Produktionsleitsysteme in der Automobilfertigung
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Markus Kropik
Produktionsleitsysteme in der Automobilfertigung
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Prof. Markus Kropik Mechtlerstrasse 33/2 2100 Korneuburg Österreich
[email protected] http://blog.kon-cept.at
ISBN 978-3-540-88990-8 e-ISBN 978-3-540-88991-5 DOI 10.1007/978-3-540-88991-5 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort Vor mehr als zehn Jahren begann meine Karriere als Prozessleittechniker in der Automobilindustrie. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich bereits einige Zeit mit diversen Prozessen in der industriellen Produktion aus dem Blickwinkel der Prozessautomatisierung beschäftigt. An Hand mehrerer Anlageninbetriebnahmen, die alle das mir bereits bekannte Chaos mit sich brachten, begannen einige Kollegen und ich die Situation zu analysieren und es wurde schnell klar, dass diese Schwierigkeiten nur zum kleineren Teil aus technischen Problemen in der Anlage und im Fertigungsprozess resultierten, sondern vor allem aus fehlerhaft oder gar nicht geplanten und implementierten Prozessen in der Behandlung des Informationsflusses in der Produktion. Dieses Problem besteht bei vielen Automobilherstellern bis heute. Während die Verbesserungspotenziale durch ERP-Systeme einerseits und durch Anlagenautomatisierung andererseits von singulären Optimierungen abgesehen weitgehend ausgeschöpft sind, liegt der Bereich der Informationsverarbeitung in der Produktion weitgehend brach und bietet heute das große Feld für Verbesserungen. Die Automobilproduktion steht mit dieser Situation nicht alleine da, wie der aktuelle Hype am Markt zeigt. Anbieter von MES, PLS mit ihren Systemen schießen aktuell wie die Pilze aus der Erde, was einen Markt zeigt, der die Phase der frühen „Techies“ verlässt und langsam in ein Wachstum kommt. Da ich wie oben bereits erwähnt, seit mehr als zehn Jahren ausschließlich mit Projekten zur Entwicklung und Implementierung von Produktionsleitsystemen in der Automobilindustrie befasst bin, fühle ich mich nicht berufen, ein Buch über generelle MES Funktionen zu schreiben, sondern konzentriere mich auf die Automobilproduktion. Begonnen bei kleinen Anfängen habe ich mehrere Projekte über längere Zeit begleitet und die entsprechenden Produktionsleitsysteme wachsen sehen. Viele Probleme mussten umschifft werden und viele Fehler korrigiert. Ich möchte Ihnen werte Leserin und werter Leser mit diesem Buch die Gelegenheit geben, etwas entspannter von diesen Erfahrungen zu profitieren. Ausgehend von einem allgemeinen Überblick über die Situation, in der sich die Automobilindustrie befindet, wird die Motivation zur Einführung von Produktionsleitsystemen beschrieben. In den nächsten Abschnitten enthält dieses Buch eine Einführung in die Modellierung und in den Aufbau von Produktionsleitsystemen. Anschließend wird auf spezielle Kernprozesse, die in solchen Systemen implementiert werden, näher eingegangen und es werden grundlegende Modelle und Verfahren beschrieben, wie solche Prozesse implementiert werden können. Im Rahmen dieser Ausführungen erhebe ich nicht den Anspruch, dass Systeme genau so funktionieren müssen, wie im Buch beschrieben. Die vorgestellten Methoden haben sich jedoch in vielen Projekten bewährt und als tauglich herausgestellt. Abgerundet wird der Überblick über Prozessleitsysteme mit Erläuterungen zur Einführung und zum Betrieb solcher Systeme. Die Einführung von Prozessleitsystemen ist nicht nur eine technologische sondern, da im Regelfall auch erhebliche organisatorische Veränderungen erforderlich werden, auch eine soziale
vi
Vorwort
und kommunikative Herausforderung. Die Kapitel in diesem Buch wurden so verfasst, dass sie möglichst auch einzeln gelesen werden können. Aus diesem Grund war es auch erforderlich, manche Information mehrfach anzugeben. Ich habe im Zuge der Gestaltung der Texte den in der Industrie üblichen Jargon verwendet, was auch Ausdrücke in Englisch einschließt. Dabei wollte ich, so manche Wortschöpfungen durch Übersetzung ins Deutsche nicht noch um weitere Kreativität zu bereichern. Ich habe versucht, dieses Buch so praxisnah wie möglich zu gestalten, wobei an einigen Punkten eine Brücke zur Theorie geschlagen wurde. Hiermit wendet sich dieses Buch an verantwortliche Planer und Manager in der Produktion ebenso wie an Mitarbeiter von IT-Abteilungen, die mit Aufgaben der produktionsnahen IT befasst sind. Das vorliegende Buch soll diesem Leserkreis eine fundierte fachliche Grundlage für Diskussionen und Projekte rund um das Thema Prozessleittechnik bieten. Basierend auf Erfahrungen aus meiner mehrjährigen Lehrtätigkeit an der Fachhochschule Joanneum in Graz habe ich auch auf die Bedürfnisse von Studenten im Bereich der Produktionstechnik, Informatik und Produktionswirtschaft nicht vergessen, für die dieses Buch Beschreibungen vieler grundlegender Verfahren der Produktionswirtschaft enthält und sich somit als Studiengrundlage anbietet. Bleibt mir nur, Ihnen werte Leserin, werter Leser viel Spaß und Erfolg bei der Umsetzung der in diesem Buch angebotenen Inhalte in Ihre industrielle Praxis zu wünschen.
Wien, am 28.02.2009
Markus Kropik
Danksagung Als Autor hätte ich dieses Buch ohne die Unterstützung vieler anderer Menschen nicht verfassen können. Bedanken möchte ich mich bei Konrad Klein und Keith McRitchie die den Anstoß für meine Betätigung im Feld Produktionsleittechnik geliefert haben. Ebenso danke ich meinem Team, Anton Messerer, Reinhard Nowak, Christian Stöffelbauer, Michael Oberaigner, Jürgen Schell, Margit Gugler, Bettina Hölzl und Franz Leitner, die in vielen Projekten zur Entwicklung und Einführung von Produktionsleitsystemen in der Automobilindustrie mit mir durch dick und dünn gegangen sind. Viele Ideen und Anregungen wurden auch von Personen aus verschiedenen Produktionsbetrieben und Partnern eingebracht. Stellvertretend für viele andere sind zu nennen: Christoph Lubkoll / AUDI AG Ingolstadt, Gerhard Mödl / AUDI AG Ingolstadt, Andreas Hofmann / BMW AG Berlin, Dietmar Holthöfer / BMW AG München, Harald Scheder / BMW AG München, Conrad Billingham / BMW Group Hams Hall, Dr. Thomas Heinlein / CSC Deutschland Solutions Wolfgang Bartl / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Erwin Fandl / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Eric Gruber / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Andreas Lang / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Peter Schober / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Martin Taucar / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Franz Trummer / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Franz Weghofer / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, Dr. Hans-Joachim Rudolph / Ford Werke GmbH. Köln, Dr. Udo Pletat / IBM Labor Böblingen, Dr. Roland Klenner / MHP, Robert John / Microsoft Österreich GmbH und Mario Szpuszta / Microsoft Österreich GmbH. Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Ewald Haar / Magna Steyr Fahrzeugtechnik Graz, der sich und seine Ideen in diesem Buch hoffentlich wiederfinden wird, da er viele beigesteuert oder deren Entwicklung angestoßen hat. Zuletzt danke ich auch meiner Frau Margit für die unendliche Geduld und die Unterstützung, die sie für mich während der Erstellung dieses Buches aufgebracht hat.
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Inhaltsverzeichnis 1.
Überblick über die Automobilfertigung .................................................. 15 1.1. Die Automobilindustrie in Zahlen ..................................................... 15 1.1.1. Automobilproduktion nach Ländern.............................................. 15 1.1.2. Die größten Automobilproduzenten .............................................. 16 1.1.3. Die Automobilindustrie in Deutschland ........................................ 18 1.1.4. IT und Organisationskosten ........................................................... 19 1.2. Trends und Herausforderungen in der Fertigung ............................... 20 1.3. Fertigungstechnologien ..................................................................... 23 1.3.1. Presswerk....................................................................................... 26 1.3.2. Karosserierohbau ........................................................................... 27 1.3.3. Lackiererei ..................................................................................... 31 1.3.4. Motormontage ............................................................................... 32 1.3.5. Fahrzeugendmontage ..................................................................... 33 1.3.6. Zertifizierung und Auslieferung .................................................... 35 1.4. Die Automobilfertigung als komplexes System ................................ 37 1.5. Das soziale Umfeld der Fertigung ..................................................... 38 1.5.1. Fahrzeugendmontage bei Volvo in Uddevalla............................... 38 1.5.2. Fahrzeugendmontage bei Volkswagen H54 .................................. 40 1.5.3. Das Toyota Produktionssystem ..................................................... 41 1.6. Abgrenzung zu anderen Industrien .................................................... 43
2.
Modellierung von Fertigungsprozessen.................................................. 45 2.1. Grundlagen zur Modellbildung ......................................................... 45 2.2. Stückliste ........................................................................................... 47 2.3. Auftragskopf ...................................................................................... 48 2.4. Materialdaten ..................................................................................... 50 2.5. Stücklistenerstellung.......................................................................... 52 2.6. Stücklistenauflösung.......................................................................... 52 2.6.1. Methoden für die Stücklistenauflösung ......................................... 54 2.7. Bedarfsrechnung ................................................................................ 56 2.8. Perlenketten, Subaufträge und Karossentausch ................................. 59 2.9. Ressourcenplan .................................................................................. 60 2.9.1. Hierarchischer Aufbau des Ressourcenplans................................. 63 2.9.2. Konfiguration des Teileflusses ...................................................... 64 2.9.3. Erstellung und Pflege des Ressourcenplans................................... 67 2.9.4. Standardisierung ............................................................................ 68 2.10. Prozessplan ........................................................................................ 69 2.10.1. Ablauf der Arbeitsplanung ........................................................ 71 2.10.2. Abtaktung .................................................................................. 72
3.
Einführung in Produktionsleitsysteme .................................................... 75 3.1. Das Ebenenmodell des Unternehmens .............................................. 75
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Inhaltsverzeichnis
3.2. Der Aufbau von Produktionsleitsystemen ......................................... 76 3.2.1. Softwarestruktur am Produktionsleittechnik Server ...................... 80 3.2.2. Basissoftware am Produktionsleittechnik Server........................... 83 3.2.3. Software für die Produktionsleittechnik ........................................ 84 3.3. Datenschnittstellen............................................................................. 86 3.3.1. Netzwerkinfrastruktur .................................................................... 87 3.3.2. Feldbusse und Produktionsleitsysteme .......................................... 88 3.3.3. Datenkopplungen zu SPS .............................................................. 89 3.3.4. OPC (OLE for Process Control) .................................................... 91 3.3.5. SPS Programmierstandards ........................................................... 97 3.3.6. Schnittstellen zu PC-basierten Systemen ....................................... 98 3.3.7. Dateninhalte ................................................................................... 99 3.3.8. Aufbau der Anlagendatenkopplung ............................................. 101 3.3.9. Message Queuing Systeme .......................................................... 104 3.4. Nachrichtenverarbeitung in der Datenbank ..................................... 104 3.5. Schnittstellen zur ERP Ebene .......................................................... 106 3.5.1. Dateninhalte ................................................................................. 106 3.5.2. Produktionsleitsysteme versus ERP-Systeme .............................. 109 3.5.3. ISA S.95 ...................................................................................... 113 3.5.4. Die technische Ausführung der ERP Anbindung ........................ 114 3.6. Die Funktionen eines Produktionsleitsystems ................................. 115 3.6.1. Übersicht über die Funktionen..................................................... 116 3.7. Der Nutzen von Produktionsleitsystemen........................................ 117 3.7.1. Nutzen in der Inbetriebnahme ..................................................... 118 3.7.2. Nutzen in der Betriebsphase ........................................................ 119 4.
Teileidentifikation und Teileverfolgung ................................................ 121 4.1. Einleitung ........................................................................................ 121 4.2. Verfahren zur Identifikation von Teilen .......................................... 121 4.2.1. Barcodes ...................................................................................... 122 4.2.2. Transponder mit induktiver Lesung ............................................. 124 4.2.3. RFID Transponder ....................................................................... 124 4.2.4. Einwegtransponder ...................................................................... 126 4.2.5. Lochrasterplatten ......................................................................... 127 4.3. Planung der Teileidentifikation ....................................................... 128 4.3.1. Datenverbindung zu Identifikationssystemen .............................. 130 4.4. Teileverfolgung ............................................................................... 132 4.4.1. Systemmodell für die Teileverfolgung ........................................ 132 4.4.2. Teileverfolgung und manuelle Arbeitsgänge ............................... 136 4.4.3. Teileverfolgung in der Zertifizierung und Auslieferung.............. 137 4.4.4. Verfolgung von Sequenzteilen und A-Teilen .............................. 138 4.4.5. Verfolgung von Betriebsmitteln .................................................. 138 4.4.6. Notfallstrategien .......................................................................... 139 4.4.7. Teilezähler und KPI Ermittlung................................................... 141
Inhaltsverzeichnis
4.4.8.
xi
Ansteuerung von Betriebsmitteln ................................................ 141
5.
Überwachung von Fertigungseinrichtungen ......................................... 145 5.1. Anlagenvisualisierung ..................................................................... 145 5.1.1. Konfiguration der Visualisierung ................................................ 145 5.1.2. Beispiele für die Anlagenvisualisierung ...................................... 146 5.2. Anlagenkennzahlen ......................................................................... 149 5.2.1. Gängige Anlagenkennzahlen ....................................................... 150 5.2.2. Der Einsatz von Maßzahlen ......................................................... 157 5.2.3. Managementregelkreise ............................................................... 158 5.2.4. OEE (Overall Equipment Efficiency) .......................................... 161 5.2.5. Kennzahlen für manuelle Arbeitsgänge....................................... 168 5.2.6. Kennzahlen für Linien und Gewerke........................................... 169 5.3. Das Betriebskennlinienverfahren .................................................... 172 5.3.1. Das Trichtermodell der Fertigung ............................................... 172 5.3.2. Das Durchlaufdiagramm ............................................................. 173 5.3.3. Das Sechs-Partner Modell ........................................................... 177 5.3.4. Die Betriebskennlinien ................................................................ 180 5.3.5. Die Ermittlung der Betriebskennlinien ........................................ 183 5.3.6. Optimierungsansätze ................................................................... 186 5.4. Berichtswesen .................................................................................. 188 5.4.1. Berichte und OLTP...................................................................... 189 5.4.2. Dateninhalte von Berichten ......................................................... 190 5.4.3. Anforderungen an den Berichtsserver ......................................... 192
6.
Unterstützung der Instandhaltung ........................................................ 195 6.1. Einleitung ........................................................................................ 195 6.2. RCM (Reliability Centered Maintenance) ....................................... 196 6.2.1. Klassifizierung von Anlagenfehlern ............................................ 198 6.2.2. Selbstoptimierung in 7 Steps ....................................................... 200 6.2.3. Abrechnung der Instandhaltungskosten ....................................... 203 6.3. Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Wartung .................... 204 6.3.1. Alarmierung................................................................................. 204 6.3.2. Workflows für Alarme ................................................................ 209 6.3.3. Best Practice ................................................................................ 211 6.3.4. Anlagendokumentation................................................................ 212 6.3.5. Notfahrweisen ............................................................................. 213 6.4. Funktionen für die vorbeugende Wartung ....................................... 214 6.4.1. Verteilung der Ausfallswahrscheinlichkeit.................................. 214 6.4.2. Zustandsüberwachung ................................................................. 216 6.4.3. Versteckte Redundanzen ............................................................. 217 6.4.4. Kalibrierung von Messmitteln ..................................................... 218 6.4.5. Wartung von Schweißzangen ...................................................... 218 6.4.6. Wartungstrigger ........................................................................... 219
xii
Inhaltsverzeichnis
6.4.7. 6.4.8.
TPM ............................................................................................. 220 Wartungsmanagementsysteme .................................................... 222
7.
Prozessabsicherung ................................................................................. 225 7.1. Einleitung ........................................................................................ 225 7.2. Klassifikation von Fehlern............................................................... 225 7.2.1. Von Menschen verursachte Fehler .............................................. 226 7.2.2. Von Maschinen verursachte Fehler ............................................. 226 7.3. Die Behandlung von Fehlern ........................................................... 227 7.4. Beispiele zur Prozessabsicherung .................................................... 231 7.4.1. Sortiertisch für Bordliteratur........................................................ 231 7.4.2. Auswahl von Lagerschalen für Rennmotore................................ 231 7.4.3. Sicherheitskritische Verschraubungen ......................................... 233 7.4.4. Rückmeldung an die Werker ....................................................... 234 7.4.5. Fabrikanzeigen............................................................................. 235 7.4.6. Beschallungsanlage ..................................................................... 236 7.4.7. Produktionsleittechnik Client ...................................................... 237 7.4.8. Leuchten ...................................................................................... 238 7.4.9. Anschlagtafeln ............................................................................. 238 7.4.10. Intranet..................................................................................... 239 7.4.11. Publikationen ........................................................................... 239
8.
Versorgung manueller Arbeitsplätze ..................................................... 241 8.1. Einleitung ........................................................................................ 241 8.2. Grundlegende Funktionsabläufe ...................................................... 242 8.3. Schnittstelle zum ERP System......................................................... 243 8.3.1. Fahrzeugspezifische Informationen vom ERP System ................ 243 8.3.2. Rückmeldungen zum ERP System .............................................. 246 8.4. Der Prozessplan ............................................................................... 249 8.4.1. Arbeitsgänge ................................................................................ 251 8.4.2. Arbeitsschritte.............................................................................. 252 8.4.3. Abtaktung .................................................................................... 253 8.4.4. Produktionslenkungspläne nach ISO/TS 16949 .......................... 255 8.5. Das Teilemodell............................................................................... 257 8.5.1. Fahrzeugeigenschaften ................................................................ 258 8.5.2. Variable Prozessdaten (VPD) ...................................................... 258 8.6. Regelwerke und Logiken ................................................................. 260 8.6.1. Entscheidungstabellen ................................................................. 260 8.6.2. Skriptsprachen ............................................................................. 261 8.6.3. Standardprogrammiersprachen .................................................... 261 8.7. Der Produktionsleittechnik Client ................................................... 262 8.7.1. Die Abnahmemaske ..................................................................... 262 8.7.2. Fehlteilerfassung .......................................................................... 265 8.7.3. Freie Problemeinträge.................................................................. 266
Inhaltsverzeichnis
xiii
8.7.4. Lackfehlererfassung .................................................................... 267 8.7.5. Werkerinformationssystem.......................................................... 268 8.8. Einsatzsteuerung .............................................................................. 270 8.8.1. Einsatzsteuerung für Material ...................................................... 271 8.8.2. Einsatzsteuerung für Abtaktungsänderungen .............................. 271 8.9. Produktionskennzahlen.................................................................... 272 9.
Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen .......................... 275 9.1. Handhabung von Produktionsdaten ................................................. 275 9.1.1. Datenaustausch zwischen Server und Anlage ............................. 275 9.1.2. Auslegung der Anlagensoftware ................................................. 279 9.1.3. Ermittlung von Produktionsdaten ................................................ 281 9.1.4. Die Formatierung von Daten und Datenaustauschprotokolle ...... 284 9.1.5. Datenkommunikation mit SPS .................................................... 285 9.2. Produktionsrückmeldungen ............................................................. 287 9.2.1. Formate von Produktionsrückmeldungen .................................... 287 9.2.2. Die Konfiguration von Produktionsrückmeldungen .................... 289 9.2.3. Abzeichnen von offenen Punkten ................................................ 289 9.2.4. VPD Eingabe ............................................................................... 290 9.2.5. Anlegen freier Problempunkte..................................................... 291 9.2.6. Diagnose und Überwachung ........................................................ 291
10.
Steuerung des Teileflusses ...................................................................... 293 10.1. Einleitung ........................................................................................ 293 10.2. Basisaufgaben der Teileflusssteuerung............................................ 294 10.2.1. Vorlaufterminierung ................................................................ 294 10.2.2. Maschinenbelegungsplanung................................................... 298 10.2.3. Sequenzierung von Fertigungslinien ....................................... 306 10.3. JIT (Just In Time) Fertigung............................................................ 310 10.3.1. Vor- und Nachteile von Lagern ............................................... 310 10.3.2. Einsatzvoraussetzungen für JIT ............................................... 312 10.3.3. Einsatzbereiche von JIT........................................................... 313 10.3.4. Produktionsleitsysteme und JIT............................................... 314 10.4. KANBAN ........................................................................................ 321 10.4.1. Einleitung ................................................................................ 321 10.4.2. Auslegung von Kanban Regelkreisen ...................................... 323 10.4.3. Kanbans ................................................................................... 325 10.4.4. Kanban Steuerung mittels Plantafel......................................... 326 10.4.5. Produktionsleitsysteme und Kanbans ...................................... 328
11.
Nacharbeitssteuerung ............................................................................. 331 11.1. Einleitung ........................................................................................ 331 11.2. Steuerung der Nacharbeit ................................................................ 332 11.2.1. Erfassung und Anzeige des Nacharbeitsbedarfs ...................... 333
xiv
Inhaltsverzeichnis
11.2.2. 11.2.3. 11.2.4. 11.2.5. 11.2.6.
Erfassung von Nacharbeiten .................................................... 334 Terminierung von Nacharbeiten .............................................. 337 Kostenerfassung und Kontierung............................................. 338 Berichtswesen .......................................................................... 339 Best Practice ............................................................................ 340
12.
Zertifizierung und Auslieferung ............................................................ 341 12.1. Einleitung ........................................................................................ 341 12.2. Lackfehlererfassung und Lacknacharbeit ........................................ 341 12.2.1. Erfassung von Lackfehlern ...................................................... 342 12.2.2. Nacharbeit................................................................................ 343 12.2.3. Auswertung.............................................................................. 343 12.3. Stellplatzverwaltung ........................................................................ 344 12.3.1. Unterstützung der Stellplatzverwaltung................................... 345 12.3.2. Inventur.................................................................................... 346 12.4. Verladung ........................................................................................ 347 12.4.1. Übernahme durch den Spediteur.............................................. 347 12.4.2. Verpackung.............................................................................. 347 12.4.3. Verladung ................................................................................ 348
13.
Systemanforderungen ............................................................................. 351 13.1. Einleitung ........................................................................................ 351 13.2. Systemverfügbarkeit ........................................................................ 351 13.2.1. Management der Systemverfügbarkeit .................................... 353 13.2.2. Fehlerquellen ........................................................................... 354 13.3. Verlässlichkeit ................................................................................. 358 13.3.1. Korrektheit ............................................................................... 358 13.3.2. Robustheit ................................................................................ 360 13.3.3. Kritikalität................................................................................ 361 13.4. Zugriffsschutz .................................................................................. 361 13.4.1. SOX ......................................................................................... 362 13.4.2. Authentifizierung ..................................................................... 362 13.4.3. Benutzerverwaltung ................................................................. 363 13.5. Nachvollziehbarkeit ......................................................................... 364 13.6. Datensicherheit ................................................................................ 365 13.6.1. Datensicherheit im OLTP System ........................................... 366 13.6.2. Datensicherheit für historische Daten ...................................... 366 13.6.3. Datenarchivierung ................................................................... 367 13.7. Zeitverhalten .................................................................................... 367 13.7.1. Meldepipelines......................................................................... 368 13.8. Wartbarkeit ...................................................................................... 369 13.8.1. Incident Management .............................................................. 370 13.8.2. Change Management ............................................................... 370 13.9. Weitere Anforderungen ................................................................... 371
Inhaltsverzeichnis
13.9.1. 13.9.2. 13.9.3.
xv
Dokumentation ........................................................................ 371 Sprachen .................................................................................. 373 Schulung .................................................................................. 374
14.
Implementierung von Produktionsleitsystemen ................................... 375 14.1. Das Einführungsprojekt ................................................................... 375 14.1.1. Aufgaben im Einführungsprojekt ............................................ 375 14.2. Projektablauf ................................................................................... 377 14.2.1. Simultaneous Engineering ....................................................... 377 14.2.2. Ablauf des Einführungsprojekts .............................................. 379 14.2.3. Vorgehensmodelle ................................................................... 380 14.3. Projektorganisation .......................................................................... 382 14.3.1. Das Projektumfeld ................................................................... 382 14.3.2. Das Projektteam ...................................................................... 383 14.4. Konfigurationsmanagement ............................................................ 384 14.5. Qualitätsmanagement ...................................................................... 385 14.5.1. Qualität im Anforderungsmanagement.................................... 385 14.5.2. Qualität im Softwareentwicklungsprozess .............................. 386 14.5.3. Qualitätssicherung bei Test und Inbetriebnahme..................... 387 14.5.4. Qualitätssicherung in der Prozessentwicklung ........................ 387 14.6. Projektmanagement ......................................................................... 388 14.6.1. Projektziele .............................................................................. 388 14.6.2. Aufgaben des Projektmanagements......................................... 389 14.6.3. Projekte als soziale Konstrukte................................................ 390 14.6.4. Managementwerkzeuge ........................................................... 391
15.
Der Betrieb von Produktionsleitsystemen ............................................. 393 15.1. Aufgaben der Betriebsführung ........................................................ 393 15.2. ITIL – IT Infrastructure Library ...................................................... 394 15.2.1. Einführung ............................................................................... 394 15.2.2. Incident Management .............................................................. 395 15.2.3. Problem Management .............................................................. 399 15.2.4. Change Management ............................................................... 402 15.3. Qualitätssicherung ........................................................................... 404 15.3.1. Qualität des Problem Managements ........................................ 405 15.3.2. Qualität von CIs....................................................................... 406 15.3.3. Qualität von Eingabemasken und Schnittstellen ..................... 407 15.4. Systemadministration ...................................................................... 407 15.4.1. Überwachung des Systembetriebs ........................................... 407 15.4.2. Upgrades und Patches.............................................................. 409 15.4.3. Virenschutz .............................................................................. 409 15.4.4. Sicherung und Archivierung .................................................... 410 15.4.5. Benutzerverwaltung ................................................................. 410
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Inhaltsverzeichnis
16.
Abbildungsverzeichnis ............................................................................ 411
17.
Tabellenverzeichnis ................................................................................. 417
18.
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... 419
19.
Literaturverzeichnis ................................................................................ 423
20.
Sachverzeichnis........................................................................................ 427
1. Überblick über die Automobilfertigung Dieser Abschnitt beschreibt die wesentlichen Grundzüge der Automobilproduktion, soweit diese für den Aufbau und den Einsatz von Produktionsleitsystemen relevant sind. Nach einem Überblick über die verschiedenen Fertigungstechnologien wird auf Trends und Herausforderungen eingegangen, denen sich ein Automobilbauer heute stellen muss. Ebenso werden verschiedene Philosophien in der Fertigung beschrieben. Eine Abgrenzung zu anderen Fertigungsindustrien soll dem Leser einen Einblick in die Besonderheiten der Automobilproduktion vermitteln. Außerdem werden der Einsatz und die Bedeutung von Produktionsleitsystemen vor diesem wirtschaftlichen und technologischen Hintergrund umrissen.
1.1. Die Automobilindustrie in Zahlen Dieser Abschnitt präsentiert wesentliche Statistiken über die Automobilindustrie und deren Entwicklung weltweit. Aus diesen Zahlen können einige wesentliche Trends abgeleitet werden.
1.1.1. Automobilproduktion nach Ländern Die größten Herstellerländer von Fahrzeugen (PKW, LKW und Busse), (OICA, 2007) sind in Tabelle 1.1 aufgeführt. Das Jahr 2006 war ein wichtiger symbolischer Markstein, denn Japan hat die USA erstmals als weltweit größtes Herstellerland von Fahrzeugen überholt. In der Produktion von Personenkraftwagen war Japan ja schon längere Zeit führend, nun hat es die USA auch in der Gesamtmenge produzierter Fahrzeuge übertroffen. Während die Absatzraten und die Produktionszahlen in den traditionellen Industrieländern stagnieren, legen vor allem die Tigerstaaten in Asien stark zu. Auch in Bezug auf diese Entwicklung ist die Statistik für das Jahr 2006 bezeichnend, denn China hat Deutschland erstmals in der Gesamtfahrzeugproduktion überholt und hält nun Platz drei in der Rangliste. Auch Indien hat es 2006 erstmals in die Top 10 der Herstellerländer geschafft. Hierfür ist ausschlaggebend, dass der Automobilabsatz in Asien auf Grund der rasanten wirtschaftlichen Entwicklungen stark zunimmt und die Automobilhersteller der Globalisierung Folge leisten und daher vermehrt Produktionsanlagen in diesen Staaten errichten. Auch Südamerika gilt als einer der möglichen Hoffnungsmärkte für die Automobilhersteller wenn die
2
Überblick über die Automobilfertigung
Prognosen für das Wirtschaftswachstum in den Ländern dieses Kontinents eintreffen. Tabelle 1.1 – Die größten Herstellerländer von Fahrzeugen Rang
Land
2004
2005
2006
2007
1.
Japan
10.511.518
10.799.659
11.484.233
11.596.327
2.
USA
11.989.387
11.946.653
11.263.986
10.780.729
3.
China
5.234.496
5.708.421
7.188.708
8.882.456
4.
Deutschland
5.569.954
5.757.710
5.819.614
6.213.460
5.
Südkorea
3.469.464
3.699.350
3.840.102
4.086.308
6.
Frankreich
3.665.990
3.549.008
3.169.219
3.019.144
7.
Brasilien
2.317.227
2.530.840
2.611.034
2.970.818
8.
Spanien
3.012.174
2.752.500
2.777.435
2.889.703
9.
Kanada
2.711.536
2.687.892
2.572.292
2.578.238
10.
Indien
1.511.157
1.638.674
2.019.808
2.306.768
11.
Mexiko
1.577.159
1.684.238
2.045.518
2.095.245
12.
UK
1.856.539
1.803.109
1.648.388
1.750.253
13.
Russland
1.386.127
1.354.504
1.508.358
1.660.120
14.
Italien
1.142.105
1.038.352
1.211.594
1.284.312
15.
Thailand
927.981
1.122.712
1.194.426
1.238.460
16.
Türkei
823.408
879.452
987.780
1.099.414
WELT
64.496.220
66.482.439
69.257.914
73.101.695
Derzeit sind noch keine offiziellen Zahlen für 2008 und angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise schon gar keine verlässlichen Prognosen für 2009 verfügbar. Generell gehen viele Analysten und Manager in der Branche von einem Marktrückgang zwischen 10 und 20% in 2009 aus. Die regionale Verteilung dürfte sehr unterschiedlich sein. Während die Rückgänge in Europa und Asien in einem geringen Rahmen bleiben sollten, wird in Russland und vor allem in den USA mit erheblichen Problemen gerechnet.
1.1.2. Die größten Automobilproduzenten Tabelle 1.2 gibt die größten Automobilkonzerne nach Stückzahlen wieder (Basis 2006, (OICA, 2007)). Toyota konnte den Absatz im Jahr 2006 auf über 8 Millionen Einheiten steigern, während die Zahlen bei GM weiter zurückgingen, sodass damit zu rechnen ist, dass trotz der Daewoo Akquisition durch GM Toyota in kurzer Zeit (wahrscheinlich schon 2007) die Spitze als weltgrößter Automobilbauer erklimmen
Die Automobilindustrie in Zahlen
3
wird. Die US Autobauer kämpfen mit den Folgen einer verfehlten Produktpolitik in den letzten Jahren. Durch die steigenden Treibstoffpreise wächst auch in den USA die Nachfrage nach sparsamen Kleinwagen, die derzeit vor allem von den Autoherstellern aus Europa und Asien befriedigt werden kann. Tabelle 1.2 – Die größten Automobilkonzerne Rang Konzern
Gesamt
PKW
Leicht LKW
SchwerLKW
Busse
1.
GM
8.926.160 5.708.038 3.156.888
43.838
17.396
2.
TOYOTA
8.036.010
6.800.228 1.049.345
122.569
63.868
3.
FORD
6.268.193 3.800.633 2.386.296
81.264
4.
VOLKSWAGEN
5.684.603
5.429.896
219.537
29.175
5.995
5.
HONDA
3.669.514 3.549.787
119.727
6.
PSA
3.356.859
2.961.437
395.422
7.
NISSAN
3.223.372
2.512.519
570.136
134.874
5.843
8.
CHRYSLER
2.544.590
9.
RENAULT
2.492.470 2.085.837
10.
HYUNDAI
2.462.677 2.231..313
966
145.120
85.278
11.
FIAT
2.317.652 1.753.673
450.544
89.071
24.364 50.807
710.291 1.834.299 406.633
12.
SUZUKI
2.297.277 2.004.310
292.967
13.
DAIMLER CHRYSLER
2.044.533 1.275.152
378.278
340.296
14.
MAZDA
1.396.412
1.169.640
223.995
2.777
15.
KIA
1.381.123
1.181.877
197.060
16.
BMW
1.366.838 1.366.838
17.
MITSUBISHI
1.313.409 1.008.970
296.431
8.008
18.
DAIHATSU
1.084.721
905.932
166.667
12.122
19.
AVTOVAZ
765.627
765.627
20.
FUJI
587.274
507.552
2.186
79.722
Vor allem bei den US-Autokonzernen muss angesichts der dort schwierigen Finanzlage im Jahr 2009 mit erheblichen Einbrüchen im Absatz aber auch mit Änderungen in der Produktpalette gerechnet werden. Ein weiteres Problem mit dem die Automobilhersteller weltweit konfrontiert sind, ist ein Überhang an Produktionskapazitäten. Abb. 1.1 zeigt die Situation nach Regionen im Jahr 2004 (Quelle: (Becker, 2006) Abbildung 11, Seite 25).
4
Überblick über die Automobilfertigung
Südamerika Nordamerika Osteuropa Westeuropa Mittlerer Osten & Afrika Asien & Pazifik 0
5
Produktion in Mio.
10
15
20
25
30
Überkapazität in Mio.
Abb. 1.1 – Produktion und Produktionsüberkapazität nach Regionen
Die Überkapazität ist nicht über alle Hersteller gleich verteilt. Während z.B. Volkswagen seine Produktionskapazitäten zu etwa 75 % ausnutzt, ist z.B. bei BMW die Ausnutzung mit mehr als 95% erheblich höher. (Quelle: (Becker, 2006), Table 1, Seite 21). Diese Überkapazitäten wirken sich erheblich auf die Produktionskosten und durch schlechte Volumendegression der Fixkosten auf die Profitabilität von ganzen Produktlinien aus. In vielen Fällen reagieren die Hersteller auf diese Situation durch Schließung von Produktionsstätten. Andere Möglichkeiten, die Auslastungssituation der Fertigungslinien zu verbessern, bieten z.B. Drehscheibenkonzepte, die es ermöglichen, verschiedene Modelle in verschiedenen Mischungsverhältnissen auf mehreren Bändern an mehreren Standorten zu bauen. Drehscheibenkonzepte können nur dann sinnvoll umgesetzt werden, wenn die Produktionsanlagen und Logistikketten entsprechend flexibel gestaltet sind. Zusätzlich stellt ihre Verwirklichung nennenswerte Anforderungen an Produktionsleitsysteme, da man um Konzepte, die allgemein unter dem Begriff „digitale Fabrik“ zusammengefasst werden, praktisch nicht mehr herumkommt. Grundlagen der digitalen Fabrik werden in (VDI, 2008) formuliert.
1.1.3. Die Automobilindustrie in Deutschland Die Zahlen in Tabelle 1.3 charakterisieren die Automobilindustrie in Deutschland (IG Metall, 2007).
Die Automobilindustrie in Zahlen
5
Tabelle 1.3 – Grundlegende Zahlen zur Automobilindustrie in Deutschland1 2002
2003
2004
2005
Beschäftigte weltweit
Alle Hersteller in Deutschland
876.495
896.320
900.416
900.975
Beschäftigte Deutschland
508.837
508.794
508.274
501.861
Umsatz in Mio. Euro
311.672
295.387
308.966
327.144
Umsatz PKW-Geschäft in Mio. Euro
255.625
243.177
249.265
250.528
82,0
82,3
80,7
76,6
13.971
7.028
8.574
9.887
4,5
2,4
2,8
3,0
Löhne und Gehälter in %
12,9
13,6
13,1
12,7
F+E in % (ohne Porsche)
4,7
4,8
4,7
4,8
Anteil PKW-Umsatz in Prozent Operatives Ergebnis in Mio. Euro Operative Umsatzrendite in %
Eigenkapitalquote in % Operativer Cash flow in Mio. Euro Investitionsquote (ohne Finanz DL)
20,2
20,6
19,7
18,9
21.404
18.664
20.558
18.837
71,6
98,8
81,2
80,7
Ebenso wie der Absatz von Fahrzeugen, stagniert auch die Beschäftigungsquote in der Deutschen Automobilindustrie. Die deutschen Automobilbauer sind nach wie vor unangefochtene Marktführer auf ihrem Heimmarkt, wobei allerdings ein nennenswerter Anteil der verkauften Fahrzeuge aus Fertigungsstätten stammt, die nicht in Deutschland errichtet wurden. Der Anteil der Löhne und Gehälter am Gesamtumsatz liegt bei knapp 13%. Dies zeigt, dass ein geringerer Stundensatz für Arbeitnehmer in Billiglohnländern kein wesentliches Argument für die Auslagerung von Fertigungsstätten in andere Regionen sein kann. Vielmehr folgt die Fertigung regional dem Absatz, sodass Produktionsstätten vor allem in jenen Ländern errichtet werden, in denen der Absatz entsprechend ansteigt.
1.1.4. IT und Organisationskosten Bei der Automobilfertigung handelt es sich um eine mehrstufige Serienproduktion von komplexen Produkten mit einer Vielzahl von Varianten. Aus diesem Grund ist die Automobilindustrie ein Vorreiter bei der Einführung neuer Konzepte für die Entwicklung, Produktion und Logistik. Konzepte, wie Just-in-Time oder Just-InSequence Fertigung, Supply Chain Management, TPM, TQM stammen nicht umsonst aus der Automobilindustrie. Obwohl die Automobilhersteller riesige Fortschritte in diesen Bereichen gemacht haben, stellen die Kosten, die im weitesten Sinne in den Bereich Informatik und Organisation fallen mit beinahe 50% der gesamten Fertigungskosten immer noch einen erheblichen Anteil dar. Abb. 1.2 wurde vom Autor auf Basis von Zahlen zusammengestellt, die nach Angaben in den
1
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der IG Metall, Frankfurt / Main
6
Überblick über die Automobilfertigung
Bilanzen deutscher Hersteller und diversen Vorträgen in etwa typisch waren (Bernhard, 2006), BMW AG Jahresabschluss 2007, (BMW AG, 2008). Konstruktion und Methodenplanung 10%
Verwaltung, Vertrieb, Logistik 11%
Material 38%
Sonstige Fertigungsgemeinkosten 19%
Direkte Verkaufskosten 4%
Lohnkosten 12%
AFA 6%
Abb. 1.2 – Typische Aufteilung der Fertigungskosten
Viele der Kosten in diesem Bereich fallen immer noch unter Gemeinkosten, werden also nicht einzeln erfasst und zugeordnet. Die Einführung von Produktionsleitsystemen in der Automobilfertigung kann entscheidend zur Kontrolle und Senkung der Kosten in diesem Bereich beitragen und ist daher ein nicht unerheblicher Faktor, der bei Programmen zur Kostensenkung unbedingt zu berücksichtigen ist. In den letzten Jahren ist im Bereich der Produktionsleitsysteme ein regelrechter Boom ausgebrochen. Dies erklärt sich vielfach sicherlich auch durch die erheblichen Verbesserungspotenziale, die in diesem Bereich noch brach liegen. Während in den letzten Jahren viele Verbesserungs- und Einsparungsmöglichkeiten im Bereich der Automatisierung, Logistik und ERP Systeme realisiert wurden, bewegt sich der Focus nur mehr und mehr in Richtung von Verbesserungen an Produktionssystemen.
1.2. Trends und Herausforderungen in der Fertigung Die Automobilindustrie stellt ein sehr dynamisches Umfeld dar, in dem das einzig Stabile die ständige Veränderung ist. In diesem Abschnitt sollen einige Trends angesprochen werden, die für die aktuelle Entwicklung in der Automobilfertigung von Bedeutung sind. Bei praktisch allen Automobilherstellern ist eine Diversifizierung der Produktpalette zu beobachten, die durch verschiedene Strategien und Rahmenbedingungen bewirkt wird. Praktisch alle Automobilbauer investieren in die Eroberung von
Trends und Herausforderungen in der Fertigung
7
Marktnischen. Sie stellen Produkte in immer kleineren Stückzahlen für immer spezifischere Kundenkreise her. Beispiele sind Cabrios, Coupés mit versenkbarem Dach oder SUVs. Hierdurch sinkt die Stückzahl pro Modell ebenso wie die Produktlebensdauer. Als Folge sinken auch die Stückzahl und damit die Bedeutung von Volumenmodellen. Weiters haben alle Automobilbauer mit einer steigenden Komplexität der Produkte zu kämpfen. Die Technik schreitet im Automobilbau enorm voran. In praktisch allen Bereichen, wie Sicherheit, Elektronik, Motorentechnologie, Komfort etc. werden ständig neue Systeme und Produkte vorgestellt, die den Automobilherstellern als Unterscheidungsmerkmal am Markt dienen. Dies führt zunehmend zu Problemen, die steigende Komplexität der Produkte in der Fertigung zu beherrschen. Beispiele, wie Rückrufaktionen oder Elektrikprobleme, die die Pannenstatistik seit Jahren anführen, führen dies eindringlich vor Augen. In vielen Fällen führt diese Komplexität auch zu einem überbordenden aber ungeordneten Einsatz von EDV Mitteln, dem es mit geeigneten Strategien zu begegnen gilt. Neue und ständig schärfere gesetzliche Vorgaben in den Zielmärkten bewirken weiteren Druck auf die Automobilhersteller. Die Anforderungen, die aus gesetzlichen Vorgaben in verschiedenen Märkten resultieren, haben steigenden Einfluss auf die Fertigung. Als Beispiele zu nennen sind Produkthaftungsbestimmungen, welchen nur mit erheblichen Aufwänden zur Herstellung der Rückverfolgbarkeit der Produktion begegnet werden kann oder Vorgaben zur Verkehrssicherheit bzw. zu Umweltstandards. Die aktuelle CO2 Debatte schlägt sich in neuen Technologien wie z.B. Hybridantrieben, neuen gesetzlichen Bestimmungen, wie z.B. Begrenzungen des Flottenausstoßes an Treibhausgasen und einem veränderten Kaufverhalten der Kunden nieder. Die Globalisierung führt zu einer Konzentration von Ressourcen. Als Folge sinkt die Anzahl von unabhängigen Automobilkonzernen durch Akquisitionen und Zusammenschlüsse. Dies führt zu steigenden Anforderungen an Markenstrategien und damit zu einer steigenden Komplexität, indem z.B. Produkte verschiedener Marken auf einer Plattform entwickelt werden und zum Teil von einem Fertigungsband laufen. Andererseits verfolgen viele Automobilkonzerne die Strategie, Fahrzeuge in den jeweiligen lokalen Märkten für den jeweiligen lokalen Absatz zu bauen. Neben wirtschaftlichen Überlegungen (Währungsrisiko oder Lohnkosten) spielt auch politischer Druck vielfach eine Rolle bei solchen Produktionsverlagerungen (z.B. Umgehung von Einfuhrzöllen). Hierdurch sind Fertigungen für ein Fahrzeugmodell mehrfach aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. Zudem rechnen sich lokale Fertigungen oftmals nur dann, wenn Fertigungsmittel zwischen mehreren Modellen geteilt werden, was wiederum die Variantenvielfalt und somit die Komplexität erhöht. In den klassischen Automobilmärkten herrscht ein Verdrängungswettbewerb um Marktanteile. Dies führt zu einem erheblichen Preisdruck und damit auf Grund schrumpfender Margen zu einem erheblichen Kostendruck in der Produktion. In vielen Fällen wird diesem Druck einerseits durch Verringerung der Fertigungstiefe und Auslagerung von Produktion und Entwicklung an Lieferanten, andererseits
8
Überblick über die Automobilfertigung
durch Outsourcing von Produktions- und technischen Dienstleistungen begegnet. Dies erhöht durch Einführung von zusätzlichen Schnittstellen die Komplexität. Lieferanten und Anlagenbauer müssen den verringerten Wissensstand bei den Automobilherstellern kompensieren. Hierbei bleibt das Prozess- und Organisationswissen vielfach auf der Strecke. Produktionsleitsysteme können bei fachgerechter Implementierung eine Informationsdrehscheibe und eine Systembasis für die Unterstützung von Funktionen in der Fertigung sein. Hiermit bilden sie eine Plattform für die Absicherung des Anlaufs der Produktion sowie für eine ständige Prozessverbesserung im laufenden Betrieb und können somit helfen, die Konkurrenzfähigkeit der Produktion zu steigern und auf Weltklasseniveau zu halten. Abb. 1.3 zeigt die Situation.
Investitionskosten Automatisierungs- und IT-Systemtechnik Hardware Netzwerke Software Engineering Planung SPS-Programmierung Gerätekonfiguration MMI-Konfiguration Datenbankkonfiguration Schaltschrankbau und Installation Inbetriebnahme und Tests Schulungsaufwände
Betriebskosten Laufende Schulungsaufwände Wartungskosten Software- und Systemupdates Ersatzteile Anpassungen und Erweiterungen Konfiguration Programmierung Installation
Ertragsbestimmende Faktoren Time to Market Inbetriebnahmezeiten Durchsatz Taktzeit Maschinenverfügbarkeit MTBF / MTTR Diagnose Wiederaufnahme des Automatikbetriebs Qualität Qualitätsdaten schnell verfügbar Analyse von Fehlerhäufigkeiten Nachverfolgung von Defekten Einbinden manueller Eingaben OEE - Overall Equipment Efficiency
Agilität Integration betrieblicher Wertschöpfungsketten B2B Kommunikation Available to promise Produktionsplanung Instandhaltungsmanagement Maximieren des Wertes der Anlage Maximaler Return of Employed Capital
Abb. 1.3 – Fokus der Planung von einer Kostensicht hin zu ertragsbestimmenden Faktoren
In der Vergangenheit haben sich die Planungsstäbe und Einkaufsabteilungen der Automobilhersteller vor allem auf Investitions- und Betriebskosten von Produktionsanlagen konzentriert. Dies waren auch die Maßstäbe, nach denen der Erfolg dieser Abteilungen gemessen wurde. Die Optimierung ertragsbestimmender Faktoren im Betrieb der Anlage wurde den Werken überlassen, ohne dass diese mit Geldern, Personal und dem erforderlichen Wissen ausgestattet waren, um diese Aufgabe effektiv wahrzunehmen. Im aktuellen, von starkem Wettbewerb gekennzeichneten Umfeld werden die ertragsbestimmenden Faktoren und die Agilität der Fertigung immer wichtiger. Es ist erforderlich, ein Optimum aller dieser Einflussfaktoren, die sich zum Teil widersprechen, zu finden. Produktionsleitsysteme können, wenn sie zielgerichtet verstanden und eingesetzt werden, zu einer wichtigen Stütze im globalen Wettbewerb werden und er-
Fertigungstechnologien
9
heblich dazu beitragen, Kosten, Qualität und Liefertreue auf Weltklasseniveau zu halten. Zusätzlich sind Produktionsleitsysteme bei richtigem Einsatz eine hervorragende Plattform für die Implementierung von Managementregelkreisen und Prozessen zur ständigen Verbesserung.
1.3. Fertigungstechnologien Automobile sind komplexe Produkte, deren Fertigung in mehreren Schritten abläuft, wobei unterschiedliche Fertigungstechnologien eingesetzt werden. Die wichtigsten Technologien sind in Tabelle 1.4 aufgelistet. Tabelle 1.4 – Fertigungstechnologien im Automobilbau Technologie
Beschreibung
Presswerk
Herstellen von geformten Blechteilen durch Umformung und mechanische Bearbeitung (Pressen, Stanzen etc.)
Karosserierohbau
Herstellen der Rohkarosse
Lackiererei
Lackierung der Karosse
Teilefertigung
Fertigung von Teilen in mechanischer Fertigung wobei hauptsächlich spanende Fertigungstechniken zum Einsatz kommen
Motormontage
Montage von Motoren und Getrieben
Vormontagen
Vormontagen von Einbauteilen, wie Sitzen, Spiegel, Cockpits, Kühler, Fahrwerkskomponenten etc.
Fahrzeugendmontage
Endmontage des gesamten Fahrzeugs
Zertifizierung
Abschließende Prüfung und Qualitätssicherung
Auslieferung
Übergabe des fertigen Fahrzeugs an den Vertrieb
Diese Fertigungstechnologien unterscheiden sich stark hinsichtlich der verwendeten Produktionsressourcen, der Planungsmethoden, des Automatisierungsgrades und vieler anderer Parameter, wie Abb. 1.4 zeigt. Hierdurch ergeben sich auch Unterschiede hinsichtlich des Potenzials für den Einsatz von Produktionsleitsystemen. Da z.B. Vormontagen meist wesentlich einfacher aufgebaut sind, als Fahrzeugendmontagen, ist der Einsatz von Produktionsleitsystemen zwar dann sinnvoll, wenn diese in die Endmontage integriert oder eng an diese angebunden sind, wenn die Vormontagen aber abgekoppelt arbeiten, dann sollten sie ebenso wie Vormontagen bei Zulieferern mit sehr vereinfachten IT-Mitteln betrieben werden.
10
Überblick über die Automobilfertigung Presswerk
Zertifizierung
Rohbau
Endmontage
Lack
Vormontagen
M otormontage
Automatisierungsgrad Sequenzfolgerichtigkeit Variantenvielfalt Presswerk
Zertifizierung
Endmontage
Rohbau
Lack
Vormontagen
M otormontage
Kapitaleinsatz Flexibilität Potenzial für PLS
Abb. 1.4 – Bewertung von Fertigungstechnologien hinsichtlich technologischer Parameter
Abb. 1.5 zeigt den Zusammenhang dieser Fertigungstechnologien vom Blech bis zum fertigen Fahrzeug, wobei nur jene Technologien aufgelistet werden, die typischerweise beim Fahrzeugehrsteller selbst angesiedelt sind. Weitere Technologien, wie das Aufschäumen von Cockpits usw. sind bei den Zulieferern zu finden.
Mit Stahl- und Alublechen auf Coils beginnt der Fertigungsprozess eines Fahrzeugs
Werkzeug- und Anlagenbau Für Presswerk und Rohbau werden Werkzeuge und Anlagen konstruiert
Modulvormontage
Nacharbeit
Frontends, Sitze, Cockpits und andere komplexe Module werden in Sequenz vorgefertigt und an das Montageband geliefert.
Sollten in der Fertigung Mängel festgestellt worden sein, so werden diese hier beseitigt.
Presswerk
Rohbau
Lack
Trim
Hochzeit
Endmontage
Zertifizierung
Die Coils werden zugeschnitten und auf Transferpressen gestanzt und in Form gebracht.
Hunderte Blechteile werden hochautomatisiert mittels Roboter zu einer Karosserie gefügt. Schweißen, Nieten, Kleben
Die Karossen werden in einem mehrschichtigen Lackierprozess für die rauhe Umwelt auf der Straße vorbereitet.
Der Unterbau und die Innenausstattung des Fahrzeuges werden hauptsächlich in Handarbeit komplettiert
Die Karosserie wird nun mit dem vorbereiteten Motor, Getriebe und Antriebsstrang gefügt und verschraubt.
Die Fahrzeuge stehen auf eigenen Rädern und werden komplettiert. Elektroniktests und der erste Start des Motors geschehen hier.
Die Fahrzeuge gehen über Fahrwerkseinstellstand, Rollenprüfung und andere Tests. Ebenso werden Audio, Scheinwerfer und Lack geprüft.
Achsvormontage
Auslieferung
Die Komponenten des Antriebsstrangs werden vormontiert und für die Hochzeit aufbereitet.
Gießerei Motorteile werden gegossen. Je nach Anforderung von Grauguss bis hin zu AluminiumMagnesium Mix.
Mechanische Fertigung Motorkomponenten wie Motorblock, Zylinderkopf und Kurbelwelle werden in Bearbeitungszentren gefertigt.
Die Fahrzeuge werden verpackt, reisefertig gemacht und verladen, um anschließend das Werk per Bahn oder LKW zu verlassen.
Motormontage Die Motoren werden in hochautomatisierten Montagelinien aus hunderten Einzelteilen zusammengebaut und getestet.
Fertigungstechnologien
Abb. 1.5 – Zusammenhang der Fertigungstechnologien im Automobilbau
Ursprung
11
12
Überblick über die Automobilfertigung
In den folgenden Abschnitten sollen die Besonderheiten einiger Fertigungstechnologien kurz beschrieben werden, soweit dies für Produktionsleitsysteme von Belang ist.
1.3.1. Presswerk Das Presswerk steht am Beginn jeder Automobilfertigung. Die Aufgabe des Presswerkes ist es, aus Stahlblech, welches auf Rollen angeliefert wird, durch Umformen Blechteile für den Karosserierohbau herzustellen. Presswerke befinden sich meist nicht direkt im Autowerk, sondern an entfernten Standorten. Der Autor führt dies auf den hohen Energieverbrauch und die mechanischen Erschütterungen, die von den Pressen verursacht werden zurück. Transferpressen arbeiten mit einer sehr kurzen Taktzeit, sodass Teile für mehrere Fahrzeugproduktionslinien auf einer Pressenlinie gefertigt werden können. In vielen Fällen werden die Presswerke auch von Lieferanten betrieben, die Teile an den Karosserierohbau des Automobilherstellers zuliefern, wobei die Anlieferung meist nach einem JIT Prinzip (Just-In-Time) erfolgt. Oftmals werden Lieferabrufe an Presswerke auch über Kanbans gesteuert. Bei Pressenlinien sind die Verfügbarkeit und die Rüstzeiten die entscheidenden Kostenfaktoren. Heute hat sich die SMED Methode (Single Minute Exchange of Die) weitgehend durchgesetzt. Diese Methode wurde in Japan von Shigeo Shingo entwickelt (Shingo, 1987) und hat die Rüstzeiten von mehreren Stunden auf wenige Minuten reduziert. Die Idee hinter SMED ist, dass die Pressen über genormte Standardeinsätze für Presswerkzeuge verfügen, die sehr schnell ausgetauscht werden können. Hiermit ist es möglich, neue Werkzeuge neben den Pressen aufzurüsten, während diese gerade produzieren. Der Werkzeugwechsel kann sodann blitzschnell vorgenommen werden, da die Rüstaufwände praktisch parallel zur laufenden Presse anfallen. Pressen arbeiten auf Grund der Rüstaufwände nicht in Sequenz, sondern erzeugen Blechteile in Chargen, deren Losgrößen auf die jeweiligen Gebindegrößen abgestimmt sein müssen. Produktionsleitsysteme müssen in Presswerken eine Reihe von Aufgaben erfüllen, die in Tabelle 1.5 aufgelistet sind. In Presswerken kommen noch weitere Funktionen, die Berichtswesen, Energiemanagement etc. hinzu, welche aber nicht spezifisch für Presswerke sind. Viele Presswerke liefern bereits vorgefertigte Blechkomponenten an die Automobilbauer aus. Beispiele sind fertige Türen und Klappen, sowie Seitenrahmen etc. Aus diesem Grund befinden sich angeschlossen an die Pressenlinien oftmals Rohbauzellen mit Schweiß- und Klebetechnik. Da Presswerke vielfach Teile für mehrere Abnehmer herstellen, findet sich daher meist eine Ansammlung unterschiedlicher Anlagentechnik, die eine Instandhaltung und auch eine Anbindung an Produktionsleitsysteme aufwändiger macht.
Fertigungstechnologien
13
Tabelle 1.5 – PLS Aufgaben im Presswerk Aufgabe
Beschreibung
Chargenplanung
Planung der Produktionschargen auf Basis der Lieferabrufe, Rüstzeiten, Produktionsdauer, Verfügbarkeit von Blechen, Gebindeverfügbarkeit, Transportgegebenheiten, Wartungsintervallen, Werkzeugverschleiß
Werkerinformation für den Werkzeugwechsel
Anzeige des nächsten Zeitpunktes für den Werkzeugwechsel; Anzeige des nächsten erforderlichen Werkzeuges, welches aufzurüsten ist. Die Anzeige kann z.B. über Fabrikanzeigen erfolgen
Werkzeugverwaltung
Aufzeichnen der Takte je Werkzeug, sowie des Verschleißgrades. Verwaltung des Werkzeuglagers
Überwachung der Produktion
Ermitteln von Anzahl und Typ produzierter Blechteile und Rückmeldung in das Planungssystem. Anstoßen von Auslieferungen und Umlagerungen über das ERP System.
Gebindeverfolgung
Ermitteln der Position und des Status von Gebinden. Kennzeichnung von Gebinden. Zuordnung von Gebinden zu Produktionschargen.
Vorbeugende Instandhaltung
Erstellen von Wartungsplänen in Einklang mit dem Produktionskalender und den Wartungserfordernissen der Pressen. Zusätzlich können Methoden für die vorbeugende Fehlererkennung, also für CBM (Condition-based Monitoring) eingesetzt werden.
Reaktive Instandhaltung
Durch Anzeige von Fehlern und zielgerichteter Zusatzinformation ist sicherzustellen, dass Stillstände so kurz wie möglich dauern, indem für die Behebung erforderliches Personal sofort informiert wird.
Ein weiteres Problem ist die Kennzeichnung von Teilen bzw. von Chargen, um die Nachverfolgbarkeit der Produktion sicherzustellen. Oftmals ist es mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sehr schwierig, Fragen wie „Mit welchem Werkzeug wurde dieser Stoßdämpferdom wann hergestellt? Handelt es sich beim vorliegenden Tiefziehriss um einen Einzel- oder einen Serienfehler und wenn letzteres, welche anderen Teile könnten von dem Fehler noch betroffen sein?“ zu beantworten. Je genauer dies jedoch möglich ist, desto weniger Aktionen im Rohbau sind zu erwarten.
1.3.2. Karosserierohbau Der Karosserierohbau zählt zu den am höchsten automatisierten Produktionstechnologien in der Fahrzeugfertigung. Typischerweise ist die Variantenvielfalt im Rohbau nicht sehr hoch. Die Komplexität entsteht durch die unterschiedlichen Fertigungstechniken, die beherrscht sein wollen und durch den hohen Automatisierungsgrad. Je höher automatisiert eine Fertigung ist, desto geringer wird meist
14
Überblick über die Automobilfertigung
auch ihre Verfügbarkeit und Flexibilität. Während die Neuprogrammierung von Robotern üblicherweise mehrere Wochen benötigt, der Umbau von Einrichtungen wie Spannern und Klemmen noch länger, sind Werker sehr viel schneller auf ein neues Modell eingeschult. Abb. 1.6 zeigt ein typisches Beispiel für die Automatisierungsstruktur einer Rohbauzelle.
Abb. 1.6 – Automatisierungsstruktur einer Rohbauzelle2
Zum Einsatz kommen Produkte unterschiedlicher Hersteller, die über verschiedene Bussysteme miteinander verbunden sind. Der Kern des Systems ist eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS), die den gesamten Automatikablauf kontrolliert. Ihr beigestellt findet sich eine Sicherheits-SPS, die alle Not-Aus Kreise überwacht und eine sichere Abschaltung der Zelle bewirkt, falls ein Mensch die Sicherheitszone betritt. Die Roboter werden von der SPS angesteuert und verfügen über jeweils eigene Programme und unterlagerte Bussysteme für die Ansteuerung von Equipment auf Greifern oder auf Schweißzangen. Weitere Komponenten, die parametriert werden müssen, sind Antriebe, Pneumatikkomponenten etc. Hinzu kommen Komponenten für die Bedienung der Anlage, die Pulte oder IndustriePCs mit Visualisierungssoftware. Für den Anlagenbauer sowie für die Wartungsmannschaft ergibt sich daher ein Bild wie in Abb. 1.7 illustriert. Für die Programmierung einer Schweißzelle ist eine Vielzahl unterschiedlicher Programmier- und Parametrierwerkzeuge erforderlich, die von verschiedenen Herstellern stammen und verschiedene Programmiersprachen verwenden. Hinzu 2
Der Autor dankt der BMW AG für die freundliche Genehmigung zum Abdruck dieses Diagramms
Fertigungstechnologien
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kommen meist praktische Probleme, wie die Tatsache, dass die vielen Werkzeuge oftmals nicht einmal auf einem Wartungsrechner nebeneinander installiert werden können.
Abb. 1.7 – Das „Programmier-Babylon“ im Karosserierohbau
Auch die Netzwerkstruktur ist meist komplex, da im Regelfall unterschiedliche Feldbussysteme nebeneinander zum Einsatz kommen. Im obigen Beispiel sind dies Profibus DP, Interbus, SafetyNet und Ethernet TCP/IP. Diese Vielfalt macht eine Inbetriebnahme und eine Störungsdiagnose nicht gerade einfacher. Ein weiteres Problem stellt die Qualitätskontrolle innerhalb der Fertigung dar (Inline Qualitätskontrolle). Aus technologischen Gründen und aus Kostengründen ist eine durchgehende Qualitätskontrolle besonders bei Schweißvorgängen (z.B. MAG Schweißen) schwierig umzusetzen. Dies ist besonders bei Einsatz neuer Werkstoffe, wie Aluminium problematisch. Die Vermessung der Geometrie der Karosse durch eine Inline Laservermessung ist heute Stand der Technik und weit verbreitet. Dies ist auch nahe liegend, da sich Abweichungen in der Geometrie sofort negativ auf Fügeprozesse in der Endmontage auswirken. Andere Qualitätsparameter hingegen führen zu keinen Problemen, die sich direkt negativ auf die produzierte Stückzahl auswirken. Zusätzlich zu den Standardaufgaben müssen Produktionsleitsysteme im Rohbau eine Reihe spezifischer Aufgaben ausführen, die in Tabelle 1.6 aufgelistet sind.
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Tabelle 1.6 – PLS Aufgaben im Rohbau Aufgabe
Beschreibung
Einsteuerung von Karossen
Die Karossen und Teile sind entsprechend der vorgegebenen Produktionssequenz einzusteuern. Dies ist im Rohbau oftmals eine komplexe Aufgabe, da häufig manuelle Tätigkeiten an der Einsteuerung beteiligt sind und daher Teileprüfungen vorgenommen werden müssen. Zudem ist eine entsprechende Information für den Werker vorzusehen.
Ansteuerung von Vormontagen
Karosserierohbauten sind üblicherweise als Linie implementiert. Dennoch sind eine Reihe von Vormontagen erforderlich (z.B. Compartments, Seitenrahmen etc.), die zusätzlich anzusteuern sind, damit die passenden Teile zum richtigen Zeitpunkt am Band bereitstehen. Da sich die Fahrzeugreihenfolge im Rohbau meist sehr leicht ändern kann (parallele Linien, Aussteuern von Karossen, die zu einem Messplatz verbracht werden usw.), ist die Ansteuerung von Vormontagen vielfach komplex und nur dann zu realisieren, wenn das Anlagenlayout auf diese Aufgabe ausgelegt wird. Es müssen z.B. Puffer sortenrein oder in entsprechender Größe ausgelegt werden.
Aufzeichnen von Messwerten
Messwerte insbesondere von der Inline Vermessung müssen aufgezeichnet, dem Fahrzeug zugeordnet und an andere Fertigungsschritte weitergegeben werden (dies ist z.B. bei Cabrios typischerweise der Fall, wo die Abmessungen des Verdecks auf den jeweiligen Verdeckkasten eingestellt werden müssen, bevor das Verdeck montiert werden kann).
Steuerung der Nacharbeit
Wenn bei Karossen im Zuge der Fertigung Mängel auftreten, so müssen diese Karossen in die Nacharbeit gesteuert werden. Eine Übergabe an die Lackiererei ist in diesem Fall zu verhindern.
Verwaltung von Betriebsmitteln
Die Verwaltung von Fertigungsmitteln, wie Robotern oder Schweißzangen, die regelmäßig gewartet und kalibriert werden müssen, ist eine typische Aufgabe für das Produktionsleitsystem.
Anlagenvisualisierung und Berichtswesen
Die Verfügbarkeit von Rohbauanlagen ist ein kritischer Parameter für jede Fertigung. Auf Grund des hohen Automatisierungsgrades und des hohen Betriebsmitteleinsatzes ist die Verfügbarkeit von Rohbauanlagen üblicherweise schlechter als die in anderen Fertigungsschritten. Dem begegnet der Planer meist schon durch eine Auslegung auf etwas geringere Taktzeiten als in anderen Gewerken, sodass Ausfälle durch Stillstände schneller aufgeholt werden können. Das Produktionsleitsystem kann durch effektive Unterstützung der reaktiven und vorbeugenden Instandhaltung helfen, die Verfügbarkeit schrittweise und nachhaltig zu erhöhen und so das Erfordernis von versteckten Redundanzen zu verringern.
Fertigungstechnologien
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1.3.3. Lackiererei Die Lackiererei hat hinsichtlich der Fertigungstechnologie auf Grund des großen Anteils an Verfahrenstechnik eine Sonderstellung. Während die ersten Arbeitsschritte, nämlich die Grundierung meist im Tauchprinzip und automatisch erfolgen, kommt beim Aufbringen des Lacks, sowie bei der Versiegelung (Hohlraumschutz) oft auch Handarbeit zum Einsatz. Die Prüfung des Lackauftrags erfolgt in der Regel per Hand, ebenso wie die Nacharbeit. Wegen der hohen Investitionskosten für Lackgewerke, sind diese meist auf längere Lebensdauer ausgelegt und werden für die Lackierung verschiedener Fahrzeuge gemeinsam verwendet. Die früher übliche pulkweise Einsteuerung von Fahrzeugen ist heute auf Grund moderner Technologien für die Lackbehandlung kein limitierender Faktor mehr. In der Praxis ist die Steuerung des Teileflusses in Lackiergewerken erheblich komplexer als in anderen Fertigungstechnologien, da je nach Fahrzeugausstattung oder Type unterschiedliche Arten und eine unterschiedliche Anzahl von Lackschichten aufzubringen ist. Ebenso ist die Steuerung des Teileflusses in der Nacharbeit und am Polierdeck komplex. Produktionsleitsysteme für Lackieranlagen müssen einige besondere Aufgaben erfüllen, die in Tabelle 1.7 aufgelistet sind. Tabelle 1.7 – PLS Aufgaben in der Lackiererei Aufgabe
Beschreibung
Anlagenbedienung
Ebenso wie bei Anlagen in der Verfahrenstechnik ist eine zentrale Leitwarte für die Überwachung und Bedienung der Prozesstechnischen Teile der Anlage vorzusehen.
Umweltmanagement
Für Behörden ist die Aufzeichnung und langfristige Archivierung von Betriebs- und Emissionsdaten erforderlich.
Teileidentifikation
Die hohen Temperaturen (bis 200 °C), die in Lackieranlagen auftreten können, stellen besondere Ansprüche an die Fahrzeugidentifikation, da der Einsatz spezieller Technologien, wie Lochrasterplatten am Lackskid oder lacktauglicher Transponder erforderlich ist.
Werkerrückmeldung
Lackieranlagen sind meist sehr verwinkelt aufgebaut. Reinräume sind ein Kostenfaktor und werden daher so klein wie möglich gehalten. Aus diesem Grund stellt die Rückmeldung an Werker und Instandhaltungspersonal auf Grund der schlechten Sichtbarkeit von Anzeigen eine besondere Herausforderung dar.
Lackfehlererfassung
Auf Arbeitsstationen der Qualitätskontrolle (z.B. am Polierdeck) muss eine Benutzerschnittstelle für den Werker zur Verfügung stehen, die es ihm möglichst auf grafische Art und Weise, Lackfehler zu erfassen.
Teileflusssteuerung
Abhängig von vorhandenen Lackfehlern und des Status einer Karosse ist der Karossenfluss zu steuern. Eine Karosse kann z.B. die Decklacklinie mehrfach durchlaufen.
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1.3.4. Motormontage Die Motormontage ist eigentlich eine Vormontagelinie. Auf Grund der Komplexität des Produktes erfordert die Motormontage allerdings spezielle Vorgangsweisen und unterscheidet sich auf Grund des Umfangs und des Automatisierungsgrades von anderen Vormontagen. Motormontagen werden üblicherweise auf eine längere Nutzungsdauer ausgelegt als Fahrzeugmontagen. Während der Lebenszyklus eines Fahrzeuges von Ausnahmen abgesehen maximal 7 Jahre beträgt, ist der Technologiezyklus bei Motoren in der Regel doppelt so lang. Bei den verschiedenen Automobilherstellern sind die Philosophien, nach denen Motormontagen betrieben werden sehr verschieden und dementsprechend auch die Anforderungen an Produktionsleitsysteme. Auf der einen Seite des Spektrums stehen Motormontagen, bei denen Motoren in Sequenz gefertigt werden. Dies erfordert umfangreiche Prüfschritte, die in die Fertigung eingebettet sind und Vorrichtungen für die Nacharbeit in der Linie. Der Vorteil ist, dass durch kurze Rückkopplungen Qualitätsprobleme schneller erkannt und begrenzt werden können. Zudem stellt die Fertigung in Sequenz sicher, dass keine unnötigen Lagerbestände aufgebaut werden. Andere Motormontagen werden über Lieferabrufe in Chargen gesteuert. Dies vereinfacht den Anlagenaufbau und die Prüfung sowie die Nacharbeit. Problematisch ist der höhere Lagerbestand, der durch Fertigung auf Lager entsteht. Besondere Anforderungen stellt die Motormontage hinsichtlich der Prüftechnik. Kalt- und Heißteststände, sowie andere Anlagen wie Ventildichtheitsprüfungen usw. sind spezielle Applikationen, die ausschließlich im Motorenbau eingesetzt werden. Der Automatisierungsgrad von Motormontagen hängt sehr stark von den Stückzahlen und damit von den geforderten Taktzeiten ab. Grundmotor- und Zylinderkopfmontagen sind meist hoch automatisiert, während die Montage von Kabeln, Steuergeräten und Schläuchen meist in Handarbeit erfolgt. In bestehenden Motormontagen werden meist speziell gefertigte Automatikmaschinen eingesetzt. Roboter finden erst zögerlich Einsatz in der Motorenfertigung, obwohl die Variantenvielfalt im Normalfall durchaus beherrschbar ist. Neuere Ansätze von Motormontagelinien verzichten teilweise gänzlich auf automatisierte Produktionseinrichtungen und setzen vermehrt auf den Einsatz von Werkern. Dies soll es ermöglichen, sehr flexibel jeden beliebigen Mix verschiedener Modelle auf einer Linie zu bauen und so einer mangelnden oder zu starken Auslastung von Montagelinien vorzubeugen, wenn die Stückzahlprognosen des Vertriebs nicht zutreffen sollten. An Produktionsleitsysteme werden in der Motormontage einige besondere Anforderungen gestellt, die in Tabelle 1.8 aufgelistet sind.
Fertigungstechnologien
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Tabelle 1.8 – PLS Aufgaben in der Motormontage Aufgabe
Beschreibung
Nacharbeitssteuerung
Die Identifikation von Teilen erfolgt meist über induktive Transponder, die auf der Unterseite der Werkstückträger angebracht sind. Diese Transponder sind beschreibbar und können daher einerseits verwendet werden, um Produktionsvorgaben an Maschinen weiterzugeben, andererseits, um Fertigungsrückmeldungen aufzunehmen. Auch die Nacharbeit kann über Transponder gesteuert werden.
Ansteuerung von Vormontagen
Wenn Motoren auf der Grundmotormontage in Sequenz eingesteuert werden, so sind auch die Vormontagen z.B. für Zylinderköpfe oder Ausgleichswellen in Sequenz anzusteuern.
Puffermanagement
Die Teilepuffer zwischen den Linien sind zu überwachen und zu optimieren (z.B. Zylinderkopfspeicher).
Sammeln von Qualitätsdaten
Sammeln von motorbezogenen Qualitätsdaten, wie Schraubergebnisse, Lecktest, Heißtest etc.
Werkerinformation
Anzeige von Arbeitsschritten an manuellen Arbeitsstationen je nach Motortype. Hiermit erhält der Werker zeitnahe Information über alle auszuführenden Fertigungs- und Prüfschritte an der jeweiligen Station.
1.3.5. Fahrzeugendmontage Die Fahrzeugendmontage ist im Normalfall der Fertigungsschritt mit dem höchsten manuellen Arbeitsanteil und dem geringsten Automatisierungsgrad. Auf Grund der hohen Variantenvielfalt ist die Endmontage auch jener Fertigungsschritt, in dem der Einsatz von Produktionsleitsystemen den größten Vorteil bringt. Die Variantenvielfalt in der Endmontage wird auch dadurch erhöht, dass oftmals mehrere verschiedene Fahrzeuge gemischt von einem Band laufen (z.B. bei der BMW AG in Dingolfing/Deutschland laufen drei verschiedene Fahrzeugtypen, nämlich der 5er, 6er und 7er von einem einzigen Montageband) (BMW AG, 2007). In der Endmontage ergeben sich besondere Herausforderungen durch die Vielfalt an Montage- und Prüftechniken, die zum Einsatz kommen. Beispiele sind: • • • • • •
EC-Schrauber Typschilddrucker VIN-Präger Diverse Elektroniktester Codierung für Schlüssel, Steuergeräte etc. Audiotester und Telefontester
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Überblick über die Automobilfertigung
• • • • • • • • •
Scheinwerfereinstellstand Fahrwerkseinstellstand Rollenprüfstand Rütteltester Befüllanlagen (Bremsen, Waschwasser, Servo, Klima, Kühler, Getriebe) Betankung Klebeapplikationsanlagen Automatische Kleinteilelager Fördersysteme für Komponenten (Sitze, Cockpit, Frontend, …)
Diese Vielzahl an Anlagen bedeutet einen hohen Kommunikations- und Testaufwand bei Implementierungsprojekten für Produktionsleitsysteme in der Fahrzeugendmontage, da Anbindungen durch sehr viele unterschiedliche Lieferanten zu implementieren sind, die meist auch eine Vielzahl verschiedener technologischer Plattformen einsetzen. Zudem ist meist eine Vielzahl von Vormontagen in Sequenz anzusteuern; auch Lieferabrufe an Sequenzlieferanten sind taktgerecht anzustoßen. Hierbei ergibt sich eine Vielzahl von Schnittstellen zu unterschiedlichen Systemen. Somit sind beim Anlagenaufbau nicht nur technische Probleme zu lösen, denn es ist vor allem erforderlich, die verschiedenen Lieferanten von Anlagen zu koordinieren. Die Implementierung von Produktionsleitsystemen für die Endmontage stellt daher hohe Anforderungen an das Projektmanagement. Die Endmontage ist auch sehr häufig von Änderungen am Produkt betroffen. Änderungen am Produkt mit jedem neuen Modelljahr sind die Regel. Alle Systeme müssen daher genug Flexibilität aufweisen, dass Änderungen in der Abtaktung schnell und unkompliziert sequenzgenau umgesetzt werden können. Da die Endmontage hauptsächlich auf manuellen Tätigkeiten beruht, ist es erforderlich, Produktionsleitsysteme so auszulegen, dass alle an der Fertigung beteiligten Stellen möglichst direkte Rückmeldung über ihren persönlichen Einfluss auf Stückzahl und Qualität erhalten. Die Rückmeldung kann auf verschiedene Weise erfolgen, wie weiter hinten beschrieben wird. Die prominenteste Methode ist die Einführung von Fabrikanzeigen (Andon Boards). Tabelle 1.9 listet besondere Anforderungen auf, die an Produktionsleitsysteme in der Fahrzeugendmontage gestellt werden.
Fertigungstechnologien
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Tabelle 1.9 – PLS Aufgaben in der Fahrzeugendmontage Aufgabe
Beschreibung
Sequenzsteuerung
Das Produktionsleitsystem muss Fahrzeuge in der geplanten Produktionssequenz einsteuern. Weiters ist es erforderlich, die Vormontagen auf die Sequenz des Hauptbandes zu synchronisieren. Eine enge Kopplung mit dem ERP System ist erforderlich, um Umlagerungen und Sequenzabrufe an Lieferanten zeitgerecht anzustoßen.
Werkerinformation und Anlagenversorgung
Die fahrzeugbezogene Versorgung von Werkern und Automatikstationen mit Information über die an der jeweiligen Station auszuführenden Fertigungs- und Prüfschritte ist eine Kernaufgabe von Produktionsleitsystemen. Dies muss basierend auf eine funktionierende Teileverfolgung und eine funktionierende fahrzeugbezogene Stücklistenauflösung erfolgen.
Qualitätsstatus
Der Status jedes einzelnen Fahrzeuges in der Endmontage ist zu verfolgen. Die Durchführung von Arbeits- und Prüfschritten ist zu verfolgen. Variable Prozessdaten sind aufzuzeichnen (z.B. die Seriennummern der im Fahrzeug verbauten Airbags, Moment und Winkel der Lenkspindelverschraubung). Auf Basis dieser Daten können Fahrzeuge im Fall von Mängeln automatisch in die Nacharbeit gesteuert werden. Zusätzlich ist die Ermittlung wichtiger Kenngrößen, wie z.B. FTC (first time correct) möglich.
Steuerung der Fördereinrichtungen
Je nach Schichtkalender und Stückzahl sind die Fördereinrichtungen anzusteuern und Taktzeiten vorzugeben. Ebenso ist in vielen Fällen ein Puffermanagement sinnvoll, um die Auswirkung von Stillständen an einem Bandabschnitt auf andere Bereiche zu minimieren. Weiters werden automatische Bandhalts für die Prozessabsicherung benötigt.
Anlagenvisualisierung und Berichtswesen
Neben der Visualisierung von Anlagenfehlern für die vorbeugende und reaktive Wartung kommen in der Endmontage noch weitere Informationen, wie Bandhalts, Springerruf etc. hinzu, die Aufschluss über Problembereiche in der Endmontage, wie z.B. Fehler in der Abtaktung, geben können. Die Kombination aus Anlageninformationen und Aufzeichnungen aus der Qualitätsdatenerfassung bietet umfangreiche Informationen für ständige Verbesserungsprozesse.
1.3.6. Zertifizierung und Auslieferung Die Zertifizierung und Auslieferung umfasst die letzten Produktionsschritte, bevor das fertige Fahrzeug an den Spediteur zum Transport zum Endkunden übergeben wird.
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Neben manuellen Prüftätigkeiten sind in diesem Bereich auch einige besondere Anlagen anzusteuern, wie Berieselung, Waschanlagen und Verpackungsanlagen (Aufbringen von Schutzfolien für den Transport). Zusätzlich fallen Stationen, wie Sortiertische für die Bordliteratur an, an denen z.B. durch automatisierte Anzeigen von Picklisten mit großem Erfolg Poka Yoke Strategien umgesetzt werden können. In diesem Bereich sind die Fahrzeuge im Gegensatz zur Fahrzeugendmontage nicht mehr taktgebunden und zwangsgeführt. Aus diesem Grund ergeben sich hier oft die größten Verwirbelungen der Sequenz, was zu einer schlechten Reihenfolgerichtigkeit bei der Auslieferung von Fahrzeugen führt. Viele Automobilhersteller kämpfen mit diesem Problem, da es vermeidbare und teure Verzögerungen in der Vertriebskette für fertige Fahrzeuge mit sich bringt. Maßnahmen, die hier ansetzen, müssen auch den Nacharbeitsbereich berücksichtigen. Produktionsleitsysteme müssen in der Zertifizierung und Auslieferung zusätzlich zu den Standardfunktionen weitere Sonderfunktionen anbieten, die in Tabelle 1.10 aufgelistet sind. Tabelle 1.10 – PLS Aufgaben in der Auslieferung und Zertifizierung Aufgabe
Beschreibung
Stellplatzverwaltung
Anzeige, wo sich welches Fahrzeug befindet, damit Fahrzeuge für die Auslieferung bzw. für Arbeitsschritte schnell aufgefunden werden können. Für diese Funktion ist es sinnvoll, mobile Dateneingabegeräte zu unterstützen, die z.B. über WLAN an das Produktionsleitsystem angebunden werden.
Anzeige von Lieferterminen
Anzeige, wie knapp ein Fahrzeug am geplanten Liefertermin liegt, wobei noch geplante Fertigungstakte und die für Nacharbeiten zu erwartenden Zeiten zu berücksichtigen sind. Hiermit kann die Sequenzfolgerichtigkeit der Auslieferung verbessert werden.
Lackfehlererfassung
Die Erfassung von Lackfehlern in der Lacknacharbeit ermöglicht das Erkennen von Problemen in der Montage, sodass diese schnell abgestellt werden können.
Auslieferung
Protokollierung der Übergabe an den Spediteur, sodass bei der Übergabe festgelegt wird, dass der Spediteur ein fehlerfreies Fahrzeug übernommen hat.
Fahrzeugflusssteuerung
In vielen Bereichen dieses Fertigungsschrittes sind Fahrzeuge aus eigener Kraft unterwegs und nicht zwangsgeführt. Durch ein Verkehrsleitsystem z.B. mit Ampeln und Pfeilanzeige können Fahrer informiert werden, welche Fahrzeuge in die Berieselung, Validierungsfahrt, Lacknacharbeit etc. zu bewegen sind.
Die Automobilfertigung als komplexes System
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1.4. Die Automobilfertigung als komplexes System Für Betriebswirte ist der Idealfall ein System, bei dem der Output durch eine Funktion des Einsatzes an Betriebsmitteln bestimmt ist. Wenn dies der Fall ist, dann kann die Fertigung als einfache Funktion im ERP System abgebildet werden und bedarf keiner weiteren Betrachtung. Die reale Fertigung verhält sich in keiner Weise entsprechend eines solchen Determinismus, sondern ist im Gegensatz dazu ein komplexes System, welches durch spezifische Eigenschaften gekennzeichnet ist. Eine besonders bedeutende Eigenschaft ist die Existenz von Zielkonflikten. Der Fertigung werden verschiedene Ziele gesetzt, wobei sich die Vorgaben durchaus widersprechen können. Je nach Technologie und Produkt, sowie dem Umfeld des Betriebes gilt es, ein Optimum in den sich widersprechenden Zielvorgaben zu finden. Ein typisches Beispiel für einen solchen Zielkonflikt wäre z.B. maximales Ausschöpfen der Kapazität im Gegensatz zur Bestandsminimierung. Ein weiteres Kennzeichen komplexer Systeme ist die Existenz großer Informationsmengen. Ein Fahrzeug besteht aus bis zu 10.000 Einzelteilen. Hiermit ist eine entsprechend große Anzahl von Fertigungs- und Prüfschritten verbunden. Die hierbei zu bewältigenden Informationsmengen sind gewaltig. Eine der Hauptaufgaben eines Produktionsleitsystems ist es, Daten so aufzubereiten, dass sie für die jeweilige Rollen des Anwenders zu zielgerichteten Informationen werden. Zwischen den verschiedenen Teilsystemen besteht eine Reihe von Abhängigkeiten und Rückkopplungen verschiedener Art. Wie in der vorhergehenden Beschreibung der Fertigungstechnologien bereits erläutert wurde, bestehen zwischen den Gewerken sehr enge Kopplungen, die durch Lieferung Just In Time oder Just In Sequence noch verstärkt werden. Letztlich ist auch mit räumlich und / oder zeitlich wechselnden Anforderungen umzugehen. Dies ergibt sich aus der Globalisierung und aus der weltweiten Logistik, die Zulieferer und Automobilhersteller heute verbinden. Die lokale Bedienung globaler Märkte erfordert eine besondere räumliche Flexibilität. Die wechselnden zeitlichen Anforderungen ergeben sich aus schnellen Modellwechseln aber auch aus dem erforderlichen Eingehen auf Absatzschwankungen, die die aus dem Modelllebenszyklus, saisonalen Schwankungen aber auch aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen ergeben. Prof. Zeichen (Gerfried Zeichen, 2000) definiert ein System folgendermaßen: System = Ansammlung mehrerer in Beziehung stehender Systemelemente, Personen oder Aggregate mit dem Ziel ein geschlossenes Ganzes für das Erreichen einer bestimmten Zielvorgabe zu bilden.
Komplexe Systeme erfordern spezielle Methoden, damit sie für den Ingenieur durchschaubar werden und damit einer Planungsmethodik zugeführt werden können. Diese umfassen Analyse und Strukturierung, Synthese und Komposition sowie Optimierung.
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Überblick über die Automobilfertigung
Häufig ist man bei komplexen Systemen mit Situationen konfrontiert, die eine algorithmische Analyse, Modellierung und Vorhersage unmöglich machen. Dies kann einerseits auf Grund des hohen Datenaufkommens durch hohe Komplexität bedingt sein, andererseits aber auch durch positive Rückkopplungen, die zu einem chaotischen Verhalten führen. In diesem Fällen ist eine globale und vollständige Optimierung des Systems unmöglich, sodass man mit Ersatzzielen vorlieb nehmen muss, die meist nur zu Suboptimierungen führen, aber im Gegensatz zu Globalzielen überschaubar und machbar sind. Die Produktionstheorie kennt für diese Zwecke eine Reihe von Heuristiken, die sich in der Praxis bewährt haben. Auch Produktionsleitsysteme arbeiten auf Basis einer Modellierung der Fertigung. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf ein möglichst einfaches aber universell einsetzbares Modell zu legen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche und kostengünstige Implementierung, aber auch eine Garantie dafür, dass Änderungen, welche im Betrieb anfallen, schnell und flexibel durchgeführt werden können. Verfahren zur Modellierung werden im Abschnitt 2 eingehender beschrieben.
1.5. Das soziale Umfeld der Fertigung Ebenso wie technische Aspekte, spielen auch die Beziehungen zwischen der Automobilfertigung und ihrem sozialen und politischen Umfeld eine Rolle. Automobilhersteller sind wichtige Leitunternehmen für ganze Wirtschaftsregionen und auch bedeutende Arbeitgeber. Jeder, der die aktuellen Wirtschaftsnachrichten verfolgt, wird sich hiervon überzeugen können. Für die Unternehmen ist die Herstellung des Einklangs mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld ein ebenso bedeutendes Unternehmensziel, wie die Maximierung des Gewinns. Wenn man die Geschichte der Automobilfertigung in den letzten 50 Jahren verfolgt, so zeigt sich, dass auch ideologische Ideen immer wieder den Aufbau und die Auslegung von Fertigungsstätten beeinflusst haben.
1.5.1. Fahrzeugendmontage bei Volvo in Uddevalla Die hier angegebene Darstellung stammt aus (Koichi Shimokawa, 1997) Seite 189ff. weitere Informationen finden sich in (Granath, 1998). Seit Einführung des Fließbandes in der Fertigung durch Henry Ford3 gibt es eine Diskussion über den Taylorismus oder Fordismus. Das Fließband mit seiner 3
Eigentlich hat Ford das Fließband nicht erfunden, hat es aber als erster im großen Stil eingesetzt und „gesellschaftsfähig“ gemacht.
Das soziale Umfeld der Fertigung
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hohen Synchronisierung der Produktionsmittel und der entsprechend hohen Arbeitsteilung wurde mit den gleichen Argumenten immer wieder kritisiert. Bemängelt wurden und werden der fehlende Anreiz für junge und / oder qualifizierte Arbeitskräfte, eine hohe Unzufriedenheit und fehlende Motivation, die hohe Abwesenheitszeiten und eine hohe Mitarbeiterfluktuation zur Folge haben und eingeschränkte Wettbewerbschancen. Das Fließband wurde daher vielfach als ein veralteter technischer Anachronismus angesehen. In Schweden wurden bereits 1969 erste Experimente zur Abschaffung des Fließbandes und zur Einführung von teilautonomen Arbeitsgruppen gestartet. Nach der Erprobung theoretischer Konzepte in verschiedenen Betrieben wurde das erste Pilotwerk bei Volvo 1974 in Kalmar in Betrieb genommen. Kalmar zeigt in kleinem Maßstab eine Senkung der Montagekosten sowie eine Steigerung der Produktion, sodass das Konzept letztlich in einem großen Maßstab 1989 in Uddevalla übernommen wurde. In Uddevalla existierten im Endausbau sechs Montagewerkstätten. In jeder Montagewerkstätte arbeiteten acht Montageteams zu je 10 Mitarbeitern. Jedes Montageteam stellte pro Schicht vier Fahrzeuge her. Durch die Abschaffung des Fließbandes erhöhte sich der Logistikaufwand. Die Teile wurden im Logistikzentrum als Assembly Kits inklusive Werkzeug zusammengestellt und an die Montageteams geliefert. Hiermit ergab sich folgende Gestaltung der Fertigung: In der Vormontage wurden Fahrzeugkomponenten und Bausätze zusammengestellt, wobei Teams von je 10 Mitarbeitern gebildet wurden. Die Mitarbeiter rotierten zwischen den Aufgabenbereichen Materialplanung, Problemlösung, Montage, Qualitätskontrolle und Auslieferung der fertigen Teile. Die Endmontage umfasste 6 Montagewerkstätten mit je 8 Montageteams zu je 10 Mitarbeitern. In den Teams bildeten sich Gruppen zu je 2-3 Mitarbeitern, die eng zusammenarbeiteten und jeweils 25-50% der gesamten Endmontagearbeiten für ein Fahrzeug durchführten. Jeder Mitarbeiter verfügte somit mindestens über die Qualifikation, die erforderlich war, um 25% eines Fahrzeuges herzustellen. Um die Kommunikation im Team zu ermöglichen, wurde der maximale Abstand zwischen zwei Mitarbeitern mit 30 Metern festgelegt. Jedes Team bestimmte sein Arbeitstempo selbst. Arbeitsziele und Methoden wurden im Team diskutiert, woraus sich individuelle und allgemein gültige Montagestrategien entwickelten. Die organisatorischen und technischen Funktionen wurden weitgehend dezentralisiert und an die Teams delegiert. Da dieses Montagesystem eine entsprechend hohe Mitarbeiterqualifikation erforderte, wurde ein umfangreiches Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramm entwickelt. Weitere Anreize wurden durch ein flexibles Lohnsystem und die Einführung eines Qualitäts- und Prämienlohns geschaffen. Das erste Produktionsjahr in Uddevalla lief erstaunlich gut, wobei die Zielvorgaben nicht allzu ambitioniert waren. Mit der Steigerung der Produktion im Folgejahr verlangsamte sich der Prozess drastisch, was zu einem Aufbau an Materialbestand in der Linie und zu mangelnder Termintreue führte. Hinzu kamen wirtschaftliche Probleme bei Volvo und eine Führungskrise, sodass letztendlich
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Überblick über die Automobilfertigung
beschlossen wurde, die Fertigung im entsprechenden Fahrzeugsegment an einem Standort zu konzentrieren. Dies führte dazu, dass Uddevalla 1992 ohne sichtbaren Erfolg geschlossen wurde. Das Experiment der autonomen Arbeitsgruppen in der Automobilfertigung kann somit als gescheitert betrachtet werden.
1.5.2. Fahrzeugendmontage bei Volkswagen H54 Diese Darstellung basiert auf (Koichi Shimokawa, 1997) Seite 287ff und aus (Michael Schumann, 2006) sowie (Cattero, 1998). Die legendäre Halle 54, in der bei Volkswagen in Wolfsburg ab 1983 der Golf II gefertigt wurde, zeugt von einer gänzlich anderen Fertigungsphilosophie. Der Kritik am Fließband versuchte man bei Volkswagen durch einen bis dahin nie erreichten Automatisierungsgrad zu begegnen. Die eintönige und wenig herausfordernde Arbeit am Fließband sollte möglichst durch automatisierte Vorrichtungen ausgeführt werden. Der Mitarbeiter trat hiermit einen Stück zurück und wurde zum qualifizierten „Fertigungsfacharbeiter“, dessen Aufgabe es war, die Maschinen zu überwachen und die Fertigung am Laufen zu halten. Dies ging nach Meinung des Autors teilweise so weit, dass der Mensch als Störfaktor und Fehlerquelle in der Fertigung angesehen wurde und alleine schon auf Basis dieser Paranoia aus dem direkten Fertigungsprozess herausgenommen werden musste. Auch das Konzept der bedingungslosen Automatisierung hat sich nicht durchgesetzt. Hierfür waren einige Gründe besonders ausschlaggebend. Der hohe Automatisierungsgrad erfordert hohe Investitionen in die Anlagentechnik, die sich nur bei Volumenmodellen mit sehr hohen Stückzahlen rentieren kann. Die Komplexität der Anlagen führte weiters zu einem merkbaren Rückgang der Verfügbarkeit und damit der Stückzahlen und es kam zu Spannungen zwischen den Mitarbeitern und zu Führungsproblemen. Bruno Cattero beschreibt dies in seinem Artikel „Der Mythos Facharbeit“ folgendermaßen (Cattero, 1998): „Bei jeder Anlage zeigten etwa die quasi ausschließlich jungen Elektriker eine ausgeprägte Identifikation mit der Anlage und mit ihrer Arbeit, weil dies "modern” sei, und gleichzeitig strengten sie sich an, endlich zu "Spezialisten” in der Werkstatt zu werden. Daraus ergab sich bei den meisten eine bedeutend geringere Identifikation mit dem Team und allenfalls die Tendenz, eher die Exklusivität des eigenen beruflichen Wissens auszunutzen, um sich somit als privilegierte Gruppe darzustellen und durchzusetzen und dadurch dem hierarchischen Druck von Seiten der Meister sowie dem sozialen Druck von Seiten der Arbeitsgruppe zu entziehen.“
Es zeigt sich deutlich, dass der Instandhalter nur sehr bedingt dazu in der Lage ist, Mutationen in der industriellen Arbeit abzufedern.
Das soziale Umfeld der Fertigung
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1.5.3. Das Toyota Produktionssystem Das Toyota Produktionssystem wurde in den 70er und 80er Jahren entwickelt und hat sich bis heute als das weltweit erfolgreichste Modell etabliert. Als Maßstab für diesen Erfolg kann alleine schon die große Anzahl der Nachahmer dienen. Es gibt praktisch keinen Automobilbauer in Europa, der in seinem Produktionssystem nicht direkt oder indirekt auf das Toyota Produktionssystem verweist. Auf Grund dieses Erfolges ranken sich um dieses System entsprechend viele Mythen und Sagen. Tatsache ist, dass Toyota auf Basis seines Produktionssystems lange Zeit so erfolgreich war, dass es möglich wurde, Produktionswerke, die von den US Autobauern auf Grund mangelnder Rentabilität eingestellt wurden, aufzukaufen und mit Gewinn zu betreiben. Toyota beschreibt das Hauptziel seines Produktionssystems wie folgt (Quelle: (Toyota Corp.) Seite 2): „Constantly shorten the time it takes to convert customer orders into deliveries“
Eine optimierte Fertigung (kurze Durchlaufzeiten, geringe Fertigungskosten, geringer Bestand, hohe Qualität, hohe Flexibilität) wird von Toyota durchaus als strategische Waffe im globalen Wettbewerb verstanden. Der Fokus auf die Optimierung der Produktion führt auf einfache Weise wieder zurück auf Menschen in der Fertigung. Taiichi Ohno beschreibt die Situation wie folgt (Ohno): “Reducing costs means reducing people, but if you eliminate people as a result of improvement, you will get no more improvement. The Toyota Production System clearly reveals excess manpower. Management’s responsibility is to identify excess manpower and utilize it effectively. Hiring people when business is good and production high just to lay them off is a bad practice. On the other hand, eliminating wasteful and meaningless jobs enhances the value of work for workers.”
Im Grunde geht es also darum, das gegenseitige Vertrauen aufrecht zu erhalten, während Personal abgebaut wird. Hierbei ist zu bedenken, dass die Vorgangsweise in Japanischen Konzernen nach wie vor erheblich von jener z.B. in Deutschland abweicht. Mitarbeiter werden nicht durch Entlassung abgebaut, sondern in andere Produktionsbereiche, in denen Sie eine höhere Wertschöpfung für das Unternehmen bringen, versetzt. Wenn das Unternehmen in wirtschaftliche Probleme gerät, so wird nicht Personal abgebaut, sondern man einigt sich meist auf temporäre Lohnkürzungen für alle Mitarbeiter. Japanische Mitarbeiter identifizieren sich daher wesentlich mehr mit ihrem Unternehmen und ihrem Produkt als dies im Normalfall in Europa oder in USA der Fall ist. Auf Grund dieser Unterschiede und auch vieler Besonderheiten der Japanischen Mentalität sei davor gewarnt, das Toyota Produktionssystem unverändert und ohne grundlegende Adaptierungen auf Standorte in Europa oder USA übertragen zu wollen. Der Aufbau des Toyota Produktionssystems läuft in fünf Schritten ab (Richards, 1999), wie in Abb. 1.8 dargestellt.
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Überblick über die Automobilfertigung
Zusammenfassend lässt sich das Toyota Produktionssystem durch folgende Zitate beschreiben (Richards, 1999): “We strive continuously to find and implement ways to shorten that (order-to-delivery) sequence and to make it flow even more smoothly.” “A smooth flow of production and continuing improvements can support tremendous gains in productivity and product quality.”
Abb. 1.8 – Darstellung aus „Industrial Blitzkrieg“
Hinzu sollte folgender Ausspruch von General George Patton kommen (The Goal and Benefit of Lean): “Success in war depends on the golden rules of war: Speed, simplicity, and boldness.”
Das Toyota Produktionssystem kann heute durchaus als eine Art „Best Practice“ in der Automobilproduktion betrachtet werden. Die Umsetzung in anderen Regionen der Welt und bei anderen Automobilherstellern ist vielfach vorteilhaft, sollte aber mit Bedacht angegangen werden, da Modifikationen erforderlich werden, um das System der lokalen Kultur aber auch der Firmenkultur der jeweiligen Herstellers anzupassen. Toyota illustriert TPS wie in Abb. 1.9 dargestellt (Toyota Corp.).
Abgrenzung zu anderen Industrien
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Abb. 1.9 – Das Toyota Produktionssystem4
1.6. Abgrenzung zu anderen Industrien Dies ist kein Lehrbuch über die Automobilproduktion. Das Ziel dieses Kapitels ist es, dem Leser einen Überblick über die Automobilfertigung und deren Umfeld zu geben. Bleibt noch die Frage, was die Automobilindustrie so besonders macht, dass der Autor ein Buch über Produktionsleitsysteme in diesem Bereich verfasst hat oder anders gefragt, was die Automobilproduktion von anderen Fertigungen unterscheidet. Grob lassen sich Fertigungsprozesse in Fließprozesse, Chargenprozesse und Stückgutprozesse untergliedern, wobei Stückgutprozesse wiederum in mechanische Fertigung und Montageprozesse untergliedert werden können. Entsprechend dieser Einteilung handelt es sich bei den meisten Fertigungsschritten in der Automobilindustrie um mehrstufige Montageprozesse bei denen ein äußerst komplexes und variantenreiches Produkt hergestellt wird. Folgende Charakteristiken sind typisch:
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Der Autor dankt für die freundliche Genehmigung von Toyota Deutschland für den Abdruck dieses Bildes, welches von der Toyota Homepage stammt.
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Hohe Variantenvielfalt, komplexes Produkt Hohe Anforderungen an die Logistik (JIT, JIS, komplexe Wertschöpfungsketten) Hohe Anforderungen an die Produktqualität Hoher Kostendruck im globalen Wettbewerb Steigende Anforderungen an Dokumentation und Nachverfolgbarkeit Komplexe Produktionssysteme Hoher Planungsaufwand
Wie in jeder Industrie haben sich auch in der Automobilfertigung bestimmte Methoden und Herangehensweisen bewährt. Ebenso hat sich ein industriespezifischer Jargon entwickelt. Aufgrund der Anforderungen an die Nachverfolgbarkeit der Produktion und der komplexen, fahrzeugspezifischen Stücklisten zeigt die Automobilindustrie in weiten Teilen hinsichtlich der Methodik in Produktionsleitsystemen wesentlich mehr Ähnlichkeit mit Chargenprozessen in der pharmazeutischen Industrie als mit Stückgutprozessen in anderen Fertigungsindustrien. Viele der in diesem Buch beschriebenen Vorgangsweisen können mit Änderungen in der Nomenklatur durchaus auch in anderen Industrien eingesetzt werden, andere wiederum sind sehr spezifisch für die Automobilindustrie. Die Einführung von Produktionsleitsystemen hat viel mehr mit Prozessentwicklung im Werk zu tun, als mit der Erstellung von Software. Jeder, der ein entsprechendes Produkt von der Stange kauft sollte sich bewusst sein, dass der Hauptteil der Aufwände in der Einführung und nicht in der Erstellung des Systems liegt. Viele gescheiterte Projekte haben diese These eindrucksvoll untermauert.
2. Modellierung von Fertigungsprozessen Produktionsleitsysteme arbeiten immer auf Basis eines Modells der realen Fertigung. Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zur Modellbildung werden in diesem Abschnitt die wichtigsten Entitäten, die in Modellen für Produktionsleitsysteme eingesetzt werden, wie Stücklisten, Ressourcenpläne und Prozesspläne mitsamt ihren grundsätzlichen Eigenschaften beschrieben. Weiters wird in diesem Abschnitt auf grundlegende Aufgaben der Fertigungssteuerung eingegangen, wie der Stücklistenauflösung, der Bedarfsrechnung, der Sequenzierung und der Abtaktung. In diesem Zug werden auch der Ablauf der Produktionsplanung und der Einsatz von Werkzeugen zur Produktionsplanung grob beschrieben.
2.1. Grundlagen zur Modellbildung Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erläutert wurde, sind Fertigungssysteme komplexe Systeme, die sich vor Allem durch einen sehr hohen Informationsgehalt auszeichnen. Damit Produktionsleitsysteme erfolgreich implementiert werden können, ist es erforderlich durch Modellbildung die Komplexität so weit zu reduzieren, dass sie überschaubar und implementierbar wird. Dabei ist es wichtig, sicherzustellen, dass nicht wesentliche Aspekte der Realität weggelassen werden, denn dies würde die Brauchbarkeit der Modelle und damit die Funktionsfähigkeit der Produktionsleitsysteme in Frage stellen. Modellierung ist ein Begriff, der häufig mit Simulation in Zusammenhang gebracht und wie folgt definiert wird (Keller, 1988): „Ein Modell ist ein gegenständliches Abbild oder eine zielgerichtete Abstraktion eines Systems.“
Modelle erfassen nur die dem Modellierer wesentlich erscheinenden Aspekte eines Systems und funktionieren daher nur innerhalb definierter Randbedingungen. Die Modellbildung lässt sich wie in Abb. 2.1 darstellen.
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Weitere Abbildungen
Modell
Abstraktion
System
Erste zielorientierte Vorstellung des Systems
Gesamtheit der erkannten Gesetze
Realitätsausschnitt Reale Welt
Abb. 2.1 – Modellbildung
Bei der Modellbildung ist Augenmerk darauf zu legen, dass keine wesentlichen Aspekte der Realität weggelassen werden. Dies würde zu einem nicht oder nur lückenhaft funktionierenden System führen. Bei vielen Automobilbauern bestehen heute Lücken besonders im Bereich der Stücklisten, welche vor allem für Belange der Logistik (z.B. Bedarfsrechnung) entwickelt wurden und oftmals nicht alle für die Produktion erforderlichen Informationen fahrzeuggenau enthalten. Andererseits sollten Modelle keine Informationen beinhalten, welche für den Betrieb des Produktionsleitsystems nicht unbedingt erforderlich sind. Dies führt zu einem erhöhten Speicherbedarf, einem Performanceverlust und letztlich auch zu einem unnötig erhöhten Pflegeaufwand für das System. Besonders dann, wenn Daten automatisiert von einem Planungswerkzeug übernommen werden, so sollten jene Informationen, welche nicht relevant für den Betrieb sind, ausgeblendet werden. Für die Modellbildung für Produktionsleitsysteme haben sich in der Praxis verschiedene Strukturierungs- und Beschreibungsmethoden bewährt, die hier kurz beschrieben werden sollen. Natürlich sind auch andere von dieser Darstellung abweichende Strukturierungsmethoden möglich und üblich. Grundsätzlich müssen Modelle, die als Basis für die Implementierung von Produktionsleitsystemen dienen, es ermöglichen, für jedes Fahrzeug folgende Fragen eindeutig zu beantworten: Aus welchen Materialien wird das Fahrzeug aufgebaut? Z.B. welches Lenkrad ist einzubauen, welche Sitze, welche Räder sind zu montieren usw. In welchen Schritten wird das Fahrzeug montiert? An welcher Stelle finden mit Hilfe welcher Werker und Betriebsmittel welche Fertigungs- und Prüfschritte statt? Abb. 2.2 zeigt die grundlegende, dreigeteilte Struktur der Modelle, die sich für den Einsatz in Produktionsleitsystemen bewährt haben.
Stückliste
33
Abb. 2.2 – Dreigeteilte Modellstruktur im Produktionsleitsystem
Die einzelnen Teile dieser Struktur sollen in der Folge kurz beschrieben werden, wobei auch auf Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen diesen drei Modellteilen eingegangen werden soll. Die hier vorgestellte Dreiteilung spiegelt sich meist auch in organisatorischen Einheiten bei den Automobilbauern wieder, sodass auf Verfahren zur Sicherstellung und Prüfung der Integrität des Gesamtmodells besonderes Augenmerk zu legen ist. Dies ist besonders dann wichtig, wenn Methoden der digitalen Fabrik eingeführt werden sollen, da sich dann Fehler in den Modellen unmittelbar auf die Fertigung auswirken und somit die Ansprüche an die Datenqualität sprunghaft ansteigen.
2.2. Stückliste Die Stückliste hat prinzipiell eine hierarchische Struktur entsprechend Abb. 2.3. Die Tiefe der Hierarchie der Stückliste ist bei den verschiedenen Automobilherstellern durchaus unterschiedlich und reicht von flachen Listen bis hin zu hochstrukturierten Bäumen.
Abb. 2.3 – Prinzipielle Struktur der Stückliste
Die Stückliste beschreibt die Eigenschaften von Fahrzeugen und die Menge der Baugruppen und Teile aus denen sich das Fertigprodukt zusammensetzt. Letztlich
34
Modellierung von Fertigungsprozessen
ergibt sich eine Baumstruktur, die durchaus mehr als die drei hier dargestellten Ebenen aufweisen kann. Materialien5 in der Stückliste werden üblicherweise durch eine eindeutige Materialnummer identifiziert. Bei manchen Automobilbauern sind auch Farben und Ausführungen bzw. Teilearten und Teileartgruppen von Materialien zu berücksichtigen, sodass sich eine eindeutige Bezeichnung eines Materials erst aus der Kombination mehrerer Attribute ergibt. Die Stücklisten werden üblicherweise im ERP System gepflegt und müssen vom Produktionsleitsystem zumindest teilweise aus dem ERP System übernommen werden. Oft werden neutrale Stücklisten auch als Materialstämme bezeichnet. Neben der Angabe von Materialien, die tatsächlich verbaut werden, können Stücklisten auch zusätzliche Informationen, wie Dokumentation etc. enthalten.
2.3. Auftragskopf Die oberste Ebene der Stückliste bildet der Auftragskopf, welcher die Eigenschaften eines Fahrzeugs eindeutig und vollständig beschreibt. Für jedes Fahrzeug existiert daher ein Auftragskopf, der üblicherweise Informationen wie in Tabelle 2.1 angegeben enthält. Bei den meisten Automobilbauern wird der Auftragskopf durch eine Liste von Codes komplettiert. Diese Codes werden oft auch als SA-Codes (Sonderausstattungscodes) oder PR-Nummern bezeichnet. Die Codes legen alle Ausstattungsdetails des Fahrzeugs eindeutig fest und werden meist bereits beim Händler ermittelt und als Teil der Bestellung an den Hersteller gesendet. Zusätzlich zu diesen Codes ist es üblich, werksspezifische Informationen zum Auftrag durch Bildung zusätzlicher Werkssteuercodes zu formulieren. Codes werden je nach ihrer Bedeutung (z.B. Codes für Sitze, die festlegen, ob Seriensitze, Komfortsitze, Sportsitze usw. eingebaut werden) zu Codetypen oder Codefamilien zusammengefasst. Dies ermöglicht eine Überprüfung der Vollständigkeit und eine Plausibilisierung von Aufträgen. So kann z.B. eine Fehlermeldung ausgegeben werden, wenn kein Code, welcher die Sitze beschreibt, vorhanden ist.
5
In diesem Buch werden Produktionsobjekte, die vom Produktionsleitsystem identifiziert, verfolgt und auf Basis von Produktionsaufträgen verwaltet werden, als „Teile“ bezeichnet. Dieser Konvention folgend kann man unter einem Teil einen Zylinderkopf in der Motormontage ebenso verstehen, wie ein gesamtes Fahrzeug in der Endmontage. „Materialien“ werden vom Logistiksystem verwaltet und im Montageprozess zu Teilen gefügt. Einem Material ist kein Produktionsauftrag im Produktionsleitsystem zugeordnet.
Auftragskopf
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Tabelle 2.1 – Angaben im Auftragskopf Element
Beschreibung
Auftragskennung
Jeder Fahrzeugauftrag wird durch eine eindeutige Kennung beschrieben. Die Art, wie diese Kennung zusammengestellt wird, ist je nach Automobilbauer unterschiedlich. In Frage kommt die Verwendung der VIN als eindeutige Kennung. Oft werden aber auch Auftragsnummern oder Kombinationen aus mehreren Angaben zum Auftrag verwendet (z.B. Auftragsarten, Auftragszähler etc.)
Baumuster und Bauserie
Angabe der Art des Fahrzeugs, welches zu bauen ist. Oft wird hier auch ein Verweis auf eine Plattform angegeben. Dem Baumuster kann meist auch entnommen werden, ob ein Links- oder Rechtslenker zu bauen ist und welcher Motor für das Fahrzeug vorgesehen ist.
Modelljahr
Modelljahr des Fahrzeugs
VIN (Vehicle Identification Number)
Fahrgestellnummer des Fahrzeugs. Diese wird für den VINPräger aber auch für Typschilddrucker und andere Geräte benötigt. Oft wird auch eine Kurzform der VIN angegeben, die ein Fahrzeug eindeutig identifiziert und auf Grund der Kürze leichter zu handhaben und zu merken ist.
Länderkennzeichen
Für viele Arbeitsgänge ist es wesentlich, das Zielland des Fahrzeugs zu kennen. Ein Beispiel hierfür wäre der Scheinwerfereinstellstand, der neben der Information ob ein Links- oder Rechtslenker zu bauen ist und welche Scheinwerfer verbaut sind, auch das Zielland kennen muss um eine Messung und Bewertung des Streulichts nach oben durchführen zu können. Auch die Einstellung der Sprache z.B. für das Navigationssystem kann über ein Länderkennzeichen gesteuert werden. In diesem Fall würde es für Kanada z.B. zwei Länderkennzeichen mit Englisch und Französisch geben.
Lackkennzeichen
Festlegung, mit welcher Außenfarbe das Fahrzeug zu lackieren ist
Farbe der Innenausstattung
Angabe, in welcher Farbe die Innenausstattung auszuführen ist.
Karosseriebauform
Bauform der Karosse. Z.B. Limousine, Kombi, Stufenheck etc.
Sequenznummer
Angabe der Reihenfolge in welcher das Fahrzeug zu bauen ist. Fahrzeuge werden meist in aufsteigender Reihenfolge der Sequenznummer in die Montage eingesteuert. Die Ermittlung der Sequenznummer ist Aufgabe der Sequenzierung, welche im Umfeld der Fahrzeugsteuerung stattfindet.
Plantermin für Auslieferung
Ein Plantermin für die Auslieferung ist erforderlich, um z.B. eine Führung und Steuerung der Nacharbeit zu ermöglichen.
36
Modellierung von Fertigungsprozessen
2.4. Materialdaten Die Basis für die Erstellung von Stücklisten ist der Materialstamm, der alle Materialien und alle zusätzlichen Dokumente und Dienste, die in einem Fertigungsbetrieb existieren, spezifiziert. Dies umfasst Rohmaterialen, Halbfertigteile und auch die Fertigteile, die in der Produktion hergestellt werden. Zusätzlich zur Materialnummer enthält der Materialstamm üblicherweise eine große Menge an Zusatzinformationen je Material. Abb. 2.4 zeigt die grundlegenden Daten zu einem Material in Microsoft Dynamics AX (Luis X. B. Mourao, 2006).
Abb. 2.4 – Verwaltung der grundlegenden Materialdaten in Microsoft Dynamics AX
Grundsätzlich werden verschiedene Arten von Zusatzinformation je Material gepflegt, wie in Tabelle 2.2 aufgelistet. Der Materialstamm wird normalerweise von der Produktentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Einkauf festgelegt. Für diesen Zweck haben sich am Markt zum Teil spezialisierte Systeme für das Produktdatenmanagement etabliert, die eine komfortable Pflege von Produktdaten und eine automatische Übernahme von den in der Entwicklung eingesetzten Systemen in das ERP System ermöglichen. Für den Betrieb von Produktionsleitsystemen sind bei weitem nicht alle Angaben, die im ERP System je Material gepflegt werden, relevant. Üblicherweise interessieren folgende Parameter: • • • • • •
Kennzeichnung und Beschreibung des Teils Stücklistenposition Typangaben, Varianten, Seriennummern Gebindeart und Lagerorte Teile der Qualitätsparameter Art des Lieferabrufs (nur teilweise relevant)
Materialdaten Tabelle 2.2 – Zusatzinformationen je Material Element
Beschreibung
Kennzeichnung
Jedes Material ist durch eine eindeutige Kennzeichnung zu beschreiben. Dies kann eine Materialnummer sein aber auch eine Kombination mehrerer Angaben, wie z.B. Materialnummer, Ausführung, Type und Farbe.
Bezeichnung
Lesbare Bezeichnung des Materials
Stücklistenposition
Wenn Materialien mehrfach an verschiedenen Arbeitsplätzen in der Fertigung verbaut werden, so ist die Angabe der Stücklistenposition wesentlich, da sonst das Ergebnis der Stücklistenauflösung, nämlich die auftragsbezogene Stückliste nicht in allen Fällen eindeutig auf Arbeitsplatzebene herunter aufgebrochen werden kann.
Zusatzdaten für die Logistik
Abmessungen, Gewicht, Farbe, Gebinde und weitere Parameter für die Logistik
Sicherheitsdaten
Gefahrenklassen und Sicherheitshinweise sowie Handhabungsanweisungen. In diesen Bereich fallen zusätzliche Daten, die auch für die Fertigung relevant sind wie z.B. die Lebensdauer von Klebern.
Lieferant
Nummer, Bezeichnung, Werksadresse, Rechnungsadresse und andere Angaben zum Lieferanten. Der Lieferant kann ein externer Zulieferer aber auch eine interne Fertigung (z.B. Vormontage oder Komponentenfertigung) sein.
