxin (fT4)
S
0,5–2,3 ng/dl
14
7–30 pmol/l
freies Trijodthyronin (fT3)
S
3,0–6,0 pg/ml
1,53
4,6–9,2 pmol/l
TBG = thyroxinbindendes Globulin
S
12–30 mg/ml
Thyreoglobulin
S
I 50 ng/ml
Transferrin
S
200–400 mg/dl
0,01
2,0–4,0 g/l
Triglyzeride
S
75–150 mg/dl
0,0112
0,83–1,7 mmol/l
Vitamin A
S
20–80 mg/dl
0,035
0,7–2,8 mmol/l
Vitamin B12
S
310–1100 pg/ml
0,739
229–812 pmol/l
Vitamin D n 1,25 Dihydrocholecalciferol n 25-Hydroxycholecalciferol n 25-Hydroxycholecalciferol
S
Vitamin E
S
1
I 5 mg/l
1
10–20 mg/l
229
2,496 20–50 ng/ml
50–125 nmol/l
Sommer: 15–95 ng/ml
37– 237 nmol/l
Winter: 12–62 ng/ml
30–155 nmol/l
5–20 mg/ml
2,4
12–48 mmol/l
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Anhang Quellenverzeichnis
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Abb. A-3.1 nach Klinke, R., Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. A-3.2 Gonska, B.-D.: Interventionelle Therapie von Herzrhythmusstörungen. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998 Abb. A-4.1 nach Holldack, K., Gahl., K.: Auskultation und Perkussion Inspektion und Palpation. 14. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Tab. A-4.3, 4.4, 4.5, 4.6 Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. A-4.2 nach Füeßl, H. S., Middeke, M.: Duale Reihe Anamnese und klinische Untersuchung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. A-4.3 Greten, H.: Innere Medizin. 12. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. A-4.4 Greten, H.: Innere Medizin. 12. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-1.2 Paetz, B., Benzinger-König, B.: Chirurgie für Pflegeberufe. 19. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B-1.3 Wülker, N.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-1.4 Korting, H. C.: Praxis der Dermatologie. Thieme, Stuttgart, 1982 Abb. B-1.5 Riede, U.-K., Werner, M. Schäfer, H.-E.: Allgemeine und spezielle Pathologie, 4. Aufl. Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-1.6 Riede, U.-K.: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998 Abb. B-1.8, B-2.4, B-2.7 Schuster, H.-P., Trappe, H.-J.: EKG-Kurs für Isabel. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-2.1 nach Hamm, C. W., Willems, S.: Checkliste EKG. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-2.2 und B-2.3 TIM Thiemes Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B-2.5 nach So, C.-S.: Praktische Elektrokardiographie. 8. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999
Abb. B-2.6a und b Riede, U.-N.: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998 Abb. B-2.8 So, C.-S.: Praktische Elektrokardiographie. 8. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B-3.1 Greten, H.: Innere Medizin. 12. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-3.2 Bommas, U., Teubner, P., Voß, R.: Kurzlehrbuch Anatomie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-3.3 nach Kahle, W., Frotscher, M.: Taschenatlase der Anatomie Bd. III: Nervensystem und Sinnesorgane. 8. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B-3.4 (nach) und Abb. B-3.7 Siegenthaler, W.: Differentialdiagnose innerer Krankheiten. 18. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B-4.2 Paetz, B., Benzinger-König, B.: Chirurgie für Pflegeberufe. 19. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B-4.3 und B-4.7 Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-4.4 Burk, A., Burk, R.: Checkliste Augenheilkunde. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-4.5 Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-4.6 und B-4.10 Gerlach, U., Wagner, H., Wirth, W.: Innere Medizin für Pflegeberufe. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B-4.8 Sterry, W., Paus, R.: Checkliste Dermatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-4.9 Lauber, A., Schmalstieg, P.: Wahrnehmen und Beobachten. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-4.11a Füeßl, H. S., Middeke, M.: Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-4.11b Riede, U.-N., Werner, M., Schäfer, H.-E.: Allgemeine und spezielle Pathologie. . 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-4.13 Hamm, Ch. W., Willems, S.: Checkliste EKG. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome - Herz-Kreislauf-System (ISBN 978-313-142831-8) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Anhang Abb. B-4.14 Krug, K. B.: Thoraxdiagnostik. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-5.2, B-5.4b, B-5.5 nach Silbernagl, S., Lang, F.: Taschenatlas der Pathophysiologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-5.3 nach Greten, H.: Innere Medizin. 12. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-5.6a Georg Thieme Verlag Stuttgart, c Boehringer Ingelheim Pharma KG Abb. B-5.6b und B-5.7 Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-5.10 Kaufmann, R., Podda, M., Landes, E.: Dermatologische Operationen. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-5.11 Kopp, H., Ludwig, M.: Checkliste Doppler- und Duplexsonographie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-6.1 Siegenthaler, W.: Klinische Pathophysiologie. 8. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-6.2 a nach Silbernagl, S., Lang, F.: Taschenatlas der Pathophysiologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-6.2 b, B-6.4 Riede, U.-K., Werner, M. Schäfer, H.-E.: Allgemeine und spezielle Pathologie, 5. Aufl. Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-6.3 nach TIM Thiemes Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B-6.5 Wülker, N.: Orthopädie und Unfallchirurgie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-6.6 Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-6.7 Kopp, H., Ludwig, M.: Dopplerund Duplexsonographie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-7.1, B-7.6, B-7.7 TIM Thiemes Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B-7.2 Lauber, A., Schmalstieg, P.: Wahrnehmen und Beobachten. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-7.3a Sterry, W., Paus, R.: Checkliste Dermatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-7.3b, B-7.4 Gerlach, U., Wagner, H., Wirth, W.: Innere Medizin für Pflegeberufe. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000
Abb. B-7.5 Hettenkofer, H.-J.: Rheumatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B-8.1 Huppelsberg, J., Walter, K.: Kurzlehrbuch Physiologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B-8.2, B-8.3, B-8.4 Middeke, M.: Arterielle Hypertonie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-8.5 Masuhr, K. F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. 5. Aufl., Thieme , Stuttgart, 2005 Abb. B-8.6, B-8.7 Block, B.: POL-Leitsymptome Gastrointestinaltrakt. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2006 Abb. B-8.8 Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie Schnitt für Schnitt. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B-8.9 Lang, G. K.: Augenheilkunde. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-9.1 Klinge, R.: Das Elektrokardiogramm. 8. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B-9.2 Hahn, J. M.: Checkliste Innere Medizin. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B-9.3, B-9.4, B-9.5 Ziegenfuß, T.: Checkliste Notfallmedizin. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-9.6 So, C. S.: Praktische EKG-Deutung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B-10.1 Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B-10.2 Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie Schnitt für Schnitt. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B-10.3 Füeßl, H. S., Middeke, M.: Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B-10.4 Reiser, M., Kuhn, F.-P., Debus, J.: Duale Reihe Radiologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2006 Abb. B-10.5 Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. C-1.1 Middeke, M.: Arterielle Hypertonie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. C-1.2, C-1.3, C-1.4 Hamm, Ch. W., Willems, S.: Checkliste EKG. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001
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Abb. C-1.5 Hahn, J. M.: Checkliste Innere Medizin. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. C-1.6 nach Silbernagl, S., Despopoulos, A.: Taschenatlas der Physiologie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. C-1.7, C-1.8, C-1.9 So, C. S.: Praktische EKG-Deutung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. C-1.10 Klinge, R.: Das Elektrokardiogramm. 8. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. C-1.11 Block, B.: Der Sono-Trainer. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. C-1.12 Böhmeke, Th.: Checkliste Echokardiographie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. C-1.13 Möller, T. B.: Röntgennormalbefunde. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003
Abb. C-1.14 Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. C-2.1, C-2.3 Krakau, I., Lapp, H.: Das Herzkatheterbuch. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. C-2.2 Riede, U.-N.: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998 Abb. C-2.4 Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe Chirurgie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. C-2.5 Rabe, E., Gerlach, H. E.: Praktische Phlebologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Tab. D-1.1 Hahn, J. M.: Checkliste Innere Medizin. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003
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