Lieferbedingungen
Art der Lieferabrufe (JIS, JIT, KANBAN etc.), Lieferzeiten, Liefermengen, Lagerhaltungsstrategie etc.
Kaufmännische Angaben
Preis, Zahlungsbestimmungen etc.
Lieferkette
Hier steht eine lückenlose Beschreibung der gesamten Lieferkette. Für Produktionsleitsysteme sind jene Angaben, welche bandnahe Umlagerungen und Lagerorte beschreiben von besonderem Interesse.
Qualitätskriterien
Z.B. Kriterien für die Wareneingangsprüfung usw.
Technische Daten
Bilder und technische Zeichnungen, technische Spezifikationen, wie Umgebungsbedingungen etc.
Handhabungs- und Verbauanweisungen
Zusätzliche Beschreibungen für Handhabung, Einbau und Diagnose etc.
Gebinde und Verpackung
Anweisungen zur Handhabung von Gebinden und Verpackungen.
37
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Modellierung von Fertigungsprozessen
2.5. Stücklistenerstellung Abb. 2.5 zeigt in vereinfachter Form die Erstellung einer Stückliste in Microsoft Dynamics AX.
Abb. 2.5 – Erstellung von Stücklisten in Microsoft Dynamics AX
Wie in der Abbildung zu ersehen ist, haben Stücklisten die oben beschriebene Baumstruktur, wobei die Einträge in der Stückliste Materialien bzw. wiederum andere Stücklisten sein können. Stücklisten werden vom ERP System in das Produktionsleitsystem exportiert. Die Eingabe und Pflege der Stückliste ist normalerweise nicht Teil des Funktionsumfangs von Produktionsleitsystemen. In der Praxis hat sich eine systemtechnische Trennung von Planungs- und Steuerungsaufgaben auf Grund der sehr verschiedenen Systemanforderungen bewährt.
2.6. Stücklistenauflösung Die Verarbeitung der Stückliste im Produktionsleitsystem wird durch eine Reihe von Einflüssen verkompliziert. Kaum ein Kunde bestellt ein Fahrzeug in seiner Serienausstattung. Je nach gewählter Sonderausstattung ist die Stückliste für das Fahrzeug zu modifizieren. Wenn z.B. ein Fahrzeug mit Xenon Licht bestellt wird, dann sind die Xenon Komponenten in die Stückliste aufzunehmen, während das serienmäßig vorgesehene Halogenlicht wegzulassen ist. Je nach Land, in das ein Fahrzeug ausgeliefert werden soll, gelten unterschiedliche Vorschriften, die sich auf die Stückliste auswirken. Die beginnt bei Links-
Stücklistenauflösung
39
oder Rechtslenker, betrifft aber auch Leuchten, Aufkleber, Befüllung, Verpackung, Bordliteratur in verschiedenen Sprachen usw. Änderungen an der Stückliste werden bei Änderungen am Produkt (z.B. Revamps) oder bei Einsatz neuer Teile oder neuer Lieferanten vorgenommen. Diese Änderungen werden üblicherweise mit einem bestimmten Einsatztermin versehen, der durch einen Zeitpunkt oder eine Sequenznummer bestimmt wird. Das Produktionsleitsystem muss im Rahmen der Einsatzterminierung für die Einhaltung dieser Einsatztermine sorgen. Aus den Angaben im Auftragskopf und der allgemeinen von der Entwicklung festgelegten Stückliste ist auf Basis eines Regelwerks eine auftragsspezifische Stückliste für jedes Fahrzeug zu ermitteln. Dieser Prozess wird als Stücklistenauflösung bezeichnet. In der Praxis ist die Stücklistenauflösung tatsächlich für jeden Auftrag durchzuführen, da die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Fahrzeuge identisch sind, verschwindend gering ist. Die Stücklistenauflösung wird oftmals in mehreren Schritten durchgeführt, wie Abb. 2.6 zeigt.
Abb. 2.6 – Schrittweise Stücklistenauflösung
Die Entwicklungsstückliste wird in einem ersten Schritt um werksspezifische Informationen angereichert. Wenn bestimmte Bauserien in verschiedenen Werken gefertigt werden, so können z.B. unterschiedliche Angaben hinsichtlich der Einsatzterminierung oder der Lagerorte in der Stückliste enthalten sein. Die Generierung der werksspezifischen Stückliste erfolgt meist manuell bei Änderung der Entwicklungsstückliste und wird üblicherweise in der Verantwortung eigener Organisationseinheiten, welche die Serienüberleitung von der Entwicklung in die Produktion steuern, durchgeführt. Der zweite Schritt der Stücklistenauflösung erfolgt einmal pro Fahrzeug. Aus der werksspezifischen Stückliste wird auf Basis des Auftragskopfes des jeweiligen Fahrzeugs und eines Regelwerks eine auftragsspezifische Stückliste je Fahrzeug erstellt. Die auftragsspezifische Stückliste enthält alle Materialien, die tatsächlich in einem Fahrzeug zu verbauen sind.
40
Modellierung von Fertigungsprozessen
Die Stücklistenauflösung kann sowohl im ERP System als auch im Produktionsleitsystem erfolgen. Wenn das ERP System die Stückliste auflöst, so wird die auftragsspezifische Stückliste vom Produktionsleitsystem einfach übernommen. Die Auflösung der Stückliste im ERP System ist meist deshalb sinnvoll, da diese Information als Grundlage für die Bedarfsrechnung und für frühe Lieferabrufe (long distance JIS / JIT) bereits benötigt wird noch bevor das Produktionsleitsystem überhaupt Informationen über das jeweilige Fahrzeug besitzt. Das Produktionsleitsystem benötigt die auftragsspezifische Stückliste für die Implementierung von Funktionen wie Werkerinformationssysteme, elektronische Wagenbegleitkarten, Prozessdatenerfassung, Anlagendatenversorgung und Führen der Verbaudokumentation. In vielen klassischen Implementierungen von OEM-Systemen in der Automobilindustrie besteht das Problem, dass die Stückliste in der Vergangenheit vor allem für logistische Aufgaben wie z.B. die Bedarfsrechnung entwickelt und implementiert wurde. Hierfür ist es oftmals nicht erforderlich, die Stückliste tatsächlich fahrzeuggenau aufzulösen, wenn z.B. ein Monats- oder Wochenvolumen bestimmter Materialien zu ermitteln ist. In Produktionsleitsystemen kommt man um die fahrzeuggenaue Auflösung der Stückliste nicht umhin. Eng gekoppelte Logistikwege wie JIS Lieferungen erfordern ebenfalls eine fahrzeuggenaue Auflösung der Stückliste, die jedoch mangels vorhandener Systemfunktionen oftmals in dedizierte Zusatzsysteme ausgelagert oder überhaupt dem Lieferanten überlassen wird.
2.6.1. Methoden für die Stücklistenauflösung Die Stücklistenauflösung erfolgt normalerweise in einer Schleife, in der jedes Material, welches in der werksspezifischen Stückliste enthalten ist betrachtet wird. An Hand eines Regelwerks wird entschieden, ob dieses Material in die auftragsspezifische Stückliste übernommen wird oder nicht. Klassisch wird die Stücklistenauflösung nach der Plus-Minus Methode durchgeführt. Hierbei wird von einer Standardstückliste für ein Serienfahrzeug ausgegangen. Für jeden Eintrag in der Liste der Sonderausstattungscodes kommen bestimmte Einträge in der auftragsspezifischen Stückliste hinzu und andere werden entfernt. Diese Methode ist sehr einfach zu implementieren und auch zu parametrieren, bietet in der Praxis aber nicht genug Möglichkeiten, um alle Anforderungen an Varianten im Automobilbau abzudecken. Ein typisches Beispiel für Komponenten, die mit dieser einfachen Methode kaum zu beherrschen sind, sind Kabelbäume, die aus diversen Funktionsmodulen zusammengesetzt sind. In der Praxis ist daher ein komplexeres Regelwerk für die Stücklistenauflösung erforderlich. Es hat sich bewährt, im Produktionsleitsystem ein allgemein einsetzbares Modul für die Abarbeitung von fahrzeugspezifischen Regeln zu implementieren, das über die reine Behandlung der Stückliste hinausgeht. Solche Regeln
Stücklistenauflösung
41
können in gleicher Weise für das Werkerinformationssystem oder für die Versorgung von automatischen Anlagen mit Produktionsdaten, also für die Auflösung des Prozessplans eingesetzt werden. Komplexere Regelwerke gehen meist von der Zuordnung von Eigenschaften zu Fahrzeugen aus. Diese Eigenschaften (z.B. Kaltlandfahrzeug oder US-Fahrzeug) werden in Form von regulären Ausdrücken formuliert, die auf die Sonderausstattungscodes (auch Build Codes oder PR-Nummern genannt) angewendet eine Aussage ergeben, ob das jeweilige Fahrzeug die spezifizierte Eigenschaft besitzt: Build Codes:
C001;A43;F11;V43;V45;G17;H54;H23;…
US-Fahrzeug:
C001;%
Kaltland:
C007;% | C032;% | C011%;
Xenon:
%;V43;%
In der Folge können Eigenschaften in Form von Booleschen Ausdrücken kombiniert werden, wobei Eigenschaften wiederum andere Eigenschaften mit einbeziehen können. Durch diese Mittel kann ein sehr effektives Regelwerk für die fahrzeugspezifische Auflösung der Stückliste gebildet werden: IF (US-Fahrzeug AND Xenon) OR ‘%;H23;%’ THEN ADD M4711003 ADD M4711007 DEL M0815001 DEL M0815003 END IF Die Regelwerke werden oftmals auch in einer stark vereinfachten Schreibweise formuliert, die keine Klammern zulässt aber durch einen sehr simplen und performanten Parser abgearbeitet werden kann. Da die Stückliste mindestens einmal pro Takt aufgelöst werden muss, ist es erforderlich, ein Modul für die Stücklistenauflösung bereitzustellen, das eine entsprechend hohe Performance aufweist. Auftragsspezifische Stücklisten enthalten sehr viele Materialien und sind entsprechend speicherintensiv. Es lohnt sich daher, bei der Implementierung auf Möglichkeiten der Vereinfachung und Minimierung des Datenbestandes zu achten.
42
Modellierung von Fertigungsprozessen
2.7. Bedarfsrechnung Die Stückliste wird zunächst dazu verwendet, eine Bedarfsrechnung durchzuführen. Die Bedarfsrechnung geht von einer Menge von Teilen (Fertigteile) aus, die im Gewerk produziert und ausgeliefert werden und beantwortet die Frage, wie viele Halbfertigteile herzustellen bzw. wie viele Rohmaterialien einzukaufen sind, damit der Bedarf befriedigt werden kann. Für diesen Zweck wird die Stückliste in einem Gozintographen6 abgebildet. Der Gozintograph bietet einen allgemeineren Ansatz, als die Stückliste eines Teils, indem mehrere verschiedene Teile gleichzeitig betrachtet werden können, die in einer Fertigung produziert werden. Dies ist der Regelfall. Als Beispiel sei eine mechanische Fertigung von Getriebeteilen (Wellen, Zahnräder, Gehäuse) angeführt, die Teile an mehrere Montagelinien ausliefert, an denen verschiedene Getriebe montiert werden. Mit anderen Worten, der Gozintograph muss nicht notwendigerweise eine Baumstruktur besitzen. Abb. 2.7 zeigt ein Beispiel für einen Gozintographen.
1
6 6
0
4
2
1
Produktbezeichnung (Index) Primärbedarf (Stück)
2 3 2 0
2
3
5 5 1
3 0
4 4
1 7 3
Abb. 2.7 – Beispiel eines Gozintographens für die Bedarfsrechnung
Güter werden als Verbrauchsgüter interpretiert, Potenzialfaktoren spielen also keine Rolle. Die Produktionskoeffizienten υij an den Pfeilen geben die Mengeneinheiten des Vorproduktes i an, welche zur Herstellung einer Mengeneinheit von Teil j benötigt werden. Nun kann man die Kernfrage der Bedarfsrechnung beantworten, nämlich welche Menge von Rohmaterialien für die Herstellung einer bestimmten Menge von Fertigprodukten benötigt wird. Der Primärbedarf Y gibt an, welche Mengen von welchen Teilen vom Gewerk an Verbraucher auszuliefern sind. Er hält also fest, für welche Teile Bestellungen 6
Die Entstehung des Namens „Gozintograph“ ist durchaus interessant. Der Mathematiker Andrew Vazsonyi gab als Urheber den (fiktiven) italienischen Mathematiker Zepartzat Gozinto an, was nichts anderes bedeutet als „the part that goes into“.
Bedarfsrechnung
43
in welchen Mengen vorliegen. Der Primärbedarf ist in allen Knoten des Gozintographen durch die untere Zahl angegeben. Einige Knoten vermerken dort Null, was nicht anderes bedeutet, als dass Teile des entsprechenden Typs nicht einzeln sondern nur als Bestandteil anderer Teile ausgeliefert werden. Zusätzlich zum Primärbedarf besteht ein Sekundärbedarf S. Dies ist die Menge aller Teile, welche zur Herstellung anderer Fertigteile benötigt werden, aber nicht einzeln ausgeliefert werden. Zur Herstellung eines Schaltgetriebes benötigt man drei Wellen, welche nicht einzeln, sondern nur im Getriebe montiert ausgeliefert werden, wobei hier von einer eventuellen Ersatzteilfertigung abgesehen wird. Letztlich ist der Gesamtbedarf X definiert als die Summe des Primärbedarfs Y und des Sekundärbedarfs S. Der Gozintograph kann nun auf einfache Weise in ein lineares Gleichungssystem umgewandelt werden: X1 = X2 =
6 x4 + 3x4 + 5 x5 +
y1 y2
X3 =
x5 +
4 x7 + y3
X4 = X5 =
2 x4 +
X6 = X7 =
2 x6 + 3x7 + y4 x7 + y5 y6 y7
Eine kompaktere Schreibweise ergibt sich durch die Matrizenform, indem man die Beziehungen zwischen den Teilen in Form einer Verflechtungsmatrix V angibt:
⎛0 ⎜ ⎜0 ⎜0 ⎜ V = ⎜0 ⎜0 ⎜ ⎜0 ⎜ ⎝0
0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0
6 3 0 0 2 0 0
0 5 1 0 0 0 0
0 0 0 2 0 0 0
0⎞ ⎟ 0⎟ 4⎟ ⎟ 3⎟ 1 ⎟⎟ 0⎟ ⎟ 0⎠
⎛ y1 ⎞ ⎛ x1 ⎞ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ y2 ⎟ ⎜ x2 ⎟ ⎜y ⎟ ⎜x ⎟ ⎜ 3⎟ ⎜ 3⎟ x = ⎜ x4 ⎟ , y = ⎜ y4 ⎟ ⎜y ⎟ ⎜x ⎟ ⎜ 5⎟ ⎜ 5⎟ ⎜ y6 ⎟ ⎜ x6 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎝ y7 ⎠ ⎝ x7 ⎠
Auch der Gesamtbedarf X und der Primärbedarf Y können in Form von Vektoren angegeben werden. Damit kann man das Gleichungssystem wie folgt in Matrizenform angeben:
x = V⋅x+ y
44
Modellierung von Fertigungsprozessen
Mit Hilfe der Einheitsmatrix I kann nun das Gleichungssystem durch Umformen nach X aufgelöst werden:
x = (I − V)−1 ⋅ y Die Matrix (I-V) wird auch als technologische Matrix bezeichnet. In unserem Beispiel ergibt sie sich zu: ⎛1 ⎜ ⎜0 ⎜0 ⎜ (I − V ) = ⎜ 0 ⎜ ⎜0 ⎜0 ⎜ ⎝0
Die inverse Matrix (I-V) ergibt sich zu:
(I − V ) −1 =
-1
0 −6 0 0 0 ⎞ ⎟ 0 −3 −5 0 0 ⎟ 1 0 −1 0 − 4 ⎟ ⎟ 0 1 0 − 2 − 3⎟ ⎟ 0 0 −2 1 0 −1 ⎟ 0 0 0 0 1 0 ⎟ ⎟ 0 0 0 0 0 1 ⎠
0 1 0 0
wird auch als Gesamtbedarfsmatrix bezeichnet und
1 ⋅ (I − V ) ad det(I − V )
⎛1 ⎜ ⎜0 ⎜0 ⎜ = ⎜0 ⎜ ⎜0 ⎜0 ⎜ ⎝0
0 6 0 12 18 ⎞ ⎟ 0 13 5 26 44 ⎟ 1 2 1 4 11 ⎟ ⎟ 0 1 0 2 3⎟ ⎟ 0 2 1 4 7⎟ 0 0 0 0 1 0⎟ ⎟ 0 0 0 0 0 1⎠
0 1 0 0 0
Die in der Bedarfsrechnung verwendeten Matrizen sind üblicherweise sehr viel größer als hier in diesem Beispiel angegeben. Die Berechnungen sollten also einem Rechner überlassen werden. Die Koeffizienten der Matrix geben an, wie viele Teile über alle Produktionsstufen hinweg benötigt werden, um einen Teil des Endproduktes herzustellen. Für die Herstellung eines Teils von Typ 6 werden 26 Stück vom Typ 2 benötigt. Neben dem Primärbedarf entsteht also durch die Verflechtung in der Fertigung ein zusätzlicher Sekundärbedarf s an Gütern, der wie folgt berechnet werden kann:
(
)
s = x − y = (I − V) − I ⋅ y −1
Der Sekundärbedarf S dient zur Herstellung des Primärbedarfs Y ist aber im Gegensatz zu diesem nicht direkt absatzbestimmt. Hiermit erhalten wir folgende Ergebnisse:
Perlenketten, Subaufträge und Karossentausch
45
0
78
78
0
204 45
204 45
0 y= 2
x = (I V) 1 y = 13 , s = x
y = 11
1
33 1
29 0
3
3
0
4
Unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich dann, wenn in der Fertigung keine Rückkopplung vorliegt (alle Koeffizienten in der Verflechtungsmatrix unterhalb der Hauptdiagonale sind Null), kann die Bedarfsermittlung auch mittels einer sukzessiven Bedarfsrechnung durchgeführt werden. Diese Methode umgeht das Invertieren der technologischen Matrix. Oftmals kann eine hierfür erforderliche Dreiecksmatrix auch einfach durch Umbenennung der Produkte hergestellt werden. Informationen zur sukzessiven Bedarfsrechnung finden sich in (Klaus-Peter Kistner, 2001).
2.8. Perlenketten, Subaufträge und Karossentausch Bei vielen Fahrzeugherstellern werden Perlenketten von Fahrzeugaufträgen sequenziert und durch die Anlage gesteuert. Perlenketten werden meist für den Punkt Eingang Endmontage gebildet, aber auch für den Karosserierohbau und die Lackiererei als Planvorgabe verwendet. In diesem Fall spricht man von einer idealen Perlenkette, welche sich vom Beginn des Rohbaus bis zum Ende des Montagebandes durchzieht. In vielen Fällen ist es aus technologischen Gründen (z.B. Pulkbildung im Lack) oder aus Gründen mangelnder Prozessgüte nicht möglich oder sinnvoll, eine ideale Perlenkette mit all ihren Vorteilen umzusetzen, welche sich in erheblich einfacheren Logistikketten manifestieren. In diesem Fall ist es üblich, Bauaufträge in Subaufträge zu zerlegen. Z.B. könnte ein Bauauftrag für ein Fahrzeug in Subaufträge für Rohbau, Lack, diverse Vormontagen und die Fahrzeugendmontage zerfallen. Subaufträge bedeuten zusätzliche Komplexität, geben dem Produktionsleitsystem aber die Möglichkeit, Subaufträge zwischen Fahrzeugaufträgen zu tauschen. Ein gutes Beispiel wäre die Sequenzplanung für die Montage. Damit die geplante Liefertreue besser erreicht werden kann, werden Subaufträge für lackierte Karossen zwischen Fahrzeugaufträgen getauscht. Es ist lediglich sicherzustellen, dass dem Fahrzeugauftrag vor der Einsteuerung in die Endmontage eine Karosse zugeordnet wird, die von der Spezifikation her zum Fahrzeugauftrag passt (Linkslenker
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Modellierung von Fertigungsprozessen
vs. Rechtslenker, Farbe, …). Diese Vorgangsweise ist vor allem bei Fahrzeugen interessant, die eine geringe Anzahl von Karossenvarianten aufweisen. Wenn Subaufträge eingeführt werden, so sollten die Anlagen in den einzelnen Gewerken und auch die Werkerinformationssysteme und die Terminals mit Subauftragsnummern arbeiten. Dies ist die einfachste Möglichkeit, um einer Quelle der Verwirrung vorzubeugen. Jedem Subauftrag werden unabhängig voneinander Produktionsschritte und Sequenznummern zugewiesen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Sequenznummern aufsteigend sein sollten, aber mit einem Inkrement von mehr als 1. Hiermit ist es möglich durch die Vergabe von Zwischensequenzen nachträglich manuelle Korrekturen an der Produktionssequenz vorzunehmen. Subaufträge können wiederum selbst in weitere Unteraufträge zerlegt werden, die als Komponenten bezeichnet werden, sodass sich letztlich eine baumförmige Auftragsstruktur ergibt an deren Wurzel der Fahrzeugauftrag steht. Die weitere Zerlegung von Subaufträgen ist einerseits sinnvoll, wenn Komponenten von JIS Lieferanten hergestellt und in Sequenz zugeliefert werden. In diesem Fall kann jedem Lieferabruf ein Subauftrag zugeordnet werden, der gesondert von anderen Aufträgen bearbeitet wird. Diese Methodik unterstützt auch die Implementierung von Produktionsdrehscheiben. Andererseits geben Subaufträge die Möglichkeit, den Status und den Standort von Komponenten gesondert zu verwalten. Ein Fahrzeug in der Endmontage kann dann z.B. aus der Karosse selbst, aus Türen, Frontends, Aggregate und Cockpits bestehen. Subauftragsstrukturen erhöhen die Komplexität, da Eigenschaften des Auftrags, Teile des Auftragskopfes und der auftragsspezifischen Stückliste vom Auftrag zu den Subaufträgen hin weitergegeben werden. Auf der anderen Seite werden Prozessdaten, Checklisten, Statusinformationen und andere Daten in der Verbaudokumentation vom Subauftrag nach oben bis zur Wurzel des Baums hin akkumuliert, sodass ein Gesamtstatus und Sperren für Aufträge auf allen Ebenen gebildet werden können.
2.9. Ressourcenplan Der Ressourcenplan enthält eine strukturierte Beschreibung der Produktionsanlage und aller Betriebsmittel inklusive aller Kapazitäten und Werker. Abb. 2.8 zeigt beispielhaft die Struktur des Ressourcenplans.
Ressourcenplan
47
Abb. 2.8 – Prinzipielle Struktur der Ressourcenplans
Der Ressourcenplan wird üblicherweise von der Anlagenplanung erstellt, wobei für diesen Zweck eine Reihe verschiedener zum Teil recht spezialisierter Werkzeuge zur Verfügung steht (EMPlanner, Delmia, AutoCAD etc.). Der Ressourcenplan wird oft manuell, im Idealfall aber automatisch in das Produktionsleitsystem übernommen, wobei bei Weitem nicht alle Informationen, welche im Rahmen der Anlagenplanung erfasst werden, für das Produktionssystem relevant sind. Es ist notwendig, eine Strukturierung des Ressourcenplans schon während der Erstellung einzuführen, um die Informationsmenge überschaubar und beherrschbar zu machen. Diese Strukturierung ist meist nach anlagentechnischen Gesichtspunkten ausgerichtet.
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Neben der Equipmenthierarchie und eindeutigen Equipmentbezeichnungen enthält der Ressourcenplan eine Reihe weiterer Informationen, welche oftmals leider nur in sehr unstrukturierter Form zur Verfügung stehen (z.B. in losen ExcelTabellen etc.). Üblich sind Standortcodes, welche den Standort der Ressource detailliert beschreiben, Gerätebezeichnungen und Typangaben, Informationen zum Aufbau der Anlagen, so wie AutoCAD Zeichnungen, Verdrahtungspläne und Benutzerhandbücher. Hinzu kommen Wartungspläne und Wartungsanweisungen, Sicherheitshinweise sowie Angaben zur Medienversorgung usw. Neben der hierarchischen Darstellung der Anlage ist es auch erforderlich, den Teilefluss durch die Anlage zu modellieren. Hiermit ist neben dem Fluss von Fahrzeugen auch der Fluss von Teilen, Materialien, Leergebinden, Skids, Transpondern und anderen Betriebsmitteln festzulegen. Die Informationen zu Anlagen sind mit Informationen über Werker, deren Qualifikation, besonderen Belastungen und notwendigen Schulungs- und Schutzmaßnahmen zu komplettieren. Abb. 2.9 zeigt die Angabe des Ressourcenplans in einem Produktionsleitsystem (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 2.9 – Verwaltung des Ressourcenplans im Produktionsleitsystem
Ressourcenplan
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2.9.1. Hierarchischer Aufbau des Ressourcenplans In der Praxis hat sich für den Aufbau der Hierarchie des Ressourcenplans ein objektorientierter Ansatz bewährt, der eine schnellere Konfiguration und auch eine einfachere Pflege des Ressourcenplans ermöglicht. Dies bedeutet, dass jedem Objekt im Ressourcenplan ein Objekttyp zugeordnet wird. Das Objekt erbt alle wesentlichen Eigenschaften vom Objekttyp, wobei die Möglichkeit besteht, individuelle Eigenschaften des Objekts zu überschreiben. Objekttypen können wiederum selbst von anderen Objekttypen abgeleitet sein. Ein Beispiel für diese Ableitung wäre: Station -> Prüfstand -> Rollenprüfstand -> EXMP6503P1 Für den Prüfstand EXMP6503P1 werden der Standortcode und die IP Adresse am Netzwerk individuell konfiguriert. Alle anderen Angaben werden vom Datentyp Rollenprüfstand vererbt. Während die Vererbung immer eine Beziehung ist, die als „Ein Rollenprüfstand IST EIN Prüfstand“ formuliert werden kann, was einer Spezialisierung entspricht, handelt es sich bei der Hierarchie um Aggregationsbeziehungen, also z.B. „Die Linie Prüffeld ENTHÄLT EXMP6503P1“. Die Hierarchie ist unter anderem erforderlich, um folgende Funktionen abzubilden: • • • • • •
Berechnung von Anlagenkennzahlen, wie Verfügbarkeit, OEE (Overall Equipment Efficiency) oder FTC (First Time Correct) über Fertigungsabschnitte Weitergabe der Taktung von Linien an Stationen und Geräte Visualisierung und Stückzahlberechnung Zielgerichtete Alarmierung und reaktive Instandhaltung Sequenzierung von Produktionsleittechnik Clients in der Linie Werkerinformationssystem
Es ist zusätzlich zu bedenken, dass der Ressourcenplan keine reine Baumstruktur aufweist, sondern ein gerichteter Graph ist. Dies bedeutet, dass Objekte gleichzeitig von mehreren Objekten in der Hierarchie aggregiert werden können. Beispielsweise könnte eine Bearbeitungsstation einerseits auf der Linie Trim 1 liegen, andererseits aber zur Zone 7 und zum Meisterbereich 3 gehören. Für Berichte und für die Alarmierung kann es sinnvoll sein, Fehler oder FTC für jeden dieser organisatorischen Bereiche getrennt zu ermitteln, sodass die Zahlen zu den organisatorischen Gegebenheiten im Werk passen.
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Weiters sollte das Produktionsleitsystem so flexibel sein, dass der Benutzer jedem Objekt oder jedem Objekttyp eine beliebige Anzahl frei konfigurierbarer Eigenschaften zuordnen kann. Hiermit besteht die Möglichkeit, eine flexible Informationsdatenbank zu allen Anlagenobjekten aufzubauen. Z.B. könnte die Telefonnummer der Hotline des Geräteherstellers eine hilfreiche Information für die reaktive Instandhaltung sein.
2.9.2. Konfiguration des Teileflusses Abb. 2.10 zeigt als Beispiel einen grafischen Editor für die Festlegung des Teileflusses (Kon-Cept GmbH., 2008). Dieser Editor gibt dem Benutzer die Möglichkeit, den Teilefluss in der Produktionsanlage festzulegen.
Abb. 2.10 – Festlegung des Teileflusses im Produktionsleitsystems
Wichtig ist besonders die Spezifikation von Puffern und deren Eigenschaften. Puffer können mehrere Fahrzeuge beinhalten und manifestieren sich in der Anlage auf verschiedene Weise. Typische Puffer sind Fördertechnikstrecken, die verschiedene Linien miteinander verbinden (z.B. Fördertechnik im Rohbau zwischen Bodenlinie und Framing-Linie). Puffer finden sich auch an Ausschleusstellen, an
Ressourcenplan
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denen Karossen für Nacharbeiten ausgeschleust werden. Ein Beispiel wäre das Ausschleusen von Karossen, die in eine Offline Vermessung verbracht und anschließend wieder in die Anlage eingesteuert werden. Im Gegensatz zu Förderstrecken kann es in diesen Puffern zu einer Verwirbelung von Karossen kommen. Auch Karossenspeicher, welche am Beginn und am Ende von Lackierereien als Sequenzrichter eingesetzt werden, sind typische Puffer mit wahlfreiem Zugriff. Auch Gebindeförderer, die z.B. Heckklappen in Gebinden zu je 10 Stück befördern, können als Puffer modelliert werden. Die Beförderung kann hierbei auch manuell mittels Stapler erfolgen, was für die Modellierung im Produktionsleitsystem keine Rolle spielt. In der Praxis ist es oft sinnvoll, auch virtuelle Puffer im Produktionsleitsystem einzurichten, die keine Entsprechung in der Anlage haben. Als Beispiel könnte genannt werden, dass es sinnvoll sein kann, Karossen, die für die Fertigung im Rohbau geplant wurden, in einen Puffer geplanter Fahrzeuge zu stellen, sobald sie vom ERP System als eingeplant gemeldet werden. Puffer werden oft auch für sortenreine Bereitstellung von Teilen verwendet wie z.B. zwischen der Seitenrahmenvorfertigung und der Framing Station. Die Spezifikation von Puffern ist für die Implementierung einiger grundlegender Funktionen im Produktionsleitsystem von Bedeutung. Hierzu zählen die Ansteuerung von Fertigungseinrichtungen mit Produktionsdaten in Sequenz oder in einem bestimmten Typmix, sowie das Management von Pufferbelegungen, um die Auswirkung von Stillständen in einem Bandabschnitt auf andere Bandabschnitte zu minimieren oder um sicherzustellen, dass Teile eines bestimmten Typs dann verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden. Die Pufferbelegung wird oftmals visualisiert um eine Anzeige des Status und von Abweichungen und einen frühzeitigen manuellen Eingriff im Fall von Problemen zu ermöglichen. Bei Puffern wird zwischen drei grundsätzlichen Typen unterschieden, wie in Tabelle 2.3 angegeben. Zunächst wird im Produktionsflusseditor lediglich festgelegt, welche Teile prinzipiell in welche Richtung fließen können. Es ist aber zusätzlich ein Entscheidungskriterium erforderlich, welches bestimmt, wann welcher Teil welche Richtung einschlägt, sobald das Produktionsleitsystem für die Steuerung des Karossenund Teileflusses eingesetzt wird. Entscheidungen über die Richtung, die ein Teil im Teilefluss an einer bestimmten Stelle nimmt können auf unterschiedlicher Basis getroffen werden. Die Richtung des Teileflusses kann von der Produktionsanlage bestimmt werden. Dies kann z.B. durch Teilekontrollen geschehen, die den Teiletyp erkennen und bestimmen, ob ein Teil auf Linie 1 oder 2 weiterbearbeitet wird (z.B. Limousinen auf Linie 1 und Kombis auf Linie 2). Wenn zwei parallele Linien hinter einer Weiche liegen, so könnte ein sinnvolles Kriterium die nächste freie Station sein. Der Teil wird an jene Linie weitergegeben, die gerade frei ist. Im Normalbetrieb bei gleicher Taktzeit werden Teile somit alternierend weitergeben. Sollte eine der beiden Linien auf Grund eines Bandhalts oder eines technischen Gebrechens zum Stillstand kommen, so werden alle Teile auf die andere Linie weitergeleitet.
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Tabelle 2.3 – Typen von Puffern Pufferart
Beschreibung
Puffer mit Sequenzreihenfolge
Puffer, die die Sequenzreihenfolge wahren (FIFO oder LIFO) sind in Fertigungseinrichtungen häufig anzutreffen. Die meisten Förderstrecken sind FIFO Puffer (First in first out). Dies bedeutet, dass die Teile den Puffer in derselben Reihenfolge verlassen, in der sie im Puffer aufgenommen wurden. LIFO Puffer (Last in first out) sind seltener anzutreffen und oftmals bei Palettierern oder Skidstaplern zu finden.
Sortenreine Puffer
Nur die Teile, die den gleichen Typ aufweisen, verlassen diese Puffer in Sequenz. Sortenreine Puffer werden meistens bei Zuführungen zu Fertigungseinrichtungen verwendet.
Wahlfreie Puffer
Dies sind typischerweise Ausschleusstrecken, Karossenhäuser oder Förderstrecken ohne Zwangsführung (dies ist in der Zertifizierung, in denen Fahrzeuge aus eigener Kraft unterwegs sind, der typische Fall). Bei wahlfreien Puffern ist das Anbringen eines Identifikationssystems am Ausgang des Puffers erforderlich, damit speziell beim Einschleusen von Teilen in die Linie deren Identität festgestellt werden kann.
Manuelle Vorgabe durch den Werker kann ebenfalls eine Entscheidungsgrundlage sein. In der Anlage könnte z.B. ein Druckknopf angebracht sein, der es erlaubt, Teile ein- oder auszuschleusen. Am Polierdeck in der Lackiererei könnte ein Mitarbeiter aus der Qualitätssicherung nach einer Sichtkontrolle des Lacks entscheiden, ob eine Karosse in den Fertigkarossenspeicher, die Lacknacharbeit, einen Auditbereich oder zurück auf die Decklacklinie geht. Als weiteres Entscheidungskriterium wird oftmals der Qualitätsstatus des Teils herangezogen. Wenn z.B. der Teil bei Bandende der Endmontage offene Punkte aufweist, so wird er automatisch in die Nacharbeit gesteuert, ansonsten in das Prüffeld. Zusätzlich können auch Produktmerkmale mit einem Stichprobenumfang von weniger als 100% die Entscheidung über den Teilefluss beeinflussen. Z.B. könnte es erforderlich sein, am Ende des Karosserierohbaus jede 100. Karosse auszuschleusen und in den Messraum zu verbringen. In Lackierereien kann noch die Aufgabe einer Pulkbildung hinzukommen (z.B. das Produktionsleitsystem soll sicherstellen, dass Fahrzeuge in Pulks von mindestens 10 Fahrzeugen in der gleichen Farbe durch die Lackiererei gesteuert werden). Pulkbildung ist meist auf Grund technischer Einschränkungen erforderlich, die einen Wechsel der Farbe nach jeder Karosse unwirtschaftlich oder in der gegebenen Taktzeit nicht durchführbar machen. Die oben beschriebenen Entscheidungskriterien können entweder von der Fördertechnik angewendet werden oder es besteht die Möglichkeit, dass das Produktionsleitsystem die Entscheidung über den Teilefluss trifft und vorgibt. In der Praxis hat es sich bewährt, die Entscheidung über den Teilefluss soweit wie möglich der Anlage zu überlassen. Hierdurch ergeben sich meist ein einfacherer Systemaufbau und eine erhöhte Verlässlichkeit des Systems. Eine detaillierte Diskussion
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der Funktionen zur Teileidentifikation und zur Teilesteuerung folgt weiter hinten in diesem Dokument.
2.9.3. Erstellung und Pflege des Ressourcenplans Die Erstellung und die Pflege des Ressourcenplans ist in jedem Anlagenprojekt eine neue Herausforderung. Das Problem ist, dass der Ressourcenplan mit unterschiedlicher Detaillierung und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen von verschiedenen Stellen benötigt wird, welche verschiedene Werkzeuge verwenden, um ihn zu pflegen und mit ihm arbeiten. Abb. 2.11 zeigt diese Situation.
Abb. 2.11 – Funktionsübergreifende Verwaltung des Ressourcenplans
Derzeit existieren keine verbreiteten und allgemein akzeptierten Standards, die eine zentrale Pflege des Ressourcenplans ermöglichen. Aus diesem Grund kann diese Aufgabe nur durch geeignete organisatorische Maßnahmen gelöst werden. Bei Greenfield Projekten ist dies relativ einfach in den Griff zu bekommen, während es bei bestehenden Anlagen meist nicht sinnvoll ist, größere Änderungen an den bestehenden Werkzeugen und Konfigurationen vorzunehmen. Bereits am Beginn der Anlagenplanung sollte ein Standard ausgearbeitet werden, der für alle am Projekt beteiligten Stellen und Lieferanten verbindlich ist (ALLE – es gibt keinen Grund, die Konfiguration des ERP Systems oder die Anlagenprogrammierung hier außen vor zu lassen). Der Standard legt den Aufbau der Hierarchie des Ressourcenplans fest. Weiters werden Vorgaben für Benennungen und Bezeichnungen von Objekten gemacht. Hier sollte besonderer Wert auf eine
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Modellierung von Fertigungsprozessen
sprechende Nomenklatur gelegt werden, sodass bereits auf den ersten Blick zu erkennen ist, um welche Art von Anlage es sich handelt und wo diese zu finden ist. Zusätzlich sind Abläufe zu definieren, die sicherstellen, dass die verschiedenen Modelle synchron bleiben. Hierfür sind entsprechende Arbeitsanweisungen auszuarbeiten. Durch regelmäßige Audits ist sicherzustellen, dass der Standard eingehalten wird. Durch die Verfügbarkeit relationaler Datenbanken als Commodity und das Aufkommen neuer Technologien, wie XML und XML Schema ist zu erwarten, dass es in Zukunft einfacher werden wird, zumindest einige der beteiligten Werkzeuge automatisch zu synchronisieren. Hierbei ist wichtig, festzuhalten, dass die rein technische Möglichkeit einer Synchronisation alleine nicht ausreicht. Es ist sicherzustellen, dass dies die Arbeit der beteiligten Stellen nicht unnötig kompliziert macht und damit verlangsamt. Am Markt existieren einige Ansätze für integrierte Systeme, die bei allen Vorteilen leider den sehr großen Nachteil haben, dass die Komplexität in der Handhabung explodiert, sodass die Aufwände bei der Erstellung und Pflege des Ressourcenplans sehr bald den Nutzen überschreiten.
2.9.4. Standardisierung Ein Standard, der sich mit Funktionen von Produktionsleitsystemen beschäftigt ist die ISA S95.01 „Enterprise-Control System Integration, Part 1: Models and Terminology“ (ISA, 2000). Dieser Standard ist nicht speziell für Belange der Automobilfertigung ausgelegt, sondern beschreibt die Schnittstelle zwischen ERP Systemen und Produktionsleitsystemen in technischer und funktionaler Art. Hierbei legt der Standard im Abschnitt 5.2 einen Teil der Hierarchie des Ressourcenplanes fest. Im Standard wird dies als „Equipment Hierarchy“ bezeichnet. Abb. 2.12 erläutert die Festlegung des Standards. Während in der pharmazeutischen Industrie mit der ISA S88.01 noch weitere Standards existieren, die die Hierarchie weiter detaillieren, ist die Festlegung in der ISA S95 zu grob, um für Produktionsleitsysteme auszureichen. Weiterführende Standards existieren nur auf Werks- oder Projektebene. Als weitere Problematik kommt hinzu, dass das in der ISA S95 spezifizierte Modell nicht kompatibel mit Modellen in verbreiteten ERP Systemen ist. Die Konformität von Systemen zur ISA S95 ist zumindest für die Belange des Ressourcenplans heute nicht hilfreich.
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Abb. 2.12 – Struktur des Ressourcenplans in der ISA S95.01
2.10. Prozessplan Der Prozessplan baut auf der Stückliste und am Ressourcenplan auf und legt alle Fertigungs- und Prüfschritte fest, die zur Herstellung des Fahrzeuges erforderlich sind. Der Prozessplan ist eine bedeutende Grundlage für die Implementierung wesentlicher Funktionen im Produktionsleitsystem, wie dem Werkerinformationssystem, der elektronischen Wagenbegleitkarte, der Erfassung von Prozessdaten und der Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen. Abb. 2.13 zeigt beispielhaft die Struktur des Prozessplans. Der Prozessplan ist so wie die Stückliste der Versionsverwaltung unterworfen, sodass Einsatztermine ebenso wie bei der Stückliste zu berücksichtigen sind. Zusätzlich ist der Prozessplan fahrzeugspezifisch zu erstellen, da die durchzuführenden Arbeitsgänge von der Ausstattung des Fahrzeuges abhängen. Auch der Prozessplan ist hierarchisch aufgebaut. Ein objektorientierter Ansatz ist für die Erstellung des Prozessplans zumindest bedingt von Vorteil. Arbeitsgänge und Arbeitsschritte können Typen zugeordnet werden, sodass wiederum eine Vererbung von Informationen möglich wird. Zusätzliche Vererbungshierarchien ergeben sich z.B. durch Zeitkartensysteme usw.
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Der Prozessplan enthält eine Reihe von grundlegenden Informationen aus der Arbeitsplanung. Die Basis bildet eine Liste der durchzuführenden Arbeitsgänge und Arbeitsschritte, wobei Prüfschritte ebenso wir Arbeitsschritte behandelt werden. Es gibt nach Meinung des Autors keine guten Gründe, Prüfschritte anders zu behandeln und zu planen, als wertschöpfende Arbeitsschritte in der Fertigung. Weiters ist eine Zuordnung von Ressourcen zu Arbeitsgängen vorzunehmen. Hiermit wird auch festgelegt, an welcher Arbeitsstation welche Arbeitsgänge durchgeführt werden. Es sind Abhängigkeiten von Arbeitsschritten zueinander, zu Ressourcen und zu Stücklisten festzuhalten. Der Prozessplan wird durch weitere Informationen, wie Arbeitsanweisungen, Bilder, Prüfspezifikationen, Prüfpläne etc. und durch Steuerpläne sowie durch Produktionslenkungspläne komplettiert.
Abb. 2.13 – Prinzipielle Struktur des Prozessplans
In der Praxis bestehen im Umfeld des Prozessplans ähnliche Probleme wie im Bereich der Anlagenplanung, nämlich dass keine durchgängigen Planungswerk-
Prozessplan
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zeuge existieren und viele Informationen oftmals in unstrukturierter Form z.B. in Form verschiedener Excel Tabellen geführt werden. Die mangelnde Struktur führt oftmals dazu, dass Prozesspläne nicht automatisch aus den Planungssystemen übernommen werden können. Der reine Dokumentationscharakter von Daten in Planungswerkzeugen führt vielfach zu laxem Umgang und damit zu mangelnder Datenqualität. Bei heutzutage immer kürzer werdenden Produktzyklen wird die Agilität, mit welcher Prozessänderungen in der Fertigung umgesetzt werden können, immer bedeutender. Die zumindest teilautomatisierte Übernahme von Prozessplänen in das Produktionsleitsystem inklusive grundlegender Funktionen zur Einsatzterminierung wird in Zukunft zu einer grundlegenden Systemanforderung.
2.10.1. Ablauf der Arbeitsplanung Die Arbeitsplanung ist eine Teilaufgabe der Anlagenplanung und für die Erstellung des Prozessplans zuständig. Die Arbeitsplanung läuft grundsätzlich in mehreren Schritten ab. Nach der Planung des Produktionslayouts folgt das Auflisten und Reihen der Arbeitsgänge. Weiters wird eine grobe Beschreibung der Fertigungsund Prüfschritte erstellt. Diese wird sukzessive zu einer Detailbeschreibung der Arbeitsschritte verfeinert. Hier werden auch Zeitbausteine, Materialien entsprechend der Stückliste, Betriebsmittel entsprechend des Ressourcenplans und Regelelemente zugeordnet. Nach Ermittlung der Gesamtzeit je Ressource werden zuletzt die Auslastungen der Ressourcen abgeglichen. Diese hier angegebenen Ablaufschritte werden oft auch parallel oder in mehreren Schleifen durchlaufen. Abb. 2.14 zeigt den Ablauf bezogen auf die Projektphasen des Gesamtprojekts. Konzept Logisches Produktionslayout (Zonen, Stationen, Ressourcen) Auflistung der Arbeitsgänge (grob)
Vorplanung Auflistung Arbeitsschritte (fein) Zuordnung Stückliste, Ressourcen, Zeitbausteine, Regelelemente (grob) Abtaktung (grob) Arbeitsanweisungen (grob) Erstellung Steuerplan für Prototypenfertigung und Vorserie
Serienplanung
Serienbetrieb
Zuordnung Stückliste, Ressourcen, Zeitbausteine, Regelelemente (fein)
Durchführung von Änderungen, Versionsmanagement und Einsatzsteuerung
Abtaktung (Szenarien)
Abtaktung (Szenarien)
Arbeitsanweisungen (fein) Erstellung Steuerplan für Serie
Grobplanung: f lexibel
Abb. 2.14 – Projektphasen des Automobilprojekts
Feinplanung: prozesssicher
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Bei vielen Automobilherstellern wird die Planung von Prüfschritten getrennt von der Fertigungsplanung durchgeführt. In modernen, integrierten Produktionssystemen sollte die Fertigungs- und die Prüfplanung in einem gemeinsamen Planungsprozess zusammengefasst werden. Abb. 2.15 zeigt den Ablauf. Am Beispiel der FMEA lässt sich hier sehr anschaulich auch die Verschränkung zwischen Produkt- und Prozessentwicklung darstellen, welche heute bei Einsatz von „Simultaneous Engineering“ besondere Bedeutung hat. Da das Produkt parallel zum Fertigungsprozess entwickelt wird, ist eine enge Abstimmung zwischen allen Entwicklungsbereichen erforderlich, die in der Praxis leider nur organisatorisch aber nicht systemtechnisch gewährleistet werden kann.
Abb. 2.15 – Zeitlicher Ablauf von paralleler Produkt- und Prozessentwicklung
2.10.2. Abtaktung Die Basis der Arbeitsplanung ist die Taktzeit der Anlage. Diese ergibt sich aus der folgenden Formel: Taktzeit =
Arbeitszeit pro Schicht Stückzahl pro Schicht
Die Abtaktung geht davon aus, dass das Fahrzeug mit jedem Takt von einer Arbeitsstation in die nächste befördert wird. Dies bedeutet, dass alle Arbeitsschritte in einer Station innerhalb der Taktzeit abgeschlossen sein müssen oder mit an-
Prozessplan
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deren Worten, dass auch alle Arbeiten, die einer Ressource in einer Station zugeordnet werden, innerhalb der Taktzeit abgeschlossen werden müssen. Wenn Arbeitsschritte länger dauern, als die vorgegebene Taktzeit, so gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, dem zu begegnen, wobei beide Möglichkeiten mehrfach vorhandene Ressourcen voraussetzen. Eine Möglichkeit ist das Aufteilen der Arbeitsgänge auf zwei oder mehrere aufeinander folgende Stationen. Ein Beispiel für diese Vorgangsweise wäre z.B. eine Bremsbefüllanlage mit Heliumlecktest. Alternativ können Arbeitsgänge auf mehrere parallele Stationen oder Linien aufgeteilt werden. Ein typisches Beispiel für eine solche Vorgangsweise sind Fahrwerkseinstellstände, die am Ende des Montagebandes mehrfach parallel aufgebaut werden. Für eine praktikable Abtaktung spielt vor allem der zu erwartende Modellmix eine Rolle. Als Beispiel sei der Verbau der Mittelkonsole zu nennen. Während der Einbau des serienmäßigen Autoradios relativ wenig Zeit in Anspruch nimmt, kann andererseits der Verbau eines Navigationssystems relativ zeitaufwändig sein. Wenn nun die Abtaktung auf den schlechtesten Fall ausgelegt ist, so bleiben in den meisten Fällen Ressourcen ungenutzt. Dies ist vor allem dann sehr ineffizient, wenn das Navigationssystem nur bei einem geringen Prozentsatz der zu produzierenden Fahrzeuge verbaut wird. An dieser Stelle kommen die Sequenzplanung und das Produktionsleitsystem ins Spiel. Wenn man sicherstellen kann, dass nie zwei Fahrzeuge mit Navigationssystem direkt hintereinander eingeplant werden, dann kann der Zeitaufwand für den Verbau des Navigationssystems die Taktzeit überschreiten (vorausgesetzt die anderen Arbeitsgänge in den betroffenen Stationen erlauben dies). Wie hieraus leicht ersichtlich ist, stellen die Feinplanung der Abtaktung und der Ressourcenausgleich ein nicht triviales Problem dar, welches mit Rechnerunterstützung und manuellem Eingriff allerdings zufriedenstellend gelöst werden kann. Für die Arbeitsplanung existieren bei den meisten Automobilbauern selbst erstellte Systeme. Man bezeichnet diese auch als WPP Systeme (Work Progress Planning). Die Abtaktung geht zunächst davon aus, dass für jeden Arbeitsschritt die Dauer in Sekunden bekannt ist. Meist wird diese Dauer zunächst auf Basis von Zeitkartensystemen ermittelt. Wenn die Fertigung in Betrieb ist, so besteht auch die Möglichkeit, die zunächst geplanten durch tatsächlich mit der Stoppuhr gemessene Zeiten zu ersetzen. Abb. 2.16 zeigt ein Schema, welches die Vorgangsweise illustriert. In Abb. 2.16 werden drei Arbeitsstationen mit insgesamt fünf Arbeitsplätzen dargestellt. Jedem Arbeitsplatz werden zunächst die anfallenden Serientätigkeiten zugeordnet, welche bei jedem Fahrzeug durchzuführen sind. Variable Arbeitsinhalte werden dann im zweiten Schritt vergeben. Für jeden Arbeitsplatz werden drei Balken angezeigt (Bildmitte), wobei die Summe aller Zeiten, die Summe aller anteiligen Zeiten und, sobald die Anlage in Betrieb ist, die anteiligen Zeiten für den aktuellen Produktmix dargestellt werden. Die waagrechte Linie markiert die
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Modellierung von Fertigungsprozessen
Taktzeit. Anteilige Zeiten ergeben sich aus dem Produkt von Dauer der variablen Arbeitsschritte und Anteil der Fahrzeuge für die die Arbeitsschritte durchzuführen sind. Der Produktmix wird zunächst auf Basis von Vorhersagen des Vertriebs ermittelt. Im laufenden Betrieb sollte dann die Abtaktung für den tatsächlichen Produktmix regelmäßig überprüft werden um zu verhindern, dass Werker über- oder unterlastet werden.
Abb. 2.16 – Schema der Abtaktung
Eine Balkenanzeige der zu erwartenden Auslastung der Werker für die kommenden Fahrzeuge kann auch in der Linie nützlich sein, da sie z.B. für die Aktivierung variabler Ressourcen, wie Springer verwendet werden kann. Um in der laufenden Produktionsanlage mit Variationen und unerwarteten Situationen besser umgehen zu können, ist es üblich zusätzliche Ressourcen je Zone einzuplanen, die nicht innerhalb der Abtaktung verplant werden. Man spricht hier von so genannten Springern, die im Falle einer Abweichung an jeder Station in der Zone zur Unterstützung der dort vorhandenen Werker einspringen können. In vielen Fällen wird ein Springerrufsystem installiert, das es den Werkern an der Station ermöglicht, den Springer zur Hilfe zu rufen. Produktionsleitsysteme bieten sich als Plattform für die Implementierung von Springerrufsystemen an. Die im Rahmen der Arbeitsplanung entstehenden Arbeitsanweisungen werden meist in Papierform an den Stationen hinterlegt. Wenn ein Werkerinformationssystem vorhanden ist, so erfolgt die Anzeige der erforderlichen Arbeitsschritte und Teile je Fahrzeug in elektronischer Form und fahrzeugspezifisch.
3. Einführung in Produktionsleitsysteme Dieser Abschnitt bietet eine Einführung in den Aufbau und den Betrieb von Produktionsleitsystemen für die Automobilindustrie. Ausgegangen wird vom Ebenenmodell des Unternehmens, um die Einordnung von Produktionsleitsystemen im komplexen Gefüge des Produktionsbetriebes zu ermöglichen. Es folgt eine Beschreibung des Systemaufbaus und der Strukturierung der zentralen Serverkomponenten, wobei auf verschiedene Architekturvarianten eingegangen wird, und des Aufbaus von Schnittstellen zwischen Prozessleittechniksystemen und Systemen in der Produktionsanlage, wobei der technische Aufbau und die ausgetauschten Arten von Daten beschrieben werden. Weiters wird die Schnittstelle zwischen dem Produktionsleitsystem und übergeordneten Systemen auf der ERPEbene, die hauptsächlich Planungsaufgaben wahrnehmen, beschrieben. Letztlich werden die grundlegenden Funktionen eines Produktionsleitsystems und der durch seinen Einsatz zu erwartende Nutzen umrissen.
3.1. Das Ebenenmodell des Unternehmens Um den Aufbau von Produktionsleitsystemen zu verstehen, soll zunächst das Ebenenmodell des Unternehmens erläutert werden, welches in Abb. 3.1 dargestellt ist. Dieses Modell stellt ein Unternehmen in hierarchische Ebenen gegliedert dar und wurde aus (Gerfried Zeichen, 2000) übernommen und erweitert. Wie man erkennen kann, werden die zu handhabenden Dateninhalte immer kleiner und ihre Anzahl je Zeiteinheit größer, je näher man an den Prozess kommt, während auf der anderen Seite die Anforderungen an Verfügbarkeit und an das Zeitverhalten rapide zunehmen. Dies spiegelt sich auch in unterschiedlichen Systemstrukturen und Kommunikationsnetzwerken wieder, die auf den verschiedenen Ebenen zum Einsatz kommen. Grundsätzlich werden drei verschiedene Planungsebenen unterschieden. Die strategische Planung ist der Prozess der Entscheidung über die Ziele des Unternehmens, über die Ressourcen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind und über Strategien, die die Beschaffung, den Einsatz und die Verwendung dieser Ressourcen regeln. Durch den Prozess der taktischen Planung stellt die Unternehmensleitung sicher, dass die Ressourcen wirksam und effizient zur Erreichung der Unternehmensziele beschafft und eingesetzt werden. Die operative Planung ist ein Prozess, der sicherstellt, dass spezielle Aufgaben wirksam und effizient durchgeführt werden.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Planungsart
horizont Jahr
strategisch
Datenübertragungsmenge
Unternehmensleitebene
antwortzeit
GByte
Tag
Massenspeicher
Netzwerktopologie
protokoll
Tag
>= 4 GB
>= 1 TB
WAN, CLAN
TCP/IP
Produktionsleitebene
Betriebsleitebene
MByte
Minuten
Schicht
256 MB
>= 500 GB
LAN
TCP/IP
KByte
Sekunden
Stunden
256 MB
>= 80 GB
LAN
TCP/IP
64 MB
>= 1 GB
LAN
TCP/IP
8 MB
>= 32 MB
Feldbus
64 kB
>= 64 kB
Feldbus
CIP, PCCC, SR, S7, Modbus, CAL, …
Stunden Minuten
Prozessführungsebene
Minuten Byte
Sekunden operativ
Stunden
Haupt-
häufigkeit
Monat Woche
taktisch
Ebenen
Millisekunden
100 ms Sekunden
Prozesssteuerungsebene Bit
Millisekunden
Feldebene
Millisekunden
Abb. 3.1 – Das Ebenenmodell des Unternehmens
Produktionsleitsysteme sind auf der Produktionsleitebene und auf der Betriebsleitebene angesiedelt. Neben Planungsaufgaben sind in gleichberechtigter Art und Weise auch Steuerungsaufgaben durchzuführen. Die Steuerung der Produktion stellt sicher, dass die Fertigungstätigkeiten so wie geplant durchgeführt werden und meldet den Fortschritt sowie Abweichungen vom Plan zurück an das Planungssystem. Produktionsleitsysteme haben auf taktischer Ebene vor allem Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Sie sind in diesem Sinne Mittler zwischen der Planung und der Produktion. Die Planung wird meist in einem ERP System, wie SAP-PP, APO oder, was in die Automobilindustrie heute immer noch häufig anzutreffen ist, mittels selbst erstellter Programme, durchgeführt. Steuerungssysteme müssen wesentlich schnellere Antwortzeiten und eine höhere Verfügbarkeit aufweisen als Planungssysteme. Hierdurch empfiehlt es sich in der Praxis, die Aufgaben Planung und Steuerung auch systemtechnisch strikt zu trennen.
3.2. Der Aufbau von Produktionsleitsystemen Abb. 3.2 zeigt den typischen Aufbau eines Produktionsleitsystems.
Der Aufbau von Produktionsleitsystemen
Planung
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ERP System
Message Queue
Web Client Manuelle Eingabe
MES
Feldgeräte
Produktionsdaten
Ergebnisse
Produktionsmeldung
Ident-IF
SPS
Ansterung von Fördersystemen
Fabrikanzeigen
Teiledaten
Ergebnisse
Teiledaten
Ergebnisse
Teiledaten
Anlagen-PC Teiledaten
Test Systeme
Anlagen- und Teiledaten
Ergebnisse
Elektroniktester
Feldebene
Produktionsstatus
ProduktionsLeittechnik Server
Ergebnisse
Teiledaten
Automatisierung und SPS
WIS HTTP
SMTP
Exchange Server
Automation
Teilestatus, Schrittwechsel
HTTP
Wartungstrigger
Blackberry Enterprise Server
Statusmeldungen und kritische Produktionsstati
SMS
AlarmServer
Produktionssequenz, Schichtkelender
MES
Taktwechsel
PPS / MRP / ERP
Fördertechnik
Betriebsmeldungen
PFD
PFD
PFD
z.B. Befüllung
z.B. Prüfstand
z.B. Schrauber
RFID Leser
Barcode Drucker
Abb. 3.2 – Der Aufbau eines Produktionsleitsystems
Produktionsleitsysteme sind im Regelfall als serverzentrierte Systeme aufgebaut, sodass im Zentrum des Systems ein Leittechnik Server steht. Dieser ist, um die geforderte Verfügbarkeit zu erreichen, meist redundant aufgebaut. Der Server ist mit allen anderen Systemen über Ethernet TCP/IP verbunden, da andere Netzwerke wenn überhaupt dann nur noch aus historischen Gründen heraus in Betrieb sind. Die größte Anzahl an Kommunikationsverbindungen besteht mit Systemen in der Anlage. Tabelle 3.1 enthält eine Liste von Anlagensystemen die typischerweise mit dem Leittechnikserver verbunden werden. Auf der IT-Ebene ist der Produktionsleittechnik Server mit einer Reihe von Systemen und Diensten verbunden. Wie in der obigen Abbildung bereits angedeutet wurde, ist es sinnvoll, für die Kopplung der IT-Systeme rund um die Fertigung eine hochverfügbare und sichere Messaging Infrastruktur einzuführen. Hierbei haben sich Systeme wie IBM WebSphere MQ und ähnliche Middleware Produkte in der Praxis bei vielen Automobilherstellern bereits bewährt. Messaging Systeme werden auch für die Ankopplung von Systemen in der Anlage immer häufiger eingesetzt, da sie neben den Vorteilen der Verfügbarkeit und Verlässlichkeit auch eine sehr einfache Schnittstelle für die Anbindung von Clients anbieten. Die fehlende Verfügbarkeit von Client Software für SPS-Systeme setzt den Möglichkeiten der Messaging Anbindung von Anlagensystemen jedoch Grenzen.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Tabelle 3.1 – Kategorisierung von Anlagensystemen Anlagensystem
Beschreibung
Identifikationssysteme
Barcodeleser, RFID Leser, Leser für induktive Identifikationssysteme, Kameras für das Lesen von Lochrasterplatten etc.
Fördertechniksysteme
Die Fördertechnik wird meist von SPS gesteuert. Bei Elektrohängebahnen kommen aber auch spezielle Steuergeräte zum Einsatz.
SPS-basierte Produktionsanlagen
Dies ist der Standardfall für Produktionsanlagen im Karosserierohbau und in der Lackiererei. Auch in der Fahrzeugendmontage fallen einige Anlagen wie z.B. Klebeapplikationsanlagen für Scheibenkleber etc. in diese Kategorie.
PC-basierte Produktionsanlagen
Die meisten Anlagen in der Montage sind PC-basiert. Beispiele sind VIN-Präger, Typschilddrucker, EC-Schrauber, Befüllanlagen, Prüfstände, Elektroniktester etc. Diese Anlagen können SPS Komponenten enthalten, die Verbindung zum Produktionsleitsystem wird jedoch über einen PC hergestellt, auf dem meist auch Visualisierungssoftware und andere Softwarekomponenten installiert werden.
Logistiksysteme
Kleinteilelager, Sitzeförderer, Cockpitförderer, Karossenlager etc.
Systeme der Fertigungsinfrastruktur Klimaanlagen, Medienbereitstellung (Druckluft, Füllmittel etc.), Beleuchtung usw. Terminals
Terminals werden für die Anzeige von Werkerinformationen, das Abzeichnen von Checkpunkten, die VPD Erfassung, Lackfehlererfassung und Anlagenüberwachung eingesetzt und stellen die primäre Benutzerschnittstelle zum Produktionsleitsystem für den Werker in der Anlage dar.
Mobile Endgeräte
Mobile Endgeräte, wie PDAs etc. werden meist in der Validierung, Zertifizierung und Auslieferung von Fahrzeugen aber ebenso für Logistikaufgaben wie Staplerleitsysteme usw. eingesetzt.
Fabrikanzeigen
Fabrikanzeigen sind eines der primären Mittel, den Werkern in der Anlage eine Rückmeldung über den Status der Produktion zu geben.
Die wichtigste Schnittstelle auf der IT-Ebene ist jene zum Sequenzrechner. In Frage kommen Standardplanungssysteme wie SAP-PP oder APO, oder Planungssysteme, die in andere ERP Systeme integriert sind. Im Automobilbau sind Komponenten, die historisch gewachsen sind und vom Automobilbauer selbst erstellt wurden und gepflegt werden, Stand der Technik. Daher ist die Ankopplung an den Sequenzrechner meist projektspezifisch zu erstellen. Der Sequenzrechner liefert dem Produktionsleitsystem die geplante Fahrzeugsequenz inklusive aller Informationen im Auftragskopf. Auch die Stückliste wird vom Sequenzrechner übernommen, falls sie dort bereits fahrzeugspezifisch aufgelöst wird. Das Produktionsleitsystem hat die Aufgabe, Informationen über den Produktionsfortschritt an den
Der Aufbau von Produktionsleitsystemen
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Sequenzrechner zu liefern. Dieser kann damit die Planung laufend aktualisieren und Lieferabrufe an Sequenzlieferanten anstoßen. Oftmals ist auch das Herstellen einer Verbindung zum Instandhaltungsmanagementsystem sinnvoll. Beispiele für solche Systeme sind SAP-PM oder Maximo. An das Instandhaltungssystem werden Informationen geliefert, die für die Planung der vorbeugenden Instandhaltung erforderlich sind. Beispiele sind Betriebsstunden, Takte oder Fehlermeldungen von Anlagen, die das Produktionsleitsystem veranlassen, Wartungsaufträge im Instandhaltungssystem anzulegen. Viele Tätigkeiten im Zuge der Werkzeugverwaltung können in der Praxis ebenfalls über das Instandhaltungssystem abgewickelt werden. Beispiele hierfür wäre die regelmäßige Kalibrierung von Schweißzangen im Karosserierohbau. Eine weitere Schnittstelle zum Personalverwaltungssystem wird ebenfalls häufig implementiert. Beispielhaft könnte hier eine Kopplung zu SAP-HR stehen. Informationen über die An- bzw. Abwesenheit von Benutzern können der Produktionsleittechnik helfen, z.B. Nachrichten gezielt nur an jene Personen zu versenden, die auch tatsächlich Dienst haben (z.B. Instandhalter in drei Schichten). Im Rahmen der Planung kann über diese Schnittstelle Information über den kommenden Personalbedarf an der Linie an das Personalverwaltungssystem weitergegeben werden. Produktionsleitsysteme benötigen normalerweise auch eine Reihe weiterer Schnittstellen zu Systemen, die Infrastrukturdienste für die IT bereitstellen. Die Kopplung an einen SMTP-Host ermöglicht dem Produktionsleitsystem das Versenden von Alarmmeldungen und Berichten (z.B. Schichtbericht) an Anwender. Die Kopplung an einen Alarmserver ermöglicht dem Produktionsleitsystem das Versenden von Nachrichten an Anwender über SMS und Mobiltelefone oder an DECT Telefone. Während für die Anbindung an DECT Telefonanlagen meist proprietäre Lösungen des Telefonanlagenherstellers angebunden werden müssen (z.B. DAKS – Digitaler Alarm und Kommunikationsserver für das Versenden von Meldungen an Siemens HICOM Telefone), stehen für das Versenden von SMS an Mobiltelefone Standardprotokolle zur Verfügung. Die Verbindung zu einem Blackberry Enterprise Server ermöglicht es dem Produktionsleitsystem, eine Benutzerschnittstelle für mobile Endgeräte zur Verfügung zu stellen. Als Alternative kommen auch PDAs in Frage, die über ein WLAN an den Produktionsleittechnik Server angebunden werden. Die Anbindung an einen Radius Server oder einen LDAP-Host ermöglicht eine systemübergreifende Benutzerverwaltung, in die der Produktionsleittechnikserver eingebunden sein sollte. Dies erleichtert den Anwendern den Zugang zum System, da sie sich nur mehr eine Benutzername / Passwort Kombination merken müssen, um Zugang zu allen für sie relevanten Diensten zu erhalten. Die Benutzerverwaltung wird zentralisiert und damit erheblich vereinfacht. Dieser Vorteil ist in der Praxis nicht zu unterschätzen, da die Fertiger heute vielfach mit einem hohen Anteil an Leihpersonal arbeiten und die Personalfluktuation daher nicht zu unterschätzen ist. Die Produktionsleittechnik sollte ein Extranet Portal bereitstellen, das es Sequenzlieferanten ermöglicht, einen Überblick über den Status der Fertigung an der
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Montagelinie zu bekommen. Hiermit können sie besser auf die aktuelle Situation und auf abnorme Situationen (z.B. Stillstände) reagieren. Dies hilft in vielen Fällen, Chaos in der Logistik zu vermeiden. Viele Automobilhersteller zögern heute noch, den Lieferanten Informationen über die Situation in ihrer Fertigung zur Verfügung zu stellen. Bei einer immer engeren Kopplung zwischen Lieferanten und Abnehmern stellt sich jedoch die Frage, ob ein offener Austausch von Informationen das Management der Lieferkette nicht wesentlich erleichtern würde. Wie man aus der obigen Darstellung entnehmen kann, ist es die Hauptaufgabe der Produktionsleittechnik, eine Informationsdrehscheibe zu implementieren, die einerseits Systeme auf der IT-Ebene mit Anlagen oder Werkern und andererseits Anlagen oder Werker mit anderen Anlagen oder Werkern verbindet. Im Einführungsprojekt sind entsprechende Implementierungs- und Testaufwände zu kalkulieren. Die Forderung nach einer Ankopplung an ein Produktionsleitsystem sollte daher zweckmäßigerweise auch Teil der Ausschreibung an Anlagenlieferanten sein. Dies erspart während der Inbetriebnahme eine Reihe von Diskussionen und finanzielle Nachforderungen.
3.2.1. Softwarestruktur am Produktionsleittechnik Server Für die Strukturierung der Software, die am Produktionsleittechnik Server läuft, kommen verschiedene Ansätze in Frage. In diesem Abschnitt sollen einige Empfehlungen gegeben werden, die sich in der Praxis als tauglich herausgestellt haben.
2-Tier Architekturen Abb. 3.3 zeigt den internen Softwareaufbau des Produktionsleittechnikservers nach einer 2-Tier Architektur. Nicht alle Komponenten müssen zwingend auf einem Rechner installiert sein, sodass z.B. der Datenbankserver auf einem dedizierten Rechner laufen könnte. 2Tier Architekturen gehen davon aus, dass die gesamte Business Logik in Form von gespeicherten Prozeduren in der Datenbank implementiert ist, was einige Vorteile hinsichtlich Verarbeitungsgeschwindigkeit und Wartbarkeit des Systems mit sich bringt. Für das Management von außergewöhnlichen Situationen, wie Fehlfunktionen im Produktionsleitsystem ist die Implementierung der Businesslogik in der Datenbank besonders vorteilhaft, da Änderungen jederzeit möglich sind, ohne dass das System gestoppt werden muss (z.B. für das Kompilieren von Code). Auch für administrative Aufgaben, wie Backups ist diese Architektur vorteilhaft.
Der Aufbau von Produktionsleitsystemen
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Instandhaltungssystem
Sequenzrechner
Queue Manager NetSaint NetSaint Client Benutzerverwaltung (LDAP, Radius)
Message Queuing Client Sequence Exchange Service
Maintenance Exch. Service
Blackberry Enterprise Server Reporting Services WebClient Client Web (IE 6.0 o. ä.)
Application Server Web Client Applikation
WebBoards Client Andon (Siebert, Wibond)
Andon Board Service
SMTP Server
e-Mail Exchange Service
SMS Gateway
SMS Exchange Service
SQL-Datenbank (SQL Server, Oracle etc.)
PDI-TM Web Service Interface
OPC Server
PC Station
SPS
Abb. 3.3 – Aufbau eines Produktionsleittechnik-Servers nach der 2-Tier Architektur
Rund um die Datenbank findet sich eine Reihe von Kommunikationsdiensten, die den Datenaustausch mit angebundenen Systemen durchführen. Diese Dienste implementieren keine Business Logik und speichern keinen Status, sind aber für die Abwicklung des jeweiligen Kommunikationsprotokolls verantwortlich. Die Anbindung an die Datenbank erfolgt über die von der Datenbank bereitgestellten Queuing Mechanismen (Service Broker oder Advanced Queuing). Das System muss so ausgelegt sein, dass projektspezifisch jederzeit neue Dienste hinzugefügt werden können. Der Server ist in die bei den meisten IT-Abteilungen vorhandenen Prozesse für die Überwachung und Administration einzubinden. Dies betrifft einerseits die Überwachung der Serverressourcen z.B. mittels NetSaint oder Tivoli, andererseits Sicherungen und Archive. Oft ist es sinnvoll für Archivierungs- und Auswertungszwecke Daten in ein Data Warehouse zu übertragen. Die Terminals sollten als Thin Clients oder als Smart Clients ausgelegt sein. Auf diese Weise entfällt das Rollout von Client Software, da die Client Rechner lediglich über einen Web Browser verfügen müssen. Zudem wird die Verwaltung
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Einführung in Produktionsleitsysteme
der Clients vereinfacht, da die Anforderungen an Laufwerke, Virenscanner etc. wesentlich geringer sind. Denkbar wäre durchaus auch der Einsatz einer Terminal Server Lösung (z.B. Microsoft Terminal Server oder Citrix). Der Nachteil von 2-Tier Architekturen ist, dass die Erstellung der Business Logik aufwändig ist. Einerseits können moderne objektorientierte Ansätze nur erschwert umgesetzt werden, da Programmiersprachen wie SQL keine Objektorientierung unterstützen, andererseits sind Prozesse wie das Konfigurationsmanagement schwieriger umzusetzen, da übliche Versionsverwaltungssysteme, wie Subversion oder Microsoft Team Management Server Datenbankcode und Datenbankschemas nur sehr eingeschränkt unterstützen. Ein weiterer Nachteil von 2Tier Architekturen ist, dass die verschiedenen SQL Dialekte nicht kompatibel sind und daher ein Umstieg von einem Datenbanksystem zu einem anderen meist mit der Neuerstellung der Business Logik verbunden ist.
3-Tier Architekturen 3-Tier Architekturen trennen die Business Logik von der Speicherung von Daten einerseits und von der Darstellung für den Benutzer andererseits. Abb. 3.4 zeigt ein typisches Beispiel7. Hier soll nicht auf alle Details der gezeigten Architektur eingegangen werden. Die Datenbank wird lediglich für die permanente Speicherung von Daten und Zuständen verwendet, sodass die Architektur letztlich wenig von der eingesetzten Datenbank abhängig ist und ohne nennenswerten Aufwand eine alternative Datenbank eingesetzt werden kann. Die Basis für die Datenkommunikation stellt eine Messaging Infrastruktur dar, welche nicht anders ausgeprägt ist, als in der 2-Tier Architektur auch. Die Business Logik läuft in einem eigenen Applikationsserver getrennt von der Datenbank und stellt somit neben der Datenspeicherung und der Logik hinter der Benutzerschnittstelle eine eigene unabhängige Schicht dar. Diese Architektur hat den Vorteil, dass für die Erstellung der Business Logik moderne Programmiersprachen und Programmierumgebungen eingesetzt werden können. Objektorientierung, Versionsverwaltung und Debugging werden erheblich erleichtert. Nachteilig ist, dass das Einspielen von Änderungen in dieser Architektur sehr aufwändig ist. Hiermit kann auf Probleme im laufenden Betrieb nur erschwert eingegangen werden. Die Performance ist geringer als in einer 2-Tier Architektur, wenn auch für alle praktischen Belange ausreichend. Diese Architektur ist zwar von der Datenbank relativ unabhängig, durch die mangelhafte Standardisierung der Applikationsserver am Markt entsteht jedoch eine Abhängigkeit vom jeweiligen Server. Alle in Frage kommenden Applikationsserver sind zur J2EE Spezifikation (Java 2 Enterprise Edition) kompatibel, jedoch findet man in praktischen 7
Dieses Modell wurde in einem Projekt von IBM Böblingen gemeinsam mit dem Autor erarbeitet.
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Implementierungen mit dem Standard alleine nicht das Auslangen. Der Rückgriff auf proprietäre Erweiterungen der Serverlieferanten ist vielfach erforderlich, sodass viele Vorteile eines Standards in der Praxis eher fraglich werden.
Abb. 3.4 – Aufbau eines Produktionsleittechnik-Servers nach der 3-Tier Architektur
3.2.2. Basissoftware am Produktionsleittechnik Server Die Erfahrung des Autors zeigt, dass diese Frage in vielen Fällen eher religiöse als praktische Hintergründe hat. Die Diskussion beginnt bei Windows versus Linux und geht über SQL Server versus Oracle bis hin zu ASP.NET versus J2EE. Der Autor hat bereits Produktionsleitsysteme auf allen diesen verschiedenen Plattformen implementiert. Hierbei hat sich gezeigt, dass es keine herausragenden technischen Merkmale der einen oder der anderen Plattform gibt, die eine eindeutige Empfehlung für diese rechtfertigen würden. Die Auswahl der verwendeten Plattform sollte vielmehr von einer Reihe praktischer Überlegungen bestimmt werden. Wenn in einem Betrieb bereits eine Systemlandschaft überwiegend im Einsatz ist, so sollte diese auch als Plattform für die Produktionsleittechnik herangezogen werden. Hiermit können vorhandenes Wissen und etablierte Prozesse auch für die Produktionsleittechnik eingesetzt werden, was insgesamt Einführung und Betrieb kostengünstiger macht. Die Frage, ob Kleinstanlagen anzubinden sind spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle. Kleinstanlagen sind typischerweise bei 1st und 2nd Tier Suppliern zu fin-
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Einführung in Produktionsleitsysteme
den. Ein typisches Beispiel wäre die Montage von Außenspiegeln, die auf einer kleinen Linie mit einigen Handarbeitsplätzen zu bewältigen ist. Wenn eine Produktionsleittechnik in solchen Fertigungen eingesetzt werden soll, dann spielen Kosten und Administrationsaufwände eine große Rolle, zumal in diesen Betrieben meist auch qualifiziertes EDV-Personal fehlt. In diesem Szenario würde der Autor eindeutig der Windows Plattform den Vorzug geben. Generell sollte die Vermischung von Technologien, welche von verschiedenen Herstellern stammen, vermieden werden, da dies zwangsläufig zu Diskussionen im Problemfall führt. Produktionsleitsysteme bieten eine Plattform für die Implementierung und Automatisierung von Prozessen rund um die Fertigung. Die Entwicklung und Einführung dieser Prozesse bringt im Regelfall erheblich höhere Zeitaufwände, Kosten und Risiken mit sich als die Erstellung, Einführung und Wartung der Software. Wenn Systeme verfügbar sind, die passende oder annähernd passende Prozesse bereits implementieren, so sollte zuerst eine Systemauswahl an Hand der Prozesse getroffen werden. Die Frage nach der eingesetzten Systemplattform ist dann letztlich zweitrangig.
3.2.3. Software für die Produktionsleittechnik Derzeit ist der MES (Manufacturing Execution Systems) Bereich einer der aufstrebenden Märkte im industriellen Bereich. Mit MES hat man endlich auch einen griffigen Ausdruck für diesen Bereich gefunden. Auf der Hannover Messe 2007 haben nicht weniger als 72 Firmen Lösungen in diesem Umfeld angeboten8. Im Jahr 2008 hat der Autor bei mehr als 100 Firmen die Zählung auf Grund akuter Reizüberflutung eingestellt. Diese Entwicklung ist aus verschiedenen Gründen verständlich. Die ERP Hersteller haben ihren Markt weitgehend ausgeschöpft und suchen nach neuen Betätigungsfeldern. Neben Gebieten, wie e-Commerce, B2B, B2C, CRM ist natürlich auch MES ein mögliches neues Geschäftsfeld für diese Firmen. Die großen Automatisierungshersteller kämpfen seit Jahren mit einem schrumpfenden Markt. Nicht etwa, dass die Stückzahlen an SPS und anderen Geräten auf der Automatisierungsebene abnehmen, vielmehr ist das Problem, dass diese Geräte zur Commodity werden. Dies führt zu einem harten Verdrängungswettbewerb und zu stark fallenden Preisen. Auch die Automatisierungshersteller, die ja traditionell auch Software für Programmierung und Visualisierung der Anlagen angeboten haben, versuchen nun, im MES Bereich Fuß zu fassen. Die Potenziale, die sich durch die Automatisierung von Produktionsanlagen ergeben, sind zudem bei den meisten Automobilherstellern weitgehend ausgeschöpft. In der Automatisierung und Verbesserung von Prozessen, die rund um dem eigentlichen Fertigungsprozess angesiedelt und zu dessen Unterstützung erforderlich sind, liegt 8
Nicht repräsentative Zählung des Autors.
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noch ein riesiges Verbesserungspotenzial brach, was für entsprechenden Bedarf sorgt. Neue Technologien im Softwarebereich, wie XML, SOAP oder OPC UA ermöglichen heute den Aufbau von kollaborativen Systemen mit überschaubarer Komplexität und überschaubarem Risiko. Hiermit wird die schrittweise Einführung von Systemen auf der MES Ebene wirtschaftlich interessant. Der MES Markt steht derzeit in den Anfängen, weshalb sich auch noch keine Standardlösungen herauskristallisiert haben. Die Angebote der verschiedenen Hersteller sind sehr unterschiedlich in ihrem Umfang, im Aufbau und in ihrer Funktionalität. Derzeit ist nicht absehbar, welche Produkte sich durchsetzen werden. Auch das Setzen auf große Hersteller ist nur bedingt sinnvoll, da vielfach nicht klar ist, wie ernst gemeint die Versuche im MES Markt tatsächlich sind (man sollte der Propaganda vieler Hersteller nicht zu sehr Glauben schenken). Die Einführung von umfassenden MES Lösungen von der Stange erscheint auf den ersten Blick durchaus sinnvoll, da fertige Lösungen Kritikalität und Risiko in den Projekten minimieren. Wie die Analyse der Aufwände in Projekten zeigt (siehe unten), liegt der Anteil der Softwareentwicklung am gesamten Projekt bei nur etwa 20-25%, wenn hierbei nicht auf eine Standardlösung, sondern auf Produkte wie Microsoft Visual Studio oder Eclipse aufgesetzt wird. Durch den Einsatz von Standard MES Systemen lässt sich dieser Aufwand sicherlich entscheidend verringern. Das Problem entsteht aber in der Prozessentwicklung, die ca. 40% des Projektaufwandes ausmacht. Standard MES erhöhen die Kosten in diesem Bereich signifikant, wobei zwei Vorgangsweisen denkbar sind, die allerdings letztlich auf dasselbe Problem hinauslaufen. Einerseits kann das MES System an die bestehenden Prozesse in der Fertigung angepasst werden. Standard MES geben einen Rahmen vor, in dem sich Prozessimplementierungen bewegen müssen. Wenn die tatsächlichen Prozesse nicht in diesen Rahmen passen, dann werden Änderungen oft sehr aufwändig, wenn nicht gar unmöglich. Andererseits ist eine Anpassung der bestehenden Prozesse an das MES möglich. Die Produktionssysteme der verschiedenen Automobilbauer sind in vielen Bereichen unterschiedlich, oft auf Basis anderer Philosophien sogar diametral verschieden. Die Änderung bestehender Produktionssysteme ist aufwändig und oft sogar mit Änderungen in der Firmenkultur verbunden. MES Systeme, die speziell für die Belange der Automobilproduktion entwickelt wurden, entschärfen diese Risiken erheblich. Wegen der geringen Zahl potenzieller Zielkunden und des extrem langen Verkaufszyklus ist diese Nische für große Softwarehäuser zwar prestigeträchtig aber zu klein, um nachhaltige Investitionen zu rechtfertigen. Bei vielen Automobilbauern ranken sich Legenden um gescheiterte Projekte zur Einführung von ERP Systemen. Diese Fehler sollten im MES Bereich nicht wiederholt werden. Da die Produktionssysteme der Automobilhersteller sehr unterschiedlich sind und verlässliche Vergleiche kaum möglich sind, ist die Automobilherstellung weit entfernt von allgemein gültigen Best Practices. (Wenn es solche tatsächlich geben sollte).
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Um der Propaganda im MES Markt zu entgehen, verwendet der Autor den Begriff Produktionsleitsystem. Welche Anforderungen sollte der Automobilhersteller nun an ein Produktionsleitsystem stellen? Hier sollen einige Eckpunkte erläutert werden. Der Anbieter des Systems sollte detailliertes Wissen über Fertigungsprozesse in der Automobilindustrie besitzen und entsprechende Dienstleistung im Projekt anbieten. Das Produktionsleitsystem ist gemeinsam mit der Anlagenplanung und Anlagenerrichtung aufzubauen. Dies gibt Gelegenheit, die Fertigungsprozesse zu durchleuchten, zu entwickeln und im System zu implementieren. Auch die Anlage kann an die Erfordernisse der Prozesse angepasst werden (z.B. Platzierung von Identlesern, Puffergrößen, Fabrikanzeigen etc.). Der Anbieter sollte bereits über einen Werkzeugkasten an vorgefertigten Modulen verfügen, die einen schnellen und kostengünstigen Aufbau des Produktionsleitsystems ermöglichen. Alle Softwarekomponenten sollten im Quellcode vorliegen und an den Auftraggeber übergeben werden. Der Anbieter muss in die laufende Wartung des Systems eingebunden werden und diese zumindest teilweise mit Personal vor Ort abdecken. Dies ist die einzige Möglichkeit, Sicherheit bezüglich Systemverfügbarkeit und Systempflege über die gesamte Laufzeit der Produktion zu garantieren. Produktionssysteme sind lebenden Organismen sehr ähnlich, indem sie sich ständig verändern und weiterentwickeln. Daher ist es erforderlich, ständig Erweiterungen und Verbesserungen am Produktionsleitsystem durchzuführen, um mit der Produktion Schritt zu halten und sicherzustellen, dass der Wert des Systems ständig in kleinen Verbesserungsschritten gesteigert wird. Das Produktionsleitsystem ist ebenso wie die Anlagen und die Verfahren in einen ständigen Verbesserungsprozess mit einzubeziehen. Der Anbieter muss Methoden für das Change Management anbieten, die es erlauben schnell und sicher auf Änderungen im Prozess zu reagieren. Halbjährliche oder jährliche Releasewechsel sind ungeeignet, da sie mit der Dynamik der Fertigung nicht mithalten können.
3.3. Datenschnittstellen Im Zuge der obigen Erläuterung des Systemaufbaus von Produktionsleitsystemen wurde bereits deutlich, dass diese eine Hauptaufgabe als Informationsdrehscheibe in der Fertigung und zwischen Fertigung und ERP Ebene spielen. In typischen Projekten unterhält das Produktionsleitsystem Datenkopplungen zu mehr als 1000 anderen Systemen, von denen der Großteil Anlagensysteme darstellt. Dementsprechend viele Datenkopplungen zu unterschiedlichen Systemen sind im Produktionsleitsystem zu implementieren. Die saubere Auslegung, die Implementierung und der Test der Datenschnittstellen ist ein bedeutender Kosten- und Risikofaktor in den Einführungsprojekten.
Datenschnittstellen
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3.3.1. Netzwerkinfrastruktur Die Netzwerkinfrastruktur ist ein entscheidender Faktor für die Performance und die Verfügbarkeit eines Produktionsleitsystems. Wie bereits im Zuge der Diskussion des Ebenenmodells des Unternehmens erläutert wurde, hat sich Ethernet TCP/IP auf den oberen Ebenen des Unternehmens als Standard weitgehend durchgesetzt. Auf den produktionsnahen unteren Ebenen sind heute immer noch diverse Feldbusse Stand der Technik. Im Ethernet Bereich sind heute switched Ethernets mit 100 MBit/s Vollduplex Betrieb üblich, während für Backbones 1000baseT weitgehend etabliert ist. Als Netzwerkprotokollstack ist TCP/IP ebenfalls weitgehend flächendeckend im Einsatz. Der Produktionsleittechnik Server ist also ebenfalls Teilnehmer am Ethernet Netzwerk. Die meisten Automatisierungssysteme bieten Anschaltbaugruppen für Ethernet TCP/IP an. Die Verfügbarkeit dieser Anschaltungen ist bei der Erstellung des Automatisierungsstandards zu berücksichtigen, sodass diese Teil des Lieferumfangs der Anlagenlieferanten werden. Dies führt unmittelbar zu einer Reihe von Problemen. Viele Automatisierungstechniker und SPS Programmierer sind ausgebildete Spezialisten für Feldbusse. Vielfach besitzen sie jedoch keine adäquaten Kenntnisse in Bezug auf Ethernet TCP/IP. Dies macht die Inbetriebnahme des Ethernet Netzwerkes, die Programmierung und den Test der Anschaltungen an das Produktionsleitsystem zeitaufwändig und unnötig komplex. Dieses Problem ist effektiv in den Griff zu bekommen, wenn das Produktionsleitsystem fertige Funktionsbausteine anbietet, die der Programmierer in das SPS Programm einbinden kann und die die Protokollanbindung implementieren. Dies erleichtert dem SPS Programmierer die Arbeit, da er die Funktionsbausteine nur mehr mit der erforderlichen Information beschalten und aufrufen muss, anstatt sich zusätzlich um die Protokollabläufe in der Kommunikation mit dem Produktionsleitsystem zu kümmern. Es sollten Mitarbeiter des Produktionsleittechniklieferanten bereitstehen, die bei Implementierung und Test der Schnittstelle behilflich sind und zumindest Grundbegriffe der SPS Programmierung beherrschen. Die Einbeziehung der Ankopplung an das Produktionsleitsystem in den SPS Programmierstandard bietet ebenfalls wesentliche Vorteile. Bei Feldbussen ist die Situation klar. Sie sind Teil der Automatisierungstechnik der Anlage und werden dementsprechend von der Instandhaltungsabteilung betrieben und gewartet. Beim Einsatz von Ethernet TCP/IP wird die Sache schon komplizierter. Ist ein Ethernet auf der Automatisierungsebene oder gar auf der Feldebene Teil des Zuständigkeitsbereichs der Instandhaltung oder wird es so wie das Ethernet in Büros und im Serverbereich von der Informatikabteilung betreut? Soll dieses Ethernet vom Anlagenlieferanten aufgebaut und in Betrieb genommen werden oder wird hierfür eine Firma, die sich auf Netzwerktechnik versteht, von der Informatikabteilung beauftragt? Wer vergibt IP-Adressen und wie wird das Netzwerk abgerechnet? Aus diesen Fragen ist schon ersichtlich, dass der Einsatz
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Einführung in Produktionsleitsysteme
von Ethernet auf der Automatisierungsebene vor allem ein organisatorisches Problem für viele Automobilbauer ist. Die Zuständigkeiten sind bereits bei Beginn des Projektes zu klären und es ist dafür Sorge zu tragen, dass entsprechend qualifiziertes Personal für die Planung und den Betrieb des Ethernet Netzwerkes verfügbar ist.
3.3.2. Feldbusse und Produktionsleitsysteme Wie oben beschrieben wurde, hat das Produktionsleitsystem keine direkte Verbindung zu diversen Feldbussen, welche auf der Automatisierungs- und Feldebene im Einsatz sind. Dennoch hat die Auslegung der Feldbusse zum Teil Rückwirkungen auf die Funktion des Produktionsleitsystems. Überall dort, wo die SPS, welche über Ethernet TCP/IP mit dem Produktionsleitsystem verbunden ist und über Feldbusse andere Systeme ansteuert, entstehen Rückwirkungen durch den Feldbus auf das Produktionsleitsystem. Die angesteuerten Systeme können z.B. Roboter, Schweißsteuerungen, Schrauber, Klebeapplikationsanlagen etc. sein. Abb. 3.5 zeigt ein Beispiel für eine solche Situation. Das Produktionsleitsystem steuert eine SPS in einer Schweißzelle im Karosserierohbau an. Dieser SPS wird der Auftragsdatensatz zur eindeutigen Kennzeichnung des Fahrzeuges, sowie Typinformation in vereinfachter Form übergeben. Die SPS ist somit in der Lage, den Arbeitstakt an diesem Fahrzeug typspezifisch zu steuern.
Abb. 3.5 – Produktionsrückmeldungen in einer Schweißzelle
Datenschnittstellen
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Die SPS wird nun im Automatikablauf den Roboter ansteuern, indem sie über Interbus bestimmte Roboterprogramme ansteuert und auf deren Beendigung wartet. Der Roboter wird nun seinerseits die programmierten Schweißpunkte anfahren und, wenn die jeweilige Position erreicht ist, über einen gesonderten Interbus Strang ein Schweißprogramm, welches durch eine Schweißpunktnummer gekennzeichnet ist, auf der Schweißsteuerung starten. Dieser Prozess wiederholt sich so lange, bis alle Schweißpunkte gesetzt sind. Die SPS wird zuletzt das Ausfördern der Karosse ansteuern und eine Fertigmeldung an das Produktionsleitsystem senden. So weit erhält man eine funktionierende Schweißzelle. Problematisch wird die Situation, sobald die Forderung besteht, detaillierte Informationen zu kritischen Schweißpunkten zu sammeln, um diese zu dokumentieren oder um mittels Trendanalysen vorbeugende Prozesskontrolle zu betreiben. Diese Daten sind nur dann sinnvoll, wenn sie konkret dem jeweiligen Auftrag zugeordnet werden können. Dies bedeutet, dass die SPS den Auftragsdatensatz an den Roboter weitergeben muss. Dieser wiederum gibt sie an die Schweißsteuerung weiter, die nun in der Lage ist, Messwerte von Schweißpunkten mit Fahrzeugaufträgen zu verbinden. Für die Übertragung des Auftragsdatensatzes erweist sich meist der Interbus, der die Roboter mit der SPS verbindet als Flaschenhals. Auf dieser Schnittstelle müssen noch eine Menge weiterer Informationen übertragen werden, wie Fehlercodes oder Informationen, die zur Koordination mehrerer Roboter in einer Schweißzelle erforderlich sind, um Zusammenstöße zu verhindern. Der Auftragsdatensatz ist im Verhältnis relativ umfangreich, sodass er oft nur mit Klimmzügen (z.B. in mehreren Teilen zerlegt) zum Roboter übertragen werden kann. Häufig wird auf diese Funktionalität, nämlich die Fahrzeugbezogene Aufzeichnung und Dokumentation von Schweißdaten, zu Beginn aus Kostengründen und aus Gründen der Komplexität verzichtet. Eine spätere Nachrüstung ist kaum möglich. Dieses Beispiel zeigt, dass die Analyse und Festlegung der Datenflüsse für die zu implementierenden Prozesse sehr frühzeitig im Projekt erfolgen muss. Auch Geräte und Feldbusse auf der Feldebene müssen in diese Überlegungen mit eingebunden werden.
3.3.3. Datenkopplungen zu SPS Das Herstellen einer Ethernet TCP/IP Verbindung zwischen dem Produktionsleitsystem und der SPS ist leider nur ein Teil des Problems. Damit sich zwei unterschiedliche Netzknoten über TCP verständigen können, müssen beide Seiten auch das gleiche Applikationsprotokoll verwenden. Mit anderen Worten hilft es nichts, wenn eine Telefonverbindung zwischen zwei Personen zustande kommt, wenn eine Deutsch und die andere Mandarin spricht. Erst wenn sich beide auf die gleiche Sprache einigen, kann eine sinnvolle Kommunikation stattfinden.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Überwachung ProfiNET
Ethernet/IP Fieldbus HSE
Automatisierung
ControlNet E /A
Aktor / Sensor
Modbus
Profibus DP
ASI
DeviceNet
Maschinensteuerung
Fieldbus H1 Profibus PA Prozesstechnik
Abb. 3.6 – Auflistung und Einteilung gängiger Feldbusse
Abb. 3.6 zeigt einen Überblick über die derzeitige Situation in der Feldbuswelt. Derzeit existieren mehr als 100 verschiedene Feldbusse, die sich durch unterschiedliche Medien und Protokolle auszeichnen. Einige dieser Feldbusse, wie SERCOS wurden auf spezielle Aufgaben ausgelegt, andere wiederum unterscheiden sich nur aus historischen Gründen, da sie z.B. von unterschiedlichen Herstellern entwickelt und am Markt eingeführt wurden. Mit der Einführung von Ethernet TCP/IP hat man sich zwar auf das gleiche Medium und das identische Transportprotokoll geeinigt, die Vielfalt der Applikationsprotokolle hat aber keineswegs abgenommen. Verbreitet sind Protokolle wie Ethernet IP, ProfiNet, FactoryNet, S7, SR nach RFC1066, CIP, PCCC und Modbus. Oftmals wurden Protokolle, die bisher auf seriellen Leitungen oder auf Feldbussen verwendet wurden, einfach ohne große Modifikation auf TCP portiert. Dies bedeutet, dass die meisten SPS nach wie vor über proprietäre Protokolle angesprochen werden müssen auch wenn Ethernet TCP/IP zum Einsatz kommt. Aus dieser Situation gibt es einige Auswege, wie OPC (OLE for Process Control), ein Protokoll, welches weiter unten beschrieben wird. In Frage kommt auch die Implementierung der SPS-spezifischen Protokolle im Produktionsleitsystem. Dieser Weg ist prinzipiell gangbar und oftmals auch sinnvoll, bindet das Leitsystem aber an einen SPS Typ. Zudem sind die Protokolle von den SPS Herstellern oftmals nur sehr mangelhaft dokumentiert. Werkzeuge für Tests stehen kaum zur Verfügung. Der Vorteil dieser Vorgangsweise ist oft jedoch eine höhere Performance des Gesamtsystems. Manche SPS erlauben auch die Implementierung von benutzerdefinierten Protokollen in der CPU oder im Kommunikationsprozessor der SPS (siehe Siemens Simatic S7, wo die SPS TCP Verbindungen herstellen kann oder Allen-Bradley ControlLogix, wo ein spezielles Ethernet Modul 1756-EWEB zur Verfügung
Datenschnittstellen
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steht, auf dem der Benutzer eigene Protokolle implementieren kann). Dies verschiebt den Programmier- und Testaufwand auf die SPS. Leider fehlen heute auf SPS wichtige Dienste, die eine Anbindung an Produktionsleitsysteme wesentlich vereinfachen würden. Hierzu zählen fertige Clients für Messaging Infrastrukturen. Eine eindeutige Verbesserung der Situation kann sich nur ergeben, wenn sich mehrere große Automobilhersteller auf ein Protokoll verständigen und die SPS Hersteller zu dessen Übernahme veranlassen. Derartige Aktivitäten sind derzeit nicht in Sicht. SPS haben zudem einige Besonderheiten, die zu berücksichtigen sind. Die Programmierung von Protokolltreibern auf SPS ist oftmals recht aufwändig, da SPS Programmierwerkzeuge und Programmiersprachen auf andere Themen hin ausgelegt sind. Der Anbieter des Produktionsleitsystems sollte bereits fertige Funktionsbausteine anbieten, die helfen, diese Programmieraufwände im Projekt zu verringern. SPS verfügen derzeit über keine brauchbaren Bordmittel für den Umgang mit XML. Wenn ein Datenaustausch im XML Format gewünscht ist, so muss die Generierung von XML meist in PCs ausgelagert werden. Entweder werden hierfür Zellenrechner verwendet oder die XML Generierung erfolgt auf vorgelagerten Gatewayrechnern. Der Speicherplatz und die CPU Ressourcen auf SPS sind im Vergleich zu PCs oder sogar Windows CE Terminals sehr beschränkt. Das Puffern auch nur kleinerer Datenmengen wird schnell zum Problem. Zudem kann man nicht davon ausgehen, dass Daten, welche die SPS empfangen und quittiert hat, dort dauerhaft gespeichert sind. SPS verfügen oft über keinen permanenten Datenspeicher wenn man von batteriegepuffertem statischem RAM absieht. Zudem kann durch z.B. das Neuladen von Programmen jederzeit ein Pufferbereich überschrieben werden. Das Produktionsleitsystem muss dies erkennen und Puffer dementsprechend neu versorgen, wenn deren Inhalt verloren gegangen ist, oder Funktionen für die manuelle Nachversorgung gelöschter Daten anbieten.
3.3.4. OPC (OLE for Process Control) OPC ist ein Standard für die Datenkommunikation von PC-basierter Software, wie z.B. Visualisierungen mit Automatisierungsgeräten. OPC wurde 1997 eingeführt und wird seither von der OPC Foundation (www.opcfoundation.org), einem Zusammenschluss verschiedene Hersteller von Automatisierungsgeräten und Anwendern, gepflegt. Abb. 3.7 zeigt die Problematik, die OPC ursprünglich lösen sollte. Wenn Applikationen am PC mit Automatisierungsgeräten kommunizieren sollen, so war es vor der Einführung von OPC erforderlich, dass jede Applikation für jedes in Frage kommende Gerät auf der Automatisierungsebene einen eigenen Protokolltreiber mitbringen musste. Dies bedeutete einen nicht unerheblichen Aufwand auf Seiten der Softwarehersteller. Zudem kam es oft zu praktischen Problemen, dass verschiedene Softwarepakete auf einem PC nicht nebeneinander existieren und mit den gleichen Feldgeräten kommunizieren konnten.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Abb. 3.7 – Herkömmliche Kommunikationsstruktur am PC
Diese Situation erinnert stark an die Zeiten, als MS-DOS noch verbreitet war und jede Software ihre eigenen Druckertreiber mitbringen musste. Microsoft Word für DOS 5.0 wurde auf 12 Disketten ausgeliefert. Hinzu kamen weitere 22 Disketten mit Druckertreibern. Microsoft hat dieses Problem gelöst, indem mit der Einführung von Windows auch ein allgemein verbindliches Modell für die Ansteuerung von Druckern vorgestellt wurde. Jeder Hersteller eines Softwarepakets hatte nun nur mehr die Aufgabe, diese Druckerschnittstelle korrekt anzusprechen. Auf der anderen Seite musste ab sofort jeder Druckerhersteller einen Druckertreiber für seinen Drucker mitliefern, der die standardisierten Daten, welche die Applikation dem Drucksubsystem übergab in das gerätespezifische Format umwandelt und an den Drucker sendet. Durch die Verwendung von OPC ergibt sich eine neue, wesentlich einfachere Situation, wie in Abb. 3.8 dargestellt.
Abb. 3.8 – Kommunikationsstruktur am PC bei Einsatz von OPC
Datenschnittstellen
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Jede Applikation am PC implementiert die standardisierte OPC Client Schnittstelle. Jeder Hersteller von Automatisierungsgeräten liefert für sein Gerät einen OPC Server, dessen Aufgabe es ist, das gerätespezifische Protokoll zu implementieren und die Verbindung zum Gerät herzustellen. Der OPC Standard umfasst derzeit verschiedene Spezifikationen. Die wichtigsten sind: • • • • • • • •
OPC Batch OPC Commands OPC Data Access OPC Alarms and Events OPC Historical Data Access OPC Batch OPC Unified Architecture XML Data Access
Alle Spezifikationen mit Ausnahme von OPC UA basieren auf Microsoft DCOM (Distributed Component Object Model) und sind daher an die Windows Plattform gebunden. OPC UA basiert auf Web Services (HTTP/SOAP) und ist damit prinzipiell plattformunabhängig. OPC UA ist derzeit allerdings noch zu neu, um flächendeckend verfügbar zu sein.
OPC Data Access Von allen OPC Spezifikationen hat sich nur OPC Data Access weitgehend durchgesetzt und wird von allen namhaften Herstellern unterstützt. Diese Spezifikation liegt derzeit in Version 3.0 vor. OPC DA eignet sich für den Zugriff auf aktuelle Prozessdaten. Abb. 3.9 zeigt den logischen Aufbau (OPC Foundation, 1998). OPC/COM Interfaces
OPCServer
OPCGroup OPCGroup OPCGroup(s)
OPCItem(s) OPCItem(s) OPCItem(s)
OPCItem(s) OPCItem(s) OPCItem(s)
Abb. 3.9 – Logischer Aufbau des OPC Objektmodells
OPCItem(s) OPCItem(s) OPCItem(s)
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Die Client Applikation erzeugt zunächst ein OPCServer Objekt. Für die Instanzierung des OPC Servers stehen verschiedene Mechanismen bereit, die der Applikation helfen, den passenden OPC Server aufzufinden. Anschließend steht es der Applikation frei, eine beliebige Menge an OPC Gruppen zu erzeugen. Die Gruppen fassen OPC Items zusammen, die letztlich den eigentlichen Datenwerten im Automatisierungsgerät entsprechen. Die Schnittstellen für das Erzeugen dieser Objekte und für die Datenkommunikation sind genormt. Der Client kann OPC Item Werte lesen und schreiben, was synchron oder asynchron erfolgen kann. Er hat auch die Möglichkeit, den OPC Server aufzufordern, OPC Item Werte zu überwachen und den Client bei Änderung zu benachrichtigen. OPC DA hat sich als durchaus brauchbare Schnittstelle für die Anbindung von SPS an Produktionsleitsysteme herausgestellt, wobei allerdings einige Punkte zu berücksichtigen sind. Die Installation mehrerer OPC Server auf einem PC ist möglich, aber oft mit Problemen verbunden und muss aus diesem Grund intensiv getestet werden. OPC macht keinerlei Annahmen über das Protokoll, welches der OPC Server verwendet, um mit dem Automatisierungsgerät zu kommunizieren. Wenn die Client Applikation den OPC Server auffordert, Werte zu überwachen und bei Änderung eine Nachricht zu senden, so hat der OPC Server die Wahl, die Daten entweder von Automatisierungsgerät zu pollen oder es kann eine Ereigniserkennung am Automatisierungsgerät eingerichtet werden, was meist mit Programmieraufwand verbunden ist, sodass die Datenkommunikation über unsolicited Messages erfolgt. Pollen wird sehr schnell ineffektiv und führt zu einer Verschwendung von Netzwerkbandbreite und sollte daher wenn immer möglich vermieden werden. OPC macht keinerlei Annahmen über die Syntax von OPC Item Namen, die bestimmen, welches Datum am Automatisierungsgerät vom OPC Item abgebildet wird. Verschiedene OPC Server verwenden daher unterschiedliche Item-Namen. Nicht alle OPC Server, die von den Herstellern ausgeliefert werden, melden Kommunikationsfehler sauber an die Client Applikation (Item Quality). Auch der erneute Aufbau einer abgebrochenen Kommunikationsverbindung ist oftmals ein Problem. Die Empfehlung: Testen – Testen – Testen! Zudem lässt der OPC Standard bei der Behandlung komplexer Datentypen sehr viel Interpretationsspielraum offen. Dementsprechend sind die Implementierungen für Zeichenketten, Datenfelder und Strukturen sehr unterschiedlich. Die OPC Foundation hat durch erweiterte Spezifikationen zwar Information nachgelegt, um dieses Problem zu beheben, diese wurden jedoch vielfach nicht implementiert. Ein großes Problem beim Einsatz von OPC für Produktionsleitsysteme ist die Qualität der verfügbaren OPC Server. Diese sind oftmals für den Betrieb an Visualisierungs- und Zellenrechnern ausgelegt, wo ein Absturz der Software zwar ärgerlich ist, aber durch einen Neustart des Rechners ohne große Probleme wieder behoben werden kann. Wenn OPC Server für den Datentransfer zu Produktionsleitsystemen eingesetzt werden, so werden sie kritisch für die Funktion der Fertigung und die Ansprüche an die Verlässlichkeit und Wartbarkeit steigen. Für einige gängige SPS Systeme werden OPC Server von Drittherstellern angeboten, die
Datenschnittstellen
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oftmals in Bezug auf Verlässlichkeit, Konfiguration und Ressourcenverbrauch die Angebote der Originalhersteller bei weitem übertreffen. OPC bietet eine Schnittstelle für die Übertragung von Daten, wobei keine Annahmen über den Zusammenhang und die Semantik gemacht werden. Für die Übertragung von Kommandos von Produktionsleitsystem an die SPS und umgekehrt ist daher zusätzlich eine Semantik einzuführen und auf beiden beteiligten Kommunikationspartnern zu implementieren. Ein Beispiel für eine solche Semantik, die zusätzlich einzuführen ist, bildet eine mögliche Schnittstelle für die Übertragung von Kommandos vom Produktionsleitsystem an die SPS. Hierfür könnten folgende OPC Items erforderlich sein: MMS.Command MMS.ReplyCount
Int16 Int16
MMS.Parameter1 MMS.Parameter2 MMS.Parameter3 MMS.Parameter4
Int32 Int32 Int32 Int32
Die Semantik könnte wie folgt lauten: 1. 2. 3. 4.
5.
Das Produktionsleitsystem schreibt die Parameter, die für die Ausführung des Kommandos erforderlich sind. (z. B. Teiledatensatz) Das Produktionsleitsystem schreibt das Kommando in das Kommandowort (z.B. 1 = neues Fahrzeug in Puffer) Die SPS erkennt im Kommandowort einen Wert ungleich 0 und führt nun das geforderte Kommando entsprechend der Parameter aus. Die SPS setzt nun den Wert im Kommandowort auf 0, wenn das Kommando erfolgreich ausgeführt wurde oder auf einen Fehlerwert (z.B. 1001 = Puffer ist bereits voll). Zusätzlich wird der Antwortzähler inkrementiert. Das Produktionsleitsystem überwacht den Antwortzähler und wird vom OPC Server benachrichtigt, wenn sich dessen Wert verändert. Damit kann die Quittierung der SPS ausgewertet werden und der Protokollablauf ist beendet.
OPC Unified Architecture OPC UA ist der neueste Standard der OPC Foundation und unterscheidet sich technologisch erheblich von seinen Vorgängern, indem die Bindung an DCOM aufgelöst und die Spezifikation auf eine völlig neue technologische Plattform gestellt wurde. Folgende Abbildung zeigt den Aufbau des Protokollstacks (OPC Unified Architecture, 2008):
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Abb. 3.10 – Aufbau des OPC Protokollstacks
OPC UA definiert zwei Kommunikationsprotokolle, nämlich ein Binärprotokoll und ein auf SOAP/http basierendes Protokoll. Das Binärprotokoll verspricht eine bessere Performance durch einen erheblich geringeren Protokolloverhead und benötigt auf Endgeräten weniger Ressourcen, da z.B. kein XML Parser erforderlich ist. Das Web-Service Protokoll hingegen kann in Programmierumgebungen wie Java oder .NET sehr einfach eingesetzt werden, da eine gute Werkzeugunterstützung vorhanden ist. Das Tunneln von http Meldungen durch Firewalls ist ebenfalls sehr einfach zu bewerkstelligen. Der von der OPC Foundation bereitgestellt ANSI-C Protokollstack unterstützt beide Protokolle auf transparente Weise. Während die Implementierung von Sicherheitsfunktionen in den bisherigen OPC Standards nicht inkludiert sondern als eigene Zusatzspezifikation festgelegt war, ist UA Security ein integrierter Bestandteil des neuen Standards. UA Security beinhaltet Authentifizierung, Autorisierung, Verschlüsselung und Sicherung der Datenintegrität durch Signaturen. OPC UA orientiert sich dabei an der Web Service Security Spezifikation „WS Secure Conversation“ und ist somit kompatibel zu .Net und anderen SOAP Implementierungen. Alle in OPC UA spezifizierten Base-Services sind protokollunabhängig und bilden die Basis für die gesamte OPC-UA-Funktionalität. Die Transportschicht setzt diese Methoden in eine Protokollimplementierung um. Das OPC-Informationsmodell ist nicht mehr nur eine Hierarchie aus Gruppen und Items sondern ein Full-Mesh-Network aus Knoten, mit dem nun auch alle Arten von Metainformationen und Diagnoseinformationen übertragen werden können. Ein Knoten entspricht etwa einem Objekt in der objektorientierten Programmierung. Der damit modellierte OPC-Adressraum beinhaltet nun auch ein Typmodell, das alle Datentypen festlegt. Auf Grund der neuen Technologie erscheint OPC UA wesentlich besser für Aufgaben der Produktionsleittechnik geeignet als bisherige OPC Standards. Besonders vorteilhaft ist, dass Funktionen wie Redundanz, Pufferung von Daten,
Datenschnittstellen
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Quittierungen usw. im Protokoll berücksichtigt wurden. Derzeit sind noch zu wenige Systeme am Markt verfügbar, die diesen Standard unterstützen, um die Brauchbarkeit in praktischen Anwendungen verifizieren zu können.
3.3.5. SPS Programmierstandards Bei Projekten für den Aufbau von Produktionseinrichtungen in der Automobilindustrie ist es üblich, dass als Basis für die Erstellung der Automatisierungseinrichtungen und der Automatisierungssoftware ein Programmierstandard verwendet wird. Programmierstandards werden üblicherweise von den Automobilherstellern selbst projektspezifisch erstellt und als Grundlage für die Ausschreibungen an die Anlagenlieferanten verwendet. Diese Standards legen alle wichtigen Parameter des Entwurfs fest. Zunächst sind grundlegende Anforderungen zum Aufbau des Automatisierungssystems inklusive Chassisbelegungen und Feldbusse zu formulieren. Dies ist nicht nur sinnvoll, um den Hardwareaufbau und dessen Test und Inbetriebnahme zu vereinfachen, sondern hat auch Rückwirkungen auf Ein- und Ausgangsbelegungen und -Benennungen in der SPS Software selbst. Als nächstes ist die Struktur des SPS Programms und der Roboterprogramme inklusive Benennung von Daten und Routinen festzulegen. Hierdurch wird der grundlegende Programmaufbau definiert auf dessen Basis auch die Programmierung des Automatikablaufs festgelegt werden kann, welcher meist in einer Schrittkette z.B. in der Ablaufsprache (AL) programmiert wird. Von grundlegender Bedeutung ist weiters die Festlegung der Betriebsarten (z.B. Handbetrieb, Automatik angewählt, Automatik gestartet etc.) und der Sonderbetriebsarten (z.B. Leerfahren, Vollfahren, Einzelschrittbetrieb, Grundstellungsfahrt usw.). Ausgehend von diesen Basisinformationen müssen die Methoden für den Handbetrieb und die Diagnose sowie für die Bedienung und Visualisierung festgelegt werden. Breiten Raum nimmt auch die Festlegung von Schnittstellen zur Fördertechnik, zu anderen SPS und zu intelligenten Feldgeräten wie z.B. Umrichtern ein. Letztlich sind noch Konventionen für die Dokumentation des Systems festzulegen. Um die Anbindung des Produktionsleitsystems an die SPS effektiv zu implementieren, sollte diese bereits Teil des Programmierstandards sein. Hiermit ist es auch möglich, die Funktionalität der Schnittstelle vorab zu verifizieren und festzustellen, ob diese vollständig ist und vom Ablauf her funktioniert. Je mehr Testarbeit in frühe Projektphasen verlegt werden kann, desto einfacher wird das Projekt zu handhaben und desto überschaubarer werden die Risiken. Ein ordentlich entwickelter SPS Standard kann die Ankopplung an das Produktionsleitsystem auch für den SPS Programmierer wesentlich vereinfachen. Dies spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern sorgt auch dafür, dass bereits in frühen Projektphasen brauchbare Daten für das Produktionsleitsystem zur Verfügung stehen. Viele Informationen können automatisch von der im Standard bereits vorge-
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Einführung in Produktionsleitsysteme
gebenen Software gehandhabt werden. Hierzu gehören Betriebsarten und Fehlermeldungen. Gerade hinsichtlich Fehlermeldungen und Diagnose weisen viele Standards Schwächen auf, da sie vom Programmierer fordern, Fehlermeldungen manuell einzugeben. Auf diese Weise ist es ein recht langwieriger und mühsamer Prozess, bis eine halbwegs vollständige Fehlerdiagnose zur Verfügung steht. Eine mangelhafte Diagnose führt aber zu einer signifikanten Erhöhung der Reparaturzeiten (MTTR – Mean Time To Repair), was speziell während des Hochfahrens der Produktion bis zu Kammlinie große Probleme bereitet. Instandhalter verbringen viel Zeit mit der Suche von Fehlern direkt im SPS Programm anstatt bei sicherer und richtiger Fehleransprache Energie in die nachhaltige Beseitigung von Fehlern zu investieren. Auch Teilekontrollen und Teiledatensätze können in einen standardisierten Rahmen gepackt werden. Die Informationen über beendete Bearbeitungen und den Bearbeitungsstatus müssen im Regelfall vom SPS Programmierer individuell implementiert werden, da auf Grund der vielfachen verschiedenen Abläufe eine Standardisierung kaum möglich ist. Im Gegensatz zu den Teileinformationen, welche direkt aus den Teilekontrollen abgeleitet werden können, muss Information über das Ende und die Beurteilung des Erfolges einer Bearbeitung meist aus der Schrittkette des Automatikablaufs gewonnen werden.
3.3.6. Schnittstellen zu PC-basierten Systemen Viele Anlagen, die in der Automobilfertigung eingesetzt werden, sind PC-basiert. Dies bedeutet, dass die Produktionsleittechnik mit Software kommuniziert, die auf einem PC unter Windows abläuft. Viele dieser Anlagen können auch SPSKomponenten umfassen, welche jedoch solange keine Beachtung finden, solange sie über keine direkte Anbindung zum Produktionsleitsystem verfügen. Typische Beispiele sind Prüfstände, Befüllanlagen, Elektroniktester, Kleinteilelager, Karossenhäuser, Präger, Typschilddrucker, EC-Schrauber, inline Vermessungsanlagen, Kamerasysteme, Telefonprüfer oder Audioprüfer. Viele Restriktionen, die SPS auf Grund ihrer Programmierung, des geringen Speichers usw. aufweisen, sind bei PC basierten Anlagen kein Thema. Das Problem ist hier vielmehr die Menge an unterschiedlichen Entwicklungsplattformen, mit denen Anlagenlieferanten ihre Software erstellen. Die Auflistung von Softwareumgebungen in Tabelle 3.2 entstammt einem Projekt, welches der Autor selbst geleitet hat. Hier ist zu erkennen, dass die Vielfalt sehr groß ist. Vor dem Hintergrund, dass schon das Durchsetzen eines einheitlichen Betriebssystems einen Kraftakt erfordert, erscheint es unrealistisch, zu fordern, dass alle Anlagenlieferanten die gleiche Entwicklungsplattform für ihre PC Software einsetzen. Aus diesem Grund muss die Anbindung an das Produktionsleitsystem möglichst viele verschiedene Entwicklungsumgebungen unterstützen.
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Eine Minimalanforderung an die Anlagenlieferanten sollte heute jedoch einige grundlegende Punkte enthalten. Schnittstellen sollten auf Basis von Web Services auf HTTP/SOAP aufgebaut werden. Dieses Protokoll sollte in Zukunft die meisten anderen Alternativen ablösen und wird praktisch von allen wichtigen Plattformen unterstützt. Für die Anbindung älterer Software sollte das Produktionsleitsystem ein COM Objekt bereitstellen, das die Kommunikation mit dem Server abwickelt. COM Objekte können, wenn sie duale Schnittstellen bereitstellen, relativ problemlos von vielen Systemen unter Windows verwendet werden. Tabelle 3.2 – Beispiele für Anlagen-Basissoftware Anlagensystem
Softwareumgebung
Befüllanlagen
X-Line, Excel mit VBA
Prüfstände
X-Line, Excel mit VBA
VIN-Präger
.NET 1.0 mit Visual Studio 2002
Speicher für Scheiben
C++ mit Visual Studio 6.0 und MFC
Elektroniktester
Java mit Eclipse und JDK 1.4.2
Schrauber
.NET 1.1 mit Visual Studio 2003
Tankstelle
Borland C++
Typschilddrucker
Delphi
Bei vielen älteren Systemen und bei bestehenden Anlagen gibt es nur die Möglichkeit, über formatierte Textdateien (z.B. CSV) zu kommunizieren, während bei neueren Systemen oftmals ein Datenaustausch über XML Dateien in Frage kommt. Derzeit gibt es keine Standardisierungsbestrebung mehrerer Automobilbauer, die Protokolle zu vereinheitlichen. Durch übergreifende verbindliche Standards könnte eine Menge an Kosten, Aufwand und Risiko in den Fahrzeugprojekten eingespart werden. In der Praxis sind die Anlagenlieferanten derzeit gezwungen, für jeden Automobilhersteller oder sogar teilweise für jedes Projekt eine neue Ankopplung an das Produktionsleitsystem zu erstellen.
3.3.7. Dateninhalte Nachdem die wesentlichen technischen Grundlagen für die Implementierung der Datenkopplungen zwischen dem Produktionsleitsystem und den Anlagen in der Automobilfertigung erläutert wurden, sollen hier kurz die Dateninhalte, die zu übertragen sind, beschrieben werden. Eine detaillierte Erläuterung folgt weiter unten im Zuge der Beschreibung der Funktionen des Produktionsleitsystems. Nicht alle der in der Folge aufgelisteten Dateninhalte werden von allen Anlagen in gleichem Umfang implementiert. Wenn es sich bei einer Anlage z.B. um
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Einführung in Produktionsleitsysteme
ein Pult der Fördertechnik handelt, so implementiert die Anlage keine Datenschnittstellen zur Übertragung von Teiledaten. Tabelle 3.3 enthält eine grobe Auflistung der Dateninhalte von der Anlage zum Produktionsleitsystem. Tabelle 3.3 – Dateninhalte von der Anlage zum PLS Dateninhalte von Anlagen Beschreibung Stationsstatus
Betriebsarten, Fehlermeldungen, Betriebsmeldungen
Teilestatus
Teil in Station, Skid in Station, Bearbeitung IO beendet, Bearbeitung NIO beendet
Teiledatensatz
Informationen über den Teil in der Anlage wie Teilenummer, Typinformationen etc.
Bearbeitungsergebnisse
Detailergebnisse der Bearbeitung. Diese sind anlagenspezifisch. Bei einem Schrauber würde hier eine Beurteilung IO / NIO, sowie Verdrehwinkel und Anzugsmoment für jeden Schraubfall folgen. Bei einer Füllanlage würde hier Art und Menge der befüllten Flüssigkeit stehen.
Weitere Anlagenstati
Springerruf, Bandhalt, Not Aus, Taktzeitüberschreitung, Sonderbetriebsarten, Einlauf leer, Auslauf blockiert
Messwerte
Ofentemperaturen, Abgaswerte, PH-Werte und andere Prozessdaten
Das Produktionsleitsystem sendet eine Reihe von Kommandos an Produktionsanlagen, wie in Tabelle 3.4 wiedergegeben. Tabelle 3.4 – Kommandos vom PLS zur Anlage Dateninhalte zu Anlagen
Beschreibung
Statuskommandos
Zentralstart ein / aus, Soforthalt, Halt bei Taktende
Schichtdaten
Taktzeitvorgabe, Vorwärmen, Schichtstart, Schichtende, Pausenstart, Pausenende
Teilepuffersynchronisation Teilevorankündigung, Teil aus Puffer löschen, Bearbeitung starten. Diese Daten enthalten typabhängige Informationen in vereinfachter Form. Routing
Richtungsvorgabe für Fördertechnik (z.B. Karossen mit offenen Punkten werden automatisch in die Nacharbeit gefördert)
Eine detaillierte Beschreibung dieser Informationen erfolgt weiter unten im Zuge der Erläuterung der Funktionen der Produktionsleittechnik.
Datenschnittstellen
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3.3.8. Aufbau der Anlagendatenkopplung Die Anlagendatenkopplung hat die Aufgabe, Daten zwischen diversen Systemen in der Produktionsanlage und der zentralen Datenbank des Produktionsleitsystems in der die Business Logik implementiert ist, auszutauschen, wobei dieser Datenaustausch bidirektional ist. Dies bedeutet, dass Statusmeldungen und Anfragen von den Anlagen zum Produktionsleitsystem und Kommandos vom Produktionsleitsystem zu den Anlagen gesendet werden. Für den Aufbau der Datenkopplungen zwischen dem Produktionsleitsystem und den Anlagen gibt es eine Reihe von konzeptionellen Möglichkeiten. Eine nur annähernd vollständige Beschreibung zu erstellen wäre im Rahmen dieses Abschnitts unmöglich. Aus diesem Grund soll beispielhaft eine Struktur vorgestellt werden, die sich im Rahmen einiger Projekte bereits bewährt hat. Als Bezeichnung von Anlagendatenkopplung wird hier die Abkürzung PDI verwendet, die für „Process Data Interface“ steht. Abb. 3.11 zeigt den prinzipiellen Aufbau des PDI und illustriert auch einen Meldetransfer zwischen verschiedenen Komponenten (Kon-Cept GmbH., 2008). Die zentrale Komponente des Systems ist der Transaktionsmanager. Dieser Dienst ist direkt für den Datenaustausch zwischen den PDI Clients und der Datenbank zuständig. Der gesamte Datenverkehr läuft über den Transaktionsmanager. Je nachdem, welche Kommunikationsmechanismen die Datenbank anbietet, kann der Transaktionsmanager als eigenständiger Dienstprozess oder als Teil der Konfiguration des Datenbankservers selbst implementiert werden. Verteilt auf verschiedenen Anlagenrechnern finden sich verschiedene PDI Client Instanzen. Dies sind Dienste, die auch parallel in beliebiger Kombination auf einem Rechner ablaufen können. Alle PDI Clients implementieren eine einheitliche Schnittstelle für den Datenaustausch mit dem Transaktionsmanager, die auf XML/SOAP basiert. Die Schnittstellen zu den Anlagen sind aber sehr verschieden. Tabelle 3.5 enthält eine Auflistung von Schnittstellen, die in einem Produktionsleitsystem standardmäßig implementiert sind.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Tabelle 3.5 – Beispiele für Standardanlagenanbindungen am PLS PID Client
Beschreibung
PDI-OPC
Anbindung an diverse SPS über die OPC DA Schnittstelle. Dieser Client setzt die Verfügbarkeit eines oder mehrerer OPC Server voraus, die das eigentliche SPS spezifische Protokoll abwickeln.
PDI-TXT
Datenaustausch über Textdateien in einem festgelegten Format.
PDI-XML
Datenaustausch über XML Dateien mit festem Schema.
PDI-COM
Dieser Dienst stellt eine COM Schnittstelle für den Datenaustausch mit diverser PC-basierter Software bereit.
PDI-SQL
Datenaustausch mit datenbankbasierten Systemen (z.B. Oracle oder SQL Server). Ein Beispiel wäre ein Swisslog AGV Server auf Oracle Basis.
PDI-MODB
Datenkommunikation über das MODBUS Protokoll
PDI-CIP
Datenkommunikation über das CIP Protokoll (Control and Information Protocol), welches von SPS der ControlLogix Familie von Allen-Bradley verwendet wird.
PDI-S7
Datenkommunikation über das S7 Protokoll, welches von SPS der Simatic S7300 / 400 Familie der Firma Siemens verwendet wird.
PDI-MQS
Datenaustausch über IBM WebSphere MQ
Der Transaktionsmanager bietet eine offene Schnittstelle, sodass bei Bedarf jederzeit projektspezifische Schnittstellen und Protokolltreiber nachgerüstet werden können. Der Datenaustausch zwischen den PDI Clients und dem PDI Transaktionsmanager kann wahlweise über verschiedene Transportschichten durchgeführt werden, wobei im Bild der Warteschlangenmanager als Beispiel eingezeichnet wurde. In Frage kommen Message Queuing Systeme (z.B. IBM WebSphere MQ), http Transfers, TCP oder Dateitransfers. In der Praxis sollte verbindungslosen Diensten der Vorzug gegeben werden, da bei diesen das Management von Verbindungen sowohl auf der Server- als auch auf der Clientseite entfällt. Hierdurch wird die Implementierung der Anbindungen erheblich erleichtert und die Skalierbarkeit der Systeme erhöht, da sich Konzepte wie Cluster oder Load Balancing einfacher implementieren lassen.
Datenschnittstellen
Abb. 3.11 – Beispiel einer Kommunikationsinfrastruktur für ein Produktionsleitsystem
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Einführung in Produktionsleitsysteme
3.3.9. Message Queuing Systeme Message Queue Systeme sind in ihrer Funktion sehr ähnlich orientiert, wie e-Mail Server. Der Unterschied ist, dass sie im Gegensatz zu e-Mail Servern nicht für Menschen als Endverbraucher von Information gedacht sind, sondern für die verlässliche Verbindung von Maschinen und Software untereinander. Der Einsatz eines Message Queue Systems hat sich in der Praxis aus verschiedenen Gründen bewährt. Das Client Protokoll ist sehr einfach zu implementieren. Entwicklungswerkzeuge stehen praktisch für alle Betriebssysteme und Entwicklungsumgebungen zu Verfügung. Das Protokoll ist einfach, da der Client eine Meldung lediglich in die Warteschlange zu stellen hat. Sobald die Meldung vom zentralen Queue Manager quittiert wurde, ist die Sache für den Client erledigt. Er kann die weitere Auslieferung dem Queue Manager überlassen. Die Warteschlangen können weiters für die Pufferung von Daten verwendet werden, um einerseits kurzfristige Lastspitzen in der Datenbank des Produktionsleittechniksystems abzufedern, andererseits um Versorgungspuffer für Anlagen aufzubauen. Die Verfolgung der Warteschlangentransaktionen ermöglicht eine einfache Überwachung und Diagnose des Systems. Der gesamte Meldeverkehr wird zentral protokolliert. Der Queue Manager ist ein kritischer Flaschenhals für die Verfügbarkeit des Systems, kann aber auf einfache Weise als Cluster oder redundant ausgelegt werden. Die Wahrscheinlichkeit von Änderungen an der Konfiguration im Betrieb ist relativ gering. Damit nimmt der Queue Manager Druck von der Verfügbarkeitsanforderung der Datenbank und lässt dem Wartungsteam etwas freiere Hand und mehr Möglichkeiten beim Umgang mit außergewöhnlichen Situationen. Für den Austausch von Meldungen mit Sequenzlieferanten oder Fertigungseinrichtungen an anderen Standorten hat sich auch SMTP als Transportprotokoll durchaus bewährt. Das Problem hier ist die etwas längere Dauer für die Auslieferung von Nachrichten. Eines der aktuellsten Schlagworte im IT-Bereich ist SOA (Service Oriented Architecture), welches in der Propaganda vieler Anbieter gerne mit dem Einsatz von Messaging Infrastrukturen gleichgesetzt wird. SOA beschreiben eine moderne Entwurfsmethodik für komplexe Enterprise Level Architekturen, welche sehr einfach mittels Messaging Infrastrukturen umgesetzt werden können. Der bloße Einsatz solcher Infrastruktur per se ergibt jedoch noch keine brauchbare SOA. Weitere Informationen zu SOAs finden sich in (Dirk Krafzig, 2007).
3.4. Nachrichtenverarbeitung in der Datenbank Die Anlagenschnittstelle sorgt dafür, dass Meldungen zwischen der Datenbank und den angebundenen Anlagen ausgetauscht werden können. In der Datenbank muss bei Eintreffen einer Meldung eine Logik ablaufen, die über mehrere Warte-
Nachrichtenverarbeitung in der Datenbank
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schlangen innerhalb der Datenbank hinweg dafür sorgt, dass das Produktionsleitsystem die entsprechenden Schritte unternimmt. Hierbei ist die Geschwindigkeit, mit der Antworten generiert werden von besonderer Bedeutung, da Wartezeiten bei der Anlagenversorgung oftmals direkt von der Taktzeit weggehen. Für eine optimale Antwortzeit sollte genau unterschieden werden, welche Aktivitäten zeitkritisch sind und daher sofort bearbeitet werden müssen und welche Aktionen später durchgeführt werden können. Während die Anlagendatenversorgung zeitkritisch ist, hat die Berechnung von Kennzahlen, wie OEE oder Anlagenverfügbarkeit durchaus Zeit. Moderne Datenbanken, wie SQL Server oder Oracle stellen Mechanismen für die datenbankinterne Implementierung von Warteschlangen bereit (Advanced Queuing bzw. Service Broker). Hiermit lässt sich sehr gut eine Pipeline für die Meldungsverarbeitung aufbauen, wie in Abb. 3.12 wiedergegeben.
Abb. 3.12 – Pipeline für die Meldeverarbeitung
Die Business Logik implementiert Standardabläufe für die Meldeverarbeitung, die direkt als gespeicherte Prozeduren in der Datenbank hinterlegt sind. Damit der Anwender des Systems auch Abläufe implementieren kann, die nicht dem Standard entsprechen, sollte eine Eingabemöglichkeit hierfür vorgesehen werden. Abb. 3.13 zeigt ein Beispiel (Kon-Cept GmbH., 2008). Abläufe werden in Form von Schrittketten formuliert. Schritte können Methoden in Objekten aufrufen oder Eigenschaften von Objekten ändern, die im Ressourcenplan definiert sind. Zusätzlich können Systemdienste aufgerufen werden. Abläufe werden durch Ereignisse, also durch das Eintreffen von Meldungen von Objekten ausgelöst. Hierbei ist es möglich, Abläufe an Objekte oder an Datentypen zu binden, was den Konfigurationsaufwand erheblich verringert. Hinter Methoden von Objekten können sich verschiedene Dienste verbergen, wie z.B. SQL Aufrufe von gespeicherten Prozeduren, der Aufruf von .NET Assemblies, das Starten von externen Prozessen oder das Senden von Meldungen.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Abb. 3.13 – Editor für Schrittketten zur Implementierung von Abläufen im Produktionsleitsystem
3.5. Schnittstellen zur ERP Ebene Die Schnittstelle zur ERP Ebene ist eine der wichtigsten Schnittstellen, die das Produktionsleitsystem zu bedienen hat. Über diese Schnittstelle werden Planungsdaten und Rückmeldungen während des Fertigungsbetriebes ausgetauscht, weshalb sie entsprechend verfügbar und fehlersicher auszulegen ist.
3.5.1. Dateninhalte Über diese Schnittstelle wird eine Reihe von Informationen vom ERP System zum Produktionsleitsystem und umgekehrt übergeben, wobei dieser Datentransfer taktgebunden oder plangebunden erfolgen kann.
Schnittstellen zur ERP Ebene
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Informationen vom ERP System zum Produktionsleitsystem Die geplante Produktionssequenz ist die wichtigste Information, die vom ERP System übernommen wird. Die Produktionssequenz enthält die Auftragsköpfe der zu produzierenden Fahrzeuge inklusive Sequenznummer, Typangabe und Sonderausstattungscodes. Hiermit wird die Ausgestaltung jedes zu bauenden Fahrzeugs genau festgelegt. Idealerweise ist anzustreben, dass die Produktionssequenz für die Fahrzeugendmontage festgelegt und in Form einer idealen Perlenkette für alle Gewerke beginnend vom Karosserierohbau durchgesetzt wird. In den meisten Fertigungen ist dies auf Grund technologischer Einschränkungen oder wegen mangelnder Prozessgüte nicht möglich, sodass die Produktionssequenz für jeden Produktionsschritt gesondert geplant wird. Es muss also möglich sein, eine Produktionssequenz je Subauftrag oder je Komponente zu übernehmen. Für Teile werden auch bestimmte Stati vom ERP System an das Produktionsleitsystem übertragen. Beispiele wäre ein „technical hold“, welches bewirkt, dass Fahrzeuge auf den Parkplatz geroutet und nicht ausgeliefert werden. Weitere Informationen in dieser Kategorie sind z.B. Retropass Meldungen für bereits ausgelieferte Fahrzeuge etc. Wenn die Stückliste im ERP System fahrzeuggenau aufgelöst wird, so kann eine fahrzeugspezifische Stückliste vom ERP System übernommen werden. Dies muss taktgebunden je Fahrzeugauftrag geschehen. Wenn die Auflösung der Stückliste im Produktionsleitsystem durchgeführt wird, so ist es erforderlich, eine werksspezifische Stückliste vom Planungssystem zu übernehmen, was natürlich nur im Falle von Änderungen und nicht taktgebunden erfolgt. In der Praxis ist es erforderlich, Änderungen an Stücklisten oder Ausstattungscodes möglichst zeitnah zum Produktionsleitsystem zu übertragen, weshalb ein entsprechender Änderungsdienst vorzusehen ist. Der Schichtkalender wird ebenfalls im ERP System hinterlegt und wird vom Produktionsleitsystem übernommen. Der Schichtkalender ist je nach Fertigung spezifisch je Schritt oder sogar je Linie (dies wird z.B. bei der Teilefertigung im Rohbau der Fall sein, wo ein Team von Werkern oftmals zwei Linien für je eine halbe Schicht betreibt). Der Schichtkalender enthält Informationen über Beginn und Ende jeder Schicht, sowie über Pausenzeiten und über die Sollstückzahl. Zusätzlich sind Sonderangaben erforderlich, wie TPM Zeiten oder Zeiten für Gruppengespräche. Wenn die Wartungsaufträge für die vorbeugende Wartung im ERP System gepflegt werden, so benötigt das Produktionsleitsystem Rückmeldungen, wenn Wartungen technisch abgeschlossen sind, sodass z.B. Betriebsstundenzähler oder Taktzähler zurückgesetzt werden können. Um im Produktionsleitsystem Nachrichten gezielt an jene Mitarbeiter zustellen zu können, die auch anwesend sind, kann das Produktionsleitsystem Informationen über die Anwesenheit der Mitarbeiter vom ERP System übernehmen. Für die Steuerung der Nacharbeit ist es letztlich auch erforderlich, Informationen über die Verfügbarkeit von bestellten Ersatzteilen vom ERP System zu über-
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Einführung in Produktionsleitsysteme
nehmen. Um eine Zusammenarbeit zwischen dem Produktionsleitsystem und dem Logistiksystem zu ermöglichen, ist die Implementierung weiterer Schnittstellen erforderlich. So ist z.B. für die Verwaltung kumulativer Rückstandslager an der Linie die Übertragung von Lieferabrufsequenzen für JIS Teile vom ERP System an das Produktionsleitsystem erforderlich.
Informationen vom Produktionsleitsystem zum ERP-System Vom Produktionsleitsystem muss eine Reihe von Informationen an das ERP System übertragen werden, die einerseits dazu verwendet werden, Abweichungen zwischen Planungsdaten und Iststand der Produktion zu ermitteln, andererseits aber auch um die Logistik mit Steuerinformationen zu versorgen. Wenn Fahrzeuge in einen Produktionsschritt eingesteuert werden oder wenn sie einen Produktionsschritt verlassen, so ist eine entsprechende Rückmeldung über den Produktionsfortschritt an das ERP System zu senden. Zusätzlich sind oftmals Meldungen erforderlich, wenn ein Fahrzeug bestimmte Punkte innerhalb eines Fertigungsschrittes erreicht. Dies ist für die Verwaltung von Lieferabrufen und Umlagerungen im ERP System wesentlich. Das Produktionsleitsystem sollte eine möglichst freie Konfiguration der Fortschrittsmeldungen zulassen, die einerseits je nach Fahrzeugtype unterschiedlich sein können, andererseits entweder an fixen Plätzen stattfinden oder flexibel, wenn die Anforderung z.B. heißt 60 Takte vor dem Sitzeförderer. Dies kann je nach Pufferstand ein einem unterschiedlichen Ort sein. Das ERP System benötigt Rückmeldungen über einen Teil der VPDs (variable Prozessdaten). Z.B. ist die Motornummer des im Fahrzeug verbauten Motors zu melden, da diese in die Fahrzeugpapiere einzutragen ist. Zusätzlich muss die Möglichkeit bestehen, dass Fahrzeuge gesperrt werden. Sperren verhindern, dass Fahrzeuge an den nächsten Produktionsschritt weitergegeben oder ausgeliefert werden und werden gesetzt, um sicherzustellen, dass Nacharbeiten oder bestimmte außergewöhnliche Qualitätsprüfungen durchgeführt werden, bevor ein Fahrzeug weiterläuft. Wenn beispielsweise 100 Karossen unter Verdacht stehen, mit defekten Stoßdämpferdomen (z.B. Tiefziehrisse) verbaut worden zu sein, so ist es sinnvoll, dies zu prüfen und nachzuarbeiten noch bevor diese Karossen in den Lack oder gar in die Endmontage gehen. Diese Information muss auch dem Planungssystem zur Verfügung stehen, da diese Karossen ja nicht zur Weiterverarbeitung verplant werden können. Wenn die Wartung in einem Instandhaltungsmodul im ERP System abgewickelt wird, dann sind dort auch Wartungspläne für die vorbeugende Instandhaltung hinterlegt. In vielen Fällen ist es sinnvoll, die Wartungsaktivitäten nicht entsprechend des Kalenders durchzuführen (z.B. einmal pro Monat oder pro Quartal), sondern von der tatsächlichen Auslastung oder vom Status der Anlagen abhängig zu machen. Das Produktionsleitsystem hat Informationen über die Betriebsstunden und die tatsächlich gefahrenen Takte an jeder Anlage, kann diese zählen und ent-
Schnittstellen zur ERP Ebene
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sprechende Wartungsaufträge im ERP System anstoßen. Manche Anlagen erkennen auf Grund technischer Parameter (z.B. Vibrationen etc.) selbst, wenn ein Wartungsbedarf besteht und senden entsprechende Betriebsmeldungen an das Produktionsleitsystem. Dieses kann wiederum entsprechende Wartungsaufträge im ERP System anlegen. Da das Produktionsleitsystem die Produktion steuert, nicht aber die Logistik und andere Funktionen, ist die Schnittstelle zum ERP System vom Umfang her durchaus überschaubar. In der Praxis ist zu bedenken, dass diese Schnittstelle meist projektspezifisch zu erstellen ist, da die meisten Autobauer selbst erstellte Planungssysteme für die Steuerung der Produktion verwenden und die Vielfalt der Systeme auch eine entsprechende Vielfalt der Schnittstellen bewirkt.
3.5.2. Produktionsleitsysteme versus ERP-Systeme Die Funktionen, die in der IT erforderlich sind, um eine Fertigung zu betreiben lassen sich grob in Aufgaben der Produktionsplanung und in Aufgaben der Produktionssteuerung gliedern. Abb. 3.14 illustriert die Situation (Kropik, 2004).
Stammdatenverwaltung
Produktionsprogrammplanung (Bestimmung der zu produzierenden Erzeugnisse nach Art, Menge und Termin) • Prognoserechnung • Simulation des Ressourcenbedarfs • Vorlaufsteuerung von Konstruktion und Arbeitsplanung • Kundenauftragsverwaltung
Mengenplanung (Bestimmung des Bedarfs an Komponenten) • Bedarfsrechnung für Komponenten • Bestandsführung • Verbrauchergesteuerte Disposition • Losgrößen- und Bestellrechnung • ...
Materialwirtschaft
Produktionsplanung
Termin- und Kapazitätsplanung (Bestimmung der Start- und Endtermine für die Arbeitsvorgänge) • Durchlaufterminierung • Kapazitätsbedarfsrechnung • Kapazitätsterminierung • Sequenzierung •...
Auftragsveranlassung • Fertigungsauftragsfreigabe • Einsteuerung • Verfügbarkeitsrechnung • Belegungsrechnung • Arbeitsverteilung •...
Kapazitäts- und Auftragsüberwachung • Auftragsfortschrittsüberwachung • Kapazitätsüberwachung •...
Zeitwirtschaft
Produktionssteuerung
Abb. 3.14 – Strukturierung von Systemen hinsichtlich Produktionsplanung und Produktionssteuerung
In der Praxis hat es sich bewährt, Planungsaufgaben und Steuerungsaufgaben systemtechnisch zu trennen. Während das ERP System und der Sequenzrechner vor allem Planungsaufgaben implementieren, ist es Aufgabe der Produktionsleittechnik, die Fertigung zu steuern. Die Anforderungen an Systeme auf beiden Seiten sind sehr unterschiedlich. Planungssysteme haben keine Echtzeitvorgaben zu erfüllen, während viele Funktionen im Produktionsleitsystem einerseits in Echtzeit, andererseits mit geforder-
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Einführung in Produktionsleitsysteme
ten schnellen Antwortzeiten zu erledigen sind. In allen Fällen sind weiche Echtzeitanforderungen zu erfüllen, harte Echtzeit wie z.B. auf der SPS Ebene ist kein Thema. Produktionsleitsysteme sind kritischer in Bezug auf die Verfügbarkeit. Ein Stillstand des Planungssystems für einige Minuten ist ärgerlich, hat aber keinen Stillstand der Produktion zur Folge. Ein Ausfall des Produktionsleitsystems wirkt sich in der Regel sofort auf die Stückzahl aus. Auch die Kommunikationspartner unterscheiden sich. Während Planungssysteme hauptsächlich Schnittstellen für menschliche Benutzer, die nicht im Takt arbeiten, anbieten, kommunizieren Produktionsleittechniksysteme hauptsächlich mit Anlagen und Werkern im Takt. Planungssysteme werden von ausgebildetem Personal in den Planungsabteilungen verwendet, während die Benutzerschnittstelle des Produktionsleitsystems auch für den Werker an der Linie, der oftmals über keine umfassenden PC- und Systemkenntnisse verfügt, handhabbar sein muss. Der Aufbau der Benutzeroberfläche ist daher sehr verschieden. Der Autor hat selbst einige negative Erfahrungen mit Fertigungen gemacht, an denen ERP Terminals direkt an der Linie stehen. Die Folge sind oftmals überforderte und frustrierte Benutzer. Viele Abläufe im kaufmännischen Bereich und in der Logistik lassen sich mit gängigen Modellen einfach abdecken. Dort ist es sinnvoll, auf erprobte „Best Practice“ zu setzen. In der Fertigung sind die Produktionssysteme und die Technologien so unterschiedlich, dass viele Prozesse projektspezifisch zu implementieren sind. Die Anforderungen bezüglich Konfigurierbarkeit an Produktionsleitsysteme sind daher entsprechend hoch. Änderungen müssen auch sehr viel schneller implementiert werden. Abb. 3.15 zeigt beispielhaft den Planungsablauf in SAP. Das Standardmodul für die Produktionsplanung in SAP-R/3 ist PP (Produktionsplanung). Es ermöglicht die Planung der Produktion in mehreren Schritten, die von der groben Absatzplanung bis zur Kapazitätsprüfung gehen, wobei der Zeithorizont immer kürzer aber auch die Planungsgenauigkeit immer höher wird. SAP-PP ist ein hervorragendes Werkzeug für die Planung einer diskreten Fertigung und eignet sich auch im Automobilbau für Fertigungsschritte wie mechanische Fertigung (z.B. Kurbelwellen, Zylinderköpfe, Zahnräder, Getriebe etc.). Für höhere Anforderungen stellt SAP das Modul APO (Advanced Planner and Optimizer) zur Verfügung, welches erweiterte Planungsmethoden bereitstellt. Auch hier wird die Fertigung entsprechend der Struktur und der Kapazitäten, sowie der Fertigungspläne für jedes Produkt geplant. Hinzu kommen umfangreiche Funktionen für die Losgrößenbestimmung etc. Das Problem mit SAP (dies gilt für alle anderen dem Autor bekannten ERP Systeme im gleichen Ausmaß, SAP wird hier vor allem wegen seiner hohen Verbreitung angesprochen) ist, dass es keine brauchbaren Funktionen für die Sequenzierung einer Fertigungslinie bietet. Dies ist speziell in der Endmontage mit der dort auftretenden hohen Variantenvielfalt ein Problem und damit einer der Gründe, warum die Automobilbauer für die Planung der Produktionssequenz zumeist selbst erstellte Werkzeuge verwenden und pflegen.
Schnittstellen zur ERP Ebene
Planungsebene
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Ziel
Horizont
System
Bedarfsermittlung, Analyse und Konsensbildung
Mittel- bis langfristig
SAP R/3-PP Flexible Planung
Abgestimmter und durchführbarer Grobproduktionsplan
Mittelfristig
Programmplanung
SAP R/3-PP Langfristplanung
Bedarf an Rohstoffen und an Komponenten decken
Kurzfristig
Bedarfsrechnung
SAP R/3-PP MRP
Erstellen eines durchführbaren Anlagenbelegungsplans
Kurzfristig
Kapazitätsplanung
SAP R/3-PP KAPA Auswertung
Umsetzen des ProduktionsPlans in der Fertigung
Weiche Echtzeit
SAP R/3-PI, QM, MM Produktionsleitsystem
Absatz- und Grobproduktionsplanung
Ausführung
Abb. 3.15 – Prinzipieller Ablauf der Produktionsplanung am Beispiel SAP R/3-PP
Bei der Planung der Produktionssequenz ist eine Reihe von Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Einer der wichtigsten ist die Verfügbarkeit von Materialien und Einbauteilen. Die Automobilproduktion funktioniert heute nur mehr im Umfeld einer komplexen Lieferkette. JIS und JIT Lieferanten für A-Teile sind die Regel. Da kaum Zwischenlager vorhanden sind, ist die Verwaltung dieser Lieferkette (Supply Chain Management) eine wichtige Aufgabe. SAP stellt mit dem Supply Chain Cockpit ein eigenes Werkzeug für diese Zwecke bereit. Wie oben bereits erläutert, setzt die Abtaktung an der Linie einen bestimmten Mix an Typen und Sonderausstattungen voraus. Dieser Mix ergibt sich einerseits aus technologischen Einschränkungen (z.B. Pulkbildung im Lack), andererseits aus der Abtaktungsplanung. Wenn dieser Mix nicht eingehalten wird, so sind Zeitprobleme und vermehrte Bandhalts und somit ein Rückgang der Stückzahl sowie auch der Qualität (gestresste Werker machen mehr Fehler) die Folge. Von vielen Automobilproduktionen wird das möglichst genaue Einhalten von Lieferterminen erwartet. Dies wird meist durch die Maßzahl der Sequenzfolgerichtigkeit gemessen. Heute ist der Regelfall, dass die Produktionssequenz nach den Gegebenheiten in der Fahrzeugendmontage geplant wird. In Zukunft ist anzustreben, eine Liefersequenz festzulegen, die für das Ende der Montage gilt. Hierdurch lassen sich logistische Erfordernisse bei der Auslieferung von Fahrzeugen besser berücksichtigen (z.B. wenn ein Autotransportschiff von Rotterdam nach USA möglichst termingerecht und gut gefüllt ablegen soll). Bei vielen neueren
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Fahrzeugprojekten werden zwar keine direkten Anforderungen an die Produktionssequenz aber z.B. Vorgaben hinsichtlich Lieferzeitfenster je Fahrzeug gemacht. Qualitätsaktionen und Sperren sorgen teilweise dafür, dass Fahrzeuge oder Teile aus vorgelagerten Produktionsabschnitten nicht zur Verfügung stehen. Die Planung muss unverzüglich auf solche Situationen reagieren. Speziell in der Nacharbeit, Zertifizierung und Auslieferung ist weiters zu berücksichtigen, dass Stellplätze beschränkt sind. Oftmals ist es erforderlich, im Rahmen der Produktionsvorbereitung Prototypund Vorserienfahrzeuge auf der laufenden Produktionslinie einzuplanen und zu fertigen. Dies ist z.B. sinnvoll, um die Arbeitsgänge und die verfügbaren Betriebsmittel zu testen, sowie um sicherzustellen, dass die geplante Abtaktung in der Praxis auch funktioniert. Auch die Planung der Ersatzteilproduktion sowie von SKD oder CKD Karossen ist eine Aufgabe der Produktionsplanung. Ersatzteile werden meist im Rohbau gefertigt (z.B. Kotflügel, Türen oder Klappen etc.). Sehr oft wird die Fertigung heute nicht zentral gesteuert sondern dem Werker überlassen. Ersatzteile werden meist dann gefertigt, wenn nachfolgende Linien auf Grund von Problemen stehen, um die Linien möglichst am Laufen zu halten. In einer halbwegs optimal laufenden Fertigung sollte für solche informellen Steuerungskonzepte schlicht nicht mehr die erforderliche Stillstandszeit zur Verfügung stehen, weshalb die gesteuerte Ersatzteilfertigung vorzuziehen ist. Je schneller Informationen über den Status im Planungssystem ankommen und je schneller die Planung reagieren und wiederum Einfluss auf die Fertigung nehmen kann, desto besser lassen sich Abweichungen ausregeln und desto ruhiger läuft die Fertigung. Abb. 3.16 illustriert den Zusammenhang (Kropik, 2004). Je schneller Aufträge umgesetzt und Rückmeldungen gesendet werden, desto geringer werden die Totzeiten im System (aus der Regeltechnik: Totzeiten bedeuten eine Phasenverwerfung, die notwendigerweise zu einer erhöhten Instabilität führt). Anzustreben ist im Idealfall ein taktweiser Abgleich der Planungsvorgaben mit dem Produktionsfortschritt. Hierdurch werden auch die Stelleingriffe geringer ausfallen und damit die Fertigung insgesamt ruhiger laufen (siehe Toyota Produktionssystem weiter oben).
Schnittstellen zur ERP Ebene
Kunden
99
Lieferanten
Kundenaufträge
Wareneingang
Fremdbezug
Produktionsplanung Fremdbezug und Eigenfertigung
Störeinflüsse
Bestellungen
Bestellaufträge Produktionsaufträge
Produktionssteuerung
Fertigungsprozess
Eigenfertigung
Produktionsrückmeldungen
Abb. 3.16 – Produktionsplanung und Produktionssteuerung als Regelkreis
3.5.3. ISA S.95 In einer Erläuterung der Schnittstelle zwischen ERP Systemen und Produktionsleitsystemen darf ein Hinweise auf die ISA S95 „Enterprise Control System Integration“ nicht fehlen. Dieser Standard wurde im Jahr 2000 erstmals von der ISA publiziert und beschreibt die Schnittstelle zwischen dem ERP System und Systemen auf der MES Ebene. Er bietet den Vorteil einer einheitlichen Nomenklatur und einer einheitlichen Struktur für den Aufbau von integrierten Fertigungssystemen. Die meisten ERP Hersteller wachen streng über ihre Domäne und sind nicht wirklich bereit, offene Schnittstellen zu ihren Systemen anzubieten, die Standards entsprechen. Die weitgehende Akzeptanz der ISA S95 könnte helfen, diese Problematik zu entschärfen. Eine der Kerndefinitionen in der S95 ist das „Functional enterprise-control model“, welches in Abb. 3.17 grob dargestellt ist (ISA, 2000). In der S95 werden zusätzlich Daten- und Informationsstrukturen spezifiziert, sodass ein gutes Grundgerüst für den Aufbau von integrierten Systemen gelegt wird. Die S95 ist ein allgemein gehaltener Standard. Dies bedeutet auch, dass auf die spezifischen Erfordernisse einer Industrie wie z.B. der Automobilindustrie nicht eingegangen wird. Es bleibt noch abzuwarten, ob dieser Standard tatsächlich weite Verbreitung findet und wie er konkret in Produkten und Systemen umgesetzt wird. Heute ist er als Grundlage für Spezifikationen und Diskussionen in der Prozessentwicklung als Werkzeug unverzichtbar.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Abb. 3.17 – Functional Enterprise Control Model nach ISA S95.01
3.5.4. Die technische Ausführung der ERP Anbindung So verschieden, wie die in Frage kommenden Sequenzrechner oder ERP Systeme sind, so unterschiedlich sind auch die in Frage kommenden Mechanismen und Technologien, eine Verbindung herzustellen. Hierbei ist zu bedenken, dass alle Datenverbindungen Hilfsmittel sind, um Prozesse mit EDV technischen Mitteln zu implementieren. Vor dem Herstellen einer Datenverbindung müssen also die Prozessabläufe spezifiziert werden. Daraus ergeben sich die Dateninhalte und andere Angaben. Zudem ist meist in beiden Systemen eine entsprechende Programmierung und Konfiguration durchzuführen, um die Prozessabläufe entsprechend abzubilden (z.B. ABAP Programmierung, XMorph Programmierung im ERP System). Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen und dieser Vielfalt erscheint es immer wieder interessant, wenn Softwareanbieter mit fertigen ERP Konnektoren in ihrer Produktpalette werben. Meist sorgen diese Produkte für die technische Umsetzung der Datenanbindung über einen bestimmten Mechanismus. Die Prospektunterlagen sollten jedoch auch erwähnen, dass dies nur der kleinste Teil der Aufwände im Rahmen einer solchen Integration ist.
Die Funktionen eines Produktionsleitsystems
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Für die Umsetzung der Anbindung haben sich einige Leitlinien bewährt. Zuerst ist eine klare Aufteilung der Funktionalitäten anzustreben. Planungsaufgaben sollten im Sequenzrechner verbleiben, während Steuerungsaufgaben in der Produktionsleittechnik implementiert werden. Die Schnittstelle zwischen beiden Systemen sollte durch eine sichere Middleware implementiert werden, die einen gesicherten, transaktionsorientierten Nachrichtenaustausch bei gleichzeitig sehr hoher Systemverfügbarkeit anbietet. Beispiele sind BizTalk, Inubit oder WebSphere MQ. Hochverfügbare Systemauslegungen sind sehr kostspielig. Aus diesem Grund muss in der Praxis ein Kompromiss zwischen systemtechnischen Maßnahmen zur Erhöhung der Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der Systeme und der Einführung manueller oder teilmanueller Notfahrweisen gefunden werden. Es sollte daher jederzeit die Möglichkeit bestehen, Informationen, die normalerweise vom ERP System an das Produktionsleitsystem geliefert werden, auch durch Handeingabe und durch Verwaltung im Produktionsleitsystem direkt einzugeben. Dies erlaubt einen begrenzten Notfallsbetrieb für bestimmte Zeit, der die Fortführung der Fertigung bei gleichzeitig erhöhtem Personalaufwand ermöglicht. Die Einführung von Produktionsleitsystemen ist mit erheblichen Kosten und Risiken sowohl in der IT als auch in der Prozessentwicklung in der Fertigung verbunden. Dadurch ist praktisch nur ein eine schrittweise Einführung solcher Systeme zu denken, was speziell dann gilt, wenn neue Systeme in bestehenden Fertigungen ausgerollt werden sollen. Das Produktionsleitsystem sollte daher modular aufgebaut sein, sodass es den stufenweisen Aufbau der Funktionalität erlaubt und nicht alle Prozesse in einem Schwung sofort umgesetzt werden müssen. Auch die Schnittstelle zum ERP System sollte einen schrittweisen Ausbau unterstützen. Der gesamte Datenverkehr zwischen ERP System und Produktionsleitsystem muss protokolliert werden, sodass Informationen für die Fehlersuche jederzeit bereit stehen. Zusätzlich muss eine Diagnose, Überwachung und Alarmierung bereitstehen, sodass Probleme beseitigt werden können, noch bevor sie sich negativ auf die Produktion auswirken. Auf beiden Seiten sind Daten zu puffern, so dass bei Ausfall der Kommunikationsverbindung keine Daten verloren gehen. Es ist in diesem Fall auch wichtig, die Reihenfolgen des Datenaustausches zu wahren.
3.6. Die Funktionen eines Produktionsleitsystems Die folgenden Abschnitte sind der detaillierten Erläuterung der Funktionen eines Produktionsleitsystems gewidmet. An dieser Stelle soll ein Überblick und eine Einführung gegeben werden.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
3.6.1. Übersicht über die Funktionen Tabelle 3.6 enthält eine Auflistung der Funktionen rund um die Produktion, die einzurichten sind, damit die Automobilfertigung ordnungsgemäß funktioniert, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Tabelle 3.6 – Übersicht über grundlegende PLS Funktionen Funktionsbereich
Funktionen
Instandhaltung
Vorbeugende Instandhaltung, reaktive Instandhaltung, Wartungstrigger, Alarmierung, TPM
Steuerung automatischer Produk- Teiledatenversorgung, offene Punkte Listen, VPD Erfassung tionsanlagen Steuerung manueller Arbeitsgän- Werkerinformationssystem, Checklisten, VPD Erfassung, freie ge Problemeinträge, Fabrikanzeigen, Informationstafeln, Beschallungssystem, Prozessabsicherung, Poka Yoke Nacharbeitssteuerung
Routen von Fahrzeugen in die Nacharbeit, Nacharbeitsinformationen, Terminvorgaben, Rückmeldung an das Band z.B. durch temporäre Arbeitsgänge
Teilesteuerung
Teileidentifikation, Routing von Teilen abhängig vom Status der Teile, Stellplatzverwaltung, Verkehrsleitsystem, Steuerung der Auslieferung, Steuerung von Logistikeinrichtungen (z.B. Kleinteilelager, Scheibenlager, Sitzeförderer, Cockpitförderer etc.), die Sequenzteile fördern, Ansteuerung von Vormontagen
Rückmeldungen
Produktionsrückmeldungen an das ERP System, Sperren VPD Rückmeldung an das ERP System
Steuerung von Betriebsmitteln
Liniensteuerung, Taktzeitvorgabe, Pulkbildung, Puffermanagement, Erfassung von Prozessdaten (Ofentemperaturen, Schadstoffe, Füllstände für die Medienversorgung), Werkzeugverwaltung, Schweißzangenverwaltung
Berichtswesen
Ermittlung von Anlagenkennzahlen (OEE, Verfügbarkeit etc.), Ermittlung von Produktionskennzahlen (Stückzahlen, FTC, QZK, APA, …), Teileverfolgung, Trendermittlung bei QDaten, Bandhalts, Springerruf etc., Schrauberdaten, Schweißdaten
Workflows
7 Step und weitere Regelkreise, KVP, Lieferantenportal, Wartungsaufträge, Zeiterfassung
Zusatzdienste
Zentrales Backup, Versionskontrolle für Anlagenkonfigurationen und Programme, Dokumentenverwaltung (Anlagendokumentation)
Diese Liste zeigt ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dass eine ganze Reihe von Funktionen erforderlich ist, um eine Fertigung zu betreiben. Wenn alle diese Funktionen in einem Schwung in einem Produktionsleitsystem umgesetzt werden sollen, so wird das System entsprechend umfangreich ausfallen. Die Kosten, die
Der Nutzen von Produktionsleitsystemen
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Zeitdauer und das Risiko, welches bei solchen Projekten entsteht, sind oftmals nicht durch eine ROI Rechnung zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die meisten Projekte Erweiterungen und Umbauten bestehender Fertigungslinien z.B. für die Einführung neuer Modelle oder Baureihen sind. In vielen Betrieben ist daher schon eine funktionierende Infrastruktur vorhanden (sonst hätten diese Betriebe bisher keine Fahrzeuge fertigen können). Im Rahmen der Planung sind also die Prozesse genau zu durchleuchten. Der Autor empfiehlt, die Pareto Regel anzuwenden und sich zunächst auf die Umsetzung jener 20% der Funktionalität zu konzentrieren, die 80% Effekt bringt. Auf diese Weise bleiben die Projekte überschaubar und argumentierbar. Schrittweise Prozessverbesserungen sind sinnvoller als Revolutionen, da sie in der Regel auch eine bessere Akzeptanz bei den Anwendern finden. Das Produktionsleitsystem, das eingesetzt werden soll, muss also modular aufgebaut und flexibel genug sein, dass es in Schritten aufgebaut und in Betrieb genommen werden kann. Es kann nicht Ziel der Einführung eines Produktionsleitsystems sein, alle bisherigen Prozesse durch EDV Mittel zu ersetzen. Die Papierlose Fertigung ist kein lohnendes Ziel. EDV Mittel müssen Verbesserungen hinsichtlich der Qualität von Prozessen bringen. Dies kann in der Geschwindigkeit oder der Verringerung der Fehlerrate liegen.
3.7. Der Nutzen von Produktionsleitsystemen Welchen Nutzen kann sich der Automobilbauer von der Einführung eines Produktionsleitsystems erwarten? Dies ist eine zentrale Frage, die nur im Einzelfall nach gründlicher Prüfung der Gegebenheiten quantitativ beantwortet werden kann. An dieser Stelle sollen einige Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden, die mittels Produktionsleitsystemeinsatz gehoben werden können. Der Nutzen, den Produktionsleitsysteme bringen können, hängt sehr stark von der Projektphase ab. Dies soll an Hand der Abb. 3.18 erläutert werden. Dieses Diagramm ist dem Bild 6.5 aus (Gerfried Zeichen, 2000) nachempfunden und vom Autor für die Automobilproduktion erweitert und adaptiert worden.
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Einführung in Produktionsleitsysteme
Einnahmen
Umsatz, Verkaufserlös
Stückzahl
1
0
2
3
4
5
6
7
Zeit in Jahren Entwicklung, Konstruktion
Kosten
Prozessentwicklung
Produktänderungen
Folgeinvestitionen
Variable Kosten
Marketing
Investitionen
Abb. 3.18 – Kosten- und Einnahmenentwicklung über die Phasen eines Automobilprojekts
3.7.1. Nutzen in der Inbetriebnahme Wie in der Einführung zur Automobilfertigung bereits erläutert wurde, wird der Zeitdruck bei der Einführung neuer Modelle immer größer. Während auf der einen Seite die Produktion schrittweise bis zum Erreichen der Kammlinie hochgefahren werden muss, ist andererseits die Nachfrage nach neuen Modellen gerade unmittelbar nach ihrer Einführung am größten. Die Automobilbauer versuchen diesem Problem seit langer Zeit durch Methoden, wie z.B. Simultaneous Engineering zu begegnen. Hierbei werden das Produkt und die Anlage von Beginn an soweit wie möglich parallel entwickelt, um Zeit bis zu Beginn der Inbetriebnahme sparen zu können. Generell liegt in der Inbetriebnahmephase der Fokus auf das termingerechte Erreichen der geplanten Stückzahl und Qualität. Produktionsleitsysteme können einen Beitrag leisten, die Inbetriebnahmephase zu verkürzen und die Kammlinie schneller zu erreichen, wenn einige grundlegende Prozesse im Einführungsprojekt implementiert werden. Wichtig ist besonders eine regelmäßige Analyse von Problemen in der Fertigung (Stillstände, Qualitätsprobleme etc.). Das Produktionsleitsystem liefert aktuelle und objektive Daten über den Stand der Fertigung. Diese können als Basis für Entscheidungen über Verbesserungsmaßnahmen dienen. Auf der Basis solchermaßen gesicherter Daten ist ein ständiger Verbesserungsprozess einzuführen. Anstatt zu versuchen, alle Probleme in gleicher Weise zu lösen, also mit einer Art Gießkannenprinzip, sollte sich das Inbetriebnahmeteam auf die Top Punkte konzentrieren und diese lösen. Mögliche Abläufe werden im Abschnitt Instandhaltung weiter unten erläutert. Letztlich können die Anlagendaten, die im Produktionsleitsystem gesammelt werden, als Basis für die Abnahme von Anlagen und von Material von Zulieferern
Der Nutzen von Produktionsleitsystemen
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dienen. Die Vollständigkeit aller Unterlagen zu Anlagen, sowie die saubere Funktion der Anlagendiagnose kann ebenfalls am Produktionsleitsystem verifiziert werden. Entscheidungen, die auf Fakten basieren anstatt auf Vermutungen und nachvollziehbare Verbesserungsprozesse führen zu einer stabilen Inbetriebnahme und letztlich zu vermindertem Risiko sowie zu erheblich verkürzten Inbetriebnahmezeiten. Entscheidungen werden nachvollziehbar und somit ist ein Lernprozess möglich, der sicherstellt, dass Erfahrungen aus früheren Inbetriebnahmen neuen Projekten zugute kommen.
3.7.2. Nutzen in der Betriebsphase Wenn die Kammlinie erreicht ist und die Produktion stabil läuft, dann ändert sich der Fokus des Managements. Die Ziele sind nun das Erreichen eines variationsfreien Produktionsablaufs, die Verbesserung der Qualität und Termintreue sowie die Einsparung von Produktionskosten. Das Produktionsleitsystem kann diese Ziele durch eine Reihe von Funktionen unterstützen. Wichtig ist das Management ständiger Verbesserungsprozesse. Systeme, wie KVP können automatisiert und zusätzlich auf Anlagen umgelegt werden. Näheres hierzu folgt im Abschnitt Instandhaltung. Das Produktionsleitsystem kann der Planung beim Aufdecken von Engpässen und Top-Problemen helfen, wobei es auch die erforderlichen Basisdaten für eine kaufmännische Beurteilung von Änderungen und Abhilfemaßnahmen (ROI Analyse) liefern kann. Durch die Implementierung von Qualitätsregelschleifen im Produktionsleitsystem ist eine Optimierung des Fertigungsprozesses möglich. Die Automatisierung und Optimierung der Planung der vorbeugenden Instandhaltung bringt eine Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit und Verringerung der Kosten der vorbeugenden Instandhaltung. Das Produktionsleitsystem ist weiters ein wichtiges Werkzeug zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Fertigung, zur Rückverfolgung von Problemen und zur Abgrenzung der möglicherweise betroffenen Einheiten. Dies ist besonders bei möglichen Rückrufen im Fall sicherheitsrelevanter Mängel ein entscheidender Faktor, um Kosten so gering wie möglich zu halten. Die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich Transparenz der Fertigung werden in den wichtigsten Zielmärkten zudem ständig verschärft. Unter Agilität der Fertigung versteht man die schnelle Implementierung und Umsetzung von Änderungen am Produkt oder an den Fertigungsprozessen. Je höher die Agilität desto geringer fallen die Kosten im laufenden Betrieb aus. Zusätzlich ergibt sich ein positiver Effekt auf die Produktqualität. Das Produktionsleitsystem kann zur Einsparung von Werkerzeit und zur Reduktion von Fehlerraten beitragen, indem Tätigkeiten, wie das Einscannen von Teilen für Identifikationszwecke automatisiert wird. Zusätzlich können durch ein effizientes Puffermanagement und eine effiziente Teileflusssteuerung Stillstände und Bestand minimiert
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Einführung in Produktionsleitsysteme
werden. Hierzu zählt auch die Verbesserung der Sequenzfolgerichtigkeit durch Priorisierung von Nacharbeiten. Produktionsleitsysteme automatisieren Prozesse rund um die Fertigung. Zusätzlich sorgen sie für transparente Abläufe und objektive Daten und Informationen über den Status der Fertigung. Wer sich von Produktionsleitsystemen schlagartige Verbesserungen in einem großen Wurf erhofft, der wird sicherlich enttäuscht werden, dennoch sind mit der Zeit erhebliche Verbesserungen möglich, wenn diese Systeme Schritt für Schritt konsequent eingeführt und die Prozesse laufend verbessert werden.
4. Teileidentifikation und Teileverfolgung Die Teileverfolgung ist eine wichtige Basisaufgabe von Produktionsleitsystemen, denn jederzeit zu wissen, wo sich ein Fahrzeug befindet, ist eine Grundvoraussetzung für viele weitere Funktionen. Dieser Abschnitt beschreibt zunächst grundlegende Verfahren zur Identifikation von Teilen mitsamt ihrer Vor- und Nachteile, wobei auf Barcodes, RFID Transponder, induktive Systeme und weitere eingegangen wird. Weiters wird beschrieben, wie die Teileverfolgung zu planen ist und welches Systemmodell im Produktionsleitsystem hierfür erforderlich ist, sodass auch Schieberegister und Teilezähler implementiert werden können. Weiters wird auch auf Notfallsstrategien und auf weitere Funktionen, wie die teilebezogene Ansteuerung von Betriebsmitteln eingegangen.
4.1. Einleitung Die sichere Identifikation und Verfolgung von Teilen ist eine der wichtigsten Basisfunktionen eines Produktionsleitsystems auf der vielfältige weitere Funktionen aufbauen. Hierzu zählen die Datenversorgung für automatische Produktionseinrichtungen, die Anzeige von taktgebundener Werkerinformation, die Einsteuerung von Fahrzeugen in Gewerke, das Senden von Logistiktriggern und Fertigungsrückmeldungen an das ERP System und die Aufzeichnung und Auswertung von Qualitätsdaten. Durch die rasante Entwicklung von RFID Identifikationssystemen hat das Thema bei vielen Automobilbauern zuletzt erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Für die Identifikation von Teilen stehen jedoch verschiedene Methoden zur Verfügung, die auch Einfluss auf die Prozesspläne und damit auf viele Abläufe in der Fertigung haben.
4.2. Verfahren zur Identifikation von Teilen Abb. 4.1 zeigt einen Überblick über die wichtigsten Methoden zur Identifikation von Fahrzeugen und Teilen, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. In den folgenden Abschnitten sollen die einzelnen Verfahren, welche in der industriellen Praxis verbreitet sind, kurz beschrieben und ihre Vor- und Nachteile erläutert werden.
Teileidentifikation und Teileverfolgung
Aktiver RFID Transponder
Funktionalität
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Passiver RFID Transponder 2D Barcode Induktive Transponder Linearer Barcode
Datamatrix
Lacktaugliche Transponder
Kosten Abb. 4.1 – Verfahren zur Teileidentifikation
4.2.1. Barcodes Der Einsatz von Barcodes in der Fertigung und Logistik ist seit Jahren bewährt und heute praktisch nicht mehr wegzudenken. Barcodes besitzen einige wesentliche Vorteile, so können Barcodelabels bei Bedarf ausgedruckt werden und sind damit sehr kostengünstig herzustellen. Wenn der Barcode auf Grund von Beschädigungen oder Verschmutzungen nicht maschinell lesbar ist, so kann die Identifikationsnummer am Barcodelabel auch vom Werker abgelesen und per Hand eingegeben werden. Zudem kann durch Bereitstellen eines Backupdruckers mit manueller Bedienung auf einfache Weise eine Notfallslösung zur Wiederbeschaffung eines Barcodelabels bereitgestellt werden. Barcodeleser werden in großen Stückzahlen hergestellt und sind daher sehr günstig in der Beschaffung. Sie können über die PS2 Schnittstelle oder über USB zusätzlich zu einer Tastatur an einen PC angeschlossen werden und somit die Eingabe auf einem Client der Produktionsleittechnik oder ERP Terminal unterstützen. Damit eignen sie sich auch für Zwecke der Prozessabsicherung (z.B. Verifikation der Type von Einbauteilen im Rahmen einer Verbauprüfung) und für die Erfassung von variablen Prozessdaten (z.B. Seriennummer des Airbags). Barcodeleser können alternativ auch über serielle Schnittstellen und Schnittstellenwandler auf Profibus oder Ethernet TCP/IP direkt an SPS oder an den Produktionsleittechnikserver angebunden werden. Dies ist meist eine Option für stationäre Barcodeleser.
Verfahren zur Identifikation von Teilen
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Neben diesen Vorteilen besitzen Barcodes auch eine Reihe von Nachteilen. Eines der häufigsten Probleme in der Praxis ist die Tatsache, dass zwischen dem Barcodelabel und dem Barcodeleser eine Sichtverbindung bestehen muss. Dies schränkt den Einsatzbereich von stationären Barcodelesern ein, da sichergestellt werden muss, dass während des Scanvorgangs z.B. kein Werker im Weg steht. Zudem sind Barcodelabels empfindlich gegen Verschmutzung. Der Einsatz im Karosserierohbau, in der Teilefertigung oder in der Lackiererei ist damit nicht sinnvoll. In der Lackiererei ist es möglich, spezielle Barcodelabels einzusetzen, die aus mehreren Lagen bestehen, sodass überlackierte Lagen durch Abziehen entfernt und somit darunterliegende, noch lesbare Lagen wieder freigelegt werden. Dies erfordert jedoch den Einsatz von Werkerzeit. Die Lesereichweite ist mit maximal etwa 1 - 1,2 Meter bei Einsatz stationärer Barcodeleser beschränkt. Dies führt in vielen Fällen zu Platzierungsproblemen, wenn stationäre Barcodeleser mitten in einer Linie verwendet werden sollen. Die Menge der Daten, die auf dem Barcodelabel Platz haben ist beschränkt. Meist kann nur eine VIN-Nummer oder Auftragsnummer am Barcodelabel erfasst werden. Wenn die Labels von Hand eingelesen werden, so können ohne Probleme mehrere Barcodes auf einem Label untergebracht werden. Bei Einsatz stationärer Scanner ist dies ohne Zusatzmaßnahmen nicht möglich. Zu beachten ist auch, dass Barcodes mit unterschiedlichen Codierungen erhältlich sind. Nicht jeder Barcodeleser kann jede Codierung lesen, was bei der Planung des Systems und bei der Anschaffung der Leser und Barcodedrucker zu berücksichtigen ist. Um einige Nachteile der klassischen Barcodes zu beseitigen, existieren am Markt eine Reihe von Sonderlösungen, wie z.B. zweidimensionale Barcodes, die es ermöglichen größere Datenmengen zu speichern und zu erfassen. So können neben der Auftragsnummer, die ein Fahrzeug eindeutig identifiziert, zusätzlich auch noch die Type und Sonderausstattungscodes auf dem Barcodelabel gespeichert werden. Die meisten dieser Systeme besitzen jedoch verringerte Lesereichweiten und bieten keine Möglichkeit an, die Daten, die im Barcode gespeichert sind, auch in lesbarer Form auf den Label zu drucken. Barcodes können auch mittels Laser direkt auf einen Bauteil aufgebracht werden. Diese Lösung eignet sich besonders für die mechanische Fertigung z.B. im Motoren- oder Getriebebau. Der Barcode ist fix mit dem Bauteil verbunden, kann beim Hantieren und bei der Bearbeitung daher nicht verloren gehen. Verschmutzungen können zwar das Lesen beeinträchtigen, die Informationen am Label gehen jedoch hierdurch nicht verloren. Zusätzlich entfallen die Kosten für Betriebsmittel für Barcodedrucker. Barcodes können auf Blechstreifen gestanzt und auf die Karosserie genietet werden. Diese Lösung ergibt eine lacktaugliche Variante, Karossen zu kennzeichnen, die jedoch nur in Frage kommt, wenn der Barcode auch nach der Auslieferung des Fahrzeugs an diesem verbleiben kann.
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
4.2.2. Transponder mit induktiver Lesung Am Markt ist eine Reihe von Identifikationssystemen erhältlich, die Transponder mit induktiver Lesung anbieten. Induktive Transponder sind die mit Abstand kostengünstigste Transpondervariante am Markt. Sie sind praktisch wartungsfrei, da die Transponder die für den Betrieb erforderliche Energie per Induktion über die Antenne der Lesestelle beziehen und daher keine Batterie benötigen. Die Transponder sind wiederbeschreibbar und können teilweise beachtliche Datenmengen speichern (dem Autor sind Systeme mit bis zu 256 KByte Speicherplatz bekannt). Hiermit kommt ihr Einsatz für die Steuerung von Nacharbeitstätigkeiten z.B. in der Motormontage in Frage (Jede Station schreibt ihre Arbeitsergebnisse auf den Transponder. An der Weiche zum Nacharbeitsplatz und am Nacharbeitsplatz selbst wird der Transponder ausgelesen und es stehen Informationen zu möglichen Problemen zur Verfügung). Die am Markt erhältlichen Lesegeräte verfügen über vielfältige Ankopplungsmöglichkeiten direkt an SPS, indem sie Interbusoder Profibusanschaltungen bereits eingebaut haben. Zu beachten ist, dass viele Hersteller die Möglichkeiten für die Ankopplung an PCs und ein Angebot an brauchbaren Handlesegeräten vernachlässigen. Viele weit verbreitete Systeme sind auch in den Schutzklassen IP65 und IP67 erhältlich und somit unempfindlich gegen Verschmutzung und elektromagnetische Beeinflussung. Der große Nachteil induktiver Transponder ist deren prinzipbedingte geringe Lesereichweite, die in der Praxis bei wenigen (typisch 6-12) Zentimetern liegt. Aus diesem Grund kommt der Einsatz induktiver Systeme meist nur in Frage, wenn die Transponder auf der Unterseite von Bauteilträgern angebracht werden können, sodass die Lesegeräte in der Fördertechnik integriert sind und der Bauteilträger über sie hinweg fährt. Dies ist typischerweise bei Anwendungen in der Motor- oder Getriebemontage und im Karosserierohbau bei Einsatz von Geoskids, die im Regelfall Skidwechsel im Gewerk vermeiden, der Fall. Jeder Wechsel des Skids oder des Bauteilträgers muss durch systemtechnische Maßnahmen begleitet und abgesichert werden, da sonst die Identifikation des Teils, die ja im Falle des Einsatzes induktiver Transponder am Bauteilträger geführt wird, verloren geht.
4.2.3. RFID Transponder RFID Transponder arbeiten meist im Frequenzbereich von 2,45 GHz und besitzen vergleichsweise hohe Lesereichweiten, die je nach System zwischen 2 und 6 Meter liegen, wobei keine Sichtverbindung zwischen Leseantenne und Datenträger erforderlich ist. Zu beachten ist, dass bei vielen Systemen die Schreibreichweiten wesentlich kürzer als die Lesereichweiten sind. Die meisten Hersteller bieten auch lacktaugliche Ausführungen an, die für den Einsatz bei hohen Temperaturen
Verfahren zur Identifikation von Teilen
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(> 180 Grad) geeignet sind. Die hierbei erforderliche Hochtemperaturelektronik ist allerdings mit erheblichen Kosten verbunden. Neben den eben genannten Vorteilen erkauft man sich durch den Einsatz von RFID Transpondern allerdings auch eine Reihe von Nachteilen. Allen voran sind hohe Kosten für Lesegeräte und Transponder zu nennen. Die Systeme bedürfen einer genauen Planung, da sie im gleichen Frequenzbereich arbeiten wie WLANs, Bluetooth und andere Kurzstreckenfunksysteme. Werden diese Frequenzüberschneidungen nicht berücksichtigt, so ergibt sich eine erhöhte Störanfälligkeit und Fehler, die oft nur sehr schwierig zu finden sind. Bei der Planung ist weiters zu berücksichtigen, dass die Antennen der Lesegeräte meist eine ausgeprägte Richtwirkung besitzen. Die Qualität der Leseergebnisse hängt dann stark vom Winkel zwischen Transponder und Antenne ab. Antennen müssen möglichst orthogonal zum Datenträger angebracht werden. Um die gegenseitige Beeinflussung von Antennen untereinander zu vermeiden, ist oftmals ein Mindestabstand zwischen den Lesestellen vorgeschrieben, der bei einem Vielfachen der Lesereichweite liegt (15 Meter und mehr). Durch geeignete Abschirmungen kann dieser Abstand in der Praxis aber verkürzt werden. Meist enthalten die Datenträger Batterien und sind daher nicht wartungsfrei. Entsprechende systemtechnische Maßnahmen zur Verwaltung und Wartung von Transpondern sind daher erforderlich. Im Fall eines Ausfalls eines Transponders oder einer Lesestelle stehen keine einfachen Notfallstrategien bereit, da der Transponder ohne Einsatz von Handlesegeräten nicht lesbar ist. Eine Möglichkeit, den Ausfall eines Transponders zu kompensieren bietet sich z.B. durch Verwendung einer eindeutigen Seriennummer, welche an der Vorderseite des Transponders aufgedruckt ist. Bei Ausfall einer Lesestelle kann der Werker diese Seriennummer in einen Produktionsleittechnik Client eingeben, sodass der Betrieb mittels manueller Intervention weitergeführt werden kann. Diese Notfallstrategie funktioniert allerdings nur dann, wenn keine Zusatzdaten am Transponder gespeichert werden. Zudem muss der Produktionsleittechnik die Seriennummer des Transponders bekannt sein und es muss eine Zuordnung (Verheiratung) zwischen Transponderseriennummer und Fahrzeugauftrag existieren. RFID Transponder eignen sich für Situationen, in denen der Datenträger am Fahrzeug angebracht werden muss, da die Fördertechnik unterschiedlich ist und das Fahrzeug mehrfach zwischen verschiedenen Fördertechniken übergeben wird (Lackskid - Hängebahn - Schubplattform - Hängebahn - Plattenband). Auch Nacharbeitsbereiche und Zertifizierungsstrecken in denen Fahrzeuge nicht zwangsgeführt sind, sind Bereiche in denen sich RFID Transponder bewähren. Da aus technischen und finanziellen Gründen nicht an jeder Arbeitsstation Lesegeräte angebracht werden können, ist es erforderlich, Schieberegister in Software zu implementieren, um Fahrzeuge in der Linie verfolgen zu können. Dies kann in der Fördertechnik SPS oder im Produktionsleitsystem geschehen. Schieberegister erfordern einen nicht zu unterschätzenden Softwareaufwand.
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
Speziell lacktaugliche Transponder sind oft nicht beschreibbar, sondern liefern lediglich eine eindeutige Kennung des Transponders. In diesen Fällen muss die Zuordnung von Transpondernummer zu Fahrzeug im Produktionsleitsystem erfolgen. Transponder, die mehrfach durch eine Lackieranlage fahren, bedürfen meist einer Sonderbehandlung, da sich mit jedem Durchgang durch den Lack eine neue Lackschicht aufbaut. Dies beeinträchtigt die Lesbarkeit des Transponders, sodass in regelmäßigen Abständen eine Entlackung erforderlich wird. Das Produktionsleitsystem muss sicherstellen, dass Transponder, die nicht mehr ordnungsgemäß lesbar sind, ausgeschieden und zur Entlackung verbracht werden. Hierzu kann eine Prüfantenne errichtet werden oder, wenn dies aus Platz- oder Kostengründen nicht möglich ist, so kann die Anzahl der Umläufe gezählt werden. Transponder, die eine bestimmte Umlaufzahl erreicht haben, können dann automatisch zur Entlackung gesendet werden. RFID Transponder werden im Regelfall manuell am Fahrzeug befestigt und können zudem auch verloren gehen, vertauscht werden oder plötzliche Fehlfunktionen aufweisen. Im Produktionsleitsystem sind entsprechende Strategien für die Prävention, Erkennung und Behandlung von Fehlern zu implementieren. Diese Funktionen hängen vom Prozessablauf ab und sind teilweise recht umfangreich und komplex. Ein Problem hierbei ist, dass der Inhalt von Transpondern ohne passende Handlesegeräte nicht lesbar ist. Zusätzliche SBS, die eine lesbare Fahrzeugkennung (z.B. Auftragsnummer oder VIN) enthalten, sind in der Praxis zusätzlich zum Transponder erforderlich. Die Mitarbeiter sind im Umgang mit abnehmbaren Transpondern zu schulen. Der Autor hat Fälle erlebt, in denen Transponder als nicht zum Fahrzeug gehörig identifiziert wurden und dementsprechend im Müll gelandet sind. Transponder mit magnetischer Befestigung werden auch gerne als Notizenhalter missbraucht. Zusätzliche Maßnahmen sind erforderlich, damit der Lack nicht verkratzt wird, wenn der Transponder an der Karosse angebracht wird. In Zertifizierungsbereichen kann der Transponder nur im Fahrzeuginneren angebracht werden (z.B. am Innenspiegel), damit er auch im Fahrzeug verbleiben kann, wenn dieses z.B. in eine Berieselung kommt. Beim Anbringen von Transpondern im Fahrzeuginneren ist zu beachten, dass z.B. metallbedampftes Thermoglas eine perfekte Dämpfung für Funksignale mit sich bringt.
4.2.4. Einwegtransponder Die RFID Technologie hat sich in den letzten Jahren sprunghaft entwickelt. Mittlerweile sind sehr kostengünstige Einwegtransponder am Markt erhältlich (Kosten < 1 Euro pro Stück). Diese Einwegtransponder werden einmal beschrieben und verbleiben bei der Auslieferung im Fahrzeug. Einwegtransponder besitzen eine Reihe von Vorteilen, so ermöglichen sie einfache systemtechnische Abläufe, da
Verfahren zur Identifikation von Teilen
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keine Kreisläufe für Entnahme und Rücktransport sowie Löschung von Datenträgern vorzusehen sind. Das Fahrzeug bleibt während seiner gesamten Lebensdauer durch den Transponder eindeutig identifizierbar. Von dieser Funktion wird derzeit leider noch bei keinem Hersteller tatsächlich Gebrauch gemacht. Sie wäre nützlich für Anlagen in der Werkstätte sowie für Diebstahlsschutz oder Mautsysteme. Der Einwegtransponder würde eine kontaktlos lesbare Fahrgestellnummer enthalten, die weltweit über alle Hersteller aller Fahrzeuge eindeutig wäre. Derzeit fehlt es in diesem Bereich vor allem an normativen Ansätzen. Trotz des aktuellen Hypes um die RFID Technologie muss man beim heutigen Stand der Technik beim Einsatz von Einwegtranspondern einige Einschränkungen in Kauf nehmen. Derzeit existieren am Markt keine lacktauglichen Einwegtransponder. Weiters muss die Anbringung der Transponder auf der Außenseite des Fahrzeuges erfolgen, da der Transponder nicht z.B. in der A-Säule verschwinden kann. Wenn Transponder direkt am Blech montiert werden, so ergeben sich physikalisch bedingt geringere Lesereichweiten von maximal etwa 75 Zentimeter. Bei der derzeitigen sprunghaften Entwicklung von RFID Systemen ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren Einwegtransponder Eingang in die Automobilfertigung finden werden. Dies wird allerdings nur dann profitabel sein, wenn die Einwegtransponder Zusatznutzen über die Fertigung hinaus schaffen. Die Automobilbauer prüfen derzeit viele Ansätze zum Einsatz von Transpondern in der Logistikkette. Viele mögliche Lösungen sind allerdings noch nicht ausgereift. Der Ersatz von Barcodes durch Transponder bringt ohne einhergehende Änderungen und Straffungen an den Abläufen in Logistik und Fertigung keinerlei Kostenvorteile.
4.2.5. Lochrasterplatten Diese Form der Identifikation von Fahrzeugen wird hauptsächlich in Lackgewerken eingesetzt. Am Lackskid wird eine Lochrasterplatte befestigt, die eine eindeutige Skidnummer eingeprägt hat. Diese Skidnummer kann mittels eines Kamerasystems ausgelesen werden. Die Lochrasterplatte selbst enthält keine Elektronik und ist daher extrem robust gegen Temperaturen, Vibration und Verschmutzungen. Zudem ist die Lochrasterplatte sehr günstig in der Anschaffung. Die Skidnummer auf der Lochrasterplatte ist lesbar, womit Notfallstrategien bei Ausfall einer Kamera durch manuelle Eingabe der Skidnummer in einem Produktionsleittechnik Client möglich sind. Lackskids müssen regelmäßig gereinigt werden. Die auf ihnen befestigten Lochrasterplatten werden hierbei ebenfalls gesäubert, sodass im Gegensatz zu lacktauglichen Transpondern keine Funktionen zur Verwaltung der Entlackung im Produktionsleitsystem erforderlich sind. Nachteilig beim Einsatz von Lochrasterplatten ist, dass die Kamerasysteme Sichtkontakt zwischen Lockrasterplatte und Kameraobjektiv erfordern und genau
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
definierte Lichtverhältnisse benötigen. Sie können also nicht innerhalb von Linien eingesetzt werden, sodass eine Lesung meist nur in einem Schutzbereich (z.B. einem Heber) möglich ist. Die Kameras sind relativ teuer in der Anschaffung. Die Zuordnung zwischen Skidnummer und Fahrzeug muss im Produktionsleitsystem erfolgen. Dort sind entsprechende Verwaltungsfunktionen zu implementieren, die es ermöglichen, Lochrasterplatten mit Fahrzeugen zu verheiraten, Verheiratungen wieder aufzuheben und im Notfall manuell Skidnummern einzugeben. Ein Vorteil von fix mit Skids verbundenen Identifikationsmitteln, wie Lochrasterplatten ist, dass jederzeit nachvollziehbar ist, auf welchem Skid welches Fahrzeug transportiert wurde. Dies kann in einigen Fällen, wie z.B. beim Einsatz von Geoskids im Rohbau von Interesse für das Qualitätsmanagement sein. So kann man z.B. auf recht einfache Weise ermitteln, ob wiederkehrende Geometriefehler auf Grund von Geoskids mit Abmessungen, die außerhalb der Toleranz liegen, entstehen.
4.3. Planung der Teileidentifikation Wie im vorhergehenden Abschnitt erläutert wurde, stehen für die Identifikation von Teilen verschiedenste Technologien bereit, die unterschiedliche Auswirkungen auf folgende Themen haben: • • • • • • • • • •
Aufbau der Lesegeräte in der Anlage EMV und Frequenzplanung für RFID Anbindung der Lesegeräte an die Produktionsleittechnik Arbeitsabläufe in der Produktion, wie Anbringen oder Entfernen von Transpondern oder Barcodelabels Funktionen, die in der Software für die Teileidentifikation erforderlich sind Datenversorgung für Fertigungseinrichtungen Strategien für die Verwaltung von Arbeitsergebnissen und der Nacharbeit Prozeduren für Datenträgerrückläufe und Entlackung Prozeduren zur Fehlerbehandlung Notfallstrategien, wie Handeingaben etc.
Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Technologien und Strategien, die für die Teileidentifikation eingesetzt werden, bereits zu Beginn der Anlagenplanung zu betrachten, wobei einige grundlegende Fragen zu beantworten sind. Man sollte sich schnell Klarheit darüber verschaffen, welche Teile in welchen Bereichen der Anlage zu identifizieren sind. In Frage kommen Fahrzeuge, Einbauteile, Vormontageteile, Karossen und andere. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, welche Betriebsmittel zu identifizieren sind. In Frage kommen hier Vehikel auf Hängebahnen, Skids, Testadapter und weitere.
Planung der Teileidentifikation
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Die Frage, welche Identifikationstechnologie eingesetzt werden soll, spielt eine erhebliche Rolle bei der Systemauslegung. Die oben beschriebenen spezifischen Eigenschaften und Einschränkungen der verschiedenen Technologien sind Hauptkriterien bei deren Auswahl und beeinflussen die mechanische und datentechnische Auslegung. Zunächst ist zu klären wo und wie die Identifikationsträger am Fahrzeug oder Teil befestigt werden. Teile müssen vor Beschädigung und Kratzern geschützt werden. Dies kann z.B. durch Anbringen des Identifikationsträgers am Kotflügelschutz oder durch Einsatz einer Unterlage erreicht werden, wenn z.B. ein Transponder magnetisch an der Karosse gehalten wird. Wichtig ist auch, dass Identifikationsträger bei Bearbeitungen nicht stören und geschützt sind, sodass sie nicht z.B. durch den Kabelschlepp eines Roboters von der Karosse gefegt werden. Weiters haben auch die Möglichkeiten, Lesestellen in der Anlage zu platzieren, einen Einfluss auf die möglichen Anbringungsorte von Identifikationsträgern. So werden z.B. in der Motormontage die Motoren ständig gedreht und müssen von allen Seiten zugänglich sein. In solchen Anlagen kann daher oft nur an der Unterseite des Werkstückträgers ein Transponder angebracht werden. Als nächstes ist festzulegen, welche systemtechnischen Abläufe für die Verwaltung der Identifikationsträger erforderlich sind, und wie diese gestaltet werden. Einige dieser Abläufe sind taktgebunden zu planen. So ist festzulegen wo und wie die Identifikationsträger vorbereitet und am Fahrzeug angebracht werden, wobei jeweils zu prüfen ist, dass diese Anbringung tatsächlich korrekt durchgeführt wurde. Ebenso ist zu spezifizieren, wo Identifikationsträger eventuell umgesetzt oder getauscht werden und wo und wie sie wieder vom Fahrzeug abgenommen werden. Kreisläufe sind festzulegen, die sicherstellen, dass die nicht mehr gebrauchten Identifikationsträger wieder zum Beginn des Kreislaufes zurückgeführt werden. Ebenso ist eine Reihe von Notfallmaßnahmen festzulegen, die bei Ausfall oder Verlust eines Identifikationsträgers greifen bzw. bei Ausfall einer Lesestelle. Unter Umständen sind weitere Prozeduren z.B. für Entlackung oder Batterietausch festzulegen. Im nächsten Schritt muss spezifiziert werden, auf welche Weise die Identleser mit der Produktionsleittechnik verbunden werden. Die am Markt verfügbaren Identifikationssysteme bieten eine Vielzahl unterschiedlicher Schnittstellen an. Festzulegen ist, ob die Identleser über Ethernet TCP/IP eventuell unter Einsatz eines Schnittstellenwandlers direkt an die Produktionsleittechnik angebunden werden. Alternativ können Identleser auch an Clients angebunden werden, was z.B. bei Einsatz von Handscannern sinnvoll sein kann. Auch eine Anbindung an Fördertechnik-SPS oder SPS, welche Anlagen steuern, ist möglich. Im letzteren Fall wird man Systeme, die Schnittstellen an Profibus DP oder Interbus anbieten, bevorzugen. Bei der Auswahl der Identifikationssysteme sollte auch berücksichtigt werden, dass gerade im RFID-Bereich derzeit nennenswerte technologische Umbrüche stattfinden. Die Frage der langfristigen Verfügbarkeit und Zukunftssicherheit der eingesetzten Systeme ist ein wesentliches Kriterium für die Auswahl.
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
Im letzten Schritt ist festzulegen, auf welche Weise automatische Produktionsanlagen mit Daten versorgt werden. Viele Anlagen wie z.B. manuell geführte ECSchrauber benötigen nicht nur Informationen über den Fahrzeugauftrag und die Schraubparameter (z.B. Auswahl von Schraubprogrammen) sondern zusätzliche Trigger für den Beginn einer Bearbeitung. Diese Trigger können von dedizierten Initiatoren, von der Fördertechnik SPS oder vom Produktionsleitsystem, welches Schieberegister verwaltet, stammen. Wo immer es möglich ist, sind manuelle Eingaben zu vermeiden. Manuelle Eingaben können falsch sein oder vergessen werden und sind daher fehleranfällig. Zudem ist für manuelle Eingaben ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand (F-Zeit) zu planen. Wenn z.B. für die Ansteuerung von EC-Schraubern, Befüllanlagen und Prüfständen ein Fahrzeug eingescannt werden muss, so sind pro Fahrzeug je nach Auslegung der Anlage 100 oder mehr manuelle Scanvorgänge mit Barcodelesern erforderlich. Für jeden Scanvorgang sind etwa 15 Sekunden vorzusehen. Dies ist jene Zeit, die der Werker benötigt, um den Scanner zu greifen, den Scanvorgang durchzuführen, sich zu überzeugen, dass dieser erfolgreich war und den Scanner wieder abzulegen. Bei einer Stückzahl von 100.000 Fahrzeugen im Jahr ergibt dies mehr als 40000 Fertigungsstunden, die bei automatischen Scanvorgängen z.B. durch RFID Einsatz gespart werden können. Hier sind Aufwände durch Fehlerkorrekturen nicht berücksichtigt. Bei einer optimalen Auslegung der Teileidentifikation können erhebliche Fertigungskosten eingespart werden. Alleine in diesem Bereich kann sich der Einsatz eines Produktionsleitsystems sehr schnell rechnen.
4.3.1. Datenverbindung zu Identifikationssystemen Da eine recht breite Palette von Identifikationssystemen zur Verfügung steht, existiert auch eine Menge von Anbindungsmöglichkeiten an die Produktionsleittechnik, deren Auswahl hauptsächlich durch die systemtechnischen Anforderungen in der Anlage bestimmt wird. Identifikationssysteme können direkt an Stationen angebunden werden. Bearbeitungsstationen übernehmen in diesem Fall selbst die Identifikation von Fahrzeugen und senden die so ermittelten Fahrzeugdaten an den Produktionsleittechnikserver. Dies kann erforderlich sein, um die Verfügbarkeit des Gesamtsystems zu erhöhen oder systemtechnisch bedingt sein, wenn die Station die Identifikation des Fahrzeuges durch eigene Mittel erfordert (z.B. Fahrwerkseinstellstand). Der Produktionsleittechnikserver empfängt die Fahrzeugdaten als Teil der normalen Statusmeldungen der Bearbeitungsstationen. Diese Methode der Anbindung ist meist typisch für die Motormontage oder den Karosserierohbau sowie für Prüfstände. Identifikationssysteme können auch an eine spezielle Ident-SPS angebunden werden. Die Identifikationssystemleser sind in diesem Fall direkt oder über einen
Planung der Teileidentifikation
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Schnittstellenwandler (RS-232 etc.) an einen Interbus, Profibus oder einen anderen Feldbus angeschlossen. Für jedes Gewerk wird jeweils eine Ident-SPS installiert, die alle Identifikationssystemleser ansteuert und die entsprechenden Fahrzeugdaten mit den Stations-SPS sowie mit dem Produktionsleittechnikserver austauscht. Der Einsatz einer SPS für die Anbindung ist oft aus mehreren Gründen sinnvoll. Es ergibt sich meist eine erhöhte Verfügbarkeit, da die MTBF und MTTR einer SPS erheblich besser sind als die eines Servers. Das Instandhaltungspersonal ist weiters im Umgang mit Feldbussen und SPS geschult und kann daher Fehler schneller erkennen und beseitigen. Feldbusse wie Profibus oder Interbus bieten ein besseres Zeitverhalten und eine höhere Störfestigkeit als Ethernet. Dies ist speziell im Rohbau von Bedeutung, wo eine höhere EMV Belastung herrscht. Zudem ist die Kommunikation zwischen SPS direkt erheblich schneller und einfacher zu programmieren als die zwischen SPS und PC. Die Anbindung der IdentSPS an den Produktionsleittechnikserver erfolgt über Ethernet TCP/IP. Die IdentSPS sollte mittels UPS vor Stromausfällen geschützt werden und kann so den Betrieb des Identifikationssystems für längere Zeit auch bei Ausfall des Leittechnikservers sicherstellen. Identifikationssystemleser können über Ethernet TCP/IP direkt an den Produktionsleittechnikserver angebunden werden. Hierfür ist es nicht erforderlich, einen PC oder eine SPS vor Ort vorzusehen. Diese Variante hat den Vorteil, dass eine serverzentrierte Verwaltung und Diagnose möglich ist, wodurch die Betriebskosten sehr gering sind. Auch die Antwortzeiten sind sehr kurz. Problematisch ist, dass bei Ausfall des Produktionsleittechnikservers oder des Netzwerkes keine Identifikation von Teilen oder Fahrzeugen mehr möglich ist. Diese Methode der Anbindung wird oftmals in der Endmontage oder in der Zertifizierung eingesetzt. Auf dem Produktionsleittechnik Client sind Bildschirmmasken vorzusehen, die eine Diagnose und Steuerung der Lesestellen ermöglichen. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass in der Nähe aller Lesestellen ein Client zur Verfügung steht, welcher im Notfall für die Bedienung der Lesestellen eingesetzt werden kann. Die Fahrzeugidentifikation kann auch direkt oder indirekt über Eingaben am Produktionsleittechnik Client erfolgen. In vielen Arbeitsplätzen in der Endmontage, Nacharbeit und Zertifizierung existieren keine automatischen Fertigungs- oder Testeinrichtungen, sondern es werden manuelle Verarbeitungs- oder Prüfschritte vom Werker durchgeführt. An vielen dieser Arbeitsplätze sind Produktionsleittechnik Clients für die Erfassung manueller Qualitätsdaten installiert. Diese PCs sind oftmals mit Barcodelesern zur fehlerfreien Identifikation von Fahrzeugen ausgerüstet, da die manuelle Eingabe von Auftragsnummern eine erhebliche Fehlerquelle darstellt und daher nur im Notfall eingesetzt werden sollte. Hiermit kann die Produktionsleittechnik Fahrzeuge auch in manuellen Arbeitsbereichen z.B. auf Basis von Fahrzeugaufrufen am Client verfolgen.
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
4.4. Teileverfolgung In vielen Fällen ist es nicht möglich, an allen Arbeitsstationen, an denen fahrzeugspezifische Informationen und die Versorgung von Anlagen mit Produktionsdaten benötigt werden, Identifikationssystemleser anzubringen. Bei Einsatz von Barcodes als Identifikationsträger kann der Einsatz eines manuellen Barcodelesers vorgesehen werden, was allerdings den Nachteil mit sich bringt, dass Werkerzeit für die Fahrzeugidentifikation anstatt für produktive Arbeitsschritte verwendet werden muss. Wenn RFID eingesetzt wird, so ist oftmals die Ausstattung jeder Arbeitsstation auf Grund der hohen Kosten für Lesegeräte und physikalischer Gegebenheiten (Mindestabstände zwischen Antennen) nicht möglich. In solchen Fällen ist die Implementierung einer Teileverfolgung im Produktionsleitsystem oder in der Fördertechnik SPS möglich. Die Teileverfolgung kann mittels eines Schieberegisters implementiert werden, was allerdings aus mehreren Gründen relativ komplex ist. Die Implementierung der Teileverfolgung ist von der Art der verwendeten Fördertechnik abhängig. Schubplattformen verhalten sich anders als Elektrohängebahnen oder eine Einzelskidförderung (bei letzterer sind Löcher möglich, also Stationen, in denen sich kein Skid befindet, während Schubplattformen keine Löcher zulassen). Die Kommunikation zwischen der Fördertechnik und dem Produktionsleittechnikserver ist im Regelfall für Zwecke der Teileverfolgung nicht verlässlich genug. Im verwendeten Kommunikationsprotokoll und in der Verarbeitung sind also Redundanzen und Mechanismen für die Fehlererkennung und Fehlerkorrektur vorzusehen. Für eine in der Praxis funktionierende Teileverfolgung sind entsprechende Notfallfahrweisen und manuelle Eingriffsmöglichkeiten vorzusehen, sodass im Falle einer Fehlfunktion der ordnungsgemäße Betrieb so schnell wie möglich wieder hergestellt werden kann. Wo immer möglich sollte auf Schieberegister verzichtet und Teile durch Identifikationssysteme identifiziert werden. In vielen Fällen besonders in der Fahrzeugendmontage ist jedoch der Einsatz von Teileverfolgungsmechanismen durchaus praktisch und sinnvoll.
4.4.1. Systemmodell für die Teileverfolgung Unabhängig von der verwendeten Identifikationstechnologie und von der Art der Fördertechnik kann die Teileverfolgung auf ein grundlegendes Systemmodell zurückgeführt werden, welches in diesem Abschnitt beschrieben wird. Eine Produktionslinie kann im einfachsten Fall als eine Reihe von Arbeitsstationen abgebildet werden, die aus einer genau spezifizierten und konfigurierten Abfolge von Stationen und Puffern besteht. Diese wird als Teilefluss bezeichnet. Jede Station und jeder Puffer kann im Teilefluss keinen bis mehrere Vorgänger und
Teileverfolgung
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Nachfolger besitzen. Um automatische Schieberegister zu ermöglichen, gilt die Regel, dass Fahrzeuge nicht in eine Station verschoben werden, die keine Nachfolger besitzt es sei denn, die Station verfügt über einen Identleser. Ebenso kann im Gegensatz zu Stationen ein Arbeitsplatz niemals ein Standort für ein Fahrzeug sein. Puffer besitzen keine aktive Entsprechung in der Anlage und senden daher keine Meldungen an den Produktionsleittechnik Server, weshalb in keinem Fall zwei Puffer direkt aufeinander folgen dürfen. Puffer entsprechen Auditplätzen, Fördertechnikstrecken usw. Hiermit kann jeder Puffer zu jedem Zeitpunkt mehr als ein Fahrzeug beinhalten. In der Praxis können verschiedene Arten von Puffern unterschieden werden. FIFO Puffer (First in – First out) sind z.B. Förderstrecken auf Elektrohängebahnen, Power & Free etc. Fahrzeuge verlassen Puffer grundsätzlich in der gleichen Reihenfolge, in der sie in den Puffer geschoben werden. Ein Schieberegister in der Produktionsleittechnik kann jederzeit mehrere FIFO Puffer enthalten ohne dass zusätzliche Lesestellen erforderlich werden. Die Leittechnik muss hierzu einen Standort und einen Eintrittszeitstempel je Anlagenobjekt verwalten. Wenn ein Fahrzeug aus dem Puffer entnommen wird, so wird jenes, welches den ältesten Eintrittszeitpunkt besitzt ausgewählt. Bei virtuellen Puffern für geplante Fahrzeuge kann eine Entnahme aus dem Puffer nach Sequenznummer statt nach Eingangszeitpunkt sinnvoll sein. Eine weitere häufige Kategorie von Puffern sind ungeordnete Puffer. Diese Puffer repräsentieren z.B. Ausschleuspunkte, Parkplätze, Bereiche in denen Fahrzeuge nicht zwangsgeführt sind etc. In diesen Fällen kann nicht garantiert werden, dass Fahrzeuge den Puffer in einer vorgegebenen Reihenfolge wieder verlassen, sodass am Ende eines solchen Puffers eine Station mit Lesestelle (z.B. ein RFIDLeser) vorzusehen ist. Eine Station kann zu jedem Zeitpunkt maximal ein Fahrzeug beinhalten. Auch Betriebsmittel, wie RFID-Lesestationen, EC-Schrauber, Befüllanlagen, Prüfstände usw. werden im Produktionsleitsystem als Stationen oder Arbeitsplätze abgebildet. Hiermit ist es möglich, durch ein relativ simples Systemmodell alle Gewerke in der Automobilfertigung vom Rohbau bis zur Zertifizierung, alle denkbaren Betriebsmittel und alle Identsystemtechnologien, die in der Automobilindustrie verbreitet sind, abzudecken. Fahrzeuge werden nur dann bearbeitet, wenn sie sich innerhalb einer Station befinden. Abb. 4.2 zeigt ein Beispiel eines einfachen Linienabschnittes (Kon-Cept GmbH., 2008). In dieser Visualisierung wird die Struktur einer Linie in der Endmontage deutlich. Am Beginn der Linie steht ein Puffer (rechts oben), der einer Fördertechnikstrecke entspricht. Fahrzeuge passieren dann eine RFID Lesestelle, fünf Arbeitstakte und werden anschließend an eine folgende Fördertechnikstrecke übergeben. Neben der Linie befinden sich zwei redundante Bremsbefüllanlagen. Zusätzlich wird der Status der Fördertechnik auf zwei Pulte abgebildet. Der Status der Stationen wird durch die Füllfarbe der Rechtecke dargestellt. Lila bedeutet z.B. dass an der letzten Station eine Reißleine gezogen wurde. Unterhalb der Station wird die
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Teileidenttifikation und Teeileverfolgung
Auftraggsnummer des jeweiligen Fahrzeuges F in n der Station angezeigt. D Die Farbe des Fahhrzeuges gibt den aktuellen Qualitätsstatu us des Fahrzeuuges wieder.
Abb. 4.22 – Beispiel einees Linienabschniitts in der Visuallisierung
Statiionen und Arbbeitsplätze sennden aktiv Infformationen an a die Produkttionsleittechnikk, wobei für die Teileverffolgung einigee binäre Infoormationen weesentlich sind, welche w in Tabeelle 4.1 angegeeben sind. Tabelle 4.1 4 – Binärinforrmationen von deer Station zum PLS P Infformation
Beschreibuung
Skkid in Station
Dieses Bit zeigt an, ob sich h in der Station ein e Skid befindeet. Es wird nur an Stattionen verwendeet, in denen Skidds eingesetzt werrden. Der Begriff Skiid ist hier ganz allgemein a aufzuffassen, da es sichh ebenso um eine Häängebahn oder einen e Werkstückkträger handeln kkönnte.
Teeil in Station
Dieses Bit zeit an, ob sich ein Teil in der Station S befindet bbzw. ein Teil auf deem Skid in der Sttation. Bei Verw wendung von Skiids kann sich nur daann ein Teil in deer Station befindden, wenn sich aauch ein Skid in derr Station befindeet.
Beearbeitung beenddet
Dieses Bit wird gesetzt, weenn die Station die d Bearbeitung des Teils, also den Arbeitszyklus im aktuellen Takt abgeschlossen a haat.
Transferrichtung
Dieses Bit (es sind auch mehrere m Bits mögglich) wird nur ann Stationen verwenndet, an denen die d Möglichkeit besteht, b Teile einnzuschleusen oder o auszuschleu usen, um die Ricchtung des Teileetransfers anzuzeigenn.
Abbb. 4.3 zeigt einn Beispiel fürr den Aufbau eines Schiebeeregisters in S Software auf Bassis dieser Binäärinformationen.
Teileverfolgung
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Abb. 4.3 – Teileverfolgung durch Schieberegister
Mit Hilfe dieser Bitinformationen kann die Teileverfolgung drei Ereignisse je Takt unterscheiden. Das Ereignis „Teil in Station“ wird durch eine steigende Flanke des Bits „Fahrzeug auf Skid“ gekennzeichnet. Es zeigt an, dass ein Teil in die Station eingefördert wurde. Das Ereignis „Bearbeitung beendet“ wird durch eine steigende Flanke des Bits „Bearbeitung beendet“ gekennzeichnet und zeigt an, dass die Bearbeitung des Teil in der Station abgeschlossen wurde und der Teil nun bereit für das Ausfördern ist. Meist werden mit diesem Ereignis auch Informationen über den Status der Bearbeitung zum Produktionsleittechnik Server übermittelt. Das letzte Ereignis ist schließlich „Teil aus Station“, das durch eine fallende Flanke des Bits „Fahrzeug auf Skid“ gekennzeichnet wird. Mit Hilfe der Ereignisse „Teil in Station“ und „Teil aus Station“ können Teile im Schieberegister verschoben werden, während das Ereignis „Bearbeitung beendet“ für die Teileverfolgung lediglich Redundanz bringt. Durch diese Redundanz im Protokoll ist es möglich, den Verlust eines Ereignisses zu erkennen und zu korrigieren, womit die Zuverlässigkeit der Teileverfolgung erheblich gesteigert wird. Hierdurch werden nicht nur mögliche Ausfälle durch Telegrammverluste am Netzwerk sondern auch Ausfälle durch Betriebsartenwechsel, Fehler und manuelle Bedienschritte korrigiert. Das Schieberegister wird nun durch zwei Operationen implementiert. Bei „Teil in Station“ wird jener Teil aus dem vorhergehenden Puffer oder der vorhergehen-
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
den Station geholt, welcher sich dort schon am längsten befindet und daher den ältesten Eingangszeitstempel besitzt und ihn in die aktuelle Station verschoben. Bei „Teil aus Station“ ist in dem Fall, dass der Nachfolger der aktuellen Station ein Puffer ist, der Teil, welcher sich in der Station befindet in den nachfolgenden Puffer zu verschieben. Wenn der Nachfolger wiederum eine Arbeitsstation ist, so ist keine Aktion erforderlich. Dieses Systemmodell kann auf verschiedene Weise technisch umgesetzt werden, setzt in der hier angegebenen Form allerdings voraus, dass die angegebenen Bitinformationen von den Stationen ohne nennenswerte Zeitverzögerung und korrekt zur Verfügung stehen. Bei vielen Inbetriebnahmen ist die Korrektheit der Informationen eine Herausforderung. Die SPS Programmierer sind hauptsächlich damit beschäftigt, ihren Anlagen Leben einzuhauchen und Fehler im Automatikbetrieb abzustellen. Sehr oft fehlt das Verständnis für die Bedeutung der Schnittstelle zum Produktionsleitsystem. Die eingesetzten SPS Programmierstandards machen die Implementierung der geforderten Bitinformationen oft auch schwieriger als nötig. In der Praxis können die Informationen „Skid in Station“ und „Teil in Station“ auf einfache Weise von vorhandenen Teilekontrollen abgeleitet werden, die natürlich entsprechend zu entprellen sind. Schwieriger zu handhaben ist die Information „Bearbeitung beendet“, welche normalerweise aus der Schrittkette des Automatikablaufs gebildet wird und im Fehlerfall oder bei Handbetrieb daher so ohne weiteres nicht zur Verfügung steht. Bei Verwendung von Schubplattformen oder anderen Fördertechniksystemen, die keine Lücken erlauben und eine synchrone Bewegung aller Teile als Folge haben, kann das Modell vereinfacht werden, indem die zugrunde liegenden Bitinformationen nur an einer Stelle ermittelt werden. Hierzu kann z.B. ein Taktzähler von einer SPS abgegriffen werden. Durch zusätzliche Maßnahmen in der Software kann auch Fördertechnik in der Art einer Power & Free mit wenigen Informationen betrieben werden. An der ersten Station sind zusätzliche Informationen wie z.B. Teilekontrollen erforderlich, damit Leerskids erkannt werden können.
4.4.2. Teileverfolgung und manuelle Arbeitsgänge Die Teileverfolgung ist eine wesentliche Basis für die Ansteuerung von automatischen Produktionseinrichtungen. Für die Implementierung manueller Arbeitsgänge sind in der Produktionsleittechnik Funktionen wie Werkerinformationssysteme und Clients für die Eingabe von Checklistenpunkten, variablen Prozessdaten oder Problemeinträgen erforderlich. Für die Ansteuerung von Clients der Produktionsleittechnik, auf denen manuelle Eingaben durch den Werker erfolgen, muss die genaue Position jedes Fahrzeuges am Band nicht unbedingt bekannt sein. Sehr wohl ist es aber erforderlich, die
Teileverfolgung
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Sequenz, also die Reihenfolge der Fahrzeuge zu kennen, um ein einfaches Weiterschalten zum nächsten Fahrzeug zu ermöglichen, wenn ein Takt am vorhergehenden Fahrzeug abgeschlossen ist. Speziell während der Inbetriebnahme ergeben sich einige Sondersituationen. In dieser Projektphase wird normalerweise mit stark verminderter Stückzahl gefahren. Dies durch eine Verlängerung der Taktzeit zu erreichen ist eher kontraproduktiv, da dies den Werkern zwar ermöglicht, in Ruhe die Arbeitsabläufe zu erlernen, aber nicht hilft, auch den Zeitablauf zu üben. Aus diesem Grund sollte mit der tatsächlich endgültig geplanten Taktzeit gefahren werden. In der Fördertechnik bleiben dann Plätze leer, sodass z.B. nur auf jeder vierten Schubplattform ein Fahrzeug vorhanden ist. In diesem Szenario ist die Versuchung für Werker groß, vorzuarbeiten, was wiederum der Intention der Einübung zuwiderläuft. Die genaue Kenntnis über den Standort jedes Fahrzeuges kann helfen, dies zu vermeiden, indem Fahrzeuge erst für die Bearbeitung an Clients freigeschaltet werden, wenn sie die Arbeitsstation, an der sich der Client befindet, erreicht haben.
4.4.3. Teileverfolgung in der Zertifizierung und Auslieferung In der Zertifizierung und Auslieferung werden Fahrzeuge nur mehr teilweise zwangsgeführt bewegt. Dies bedeutet, dass auch die Teileverfolgung nur teilautomatisch erfolgen kann. Die automatische Erfassung mittels zyklisch lesender Antennen ist z.B. an den Hallenein- und Ausfahrten oder an der Zufahrt zur Validierungsstrecke möglich. Ebenso können Fahrzeuge am Beginn von Zwangsführungen (z.B. Zertifizierungslinie) erfasst und automatisch verfolgt werden. Die manuelle Erfassung des Standortes von Fahrzeugen kann auf verschiedene Weise durchgeführt werden. Wenn ein Fahrzeug an einem Client der Produktionsleittechnik in diesem Bereich aufgerufen wird (z.B. Aufruf der Checkliste an einem Nacharbeitsplatz), so kann mit guter Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich das Fahrzeug dort befindet. Alternativ kommt auch der Einsatz mobiler Clients in Frage. In der Auslieferung, auf der Validierung und am Stellplatz vor der Auslieferung zum Spediteur, sowie auf zusätzlichen Stellflächen, an denen Fahrzeuge in Sondersituationen (z.B. Nacharbeiten für verspätet eintreffende Teile) abgestellt werden, ist meist eine Erfassung des Standortes mittels solcher mobiler Endgeräte sinnvoll. Wenn in diesen Bereichen ein WLAN installiert ist, so können z.B. industrietaugliche PDAs für die manuelle Teileverfolgung eingesetzt werden. Der Fahrer kann zum Beispiel, sobald ein Fahrzeug abgestellt wurde, die Auftragsnummer des Fahrzeuges und die Nummer des Stellplatzes einscannen, wenn diese als Barcodes vorliegen. Mobile Endgeräte haben sich auch für Sonderaufgaben, wie z.B. die Durchführung einer Inventur bewährt. Personen, die die Inventur durchführen, haben die Aufgabe, alle vorhandenen Fahrzeuge einzulesen (Eingabe oder Einscannen der
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
Auftragsnummer). Auf Basis dieser Daten kann das Produktionsleitsystem einen Bericht über Sollbestände, Istbestände und Abweichungen erzeugen.
4.4.4. Verfolgung von Sequenzteilen und A-Teilen In vielen Fällen ist es erforderlich, Teile, welche in Sequenz angeliefert werden, zu verfolgen. Beispiele sind Sitze, Frontends, Cockpits, Kabelbäume etc. Die Verfolgung dieser Teile ist normalerweise eine Aufgabe, welche im Logistiksystem zu implementieren ist. Wenn allerdings Vormontagen oder umfangreiche Fördereinrichtungen für diese Teile existieren, so wird die Verfolgung dieser Teile im Produktionsleitsystem sinnvoll, da dann oftmals auch Anlagen- oder Produktionsdaten zu dokumentieren sind. In dem meisten Fällen ist eine Umreihung von Sequenzteilen in der Fördertechnik nicht möglich, sodass man zunächst mit einer Teileidentifikation am Beginn der Fördertechnik das Auslangen findet, welche die Einhaltung der Sequenzreihenfolge, die das Hauptband vorgibt, sicherstellt. Die weitere Verfolgung von Teilen kann mittels des oben erläuterten Basismodells erfolgen. Eine Ausnahme sind Vormontagen, die in Puffer mit wahlfreiem Zugriff zuarbeiten. Solche Situationen findet man häufig im Karosserierohbau (z.B. Vormontage von Seitenrahmen) oder in der Motormontage (z.B. Zylinderkopfspeicher). In diesen Fällen ist eine Identifikation am Ausgang der Puffer sinnvoll, wenn die Seriennummern von Teilen und teilebezogene Daten zu dokumentieren sind. Auf jeden Fall sinnvoll ist eine Identifikation direkt am Verbauort der Teile. Kabelbäume sollten z.B. mittels eines Handscanners identifiziert werden, sobald sie in das Fahrzeug verbracht wurden. Hiermit können Fehler und Verwechslungen sofort erkannt und korrigiert werden, bevor umfangreiche Nacharbeiten erforderlich werden. Die Verfolgung von Türen stellt einen Sonderfall dar, der im Regelfall ohne zusätzliche Identifikationsmittel gelöst werden kann. Die Reihenfolge der Türen ist fix. Ebenso ist sichergestellt, dass der Verbau am richtigen Fahrzeug erfolgt. Ausnahmen bilden Türenlinien, an denen Ausschleusstellen vorgesehen sind. In der Praxis sollten Türen dennoch mit einem Barcode gekennzeichnet werden, was für den Notfallsbetrieb sinnvoll ist.
4.4.5. Verfolgung von Betriebsmitteln In vielen Anwendungsfällen ist es nicht ausreichend, Fahrzeuge und Teile zu verfolgen, sondern es ist zusätzlich die Verfolgung von Betriebsmitteln erforderlich, um die Nachvollziehbarkeit der Produktion sicherzustellen. An dieser Stelle sollen beispielhaft einige solche Fälle diskutiert werden.
Teileverfolgung
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Geoskids haben einen direkten Einfluss auf die Geometrie der hergestellten Karossen. Aus diesem Grund sollte dokumentiert werden, welche Karosse auf welchem Skid gefertigt wurde, um Problemen auf Grund schlecht eingestellter Skids auf den Grund gehen zu können. Ebenso ist meist ein Prozess für die regelmäßige Vermessung der Skidgeometrie vorzusehen. Auch Lackskids bedürfen einer Verfolgung, da sie meist nach einer bestimmten Anzahl von Umläufen zu entlacken sind. Die Verfolgung von Skids kann meist einfach dadurch gesichert werden, dass ein Transponder oder eine Lochrasterplatte zur Fahrzeugidentifikation verwendet wird, welche fest am Skid montiert ist. Hierdurch ergibt sich implizit mit der Fahrzeugidentifikation auch eine Skidverfolgung. In vielen Fällen werden Prüfadapter für den Test und die Programmierung der Fahrzeugelektronik eingesetzt. Prüfadapter sollten verfolgt werden, um defekte oder nicht den Spezifikationen entsprechende Exemplare aufzufinden und einer Fehlerbehebung zuzuführen. Fehler, die sporadisch z.B. durch Kommunikationsprobleme verursacht werden, können auf Basis dieser Aufzeichnungen leichter gefunden und beseitigt werden. Die Verfolgung von Hängebahnen dient vor allem der Aufzeichnung und Behebung von Anlagenfehlern. Hängebahnen verfügen in der Regel über komplexe proprietäre Steuerungen, die oftmals eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle darstellen. Die Verfolgung der Hängebahnen erleichtert die Fehlersuche erheblich. Das Erfordernis für die Verfolgung von Transpondern z.B. für das Entlacken wurde oben bereits beschrieben. Wenn Fertigungsmaterial nicht verfolgt werden muss, dann sind bei Umläufen oftmals dennoch die Erfassung von Pufferständen und das Puffermanagement sinnvoll, um sicherzustellen, dass Anlagenstillstände in einem Gewerk andere Gewerke möglichst nicht beeinflussen. Ein Beispiel wäre das Management von Puffern für Lackskids, welche vom Beginn der Fahrzeugendmontage zurück in den Rohbau gehen.
4.4.6. Notfallstrategien Wie bei allen technischen Systemen muss auch bei der Auslegung der Teileidentifikation und der Teileverfolgung davon ausgegangen werden, dass Fehlfunktionen durch Defekte, durch Umwelteinflüsse oder durch Bedienfehler auftreten können. Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass Defekte so schnell wie möglich erkannt und behoben werden können. Im Rahmen der Teileidentifikation treten einige Probleme häufig auf, die in Tabelle 4.2 aufgelistet sind.
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Teileidentifikation und Teileverfolgung
Tabelle 4.2 – Typische Probleme bei der Teileidentifikation Problem
Notfallstrategie
Barcode oder Transpondernummer nicht maschinell lesbar
Handeingabe am Client der Produktionsleittechnik, anschließend Ersatz des Identifikationsträgers
Barcode nicht lesbar oder verlo- Diesem Fall kann nur durch ein Backup Medium Rechnung ren, beschreibbarer Transponder getragen werden (z.B. SBS Sheet am Fahrzeug). Anschlienicht lesbar, defekt oder verloren ßend Ersatz des Identifikationsträgers Lesestelle oder Scanner defekt
Anhalten der Fördertechnik. Handeingabe der Identifikationsdaten, bis die Lesestelle oder der Scanner getauscht wurde.
Netzwerkausfall oder Ausfall des Umschalten der Fördertechnik und der Anlagen in den Produktionsleittechnik Servers Handbetrieb. Händische Eingabe der Identifikationsdaten. Wenn das Problem behoben ist synchronisiert sich das System automatisch. Telegrammverluste, daher fehlen- Redundanz im Protokoll (einer der möglichen Mechanisde Taktinformationen men wurde oben beschrieben). Fehllesungen von Barcodes oder Transpondern
Eine Prüfsumme über die Daten hilft Fehler schon im Leser zu erkennen. Zusätzlich sind Plausibilitätskontrollen in der Produktionsleittechnik vorzusehen (eine Rohbaukarosse kann z.B. nicht in der Fahrzeugendmontage erscheinen). Fehllesungen können effektiv auch durch Teileerkennungen (Lichtschranken etc.) verhindert werden. Wenn zyklisch gelesen wird, dann besteht die Gefahr, dass auch Transponder erfasst werden, die nicht gewünscht sind (z.B. in der Hosentasche eines Instandhaltungsmitarbeiters).
Nicht zugewiesener, nur lesbarer Anhalten der Fördertechnik. Dieser Fall ist gleich zu beTransponder wird gelesen handeln, wie ein defekter Transponder. Eventuell Zuweisung des vorhandenen Transponders zum Fahrzeug in der Produktionsleittechnik durch Transpondertausch. Aufsuchen des fehlenden Transponders nötig. Karosse oder Teil wird verschrottet
Hierfür ist eine Handeingabe in der Produktionsleittechnik erforderlich.
Schieberegister in der Teileverfolgung sind nicht synchron mit dem Band
Korrektur durch Handeingabe in der Produktionsleittechnik. Automatische Erkennung und Korrektur in einigen Fällen durch Kontrolle der Pufferfüllstände zwischen Leser und Band möglich.
Manuelles Anbringen des Identi- Zur Erkennung ist eine Prüfung unmittelbar nach dem Anfikationsträgers am Fahrzeug er- bringen erforderlich. Fehler sind ebenso zu behandeln, wie folgt nicht Fehllesungen. Wird ein Fahrzeug ausgelassen, so fährt es ohne Identifikationsträger weiter, was ebenfalls zu einem Lesefehler führen muss. Ein SBS Sheet kann beim Erkennen und Beheben solcher Fehler helfen. Identifikationsträger werden ver- Dies kann nur in bestimmten Fällen, in denen Sequenzen tauscht eingehalten werden müssen geprüft werden. Wird eine Vertauschung erkannt, so ist diese ebenso wie ein Lesefehler zu behandeln. Ein SBS Sheet kann helfen, solche Fehler zu erkennen und zu beheben. Allerdings ist zu prüfen, ob das SBS Sheet stimmt, also zum Fahrzeug gehört.
Teileverfolgung
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4.4.7. Teilezähler und KPI Ermittlung Durch die Einführung der Zusatzbits „Teil IO“, „Teil NIO“ kann eine Teilezählung im Produktionsleitsystem implementiert werden. Je eines dieser Bits wird in der Stationsmeldung zusammen mit dem Bit „Bearbeitung beendet“ gesetzt und rückgesetzt. Wenn keines der Bits gesetzt wird, so wird davon ausgegangen, dass keine Bearbeitung erfolgt ist. In manchen Gewerken wie z.B. in der Motormontage kann es sinnvoll sein, ein weiteres Bit „Nacharbeit“ einzuführen, welches anzeigt, dass ein Teil durch einen nachfolgenden Nacharbeitsplatz zu führen ist, da dies nicht unbedingt vom Qualitätsstatus abhängig ist. Wenn zusätzlich zur Teileinformation auch weitere Bitinformation von der Station übertragen wird, die den Status und die Betriebsart der Station angibt, so kann durch eine zusätzliche Ermittlung der Betriebszeiten auch die Berechnung von OEEs (Overall Equipment Efficiency) und anderer Anlagen- und Produktionskennzahlen aus dem Basismodell heraus durchgeführt werden. Weitere Informationen zu KPIs und zu Anlagenkennzahlen finden sich in einem späteren Kapitel dieses Buches.
4.4.8. Ansteuerung von Betriebsmitteln Abb. 4.4 zeigt das Schema nach dem die Ansteuerung von Betriebsmitteln erfolgt (Kon-Cept GmbH., 2008). Der Leittechnik Server besitzt einen Gesamtüberblick über alle Fahrzeuge in der Produktionssequenz, welche auch Fahrzeuge enthält, die für die Produktion geplant sind (Vorlauf) oder bereits ausgeliefert wurden (Nachlauf). Teile dieser Produktionssequenz werden auf die Betriebsmittel gespiegelt. Dies erfolgt durch drei Kommandos, welche vom Server aus zu den einzelnen Betriebsmitteln gesendet werden. Das erste Kommando ist “Teil in Puffer“. Dieses Kommando sendet alle für das Betriebsmittel relevanten Informationen (Teilekennung inklusive Material, Arbeitsschritte, Parameter) an das Betriebsmittel. Diese Informationen werden in einem lokalen Puffer an den Betriebsmitteln selbst als Vorlauf gespeichert. Dieses Kommando wird entweder durch einen Statusübergang (Schrittwechsel, Zählpunkt, Meldepunkt) oder durch die Meldung Teil in Station an einer führenden Station ausgelöst.
Teileidentifikation und Teileverfolgung
Station n
Station 1
Aufträge in Produktion
Vorlauf
Synchronisiert
Nachlauf
Produktionsleittechnik
Synchronisiert
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Anlage 2
Anlage 1
Abb. 4.4 – Gepufferte Ansteuerung von Betriebsmitteln
Das nächste Kommando ist „Zyklus starten“. Dieses Kommando wird an Betriebsmittel gesendet, welche über keine eigene Teileerkennung verfügen (z.B. handgeführte EC-Schrauber) und fordert das Betriebsmittel auf, mit der Bearbeitung des jeweiligen Teils zu beginnen. Wenn ein Betriebsmittel gerade einen Teil bearbeitet oder sich ein Teil im Betriebsmittel befindet (Bit „Teil in Station“ in der letzten empfangenen Stationsmeldung war gesetzt), so wird dieses Kommando am Server zwischengepuffert, bis die Station leer ist. Dieses Kommando wird durch die Meldung „Teil in Station“ an einer führenden Station (z.B. die Fördertechnik Station an der sich der Schrauber befindet) ausgelöst. Optional kann auch ein Bit „Tag Daten gültig“ in der Stationsmeldung eingeführt werden. Wenn bei einer Meldung „Teil in Station“ dieses Bit nicht gesetzt ist, so triggert z.B. der Produktionsleittechnik Server die Lesung an einer direkt am Server angebundenen Lesestelle und sendet ein Zyklusstart Kommando mit den Teileinformationen an die Station. Die Station antwortet anschließend mit einer weiteren Meldung „Teil in Station“, bei welcher das Bit „Tag Daten gültig“ gesetzt ist. Das dritte Kommando schließlich ist „Teil aus Puffer“. Dieses Kommando wird bei Betriebsmitteln benötigt, welche sich im Zertifizierungsbereich befinden. Z.B. wäre dies bei Rollenprüfständen der Fall. Fahrzeuge können wiederholt am Prüfstand erscheinen, bis sie tatsächlich ausgeliefert wurden. Dieses Kommando wird durch eine „Teil in Station“ Meldung an einer führenden Station oder durch einen Statusübergang des Fahrzeuges angestoßen und fordert die Station auf, das Fahrzeug aus dem lokalen Puffer zu löschen.
Teileverfolgung
129
Die Einführung von Puffern an den Betriebsmitteln ist sinnvoll, da kurz- bis mittelfristige Ausfälle des Leittechnik Servers und des Netzwerks überbrückt werden können, ohne dass der Fertigungsbetrieb wesentlich beeinträchtigt wird. Im Falle von Betriebsmitteln ohne Teilekennung muss ein lokales HMI vorgesehen werden, welches die Auswahl des nächsten Fahrzeuges aus dem Puffer ermöglicht. Zusätzlich müssen auch Rückmeldungen an den Betriebsmitteln gespeichert werden, bis sie erfolgreich an den Server übertragen wurden. Puffer müssen besonders bei SPS-basierten Betriebsmitteln in der Planung berücksichtigt werden, da sie erhebliche Speicherressourcen erfordern, welche auf SPS oftmals knapp bemessen sind. Nicht alle Betriebsmittel erfordern alle drei Kommandos. Wenn Betriebsmittel über eine Teileerkennung und Identleser verfügen, so kann das Kommando „Zyklus starten“ entfallen. Bei Betriebsmitteln, welche sich in der Linie befinden, kann das Kommando „Teil aus Puffer“ entfallen, da Fahrzeuge sofort nach der Bearbeitung aus dem Puffer gelöscht werden können. Tabelle 4.3 listet einige Sonderfälle auf, die im Modell zur Teileverfolgung zu berücksichtigen sind. Tabelle 4.3 – Typische Sonderfälle bei der Teileidentifikation Sonderfall
Strategie
Stationen, welche sich über mehr als einen Takt erstrecken
Manche Stationen, wie z.B. Bremsbefüllanlagen benötigen mehr als einen Takt für die Bearbeitung. Dadurch, dass Kommandos Zyklus starten nur dann an eine Station gesendet werden, wenn diese leer ist, kann dieser Fall sauber abgedeckt werden.
Redundante Stationen
Einige Stationen sind oftmals redundant vorhanden (z.B. Befüllanlagen). Alle redundanten Stationen erhalten zur gleichen Zeit das Kommando Zyklus starten. Wenn eine Station die Meldung Teil in Station an den Server sendet, so erhalten automatisch alle anderen Stationen die Meldung „Teil aus Puffer“ oder „Zyklus starten“ für einen anderen Teil. In diesem Fall müssen sie die Bearbeitung des ersten Teils abbrechen.
Stationen mit Lesestellen, die direkt am Server angebunden sind.
Dies wird wie oben beschrieben durch ein Bit „Tag Daten gültig“ im Stationstelegramm gesteuert. Die Station sendet eine Meldung Teil in Station bei der dieses Bit nicht gesetzt ist. Der Server triggert daraufhin eine Lesung und sendet ein Kommando „Zyklus starten“ an die Station, welche mit einer weiteren Stationsmeldung Teil in Station reagiert, bei der das Bit Tag Daten gültig gesetzt ist.
Heber
Bei Hebern kann oftmals die Einführung eines zusätzlichen Bits „Leseposition erreicht“ im Stationstelegramm sinnvoll sein, welches den Server zum Start einer Lesung auffordert.
Wenn eine Station die Verbindung zum Produktionsleittechnik Server neu aufbaut, so ist es erforderlich, den lokalen Puffer auf der Station mit dem aktuellen
130
Teileidentifikation und Teileverfolgung
Stand am Server zu synchronisieren. Hierzu werden alle „Teil in Station“ Meldungen für alle Fahrzeuge als Antwort auf den Verbindungsaufbau vom Server an die Station gesendet. Hierzu wird ausgehend von der Station der Teilefluss in verkehrter Richtung bis zum vorhergehenden Meldepunkt oder zur Lead Station für das Kommando „Teil in Station“ durchlaufen. Auf diese Weise wird ein sehr einfacher Mechanismus für die anfängliche Synchronisation der Puffer auf den Betriebsmitteln implementiert. Jede Station muss mit der Möglichkeit, dass die Kommandos „Teil in Puffer“ für jeden Teil mehrfach eintreffen sauber umgehen. Für die Bildung der Reihenfolge wird jedem Teil eine Sequenznummer zugewiesen. Wobei Teile in aufsteigender Reihenfolge der Sequenznummer abgearbeitet werden. Die Reihenfolge, in der die Kommandos „Teil in Puffer“ eintreffen, spielt für die Bildung der Produktionsreihenfolge keine Rolle.
5. Überwachung von Fertigungseinrichtungen Die Überwachung von Fertigungslinien ist eine der wesentlichsten Funktionen eines Produktionsleitsystems. In diesen Bereich fallen Funktionen wie Anlagenvisualisierung, die Ermittlung von Anlagenkennzahlen und das Berichtswesen. Diese Prozesse werden im vorliegenden Abschnitt erläutert, wobei auch auf die Konfiguration und auf die Anwendung eingegangen wird. Weiters wird als Beispiel eines einfachen aber sehr leistungsfähigen Verfahrens zur Beurteilung der Performance von Produktionsanlagen das Betriebskennlinienverfahren beschrieben. Zuletzt werden noch einige Anforderungen hinsichtlich des Berichtswesens, auf welche ein Produktionsleitsystem Rücksicht nehmen muss, beschrieben.
5.1. Anlagenvisualisierung Die Visualisierung von Anlagen in der Produktionsleittechnik hat die Aufgabe, den verschiedenen Stellen, die mit dem Betrieb der Fertigung befasst sind, jederzeit einen Überblick über deren Status zu geben. Zusätzlich ist im Fall von Abweichungen, wie z.B. Anlagenfehlern, jene Zusatzinformation anzuzeigen, die für das schnelle Erfassen und Beheben des Problems erforderlich ist. Die Visualisierung in der Produktionsleittechnik dient nicht der Diagnose und Bedienung von Produktionsanlagen. Dies ist eine Funktion, welche mit Hilfe von Visualisierungssystemen wie InTouch, RSView oder WinCC bzw. durch Einbau von Bedienpulten realisiert wird. Die sofortige Information über den Produktionsstatus hilft, Abweichungen vom Sollzustand möglichst schnell zu erkennen und abzustellen. Insgesamt wird hiermit die Qualität erhöht sowie die Anzahl und Dauer von Stillständen verringert. Die Anforderungen der an der Produktion beteiligten Stellen sind je nach ihren Aufgaben sehr verschieden. Aus diesem Grund ist eine möglichst hohe Flexibilität und benutzerspezifische Anpassbarkeit der Visualisierung von besonderer Bedeutung.
5.1.1. Konfiguration der Visualisierung Die Visualisierung oder anders ausgedrückt die Art und der Umfang der angezeigten Informationen sollte sich nach folgenden Kriterien spezifisch für jeden Benutzer oder für jede Benutzerrolle konfigurieren lassen. Hierzu zählen die Art der angezeigten Informationen je Anlagenobjekt (Stückzahl, Anlagenstatus, Fehler,
132
Übeerwachung von Fertigungseinric F chtungen
Teilestatus, Soll, Ist,, Trend, …), die d Art der Daarstellung der Information (grafisch, objekte, die angezeigt werdden. Der tabellarrisch, …) undd die Menge der Anlageno Schraubberwart wird z.B. vor alleem an Inform mationen über Schrauber beenötigen, währennd sich wiedeerum die Sequuenzplaner für jene Stationnen interessierren werden, ann denen Fahrzzeuge in Geweerke eingesteu uert oder an Folgegewerke F e übergeben weerden. Optiimal ist die Möglichkeit M der Personalisiierung der anngezeigten Infformationen durrch den Benuttzer selbst.
5.1.2. Beispiele für f die Anllagenvisuallisierung Abb. 5.1 zeigt ein Beispiel B für einne grafische Anlagenvisual A lisierung auf Gewerk( Gm mbH., 2008). ebene (Kon-Cept
Abb. 5.11 – Gewerksüberrsicht in der Prodduktionsleittechnik
Die Übersicht auuf Gewerkebene zeigt stand dardmäßig Sooll, Ist und T Trend der k der Benuutzer auf Produkktionszahlen jee Linie für diee aktuelle Schiicht. Hiermit kann einen Blick B feststelleen, wie gut diie Produktion in der aktuellen Schicht biisher ge-
Anlagenvisualisierung
133
laufen ist. Zusätzlich wird die Belegung der Puffer zwischen den Linien angezeigt. Wenn z.B. der Puffer an der Übergabe zum Lack leer läuft, so kann man davon ausgehen, dass die Produktion in Kürze stoppen wird, da keine lackierten Karossen mehr in der Montage ankommen werden. Die Farbe jeder Linie zeigt den Status der Anlagen in der Linie an. Grün bedeutet, dass alle Anlagen im Automatikbetrieb laufen. Rot bedeutet, dass an mindestens einer Station ein Fehler vorliegt. Blau bedeutet, dass mindestens eine Station im Handbetrieb gefahren wird. Das obige Bild ist typisch für die Situation in der produktionsfreien Zeit, was auch daran zu erkennen ist, dass die Sollwertvorgabe Null ist. Bei Bedarf kann der Benutzer noch weitere Detailinformationen zu Linien abrufen, indem er auf eine Linie klickt und zur Detailansicht wechselt. Ein Beispiel ist in Abb. 5.2 dargestellt (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 5.2 – Linienübersicht in der Produktionsleittechnik
Diese grafische Darstellung zeigt den Status jeder Arbeitsstation in der Linie, wobei der Status einer Station und deren Betriebsarten durch die Farbe des zugeordneten Rechtecks visualisiert werden. Wenn sich eine Karosse in der Station befindet, so wird der Status der Karosse durch ihre Farbe angezeigt (Grün bedeutet IO, Gelb, dass offene Punkte vorliegen, Rot, dass die Karosse beim nächsten Ausschleuspunkt ausgeschleust und verschrottet wird). Zusätzlich wird für jede Karosse die zugehörige Auftragsnummer angezeigt. Als Hintergrund für das Bild
134
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
kann wie in diesem Beispiel angedeutet z.B. eine vereinfachte Darstellung des Anlagengrundrisses aus einem CAD Werkzeug verwendet werden. Wenn der Benutzer auf eine Station klickt, so kann er weitere detaillierte Informationen zur der ausgewählten Station anzeigen. Abb. 5.3 zeigt ein Beispiel, wie Benutzer die Anzeige von Anlageninformationen personalisieren können (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 5.3 – Personalisierung von angezeigten Anlageninformationen durch den Benutzer
Der auf der rechten Seite des Fensters eingeblendete Dialog ermöglicht es dem Benutzer, jene Informationen, die er benötigt, auszuwählen und frei zu platzieren. Die Art der Präsentation von Anlageninformationen kann sich je nach den aktuellen Bedürfnissen der Fertigung und der beteiligten Stellen stark unterscheiden. Entsprechende Flexibilität der eingesetzten Werkzeuge ist daher besonders wichtig. Die Visualisierung sollte zusätzlich möglichst überall in der Anlage zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund empfiehlt sich der Einsatz einer Thin Client Architektur, wie z.B. eine Web-Browser-basierte Anzeige. Diese hat zudem den Vorteil, dass der Rollout von Clients und deren Administration weitgehend entfällt. Grundsätzlich kommt für die Visualisierung von Anlagen auch der Einsatz von klassischen Visualisierungssystemen in Frage. Dies ist im Vergleich allerdings eine relativ aufwändige und teure Lösung. Zudem sind diese Produkte für die Bedienung von Anlagen ausgelegt, in denen sich üblicherweise eine relativ geringe
Anlagenkennzahlen
135
Anzahl von SPS befindet. Das Sammeln und Anzeigen von Daten einer großen Anzahl von Geräten, die auf unterschiedlichen Plattformen implementiert sind, ist nur mit vergleichsweise hohem Aufwand möglich. Einige Visualisierungsprodukte bieten mittlerweile auch die Unterstützung von Thin Clients an. Diese Funktion wird allerdings in vielen Fällen durch ActiveX Steuerelemente realisiert, die bei ihrem Einsatz erhebliche Sicherheitsproblematiken nach sich ziehen. Wenn Kleinanlagen betrieben werden, so sind Visualisierungspakete dennoch eine interessante Lösungsvariante.
5.2. Anlagenkennzahlen Das Management von Fertigungsanlagen ist seit jeher auf wenige überschaubare Kennzahlen angewiesen, die die Performance einer Fertigungsanlage beschreiben und wenn möglich Trends über deren Entwicklung aufzeigen. Fertigungsanlagen sind komplexe Systeme, die sich durch eine unüberschaubar große Menge an Information auszeichnen. Die Auswahl und Verfolgung von Kennzahlen hilft dem Management, diese Komplexität beherrschbar zu machen. Dementsprechend ist in der Automobilindustrie eine Reihe von standardisierten und proprietären Kennzahlen im Einsatz, um die Performance des Produktionsprozesses zu beschreiben. Leider ist auch bei standardisierten Kennzahlen Vorsicht geboten, da die Methoden für ihre Ermittlung und Berechnung je nach Werk sehr verschieden sein können. Wenn von verschiedenen Fertigungsstandorten (dies gilt meist sogar innerhalb eines Konzerns, welcher mehrere Fertigungsstandorte betreibt) Kennzahlen mit der gleichen Bezeichnung geliefert werden, so bedeutet dies nicht automatisch, dass diese für Benchmarking Prozesse herangezogen werden können. Sollten die Kennzahlen für die Optimierung einer Anlage verwendet werden, so spielt ihre relative Entwicklung über der Zeit eine Rolle und die absolute Vergleichbarkeit der Kennzahlen tritt in den Hintergrund. Das Produktionsleitsystem verfügt über alle erforderlichen Basisdaten und sollte daher Standardmethoden für die Berechnung gängiger Anlagenkennzahlen implementieren. Diese Methoden sollten den lokalen Gegebenheiten der Anlage entsprechend angepasst werden können. Welche Kennzahlen eine sinnvolle Messgröße für die Anlagenperformance liefern hängt stark von der Situation des jeweiligen Fertigungsbetriebes ab. So stehen z.B. in der Hochlaufphase der Produktion andere Fragen im Vordergrund als in der Optimierungsphase nach Erreichen der Kammlinie. Oftmals sind mehrere Anläufe erforderlich, bis die passenden Kennzahlen in der aktuellen Situation gefunden sind. Kennzahlen sollten Indikatoren für die quantitative Bewertung der wesentlichen Charakteristika der Anlage sein. Sie sollten sensitiv auf Änderungen in der Performance reagieren aber Robust gegenüber ungewollte Einflüsse und Messfehler sein. Wichtig ist auch, dass die Ermittlung der Kennzahlen auf einer objektiven Basis erfolgt und nicht durch subjektive Ein-
136
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
schätzungen von Personen beeinflusst werden. Kennzahlen sollten einfach zu ermitteln und ihre Bedeutung einfach zu verstehen sein.
5.2.1. Gängige Anlagenkennzahlen In diesem Abschnitt sollen einige gängige Anlagenkennzahlen näher erläutert werden, ohne dass ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Zudem soll darauf hingewiesen werden, dass einige Kennzahlen mit Vorsicht zu genießen sind und im Normalfall nicht wirklich sinnvolle Aussagen liefern. Eine gute Übersicht über viele Kennzahlen und deren Ermittlung und Verwendung bietet (Hartmann, 2001).
Taktzeit Die Taktzeit wird entsprechend der folgenden Formel ermittelt:
TTakt = Tn − Tn −1 Die Taktzeit ist jene Zeit, die zwischen der Fertigstellung der Bearbeitung zweier in der Linie aufeinander folgender Teile vergeht. Sie ist eine wesentliche Planungsgröße für den Entwurf von Fertigungsanlagen, die zusammen mit wahrscheinlichen Szenarien für den Modellmix eine Grundlage für die Ermittlung der Abtaktung ergibt. Die geplante Taktzeit einer Anlage ist direkt von der geplanten Jahresstückzahl und dem angestrebten Schichtmodell abhängig. Je geringer die Taktzeit ist, desto größer wird der Platz- und Ressourcenbedarf und desto höher liegen die Investitionskosten und Betriebskosten der Anlage. Die Taktzeit selbst besteht aus den Zeitanteilen Einförderzeit, Bearbeitungszeit und Ausförderzeit. Bei kontinuierlich fördernden Anlagen entfallen Ein- und Ausförderzeiten. Bei taktweise fördernden Anlagen kann die Ein- und die Ausförderzeit meist als konstant angenommen werden. Im laufenden Betrieb einer Fertigungsanlage gilt es, die Taktzeit der einzelnen Fertigungsstationen genau zu verfolgen, da Stationen, deren Taktzeiten nahe an oder sogar über der geplanten Taktzeit liegen, sich als Flaschenhals für den Durchsatz der Anlagen erweisen können. Hierbei ist meist die Betrachtung der durchschnittlichen Taktzeit je Stunde oder je Schicht sinnvoll. Die Überschreitung der Taktzeit kann verschiedene Ursachen besitzen, wie z.B. die fehlerhafte Auslegung der Anlage in der Planung, eine falsche Abtaktung oder ein anderer Modellmix als in der Planung angenommen bzw. eine mangelnde Verfügbarkeit der Anlage.
Anlagenkennzahlen
137
Produktionsdurchsatz Der Produktionsdurchsatz wird im Regelfall als Produktionsistwert je Schicht entsprechend der folgenden Formel ermittelt:
Durchsatz =
∑Teile
IO
je Schicht
Wesentlich ist der Trend des Durchsatzes während der Schicht, der als Rückmeldung für Werker und Personen in der Fertigung über den aktuellen Stand von besonderer Bedeutung ist. Dieser Trend kann etwa nach der folgenden Formel ermittelt werden:
Trend =
∑
TeileIO *
seit Schichtbeginn
Gesamtarbeitszeit in der Schicht Arbeitszeit seit Schichtbeginn
Für die Ermittlung des Trends werden oft leicht abweichende Formeln zugrunde gelegt, welche speziell zu Schichtbeginn weniger sensitiv auf Abweichungen reagieren, sodass stark wechselnde und damit irreführende Werte z.B. auf Fabrikanzeigen vermieden werden.
Stückzahlabweichung Die Stückzahlabweichung wird jeweils am Ende einer Schicht oder eines Fertigungstages ermittelt, wobei folgende Formel herangezogen wird:
Stückzahla bweichung =
∑ Teile
IO
je Schicht
−
∑Teile
geplant
je Schicht
Die Stückzahlabweichung ist besonders in der Anlaufphase eine wichtige Kennzahl, die anzeigt, wie stabil der Fertigungsprozess läuft. Stark variierende Stückzahlabweichungen weisen auf Anlagen- oder Prozessprobleme hin, die dringend in den Griff zu bekommen sind. Während der Betriebsphase einer Anlage wird meist die kumulative Stückzahlabweichung als Ausgangsgröße für die Produktionsplanung herangezogen.
Stückzahlabweichungkumuliert =
∑Stückzahlabweichung
über alle Schichten
138
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Die kumulierte Stückzahlabweichung ist z.B. eine Basisgröße für Entscheidungen, ob Überstunden oder Sonderschichten erforderlich sind, um mit der Auftragslage Schritt zu halten.
Durchlaufzeit Die Durchlaufzeit wird nach folgender Formel berechnet:
Durchlaufz eit = TBand Ab − TBand Ein
In einer Fertigungsanlage mit starrer Verkettung ist die Durchlaufzeit im Wesentlichen von der Topologie der Anlage bestimmt. Die Durchlaufzeit ist meist eine wichtige Messgröße für die Beurteilung von Nacharbeitsbereichen. Eine lange Durchlaufzeit in diesen Bereichen lässt meist auf eine schlechte Termintreue bei der Auslieferung schließen. Zudem ist die Durchlaufzeit mit dem Bestand in der Linie verknüpft, welcher proportional zur Durchlaufzeit ansteigt. Dieser Zusammenhang wird weiter unten bei der Erläuterung des Betriebskennlinienverfahrens detaillierter betrachtet.
Termintreue Die Termintreue wird nach folgender Formel berechnet:
Termintreu e = TBand Ab Ist − TBand Ab Plan
Die Termintreue ist eine wichtige Messgröße für die Performance des gesamten Fertigungsbetriebes. Sie wird von praktisch allen Funktionen in der Fertigung beeinflusst, also der Fertigungsplanung, der Logistik, den Zulieferern und der Produktion selbst. Da die Logistikketten auch im Bereich der Auslieferung von Fahrzeugen immer engmaschiger verknüpft sind, wird die Termintreue der Fertigung immer wichtiger. Eine hochgradig termintreue Fertigung ist die Voraussetzung für die Verlagerung des Planungspunktes einer Perlenkette vom Beginn an das Ende einer Endmontage.
Anlagenkennzahlen
139
Sequenzfolgerichtigkeit Die Sequenzfolgerichtigkeit wird nach folgender Formel berechnet:
SFR =
∑Teile ∑Teile
Sequenz IST = Sequenz PLAN Gesamt
Die Sequenzfolgerichtigkeit ist eine der Hauptanforderungen für JIS-Zulieferer (Just in sequence) zur Automobilproduktion, die Sequenzteile an ein Fertigungsband liefern. Mangelnde Sequenzfolgerichtigkeit führt zwangsläufig zu Fehlteilen am Band und zu Stillständen bzw. zu einer sinkenden FTC Rate beim Abnehmer. Meist ist die geforderte Rate der Sequenzfolgerichtigkeit ein Vertragsbestandteil, sodass deren Nichteinhaltung mit Kosten durch Vertragsstrafen verbunden ist. Die geforderte Sequenzfolgerichtigkeit muss durch systemtechnische Maßnahmen abgesichert werden und ist daher eine wesentliche Grundlage für die Planung der Anlage.
Qualitätsrate Die Qualitätsrate wird nach folgender Formel berechnet:
Qualitätsrate =
TeileGesamt − TeileNIO TeileGesamt
Die Qualitätsrate ist eine gute Maßzahl für die Performance einzelner meist automatisierter Fertigungsmaschinen. Wenn Maschinen eine geringe Qualitätsrate aufweisen, d.h. hohe Ausschussraten produzieren, so ist dies gleichbedeutend mit hohen Taktverlusten. Taktverluste können entweder durch Verlust an Zeit oder durch Verlust an Qualität bewirkt werden. Eine geringe Qualitätsrate kann durch Fehler in der Bearbeitung aber auch durch Mängel an den Rohteilen verursacht werden (z.B. Werkstücke werden auf Grund fehlerhafter Passungen verklemmt).
140
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
FTC Rate Die FTC Rate (First Time Correct) wird nach folgender Formel berechnet:
FTC =
TeileGesamt − Teilemit offenen Punkten TeileGesamt
Die FTC Rate wird in einer Fertigung meist bei Linienende oder bei Band Ab gemessen noch bevor die Teile oder Fahrzeuge durch die Nacharbeit laufen. In diesem Sinne ist die FTC Rate eine Maßzahl für die Performance eines gesamten Bandabschnitts anstatt nur einer einzelnen Fertigungsmaschine. Die effiziente Messung der FTC Rate speziell in Gewerken mit hohen manuellen Arbeitsanteilen, wie der Fahrzeugendmontage setzt die Erfassung von Qualitätsdaten in der Anlage mit EDV-Mitteln voraus. Die FTC Rate wird auch oft als FTOK Rate bezeichnet.
TEEP Rate TEEP steht für Total Effective Equipment Performance und wird nach folgender Formel berechnet:
TEEP =
Laufzeit ohne Fehler Gesamtzeit
Die TEEP wird in einigen Betrieben als Maßzahl verwendet. In der Praxis ist es jedoch meist zielführender, verschiedene Verfügbarkeitsraten zu messen und zu verfolgen.
Verlässlichkeit Die Verlässlichkeit einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt:
Verlässlichkeit = TAusfall N − TAusfall N − 1
Die Verlässlichkeit gibt die durchschnittliche Zeitspanne an, die zwischen zwei aufeinander folgenden Anlagenstillständen vergeht. Die Verlässlichkeit ist damit
Anlagenkennzahlen
141
ähnlich zu bewerten, wie die MTBF (Mean Time Between Failure) einzelner Bauteile in der Anlage. Anlagen mit geringer Verlässlichkeit müssen nicht notwendigerweise Flaschenhälse repräsentieren, verursachen aber oft Fehler, die die Intervention des Werkers oder des Instandhalters erfordern. Sie binden damit Ressourcen und lenken von den eigentlichen Problemen in der Anlage ab. Schon aus diesen Gründen sollten Anlagen mit geringer Verlässlichkeit besondere Beachtung finden. Oftmals deutet eine geringe Verlässlichkeit der Anlage aber auch auf eine fehlerhafte Auslegung der Abläufe hin.
Wartbarkeit Die Wartbarkeit einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt:
Wartbarkeit = TAuto start N − TAuto stopp N −1 Die Wartbarkeit gibt den durchschnittlichen Zeitaufwand für die Wiederherstellung des Betriebs, gemessen von Automatik gestoppt bis erneut Automatik gestartet an. Hiermit ist die Wartbarkeit ähnlich der MTTR von Einzelkomponenten. Die Wartbarkeit hängt von mehreren Faktoren ab, nämlich dem technischen Aufbau der Anlagen. Dieser bestimmt, wie gut sind Anlagen zugänglich sind und wie leicht Teile getauscht und justiert werden können. Auch die Anlagendiagnose spielt eine entscheidende Rolle. Sie bestimmt, wie einfach Fehler an Hand der Diagnoseanzeigen am HMI oder am Bediengerät gefunden werden können. Nicht zuletzt ist die Effizienz der Wartungsmannschaft (Ausbildung, Moral, Werkzeuge, Anzahl der Personen) von Bedeutung.
Technische Verfügbarkeit Die technische Verfügbarkeit einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt:
Vtechnisch =
TAutomatik gestartet Tgesamt − TPause
Die technische Verfügbarkeit wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, von denen die Verlässlichkeit der Anlage, die Wartbarkeit der Anlage und die Teilequalität (hauptsächlich Geometrie) die bedeutendsten sind.
142
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Übliche Werte von Linien im laufenden Rohbau sind bei 80 - 90 % je nach Komplexitätsgrad der Linie. In Lackgewerken und in der Fahrzeugendmontage werden meist höhere Werte gefordert. Die technische Verfügbarkeit sollte als solche einzeln erfasst werden, da sie eine hervorragende Messgröße für die Performance der vom Anlagenlieferanten aufgebauten Fertigungseinrichtungen darstellt. Im laufenden Betrieb ist die technische Verfügbarkeit eine Basis für die Beurteilung der Performance der Instandhaltung. Gesamtverfügbarkeit Die Gesamtverfügbarkeit einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt:
Vgesamt =
TAutomatik gestartet − ( TEinlauf leer + TAuslauf blockiert + TBandhalt + TgeplanterStills tan d ) Tgesamt − TPause
Die Gesamtverfügbarkeit wird durch einige Faktoren bestimmt, die schon in der technischen Verfügbarkeit erfasst werden. Hinzu kommen aber die Performance der Materialwirtschaft (fehlendes Material, falsches Material, Anlieferung nicht in Sequenz), die Teilequalität (Fehlteile), die Effizienz der Werker am Band (Ausbildung, Moral, Werkzeuge, Anzahl der Personen) und die Güte der Abtaktung. Übliche Werte von Linien im laufenden Rohbau sind bei 70 - 85% je nach Komplexitätsgrad der Linie. Wenn an einer Anlage zu einer Zeit mehrere Stillstandsgründe vorliegen, dies wäre z.B. der Fall wenn ein Anlagenfehler gleichzeitig mit einem Fehlteil auftritt, so wird die Zeit nur einfach, nicht aber doppelt gezählt. Ebenso werden die Pausenzeiten aus der Berechnung der technischen und der Gesamtverfügbarkeit heraus gerechnet. Dies soll einen Ansporn für die Instandhaltung bewirken, Arbeiten an Anlagen möglichst während der Pausenzeit oder zu Zeiten, in denen die Anlage aus organisatorischen Gründen stillsteht, durchzuführen.
Organisatorische Verluste Die organisatorischen Verluste einer Anlage werden nach folgender Formel ermittelt:
ǻ organisato risch = Vtechnisch − V gesamt
Anlagenkennzahlen
143
Die organisatorischen Verluste in dieser Form ermöglichen die Abschätzung der Taktverluste in einer Anlage, die durch nicht-technische Ursachen bestimmt sind. Übliche Werte liegen zwischen 12-15%.
Effizienz Die Effizienz einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt: geplante Taktzeit ∗ Effizienz =
∑Teile
je Schicht
TAutomatik gestartet
Die Effizienz beschreibt einige wesentliche Einflussfaktoren auf die Fertigung, nämlich die Verlängerung der Taktzeit durch kurzfristige Stillstände und die organisatorisch bedingte Ausnutzung der Anlage (sind Teile vorhanden, gibt es Fertigungsaufträge?). Übliche Werte liegen im laufenden Betrieb eines Rohbaus bei etwa 95%. Die Effizienz ist besonders während der Anlaufphase einer Produktion (SOP bis Kammlinie) eine wichtige Maßzahl, da sie beschreibt, wie gut die Anlage im Automatikbetrieb genutzt wird (Nettoproduktion). Nakajima hat anstatt der Effizienz ursprünglich einen Geschwindigkeitskoeffizienten definiert, der heute üblicherweise nicht mehr verwendet wird.
5.2.2. Der Einsatz von Maßzahlen In vielen Fertigungsbetrieben begegnen wir Maßzahlen, die breite Verwendung finden, da sie meist einfach ermittelt werden können, deren Aussage aber bestenfalls als bedenklich bezeichnet werden kann. Die Verfolgung und Optimierung solcher Kennzahlen zeigt von einer eingeschränkten Sicht auf die Fertigungsanlage und führt somit mit Sicherheit zu Problemen. Ein typisches Beispiel für solche Maßzahlen ist die Summe der gesamten Wartungskosten. Meist werden Wartungskosten als Gemeinkosten auf alle Stellen in der Produktion umgelegt. Dies führt oft zu der Forderung nach Minimierung von Gemein- und damit von Wartungskosten. Anstatt solche Suboptimierungen anzustellen, ist eine transparente Kosten- und Nutzenrechnung für die Instandhaltung anzustreben, die eine Maximierung des Wertes der Anlage anstrebt. Weitere problematische Maßzahlen sind die Wartungskosten bezogen auf den Umsatz, der Planungsaufwand bezogen auf den Arbeitsaufwand oder der Anteil der Ersatzteilkosten an den Wartungskosten.
144
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Zusätzlich zu Maßzahlen, deren Sinnhaftigkeit zumindest auf den zweiten Blick anzuzweifeln ist, bietet sich in vielen Fertigungsbetrieben die Situation, dass eine überbordende Anzahl von unterschiedlichen Maßzahlen ermittelt wird. Dies ist meist sehr einfach durch einen Blick auf diverse Anschlagtafeln während eines Anlagenrundgangs zu erkennen. Zu viele Maßzahlen sind ein Indiz dafür, dass das Management über keine geeigneten Werkzeuge für die Steuerung der Fertigung verfügt und deshalb nach dem Prinzip „viel hilft viel“ vorgeht. Dies zeigt, dass Maßzahlen, die dem Management als Grundlage dienen sehr genau überlegt sein müssen. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: • • • •
Was will ich messen? Was will ich steuern? Welche Einfluss- und Störgrößen will ich erfassen? Welche Ziele will ich erreichen bzw. was sind meine Sollvorgaben?
5.2.3. Managementregelkreise Letztlich kann eine Fertigung auch als komplexes Regelsystem aufgefasst werden. Die Komplexität des Systems macht es für Entwurfsverfahren der klassischen Regeltechnik nicht zugänglich. Dennoch können aus diesem Modell einige Grundprinzipien abgeleitet werden. Zunächst muss Klarheit über den Sollzustand herrschen. Es ist vom Management festzulegen, in welchem Arbeitspunkt die Fertigung zu betreiben ist, wobei diese Festlegung durchaus vom Status des Projekts und des Produkts abhängen wird und daher zeitlichen Veränderungen unterworfen ist. Damit Klarheit über den Arbeitspunkt herrscht, ist es zwingend notwendig, Kenngrößen festzulegen, nach denen ermittelt wird, inwieweit der aktuelle Arbeitspunkt tatsächlich den Vorgaben entspricht. Hierbei sollte man sich klar machen, welche Aussage tatsächlich hinter welchen Kenngrößen steckt. Wenn die Kenngrößen und die Sollvorgaben festgelegt sind, so sollte auch definiert werden, wie die Kenngrößen tatsächlich gemessen werden. Hierbei sind einige Fragen zu beantworten. Die wichtigste Frage ist, ob sich aus dem Messverfahren tatsächlich die gewünschte Kenngröße ergibt. Wesentlich ist auch festzustellen, mit welcher Genauigkeit und Streuung wird die Kenngröße ermittelt wird und wie sensitiv der Wert der Kenngröße auf Veränderungen in der Fertigung reagiert. Große Verzögerungen bei der Ermittlung der Kenngrößen führen zu Instabilitäten, daher stellt sich auch die Frage, wie zeitnah die aktuellen Werte der Kenngrößen zur Verfügung stehen. Im zweiten Schritt sollte man sich Klarheit darüber verschaffen, wie bei Auftreten von Abweichungen Einfluss auf den Fertigungsprozess genommen werden kann, um den Sollzustand wieder herzustellen, welche Einflussmöglichkeiten auf die Fertigung also bestehen und wie sensitiv der Fertigungsprozess auf Änderun-
Anlagenkennzahlen
145
gen in den Stellgrößen reagiert. Bei hoher Empfindlichkeit gegenüber den Stellgrößen besteht schnell die Gefahr der Instabilität durch eine Überreaktion. Vor einem Eingriff in die Fertigung sollte auch klar sein, welche Kenngrößen in welcher Weise von welchen Stellgrößen beeinflusst werden. Auch das sich ergebende Zeitverhalten ist von Bedeutung. Jede Maßnahme, die gesetzt wird, hat eine bestimmte Fristigkeit. Dies wird weiter unten noch genauer erläutert. Die Beantwortung aller dieser Fragen ergibt die Situation, die in Abb. 5.4 dargestellt ist.
Abb. 5.4 – Das Management als Regler
Das Management wird in die Rolle des Reglers versetzt, dessen Aufgabe es ist, durch Bestimmung von Abweichungen und gezieltes Setzen von Maßnahmen den Fertigungsprozess so zu beeinflussen, dass er im optimalen Arbeitspunkt betrieben wird. Diese Definition von Managementrollen ist oft unausgesprochen inhärent akzeptiert, führt jedoch letztlich zu Problemen nicht zuletzt auf Grund von Managern, die sehr schnell mit ihren Aufgaben überfordert sind. Aus diesem Grund ist es erforderlich, einen Schritt weiter zu gehen. Zunächst sollte eine Analyse mehr Information über die Störgrößen im Prozess bringen. Zu klären ist, welche Variationen in der Fertigung auftreten, welchen Einfluss die Störgrößen auf die Kennzahlen haben und welche Zeitkonstanten und Fristigkeiten die Störungen haben. In Gesprächen mit erfahrenen Produktionsleitern hört man oft die Aussage „Ich will Ruhe in der Fertigung haben!“. Diese Manager haben sich über Jahre intuitiv eine Gefühl für den Betrieb angeeignet und wissen daher, dass Variationen, also Störungen immer ein Problem darstellen. Mit der Frage, wie man gezielt auf die Fertigungsprozesse Einfluss nehmen kann, um Störungen abzustellen oder die Prozesse robust gegenüber Störeinflüssen zu machen, ändert sich das Bild des Managements, wie Abb. 5.5 zeigt. Es ist nun nicht mehr Aufgabe des Managements, Störungen im Fertigungsprozess auszuregeln. Diese Aufgabe wird auf andere, untergelagerte Stellen delegiert. Das Management sieht sich vielmehr in der Rolle des Gestalters von Prozessen. Neben der Vorgabe von Kenngrößen und Zielen, die den optimalen Arbeitspunkt
146
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
beschreiben, ist es erforderlich Prozesse so zu gestalten, dass möglichst eine Selbstoptimierung eintritt. z(t) w(t) +
e(t)
-
Regler
u(t)
Prozess (Regelstrecke)
x(t)
Rückkopplung w(t) … Sollwert e(t) … Regelabweichung u(t) … Stellgröße z(t) … Störgröße x(t) … Istwert
Abb. 5.5 – Das Management als Gestalter von Regelkreisen
Ein schönes Beispiel für eine solche Vorgangsweise ist die dezentrale Steuerung der Produktion mittels des KANBAN Verfahrens, welches als Teil des Toyota Produktionssystems entwickelt wurde und so erfolgreich war, dass es oft fälschlicherweise mit diesem gleichgesetzt wird.
Qualitätsregelkreise Eine typische Anwendung von Managementregelkreisen sind Qualitätsregelkreise, die sich in vielen Unternehmen bereits eingebürgert haben. Abb. 5.6 zeigt ein vereinfachtes Beispiel, welches aus (Gerfried Zeichen, 2000) stammt. Qualitätssicherung Teilefertigung gefordert Konstruktion
Fertigungsprozess
Produkt
Messung
Qualität ungenügend
Änderungsanforderung
Bearbeitungsmaschine
Messvorrichtung
Steuerung Regelung Qualitätsprüfsystem
Abb. 5.6 – Qualitätsregelkreise
Anlagenkennzahlen
147
Regelkreise können für das Qualitätsmanagement, die Instandhaltung, die Logistik und die Produktion auf vielfältige Weise definiert werden. Diese Sichtweise, welche sich an Methoden aus der Regeltechnik anlehnt, führt sehr schnell zu sauberen, sich selbst optimierenden Prozessen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Selbstoptimierung in kleinen Schritten anstatt auf großen paukenschlagartigen Veränderungen.
Typische Probleme mit Managementregelkreisen Managementregelkreise sind oft sehr schwer einzuführen, da ihre erfolgreiche Umsetzung vielfach auch einer Änderung der Firmenkultur bedarf. Auf die Firmenkultur in einem Betrieb kann nur langfristig Einfluss genommen werden und es ist oftmals mit erheblichen Widerständen zu rechnen. Aus diesem Grund ist in solchen Fällen unbedingt die aktive Unterstützung durch das Top Management erforderlich. Typische Indizien für derartige Probleme sind Aussagen, wie: „Wenn ich diese schlechten Zahlen an meinen Vorgesetzten berichte, dann bekomme ich Probleme. Aus diesem Grund müssen die Kennzahlen anders ermittelt werden.“
Der offene Umgang mit der Realität ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Managementregelkreise funktionieren. Verantwortliche, die im Falle von Abweichungen ihre Energie mit der Suche nach Schuldigen verschwenden, anstatt dies als Chance für Verbesserungen zu sehen, nehmen sich selbst die Möglichkeit, steuernd in ihren Prozess einzugreifen.
5.2.4. OEE (Overall Equipment Efficiency) OEE steht für Overall Equipment Efficiency und ist als Maßzahl für die Performance einer diskreten Fertigungsanlage mittlerweile so weit verbreitet, dass sie in einem eigenen Abschnitt behandelt werden soll. OEE wurde ursprünglich von Seiichi Nakajima vom JIPM (Japan Institute for Plant Maintenance) entwickelt. Mittlerweile findet sich in fast jedem Fertigungsbetrieb eine spezifische Methode für die Ermittlung der OEE und damit verbunden auch eine eigene Interpretation dieser Kennzahl. Die OEE einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt:
OEE = Qualitätsrate*Verfügbarkeit * Effizienz Die OEE berücksichtigt verschiedene Problembereiche in der Fertigungsanlage und kombiniert diese in eine Maßzahl. Den ersten Bereich bilden geplante Stillstände, die von der Produktionsplanung in Zusammenarbeit mit der Instandhaltung vorgegeben werden. Geplante Stillstände sind dann produktionsbedingt, wenn sie mit Pausen oder Gruppengesprä-
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
chen in Verbindung stehen. Sie sind bedingt von der Instandhaltung erforderlich, um Tätigkeiten, wie Kalibrierung von Geräten, Tests von Fertigungsanlagen, Kappenwechsel, TPM Maßnahmen etc. durchzuführen. Der nächste Bereich wird von Rüstzeiten gebildet. In vielen Fällen muss die Anlage durch Rüstaktivitäten auf den jeweils nächsten Produktionslauf vorbereitet werden. Beispiele sind Werkzeugwechsel an Bearbeitungsmaschinen oder Formenwechsel in Pressenstraßen. Beispiele wie SMED (Single Minute Exchange of Die), wie sie von Shigeo Shingo für Toyota entwickelt wurden (Shingo, 1987), zeigen, dass durch setzen intelligenter Standards für Rüstaktivitäten erhebliche Verbesserungen erzielt werden können. Die Produktionsplanung wird versuchen, Rüstaktivitäten so gering wie möglich zu halten. Diesem Bestreben steht entgegen, dass weniger Rüstaktivitäten mit einer Erhöhung der Losgrößen verbunden sind. Wie schon das klassische Losgrößenmodell zeigt, entfernt man sich hierdurch sehr schnell vom Kostenoptimum. Den nächsten Bereich bilden Anlagenstillstände, welche nicht geplante Ausfälle in der Produktion bewirken. Stillstände können durch Fehler und Ausfälle von Anlagen, durch Fehlteile oder andere organisatorische Probleme verursacht werden. Taktzeiten hängen von den Abläufen in der Fertigungsmaschine, von deren Verfügbarkeit aber auch von den Werkern an der Maschine ab (wenn Werker Teile nicht oder fehlerhaft einlegen, so führt dies zu organisatorischen Verlusten) und bilden den nächsten Bereich, den die OEE umfasst. Jede Maschine besitzt eine optimale Taktzeit je Produkt. Sollte diese Taktzeit überschritten werden, so geht Kapazität verloren. Die Betrachtung der Taktzeit hängt eng mit der Effizienz zusammen, die als ein Wert in die OEE eingeht. Die OEE betrachtet durch Einbeziehung der Qualitätsrate auch Qualitätsverluste. Wenn eine Maschine ohne Ausfälle mit der geforderten Geschwindigkeit arbeitet, aber erheblichen Ausschuss produziert, so gehen Takte nicht durch Zeit- aber durch Qualitätsprobleme verloren. In der sequenzierten Montage am Band wirken sich Qualitätsverluste zum Teil durch Bandhalts aus. Die Linie wird angehalten, bis das Problem in der Linie beseitigt wurde. Da nicht alle Qualitätsprobleme an oder nahe der Entstehung erkannt werden bzw. behoben werden können (z.B. wenn fehlende oder defekte Teile nachbestellt werden müssen), wirken sie sich auch in erhöhten Aufwänden in der Nacharbeit aus. In sequenzierten Fertigungen sollte überlegt werden, ob anstatt der Qualitätsrate die FTC Rate zur OEE Berechnung verwendet werden sollte. Zuletzt gehen in die OEE Reparaturaufwände ein. Alle Wartungsaktivitäten, die auf Grund von Maschinenausfällen ungeplant in der Produktionszeit erfolgen, kosten Verfügbarkeit und bewirken Taktverluste. Diese Art von Wartung ist somit meist die teuerste, da zusätzlich zu den Wartungskosten auch die Kosten durch Produktionsausfälle berücksichtigt werden müssen. Hier liegt die Begründung für die Einführung von Abläufen in der vorbeugenden Wartung. Das Management einer Fertigungsanlage ist üblicherweise mit vier typischen Zielen konfrontiert. Die erste ist die Maximierung des Durchsatzes der Pro-
Anlagenkennzahlen
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duktion. Dieses Ziel läuft meist auf eine Erhöhung der Effizienz bzw. der Verfügbarkeit der Fertigungsanlage hinaus. Nur in Sonderfällen, wie z.B. der Mikrochipproduktion kann auch die Verbesserung der Ausbeute, also der Qualitätsrate entsprechende Erfolge bringen. Wenn eine Verringerung der Taktzeit auf Basis der vorhandenen Ressourcen nicht mehr möglich ist, so bleiben meist nur kostenaufwändigere Optionen, wie Anschaffung neuer, effizienterer Maschinen oder Einführen zusätzlicher Schichten (z.B. Übergang vom Zweischicht- zum Dreischichtbetrieb). Bei allen diesen Maßnahmen ist deren unterschiedliche Fristigkeit zu berücksichtigen. Produktionsplaner begehen oftmals den Fehler, der Maximierung der Auslastung von Maschinen, welche besonders teuer in der Beschaffung waren, zu große Aufmerksamkeit zu schenken. Hohe Investitionen in bestimmte Maschinen rechtfertigen keineswegs eine mangelnde Optimierung der gesamten Fertigung. Eine weitere Vorgabe ist oftmals, dass geplante Taktzeiten und Auslieferzeiten einzuhalten sind. Dies ist ein typischer Fall, in dem die Lieferkette optimiert werden muss. In der Anlage ist auf die gleichmäßige Einhaltung von Taktzeiten zu achten, da stark variierende Taktzeiten notwendigerweise zu Problemen in der Lieferkette führen. Oftmals werden Probleme in diesem Bereich durch Erhöhung der Lagerbestände kompensiert, was zu erhöhten Kosten durch ein höheres Nettoumlaufvermögen führt und Mängel im Prozess zudeckt. Ein weiteres typisches Ziel für den Fertigungsleiter ist die Reduktion der Fertigungskosten, was vielfach mit der Verringerung von Personalkosten gleichgesetzt wird. Dies ist in gering automatisierten Fertigungsbereichen, wie z.B. der Fahrzeugendmontage eine Option. Dennoch kann durch besseres Verständnis der Fertigungstechnologien und der Maschinen sowie durch Einsatz optimierter Teile meist ein wesentlich besserer Effekt erreicht werden. Die Verbesserung der Produktqualität ist ein weiteres typisches Ziel. Die Qualität kann nur zum Teil durch Maßnahmen in der Produktion beeinflusst werden. Aus diesem Grund sind gerade in diesem Bereich die Zielvorgaben häufig wenig konkret, verwischt und schwer objektiv messbar und bewertbar. Die Fertigung kann sich nur auf jene Beiträge zur Qualität konzentrieren, die sie in der Hand hat, wie z.B. Arbeitsanweisungen und Betriebsmittel verbessern, Werker besser schulen, zusätzliche Prüfungen durchführen etc. Die Verbesserung der Qualität kann nur über mehrere Regelschleifen laufen, welche auch die Produktentwicklung und die Kundenbetreuung mit einbeziehen. Wenn sich das Management mit Problemstellungen aus den obigen Bereichen konfrontiert sieht, so ist die OEE eine Maßzahl für die in der Anlage versteckten Potenziale durch nicht sichtbare Redundanzen. Tabelle 5.1 zeigt typische OEE Wertebereiche und deren Bedeutung. Hohe OEE Werte gehen meist auch mit minimalen spezifischen Herstellungskosten einher. Wenn der Reifegrad des Fertigungsprozesses zu gering ist, so ist die OEE als Maßzahl für die Prozessgüte wenig geeignet, sodass zuerst ein gewisser eingeschwungener Zustand erreicht werden sollte, bevor die OEE als Maßzahl herangezogen wird.
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Tabelle 5.1 – OEE Wertebereiche OEE Wert
Beschreibung
< 65 %
Die Fertigung ist stark verbesserungswürdig. In Betrieben mit einer so niedrigen OEE bleibt Geld liegen, sodass dringend Verbesserungsmaßnahmen gesetzt werden sollten.
65 % - 85 %
In diesem OEE Bereich bewegen sich die meisten Fertigungsbetriebe. Hier ist darauf zu achten, dass Prozesse für die ständige Selbstoptimierung der Anlage installiert werden. In den Quartalsbilanzen für die OEE sollte sich eine positiver Trend zeigen.
> 85 %
Fertigungsbetriebe mit dieser OEE befinden sich auf Weltklasseniveau.
Die Berechnung der OEE im Produktionsleitsystem Das Produktionsleitsystem kann eine wichtige Plattform für die sofortige und objektive Berechnung aller Arten von Anlagen- und Produktionskennzahlen darstellen. Am Beispiel der Ermittlung der OEE soll gezeigt werden, wie diese automatisiert ermittelt werden kann. Zur Vereinfachung wird die OEE zunächst nur für eine einzelne Bearbeitungsstation berechnet. Für diese Berechnung muss das oben vorgestellte Basismodell für die Teileverfolgung um einige Bitinformationen erweitert werden. Abb. 5.7 zeigt ein Beispiel hierfür. Skid in Station Teil auf Skid Teil IO Teil NIO Bearbeitung beendet Automatik gestartet Handbetrieb Fehler Zeit
Abb. 5.7 – Bitinformationen aus der Teileverfolgung erweitert um Stationsstati
Zusätzlich zu den Teileinformationen werden auch Bits erfasst, die die Betriebsart der Station sowie das Vorliegen eines Anlagenfehlers anzeigen. Ein Anlagenfehler liegt dann vor, wenn ein Fehler, der durch die Anlagendiagnose festgestellt wird, zum Stopp des Automatikablaufs führt. In obiger Darstellung werden drei Arbeitstakte dargestellt, wobei im mittleren Arbeitstakt ein Anlagenfehler auftritt, der einerseits zu einer Verlängerung der Taktzeit, andererseits zu einem Qualitätsverlust führt. Die dargestellten Bit-Werte reichen aus, um im Produktionsleitsystem die OEE zu ermitteln.
Anlagenkennzahlen
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Schichtzeit (z.B. 8 Stunden / Schicht = 480 Minuten) Betriebszeit Laufzeit Automatik angewählt Kein Fehler Automatik gestartet Einlauf Einlauf leer
Bearbeitung
Auslauf
Automatik Auslauf gestoppt blockiert
Fehler
Manuell angewählt
Rüstzeit
Geplante Stehzeit
Abb. 5.8 – Prinzip der Klassifizierung von Zeiten
Für die Ermittlung der OEE ist es zunächst erforderlich, ein Modell für die Berechnung der Betriebszeiten einzuführen. Abb. 5.8 zeigt das Prinzip. Tabelle 5.2 – OEE Zeitkategorisierung Zeitkategorie
Beschreibung
Geplante Stehzeiten Pausen oder Gruppengespräche Rüstzeiten
Rüstzeiten fallen z.B. bei Pressen oder in der Teilefertigung an. In der Fahrzeugmontage sind Rüstzeiten eher vernachlässigbar
Handbetriebszeiten In einer laufenden Fertigung ist die Zeit im Handbetrieb näherungsweise identisch oder korreliert mit der Zeit, in der Instandhalter z.B. für eine Störungsbehebung an der Station arbeiten. Ungeplante Stillstände
Stillstand auf Grund eines Anlagenfehlers. Dies ist jene Zeit, die vom Auftreten einer Störung, bis zur Behebung gebraucht wird. Manche Störungen, wie z.B. offene Schutztüren, sind gesondert zu betrachten.
Automatikzeit
Dies ist jene Zeit, während der die Anlage im Automatikbetrieb für die Produktion verfügbar war. Dies sagt nichts darüber aus, ob tatsächlich in dieser Zeit produziert wurde.
Einlauf leer
Die Station war für die Produktion verfügbar, allerdings standen keine Teile für die Produktion zur Verfügung, was z.B. auf Probleme in vorgelagerten Anlagenbereichen oder in der Teilelogistik zurückzuführen sein kann. Im Falle manuell eingelegter Teile, kann auch ein fehlender oder überforderter Werker die Ursache für diesen Zustand sein.
Auslauf blockiert
Die Bearbeitung in der Station ist abgeschlossen, aber der Teil kann auf Grund von Problemen in folgenden Anlagen nicht ausgefördert werden.
Einlauf
Dies ist jene Zeit, die für den Teileeinlauf benötigt wird. Diese Zeit ist üblicherweise von der Art und Geschwindigkeit der Fördertechnik abhängig und kann meist als konstant angenommen werden.
Auslauf
Dies ist jene Zeit, die für das Ausfördern eines Teils oder Skids benötigt wird. Auch diese Zeit kann meist als konstant angenommen werden.
Für die Ermittlung der tatsächlichen Arbeitszeit der Station, in der diese im Prinzip für die Fertigung zur Verfügung steht, werden von der gesamten Schicht-
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
zeit nach und nach kategorisierte Zeiten abgezogen (in Abb. 5.8 sind die unproduktiven Zeiten übertrieben lang eingezeichnet). Die Zeitkategorien werden in Tabelle 5.2 aufgelistet. Bei der Ermittlung der OEE gibt es zwei Sichtweisen. Die eine bezieht organisatorische Verluste in die OEE mit ein (dies betrifft die Zeiten „Einlauf leer“ und „Auslauf blockiert“) und betrachtet diese als Verluste. Die andere Sichtweise (Maschinen OEE) betrachtet diese Verluste nicht, da sie nicht ursächlich auf Probleme mit der betrachteten Station zurückzuführen sind. Zusätzlich zur Zeitzählung ist auch eine Zählung der Stückzahlen an der Station erforderlich. Abb. 5.9 zeigt das Prinzip.
Abb. 5.9 – Prinzip der Stückzählung
Die Zählung von Skids und von Nacharbeiten sind Sonderthemen, die in der klassischen Ermittlung der OEE keine Rolle spielen. Auf Basis der Zeitzählung und der Stückzählung kann das Produktionsleitsystem die Verfügbarkeit, die Qualitätsrate und die Effizienz der Station und somit daraus folgend auch die OEE errechnen. Abb. 5.10 zeigt ein Beispiel für die Zeitzählung und Stückzählung an einer Station in einer Motormontage (Kon-Cept GmbH., 2008). Dieses Beispiel wurde einem Bericht eines Produktionsleitsystems entnommen. Beachte, dass zwei Werte für die OEE berechnet werden. Die Maschinen OEE betrachtet nur die Verluste, die durch Probleme in der Maschine selbst verursacht werden und ist daher eine gute Maßzahl für Belange der Instandhaltung. Die Linien OEE ist kleiner, da hier auch organisatorische Verluste berücksichtigt werden. Die eigentlich interessante Maßzahl sind allerdings die organisatorischen Verluste, welche sich durch die Differenz der Maschinenverfügbarkeit und der Linienverfügbarkeit ergeben. Sie geben Aufschluss über Variationen im Pro-
Anlagenkennzahlen
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zess, welche durch organisatorische Themen verursacht werden (z.B. unregelmäßige Einsteuerung von Aufträgen, Probleme in anderen Bereichen, Logistikprobleme und fehlende Teile oder Werker).
Abb. 5.10 – Beispiel für die Berechnung der OEE
Bei der Ermittlung der Qualitätsrate könnte noch zwischen Qualitätsproblemen, die durch die Station verursacht wurden und anderen Problemen, wie fehlerhaften Teilen unterschieden werden. In der Praxis kann dies nur durch Handeingabe geschehen und wird daher im Normalfall nicht erhoben.
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
5.2.5. Kennzahlen für manuelle Arbeitsgänge Die Erfassung und Berechnung von Kennzahlen für manuelle Fertigungsstationen ist prinzipiell nach dem gleichen Schema möglich, wie die Erfassung von Kennzahlen für automatische Fertigungsstationen. Es sind dennoch einige spezielle Vorkehrungen zu treffen, die in diesem Abschnitt beschrieben werden sollen.
Datenerfassung an manuellen Arbeitsstationen mit individueller Taktung Typische Beispiele für Arbeitsstationen mit individueller Taktung sind Stationen in der Teilefertigung im Karosserierohbau, an denen der Werker Teile für die automatische Verschweißung einlegt oder manuelle Schweißarbeiten durchführt, Nacharbeitsstationen in der Motormontage oder Achsvormontagestationen in der Fahrzeugendmontage. Diese Stationen haben gemein, dass der Werker durch manuelle Eingabe (z.B. durch Drücken eines Freigabeknopfes) bestimmt, wann der Takt zu Ende ist und der Bauteil aus der Station gefördert werden kann. Die Information über das Bearbeitungsergebnis kann entweder über verschiedene Freigabeknöpfe (z.B. Grün für Freigabe IO, Rot für Freigabe NIO) bezogen werden oder über manuelle Eingabe in den Produktionsleittechnik Client in der Liste offener Punkte. Die Information, welcher Teil sich in der Station befindet, kann entweder automatisch durch einen an der Station vorhandenen RFID Leser, durch manuelles Einscannen oder durch Eingabe der Teilekennung am Produktionsleittechnik Client ermittelt werden. Auf Basis dieser Informationen kann eine manuelle Arbeitsstation auf die gleiche Art und Weise behandelt werden, wie eine Automatikstation.
Datenerfassung an manuellen Arbeitsstationen in einer Verkettung Manuelle Arbeitsstationen in einer Verkettung sind typisch für Arbeitsstationen im Band in einer Fahrzeugendmontage oder in Vormontagen. Die Taktzeit ist durch die Bandgeschwindigkeit vorgegeben, kann aber vom Werker durch verschiedene Handlungen beeinflusst werden. Das Band kann an jeder Station durch Drücken des Bandhalttasters angehalten werden. Je nach Situation kann dies einen Soforthalt der Linie oder ein Halt bei Taktende auslösen. Für die Erfassung von Stillstandsgründen ist eine manuelle Eingabe am Client der Produktionsleittechnik in der Alarmliste erforderlich. Bandhalts haben Einfluss auf die Taktzeit, nicht notwendigerweise jedoch auf das Bearbeitungsergebnis in der Station. Eine weitere Einflussmöglichkeit ist ein Soforthalt, der vom Werker meist indirekt ausgelöst wird, indem eine Sicherheitsabschaltung aktiv wird. Ein gutes Beispiel wäre, dass der Füllstutzen einer Befüllanlage nicht vom Fahrzeug abge-
Anlagenkennzahlen
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klemmt wird und das Band angehalten werden muss, damit kein Schlauchriss eintritt. Soforthalts können meist automatisch durch Stationsmeldungen, die entsprechende Fehlermeldungen von den Fertigungsanlagen oder Manipulatoren bzw. von der Fördertechnik enthalten, erfasst werden. Das Band kann weiters durch Drücken eines Not-Aus Tasters oder durch Auslösen einer Sicherheitsvorrichtung (z.B. Lichtvorhang) sofort angehalten werden. Diese Zustände werden über entsprechende Fehlermeldungen, die von der Fördertechnik einlangen, erfasst. Zusätzlich ist eine manuelle Eingabe von Stillstandsursachen im Produktionsleittechnik Client in der Alarmliste erforderlich. Die Produktionsleittechnik kann bei Bedarf zusätzliche Funktionen zur Prozessabsicherung implementieren. Diese führen zu einem Halt bei Taktende, wenn nicht alle kritischen Bearbeitungen in der Linie bis zum Ende des Taktes entweder IO beendet oder NIO quittiert wurden. Die Erfassung des Bearbeitungsergebnisses ist durch manuelle Eingabe am Produktionsleittechnik Client in der Liste offener Punkte möglich. Für manuelle Bearbeitungsstationen in einer Verkettung sollten einige wesentliche Kennzahlen ermittelt und verfolgt werden. Die Anzahl und Dauer von Bandhalts je Linie und je Station gibt Auskunft über die Taktverluste, die sich aus Problemen in manuellen Arbeitsstationen ergeben. Zusätzlich können jene Stationen ermittelt werden, an denen die meisten Verluste auftreten. Durch die manuelle Erfassung von Stillstandsursachen im Produktionsleittechnik Client können Stillstände näher charakterisiert werden. Die in Frage kommenden Ursachen sind vielfältig und umfassen eine fehlerhafte Abtaktung, fehlerhafte Teile, die zu Montageproblemen führen, Logistikprobleme, wie falsche Teile am Band, falsche Reihenfolge von Sequenzteilen oder fehlende Sequenzteile. In Frage kommen auch Werkerprobleme, wie Schulungsbedarf, Personalmangel oder eine schlechte Arbeitseinteilung, Werkzeugprobleme, wie nicht der Tätigkeit angepasste Werkzeuge oder Informationsprobleme, wenn es unklar ist, welche Aufgaben durchzuführen sind. Je nach Ursache müssen unterschiedliche Abteilungen mit der Behebung des Problems betraut werden.
5.2.6. Kennzahlen für Linien und Gewerke Die meisten standardisierten Kennzahlen beziehen sich auf einzelne Fertigungsmaschinen und sind nicht ohne weitere Vorkehrungen auf Linien oder Gewerke zu übertragen. Dies soll an Hand einer Linie, an der sich zwei Befüllanlagen befinden, die redundant arbeiten können, erläutert werden (Kon-Cept GmbH., 2008). Abb. 5.11 zeigt einen Ausschnitt aus der Visualisierung des Anlagenstatus im Produktionsleitsystem.
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Übeerwachung von Fertigungseinric F chtungen
Abb. 5.111 – Beispiel einner Linienübersiccht mit redundan nten Anlagen
Weenn eine der beiden b Befüllaanlagen ausfäällt, wie in obbigem Bild daargestellt (MP6202P1 ist rot dargestellt unnd hat daher eine Störungg gemeldet), so wird T in derr Linie steigen n, da nun einee Befüllanlagee die gewahrsccheinlich die Taktzeit samte Bearbeitung übernehmen muss. Denno och bleibt diee Linie verfügbar, da m Stillstand derr Linie führt. Ebenso kann der Aussolch ein Fehlerzustaand nicht zum m Schrrauben und Abbzeichnen derr offenen fall einnes EC-Schrauubers durch manuelles Punkte im Produktioonsleittechnikk Client komp pensiert werdden. Bei Einsaatz eines f Zusam mmenfasSpringeers muss dies nicht zwingeend zu einem Taktverlust führen. send kaann also festgeestellt werdenn: Stanndardisierte Anlagenkennz A zahlen können n meist auf einzelne Maaschinen, nicht jeedoch auf Linnien oder Gew werke angewen ndet werden. Aus A der Messsung von Kennzaahlen der einzzelnen Fertiguungsanlagen kann nicht auutomatisch auuf Kennzahlen der Linie odeer des Gewerks geschlossen werden. m Produktionnsleitsystem spezielle Auf Basis dieseer Erkenntnissse können im K voon Linien und Gewerken einngeführt werdden. Messveerfahren für Kennzahlen Für die Ermittlung vieler Kennnzahlen wird die d jeweils letzzte Station einner Linie oder einnes Gewerks herangezogenn, da im Regellfall eher von Interesse ist, mit welchem zeitlichen z Absstand Teile vom Band laufeen. Die Formeel bleibt hierbeei unverändert. Beispiele fürr solche Kennnzahlen sind die d Taktzeit, der d Produktionnsdurchw Teiile mit offe fenen Punkteen als NIO O Teile geltten, die satz, wobei Stückzaahlabweichunng, die Durchllaufzeit, die Termintreue, T d Sequenzfoolgerichdie tigkeit, die Qualitätsrrate, welche der d FTC Rate entspricht undd die Effizienzz. m Regelfall niccht für Linienn und Gewerkke ermitEiniige Kennzahleen werden im telt, daa sie auf dieseen Ebenen keiine sinnvollen n Aussagen lieefern. Hierzu gehören die TEE EP Rate, die Verlässlichkei V it und die Warrtbarkeit.
Anlagenkennzahlen
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Weitere Kennzahlen bedürfen besonderer Vorkehrungen im Vergleich zu stationsbezogenen Kennzahlen.
Technische Verfügbarkeit Die technische Verfügbarkeit einer Anlage wird nach folgender Formel ermittelt:
Vtechnisch =
TAutomatik gestartet Tgesamt − TPause
Die technische Verfügbarkeit einer Linie bezieht nur die Fördertechnik und Fertigungsanlagen, deren Stillstand sofort zu einem Halt des Bandes führt, in die Betrachtung mit ein. Stillstände an Fertigungsanlagen, die redundant vorhanden sind, oder für deren Ausfall Notfallsstrategien existieren, die es ermöglichen, den Betrieb fortzuführen, werden in die Betrachtung nicht mit einbezogen. Die technische Verfügbarkeit liefert also nur Aussagen über Teile der Anlage.
Gesamtverfügbarkeit Die Gesamtverfügbarkeit einer Linie oder eines Gewerks wird in der Produktionsleittechnik näherungsweise mittels der folgenden Formel ermittelt:
⎛ TeileGesamt ⎞ VGesamt für Linie = min⎜∑ ,1⎟ ⎜ Teile ⎟ Geplant ∑ ⎝ ⎠ Diese Formel stellt eine äußerst grobe Näherung dar, die jedoch in der Praxis bei geringem Aufwand praktikable Werte ergibt. Wenn mehrere Stationen kombiniert werden, so ergibt sich für die Ermittlung der Verfügbarkeit die Problematik, dass es keine standardisierte Methode für die Berücksichtigung des Verkettungsgrades gibt. Zudem existieren oft Redundanzen und Notfahrweisen. Als Beispiel sei der Ausfall eines EC-Schraubers in der Linie für die Dauer einer Schicht genannt. Man kann nun mit Recht feststellen, dass die Verfügbarkeit des E-Schraubers 0% ist. Wie ist der Ausfall dieser Ressource allerdings in der Gesamtverfügbarkeit der Linie zu berücksichtigten? Im Normalfall wird der Schrauber durch einen zusätzlichen Arbeitsgang, in dem ein Werker die Verschraubung mit Hilfe eines Drehmomentschlüssels prüft, ersetzt, sodass die Produktion ohne Stückzahlverluste allerdings mit erhöhtem Aufwand an Werkerzeit weiterläuft.
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Auf Grund dieser üblichen Gegebenheiten, haben sich in der Praxis Versuche, Anlagenkennzahlen, die für einzelne Stationen sinnvoll sind, auf Linien oder Gewerke auszudehnen, nicht bewährt.
5.3. Das Betriebskennlinienverfahren Das Betriebskennlinienverfahren bietet eine einfache und in der Praxis gut anwendbare Methodik für das Assessment der Performance von Fertigungssystemen. Fertigungssysteme sind, wie oben bereits erläutert, komplexe Systeme, die sich einer einfachen algebraischen Analyse entziehen. Das Betriebskennlinienverfahren bietet eine einfache Heuristik, mittels der die Performance einer Fertigung beurteilt werden kann und die direkt die Beurteilung der Auswirkung von Änderungen ermöglicht. Dieses Verfahren wird hier in einer sehr kompakten Form kurz erläutert. Ausführliche Informationen und eine sehr umfassende Darstellung finden sich in (Engelhardt, 2000). Weitere Informationen zum Betriebskennlinienverfahren finden sich in (Pohl, 2002).
5.3.1. Das Trichtermodell der Fertigung Das Betriebskennlinienmodell fokussiert als Heuristik auf Parameter, die die Performance einer Fertigung global beschreiben und geht hierbei nicht auf die Besonderheiten der Fertigung hinsichtlich technischer oder logistischer Gegebenheiten ein. Der Heuristik liegt das Trichtermodell der Fertigung zugrunde, welches in Abb. 5.12 dargestellt ist ( (Pohl, 2002) nachempfunden und vom Autor erweitert). Die Fertigung kann in einer sehr vereinfachten Darstellung als ein Trichter aufgefasst werden. Auf der oberen Seite über dem Trichter warten alle für die Fertigung geplanten Aufträge auf ihre Bearbeitung. Im Trichter selbst befinden sich wartender Bestand und Aufträge, welche aktuell in Bearbeitung sind, während unten aus dem Trichter fertige Aufträge herauskommen. Ankommende Aufträge werden auch als Zugang, erledigte Aufträge als Abgang bezeichnet. Das Trichtermodell macht keinerlei Annahme und nimmt keinen Bezug auf den inneren Aufbau der Fertigung. Die Fertigungstechnologie wird also nicht berücksichtigt. Die dem Trichtermodell zugrunde liegende Vereinfachung bedingt auch, dass sich das Betriebskennlinienverfahren für komplexe Fertigungsstrukturen, die keinen Linienablauf zeigen, schlecht eignet. Solche Strukturen sind bei Zulieferern häufig aber bei Automobilbauern kaum zu finden.
Das Betriebskennlinienverfahren
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Abb. 5.12 – Trichtermodell der Fertigung
5.3.2. Das Durchlaufdiagramm Auf Basis des Trichtermodells ist es möglich, ein Durchlaufdiagramm zu erstellen, indem die Veränderungen der Zugänge und der Abgänge über der Zeit aufgezeichnet werden. Die Erstellung von Durchlaufdiagrammen kann in Form von Berichten aus Daten, welche im Produktionsleitsystem gespeichert sind, erfolgen. Abb. 5.13 zeigt ein Beispiel für ein Durchlaufdiagramm. Zu Beginn des Beobachtungszeitraums besteht in der Fertigung ein bestimmter Anfangsbestand. Dieser kann durch eine Inventur oder auf Basis von Daten im Produktionsleitsystem ermittelt werden. Ebenso ergibt sich am Ende des Beobachtungszeitraums ein Endbestand von Aufträgen in der Fertigung. Üblicherweise korreliert der Bestand in der Fertigung mit der Durchlaufzeit. Die Bedeutung dieses Parameters wird weiter unten beschrieben.
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Arbeit
Zugang im Beobachtungszeitraum
Zugänge
Bestand
Endbestand
Reichweite
Abgänge
Anfangsbestand
Abgang im Beobachtungszeitraum
Zeit
Beobachtungszeitraum
Abb. 5.13 – Das Durchlaufdiagramm
Aus dem Durchlaufdiagramm kann bereits auf die Lastsituation in der Fertigung geschlossen werden, wie Abb. 5.14 zeigt. Überlast
Angepasst
Unterlast
Abb. 5.14 – Durchlaufdiagramme für verschiedene Lastsituationen
Wenn die Zugänge stärker steigen, als die Abgänge, so ist die Fertigung überlastet. Wenn auf der anderen Seite der Bestand immer wieder auf Null sinkt (Zugang = Abgang), dann ist die Fertigung nicht ausgelastet. Anzustreben ist ein Arbeitspunkt im angepassten Bereich, wie in der Mitte dargestellt, in dem der Bestand an der Linie abgesehen von temporären Schwankungen konstant bleibt.
Das Betriebskennlinienverfahren
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Einlastungsbedingte Probleme Abb. 5.15 zeigt das Durchlaufdiagramm im Fall einlastungsbedingter Probleme.
Abb. 5.15 – Durchlaufdiagramm bei einlastungsbedingten Problemen
Die Fertigung wird weder über- noch unterlastet. Dies ist dadurch erkennbar, dass die Zugangs- und Abgangskennlinien weitgehend parallel verlaufen. Der Bestand in der Linie ist allerdings zu hoch. Dieses Problem ist bedingt durch die Einlastung. Typische Maßnahmen zur Lösung solcher Probleme sind z.B. die Redimensionierung von Puffern und Sicherheitsbeständen, zeitlich beschränkte Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung, wie z.B. Sonderschichten order flexible Arbeitszeitmodelle und eine zeitlich beschränkte Anpassung der Einlastung z.B. durch eine Sonderaktion des Marketings zum Abbau von Ladenhütern. Alle diese Maßnahmen weisen eine relativ kurze Fristigkeit auf, sodass einlastungsbedingte Probleme meist relativ schnell in den Griff zu bekommen sind.
Strukturbedingte Probleme Strukturbedingte Probleme treten dann auf, wenn die Einlastung von Aufträgen und die Leistung der Fertigung nicht aufeinander abgestimmt sind. Dies ist daraus zu erkennen, dass die Zugangs- und die Abgangskennlinien nicht parallel verlaufen. Abb. 5.16 zeigt diese Situation.
162
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Abb. 5.16 – Durchlaufdiagramm bei strukturbedingten Problemen
Strukturbedingten Problemen kann man nicht durch kurzfristige Maßnahmen zur Bestandsangleichung, wie etwa Überstunden oder Sonderschichten beikommen. Wirksam sind hier nur langfristige Maßnahmen, wie z.B. eine Änderung der Losgrößenstrategie, die Anpassung der Kapazität z.B. durch Einstellen zusätzlicher Mitarbeiter oder Investition in neue Maschinen. Als Abhilfe ist auch eine Anpassung der Einlastung möglich, was z.B. durch eine veränderte Preisstrategie, eine Anpassung des Produktportfolios oder Adressierung anderer Märkte erreicht werden kann.
Schwankungen von Zu- und Abgängen Abb. 5.17 zeigt ein typisches Bild, welches sich bei schankenden Zu- und Abgängen ergibt.
Abb. 5.17 – Durchlaufdiagramm bei einlastungsbedingten Problemen
Das Betriebskennlinienverfahren
163
Zu- und / oder Abgänge verlaufen sehr ungleichmäßig, was zu erheblichen Variationen in der Fertigung führt. Hier müssen Maßnahmen zur Glättung der Zuund / oder Abgänge ergriffen werden. Mögliche Maßnahmen sind z.B. die Glättung der Fertigungsleistung z.B. durch Veränderung der Wartungsintervalle, eine Reorganisation der Schichtmodelle oder die Verringerung von Losgrößen und Pufferlagern. Zusätzliche sollten Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer Glättung des Zuflusses führen, was z.B. durch Reduktion der Einschleusungsintervalle oder Verringerung der Produkt- und Variantenvielfalt innerhalb der Fertigungslinie durch Segmentierung der Fertigung erreicht werden kann.
5.3.3. Das Sechs-Partner Modell Abb. 5.18 illustriert das Sechs-Partner Modell an Hand eines Ishikawa Diagramms:
Ursache Mensch
Maschine
Wirkung Milieu
Problem
Material
Methode
Messung
Abb. 5.18 – Das Sechs-Partner Modell
Für den Betrieb einer Fertigung müssen stets vier verschiedene Produktionspartner bereitstehen, nämlich Mensch, Maschine, Material und Methode. Das Milieu und die Messung kommen für Betrachtungen in der Qualitätssicherung hinzu und sollen hier nicht berücksichtigt werden. Wenn einer der Produktionspartner nicht verfügbar ist, so kommt es zum Stillstand der Fertigung. Je besser die vier Produktionspartner in ihren Verfügbarkeiten aufeinander synchronisiert sind, umso höher ist die Gesamtverfügbarkeit der Fertigung. Abb. 5.19 zeigt ein einfaches Beispiel zu dieser Überlegung. In diesem Diagramm werden über den Zeitraum eines Monats grob die Zeiten aufgezeichnet, in denen die jeweiligen Produktionspartner verfügbar oder nicht verfügbar waren.
164
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
95%
Mensch
85%
Maschine
85%
Material
80%
Methode
Produktivzeit
Zeit
01.01.2005
31.01.2005
Abb. 5.19 – Beispiel für einen Verfügbarkeitsverlauf der Produktionspartner
Wenn die Verfügbarkeiten der vier Produktionspartner nicht aufeinander abgestimmt sind, so ergibt sich die Gesamtverfügbarkeit aus dem Produkt der Verfügbarkeiten der einzelnen Produktionspartner. Die Produktivzeit errechnet sich für das Monat also zu: Produktivzeit = 31 Tage * (0,95 * 0,85 * 0,85 * 0,80) = 17 Tage
Bei einer optimalen Synchronisation der Produktionspartner ergibt sich die Gesamtverfügbarkeit als Minimum der Verfügbarkeiten der einzelnen Produktionspartner. Die Produktivzeit errechnet sich nun zu: Produktivzeit = 31 Tage * min(0,95; 0,85; 0,85; 0,80) = 25 Tage
Die Erhöhung der Verfügbarkeit der Fertigung hat einen direkten Einfluss auf den Durchsatz der Fertigung, denn der Durchsatz errechnet sich zu:
Durchsatz =
Gesamtzeit • Verfügbark eit Taktzeit
Der Partner Mensch Die Erhöhung der Verfügbarkeit des Partners Mensch bedarf besonderer Maßnahmen, die sich von den technischen Maßnahmen, welche helfen können, die Verfügbarkeit von Maschinen zu verbessern, unterscheiden. Beispiele für Maßnahmen zur Erhöhung der Verfügbarkeit des Partners Mensch sind eine gute Koordination von Pausen- und Übergabezeiten, sowie dienstlich bedingter Abwesenheiten, der flexible Einsatz von Springern zum Ausgleich von Fluktuationen der
Das Betriebskennlinienverfahren
165
Belastung einzelner Maschinen sowie für Ausfallszeiten von Mitarbeitern, die Senkung der krankheitsbedingten Ausfälle durch gesundes, motivierendes Klima oder Maßnahmen zur Schaffung eines Bewusstseins für ungünstige Situationen, durch Verdeutlichung der Notwendigkeit, die Produktionspartner aufeinander abzustimmen (z.B. Zeiten für Schulung, Pausen etc. auf Zeiten verlegen, in denen Maschinen ohnehin wegen Wartung stillstehen). Motivierte und informierte Mitarbeiter sind die beste Voraussetzung für den optimalen Betrieb der Fertigung. Investitionen in die Motivation, Ausbildung und Zufriedenheit von Mitarbeitern sind daher nicht als soziales Engagement zu verstehen, sondern helfen, deren Verfügbarkeit zu erhöhen. Diese Aufwände rechnen sich daher relativ schnell und sind ebenso zu betrachten, wie Investitionen in Maschinen, die Wertschöpfungskette oder neue Fertigungsmethoden.
Engpässe Engpassmaschinen erfordern besondere Maßnahmen, da sich deren Verfügbarkeit direkt auf die Verfügbarkeit der Fertigung auswirkt. Produktionsleitsysteme können jederzeit zur Ermittlung von Engpässen in der Fertigung herangezogen werden, wobei sich je nach Struktur der Fertigung verschiedene Kriterien für die Beurteilung von Engpässen eignen. In Fertigungen, die keine Linienstruktur aufweisen, wie z.B. Teilefertigung oder mechanische Fertigung, können Engpassmaschinen anhand der Menge des wartenden Bestandes vor der Maschine (Länge der Warteschlange) ermittelt werden, während in Fertigungen mit Linienstruktur jene Stationen Engpässe bilden, deren Bearbeitungszeit knapp an der Taktzeit liegt. Dies wird sofort klar, wenn man bedenkt, dass eine Station, die knapp an der Taktzeit liegt, wesentlich längere Zeit benötigt, den Ausfall eines Taktes wieder aufzuholen, als eine Station mit Taktzeitreserven. In Fertigungen mit starrer Kopplung (z.B. Schubplattform) wiederum ist die Verfügbarkeit der Station (Gesamtverfügbarkeit) das Kriterium für die Auswahl von Engpässen. Engpässe können nur durch langfristige Maßnahmen erfolgreich beseitigt werden, welche sich nicht immer rechnen (z.B. Anschaffung einer zweiten Maschine). In vielen Fällen wird man also mit Engpassmaschinen leben müssen. Dennoch kommt eine Reihe von Maßnahmen in Betracht, die helfen, die Verfügbarkeit von Engpassmaschinen zu erhöhen. An der Engpassmaschine darf der Materialfluss niemals abreißen. Eine Materialverfügbarkeit von annähernd 100% kann z.B. durch das Vorhalten von Puffern erreicht werden. Weiters müssen an einer Engpassmaschine jederzeit Bediener bereitstehen. Eine Personalverfügbarkeit von annähernd 100% ist z.B. durch Springer oder Aushilfe durch Bediener anderer Maschinen erreichbar. Anzustreben ist auch die Minimierung geplanter und ungeplanter Stillstände durch maximale Wartungsabdeckung (z.B. Nacht- und Wochenendbereitschaft, Serviceverträge). Letztlich sind verstärkte Maßnahmen zur Erhöhung der Produktionsgeschwindigkeit zu setzen. In Frage kommen z.B.
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Überwachung von Fertigungseinrichtungen
die Optimierung der Steuerprogramme, des Fertigungsprozesses oder die Minimierung von Rüstzeiten.
5.3.4. Die Betriebskennlinien Auf Basis der nun vorgestellten Modelle sollen nun schrittweise die Betriebskennlinien entwickelt werden, indem zunächst ein Modell für die optimale Fertigung, welche in der Realität nicht existiert, erläutert wird. Dieses Modell wird dann verallgemeinert, bis es auf reale Fertigungen angewendet werden kann.
Grundlegende Überlegungen Das Betriebskennlinienmodell geht von der Überlegung aus, dass Maßnahmen in bestimmten Bereichen zu einer Erhöhung der Fertigungsleistung führen. Hierzu zählt die Erhöhung der Verfügbarkeiten der Fertigungspartner (Mensch, Maschine, Material, Methode) z.B. durch Steigerung der Kapazitäten durch Einstellen von Personal oder Ankauf von Maschinen, durch Verminderung von Rüstzeiten oder die Vereinfachung von Verfahren. Eine weitere Stoßrichtung zur Verbesserung der Produktion ist die Reduktion der Variationen (Schwankungen) der einzelnen Verfügbarkeiten im Zeitverlauf, was z.B. durch eine Optimierung des Personalmanagements, eine verbesserte Instandhaltungsstrategie oder die Glättung des Materialflusses erreicht werden kann. Auch Maßnahmen, die zu einer Steigerung des Synchronisationsgrades führen, wirken sich positiv auf die Fertigung aus, da sie eine Reduktion der Variationen der Synchronisation der einzelnen Partner im Zeitablauf bewirken. Typische Beispiele sind die Glättung der Einschleusung, die Flussglättung auf Ebene der Partner oder die Terminierung von Verwaltungstätigkeiten auf Stillstandszeiten.
Theoretisches Modell der optimalen Fertigung Zunächst soll in einem Modell eine theoretische Fertigung betrachtet werden, in der keinerlei Störeinflüsse existieren. In dieser optimalen Fertigung sind alle Produktionspartner vollständig synchronisiert und zu 100% verfügbar. Die wesentlichsten Parameter für die Beurteilung des Arbeitspunktes dieser Fertigung sind die Durchlaufzeit bezogen auf den Durchsatz und der Bestand bezogen auf den Durchsatz. Die physikalische Durchlaufzeit ist die optimale Durchlaufzeit durch eine Fertigung, die dann erreicht wird, wenn kein Teil an einer Station auf seine Bearbeitung oder auf den Weitertransport zur nächsten Station warten muss. Sie entspricht also der Summe aus allen Bearbeitungs- und Transportzeiten und kann auf ver-
Das Betriebskennlinienverfahren
167
schiedene Weise ermittelt werden. Wenn eine leere Fertigung vorliegt, in der kein Bestand vorhanden ist (z.B. Situation beim Hochfahren nach dem Urlaub, wenn die Fertigung zuvor leergefahren wurde), so kann die Durchlaufzeit des ersten Teils, welcher eingesteuert wird, ermittelt werden. Da der erste Teil noch an keiner Stelle warten muss, ist die gemessene Durchlaufzeit sehr nahe an der physikalischen Durchlaufzeit. Wenn keine leere Fertigung hergestellt werden kann, so kann die Durchlaufzeit auch auf Basis von Planunterlagen der Prozessentwicklung abgeschätzt werden. Da in unserem Fall eine ideale Fertigung vorliegt, ist die Durchlaufzeit gleich der physikalischen Durchlaufzeit und damit unabhängig vom Durchsatz immer konstant. Der Durchsatz selbst kann nur zwischen 0% und der Kapazitätsgrenze liegen, diese aber nicht überschreiten. Der maximale Durchsatz ist durch den oben angegebenen Zusammenhang begrenzt (Durchsatz • Gesamtzeit / Taktzeit). Der Fertigungsbestand kann in der optimalen Fertigung beliebige Werte annehmen, ist aber in der Praxis durch die vorhandene Stellfläche und die vorhandenen Plätze in den einzelnen Puffern begrenzt. Wenn unsere optimale Fertigung aus dem Stillstand bis zur Kapazitätsgrenze hochgefahren wird, so ergibt sich ein Bild wie in Abb. 5.20 dargestellt.
Abb. 5.20 – Die ideale Betriebskennlinie
Die Durchlaufzeit bleibt bis zum Erreichen der Kapazitätsgrenze konstant, während der Bestand in der Fertigung linear zunimmt. Diese lineare Zunahme ist recht einfach zu erklären, da mit jedem Takt ein neuer Teil oder eine neue Charge zum Bestand hinzukommt, bis alle Stationen belegt sind.
168
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Reale Betriebskennlinien Wenn man vom Modell einer optimalen Fertigung abgeht und Störeinflüsse berücksichtigt, so wirken sich Störungen in zwei Weisen aus. Störungen führen dazu, dass Teile in der Fertigung warten müssen, bis sie an einer Station bearbeitet oder zur nächsten Station gefördert werden. Dies führt zu einer Erhöhung der Durchlaufzeit, die umso größer wird, je mehr sich der Durchsatz der Kapazitätsgrenze nähert. Dadurch dass vermehrt Teile in der Fertigung warten müssen, erhöhen sich deren Gesamtanzahl und damit der Bestand. Diese Erhöhung korreliert ebenfalls mit dem Durchsatz. Zusammenfassend bedeutet dies, dass Störeinflüsse die idealen Betriebskennlinien nach links oben und damit weg vom Optimum drängen. Dies führt zu folgendem Bild der realen Betriebskennlinien, wie in Abb. 5.21 dargestellt.
Abb. 5.21 – Reale Betriebskennlinien
Die Fläche im Diagramm, welche zwischen der optimalen Betriebskennlinie und der realen Betriebskennlinie liegt, wird als Leistungsverlust bezeichnet. Es ist wichtig, festzuhalten, dass sich die Kennlinien an der Kapazitätsgrenze asymptotisch verhalten. Dies bedeutet, dass die Kapazität einer Fertigung eine theoretische Größe ist und von einer realen Fertigung niemals erreicht werden kann. Der Begriff der Kapazität wird in vielen Betrieben und Publikationen fälschlich für tatsächlich erreichte oder geplante Produktionszahlen verwendet.
Der Arbeitspunkt der Fertigung Da nun die reale Betriebskennlinie vorliegt, stellt sich die Frage nach dem optimalen Arbeitspunkt, in dem die Fertigung betrieben werden soll. Der optimale Ar-
Das Betriebskennlinienverfahren
169
beitspunkt ist abhängig vom Einzelfall und der Situation des Unternehmens. Verschiedene Einflussfaktoren sind für die Auswahl des optimalen Arbeitspunktes ausschlaggebend. Vor allem die Auftragslage hat eine besondere Bedeutung, denn sie bestimmt die Zugänge und die Belastung der Fertigung. Je mehr das Unternehmen sich vom Verkäufer- in einen Käufermarkt bewegt, desto schlechter steuerbar werden die Zugänge. Zusätzlich gilt, je feiner die Taktung der Einschleusung gestaltet ist, desto besser. Auch die Lieferzeiten, die der Markt fordert, spielen eine wichtige Rolle bei der Wahl des optimalen Arbeitspunktes. Kurze Lieferzeiten erfordern kurze Durchlaufzeiten, während das Garantieren konstanter Lieferzeiten geringe Variationen erforderlich macht. Bei der Ermittlung des optimalen Arbeitspunktes stellt sich auch die Frage, wie kapital- bzw. personalintensiv die Fertigung ist. Je ressourcenintensiver eine Fertigung ist, desto höher muss die erzielte Volumendegression werden. Hiermit müssen auch die Auslastung und damit der Durchsatz steigen. Dies ist eng mit der Kostenposition verbunden, die der Markt verlangt. Abb. 5.22 zeigt die Situation in der Betriebskennlinie. Durchlaufzeit
Kompromissposition
Starke Schwankungen der Durchlauf zeit selbst bei kleinsten Änderungen
Auslastung, Durchsatz, Sowie Kostenposition nicht akzeptabel
Physikalische Durchlauf zeit = Minimale Durchlauf zeit
Fertigungsbestand im optimalen Punkt
0
0 0
Durchsatz
Kapazitätsgrenze
Abb. 5.22 – Arbeitspunkte der Fertigung
5.3.5. Die Ermittlung der Betriebskennlinien Der Vorteil am Betriebskennlinienverfahren ist, dass die Betriebskennlinien auf einfache Weise ermittelt werden können. Hierfür sind zunächst einige Größen zu definieren.
170
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Der Flussfaktor Der Flussfaktor (FF) entspricht dem Verhältnis der tatsächlich benötigten Durchlaufzeit (DLZ) inkl. Liege- und Wartezeiten zur minimalen physikalischen Durchlaufzeit (PDLZ). Hiermit errechnet sich der Flussfaktor nach folgender Formel: FF =
DLZ PDLZ
Die Ermittlung der physikalischen Durchlaufzeit wurde oben bereits erläutert. Die tatsächliche Durchlaufzeit sollte dann ermittelt werden, wenn sich die Fertigung im eingeschwungenen Zustand befindet, also weder in einer Anlauf- noch in einer Auslaufphase. Die Voraussetzung für die korrekte Ermittlung der Durchlaufzeit ist, dass sich ein stabiler Bestand in der Fertigung gebildet hat. Die Durchlaufzeit kann auf einfache Weise gemessen werden, indem ein Teil, welcher in die Fertigung eingeschleust wird, gekennzeichnet wird. Aus der Differenz der Zeit, zu der der Teil die Fertigung verlässt und der Zeit, zu der der Teil eingeschleust wurde, kann die Durchlaufzeit errechnet werden. Im Falle der optimalen Fertigung ist die Durchlaufzeit gleich der physikalischen Durchlaufzeit und der Flussfaktor gleich 1. In der Praxis liegt der Flussfaktor meist bei 2 – 3 oft aber auch höher. Je höher der Flussfaktor wird, desto höher sind die unproduktiven Wartezeitanteile.
Die Auslastung Die Auslastung (AL) ist der Quotient aus Durchsatz pro Zeiteinheit (DPZ) und Kapazität (KAPA). Sich ergibt sich zu: AL =
DPZ KAPA
0 ื AL ื 1
Im Optimalfall ist die Auslastung AL = 1. Dieser Wert kann in der Praxis allerdings nicht erreicht werden. Der Durchsatz pro Zeiteinheit kann durch Einsatz einer Stoppuhr und Abzählen der Teile sehr einfach ermittelt werden. Die Kapazität wird oft fälschlicherweise mit dem Durchsatz verwechselt, kann allerdings nicht durch Messung in der Fertigung bestimmt werden.
Das Betriebskennlinienverfahren
171
Der Variationsfaktor Der Variationsfaktor α modelliert Schwankungen im Produktionssystem, die von Änderungen in den Verfügbarkeiten der Produktionspartner herrühren und ergibt sich zu: AL +1 FF = α 1 − AL 0 ื AL ื1,α > 0 Im Optimalfall gilt α = 0. FF, AL und α beschreiben die Lage der Betriebskennlinie. In der Realität kann eine 100% Auslastung nicht erreicht werden, da dies mit unendlich großen Wartezeiten und unendlich hohem Bestand in der Linie verbunden wäre. Dies bedeutet für die Betriebskennlinie eine Situation so wie in Abb. 5.23 dargestellt. Die KAPA gibt eine Grenze f ür den Durchsatz an, der selbst im Optimalf all nicht überschritten werden kann
Leistungsverlust Durchlaufzeit
Realf all bei α > 0
Idealf all bei α = 0, dies bedeutet, dass keinerlei Schwankungen auf treten
Physikalische Durchlauf zeit = Minimale Durchlauf zeit bei FF = 1 0 0
Durchsatz
KapazitätsGrenze AL = 1
Abb. 5.23 – Die errechnete Betriebskennlinie
Der Leistungsverlust wird von der Fertigung, aber auch von der steuernden Einheit (Fertigungssteuerung) bestimmt, welche die Einsteuerung von Aufträgen in die Fertigung und die Steuerung der Logistik vornimmt. Als Faustregel gilt: Je tiefer die Betriebskennlinie liegt, desto besser.
Der Bestand Der aktuelle Fertigungsbestand (WIP, Work in Progress) kann aus der Durchlaufzeit (DLZ) und den Durchsatz (DPZ) berechnet werden, wie folgende Formel zeigt:
172
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
WIP = DLZ • DPZ
WIP = α
DPZ • PDLZ + DPZ • PDLZ KAPA −1 DPZ
Die untere Formel gibt die Kennlinie für den Fertigungsbestand an, der aus Variationsfaktor α, Durchsatz (DPZ), Kapazität (KAPA) und physikalischer Durchlaufzeit (PDLZ) errechnet wird. Der aktuelle Fertigungsbestand kann durch abzählen des Bestandes in der Linie, also durch eine Inventur ermittelt werden.
5.3.6. Optimierungsansätze Abb. 5.24 zeigt die möglichen Optimierungsansätze für Fertigungsbetriebe aus der Sichtweise des Betriebskennlinienverfahrens.
WIP/FF Erhöhung der Kapazität
Verminderung der Variabilität
0 0
AL
KAPA
KAPA neu
Abb. 5.24 – Optimierungsansätze an Hand der Betriebskennlinie
Die Verschiebung des Arbeitspunktes auf der bestehenden Betriebskennlinie bringt keine wirkliche Optimierung. Verbesserungen können nur durch eine Verschiebung der Kennlinie selbst erreicht werden, wobei grundsätzlich zwei verschiedene Optimierungsmöglichkeiten bestehen. Einerseits kann man eine Verringerung der Variabilität anstreben. Dies bedeutet eine Verschiebung der Betriebskennlinie nach unten, da die Leistungsverluste verringert werden. Mögli-
Das Betriebskennlinienverfahren
173
che Maßnahmen wären eine Glättung der Einsteuerung oder eine Verbesserung der Qualitätsrate. Andererseits ist es auch möglich, die Kapazität zu erhöhen. Dies bewirkt eine Spreizung der Betriebskennlinie nach rechts. Eine mögliche Maßnahme in diesem Bereich wäre z.B. die Anschaffung neuer Maschinen. In der Praxis ergibt sich immer eine Reihe von Rückwirkungen, sodass die Änderung eines Parameters (z.B. Durchlaufzeit) immer Rückwirkungen auf andere (z.B. Bestand) hat. In einer Optimierungsphase müssen die Änderungen der zusammenhängenden Parameter temporär nicht immer korrelieren. Zudem sind mögliche Optimierungen immer im Zusammenhang mit dem Arbeitspunkt, in dem die Fertigung betrieben wird zu sehen, wie Abb. 5.25 zeigt. KL alt
FF
KL neu
6
KAPA vor Maßnahme
5
KAPA nach Maßnahme
4 3 2 1 0 0
2000
4000
6000
8000
Durchsatz
Abb. 5.25 – Abhängigkeit der Optimierung vom Arbeitspunkt
Wenn sich die alte und die neue Betriebskennlinie, die sich nach einer Optimierung ergibt, nicht schneiden, so ist immer die tiefer liegende Kennlinie zu bevorzugen. Im oben gezeigten Fall schneiden sich die Kennlinien und die Beurteilung, ob eine Optimierung eine Verbesserung bringt, ist zusätzlich vom angestrebten oder erreichten Arbeitspunkt auf der Kennlinie abhängig.
174
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
5.4. Berichtswesen Die Produktionsleittechnik errechnet eine Menge von Produktionsdaten und Anlagendaten sowie eine Reihe von Anlagenkennzahlen. Benutzer sind an diesen Daten nicht nur im Rahmen der Visualisierung aktueller Daten, die meist Schichtoder Tagesbezogen sind, interessiert, sondern benötigen auch eine Reihe von Berichten, die bei Bedarf möglichst unkompliziert und schnell zur Verfügung stehen müssen. Berichte können je nach Bedarf verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Die erste Kategorie bilden Standardberichte, die regelmäßig in gleicher Form erzeugt werden. In diese Kategorie fallen z.B. Schichtberichte über Stückzahlen und Qualität. Standardberichte werden selten verändert und bleiben normalerweise über längere Zeiträume sowohl was das Layout als auch den Dateninhalt betrifft gleich. Standardberichte werden normalerweise vom Administrator des Produktionsleitsystems erstellt und können von Benutzern nicht verändert werden. Das Produktionsleitsystem sollte zudem die Möglichkeit bieten, diese Berichte automatisch zu festgesetzten Zeiten zu erzeugen (z.B. am Ende jeder Schicht) und z.B. per e-Mail an Benutzer zu versenden. Eine weitere Gruppe stellen Ad Hoc Berichte dar. Diese Berichte liegen ebenfalls in standardisierter Form vor und werden vom Administrator verwaltet. Sie besitzen im Unterschied zu den Standardberichten allerdings Parameter, die dem Benutzer die Einschränkung und Angabe der anzuzeigenden Daten sowie die Beeinflussung der Formatierung erlauben. Der Benutzer muss bei Bedarf die Generierung eines solchen Berichts im Produktionsleittechnik Client anstoßen können. Letztlich muss auch eine Möglichkeit vorhanden sein, benutzerspezifische Berichte zu erstellen. Fortgeschrittene Benutzer, welche vor allem in dem Planungsstäben der Produktion und der Instandhaltung zu finden sind, werden die Daten im Produktionsleitsystem oftmals zur Betrachtung spezieller Probleme benötigen. Da die Fragestellungen von Fall zu Fall verschieden sind (z.B. welche Fahrzeuge waren in einem bestimmten Zeitraum mehrmals am Fahrwerkseinstellstand und warum?), muss eine Möglichkeit bestehen, Abfragen ad hoc zu erstellen. Viele Anwender verwenden Werkzeuge wie Microsoft Excel, um die so erhaltenen Daten weiter zu filtern und aufzubereiten. Benutzer des Produktionsleitsystems haben an Berichte sehr unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich Flexibilität und Dateninhalte. Die Berichtsfunktionen im Produktionsleitsystem müssen diesen breit gefächerten Anforderungen gerecht werden.
Berichtswesen
175
5.4.1. Berichte und OLTP Besonders fortgeschrittene Benutzer in der Planung und im Qualitätswesen benötigen oft auch Daten, welche sich über längere Zeiträume erstrecken. Oft ist es erforderlich, Daten über Fahrzeuge abzufragen, welche bereits vor Monaten oder seltener Jahren ausgeliefert wurden. Dies wäre z.B. bei Produkthaftungsfragen der Fall. Dieser Erfordernis, Daten für Berichtszwecke über lange Zeiten zur Verfügung zu stellen, widerspricht die Anforderung an das Produktionsleitsystem, auf externe Ereignisse in der Anlage möglichst schnell zu reagieren, also möglichst kurze Antwortzeiten zu bieten. In diesem Sinne ist das Produktionsleitsystem ein OLTP System (Online Transaction Processing). OLTP Systeme halten eine möglichst geringe Menge an Daten in der Datenbank, da aufwändige Suchprozesse die Antwortzeiten erheblich verlängern. Zudem ist die Transaktionslast sehr hoch. Jede Transaktion oder Abfrage bewegt üblicherweise nur geringe Datenmengen, aber die Rate der Transaktionen ist so hoch, dass insgesamt eine sehr hohe Last vom zentralen Server zu bewältigen ist. Systeme, welche große Datenmengen für Berichte zur Verfügung stellen, verhalten sich völlig anders. Die Transaktionslast ist vergleichsweise gering, aber die Datenmengen je Transaktion sind hoch. Zudem speichern diese Systeme eine ungleich größere Menge an Daten. Diese Systeme werden auch als Data Warehouse Systeme bezeichnet. Ein Produktionsleitsystem muss hiermit also zwei sehr verschiedenen Anforderungen entsprechen, was in der Praxis nur möglich ist, wenn OLTP und Berichte in getrennten Datenbanken implementiert werden, wie Abb. 5.26 zeigt.
Abb. 5.26 – OLTP und Data Warehouses
176
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
In diesem Szenario werden zwei Datenbanken mit einer klaren Aufgabenteilung eingesetzt. Eine Datenbank enthält so wenige aktuelle Daten, wie möglich und ist für alle Aufgaben, die für den Betrieb des Produktionsleitsystems zu implementieren sind, zuständig. Die zweite Datenbank enthält eine wesentlich größere Datenmenge, da sie auch historische Daten speichert und ist für die Generierung von Berichten verantwortlich. Der Vorteil in diesem Szenario ist, dass auch umfangreiche Abfragen, die sehr lange laufen, den Betrieb des Produktionsleitsystems nicht beeinflussen können. Die Probleme bei dieser Systemstruktur bereitet im Regelfall die Implementierung des Datentransfers vom OLTP Server zum Berichtsserver. Hierbei sind zwei verschiedene Aufgaben zu bewältigen, die nicht unbedingt nur mittels eines einzigen Mechanismus zu implementieren sind. Die erste dieser Aufgaben ist der Transfer der Daten vom OLTP zum DW, welcher möglichst zeitnah erfolgen muss. Der Transfer z.B. in der produktionsfreien Zeit ist nicht ausreichend, da der Berichtsserver sonst nur für die Auswertung historischer Daten eingesetzt werden kann, aktuelle Daten aber nach wie vor aus dem OLTP System abgerufen werden müssen. In diesem Sinn ist es ideal, die Daten im DW möglichst synchron mit den Daten im OLTP zu halten. Das Problem ist, dass man im Regelfall Kompromisse eingehen muss, da sonst die Last, die der Datentransfer am OLTP verursacht unverhältnismäßig hoch würde. Weiters ist es erforderlich, alte Daten aus dem OLTP zu löschen. Dieser Vorgang ist normalerweise unkritisch und kann durch einen Job, der in der produktionsfreien Zeit abläuft, implementiert werden. Dieser Job hat einfach die Aufgabe, Daten, welche älter sind als eine definierte Zeitspanne (z.B. zwei Wochen), zu löschen. Hierbei sollte allerdings sichergestellt werden, dass Daten nur dann gelöscht werden, wenn sie zuvor auf das DW kopiert wurden. Durch die Aufteilung der Daten auf DW und OLTP ergibt sich eine zusätzliche Komplexitätsebene, da Schema Änderungen im OLTP auch auf das DW repliziert werden müssen. Verschiedene Datenbankserver bieten unterschiedliche Mechanismen an, mit denen Daten in das DW transferiert werden können. Beispiele sind Snapshots oder Partitioned Views, die für solche Zwecke verwendet werden können.
5.4.2. Dateninhalte von Berichten Die Stellen rund um die Fertigung, die an Berichten interessiert sind, haben sehr unterschiedliche Interessen. Dementsprechend finden sich in einem Produktionsleitsystem im Regelfall erheblich mehr als 150 verschiedene Berichte, die unterschiedliche Aspekte der Fertigung darstellen. Die wichtigsten sollen hier kurz aufgelistet werden. Abb. 5.27 zeigt einen typischen Bericht, so wie er von der Instandhaltung zur Beurteilung der Performance von Anlagen herangezogen wird, wobei die Daten
Berichtswesen
177
typisch für die Situation zu Beginn der Anlageninbetriebnahme sind. Als Ausgabeformat wurde Microsoft Excel gewählt (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 5.27 – Beispiel für einen Bericht in Microsoft Excel
Abb. 5.28 zeigt den Aufruf von Berichten aus dem Produktionsleittechnik Client (Kon-Cept GmbH., 2008).
178
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Abb. 5.28 – Web-basierter Zugriff auf Berichte
Tabelle 5.3 listet die Arten von Berichten auf, die grundsätzlich erforderlich sind. Hier kann keine vollständige Liste an Berichten präsentiert werden. Sinn dieser Auflistung ist es, dem Leser einen Eindruck davon zu geben, welche Berichte in einem Produktionsleitsystem üblicherweise vorliegen.
5.4.3. Anforderungen an den Berichtsserver An den Berichtsserver, der ein Teil des Produktionsleitsystems ist, werden umfangreiche Anforderungen gestellt. Berichte müssen mit Hilfe einer einfachen Benutzeroberfläche, die keine tiefgehenden Programmierkenntnisse erfordert, erstellbar sein. Die meisten Datenbankserver, die am Markt erhältlich sind, bringen solche Editoren für Berichte bereits mit. Diese Werkzeuge sind allerdings nur dann einfach zu handhaben, wenn das Schema in der Datenbank klar bezeichnet und einfach zu verstehen ist. Hier spielt eine brauchbare und rigoros eingehaltene Namenskonvention eine große Rolle. Es muss auch möglich sein, Berichte ad hoc abzurufen, wobei Berichte über Parameter verfügen können, die der Benutzer vor Abruf des Berichts eingibt.
Berichtswesen
179
Tabelle 5.3 – Arten von Berichten im PLS Berichtsart
Beschreibung
Anlagenkonfiguration
Abfragen über die in der Produktionsleittechnik vorhandene Anlagenkonfiguration. Diese Berichte werden hauptsächlich für die Fehlersuche und für Audits verwendet.
Prozessplan und Teilemodell
Abfragen hauptsächlich für Fehlersuche, aber auch für die Dokumentation von Istverbau versus Sollverbau
Teilebezogene Abfragen
Diese Abfragen ermöglichen es, die Geschichte eines Teils zu verfolgen. Wann befand sich der Teil an welcher Station? Wie waren die einzelnen Bearbeitungsergebnisse? Welche Checklisten wurden wann von wem abgehakt? Welche variablen Prozessdaten wurden erzeugt? Welche Nacharbeiten sind wann angefallen? Wie oft war das Fahrzeug an welchen Prüfständen? Diese Berichte sind vor allem dann von Bedeutung, wenn in der Validierung oder nach Auslieferung Reklamationen zu einem bestimmten Fahrzeug nachzugehen ist.
Sequenzbezogene Abfragen
Welche Fahrzeuge wurden unmittelbar vor oder nach einem bestimmten Fahrzeug bearbeitet? Welche Fahrzeuge könnten von einem festgestellten Mangel noch betroffen sein? In welchen Fahrzeugen wurden noch Airbags der gleichen Charge verarbeitet?
Anlagenbezogene Abfragen
Welche Verfügbarkeit, OEE etc. ist an welchen Anlagen in der letzten Woche oder Schicht aufgezeichnet worden? Wie hat sich die Verfügbarkeit oder die FTC Rate in einer Linie im letzten Quartal entwickelt? Wie stand es um die Taktzeiten an den einzelnen Stationen im Rohbau? Gab es Engpässe? Was sind die Top 10 Fehler, die Taktzeiten oder Qualität kosten? Hat eine durchgeführte Verbesserungsmaßnahme die Verfügbarkeit einer Anlage tatsächlich erhöht?
Abfragen zur Nacharbeit
Welche Nacharbeiter haben in der letzten Woche welche Tätigkeiten durchgeführt? Was waren die Top Probleme, die Nacharbeiten erfordert haben? Durch welche Zonen oder Stationen wurden die meisten Nacharbeiten verursacht? Welche Einbauteile hatten die höchsten Fehlerraten?
Systemadministration
Wie groß ist der CPU- oder Speicherbedarf am Produktionsleittechnik Server? Wie gut waren die Antwortzeiten? Gab es Deadlocks oder andere interne Probleme?
Das Abrufen und die Anzeige von Berichten sollten in die Standardbenutzeroberfläche des Produktionsleittechnik Clients integriert sein und Berichte sollten in verschiedenen Formaten abgerufen werden können, wobei besonders HTML, PDF, XML oder CSV von Interesse sind. Berichte sollten neben Textform, wie Tabellen etc. auch die Möglichkeit bieten, Grafiken, wie Bargraphen oder Tortendiagramme, anzuzeigen. Benutzer sollten optional die Möglichkeit haben, Standardberichte zu abonnieren und auf diese Weise Berichte z.B. am Ende jeder Schicht automatisch per eMail zu erhalten. Fortgeschrittene Benutzer sollten, Berichte auch mit anderen
180
Überwachung von Fertigungseinrichtungen
Werkzeugen, wie Microsoft Excel oder Crystal Reports abfragen können. Diese Werkzeuge erfordern umfangreichere Kenntnis der Abfragesprache und der Schemas, bieten aber eine erheblich größere Flexibilität bei der Gestaltung von Abfragen. Benutzer, die für diese Art der Erzeugung von Berichten in Frage kommen, sind Mitarbeiter in der Planung, im Qualitätswesen oder in der Instandhaltungsplanung. Die Verarbeitung von Berichten, auch wenn diese umfangreicher sind, darf die Funktionalität und das Zeitverhalten des Produktionsleitsystems nicht einschränken oder gefährden. Um dies sicherzustellen, hat es sich bewährt, für den Zugriff auf Daten gespeicherte Prozeduren bereitzustellen, die allen Abfragen vor ihrer Ausführung prüfen, anstatt direkten Zugriff auf Tabellen und Ansichten zuzulassen.
6. Unterstützung der Instandhaltung In diesem Abschnitt wird erläutert, wie Produktionsleitsysteme Prozesse in der Instandhaltung von Produktionsanlagen unterstützen können. Ausgehend von einem Abriss der Entwicklung und Steigerung der Anforderungen an die Instandhaltung wird das Modell „Reliability Centered Maintenance“ beschrieben. Anschließend werden Funktionen in der Produktionsleittechnik zur Unterstützung der reaktiven Wartung erläutert. Hierzu zählen Funktionen wie Visualisierung, Alarmierung, Unterstützung von Best Practice Ansätzen und von Notfahrweisen. Anschließend werden Funktionen zur Unterstützung der vorbeugenden Instandhaltung erläutert. Hierzu zählen Prozesse wie Kalibrierung von Messmitteln, Wartungstrigger, TPM und Schnittstellen zu Wartungsmanagementsystemen.
6.1. Einleitung Die Anforderungen an die Instandhaltung einer Anlage haben sich stufenweise entwickelt, wie Abb. 6.1 zeigt (Moubray, 1997). Dritte Generation
Zweite Generation • Anlagenverfügbarkeit erhöhen • Lebensdauer der Ausrüstung und der Anlagen verlängern • Kosten minimieren
Erste Generation
• Höhere Anlagenverfügbarkeit und Verlässlichkeit • Höhere Sicherheit • Verbesserte Produktqualität • Umweltverträgliche Produktion sicherstellen • Lebensdauer der Ausrüstung und der Anlagen verlängern • Höhere Kosteneffizienz
• Reparieren, was kaputt geht
1940
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
Abb. 6.1 – Stufenweise Entwicklung der Instandhaltung
In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, wurde kein Wert auf vorbeugende Wartungsmaßnahmen gelegt. Das verwendete Equipment war einfach nur zu reparieren und die Arbeit war größtenteils manuell, sodass Ausfälle keine besondere Rolle spielten. In dieser ersten Stufe fand ausschließlich reaktive Wartung statt. In einer zweiten Phase, die etwa bis Mitte der 1980er Jahre dauerte, nahm die Komplexität der eingesetzten Maschinen zu, sodass Ausfallszeiten eine immer bedeutendere Rolle spielten. Aus diesem Grund wurden Maßnahmen zur regelmäßi-
182
Unterstützung der Instandhaltung
gen vorbeugenden Wartung eingeführt. Da auch die Kapitalisierung in Anlagen zunahm, versuchte man auch zusehends Möglichkeiten zu finden, die Lebensdauer der Anlagen zu erhöhen. In dieser Zeit stiegen auch die Kosten im Instandhaltungsbereich überproportional stark, sodass Systeme für die Planung und das Management der Instandhaltung eingeführt wurden, die das Ziel hatten, die Wartungskosten in Grenzen zu halten. Aus dieser Zeit stammt auch noch die vielfach verbreitete Ansicht, dass die Minimierung von Wartungskosten eine sinnvolle Managementaufgabe ist. Stattdessen ist die Optimierung des Wertes der Anlage als Ziel zu verfolgen. Weitere Gedanken hierzu finden sich weiter hinten in diesem Abschnitt. In einer dritten Phase, die bis heute andauert, kamen zusätzliche Anforderungen, wie Erhöhung der Sicherheit, Umweltverträglichkeit etc. hinzu, was die Aufgaben in der Instandhaltung zusätzlich komplexer machte. Dies erforderte zusätzlich neue Mittel, wie zustandsbasierte Wartung (Condition-based Monitoring), Expertensysteme etc. Somit stehen in dieser dritten Phase drei Methodiken für die Wartung parallel nebeneinander, nämlich die reaktive Wartung, die vorbeugende Wartung und die zustandsbasierte Wartung. Aus der systemtechnischen Sicht sollte noch eine weitere Methodik hinzukommen, nämlich die analytische Wartung. In dieser Methodik werden Wartungsmaßnahmen gezielt auf Basis von Informationen und Analysen über die Performance der Anlagen geplant. In diesem Abschnitt soll ein Beispiel für einen Prozess im Bereich der analytischen Instandhaltung beschrieben werden, der im Zuge der Einführung von Produktionsleitsystemen implementiert werden sollte.
6.2. RCM (Reliability Centered Maintenance) Reliability Centered Maintenance (RCM) ist ein Standard, der von der Society of Automotive Engineers (SAE) herausgegeben wird (SAE Standard JA1011). Eine vollständige Beschreibung dieses Standards ist in diesem Dokument nicht möglich, dennoch sollen einige wesentliche Ideen dargestellt werden. RCM verfolgt das Ziel, die besten Methoden auszuwählen, um mit jeder Type von Fehlern optimal umzugehen, um die Erwartungen des Betriebes und der Umwelt hinsichtlich Betrieb, Sicherheit und Umweltverträglichkeit zu erfüllen. Weiters soll die kosteneffizienteste und dauerhafteste Arbeitsweise gewählt werden und Augenmerk auf das Sichern der aktiven Mitarbeit von und Unterstützung durch alle beteiligten Stellen gelegt werden. RCM bietet einen Satz standardisierter Methoden zur Planung, Umsetzung und Überprüfung von Wartungsaktivitäten zur Erreichung dieser Ziele. Nicht alle in RCM beschriebenen Methoden sind unumstritten. Dennoch gibt es eine Reihe von Ideen und Werkzeugen, deren Übernahme in den meisten Fertigungsbereichen sinnvoll ist. Besonders bedeutend ist, dass RCM bei der Instandhaltung von Equipment nicht nur die Funktion des Equipments selbst, sondern auch den Kon-
RCM (Reliability Centered Maintenance)
183
text, in dem es eingesetzt wird, betrachtet. Dies soll an Hand eines Beispiels entsprechend von Abb. 6.2 betrachtet werden (Kropik, 2004). Pumpe aus bei 90.000 l
Pumpe aus bei 90.000 l Pumpe 400 l/min
Pumpe 400 l/min
Auslass 350 l/min
Auslass 300 l/min Pumpe ein bei 45.000 l
Pumpe ein bei 45.000 l
Abb. 6.2 – Beispiel für Abhängigkeit der Instandhaltungsstrategie vom Kontext
In der obigen Abbildung ist der Einsatz ein- und desselben Equipments in zwei verschiedenen Kontexten beschrieben. Das Equipment ist eine Pumpe, die mit einer Förderleistung von 400 l/min einen Tank mit Flüssigkeit füllt. Die beiden Einsatzfälle unterscheiden sich nur durch die Menge an Flüssigkeit, die dem Tank pro Zeiteinheit entnommen wird. Wir nehmen weiterhin an, dass laut Wartungshandbuch des Herstellers die Reparatur eines Lagerschadens an der Pumpe 4,5 Stunden in Anspruch nimmt und dass Methoden für die Zustandsbeobachtung zur Verfügung stehen, die eine Früherkennung von Lagerschäden ermöglichen. Im ersten Fall werden 300 l/min entnommen. Wenn also ein Lagerschaden bevorsteht, so kann der Tank vollständig aufgefüllt werden, bevor die Reparaturarbeiten beginnen. Bei vollem Tank dauert es 5 Stunden, bis der Tank vollständig entleert ist, womit genügend Zeit für die Reparatur zur Verfügung steht. Im zweiten Fall werden 350 l/min entnommen, sodass bei vollem Tank nur für mehr 4,3 Stunden Flüssigkeit zur Verfügung steht. Die Reparatur der Pumpe während des Produktionsbetriebs führt somit zwangsläufig zu einem Produktionsstillstand, da die Medienversorgung nicht mehr sichergestellt werden kann. Wie hier zu erkennen ist, sind die erforderlichen Methoden für die Wartung vom Kontext des Einsatzes des Equipments abhängig. Es ist daher auch nicht möglich, die Entwicklung von Wartungsplänen den Herstellern des Equipments zu überlassen, da diese den Kontext des Einsatzes nicht kennen. Zusätzlich ändert sich die Zielsetzung der Wartung von "Erhalten der Funktion des Equipments" auf "Minimieren der Auswirkungen von Equipmentausfällen". Somit ergibt sich automatisch ein Fokus auf Fehler und Equipmentausfälle.
184
Unterstützung der Instandhaltung
Im RCM Umfeld sind sowohl Equipment als auch Anlagenfehler zentraler Bestandteil der Betrachtung und werden entsprechend klassifiziert. Siehe auch (Netherton, 1998). Für jedes in der Anlage vorhandene Equipment sind in einer Bibliothek wesentliche Daten zu erfassen. Hierzu zählen die Eigenschaften des Equipments, die Funktionen, die das Equipment ausführt und die von ihm erwartet werden, wobei auch Sicherheitsfunktionen inkludiert sind, und der Kontext, in dem das Equipment eingesetzt wird.
6.2.1. Klassifizierung von Anlagenfehlern Anlagenfehler sind Vorfälle, die einen Taktverlust bedingt durch Zeitverluste oder durch Qualitätsverluste bewirken. Der Instandhalter ist während des Betriebes mit einer Fülle von Fehlern konfrontiert. Um die Übersicht zu bewahren und eine Konzentration auf das Wesentliche zu ermöglichen, ist es erforderlich, Fehler je nach ihrer Bedeutung zu klassifizieren. Tabelle 6.1 listet Merkmale von Fehlern auf, die hierfür in Frage kommen, auf. Die Klassifizierung von Fehlern verändert sich häufig mit der Zeit. Der Kontext des Einsatzes von Equipment ändert sich ebenso wie die gemessenen Daten auf deren Basis Fehler klassifiziert werden. Diese Klassifizierung muss also ständig wiederholt und veränderten Randbedingungen angepasst werden. Sie kann nicht als einmaliger Vorgang aufgefasst werden. Die Bedeutung von Fehlern korreliert nicht mit den spezifischen Wartungskosten. Diese können daher nicht als Ersatz für die hier beschriebene Klassifizierung herangezogen werden. In vielen Fertigungsbetrieben existieren keine Mittel für die automatische Systemtechnische Erfassung von Fehlern. Dies erfolgt oftmals händisch durch Eintragung in Fehlerlisten, wodurch automatisch eine subjektive Komponente in die Messung eingeführt wird. Oftmals sind wir in Betrieben mit dem Phänomen des "Fehlers vom Tag" konfrontiert: "Wegen dieses Problems haben wir in der Vormittagsschicht nur 80% der geplanten Stückzahl erreicht."
Bei genauer Betrachtung stellt sich oft heraus, dass Gerüchte schnelle Beine haben und die Probleme eigentlich ganz anders gelagert waren. Die objektive automatische Erfassung von Anlagenfehlern ist eine wesentliche Grundlage für Kontextbasierte Wartungsstrategien.
RCM (Reliability Centered Maintenance)
185
Tabelle 6.1 – Merkmale zur Fehlerklassifizierung Merkmal
Beschreibung
Häufigkeit des Auftretens
Die Häufigkeit, mit der ein bestimmter Fehler auftritt, ist messbar. Die Annahme ist, dass Fehler, die zehnmal je Schicht auftreten wahrscheinlich wichtiger sind, als Fehler, die zweimal pro Jahr vorkommen.
Schadenspotenzial
Wenn ein bestimmter Fehler auftritt, so gehen zwangsläufig Takte verloren. Die Anzahl der Takte, die bei Auftreten eines bestimmten Fehlers verloren gehen wird als Schadenspotenzial bezeichnet und ist messbar, indem die Zeit vom Auftreten des Fehlers bis zur Wiederaufnahme des Automatikbetriebes ermittelt wird. Fehler mit hohem Schadenspotenzial haben in der Regel höhere Bedeutung als Fehler mit geringem Schadenspotenzial.
Wartbarkeit
Wenn ein Fehler auftritt, so vergeht zunächst eine Reaktionszeit, bis der Fehler erkannt wird. Diese Zeit kann durch systemtechnische Unterstützung (z.B. Alarmserver mit versenden von Nachrichten oder Anzeige auf der Fabrikanzeige) erheblich verkürzt werden. Wenn der Fehler einmal bekannt ist, so vergeht eine bestimmte Zeit, bis die Wartungsmannschaft das Equipment repariert und wieder in Betrieb genommen hat. Diese Zeit hängt von vielen Faktoren ab, wie Erreichbarkeit des Equipments, Fehlerdiagnose, Motivation und Ausbildungsstand der Instandhaltungsmitarbeiter etc. Die Wartbarkeit ist grundsätzlich messbar, wobei nicht nur der Taktverlust, sondern auch der Personalaufwand in der Wartung und der Material- und Werkzeugeinsatz zu berücksichtigen sind. Hiermit kann die Wartbarkeit direkt auf Kosten für die Wiederherstellung des Betriebes je Auftreten eines bestimmten Fehlers zurückgeführt werden.
Strategien für die vorzeitige Wesentlich für die Bedeutung von Fehlern ist, ob es möglich Erkennung ist, ihr Auftreten z.B. durch Zustandsbeobachtung vorzeitig zu erkennen und durch geeignete vorbeugende Maßnahmen zu verhindern. Dies mag die Wartungskosten erhöhen aber insgesamt die Wartbarkeit verbessern, da die Kosten für Taktverluste nicht anfallen. Strategien für den Notfallsbetrieb
Wenn Strategien existieren, die bei Auftreten des Fehlers das Fortführen der Produktion mittels einer Notfallsstrategie ermöglichen, so nimmt dies dem Fehler an Kritikalität. Ein Beispiel wäre z.B. der Ausfall eines EC-Schraubers mit manueller Bedienung. Als Notfallsstrategie kommt das manuelle Verschrauben und Abzeichnen offener Punkte in Produktionsleittechnik Client in Frage, sodass hier keine Taktverluste auftreten. Die Kosten für die Wartbarkeit werden im Notfallsbetrieb unter Umständen durch den erforderlichen Einsatz eines Springers erhöht.
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Unterstützung der Instandhaltung
6.2.2. Selbstoptimierung in 7 Steps Auf Basis der Klassifizierung von Fehlern kann ein Prozess in der Instandhaltung eingerichtet werden, der zyklisch in sieben Schritten abläuft und so zu einer sukzessiven Verbesserung der Performance der Anlage und zu einer Steigerung des Wertes der Anlagen führt. Dieser Prozess ist in Abb. 6.3 dargestellt (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 6.3 – Ablauf des 7-Step Prozesses
Schritt 1 - Fehler identifizieren und dokumentieren Alle Anlagenfehler sind in einem ersten Schritt zu erfassen und zu dokumentieren. Dies umfasst die Art des Fehlers, Station und Ort an dem der Fehler aufgetreten ist, den Zeitpunkt des Auftretens, den Zeitpunkt der Wiederherstellung des Betriebes und die Wartungsaufwände an Personal, Werkzeug und Material.
RCM (Reliability Centered Maintenance)
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Die Erfassung von Fehlern kann manuell durch Fehlerberichte erfolgen. Da dies notwendigerweise subjektiv und fehlerbehaftet ist, empfiehlt sich der Einsatz eines Systems zur anlagenweiten Erfassung von Fehlern. Produktionsleitsysteme bieten ein konsistentes Fehlerbild der Anlage und ermöglichen es, Probleme in der Anlagendiagnose frühzeitig zu erkennen und so die Wartbarkeit entscheidend zu verbessern. Beispiele für Probleme in der Anlagendiagnose sind Fehlermeldungen die angezeigt werden während die Anlage aber weiterläuft, ein Stillstand der Anlage, wobei die angezeigten Fehlermeldungen unverständlich sind oder keinen Bezug zum tatsächlichen Fehlerbild haben oder ein Stillstand der Anlagen, wobei aber keine Fehler angezeigt werden, die zur Ursache des Stillstandes führen. Neben der automatischen Erfassung von Fehlern im Produktionsleitsystem, ist auch eine manuelle Erfassung vorzusehen. Dies kann z.B. durch Einrichtung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) erfolgen, der sich nicht nur auf Prozesse sondern auch auf Verbesserungen an Anlagen beziehen kann.
Schritt 2 - Erfassen der Auswirkungen von Fehlern Für die Klassifizierung von Fehlern ist besonders die Erfassung der Auswirkungen ihres Auftretens von Bedeutung. Hierbei kann es sich um Zeitverluste (z.B. durch Bandstillstände) oder um Qualitätsverluste durch produzierten Ausschuss handeln. In die Betrachtung ist nicht nur die Station an der der Fehler auftritt selbst, sondern auch deren Kontext einzubeziehen. Qualitätsverluste können z.B. erhöhte Nacharbeitsaufwände bewirken.
Schritt 3 - Konzentration auf die 10 bedeutendsten Fehler Besonders in der Inbetriebnahmephase einer Anlage liefert ein Produktionsleitsystem eine beträchtliche Anzahl von Fehlern (oft hunderte) je Schicht. Da die vorhandenen Ressourcen in der Instandhaltung begrenzt sind, ist es erforderlich, vor der Durchführung weiterer Schritte eine Auswahl der wichtigsten Fehler vorzunehmen. Dies sind jene Fehler, die die meisten negativen Auswirkungen zeigen. Üblicherweise wird für die Reihung von Fehlern zunächst der Schweregrad, nämlich das Produkt aus Fehlerhäufigkeit und Taktverlust je Auftreten herangezogen. Zusätzlich spielt es eine Rolle, ob Maßnahmen für den Notfallsbetrieb das Fortsetzen der Produktion bei Auftreten des Fehlers erlauben. Wenn die aktuell vorliegenden 10 bedeutendsten Fehler identifiziert sind, so vergibt die Instandhaltungsleitung Aufträge an bestimmte Instandhaltungsmitarbeiter zur Durchführung der nächsten Schritte.
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Unterstützung der Instandhaltung
Schritt 4 - Ursache der Fehler auffinden Die Suche nach der Ursache von Fehlern kann nur von einem entsprechend qualifizierten Instandhaltungsmitarbeiter vorgenommen werden. Die Aufgabe ist, herauszufinden, was die Fehler verursacht. Mögliche Ursachen sind Probleme mit der Bauteilgeometrie (z.B. Passungen stimmen nicht), Probleme mit Werkzeugen (z.B. die Kalibrierungsintervalle sind zu lang), mechanische Probleme (z.B. Verwindungen beim Schweißen, weil die Klemmung mangelhaft ist), elektrische Probleme (z.B. mangelnder Potenzialausgleich) oder Programmfehler. Das Auffinden von Fehlern erfordert neben der grundlegenden fachlichen Qualifikation auch eine bestimmte Einstellung der Instandhaltungsmitarbeiter.
Schritt 5 - Strategien für die Fehlerbeseitigung ausarbeiten Wenn die Ursachen von Fehlern gefunden sind, so können meist auch Strategien für deren nachhaltige Beseitigung entwickelt werden. Dies ist die Aufgabe der Instandhaltungsplanung. Meist ist es möglich, die Kosten des Verlustes eines Taktes zumindest grob anzugeben. Auf Basis der Kosten, die mit einem Taktverlust einhergehen und der Anzahl der verlorenen Takte durch den jeweiligen Fehler, die in Schritt 2 ermittelt wurde, ist es möglich, den ROI (Return of Investment) der Aufwände, die die Fehlerbeseitigung verursacht, zu ermitteln. Hiermit kann beurteilt werden, ob sich die anvisierten Maßnahmen auch aus wirtschaftlicher Sicht vertreten lassen. Mögliche Maßnahmen sind beispielweise eine Änderung der Anlagenprogrammierung, ein Umbau der Mechanik (z.B. Änderung der Klemmen), die Änderung von Abläufen oder die Änderung von Wartungsmaßnahmen und Kalibriervorschriften und Schulungs- und Einweisungsmaßnahmen. In die Betrachtung ist einzubeziehen, dass die Implementierung der Abhilfemaßnahme zusätzliche Taktverluste zur Folge haben kann.
Schritt 6 - Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung implementieren Wenn auf Basis der technischen und wirtschaftlichen Beurteilung eine Maßnahme zur Beseitigung des jeweiligen Fehlers gefunden wurde (dies muss nicht für alle Fehler der Fall sein), so ist diese Maßnahme umzusetzen. Dies kann mittels Ressourcen der Instandhaltung oder durch Einbeziehung externer Ressourcen erfolgen.
Schritt 7 - Erfolg der Maßnahmen verifizieren Wenn die Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung implementiert sind, so ist an Hand der Daten aus dem Erfassungssystem zu verifizieren, ob sie tatsächlich den ge-
RCM (Reliability Centered Maintenance)
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wünschten Effekt haben. Mit anderen Worten, der entsprechende Fehler sollte aus der Top 10 Liste verschwinden. Wenn die Abhilfemaßnahme erfolgreich war, so ist es wesentlich, dass dieser Erfolg auch entsprechend kommuniziert wird, sodass die Motivation aller beteiligten Stellen erhalten bleibt. Wenn die Maßnahme aus einem manuellen KVP Eintrag resultiert, so sollte ein transparenter Mechanismus für die Festlegung eines Incentives für den Melder eingerichtet werden (z.B. eine Zahlung, die von der Höhe der Einsparungen oder Verbesserungen abhängig ist).
6.2.3. Abrechnung der Instandhaltungskosten Bei vielen Fertigungsbetrieben werden die Instandhaltungskosten erfasst und in Form von Gemeinkosten gleichmäßig auf alle Fertigungsbereiche aufgeteilt. Dies hat den Vorteil einer einfachen Vorgangsweise zur Ermittlung und Zuordnung von Kosten, ist aber mit dem Nachteil verbunden, dass die erforderliche Transparenz nicht gegeben ist. Mit hohen Gemeinkosten ist niemand glücklich. Zusätzlich haben sich in den letzten Jahren die Anforderungen an die Instandhaltung erheblich erhöht, was zu einer überproportionalen Steigerung der Kosten in diesem Bereich geführt hat. Als Folge dieser Entwicklung haben viele Betriebe begonnen, Programme zur Reduktion der Instandhaltungskosten zu installieren. Dies führt leider zu einer Suboptimierung bei der oftmals die Performance oder sogar die Funktion der Anlage auf der Strecke bleibt. Auf Basis des hier vorgestellten Modells sollte der Fertigungsbetrieb auch das Modell für die Kostenrechnung in Bereich der Instandhaltung überdenken. Anstatt die Kosten in der Instandhaltung zu minimieren, kann die Zielvorgabe lauten, den Wert der Anlage zu maximieren. Bei repetitiver Durchführung des oben beschriebenen Prozesses können die erzielten Verbesserungen in der Anlage auch kostenmäßig erfasst werden. Die Kosten ergeben sich aus der Anzahl der Taktverluste, die nachweislich durch Verbesserungsmaßnahmen eingespart wurden und den Kosten pro Takt. Dies kann z.B. in einer Quartalsbilanz erfasst werden. Den Verbesserungen stehen die Kosten der Instandhaltung insgesamt gegenüber. Auf Basis dieser Kostenbetrachtung kann errechnet werden, ob sich die Tätigkeit der Instandhaltung positiv oder negativ auswirkt. Die Instandhaltung kann hiermit ähnlich eines Profit Centers geführt werden. Der beschriebene Prozess liefert detaillierte Daten, sodass Verbesserungen und Aufwände direkt jenem Bereich oder jener Zone zugeordnet werden können, die hiervon betroffen ist. Dies macht natürlich nur dann Sinn, wenn auch Kosten durch Taktverluste und Kosten durch Nacharbeitsaufwände oder Kundenreklamationen entsprechend erfasst und den einzelnen Bereichen zugeordnet werden. Hiermit sollte jeder Zonenleiter oder Meister ein Interesse an einer Zusammenar-
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Unterstützung der Instandhaltung
beit mit der Instandhaltung zur Verbesserung der Anlage entwickeln, was auch Prozessen z.B. im Bereich TPM zugute kommen sollte. Eine enge Kopplung zwischen dem Managementsystem für die Instandhaltung (z.B. SAP-PM oder MRO Maximo) und der Produktionsleittechnik hilft, die Prozesse automatisiert ablaufen zu lassen und so die laufenden Aufwände für Abrechnungen und Kostenzuordnungen so gering wie möglich zu halten.
6.3. Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Wartung Unter dem Begriff reaktive Wartung werden alle Prozesse in der Instandhaltung zusammengefasst, die ablaufen, wenn die Fertigung auf Grund eines Fehlers stehen bleibt und die dazu führen sollen, den Fertigungsbetrieb wieder in Gang zu setzen. Die Produktionsleittechnik kann die reaktive Wartung durch eine Reihe von Funktionen unterstützen, die in Tabelle 6.2 aufgelistet sind. Die Fehlererfassung und die Visualisierung von Anlagenfehlern wurden weiter oben bereits erläutert. Wichtig ist, dass die angezeigten Informationen eine Identifikation der vom Fehler betroffenen Anlage, den Standort der Anlage und die Art des aufgetretenen Fehlers umfassen. Funktionen, wie Reißleinen, Springerruf oder Bandhalt, sowie Manipulatoren, die nicht in Grundstellung gefahren wurden und damit ein Weitertakten verhindern, sind genauso zu behandeln, wie Anlagenfehler. Dies gilt auch für Maßnahmen zur Prozessabsicherung. Das Personal an der Linie ist also in diese Prozesse mit einzubeziehen.
6.3.1. Alarmierung Die Alarmierung ist eine wichtige Funktion zur Unterstützung der reaktiven Instandhaltung, kann aber auch für Zwecke der Produktion oder der Logistik (z.B. fehlende Teile) eingesetzt werden. Aufgabe dieser Funktion ist es, bei Auftreten von Ereignissen in der Produktion die Personen, welche erforderlich sind, um das Problem zu beheben, aktiv zu benachrichtigen und damit sofort in Kenntnis zu setzen.
Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Wartung
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Tabelle 6.2 – Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Instandhaltung Funktion
Beschreibung
Fehlererfassung
Erfassen und dokumentieren von Fehlern. Dies ist die Basisfunktion, auf der alle anderen Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Instandhaltung aufbauen.
Visualisierung
Durch die Anzeige von Fehlern am Produktionsleittechnik Client und auf anderen Medien, wie Fabrikanzeigen werden Anlagenfehler sofort sichtbar.
Alarmierung
Aktive Benachrichtigung von Mitarbeitern in der Instandhaltung und in der Produktion, dass Stillstände aufgetreten sind. Hierdurch können die befassten Mitarbeiter schneller aktiv werden und auf Probleme reagieren, was hilft, Fehler schneller zu beseitigen und damit die Verluste an Takten zu verringern.
Information
Zur Verfügung stellen von erweiterten Informationen, die der Instandhalter für die Fehlerbehebung benötigt. Dies sind z.B. Anlagendokumentationen, Stromlaufpläne etc.
Best Practice
Dokumentieren von Methoden zur Fehlerbehebung, die zum Erfolg geführt haben. Diese Dokumentation kann anderen Mitarbeitern helfen, Fehler die wiederholt auftreten, schneller zu beheben.
RCM und ständige Verbes- Durch Implementierung des oben beschriebenen RCM serung Workflows kann eine ständige Anlagenverbesserung erreicht werden, die dazu führt, dass die Stillstände und damit die Anzahl der Aktionen in der reaktiven Wartung sukzessive abnehmen. Notfahrweisen
Es sollte in der Planung eine Menge von Notfahrweisen erarbeitet werden, die dazu führen, dass in den meisten Fällen trotz Stillständen von Aggregaten die Produktion fortgesetzt werden kann. Ein ausgefallener EC-Schrauber kann z.B. temporär durch einen Luftschrauber und Nachknicken mit einem Drehmomentschlüssel ersetzt werden.
Endgeräte Für Zwecke der Alarmierung kommt eine Reihe verschiedene Systeme in Frage. In vielen Betrieben sind Telefonanlagen, die tragbare DECT Telefone unterstützen, im Einsatz. Grundsätzlich kann die Produktionsleittechnik Meldungen an solche Telefone versenden. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die bestehende Telefoninfrastruktur verwendet werden kann. Das Problem ist, dass viele Telefonzentralen keinen offenen und standardisierten Zugang für das Versenden von Textnachrichten bieten. In einigen Fällen ist sogar die Anschaffung von Zusatzhardware, wie z.B. DAKS Server (Digitaler Alarm und Kommunikationsserver) erforderlich, die oft nur über proprietäre Schnittstellen angesprochen werden können.
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Unterstützung der Instandhaltung
Als Alternative bietet sich das Versenden von SMS an Mobiltelefone an. Diese Art der Alarmierung ist technisch sehr einfach umzusetzen, da die Mobilfunkanbieter offene Schnittstellen zu ihren SMS Gateways anbieten. Der Vorteil dieser Methode liegt neben der einfachen Umsetzung auch darin, dass Personen, die sich nicht auf dem Werksgelände befinden, alarmiert werden können. So kann diese Methode der Alarmierung auch für einen Bereitschaftsdienst eingesetzt werden. Nachteilig sind die laufenden Kosten, die pro SMS anfallen. Zudem ist anzumerken, dass der SMS Dienst keine Zustellung von SMS und keine Zustellzeiten garantiert. Auf diese Eigenheit ist bei der Auslegung der Prozesse Rücksicht zu nehmen. Das Versenden von e-Mails ist technisch ebenfalls sehr einfach zu bewerkstelligen und meist mit keinen zusätzlichen laufenden Kosten verbunden, da eine entsprechende Infrastruktur in den Unternehmen meist bereits vorhanden ist. Für e-Mails können keine Zustellzeiten garantiert werden, worauf bei der Auslegung der Prozesse Rücksicht zu nehmen ist. E-Mails, die 24 Stunden verspätet eintreffen tragen eher zur Verwirrung bei, als dass sie helfen. Die wirkliche Problematik ist die Frage, welche Endgeräte im mobilen Betrieb eingesetzt werden sollen. PDAs sind in der Lage, e-Mails z.B. über WLAN zu empfangen, diese müssen allerdings aktiv abgerufen werden. Aus diesem Grund sollte man Geräte, die über einen Push-Dienst verfügen bevorzugen, da diese aktiv den Eingang einer e-Mail signalisieren. In Frage kommen Blackberry Geräte oder ähnliche. Viele Unternehmen haben bereits Systeme im Einsatz, die Alarme mittels Sprachanruf weiterleiten. Der Adressat wird angerufen, anschließend hört er eine Tonbandmeldung oder eine synthetisch erstellte Sprachmeldung. Die Umsetzung dieser Methode der Alarmierung funktioniert praktisch mit allen Telefonanlagen ohne Probleme, sodass die bestehende Infrastruktur weiterverwendet werden kann. Nachteilig ist, dass spezielle Hardware für die Spracherzeugung erforderlich ist, die je nach Umfang des Systems relativ kostspielig werden kann. In Gewerken, in denen ein hoher Lärmpegel herrscht (z.B. Presswerk oder Karosserierohbau) empfiehlt sich diese Variante der Alarmierung nicht.
Alarmgenerierung und Alarmverteilung Nachdem die Frage der Endgeräte geklärt ist, stellt sich sofort die Frage, wann welche Alarme an welchen Adressaten zu versenden sind. Die Produktionsleittechnik muss eine einfache Möglichkeit bieten, diese Alarmverteilung zu konfigurieren. Wobei die meisten dieser Einstellungen auch für andere Funktionen in der Produktionsleittechnik benötigt werden. Hierbei sind einige Einstellungen je Adressat erforderlich. Zunächst muss bekannt sein, wie der Adressat erreichbar ist (z.B. über SMS, e-Mail etc.). Je nach Übertragungsweg sind Angaben zur Zieladresse erforderlich, wie z.B. eine SMSNummer oder eine e-Mail Adresse. Als nächstes muss bekannt sein, zu welchen Zeiten der Adressat erreichbar ist. Diese Informationen können entweder in der
Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Wartung
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Produktionsleittechnik eingegeben werden oder können aus dem HR System übernommen werden (Übernahme des Schichtkalenders oder der Information über die Anwesenheit des Mitarbeiters aus der Zeiterfassung). Zuletzt ist noch einzugeben, welche Benutzerrollen der Adressat erfüllt. Auch Benutzerrollen können Adressaten von Nachrichten sein. Weiters sind die Alarmquellen zu parametrieren. Hierbei sind einige grundsätzliche Einstellungen erforderlich. Zunächst muss klar sein, welche Alarme die Alarmquelle (meist handelt es sich um eine Station oder ein Betriebsmittel) generiert. Alarme sind sodann Alarmklassen zuzuordnen. Hiermit ist eine Filterung nach Alarmklassen möglich. Die Alarmklassen beschreiben auch die Kritikalität eines Alarms. Hiermit kann sichergestellt werden, dass nur der jeweils höchstpriore Alarm einer Station beim Senden von Nachrichten berücksichtigt wird. Um einen Standort anzeigen zu können muss bekannt sein, wo sich die Alarmquelle befindet. Diese Information kann dem Ressourcenplan, welcher wie oben beschrieben eine hierarchische Struktur besitzt, entnommen werden. Nachdem die Alarmquellen und die Empfänger von Alarmen konfiguriert wurden, kann nun der Alarmverteiler parametriert werden. Diese Komponente in der Produktionsleittechnik hat die Aufgabe, bei Auftreten von Alarmen zu entscheiden, welche Benachrichtigung an welche Adressaten gesendet wird. Im Prinzip handelt es sich hierbei um einen Filtermechanismus, der eine Kombination verschiedener Kriterien anwendet, welche sich aus den oben eingebebenen Informationen ergeben. Ein erstes Kriterium ist die Alarmquelle selbst, von welcher der Alarm stammt bzw. der Bereich, in dem sich die Alarmquelle befindet. Diese Filterung ermöglicht z.B. für einen Schrauberwart das Herausfiltern von Alarmen für alle Schrauber in der Endmontage. Das nächste Kriterium behandelt die Alarmmeldung selbst. Alarme werden verteilt abhängig davon, um welche Art von Alarmmeldung oder um welche Alarmklasse es sich handelt. Durch diese Filterung können z.B. alle Alarmmeldungen auf Grund fehlender Teile für die Logistik herausgefiltert werden. Zusätzlich kann hier eine Priorisierung der Meldungen durchgeführt werden. Dies ist bei Alarmierungssystemen mit begrenzter Bandbreite, wie z.B. Versenden von Sprachanrufen sinnvoll. Ein weiteres Kriterium ist die Dauer, für die ein Alarm bereits ansteht. Es sollte möglich sein, festzulegen, wie lange ein Alarm mindestens anstehen muss, bevor eine Nachricht generiert wird. Dieser Filter dient einerseits dazu, kurzfristige Meldungen (einige Sekunden Dauer) auszufiltern, andererseits um eine Eskalation von Alarmen einzuführen. Das Instandhaltungsmanagement wird z.B. erst dann benachrichtigt, wenn ein Alarm für mindestens 20 Minuten ansteht, während die Instandhaltungsmitarbeiter sofort benachrichtigt werden. Wenn Alarme für eine Alarmquelle versendet wurden, so macht es erst dann Sinn, weitere Meldungen zu versenden, wenn die Station zuvor nach Behebung des vorhergehenden Alarms für eine bestimmte Zeit im Automatikbetrieb gelaufen ist. Ebenso ist es sinnlos, ein und denselben Alarm immer wieder zu wiederholen.
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Unterstützung der Instandhaltung
Alarme sollten nur an jene Empfänger versendet werden, die anwesend sind oder Bereitschaftsdienst haben. Wenn als Empfänger eine Benutzerrolle definiert wurde, so ist festzulegen, ob alle anwesenden Mitarbeiter, die diese Benutzerrolle zugewiesen haben, benachrichtigt werden sollen, oder ob die Benachrichtigung eines einzelnen Mitarbeiters in der Rolle eventuell mit Eskalation zu anderen Mitarbeitern ausreicht.
Aufbau des Alarmverteilers Auf Basis der oben beschriebenen Funktionalität ergibt sich ein prinzipieller Aufbau für den Alarmverteiler, der in Abb. 6.4 dargestellt ist (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 6.4 – Prinzipieller Aufbau des Alarmverteilers
Als Alarmquellen kommen neben Stationen und Betriebsmitteln in der Anlage auch ERP Systeme oder andere Systeme auf der IT-Ebene in Frage. Der Alarmserver hat die Aufgabe, alle anfallenden Alarme zu sammeln und zu visualisieren. In der Alarmhistorie werden alle Alarme abgelegt, sodass diese als Information für spätere Auswertungen zur Verfügung stehen. Mit Hilfe dieser Alarmhistorie kann der oben beschriebene Verbesserungsprozess implementiert werden. Zusätzlich ist
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die Information in der Alarmhistorie oftmals hilfreich beim Auffinden und Abstellen von Qualitätsproblemen oder Problemen mit der Abtaktung. Das Aktionsmodul hat wiederum die Aufgabe, den oben beschriebenen Filter zu implementieren und Meldungen, wie hier dargestellt z.B. für Mobiltelefone zu erzeugen. Hier könnten aber auch andere Aktionen gesetzt werden, wie z.B. Meldungen an Sequenzlieferanten oder Anlagenlieferanten. In Frage kommen auch das automatische Auslösen eines Bandhalts oder weitergehende Eingriffe in den Prozess. Auch das Routing von Teilen könnte geändert werden. Wenn z.B. ein Prüfstand defekt ist, so können Fahrzeuge automatisch zu den verbleibenden Prüfständen geschickt werden.
6.3.2. Workflows für Alarme Benutzer eines Visualisierungssystems in der Anlage (z.B. WinCC, RSView, Intouch etc.) werden sich an dieser Stelle fragen, warum die Produktionsleittechnik Alarme verwaltet, da sich Alarmfunktionen auch in den Visualisierungspaketen finden. Hierfür können einige wesentliche Gründe genannt werden. Die Produktionsleittechnik bietet eine Gesamtübersicht über alle Alarme in der gesamten Fertigung. Dies kann durch Alarmierung auf den verschiedenen Visualisierungsrechnern in der Anlage ohne Zusatzmaßnahmen nicht erreicht werden. Alarme, die bestimmte Kriterien erfüllen (z.B. Überschreiten einer bestimmten Zeitdauer) werden quittierpflichtig. Die Quittierung hat den Sinn, dass Zusatzinformationen zu Alarmen erfasst werden, die durch die Automatisierung nicht zur Verfügung stehen. Wenn z.B. ein Timeout einer Bewegung auftritt, so kann dies verschiedene Ursachen haben, wie z.B. einen Sensorfehler oder ein verklemmtes Werkstück auf Grund schlechter Geometrie. Diese Informationen können nur durch Handeingabe erfasst werden. Die Behandlung von Alarmen ist die Basis für kontinuierliche Verbesserungsprozesse. Die Arbeit des Instandhalters in der reaktiven Instandhaltung ist mit der Behebung eines Fehlers und der Wiederherstellung des Automatikbetriebes nicht erledigt. Fehler müssen einer weitergehenden Bearbeitung unterzogen werden, die sicherstellt, dass sie schrittweise abgestellt werden. Alarme müssen nicht unbedingt durch Fehler in der Anlage bedingt sein. Auch Bandhalts oder ein Springerruf sind wie Alarme zu behandeln. Alarme können auch auf Grund von Fehlern in Teilen oder in Arbeitsgängen erfasst werden. Aus diesem Grund sind neben der Instandhaltung auch die Produktion und die Logistik (Material-Alarme) in den ständigen Verbesserungsprozess einzubeziehen. Durch entsprechende Filterung der Alarme kann erreicht werden, dass jede Stelle, die mit der Fertigung befasst ist, nur jene Alarme präsentiert bekommt und bearbeitet, für die sie auch zuständig ist. Es ist z.B. nicht sinnvoll, dass Instandhalter Bandhalts präsentiert bekommen.
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Unterstützung der Instandhaltung
In die Alarmierung sind auch Vorkommnisse einzubeziehen, die nicht mit Anlagenfehlern aber mit Anlagenzuständen zusammenhängen, die zu einem Taktverlust führen. Beispiele hierfür wären Manipulatoren, die nicht in die Grundstellung gefahren wurden und daher durch eine Sicherheitsabfrage verhindern, dass das Band weiter taktet oder sicherheitskritische Verschraubungen, die nicht ausgeführt wurden. Das Band wird in diesem Fall von der Produktionsleittechnik angehalten. Um die oben beschriebenen Ziele einer ständigen Verbesserung zu erreichen, ist ein Workflow für Arbeitsaufträge, die auf Basis von Alarmen generiert werden, einzuführen, der etwa wie in Abb. 6.5 aussehen sollte (Kon-Cept GmbH., 2008) und sich eng an die 7-Step Methodik anlehnt.
Abb. 6.5 – Workflow für Arbeitsaufträge
Arbeitsaufträge werden automatisch oder manuell beim Quittieren von Alarmen angelegt und sind damit immer auf Alarme bezogen. Alle offenen Arbeitsaufträge werden in einer Liste geführt. Nachdem beim Anlegen des Arbeitsauftrags die Situation und die Fehlfunktion beschrieben wurden, ist es nun erforderlich, zu definieren, welche Art von Abhilfemaßnahme zu setzen ist. Ist diese Analyse abgeschlossen, so wird die entsprechende Abhilfemaßnahme vom Management freigegeben, terminiert und einem Verantwortlichen zugewiesen. Dieser wiederum führt die entsprechenden Tätigkeiten aus und meldet den Abschluss der Arbeiten. Nach einer Prüfung wird der Auftrag abgeschlossen.
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An Hand der durchschnittlichen Taktverluste und der Kosten für Maßnahmen kann auch eine grobe Abschätzung durchgeführt werden, in welchem Zeitraum sich die geplanten Abhilfemaßnahmen rechnen werden. Bei Einsatz von Instandhaltungssystemen, wie SAP-PM oder Maximo kann es sinnvoll sein, die Arbeitsaufträge nicht in der Produktionsleittechnik zu verwalten, sondern an das Instandhaltungssystem weiterzugeben. In diesen Systemen ist durch Konfiguration allerdings Sorge dafür zu tragen, dass der beschriebene kontinuierliche Verbesserungsprozess implementiert wird. Die Verwaltung von Lagern und Kosten alleine rechtfertigt den Einsatz solcher Systeme nicht.
6.3.3. Best Practice Die Bearbeitung von Aktivitäten in der reaktiven Instandhaltung sollte neben der Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses für Anlagen, Teile und Arbeitsgänge auch zu einer Verbesserung der Vorgangsweise bei der Fehlerbehebung selbst führen. Hierzu sind weitere manuelle Eingaben in die Produktionsleittechnik erforderlich, in denen den einzelnen Fehlern Maßnahmen zugeordnet werden, die zu einer Fehlerbehebung führen. Wenn diese Maßnahmen aufgezeichnet wurden, so stehen sie in der Folge als Leitlinie (Kochrezept) zur Fehlerbehebung bereit. Anstatt dass jeder Instandhalter das Rad neu erfindet, kann er vielfach bereits auf Erfahrungen, welche Kollegen in der Vergangenheit gemacht haben, zurückgreifen. Dies sollte bewirken, dass die Stillstandszeiten bei wiederholten Fehlern sinken, da die Fehlerbehebung schneller durchgeführt werden kann. In einigen Fällen sollte es zudem möglich sein, die Behebung von Fehlern an das Bedienpersonal vor Ort zu delegieren. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfahren zur Fehlererkennung und zur Fehlerbehebung klar dokumentiert und somit auch für Werker vor Ort verständlich sind. Die Einbeziehung von Bedienpersonal vor Ort in die Anlagendiagnose und in die Fehlerbehebung führt dazu, dass diese Personen ein tieferes Verständnis über die Funktion ihrer Anlage erlangen. Dies sollte das Bewusstsein im Umgang mit Betriebsmitteln verbessern. Meist wissen Werker vor Ort am besten Bescheid über die Funktionsweise ihrer Anlagen und können somit wertvolle Unterstützung leisten. Letztlich entfallen bei Auftreten von Störungen Kommunikations- und Gehwege, womit die Behebung von Fehlern schneller starten kann, was wiederum hilft, die Stillstände zu verkürzen und die Belastung des Instandhaltungspersonals zu verringern, dass sich somit besser auf Abhilfemaßnahmen konzentrieren kann.
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6.3.4. Anlagendokumentation Die Dokumentation zu Fertigungsanlagen ist normalerweise sehr umfangreich. Sie enthält unter anderem • • • • • • • • • • •
AutoCAD Zeichnungen und Layouts Stromlaufpläne und Schaltschrankpläne Netzwerkdiagramme und Feldbusbelegungen Stücklisten Zeit Weg Diagramme und Ablaufbeschreibungen Programme und Programmdokumentationen für intelligente Komponenten in der Anlage Benutzerhandbücher, Programmierhandbücher Wartungsanleitungen und Wartungspläne Kalibrieranweisungen, Betriebsparameter Schnittstellendokumentationen Beschreibungen zum Bedien- und Diagnosesystem
Im Regelfall werden die Anlagen und Anlagenkomponenten von verschiedenen Herstellern geliefert. Auch wenn ein Generalunternehmer existiert, so kann dieser nur einen Rahmen für die Dokumentation schaffen. Im Fall der reaktiven Instandhaltung ist ein schneller Zugriff auf relevante Anlageninformationen erforderlich, sodass die Suche nach Unterlagen in diesen kritischen Fällen keine Zeit kostet. Es ist eine der Aufgaben des Produktionsleitsystems, Mechanismen für einen solchen zielgerichteten und schnellen Zugriff bereit zu stellen. Die Anlageninformationen sollten hierfür in strukturierter Form auf einem Server abgelegt werden, sodass ein Lesezugriff von allen Clients der Produktionsleittechnik aus möglich ist. Die Struktur wird von der Instandhaltungsplanung vorgegeben. Ein Verfahren ist einzurichten, das sicherstellt, dass auf diesem Server die aktuellen Unterlagen abgelegt sind, sodass nicht irrtümlich mit veralteten Dokumenten gearbeitet wird. Ebenso sind in der Produktionsleittechnik alle für eine Dokumentenlenkung erforderlichen Daten abzulegen. Die Dokumentation sollte möglichst in einem einheitlichen Format, wie z.B. PDF abgelegt werden, da ansonsten auf den Clients Dienstprogramme, die zur Anzeige der Informationen erforderlich sind, installiert werden müssen. Bei der Vielzahl der Werkzeuge, die in der Anlagenplanung eingesetzt werden, kann dies schnell zum Problem werden und erheblichen Aufwand verursachen. Das Anlagenmodell, welches in der Produktionsleittechnik für die Modellierung der Fertigungsanlage konfiguriert wird, kann auch für den strukturierten Zugriff auf die Anlagendokumentation eingesetzt werden. Die Produktionsleittechnik zeigt an jeder Station oder Linie eine Liste von Dokumenten an. Durch Auswahl der angezeigten Verweise kann der Benutzer die
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gewünschten Dokumente vom Server abrufen und anzeigen. Die Liste der angezeigten Verweise auf Dokumente kommt auf Basis eines Filters zustande, der je Dokument konfiguriert werden kann. Verschiedene Filterkriterien kommen in Frage, wie die Bezeichnungen von Anlagenobjekten oder reguläre Ausdrücke, die auf Bezeichnungen anzuwenden sind, die Typen von Anlagenobjekten (z.B. alle Rollenprüfstände), aggregierte Objekte (z.B. alle Stationen, die eine Schweißsteuerung der Type X enthalten), Benutzerrollen (für Werker könnten z.B. andere Informationen sinnvoll sein als für Instandhalter) und weitere Eigenschaften von Dokumenten. Ziel der Filter ist es, aus der großen Menge der Dokumente, welche die Anlagendokumentation umfasst, jene Teilmenge auszuwählen, die für die aktuelle Situation oder Stelle in der Fertigung relevant ist. Wenn die Anlagendokumentation in der Produktionsleittechnik zur Verfügung steht, können damit auch einige Vorgänge in der Dokumentenlenkung stark vereinfacht werden.
6.3.5. Notfahrweisen Notfahrweisen sind Verfahren, die temporär zur Anwendung kommen, wenn Ressourcen in der Fertigungsanlage ausfallen. Meist sind Notfahrweisen mit erhöhtem Aufwand an Personal oder Ressourcen verbunden, ermöglichen es aber, den Fertigungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Planung von Notfahrweisen ist eine zentrale Aufgabe der Anlagenplanung und auch in der Prozessplanung und Abtaktung zu berücksichtigen. In vielen Fällen kann die Verfügbarkeit der Anlage durch redundante Anlagen soweit erhöht werden, dass Notfahrweisen nicht erforderlich sind. Oftmals ist dies jedoch aus finanziellen oder technischen Gründen (z.B. limitierter Platz) nicht möglich. Bei der Entwicklung von Notfahrweisen ist Rücksicht darauf zu nehmen, dass alle erforderlichen Produktionsmittel zur Verfügung stehen müssen, die für die Notfahrweise benötigt werden. Für die Notfahrweisen müssen zudem entsprechende Arbeitsanweisungen entwickelt werden und sie sollten in der Produktionsleittechnik dokumentiert werden. Es darf durch einen Notfallsbetrieb keinesfalls zu einer Lücke in der Rückverfolgbarkeit der Produktion kommen. Es ist in jedem Fall klar festzulegen, unter welchen Umständen welche Notfahrweise zu aktivieren ist und wer dafür zuständig ist, diese Entscheidung zu treffen, welche in der Produktionsleittechnik zu dokumentieren ist. Es ist letztlich auch klar festzulegen, wann der normale Betrieb wieder aufgenommen wird und wer dies entscheidet. Auch dies ist zu dokumentieren. Wenn Notfahrweisen entwickelt wurden, so kann man nicht davon ausgehen, dass die betroffenen Stellen diese auch entsprechend der Vorgaben umsetzen können. Um dies sicherzustellen ist ein eingehendes Training erforderlich, welches in regelmäßigen Abständen zu wiederholen ist. Auch die Feuerwehr trainiert regelmäßig den Ernstfall.
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Unterstützung der Instandhaltung
In der laufenden Anlage ist die Entwicklung und Weiterentwicklung der Notfahrweisen fortzusetzen. Während des Starts der Produktion liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten beim Herstellen der normalen Abläufe. Wenn die Produktion stabil läuft, so sollte sich die Planung der Verbesserung des normalen Betriebs aber auch der Verbesserung der Situation im Fehlerfall widmen.
6.4. Funktionen für die vorbeugende Wartung In den Bereich der vorbeugenden Wartung fallen alle Aktivitäten, die im Vorhinein gesetzt werden, um die Verfügbarkeit der Fertigungsanlage zu erhöhen und Stillständen durch Prävention vorzubeugen.
6.4.1. Verteilung der Ausfallswahrscheinlichkeit Die häufigste Form der vorbeugenden Wartung ist der regelmäßige Tausch von Medien und Verschleißteilen. Diese Vorgangsweise kennt jeder Besitzer eines Kraftfahrzeugs, der regelmäßig zu Wartungsterminen in die Werkstatt kommt, in deren Zug z.B. ein Ölwechsel durchgeführt wird. Dieser Form der vorbeugenden Wartung liegt die Annahme zugrunde, dass die Ausfallswahrscheinlichkeit von Komponenten entsprechend einer „Badewannenkurve“ verteilt ist. Abb. 6.6 zeigt den typischen Verlauf:
ʄ
Neuteil
Betriebsphase
Alterung
Zeit Abb. 6.6 – Die Badewannenkurve
Funktionen für die vorbeugende Wartung
201
Hierbei wird davon ausgegangen, dass Komponenten am Beginn ihres Einsatzes mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit ausfallen. Wenn das System schließlich eingelaufen ist, so bleibt die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen für eine relativ lange Zeitspanne relativ gering, bis sie schließlich durch Alterungsprozesse und Verschleiß bedingt wieder ansteigt. Durch den Austausch von Komponenten, die sich dem Ende der Lebensdauer nähern, soll erreicht werden, dass sie durch neue ersetzt werden noch bevor eine erhöhte Gefahr von Ausfällen entsteht. Diese Argumentation für vorbeugenden Komponententausch ist, wie Abb. 6.7 zeigt, jedoch durchaus zweifelhaft.
Verschleißteil
+ Ersatzteil
= Gesamt
Abb. 6.7 – Ausfallswahrscheinlichkeit bei Komponententausch
Wenn man die Ausfallswahrscheinlichkeiten des ursprünglichen Verschleißteils und des neuen Ersatzteils überlagert, so erkennt man, dass die Ausfallswahrscheinlichkeit durch einen vorzeitigen Komponententausch keinesfalls verbessert wird, da entsprechend der Badewannenkurve die Ausfallswahrscheinlichkeit des neuen Teils zu Beginn seiner Lebensdauer entsprechend hoch ist. Die möglicherweise vorhandene Zunahme der Ausfallswahrscheinlichkeit des Altteils hat man durch die sicherlich hohe Ausfallswahrscheinlichkeit des Neuteils ersetzt. Das Weglassen des Komponententausches spart Kosten und hat hinsichtlich der Ausfallswahrscheinlichkeit keinen negativen Effekt. Die Badewannenkurve ist zudem einer jener Mythen in der Wartung, die praktisch nicht loszuwerden sind, obwohl sie keineswegs zutreffen, wie Abb. 6.8 zeigt. Die Zahlen stammen aus (Strategic Technologies Inc., 2000). Die Abbildung zeigt das Zeitverhalten der Ausfallswahrscheinlichkeit für alle Teile eines Linienjets. Deutlich wird, dass nur 4% aller Teile eine Ausfallswahrscheinlichkeit besitzen, die der Badewannenkurve folgt (A Teile). Alle anderen Teile zeigen einen anderen Verlauf. Die Mehrheit der Teile (68%) zeigt nur am Beginn ihrer Lebensdauer eine erhöhte Ausfallswahrscheinlichkeit. Ein vorbeugender Austausch dieser Teile ist laut dieser Studie sogar kontraproduktiv. Bei nur etwa 2% der Teile kann durch vorbeugenden Austausch tatsächlich eine Verbesserung erreicht werden.
202
Unterstützung der Instandhaltung
4%
68% 14% 7% 5% 2% Abb. 6.8 – Ausfallswahrscheinlichkeit von Teilen
Häufig werden zur Bestimmung der Verlässlichkeit von Komponenten in der Produktionsleittechnik Kennzahlen herangezogen, die gemessen werden können oder von den Komponentenlieferanten in Datenblättern angegeben werden. Die wichtigsten Maßzahlen sind die MTBF (Mean Time Between Failure), welche sich als linearer Mittelwert der Ausfallsdichte von Komponenten ergibt und die MTTR (Mean Time To Repair), also der lineare Mittelwert der Reparaturdauer (Zeit vom Auftreten eines Fehlers bis zur Wiederherstellung des Automatikbetriebs).
6.4.2. Zustandsüberwachung Zustandsüberwachung wird auch oft als CBM (Condition-based Monitoring) bezeichnet. Unter CBM werden alle Aktivitäten zusammengefasst, die dazu dienen durch Messung und Beobachtung den Zustand der Anlage und somit das Auftreten von Fehlern vorzeitig zu erkennen. Ein klassisches Beispiel für CBM, welches sich zuerst bei Papiermaschinen durchgesetzt hat, ist z.B. die Messung von Vibrationen an Rollenlagern. Aus der Amplitude und Frequenz der Vibrationen sowie durch die Erfassung weiterer Parameter kann auf den Zustand der Wälzlager geschlossen werden. Hiermit ist es möglich, einen Lagertausch in der produktionsfreien Zeit zu planen, noch bevor ein Lagerschaden einen Stillstand der Maschine bewirkt. Andere Verfahren des CBM basieren z.B. auf der chemischen Analyse von Medien, wie Schmiermitteln, die auf ihren Gehalt an Eisenspänen untersucht werden können, oder auf der Erfassung von Betriebstemperaturen. CBM kann erhebliche Verbesserungen der Verlässlichkeit von Komponenten bei gleichzeitiger Verringerung der Wartungskosten bringen. Dies wird mit der Anschaffung meist recht kostspieliger CBM Systeme erkauft. Die Anbindung von
Funktionen für die vorbeugende Wartung
203
CBM Systemen an die Produktionsleittechnik kann indirekt über die Anlagen SPS oder direkt erfolgen. CBM Systeme erzeugen in der Produktionsleittechnik Betriebsmeldungen, die zur automatischen Generierung von Wartungsaufträgen führen können.
6.4.3. Versteckte Redundanzen In Anlagen werden Komponenten oftmals von der Anlagenplanung bewusst redundant ausgelegt. Damit wird meist das Ziel verfolgt, eine höhere Verfügbarkeit zu erreichen. Redundante Auslegung zur Erhöhung der Verfügbarkeit ist eine gängige Maßnahme für Engpassmaschinen. Redundanz ist auch erforderlich, wenn die Bearbeitungsdauer in der Anlage die geplante Taktzeit der Fertigung überschreitet. Die Anzahl der erforderlichen parallelen Anlagen ergibt sich somit aus dem Quotienten aus Bearbeitungszeit in der Anlage und Taktzeit der Fertigung. Typische Beispiele für solche Anlagen sind z.B. Rollenprüfstände, in denen ein Testzyklus meist mehrere Minuten benötigt. Neben Redundanzen, die von der Anlagenplanung bewusst geplant werden, existieren in den meisten Anlagen aber auch versteckte Redundanzen. Diese werden nicht bewusst geplant, werden aber sehr wohl beschafft, betrieben und gewartet und verursachen somit Kosten. Abb. 6.9 zeigt die Situation für eine fiktive Anlage mit 100 Mio. USD Jahresumsatz (Kropik, 2004): 8M Kosten für Wiederherstellung des Betriebs
Kosten von Ausfällen in USD
7M 6M
Wartungskosten für Zusatzkapazitäten
5M 4M
Kapitalbindung durch Zusatzkapazitäten
3M
Verlorener Umsatz
2M 1M 0M 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Abdeckung von Ausfällen durch Zusatzkapazitäten in %
Abb. 6.9 – Kosten durch versteckte Redundanzen
Diese Abbildung zeigt ein Spektrum von Möglichkeiten. Auf der linken Seite bestehen keinerlei versteckte Redundanzen. Dies bedeutet, dass alle Anlagenfehler
204
Unterstützung der Instandhaltung
sofort zu Produktionsausfällen führen, was durch den hohen Anteil an verlorenem Umsatz deutlich wird. Auf der rechten Seite hingegen ist eine Situation dargestellt, in der alle Fehler durch versteckte Redundanzen abgefangen werden können, sodass trotz auftretender Fehler kein Produktionsausfall entsteht. Es wird auch deutlich, dass versteckte Kapazitäten zu einer Erhöhung der Kosten für Anschaffung, Wartung und Betrieb führen. Nicht in allen Fällen sind versteckte Kosten geringer als kompensierte Produktionsausfälle. Die Produktionsleittechnik kann durch geeignete Analysen helfen, versteckte Redundanzen aufzuspüren und zu bewerten. Diese können nun entweder zu bewusst geplanten Redundanzen z.B. für Notfahrweisen werden oder sie werden abgestellt, um Kosteneinsparungen zu realisieren. Das Abstellen versteckter Redundanzen kann zu signifikanten Einsparungen an Fertigungs- und Instandhaltungskosten führen. Die Analyse versteckter Redundanzen sollte deshalb in jedem Fall Teil des ständigen Verbesserungsprozesses werden.
6.4.4. Kalibrierung von Messmitteln In der Fertigung ist regelmäßig eine Reihe von Prüfmitteln, wie Schrauber, Befüllanlagen oder Prüfstände zu kalibrieren. Die Kalibrierung ist nach festgelegten Prüfplänen in regelmäßigen Abständen durchzuführen und die Abweichungen sowie die vorgenommenen Einstellungen sind zu dokumentieren. Die Produktionsleittechnik kann die Prüfpläne inklusive der einzustellenden Werte mit Ober- und Untergrenzen zur Verfügung stellen. Kalibrierungstätigkeiten können ebenso wie andere vorbeugende Wartungsaktivitäten in Form von Wartungsaufträgen verwaltet werden. Die Kalibrierung darf nur von Personen durchgeführt werden, die nachweislich für diese Tätigkeit geschult wurden. Aus diesem Grund ist es erforderlich in der Personalverwaltung oder im Produktionsleitsystem, wenn keine Kopplung zur Personalverwaltung besteht, entsprechende Informationen über die Qualifikation der Mitarbeiter zu hinterlegen.
6.4.5. Wartung von Schweißzangen Schweißzangen sind Geräte im Rohbau, die einer zyklischen Kalibrierung und Wartung bedürfen, die jedoch meist nicht während der produktionsfreien Zeit erfolgt, sondern parallel zur Fertigung. Im Karosserierohbau sind im Regelfall von jeder Type von Schweißzangen mehr Exemplare vorhanden, als für die Fertigung verwendet werden. Die überzähligen Schweißzangen befinden sich in einem speziellen Lager, wo sie im Falle eines Zangendefekts als Ersatz zur Verfügung stehen, oder durchlaufen die zyklische Wartung.
Funktionen für die vorbeugende Wartung
205
Die zyklische Wartung von Schweißzangen wird an Hand der Anzahl der Schweißhübe, die seit der letzten Wartung aufgelaufen sind, terminiert. Die Anzahl der Hübe ist von mehreren Parametern abhängig, wie der Anzahl der Takte, dem Typmix der Karossen (dort wo Typunterschiede bestehen) und der Anzahl der Schweißpunkte je Verbauort und Karossentype. Das Produktionsleitsystem muss in der Lage sein, die Anzahl der Schweißhübe je Zange zu erfassen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Schweißzangen jederzeit ausgebaut und an einem anderen Verbauort weiter verwendet werden können. Der Ausbau und die Wartung von Schweißzangen sind zu terminieren, wobei auch die Verfügbarkeit von Ersatzzangen zu berücksichtigen ist. Es existieren in der Fertigung noch weitere Komponenten, die Wartungszyklen parallel zur Fertigung durchlaufen und daher auf ähnliche Weise wie Schweißzangen zu behandeln sind. Beispiele sind Geoskids, Transponder, Gehänge in Elektrohängebahnen oder Testadapter.
6.4.6. Wartungstrigger Vorbeugende Wartungsarbeiten werden meist zyklisch durchgeführt, wobei verschiedene Vorgangsweisen der Terminierung zur Anwendung kommen können. Die einfachste Strategie ist die kalendergesteuerte Terminierung. Die Wartung wird z.B. in der ersten Wartungsschicht jedes Monats durchgeführt. In vielen Fällen ist es jedoch vorzuziehen, die Wartung taktgesteuert (die Wartung wird z.B. alle 10.000 Arbeitstakte durchgeführt) oder gesteuert durch erfasste Betriebsstunden (die Wartung wird z.B. jeweils nach 5.000 Betriebsstunden durchgeführt) zu terminieren. Wenn die Anlage über CBM Funktionen verfügt, so kann sie den Wartungsbedarf in Form von Betriebsmeldungen an das Produktionsleitsystem senden. Diese Meldungen können für die Terminierung der Wartung herangezogen werden. Alle diese Informationen werden von der Produktionsleittechnik je Anlage erfasst. Durch ein Regelwerk, welches der Administrator hinterlegen kann, ist es möglich, Wartungstrigger, also Meldungen über den aktuellen Wartungsbedarf zu erzeugen. Hierbei ist zu beachten, dass Wartungsaktivitäten nicht sofort bei Auftreten des Wartungstriggers ausgeführt werden können. Die folgenden Wartungsaktivitäten sind in einem Wartungsfenster einzuplanen, wobei die Verfügbarkeit des erforderlichen Personals und Materials sowie der benötigten Werkzeuge zu berücksichtigen sind. Wichtig ist die zu erwartende Dauer der Wartung. Die Wartung muss innerhalb des gegebenen Wartungsfensters möglich sein. Letztlich hat auch jede Wartungsmaßnahme eine bestimmte Priorität. Wartungsaktivitäten, deren Trigger länger zurückliegt erhalten eine höhere Priorität. Der Grad der Erhöhung der Priorität ist hierbei abhängig von der betroffenen Wartungsaktivität. Wenn die Wartung letztlich durchgeführt wurde, so sind in der Produktionsleittechnik mit der Fertigmeldung die entsprechenden Zähler für Takte und Betriebsstunden zurückzusetzen. Hilfreich für die Planung der Wartungsaktivitäten sind
206
Unterstützung der Instandhaltung
Zusatzinformationen wie Warnungen noch bevor der Wartungstrigger aktiv wird, sowie Alarme, wenn Wartungsaktivitäten über eine bestimmte Grenze hinaus verschoben werden. Das Produktionsleitsystem sollte eine Liste offener Wartungstrigger erstellen können. Für den einzelnen Instandhaltungsmitarbeiter sollte eine Liste geplanter Aktivitäten je Schicht zur Verfügung stehen.
6.4.7. TPM TPM steht für “Total Productive Maintenance” oder “Total Productive Management”. TPM entstand als Teil von Produktionssystemen in Japan, als Japanische Unternehmen begannen, die vorbeugende Wartung, welche in amerikanischen Unternehmen verbreitet war, zu übernehmen. TPM hat sich zu einem Programm zur kontinuierlichen Verbesserung in allen Bereichen des Unternehmens entwickelt. Hierbei gilt es Verluste und Verschwendung zu vermeiden und gleichzeitig Null Defekte, Null Ausfälle, Null Qualitätsverluste und Null Sicherheitsprobleme zu erreichen. TPM baut hierbei auf acht Säulen auf, wie Abb. 6.10 zeigt (Bild nachempfunden zu Liste „Die acht Säulen von TPM“ in (Total Productive Maintenance) und Bild 8.5 aus (Al-Radhi, 2002)). Weiterführende Informationen zu TPM finden sich in (Hartmann, 2001).
Arbeitssicherheit
TPM in administrativen Bereichen
Qualitätsmanagement
Anlaufüberwachung
Training und Ausbildung
Vorbeugende Instandhaltung
Autonome Instandhaltung
Kontinuierliche Verbesserung
TPM
Fertigung
Abb. 6.10 – Die Säulen von TPM
Produktionsleitsysteme können die Umsetzung von TPM effektiv unterstützen, indem einige wichtige Kernfunktionen implementiert werden. Zunächst gilt es
Funktionen für die vorbeugende Wartung
207
hierbei Regelkreise zur kontinuierlichen Verbesserung zu schaffen. Ziel ist die Minimierung der 6 Verluste, wie sie bereits im Abschnitt über Anlagenkennzahlen erläutert wurden. Ein solcher kontinuierlicher Verbesserungsprozess für Anlagen auf Basis der Produktionsleittechnik wurde oben bereits beschrieben. Weiters sollten Modelle der autonomen Instandhaltung, welche weiter unten erläutert werden, unterstützt werden. Produktionsleitsysteme sollten zudem, wie oben bereits beschrieben, die geplante Instandhaltung, deren Ziel es ist, eine 100% Anlagenverfügbarkeit zu erreichen, unterstützen. Als Beispiel solcher Funktionen in der Produktionsleittechnik wurden Wartungstrigger oben beschrieben. Der Einsatz von Produktionsleitsystemen als Mittel zur Überwachung des Anlaufs von Anlagen wurde oben bereits beschrieben. Produktionsleitsysteme spielen weiters eine große Rolle für Belange des Qualitätsmanagements, was unten detailliert erläutert wird. Zusätzlich können sie Kennzahlen, wie die OEE von Anlagen ermitteln und somit helfen, den Fortschritt des TPM Systems zu überwachen. TPM wirkt sich auch auf die Instandhaltung von Anlagen aus, wobei nicht nur Instandhalter sondern möglichst alle Mitarbeiter in der Fertigung regelmäßig mit TPM Aktivitäten betraut werden sollten (Säule der autonomen Instandhaltung). Die Bediener von Maschinen können mit Aufgaben, wie regelmäßigen Reinigungsarbeiten, der Schmierung von Anlagen oder der Durchführung kleinerer Wartungsarbeiten betraut werden. Dies führt dazu, dass die Bediener die Maschinen besser verstehen und der Umgang mit den Ressourcen zielgerichteter und schonender wird. Andererseits werden die Instandhalter von Routineaufgaben befreit, sodass ihre Zeit für Aufgaben in der Fehlerprävention zur Verfügung steht und somit effektiver genutzt wird. Produktionsleitsysteme können die autonome Instandhaltung durch eine Reihe von Maßnahmen unterstützen, die in Tabelle 6.3 aufgelistet sind. Tabelle 6.3 – TPM-unterstützende Funktionen im PLS Funktion
Beschreibung
Anzeige von TPM Maßnahmen und TPM Zeiten
Diese Anzeige kann z.B. auf Fabrikanzeigen erfolgen. Wenn der Sollwert der Produktion in der laufenden Schicht erreicht ist, so kann die verbleibende Zeit für TPM Aktivitäten genutzt werden. Dies ist anzuzeigen.
Anzeige von Arbeitsanweisungen
Das Management der Anlagendokumentation im Produktionsleitsystem kann für die Bereitstellung von Arbeitsanweisungen für TPM genutzt werden.
Fortschrittskontrolle
Die Durchführung von TPM Aktivitäten kann durch das Abzeichnen von Checklisten im Produktionsleittechnik Client dokumentiert werden. (Prozessmerkmale)
Wartungsaufträge
Wartungsaufträge sollten, wenn dies zutrifft, als TPM Aktivitäten gekennzeichnet und als solche gesondert verfolgt werden. TPM kann also über Wartungsaufträge verwaltet werden.
208
Unterstützung der Instandhaltung
6.4.8. Wartungsmanagementsysteme Vielfach wird für das Management der Instandhaltung ein dediziertes Instandhaltungsmanagementsystem eingesetzt. Beispiele sind SAP-PM oder MRO Maximo. Anstatt alle Prozesse in der Instandhaltung abzubilden und zu verwalten, ist es daher Aufgabe der Produktionsleittechnik, mit diesen Systemen zusammenzuarbeiten, um alle für die Instandhaltung notwendigen Prozesse systemtechnisch abzubilden. Die Schnittstelle zwischen der Produktionsleittechnik und dem Instandhaltungsmanagementsystem überträgt daher normalerweise alle oder eine Teilmenge instandhaltungsrelevanter Informationen, wie Wartungstrigger vom Produktionsleitsystem an das IH System. Diese Wartungstrigger führen dazu, dass im IH System Wartungsaufträge angelegt werden, wobei die Terminierung der Aufträge im IH System erfolgt, welches die Verfügbarkeit von Personal, Material und Werkzeugen sicherstellt, sowie die Ausführung in der produktionsfreien Zeit einplant. Wenn die Wartungsaufträge technisch abgeschlossen wurden, so wird die Produktionsleittechnik informiert, sodass die zugehörigen Zähler für Takte oder Betriebsstunden zurückgesetzt werden können. Geplante TPM Tätigkeiten kann die Produktionsleittechnik vom IH System übernehmen und z.B. auf Fabrikanzeigen visualisieren. Entsprechende Checklisten können ebenfalls übernommen oder direkt in der Produktionsleittechnik hinterlegt werden. Die Aktivitäten können somit dokumentiert werden. Die Dokumentation kann im Detail oder als Summenergebnis an das IH System zurückgegeben werden. Wartungsaufträge, die manuell beim Quittieren oder automatisch bei Auftreten als Folge von Anlagenfehlern erzeugt werden, können automatisch an das IH System weitergegeben werden. Der Vorteil dieser Vorgangsweise ist, dass das Produktionsleitsystem eine einzige integrierte Benutzeroberfläche für Mitarbeiter in der Fertigung anbietet. Hiermit entfällt das Erfordernis, mehrere Applikationen in der Linie auszurollen mitsamt dem damit verbundenen Schulungsaufwand. Das IH-System kann der Produktionsleittechnik mitteilen, welche Anlagen wann aufgrund von geplanten Wartungsaktivitäten nicht zur Verfügung stehen. Diese Information ist für das Routing von Teilen und das Puffermanagement in einigen Fällen erforderlich. Wenn diese Information seitens des IH-Systems nicht zur Verfügung steht, kann auf den Anlagen z.B. eine Betriebsart „geplanter Stopp“ eingeführt werden, die der Instandhalter z.B. mittels eines hierfür vorgesehenen Druckknopfs aktivieren kann. Die Einführung dieser Betriebsart hilft auch, die Berechnungen der Verfügbarkeit, OEE etc. entsprechend zu adaptieren. Beide Systeme, sowohl die Produktionsleittechnik als auch das IH-System benötigen für verschiedene Funktionen den Schichtkalender. Dieser wird von beiden Systemen üblicherweise direkt vom ERP System übernommen, sodass keine Notwendigkeit besteht, diesen zwischen beiden Systemen auszutauschen. Abschließend sei noch angemerkt, dass basierend auf aktuelle IT Technologien, wie XML, SOAP und andere, auf sehr einfache Weise interagierende Systeme rea-
Funktionen für die vorbeugende Wartung
209
lisiert werden können. Anstatt alle Funktionen von ERP, Planung, Steuerung der Produktion, Instandhaltung etc. in ein einzelnes System zu integrieren, welches notwendigerweise sehr komplex, aufwändig und damit kostenintensiv und wenig flexibel wird, sollten dedizierte Systeme aufgebaut werden, deren Umfang überschaubar bleibt und die jeweils ihre spezifischen Aufgaben erfüllen. Es erscheint wenig sinnvoll, allumfassende integrierte Systeme zu schaffen. Fehler, die vielfach bei der Einführung von ERP Systemen gemacht wurden, sollten auf den unteren Unternehmensleitebenen nicht wiederholt werden. Wer erweiterte IT Funktionen zum Management der Instandhaltung benötigt, sollte hierfür dedizierte Instandhaltungsmanagementsysteme einsetzen, die gut mit anderen Systemen koppelbar sind. Auf der anderen Seite ist es wenig zielführend, Produktionsleitsysteme mit spezifischen Instandhaltungsmanagementfunktionen zu überfrachten, zu denen z.B. die Personalplanung oder die Verwaltung von Ersatzteillagern gehört.
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7. Prozessabsicherung Produktionsleitsysteme spielen bei der Absicherung von Produktionsprozessen eine wesentliche Rolle. Unter Prozessabsicherung versteht man Maßnahmen, die das Auftreten von Fehlern im Prozess verhindern oder bereits aufgetretene Fehler anzeigen und so einer Behebung zuführen. Ausgehend von einer Klassifizierung von Fehlern werden in diesem Abschnitt grundlegende Maßnahmen zur Behandlung von Fehlern beschrieben. Ausgehend von dieser theoretischen Betrachtung wird schließlich eine Reihe praktischer Anwendungen der Prozessabsicherung beschrieben. Hierzu zählen automatisierte Sortiertische, die Absicherung sicherheitskritischer Verschraubungen und verschiedene Mittel zur Rückmeldung an den Werker.
7.1. Einleitung Unter dem Begriff Prozessabsicherung werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die in einer Fertigung helfen sollen, Fehler möglichst zu vermeiden. Wichtige Methoden und Anregungen zu diesem Thema kamen in den 70er und 80er Jahren aus Japan. Japanische Firmen hatten zunächst erhebliche Probleme, mit ihren Produkten auf den europäischen und amerikanischen Märkten zu bestehen. Aus diesen Gründen wurde damals eine Qualitätskampagne von bisher unerreichtem Ausmaß gestartet, um die Marktakzeptanz nachhaltig zu erhöhen. Im Rahmen des Toyota Produktionssystems leistete besonders Shigeo Shingo (Shingo, 1987) wertvolle Beiträge, indem er um umfassendes Konzept zur Fehlervorbeugung, welches als Poka Yoke bezeichnet wird, erarbeitete. Fehler sind alle Ereignisse, die zu Taktverlusten oder zu Qualitätsverlusten führen. Dies umfasst auch jene Probleme, die eine Nacharbeit erfordern und in der Nacharbeit gelöst werden.
7.2. Klassifikation von Fehlern Fehler lassen sich prinzipiell einteilen in Fehler, die von automatischen Produktionsmaschinen gemacht werden und in Fehler, die durch Fehlhandlungen von Menschen entstehen. Beide Arten von Fehlern müssen in einer Fertigung minimiert werden und können prinzipiell auch ähnlich bearbeitet werden. Dennoch gibt es einige wesentliche Unterschiede.
212
Prozessabsicherung
7.2.1. Von Menschen verursachte Fehler Fehler, die durch Menschen in der Fertigung verursacht werden, können sehr vielfältige Ursachen haben. Eine Betrachtung sollte jedoch zumindest jene Ursachen einschließen, die in Tabelle 7.1 aufgelistet sind. Tabelle 7.1 – Menschlich-bedingte Fehlerursachen Fehlerursache
Beschreibung
Fehlbedienung
Verwechseln von Teilen (verdrehen, vertauschen etc.). Verwechseln von Bedienelementen oder maschinellen Einstellungen
Vergessen
Arbeitsschritte werden vergessen und daher einfach ausgelassen
Missverständnis
Falsches Verständnis der Situation. Das Bild, das sich Menschen von der Situation machen ist nur vermeintlich richtig.
Übersehen
Menschen sind zu weit entfernt, um die Situation deutlich zu erkennen oder zu schnell, um die Situation richtig erfassen zu können
Unerfahrenheit
Menschen fehlt die Ausbildung oder Erfahrung.
Unachtsamkeit
Menschen sind unachtsam. Oft hört man später „Ich verstehe nicht, wie mir das passieren konnte“.
Variation im Arbeitsablauf
Plötzliche Bandhalts oder andere Umstände unterbrechen den Arbeitsablauf, was zu Fehlern führt, da Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit nicht wissen, wo sie zuvor aufgehört haben.
Keine Standardisierung
Arbeitsanweisungen sind fehlerhaft, ungenau oder unvollständig.
Vorsatz
Menschen missachten Standards oder Vorschriften absichtlich. Sabotage und Diebstahl fällt ebenfalls in diese Kategorie.
Methoden zum Umgang mit von Menschen verursachten Fehlern werden noch beschrieben. Zusammenfassend sei angemerkt, dass die effektivste Methode zur Vermeidung dieser Fehler die Schaffung eines guten Betriebsklimas und angenehmer Arbeitsbedingungen darstellt. Investitionen in diesen Bereichen bewirken meist sofortige positive Effekte auf die Fehlerstatistiken.
7.2.2. Von Maschinen verursachte Fehler Ebenso wie Menschen nicht perfekt funktionieren, gilt dies auch für Maschinen. Je komplexer die Maschinen werden und je höher die Anforderungen an den Automatisierungsgrad oder die Komplexität von Fertigungsprozessen werden, desto höher wird die Fehlerrate in automatischen Fertigungsschritten sein. Fehler in au-
Die Behandlung von Fehlern
213
tomatischen Fertigungseinrichtungen können wie in Tabelle 7.2 angegeben eingeteilt werden. Tabelle 7.2 – Von Maschinen-bedingte Fehlerursachen Fehlerursache
Beschreibung
Teilefehler
Fehler, die durch defekte Teile verursacht werden. Typisch sind Geometrien außerhalb der Toleranz, Verschmutzung, Beschädigungen etc.
Falsche Teile
Fehler durch falsche Teile, die von den Teilekontrollen an der Maschine nicht erkannt werden
Falsche Parameter
Die Maschine wird mit fehlerhaften oder falschen Parametersätzen betrieben.
Ablauffehler
Fehlerhafte Fertigungsabläufe im Automatikbetrieb. Dies führt z.B. zu Kollisionen
Defekte Maschinenteile Ausfall von Komponenten in der Maschine (Antriebe, Netzteile, Netzwerkkomponenten oder Maschinenteile) Sicherheitsprobleme
Die Sicherheitsausrüstung an der Maschine ist fehlerhaft (Not Aus Schalter, Lichtvorhänge etc.)
Prozessvariationen
Variationen im Fertigungsprozess, die unvermeidbar zu Ausschuss führen.
Diagnosefehler
Fehler, die von der Maschinendiagnose gemeldet werden, aber keinem realen Problem entsprechen.
Die Betrachtung von Fehlern an Maschinen wird je nach Betriebsphase der Fertigung unterschiedlich sein (Anlaufphase, Betriebsphase, Auslaufphase). Für Fehler an Maschinen existieren recht gute Kennzahlen, wie z.B. OEE und Methoden, die zu einer systematischen kontinuierlichen Verbesserung der Performance von Maschinen führen, und oben bereits vorgestellt wurden. Die Prozessabsicherung beschäftigt sich mit der Frage, wie mit Fehlern, die tatsächlich auftreten, umzugehen ist.
7.3. Die Behandlung von Fehlern Für die Behandlung von Fehlern ist es zunächst erforderlich, Informationen über die Fehler zu sammeln. Grundsätzlich sind folgende Fragen zu beantworten: • • • •
Wo liegt der Entstehungsort des Fehlers? Welcher Teil ist tatsächlich für den Fehler verantwortlich? Welche Arbeitsgänge sind an der Entstehung des Fehlers beteiligt? Hat der Fehler ein binäres oder sprunghaftes Verhalten?
214
Prozessabsicherung
Die Beantwortung dieser Fragen bildet die Grundlage für den Umgang mit Fehlern. Wie oben bereits beschrieben wurde, ist die Produktionsleittechnik ein Mittel zur zentralen und übergreifenden Erfassung aller Fehler durch Automatismen, wie Stationsmeldungen und durch Handeingaben in der Linie, der Instandhaltung und in der Nacharbeit. Abb. 7.1 zeigt die grundsätzlichen Möglichkeiten der Fehlerbehandlung.
Abb. 7.1 – Möglichkeiten der Fehlerbehandlung
Die Prozessabsicherung kann vorbeugend wirksam werden, bevor Fehler auftreten. In diesem Fall sind verschiedene Reaktionen möglich, wie in Tabelle 7.3 aufgelistet ist.
Die Behandlung von Fehlern
215
Tabelle 7.3 – Reaktionen auf Fehler Reaktion
Beschreibung
Abschalten Wenn das Auftreten eines Fehlers vorhergesagt werden kann, dann wird der Betrieb gestoppt. Ein Beispiel für diese Vorgangsweise ist z.B. eine Teilekontrolle im Rohbau. Wenn ein Teil nicht oder ein fehlerhafter Teil eingelegt ist, so wird der Automatikbetrieb gestoppt und eine Fehlermeldung ausgegeben. Der Automatikbetrieb wird erst fortgesetzt, wenn der Werker oder Instandhalter eingegriffen und den Fehler korrigiert hat. Ausregeln Durch entsprechende Vorrichtungen wird das Auftreten eines Fehlers von vornherein verhindert. Ein Beispiel wäre ein Stecker, der verdrehsicher ausgeführt ist, sodass ihn der Werker nicht verkehrt einbauen kann. Warnen
Ein Beispiel für diese Vorgangsweise wäre die Absicherung einer kritischen Verschraubung durch die Prozessleittechnik. Wenn die Verschraubung mittels EC-Schrauber vergessen wurde, so wird eine Warnung auf der Fabrikanzeige ausgegeben. Dies könnte man auch mit Abschalten kombinieren, indem in diesem Fall das Band angehalten wird.
Die Prozessabsicherung dient aber auch dem Umgang mit Fehlern, die bereits aufgetreten sind. Auch hier ergeben sich wieder drei Möglichkeiten, die in Tabelle 7.4 angegeben sind. Tabelle 7.4 – Möglichkeiten zum Umgang mit Fehlern Reaktion
Beschreibung
Abschalten Die Fertigung wird abgestellt, bis der Fehler beseitigt wurde. Wenn z.B. ein Ziehriss am Stoßdämpferdom aufgetreten ist, so sind die möglicherweise betroffenen Karossen zurückzuhalten, bis das Problem beseitigt wurde. Ausregeln Ein Beispiel für das Ausregeln wäre die Situation am Ende des Montagebandes. Wenn Fahrzeuge offene Punkte aufweisen, so werden sie automatisch in die Nacharbeit verbracht, ansonsten gehen sie weiter zur Zertifizierung. Warnen
Warnhinweise zeigen an, dass Fehler aufgetreten sind. Diese Möglichkeit ist in der Realität selten akzeptabel.
Die Produktionsleittechnik spielt für die Behandlung von Fehlern eine wichtige Rolle. Sie bietet verschiedene Funktionen zur Prozessabsicherung. Zunächst werden Fehler systematisch gesammelt, wobei sowohl Anlagenfehler als auch Qualitätsmängel von Interesse sind. Diese Informationen können automatisch von den Produktionsanlagen oder per Handeingabe ermittelt werden. Die Produktionsleittechnik muss Prüfaktivitäten und andere Arbeitsgänge, welche der Fehlererkennung dienen, unterstützen und muss die Fertigungseinrichtungen abstellen, wenn Fehler im entstehen sind. Vielfach wird dies von der Automatisierung der Fertigungsanlage ausgelöst. In manchen Fällen muss die Produktionsleittechnik das Abstellen des Bandes übernehmen.
216
Prozessabsicherung
Die Produktionsleittechnik sorgt auch für das Routing von fehlerhaften Teilen und Fahrzeugen in die Nacharbeit. Sie kann zudem das Anzeigen von Warnungen, dass Defekte im entstehen sind oder schon vorliegen, ermöglichen. Dies erfolgt auf Fabrikanzeigen oder in offene Punkte Listen. Weiters muss die Produktionsleittechnik das Aufbereiten von Berichten über Fehler und von Trendanalysen, sowie die Implementierung von Funktionen zur statistischen Prozesskontrolle erlauben. Wichtig ist das Errechnen von Kennzahlen über die Fehler in der Fertigung. Die bedeutendsten sind in vielen Fällen OEE und FTC. Ziel aller dieser Bemühungen ist eine fehlerfreie Fertigung, wobei die Grunddevise ist, dass Fehler werden akzeptiert noch toleriert werden dürfen. Fehler sind unter allen Umständen zu vermeiden. Die Vermeidung von Fehlern muss durch übergreifende Prozesse sichergestellt werden, die bereits bei der Konzeptstudie des Fahrzeuges beginnen und über Planung, Anlagenaufbau, Startrampe und Betrieb bis hin zu Auslauf der Produktion reichen. Die Erfahrungen, die der Fertigungsbetrieb aus bisheriger Produktion gezogen hat, müssen in die Entwicklung neuer Produkte einfließen. Die Fehlervermeidung muss also in Komponenten, die hinsichtlich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft orientiert sind, gegliedert werden. Abb. 7.2 zeigt diese Situation.
Abb. 7.2 – Komponenten der Fehlerbehandlung nach Blickrichtung
Beispiele zur Prozessabsicherung
217
7.4. Beispiele zur Prozessabsicherung In diesem Abschnitt sollen einige Beispiele für Möglichkeiten der Prozessabsicherung, die sich durch den Einsatz der Produktionsleittechnik ergeben ohne Anspruch auf Vollständigkeit erläutert werden.
7.4.1. Sortiertisch für Bordliteratur Jedem Fahrzeug wird bei der Auslieferung eine Menge an Bordliteratur beigelegt. Die Auswahl der Beilagen ist hierbei abhängig vom Land, in welches das Fahrzeug geliefert wird (Sprache) und von der Ausstattung des Fahrzeuges (die Beschreibung des Navigationssystems ist relativ umfangreich und nur dann erforderlich, wenn das Fahrzeug damit ausgerüstet ist). Nicht selten muss der Werker am Sortiertisch aus mehr als 100 möglichen Dokumenten, die in Regalen bereitstehen und mit Materialnummern gekennzeichnet sind, für jedes Fahrzeug den richtigen Satz zusammenstellen. Die Anzeige der Materialnummern auf einem Werkerinformationssystem oder SBS Sheet liefert alle nötigen Informationen, ist aber fehleranfällig, da der Werker jederzeit ohne weitere Prüfung z.B. durch einen Ziffernsturz die falsche Broschüre auswählen kann. Eine Möglichkeit zur Prozessabsicherung stellt ein automatischer Sortiertisch für die Bordliteratur dar. An jedem Regalplatz wird eine Leuchte oder eine LED Anzeige angebracht, welche z.B. die erforderliche Stückzahl anzeigt. Diese Anzeigen werden auf Basis der Stücklistenauflösung von der Produktionsleittechnik angesteuert, sobald der Werker am zugeordneten Client ein Fahrzeug zur Bearbeitung aufruft. Zusätzlich kann eine Rückmeldung mittels Druckknopf vorgesehen werden. Wenn der Werker eine Broschüre aus dem Fach entnimmt, so bestätigt er dies mittels Druckknopf. Hiermit kann das System feststellen, ob alle Broschüren entnommen wurden und ob alle Typen korrekt sind.
7.4.2. Auswahl von Lagerschalen für Rennmotore Funktionen zur Prozessabsicherung für die richtige Auswahl von Komponenten, die ähnlich aussehen und daher sehr leicht verwechselt werden können, können vielfach in einer Fertigungslinie eingesetzt werden. Hier soll ein Beispiel aus einer Sondermotormontage für Rennsportmotore angeführt werden. Die Montage von Rennsportmotoren erfolgt auf Grund der geringen Stückzahl manuell. Hierbei hatte sich in der Vergangenheit herausgestellt, dass eine der hauptsächlichen Ursachen für Motorschäden der Einbau falscher Lageschalen für die Lagerung der Kurbelwelle war. Aus diesem Grund wurde eine Vorgangsweise
218
Prozessabbsicherung
zur Proozessabsicheruung auf Basis der Produk ktionsleittechnnik gewählt, ddie diese Fehler weitgehend abbgestellt hat. m er die Motoornummer, weelche auf Der Werker beginnnt die Bearbbeitung, indem B am Motor anngebracht ist, einscannt. Die Produktionssleittecheinem Barcodelabel nik zeiggt daraufhin eine e Maske wiie in Abb. 7.3 (Kon-Cept GmbH., G 2008).
Abb. 7.33 – Beispiel für Absicherung A derr Lagerschalenw wahl bei einem Motor M
Die Lagerschalenn werden an Hand verschiiedener Farbeen identifizierrt. Diese s angebraacht, sodass aan einem Farbkennnung ist aucch auf den Laagerschalen selbst Arbeitssplatz die Laggerschalen einggelegt werden n, während einn Werker am nnächsten Arbeitssplatz die einggelegten Lagerschalen konttrolliert, indem m er die Farbeen abliest und einngibt. In der Produktionsle P ittechnik könn nen nun Fehleer mittels eines einfachen Sooll / Ist Verglleichs ermittellt werden. Diees ermöglicht eine sofortigee Fehlererkennuung und Fehleerkorrektur. Ähnnliche Vorganngsweisen fürr die Sichersttellung der Auswahl A der rrichtigen Teile können k in der Linie vielfachh angewendet werden. Weittere Beispielee sind die Auswahhl von Lambdda Sonden in der Motor Vo ormontage, diee Auswahl voon Pedalbaugrupppen in der Trrim Linie odeer die Auswahl von Typkennnzeichen. Durcch den zunehhmenden Einssatz von Wareenkörben undd Supermärkteen verlagern sich potenziellee Probleme mehr m und mehrr in den Logiistikbereich unnd damit weg voon der Linie.
Beispiele zur Prozessabsicherung
219
7.4.3. Sicherheitskritische Verschraubungen Die Produktionsleittechnik kann auch für die Absicherung von sicherheitskritischen Verschraubungen (z.B. Lenkspindel oder Komponenten des Fahrwerks in der Hochzeit) verwendet werden. Diese Verschraubungen werden normalerweise mittels EC-Schrauber durchgeführt. Wenn ein Fahrzeug in die Station einfährt, in der sich der entsprechende ECSchrauber befindet, so versorgt die Produktionsleittechnik den Schrauber mit den zum Fahrzeug gehörigen Schraubfällen. Abb. 7.4 zeigt ein Schrauber HMI, auf dem neben der Auftragsnummer des Fahrzeuges auch die Schraubfälle und der Fortschritt des Schraubvorgangs angezeigt werden (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 7.4 – Beispiel für ein Schrauber HMI
Wenn Verschraubungen IO ausgeführt wurden, so werden sie automatisch als erledigt abgezeichnet. NIO Verschraubungen müssen vom Werker am Touchscreen als NIO quittiert werden. Dies ist erforderlich, da der Werker die Verschraubung lösen und wiederholen könnte. NIO Verschraubungen werden an die Produktionsleittechnik gemeldet und in der offenen Punkte Liste als Mangel verzeichnet. Wenn die Schraubfälle bis zum Ende des Taktes nicht abgeschlossen wurden, so wird die Linie von der Produktionsleittechnik automatisch angehalten und die
220
Prozessabsicherung
Nummer des Schraubers wird auf der Fabrikanzeige angezeigt, sodass der Springer oder der Zonenleiter die Ursache des Stillstandes sofort erkennen und eingreifen kann. Auf diese Weise ist es nicht möglich, sicherheitskritische Verschraubungen zu vergessen. Fehler, wie zweimal an einer Stelle zu verschrauben, werden vom Schrauber an Hand des Verdrehwinkels erkannt und abgefangen. Durch die manuelle Bedienung des Schraubers ist die Kontrolle der Schraubreihenfolge nur bedingt möglich. An einigen Stellen kann die Kontrolle der Reihenfolge durch eine Toolbox für die Auswahl des Werkzeugs unterstützt werden. Die Dokumentation der Schraubfälle erfolgt je Fahrzeug unter Angabe von Ort und Zeit der Verschraubung, Moment und Verdrehwinkel, Werkzeug und einer Beurteilung IO oder NIO entsprechend der Stücklistenvorgaben. Hiermit kann sichergestellt werden, dass die Fertigung nachvollziehbar ist, da NIO Verschraubungen in der offenen Punkte Liste dokumentiert sind und in der Nacharbeit behandelt werden müssen. Die Liste mit Fahrzeugen und Schraubfällen für jeweils 40 Takte im Voraus werden direkt am Schrauber HMI gespeichert, ebenso die Rückmeldungen. Bei Ausfall des Netzwerkes oder der Produktionsleittechnik kann die Produktion somit zeitlich begrenzt fortgesetzt werden. Im Notfallsbetrieb muss der Werker die Auftragsnummer des Fahrzeuges aus einer Liste auswählen bevor er mit der Verschraubung beginnen kann. Im Normalfall erfolgt die Vorgabe von Fahrzeugen automatisch. Eine ähnliche Absicherung von kritischen Arbeitsgängen ist z.B. für Befüllanlagen (z.B. Getriebeölbefüllung), VIN Präger (Fahrgestellnummern sind Dokumente und unterliegen je nach Lieferland strengen Bestimmungen. VIN Präger erfordern daher eine besonders rigorose Prozessabsicherung.), Prüfstände und Elektroniktester möglich. In typischen Fertigungsstätten in Europa und Japan stehen gut ausgebildete Mitarbeiter bereit, die sich zu einem sehr hohen Grad mit dem Produkt identifizieren. Wenn Fertigungsstätten in Niedriglohnländer verlegt werden, so wird die Prozessabsicherung hingegen sehr schnell zu einem Kernthema, wenn es darum geht, allgemein anerkannte und geforderte Qualitätsstandards zu erreichen.
7.4.4. Rückmeldung an die Werker Oben wurde bereits die Bedeutung von Managementregelkreisen in der Fertigung erläutert. Oft wird übersehen, dass auch Werker am Band eine Rückmeldung bezüglich ihrer eigenen Tätigkeit benötigen. Diese Rückmeldung ist erforderlich, um den Werkern die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit an die Anforderungen und an den Produktionsfluss anzupassen. Durch geeignet gewählte Rückmeldungen kann gezielt auf die Qualität und die Stückzahl Einfluss genommen werden.
Beispieele zur Prozessabbsicherung
221
7.4.5. Fabrikanzzeigen Fabrikannzeigen sind ein e hervorrageendes Mittel für f Rückmelduungen an Werrker und für die Anzeige allggemeiner Infoormationen zu um Fertigungssfortschritt. A Abb. 7.5 Cept GmbH., 2008). 2 zeigt einn Beispiel für eine Fabrikannzeige (Kon-C
Abb. 7.5 – Fabrikanzeigee
Auf dieser d Fabrikaanzeige werdeen vielfältige Informationenn in kompakteer Form angezeiggt. Hierzu geehört der Stannd der Puffer vor und hinteer der Linie. Weiters wird deer Status der Stationen undd Betriebsmitttel an der Liinie angezeigtt, sowie Eingrifffe durch Werkker (Störung, Not Aus, Einllauf leer, Ausslauf blockiertt, Springerruf, Bandhalt, Maaterial Alarm m, Qualitätsalaarm). Wenn eine Störung anliegt M zurr Prozessabsiccherung das B Band anoder einn Manipulatorr bzw. eine Maßnahme hält, so wird die Quelle des Stillsstandes angezzeigt. Ebenso wird die Queelle von Bandhallts etc. angezeeigt. Die Fabrikanzeige F e bietet sich auuch zur Anzeiige allgemeiner nicht direkkt taktrelevanterr Informationnen und Ereiggnisse, wie Pausen, P Grupppengesprächee, TPM, Kappennwechsel, vom m Administratoor konfigurierrbare freie Texxte etc. an. Zuu diesen Informaationen ist aucch die aktuellle Uhrzeit zu zählen, welchhe vor allem deshalb angezeiggt wird, damit die Mitarbeiiter einen Gru und haben, reggelmäßig auf ddie Fabrikanzeiige zu schauenn. Auf der d Fabrikanzzeige können auch a wichtigee Kennzahlen angezeigt weerden. In Frage kommen k der FTC F Wert, derr Sollwert, derr Istwert und der Trend derr Stückzahlen jeweils bezogeen auf die aktuuelle Schicht. Die Fabrikanzeige F en werden niccht nur von deen Werkern soondern auch von Instandhalltern, der Loggistik, dem Maanagement un nd schließlich von Besucherrn gerne
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Prozessabsicherung
angenommen, da sie einen schnellen Überblick über die wichtigsten Kenndaten der Fertigung ermöglichen. Die Ansteuerung der Fabrikanzeigen erfolgt über Ethernet TCP/IP direkt durch die Produktionsleittechnik. Hiermit ist es möglich, den Inhalt der Fabrikanzeigen auch auf dem Produktionsleittechnik Client darzustellen womit die Informationen auch im Büro zur Verfügung stehen. Zudem können Fabrikanzeigen zentral konfiguriert werden und die Anzeige ist konsistent mit jenen auf den Clients. Einige Hersteller bieten auch vollgrafische Fabrikanzeigen an, die über einen eingebauten Webbrowser verfügen und Grafiken darstellen können. Als immer preisgünstigere Alternative kommen auch Plasma oder LCD Bildschirme in Frage. Das Problem mit beim Einsatz dieser Geräte ist, dass kaum industrietaugliche Ausführungen zur Verfügung stehen. Einhausungen beeinträchtigen die Bildqualität und sind teuer. Aus diesem Grund kommen diese Geräte nur in Frage, wenn geringe Anforderungen an die Umgebungsbedingungen gestellt werden. Zudem ist die Lebensdauer speziell von Plasmabildschirmen begrenzt. Ein weiterer Nachteil ist, dass für diese Geräte ein PC oder ein adäquater Rechner zur Ansteuerung in unmittelbarer Nähe erforderlich ist. Aus Sicht des Prozessentwicklers sind vollgrafische Anzeigen zwar äußerst flexibel, meist aber erheblich teurer und schlechter lesbar als Textanzeigen. Wenn kein zwingender Prozesstechnischer Grund vorliegt, sollte man daher versuchen, mit Textanzeigen das Auslangen zu finden. Bei der Auswahl von Fabrikanzeigen ist weiters darauf zu achten, dass keine standardisierten Protokolle für ihre Ansteuerung vorliegen. Jeder Hersteller implementiert oft sogar spezifisch für einzelne Produktlinien eigene Protokolle. Bei Einsatz verschiedener Typen von Anzeigen ist daher ein Mehraufwand für die Protokollanbindung und deren Test einzukalkulieren.
7.4.6. Beschallungsanlage Die Anzeigen auf der Fabrikanzeige können zusätzlich durch Sprachmeldungen über eine Beschallungsanlage unterstützt werden. Dies ist sinnvoll, da man nicht davon ausgehen kann, dass alle Werker sofort und jederzeit auf die Fabrikanzeigen schauen. Meldungen wie Bandhalt, Springerruf, Störung, Pause oder Gruppengespräch können sinnvollerweise am Beschallungssystem ausgegeben werden. Technisch kann die Ausgabe am Beschallungssystem auf verschiedene Arten realisiert werden. Üblich sind z.B. der Einsatz von MP3 Playern oder eines in einem PC mit Audiokarte installierten Media Players oder der Einsatz eines Text-tospeech Systems. Die letztere Methode ist erheblich flexibler und einfacher zu konfigurieren. Nachteilig ist besonders die schlechtere Sprachqualität im Vergleich zu Aufnahmen menschlicher Sprecher.
Beispiele zur Prozessabsicherung
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7.4.7. Produktionsleittechnik Client Der Produktionsleittechnik Client ist eine weitere Möglichkeit, die Werker mit Rückmeldungen zu ihrer Tätigkeit zu versorgen. Da die Werker für die Anzeige von fahrzeugspezifischen Informationen, das Abhaken von Checklisten und die Eingabe von variablen Prozessdaten ständig mit den Clients der Produktionsleittechnik arbeiten, sollte ihnen dort auch Rückmeldung zu ihrer Tätigkeit angeboten werden. Der Werker hat meist nicht das Training und auch nicht die Zeit, sich mit komplexen statistischen Auswertungen und Graphen auseinander zu setzen. Aus diesem Grund sollten die Rückmeldungen so einfach wie möglich gehalten werden. Dies auch deshalb, weil es die Rückmeldungen auf den gleichen Bildschirmmasken erscheinen sollten, auf denen der Werker arbeitet. Das Umschalten von Bildschirmseiten für die Anzeige von Rückmeldungen ist nicht vorteilhaft, da dies die Rückmeldung verzögert oder, wenn der Werker keine Zeit hat oder vergisst nachzusehen, gar nicht erfolgt. Dies schränkt den Platz für mögliche Rückmeldungen ein, was ein zusätzliches Argument für einfache Darstellungsweisen ist. Folgende Informationen können für Werker von Bedeutung sein. Die angezeigte Untermenge sollte je Benutzer konfigurierbar und damit an die jeweilige Situation anpassbar sein. Zunächst sollte der Status der Produktion angezeigt werden. Hierzu gehören die Uhrzeit, der Sollwert, der Istwert und der Trend der Produktion in der aktuellen Schicht. Besonders wichtig für die Orientierung des Werkers sind Taktzeitinformationen. Hierzu gehört die Anzeige der bis zum Taktende verbleibenden Sekunden (Countdown). Die Anzeige kann farblich hinterlegt werden (z.B. Rot: Taktzeit überschritten, Gelb: Geplante Taktzeit überschritten und Grün: Geplante Taktzeit läuft). Zusätzlich könnte dem Werker die durchschnittliche Taktzeit in der Schicht angezeigt werden, die er bis zum Ende der Bearbeitung benötigt hat, sowie die Abweichungen von dieser durchschnittlichen Bearbeitungszeit. In Fertigungen mit sehr langer Taktzeit sollte detailliertere Information angezeigt werden, die dem Werker jederzeit die Beurteilung ermöglicht, ob er hinsichtlich des Zeitplans im aktuellen Takt vorne oder hinten liegt. Sinnvoll ist auch die Anzeige, wie viele Teile IO oder NIO bearbeitet wurden. Die wichtigsten Taktzeitüberschreitungen oder NIO Punkte in der Zone sollten dem jeweiligen Zonenleiter als Rückmeldung angezeigt werden. Die Nacharbeit sollte auch die Möglichkeit haben, Arbeitsplätze von wiederkehrenden Qualitätsproblemen zu informieren. Zusätzlich sollte die Möglichkeit bestehen, in solchen Fällen die Arbeitspläne temporär zu ändern und z.B. zusätzliche Prüfschritte in den Arbeitsplan einzufügen. Dies könnte mit dem Verschwinden des Qualitätsproblems automatisch wieder terminiert werden. Neuerungen im Werkerinformationssystem oder im Prozessplan sollten dem Werker grafisch durch farbliche Hinterlegung angezeigt werden. Dies führt auto-
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Prozessabsicherung
matisch dazu, dass Neuerungen beachtet werden und nicht im Alltag untergehen. Ebenso könnten für Neuerungen temporär zusätzliche Prüfschritte in den Arbeitsplan eingefügt werden, die automatisch nach einer zu bestimmenden Einarbeitungszeit terminieren.
7.4.8. Leuchten In jeder Anlage werden verschiedenste Leuchten angebracht, welche Werkern und Instandhaltern Rückmeldungen geben. Beispiele sind Leuchttaster für Bandhalt oder Springerruf. Der Bandhalttaster, der gedrückt wurde, blinkt während alle anderen an der Linie leuchten um anzuzeigen, dass ein Bandhalt vorliegt. Verbreitet sind auch Leuchten, die die Betriebsart der Anlagen anzeigen, wie Automatikbetrieb oder Handbetrieb, oder Turmleuchten, die die Betriebsart der Anlage anzeigen oder melden, dass der Eingriff eines Werkers an der Maschine erforderlich ist um z.B. Teile einzulegen. Weitere Leuchten, die Anzeigen, ob sich ein Manipulator in Grundstellung befindet oder dass Maschinen betriebsbereit sind, sind als Rückmeldung für den Werker unverzichtbar. Beispielsweise könnte eine Leuchte am Füllkopf anzeigen, dass eine Füllanlage bereit ist. Die diversen Leuchten werden üblicherweise von der Automatisierung der Anlage, also von SPS und nicht von der Produktionsleittechnik angesteuert. Dies ist einfacher von Systemaufbau her, aber auch einfacher, da die Logik für die Ansteuerung meist in der SPS hinterlegt ist. Wichtig ist, dass bereits in der Anlagenplanung ein übergreifendes Konzept für Leuchten und Rückmeldungen an die Werker und Instandhalter erstellt wird. Unterschiedliche Farben für die gleiche Information, unterschiedliche Informationen oder eine Überflutung des Bedieners mit unwichtigen Details erweisen sich im Betrieb als eher kontraproduktiv.
7.4.9. Anschlagtafeln Anschlagtafeln in den Pausenräumen oder in den Zugangsbereichen zur Halle werden oftmals für Rückmeldungen an das Personal verwendet. Typische Informationen, die dort präsentiert werden, sind Statistiken über Stückzahlen, Fehlzeiten durch Urlaube, Krankenstand etc., Qualitätsinformationen, Sicherheitsinformation, wie Unfallstatistiken, Informationen zur Job Rotation, Informationen zu Schulung und Ausbildung der Mitarbeiter und Informationen zum KVP Prozess. In vielen Fällen, wenn man als Besucher in eine Fertigung kommt, stellt man sich unwillkürlich die Frage, ob die auf der Anschlagtafel angebotenen Informationen tatsächlich für Werker tauglich sind oder doch eher ein Kommunikationsmit-
Beispiele zur Prozessabsicherung
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tel von Managern für Manager sind. Typische Fehler sind die Darstellung von zu vielen oft nicht relevanten Informationen oder eine zu komplexe Darstellung von Informationen, sodass das Erkennen der Aussage schon eines sehr eingehenden Studiums der Graphen oder Tabellen bedarf. Oft ist auch wenig Disziplin hinsichtlich Aussehen, Form und Einheitlichkeit der Informationsdarstellung zu erkennen. Wenn die Informationen veraltet und nicht am aktuellen Stand sind, so wird dies von den Mitarbeitern sehr schnell erkannt und die Anschlagtafeln werden nicht mehr aktiv wahrgenommen. Stehen keine regelmäßig aktualisierten Informationen bereit, so sollten die entsprechenden Papiere von den Anschlagtafeln entfernt werden. Zu viele, redundante oder nicht sinnvolle Informationen sind ein klarer Hinweis darauf, dass das Management Probleme hat, die richtigen Kennzahlen für die Steuerung des Fertigungsbetriebs zu finden. Schlecht lesbare, komplexe oder veraltete Informationen wiederum sind ein klares Indiz dafür, dass die Prozesse rund um die Fertigung inklusive der erforderlichen Rückkopplungsschleifen nicht funktionieren. In beiden Fällen ist eine Aktivität zur Prozessentwicklung erforderlich und kann für den Fertigungsbetrieb je nach individueller Situation erhebliche Verbesserungen mit sich bringen.
7.4.10. Intranet Das Intranet eines Fertigungsbetriebes sollte an allen Arbeitsplätzen erreichbar sein. Es ist ein schnelles und gerne angenommenes Kommunikationsmittel für wichtige Informationen. Die Produktionsleittechnik sollte Möglichkeiten bieten, Kennzahlen und Kerninformationen für die Publikation im Intranet bereitzustellen, wobei die Fristigkeit der Rückkopplung in diesem Fall durchaus sehr kurz ist.
7.4.11. Publikationen Publikationen, wie Mitarbeiterzeitschriften, Informationsblätter des Betriebsrates etc. liegen in allen Fertigungsbetrieben auf. Auch diese Informationskanäle können für gezielte Rückmeldungen an die Werker genutzt werden, wobei man sich bewusst sein muss, dass diese Medien auf Grund des Drucks und der Verzögerung durch zyklische Erscheinungstermine, sich vor allem für Rückkopplungen mit langer Fristigkeit eignen.
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8. Versorgung manueller Arbeitsplätze In diesem Abschnitt werden die grundlegenden Funktionsabläufe in einem Produktionsleitsystem erläutert, die erforderlich sind, um ausgehend von den Informationen zu Fahrzeugen, die vom Planungssystem übernommen werden, manuelle Arbeitsplätze versorgen zu können. Viele dieser Funktionen werden in identischer Form auch für die Versorgung automatischer Produktionseinrichtungen benötigt. Eingegangen wird auf die Schnittstelle zum Planungssystem ebenso wie auf Besonderheiten des Prozessplans, des Teilemodells und die erforderlichen Regelwerke und Logiken im Prozessleitsystem. Anschließend werden Masken erläutert, die als Schnittstelle zum Werker dienen. Zuletzt werden noch erweiterte Aspekte, wie die Einsatzsteuerung bei Änderungen erläutert.
8.1. Einleitung Die Datenversorgung für die Anzeige von fahrzeugspezifischen Informationen und das Einsammeln von Rückmeldungen von manuellen Arbeitsplätzen in der Fertigung ist eine der Hauptaufgaben des Produktionsleitsystems, welche vor allem in Gewerken mit einem hohen Anteil an manuellen Arbeitsschritten von Bedeutung ist. Folgende Aufgaben sind hierbei zu implementieren: • • • • •
Abzeichnen von Checklisten Erfassen von variablen Prozessdaten (VPD) Erfassen freier Problemeinträge Fehlteilerfassung Werkerinformationssystem
Diese Funktionen wurden in der Vergangenheit traditionell mittels Papier implementiert, indem an jedem Fahrzeug ein SBS (Sequential Broadcast Sheet oder Bauschein) angebracht wurde. Auf diesem SBS waren neben der Auftragsnummer des Fahrzeuges auch alle Typinformationen meist in Form von Codes oder Sorten gedruckt. Parallel dazu wurde jedes Fahrzeug mit einer Wagenbegleitkarte versehen, die eine Liste offener Punkte und VPD Werte enthält. Die Werker konnten nun Checklisten durch Paraphen oder durch einen Stempel abzeichnen und alle VPD durch Niederschrift auf der Wagenbegleitkarte erfassen. Mit Hilfe der Wagenbegleitkarte kann die Nacharbeit organisiert werden. Die Archivierung wird durch Mikroverfilmung der Karten sichergestellt. Der Einsatz von Wagenbegleitkarten ist für Fertigungen mit geringer Stückzahl und hoher Taktzeit nach wie vor eine verbreitete Methode. Sie ist allerdings Feh-
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
leranfällig und bedarf einer umfangreichen Nacharbeit, da die Daten einerseits in Rechner eingegeben werden müssen, sodass sie für den Vertrieb und für Behörden bereitstehen und da andererseits die Daten langfristig zu archivieren sind. Prozesse, wie Auswertungen und Trendanalysen von Fertigungsdaten sind sehr mühsam und aufwändig, wenn nicht gar oftmals unmöglich. In diesem Bereich bringt der Einsatz von Produktionsleitsystemen erhebliche Verbesserungen durch schnellere und effizientere Abläufe, sowie ein stark erhöhtes Maß an Flexibilität und Agilität bei Produktänderungen oder bei Abtaktungsänderungen.
8.2. Grundlegende Funktionsabläufe Das Produktionsleitsystem übernimmt vom ERP System eine Menge von grundlegenden Informationen zu jedem Fahrzeug, welche dessen geplanten Verbauzustand eindeutig beschreiben. Aus diesen Informationen ist auf Basis einer Bedingungslogik, welche im System konfiguriert wird, Fahrzeug- und Arbeitsplatz-spezifische Information zu generieren, welche am jeweiligen Arbeitsplatz angezeigt wird und als Grundlage für die Abarbeitung des Taktes dient. In jedem Takt werden fahrzeugspezifische Daten erfasst, die Informationen zum Verlauf der Produktion, wie Prozessdaten und Qualitätsdaten, wiederspiegeln. Auf Basis dieser Daten wird für jedes Fahrzeug ein Teilestatus erfasst und in Form von Sperren an das ERP System weitergegeben. Zusätzliche Funktionen, wie z.B. Funktionen zur Fehlteilverwaltung sind erforderlich, um eine vollständige Verbaudokumentation für jedes Fahrzeug erstellen zu können. Ebenso ist eine Schnittstelle zum Logistikrechner erforderlich, um Nachbestellungen anzustoßen oder das Reklamationswesen mit Daten zu versorgen. Neben dem Teilestatus wird auch der Status der Produktionsanlagen erfasst und in die Verbaudokumentation des Fahrzeuges aufgenommen. Der Status der Produktionsanlagen dient der Unterstützung der Instandhaltung und der Betriebsführung der Anlage. Dies wurde oben bereits erläutert. Zusätzliche wesentliche Schnittstellen bestehen zu einem Archivsystem, in welchem Produktionsdaten langfristig gespeichert werden und zu Alarmservern, um Anwender möglichst zeitnah und präzise von anormalen Situationen in der Produktion zu unterrichten. Abb. 8.1 zeigt ein stark vereinfachtes Schema der Abläufe.
Schnittstelle zum ERP System
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ERP Sys tem PLT Archiv
Visualisierung und Berichtswesen
Administration
Produktionsaufträge
Teilestatus
Konfiguration
Teileverfolgung
Produktionsrückmeldung
Stücklisten
Alarmserve r Produktionsstatus
Produktionsdaten
Fehlteilverwaltung
Fertig ung sband Abb. 8.1 – Grundlegender Funktionsablauf im Produktionsleitsystem
8.3. Schnittstelle zum ERP System
8.3.1. Fahrzeugspezifische Informationen vom ERP System Die Informationen, welche das Prozessleitsystem vom ERP System übernimmt, umfassen zunächst den Auftragskopf zu jedem Fahrzeug. Dieser enthält eine eindeutige Identifikation des Auftrags in Form einer Auftragsnummer, welche sich oftmals auch aus mehreren Feldern zusammensetzt, wie Tabelle 8.1 beispielhaft zeigt. Zusätzlich zur Auftragsidentifikation wird vom ERP System jedem Auftrag eine Sequenznummer zugeordnet, welche die Planreihenfolge, in der Fahrzeuge in das Gewerk einzusteuern sind, angibt. Fahrzeuge werden in aufsteigender Reihenfolge ihrer Sequenznummern gebaut. Die weiteren Angaben im Auftragskopf sind je nach OEM sehr verschieden. Meist sind Angaben, wie die Fahrgestellnummer (VIN), das Baumuster, das Modelljahr, Planausliefertermine, Karossen-Seriennummern, Achsgewichte und weitere Informationen, die u.a. für den Druck des Typschilds erforderlich sind, wie Achsgewichte und Gesamtgewichte etc. im Auftragskopf zu finden.
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
Tabelle 8.1 – Angaben zur Auftragsidentifikation Auftragsinformation
Beschreibung
Auftragsart 1
Die Auftragsart 1 beschreibt die Baureihe, zu dem das Fahrzeug gehört. An Hand dieser Informationen können Fahrzeuge verschiedener Baureihen oder sogar unterschiedlicher Hersteller in jedem beliebigen Mix auf einem Band gefertigt werden.
Auftragsart 2
Die Auftragsart 2 beschreibt, um welche Art von Fertigungsauftrag es sich handelt. CBU (Custom Built Unit) ist die häufigste Auftragsart. Sie entspricht der Montage eines Neufahrzeuges. ERS (Ersatzteilfertigung) könnte z.B. für die Herstellung von Ersatzteilen verwendet werden, wenn die Spezifikation des Ersatzteils vom Serienteil abweicht. Dies ist z.B. vielfach bei Karosserieteilen im Rohbau der Fall.
(Sub-) Auftragsnummer
Eindeutig Nummer des Auftrags. Vielfach wird ein Fahrzeugauftrag in verschiedene Subaufträge zerlegt. Siehe unten für weitere Erläuterungen.
Auftragszähler
Der Auftragszähler ist erforderlich, um Aufträge, die auf Grund der Verschrottung des Erstauftrages neu eingesteuert werden, vom Erstauftrag zu unterscheiden.
Das ERP System gibt für jeden Auftrag zusätzlich eine Liste von Ausstattungscodes (SA-Codes oder Feature Codes oder PR-Nummern) an das Produktionsleitsystem weiter. Diese Codes beschreiben zusammen mit dem Auftragskopf den geplanten Bauzustand des Fahrzeugs. Meist wird hierbei davon ausgegangen, dass für jedes Baumuster in der Bauserie eine spezifische Serienausstattung festgelegt ist, sodass die Ausstattungscodes die Abweichungen eines spezifischen Fahrzeuges zu diesem Serienbauzustand angeben. Codes werden meist je nach Bedeutung zu Codefamilien zusammengefasst (z.B. die Codefamilie „LEA“ könnte die Lenkungsart des Fahrzeugs beschreiben und die Codes „L0L“ für Linkslenker oder „L0R“ für Rechtslenker umfassen). Regeln, wie dass jedem Fahrzeug je Codefamilie genau ein Ausstattungscode zuzuordnen ist, ermöglichen eine Plausibilisierung des Fahrzeugauftrags durch das Produktionsleitsystem. Einige Automobilhersteller legen für jeden Ausstattungscode eine Code-Type fest, die Auskunft über die Art und Herkunft eines Codes gibt. Mittels Code-Typen kann z.B. zwischen Lackcodes, Sonderausstattungscodes oder Werkssteuercodes unterschieden werden. Als letzten Teil der Informationen zu jedem Fahrzeug übergibt das ERP System eine fahrzeugspezifische Stückliste an das Produktionsleitsystem. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Stücklistenauflösung im Produktionsleitsystem durchzuführen. Dieser Prozess geht von einer werksspezifischen Stückliste aus, welche alle potenziell in einem Fahrzeug verbaubaren Materialien enthält und bildet an Hand eines Regelwerks, welches sich auf Informationen im Auftragskopf und in den Ausstattungscodes bezieht, eine fahrzeugspezifische Stückliste, welche alle Materialien angibt, welche in einem bestimmten Fahrzeug tatsächlich zu verbauen sind. Das hierfür erforderliche Regelwerk ist relativ umfangreich, sodass
Schnittstelle zum ERP System
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dessen Erstellung und Pflege einen erheblichen Aufwand mit sich bringt. Da die fahrzeugspezifische Stückliste im ERP System normalerweise zu einem früheren Zeitpunkt benötigt wird, als im Produktionsleitsystem, da z.B. Abrufe für Sequenzteile oftmals einen längeren Vorlauf benötigen als das Produktionsleitsystem, empfiehlt sich die Implementierung der Stücklistenauflösung im ERP System. Die Pflege von zwei Regelwerken ist wegen des hohen Aufwands und der nicht vernachlässigbaren Wahrscheinlichkeit von Abweichungen durch Unterschiede in den Regelwerken nicht sinnvoll, sodass eine Übernahme der fahrzeugspezifischen Stückliste vom ERP System in das Produktionsleitsystem anzustreben ist. In vielen Fällen wird die Stückliste im ERP System nur so weit aufgelöst, wie dies für Abrufe von Sequenzteilen und für die Bedarfsrechnung in der Logistik erforderlich ist. Die fahrzeugspezifische Stückliste steht daher nicht immer in ausreichender, Fahrzeuggenauer Qualität zur Verfügung. Dies ist ein Problem, welches im Zuge der Einführung von Produktionsleitsystemen unbedingt beseitigt werden sollte, da sonst die Gefahr besteht, dass Schatten-IT Systeme und unnötig komplexe Abhilfemaßnahmen in der Produktion erforderlich werden, welche die Kosteneffizienz und Agilität stark beeinträchtigen. Für die Funktion des Produktionsleitsystems und für ein einfaches Änderungsmanagements ist es sinnvoll, wenn die Stückliste nicht als flache Liste vorliegt, sondern eine Struktur aufweist. Hierbei ist eine Strukturierung nach zwei verschiedenen Dimensionen möglich. Einerseits können Materialen in der Stückliste bestimmten ZB-Teilen zugeordnet werden. Hiermit sind Aussagen möglich, wie z.B. dass der Seitenairbag ein Bestandteil des Fahrersitzes ist. Solche Informationen sind z.B. für die Vereinfachung der Fehlteileingabe an der Linie erforderlich. Die Zusammenfassung von Materialien zu ZB-Teilen ist auch im ERP System erforderlich, sodass z.B. für jeden Fahrersitz eine Stückliste erzeugt werden kann, die Grundlage für den Lieferabruf beim Sequenzlieferanten ist. Als weitere Dimension zur Strukturierung von Stücklisten bietet sich die Angabe der Art von Materialien in der Stückliste an. Z.B. kann einem Material neben einer Materialnummer auch eine Teileart und eine Teileartgruppe zugeordnet werden. Diese Art der Beschreibung von Material erleichtert die Pflege der Beziehung zwischen Materialien und Elementen im Prozessplan (Arbeitsgängen) erheblich, da im Prozessplan ein Querverweis auf die Art des Materials angegeben werden kann (z.B. in diesem Arbeitsgang wird das Lenkrad verbaut). Die Einsatzterminierung wird hierdurch erheblich erleichtert, da neue Materialien nur mehr an einer Stelle im ERP System gepflegt werden müssen. Die parallele Angabe neuer Materialien im Produktionsleitsystem erübrigt sich auf diese Weise. In vielen Fällen wird ein Material nicht alleine durch eine Materialnummer beschrieben, sondern auch durch eine Angabe der Ausführung und / oder der Farbe. Zusätzlich wird die Anzahl der Materialien nicht immer in Stück sondern z.B. im Falle von Flüssigkeiten oft auch als Liter oder in anderen Einheiten angegeben. Wenn ein bestimmtes Material an mehreren Stellen in der Fertigung verbaut wird, so sollte es im Idealfall mehrfach in der Stückliste aufscheinen, wobei eine
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
eindeutige Zuordnung jeder Materialreferenz auf eine Stücklistenposition möglich sein sollte. Hierdurch wird das Produktionsleitsystem in die Lage versetzt, eine Plausibilisierung der fahrzeugspezifischen Stückliste durchzuführen und festzustellen, ob die Stückliste dem Prozessplan entspricht. Bei einigen OEMs ist es üblich, in der Stückliste nicht nur Materialien zu führen, welche tatsächlich mechanischen Teilen entsprechen, die im Fahrzeug verbaut werden, sondern auch Materialien, welche Softwarekomponenten entsprechen, die in Steuergeräte oder Entertainmentsysteme zu programmieren sind. Die Behandlung von solchen Materialien im Produktionsleitsystem unterscheidet sich grundsätzlich nicht von jener für physikalische Teile, es ist jedoch mit einer stark erhöhten Frequenz an Änderungen zu rechnen, da die Entwicklungszyklen im Elektronikbereich meist erheblich kürzer als jene in anderen Produktbereichen sind.
8.3.2. Rückmeldungen zum ERP System Es ist die grundlegende Aufgabe des Produktionsleitsystems, die Produktion zu steuern und dafür zu sorgen, dass Fahrzeuge so effizient wie möglich und genau entsprechend der vom ERP System übermittelten Spezifikation gebaut werden. Im Zuge der Fertigung entsteht zu jedem Fahrzeug eine Reihe von Informationen, welche für das ERP System aus verschiedenen Gründen von Interesse sind und daher an dieses zurückgemeldet werden. In erster Linie sendet das Produktionsleitsystem fahrzeugbezogene Fortschrittsmeldungen über den Verlauf der Fertigung zurück an das ERP System. Die Produktion wird für diesen Zweck in mehrere aufeinanderfolgende Produktionsschritte unterteilt. Die Fahrzeugsteuerung hat die Aufgabe, die Produktionsreihenfolge zu planen, indem sie Sequenznummern vergibt, die als Teil des Auftragskopfes an das Produktionsleitsystem übergeben werden. Die Sequenznummern legen die Planreihenfolge der Produktion in den einzelnen Produktionsschritten fest, wobei technische und logistische Restriktionen zu berücksichtigen sind. Das Produktionsleitsystem meldet die tatsächliche Istsituation zurück an die Fahrzeugsteuerung. Auf Basis der Produktionsrückmeldungen können Vorgänge in der Logistik, wie z.B. Lieferabrufe ausgelöst werden. Abb. 8.2 zeigt ein typisches Beispiel eines MFA-Layouts einer Fertigung bestehend aus Karosserierohbau, Lackiererei und Montage, wobei alle Produktionsschritte eingetragen sind.
Schnittstelle zum ERP System
Abb. 8.2 – MFA Layout einer Automobilproduktion
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
An vielen Stellen in der Fertigung stimmen Übergänge zwischen Produktionsschritten mit Quality-Gates überein. Dies bedeutet, dass Fahrzeuge nur dann von einem Schritt in den nächsten wechseln dürfen, wenn keine Qualitätsmängel bestehen. Z.B. dürfen Karossen nur dann vom Rohbau in die Lackiererei übergeben werden, wenn ihre Qualität einwandfrei ist. Es ist Aufgabe des Produktionsleitsystems, zu jeder Zeit einen Gesamtstatus der Qualität jedes Fahrzeugs zu liefern, was durch die Bildung von Sperren geschieht. Sperren ergeben sich einerseits aus Informationen, welche in der Fertigung ermittelt werden (z.B. Hat ein Fahrzeug offene Prüfschritte oder NIO Prüfschritte? Sind bestimmte variable Prozessdaten, wie z.B. die Airbag-Seriennummern vollständig und gültig erfasst?) andererseits kann auch das Logistiksystem Sperren bilden, wenn z.B. Aktionen in der Qualitätssicherung anstehen, weil z.B. Serienfehler vermutet werden (Technical Hold) oder wenn bestimmte Materialien temporär nicht zur Verfügung stehen und so bestimmte Fahrzeugausprägungen nicht gefertigt werden können. Sperren müssen durch Meldungen zwischen dem ERP System und dem Produktionsleitsystem ausgetauscht werden, sodass beide Systeme jederzeit eine konsistente und synchronisierte Sicht auf den Sperrzustand jedes Fahrzeugs besitzen. Das Produktionsleitsystem ermittelt für jedes Fahrzeug eine Reihe von variablen Prozessdaten (VPD). Typische VPDs sind z.B. die Motornummer, Airbag- und Gurtschloss- Seriennummern, Abmessungen der Karosse, Schlüsselcodierdaten usw. VPDs werden aus unterschiedlichen Gründen erfasst. Einige VPDs müssen auf Grund gesetzlicher Vorgaben aufgezeichnet werden und sind z.B. für die Zulassung des Fahrzeugs erforderlich. Hierzu zählt etwa die Motornummer. Andere VPDs werden aufgezeichnet und in einem Langzeitarchiv erfasst um z.B. in Fragen der Produkthaftung eine Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen. Weiters werden oftmals zusätzliche VPDs erfasst, welche dazu dienen, die Transparenz der Fertigung sicherzustellen und zu dokumentieren. Einige der VPDs werden vom Produktionsleitsystem an das ERP System oder an ein nachgeschaltetes System, welches den Vertriebsweg der Fahrzeuge steuert, übergeben, daher bilden auch VPDs Rückmeldungen an das ERP System. Während ein Fahrzeug gefertigt wird, kann es zu Situationen kommen, in denen Sequenzteile am Band fehlen, falsch geliefert wurden oder defekt sind. Wenn solche Situationen auftreten, so werden diese in Form von Fehlteilmeldungen erfasst. Fehlteile entsprechen NIO Punkten im Qualitätsstatus des Fahrzeuges, da ja entweder das Teil zu reparieren oder ein Ersatzteil einzubauen ist und daher eine Nacharbeit erforderlich wird. Wenn Fehlteile in der Linie erfasst werden und eine Nachbestellung eines Sequenzteils erforderlich wird, so sollte diese Information automatisch an das ERP System weitergeleitet werden, welches eine Nachbestellung auslöst und weitere Prozesse zur Reklamationsabwicklung anstößt. Hierdurch wird die Wartezeit auf Ersatzlieferungen minimiert und die Zeit, die Fahrzeuge auf Grund von Fehlteilen in der Nacharbeit verbringen, minimiert.
Der Prozessplan
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8.4. Der Prozessplan Das Produktionsleitsystem erstellt basierend auf einem Regelwerk, welches von einem neutralen Prozessplan ausgeht und sich auf Informationen im Auftragskopf, in den Ausstattungscodes und in der Stückliste bezieht, für jedes Fahrzeug einen fahrzeugspezifischen Prozessplan, welcher die Grundlage für die Ansteuerung von manuellen und automatischen Produktionseinrichtungen und die Erfassung von Qualitätsinformationen und variablen Prozessdaten bildet. Dieser fahrzeugspezifische Prozessplan wird meist nicht am Stück für ein Fahrzeug sondern Schrittweise für den jeweils nächsten Produktionsschritt gebildet. Der neutrale Prozessplan kann im Produktionsleitsystem verwaltet werden, wird aber im Regelfall mit Hilfe einer Importfunktion von einem Planungswerkzeug (Delmia, EMPlanner etc.) übernommen, in welchen die Arbeitsplanung und Abtaktung durchgeführt wird. Die automatische Übernahme von Prozessplänen vom Planungssystem stellt einen ersten Schritt zur Umsetzung der digitalen Fabrik dar und erhöht die Agilität der Produktion ganz wesentlich, da bei Änderungen am Produkt oder an der Abtaktung eine Menge von zeitraubenden Abstimmungen wegfällt. In vielen Betrieben ist die Einführung einer solchen automatisierten Datenübernahme relativ aufwändig, was häufig an der mangelnden Qualität der im Planungssystem vorhandenen Daten liegt. Wenn Daten im Planungssystem direkte Auswirkung auf die Produktion haben, so bedeutet dies einen erheblich höheren Anspruch an die Datenqualität als wenn diese „nur“ zu Dokumentationszwecken dienen. Der anfängliche Aufwand lohnt sich in der Regel relativ schnell, da eine saubere Datenbasis und ein verbessertes Bewusstsein der Planer der allgemeinen Qualität der Planungsarbeit stark zugute kommen. Planungstätigkeiten basieren fortan auf dem tatsächlichen Stand der Produktion und nicht auf einem möglicherweise veralteten oder inakkuraten Planungsstand. Der Prozessplan hat Querbeziehungen zu einer Reihe weiterer Konfigurationsinformationen im Produktionsleitsystem. Hierzu zählt, dass eine Querbeziehung zur Abtaktung erforderlich ist, welche meist jedoch nur im Rahmen der Planung von Interesse ist. Wichtiger ist die Querbeziehung zum Anlagenmodell, welches, wie oben bereits erläutert, eine strukturierte Beschreibung der Produktionsanlage enthält. Durch diesen Querverweis ist es möglich, anzugeben, welche Fertigungsund Prüftätigkeiten an welchen Stellen (Arbeitsplätzen und Stationen) in der Produktion stattfinden. Der Prozessplan besitzt zudem Querverweise zur Stückliste, die angeben, welche Materialien im Zuge welcher Fertigungstätigkeiten verbaut werden. Hierbei ergibt sich implizit auch ein Bezug zum Verbauort. Abb. 8.3 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Prozessplans mitsamt seinem datentechnischen Umfeld.
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
Abb. 8.3 – Datentechnische Struktur eines Prozessplans
Der Prozessplan
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8.4.1. Arbeitsgänge Der Prozessplan besteht zunächst aus einer Liste von Arbeitsgängen, welche einen Rahmen bieten unter dem alle für eine Fertigungs- oder Prüftätigkeit erforderlichen Informationen und Ressourcen zusammengefasst sind. Arbeitsgänge liegen in verschiedenen Versionen vor, wobei je nach Bauserie und Modelljahr des Fahrzeugs nur eine bestimmte Version vom Produktionsleitsystem übernommen wird. An Hand einer Bedingung, welche sich auf den Auftragskopf, auf Ausstattungscodes und auf die fahrzeugspezifische Stückliste bezieht, wird im Zuge der Erstellung des fahrzeugspezifischen Prozessplans entschieden, ob der Arbeitsgang in diesem eingefügt wird. Der Verbau eines Xenonlichts ist z.B. nur für Fahrzeuge mit Xenonlicht erforderlich, bei denen wiederum der Verbau des serienmäßigen Halogenlichts entfallen kann. Jedem Arbeitsgang wird weiters eine Reihe von Zeitbausteinen zugeordnet, wobei im Regelfall auf ein standardisiertes Zeitkartensystem zurückgegriffen wird. Diese Zeitbausteine werden für die Erstellung der Abtaktung benötigt, welche weiter unten beschrieben wird. Im Produktionsleitsystem sind Zeitbausteine nur für die Anzeige der Auslastung von Arbeitsplätzen zur Laufzeit erforderlich. Dies kann z.B. für Zonenleiter nützlich sein, da Springer frühzeitig disponiert werden können. Den Arbeitsgängen werden optional Betriebsmittel zugeordnet. Betriebsmittel sind z.B. Werkzeuge, Manipulatoren, Anlagen und Prüfgeräte und werden für die Versorgung von manuellen Arbeitsplätzen meist nicht benötigt. Betriebsmittelverweise bilden die Basis für die Ansteuerung von automatischen Fertigungseinrichtungen und für die Ermittlung von Wartungstriggern und werden daher im nächsten Abschnitt eingehender erläutert. Den Arbeitsgängen wird auch eine Menge an Dokumenten zugeordnet, wobei es sich hierbei um Bilder, um Arbeitsanweisungen, Sicherheitshinweise und ähnliches handelt. Diese Informationen werden vom Produktionsleitsystem übernommen und dem Werker bei Bedarf angezeigt. Auf diese Weise kann eine ISO konforme Dokumentenlenkung in der Produktion sichergestellt werden. Jedem Arbeitsgang wird weiters eine Liste von Material zugeordnet, welches während der Durchführung des Arbeitsgangs potenziell verbaut werden kann. Die Summe aller Materialien aller Arbeitsgänge im neutralen Prozessplan entspricht damit der neutralen Stückliste. Einem Arbeitsgang „Lenkrad verbauen“ würden z.B. allen möglichen Lenkräder zugeordnet. Zur Laufzeit kann das Produktionsleitsystem für jeden Arbeitsgang die Schnittmenge an Material, welches dem Arbeitsgang zugeordnet ist, und an Material in der fahrzeugspezifischen Stückliste bilden und somit für jeden Arbeitsgang exakt ermitteln, welches Material im Zuge seiner Durchführung verbaut wird. An dieser Stelle bietet sich die Implementierung zusätzlicher Plausibilisierungsprüfungen an, welche helfen, sicherzustellen, dass alle Regelwerke zur Auflösung der Stückliste und des Prozessplans konsistent sind. Je nach Struktur der Stückliste kann, wie oben bereits erläutert der
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
Pflegeaufwand im System deutlich reduziert werden, wenn z.B. hinter Arbeitsgängen nicht eine Liste einzelner Materialnummern sondern ein ZB-Teil oder nur eine Teileart oder Teileartgruppe hinterlegt wird. Wenn z.B. ein neues Lenkrad hinzukommt, so ist bei Angabe von Teileart und Teileartgruppe im Prozessplan keine Änderung nötig. Letztlich wird jedem Arbeitsgang eine Reihe von Arbeitsschritten zugeordnet, welche die einzelnen Tätigkeiten, die im Zuge der Abarbeitung des Arbeitsgangs durchzuführen sind, genauer beschreiben. Arbeitsschritte werden unten detaillierter erläutert.
8.4.2. Arbeitsschritte Arbeitsschritte beschreiben die in einem Arbeitsgang durchzuführenden Tätigkeiten im Detail. Für das Produktionsleitsystem sind Arbeitsschritte nur dann relevant, wenn für deren Durchführung fahrzeugspezifische Information erforderlich ist, welche dem Werker anzuzeigen ist oder wenn der Arbeitsschritt quittiert werden soll (IO oder NIO) bzw. wenn im Arbeitsschritt Werte erfasst werden, welche als variable Prozessdaten (VPD) abzuspeichern sind. Andere Arbeitsschritte, wie etwa Wegstrecken etc. sollten im Zuge der Übernahme des Prozessplans vom Planungssystem möglichst nicht importiert werden. Hinter jedem Arbeitsschritt liegt eine Bedingung, deren Auswertung bestimmt, ob der Arbeitsschritt in den fahrzeugspezifischen Prozessplan eingefügt wird, was nur dann der Fall sein kann, wenn auch der übergeordnete Arbeitsgang in den fahrzeugspezifischen Prozessplan aufgenommen wurde. Auch Arbeitsschritte liegen in Versionen vor, sodass die Bearbeitung der Bedingungslogik ident zu jener bei Arbeitsgängen abläuft. Arbeitsschritte sind zudem mit Produktmerkmalen verbunden, welche angeben, ob und welche Rückmeldungen zum Arbeitsschritt erfasst werden sollen. Produktmerkmale werden fahrzeugbezogen erfasst. Z.B. könnte es sich hierbei um die Seriennummer des Zentralsteuergeräts handeln, welches im Fahrzeug verbaut wurde. Ebenso werden Verdrehwinkel und Anzugsmoment von Verschraubungen typische Produktmerkmale bilden. Produktmerkmale besitzen zudem einen Stichprobenumfang, der auch Stichproben kleiner als 100% festlegen kann. So kann z.B. vorgesehen sein, dass nur jedes zehnte Fahrzeug in der Berieselung auf Dichtheit geprüft wird. In die Logik, welche bestimmt, ob ein Arbeitsschritt in den fahrzeugbezogenen Prozessplan aufgenommen wird, fließen neben Kriterien, die vom Fahrzeug und dessen Ausstattung abhängen auch Kriterien ein, die vom Fahrzeugfluss und vom Schichtkalender bestimmt werden. Arbeitsschritten können auch Prozessmerkmale zugeordnet werden, welche ebenfalls mit einem Stichprobenumfang behaftet sind, aber Tätigkeiten beschreiben, die nicht direkt einem Fahrzeug zuzuordnen sind. Ein Beispiel wäre, dass z.B. einmal pro Schicht eine Kalibrierung einer Füllanlage durchzuführen ist oder
Der Prozessplan
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einmal pro Schicht eine Klebepistole zu reinigen ist. Prozessmerkmale gehen nicht direkt in den fahrzeugspezifischen Prozessplan eines Fahrzeugs ein, sind aber vom Werker am manuellen Arbeitsplatz ebenso wie Produktmerkmale abzuarbeiten und zu bestätigen. Ein Arbeitsschritt, wird, sofern er quittierpflichtig ist, vom Werker am Client der Produktionsleittechnik mit IO oder NIO bestätigt. Bei einigen Arbeitsschritten können zusätzliche Parameter und Ergebnisse spezifiziert werden, welche von einer Logik abhängig vom Fahrzeug und dessen aktuellen Bauzustand, ermittelt werden. Parameter enthalten Zusatzinformationen, welche für die Ausführung der bezeichneten Tätigkeit erforderlich sind. Im Falle einer Verschraubung kann z.B. ein Zielanzugsmoment vorgegeben werden. Ergebnisse führen dazu, dass der Werker, um einen Arbeitsschritt IO abzeichnen zu können, zusätzliche Werte eingeben oder mittels eines Handscanners einscannen muss. Hierzu gehören Auftragsnummern oder Typangaben für eine Verbauprüfung ebenso wie Seriennummern usw. Es muss möglich sein, im Prozessplan zusätzliche Prüfungen festzulegen, die es ermöglichen, die Eingaben des Werkers zu validieren. Ein Arbeitsschritt darf nur dann IO abgezeichnet werden, wenn alle diese Validierungen erfolgreich waren. Näheres zu Prüfungen siehe unten im Abschnitt „Variable Prozessdaten“.
8.4.3. Abtaktung Im Zuge der Abtaktung wird festgelegt, welche Arbeitsgänge an welchen Arbeitsplätzen in der Fertigung durchgeführt werden. Es wird also ein Zusammenhang zwischen dem Prozessmodell und dem Anlagenmodell hergestellt. Die Abtaktung ist zunächst von der technischen Fügefolge im Prozess abhängig. Z.B. kann die Türverkleidung erst dann montiert werden, wenn alle Innereien der Türe, wie Kabelbäume und Fensterheber etc. montiert wurden. Weitere Einflussfaktoren für die Abtaktung sind Einschränkungen durch die Logistik oder durch den am Arbeitsplatz verfügbaren Anstellplatz für Regale oder Werkzeuge. Als nächster entscheidender Faktor für die Abtaktung ist die Taktzeit der Fertigung zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass alle Tätigkeiten an einem Arbeitsplatz innerhalb der zur Verfügung stehenden Taktzeit abgeschlossen sein müssen. Wenn dies nicht der Fall ist, so muss der Werker z.B. durch Ziehen der Reißleine das Band anhalten oder er wird mit dem Fahrzeug in die nächste Station hinein wandern. Ersteres führt zu einer Verminderung des Ausstoßes und ist daher unerwünscht. Der Arbeitsaufwand und damit auch der zeitliche Aufwand, welcher an einem Arbeitsplatz anfällt, können zum Teil auf Grund unterschiedlicher Ausstattungen erheblich schwanken. Es ist in den meisten Fällen jedoch nicht sinnvoll, jeden Arbeitsplatz auf den schlechtesten Fall, also jene Ausstattung, die den größten Zeitaufwand verursacht, auszulegen. Dies gilt besonders dann, wenn dieser
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hohe Zeitaufwand nur bei Exoten auftritt und der Werker daher in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht ausgelastet ist. Bei der Abtaktung werden daher gezielt Überschreitungen der Taktzeit in Kauf genommen, die so lange keine Rolle spielen als der Werker die Möglichkeit hat nach einer definierten Anzahl von Takten wieder in seine ursprüngliche Station zurückzukehren. Eine Übertaktung geht immer davon aus, dass ein bestimmter Modellmix eintritt und auch eingehalten wird. Einschränkungen aus der Abtaktung sind daher im Zuge der Sequenzplanung zu berücksichtigen. Typische Regeln lauten z.B.: Es dürfen nie zwei Fahrzeuge mit Panoramadach direkt aufeinander folgen. Speziell dann, wenn ein neues Modell vom Band läuft, ist es zu Beginn sehr schwierig, passende Annahmen über den zu erwartenden Modellmix zu treffen, da man auf Prognosen des Vertriebs angewiesen ist, die speziell dann, wenn neue Zielgruppen anvisiert werden, vielfach nicht allzu genau sind. Es muss daher die Möglichkeit bestehen, die Abtaktung zu jeder Zeit praktisch instantan zu ändern, damit, die benötigten Ressourcen in der Fertigung optimal ausgenutzt werden und durch Anpassung an die aktuelle Nachfrage Leerläufe vermieden werden. Die heute zur Verfügung stehenden Planungswerkzeuge bieten rechnergestützte Methoden für die Abtaktungsplanung an, wobei diese nicht vollautomatisch funktionieren. Die Vorgangsweise ist normalerweise zweistufig angelegt, wobei imersten Schritt zunächst alle anfallenden Serientätigkeiten vergeben werden. Es entsteht also ein Grundpolster an Zeiten, die bei jedem Fahrzeug anfallen und daher nicht variabel sind. In der zweiten Stufe werden zusätzlich zu dieser Grundlast die Sondertätigkeiten vergeben. Hierbei hat sich eine Darstellung in Form von Balkendiagrammen bewährt, welche in vielen Werkzeugen zum Einsatz kommt. Neben einem Balkendiagramm, welche die Summenzeit im schlechtesten Fall anzeigt, werden noch weitere Balken angegeben, die eine gewichtete Sollzeit und die aktuell in der Fertigung vorhandene Istzeit angeben. Die Sollzeit wird auf Basis des geplanten Modellmix gerechnet, wobei die Zeiten für Arbeitsgänge mit dem Prozentsatz des Auftretens multipliziert werden. Die Istzeit wird auf Basis des Modellmix gerechnet, welcher sich aus den in der Fertigung aktuell vorhandenen Fahrzeugen ergibt. Der Vergleich von Soll und Ist ermöglicht das Erkennen größerer Abweichungen, welche im Zuge der Planung einer Abtaktungsänderung besonders zu berücksichtigen sind. Zusätzliche Hinweise auf Probleme in der Abtaktung ergeben sich aus Statistiken zu Bandhalts, welche ebenfalls von der Produktionsleittechnik bereitgestellt werden. Häufige Bandhalts in einer Station weisen auf Mängel im Prozess oder in der Abtaktung hin. Abb. 8.4 zeigt schematisch die Vorgangsweise.
Der Prozessplan
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Abb. 8.4 – Editor für die Abtaktung
8.4.4. Produktionslenkungspläne nach ISO/TS 16949 Der Produktionslenkungsplans (Lenkungsplan, Control Plan) hat das Ziel, eindeutig den Fluss von Produktdefinition vom Engineering auf Tätigkeiten im Prozess, welche die Einhaltung der Produktmerkmalsgrenzwerte unterstützen, abzubilden. Der Produktionslenkungsplan entsteht aus den Fertigungs- und Prüfanweisungen. Es ist möglich einen speziellen Plan für ein Gewerk (z. B. Montage), für eine Technologiegruppe (z. B. Elektrik), für eine Zone oder für einen Werker zu erstellen. Produktionslenkungspläne unterliegen der Dokumentenlenkung und werden in Versionen geführt. Ziel der Versionierung ist es, dass es freigegebene Versionen gibt, welche abgestimmte Zustände darstellen und dass alle früheren freigegebenen Zustände, nicht nur der zuletzt freigegebene Zustand, erhalten bleiben sowie dass zu einem bestimmten Zeitpunkt nur eine freigegebene Version gültig ist.
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Der Produktionslenkungsplan hat die Lenkungsplantypen Prototyp, Vorserie, Serie und hat im Gegensatz zur Arbeitsanweisung keine Grafik. Der Produktionslenkungsplan soll die Anforderungen entsprechend ISO/TS 16949 abdecken. Dies bedeutet, dass die Organisation Produktionslenkungspläne auf den Ebenen System, Subsystem, Bauteil und/oder Material für das zu liefernde Produkt erstellen muss, wobei jene Prozesse zur Produktion von verfahrenstechnischen Produkten und Teilen eingeschlossen werden müssen. Die Organisation muss einen Produktionslenkungsplan für die Phasen Vorserie und Serie erstellen, der die Ergebnisse der Design-FMEA und der Prozess-FMEA berücksichtigt. Der Produktionslenkungsplan muss folgende Phasen aufweisen: • • •
PROTOTYP: Eine Beschreibung der Maßprüfungen sowie der Materialerprobungen und Leistungstests, die im Prototypenbau anfallen VORSERIE: Eine Beschreibung der Maßprüfungen sowie der Materialerprobungen und Leistungstests nach der Prototypenphase und vor der Serienproduktion SERIE: Dokumentation der Produkt-/Prozessmerkmale, der Lenkung des Produktionsprozesses und der Prüfungen und Messsysteme, die in der Serienproduktion zum Einsatz kommen
„Vorserie ist definiert als eine Produktionsphase im Verlauf der Produktentstehung, die nach dem Prototypenbau erforderlich sein kann.“ (ISO, 2000) Anhang A.1 „Zu jedem Teil muss es einen Produktionslenkungsplan geben. In vielen Fällen kann jedoch ein Produktionslenkungsplan für eine Teilefamilie eine Anzahl von gleichartigen Produktionsteilen umfassen, die gleichartige Prozesse durchlaufen. Der Produktionslenkungsplan ist ein Ergebnis des Qualitätsmanagementplans.“ (ISO, 2000) Anhang A.1
Der Produktionslenkungsplan muss die zur Produktionsprozesslenkung verwendeten Lenkungsmaßnahmen aufführen, Methoden zur Überwachung der Lenkung von besonderen Merkmalen enthalten, die vom Kunden und der Organisation festgelegt wurden und muss die vom Kunden geforderten Informationen, falls zutreffend, enthalten. Er muss festgelegte Reaktionspläne auslösen, wenn der Prozess nicht mehr beherrscht oder die statistische Prozessfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Zum Thema Arbeitsanweisungen aus der Norm (ISO, 2000) Kapitel 7.5.1.2: „Die Organisation muss dokumentierte Arbeitsanweisungen für alle Mitarbeiter mit Verantwortung für die Ausführung der Prozesse, die Einfluss auf die Produktqualität haben, erstellen. Diese Anweisungen müssen zum Gebrauch am Arbeitsplatz verfügbar sein. Diese Anweisungen müssen aus Quellen wie dem Qualitätsmanagementplan, dem Produktionslenkungsplan und dem Produktrealisierungsprozess abgeleitet werden.“
Produktionslenkungspläne müssen bewertet und aktualisiert werden, wenn irgendwelche Änderungen eintreten, die das Produkt, den Produktionsprozess,
Das Teilemodell
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Messgrößen, Logistik, Lieferquellen oder FMEA beeinflussen. Zum Thema Arbeitsanweisungen aus der Norm (ISO, 2000) Kapitel 7.5.1.2: „Die Organisation muss dokumentierte Arbeitsanweisungen für alle Mitarbeiter mit Verantwortung für die Ausführung der Prozesse, die Einfluss auf die Produktqualität haben, erstellen. Diese Anweisungen müssen zum Gebrauch am Arbeitsplatz verfügbar sein. Diese Anweisungen müssen aus Quellen wie dem Qualitätsmanagementplan, dem Produktionslenkungsplan und dem Produktrealisierungsprozess abgeleitet werden.“
Wenn im Produktionsleitsystem oder im Planungssystem ein vollständig konfigurierter Prozessplan vorhanden ist, so kann auf Basis der dort gesammelten Informationen automatisch ein Produktionslenkungsplan erstellt werden. Je früher die in der Produkt- und Prozessentwicklung ermittelten Daten in Prozesspläne münden, die im Prototypenbau und im Slow-Build sowie bei Vorserienfahrzeugen zum Einsatz kommen, desto früher können Probleme und Inkonsistenzen erkannt und behoben werden. Dies verkürzt die für die Implementierung von Produktionsleitsystemen erforderlichen Zeiten erheblich. Zudem steigen die Kosten von Fehlern mit der Zeit. Fehler werden umso teurer in der Behebung, je später sie erkannt werden. Es ist sinnvoll, einen Regelkreis zu implementieren, der über verschiedene aufeinanderfolgende Fahrzeugprojekte wirkt und sicherstellt, dass Erkenntnisse aus dem Serienbetrieb in die Prozess-FMEA und die Simulation von Fertigungslinien der folgenden Fahrzeugprojekte einfließt. Produktionsleitsysteme können für diesen Zweck eine Menge nützlicher Informationen liefern, die ohne nennenswerten Zusatzaufwand bereit stehen.
8.5. Das Teilemodell Das Teilemodell beschreibt, wie verschiedene Teile des Fahrzeugs in der Fertigung zu einem Gesamtfahrzeug zusammengefügt werden, wobei die Begriffe Auftrag und Teil weitgehend als Synonym verwendet werden können. In vielen Fällen werden Fahrzeugaufträge bereits im Zuge der Sequenzplanung in verschiedene Subaufträge zerlegt (z.B. je ein Subauftrag für Rohkarosse, lackierte Karosse, Vormontagen und Endmontage) und diese Subaufträge werden je Gewerk terminiert und sequenziert. Es kann erforderlich sein, Subaufträge innerhalb von Gewerken in weitere Komponenten zu zerlegen. Ein Beispiel hierfür wäre die Ansteuerung einer Türenvormontage. Die Türen werden am Beginn der Fahrzeugendmontage von der Karosse abgeschlagen, in einer separaten Türenlinie gefertigt und nach Fertigstellung des Innenausbaus wieder am Fahrzeug montiert. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, eigene Komponenten unterhalb des Endmontagesubauftrags anzulegen, um die Türenlinie anzusteuern. Die Einführung von Komponenten ermöglicht durch die Berücksichtigung von Puffer- und Transportstrecken zudem eine zeitgenauere Materialbereitstellung an Vormontagen als
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dies möglich wäre, wenn die Zeiten rein von den Verhältnissen am Hauptband abgeleitet wären. Jeder Eintrag im Teilemodell erbt vom Vaterauftrag den Auftragskopf sowie die Ausstattungscodes und einen Teilbaum der Stückliste. Hiermit kann er ebenso behandelt werden, wie Fahrzeugaufträge, wobei Sperren und variable Prozessdaten wiederum von den Komponenten zum Subauftrag und zum Fahrzeugauftrag nach oben vererbt werden.
8.5.1. Fahrzeugeigenschaften Wie oben bereits erläutert existieren im Produktionsleitsystem umfangreiche Regelwerke für die Auflösung von Prozessplänen, welche von den Angaben im Auftragskopf und in den Ausstattungscodes der Fahrzeuge abhängen. In Gewerken, in denen verschiedene Modelle, die im Extremfall sogar von unterschiedlichen Herstellern stammen, gefertigt werden, unterscheiden sich die verwendeten Codes zum Teil stark, sodass die Regelwerke sehr schnell unüberschaubar werden. Zudem müssen bei Änderungen an Codes oftmals große Teile des Regelwerks durchforstet und überarbeitet werden. Ausstattungscodes haben zudem den Nachteil, dass sie nicht sprechend sind. Dem Werker ist vielleicht noch beizubringen, dass der Code „LEA-L0R“ einen Rechtslenker beschreibt, die Tatsache, dass der Ausstattungscode „205“ für ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe steht, ist nicht mehr ohne weiteres nachvollziehbar. Die Einführung von Fahrzeugeigenschaften soll einige dieser genannten Probleme beheben, indem diese eine zusätzliche Abstraktionsebene einführen und das Regelwerk im Produktionsleitsystem weitgehend unabhängig von den tatsächlichen Ausstattungscodes macht. Eigenschaften werden ermittelt, bevor der Prozessplan aufgelöst wird und bieten je nach Implementierung boolesche Werte an (Fahrzeug hat ein Automatikgetriebe oder nicht) bzw. Textwerte („Linklenker“ oder „Rechtslenker“) oder Werte anderer Datentypen, wie Integerzahlen etc. In vielen Fällen kann es auch Sinn machen, die Eigenschaften von Fahrzeugen erst im Laufe der Produktion zu ermitteln, wenn entsprechende Basisdaten in Form variabler Prozessdaten bereits erfasst worden sind.
8.5.2. Variable Prozessdaten (VPD) Die Erfassung variabler Prozessdaten ist aus verschiedenen Gründen erforderlich, welche oben bereits teilweise erläutert wurden. Bestimmte VPDs müssen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in den Lieferländern erfasst und mit dem Fahrzeug mitgeliefert werden (z.B. VIN, Motornummer etc.). Andere VPDs werden auf Grund werksinterner Bestimmungen erfasst, um im Produkthaftungsfall einen
Das Teilemodell
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Beleg für die ordnungsgemäße Fertigung und mangelfreie Auslieferung des Fahrzeuges zu bieten. Im Falle von Qualitätsmängeln können VPD Werte für die Eingrenzung möglicherweise betroffener Fahrzeuge (z.B. im Fall von Rückholaktionen) verwendet werden. Zudem ermöglichen VPDs die Trendanalyse von Fertigungsergebnissen (z.B. Schrauberdaten). VPDs helfen auch, Teileprobleme zurückzuverfolgen (z.B. Erfassung von Seriennummern von Einbauteilen). Variable Prozessdaten wurden oben bereits erläutert. Im Produktionsleitsystem wird eine neutrale Liste von VPDs konfiguriert, welche ebenso wie der Prozessplan für jedes Fahrzeug aufgelöst werden muss. Hiermit steht für jedes Fahrzeug eine fahrzeugspezifische Liste an VPDs zur Verfügung, welche im Zuge der Fertigung basierend auf Ergebnissen von Arbeitsschritten mit Werten befüllt werden kann. Hiermit kann auch eine VPD Sperre gebildet werden, welche ein Fahrzeug dann sperrt und somit eine Weitergabe in den nächsten Produktionsschritt verhindert, wenn nicht alle Muss-VPDs ordnungsgemäß erfasst worden sind. Oftmals ist es üblich, die Ergebnisse mehrerer Arbeitsschritte in einem einzigen VPD Wert zusammenzuführen (z.B. könnten die Seriennummern aller Gurtschlösser durch Konkatentation zu einem VPD Wert kombiniert werden). Aus diesem Grund sollte es möglich sein, VPD Werte auf dieselbe Art zu validieren, wie Ergebnisse zu Arbeitsschritten. Zusätzlich stellt sich die Frage nach einer Prüfung auf Eindeutigkeit für bestimmte VPD Werte. Eindeutigkeit kann jedoch je nach Art des VPD unterschiedliche Wertebereiche umfassen. Die Prüfung einer Seriennummer eines Steuergeräts auf Eindeutigkeit wird möglicherweise nur für alle Steuergeräte eines bestimmten Herstellers oder einer bestimmten Type gelten. Wenn eine VIN-Nummer auf Eindeutigkeit geprüft wird, so ist diese über alle Fahrzeuge aller Serien aller OEMs eindeutig. Es muss aus diesem Grund möglich sein, wenn eine Eindeutigkeit eines VPD Wertes gefordert wird, anzugeben, über welchen Bereich diese Eindeutigkeit sicherzustellen ist. Die Validierung von VPD Werten sollte auch die Möglichkeit bieten, Werte umzuschlüsseln bzw. Prüfungen auf bestimmte Wertebereiche vorzunehmen. Umschlüsselungen sind z.B. dann sinnvoll, wenn auf einem Material ein Label angebracht ist, auf dem sich ein Barcode mit einer Typenbezeichnung befindet und diese nach dem Einscannen in eine Materialnummer umgeschlüsselt werden soll. Diese Materialnummer kann dann zur Verbauprüfung mit der fahrzeugspezifischen Stückliste verglichen werden. Wenn die Materialnummer dort eingetragen ist, so hat der Werker das korrekte Material ausgewählt, ansonsten ist von einem Fehler auszugehen. Die Prüfung auf Wertebereiche kann mit Hilfe von Aufzählungen aber auch durch Angabe eines regulären Ausdrucks und eine darauf basierende lexikalische Analyse erfolgen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Werker z.B. beim Vorhandensein mehrerer Barcodes auf einem Material nicht irrtümlich den falschen Wert einscannt. Im Fall von VPD Werten muss die Möglichkeit bestehen, einmal erfasste Werte in der Nacharbeit neu zu erfassen. Für den Notfall sollte auch eine Funktion, die im Rahmen eines Falschverbaus das Umgehen der Validierung erlaubt, bereitste-
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hen, welche nur speziell hierfür autorisierten Anwendern zugänglich sein sollte. Solche Notfallstrategien sind z.B. meist dann erforderlich, wenn auf der Linie Prototypfahrzeuge gefertigt werden sollen. Die Abweichungen durch Falschverbauten sollten im Produktionsleitsystem dokumentiert werden, sodass ein Bericht erstellt werden kann, der diese auflistet. Die Entwicklungsingenieure können auf Basis eines solchen Berichts entscheiden, ob sie mit den Abweichungen leben können (wenn z.B. ein aktueller Serienteil anstatt eines neuen Prototypteils verbaut wurde) oder nachträglich einen Umbau durchführen. Das Produktionsleitsystem sollte eine Historie aller erfassten Werte zu einem VPD eines Fahrzeugs aufbewahren, sodass zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachverfolgbarkeit der Produktion gewährleistet werden kann.
8.6. Regelwerke und Logiken Wie oben dargestellt wurde, ist in der Produktionsleittechnik eine Reihe von Logiken erforderlich, die eine Auflösung von Stücklisten und Prozessplänen ermöglichen. Diese Logiken werden in aktuellen Systemen auf verschiedene Weisen implementiert.
8.6.1. Entscheidungstabellen Die gängigste Art von Logiken ist eine Formulierung in Form von Entscheidungstabellen, welche sich vor allem auf Ausstattungscodes und Fahrzeugeigenschaften beziehen. Folgendes Fragment zeigt ein Beispiel für die Formulierung dieser Art von Logiken: +L0L+ALE/ALR +L0R+ALU Zeilen in der Logik werden ODER verknüpft. Das Plus Zeichen entspricht einer UND Verknüpfung, während ein „/“ wiederum einer ODER Verknüpfung entspricht. In vielen Systemen stehen weitere Ausdrücke bereit, die eine Abfrage von Stücklisten u. ä. erlauben. Diese Logiken können in Entscheidungstabellen abgespeichert und mit klassischen Sprachmitteln in relationalen Datenbanken implementiert werden, die eine sehr simple Implementierung solcher Parser ermöglichen. Dies ergibt eine brauchbare Performance und erlaubt eine einfache Erstellung von Querverweislisten (z.B. in welchem Ausdruck wird welcher Code abgefragt?). Die sich ergebenden Ausdrücke werden besonders durch das Fehlen von Klammern oft unnötig kom-
Regelwerke und Logiken
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plex und daher schwer wartbar. Einige Regeln lassen sich durch solche Logiken nicht abbilden, sodass oftmals zusätzliche Maßnahmen, wie spezifische Codierung von bestimmten Logikteilen erforderlich werden. In vielen Fällen neigen Planer dazu, keine Logikkaskaden zu bilden, sondern Regeln basierend auf Codes bis in jedes Detail anzuwenden. Dies erleichtert vielfach das Verstehen von Bedingungen, bringt aber einen erheblichen Aufwand bei der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Ausstattungscodes mit sich.
8.6.2. Skriptsprachen Viele Produktionsleitsysteme umgehen die oben beschriebenen Probleme mit Entscheidungstabellen durch die Einführung von proprietären Skriptsprachen, die Verbesserungen wie z.B. die Möglichkeit von Klammersetzungen anbieten. Solche Lösungen bringen jedoch eine Reihe von spezifischen Problemen mit sich. Sie erfordern die Implementierung entsprechender Lexer und Parser, welche relativ aufwändig und fehleranfällig ist. Parser und Laufzeitumgebungen mit der geforderten hohen Performanz zu erstellen, ist eine komplexe Aufgabe. Nachteilig ist zudem, dass die Benutzer die Skriptsprache erlernen müssen, die komplexer in der Handhabung ist, als Entscheidungstabellen.
8.6.3. Standardprogrammiersprachen Als weitere Alternative bietet sich der Einsatz von Standardprogrammiersprachen für die Formulierung von Logiken an. Folgendes Fragment zeigt ein Beispiel: return C.Exists(„L0L“) && (C.Exists(„ALE“) || C.Exists(„ALR“)); Nachteilig an diesem Ansatz ist ebenso wie bei proprietären Skriptsprachen, dass sie aufwändiger in der Handhabung sind als Entscheidungstabellen und dass die Implementierung von Querverweislisten nur mit erhöhtem Aufwand machbar ist. Der Einsatz von Standardprogrammiersprachen bringt im Gegensatz zu proprietären Skriptsprachen jedoch einige Vorteile mit sich. Der Aufwand für die Implementierung von Lexern und Parsern entfällt, da auf Standardcompiler zurückgegriffen werden kann. Der resultierende Code wird kompiliert und als Maschinensprache ausgeführt und nicht interpretiert. Zudem bieten moderne Compiler eine Menge von Optimierungsalgorithmen, sodass sich ein sehr effizienter und performanter Zielcode ergibt. Zudem bringen moderne Programmierspra-
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chen wie Java oder C# eine äußerst umfangreiche Laufzeitbibliothek mit, welche mathematische Funktionen, Vererbung und eine integrierte Behandlung von Ausnahmen implementieren. Auf Basis von Standardprogrammiersprachen können daher äußerst komplexe Coderegeln auf einfache und sichere Weise abgebildet werden. Für den Entwickler von Produktionsleitsystemen stellt sich eine interessante Aufgabe, wenn es darum geht, dem Anwender den Einsatz einer Standardprogrammiersprache so einfach und komfortabel wie möglich zu machen.
8.7. Der Produktionsleittechnik Client Manuelle Arbeitsplätze müssen mit einem Client Rechner versehen werden, welcher eine Netzwerkanbindung zum Produktionsleittechnik Server besitzt und die Anzeige von Fahrzeug- und Arbeitsplatzspezifischen Daten sowie die Erfassung von Ergebnissen zu Arbeitsschritten ermöglicht. Je nach Art des Arbeitsplatzes und der dort verrichteten Tätigkeiten hat dieser Client eine unterschiedliche Ausgestaltung. Überlegungen zur Ausgestaltung der Client Rechner finden sich unten im Abschnitt „Systemanforderungen“. Hier sollen einige grundlegende Werkermasken beispielhaft angegeben und erläutert werden. Beim Layout der Masken sollte grundsätzlich das Ziel verfolgt werden, diese so einfach und übersichtlich wie möglich zu halten. Bunte Sinnbilder und Grafiken mögen dem Systemhersteller zwar helfen, im Zuge von Vertriebsaktivitäten Eindruck beim Management potenzieller Kunden zu schinden, sind, wenn nicht bewusst eingesetzt, für den Werker aber eher hinderlich. Häufig hört man Klagen über einen Wald an Verkehrsschildern in Städten, deren schiere Menge es dem Kraftfahrer praktisch unmöglich macht, alle richtig zu erfassen. Für den Werker in der Linie gelten die gleichen Zusammenhänge. Masken sollten sich auf die notwendige Information beschränken und diese in einer einfachen leicht erfassbaren Form anbieten.
8.7.1. Die Abnahmemaske Die Abnahmemaske ist normalerweise eine der wichtigsten Masken eines Produktionsleittechnik Clients und wird vor allem an Arbeitsplätzen in der Fertigungslinie und an Vormontagen eingesetzt. Abb. 8.5 zeigt ein Beispiel für eine Abnahmemaske (Kon-Cept GmbH., 2008).
Der Produktionsleittechnik Client
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Abb. 8.5 – Die Abnahmemaske
Der Werker gelangt nur nach erfolgreicher Anmeldung beim System in diese Maske. Am oberen Rand der Maske befindet sich eine Headerleiste, in welcher die Nummer des aktuellen Fahrzeugauftrags angezeigt wird. Der Header bietet zudem Steuerelemente an, welche die Navigation in der Fahrzeugreihenfolge bzw. das Suchen eines Fahrzeugs durch Eingabe oder Einscannen der Auftragsnummer ermöglichen. Am linken Rand der Maske werden Fahrzeuge in der aktuellen Produktionsreihenfolge aufgelistet, wobei einige zuletzt bearbeitete, das aktuelle sowie die folgenden Fahrzeuge angezeigt werden. Am rechten Rand der Maske befindet sich eine Knopfleiste, die es ermöglicht, Punkte IO oder NIO abzuzeichnen, Submasken für die Fehlteileingabe und die Eingabe freier Problemeinträge aufzurufen oder Sonderfunktionen zu aktivieren, wie z.B. einen Bandhalt oder einen Springerruf auszulösen. Durch diese Knöpfe wird sichergestellt, dass diese Maske auch an Clients, die über einen Stift oder einen Touchscreen verfügen, bedienbar bleibt. An unteren Rand der Maske befinden sich Anzeigen für den Status (Name des angemeldeten Benutzers, Bezeichnung des Arbeitsplatzes, Kommunikationsstatus usw.), sowie eine Anzeige für die im Takt noch verbleibende Zeit und ein Fenster für die Anzeige allgemeiner Meldungen, in der z.B. ein Gruppengespräch oder andere Informationen angezeigt werden können.
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Im Zentrum der Maske befindet sich eine Arbeitsplatz- und Fahrzeugspezifische Checkliste, welche der Werker für das aktuelle Fahrzeug abzuarbeiten hat. Diese Checkliste ergibt sich direkt aus dem fahrzeugspezifischen Prozessplan, welcher für das aktuelle Fahrzeug ermittelt wurde, indem aus diesem nur jene Einträge angezeigt werden, welche für den aktuellen Arbeitsplatz relevant sind. Auch die Reihenfolge, in welcher die Checklistenpunkte angezeigt werden, ergibt sich direkt aus dem Prozessplan. Dies ist wesentlich, damit die Reihenfolge der Punkte direkt dem Arbeitsablauf entspricht. Wenn die Eingabe von Ergebnissen erforderlich ist, die z.B. zur Ermittlung von VPDs herangezogen werden sollen, so erscheint ein Popupfenster, welches zur Eingabe von Werten auffordert, sobald der Werker versucht den entsprechenden Checklistenpunkt abzuzeichnen. Abb. 8.6 zeigt diese Situation. Sollte eine Falscheingabe getätigt werden, so erscheint eine entsprechende Fehlermeldung. Der Werker hat dann die Möglichkeit, die Eingabe zu wiederholen oder abzubrechen, was zur Folge hat, dass der Checklistenpunkt NIO abgezeichnet wird. Die Durchführung von Falschverbauten wurde im Falle dieses Systems bewusst in eine andere Maske verlegt, sodass Irrtümer oder Missbräuche von Beginn an unterbunden werden.
Abb. 8.6 – VPD Erfassung
Der Produktionsleittechnik Client
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8.7.2. Fehlteilerfassung Die Erfassung von fehlenden, falschen oder defekten Sequenzteilen in der Linie erfolgt mit Hilfe einer Untermaske, welche von allen wesentlichen Masken des Clients her erreichbar ist. Die Fehlteilerfassungsmaske hat ein Layout entsprechend Abb. 8.7 (Kon-Cept GmbH., 2008). Diese Maske präsentiert dem Werker jenes Material, welches im Kontext des aktuellen Arbeitsplatzes als möglicherweise fehlerhaft oder fehlend aufscheinen kann. Nachdem das Material ausgewählt wurde gibt der Werker die Art des Fehlers an, nämlich ob das Material fehlt, falsch an die Linie geliefert wurde oder defekt ist. Die Art des Problems kann durch einen freien Texteintrag genauer beschrieben werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit anzugeben, dass das Material weiterhin fehlt. In diesem Fall wird der Fehlteileintrag bis auf Widerruf automatisch auf alle folgenden Fahrzeuge aufgespielt, die über das angegebene Material verfügen.
Abb. 8.7 – Fehlteilerfassung
Fehlteileinträge werden als Teil der Verbaudokumentation des Fahrzeuges gespeichert und als NIO Punkt behandelt, der Sperren aktiviert und dazu führt, dass
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das Fahrzeug in die Nacharbeit verbracht wird. Fehlteileinträge werden zusätzlich an das Logistiksystem übermittelt. Dort wird entschieden, ob eine Reparatur oder eine Nachbestellung erforderlich ist und diese entsprechend ausgelöst. Zusätzlich wird der Fehlteil in das Reklamationswesen übergeleitet, welches Teil des ERP Systems ist und nicht in der Produktionsleittechnik abgebildet wird.
8.7.3. Freie Problemeinträge Im Zuge der Fertigung eines Fahrzeuges treten immer wieder Situationen auf, welche in der Checkliste nicht erfasst aber dennoch nachzuarbeiten oder zu dokumentieren sind. Beispiele sind z.B. Kratzer, die in der Fertigung entstehen, Geräusche, schwergängige Schalter und Hebel usw. Solche Informationen werden in Form freier Problemeinträge erfasst, die standardmäßig auf die gleiche Art behandelt werden, wie NIO abgezeichnete oder offene Checklistenpunkte. Für die Eingabe von freien Problemeinträgen wird eine weitere Maske vorgesehen, die von allen Hauptmasken aus aufgerufen werden kann. Abb. 8.8 zeigt ein Beispiel für eine freie Eintragsmaske (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 8.8 – Maske zur Eingabe freier Problemeinträge
Der Produktionsleittechnik Client
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Wenn ein Werker einen freien Problemeintrag anlegt, so muss er mindestens einen freien Text eingeben, welcher das Problem beschreibt. Um einen freien Problemeintrag abzeichnen zu können, ist es erforderlich, alle Einträge, welche in der Maske angezeigt werden, auszufüllen. Die Zusatzangaben dienen zur näheren Charakterisierung des Problems in Auswertungen. Bei den OEMs werden für solche Zwecke zumeist zentrale und standardisierte Fehlerkataloge gepflegt. Der Fehlerort beschreibt, wo am Fahrzeug das Problem aufgetreten ist. Fehlerorte sind in einer Baumstruktur organisiert und entsprechen meist Baugruppen oder Modulen des Fahrzeugs. Fehlerarten sind ebenfalls in Form eines Baumes organisiert und beschreiben, um welche Art von Problem es sich handelt. Weiters wird ein Lagecode angegeben. Die Angabe des Schweregrades ist für die Ermittlung von Kennzahlen, wie der QZK (Qualitätszahl Kundenzufriedenheit) erforderlich und gibt an, wie sehr das Problem die Akzeptanz des Produktes beim Kunden beeinträchtigen würde. Die Kennzeichnung „Validation“ gibt an, ob es sich beim Fahrzeug um einen Rückläufer aus der Validierung handelt. Freie Problemeinträge, die fahrzeugbezogen erfasst werden, stellen ein Gegenstück zu Alarmen und Wartungsaufträgen in der Instandhaltung dar, die anlagenbezogen erfasst werden. Dies bedeutet, dass die nachfolgenden Prozesse zur kontinuierlichen Verbesserung in adaptierter Form durchaus auf beiden Seiten eingesetzt werden können.
8.7.4. Lackfehlererfassung Die Erfassung von Lackfehlern ist eine typische Anwendung für die grafische Fehlererfassung. Abb. 8.9 zeigt ein Beispiel für eine solche Maske (Kon-Cept GmbH., 2008).
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
Abb. 8.9 – Lackfehlererfassung
Lackfehler werden im Produktionsleitsystem genauso behandelt, wie freie Problemeinträge, außer dass zusätzlich zu den standardmäßigen Angaben zum freien Problemeintrag auch die Koordinaten des Fehlers im Bild abgespeichert werden. Weitere Anwendungen für die grafische Fehlererfassung sind z.B. die Erfassung von Schweißpunktfehlern und Schweißprüfungen. In einigen Fällen kann auch die Wahl der Fehlerortes mit grafischen Mitteln sinnvoll sein. Ein Beispiel hierfür wäre die Eingabe des Fehlerortes an einem Motor in einer Motormontage. Für diesen Zweck kann dem Benutzer eine Explosionszeichnung des Motors präsentiert werden, in welcher er durch Klicken auf den defekten Bauteil den jeweiligen Fehlerort auswählt.
8.7.5. Werkerinformationssystem Das Werkerinformationssystem (WIS) hat die Aufgabe, alle relevanten Informationen für Fertigungs- und Prüfschritte am Arbeitsplatz darzustellen. WIS Anzeigen ersetzen SBS Sheets (Bauscheine) und ersparen dem Werker die Aufgabe, von der großen Menge der Ausstattungscodes und Sorten, welche am SBS Sheet abge-
Der Produktionsleittechnik Client
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druckt sind, jene herauszufinden, welche für die aktuelle Tätigkeit relevant sind und aus deren Kombination die für das Fahrzeug passenden Tätigkeiten und Materialien zu ermitteln. Diese Aufgabe wird bei steigender Komplexität der Fertigung durch eine Erhöhung der Variantenvielfalt und durch Drehscheibenkonzepte, die zu einer gemischten Fertigung verschiedener Modelle führen, immer schwieriger und fehleranfälliger. WIS Informationen können auf verschiedene Art und Weise angezeigt werden. In Frage kommen Leuchten an Regalen und andere Poka Yoke Funktionen, wie sie bereits weiter oben beschrieben wurden, die Anzeige auf mobilen Endgeräten und die Anzeige auf den Clients der Produktionsleittechnik, wobei hierfür ein zusätzlicher Bildschirm beschafft werden sollte, sodass der Werker nicht ständig zwischen der Abnahmemaske und der WIS Anzeige hin- und herschalten muss. Die Anzeigen am WIS sind auftragsbezogen, sodass die WIS Anzeige, die keine gesonderte Bedienung erfordern sollte, entweder von der Teileverfolgung angesteuert werden kann (z.B. Anzeige bei Teil in Station an der jeweiligen Arbeitsstation umschalten) oder mit einem bestimmten Produktionsleittechnik Client (Abnahmemaske) synchronisiert wird. Die am WIS angezeigten Informationen sind abhängig von den Informationen im Auftragskopf des Fahrzeuges, den Ausstattungscodes und der fahrzeugspezifischen Stückliste. Alle diese Informationen werden, wie oben beschrieben vom ERP System übernommen. Die WIS Anzeigen werden im Zuge der Ermittlung des fahrzeugspezifischen Prozessplans in der Produktionsleittechnik ermittelt. Abb. 8.10 zeigt ein Beispiel für eine WIS Maske (Kon-Cept GmbH., 2008). Die Angaben, die zu jedem Fahrzeug angezeigt werden, sind bewusst auf das Notwendigste reduziert, sodass die Inhalte für den Werker leicht erfassbar werden. Zusätzlich wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die WIS Maske auch aus größerer Entfernung ablesbar sein sollte, sodass der Werker die Angaben auch dann erkennen kann, wenn er zu einem Regal auf der anderen Seite der Arbeitsstation geht, um ein Material zu entnehmen. Die WIS Anzeige wird in ein gleichseitiges, quadratisches Gitter aufgeteilt, wobei jedem Arbeitsgang im Prozessmodell, welcher für das aktuelle Fahrzeug zutrifft und WIS relevant markiert ist, eine Zelle zugeteilt wird. Der Inhalt wird auf Basis von Markups und Bedingungen, die sich auf den Arbeitsgang, das Fahrzeug, dessen fahrzeugspezifische Stückliste und dessen Ausstattungscodes beziehen, gebildet. Optional ist es auch möglich, Bilder zu hinterlegen. Auch der Einsatz von Farben ist eine in vielen Fällen sinnvolle Möglichkeit zur Kennzeichnung von Optionen. Die Farbe in der WIS Zelle könnte z.B. der Farbe des Gebindes entsprechen, in welchem sich das gewünschte Material befindet.
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
Abb. 8.10 – Werkerinformationssystem
8.8. Einsatzsteuerung Die Fahrzeugfertigung ist ständigen Änderungen unterworfen, welche sich einerseits aus Produktänderungen ergeben und andererseits aus Änderungen an der Abtaktung mit dem Ziel, die Produktion an eine veränderte Kundennachfrage anzupassen oder eine verbesserte Ausnutzung von Ressourcen zu erreichen. Aus diesem Grund muss die Produktionsleittechnik verschiedene Mechanismen unterstützen, solche Änderungen geordnet umzusetzen. Diese werden unter dem Begriff der Einsatzsteuerung zusammengefasst. Die Einsatzsteuerung ist ein Prozess, der in dem meisten Fällen übergreifend sowohl Maßnahmen im Logistiksystem, im Produktionsleitsystem als auch organisatorische Tätigkeiten umfasst, welche nicht in Rechnern abgebildet werden können (z.B. das Verschieben von Regalen und Betriebsmitteln in der Linie).
Einsatzsteuerung
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8.8.1. Einsatzsteuerung für Material Wie oben bereits erläutert, hat die Struktur der Stückliste erheblichen Einfluss auf die Aufwände, welche sich im Produktionsleitsystem zur Einführung von neuem Material ergeben. Wenn keine Strukturierung in der Stückliste zur Verfügung steht, so muss jedes Material vor seinem Einsatz im Prozessmodell eingepflegt werden. Eine Strukturierung nach Baugruppen oder Teilearten vereinfacht die Pflege der Regelsätze im Produktionsleitsystem erheblich, da in Arbeitsgängen lediglich spezifiziert wird, welche Baugruppe oder welche Teileart verbaut wird. Problematisch für die Einsatzsteuerung ist, dass Logistiksysteme vielfach keine fahrzeuggenaue Auflösung von Stücklisten bzw. keine fahrzeuggenaue Erfassung von Material bieten, was besonders für Kanban Teile der Fall ist. Hierdurch wird eine Aufbrauchssteuerung für Material im Produktionsleitsystem erforderlich. Das alte Material wird verbaut, solange es vorhanden ist, während ab diesem Zeitpunkt das neue Material eingesetzt wird, was vom Werker durch Eingabe am Client der Produktionsleittechnik angezeigt wird.
8.8.2. Einsatzsteuerung für Abtaktungsänderungen Abtaktungsänderungen sind damit verbunden, dass bestimmte Arbeitsgänge von einem Arbeitsplatz an einen anderen verschoben werden. Dies bedeutet, dass auch Betriebsmittel und im Arbeitsgang zu verbauende Materialien verschoben werden müssen, sodass sich Verbauorte und Anstellplätze oder Regale an der Linie verschieben. Abtaktungsänderungen sind also nicht in der Produktion alleine sondern nur in Zusammenarbeit von Produktion, Logistik und Instandhaltung zu organisieren. Die Vorgangsweise bei Abtaktungsänderungen wird sich je nach Schichtmodell unterscheiden. Wenn ein- oder zweischichtig produziert wird, so ist es sinnvoll, Abtaktungsänderungen gesteuert durch Einsatz- oder Auslauftermine durchzuführen, sodass z.B. eine neue Abtaktung mit dem Beginn eines Produktionstages wirksam wird. Hiermit können alle erforderlichen Umstellungsarbeiten in der produktionsfreien Zeit durchgeführt werden. Bei dreischichtiger Produktion müssen Abtaktungsänderungen während der laufenden Produktion durchgeführt werden. Hierfür empfiehlt sich eine Einsatzterminierung gesteuert durch die Fahrzeugsequenz. Dies kann z.B. durch Einführung eines Werkssteuercodes erreicht werden, welcher in der Logik im Produktionsleitsystem für den Einsatz von Abtaktungsänderungen verwendet wird. Die Umsetzung von Abtaktungsänderungen während der Produktion wird in vielen Fällen durch komplexe Systemaufbauten und die sich daraus ergebende mangelnde Flexibilität behindert. So sind in vielen Automobilproduktionen Anlagen z.B. an SPS angebunden oder werden über Initiatoren gesteuert, die bei Ver-
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Versorgung manueller Arbeitsplätze
schiebung des Betriebsmittels ebenfalls umzubauen sind. Der resultierende Aufwand macht Abtaktungsänderungen während des Fertigungsbetriebes unmöglich. Die Produktionsleittechnik kann bei entsprechender Auslegung zur Ansteuerung von Betriebsmitteln (siehe nächster Abschnitt) erheblich zur Agilität der Produktion beitragen. Es sollte möglich sein, kleinere Änderungen der Abtaktung jederzeit ohne großen organisatorischen und technischen Aufwand umsetzen zu können. Wenn das Prozessmodell von einem Planungssystem übernommen wird, so sind Vorkehrungen zu treffen, die übernommenen Daten vor ihren Einsatz zu validieren. So sind Berichte, die Vergleiche der aktuellen mit der neuen Abtaktung ermöglichen, erforderlich. Ebenso muss es möglich sein, zu prüfen, ob die neue Abtaktung nach ihrer Übernahme tatsächlich den gewünschten Anforderungen entspricht. Viele Planungssysteme eignen sich hervorragend für die Definition einer Fertigung bei ihrem Neuaufbau, bieten jedoch relativ schlechte Funktionalitäten für das Management des Serienbetriebs.
8.9. Produktionskennzahlen Die Funktionen zur Versorgung von manuellen Arbeitsplätzen in der Produktionsleittechnik bieten nicht nur eine Basis für die Steuerung der Produktion und deren Überleitung in die Nacharbeit, sondern bilden auch eine Basis für die Ermittlung von Kennzahlen, welche die Performance der Produktion beschreiben. Einige dieser Kennzahlen wurden bereits oben im Abschnitt Anlagenkennzahlen näher erläutert. Die wichtigste Kennzahl, welche von praktisch allen Automobilherstellern verfolgt wird, ist die Direktläuferquote oder der FTC Wert (First Time Correct). Der FTC Wert wird zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine definierte Menge von Arbeitsplätzen berechnet und ergibt sich als Quotient jener Fahrzeuge, die keine offenen oder NIO abgezeichneten Checklistenpunkte aus diesen Arbeitsplätzen aufweisen und der Gesamtanzahl der Fahrzeuge im gegebenen Zeitraum. Wenn auch freie Problemeinträge in die Berechnung dieses FTC Werts eingehen, so ergibt sich das Problem, dass der FTC Wert des Bereichs verschlechtert wird, in dem offene Punkte erfasst wurden, obwohl diese in vielen Fällen andere Verursacher aufweisen. Hiermit bietet sich kein Incentive zur Erfassung von freien Problemeinträgen. Um diesem Problem vorzubeugen empfiehlt es sich, den FTC Wert erneut zu berechnen, wenn das Fahrzeug die Produktion verlässt und alle Verursacher zu freien Problemeinträgen erfasst worden sind. Für die Beurteilung der Performance sollte dieser korrigierte FTC Wert herangezogen werden, da dieser die tatsächlichen Problemverursacher erfasst. Problematisch an diesem korrigierten FTC Wert ist die relativ große Zeitverzögerung der Erfassung, die große Totzeiten in Regelkreise induziert. Andere Kennzahlen, die wie z.B. die QZK (Qualitätszahl Kundenzufriedenheit) beziehen die Schweregrade ein, die beim Abzeichnen freier Problemeinträge er-
Produktionskennzahlen
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fasst werden. Diese Art von Kennzahlen kann nur dann erfasst werden, wenn auch Audits im Produktionsleitsystem erfasst werden.
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9. Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen Die Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen baut zu einem großen Teil auf den gleichen Funktionen auf, wie die Versorgung manueller Fertigungseinrichtungen. Die Schnittstelle zwischen Anlagen und dem Produktionsleitsystem ist naturgemäß sehr unterschiedlich zum Produktionsleittechnik Client, welcher für die Implementierung manueller Arbeitsgänge benötigt wird. Dieser Abschnitt beschreibt diese Unterschiede und die Besonderheiten automatischer Fertigungseinrichtungen. Grundlagen zur Netzwerkinfrastruktur und zur Datenkommunikation mit SPS und PC-basierten Produktionsanlagen wurden oben bereits beschrieben. An dieser Stelle soll auf die Protokollinhalte und die Protokollsemantiken näher eingegangen werden, die für den Austausch von Produktionsdaten zwischen der Produktionsleittechnik und den automatischen Produktionsanlagen erforderlich sind.
9.1. Handhabung von Produktionsdaten
9.1.1. Datenaustausch zwischen Server und Anlage In der Produktionsleittechnik werden alle Produktionsaufträge in einem Puffer geordnet nach der Produktionssequenz verwaltet. Dieser Puffer enthält einen Vorlauf an Fahrzeugen, die für die Einsteuerung in die Fertigung geplant sind, aber deren Bearbeitung noch nicht begonnen hat. Anschließend folgen alle Fahrzeuge in Produktion und zuletzt der Nachlauf, der eine Menge von Fahrzeugen enthält, deren Produktion bereits beendet wurde. Jede automatische Produktionsanlage befindet sich an einer bestimmten Station in der Fertigung, was im Ressourcenplan festgelegt ist. Die Teileverfolgung ermöglicht der Produktionsleittechnik zu erkennen, welche Fahrzeuge sich gerade in der Station befinden und welche Fahrzeuge in welcher Reihenfolge an der Station ankommen werden. Wenn die Reihenfolge nicht bekannt ist, was z.B. bei einem Rollenprüfstand der Fall ist, so muss das Fahrzeug bei Eintreffen an der Anlage identifiziert werden, aber es kann dennoch eine Menge von Fahrzeugen bestimmt werden, die potenziell an der Anlage vorbeikommen können. Die Versorgung von Anlagen mit Produktionsdaten erfordert grundsätzlich zwei Datentransfers. Die Anlage benötigt vor Beginn der Bearbeitung typspezifische Information über die notwendigen Bearbeitungsschritte. Diese Information
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Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
ist je nach Art der Anlage sehr unterschiedlich. Ein Fahrwerkseinstellstand beispielsweise benötigt andere Informationen als eine Kühlerfüllanlage. Wenn die Anlage schließlich die Bearbeitung abgeschlossen hat, so sind die Ergebnisse der Bearbeitung zurück zur Produktionsleittechnik zu senden, die darauf basierend Checklistenpunkte abzeichnet, VPDs erfasst und andere Schritte einleitet. In einem vereinfachten Modell kann genau dieser Protokollablauf implementiert werden (vielfach ist dies tatsächlich so gelöst). Das Problem ist hierbei, dass dies die vollständige Verfügbarkeit des Netzwerkes und der Produktionsleittechnik voraussetzt, was in der Realität nur bedingt erreicht werden kann und hohen Aufwand an Rechner-, Software- und Netzwerkressourcen nach sich zieht. Aus diesem Grund ist sinnvoll, ein mehrstufiges Protokoll vorzusehen, das bewirkt, dass eine Menge von Produktionsdaten auf der Anlage gespeichert wird. Wenn nun zentrale Komponenten ausfallen, kann der Fertigungsbetrieb für eine beschränkte Zeit fortgesetzt werden, wobei möglicherweise manuelle Interventionen, wie das Einscannen von Auftragsnummern im Notbetrieb erforderlich sind. Da die meisten Systemausfälle kurzfristig sind, kann durch solche Maßnahmen der Großteil (mehr als 85%) aller Ausfälle zentraler IT Komponenten abgefangen werden, ohne dass sich diese auf die Produktion negativ auswirken. Eine ähnliche Kommunikationsstrategie ist grundsätzlich auch für die Ansteuerung von Produktionsleittechnik Clients möglich, wobei dann der Einsatz eines Thin Clients in der Linie nicht mehr in Frage kommt, da lokale Rechnerressourcen für den Aufbau von Puffern erforderlich sind. Das Protokoll besteht aus drei Phasen. In Phase 1 (Buffer Update) werden Aufträge zum auf der Anlage vorhandenen Puffer hinzugefügt. Normalerweise erfolgt dies gesteuert durch die Teileverfolgung, sobald Fahrzeuge einen bestimmten der Anlage vorgelagerten Punkt in der Fertigung passieren. Üblicherweise sollte dies ca. 2 Stunden bevor der Auftrag voraussichtlich an der Anlage bearbeitet wird erfolgen. In Phase 2 (Cycle Start) wird die Bearbeitung des Auftrags durchgeführt. Der Ablauf der Bearbeitung in dieser Phase hängt von der Art der Anlage ab. Näheres dazu unten. Wenn die Anlage ihren Standort in der Linie hat, so kann ein Auftrag, der an der Anlage bearbeitet wurde, sofort aus dem Puffer gelöscht werden, wenn die Produktionsrückmeldungen an die Produktionsleittechnik übergeben wurden. Andere Anlagen, wie z.B. Fahrwerkseinstellstände oder Rollenprüfstände benötigen einen expliziten Aufruf der Löschfunktion in Phase 3 (Buffer Delete), wenn das Fahrzeug einen weiteren Punkt (z.B. Auslieferung erfolgt) passiert hat und nicht als Rückläufer ein weiteres Mal an der Anlage vorbeikommen kann. Abb. 9.1 zeigt den Protokollablauf.
Handhabung von Produktionsdaten
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Abb. 9.1 – Protokollablauf zur Produktionsdatenversorgung
Die Bearbeitung eines Auftrags in der Anlage kann auf verschiedene Weise gestartet werden, wobei die gewählte Methode von der Art der Anlage und deren Ausrüstung abhängt. Die Anlage kann über Teilekontrollen und ein Identifikationssystem verfügen. Ein typisches Beispiel für eine solche Anlage wäre ein Rollenprüfstand an dem ein Barcodescanner (stationär oder manuell) die Identifikation des Fahrzeuges an Hand eines Barcodelabels, der die Auftragsnummer oder VIN Nummer enthält erfolgen kann. In diesem Fall kann die Anlage die Bearbeitung automatisch starten und sendet an die Produktionsleittechnik eine Rückmeldung, um den Statuswechsel anzuzeigen. Phase 2 des Protokollablaufs kann für solche Anlagen entfallen. Um solche Anlagen optimal auch im Fehlerfall bedienen zu können, sollte das Protokoll vorsehen, dass eine Anlage ad hoc bei der Produktionsleittechnik um
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Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
Produktionsdaten anfragen kann, wenn diese im lokalen Puffer nicht vorhanden sind. In anderen Fällen verfügt die Anlage über Teilekontrollen, aber keine Identifikationseinrichtung. Die Anlage sendet eine „Teil in Station“ Meldung an die Produktionsleittechnik, die jedoch keine Teilenummer enthält. Die Produktionsleittechnik antwortet nun mit einer „Cycle Started“ Meldung, die alle erforderlichen Versorgungsdaten enthält. Dies wird durch eine neuerliche „Teil in Station“ Meldung der Anlage, die diesmal alle Informationen inklusive Auftragsnummer enthält, quittiert. Ein typisches Beispiel für eine solche Anlage wäre z.B. eine Schweißstation im Rohbau. Wenn die Anlage weder über Teilekontrollen noch über Identifikationsmittel verfügt, so wird der Start der Bearbeitung vom Status einer führenden Station in der Teileverfolgung ermittelt. Die Produktionsleittechnik sendet bei Beginn des Taktes eine „Cycle Started“ Meldung an die Anlage. Diese Quittiert die Meldung ihrerseits mit einer „Teil in Station“ Meldung, die alle Teileinformationen enthält. Ein typisches Beispiel für eine solche Anlage wäre ein handgeführter ECSchrauber, der dann aktiviert wird, wenn das Fahrzeug in die Bearbeitungsstation einfährt. Die Anlage hat nicht nur die Aufgabe, Teileversorgungen zu puffern, sie muss auch Rückmeldungen solange zwischenspeichern, bis sie erfolgreich an die Produktionsleittechnik übergeben und von dieser quittiert wurden. Damit das hier gezeigte Modell in der Praxis funktioniert sind noch weitere Funktionen erforderlich, die eine Synchronisation der Puffer manuell gesteuert anstoßen oder bei Neustart der Anlage ermöglichen. Besonders SPS sind in dieser Hinsicht problematisch, da es oft sehr schwer ist, zu erkennen dass Puffer auseinander laufen, wenn z.B. ein Datenbaustein, der Pufferdaten enthält irrtümlich aus der Programmiersoftware heraus überschrieben wurde. Der Einsatz einer Transportplattform für Meldungen, wie IBM WebSphere MQ, die ein transaktionsorientiertes Warteschlangenmanagement bietet, kann die Implementierung dieses Protokollablaufes erheblich vereinfachen und sicherer gestalten. In manchen Fällen sind bei der Versorgung von Fertigungsanlagen besondere Situationen zu berücksichtigen, die sich aus alternativen Arbeitsschritten oder Redundanzen ergeben. Anlagen sind nur dann mit Daten zu versorgen, wenn sie für das jeweilige Fahrzeug auch Arbeitsschritte auszuführen haben. Wenn z.B. zwei Kühlerfüllanlagen zur Verfügung stehen, wobei eine für Heißland-, eine andere für Kaltlandfahrzeuge verwendet wird, so sind die Anlagen nur für Fahrzeuge zu versorgen, die auch die entsprechenden Bedingungen erfüllen. Wenn Anlagen redundant vorhanden sind, so ist dafür zu sorgen, dass, sobald die Bearbeitung an einer Anlage begonnen hat, die Bearbeitung an den anderen Anlagen abgebrochen wird. Dies kann z.B. durch Senden einer „Buffer Delete“ Meldung an alle anderen Anlagen erfolgen, sobald eine Anlage „Teil in Station“ für den entsprechenden Teil meldet.
Handhabung von Produktionsdaten
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9.1.2. Auslegung der Anlagensoftware Herkömmliche Protokolle zur Anbindung von Anlagen an Produktionsleitsysteme bauen in der Regel auf proprietäre TCP/IP-basierte Protokolle auf. Serielle Ankopplungen oder Anbindungen über Feldbusse sind teilweise anzutreffen. Das Problem, welches sich bei der Beschaffung und der Inbetriebnahme neuer Produktionsanlagen stellt, ist, dass der Anlagenlieferant die Anbindung zum Produktionsleitsystem inklusive aller Protokollfunktionen projektspezifisch erstellen muss. Dies erhöht die Kosten im Einkauf und die Aufwände und Risiken bei der Inbetriebnahme von Anlagen erheblich. Wenn dann zusätzliche Funktionen zur Erhöhung der Verfügbarkeit durch Autarkie, wie die oben erläuterte Pufferung von Daten, hinzukommen, ist es nicht mehr ratsam, die Implementierung der Schnittstelle zum Produktionsleitsystem mit allen erforderlichen Protokollabläufen dem Anlagenlieferanten zu überlassen. Stattdessen ist es sinnvoll, eine Referenzimplementierung zu erstellen, die eine möglichst einfache, lokale Schnittstelle zur Anbindung der Anlagensoftware anbietet. Abb. 9.2 zeigt beispielhaft eine mögliche Auslegung (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 9.2 – Auslegung eines Anlagenrechners
Am Anlagenrechner wird eine relationale Datenbank installiert, welche lediglich Basisfunktionen anbieten muss. Solche SQL Datenbanken werden von allen nennenswerten Herstellern in einer freien Version angeboten. Ein Dienst (PDI Client) stellt die Verbindung zum Prozessleittechnik Server her. Es sorgt für die Synchronisation von Versorgungen und die Rückmeldungen von Produktionsergebnissen sowie von Anlagenzuständen, wie Betriebsarten und Fehlern. Der lokale Puffer wird von der Datenbank implementiert. Die anlagenspezifische Software greift über eine definierte SQL Schnittstelle auf die SQL Datenbank zu. Für diesen
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Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
Zweck kann z.B. eine Menge von gespeicherten Prozeduren bereitgestellt werden, die der Anlagensoftware den Zugriff auf alle erforderlichen Daten ermöglichen. Diese Auslegung der Anlagenschnittstelle hat den Vorteil, dass ein Test der Anlagenanbindung lokal an der Anlage erfolgen kann, ohne dass hierfür ein Produktionsleittechnik Server erforderlich ist. Der Anlagenlieferant greift auf eine relativ einfache Schnittstelle zurück, für die die meisten Softwareumgebungen bereits standardmäßig Bibliotheken zur Anbindung vorsehen. Die Behandlung von Protokolldetails, wie Heartbeats oder Wiederholungen und des Puffers für Versorgungen und Rückmeldungen wird nur einmal implementiert und getestet. Auf diese Weise wird die Inbetriebnahme erheblich vereinfacht, sodass auch die hierfür vorzusehenden Kosten und Zeiträume geringer ausfallen sollten. Problematisch an diesem Ansatz ist, dass viele Anlagenhersteller über wenig Erfahrung mit moderneren Technologien verfügen und daher dazu tendieren, die Kosten und Aufwände anfänglich stark zu überschätzen. Die hier vorgestellte Vorgangsweise bindet die Anlagen zudem an eine bestimmte Systemumgebung (Betriebssystem, SQL Datenbank). Dies schränkt die Auswahl an Systemlieferanten ein, ist jedoch alleine schon deshalb sinnvoll, weil eine einheitliche Systemumgebung im Betrieb die Wartungsaufwände erheblich reduziert. Abb. 9.3 zeigt ein Beispiel für eine EC-Schrauber Anbindung an einem Arbeitsplatz, an dem auch manuelle Fertigungstätigkeiten stattfinden (Kon-Cept GmbH., 2008). Der Produktionsleittechnik Client, auf welchem manuelle Fertigungstätigkeiten abgezeichnet werden, kann auf die gleiche Weise ausgelegt werden, wie ein Anlagenrechner. Anstatt oder zusätzlich zu einer Anlagensoftware wird eine Client Applikation installiert, welche die Benutzerschnittstelle für den Werker implementiert. Für die Schrauberanbindung ist zusätzlich eine HMI Applikation erforderlich, die eine Benutzerschnittstelle für die Überwachung und Bedienung des Schraubers anbietet. Dort können Funktionen wie NIO Quittierung, Abbruch, Wiederholung von Verschraubungen, Lösen und Gruppenverschraubungen implementiert werden. Ein weiterer Dienst (Comm-Server) stellt eine Datenverbindung zwischen der SQL Datenbank und der Schraubersteuerung her. Idealerweise sollte die Schraubersteuerung hierfür über eine Ethernet TCP/IP Verbindung verfügen. Auf einem solchen Arbeitsplatz können manuelle Arbeitsgänge parallel zu automatischen Verschraubungen erfasst werden. Die Anbindung an den Produktionsleittechnik Server und der Datenverkehr erfolgt über Standardmittel. Bei entsprechend flexibler Auslegung der Produktionsleittechnik kann die Einführung spezieller Schrauber HMIs oder eines Schraubdatenservers entfallen. Dies erspart erhebliche Investitions- und Betriebskosten. Zudem können Änderungen schneller umgesetzt werden, da kein weiteres System zu pflegen ist. Ähnliche Strukturen bieten sich für Elektroniktester, Befüllanlagen und andere Systeme an.
Handhabung von Produktionsdaten
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Abb. 9.3 – Beispiel für eine EC-Schrauber Anbindung
9.1.3. Ermittlung von Produktionsdaten Die Produktionsdaten, mit denen Anlagen zu versorgen sind, sind entsprechend der verschiedenen Typen von Anlagen sehr unterschiedlich. Typisch ist ein Mix von Anlagen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), wie in Tabelle 9.1 aufgelistet. Diese Tabelle zeigt, dass die Versorgungsdaten individuell für die verschiedenen Anlagen fahrzeugspezifisch generiert werden müssen. Für diesen Zweck ist in der Produktionsleittechnik ein Regelwerk zu hinterlegen, welches die erforderlichen Daten zeitgerecht erzeugt, sodass sie für die Anlagenversorgung zur Verfügung stehen.
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Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
Tabelle 9.1 – Typischer Anlagenmix in der Fahrzeugendmontage Anlage
Typische Versorgungsdaten
Schweißzelle
Eigenschaften der Karosse, wie Rechtlenker oder Linkslenker, mit oder ohne Panoramadach, Stufenheck, Fließheck usw.
Inline Vermessung
Eigenschaften der Karosse
IGEF Präger
IGEF Nummer
VIN Präger
VIN Nummer, Zweitprägung erlaubt
Typschilddrucker
Liste mit Typschildvorlagen, Fahrzeugeigenschaften, die auf die Labels gedruckt werden, wie Gewichte etc.
Kabelbaumförderer
Auftragsnummer
Befettung
Programmnummer
EC-Schrauber
Liste mit Schraubfällen. Parameter je Schraubfall, Sollwinkel und Grenzen, Sollmoment und Grenzen, Werkzeugreihenfolge für Toolbox
Scheibenkleber
Type der verschiedenen Scheiben
Getriebefüllanlage
Art und Menge des Getriebeöls, Grenzen für Füllstände
Sitzeförderer
Auftragsreihenfolge
Heliumlecktest
Eigenschaften der Bremsanlage, Links- oder Rechtslenker
Bremsfüllanlage
Eigenschaften der Bremsanlage, Links- oder Rechtslenker
Klimafüllanlage
Füllmenge, Ober- und Untergrenze
Wischwasserfüllung
Füllmenge, Ober- und Untergrenze
Servobefüllung
Füllmenge, Ober- und Untergrenze
Kühlerfüllanlage
Füllmenge, Ober- und Untergrenze
Pedaltester
Testprogrammnummer, minimaler und maximaler Pedalweg
Schlüsselcodierung
Codenummer, Auftragsnummer
Elektroniktester
Programmnummern, Codes, Materialnummern, Elektronikcodes, Freischaltcodes, VIN Nummer, Ländercode etc.
Fahrwerkseinstellstand
Sturz, Nachlauf etc.
Rollenprüfstand
Programmnummer
Rütteltester
Programmnummer
Telefontester
Teilenummern, Sprachcode, Ländercode
Audiotester
Teilenummern, Lenkungsart, Ländercode
Die Produktionsdaten werden am Produktionsleittechnik Server durch eine zentrale Logik ermittelt und in Form eines XML Fragments an die Anlage versendet. Hier ein Beispiel für die Versorgung eines EC-Schraubers:
Handhabung von Produktionsdaten
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<Part OrderType1=“X“ OrderType2=“CBU“ PartID=“71234567“ OrderCount=“800“ SequenceNumber=”1234560” TagID=”12345” Type=”PB51” VIN=”WBABC12345ABCDE”> <WorkItem> <WorkStep name=”Tighten Airbag 1” processID=”91322” check=”true”> <parameter name=”ParameterBlock”>2 <parameter name=”Tool”>1 <parameter name=”Torque”>24.5 <parameter name=”TorqueMin”>23 <parameter name=”TorqueMax”>25.3 <parameter name=”Angle”>240 <parameter name=”AngleMin”>0 <parameter name=”AngleMax”>360 <WorkStep name=”Tighten Airbag 2” processID=”91323” check=”true”> <parameter name=”ParameterBlock”>2 <parameter name=”Tool”>2 <parameter name=”Torque”>28.5 <parameter name=”TorqueMin”>25 <parameter name=”TorqueMax”>32.2 <parameter name=”Angle”>480 <parameter name=”AngleMin”>360 <parameter name=”AngleMax”>560
Der erste Teil „Part“ in diesem XML Fragment ist für alle Anlagen gleich und enthält allgemeine Angaben zum Fahrzeug, wobei einige Angaben redundant sind und nicht alle Anlagen alle Angaben tatsächlich verwenden. Der Vorteil von XML ist, dass weitere Attribute hinzugefügt werden können, ohne dass dies den Betrieb der bestehenden Anlagen beeinträchtigt. Der zweite Teil des XML Fragments enthält eine Liste von Arbeitsgängen (WorkItem) und Arbeitsschritten (WorkStep), welche wiederum jeweils über eine spezifische Menge von Parametern und Ergebnisvorlagen verfügen können. Die Konzepte hinter Arbeitsgängen und Arbeitsschritten wurden oben bereits beschrieben. Die Menge der Arbeitsgänge, Arbeitsschritte und Parameter ist jeweils spezifisch für die Type der Anlage. Das Produktionsleitsystem muss, um Daten für alle denkbaren Produktionsanlagen erzeugen zu können, über äußerst flexible und leistungsstarke Funktionen zur Bildung und Abarbeitung von Logiken verfügen. In vielen aktuellen Produktionsleittechnik Systemen werden die Fahrzeugeigenschaften in vereinfachter Form an die Anlage gesendet und es wird der Anlage überlassen, die jeweiligen Parameter selbst zu ermitteln. Diese Vorgangsweise
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vereinfacht das Protokoll für die Produktionsdatenversorgung erheblich, hat aber den entschiedenen Nachteil, dass bei Änderungen in der Fertigung eine Menge dezentral verteilter Information und Konfiguration geändert und diese Änderungen entsprechend der Einsatztermine koordiniert werden müssen. Der hier vorgestellte zentrale Ansatz wird mit einem komplexeren zentralen Ablauf in der Produktionsleittechnik erkauft, hat aber den entschiedenen Vorteil der zentralen Datenhaltung und bringt damit letztlich mehr Flexibilität und Agilität, da Änderungen schnell und koordiniert über die Bühne gehen. Zudem werden die Anlagen universeller einsetzbar, wobei die Programmteile, welche auf Anlagen Decodierungen von Ausstattungscodes oder Stücklisten vornehmen, weitgehend obsolet werden. Der Inhalt des anlagenspezifischen Teils der Versorgungsdaten muss je Anlage bzw. je Anlagentype in der Produktionsleittechnik konfiguriert werden. Diese Konfiguration erfolgt in mehreren Schritten.
9.1.4. Die Formatierung von Daten und Datenaustauschprotokolle Bei Aufbau einer neuen Fertigung sollte im Rahmen der Standardisierung die Forderung an alle Anlagenlieferanten gestellt werden, die Anlagendatenversorgung entsprechend der oben erläuterten Struktur abzuwickeln. Hierfür sollten den Ausschreibungen entsprechende XML- und Datenbank- Schemas beigefügt werden, die eine verbindliche Protokollbeschreibung darstellen. Beim Umbau bestehender Fertigungen besteht oft die Notwendigkeit, Altanlagen zu übernehmen und weiter zu betreiben. Eine Kommunikation im XML Format scheitert oft daran, dass XML Parser erst von neueren Betriebssystemen und Entwicklungsumgebungen unterstützt werden, die auf älteren Geräten nicht vorhanden sind. Für solche Fälle muss das Produktionsleitsystem auch andere Protokolle und Kommunikationswege unterstützen. Die Datenkommunikation zwischen der Produktionsleittechnik und der Anlage wird häufig mittels Textdateien mit fixem Format abgewickelt. Hierbei kommen Formatierungen mit fixen Datenlängen und Formatierungen für die einzelnen Einträge, die Trennzeichen verwenden (z.B. CSV) in Frage. Die Benennung und Sortierung der Dateien ist ebenfalls sehr unterschiedlich und daher flexibel konfigurierbar zu gestalten. Als Protokolle für den Transfer von Dateien kommen NetBIOS, FTP, NFS oder andere in Frage. Auch HTTP Transfers werden häufig eingesetzt. Wenn Dateien mit lesbaren Inhalten vorliegen, werden die Fehlersuche und eine eventuelle Implementierung von Notfallsstrategien erheblich vereinfacht. Als Alternative zu Textdateien kommt auch der Austausch von Daten in Form von XML Dateien in Frage, wobei das XML Schema oftmals nicht demjenigen entspricht, das die Produktionsleittechnik entsprechend ihres Designs vorgibt, sondern einem Anlagenbedingten Schema. In diesem Fall ist die Übersetzung der XML „Dialekte“ mittels Translating Stylesheets möglich.
Handhabung von Produktionsdaten
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Üblich ist auch der Einsatz proprietärer TCP-basierter Applikationsprotokolle, die meist Telegramme in fixer Formatierung verwenden. Diese Protokolle funktionieren ähnlich wie der Datenaustausch mit Textdateien wobei zusätzlich Eigenheiten, wie Kommandos, Quittierungen, Lebenszeichentelegramme und Prüfsummen zur Datensicherung zu berücksichtigen sind, welche die Implementierung und Tests solcher Anbindungen relativ aufwändig machen. Der weitere Einsatz dieser Protokolle ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese bereits von einer nennenswerten Menge bestehender Anlagen unterstützt werden, deren Umrüstung zeitlich oder wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen wäre. Einige Anlagen basieren auf Datenbankservern (z.B. Inline Vermessung). Je nach Datenbankhersteller kann eine Kommunikation mittels OCI, ODBC oder ADO implementiert werden. Zur Anbindung an die Produktionsleittechnik sind entsprechende Datenbankclients zu erstellen. Wenn möglich sollten diese Anbindungen direkt auf der Anlage oder auf einem Gateway-Rechner installiert werden. Der Einsatz von Datenbank zu Datenbankkopplungen sollte vermieden werden, da hierdurch meist erhebliche Sicherheitsrisiken und entsprechende Aufwände zur Absicherung des Produktionsleittechnik Servers entstehen. Die Vielfalt der möglichen Protokolle, welche Altanlagen verwenden, ist unüberschaubar, sodass man in Projekten vielfach nicht umhinkommen wird, projektspezifische Software für Datenkopplungen zu erstellen. Hierbei sollte man versuchen, die Unterstützung von Altlasten möglichst gut zu kapseln, sodass sich die Einschränkungen und die Komplexität, die sich durch Altanlagen ergeben, nicht negativ auf das Gesamtsystem auswirken. Bei Altanlagen ergibt sich oftmals mit vertretbarem Aufwand und Risiko die Möglichkeit, die Anlagen auf einen aktuellen Betriebssystemstand aufzurüsten. In diesem Fall empfiehlt es sich, die Spezifika der Altanlagen durch Dienste, die auf diesen installiert werden, zu verbergen und Altanlagen für das Produktionsleitsystem so auf einfache Weise wie Neuanlagen aussehen zu lassen.
9.1.5. Datenkommunikation mit SPS Wenn Anlagen SPS-basiert sind, so sind beim Aufbau der Kommunikation zu diesen Anlagen einige Eigenheiten von SPS zu berücksichtigen. Zwar bieten alle heute üblichen SPS-Systeme die Möglichkeit einer Anbindung an Ethernet TCP/IP an, die verwendeten Applikationsprotokolle sind jedoch meist Derivate von gängigen Feldbusprotokollen und spezifisch für die jeweils eingesetzte SPS-Familie. Standardprotokolle wie HTTP/SOAP oder andere werden oftmals nur bei Einsatz spezieller Hardware- und Softwaremodule unterstützt, sodass man um die Implementierung von Protokollen wie ProfiNet oder Ethernet IP in der Praxis nicht herumkommt. Auf Rechnern, welche Windows Betriebssysteme verwenden, kommt als Abhilfe der Einsatz von OPC (OLE for Process Control) in Frage. OPC bietet ein
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Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
Standardprotokoll an, welches Client-Applikationen den Zugriff auf Daten in SPSSystemen ermöglicht. Die Kommunikation wird hierbei mittels eines OPC-Servers implementiert, der die spezifischen Eigenheiten des jeweiligen SPS-Systems vor der Client Applikation kapselt. Die Philosophie ist ähnlich zu jener, die unter Windows zur Einführung einer Standardschnittstelle für Drucker geführt hat. Client Applikationen implementieren diese Schnittstelle, während der Hersteller des Druckers dem Gerät einen Druckertreiber beilegt. Der Vorteil von OPC ist, dass die Produktionsleittechnik eine Standardschnittstelle anbieten kann, über welche verschiedene SPS angebunden werden können, sodass das System weitgehend unabhängig von den verwendeten SPS-Familien wird. OPC ist normalerweise sehr performant, sodass keine nennenswerten Performanceeinbußen zu befürchten sind. OPC hat sich aus diesen Gründen weitgehend durchgesetzt und wird von praktisch allen SPS Herstellern unterstützt. Leider ist mit dem Einsatz von OPC auch eine Menge von Nachteilen verbunden. Die OPC Protokollfamilie besteht aus einer Reihe von Protokollspezifikationen, von denen lediglich OPC Data Access breite Akzeptanz genießt. Andere Protokolle werden nur lückenhaft unterstützt. OPC basiert auf DCOM (Distributed Component Object Model) und ist damit technologisch veraltet. Neuere Protokolle, wie OPC UA sind heute genormt, eine breite Unterstützung durch die SPS Hersteller ist aber noch nicht gegeben. OPC UA bindet OPC erstmals nicht an Windows Systeme. Im praktischen Einsatz hat sich vielfach gezeigt, dass die Qualität der von den Herstellern angebotenen OPC Server für den Einsatz in Anwendungen für die Visualisierung und Bedienung von Anlagen ausreichend ist, nicht jedoch für den Betrieb in Produktionsleitsystemen, die für einen Server-basierten 24/7 Betrieb ausgelegt sein müssen. OPC Server, die auf Serverbetriebssystemen laufen und Unterstützung für Cluster sowie für erweiterte Management- und Diagnosefunktionen bieten, sind am Markt kaum zu finden. Viele Produkte schränken auch die Anzahl von SPS, die an einen Server angebunden werden können ein und zeichnen sich leider durch eine sehr schlechte Nutzung von Rechnerressourcen aus. Hinzu kommt, dass die OPC Spezifikation keine ausreichenden Vorgaben hinsichtlich der Nomenklatur von Itemnamen und der Struktur von komplexen Datentypen macht, sodass eine allgemeine Implementierung eines OPC Clients auf der Seite des Produktionsleitsystems relativ komplex wird. Praktisch alle heute gängigen SPS-Familien basieren auf mehr oder weniger freien Interpretationen des Standards IEC 1131. Dies bedeutet, dass Konzepte wie XML nicht unterstützt werden. Die Schnittstelle zum Produktionsleitsystem kann daher nur über Bytestreams mit fixer Formatierung implementiert werden (Hier ist anzumerken, dass viele SPS Benutzerdefinierte Datentypen unterstützen, was zwar die Implementierung der SPS-Software vereinfacht, für das Produktionsleitsystem aber keinen wirklichen Unterschied macht). In der Praxis ist es sinnvoll, für die im Projekt verwendeten SPS einen Funktionsbaustein anzubieten, welcher vom SPS Programmierer in das SPS-Programm eingebunden wird. Der Funktionsbaustein kapselt die Kommunikation zum Produktionsleitsystem und stellt die Schnittstelle
Produktionsrückmeldungen
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für den SPS Programmierer bereit. Die Kommunikationsfunktionen inklusive Lebenszeichen usw. können somit einmalig zentral programmiert und getestet werden, was Aufwand und Risiko minimiert. Zudem kann sichergestellt werden, dass sich der Funktionsbaustein optimal in den verwendeten SPS Programmierstandard einfügt, sodass z.B. Standardinformationen, wie Betriebsarten oder Fehler automatisch erfasst werden können, ohne dass der SPS Programmierer hierfür Sorge tragen muss. Letztlich ist noch zu berücksichtigen, dass SPS nur relativ begrenzten Speicherplatz für das Ablegen von Versorgungsdaten oder Produktionsrückmeldungen in einem Puffer anbieten. Das Produktionsleitsystem muss daher sehr flexible Möglichkeiten für die Steuerung der Pufferbelegungen in den SPS anbieten, die sicherstellen, dass der vorhandene Speicher für die Kommunikation zum Produktionsleitsystem ausreicht. Oftmals ist es sinnvoll, SPS-basierte Anlagen nicht mit dem Server der Produktionsleittechnik sondern mit einem Client zu verbinden. Ein solcher Systemaufbau wurde oben bereits für einen Schrauber erläutert.
9.2. Produktionsrückmeldungen Ebenso, wie die Daten, welche für die Versorgung von Produktionsanlagen benötigt werden von der Type der Anlagen abhängen, sind auch Produktionsrückmeldungen sehr unterschiedlich. Sie werden für eine Menge von Funktionen in der Produktionsleittechnik benötigt, wie dem Abzeichnen von offenen Punkten in der offenen Punkte Liste, dem Erfassen variabler Prozessdaten oder zum Anlegen freier Problemeinträge. Zusätzlich werden Produktionsrückmeldungen als eine Basis für das Berichtswesen und für die Generierung von Alarmen verwendet. Ebenso wie Werker auf manuellen Arbeitsstationen können auch Anlagen Produktionsdaten generieren. In vielen Stationen werden manuelle und automatische Arbeitsgänge kombiniert (z.B. manueller Verbau von Teilen und Verschraubung mittels EC-Schrauber). Diese Fälle sind in den Eingabemasken am Produktionsleittechnik Client zu berücksichtigen, indem in den Checklisten die offenen Punkte, die von Anlagen automatisch abgezeichnet werden, angezeigt werden. Für den Notfallsbetrieb ist eine Möglichkeit vorzusehen, dass offene Punkte und variable Prozessdaten, die normalerweise automatisch abgezeichnet werden, durch den Werker eingegeben werden.
9.2.1. Formate von Produktionsrückmeldungen Produktionsleitsysteme wurden bisher traditionell auf Basis von relationalen Datenbanken aufgebaut. Das Speichern von Produktionsrückmeldungen mit sehr unterschiedlichem Format und Inhalt führte zu äußerst komplexen Datenbanksche-
274
Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
mas. In der Praxis beschränkte man sich daher meist darauf, die Rückmeldungen in Form von Texteinträgen in der Datenbank abzulegen. Dies führte zu einer erheblichen Vereinfachung des Datenmodells, beschränkte aber die Möglichkeiten Abfragen auf diese Daten auszuführen und auf dieser Basis Berichte zu erstellen (Der Vergleich von Textspalten in Tabellen mit regulären Ausdrücken wird von Datenbanken seit jeher unterstützt, ist aber bei großen Datenmengen sehr aufwändig und damit langsam. Zudem ist es in vielen Fällen sehr schwierig, passende Muster zu finden.). Moderne relationale Datenbanken ermöglichen das Speichern von Produktionsrückmeldungen in Form von XML Fragmenten. XML wird als nativer Datentyp unterstützt. Erweiterungen der Abfragesprache in SQL ermöglichen es, Abfragen auf XML Spalteninhalte zu erweitern (z.B. XQuery). Dies hat den Vorteil, dass das Datenmodell sehr einfach gehalten werden kann ohne dass dies nachteilige Auswirkungen auf die Flexibilität und Performance von Abfragen hat und setzt voraus, dass Produktionsrückmeldungen ebenso wie Versorgungsdaten als XML formatiert und übertragen werden. Folgendes XML Fragment zeigt ein Beispiel für Schraubergebnisse:
<Part OrderType1=“X“ OrderType2=“CBU“ PartID=“71234567“ OrderCount=“800“ SequenceNumber=”1234560” TagID=”12345” Type=”PB51” VIN=”WBABC12345ABCDE” /> <Station name=”SSTST270” Application=”AMTAblauf” version=“1.4.4.120“ /> NIO <SCHRAUBFALL IdentNr="AAANAAABBBBB" SPgNr="" Schraubfall="0" SG="1" PG="1" SfAnzSoll="1" SfAnzIst="1" Bezeichnung="0" Nuss="0" Datum="30.11.2005" Zeit="13:03:19" Stufe="01" Status="NIO" /> <SPINDEL SpnNr="5" SpnSerNr="0" SpnBez="0" SchraubstellenNr="0" Schraubstelle="0" MkTyp="PME60" MkVersion="0" Modus="0" Loesen="0" Start="11" Zeile="4" SpAnzSoll="1" SpAnzIst="1" TaMax="10000" Dia="3" Spindelstatus="NIO" /> <MESSUNG_SONSTIGE N_Min="0" N_Max="0" VCnt="0" WCnt="0" /> <MESSUNG_DREHMOMENT MdZeichnung="0" MdSchwell=" 7.0" MdSoll="012.0" MdMin=" 10.8" MdMax=" 13.2" MdIst=" 0.1" MdAt="-10.6" MdFinden="0" /> <MESSUNG_WINKEL WiSoll="0" WiMin="3" WiMax="360" WiIst="720" WiAt="360" /> <MESSUNG_STROM I_Soll="0" I_Min=" 0.0" I_Max=" 18.0" I_Ist=" 0.4" I_At="0" /> <MESSUNG_ERROR FCode="1" ECode="1" MdError="2" WiError="1" EsError="0" GrError="0" /> <MESSUNG_EINSCHRAUB EsAktiv="0" EsAWiUnten="0" EsAWiOben="0" EsUeWiUnten="0" EsMdMin="0" EsMdMax="0" EsSchrittweite="0" /> <MESSUNG_GRADIENT GrAktiv="0" Gr1Min="0" Gr1Max="0" GrMinIst="0" GrMaxIst="0" GrAbschalt="0" GrSehne="0" GrDaempfung="0" Gr2Min="0" Gr2Max="0" GrMdWechsel="0" GrAbtastFak="0" GrDaempfFak="0" /> <MESSUNG_REIBMOMENT RMdAktiv="0" RMdMin="0" RMdMax="0" RMdMinIst="0" RMdMaxIst="0" RMdIst="0" />
Produktionsrückmeldungen
275
Produktionsrückmeldungen, wie das oben angeführte Beispiel können auf Grund des einheitlichen, für alle Anlagen verbindlichen Headers eindeutig Anlagen und Fahrzeugen zugeordnet werden. Der anlagenspezifische Inhalt des XML Fragments kann in einer XML Spalte in der Datenbank der Produktionsleittechnik abgelegt werden. Hierdurch werden gezielte XQuery Abfragen auf diese Daten möglich. Natürlich gelten hier die gleichen datentechnischen Voraussetzungen, wie für relationale Daten. Es ist ein Kompromiss zwischen Aufwand für das Management von Indizes beim Eintragen von Daten in die Datenbank und Möglichkeiten für schnelle Abfragen zu finden, was nur durch konsequente Auslegung auf definierte Anwendungsfälle zu erreichen ist.
9.2.2. Die Konfiguration von Produktionsrückmeldungen Die Konfiguration von Produktionsrückmeldungen erfolgt prinzipiell auf dieselbe Art und Weise, wie für Produktionsdaten, indem für jede Art von Rückmeldung ein XML Schema definiert wird, das folgende Angaben festlegt: • • •
Bezeichnung und Reihenfolge sowie Anzahl der in der Rückmeldung enthaltenen Daten Datentypen für die Werte von Attributen und Tags Regeln für die Validierung der Werte von Attributen und Tags
Die Konfiguration erfolgt hierbei wiederum in zwei Schritten, wobei zunächst die Datenfelder definiert werden und anschließend der Inhalt und Aufbau der XML Fragmente auf Basis dieser Datenfelder.
9.2.3. Abzeichnen von offenen Punkten Die Beurteilung von Bearbeitungsergebnissen sollte grundsätzlich der Anlage überlassen werden, da die hierfür erforderlichen Methoden sehr spezifisch für die jeweils eingesetzte Fertigungstechnologie sind. Die Produktionsleittechnik kann die Produktionsrückmeldungen lediglich hinsichtlich formaler Richtigkeit und Vollständigkeit sowie auf Plausibilität prüfen. In der Produktionsrückmeldung sollte ein Gesamtergebnis der Bearbeitung enthalten sein. Detailergebnisse sind optional möglich. Ergebnisse sind binäre Werte, wobei festzulegen ist, welcher Wert als IO und welcher Wert als NIO zu interpretieren ist. Die in der Produktionsrückmeldung enthaltenen Ergebnisse können nun mit offenen Punkten in der Liste offener Punkte verbunden werden und diese somit automatisch abzeichnen. Wenn Ergebnisse mehrfach eintreffen, so ist dies zu proto-
276
Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
kollieren, aber es gilt grundsätzlich das letzte Ergebnis, welches die Produktionsleittechnik erhalten hat. Mehrere Ergebnisse können z.B. dann vorkommen, wenn ein Fahrzeug mehrfach am Fahrwerkseinstellstand geprüft wird. Eine erste Prüfung könnte NIO ausfallen. Wenn das Fahrzeug sodann die Nacharbeit passiert hat, so wird es ein weiteres Mal IO geprüft. Jede Produktionsrückmeldung muss durch die Anlage mit einem Zeitstempel versehen werden, da im Fall von Kommunikationsproblemen nicht garantiert ist, dass Rückmeldungen von verschiedenen Anlagen in einer zeitlich korrekten Reihenfolge eintreffen. Ein EC-Schrauber, der je Fahrzeug mehrere Schraubfälle abarbeitet, wird in der Produktionsrückmeldung ein Gesamtergebnis und Detailergebnisse für jeden Schraubfall zurückliefern. Es besteht nun die Möglichkeit, einen Checklistenpunkt für die gesamte Bearbeitung oder mehrere Punkte für die einzelnen Schraubfälle einzurichten. Bei manuell geführten Schraubern wird es im Regelfall sinnvoll sein, nur das Gesamtergebnis in der offenen Punkte Liste zu führen, da im NIO Fall, wenn z.B. ein Schraubfall NIO quittiert wurde, nicht mit Sicherheit feststeht, welche Schraube das Problem ausgelöst hat (der Werker könnte die vorgesehene Schraubreihenfolge auch verletzt haben). Bei vollautomatischen EC-Schraubern hingegen macht die Betrachtung der Detailergebnisse durchaus Sinn. Wenn offene Punkte automatisch abgezeichnet werden, so sollte die Produktionsleittechnik verhindern, dass sie ein Werker irrtümlich an einem Client manuell abzeichnen kann, außer in Situationen, in denen der Notfallsbetrieb für die entsprechende Anlage aktiviert wurde.
9.2.4. VPD Eingabe Die Bedeutung und die Konfiguration von VPD wurden bereits im vorhergehenden Abschnitt erläutert. Für jede VPD Eingabe werden neben Datentyp und Format auch umfangreiche Regeln für die Validierung und Prüfung von Werten angegeben. Diese Regeln gelten auch für automatisch generierte VPD Eingaben. Aus diesem Grund ist es an dieser Stelle ausreichend, eine Verbindung zwischen Produktionsrückmeldungen und VPD Eingaben zu definieren. Aus praktischen Gründen sollte noch die Möglichkeit bestehen, die Formatierung von Werten zu ändern bevor sie an die VPD Eingabe weitergegeben werden. Ebenso wie im Fall von Checklisten sollte im Normalbetrieb die irrtümliche manuelle Eingabe von VPD Werten, die automatisch erfasst werden, verhindert werden. Für den Notfallsbetrieb sollte allerdings auch eine manuelle Eingabe möglich sein. Automatische Produktionsergebnisse können mehrfach eintreffen. Es ist je VPD Eingabe festzulegen, ob der erste gültige erfasste Wert beibehalten werden soll, oder ob der jeweils zuletzt eingetroffene Wert übernommen wird, was nicht anderes als eine VPD Korrektur darstellt.
Produktionsrückmeldungen
277
Obwohl der Werker im Normalfall keine Möglichkeit hat, automatisch generierte VPD Eingaben manuell zu editieren, sollte er dennoch die Möglichkeit haben, diese am Produktionsleittechnik Client einzusehen. Das Abzeichnen von offenen Punkten und die VPD Eingabe müssen in der Produktionsleittechnik so schnell wie möglich bearbeitet werden, da sonst unter Umständen Funktionen, wie das Routing von Fahrzeugen oder die Berechnung von Kenngrößen, wie FTC verfälscht werden.
9.2.5. Anlegen freier Problempunkte Optional sollte die Möglichkeit bestehen, hinter Werten in Produktionsrückmeldungen ein Regelwerk zu hinterlegen, welches das automatische Anlegen von freien Problempunkten ermöglicht. Dieses Regelwerk sollte verschiedene Anwendungsfälle abdecken. Hierzu gehört das Überschreiten oder Unterschreiten von Grenzen bei Zahlenwerten oder Zeiten, sowie die Abfrage, ob Werte in Aufzählungen enthalten sind. Weiters sollte eine Möglichkeit bestehen, Strings mit regulären Ausdrücken zu vergleichen. In vielen Fällen sind auch Funktionen über Reihen von Werten, die sukzessive von der Anlage gemeldet werden (Mittelwert, Varianz, Standardabweichung, Trends etc.) erforderlich. Letztlich muss auch eine Möglichkeit bestehen, binäre Werte zu vergleichen und Relationen zwischen Werten und logische Verknüpfungen von Werten durchführen zu können. Freie Problempunkte können aus fixen Texten bestehen, in die zusätzlich beliebige Werte aus der Produktionsdatenrückmeldung eingebettet werden können. Neben dem Anlegen von freien Problemeinträgen, welche immer fahrzeugbezogen sind, sollte das Produktionsleitsystem auch das Anlegen von Prozessmerkmalen oder von Wartungsaufträgen für die Instandhaltung auf Basis von Anlagenrückmeldungen erlauben.
9.2.6. Diagnose und Überwachung Eine effektive und vollständige Diagnose und Überwachung des Produktionsdatenverkehrs zwischen der Produktionsleittechnik und den automatischen Produktionsanlagen ist auf Grund der großen Anzahl angebundener Systeme, die von verschiedenen Lieferanten stammen und auf verschiedener Technologie basieren, von besonderer Bedeutung. Dies trifft sowohl für die Inbetriebnahmephase als auch für die Betriebsphase zu. Zunächst ist zu fordern, dass Fehler durch Kommunikationsprobleme oder ungültigen Telegramminhalt mittels Alarmierung angezeigt werden. Ungültige Telegramme müssen in einem Bericht bereitstehen, sodass der Administrator korrigie-
278
Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen
rend eingreifen kann. Der gesamte Datenverkehr ist in einem Log abzuspeichern, sodass Problemfälle jederzeit nachvollziehbar sind. Eine vollständige Diagnose des Datenverkehrs hilft, Probleme möglichst schnell zu erkennen und zu beheben noch bevor negative Auswirkungen auf die Produktion sichtbar werden.
10. Steuerung des Teileflusses Die Steuerung des Teileflusses oder Karossenflusses in der Fertigung ist eine der wichtigsten Aufgaben, die sich das Produktionsleitsystem mit den Planungssystemen und den Logistiksystemen teilt. Zunächst werden Basisaufgaben, wie Vorlaufterminierung, Maschinenbelegungsplanung und Sequenzierung beschrieben. Weiters wird auf JIT Verfahren (Just In Time) und JIS (Just in Sequence) eingegangen. Die Automobilproduktion war seit jeher Vorreiter bei der JIT Produktion, weshalb die Unterstützung dieser Verfahren durch das Produktionsleitsystem in jedem Fall erforderlich ist. Letztlich wird KANBAN als eine weit verbreitete, dezentrale Methode der JIT Steuerung beschrieben.
10.1. Einleitung Grundlagen zur Steuerung des Teileflusses, deren Funktion weitgehend auf der Teileverfolgung basiert, wurden oben bereits erläutert. Die Steuerung des Teileflusses hat die Aufgabe, Teile oder Fahrzeuge in der Produktion automatisch an die nächste Station in der Fertigung weiterzuleiten bzw. wenn Fahrzeuge nicht zwangsgeführt sind, dem Werker genügend Information zu bieten, sodass er erkennen kann, wohin das Fahrzeug als nächstes gehen soll. Als Teile werden Produktionsobjekte bezeichnet, die vom Produktionsleitsystem erfasst und identifiziert werden und die daher der Teileverfolgung unterliegen. Als Materialien werden Einbauteile bezeichnet, welche in Teilen verbaut werden. Materialien unterliegen der Kontrolle von Logistiksystemen. Die Steuerung des Teileflusses ist eine Funktion, bei der sich Produktionsleitsysteme mit Logistiksystemen überschneiden, deren primäre Aufgabe ja die Kontrolle des Materialflusses ist. Die Methoden, Informationen und die Optimierungsziele für die Teileflusskontrolle sind in beiden Systemen jedoch sehr verschieden, wie Tabelle 10.1 zeigt. Die Frage, welche Teileflüsse durch Logistiksysteme und welche durch die Produktionsleittechnik zu steuern sind, kann nur spezifisch für jedes Projekt beantwortet werden, was eine Aufgabe für die Anlagenplanung darstellt.
280
Steuerung des Teileflusses
Tabelle 10.1 – Aufgaben im Logistiksystem versus PLS Logistiksysteme
Produktionsleitsysteme
Logistiksysteme steuern mittels verschiedener Methoden den Fluss aller Materialien zum Band, also der A, B und C Teile
Produktionsleitsysteme steuern vorwiegend A Teile und Sequenzteile, sowie Fahrzeuge durch die Produktion. Diese Teile sind in der Regel einzeln identifiziert.
Der Materialfluss wird durch verschiedene Systeme umgesetzt, wie Fördersysteme, Teilelager, AGV, Stapler etc.
Produktionsleitsysteme steuern automatische Fördereinrichtungen und die manuelle Bewegung von Fahrzeugen.
Das Optimierungsziel ist meist die Minimierung von Lager- und Transportkosten bei gleichzeitiger Sicherstellung der Verfügbarkeit von Material für die Produktion. Hinzu kommen natürlich weitere Ziele im kaufmännischen Bereich.
Meist werden mehrere Optimierungsziele verfolgt: Lokalisierung der Auswirkung von Stillständen in einem Bandabschnitt auf andere Bereiche der Fertigung. Absicherung der Fertigungsprozesse durch Sicherstellen der korrekten Sequenz. Sicherstellen der Termingerechten Auslieferung von Fahrzeugen.
Die Informationsbasis sind Stücklisten und Materialbestände, wobei Materialien an Hand von Materialnummern charakterisiert werden.
Die Informationsbasis bildet die Teileverfolgung, die Teileidentifikation, Sequenznummern und der Teilestatus (offene Punkte). Zusätzlich können Informationen aus teilespezifischen Stücklisten verwendet werden.
10.2. Basisaufgaben der Teileflusssteuerung In diesem Abschnitt sollen einige Basisaufgaben erläutert werden, die für die Steuerung des Teileflusses von Bedeutung sind.
10.2.1. Vorlaufterminierung Die Vorlaufterminierung legt den spätesten Zeitpunkt fest, an dem die Bearbeitung eines Teils in einer Fertigungsstufe beendet sein muss, damit das Endprodukt zeitgerecht zur Verfügung steht. Für die Vorlaufterminierung wird ein modifizierter Gozintograph verwendet (Gozintographen wurden bereits oben bei der Behandlung der Bedarfsrechnung erläutert), bei dem anstatt des Primärbedarfs die Bearbeitungszeit in den einzelnen Fertigungsstufen angegeben wird. Zusätzlich werden zwei künstliche Knoten A (für Anfang der Bearbeitung) und E (für Ende der Bearbeitung) eingeführt. Dem Knoten E wird ein willkürlicher Zieltermin zugeordnet. Die angegebenen Zeiteinheiten können entsprechend der Erfordernisse der Anwendung frei gewählt werden (also z.B. Takte). Abb. 10.1 zeigt ein Beispiel.
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
1
281
6 6
8
5
2
7
5 3 A
2
-
4
E 2
3
20
5 4 1
3
2
1
4
6
7 5
Abb. 10.1 – Gozintograph für die Vorlaufterminierung
In der Literatur sind für Zwecke der Vorlaufterminierung verschiedenste Algorithmen angeführt. Hier soll als Beispiel die Terminierung nach Neumann und Morlock (Klaus-Peter Kistner, 2001) beschrieben werden. Für diesen Algorithmus werden folgende Symbole definiert: i, j
Knoten des Netzplans: Teile
TIA
Zeitpunkt, zu dem die Bearbeitung des Teils i zu beginnen ist.
TI E
Zeitpunkt, zu dem die Bearbeitung des Teils i zu beenden ist.
TEE
Zeitpunkt, zu dem die gesamte Auftragsbearbeitung abgeschlossen sein soll (Liefertakt am Band)
tI
Bearbeitungsdauer des Teils i
N(i)
Menge der Nachfolger des Knotens i
V(i)
Menge der Vorgänger des Knotens i
Der Algorithmus läuft nun in folgenden Schritten ab: Schritt 1: Initialisierung Man beginnt zunächst mit der Terminierung des Endknotens:
282
Steuerung des Teileflusses
TEA = TEE mit tE = 0 Schritt 2: Sukzessive Terminierung Sobald die spätesten Endtermine aller Nachfolger eines Knotens bestimmt sind, kann man daraus seinen spätesten Endtermin ermitteln. Dieser ergibt sich als:
{
Ti A = min T jA − ti j∈N ( i )
}
Hieraus ergibt sich auf einfache Weise auch der Endtermin für den Knoten:
Ti E = Ti A + ti Schritt 3: Abbruchbedingung Schritt 2 wird solange wiederholt, bis alle Bearbeitungen terminiert sind und der Anfangsknoten A erreicht ist. Tabelle 10.2 zeigt das Ergebnis des Algorithmus, wenn er auf den oben angewendeten Gozintographen angewendet wird. Die Wahl des Zieltermins für den Endknoten mit 20 ergab zufällig den Anfangstermin 0 für den Anfangsknoten. Wenn die Terminierung fertig ist, so können die Termine beliebig verschoben werden, sodass sie für den Einsatz in der Fertigung praktikabel sind.
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
283
Tabelle 10.2 – Ergebnis des Algorithmus von Neumann und Morlock
i
N(i)
TN(i)A
ti
TN(i)A-ti
Ti A
Ti E
7
E
20
5
15
15
20
6
E
20
7
13
13
20
5
6 7
13 15
5 5
8 10
8
13
4
5 7
8 15
2 2
6 13
6
8
3
4 7
6 15
6 6
0 9
0
6
2
4 5
6 8
4 4
2 4
2
6
1
5
8
8
0
0
8
1 2 3
0 2 0
0 0 0
0 2 0
0
0
A
Die Vorlaufterminierung kann auch auf Basis eines Ereignisbaums dargestellt werden. Folgende Definitionen sind hierzu erforderlich: Ωi
Menge der Produktionswege für den Teil i
Kω
Menge der Knoten auf dem Produktionsweg ω in Ωi
K
Knoten am Produktionsweg Kω
tK
Bearbeitungszeit im Knoten k
Auf Basis dieser Definitionen ergibt sich der Zeitpunkt, an dem die Bearbeitung des Bauteils i beginnt zu:
⎧ ⎫ Ti A = TEA − max ⎨∑ t k ⎬ Ωi ⎩k∈ω ⎭ Der Ereignisbaum für obigen Gozintographen ist in Abb. 10.2 dargestellt.
284
Steuerung des Teileflusses
E 20 6
7
7
5
5
3
4
5
5
6
2
5
1
2
4
2
3
1
2
4
8
4
2
4
6
8
4
2
3
3
6
6
Abb. 10.2 – Darstellung im Ereignisbaum
10.2.2. Maschinenbelegungsplanung In vielen Fällen muss man bei der Terminierung von Aufträgen mehrere Maschinenressourcen und mehrere Aufträge gleichzeitig berücksichtigen. Dies wäre z.B. in Gewerken, wie Presswerken der Fall, wo im Prinzip mehrere Aufträge um vorgegebene Maschinenressourcen konkurrieren. Die Maschinenfolge ist technologisch festgelegt und für jeden Auftrag vorgegeben. Die Auftragsfolge an jeder einzelnen Maschine ist die Entscheidungsvariable bei der Maschinenbelegungsplanung. Die Sequenzierung ist eine Optimierungsaufgabe, bei der eine optimale Kombination aus folgenden Kriterien zu erreichen ist: × Auslastung Ø Durchlaufzeit Ø Belegungszeit Ø Rüstzeiten und CIP Zyklen Ø WIP (Bestand) Diese Optimierung ist unter Berücksichtigung bestimmter Randbedingungen wie Liefertermine, Pulkbildung, Vermeiden von Deadlocks und Vermeiden von Kontamination zu erreichen. Als Beispiel sei eine Fertigung bestehend aus vier Maschinen A, B, C und D gegeben, auf der fünf Aufträge 1, 2, 3, 4, und 5 geplant werden sollen. Die Ma-
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
285
schinenfolge und die Bearbeitungszeiten für die einzelnen Aufträge sind in Tabelle 10.3 dargestellt. Tabelle 10.3 – Beispiel für eine Auftragstabelle
Aufträge
Maschinenfolgen und Bearbeitungszeiten
1
A 1
B 3
C 4
D 4
2
B 2
A 4
D 5
C 1
3
C 5
D 3
B 1
A 4
4
A 2
C 1
B 5
D 3
5
D 2
A 4
C 1
B 5
In diesem einfachen Fall kann die Sequenzierung manuell auf einem Steckbrett durchgeführt werden. Abb. 10.3 zeigt das Ergebnis.
Maschine A
1
B
2 2
C
4
1 1
5
0
3
3
3
D
5 4 4
5
3
5
2
10
5 2 1
15
4
20
Zeit Abb. 10.3 – Maschinenbelegungsplanung im GANTT Chart
An Hand dieses Beispiels ist leicht zu erkennen, dass die manuelle Maschinenbelegungsplanung bei komplexeren Anwendungen sehr schnell unübersichtlich
286
Steuerung des Teileflusses
wird, sodass in der Realität ein rechnergestütztes Verfahren erforderlich ist. In der Praxis können die eingesetzten Algorithmen in zwei Gruppen, die unterschiedliche Ansätze verwenden eingeteilt werden. Einerseits werden Produktionszeiten-basierte Modelle eingesetzt. Diese Modelle ordnen Ereignissen an Maschinen (Start oder Ende von Bearbeitungen) Termine zu. Restriktionen, wie z.B. Intervalle zwischen Bearbeitungen stellen sicher, dass sich Aufträge nicht überlappen. Andererseits bieten sich Produktionsmengen-basierte Modelle an, die bestimmten Teilperioden Produktionsmengen zuordnen. Durch Restriktionen kann sichergestellt werden, dass vorhandene Kapazitäten nicht überschritten werden. Bestandsmengen und ihre Veränderungen können einfach erfasst werden. Diese Modelle erfordern ein sehr feines Zeitraster, da in jedem Intervall jeder Maschine nur ein Produkt zugeordnet werden kann Die Modelle unterscheiden sich auch nach der Art der Terminierung. Möglich sind eine Vorwärtsterminierung, eine Rückwärtsterminierung oder eine beidseitige Terminierung, die an Engpässen beginnt. Zusätzlich können die Modelle in globale und lokale algorithmische Modelle, sowie in simulationsbasierte Ansätze eingeteilt werden. Das Problem bei der Maschinenbelegungsplanung ist, dass es sich hierbei um ein nicht triviales Problem handelt, also ein Problem dessen Komplexität mit der Faktoriellen der Anzahl der Aufträge und Maschinen steigt. Solche Probleme sind auf Rechnern in praktikabler Zeit nicht exakt zu lösen, sodass praktisch alle gängigen Verfahren auf Heuristiken basieren. Als Heuristiken bezeichnet man Näherungsverfahren, die bei akzeptabler Laufzeit am Rechner in allen gängigen Szenarien eine brauchbare Näherung des Optimums ergeben, allerdings nicht garantieren, dass tatsächlich das globale Optimum gefunden wird. Je nachdem, ob auf minimale Durchlaufzeit, maximale Kapazitätsauslastung der Maschinen oder auf beste Termintreue Wert gelegt wird, stehen unterschiedlichste Verfahren zur Verfügung.
Das Verfahren von Heller und Logemann Als Beispiel sei hier das Verfahren von Heller und Logemann (Klaus-Peter Kistner, 2001) angeführt, das eine Formalisierung der Sequenzierung im GANTT Chart darstellt. Ausgehend von einer leeren Fertigung werden die Aufträge sukzessive eingelastet. Immer dann, wenn eine Maschine einen Auftrag fertig gestellt hat und somit wieder für neue Aufträge frei wird, wird versucht, den Auftrag der nächsten Maschine in der Maschinenfolge des Auftrags zuzuordnen und auf der frei werdenden Maschine einen neuen Auftrag einzulasten. Der Algorithmus umfasst vier Schritte, wobei alle erforderlichen Daten in einer Tabelle geführt werden. Für die Formalisierung des Algorithmus werden folgende Definitionen benötigt:
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
(i, j)
Operation, d.h. die Bearbeitung von Auftrag i an Maschine j
ti j
Bearbeitungszeit von Auftrag i an Maschine j
N(i, j)
Maschine, die Auftrag i nach Abschluss der Operation (i, j) bearbeitet, dies ist der Nachfolger von j in der Maschinenfolge des Auftrags i
HA i j
Bereitstellungstermin zu dem der Auftrag i für die Operation (i, j) zur Verfügung steht
TB i j
Möglicher Startzeitpunkt von Operation (i, j)
TE i j
Möglicher Endzeitpunkt von Operation (i, j)
F ij
Position des Auftrags i in der Auftragsfolge von Maschine j
287
Der Algorithmus läuft nun in vier Schritten ab, die in der Folge beschrieben werden. Dies soll an Hand eines einfachen Beispiels mit vier Maschinen A, B, C und D sowie mit drei Aufträgen 1, 2 und 3 entsprechend Tabelle 10.4 erfolgen. Tabelle 10.4 – Beispiel für eine Auftragstabelle
Aufträge
Maschinenfolgen und Bearbeitungszeiten
1
A 2
B 3
C 5
D 2
2
B 1
A 4
C 1
D 3
3
D 3
A 1
C 4
Schritt 1: Initialisierung der Tabelle 1. Spalte: 2. Spalte: 3. Spalte: 4. Spalte:
Operationen (i, j) geordnet nach Maschinen j eintragen Nachfolger N(i, j) Bearbeitungszeiten tij HAij = 0 für alle Operationen (i, j) ohne Vorgänger und TE0j = 0 für alle Maschinen, da alle Maschinen zu Beginn frei sind
Hiermit ergibt sich eine initialisierte Tabelle entsprechend Tabelle 10.5.
288
Steuerung des Teileflusses
Tabelle 10.5 – Tabelle nach der Initialisierung Operation
Nachfolge- Bearbeitungs- BereitstellMöglicher Möglicher Position in maschine zeit termin Startzeitpunkt Endzeitpunkt Auftragsfolge
(i, j)
N(i, j)
tij
HAij
1A 2A 3A
1B 2C 3C
2 4 1
0
1B 2B
1C 2A
3 1
1C 2C 3C
1D 2D
5 1 4
1D 2D 3D
3A
2 3 3
TBij
TEij
Fij
Nr.
0
0
Nach der Initialisierung läuft die Sequenzierung sukzessive in drei Schritten ab, die wiederholt werden, bis die Aufgabe durchgerechnet ist. Schritt 2: Auswahl der nächsten einzuplanenden Operation Die nächste einzuplanende Operation (k, l) wird nach folgenden Kriterien ausgewählt: •
HAk l ist definiert, d.h. die Operation (k, l) ist verfügbar
•
Fk l ist noch nicht definiert, d.h. die Operation (k, l) ist noch nicht eingeplant
Falls diese Kriterien von mehreren Operationen (k, l) erfüllt werden, so kann aus der Menge möglicher Operationen eine beliebige ausgewählt werden. Schritt 3: Einlasten der Operation (k, l) und Aktualisieren der Tabelle In diesem Schritt werden folgende Operationen durchgeführt: •
Zuweisung der Positionsnummer 1 ⎧⎪ falls kein Fil definiert Fkl = max ⎨ { Fil }+ 1 sonst max ⎪⎩ i
•
Bestimmung des Startzeitpunkts der Operation (k, l)
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
289
HAkl ⎧⎪ Auftrag k wird frei TBkl = max ⎨ { TEil }Maschine l wird frei max ⎪⎩ i
•
Bestimmung des Endzeitpunkts der Operation (k, l)
TEkl = TBkl + tkl •
Bereitstellung von Auftrag k für die nächste Operation HAk , N ( k ,l ) = TE kl
Schritt 4: Abbruchbedingung prüfen Die Bearbeitung ist dann abzubrechen, wenn alle Fi j definiert sind. Ist dies nicht der Fall, so wird die Bearbeitung wieder bei Schritt 2 fortgesetzt. Somit führt der Algorithmus zyklisch zu einer sukzessiven Sequenzierung der Aufträge an den Maschinen. Tabelle 10.6 zeigt die Tabelle nach Beendigung des Algorithmus. Tabelle 10.6 – Tabelle nach Ablauf des Algorithmus Operation
Nachfolge- Bearbeitungs- BereitstellMöglicher Möglicher Position in maschine zeit termin Startzeitpunkt Endzeitpunkt Auftragsfolge
(i, j)
N(i, j)
tij
HAij
TBij
TEij
Fij
Nr.
1A 2A 3A
1B 2C 3C
2 4 1
0 1 3
0 4 3
2 8 4
1 3 2
1 5 4
1B 2B
1C 2A
3 1
2 0
2 0
5 1
2 1
6 2
1C 2C 3C
1D 2D
5 1 4
5 8 4
9 8 4
14 9 8
3 2 1
9 8 7
2 3 3
14 9 0
14 16 0
16 19 3
2 3 1
10 11 3
1D 2D 3D
3A
Abb. 10.4 zeigt das Ergebnis des Algorithmus im GANTT Chart.
290
Steuerung des Teileflusses
Maschine A
1
B
3
2
2
1
C
3
D
2
1
3
0
2
5
10
1
2
15
20
Zeit Abb. 10.4 – Ergebnis des Algorithmus von Heller und Logemann im GANTT Chart
Hier ist deutlich zu erkennen, dass das Verfahren eine akzeptable Lösung aber nicht den optimalen Plan geliefert hat. Die Durchlaufzeit aller Aufträge durch die Fertigung kann noch verringert werden, indem, wie im Bild dargestellt, die Operation (2, D) vorverlegt wird. Der Schritt 2 des Verfahrens kann noch so modifiziert werden, dass das Verfahren nur Kandidaten für optimale Maschinenbelegungspläne liefert. Hierzu wird das Auswahlverfahren um eine Bedingung erweitert, sodass nur Operationen ausgewählt werden, die vor der Startzeitgrenze TBkl < min{TM j } j
liegen. Mit: TM j = min{TBij + tij }= min{TEij } i
i
Maschinenbelegungsplanung in der Praxis Abb. 10.5 zeigt die Maschinenbelegungsplanung in SAP APO (erstellt vom Autor an einem SAP Testmandanten). In der oberen Hälfte der Bildschirmmaske werden alle in der Fertigung vorhandenen Ressourcen aufgelistet, wobei auch Planungsbe-
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
291
reiche abgegrenzt und so ein Betrieb mit mehreren parallelen Planern unterstützt werden kann. Ein Kalender zeigt an, wann diese Ressourcen belegt sind.
Abb. 10.5 – Maschinenbelegungsplanung in SAP APO (Advanced Planning & Optimization), © SAP AG 9
In der unteren Hälfte werden die auf den gewählten Ressourcen geplanten Fertigungsaufträge aufgelistet. Die Zuordnung zu Maschinen wird im GANTT Chart angezeigt, wobei die Maschinenfolgen, die für die einzelnen Aufträge einzuhalten sind, durch Abhängigkeiten zwischen den Fertigungsschritten dargestellt werden. Die Zuordnung der Maschinen ergibt sich standardmäßig aus den Stammdaten, kann aber hier verändert werden, um Sondersituationen abzudecken. APO als modernes Planungssystem stellt eine Reihe von Möglichkeiten für die automatische Sequenzierung von Aufträgen bereit, wo allerdings vielfach eine manuelle Feinabstimmung durch den Planer erforderlich ist. Weitere Informationen finden sich in (Jochen Balla, 2006).
9 Das
Bild wurde mit freundlicher Genehmigung der SAP AG abgedruckt
292
Steuerung des Teileflusses
In modernen Produktionsplanungssystemen kommen auch neuere Heuristiken, wie z.B. genetische Algorithmen zum Einsatz, die besonders bei komplexen Problemstellungen sehr schnell akzeptable Lösungen liefern können. Dieses Thema ist ein aktives Forschungsgebiet.
10.2.3. Sequenzierung von Fertigungslinien Die Sequenzierung von Fertigungslinien in der Automobilindustrie ist ein Bereich, der von vielen Automobilherstellern als Kern Know-how betrachtet wird. Aus diesem Grund sind bei den meisten Herstellern Systeme für die Sequenzierung in Betrieb, die von den Herstellern selbst erstellt wurden und gepflegt werden. Hier soll beispielhaft ein einfacher Algorithmus beschrieben werden, den Nissan in Australien eingesetzt hat (Hogan, 2004). Der Algorithmus verwendet als Eingabeinformationen eine Liste der anstehenden Produktionsaufträge und Informationen über die Teileverfügbarkeit (Ausscheiden von Aufträgen, die auf Grund fehlender Materialien nicht produziert werden können). Auf Basis dieser Informationen und eines Regelwerks ermittelt der Algorithmus den täglichen Produktionsplan (Sequenz der Aufträge) für die Fertigung. Das Regelwerk ergibt sich aus den Anforderungen der Abtaktung. Dies wurde oben bereits beschrieben. Abb. 10.6 zeigt ein Beispiel für ein solches Regelwerk. Hand: 2 Diesel: 1
E83: 999
00: 100 Motor
0: 180 Modell
Auto: 1 Hand: 2
Benzin: 1 Diesel: 1
R60: 999
000: 60 Schaltung
01: 80 Motor Benzin: 1
001: 40 Schaltung 010: 40 Blatt
Auto: 1
0000: 40 Blatt 0001: 20 Blatt 0010: 30 Blatt 0011: 10 Blatt
011: 40 Blatt
Abb. 10.6 – Entscheidungsbaum für Algorithmus nach Hogan
Dieser Baum beschreibt ein hierarchisches Regelwerk, wobei die inneren Knoten den Regeln entsprechen, während die Blätter des Baums verschiedenen Arten von Fahrzeugen entsprechen. Zusätzlich sind für jede Verzweigung eine Reihen-
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
293
folge und eine Anzahl angegeben. Hiermit ergeben sich einige Abarbeitungsregeln für den Algorithmus. Die Blätter des Baumes entsprechen verschiedenen Teilmengen aller zu produzierender Fahrzeuge, die disjunkt sind. Dies bedeutet, dass jedes Fahrzeug entsprechend seiner Eigenschaften nur genau einem Blatt des Baumes zugeordnet werden kann. Die Nummer, die links oben im Knoten angegeben ist, entspricht dem Pfad von der Wurzel des Baumes bis zum Knoten selbst. Die Nummer rechts oben im Knoten zeigt die Anzahl der Fahrzeuge im Pfad an. Dies ist die Summe aller Fahrzeuge in den unterlagerten Blättern. Die Bezeichnung im Knoten ist entweder ein Blatt oder trägt die Bezeichnung der Fahrzeugeigenschaft, die in der Bedingung verwendet wird. Über dem Pfad, der zum Knoten führt, wird der Wert der Eigenschaft angegeben, der dazu führt, dass dieser Weg beschritten wird. Die Nummer auf der rechten Seite gibt an, wie oft ein Pfad hintereinander beschritten werden darf, bevor ein anderer Pfad gewählt werden muss. Wenn z.B. zwei Fahrzeuge mit Panoramadach eingesteuert wurden, dann muss ein Fahrzeug ohne Panoramadach folgen. Zur Auswahl eines Fahrzeugs läuft der Algorithmus rekursiv von der Wurzel des Baums bis zu den Blättern durch. Für den Algorithmus ergibt sich hiermit folgender Pseudocode: Main SequenceNumber := 1 Do RecordVehicle(SequenceNumber, GetNextVehicle(root-node)) SequenceNumber := SequenceNumber + 1 While root-node.UnAllocatedCount <> 0 End Main Sub GetNextVehicle(node) If node.UnAllocatedCount = 0 Then Return GetNextVehicle(node.parent) Else If node.Type = Leaf Then Decrement(node.UnAllocatedCount) Return node.NextVehicle Else Return GetNextVehicle(GetNextActiveBranch(node)) End Sub Sub GetNextActiveBranch(node) If node.ActiveBranch.UsedCount < node.ActiveBranch.RepeatCount Then Increment(node.ActiveBranch.UsedCount) Else node.ActiveBranch := (node.ActiveBranch + 1) % node.BranchCount node.ActiveBranch.UsedCount := 1 Return node.ActiveBranch End Sub
294
Steuerung des Teileflusses
Sub RecordVehicle(SequenceNumber, VehicleId) Insert (SequenceNumber, VehicleId) Into VehicleCallupTable End Sub
Dieser Algorithmus kann auf die Menge der vorhandenen Aufträge angewendet werden und läuft sehr schnell ab, sodass keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich Rechnerressourcen etc. zu treffen sind. Tabelle 10.7 zeigt ein Beispiel für eine kurze aber typische Eingabe in den Algorithmus und die entsprechende Ausgabe nach dem angegebenen Entscheidungsbaum. Der Algorithmus von Hogan zeigt auf sehr einfache und anschauliche Weise, wie das Problem der Sequenzierung einer Linienfertigung algorithmisch gelöst werden kann. In der Praxis ist dieser Algorithmus allerdings nur beschränkt einsetzbar, da er disjunkte Mengen von Fahrzeugen erfordert. Die Vorgaben für die Sequenzierung resultieren aus logistischen und technologischen Vorgaben ebenso wie aus der Abtaktung der Fertigung und bilden oftmals ein komplexes Netz an Regeln, welches auf Basis von Vorhersagen des Vertriebs entwickelt wird, der einen bestimmten Mix an Modellvarianten und Sonderausstattungen vorgibt. Der Mix kann sich im Lebenszyklus einer Produktion vielfach ändern, wenn z.B. neue Varianten auf den Markt kommen, neue Märkte beliefert werden oder sich die Nachfrage durch äußere Umstände, wie etwa einen stark steigenden Ölpreis ändert. Auch Schwankungen der abgesetzten Stückzahl können Änderungen an der Abtaktung der Fertigung und damit an den Eingangsgrößen des Sequenzierungsalgorithmus bewirken. Für die Sequenzierung werden bei den Automobilherstellern oftmals sehr komplexe Algorithmen und Heuristiken eingesetzt, die Gegenstand aktueller Forschung sind. Diese Algorithmen sind ähnlich zu jenen, welche sich für die Maschinenbelegungsplanung eignen, da sich beide Probleme auf die gleiche grundlegende mathematische Problemstellung zurückführen lassen. Ein umfassender Überblick über moderne Heuristiken zur Produktionsplanung finden sich in (Günther Zäpfel, 2005).
Basisaufgaben der Teileflusssteuerung
Tabelle 10.7 – Beispiel für eine Fahrzeugsequenz Eingabe
Ausgabe
Sequenz
Codes
Auftragsnr.
Codes
Auftragsnr.
1
RD
12367
EDH
12478
2
RD
18765
RD
12367
3
RD
13324
EBH
12345
4
RD
17676
RB
13876
5
RD
19876
EDH
15887
6
RD
12536
RD
18765
7
RD
10234
EBH
16905
8
RD
15825
RB
15545
9
RB
13876
EDA
12232
10
RB
15545
RD
13324
11
RB
13234
EBA
14534
12
RB
13344
RB
13234
13
RB
16542
EDH
15567
14
RB
15671
RD
17676
15
RB
17764
EBH
18887
16
EBH
12345
RB
13344
17
EBH
16905
EDH
10022
18
EBH
18887
RD
19876
19
EBH
15843
EBH
15843
20
EBH
18890
RB
16542
21
EBA
14534
EDA
19283
22
EBA
15478
RD
12536
23
EBA
14445
EBA
15478
24
EBA
15544
RB
15671
25
EDH
12478
EBH
18890
26
EDH
15887
RD
10234
27
EDH
15567
EBA
14445
28
EDH
10022
RB
17764
29
EDA
12232
EBA
15544
30
EDA
19283
RD
15825
295
296
Steuerung des Teileflusses
10.3. JIT (Just In Time) Fertigung Just In Time bedeutet frei übersetzt „Produktion auf Abruf“ und verfolgt die Ziele, der Reduktion der Materialbestände, der Reduktion von Halbfertigbeständen und der Reduktion der Lagerbestände von Fertigproduktion. Diese Ziele sollen dadurch erreicht werden, dass das Material möglichst synchron mit der Produktion an der Linie angeliefert wird. Dementsprechend werden keine großen Lager vorgesehen, sondern nur kleine Puffer, wie sie z.B. während der Entladung eines LKW benötigt werden. Dies bedeutet, dass die Fertigungssysteme von Anfang an auf den JIT Betrieb ausgelegt werden müssen und die Umsetzung von JIT auf strategischer und taktischer Ebene beginnen muss.
10.3.1. Vor- und Nachteile von Lagern Lagerbestände haben einige Vorteile. Sicherheitsbestände stellen einen kontinuierlichen Produktionsfluss sicher und Zwischenlager ermöglichen die chargenweise Produktion von Rohmaterial und nehmen Variationen aus dem Fertigungsprozess (Heijunka). Lager bringen auch eine Menge von Nachteilen, die zu eliminieren ein wichtiges Ziel ist und somit den JIT Betrieb rechtfertigt. Lager führen zu Kapitalbindung und damit verbundenen Kosten. Sie erhöhen die Durchlaufzeiten und führen zu langen Lieferfristen. Lager verringern die Flexibilität: Die Anpassung von Produkten an Kundenwünsche wird mit fortschreitender Produktion immer schwieriger. Lager verdecken auch Planungsfehler: Kurzfristig sichern sie den Produktionsfluss, langfristig verhindern sie jedoch die Beseitigung von Fehlern. Die konsequente Eliminierung von Lagerbeständen ist meist mit hohen Investitionen verbunden, die vor allem in Bereichen wie Minimierung von Rüstzeiten (z.B. SMED), Beseitigung von Engpässen (z.B. Ankauf von Maschinen) und Synchronisierung von Produktionsstufen anfallen. Im klassischen JIT Konzept werden Lager um jeden Preis verringert, wobei die hierfür anfallenden Investitionskosten nicht berücksichtigt werden. Kistner (Klaus-Peter Kistner, 2001) Seite 318f hat hingegen eine ganzheitliche Sicht vorgeschlagen, die eine Optimierung von Investitionskosten und Lagerhaltungskosten sowie deren Folgekosten auf Basis des klassischen Losgrößenmodells anstrebt. Im klassischen Losgrößenmodell ergibt sich zwischen den Lagerkosten pro Zeiteinheit und der Losgröße folgender Zusammenhang:
k=
cR ⋅ d q ⋅ cL + 2 q
JIT (Just In Time) Fertigung
k
Lagerkosten pro Zeiteinheit
d
Nachfrage pro Zeiteinheit
cL
Lagerhaltungskostensatz
cR
Rüstkosten
q
Losgröße
297
Für die optimale Losgröße ergibt sich hiermit:
q opt =
2 ⋅ cR ⋅ d cL
Die Rüstkosten können durch Investitionen verringert werden. Hierbei wird angenommen, dass die Rüstkosten eine positive, monoton fallende, konvexe Funktion der Investitionen I darstellen:
cR = cR (I ) > 0 mit cR ' < 0 und cR ' ' > 0 Hiermit ergibt sich die optimale Losgröße in Abhängigkeit von den Investitionen zu:
q opt ( I ) =
2 ⋅ cR ( I ) ⋅ d cL
Wir gehen davon aus, dass die Rüstkosten hyperbolisch mit der Investitionssumme fallen:
cR ( I ) =
h I
Folgende Werte sollen beispielhaft angenommen werden, wobei d der geplanten Liefermenge entspricht: d = 12; cL = 1; h = 500
298
Steuerung des Teileflusses
Hiermit ergibt sich folgender Zusammenhang: q opt ( I ) =
2 ⋅ cR ( I ) ⋅ d = cL
2⋅h⋅d = cL ⋅ I
2 ⋅ 500 ⋅12 1200 = I 1⋅ I
Der Graph in Abb. 10.7 zeigt dies. Entsprechend dieses Modells ist es möglich, Kosten durch Lagerhaltung durch Kosten in Anlageninvestitionen zu substituieren. Der hier abgeleitete Graph gibt eine Isoquante an, mit deren Hilfe beurteilt werden kann, ob sich weitere Investitionen in Verringerung von Lagerbeständen rechnen.
Durchschnittlicher Lagerbestand
250
200
150
100
50
0 0
0,5
1
1,5 2 Investitionskosten
2,5
3
Abb. 10.7 – Isoquante zur Beurteilung von Maßnahmen zur Verringerung des Lagerbestandes
10.3.2. Einsatzvoraussetzungen für JIT Für den erfolgreichen Einsatz von JIT in der Fertigung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
JIT (Just In Time) Fertigung
• • • • • • •
299
Konsequente Informationskopplung von Lieferanten bis zum Kunden Hohe Vorhersagegenauigkeit der Liefermengen und Liefersequenzen Lieferantenauswahl nach Qualität, Preis, Lieferzeit und Flexibilität Synchronisierung von Material- und Informationsflüssen Serien- und Massenfertigung Die Montage steuert die Teilefertigung, der Kunde steuert die Montage Langfristige Rahmenverträge zwischen Lieferanten und Kunden
JIT kann nur dann funktionieren, wenn der Informationsfluss zwischen dem Lieferanten und dem Abnehmer ohne Verzögerung zeitnah funktioniert. Viele Automobilbauer haben in diesem Bereich Probleme, da sie zwar von ihren Lieferanten maximale Kommunikationsbereitschaft und Transparenz erwarten, selbst aber nicht bereit sind, Informationen über ihre eigene Fertigung, die ja Abnehmer der Produkte ist, preiszugeben.
10.3.3. Einsatzbereiche von JIT Bei Einsatz von JIT in der Fertigung können verschiedene Einsatzbereiche unterschieden werden, die in Tabelle 10.8 aufgelistet sind Tabelle 10.8 – JIT Einsatzbereiche JIT Einsatzbereich
Beschreibung
JIT Anlieferung
Der „Verbrauch“ löst Aufträge beim Lieferanten aus
JIT Distribution
Sicherstellen der Versorgung einer Vielzahl von Verbrauchern, die ihren Bedarf online bekannt geben
JIT Produktion
Der interne Fertigungsprozess wird optimiert, sodass die Bestände minimal werden (innerhalb der Teilefertigung, Vor- und Endmontage)
In der Automobilindustrie wird oft auch der Begriff JIS (Just In Sequence) geprägt. JIS erhebt zusätzlich zu JIT die Forderung, dass die bestellten Produkte in der richtigen Reihenfolge (Sequenzreihenfolge) am Band ankommen müssen. Ist dies nicht der Fall, so ist mit Stillständen zu rechnen, da Teile fehlen oder Mitarbeiter beginnen, am Band das vorhandene Material zu sortieren. Dies ist unter allen Umständen zu vermeiden.
300
Steuerung des Teileflusses
10.3.4. Produktionsleitsysteme und JIT Wie oben bereits erläutert wurde, ist der sofortige Informationsfluss zwischen Lieferant und Abnehmer eine der Grundvoraussetzungen für den funktionierenden Betrieb von JIT (JIS). Produktionsleitsysteme verfügen über aktuelle Informationen zum Geschehen in der Fertigung und können so mithelfen, JIT erfolgreich umzusetzen. Hier sollen die Maßnahmen kurz erläutert werden.
Meldepunkte und Lieferabrufe Das Produktionsleitsystem wird vom ERP System mit Auftragsdaten und mit der geplanten Sequenz der Aufträge versorgt. Nachdem die Fahrzeuge eingesteuert wurden, ist das Produktionsleitsystem verantwortlich, das ERP System mit Informationen über den Fortschritt der Fertigung zu versorgen. Dies geschieht, indem das Produktionsleitsystem Meldepunkte generiert, die den aktuellen Fertigungsfortschritt für jedes einzelne Fahrzeug anzeigen. Meldepunkte können von verschiedenen Ereignissen abhängig sein. Meldepunkte können von einer „Teil in Station“ Meldung einer Station ausgelöst werden und geben dann an, dass ein Fahrzeug einen bestimmten Punkt in der Fertigung passiert hat. Wenn sich die Station in der Linie befindet, so ist die Stationsmeldung alleine für das Auslösen eines Meldepunktes ausschlaggebend. In einigen Bereichen, wie z.B. am Polierdeck in der Lackiererei oder in der Zertifizierung können Fahrzeuge teilweise mehrfach an einer bestimmten Station vorbeikommen, sodass in diesen Fällen zusätzlich der Produktionsstatus des Fahrzeugs für das Auslösen eines Meldepunktes ausschlaggebend ist. Oftmals werden Meldepunkte für logistische Bedarfsvorläufe verwendet. Der Meldepunkt gibt in diesem Fall an, dass sich das Fahrzeug eine bestimmte Anzahl von Takten vor einem Bedarfspunkt befindet (dies ist wiederum eine Station). Bei der Ermittlung dieser Taktzahl ist der Füllstand von Puffern zu berücksichtigen, sodass der Meldepunkt je nach Pufferbelegung nach vor und zurück wandern kann. Hier ist auch noch zu unterscheiden, ob leere Skids ebenfalls zu berücksichtigen sind. Ein typischer Fall für eine solche Konstellation ist der Gebindeabruf an einer Vormontage, der normalerweise dann erfolgt, wenn ein Gebinde an der Vormontage aufgefüllt wurde. Wenn die Vormontage allerdings hinter der Sequenz an der Hauptlinie nachhinkt, so kann es erforderlich werden, auch halbvolle Gebinde abzurufen, um sicherzustellen, dass der Materialfluss am Bedarfspunkt nicht abreißt. Lieferabrufe an Lieferanten werden meist in zwei Schritten initiiert: Schritt 1: Lieferaviso – Die Vorankündigung von Lieferabrufen wird in der Regel vom ERP System selbst versendet, wobei die Lieferungen und die Liefersequenz auf Basis der Plandaten ermittelt werden. Die Vorankündigung ist nicht
JIT (Just In Time) Fertigung
301
verbindlich, ermöglicht dem Lieferanten aber, die Fertigung mittelfristig zu planen. Schritt 2: Lieferabruf – Lieferabrufe werden vom ERP System auf Basis der Meldepunkte, die das Produktionsleitsystem liefert, gesendet. Lieferabrufe basieren auf zeitnahen Istdaten und sind für den Lieferanten verbindlich. Der Lieferant muss also die Sequenzreihenfolge, welche der Reihenfolge am Band entspricht, einhalten. Durch die Steuerung der Meldepunkte im Produktionsleitsystem kann eine exakte Terminierung der Lieferabrufe durchgeführt werden, die eine konstante Vorlaufzeit für den Lieferanten garantiert und somit diesem hilft, Variationen im Fertigungsprozess zu vermeiden. Meldepunkte können im ERP System auch für andere Zwecke verwendet werden, wie z.B. das Durchführen von Umlagerungen, die Vergabe von Transportaufträgen für die interne Materialwirtschaft, die Abrechnung und Nachbestellung von B-Teilen etc.
Lieferantenportal Lieferantenportale sind Extranet Anwendungen, deren Ziel es ist, den Lieferanten gezielte Informationen über den Status der Fertigung zu geben, um ihnen die Planung zu erleichtern. Zudem bietet das Lieferantenportal auch eine Notfallsstrategie, die dann zum Tragen kommt, wenn die automatischen Lieferabrufe nicht funktionieren, was durch Probleme sowohl auf der Abnehmer- als auch auf der Lieferantenseite verursacht sein kann. Das Lieferantenportal bietet jedem Lieferanten personalisierte Information an, die einige grundlegende Daten enthält. Zunächst ist es für den Lieferanten von Bedeutung, den aktuellen Auftrag am Bedarfspunkt zu kennen, wobei der Bedarfspunkt eine Station ist, an der die Teile des Lieferanten am Band verbaut werden. Der Bedarfspunkt ist je nach Lieferant unterschiedlich. Weiters sollte der Lieferant eine Liste der Aufträge in Sequenzreihenfolge vom Meldepunkt bis zum Bedarfspunkt abrufen können. Dies ist in gesammelter Form jene Information, die auch durch die Lieferabrufe an den Lieferanten geht, wobei keine ERP spezifischen Informationen, wie Lieferantenbestellnummern etc. verfügbar sind. Wesentlich ist auch die Weitergabe des Status der Produktion (Soll, Ist, Trend) und des aktuellen Status der Station am Bedarfspunkt. Viele Automobilhersteller weigern sich bis heute kategorisch, Informationen über den Status ihrer Produktion an Lieferanten weiterzugeben, ohne zu berücksichtigen, dass dies das Management der Lieferkette beim Lieferanten erschwert und hiermit zu zusätzlichen Kosten führt. Das Lieferantenportal soll dem Lieferanten helfen, seine Lieferungen besser mit dem Band zu koordinieren und somit auf beiden Seiten Variationen zu vermeiden, die durch Unregelmäßigkeiten in der Teilelieferung verursacht werden.
302
Steuerung des Teileflusses
Fehlteilerfassung Die Fehlteilerfassung wurde oben bereits erläutert.
Steuerung von Fördereinrichtungen und Vormontagen Die Steuerung von Fördereinrichtungen und Vormontagen durch die Produktionsleittechnik verfolgt eine Reihe unterschiedlicher Ziele. Im Vordergrund steht die Durchsetzung der geplanten Produktionssequenz in der Fertigung. Wichtig sind auch die Minimierung von Stillständen, die durch Asynchronitäten der Fertigungen bedingt sind und die Lokalisierung von Fehlern in Anlagen. Fehler in einem Bandabschnitt sollen sich möglichst wenig auf Fehler in anderen Bandabschnitten auswirken. Ein weiteres wesentliches Ziel ist auch die Absicherung des Fertigungsprozesses gegen Fehler. Die Produktionsleittechnik greift auf verschiedene Weise in den Betrieb ein. Hierzu gehört der Start und Stopp von Linien entsprechend des Schichtplans. Bei Beginn der Schicht werden die Bänder gestartet, bei Schichtende bzw. bei Erreichen des Sollwertes der Produktion werden die Bänder gestoppt. Der Stopp von Bändern erfolgt immer zu Ende des Produktionstaktes. Manche Anlagen, wie z.B. Klebeapplikationsanlagen benötigen vor Schichtbeginn eine Aufwärmzeit, welche zu berücksichtigen ist. Ein weiterer sinnvoller Eingriff ist auch der Start und Stopp von Bändern bei Pausenende und Pausenbeginn. Wenn die Taktzeit in einem Bereich unter drei Minuten liegt, so sollte vor Beginn der Pause der aktuelle Arbeitstakt zu Ende gefahren werden, bevor das Band gestoppt wird, was bedeutet, dass Pausen nicht immer zur selben Zeit beginnen. Der Vorteil ist, dass bei Wiederaufnahme des Betriebs nach der Pause keine Verwirrung darüber bestehen kann, wo die Arbeit wieder aufzunehmen ist. Bei längeren Taktzeiten ist ein Stopp im laufenden Arbeitstakt erforderlich. Im Zuge der Prozessabsicherung ist auch ein Stopp von Bändern einzuleiten, wenn sicherheitskritische Arbeitsgänge bei Taktende nicht erledigt wurden. Weiters möglich ist die Vorgabe von Taktzeiten entsprechend des Schichtplans. Wenn der Sollwert der Produktion bekannt ist, kann die Produktionsleittechnik hieraus die erforderliche Taktzeit berechnen und den Bändern vorgeben. In jedem Fall ist die Möglichkeit einer manuellen Korrektur vorzusehen, da die Produktionsleittechnik nicht die erforderlichen Informationen besitzt, um die Verfügbarkeit von Werkern in die Kalkulation mit einzubeziehen. Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Vorgabe der Sequenz für Vormontagen. Die Sequenz entspricht üblicherweise der Sequenz an einem bestimmten Punkt in der Fertigung. Näheres dazu unten. Durch alle diese Maßnahmen kann die Produktionsleittechnik erheblich dazu beitragen, die Variationen im Fertigungsprozess zu vermindern.
JIT (Just In Time) Fertigung
303
Sequenzbildung für Vormontagen Die Sequenz an Vormontagen ist in vielen Fällen identisch mit der Sequenz an der Hauptlinie an einer bestimmten vorgelagerten Station. Hiermit ist die Sequenzvorgabe sehr einfach zu lösen, indem die Sequenz, gebildet durch „Teil in Station“ Meldungen an einer führenden Station an eine abhängige Station weitergegeben wird. Dies entspricht genau jener Funktionalität, die oben bereits für die Versorgung von Schraubern oder Befüllanlagen beschrieben wurde. Besonders im Karosserierohbau treten jedoch häufig Fälle auf, in denen keine vollständige Sequenz des Hauptbandes zur Verfügung steht. Abb. 10.8 zeigt ein Beispiel.
Abb. 10.8 – Beispiel einer Rohbaustruktur für die Ansteuerung von Vormontagen
Die Vormontagen für die Seitenrahmen sind mit einer Produktionsse-zquenz anzusteuern. Die Anzahl der Takte in den Vormontagen ist so groß, dass über die Bodenlinie hinaus eine Sequenzreihenfolge zu bilden wäre. Dies ist nicht möglich, da die Karossen in diesem Bandabschnitt auf zwei parallele Förderstrecken aufgeteilt werden, sodass dort eine Verwirbelung der Sequenz möglich ist. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf dem Weg von der Seitenrahmenvormontage bis zur Framing Station, Seitenrahmen ausgeschleust werden, da sie in den Messraum kommen oder als defekt deklariert werden. Solche Seitenrahmen sind unverzüglich erneut einzusteuern, was wiederum eine Verwirbelung der Sequenz der Seitenrahmen bewirkt. Solche Fälle, in denen die Durchsetzung der Sequenzreihenfolge nicht möglich ist, da entweder die Sequenz nicht bekannt ist oder nach der Sequenzvorgabe eine Verwirbelung eintreten kann, können nur über die Vorgabe eines Typmixes gelöst werden. Anstatt eine Sequenz umzusetzen, wird als Ersatzstrategie versucht, sicherzustellen, dass für jede mögliche Karosse in der Framing Station zu jedem Zeitpunkt ein passender Seitenrahmen verfügbar ist.
304
Steuerung des Teileflusses
Die Umsetzung einer solchen Strategie ist nur dann erfolgreich möglich, wenn auch die Fördertechnik für die Seitenrahmen darauf ausgelegt ist. Im obigen Fall ist angedeutet, dass für die Seitenrahmen sortenreine Puffer bereitgestellt werden, sodass an der Framing Station jederzeit auf einen passenden Seitenrahmen zurückgegriffen werden kann. Das Problem reduziert sich damit darauf, am Beginn der Seitenrahmenfertigung eine Sequenz zu finden, die auf Basis der Typen der Fahrzeuge in der Sequenz am Beginn der Bodenlinie gebildet wird. Dieses Problem kann mit einer Heuristik gelöst werden, die eine annähernd optimale Durchmischung der Typen sicherstellt. Bei einer optimalen Durchmischung der Typen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die passenden Seitenrahmen jederzeit verfügbar sind, am größten. Die Heuristik soll auf Basis der beispielhaften Angaben in Abb. 10.9 erläutert werden.
TypeCode TypeName Count 4
B226
8
8
B256
3
16
B257
3
32
B277
4
Abb. 10.9 – Ausgangsbasis für die Sequenzierung
Zu fertigen sind vier Typen von Seitenrahmen, wobei die Anzahl der Seitenrahmen je Type aus der Sequenz an der Bodenlinie ermittelt wird. Die annähernd optimale Durchmischung kann nun mit Hilfe des folgenden Algorithmus gefunden werden: Schritt 1: Sortieren Sortieren der Typen in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit. Schritt 2: Liste Initialisieren Ermitteln der Gesamtanzahl an Seitenrahmen in der Liste. Nun wird eine leere Liste von Aufträgen initialisiert, die genauso viele Plätze hat, wie die Gesamtanzahl von Fahrzeugen in der Liste.
Schritt 3: Sukzessive Vergabe von Plätzen in der Liste
JIT (Just In Time) Fertigung
305
Dieser Schritt wird in einer Schleife vom häufigsten Typ bis zu dem am wenigsten gefragten Typ durchlaufen, bis alle Plätze in der Liste vergeben sind. In jedem Durchlauf werden folgende Operationen ausgeführt: • • •
Index des nächsten Teils auf Basis einer Gleichverteilung aller Teile eines Typs in der Liste berechnen Von diesem Index ausgehend den nächsten freien Platz in der Liste suchen Type in die Liste eintragen
Schritt 4: Abbruchbedingung Wenn alle Aufträge eines Typs vergeben sind, so geht es weiter mit dem nächsten Durchlauf. Wenn alle Typen durchgearbeitet sind, so ist die Berechnung beendet. Der Algorithmus liefert für obiges Beispiel Ergebnisse wie in Abb. 10.10 dargestellt. SequenceNumber TypeCode TypeName 1
4
B226
2
32
B256
3
4
B226
4
8
B257
5
4
B226
6
32
B256
7
8
B257
8
4
B226
9
16
B277
10
4
B226
11
32
B256
12
4
B226
13
8
B257
14
16
B277
15
4
B226
16
32
B256
17
4
B226
18
16
B227
Abb. 10.10 – Ergebnis der Sequenzierung
Wie hier zu erkennen ist, sind die Ergebnisse des Algorithmus für fast alle Mischungsverhältnisse akzeptabel. Der Nachteil dieser Heuristik ist, dass sie dazu tendiert, die Einsteuerung von selten verwendeten Typen nach hinten zu verschieben.
306
Steuerung des Teileflusses
Routing von Teilen Das Routing von Teilen ist eine Funktion, die besonders für die Steuerung von Nacharbeiten von Bedeutung ist. Dies wird weiter unten behandelt.
Puffermanagement In der Automobilfertigung existiert eine Reihe von Abhängigkeiten zwischen den Fertigungsabschnitten, die durch Puffer und Fördertechnikstrecken bedingt sind. Beispiele sind Förderstrecken zwischen Fertigungslinien oder Gewerken oder Kreisläufe für Betriebsmittel, wie Skids, Transponder, Testadapter, Schutzabdeckungen etc. Neben der Steuerung des Bandes ist es auch erforderlich, den kontinuierlichen Fluss aller Betriebsmittel, die in Kreisläufen geführt werden, sicherzustellen, damit die Fertigung kontinuierlich und ohne Variationen läuft. In der Produktionsleittechnik sind hierfür folgende Funktionen erforderlich: • • • • •
Teileverfolgung für Fahrzeuge und Teile Verfolgung von Betriebsmitteln Überwachung von Pufferständen Alarmierung bei Über- oder Unterschreitung von Pufferstandsgrenzen Optimierung von Pufferständen
Die Verfolgung von Teilen, Betriebsmitteln und die Überwachung von Pufferständen können auf Basis des oben bereits beschriebenen Standardmodells für die Teileverfolgung durchgeführt werden und bedürfen deshalb hier keiner weiteren Erläuterung. Die Optimierung von Pufferständen verfolgt das Ziel, Pufferstände in einem Bereich zu halten (Wert zwischen leerem Puffer und vollem Puffer), der sicherstellt, dass sich Stillstände im vorgelagerten Bandabschnitt möglichst nicht auf den nachgelagerten auswirken und umgekehrt. Wenn der Puffer beinahe leer ist, so bewirken Stillstände im Bandabschnitt vor dem Puffer sofort auch Stillstände im Bandabschnitt nach dem Puffer (Einlauf leer). Umgekehrt ist es bei einem vollen Puffer, da sich Stillstände im Bandabschnitt hinter dem Puffer sofort auf den vorhergehenden Bandabschnitt auswirken (Auslauf blockiert). Sehr oft kommt es hierbei auch zu Situationen, in denen ein Stopp & Go Betrieb auftritt. Ein Arbeitstakt wird von einer nachfolgenden kurzen Pause unterbrochen. Dies irritiert Werker und wirkt sich daher nachteilig auf die Qualität aus und verschenkt Taktzeit. Der optimale Wert für den Pufferstand, der es möglich macht, dass der Puffer kurze Stillstände in einem Bandabschnitt abfedert, liegt also zwischen dem Minimalwert und dem Maximalwert des Pufferstandes. In einer ruhig laufenden Fertigung wird dieser Pufferstand jeweils vor Schichtende bei Erreichen des Sollwertes
KANBAN
307
der Produktion eingestellt, sodass die jeweils nächste Schicht mit optimalen Pufferständen startet. Dies bedeutet, dass die einzelnen Bandabschnitte nicht alle mit demselben Sollwert der Produktion abgestellt werden, sondern je nach Pufferständen wenige Takte früher oder später. Man sollte das Vorgehen offen Kommunizieren und den Werkern erklären, dass niemand benachteiligt wird, da sich diese Effekte im Laufe eines Produktionsjahres ausmitteln. Die Frage, wie groß der optimale Pufferstand für jeden Puffer ist, ist sehr schwierig zu beantworten, da die Linien, Puffer und Kreisläufe in der Fertigung einen komplexen Graphen an Abhängigkeiten bilden. Die Einstellungen müssen zudem entsprechend vorliegender Statistiken über Stillstände in Bandabschnitten und deren Auswirkungen korrigiert werden. Diese Statistiken müssen längerfristig erstellt werden, damit das System nicht beginnt, übernervös zu regeln. Die Eingriffsmöglichkeiten hängen von der Produktion ab. Wenn die Sollwerte unterschritten werden, so bestehen kaum Möglichkeiten für Stelleingriffe. Die meisten Produktionsleiter werden in solchen Situationen schon aus emotionellen Gründen die Bandabschnitte bis zum Schichtende voll betreiben. Funktionen, wie Puffermanagement oder TPM müssen in solchen Situationen als zweitrangig zurücktreten. Wenn eine Funktion zum Puffermanagement eingeführt wird, so kann der optimale Pufferstand zunächst durch Ausprobieren gefunden werden. In wenigen Iterationen kann so ohne allzu großen Aufwand für Modellbildungen eine spürbare Verbesserung erreicht werden. In fortgeschrittenen Fällen kommen Optimierungsalgorithmen in Frage, die auf Basis des dynamischen Programmierens nach Bellmann oder auf Basis von Pickard Tory Modellen funktionieren. Vor allem letztere Verfahren, die auf stochastischen Differentialgleichungen basieren, versprechen sehr gute Aussagen mit vergleichsweise geringem Modellierungsaufwand. Das Problem ist, dass derzeit noch Werkzeuge und erprobte Entwurfsmethoden fehlen. Das Management von Puffern und Betriebsmittelkreisläufen kann spürbare Verbesserungen der Produktionszahlen bringen und auch helfen, versteckte Planungsfehler aufzudecken und zu bereinigen.
10.4. KANBAN
10.4.1. Einleitung Kanban ist eine Methode der Produktionssteuerung, die ein Teil des Toyota Produktionssystems ist. Kanban kommt aus dem Japanischen und bedeutet übersetzt Karte oder Zettel. Kanban Steuerungen haben sich als so erfolgreich herausgestellt, dass der Begriff Kanban oft mit dem Toyota Produktionssystem gleichge-
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Steuerung des Teileflusses
setzt wird. Um Kanban zu verstehen, soll zunächst die traditionelle zentrale Produktionssteuerung betrachtet werden, die in Abb. 10.11 illustriert ist. Die zentrale Produktionssteuerung plant die Fertigungsschritte und vergibt Fertigungsaufträge an die einzelnen Fertigungen. Diese wiederum melden ihren aktuellen Status an die zentrale Produktionsplanung zurück. Diese Vorgangsweise bringt einige Nachteile mit sich, wie großen Overhead mit entsprechenden Kosten, sowie langen Laufzeiten für Informationen, die kaum Reaktionen auf aktuelle Ereignisse in der Fertigung zulassen. Daher kommt es zum Aufbau unnötiger Lagerbestände und zu Stillstandszeiten durch nicht zeitgerechte Eingriffe der Planung. Zentrale Produktionssteuerung
Lager 3
Fertigung A
Lager 1
Fertigung B
Lager 2
Lager 4
Fertigung C
Lager 5
Fertigung D
Lager 6
Abb. 10.11 – Struktur der zentralen Produktionssteuerung
KANBAN versucht diese Probleme zu beheben, indem die Produktionsplanung dezentralisiert wird. Die Zentrale gibt nur mehr Aufträge für Endprodukte entsprechend der Auftragslage des Unternehmens vor. Der Bedarf an Primär- und Sekundärgütern wird hingegen über Kanbans dezentral gesteuert. Dies ergibt eine Struktur entsprechend Abb. 10.12.
Abb. 10.12 – Struktur der dezentralen Produktionssteuerung mittels KANBAN
KANBAN
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Statt eines „Bring“ Prinzips wird ein „Hol“ Prinzip eingeführt. Der Verbraucher ist dafür verantwortlich, die erforderlichen Materialien vom Erzeuger anzufordern. Dies erfolgt durch Übergabe eines Kanbans. Der Erzeuger produziert nur jene Materialien, für die ein Kanban vorliegt, wobei Mengen, Termine und Qualitätsanforderungen einzuhalten sind. Das Material wird in Behältern zusammen mit dem Kanban an den Verbraucher geliefert. Hierdurch wird ein Regelkreis aufgebaut, der sich selbst überlassen die Produktion steuert. Für die Kommunikation zwischen Erzeuger und Verbraucher sind folgende Mittel erforderlich: • • • • •
Kanbans Behälter Stellflächen Transportmittel Signale
Kanban bringt eine ganze Reihe von Vorteilen, wie die Verbesserung der Qualität durch frühzeitige Fehlererkennung, motivierte Mitarbeiter, transparente Prozesse, geringen Steuerungsaufwand, schnelle Prozesse, geringe und begrenzte Bestände, bessere Ordnung und Sauberkeit, höhere Verfügbarkeit, sichere Prozesse und den Wegfall von Fehlbuchungen.
10.4.2. Auslegung von Kanban Regelkreisen Die folgende Darstellung ist an (Gerhard Geiger, 2003) angelehnt. Für die Auslegung eines Kanban Regelkreises sind einige grundlegende Parameter zu bestimmen. Zunächst ist es erforderlich, die optimale Losgröße zu kennen, da diese die Bestellmengen und die Füllmengen sowie die Anzahl der Behälter und der Kanbans beeinflusst. Wichtig ist auch die Wiederbeschaffungszeit auf Basis einer Vereinbarung mit dem Erzeuger, die den Sicherheitsbestand bestimmt, der zum Sicherstellen der Teileverfügbarkeit während der Wiederbeschaffungszeit erforderlich ist. Weiters ist eine maximale Bestandsmenge festzulegen, die die Anzahl der Behälter und die erforderlichen Stellflächen bestimmt. Weiters ist eine Kanban Standardmenge festzulegen. Diese sollte der Losgröße entsprechen oder ein Teil oder Vielfaches der Losgröße sein. Hiermit ergibt sich schließlich die Anzahl der Kanbans, die in Umlauf gebracht werden. Der Sicherheitsbestand kann wie folgt ermittelt werden: SB = DV * (WBZ + SZ)
310
Steuerung des Teileflusses
SB
Sicherheitsbestand
DV
Durchschnittlicher Verbrauch pro Zeiteinheit
WBZ
Wiederbeschaffungszeit
SZ
Sicherheitszuschlag
Der SZ soll Schwankungen in der Lieferkette abpuffern. Er wird meist auf Basis von Erfahrungswerten ermittelt. Bei bestehenden Fertigungen kann er auf Basis von Kennzahlen, die die Produktionsleittechnik in der laufenden Fertigung ermittelt adaptiert werden. Die maximale Bestandsmenge ergibt sich wie folgt: MB = WBZ * DV + BM + SB
MB
Maximale Bestandsmenge
WBZ
Wiederbeschaffungszeit
DV
Durchschnittlicher Verbrauch pro Zeiteinheit
BM
Bestellmenge / Losgröße
SB
Sicherheitsbestand
Hiermit kann nun die Anzahl der erforderlichen Kanbans errechnet werden:
Y=
D *WBZ * (1 + SF ) SM
Y
Anzahl der Kanbans
D
Durchschnittlicher Teilperiodenbedarf
WBZ
Wiederbeschaffungszeit
SF
Sicherheitsfaktor
SM
Standardmenge
KANBAN
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10.4.3. Kanbans Abb. 10.13 zeigt schematisch das Aussehen eines Kanbans.
Abb. 10.13 – Prinzipdarstellung eines KANBANs
Kanbans werden zur Informationsübertragung zwischen Verbraucher und Erzeuger verwendet. Ihr Vorteil ist ihre einfache Handhabung. Kanbans sollten folgende Informationen enthalten: • • • • • •
Verbraucher Lieferant Materialnummer Materialbezeichnung Behälterbezeichnung Anzahl der Materialien pro Karte
Abb. 10.14 zeigt die Änderungen im Prozess, die sich durch den Einsatz dieser Kanbans ergeben.
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Steuerung des Teileflusses
Abb. 10.14 – Zentrale Produktionsplanung versus KANBAN
Eine Reihe von Aufgaben, die normalerweise vom zentralen Logistiksystem ausgeführt werden, entfallen bei Einsatz von KANBAN. Der Werker übernimmt Aufgaben zur Produktion, zur Disposition und zur Optimierung. Hiermit setzt der erfolgreiche Einsatz von Kanban vor allem entsprechend motivierte und qualifizierte Mitarbeiter voraus.
10.4.4. Kanban Steuerung mittels Plantafel Im Normalfall muss der Erzeuger von Kanban Material eine Produktionsplanung im kleinen Rahmen auf Basis von Kanbans durchführen. Die Abarbeitung von Kanbans in der Reihenfolge des Eintreffens ist in vielen Fällen auf Grund von Rüstzeiten und anderen Einschränkungen nicht effektiv. Der Vorteil des Einsatzes von Kanban ist jedoch, dass die Planungsaufgaben meist in einem kleinen und überschaubaren Rahmen bleiben, sodass in vielen Fällen die Produktionsplanung mittels einer einfachen Kanban Plantafel möglich wird. An dieser Stelle sollten einige Möglichkeiten für die Gestaltung von Kanban Plantafeln aufgezeigt werden. Die Einführung von Kanban Plantafeln ist auch deshalb zu empfehlen, da Kanban Regelkreise voraussetzen, dass Kanbans weder vermischt werden noch irrtümlich verloren gehen. Die Plantafel schafft eine geordnete Ablage. Abb. 10.15 zeigt eine einfache Version einer Plantafel (Gerhard Geiger, 2003).
KANBAN
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Abb. 10.15 – Beispiel einer KANBAN Plantafel
Wenn Kanbans eintreffen, so werden sie über dem Stapel vorhandener Kanbans angebracht. Die Stapel sind nach Typen von Materialien geordnet. Die Abarbeitung erfolgt von unten, wobei die Planung eine Umreihung der Kanbans vornehmen kann. Diese Form der Plantafel ist dann sinnvoll, wenn die Bearbeitungszeiten für die einzelnen Aufträge in etwa gleich und konstant sind und aus diesem Grund auch Schichtpläne nicht berücksichtigt werden müssen. Wenn Rüstzeiten anfallen oder die Dauer der Bearbeitungen unterschiedlich ist, so kann eine andere Form der Plantafel gewählt werden, die einen Produktionsplan visuell darstellt. Abb. 10.16 zeigt eine alternative Kanban Plantafel, die der Autor bei einem Werksbesuch bei einem Hersteller vom Außenspiegeln in Deutschland in ähnlicher Form vorgefunden hat auch in (Gerhard Geiger, 2003) ist eine ähnliche Plantafel beschrieben.
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Steuerung des Teileflusses
Material Buchse 12 Mutter 7 Schraube M9 Tülle 11 Niete 112 Bügel 7 Sprengring 3 Beilage 45 Dichtband 66 Muf f e 345
Kanban Steuerung Linie II
ÍÍÍÍÍ ÍÍÍÍÍÍÍ ÍÍÍÍ ÍÍ ÍÍÍÍ ÍÍÍÍÍÍÍÍ ÍÍÍ ÍÍ ÍÍÍÍ Í Bestellt
Bestellt
Bestellt
Abb. 10.16 – Alternative KANBAN Plantafel
Zuerst werden wie oben beschrieben die Kanban Parameter ermittelt. Dementsprechend ergeben sich folgende Bereiche: • • •
Grün: keine Bestellung, Material ausreichend vorhanden Gelb: Bestellung kann ausgelöst werden Rot: Sicherheitsbereich. Nun muss bestellt werden.
Wenn eine Bestellung getätigt wurde, so wird dies bis zum Eintreffen des Materials durch einen Aufkleber gekennzeichnet. Auf diese Weise werden irrtümliche Mehrfachbestellungen vermieden.
10.4.5. Produktionsleitsysteme und Kanbans Das Toyota Produktionssystem ist sehr auf Menschen in der Produktion ausgerichtet. Dementsprechend sind die meisten bekannten Anwendungsfälle im Bereich manueller Arbeitsgänge zu finden. Viele ERP Systeme ermöglichen mittlerweile die Steuerung der Produktion durch „elektronische Kanbans“ vorzunehmen, die zwar die Systembasis zentralisieren, aber die Vorteile der dezentralen Steuerung umsetzen. Produktionsleitsysteme können an Hand von Meldungen von Stationen über den Materialbestand elektronische Kanbans auslösen und somit dazu beitragen,
KANBAN
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dass Kanban Regelkreise auch für automatisierte Fertigungsanlagen sinnvoll eingesetzt werden können. Das Auslösen von Kanbans kann entweder über fest eingestellte Verbrauchswerte je Takt, über die Stückliste oder über Bestandsmeldungen (eine Form von Betriebsmeldungen) von Anlagen kommen. Anlagen melden ihren aktuellen vor Ort Lagerbestand. Die Kanban Parameter werden im Produktionsleitsystem eingegeben und gepflegt. Auf dieser Basis kann die Produktionsleittechnik automatisch Umlagerungen im ERP System auslösen.
“This page left intentionally blank.”
11. Nacharbeitssteuerung Viele Automobilproduzenten streben einen Null-Fehler Prozess in der Fertigung an. Diese Vision soll in ihrer Bedeutung als Zielvorgabe nicht in Frage gestellt werden. In realen Produktionswelten ist jedoch die Durchführung von Nacharbeiten aus verschiedensten Gründen erforderlich. Es ist eine der Hauptaufgaben eines Produktionsleitsystems, Funktionen für die Steuerung der Nacharbeit anzubieten. Diese sollen im vorliegenden Abschnitt erläutert werden. Zunächst wird beschrieben, wie der Nacharbeitsbedarf im Produktionsleitsystem erfasst werden kann. Weiters wird erläutert, wie Nacharbeiten erfasst und terminiert werden. Ebenso wichtig sind Aspekte der Kostenerfassung und des Berichtswesens sowie eine Unterstützung von Best-Practice Ansätzen.
11.1. Einleitung Unter Nacharbeit fasst man alle Prozesse in der Fertigung zusammen, die dann greifen, wenn durch Probleme in der Fertigung Produkte entstanden sind, die Mängel aufweisen, und die dazu dienen, diese Mängel zu beheben, sodass ein fehlerfreies Produkt ausgeliefert werden kann. Nacharbeit ist ein notwendiges Übel in der Fertigung, das aus kaufmännischen und logistischen Gründen vorhanden sein muss. Generell ist allerdings eine Null Fehler Politik anzustreben, die zum Ziel hat, Mängel im Fertigungsprozess möglichst umgehend abzustellen und so eine möglichst hohe Direktläuferrate zu erreichen. Eine typische Maßzahl für die Qualität des Fertigungsprozesses ist die oben beschriebene FTC (First Time Correct). Die Methoden und Philosophien zur Planung und Steuerung der Nacharbeit sind bei den einzelnen Automobilherstellern und den unterschiedlichen Fertigungstechnologien sehr verschieden. Teilweise sind die Unterschiede historisch gewachsen, teilweise durch technische Gegebenheiten sowie durch das Produkt und dessen Anforderungen selbst bedingt. Für Volumenmodelle bestehen andere Erfordernisse als für Fahrzeuge im Premiumsegment. Grundsätzlich können zwei verschiedene Vorgangsweisen unterschieden werden. Einerseits wird das Produkt auf einer Linie gefertigt, wobei in der Linie keine Nacharbeit erfolgt. Am Ende der Produktion wird das Produkt geprüft. Bei einwandfreier Funktion wird es aufgeliefert, ansonsten wird eine Nacharbeit vorgesehen oder das Produkt als Ausschuss entsorgt. Andererseits werden durch umfangreiche Prüfung und Nacharbeit in der Linie Fehler möglichst sofort entdeckt und behoben. Das Ziel ist, dass am Ende der Linie ausschließlich mangelfreie Produkte zur Verfügung stehen.
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Nacharbeitssteuerung
In der Praxis wird aus Kostengründen und technischen Gründen meist eine Kombination beider Verfahren gewählt. Je höher die Variantenvielfalt ist und je enger die Anforderungen aus JIT oder JIS Konzepten werden, desto eher ist es erforderlich, die Nacharbeit in die Linie zu integrieren. Je näher die Erkennung und Behebung von Fehlern am Fehlerort liegt, desto geringer sind in der Regel die Auswirkungen von Fehlern auf die Produktionssequenz. Zudem werden Fehler schneller erkannt und können damit umgehend abgestellt werden, sodass die potenziell betroffene Stückzahl von vornherein begrenzt bleibt.
11.2. Steuerung der Nacharbeit Im Produktionsleitsystem müssen zur Steuerung der Nacharbeit einige grundlegende Funktionen implementiert werden. Zuerst ist es erforderlich, den Nacharbeitsbedarf zu erfassen und anzuzeigen. Die Produktionsleittechnik verfolgt hierzu während der Fertigung den Status jedes einzelnen Fahrzeugs. Aus diesen Informationen kann abgeleitet werden, welche Fahrzeuge in die Nacharbeit geleitet werden müssen und welcher Bedarf an Nacharbeiten besteht. Im nächsten Schritt sind alle durchgeführten Nacharbeiten aufzuzeichnen. In der Nacharbeit müssen Clients der Produktionsleittechnik zur Verfügung stehen, auf denen die durchgeführten Nacharbeiten erfasst werden. Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass die Verbaudokumentation von Fahrzeugen durch durchgeführte Nacharbeiten nicht lückenhaft wird. Dies kann durch die Einführung von dynamischen Checklisten erreicht werden. Wenn z.B. das Getriebe auszutauschen ist, so müssen alle Verschraubungen, die in der Linie bereits erfasst wurden, erneut durchgeführt und dokumentiert werden. Zudem sind die Seriennummern des Getriebes und des Getriebesteuergerätes neu zu erfassen, das Steuergerät neu zu programmieren und alle Elektronikprüfungen erneut durchzuführen. Die Dokumentation dieser Arbeiten muss im Produktionsleitsystem erfolgen und darf nicht dem Nacharbeiter überlassen werden. Die Kosten für Nacharbeiten sind ebenfalls in der Produktionsleittechnik zu erfassen (Materialkosten und Materialverbrauch, sowie Arbeitskosten der Nacharbeiter). Diese Informationen sind an das ERP System weiterzugeben und dort auf verursachende Kostenstellen zu kontieren. Nacharbeiten müssen entsprechend der Liefertermine der Fahrzeuge terminiert werden. Die Produktionsleittechnik muss sicherstellen, dass Fahrzeuge in der Nacharbeit nicht stehen bleiben. Eine fahrzeugspezifische Anzeige, wie viel Zeit noch bis zum geplanten Liefertermin bleibt und eine termingesteuerte Priorisierung der Nacharbeiten ist erforderlich. Die Produktionsleittechnik muss eine Reihe von Auswertungen bereitstellen, die eine Analyse von Nacharbeiten ermöglicht. Dies ist die Basis für das Schließen von Qualitätsregelkreisen. Häufig wiederkehrende Tätigkeiten in der Nacharbeit sind zu erfassen. Für diese Aktivitäten sind entsprechende Arbeitsanweisungen zu erstellen, sodass mit der Zeit ein Katalog von Anweisungen entsteht.
Steuerung der Nacharbeit
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Hiermit kann die Qualität in der Nacharbeit verbessert werden. Wenn Arbeitsanweisungen bereitstehen, so können in der Produktionsleittechnik automatisch Checklisten für Nacharbeiten erstellt werden, sodass auch die Nacharbeit dokumentiert wird. Bei wiederkehrenden Mängeln an Fahrzeugen sollte die Möglichkeit bestehen, die Arbeitsschritte in der Linie temporär zu modifizieren, sodass z.B. durch zusätzliche Prüfschritte Fehler ausgeschlossen werden können, bis Abhilfemaßnahmen, die von den übergeordneten Qualitätsregelkreisen eingeleitet werden, greifen. Dies ist z.B. in Situationen sinnvoll, in denen Änderungen in den Arbeitsgängen eingepflegt wurden, die von den Werkern erst eingeübt und erlernt werden müssen.
11.2.1. Erfassung und Anzeige des Nacharbeitsbedarfs Bedarf an Nacharbeiten besteht, wenn offene Punkte in der Checkliste eines Fahrzeugs, die nicht oder NIO abgezeichnet wurden, oder VPD Werte, die nicht oder fehlerhaft erfasst wurden, oder freie Problemeinträge, die in der Linie angelegt und nicht abgezeichnet wurden, existieren. Wenn mindestens eine dieser oben genannten Fehlerbedingungen zutrifft, so muss das Fahrzeug in die Nacharbeit geleitet werden. Die Anzeige, dass ein Nacharbeitsbedarf besteht, kann auf verschiedene Art erfolgen. Möglich ist die Anzeige des Fahrzeugstatus am Produktionsleittechnik Client. Für diesen Zweck sollte eine eigene Maske bereitstehen, die leicht erkennbar den Status des Fahrzeugs wiedergibt. Der Nacharbeitsbedarf kann auch auf einem mobilen Endgerät angezeigt werden. Dieses Gerät sollte mit einem Barcodeleser oder einem ähnlichen Identifikationssystem ausgestattet sein, damit Fehler bei der Eingabe von Auftragsnummern vermieden werden. Möglich ist auch eine Anzeige auf einer Fabrikanzeige oder mit Hilfe von Ampeln. Werker können, wenn Fahrzeuge automatisch identifiziert werden, durch Ampeln oder Leuchten (z.B. Pfeile) darauf hingewiesen werden, dass Fahrzeuge in die Nacharbeit gehen. Oftmals stehen verschiedene Nacharbeitsplätze zur Verfügung, die für die Behebung spezifischer Fehler ausgelegt sind (z.B. Elektrik, Lackfehler etc.). Auf Basis einer Kategorisierung von offenen Punkten und VPD Werten (dies muss vom Administrator der Produktionsleittechnik im Zuge der Konfiguration festgelegt werden) bzw. von freien Problemeinträgen (hier nimmt der Werker die Kategorisierung im Zuge der Eingabe beim Anlegen des freien Problemeintrags vor), kann ein Fahrzeug gezielt zum richtigen Nacharbeitsplatz geleitet werden. Als Grundlage für diese Kategorisierung dient ein standardisierter Fehlerkatalog, der Fehlerorte, Fehlerarten und weitere Angaben, wie Schweregrade usw. definiert.
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Nacharbeitssteuerung
11.2.2. Erfassung von Nacharbeiten Die Basis bildet die Nacharbeitsmaske (Kon-Cept GmbH., 2008), wie in Abb. 11.1 dargestellt.
Abb. 11.1 – Nacharbeitsmaske
Der Nacharbeiter verwendet z.B. einen Handscanner, um das jeweilige Fahrzeug am Nacharbeitsplatz gegenüber der Produktionsleittechnik zu identifizieren. Die Maske liefert dem Nacharbeiter sodann eine Liste aller offenen Punkte des entsprechenden Fahrzeugs. Zusätzlich werden alle freien Problempunkte angezeigt. Auf Basis dieser Informationen kann der Nacharbeiter die erforderlichen Tätigkeiten ausführen, wobei alle erforderlichen Informationen zur durchgeführten Nacharbeit dokumentiert werden. Der Werker muss sich beim Aufruf der Maske beim System anmelden. Hierdurch sind der Name des Nacharbeiters und der Arbeitsplatz bekannt. Beginn, Ende und Dauer der Nacharbeiten werden entsprechend der Eingaben des Werkers zu jedem Fahrzeug erfasst. Der Nacharbeiter zeichnet nun alle offenen Punkte zum entsprechenden Fahrzeug ab, wobei es nicht möglich ist, offene Punkte, die von automatischen Prüfeinrichtungen nach Bandende abgezeichnet werden, ma-
Steuerung der Nacharbeit
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nuell abzuzeichnen. Ein Beispiel hierfür wären offene Punkte, die der Rollenprüfstand abzeichnet. Wenn das Prüfergebnis am Rollenprüfstand NIO ist und das Fahrzeug folgerichtig in die Nacharbeit geht, dann muss es nach Beendigung der Nacharbeiten wiederum auf den Rollenprüfstand. Dies kann nicht durch manuelles Abzeichnen der offenen Punkte durch den Nacharbeiter ersetzt werden. In einer Submaske erfolgt die Erfassung eines eventuellen Materialverbrauchs (Betriebsmittel oder Teile) ähnlich zur Fehlteilerfassung. Freie Problemeinträge können nur dann abgezeichnet werden, wenn der Fehlerort, die Fehlerart und der Schweregrad des Fehlers bekannt sind. Die vollständige Zuordnung von Fehlern zum Fehlerkatalog ist für eine folgende statistische Auswertung von Fehlern eine Grundvoraussetzung. Im Falle von Fehlteilen sind zusätzlich die Materialnummern defekter Materialien zu erfassen. Auch Ergebnisse und VPD Werte, die mit Checklistenpunkten verbunden sind, sind vor dem Abzeichnen der Punkte zu erfassen. Letztlich ist noch die Angabe einer verursachenden Kostenstelle, die mit den Nacharbeitsaufwänden belastet wird, erforderlich. Im Falle von Fehlern, die wiederholt auftreten, kann, wenn ein Fahrzeug das Band verlässt, bereits automatisch eine Checkliste für die Nacharbeit angelegt werden. Ebenso sollte es möglich sein, viele der obigen Angaben mit sinnvollen Standardwerten vorzubelegen.
Abb. 11.2 – Nacharbeitserfassung in der Motormontage10
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Der Autor dankt der BMW AG für die freundliche Genehmigung zum Abdruck dieses Bildschirmabzugs
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Nacharbeitssteuerung
Die Eingabe von Nacharbeitsaufwänden ist ebenso wie die Eingabe von Informationen am Band so einfach wie möglich zu gestalten. Ergonomie und einfache Bedienung sind von besonderer Bedeutung, da sonst die Gefahr fehlender oder falscher Eingaben sehr hoch wird. Abb. 11.2 zeigt eine Eingabemaske für die Eingabe von Nacharbeiten in einer Motormontage (Kon-Cept GmbH., 2008). Um die Eingabe der betroffenen Teile zu erleichtern wurde zusätzlich eine grafische Auswahlmöglichkeit vorgesehen, die Abb. 11.3 zeigt. Zusätzlich steht für den Werker eine Top 10 Liste von Fehlern zur Verfügung, sodass die Eingabe bei sich wiederholenden Fehlern auf einen Mausklick reduziert wird. Eingaben, wie Motornummer etc. erübrigen sich, da diese Informationen bereits in der Produktionsleittechnik zur Verfügung stehen.
Abb. 11.3 – Grafische Angabe des Fehlerortes11
Bevor die oben erläuterte Eingabe auf Basis der Produktionsleittechnik eingeführt wurde, wurden Nacharbeiten am Band direkt in SAP Clients erfasst. Für diesen Zweck stand in SAP eine Eingabemaske zur Verfügung. Alle möglichen Eingaben wurden an Hand von Nummern identifiziert. Aus diesem Grund lag an jedem Nacharbeitsplatz ein Heft auf, in dem alle gültigen
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Der Autor dankt der BMW AG für die freundliche Genehmigung zum Abdruck dieses Bilschirmabzugs.
Steuerung der Nacharbeit
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Nummern verzeichnet waren, da SAP keine Hilfe zur Nummerneingabe, wie Auswahllisten mit sprechenden Texten oder ähnliches angeboten hat. Das Problem war, dass die Werker mit dieser Eingabemethode überfordert waren und so nur ca. 5% der Daten tatsächlich richtig waren, während der Rest meist fehlte, unvollständig oder falsch war. Durch die Einführung der Eingabemaske und der grafischen Komponentenauswahl in der Produktionsleittechnik konnte die Rate der korrekten Eingaben auf über 99% gesteigert werden.
11.2.3. Terminierung von Nacharbeiten Wenn Nacharbeiten in der Linie erfolgen, so sind die Teile in diesen Bereichen zumeist zwangsgeführt, sodass die Produktionssequenz nicht oder in überschaubaren Grenzen verletzt wird. Die Reihenfolge der Teile kann in der Nacharbeit nicht beeinflusst werden. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Nacharbeit von Fahrzeugen nach Bandende erfolgt. Fahrzeuge werden in diesen Bereichen frei bewegt, weshalb es durchaus zu Missverständnissen kommen kann. Aus diesem Grund muss dort durch zusätzliche Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass keine Fahrzeuge irrtümlich stehen bleiben. Die erste und wichtigste Maßnahme ist eine eindeutige Kennzeichnung von Stellplätzen und Warteschlangen in der Halle. Es ist durch entsprechende Arbeitsanweisungen sicherzustellen, dass das Abstellen von Fahrzeugen in der Nacharbeit nach strikten Regeln erfolgt, sodass von vornherein keine Unklarheit über Status und Sequenz von Fahrzeugen aufkommen kann. Die Produktionsleittechnik kann durch einige Funktionen zur Ordnung beitragen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Liefertreue leisten. Hierzu gehört die Anzeige des Status jedes Fahrzeuges in einer Liste von Fahrzeugen, die sich aktuell in der Nacharbeit befinden. Zusätzlich sollte die verbleibende Zeit bis zum geplanten Liefertermin angezeigt werden. Diese Anzeige kann durch entsprechende farbliche Gestaltung (grün – IO, gelb – kurz vor geplanter Auslieferung, rot – Ausliefertermin ist bereits überschritten) klarer lesbar gemacht werden. Zur Ermittlung des Status müssen die verbleibende geplante Taktzeit sowie die für die Nacharbeiten erforderlichen Zeiten bekannt sein. Diese können sinnvollerweise nur hinter dem Fehlerkatalog hinterlegt sein. Da der Fehlerkatalog sehr umfangreich ist, sollte eine Funktion vorgesehen werden, die ein Teachen der Nacharbeitszeiten auf Basis bereits erfassten Eingaben ermöglicht. Nacharbeiter sollten nicht frei in der Auswahl der Fahrzeuge sein, sondern dazu angehalten werden, jene Fahrzeuge auszuwählen, die knapper am Liefertermin sind. Für das Treffen dieser Auswahl ist es zusätzlich erforderlich, zu ermitteln, welche Fehlteile, die nachbestellt wurden, bereits verfügbar sind. Aus diesem Grund müssen Wareneingänge oder Umlagerungen für nachbestellte Fehlteile vom Logistikrechner übernommen werden.
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Nacharbeitssteuerung
Wichtig ist auch die Anzeige des Stellplatzes für jedes Fahrzeug in der Produktionsleittechnik. Durch die Verwaltung von Stellplätzen wird es einfacher, Fahrzeuge in der Nacharbeit oder bei der Auslieferung aufzufinden. Zeiten, die mit der Suche nach Fahrzeugen unproduktiv verbracht werden, werden minimiert. Letztlich muss die Produktionsleittechnik auch eine Reihe von Auswertungen über den Status der Nacharbeit, wie Anzahl der Fahrzeuge in der Nacharbeit über der Zeit, Wartezeiten versus Arbeitszeiten etc. anbieten. Kennzahlen über die Performance der Nacharbeit können dem Management direkte Rückmeldung liefern und so helfen, ständige Verbesserungsprozesse in Gang zu setzen.
11.2.4. Kostenerfassung und Kontierung Die genaue Erfassung und Kontierung von Nacharbeitskosten ist eine wichtige Voraussetzung für die Einführung von Qualitätsregelkreisen. Wenn möglich sollte die Buchung von Nacharbeitsaufwänden auf Gemeinkosten vermieden werden. Folgende Informationen sind zur Erfassung von Nacharbeitskosten erforderlich: • • • • • • • • • •
Stelle, an der der Fehler verursacht wurde und verursachende Kostenstelle. Diese Information ist auch für das Reklamationswesen wichtig, da Fehler auch bei Zulieferern aufgetreten sein können. Stelle, an der der Fehler entdeckt wurde. Stelle, an der der Fehler behoben wurde. Stelle an der die Fehlerbehebung geprüft wurde. Art des Fehlers (Teiledefekt, fehlende Teile, falsche Teile, …) Aufwände an Werkerzeit in der Nacharbeit Materialaufwand Aufwand an Betriebsmitteln in der Nacharbeit Arbeits- und Wartezeiten von Teilen in der Nacharbeit Kosten, die aus einer Verletzung der Liefersequenz erwachsen. Dies wird meist nur bei Problemen mit größerem Umfang eine Rolle spielen.
Die Kostenstellen in der Fertigung und Logistik sind entsprechend der oben aufgelisteten Werte zu belasten. Wenn die Kosten auf diese Weise sauber aufgeteilt wurden, so ergibt sich damit auch eine Möglichkeit, die Rentabilität von Investitionen in Verbesserungsmaßnahmen zu prüfen. Hiermit können auf einfache Weise Entscheidungen über mögliche Verbesserungen, Umbauten, neue Teile oder Lieferanten getroffen werden.
Steuerung der Nacharbeit
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11.2.5. Berichtswesen Die Nacharbeit mitsamt den oben beschriebenen Daten, die während der Nacharbeiten erfasst werden, geben wichtige Informationen über den Qualitätsstatus der Fertigung. Auf diese Weise können Qualitätsregelkreise geschlossen werden. Oben wurde bereits ein Regelkreis für die ständige Verbesserung von Anlagen beschrieben, der zu einer stufenweisen Optimierung der Anlagenperformance führt. Ähnliche Regelkreise lassen sich auch für die Produktion entwerfen. Die Messung der Produktqualität wird durch Erfassung offener Punkte, VPDs und freier Problemeinträge in der Fertigung durchgeführt. Hiermit ergibt sich ein genaues Bild der Abweichungen inklusive Ursache, Art und Ort des Entstehens. Auf Basis der Zusatzinformationen, die in der Nacharbeit hinzukommen, kann eine Analyse der Abweichungen durchgeführt werden. Möglich sind plötzlich auftretende Probleme. Diese erfordern eine umgehende Reaktion, um sie abzustellen. Beispiel: Ziehrisse im Stoßdämpferdom. Hinzu kommen Trendreihen. Dies sind Messwerte, deren Trend anzeigt, dass Qualitätsschwellen überschritten werden. Z.B. Abweichungen in der Karossengeometrie im Rohbau, die meist schleichend beginnen und mit der Zeit zunehmen. Das Auftreten stochastisch verteilter Fehler weist z.B. bei manuellen Fertigungsschritten auf eine ungenügende Prozessabsicherung hin. Z.B. können Teile vergessen oder verwechselt werden. Letztlich sind auch Einzelfehler möglich. Einzelfehler existieren in diesem Sinne eigentlich nicht. Solche Fehler treten nur singulär oder so sporadisch auf, dass statistische Methoden und Trendanalysen nicht aussagekräftig sind. Durch eine genaue Analyse von Fehlern kann die Ursache meist sehr schnell aufgefunden werden. Die Bearbeitung sollte sich wiederum auf die wichtigsten Fehler konzentrieren. Die Bedeutung von Fehlern kann hierfür an Hand von Kriterien ermittelt werden, die auf der Anzahl der betroffenen Fahrzeuge, dem Aufwand in der Nacharbeit und damit verbundenen Verletzungen der Liefertreue, der Sicherheitsrelevanz des Fehlers und der Möglichkeit temporärer Abhilfemaßnahmen in der Linie basieren. Für die Probleme werden nun die Ursachen gesucht und es werden Abhilfestrategien entworfen. Nach der Freigabe und Implementierung von Abhilfemaßnahmen kann in der Produktionsleittechnik ermittelt werden, ob die erwarteten Verbesserungen auch tatsächlich eingetreten sind. Die Produktionsleittechnik sollte durch Bereitstellung geeigneter Workflows die Implementierung und die Kontrolle dieser Prozesse unterstützen. In der Praxis kommt es leider immer wieder vor, dass in der Fertigung Mängel übersehen werden, die erst während der Auslieferung beim Händler oder beim Kunden entdeckt werden. Solche Probleme sind speziell dann unangenehm, wenn sie sicherheitsrelevant sind, wenn die Kundenzufriedenheit beeinträchtigt ist bzw. wenn eine nennenswerte Stückzahl von Fahrzeugen betroffen ist. Die Behandlung solcher Probleme inklusive möglicher Rückrufaktionen ist grundsätzlich nicht im Bereich der Fertigung zu suchen. Dennoch hilft die genaue
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Nacharbeitssteuerung
Nachvollziehbarkeit der Produktion in vielen Fällen den Nachweis zu erbringen, dass die Fehler nicht in der Fertigung entstanden sind. Zudem kann bei vielen Fehlerbildern die Anzahl der potenziell betroffenen Fahrzeuge meist stark eingegrenzt werden, was hilft, Folgekosten zu senken. Reaktionen in der Fertigung oder durch Änderungen am Produkt sind Aufgabe der Fahrzeugentwicklung und der Planung und werden ebenso wie andere Modifikationen in der Fertigung behandelt und umgesetzt.
11.2.6. Best Practice Die detaillierte Aufzeichnung von Tätigkeiten in der Nacharbeit kann als Basis für die Einrichtung ständiger Verbesserungsprozesse in der Nacharbeit selbst herangezogen werden, die sukzessive zu einer Kostensenkung und Effizienzsteigerung in der Nacharbeit führen. Die Erfassung von Arbeitszeiten und des Betriebsmittelverbrauchs bezogen auf Teams und Werker in der Nacharbeit ermöglichen das Erkennen von Unterschieden in der Vorgangsweise. Durch Förderung eines gezielten Informationsaustauschs zwischen Mitarbeitern in der Nacharbeit kann somit sichergestellt werden, dass sich die optimalen Vorgangsweisen durchsetzen. Auch potenzieller Schulungsbedarf kann ermittelt werden. Wichtig ist hierbei, dass die Produktionsleittechnik als Mittel zur Verbesserung und als Unterstützung zur Erreichung von Zielen gesehen und benutzt wird. Wenn Werker in der Nacharbeit die Produktionsleittechnik als Überwachung und Kontrollinstanz empfinden, so wird ihr Einsatz schnell kontraproduktiv. An dieser Stelle ist deutliche Kommunikation und ein eindeutiger Standpunkt von Seiten des Managements erforderlich. Die besten Vorgangsweisen sollten bei wiederkehrenden Problemen in Form von Arbeitsanweisungen dokumentiert werden, die der Werker als Grundlage für seine Arbeit verwenden kann. Die Arbeitsanweisung kann am Werkerinformationssystem dargestellt werden. Zusätzlich kann die Arbeit mit Hilfe von Checklisten, die fehlerabhängig generiert werden, dokumentiert werden. Dies ist besonders bei sicherheitskritischen Arbeitsgängen der Fall. Wenn in der Nacharbeit z.B. sicherheitskritische Verschraubungen gelöst werden, so ist zu dokumentieren, dass sie wieder ordnungsgemäß verschraubt und geprüft wurden (dies kann z.B. durch Nachknicken mit einem Drehmomentschlüssel und Abzeichnen eines entsprechenden Checklistenpunktes durch den Werker erfolgen). Zusätzlich sollte auch für die Nacharbeit ein FTC Wert erfasst werden. Wenn durchgeführte Nacharbeiten nicht erfolgreich waren, so ist dies meist ein Indiz für eine unvollständige oder fehlerhafte Produktdiagnose. Oft basiert die Diagnose von Fehlern auch auf der Erfahrung von Werkern (z.B. ein Fahrzeug kommt auf Grund von Geräuschen im Antriebsstrang zurück von der Validierungsstrecke). Für diese Fälle sollten ebenfalls Anweisungen zur Fehlerdiagnose formuliert und als Grundlage für die Arbeiten herangezogen werden.
12. Zertifizierung und Auslieferung In diesem Abschnitt werden spezielle Funktionen in der Produktionsleittechnik beschrieben, welche für die Steuerung der Zertifizierung und Auslieferung von Fahrzeugen erforderlich sind, also für die letzten Produktionsschritte, die ein Fahrzeug durchläuft, bevor es das Werk verlässt und dem Vertrieb übergeben wird. Neben normalen Fertigungstätigkeiten, die der Komplettierung des Lieferumfangs dienen, werden in diesem Bereich spezielle Funktionen, wie Lackfehlererfassung zur Steuerung der Lacknacharbeit, Stellplatzverwaltung und letztlich Funktionen zur Steuerung der Verpackung, Verladung und Werksausfahrt benötigt.
12.1. Einleitung Die Zertifizierung und die Auslieferung sind die letzten Fertigungsstufen, die ein Fahrzeug durchläuft, bevor es an den Spediteur zur Auslieferung übergeben wird. In diesem Fertigungsschritt finden üblicherweise folgende Aktivitäten statt: • • • • • • • •
Validierungsstrecke Berieselung Waschen und Polieren Lacknacharbeit Komplettierung des Lieferumfangs (Bordliteratur, …) Verpackung und Anbringen von Transportschutzeinrichtungen im Innenund Außenbereich der Fahrzeuges Anbringen der Transportpapiere Übergabe an den Spediteur und Abtransport
12.2. Lackfehlererfassung und Lacknacharbeit Die Erfassung von Lackfehlern findet nicht nur in der Zertifizierung, sondern natürlich auch in vorgelagerten Gewerken und insbesondere in der Lackiererei, die ihre eigene Nacharbeit besitzt, statt. Die Erfassung von Lackfehlern in der Zertifizierung ist wichtig für die Bewertung der Fahrzeugendmontage, da wiederkehrende Lackfehler ein Indiz für Probleme im Fertigungsprozess darstellen. Lackfehler können meist durch Änderungen am Fertigungsprozess (z.B. Sicherstellen, dass der Werker mit dem Werkzeug nicht abrutschen kann) oder durch geeignete
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Zertifizierung und Auslieferung
Schutzmaßnahmen (z.B. Kotflügelschutz etc.) abgestellt werden. Lackfehler an bestimmten Stellen können auch auf falschen Umgang mit Werkzeug (Werkzeug wird eingesteckt, anstatt in die dafür vorgesehenen Ablagen abgelegt) oder unpassende Bekleidung der Werker (z.B. fehlender Gürtelschutz) hinweisen.
12.2.1. Erfassung von Lackfehlern Die Produktionsleittechnik muss für die Erfassung von Lackfehlern eine spezielle Bildschirmmaske vorsehen, die die grafische Spezifikation des Fehlers ermöglicht (wo an der Karosse liegt der Fehler), sowie die Angabe der Art des Fehlers und eines Lagecodes. Diese Maske hat ein Aussehen (Kon-Cept GmbH., 2008) entsprechend Abb. 12.1.
Abb. 12.1 – Lackfehlererfassung
Zusätzlich zum Fehler kann noch angegeben werden, wohin das Fahrzeug zu routen ist und welche Maßnahmen erforderlich sind.
Lackfehlererfassung und Lacknacharbeit
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12.2.2. Nacharbeit Am Nacharbeitsplatz steht sodann eine Maske bereit, welche die Anzeige der je Fahrzeug erfassten Lackfehler ermöglicht. Hier wird je Fahrzeug Art und Ort jedes Fehlers angezeigt. Der Werker kann hiermit die erforderliche Nacharbeit durchführen und diese in der Maske vermerken. Lackfehler werden in der offenen Punkte Liste als freie Problemeinträge geführt und sind damit dokumentiert. Das besondere ist lediglich die Art der Eingabe und die Anzeige.
12.2.3. Auswertung Für die Auswertung von Lackfehlern empfiehlt sich ebenfalls eine grafische Anzeige. Auf diese Weise kann festgestellt werden, wo am Fahrzeug sich Lackfehler häufen. Dies ist eine Grundlage für die sukzessive Verbesserung und für die Beseitigung von Fehlerursachen. Abb. 12.2 zeigt ein Beispiel für eine Auswertung bezogen auf eine Fahrzeugtype (Kon-Cept GmbH., 2008).
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Zertifizierung und Auslieferung
Abb. 12.2 – Lackfehlerauswertung
Diese Abbildung zeigt, eine Verteilung der Fehler an Fahrzeugen im Beobachtungszeitraum nach Art des Fehlers und nach Fehlerort an der Karosse.
12.3. Stellplatzverwaltung Im Bereich der Zertifizierung und Auslieferung ist in jedem Autowerk angemessener Stellplatz für Fahrzeuge bereitzustellen. Dieser ist erforderlich, um Fahrzeuge zu puffern, bis diese vom Spediteur abtransportiert werden. Der Stellplatz wird auch für das Abstellen von Fahrzeugen verwendet, die eine Nacharbeit erfordern.
Stellplatzverwaltung
331
Dieser Fall kann z.B. dann eintreten, wenn Teile fehlen, deshalb aber nicht die gesamte Produktion abgestellt werden soll. Typischerweise würde man wegen eines fehlenden rechten Außenspiegels nicht die Produktion stoppen, sondern die Fahrzeuge abstellen, bis die Teile verfügbar sind. Die fehlenden Teile können dann in einer relativ unaufwendigen Aktion verbaut werden. Fahrzeuge werden auch am Stellplatz abgestellt, wenn ein Verdacht auf Qualitätsmängel besteht oder wenn Fahrzeuge auf Halde gebaut werden. In vielen Werken wird Platz für die Aufnahme von zumindest zwei Tagesproduktionen vorgesehen. Es ist erforderlich, Fahrzeuge, die sich am Stellplatz befinden, so schnell wie möglich auffinden zu können. Wenn viel Zeit mit dem Suchen nach Fahrzeugen verbracht wird, so steigen die Nacharbeitsaufwände bzw. die Liefertreue wird weiter beeinträchtigt. Diesem Problem kann man durch einige Maßnahmen vorbeugen. Hierzu zählt die eindeutige und leicht erkennbare Markierung jedes Stellplatzes ebenso wie Regeln, welche Stellplätze in welcher Reihenfolge für welche Fahrzeuge in welchem Status verwendet werden dürfen und die elektronische Erfassung aller Fahrzeuge und Stellplätze. Das größte Problem ist oft die Durchsetzung von Regeln. Dem Personal muss klar sein, dass Ordnung und geordnete Vorgehensweise auch am Stellplatz ein absolutes Muss sind. Wenn kein Stellplatz zur Verfügung steht, so ist dies zu melden (in der Halle würde der Werker ebenfalls die Reißleine ziehen). Wildes Parken, wie in vielen Innenstädten kommt nicht in Frage.
12.3.1. Unterstützung der Stellplatzverwaltung Die Produktionsleittechnik ist in der gesamten Fertigung für die Verfolgung von Bauteilen und Fahrzeugen zuständig. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, diese Funktion auch auf die Stellplätze auszuweiten. Da sich Fahrzeuge dort selbsttätig bewegen, muss der Stellplatz in der Regel manuell erfasst werden. Ortungstechnologien, die auch für die Stellplatzverwaltung tauglich sind, werden von verschiedenen Herstellern angeboten, ihr Einsatz ist jedoch meist aus Kostengründen nicht möglich. Ebenso, wie in der Halle alle möglichen Standorte von Fahrzeugen im Anlagenmodell zu konfigurieren sind, muss auch das Layout der Stellplätze in der Produktionsleittechnik hinterlegt werden. Auf diese Weise kann der Stellplatz jedes Fahrzeuges grafisch angezeigt werden, so wie in Abb. 12.3 dargestellt (Kon-Cept GmbH., 2008).
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Zertifizierung und Auslieferung
Abb. 12.3 – Stellplatzanzeige
Durch Klick auf den gewünschten Stellplatz können Detailinformationen zu dem dort geparkten Fahrzeug abgerufen werden. Zusätzlich steht eine Funktion zum Suchen von Fahrzeugen nach VIN oder nach Auftragsnummer zur Verfügung. Wenn der Parkplatz mit WLAN versorgt ist, so kann die Erfassung des Stellplatzes jedes Fahrzeugs mit Hilfe eines industrietauglichen PDAs erfolgen. Dieser PDA sollte mit einem Barcodeleser ausgestattet sein, der es dem Werker ermöglicht, die Auftragsnummer des Fahrzeuges vom VIN-Label einzulesen und ebenso die Nummer des Stellplatzes. Hiermit wird die Eingabe erheblich erleichtert und es wird Tippfehlern vorgebeugt. Der PDA ist auch sinnvoll, um dem Werker Informationen über den Status des Fahrzeuges anzuzeigen. Hierdurch können Verwechslungen und Fehltransporte oder Fehlarbeiten vermieden werden.
12.3.2. Inventur Die Produktionsleittechnik sollte auch Sonderfunktionen bereitstellen, die eine schnelle Inventur der vorhandenen Fahrzeuge ermöglicht. Wenn diese Funktion aktiviert wird, so führt die Produktionsleittechnik eine leere Liste von Fahrzeugen. Ein oder mehrere PDAs können nun verwendet werden, um die in der Halle oder am Stellplatz vorhandenen Fahrzeuge einzuscannen. Die hiermit erstellte Liste kann mit der Liste vorhandener Fahrzeuge im Produktionsleitsystem und im ERP System verglichen werden. Dies ermöglicht das schnelle Erkennen von Abweichungen zwischen Soll und Ist.
Verladung
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12.4. Verladung Basierend auf die Stellplatzverwaltung steuert die Produktionsleittechnik auch die Verladung von Fahrzeugen durch den Spediteur. Fahrzeuge können entweder auf Waggons für den Schienentransport oder auf Autotransporter verladen werden. Das Verladepersonal verwendet wiederum PDAs als Endgeräte zur Erfassung und Steuerung des Verladevorgangs.
12.4.1. Übernahme durch den Spediteur Der erste Schritt vor der Verladung ist die Übernahme des Fahrzeuges durch den Spediteur. Dieser bestätigt, dass er das Fahrzeug in ordnungsgemäßem Zustand übernommen hat. Das Risiko geht ab diesem Moment an den Spediteur über. Abb. 12.4 zeigt den Vorgang am PDA (Kon-Cept GmbH., 2008).
Abb. 12.4 – Verladung am PDA
Der Werker scannt die VIN Nummer oder die Auftragsnummer am PDA ein. Anschließend wird der Auftrag angezeigt. Wenn das Fahrzeug für die Auslieferung gesperrt ist, so wird eine Fehlermeldung angezeigt. Zusätzlich wird angezeigt, ob eine Verpackung für den Transport erforderlich ist. Diese Information kann die Produktionsleittechnik entweder aus SA Codes oder aus der Stückliste des Fahrzeugs ableiten. Der Spediteur kann nun die Übernahme bestätigen.
12.4.2. Verpackung Die erforderliche Transportverpackung für Fahrzeuge kann je nach Transportmittel und Zielland des Fahrzeuges sehr unterschiedlich sein und kann von keiner Erfordernis für eine Verpackung bis hin zu einer vollständigen Einhüllung in
334
Zertifizierung und Auslieferunng
Schrum mpffolie reichhen (z.B. Verrschiffung des Fahrzeugess nach Überseee). Das Aufbrinngen von Schrrumpffolie erffordert einen Ofen, in dem die Folie erhiitzt wird, sodass sie sich wie gewünscht zusammenzieh z ht. Auf Grundd dieser Erforrdernisse m eine eigeene Linie für die d Verpackung des Fahrzeeuges vorgeseehen, die wird meist je nachh vertraglicherr Gestaltung entweder e von der Fertigungg oder vom S Spediteur betrieben wird. Aus der Sicht derr Produktionssleittechnik ist die Verpackkungslinie gennauso zu v Checklisteen sowie behanddeln, wie alle anderen Linieen und mit deer Erfassung von mittels des Werkerinnformationssyystems zu unteerstützen. Diee Erfassung voon VPDs d Linie meist m nicht nottwendig. ist auf dieser
12.4.33. Verladungg Die Veerladung ist deer letzte Schrittt der Kette im m Werk. Sie wird w ebenfalls mit Hilfe mobbiler Endgerätte abgewickellt und läuft nach n dem Schhema in Abb. 12.5 ab (Kon-C Cept GmbH., 2008). 2
Abb. 12.5 – Gesamtablaauf der Verladunng
Der Fahrer identtifiziert zunäcchst den LK KW und sich selbst. Anscchließend v wird d, ein. Auf Baasis dieser Infformatioscannt er das Fahrzeeug, welches verladen nen weerden die Fahrrzeuge als verrladen verbucht und es werrden Papiere, wie z.B. ein Weerkstorpass geddruckt. Dam mit diese Funkktion in der Prroduktionsleitttechnik ablauufen kann, ist es erforderlich, eine Konfiggurationsmögllichkeit zu scchaffen, die es e dem Admiinistrator F kommeenden LKW und Fahrer zu z konfigurieeren. Die ermögllicht, die in Frage
Verladung
335
LKWs können optional durch einen Transponder am Werkstor identifiziert werden, was die Abwicklung der Ausfahrt erheblich beschleunigt. Ein Problem, dass sich bei vielen Fahrzeugherstellern stellt ist die Frage, wie mit Aktionen umzugehen ist. Dieser Fall tritt dann ein, wenn ein Serienproblem entdeckt wurde und z.B. alle Zentralsteuergeräte in allen Fahrzeugen mit einer neuen Firmwareversion zu versehen sind. Dass Fahrzeuge, die sich noch vor der Auslieferung im Werk befinden, noch mit Mitteln der Fertigung nachgearbeitet werden, steht außer Frage. Ebenso ist klar, dass Fahrzeuge, die sich bereits beim Händler befinden, von diesem mit Mitteln des After-Sales bearbeitet werden müssen. Problematisch ist, dass es dazwischen eine Grauzone gibt, nämlich Fahrzeuge, die laut Status bereits ausgeliefert wurden, sich aber noch auf dem Werksgelände oder z.B. auf einem Pufferplatz des Spediteurs nahe am Werk befinden. Aus Kostengründen wird man anstreben, diese Fahrzeuge noch im Werk nachzuarbeiten. Wenn dies mit Produktionsmitteln geschieht, so ist dies meist mit erheblichem Aufwand und Chaos seitens der Produktionsleittechnik und des Logistiksystems verbunden. Auch wenn dies im Einzelfall schmerzhaft sein kann, sollte auf jeden Fall ein „Point of No Return“ (Punkt ohne Wiederkehr) festgelegt werden. Wenn ein Fahrzeug diesen Punkt (z.B. die Werksausfahrt oder den Parkplatz beim Spediteur) passiert hat, so wird es aus den OLTP Systemen entfernt und kann nicht mehr mit Produktionsmitteln bearbeitet werden. Dies durchzusetzen ist im Anlassfall oft sehr schwierig, vereinfacht aber die Klarheit des Systems, dessen Aufbau und Betrieb wesentlich.
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13. Systemanforderungen In diesem Abschnitt werden systemtechnische Anforderungen an Produktionsleitsysteme beschrieben. Dies umfasst Themen wie Systemverfügbarkeit, Verlässlichkeit, Zugriffsschutz, Nachvollziehbarkeit, Datensicherheit, Zeitverhalten, Wartbarkeit usw. Zu allen diesen Themen werden neben der Formulierung der Anforderungen auch Strategien zu deren Umsetzung im Produktionsleitsystem erläutert. Produktionsleitsysteme stellen besondere Anforderungen an die ITTechnik, da neben den üblichen Anforderungen an umfangreiche EDV-Systeme auch einige weiche Echtzeitanforderungen gestellt werden.
13.1. Einleitung Die vorhergehenden Abschnitte haben sich eingehend mit den Funktionen der Produktionsleittechnik, deren Implementierung und mit Erfordernissen in der Produktion befasst. Dieser Abschnitt leitet eine Reihe von Kapiteln ein, die sich mit systemtechnischen Anforderungen an Produktionsleitsysteme und mit eher Informatikbezogenen Fragen befassen. Produktionsleitsysteme sind in praktisch allen Fällen produktionskritische Systeme, deren Ausfall oder teilweiser Ausfall Produktionsstillstände nach sich ziehen kann. Auf Grund dieser erhöhten Kritikalität ergeben sich Anforderungen in den Bereichen Systemverfügbarkeit, Verlässlichkeit, Zugriffsschutz, Datensicherheit, Zeitverhalten, Wartbarkeit und Nachvollziehbarkeit. Diese Themen sind je nach Einsatzfall spezifisch zu durchleuchten. Die Anforderungen sind vor Projektbeginn zu formulieren und es sind entsprechende Maßnahmen für die Erreichung der gegebenen Ziele zu formulieren und umzusetzen.
13.2. Systemverfügbarkeit Die Systemverfügbarkeit ist prinzipiell wie folgt definiert:
V =
TUptime TUptime + TDowntime
Die erforderliche Systemverfügbarkeit ist eine wesentliche Maßzahl für die Performance von Produktionsleitsystemen und wird meist in Form von Service
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Systemanforderungen
Level Agreements (SLA) zwischen der Informatik bzw. dem Lieferanten der Produktionsleittechnik und der Produktion vereinbart. Dieser SLA sollte folgende Punkte festlegen: • •
Welcher Grad an Verfügbarkeit muss erzielt werden? Welche Antwortzeiten des Service sind maximal zulässig und dürfen nicht überschritten werden? Welche Daten sind zu sichern? Wie oft sind diese zu sichern? Wie darf das Sicherungsverfahren die Verfügbarkeit und die Antwortzeiten beeinflussen? Welche Daten müssen innerhalb welches Zeitrahmens gegebenenfalls wiederhergestellt werden? Wer ist für die Verfügbarkeit verantwortlich und welche Ansprechpartner stehen in welchem Zeitrahmen zur Verfügung?
• • •
Die Systemverfügbarkeit wird meist in verschiedene Klassen eingeteilt. Tabelle 13.1 zeigt eine typische Einteilung von IEEE entsprechend (High Availability (HA)). Tabelle 13.1 – Verfügbarkeitsklassen nach IEEE Verfügbarkeitsklasse Bezeichnung
Verfügbarkeit in Pro- Downtime pro Jahr zent
2
Stabil
99,0
3,7 Tage
3
Verfügbar
99,9
8,8 Stunden
99,99
52,6 Minuten
4
Hochverfügbar
5
Fehlerunempfindlich 99,999
5,3 Minuten
6
Fehlertolerant
99,9999
32 Sekunden
7
Fehlerresistent
99,99999
3 Sekunden
Die angegebene Downtime bezieht sich auf einen 24/7 Betrieb, der in den meisten Fertigungen nicht gefahren wird. In den meisten Fällen kann zumindest mit einem Wartungsfenster, also einem geplanten Produktionsstillstand von der Dauer mindestens einer Schicht am Wochenende gerechnet werden. Zusätzlich ist es üblich, dass ein oder zwei geplante Stillstände von der Dauer mindestens einer Woche pro Jahr hinzukommen (Werksferien). Im Gegensatz zu Internet Diensten, die tatsächlich rund um die Uhr verfügbar sein müssen, reicht es bei Produktionsleitsystemen meist aus, während der Produktionszeiten verfügbar zu sein. Die sich hierdurch ergebenden Wartungsfenster können für administrative Tätigkeiten verwendet werden, wie z.B. für Datensicherungen, Upgrades, Konfigurationsänderungen, Archivierung von Daten, Fehlersuche etc.
Systemverfügbarkeit
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Die Havard Research Group teilt Systeme in ihrer Availability Environment Classification (AEC) in folgende 6 Klassen ein (Hochverfügbarkeit), die in Tabelle 13.2 aufgelistet sind. Tabelle 13.2 – Verfügbarkeitsklassen nach AEC Verfügbarkeitsklasse
Beschreibung
AEC-0: Conventional
Funktion kann unterbrochen werden, Datenintegrität ist nicht essentiell
AEC-1: Highly Reliable
Funktion kann unterbrochen werden, Datenintegrität muss jedoch gewährleistet sein
AEC-2: High Availability
Funktion darf nur innerhalb festgelegter Zeiten bzw. zur Hauptbetriebszeit minimal unterbrochen werden
AEC-3: Fault Resilient
Funktion muss innerhalb festgelegter Zeiten bzw. während der Hauptbetriebszeit ununterbrochen aufrechterhalten werden
AEC-4: Fault Tolerant
Funktion muss ununterbrochen aufrechterhalten werden, 24*7 Betrieb (24 Stunden, 7 Tage die Woche) muss gewährleistet sein
AEC-5: Disaster Tolerant
Funktion muss unter allen Umständen verfügbar sein
Aus der obigen Erläuterung kann also gefolgert werden, dass Produktionsleitsysteme im Regelfall in die Klasse AEC-3 fallen.
13.2.1. Management der Systemverfügbarkeit Die Verfügbarkeit von Produktionsleitsystemen kann nicht pauschal durch Angabe einer Verfügbarkeitsklasse alleine behandelt werden. Ebenso, wie bei Anlagen ein ständiger Verbesserungsprozess und Regelkreise für die sukzessive Verbesserung der Verfügbarkeit eingerichtet werden müssen, sollte ein solcher Prozess auch für die Steuerung der Verfügbarkeit der Produktionsleittechnik existieren. Dieser Prozess läuft in mehreren Schritten ab. Zu Beginn steht eine Anforderungsanalyse. Im Rahmen dieses Schrittes wird gemeinsam mit der Produktion ermittelt, welche Verfügbarkeit angeboten und realisiert werden kann und welche Aufwände dadurch entstehen. Hier stellt sich eine Optimierungsaufgabe, denn die Investitions- und Betriebskosten von Produktionsleitsystemen steigen mit der geforderten Verfügbarkeit. Andererseits führen Stillstände der Produktionsleittechnik zu Produktionsausfällen, die durch Verdienstentgang oder Pönalen ebenfalls Kosten verursachen. Hier gilt es ein Optimum zu finden. In der Praxis werden oft zu wenig Mittel zur Sicherstellung der Verfügbarkeit der Produktionsleittechnik aufgeboten. Dies geht solange gut, bis dann tatsächlich der erste nennenswerte Stillstand eintritt. In vielen Fällen spielt dann Geld keine Rolle mehr. Gute Planung im Vorhinein kann hier Verlusten und bösen Überraschungen vorbeugen.
340
Systemanforderungen
Auf Basis der erfassten Anforderungen und erzielten Vereinbarungen kann nun im nächsten Schritt eine Verfügbarkeitsplanung durchgeführt werden in der das System konkret geplant wird. Hier sind auch die im Betrieb vorhandenen Ressourcen zu berücksichtigen. Besondere Bedeutung hat die Analyse von SPOFs (Single Point of Failure), die zu spezifizieren und wenn immer möglich zu eliminieren sind. Nachdem die Systemauslegung bekannt ist kann nun ein Konzept für Wartung und das Service erstellt werden. Die erforderlichen Wartungsmaßnahmen sind zu beschreiben, wobei sicherzustellen ist, dass die Auswirkungen auf den Betrieb so gering wie möglich gehalten werden. Dies kann man z.B. durch Verlegung der Wartungstätigkeiten auf die produktionsfreie Zeit erreichen. Produktionsleitsysteme basieren meist auf Servern, die in Rechnerräumen verschwinden und somit nicht sichtbar sind. Es ist oft schwierig, Produktionsleitern klar zu machen, dass diese Systeme komplex sind und ebenso wie Anlagen eine regelmäßige Wartung und Instandhaltung erfordern. Im nächsten Schritt ist dann eine Sicherheitsplanung durchzuführen. Hier ist festzuhalten, welche Sicherheitsbestimmungen gelten und welche Maßnahmen gegen Attacken und gegen Missbrauch getroffen werden. Näheres dazu weiter unten. Wenn das System in Betrieb ist, so ist die Verfügbarkeit der Produktionsleittechnik ständig zu messen. Hierfür kommen einerseits automatisierte Werkzeuge (z.B. NetSaint) in Frage, andererseits können Datenbanken des Helpdesks und der Instandhaltung als Basis für die Beurteilung der Systemverfügbarkeit herangezogen werden. Wenn die tatsächlich erzielte Verfügbarkeit nicht den Vorgaben entspricht, oder wenn nennenswerte Verbesserungspotenziale bestehen, die durch eine Berechnung des ROI gedeckt sind, so sind entsprechende Veränderungen vorzunehmen (Hardware, Software, …) und der Prozess beginnt erneut zu laufen.
13.2.2. Fehlerquellen Bei der Planung der Systemverfügbarkeit muss eine gezielte Analyse möglicher Fehlerquellen durchgeführt werden (analog zu FMEA). In Frage kommen Ausfälle der Serverhardware, Ausfälle von Clients, Netzwerkausfälle und Ausfälle anderer angebundener Systeme. Da die Produktionsleittechnik üblicherweise Schnittstellen zu sehr vielen anderen Systemen aufweist, ist diese Analyse meist sehr umfangreich. Weiters sind Softwarefehler, Protokollfehler, Fehlbedienungen (absichtlich oder unabsichtlich), Attacken und mögliche Katastrophen zu betrachten.
Systemverfügbarkeit
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Hardwareausfälle Ausfällen der Hardware und des Netzwerks kann üblicherweise sehr gut durch redundante Auslegung der entsprechenden Komponenten vorgebeugt werden, wie z.B. der Anschaffung hochverfügbarer Switches oder der Einrichtung von Serverclustern. In diesem Bereich gibt es ein breites Angebot verschiedener Hersteller. Einem Datenverlust kann durch die Einführung geeigneter Sicherungsmaßnahmen vorgebeugt werden. Dies beginnt beim Einsatz von RAID-Arrays für Festplatten und geht bis hin zu Datensicherungssystemen, die eine zyklische vollständige oder partielle Sicherung des Systems durchführen. Die Ablage von Daten in einer relationalen Datenbank empfiehlt sich, da hierdurch bei plötzlichen Systemausfällen ein konsistenter Datenbestand gewährleistet wird. Datenbanken arbeiten transaktionsorientiert, was sicherstellt, dass Transaktionen, die vor dem Ausfall nicht fertig gestellt werden konnten, sicher rückgängig gemacht werden. Zusätzlich bringen heute übliche Datenbankserver eine Reihe von Mechanismen zur Herstellung hochverfügbarer Systeme, Datensicherungsverfahren und Überwachungsmöglichkeiten mit.
Ausfälle angebundener Systeme In praktischen Anwendungen von Produktionsleittechniksystemen muss für das ordnungsgemäße Funktionieren der Fertigung eine Reihe von unterschiedlichen Systemen zusammenarbeiten. Beispiele sind: • • • • • • • • • •
ERP System Planungssystem Produktionsleittechnik Message Queue Server Alarmserver und e-Mail Server LDAP, Radius Identifikationssysteme Fördertechnik Lagerverwaltungssysteme Anlagen und Prüfstände
Im Falle einer Fehlfunktion ist es für den Administrator oft schwierig, die Fehlerursache auf den ersten Blick zu erkennen. Für Mitarbeiter in der Fertigung ist dies im Regelfall unmöglich. Viele sogenannte Leittechnikausfälle sind eigentlich auf Fehlern in angebundenen Systemen zurückzuführen. Ebenso wie bei Anlagen ist daher auch für die Produktionsleittechnik eine vollständige Diagnose zu fordern. Es muss für den Administrator sehr schnell möglich sein, Fehlerursachen zu identifizieren und entsprechende Abhilfemaßnahmen ein-
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Systemanforderungen
zuleiten. Hierbei kommt der vorbeugenden Warnung im Falle von Fehlern und der einfach zu verstehenden Darstellung eine besondere Bedeutung zu. Über kurze Zeiträume (mindestens für die Dauer einer Schicht) sind alle Zustände angebundener Systeme und alle Datentransfers lückenlos in der Produktionsleittechnik zu speichern. Speziell während der Inbetriebnahme des Systems ist die Fehlerdiagnose von Bedeutung, da sie hilft Probleme mit angebundenen Systemen schnell zu erkennen. Hiermit werden die Inbetriebnahmezeiten für die Produktionsleittechnik erheblich verkürzt.
Softwarefehler und Fehlbedienungen In vielen Installationen von Produktionsleittechniksystemen wird der Schutz vor dieser Art von Fehlern vernachlässigt. Wenn der Administrator eine Fehlbedingung setzt, wie z.B. drop database Produktionsleittechnik
dann hilft auch das beste Cluster nicht weiter, da solche Kommandos praktisch augenblicklich auf alle Maschinen im Cluster repliziert werden. Auch Komponenten, wie das Betriebssystem, Treiber oder der Datenbankserver selbst könnten Fehler aufweisen, die zu nicht wieder herstellbaren Dateien und somit zu Datenverlusten führen. In der Praxis kann solchen Fehlern nur durch die Einführung von Shadow Servern begegnet werden. Abb. 13.1 zeigt die Struktur.
Abb. 13.1 – Aufbau eines Shadow Servers
Alle serverbasierten Funktionen der Produktionsleittechnik laufen auf einem Cluster aus produktiven Servern ab. Der Cluster ist sinnvoll für den Schutz vor Hardwaredefekten, für Load Balancing und erleichtert die Wartung des Systems,
Systemverfügbarkeit
343
da zumindest temporär ein Server des Clusters für Wartungszwecke abgestellt werden kann. Einmal pro Minute wird am Cluster ein differentielles Backup der Datenbank erzeugt und die Backupdatei wird ohne Zeitverzug auf den Shadow Server kopiert. Am Shadow Server, der exakt die gleiche Hardware und Software Ausstattung besitzt, wie die Server im Cluster, läuft ein Job, welcher die Backups mit einem Zeitverzug in die lokale Kopie der Produktionsleittechnik Datenbank importiert. Wenn nun bedingt durch Bedienerfehler oder Softwarefehler die primären Server ihren Dienst verweigern, so können die Backups, welche am Shadow Server ja bereits vorhanden sind, bis kurz vor den Zeitpunkt des Ausfalls wiederhergestellt werden. Anschließend wird der Shadow Server aktiviert und übernimmt die Rolle des primären Clusters. Der gesamte Prozess zur Aktivierung des Shadow Servers kann mit Hilfe von Skripten automatisiert werden, wird aber grundsätzlich manuell gestartet. Die Einstellung des Zeitverzugs erfolgt immer in Form eines Kompromisses. Je länger der eingestellte Verzug ist, desto länger dauert die Wiederherstellung der Sicherungen bevor der Shadow Server den produktiven Betrieb übernehmen kann und damit der Stillstand der Fertigung. Wenn andererseits der Zeitverzug zu kurz eingestellt wird, so kann es passieren, dass die Probleme, die zum Stillstand des primären Clusters geführt haben, am Shadow Server wiederhergestellt wurden noch bevor der Administrator reagieren konnte.
Attacken und Sabotage Der Schutz vor Attacken und Sabotage ist ein generelles Problem, welches in allen Produktionsanlagen immanent ist. Attacken erfolgen in den seltensten Fällen absichtlich, sondern werden in der Regel durch Viren und Trojaner verursacht, die z.B. von Servicetechnikern oder Programmierern mit ihren Notebooks in die Anlage eingeschleppt werden. Die Netzwerke in den Fertigungsbetrieben sind nach außen hin durch Firewalls und andere gängige Schutzmaßnahmen normalerweise sehr gut abgeschirmt. Angriffe aus dem Internet sind daher eher selten, während Angriffe aus dem eigenen LAN aktuell ein viel größeres Problem darstellen. Grundlage für Sicherheit vor Attacken ist ein professionelles Management der Server und der Netzwerke. Es ist sicherzustellen, dass auf den Servern die aktuellen Patches für Betriebssysteme und aktuelle Virensignaturen installiert sind. Zudem sollten alle Softwarekomponenten und Netzwerkanbindungen, welche für den Betrieb nicht unbedingt erforderlich sind, abgeschaltet werden, um die Angriffsfläche des Systems zu verkleinern. Das Aufsetzen von Sicherheitseinstellungen und eine umfassende Überwachung des Serverbetriebs ist eine Grundvorrausetzung. Die Art des eingesetzten Betriebssystems spielt hinsichtlich der Sicherheit eine nur sehr untergeordnete Rolle. Einerseits sind Unix basierte Systeme schon deshalb eher vor Angriffen gefeit, weil weniger Schadsoftware für diese Systeme im
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Systemanforderungen
Umlauf ist, andererseits ist die Konfiguration und Absicherung dieser Systeme oft so komplex, dass der Administrator durch Fehleinstellungen oft selbst Sicherheitslücken bewirkt. Zur Absicherung gegen Attacken aus dem LAN ist neben der Einrichtung von VLANs auch die Einführung von strikten Richtlinien für die Ankopplung von Rechnern an das LAN erforderlich. Es ist zu fordern, dass alle Rechner zumindest mit Virenscannern und aktuellen Virensignaturen ausgerüstet sind. Dies ist nachzuweisen, bevor ein Rechner mit dem LAN verbunden werden kann. VLANs stellen sicher, dass die Anzahl anderer Netzknoten, die von einem Rechner aus erreichbar sind, möglichst beschränkt bleibt. Viele Anlagen basieren ebenfalls auf PCs. Auch Geräte, wie Roboter, von denen man dies auf den ersten Blick nicht annimmt, verwenden eine PC-Basis. Aus diesem Grund ist es sinnvoll bereits von Beginn des Anlagenaufbaus an strikte Richtlinien durchzusetzen.
Katastrophen Katastrophen können durch vielfältige Einflüsse ausgelöst werden. Beispiele sind Blitzschlag, Brand oder ein Wasserrohrbruch, der den Rechnerraum unter Wasser setzt. Zum Schutz vor solchen Elementarereignissen sollten die Produktionsleittechnik Server im Cluster in verschiedenen Rechnerräumen, welche sich in verschiedenen Gebäuden befinden, untergebracht werden. Für zentrale Netzwerkswitches und andere Komponenten gilt ähnliches. Für erweiterte Sicherheit sollte regelmäßig eine Sicherung des gesamten Systems und Datenbestandes an einem entfernten Ort gebracht und aufbewahrt werden. Eine Reihe von Firmen bieten Dienste zur Aufbewahrung von Daten über lange Zeit an, wobei sogar Sicherheit bei Angriffen mit Atomwaffen besteht.
13.3. Verlässlichkeit Die Verlässlichkeit von Rechnersystemen ist ein Sammelbegriff, der die Eigenschaften Verfügbarkeit, Korrektheit und Robustheit umfasst.
13.3.1. Korrektheit Die Verfügbarkeit des Systems wurde oben bereits erläutert. Korrektheit wird in der theoretischen Informatik als jener Grad bezeichnet, zu dem ein System die vorgegebene Spezifikation erfüllt, wobei keine Rücksicht darauf genommen wird, ob die Spezifikation die zu lösende Aufgabenstellung richtig und vollständig be-
Verlässlichkeit
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schreibt. Aus diesem Grund soll Korrektheit hier in dem Sinne verstanden werden, dass das System der vorgegebenen Aufgabenstellung gerecht werden muss. Vollständige Korrektheit von Systemen kann aus verschiedenen Gründen nicht erreicht werden. Computersysteme basieren immer auf einer Modellierung der Realität. Diese Modellierung ist erforderlich, um die Komplexität auf ein beherrschbares Maß zu reduzieren, indem unwesentliche Aspekte der Realität weggelassen werden. Die Beurteilung, welche Aspekte wesentlich sind oder nicht kann oft nicht auf Basis formaler Methoden vorgenommen werden, sondern basiert auf der subjektiven Beurteilung und Erfahrung der Projektteilnehmer. Hierdurch ergibt sich notwendigerweise eine Unschärfe und eine Fehlerquelle, die sich negativ auf die Korrektheit des Systems auswirkt. Es existieren heute keine praktikablen Entwurfsverfahren, die sicherstellen, dass die vorhandene Spezifikation zu 100% korrekt in der Software abgebildet wird. Entwurfsmethoden und Nachweisverfahren (z.B. Hoare Theorem etc.), die oft bei Softwareprojekten nach Militärstandard eingesetzt werden, sind bei üblichen Projekten für Produktionsleitsysteme weder bezahlbar noch im gegebenen Projektzeitrahmen machbar. Faktum ist, dass kein Softwarehersteller für die 100% Korrektheit seiner Software und für die Fehlerfreiheit seiner Software garantieren kann. Selbst bei Projekten, die nach dem Standard DoD 2167 arbeiten, wird als Ziel keine Fehlerfreiheit, sondern lediglich der Nachweis durch statistische Methoden angestrebt, dass in 1000 Codezeilen weniger als 1 Fehler zu finden ist. Software, die nach diesem Standard entwickelt wird, steuert immerhin Kernwaffen oder Atomkraftwerke. In der Steuersoftware eines modernen Airbus finden sich demnach statistisch gesehen mehr als 1000 Fehler (dies kann alles sein von Schönheitsfehlern bis hin zum Totalabsturz des Systems). Ziel der Bemühungen sollte daher sein, dass das Produktionsleitsystem korrekt genug und damit prinzipiell geeignet ist, um die gegebene Aufgabenstellung zu erfüllen. Um die Korrektheit des Produktionsleitsystems sicherzustellen, sollten einige Punkte beachtet werden. So sollte das System aus kleinen, überschaubaren und interagierenden Komponenten bestehen, welche klar umrissene Aufgaben erfüllen und über eindeutig definierte Schnittstellen miteinander kommunizieren. Neue Technologien, wie XML und Web Services erleichtern die Erstellung solcher kooperativen Systeme. Als Methodik für die Softwareentwicklung hat sich ein evolutionärer Ansatz bewährt, der es ermöglicht, die beteiligten Stellen und die Anwender des Systems frühzeitig in den Prozess der Prüfung und Validierung mit einzubeziehen. Die Systembasis, auf die aufgebaut wird, sollte überlegt gewählt werden. Einfache und weit verbreitete Komponenten sollten bevorzugt werden. Komplexe und spezialisierte Systeme können nur sehr schwer an die konkreten Bedürfnisse angepasst werden, führen zu einer bleibenden Abhängigkeit vom Lieferanten und bedingen hohe Personalaufwände im Betrieb. Die Einführung des Systems und der Rollout sollte schrittweise hinsichtlich Fertigungsbereichen und
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Systemanforderungen
schrittweise hinsichtlich Funktionen erfolgen. Ein Teil nach dem anderen kann einfacher eingeführt und auf Korrektheit verifiziert werden.
13.3.2. Robustheit Robustheit ist die Fähigkeit eines Systems mit unvorhersehbaren und seltener auftretenden Ereignissen in seiner Umwelt umgehen zu können, ohne dass hiervon die korrekte Funktion des Systems negativ beeinflusst wird. Beispiele für solche Ereignisse sind nicht korrekte Datenpakete, die von Anlagen an die Produktionsleittechnik gesendet werden, fehlende Teileinformationen von Anlagen, Fehllesungen von Transpondern oder Barcodes, falsche Eingaben durch Bediener (z.B. Tippfehler bei der Eingabe von Auftragsnummern), Berichte, die sehr aufwändige Abfragen enthalten und so möglicherweise OLTP Tabellen über lange Zeiträume sperren oder unvorhergesehene Verletzungen der Fahrzeugreihenfolge. Diese Aufzählung könnte man sehr lange weiterführen. In jedem Fall ist die Erstellung eines Systems, welches sich korrekt verhält im Falle einer sich korrekt verhaltenden Umwelt meist relativ einfach. Die saubere Behandlung von unvorhergesehenen Ereignissen und damit das Erreichen eines akzeptablen Grades an Robustheit bedürfen hingegen eines beträchtlichen Planungs-, Entwicklungs- und Testaufwands. Die Systemimplementierung muss nach dem Motto vorgehen „Alles was passieren kann passiert auch, auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist“. Deshalb hat die vorbeugende Fehleranalyse (entsprechend der FMEA) eine besondere Bedeutung. Ausgangspunkt für die Analyse ist die funktionelle Beschreibung der in der Produktionsleittechnik zu implementierenden Abläufe. Von dieser ausgehend sind folgende Fragen zu beantworten: • • • • • • •
Wie sieht der korrekte und fehlerfreie Ablauf aus? Welche Einflüsse wirken in welcher Form auf den Ablauf ein? Wie können anormale Einflüsse vom System detektiert werden? Kann das System die Einflüsse automatisch verarbeiten und so trotzdem eine korrekte Funktion sicherstellen? Wenn für die Korrektur ein Handeingriff erforderlich ist, ist zu klären, wer für diesen verantwortlich ist und wie diese Stelle von dem Erfordernis eines Eingriffs in Kenntnis gesetzt wird. Wie kann anschließend der normale Ablauf wieder in Gang gesetzt werden? Muss ein Eingriff in jedem Fall sofort erfolgen, oder gibt es eine Methode, ihn auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, sodass das Problem parallel zur Fortsetzung der Fertigung gelöst werden kann?
Zugriffsschutz
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Die Umsetzung aller Funktionen in der Produktionsleittechnik sollten erst dann in Angriff genommen werden, wenn alle obigen Fragen beantwortet sind. In bestimmten Fällen muss, um die Integrität des gesamten Systems zu garantieren, im Fehlerfall die Produktion angehalten werden, bis ein manueller Eingriff die Fortsetzung ermöglicht. Ein Beispiel ist das Anbringen von Transpondern am Fahrzeug, die zur Fahrzeugidentifikation dienen. Wenn bedingt durch anormale Ereignisse keine eindeutige Zuordnung von Transpondern zu Fahrzeugen möglich ist (z.B. Defekt eines Transponders oder jener Lesestelle, die unmittelbar die Prüfung des Transponders durchführt), so ist das Band anzuhalten, bis der Fehler behoben ist, da ansonsten keine verlässliche Versorgung von Anlagen und Werkern mit Fahrzeuginformationen und keine verlässliche Zuordnung von Fertigungsergebnissen zu Fahrzeugen erfolgen kann. Werkern in der Linie aber auch Produktionsleitern sind derartige Erfordernisse oft nur schwer verständlich zu machen. Aus diesem Grund ist deren frühzeitige Einbindung in die Systemimplementierung besonders wichtig, da dies von Beginn an zu einer höheren Akzeptanz des Systems führt.
13.3.3. Kritikalität Die Kritikalität einer Systemkomponente ist eine Maßzahl für die Schwere der Auswirkungen, die ein Ausfall dieser Komponente zur Folge hat. Einige Komponenten, wie z.B. die Anlagendatenversorgung weisen eine hohe Kritikalität auf und führen bei ihrem Ausfall zu einem sofortigen Stillstand der Fertigung. Der Ausfall anderer Komponenten, wie z.B. dem Berichtsgenerator hat über längere Zeit (einige Stunden) keine negative Auswirkung auf die Produktion, sodass diese eine geringe Kritikalität aufweisen. Alle Funktionen und Systemkomponenten sind hinsichtlich ihrer Kritikalität einzustufen. Dementsprechend können je nach Kritikalität unterschiedliche Methoden für den Systementwurf, die Implementierung und den Test verwendet werden. Diese Analyse hilft, die vorhandenen Mittel zunächst auf die kritischen Bereiche und Aspekte des Systems zu konzentrieren.
13.4. Zugriffsschutz Die Produktionsleittechnik ist kritisch für den Betrieb der Fertigung und speichert eine Menge an sensiblen Daten über den Betrieb (Stückzahlen, Liefergebiete, Qualitätsprobleme etc.). Aus diesem Grund ist sicherzustellen, dass jeder Benutzer nur Zugriff auf jene Daten erhält, die er für seine Arbeit benötigt und dass jeder Benutzer nur jene Bedienhandlungen setzen kann, für die er autorisiert und eingeschult ist.
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Systemanforderungen
13.4.1. SOX Unternehmen, die in den USA an der Börse notiert sind, müssen den SarbanesOxley Act (SOX), welcher am 30. Juli 2002 in Kraft getreten ist, beachten (dies gilt z.B. auch für die Daimler AG). Der Gesetzestext ist unter (The SarbanesOxley Act 2002, 2002) nachzulesen. SOX zielt vor allem auf die Sicherstellung ordnungsgemäßer Geschäftsabschlüsse und Berichte, hat aber auch gravierende Auswirkungen auf die IT-Governance und damit auf die Sicherheitsinfrastrukturen im Unternehmen. Frameworks, wie CoBiT (Control Objectives for Information and Related Technology) für die Umsetzung der IT-Governance gewinnen an Bedeutung. Weitere Informationen finden sich in (ISACA, 2008). Eine Forderung an Produktionsleitsysteme muss heute also sein, dass sie der ISO / IEC 27002 „ITSicherheitsverfahren - Leitfaden für das Informationssicherheits-Management“ entsprechen. Informationen zu diesem Standard finden sich in (D&S Associates, 2008). Besonders wichtig ist der Abschnitt „ISO/IEC 27013: Guidelines for Manufacturing“.
13.4.2. Authentifizierung Die Basis für den Zugriffsschutz auf Daten und Funktionen in der Produktionsleittechnik stellt die Authentifizierung von Benutzer dar. Jeder Benutzer muss sich, bevor er die Produktionsleittechnik verwenden kann, gegenüber dem System ausweisen. Die Authentifizierung stellt sicher, dass Benutzer auch tatsächlich jene Personen oder angebundenen Systeme sind, die sie vorgeben zu sein. Die Authentifizierung von Benutzern kann auf verschiedene Art erfolgen (Smartcards, Fingerabdruckleser, sowie Erkennung anderer biometrischer Merkmale). In Produktionsleitsystemen ist nach wie vor die klassische Methode der Authentifizierung mittels Passwort üblich. Diese Methode wird ohne Zusatzaufwand von verschiedenen Plattformen unterstützt und ist bei Einhaltung von Regeln, die eine minimale Sicherheit von Passwörtern garantieren, ausreichend sicher. Heute haben sich in der Fertigung Windows-basierte PCs als Clients weitgehend durchgesetzt. VT 100 Terminals oder ähnliche Endgeräte finden sich nur mehr in Ausnahmefällen. Bei Windows PCs hat es sich bewährt, beim Start des Rechners eine automatische Anmeldung mit einem Standardbenutzerzugang einzurichten, der über möglichst eingeschränkte Rechte verfügt, sodass praktisch nur der Client der Produktionsleittechnik gestartet werden kann. In vielen Fällen ist zusätzlich noch ein Zugang zu ausgewählten Intranet Sites erforderlich. Auf jeden Fall sollte der Zugriff auf Laufwerke wie CD-ROM oder Floppy verhindert werden. Ein Problem stellt die Sperrung des Zugriffs auf USB Laufwerke dar. Zusätz-
Zugriffsschutz
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lich sollte es nicht möglich sein, Daten, die lokal am PC gespeichert sind, zu verändern. Die eigentliche Anmeldung eines Benutzers erfolgt erst in der Client Applikation der Produktionsleittechnik. Dies hat den Vorteil, dass die eigentliche Anmeldeprozedur wesentlich schneller abgewickelt werden kann, als wenn sich ein Benutzer bei Windows ab- und wieder anmelden muss. Zudem können sich mehrere Benutzer an einem PC gleichzeitig anmelden, wenn mehrere Instanzen der Client Applikation gestartet werden. Dies ist besonders im Falle von Problembehebungen von Vorteil, da der Administrator vor Ort schnell auf das System zugreifen kann, ohne aufwändige und zeitraubende Anmeldeprozeduren. Da Benutzer sich üblicherweise nur einmal bei Schichtbeginn beim System anmelden und dann während der gesamten Arbeitszeit online bleiben, kann eine absichtliche oder unabsichtliche Fehlbedienung nicht ausgeschlossen werden. Für das Abzeichnen von Checklisten etc. sollte der Benutzer daher die Möglichkeit erhalten, ein Kurzzeichen (ähnlich einer Paraphe) anzugeben, mit dem er fortan seine Eingaben bestätigt. Für Benutzer in speziellen Bereichen wie z.B. der Nacharbeit sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die Clients temporär zu sperren ohne dass eine Abmeldung und ein erneutes Anmelden erforderlich sind. Maßnahmen zur Authentifizierung von Benutzern und zum Zugriffsschutz sind immer mit Aufwand seitens der Benutzer verbunden. Es sollte daher ein Kompromiss zwischen Sicherheit der Authentifizierung und Aufwand seitens der Benutzer gefunden werden, sodass es zu keinen negativen Effekten hinsichtlich Systemakzeptanz kommt. Die Benutzer wollen das System als Werkzeug verwenden, um Fahrzeuge zu fertigen, daher sollte es so einfach und schnell wie möglich zu verwenden sein. Im Zuge der Systemeinführung sollte ein Schulungsprogramm, welches Themen des Zugriffschutzes und der Systemsicherheit behandelt entwickelt und durchgeführt werden.
13.4.3. Benutzerverwaltung Die Benutzerverwaltung kann in größeren Produktionsbetrieben schnell zu einer nicht zu unterschätzenden Aufgabe werden. Viele Betriebe stellen zudem Leiharbeitskräfte ein, um temporär Spitzen in der Nachfrage abzudecken, sodass sich häufig nicht nur eine nennenswerte Anzahl sondern auch eine hohe Fluktuation an Benutzern ergibt. Als weitere Komplikation kommt hinzu, dass Benutzer oft Zugänge zu mehreren unterschiedlichen Systemen neben der Produktionsleittechnik benötigen. Dies trifft vor allen auf Personal in den Büros (Instandhaltung, Qualitätswesen, Planung etc.) zu. Aus diesen Gründen empfiehlt sich eine zentrale Benutzerverwaltung, die z.B. mit dem HR System gekoppelt sein kann und die zentrale Dienste für die Authentifizierung und Rechtevergabe zur Verfügung stellt, die von allen Systemen im Produktionsumfeld verwendet werden. In Frage kommen für diesen zentralen
350
Systemanforderungen
Dienst LDAP Server oder Radius Systeme. Damit die zentrale Benutzerverwaltung keinen SPOF darstellt, sollte jedes angebundene System in der Lage sein, Benutzerinformationen in einem lokalen Cache zu halten. Wenn die zentrale Benutzerverwaltung temporär nicht erreichbar ist, so können Benutzer an Hand der Informationen, die im lokalen Cache vorliegen authentifiziert werden. Die Vergabe von Benutzerrechten an authentifizierte Benutzer sollte in einem zweistufigen Prozess organisiert werden. In der zentralen Benutzerverwaltung werden Benutzerrollen hinterlegt, die einem Benutzer zugeordnet werden (z.B. Werker, Teamleader, Nacharbeiter, Planer, Schrauberwart usw.). Jedem Benutzer werden eine oder mehrere Benutzerrollen zugeordnet. Bei dieser Zuordnung sollte sich auch der Ausbildungsstand des Benutzers wiederspiegeln. Wenn Benutzer bestimmte Kurse besucht haben, so können ihnen zusätzliche Rechte zugewiesen werden, die neue Benutzer noch nicht erhalten. In der Produktionsleittechnik wird hinterlegt, welche Benutzerrechte welcher Benutzerrolle zugewiesen werden. Während Benutzerrollen allgemeine Bedeutung besitzen, sind die Benutzerrechte sehr systemspezifisch und daher kaum in einer zentralen Verwaltungsinstanz zu fassen. Je feiner abgestuft das System an Benutzerrechten ist, desto besser können die Benutzerrollen an die organisatorischen Gegebenheiten im Werk angepasst werden. Um die Verwendung des Systems zu vereinfachen, sollte jeder Benutzer nur jene Elemente zu sehen bekommen, auf die er tatsächlich zugreifen darf. Menüpunkte, die für den Benutzer nicht zur Verfügung stehen, sollten nicht grau sondern besser gar nicht angezeigt werden. Ebenso sind Informationen, die für den Benutzer nicht relevant sind, auszublenden. Dies bedeutet, dass Bildschirmmasken in vielen Fällen abhängig von den Benutzerrechten zu gestalten sind. Benutzer haben unterschiedliche Vorlieben und Bedürfnisse. Aus diesem Grund sollte die Möglichkeit bestehen, die Bildschirmmasken in einem sinnvollen Rahmen zu personalisieren. Die Informationen zu personalisierten Einstellungen sind spezifisch für jeden Benutzer zu speichern. Eine zu große Freiheit bei der Personalisierung von Masken sollte jedoch vermieden werden, da sonst Probleme z.B. beim Helpdesk entstehen können, wenn sich Servicemitarbeiter in den personalisierten Masken des Anwenders nicht mehr zurechtfinden.
13.5. Nachvollziehbarkeit Eine der hauptsächlichen Motivationen für die Einführung von Produktionsleitsystemen ist das Erfordernis, die Produktion nachvollziehbar zu gestalten. Dieser Forderung kann das System nur dann gerecht werden, wenn es selbst nachvollziehbar gestaltet ist. Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass alle Bedienhandlungen und Datenflüsse in und aus dem System vollständig zu dokumentieren sind. Man muss also im Nachhinein die Frage beantworten können wer wann wo welche Be-
Datensicherheit
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dienhandlung gesetzt hat bzw. welche Daten von welchem System wann an die Produktionsleittechnik gesendet wurden. Weiters muss nachvollziehbar sein, welche Daten, die in der Produktionsleittechnik gespeichert sind in welcher Weise durch diese Bedienhandlung verändert wurden und welche weiteren Funktionen und Reaktionen durch diese Bedienhandlung ausgelöst wurden. Nachvollziehbarkeit kann auf zwei verschiedene Arten hergestellt werden, nämlich dem Speichern detaillierter Information in Log Dateien, in denen alle Prozeduraufrufe und alle Datenänderungen mitsamt Kontext festgehalten werden und dem Speichern der Datenänderungen mit Benutzerkontext, wobei die internen Abläufe als implizit nachvollziehbar angenommen werden und daher nicht gespeichert werden müssen. Das Speichern detaillierter Informationen in Log Dateien ist für das Auffinden von Fehlern im System sehr hilfreich und daher in jedem Fall erforderlich. Da die hierbei anfallende Datenmenge jedoch enorm ist, können solche Logs nur für eine beschränkte Zeit abgelegt werden (Schichtweise bis Wochenweise). Anschließend müssen alte Daten aus den Log Dateien gelöscht werden. Wenn das System und seine Funktion ausreichend verifiziert sind, so kann man bei Daten, die langfristig gespeichert werden, eine implizite Nachvollziehbarkeit annehmen. Wichtig ist der Hinweis, dass ein System von Beginn an auf Nachvollziehbarkeit hin entworfen werden muss. Die Bordmittel aktueller Datenbanken oder Betriebssysteme reichen in funktioneller Hinsicht für diese Aufgabe nicht aus, da sie naturgemäß keine Informationen über die Abläufe im Produktionsleitsystem und den angebundenen Systemen besitzen können. Logs, die alle Datenänderungen aufzeichnen, ohne zusätzlich Information über Abläufe und Kontext bereitzustellen, sind in der Praxis wenig hilfreich. Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass eine klare und logisch strukturierte Benutzeroberfläche das System auch für den Benutzer nachvollziehbar macht.
13.6. Datensicherheit Die Produktionsleittechnik erfasst und speichert die gesamte Produktionsgeschichte aller Fahrzeuge. Diese Daten, insbesondere jener Teilbereich, der dokumentationspflichtig ist, darf unter keinen Umständen verloren gehen. Die Herstellung der Datensicherheit zerfällt in die Teilaufgaben Datensicherheit für aktuelle Produktionsdaten im OLTP System (Online Transaction Processing) und Datensicherheit für historische Daten, wobei zu beachten ist, dass oftmals eine Langzeitarchivierung von Produktionsdaten über bis zu 15 Jahre gefordert wird.
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Systemanforderungen
13.6.1. Datensicherheit im OLTP System Alle Maßnahmen, die oben bereits beschrieben wurden und dazu dienen, die erforderliche Verfügbarkeit des Produktionsleitsystems zu garantieren, helfen auch der Datensicherheit. Im OLTP System können verschiedene Arten von Daten unterschieden werden, nämlich Programme, Berichte und Webseiten, Konfigurationsdaten in der Datenbank, Online Daten, die den Status der aktuellen Produktion beschreiben sowie Logs und Aufzeichnungen für die Fehlersuche. Programme und Konfigurationsdaten ändern sich im Normalfall nur im Rahmen eines Releasewechsels. Diese Daten können durch Erstellen einer Sicherung nach dem Einspielen der Änderungen zuverlässig gesichert werden. Während Logs im Normalfall keiner besonderen Sicherungsmaßnahme bedürfen, ist das Sichern der Produktionsdaten aufgrund ihrer hohen Volatilität ein Problem. Das Durchführen von Sicherungsaktivitäten im Betrieb wird von allen gängigen Datenbanksystemen unterstützt, hat jedoch negative Auswirkungen auf die Performance. In einigen Fällen werden Antwortzeiten vom Produktionsleitsystem gefordert, die innerhalb sehr enger Toleranzen liegen. Die Einhaltung dieser Zeiten wird durch Sicherungsaktivitäten in Frage gestellt. Das Durchführen von Sicherungen in der produktionsfreien Zeit (z.B. in der Pause) macht wenig Sinn, da die Daten sehr schnell veränderlich sind und daher im Fehlerfall ein Rückgriff auf die letzte Sicherung wenig sinnvoll ist. Die Einführung eines Shadow Servers, wie oben beschrieben bringt eine recht gute Lösung für dieses Problem, da die Synchronisation im Prinzip nichts anderes darstellt, als eine laufende Sicherung des Systems.
13.6.2. Datensicherheit für historische Daten Die Speicherung von historischen Daten über längere Zeiträume sollte nicht im OLTP System der Produktionsleittechnik erfolgen. Dies verbietet sich, da die in der Langzeitablage anfallende Datenmenge sehr hoch ist und Zugriffe auf die Daten die Performance des OLTP Systems negativ beeinflussen würden. Ein zusätzliches Problem ist, dass die Abfragen, die Berichten in der Langzeitablage zugrunde liegen oft sehr umfangreich und komplex sind. Die sich hierdurch ergebende lange Laufzeit mit den erforderlichen Sperren auf Daten verlängert wiederum die Antwortzeiten des Systems erheblich. Die Langzeitablage sollte in einem separaten System, einem so genannten Data Warehouse erfolgen. Das Data Warehouse ist eine Datenbank, in die zeitnah Produktionsdaten vom OLTP System übernommen werden. Da aus dieser Datenbank heraus lediglich Berichte generiert werden, für die keine besonderen Zeitvorgaben existieren, stellen länger laufende Abfragen kein Problem dar.
Zeitverhalten
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Die Methode, mittels derer Daten aus dem OLTP System in das Data Warehouse übertragen werden, ist abhängig von der eingesetzten Datenbank, da in diesem Bereich die vorhandenen Funktionen und die Philosophien stark auseinander laufen. Wichtig ist, sicherzustellen, dass der Transfer von Daten in das Data Warehouse sicher ist, das heißt, dass keine Daten verloren gehen und dass die Performance des OLTP Systems nicht negativ beeinflusst wird. Da für das Data Warehouse keine besonderen Vorgaben hinsichtlich Antwortzeiten existieren, kann diese Datenbank zyklisch mit den üblichen Bordmitteln, die Datenbankserver mitbringen, gesichert werden. Wichtig ist, sicherzustellen, dass Daten aus dem OLTP System erst dann gelöscht werden, wenn diese zumindest einmal aus dem Data Warehouse heraus gesichert wurden.
13.6.3. Datenarchivierung Je älter Produktionsdaten sind, desto längere Wartezeiten für den Zugriff auf diese Daten sind akzeptabel. Wenn z.B. eine Anfrage (Produkthaftung etc.) für ein Fahrzeug eintrifft, welches die Produktion vor zwei Jahren verlassen hat, so ist der Kunde im Regelfall bereit, eine Wartezeit von 24 Stunden auf sich zu nehmen. Es ist daher nicht erforderlich, Produktionsdaten für 15 Jahre online im Data Warehouse zu halten. Oft reicht dort eine Rückschau von einem Jahr oder weniger aus. Daten, die älter sind, als diese Zeitspanne, können aus dem Data Warehouse entfernt und in ein Archiv überspielt werden. Sollten die Daten später wieder benötigt werden, so müssen sie zunächst vom Archiv in das Data Warehouse zurück kopiert werden, bevor ein Zugriff möglich ist. Lösungen für die Datenarchivierung können je nach Umfang der Fertigung sehr unterschiedlich ausfallen. Bei kleinen Systemen sollte das OLTP System die Möglichkeit mitbringen, Daten monatsweise oder Wochenweise in Archivdatenbanken zu kopieren, die dann auf übliche Weise gesichert werden. Bei größeren Datenmengen muss die Archivierung genauer geplant werden. Eine Reihe von Herstellern bietet Lösungen für die Langzeitarchivierung von Daten in Data Warehouses an. Die Auswahl eines Systems ist vor allem auf Basis der vorhandenen IT Ressourcen zu treffen.
13.7. Zeitverhalten Das Zeitverhalten der Produktionsleittechnik ist ein wesentliches Kriterium für den Entwurf und Betrieb des Systems, da Antwortzeiten teilweise direkt in die Taktzeit der Fertigung eingehen. Dies ist z.B. beim Lesen von Transpondern, beim Starten des Bearbeitungszyklus von automatischen Produktionsanlagen, die selbst keine Takterkennung besitzen (z.B. handgeführte EC-Schrauber), beim Aufruf der
354
Systemanforderungen
Abnahmemaske für das nächste Fahrzeug auf manuellen Arbeitsstationen oder bei der Anzeige von Werkerinformationen für ein Fahrzeug der Fall. In vielen Fällen ist nicht unbedingt die möglichst schnelle Reaktion auf Ereignisse, wie Taktwechsel von Bedeutung, sondern das Einhalten einer möglichst konstanten Reaktionszeit. Wenn z.B. Daten für Handschrauber zu sehr unterschiedlichen Zeiten eintreffen, so werden die Werker in ihrem Arbeitsfluss gestört, was sich in Stress und damit in einer Verschlechterung der Qualität auswirken kann. In der Produktionsleittechnik existiert zusätzlich eine Menge weiterer Abläufe, die nicht zeitkritisch sind. Es ist wichtig, bereits in frühen Phasen der Systemplanung zu verstehen, welche Abläufe welchen Zeitvorgaben unterliegen.
13.7.1. Meldepipelines Wenn Produktionsleitsysteme auf Basis von relationalen Datenbankservern aufgebaut werden, so ergibt sich grundsätzlich das Problem, dass diese Systeme auf maximalen Durchsatz an Daten, nicht aber auf das Zeitverhalten optimiert sind. Beim Entwurf ist auch der zeitliche Einfluss von Wartezeiten, die durch Sperren in der Datenbank entstehen, zu berücksichtigen. Eine sehr gute Möglichkeit zur Implementierung eines brauchbaren weichen Echtzeitverhaltens ist die Einführung von Pipelines, in denen von außen kommende Meldungen verarbeitet werden. Abb. 13.2 zeigt ein Beispiel einer Meldepipeline für die Verarbeitung von Stationsmeldungen des Standardmodells.
Abb. 13.2 – Meldepipeline
Wartbarkeit
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Wenn Meldungen von Stationen eintreffen, so werden diese in einer Meldepipeline, die aus einer Reihe von Warteschlangen besteht, gespeichert. Jobs holen die Meldungen aus ihrer zugeordneten Warteschlange, führen die ihnen zugewiesenen Operationen aus und stellen die Meldungen in die nächste Warteschlange der Pipeline. Beginnend mit den zeitkritischen Aufgaben werden die Operationen immer unkritischer, solange bis die Meldungen vollständig bearbeitet sind. Ein Prozess, welcher die Pipeline überwacht und verwaltet, kann z.B. dann eingreifen, wenn die Länge einer kritischen Warteschlange einen bestimmten Schwellwert überschreitet und z.B. die dahinter liegenden Prozesse temporär anhalten, um so Ressourcen für zeitkritische Aufgaben freizumachen. Die Einführung solcher Meldepipelines setzt ein normalisiertes Datenmodell voraus, welches sicherstellt, dass Prozesse mit geringer Kritikalität keine Prozesse höherer Kritikalität z.B. durch Sperren behindern können. Die Produktionsleittechnik sollte Mittel bereitstellen (z.B. Trendanzeigen), welche die Überwachung der Längen der Meldepipelines und der einzelnen Warteschlangen ermöglichen. Zusammen mit der Überwachung der Rechnerauslastung gibt dies ein sehr gutes Bild der Performance des Produktionsleitsystems. Auch eine Alarmierung bei Überschreitung von Schranken sollte eingerichtet werden.
13.8. Wartbarkeit Die Wartbarkeit von Softwaresystemen beschreibt, mit welcher Qualität sich Änderungen am System durchführen lassen. Der Begriff der Qualität ist allerdings je nach Standpunkt und System durchaus in verschiedener Art und Weise zu verstehen. Weiter unten werden der Betrieb von Produktionsleitsystemen und Verfahren für die Wartung eingehender beschrieben. An dieser Stelle sollen die wichtigsten Erfordernisse seitens des Systems kurz beschrieben werden. Änderungen am Produktionsleitsystem werden im Zuge zweier Prozesse durchgeführt: • •
Incident Management – Reaktion auf und Beseitigung von akuten Problemen im System Change Management – Durchführen von geplanten Änderungen
Möglichkeiten zur Gestaltung dieser Prozesse werden weiter unten besprochen.
356
Systemanforderungen
13.8.1. Incident Management Wenn Probleme in der Produktionsleittechnik manifest werden, die im schlimmsten Fall einen Stillstand oder teilweisen Stillstand der Fertigung zu Folge haben, dann muss so schnell wie möglich eingegriffen und der normale Betrieb wieder hergestellt werden. Das System muss diese Tätigkeit so gut wie möglich unterstützen, indem folgende Forderungen erfüllt werden: Die vollständige Nachvollziehbarkeit des Systems muss gegeben sein. Logs müssen detaillierte Auskünfte über den Zustand des Systems geben, wobei der Zugriff auf die Logs und deren Auswertung so einfach wie möglich sein soll. Änderungen an Teilen des Systems müssen so weit wie möglich während des Betriebs durchführbar sein. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass temporäre Fehlerbehebungen vorgenommen werden können. Wo immer möglich sollten Indikatoren bereits rechtzeitig vor Eintritt akuter Probleme warnen, sodass eine Korrektur möglich ist, noch bevor die Probleme in der Fertigung manifest werden. Eine Überwachung und Alarmierung im Falle von zu hohen Ständen in Warteschlangen, Überlauf von Logs, Speicherbelegung, CPU Auslastung, Schnittstellenproblemen usw. hilft bei der vorzeitigen Erkennung von Problemen. Das System muss so dokumentiert sein und die Kodierrichtlinien müssen soweit Klarheit schaffen, dass Problemfelder schnell aufgefunden werden können und Verwechslungen möglichst ausgeschlossen werden. Ein modularer Aufbau des Systems erleichtert nicht nur die Implementierung und den Test, sondern auch die Fehlersuche und Korrektur im Notfall. Änderungen müssen sofort an allen Clients der Produktionsleittechnik sichtbar sein, ohne dass ein aufwändiges Rollout erforderlich ist. Das System muss eine Logbuchfunktion anbieten, in der alle am System vorgenommenen Änderungen im Zuge des Incident Management dokumentiert werden. Es sollte auch möglich sein, auf schnelle Weise alle Änderungen zum letzten offiziellen Softwarestand abzufragen. Während der Einführung des Systems ist ein Katalog von Verfahren für den Notfallsbetrieb zu erarbeiten, die dann greifen, wenn Teile des Produktionsleitsystems temporär nicht zur Verfügung stehen. Dies hilft einerseits, den Betrieb auch im Fall von Problemen in der Produktionsleittechnik oder in angebundenen Systemen aufrecht zu erhalten, andererseits schafft dies dem Servicepersonal den erforderlichen Freiraum für die Diagnose und Behebung von Fehlern.
13.8.2. Change Management Unter dem Begriff des Change Management werden alle Aktivitäten zusammengefasst, die zu geplanten Änderungen am Produktionsleitsystem führen. Möglich-
Weitere Anforderungen
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keiten für die Gestaltung dieses Prozesses werden weiter unten beschrieben. Das Produktionsleitsystem sollte zur Unterstützung dieses Prozesses folgende Eigenschaften bereitstellen: • •
• •
Die Entwicklungsumgebung sollte Funktionen für das Konfigurationsmanagement und für die Versionsverwaltung mitbringen. Für den funktionellen Test von Änderungen sollte ein zweistufiger Prozess implementierbar sein. Dies bedeutet, dass Änderungen zunächst auf einer Testplattform implementiert und getestet werden, bevor sie auf der Produktivplattform zum Einsatz kommen. Die Testplattform sollte soweit wie möglich die gleiche Hardware- und Softwareausstattung besitzen, wie die produktive Umgebung. Das System sollte eine Änderungshistorie unterstützen, in der die mit der Zeit durchgeführten Änderungen nachvollziehbar sind. Ein Planungswerkzeug ist erforderlich, in dem geplante Änderungen verwaltet werden. Dies betrifft auch deren Spezifikation, Freigabe und Terminierung.
Viele IT Spezialisten werden nun einwenden, dass an dieser Stelle ein Vermerk auf das Release Management fehlt. Dieser Prozess ist beim Hersteller des Produktionsleitsystems wesentlich, wo eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems stattfindet. In der Fabrik wird dieser Prozess nicht benötigt. Anlagen haben heute eine Lebensdauer von etwa 7 Jahren (Tendenz fallend mit Ausnahme des Motorenbaus, wo Anlagen generell länger genutzt werden). Ebenso, wie Anlagen am Ende ihrer Lebensdauer abgebaut und neu errichtet werden, sollte dies nach Meinung des Autors auch für Produktionsleitsysteme gelten. Dies bedeutet nicht, dass alles Wissen verworfen wird, aber wenn eine Neuanlage errichtet wird, so sollte auch die Produktionsleittechnik (Hardware, Betriebssystem und Software) neu errichtet werden. Hiermit wird die Übernahme und Pflege von Altlasten verhindert, was durch einen etwas höheren Aufwand bei der Neuerrichtung des Systems erkauft wird.
13.9. Weitere Anforderungen
13.9.1. Dokumentation Für ein Produktionsleitsystem sind unterschiedliche Arten von Dokumentationen zu erstellen, die sich an verschiedene Zielgruppen richten. Diese sind in Tabelle 13.3 aufgelistet.
358
Systemanforderungen
Tabelle 13.3 – Dokumentation zum Produktionsleitsystem Dokument
Beschreibung
Entwicklerdokumentation im Programmcode
Hierfür sind konkrete Richtlinien auszuarbeiten, die vorgeben, welchen Inhalt die Dokumentation hat und wie sie zu formatieren ist. Die Sprache der Dokumentation im Code sollte Englisch sein. Systemdokumentation Dies umfasst die Beschreibung der Systemstruktur und der einzelnen Komponenten. Alle Funktionen und vor allen alle Abläufe sind in Diagrammen festzuhalten. Die Schnittstellen zu anderen Systemen sind detailliert zu dokumentieren. Dokumentation des KonfigurationsmanageDiese Dokumentation besteht hauptsächlich aus ments der CMDB und den Dokumentationen zu Releases. Qualitätsdokumente und QualitätsaufzeichHierzu zählen neben Testplänen und Testergebnungen nissen natürlich auch das Lastenheft und das Pflichtenheft mit Hinweisen auf Abweichungen. Dokumentation aller zugekauften Komponenten Benutzerhandbücher, Installationsanleitungen, Administrationshandbücher Systemübersicht Systemübersicht für Anwender inklusive einer grundlegenden Einführung Benutzerhandbuch Benutzerhandbuch, welches alle Bildschirmmasken und deren Bedienung beschreibt Dokumentation für Anlagenhersteller Testkit und Dokumentation für Anlagenhersteller, welche ihre Anlagen an das Produktionsleitsystem anbinden müssen Notfallshandbuch Notfallshandbuch, welches alle Notfallsmaßnahmen beschreibt. Hier ist festzuhalten, wie das Problem, für das die jeweilige Notfallsmaßnahme bereitsteht zu erkennen ist, wer die Einleitung von Notfallsmaßnahmen anordnet und wie diese durchzuführen sind. Auch ist festzuhalten, wie wiederum der Übergang zum Normalbetrieb erfolgt. Administratorhandbuch Dieses Dokument beschreibt alle Tätigkeiten, die vom Administrator des Systems auszuführen sind, also z.B. die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen, die Systemüberwachung etc.
Die Dokumentation des Systems sollte auf einfache Weise aus dem Client der Produktionsleittechnik heraus abgerufen werden können. Auch eine Suchfunktion sollte bereitstehen, die das schnelle Auffinden von Themen ermöglicht. Die Art und der Umfang der gezeigten Dokumentation sollten abhängig sein von den Rollen, die einem Benutzer zugewiesen wurden. Ein Mitarbeiter am Band wird normalerweise mit der Systemdokumentation sehr wenig anzufangen wissen, sondern eher einen schnellen Zugriff auf die Beschreibung z.B. einer Abnahmemaske wünschen.
Weitere Anforderungen
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Die Dokumentation sollte zusätzlich um ein Forum ergänzt werden, in welchem Benutzer Themen, Methoden und Erkenntnisse rund um die Produktionsleittechnik festhalten können. Dieses Forum wird, wenn es konsequent genutzt wird, mit der Zeit zu einer wichtigen Wissensbasis heranwachsen, welche als Grundlage für die Planung weiterer Verbesserungen am System herangezogen werden kann.
13.9.2. Sprachen Praktisch alle bedeutenden Automobilhersteller und Zulieferer unterhalten Fertigungsstätten in mehreren Ländern und Kontinenten. Wie bereits oben erläutert hält der Trend zu weiterer Dezentralisierung und Internationalisierung der Fertigung an. Dem müssen auch Produktionsleitsysteme Rechnung tragen, indem sie eine ausreichende Unterstützung für verschiedene Sprachen anbieten. In partikularistisch geprägten Kulturen, wie z.B. in den USA wird die Bedeutung von Fremdsprachen gerne unterschätzt. Man kann jedoch von Werkern am Band nicht automatisch erwarten, dass sie einer Fremdsprache mächtig sind. Fehlende Unterstützung für Fremdsprachen wirkt sich nachweisbar auf Schulungsaufwände und auf die Fahrzeugqualität aus. Der gesamte Code und die Entwicklungsdokumentation sollten in Englisch verfasst sein. Für diesen Bereich ist Mehrsprachigkeit nicht erforderlich, da man davon ausgehen kann, dass Programmierer und Informatikpersonal mit Unterlagen in Englisch umgehen können. Die Benutzeroberfläche sollte die einfache Implementierung verschiedener Sprachen unterstützen, zu denen auch Sprachen, die den Unicode Zeichensatz erfordern, wie z.B. Chinesisch gehören sollten. Wenn neue Sprachen unterstützt werden müssen, so sollten alle sprachspezifischen Ressourcen zusammengefasst und gut gekapselt sein, sodass ein Übersetzer ohne Eingriffe in das Gesamtsystem und ohne tiefgehende Programmierkenntnisse seine Arbeit verrichten kann. Ein besonderes Problem bei der Umsetzung neuer Sprachen stellen Objekte in der Datenbank der Produktionsleittechnik dar. Z.B: wird für ein Fahrzeug eine auftragsspezifische Materialliste gespeichert. Die Bezeichnungen für Material werden zusammen mit den Materialnummern vom ERP System übernommen, sodass dieses ebenfalls die neue Sprache unterstützen muss. Dies ist oftmals ein Problem, wenn die Fahrzeugentwicklung z.B. in Deutschland, das Werk aber in China angesiedelt ist. Meist ist hier der einzige Ausweg, in der Produktionsleittechnik eine Übersetzungstabelle zu verwalten. Dies erlaubt die Anzeige fremdsprachiger Bezeichnungen, muss allerdings bei Umstellungen in der Materialliste ebenfalls adaptiert werden. In vielen Fällen macht auch die gleichzeitige Unterstützung mehrerer Sprachen mit online Umschaltung Sinn. Der Benutzer kann z.B. die Sprache zwischen Deutsch, Englisch und Chinesisch umschalten. Die letzte Einstellung wird zusammen mit der Personalisierungsinformation des Benutzers gespeichert, sodass
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Systemanforderungen
dieser bei einer neuen Anmeldung automatisch seine gewünschte Sprache präsentiert bekommt.
13.9.3. Schulung Während der Einführung der Produktionsleittechnik aber auch während des Betriebs sind verschiedene Benutzerkreise auf den Einsatz der Produktionsleittechnik zu schulen. Es ist wichtig, dass auch Werker am Band zumindest in groben Zügen verstehen, welche Funktionen die Produktionsleittechnik auf welche Weise implementiert. Näheres zu Schulungen folgt weiter unten. Hier sollen kurz die Anforderungen an das System bezüglich Schulungen aufgelistet werden. Für das Produktionsleitsystem sollte eine Schulungsplattform zur Verfügung stehen, auf der alle Abläufe trainiert werden können, ohne dass die Funktion des Produktivsystems hierdurch beeinträchtigt wird. Diese Plattform kann für die Schulung von Anwendern verwendet werden, die hiermit den Umfang mit den wichtigsten Bildschirmmasken erlernen können. Auch Administratoren profitieren von dieser Plattform, da auf einfache Weise Fehlersituationen nachgestellt und deren Diagnose und Lösung trainiert werden kann. Dies ist ganz ähnlich zu Flugsimulatoren, wie sie in der Luftfahrt seit Jahren üblich sind. Feuerwehren halten regelmäßig Brandschutzübungen ab, um die Vorgangsweisen im Notfall zu trainieren. Auch in der Fertigung sollten die Notfallsmaßnahmen regelmäßig trainiert werden, da ansonsten im Ernstfall Probleme auftreten können, wenn die Mitarbeiter nicht Bescheid wissen. Für das System sollten Schulungsunterlagen bereitstehen, die auf die verschiedenen Zielgruppen ausgerichtet sind (Administrator, Instandhalter, Planer, Werker, Teamleader usw.). Diese Unterlagen sollten in Form von Präsentationen und detaillierten Anleitungen für Übungen bereit stehen. In den Betrieben ist es üblich, dass alle Mitarbeiter Schulungen absolvieren müssen, in denen ihnen die Grundlagen des Produktionssystems vermittelt werden. Ein Teil dieser Schulungen sollte dem Produktionsleitsystem gewidmet sein. Die Schulungsunterlagen sollten auch online im System zur Verfügung stehen. Ein einfacher Abruf aus dem Client der Produktionsleittechnik sollte möglich sein.
14. Implementierung von Produktionsleitsystemen In diesem Abschnitt werden einige grundlegende Überlegungen zur Organisation von Projekten zur Einführung von Produktionsleitsystemen in Fertigungsbetrieben erläutert. Zunächst werden die Aufgaben im Einführungsprojekt umrissen. Es folgen Überlegungen zum Projektablauf, der notwendigerweise mit dem Ablauf des gesamten Aufbauprojekts eines Automobilwerks verbunden ist. Weiters werden Hinweise zur Projektorganisation sowie zum Konfigurationsmanagement, zum Qualitätsmanagement und zum Projektmanagement gegeben.
14.1. Das Einführungsprojekt
14.1.1. Aufgaben im Einführungsprojekt Die Implementierung von Produktionsleitsystemen erfolgt immer im Rahmen eines Einführungsprojekts, welches Teil des Gesamtfahrzeugprojekts ist. Abb. 14.1 zeigt die typischen Aufwände im Einführungsprojekt. Projektmanagement 2% Anlagenanbindung 20%
Systeminstallation 3% Softwareanpassung 18%
HW und SW Beschaffung 8%
Prozeßentwicklung 37%
Abb. 14.1 – Aufwände im PLS Einführungsprojekt
Schulung und Support 12%
362
Implementierung von Produktionsleitsystemen
Ebenso, wie der eigentliche Fertigungsablauf im Zuge der Abtaktung detailliert geplant wird, ist es erforderlich, die Prozesse, die rund um die Fertigung angesiedelt sind und diese unterstützen, detailliert zu entwerfen und zu implementieren. Diese Aufgabe wird als Prozessentwicklung bezeichnet. Die Produktionssysteme der verschiedenen Automobilhersteller unterscheiden sich hinsichtlich Philosophie, Aufbau und Abläufen stark voneinander. Dies ist auf deren Geschichte aber auch auf Unterschiede in den Produkten selbst (Premium versus Volumenmodelle etc.) zurückzuführen. Ein allgemein akzeptierter Satz von Best Practices, so wie er im kaufmännischen Bereich z.B. in Form der SAP Business Blueprints vorliegt, ist in der Fertigung auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Der bei weitem größte Teil der Aufwände im Einführungsprojekt entfällt in den Bereich der Prozessentwicklung. Gleichzeitig wird dieser Aufgabenbereich oft stark vernachlässigt. Dies wird verständlich, wenn man bedenkt, dass die größten Investitionen in Fahrzeugprojekten im Bereich des Anlagenbaus liegen. Daher sind die Gesamtprojektleiter oftmals Personen mit einer Ausbildung im Maschinenbaubereich, die keine Zusatzausbildung in der Prozessentwicklung und Organisation besitzen. In der Praxis entfallen beinahe 50% der Fertigungskosten in den Bereich IT und Organisation, sodass eine gezielte Prozessentwicklung erhebliche Auswirkungen auf die Kostensituation in der Fertigung hat. Da die Produktionsleittechnik mit einer Vielzahl anderer Systeme kommunizieren muss, um ihre Aufgabe zu erfüllen, entfällt der zweitgrößte Anteil der Aufwände in den Bereich der Anlagenanbindung. Anlagen werden von verschiedenen Lieferanten aufgebaut. Die Herstellung der Datenverbindung bedarf einiger Kommunikation mit dem Anlagenhersteller. Zusätzlich sind umfangreiche Testaufgaben und Abnahmen zu erledigen, um die ordnungsgemäße Funktion der Schnittstellen sicherzustellen. Schulung und Support stellen einen weiteren Bereich dar, in den erhebliche Aufwände fallen. Die enge Kooperation mit allen beteiligten Stellen in der Fertigung von Beginn des Projektes an ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Einführung von Produktionsleitsystemen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter den Sinn, die Aufgabe und die Funktionsweise des Systems verstehen und dass ihre Anforderungen von Beginn an berücksichtigt werden. Dies steigert die Akzeptanz des Systems bei den Benutzern erheblich. Weniger als ein Fünftel des Aufwandes entfällt in den eigentlichen Bereich der Softwareentwicklung. Hier besteht ein Einsparungspotenzial durch Einsatz fertiger Systeme, die helfen Entwicklungsaufwände zu sparen. Die Gefahr, die der Einsatz vorgefertigter Software mit sich bringt, ist, dass die Flexibilität des Systems den spezifischen Anforderungen nicht gerecht wird. Als Regel kann angenommen werden, dass, wenn die erforderlichen Änderungen 20% des Softwareumfangs übersteigen, die Neuerstellung der Software kosten- und zeitgünstiger ist. Als Basis für die Implementierung des Produktionsleitsystems sollte also ein Baukasten fertiger Komponenten dienen, aus denen das letztendliche System zusammengestellt wird.
Projektablauf
363
Systeme, die komplexe Umgebungen auf Basis proprietärer Editoren, Makround Programmiersprachen anbieten, sollten ebenfalls vorsichtig beurteilt werden, da sich hierdurch zwar mögliche Einsparungen in der Implementierung ergeben können, die allerdings durch Hindernisse in der Betriebsphase wieder egalisiert werden. Als Beispiel sei die Systemwartung genannt. Es ist erheblich leichter, am Markt Personal zu finden, welches mit SQL, C# oder Java umgehen kann, als Personal, welches Makrosprachen wie MorphX kennt. Standardsysteme sind offener und daher wesentlich zukunftssicherer als spezialisierte Softwarepakete. Die wesentlichen Aufgaben im Einführungsprojekt der Produktionsleittechnik liegen nicht im Bereich der Softwareentwicklung, sondern in der Prozessentwicklung. Aus diesem Grund sollte für das Einführungsprojekt erfahrenes Personal zur Verfügung stehen, welches mit den spezifischen Aufgaben der Prozessentwicklung vertraut ist.
14.2. Projektablauf
14.2.1. Simultaneous Engineering Die Produktlebenszyklen in der Automobilindustrie werden immer kürzer und „Time-to-Market“ wird ein immer wichtigeres Ziel bei der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen. In der Automobilindustrie hat sich daher ein Vorgehen, welches als Simultaneous Engineering bezeichnet wird, größtenteils etabliert. Abb. 14.2 zeigt die Grundidee (Gerfried Zeichen, 2000). Im herkömmlichen Modell läuft die Entwicklung des Fahrzeuges und der Produktion nach einem streng sequenziellen Modell (Wasserfallmodell) ab. Erst wenn eine Projektphase vollständig abgeschlossen ist und alle Ergebnisse in befriedigender Qualität vorliegen, wird die nächste Projektphase gestartet. Simultaneous Engineering bedeutet, dass die Projektphasen Konstruktion des Fahrzeuges, Berechnung und Detaillierung, also die Planung der Produktionsanlage vollständig parallel zueinander ablaufen. Andere Phasen, wie Prototypenbau, Vorserie und Serie können teilweise parallelisiert werden.
364
Implementierung von Produktionsleitsystemen
Serie Vorserie Prototypenfertigung Detaillierung Berechnung Konstruktion Entwurf Konzept Serie Vorserie Prototypenfertigung Detaillierung Berechnung Konstruktion Entwurf Konzept Zeitdauer für Simultaneous Engineering
Zeiteinsparung
Zeitdauer für sequenzielle Entwicklung
Abb. 14.2 – Simultaneous Engineering versus klassischer Entwicklung
Abb. 14.3 zeigt die Auswirkung auf die Kostensituation. Wie hier zu erkennen ist, kann die Zeit von der Idee bis zur Markteinführung eines Fahrzeugs um ca. ein Jahr verkürzt werden. Die Vorteile des Simultaneous Engineering werden allerdings auch mit einigen Nachteilen erkauft. Die parallele Entwicklung von Produkt und Fertigung kann nur funktionieren, wenn eine sehr enge Kommunikation und Kooperation zwischen den Produktentwicklern und der Fertigungsplanung etabliert wird. Änderungen am Produkt haben potenzielle Auswirkungen auf die Fertigung und müssen umgehend Eingang in die Planung finden. Die Vertragsgestaltung mit den Anlagenlieferanten wird erschwert, da zum Zeitpunkt der Vergabe von Aufträgen meist noch nicht alle Produktinformationen in ihrer letztgültigen Form vorliegen. Das Projektrisiko wird durch die Komplexität der parallelen Entwicklung erhöht. Besonderes Augenmerk muss auf die Qualität der Fahrzeuge im ersten Produktionsjahr gelegt werden. Nach Ende des ersten Produktionsjahres sind zusätzliche Kosten für Änderungen am Produkt und in der Produktion zu veranschlagen.
Projektablauf
365
Einnahmen Umsatz, Verkaufserlös
0
1
2
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4
5
6
7
Zeit in Jahren Entwicklung, Konstruktion
Prozessentwicklung
Produktänderungen
Folgeinvestitionen
Marketing
Variable Kosten
Investitionen Kosten
Einnahmen
0
Umsatz, Verkaufserlös
1
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5
6
7 Zeit in Jahren
Entwicklung, Konstruktion
Prozessentwicklung
Marketing
Variable Kosten
Investitionen
Kosten
Abb. 14.3 – Kostenverteilung in Simultaneous Engineering versus klassischer Entwicklung
14.2.2. Ablauf des Einführungsprojekts Das Einführungsprojekt für die Produktionsleittechnik muss sich in seinen Projektphasen und bezüglich der Zieltermine am Gesamtfahrzeugprojekt orientieren. Es sollte gleichzeitig mit dem Fahrzeugprojekt gestartet werden, denn die sorgfältige Prozessentwicklung benötigt in etwa die gleiche Zeit, wie die Entwicklung des Fertigungsablaufes. Am Ende der Grobplanungsphase sollte die Systemanalyse abgeschlossen sein und ein allgemein akzeptiertes Lastenheft als Grundlage für Ausschreibungen an Lieferanten und für die spätere Entwicklungsarbeit sollte vorliegen.
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Implementierung von Produktionsleitsystemen
Im nächsten Projektschritt wird ein Prototyp des Systems erstellt, an dem alle Funktionen sichtbar werden und beurteilt werden können. Dieser Prototyp ist die Basis und der wesentlichste Bestandteil des Pflichtenhefts. Anschließend nach Abnahme des Prototyps wird das endgültige Produktivsystem implementiert. Dies kann parallel zur Anlagenplanung erfolgen. Am Ende dieses Prozesses muss auch eine der vorliegenden Anlagenstruktur entsprechende Systemkonfiguration erstellt werden. Während des Anlagenaufbaus sind alle Schnittstellen zu den diversen Anlagen in Betrieb zu nehmen und zu testen. In dieser Phase fallen relativ umfangreiche Aktivitäten an. Gleichzeitig kann die Produktionsleittechnik bereits als Instrument für die Verfolgung und Überwachung des Inbetriebnahmefortschritts verwendet werden. Die mittels Produktionsleittechnik ermittelten Anlagendaten dienen zur Beurteilung der geforderten Anlagenfunktionen und Parameter und sind als Grundlage für die Abnahme von Anlagen mit Lieferanten heranzuziehen. Die in diesem Bereich anzuwendenden Prozesse wurden oben bereits beschrieben. Nach Erreichen der Kammlinie der Produktion endet das Einführungsprojekt und die Produktionsleittechnik geht in den geordneten Regelbetrieb über. Hiermit ergeben sich Projektphasen entsprechend Abb. 14.4.
14.2.3. Vorgehensmodelle In der Informatik haben sich bestimmte Vorgehensmodelle für die Softwareentwicklung und die Systemimplementierung etabliert. Beispiele sind das Wasserfallmodell, das V-Modell und andere. Zu Beginn eines Projektes ist das Vorgehensmodell, welches verwendet werden soll, festzulegen und in Schulungen ist dafür zu sorgen, dass es vom Projektteam und allen am Projekt beteiligten Personen verstanden wird. Welches Vorgehensmodell gewählt wird, hängt vor allem von der Geschichte des Betriebs und den Erfahrungen des Lieferanten der Produktionsleittechnik ab. Einige generelle Forderungen an das Vorgehensmodell scheinen jedoch sinnvoll. Das Vorgehensmodell muss auf die Bedürfnisse des entsprechenden Projektes zugeschnitten werden (Tayloring). Je nach Kritikalität und Umfang des Projektes hinsichtlich Anlagengröße und Funktionsumfang sind unterschiedliche Verfahrensweisen sinnvoll. Insbesondere muss zwischen Systemen, die produktionskritisch sind und solchen, die die Produktion nur unterstützen unterschieden werden. Das Vorgehensmodell muss einen evolutionären Ansatz für die Softwareentwicklung unterstützen. Dieser Ansatz geht davon aus, dass zunächst nur wenige Kernfunktionen des Systems implementiert werden. Diese werden verifiziert. Anschließend wird der Funktionsumfang sukzessive erweitert und getestet, bis die gesamte geforderte Funktionalität implementiert ist. Der evolutionäre Ansatz verlangt große Flexibilität von allen Beteiligten, hat aber den großen Vorteil, dass die Benutzer des Systems sehr schnell erste Erfahrungen mit dem System machen
Projektablauf
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können. Die Rückmeldungen der Anwender können so unmittelbar in die Entwicklung einfließen. Die Anwender erkennen sehr schnell, dass ihr Input direkte Folgen im System hat und sind hierdurch in der Regel wesentlich stärker motiviert, aktiv und konstruktiv mitzuarbeiten. Das Vorgehensmodell muss auch alle Aktivitäten im Rahmen der Prozessentwicklung berücksichtigen. Ein Modell, welches ausschließlich den Softwareerstellungsprozess betrachtet, greift in Einführungsprojekten für die Produktionsleittechnik zu kurz.
Abb. 14.4 – Phasen des PLS Einführungsprojekts
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Implementierung von Produktionsleitsystemen
14.3. Projektorganisation
14.3.1. Das Projektumfeld Projekte sind vor allem zeitlich begrenzt existierende soziale Konstrukte, die zum Zweck der Erreichung bestimmter Projektziele ins Leben gerufen werden. An einem Einführungsprojekt für die Produktionsleittechnik ist eine große Anzahl verschiedener Personen und Stellen beteiligt. Das Projektteam muss von Beginn an sicherstellen, dass die Kommunikation mit allen diesen Stellen funktioniert und während des Projekts aufrechterhalten wird. Alle Stellen müssen verstehen, welche Ziele und welche Vorgehensweisen zur Erreichung dieser Ziele das Projektteam wählt. Sie müssen jederzeit über den Status des Projekts informiert sein und verstehen, inwieweit dieses Projekt und die Produktionsleittechnik als hauptsächliches Ergebnis des Projekts ihre Arbeit und ihren Bereich beeinflusst. Vor diesen Hintergrund kann die Projektorganisation wie in Abb. 14.5 dargestellt werden.
Logistik Qualitätswesen
Anlagenlief eranten
Inf ormatik
Projektteam
Produktionssteuerung
Instandhaltung
Planung Produktion
Abb. 14.5 – Das PLS Projektteam und sein Umfeld
Das Projektteam findet ein Umfeld an Beteiligten vor, die vom Projekt in verschiedener Weise betroffen sind. Besonders wichtig ist, dass das Projekt entsprechenden Rückhalt im Management des Fertigungsbetriebs besitzt, weshalb auch
Projektorganisation
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ein Projektcoach auf höherer Managementebene nominiert werden sollte, der die Aufgabe hat, Ziele vorzugeben und den Projektfortschritt zu überwachen. Mitarbeiter aus der Planung, Instandhaltung und Informatik sollten nominiert werden, die im Einführungsprojekt mitarbeiten und in der Prozessentwicklung und Prozessumsetzung eine aktive Rolle spielen. Je näher die verantwortlichen Mitarbeiter am Prozess angesiedelt sind, desto bessere Information über den Prozess ist verfügbar und kann im Einführungsprojekt nutzbar gemacht werden. In der Projektphase Anlagenaufbau und Inbetriebnahme sind zusätzlich die Anlagenlieferanten in das Projekt einzubinden. Zu Beginn des Projektes sollte ein Plan erstellt werden, in dem alle Schritte aufgelistet sind, die in den verschiedenen Projektphasen gesetzt werden, um die Kommunikation zwischen dem Projektteam und allen beteiligten Stellen sicherzustellen.
14.3.2. Das Projektteam Das Projektteam ist je nach Projektphase unterschiedlich zusammengesetzt. Es sollte aus Mitarbeitern des Lieferanten der Produktionsleittechnik und aus Mitarbeitern des Fertigungsbetriebes bestehen, die im Projekt zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter des Fertigungsbetriebes können nach Abschluss des Projektes die Verantwortung für den Betrieb des Produktionsleitsystems übernehmen. Durch die Mitarbeit am Einführungsprojekt ist gewährleistet, dass sie später in der Betriebsphase über das erforderliche Wissen verfügen, um den Betrieb des Produktionsleitsystems unabhängig von anderen Stellen und auch weitgehend unabhängig zum Systemlieferanten sicherzustellen. Während des Projekts übernehmen die Mitarbeiter des Fertigungsbetriebs wichtige Aufgaben. Ein Mitarbeiter sollte als Projektleiter des Fertigungsbetriebes fungieren und für den Systemlieferanten als Ansprechpartner in allen technischen und kommerziellen Fragen zur Verfügung stehen. Um von vornherein Missverständnisse auszuschließen, sollte klar sein, dass die gesamte für das Projekt verbindliche Kommunikation und alle wesentlichen Entscheidungen über diese Person laufen. Es ist auch Aufgabe von Mitarbeitern der Fertigung, an der Erstellung des Pflichtenheftes und am Aufbau und an der Konfiguration des Produktionsleitsystems mitzuarbeiten. Das Herstellen der Kommunikation zu anderen Stellen, wie der Anlagenplanung, der Instandhaltung, der Informatik usw. ist notwendig für den Projekterfolg. Dies ist eine Schlüsselaufgabe, da wie oben bereits beschrieben eine funktionierende Kommunikation des Projektteams nach außen ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Weiters ist die Mitarbeit an den Schnittstellen und an den Tests der diversen Datenanbindungen am Produktionsleitsystem erforderlich. Es ist sinnvoll, wenn der Produktionsbetrieb Mitarbeiter aus der Anlagenplanung und aus der Instandhaltung dem Projekt beistellt. Diese Personen sollten vor
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Implementierung von Produktionsleitsystemen
allem entsprechend ihres Interesses für Systeme der Informatik ausgewählt werden. Ein Projektleiter ist zu nominieren, der alle Leitungsfunktionen im Projekt wahrnimmt. Er ist für den Fertigungsbetrieb der offizielle Ansprechpartner in allen technischen und kommerziellen Fragen im Projekt. Der Projektleiter ist hauptverantwortlich für Erstellung und Pflege des Pflichtenheftes. Weiters ist eine Reihe von Prozessanalysten erforderlich, die die Aufgabe haben, die Prozessentwicklung gemeinsam mit dem Kunden voranzutreiben. Diese Aktivität macht den größten Teil der Projektaufwände aus und hat ihren Schwerpunkt in den frühen Projektphasen aber auch während der Inbetriebnahme bis hin zum Erreichen der Kammlinie. Zusätzliche Ressourcen sind für das Konfigurationsmanagement, das Qualitätsmanagement, die Softwareentwicklung, für Systeminstallation und Erstkonfiguration, die Inbetriebnahme und den Test aller Schnittstellen sowie für Support von Anwendern während der Projektphase erforderlich. Das Projektteam sollte ein Büro möglichst nahe an oder sogar in der Produktion beziehen. Je enger der Kontakt mit der Fertigung ist und je einfacher und kürzer die Kommunikationswege, desto besser ist es für das Projekt. Oft kommen beim Kaffee zur Pause die besten Gespräche zustande, die es niemals per e-Mail oder Telefon geben würde.
14.4. Konfigurationsmanagement Das primäre Ziel des Konfigurationsmanagements ist es, zu jedem Zeitpunkt aktuelle Informationen über die gesamte eingesetzte Infrastruktur und das Produktionsleitsystem selbst anzubieten. Dies erfordert die Kenntnis aller eingesetzten Komponenten (CIs – Configuration Items), die Prüfung, ob durchgeführte Änderungen richtig erfasst wurden sowie die ständige Überwachung aller Betriebsmittel (z.B. Überprüfung ob Standardisierungen eingehalten wurden). Hiermit wird sichergestellt, dass nur autorisierte CIs eingesetzt werden, dass alle Änderungen an CIs dokumentiert werden und somit nachvollziehbar sind und dass alle Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den CIs erfasst und dokumentiert werden. Die Dokumentation der Beziehungen von CIs untereinander unterscheidet das Konfigurationsmanagement vom Asset Management, das zwar ebenfalls alle Komponenten auflistet, aber nur soweit dies für die Zwecke der Buchführung wesentlich ist. Alle Informationen, die im Rahmen des Konfigurationsmanagements verwaltet werden, finden sich in einer Datenbank (CMDB – Configuration Management Database). Zu den Informationen gehören unter anderem die Bezeichnung der CI, eine Beschreibung, Beziehungen, Kennung der aktuellen Version, Bauteile, evtl. Aufstellungsort und weitere Informationen wie Lieferant, Gewährleistung etc. Die CMDB muss während des gesamten Projekts gepflegt werden, da sie später eine wesentliche Grundlage für Prozesse wie das Change Management darstellt. Durch die Führung des Status jedes CI in der CMDB ergibt sich auch ein hervor-
Qualitätsmanagement
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ragendes Werkzeug für das Projektmanagement im Einführungsprojekt, da hier relativ leicht ein aktueller Überblick über den Status aller vorhandenen und aller geplanten CIs gewonnen werden kann.
14.5. Qualitätsmanagement Das Qualitätsmanagement im Rahmen des Einführungsprojektes hat die Aufgabe, sicherzustellen, dass die in den Anforderungen definierten Qualitätsmerkmale der Produktionsleittechnik erreicht werden. Für diesen Zweck ist es erforderlich, zu Beginn des Projekts einen Qualitätsmanagementplan zu erstellen, der alle Aktivitäten und vor allem alle Qualitätsregelkreise im Rahmen des Qualitätsmanagements beschreibt. Für das Qualitätsmanagement von Softwareprojekten gibt es unzählige Ansätze, deren Beschreibung den Rahmen dieses Dokuments sprengen würde. Einige Leitlinien haben sich in Projekten jedoch als sinnvoll erwiesen und sollen daher an dieser Stelle kurz diskutiert werden. Für das Qualitätsmanagement sind die üblichen Abläufe festzulegen, wie Reviews, Dokumentenlenkung und Ablage von Dokumenten und Aufzeichnungen. Die CMDB sollte alle Möglichkeiten bereitstellen, Qualitätsdokumente und Qualitätsaufzeichnungen abzulegen und zu verwalten. In diesem Sinne sind Produkte des Qualitätsmanagements ebenso zu betrachten und zu verwalten, wie die Ergebnisse der anderen Prozesse im Projekt. Die Verfahren im Qualitätsmanagement sollten so schlank und einfach wie nur möglich gehalten werden. Ein übertriebener Aufwand an Reviews, Freigaben und Prozeduren führt wenn überhaupt nur zu einer minimalen Verbesserung der Qualität, während vor allem die Agilität des Entwicklungsprozesses stark eingeschränkt wird.
14.5.1. Qualität im Anforderungsmanagement Der Beginn einer Kette von Aktivitäten im Entwicklungsprozess ist das Management von Anforderungen an die Produktionsleittechnik. Alle Anforderungen sind in einer Datenbank zu führen, wobei je Eintrag eine Reihe von Informationen zu verwalten ist. Diese sollte den Titel und eine Beschreibung der Anforderung umfassen. Um eine Verfolgung von Anforderungen und eine Rückmeldung zu ermöglichen, sollte festgehalten werden, wer wann die Anforderung gestellt oder verändert hat. Anforderungen sollten zudem kategorisiert werden. Je nachdem, ob es sich um einen Fehlerbericht, ein gewünschtes Merkmal, eine Funktion oder eine Schnittstelle handelt, sollte im Projekt mit Anforderungen unterschiedlich verfahren werden.
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Implementierung von Produktionsleitsystemen
Für jede Anforderung ist eine Entscheidung zu treffen, ob sie als zu erfüllende Pflicht in das Pflichtenheft übernommen wird oder nicht. Wenn eine Anforderung abgelehnt wird, so sollte festgehalten werden, was der Grund hierfür war. Personen, welche Anforderungen eingebracht haben, sollten auch über abgelehnte Anforderungen informiert werden. Je besser die Gründe für eine Ablehnung nachvollziehbar sind, desto eher werden die Einbringer von Anforderungen dies verstehen und so ihre Motivation nicht verlieren. Wenn Anforderungen angenommen wurden, so sollten diese priorisiert werden. Zudem muss festgelegt werden, welche Maßnahmen in der Produktionsleittechnik gesetzt werden, um die Anforderung zu erfüllen und wer diese zu welchem Zeitpunkt umsetzen wird (Verantwortlicher, Termin). Letztlich ist ein objektives Kriterium festzulegen, an Hand dessen beurteilt wird, ob die Anforderung nach Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen tatsächlich erfüllt worden ist. Die Datenbank mit allen Anforderungen an das System ist eine wichtige Grundlage für das Projektmanagement. Im Rahmen des Qualitätsmanagements ist sicherzustellen, dass für die Bearbeitung von Anfragen ein formaler Prozess eingerichtet wird und dass dieser Prozess wie spezifiziert funktioniert. Im Rahmen von regelmäßigen Audits ist sicherzustellen, dass alle Anforderungen ordnungsgemäß bearbeitet werden und dass keine Anforderungen versehentlich unter den Tisch fallen.
14.5.2. Qualität im Softwareentwicklungsprozess Die Qualität in der Softwareentwicklung ist unter anderem durch die Einführung einschlägiger Richtlinien sicherzustellen, wie Kodierrichtlinien und Richtlinien für die Bezeichnung von Daten, Objekten und Prozeduren, Richtlinien für Kommentare und für die Dokumentation von Programmen und Richtlinien für die Kennzeichnung von Codeteilen (Bezeichnung, Version, Ersteller, Änderungsgeschichte). Im Rahmen von Code Reviews ist für kritische CIs sicherzustellen, dass nicht nur der erstellte Programmcode korrekt ist, sondern es ist auch die Einhaltung der vorgegebenen Richtlinien zu verifizieren. Im Rahmen des Konfigurationsmanagements ist für jede CI zu vermerken, ob die Code Reviews durchgeführt wurden und welchen Status jede CI bezüglich Tests bis zur Freigabe besitzt. Abweichungen im Rahmen von Reviews und Tests sind zu vermerken, sodass eine statistische Analyse ermöglicht wird, die die häufigsten Fehlerursachen aufzeigt, sodass gezielt Maßnahmen ergriffen werden können, um diese abzustellen. Alle Funktionsabläufe sind z.B. in Form von Flussdiagrammen zu dokumentieren und bei Tests entsprechend zu prüfen.
Qualitätsmanagement
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14.5.3. Qualitätssicherung bei Test und Inbetriebnahme Der Test des Gesamtsystems inklusive aller Schnittstellen sowie die Inbetriebnahme des Systems sind wichtige Phasen im Einführungsprojekt und daher entsprechend zu planen. Die Planung für diese Projektaktivitäten ist zu Beginn des Projekts durchzuführen. Zunächst ist festzulegen, welche Eigenschaften getestet werden. Auf Basis dieser Eigenschaftenmenge werden Prüfpläne erstellt, die eine genaue Beschreibung der Testabläufe, des erforderlichen Equipments und aller Testdaten enthalten. Während der Durchführung der Tests sind Testaufzeichnungen zu erstellen, die in der CMDB zusammen mit anderen Qualitätsaufzeichnungen zu den CIs abzulegen sind. Im Projektplan sind die Testaufgaben ebenso wie alle anderen Entwicklungsaufgaben zu planen. Die Qualitätsaufzeichnungen sind besonders wichtig, da sie oft zusammen mit Anlagenlieferanten im Fall von Abnahmetests erstellt werden und im Falle von Streitigkeiten als wichtige Grundlagen zur Dokumentation von Lieferungen und Abweichungen vom bestellten Lieferumfang dienen.
14.5.4. Qualitätssicherung in der Prozessentwicklung Die Prozessentwicklung ist vor allem ein sozialer Prozess, der das Ziel verfolgt, alle Prozesse rund um die Fertigung zu entwerfen, zu dokumentieren und so zu gestalten, dass sie messbar werden. Zusätzlich wird festgelegt, in welcher Form die Prozesse implementiert werden, wobei die Produktionsleittechnik eines der zur Verfügung stehenden Werkzeuge für die Umsetzung von Prozessen ist. In Frage kommen auch die Anschaffung spezifischer Systeme für Teilaufgaben (z.B. Instandhaltungsmanagement), die Umsetzung von Prozessen im ERP System oder, was in vielen Fällen eine durchaus ernst zu nehmende Option ist, die Implementierung auf Basis von Papier. Prozesse sollten auf ähnliche Art und Weise in einer Datenbank erfasst werden, wie Softwareanforderungen. Jeder Prozess sollte durch einen Titel und eine verbale Beschreibung des Prozesses charakterisiert werden. Zudem ist klar zu formulieren, welchen Zweck der Prozess erfüllt und wie bzw. auf Basis welchen Ereignisses der Prozess gestartet wird und welchen Input der Prozess benötigt. Weiters ist eine Beschreibung des Prozessablaufs anzugeben. Dies kann in Form von Text oder von Flussdiagrammen oder ähnlichen grafischen Beschreibungsmitteln erfolgen. Weiters ist anzugeben, welchen Output der Prozess generiert. Dieser Output kann je nach Anfangsbedingungen und Prozessablauf unterschiedlich sein. An Hand des Prozessablaufs ist weiters festzulegen, welche Stellen für die Ausführung der Prozessschritte verantwortlich sind und wie diese Stellen untereinander kommunizieren.
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Implementierung von Produktionsleitsystemen
Der Prozess wird durch obige Angaben beschrieben. Zusätzlich sollte jedoch eine Menge von Metainformationen zu jedem Prozess festgelegt werden. Hierzu gehört eine Spezifikation, wie der Prozess dokumentiert und überwacht wird. Hieraus können Kenngrößen für die Prozessperformance entwickelt und überwacht werden. Festzulegen ist auch, welche Kriterien der Prozess erfüllen muss und was im Fehlerfall passiert. Letztlich ist anzugeben, wer für die Gestaltung und Entwicklung des Prozesses zuständig ist und welche Abhängigkeiten zu oder von anderen Prozessen bestehen. Die Prozessbeschreibungen entstehen zusammen mit den betroffenen Stellen in der Fertigung. Oft können fertige Prozesse übernommen werden, in vielen Fällen sind Prozesse aber neu zu entwickeln. Oft ergibt sich die Notwendigkeit zur Einführung von Prozessen auch erst während der Inbetriebnahme, wenn bestimmte Probleme aufgedeckt werden, die vorher nicht sichtbar waren (z.B. inhärente Informationsflüsse zwischen Anlagen in der Fertigung etc.). Die Prozessbeschreibungen sind ebenso zu behandeln, wie Qualitätsdokumente. Letztlich gehen sie in Verfahrens- und Arbeitsanweisungen im Rahmen des Qualitätsmanagements des Fertigungsbetriebes über. Sie werden während des Einführungsprojekts in der CMDB abgelegt und verwaltet. Am Beginn des Projektes muss ein Plan erstellt werden, der eine genaue Vorgangsweise festlegt, nach der die Prozessbeschreibungen erstellt und verifiziert werden. Dies muss auch eine Reihe von Reviews beinhalten, damit die Zustimmung aller beteiligten Stellen erreicht wird. Der Status aller Prozessbeschreibungen ist in der CMCB zu dokumentieren. Wenn die Prozesse in der Produktionsleittechnik umgesetzt werden, so ist auf Basis der Prozessbeschreibung eine Spezifikation zu erstellen, wie der Prozess im System umgesetzt wird. Auf dieser Basis ist ein Prototyp zu entwickeln, der eine Basis für die Prüfung der Sinnhaftigkeit, Vollständigkeit und praktischen Umsetzbarkeit des Prozesses bietet. Wenn im Erstellungsprozess Abweichungen auftreten, so sind diese durch Audits zu erfassen und zu dokumentieren. Dies ist die Basis für die Umsetzung von Verbesserungsprozessen.
14.6. Projektmanagement
14.6.1. Projektziele Vor Beginn des Einführungsprojekts sind konkrete Zielvorgaben zu formulieren deren Umsetzung während des Projektfortschritts zu überwachen ist. Wesentlich ist die Umsetzung der Zielvorgaben, wobei die exakte Implementierung der ur-
Projektmanagement
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sprünglich formulierten Softwareanforderungen in der Bedeutung untergeordnet ist. Die möglichen Zielvorgaben sind projektspezifisch zu erarbeiten und sind sehr stark von der konkreten Situation des Fertigungsbetriebes abhängig. Folgende Auflistung soll einige Beispiele für übliche Zielvorgaben präsentieren: • • • • • • •
Sicherstellen und Einhalten der Anlaufkurve und der Anlauftermine Verbesserung der OEE um 10% Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit um 10% Schaffen einer transparenten und nachvollziehbaren Abrechnung für Instandhaltungsaufwände. Diese sollen nach Zone und Aktivität abgerechnet werden und nicht als Gemeinkosten. Reduktion der Rüstzeiten und der Stillstandszeiten auf Grund fehlender Werkzeuge um 5% Erhöhen der Produktionszahl um 10% Reduktion der Aufwände durch Rückrufaktionen um 60%
Die grundlegende Aufgabe des Projektmanagements ist es, für die Einhaltung der formulierten Projektziele im Rahmen der zeitlichen und kommerziellen Gegebenheiten zu sorgen.
14.6.2. Aufgaben des Projektmanagements Um die gesetzten Projektziele zu erreichen, hat das Projektmanagement grundlegende Aufgaben wahrzunehmen, wie Projektplanung und Organisation des Projektes. Hier ist vor allem auf eine klare Verteilung von Kompetenzen im Projektteam zu achten. Zusätzlich sind alle Informationsflüsse im Projektteam und vom Projektteam nach außen zu planen. Das Projektmanagement muss auch eine ausreichende Personalausstattung sicherstellen und Personalverantwortung im Projekt wahrnehmen. Dies ist besonders bei Konflikten mit dem Linienmanagement von Projektmitarbeitern oder zwischen verschiedenen parallel laufenden Projekten erforderlich. Letztlich ist das Projektmanagement für alle Maßnahmen zur Steuerung des Projektes verantwortlich. In welcher Art und Weise und mit welchen Methoden diese Aufgaben umgesetzt werden, ist zu Beginn des Projekts in einem Projektmanagement Plan zu dokumentieren. Der aktuelle Status des Projekts findet sich im Projekthandbuch, welches vom Projektmanager während der Laufzeit des Projektes gepflegt wird.
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Implementierung von Produktionsleitsystemen
14.6.3. Projekte als soziale Konstrukte Projekte sind vor allem soziale Konstrukte. In Einführungsprojekten spielen Menschen innerhalb und außerhalb des Projektteams eine wesentliche Rolle, sodass vor allem die sozialen Kompetenzen des Projektmanagers wesentlich sind, die helfen Mitarbeiter und Beteiligte am Projekt zu motivieren und zu einer konstruktiven Mitarbeit zu veranlassen. Entsprechend der Bedürfnishierarchie nach (Maslow, 1954), geht es vor allem darum, an die höheren Bedürfnisse des Menschen zu appellieren, wie dem Bedürfnis nach Anerkennung und Selbstverwirklichung. Die typischen Bedürfnisse von Mitarbeitern sollten in Gesprächen ermittelt werden, sodass man gezielt auf die Mitarbeiter zugehen kann. Beispiele sind eine Interessante Arbeit, die Herausforderungen bietet, eine beruflich stimulierende Arbeitsumgebung, berufliche Weiterentwicklung, Führungsstärke, greifbare Belohnungen, Fachwissen (innerhalb des Teams), Unterstützung beim Problemlösen, klar definierte Ziele und Vorgaben, angemessene Leitung und Steuerung, Arbeitsplatzsicherheit, Unterstützung durch die Unternehmensführung, gute zwischenmenschliche Beziehungen, angemessene Planung, klare Rollenverteilung und Rollendefinition, offene Kommunikation oder minimale Änderungen. Wie man sieht ist der Bogen der möglichen Erwartungen ebenso breit gestreut, wie die Persönlichkeiten und Fähigkeiten im Projektteam. In vielen Firmen haben sich Assessment Center eingebürgert, die helfen, eine Idealvorstellung vom optimalen Mitarbeiter umzusetzen, indem Mitarbeiter entsprechend vorgegebener Persönlichkeitsprofile ausgewählt werden. In Projektteams sollte man jedoch auf eine gute Mischung an Persönlichkeiten und Erfahrungen achten. Eine ausgewogene Gruppe stellt sicher, dass Fehler durch einseitige Betrachtungsweisen vermieden werden. Auch die unvermeidbaren Konflikte in der Teambildung werden reduziert und bleiben eher unter Kontrolle als in einem allzu homogenen Team. Der Projektleiter sollte eine Reihe von Maßnahmen setzen, um die Motivation der Projektmitarbeiter zu fördern. Hierzu gehört z.B. den Mitarbeitern Aufgaben zuzuteilen, die eine Herausforderung darstellen, die Erwartungen an Leistungen der Mitarbeiter klar zu definieren, Kritik und Lob in angemessener Form auszusprechen, ehrliche Beurteilungen abzugeben, für eine gute Arbeitsatmosphäre zu sorgen, Teamgeist zu entwickeln, keine unhaltbaren Versprechungen zu machen, das Management nicht zu kritisieren, eine positive Grundhaltung einzunehmen und jedem Mitarbeiter die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Neben dem Management der Mitarbeiter und deren Motivation ist der Projektleiter auch für das Management externer Beziehungen zuständig. In diesem Bereich ist es besonders wichtig, dafür zu sorgen, dass sich zu jedem Zeitpunkt die Erwartungen der betroffenen Stellen und der Kunden mit den Lieferungen aus dem Projekt decken. Missverständnisse können leicht zu falschen oder überzogenen Erwartungen und anschließend zu unvermeidlichen Enttäuschungen führen. Dies ist unter allen Umständen zu vermeiden. Ziel ist es, eine Partnerschaft, die
Projektmanagement
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aus Geben und Nehmen auf beiden Seiten besteht, zu entwickeln. Dies kann nur funktionieren, wenn durch konsistentes Verhalten und richtige Aussagen mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis zwischen allen Beteiligten entsteht.
14.6.4. Managementwerkzeuge Das Management von Einführungsprojekten läuft zyklisch immer nach einem dreistufigen Muster ab. Zunächst ist der Projektstatus zu messen. Auf Basis von Berichten und Informationen aus der CMDB kann der Projektstatus ermittelt werden. Dies sollte möglichst auf Basis objektiver Daten und Kriterien erfolgen. Nachdem alle Daten erhoben wurden, müssen diese ausgewertet werden. Besonders wichtig ist es, signifikante Abweichungen von der geplanten Leistung festzustellen und deren Ursachen zu ermitteln. In der dritten Stufe sind schließlich Korrekturmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Dies bedeutet, Aktionen zu setzen, um die unerwünschten Abweichungen zu korrigieren bzw. um einen unverhofft günstigen Trend auszunutzen. Die Basis aller Aktionen des Projektmanagements sollte also die möglichst genaue und objektive Ermittlung des Projektstatus sowie der Abweichungen vom Plan sein. Als Werkzeug hierfür bietet sich zunächst der Projektplan an. Meist wird der Projektplan mit üblichen Planungswerkzeugen in Form eines GANTT Charts erstellt. Er enthält alle wichtigen Aktivitäten im Projekt mit geplanten Terminen, sowie den Abhängigkeiten von anderen Aktivitäten. Als weitere Basis dient der Ressourcenplan. Dieser Plan listet alle Ressourcen im Projekt auf und weist ihnen Aktivitäten zu, für deren Ausführung sie verantwortlich sind. Die dritte Informationsquelle stellt die CMDB selbst dar. Die CMDB enthält eine Liste aller aktuellen und geplanten Ergebnisse des Projekts inklusive deren Status. Zusätzlich zu Daten, welche aus Dokumenten des Projektmanagement oder des Konfigurationsmanagement stammen, ist die regelmäßige Durchführung von Projektdurchsprachen erforderlich. Es sollte ein regelmäßiger Termin einberufen werden, in dem alle Projektmitglieder über den Projektfortschritt und über aktuelle Themen sprechen. Dieses Gespräch sollte auf Basis eines vorgefertigten Formulars für ein Gesprächsprotokoll in geordnete Bahnen gelenkt werden. Hiermit können diese Gespräche vor allem Informationen über Menschen und soziale Themen liefern, die in den sachlichen Planungsunterlagen nicht zu erfassen sind. Der Projektmanager sollte Schlüsselindikatoren für den Projekterfolg definieren und auf einer Plantafel visualisieren. Hiermit wird allen am Projekt beteiligten auf einen Blick der Status des Projekts klar vor Augen geführt. Besonders wichtig ist die Definition und Verfolgung von Meilensteinen im Projekt. Meilensteine, wenn sie geschickt eingesetzt werden, können helfen, Mitarbeitern im Endspurt die notwendige extra Motivation zu liefern.
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15. Der Betrieb von Produktionsleitsystemen Dieser Abschnitt befasst sich mit Überlegungen zum Betrieb von Produktionsleitsystemen. Wenn nach dem Abschluss des Einführungsprojekts ein stabiler Betriebszustand des Systems erreicht ist, muss eine Organisation geschaffen sein, die den langfristigen Betrieb und Wert des Systems sicherstellt. Zunächst werden die Aufgaben dieser Organisation kurz umrissen. Anschließend wird ITIL (IT Information Library) als ein Rahmen von Prozessen für die Sicherstellung des Betriebs erläutert. Die ITIL Prozesse Incident Management, Problem Management und Change Management werden kurz beschrieben. Weiters wird die CMDB als ein Rahmen für die Qualitätssicherung beschrieben. Letztlich werden noch spezifische Aufgaben der Systemadministration erläutert, wozu unter anderem die Überwachung des Systembetriebs oder das Einspielen von Patches, Virenschutz, Sicherung, Archivierung und andere gehören.
15.1. Aufgaben der Betriebsführung Nach der erfolgreichen Einführung von Produktionsleitsystemen und dem Erreichen der Kammlinie der Produktion geht das System in die Betriebsphase über, für die ein Team von Mitarbeitern zu bilden ist, welches eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen hat. Hierzu gehören das Sicherstellen eines möglichst ununterbrochenen Betriebes, sowie das Sicherstellen der geforderten Datensicherheit. Hinzu kommen administrative Aufgaben wie die Benutzerverwaltung. Weitere wichtige Aufgaben sind die Systemüberwachung und Behebung von Störungen, sowie der Betrieb eines Helpdesks und die Unterstützung von Benutzern. Weitere Aufgaben sind Schulungen für neues Personal oder das Vornehmen von Änderungen am System. Das Support Team für die Produktionsleittechnik sollte sich aus Mitarbeitern rekrutieren, die aus der Informatik, der Instandhaltung und der Produktionsplanung stammen. Auf Grund der unterschiedlichen Aufgabenstellungen ist ein Team, welches übergreifend aus verschiedenen Abteilungen mit verschiedenen Kernkompetenzen stammt, erforderlich, um das System optimal zu warten. Das Team muss zudem eng mit der Produktionsplanung zusammenarbeiten.
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
15.2. ITIL – IT Infrastructure Library
15.2.1. Einführung ITIL wurde in den 80er Jahren in UK im Auftrag der Regierung entwickelt und war als ein Ansatz für die Definition von Best Practices für das Management von IT Dienstleistungen gedacht. ITIL sollte ein offener Standard sein, der von IT Dienstleistern auf einfache Weise übernommen und adaptiert werden kann. ITIL Prozesse werden in Form von Ablaufdiagrammen beschrieben und werden strikt von Verfahren getrennt, die wiederum zur Implementierung und Umsetzung der Prozesse selbst dienen. Heute hat sich ITIL international zum de facto Standard für das Management von IT Dienstleistungen entwickelt. ITIL definiert eine Reihe von Begriffen, um eine einheitliche Sprachregelung und damit letztlich ein Verständnis zwischen allen Beteiligten im Dienstleistungsprozess zu ermöglichen. Die wichtigsten Begriffe sind: • • • •
Service Management – Sicherstellen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Nachfrage und Angebot an IT Dienstleistungen Organisation und Ressourcen – Unter Ressourcen versteht man alle Personen und Betriebsmittel, die zur Erbringung einer bestimmten Aufgabe erforderlich sind Aufgaben und Funktionen – Aufgaben sind die Bestandteile, aus denen Prozesse aufgebaut werden. Funktionen sind Rollen oder Organisationseinheiten, die für einen bestimmten Prozess verantwortlich sind Configuration Items (CIs) – CIs sind alle Komponenten der IT Infrastruktur, die für die Erbringung einer bestimmten IT Dienstleistung erforderlich sind.
ITIL definiert zehn grundlegende Prozesse, von denen fünf auf der betrieblichen und fünf auf der strategischen Ebene angesiedelt sind (siehe Tabelle 15.1).
ITIL – IT Infrastructure Library
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Tabelle 15.1 – Die grundlegenden ITIL Prozesse Service Support (operational)
Service Delivery (strategic)
Incident Management
Availability Management
Problem Management
Capacity Management
Change Management
Financial Management
Configuration Management
Service Level Management
Release Management
IT Service Continuity Management
Eine vollständige Beschreibung von ITIL würde den Umfang dieses Dokuments sprengen. Als Literatur sei z.B. (Sommer, 2004) empfohlen. An dieser Stelle soll daher nur auf die betrieblichen Prozesse, die auch für den laufenden Betrieb des Produktionsleitsystems von Bedeutung sind, eingegangen werden. Dies sind Incident Management, Problem Management und Change Management.
15.2.2. Incident Management Als Störung (Incident) wird jedes Ereignis bezeichnet, das den standardmäßigen Betrieb eines Dienstes der Produktionsleittechnik beeinflusst und eine Unterbrechung oder eine Verschlechterung der Qualität dieses Dienstes bewirkt oder bewirken könnte. Für die Behandlung von Störungen ist eine Hotline einzurichten, deren Telefonnummer in der Fertigung bekannt gemacht wird (z.B. Aufkleber auf PCs und Anlagen). Die Hotline (Service Desk) ist Hauptansprechpartner für alle Anfragen (Fragen, Störungsmeldungen, Anforderungen, Beschwerden) von Benutzern des Systems. Erstes Ziel des Helpdesks ist die sofortige Wiederherstellung des Betriebs durch den Anwender, wenn dies möglich ist. Sollte dies fehlschlagen, so ist der Helpdesk verantwortlich für die Weitergabe von Informationen an andere ITIL Prozesse, insbesondere dem Incident Management. Zu den Aufgaben des Helpdesk gehört auch die Unterstützung der anderen ITIL Prozesse durch hauptverantwortliches Management von Störungen über den gesamten Lebenszyklus. Die zentrale Rolle des Service Desk wird in Abb. 15.1 dargestellt.
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
Abb. 15.1 – Die Rolle des Helpdesk
Der Incident Management Prozess hat das Ziel, Störungen so schnell wie möglich zu beheben und den ordnungsgemäßen Betrieb wiederherzustellen. Er beginnt mit der Annahme einer Störungsmeldung durch den Help Desk und endet mit der Wiederherstellung des Betriebs. Der Help Desk hat zunächst die Aufgabe, die angenommenen Störungsmeldungen zu klassifizieren und zu priorisieren. Die Priorität von Störungen ist im Falle von Produktionsleitsystemen meist sehr einfach zu bestimmen, da sie direkt an den möglichen oder manifesten Auswirkungen auf Stückzahl und Qualität gemessen werden kann. Die Priorität der Meldungen bestimmt die Reihenfolge der Bearbeitung durch den 2nd Level Support und stellt sicher, dass dieser seine Ressourcen für die wesentlichen Störungen zuerst verwendet. In der Praxis hat es sich gezeigt, dass während der Inbetriebnahme der 2nd Level Support, der sich aus Mitarbeitern des Einführungsprojektes der Produktionsleittechnik zusammensetzt, während der Produktionszeit anwesend sein muss. In der laufenden Fertigung ist normalerweise eine Anwesenheit während der Bürozeiten ausreichend. Außerhalb der Bürozeiten ist eine Rufbereitschaft einzurichten. Sinnvoll ist die Einrichtung eines Fernwartungszugangs, der es den Mitarbeitern des 2nd Level Supports ermöglicht, ohne lange Anfahrtszeiten Zugang zu den Produktionsleittechnik Servern zu erlangen. Der 2nd Level Support ist auch dafür zuständig, zusammen mit der Schichtführung zu entscheiden, wann welche Notfallsmaßnahmen eingeleitet werden, um einen Notbetrieb der Fertigung aufrecht zu erhalten. In den meisten Fällen wird auch ein 3rd Level Support eingerichtet, der bei schwerwiegenden Störungen konsultiert werden kann. Der 3rd Level Support wird in der Regel vom Lieferanten der Produktionsleittechnik geleistet und steht über
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eine Rufbereitschaft und einen Fernwartungszugang ebenfalls während der Produktionszeiten zur Verfügung. Auf diese Art und Weise wird eine funktionelle Eskalation von Störungen ermöglicht, wie dies im ITIL Jargon genannt wird, sodass zur Behebung von Störungen schnell und effizient Spezialisten herangezogen werden können. ITIL kennt noch die hierarchische Eskalation von Störungen, was sich in der Praxis allerdings als wenig hilfreich herausgestellt hat. Alle Störungen sollten in einer Datenbank erfasst werden, damit eine Grundlage für Messungen, die für das Management und für die Qualitätssicherung im Service benötigt werden, vorliegt. Diese Datenbank sollte auch Workflows bereitstellen, die die Abwicklung des Incident Managements unterstützen und den Prozess in der Software abbilden. Der Help Desk ist für die Klassifizierung von Störungen verantwortlich. Dies stellt sich in der Praxis oft als Problem heraus, da Mitarbeiter des Help Desk mit dieser Aufgabe oftmals überfordert sind. Zudem arbeitet oft eine Reihe von Systemen zusammen, um bestimmte Dienste zu ermöglichen. Das Identifizieren des Systems oder jener Komponente, welche für die Störung verantwortlich ist, ist oftmals sehr schwierig. Hiermit kann es auch vorkommen, dass die falschen Personen im 2nd Level Support benachrichtigt und zur Fehlerbehebung herangezogen werden. Abb. 15.2 beschreibt den Incident Management Prozess.
Abb. 15.2 – Incident Management
Dieser Problemsituation kann man durch verschiedene Maßnahmen beikommen, wie der intensiven Schulung des Help Desk Personals. Diese Schulungsmaßnahmen sollten in der Startphase der Produktion, während der die Personen des
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
2nd Level Supports ständig anwesend sind, durchgeführt werden. Wenn spezifische Probleme auf Grund mangelnden Wissens auftreten, so ist dies durch umgehende Nachschulungen zu beheben. Wichtig ist zudem eine einfache und aussagekräftige Diagnose des Systems. Je klarer die Fehlermeldungen sind, desto höhere Chancen bestehen, dass der Help Desk die Störung richtig einordnen kann. Zudem ist eine intensive Kommunikation zwischen Help Desk und 2nd Level Support notwendig und zu fördern. Es sollte ein Forum für den regelmäßigen Erfahrungsaustausch eingerichtet werden. Ziel ist es, dass der Help Desk Störungen nicht nur richtig qualifiziert und weiterleitet, sondern sukzessive in die Lage versetzt wird, eine immer größere Anzahl von Störungen selbst zu beheben. Dies verkürzt die Wartezeiten auf die Störungsbehebung und verringert damit die potenziellen Ausfälle in der Produktion erheblich. Für die eigentliche Störungsbehebung spielt die Wartbarkeit der Software und vor allen die Möglichkeit, Änderungen und Eingriffe während des Betriebs vorzunehmen eine entscheidende Rolle. Die überwiegende Anzahl der Störungen betrifft nur Teilbereiche der Produktion. Wenn für die Behebung ein Neustart der Software oder gar von Servern erforderlich wird, so beschränkt dies die Möglichkeiten des Supports erheblich, Störungen schnell zu beheben. Änderbarkeit und Eingriffsmöglichkeiten im laufenden Betrieb sind daher eine zentrale Forderung an die Produktionsleittechnik. Ebenso ist die Nachvollziehbarkeit des Systems wichtig, damit Störungsursachen schnell behoben werden können. Im Zuge des Incident Managements ist vom 2nd Level Support die Klassifizierung des Fehlers nach Art, Komponente und Auswirkung zu ergänzen. Dies ist eine wesentliche Grundlage für das Change Management und die Qualitätssicherung der Software. Für jede Störung ergibt sich hiermit ein Lebenszyklus nach Abb. 15.3. Durch diesen Lebenszyklus von Störungen ergibt sich ein selbstoptimierender Prozess, der sicherstellt, dass allen Fehlfunktionen auf den Grund gegangen und diese nachhaltig abgestellt werden. Dies führt zu einer sukzessiven Verbesserung der Qualität des Produktionsleitsystems.
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Abb. 15.3 – Lebenszyklus einer Störung
15.2.3. Problem Management In ITIL wird ein Problem als unbekannte Ursache, die eine oder mehrere Störungen ausgelöst hat, definiert, wobei es unerheblich ist, ob eine Abhilfemaßnahme (Workaround) existiert oder nicht. Sobald die Ursache der Störungen bekannt ist, wird diese als Known Error (bekannte Fehlerursache) bezeichnet. Das Incident Management hat die möglichst schnelle Beseitigung von Störungen und die Wiederherstellung des Normalbetriebs zum Ziel, wobei die Ursache
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
von Störungen nicht untersucht wird. Damit besteht natürlich die Gefahr, dass Störungen auf Grund der unbekannten Ursache jederzeit erneut auftreten. An dieser Stelle greift das Problem Management, welches als Aufgabe hat, die Ursachen für Störungen zu ermitteln und zu beheben, sodass sichergestellt wird, dass die auf der Ursache beruhenden Störungen endgültig abgestellt werden. Zudem hat das Problem Management auch die Aufgabe proaktiv potenzielle Störungen zu erkennen und deren Ursache abzustellen, noch bevor eine Beeinträchtigung des Systems entsteht. Das Problem Management erstellt auf Basis seiner Erkenntnisse Änderungsvorschläge (RfC – Request for Change), welche dem Change Management zur Umsetzung übergeben werden. Das Problem Management wird in ITIL in Form von zwei wesentlichen Prozessen beschrieben, nämlich dem Problem-Control Prozess, dessen Ziel das Auffinden von unbekannten Störungsursachen ist, und dem anschließenden ErrorControl Prozess, dessen Ziel das Definieren eines Änderungsvorschlags zur Beseitigung der Störungsursache ist. Hinzu kommt noch ein weiterer Prozess, welcher sich mit der proaktiven Problemverhütung beschäftigt.
Der Problem-Control Prozess Der Problem-Control Prozess baut auf den Informationen über Störungen auf, die im Zuge des Incident Managements ermittelt wurden. Der Prozess besteht aus vier Schritten. Zunächst gilt es, Probleme zu erfassen. Störungen werden manuell mit Problemen verbunden. Dies ist sinnvoll, da die Eskalation in den Problem-Control Prozess nur für Störungen durchgeführt wird, bei denen die Gefahr einer Wiederholung besteht. Auch Mitarbeiter in anderen Prozessen können möglicherweise mit Problemen in Berührung kommen (Capacity- und Availability Management), wenn z.B. Schwachstellen in der Netzwerkinfrastruktur aufgedeckt werden. Im nächsten Schritt müssen die erfassten Probleme klassifiziert werden. Probleme werden in Kategorien eingeteilt, wobei das Ziel ist, geeignete Personen zu identifizieren, die zur Problemlösung beitragen können. Probleme werden nach Auswirkung auf den Betrieb und nach Priorität bearbeitet. Probleme können nun einem Problem-Management Team zugewiesen werden. Auf Basis der Kategorisierung werden Probleme geeigneten Spezialisten zugewiesen, deren Aufgabe die Ermittlung und Beschreibung der Problemursache und die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen ist. Im vierten Schritt erfolgt nun die Problemdiagnose. Das Problem wird an Hand der Logs und von Tests im Labor eingegrenzt und die Ursache somit schrittweise ermittelt. Wenn die Ursache bekannt ist, so werden die fehlerhaften CIs identifiziert. Aus dem Problem wird nun ein bekannter Fehler. Abb. 15.4 visualisiert den Problem-Control Prozess.
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Abb. 15.4 – Der Problem Control Prozess
Der Error-Control Prozess Der Error-Control Prozess baut auf dem Problem-Control Prozess auf und hat die Aufgabe, eine Korrektur und Behebung bekannter Fehler herbeizuführen. Die Umsetzung der erforderlichen Änderungen zur Problembehebung im Produktionsleitsystem wird letztlich vom Change-Management Prozess durchgeführt. Der Error-Control Prozess liefert eine Beschreibung und Spezifikation der erforderlichen Änderungen am System zur Behebung von bekannten Fehlern in Form von RfCs (Request for Change). Der Error-Control Prozess läuft in Schritten ab. Zuerst werden Fehler aufgezeichnet, wobei die bekannten Fehler identifiziert werden für die unter Umständen bereits Workarounds vorhanden sind, oder zunächst entwickelt werden müssen, um dem Incident Management eine temporäre Behebungsmöglichkeit für Störungen, die aus dem bekannten Fehler resultieren, in die Hand zu geben, bis eine endgültige Fehlerbehebung im System implementiert ist. Der nächste Schritt dient der Erarbeitung einer Fehlerbehebung. In diesem Prozessschritt kommen die Mitarbeiter des Problem Managements zum Einsatz, um Strategien für die Fehlerbehebung zu erarbeiten. Wichtig ist, dass alle für die Fehlerbehebung erforderlichen Aktivitäten aufgelistet werden. Strategien für die Fehlerbehebung sind nach technischen aber auch nach kaufmännischen Kriterien zu beurteilen, da den Kosten für die Fehlerbehebung ein ROI (Return on Investment) gegenüberstehen muss. Der Prozess wird mit dem Erstellen eines RfC abgeschlossen. Die Lösung ist in Form eines RfC (Request for Change) zu beschreiben, der dem Change Manage-
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
ment übergeben wird. Wenn die Änderung vom Change Management umgesetzt wurde, so ist in einem Review (Post Implementation Review) zu beurteilen, ob die Änderung einen Erfolg dahingehend gebracht hat, dass der bekannte Fehler tatsächlich durch diese Änderung behoben wurde. Nach Rücksprache mit dem Incident Management können anschließend die durch den bekannten Fehler hervorgerufenen Störungen ebenfalls abgeschlossen werden. Der Error Control Prozess läuft nach dem Schema in Abb. 15.5 ab.
Abb. 15.5 – Der Error Control Prozess
15.2.4. Change Management Das Change Management hat das Ziel, autorisierte Änderungen am Produktionsleitsystem so zu implementieren, dass sich ein minimales Risiko hinsichtlich Folgestörungen im Betrieb ergibt. Hierbei ist besonders auf eine hohe Flexibilität zu achten, da die vorliegenden Änderungen verschiedener Art sein können, was von alltäglichen Kleinigkeiten über kritische Änderungen für die Wiederherstellung des Betriebes bis hin zu größeren geplanten Änderungen am System reicht. Aus diesem Grund sind auch verschiedene Genehmigungsabläufe für Änderungen vorzusehen. Ein Ziel des Change Managements sollte es auch sein, die Anzahl der Änderungen, die auf Grund von Störungen durchgeführt werden müssen, langfristig zu minimieren. Durch entsprechende Qualitätssicherungsmaßnahmen ist zudem sicherzustellen, dass der Grad, in dem diese Forderungen erfüllt werden, jederzeit messbar ist. Der Prozess beginnt mit der Registrierung der vorliegenden RfCs. Diese werden anschließend einem Genehmigungsverfahren zugeführt. Dieses Verfahren
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kann je nach Art und Dringlichkeit des RfC unterschiedlich ausfallen. Sinnvoll ist eine gestufte Vorgangsweise. Bei dringlichen RfCs, die z.B. zu einem akuten Produktionsstillstand führen, wird die Entscheidung ad hoc vom befassten Mitarbeiter des 2nd Level Supports getroffen, der auch die sofortige Umsetzung übernimmt oder veranlasst. Die Entscheidung und die Grundlagen, auf denen die Entscheidung basierte sind im Nachhinein vollständig zu dokumentieren. RfCs, die zu geplanten Änderungen führen aber in die Kategorie der Alltäglichkeiten fallen, werden vom zuständigen Change Manager in Eigenverantwortung genehmigt (Alltägliches). RfCs mit größerem Umfang (z.B. Systemupgrades etc.) müssen von einem Gremium, in dem neben dem Change Manager auch die Entwickler, das IT Management und die Produktionsplanung beteiligt sind, genehmigt werden. Wenn RfCs genehmigt wurden, so wird deren Umsetzung geplant und anschließend der Entwicklung zur Implementierung übergeben. Nach erfolgter Implementierung wird in einem Review der Erfolg der Änderung beurteilt und gegebenenfalls ein veränderter RfC neu implementiert oder der Prozess abgeschlossen. Der Change Management Prozess läuft nach dem Schema in Abb. 15.6 ab.
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
Abb. 15.6 – Der Change Management Prozess
15.3. Qualitätssicherung Auf einige Grundlagen zur Qualitätssicherung während des Einführungsprojektes wurde oben bereits hingewiesen. Auch während der Betriebsphase sollte ein Prozess zur Qualitätssicherung eingeführt werden, der zu einer ständigen Verbesserung der Produktionsleittechnik führt.
Qualitätssicherung
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15.3.1. Qualität des Problem Managements Die Qualität der Produktionsleittechnik kann an Hand verschiedener Kriterien gemessen werden. Wichtige Informationen hierfür liefert das Incident Management. Nahe liegend ist eine Betrachtung der Anzahl der Störungen über der Zeit nach Abb. 15.7.
Stabile Entwicklung
Anzahl der Störungen
Instabile Entwicklung
Anzahl der Störungen
registriert
registriert
behoben
behoben
Zeit
Zeit
Abb. 15.7 – Stabiler und instabiler Verlauf von Störungen über der Zeit
An Hand der Entwicklung der Anzahl der registrierten und der behobenen Störungen kann man beurteilen, wie stabil der Problem Management und der Change Management Prozess laufen. Mit der Zeit sollten beide Graphen konvergieren, was bedeutet, dass die Anzahl der aktiv in Bearbeitung befindlichen Störungen mit der Zeit sinkt. Ist dies nicht der Fall, so kann dies verschiedene Ursachen haben. So kann z.B. die Software nicht den Erfordernissen des Prozesses entsprechen, die Abläufe werden ungenügend abgebildet oder die Benutzer sind mit der Bedienung der Software überfordert. Es kann sein, dass die vorhandenen Ressourcen für den Problem Management Prozess nicht ausreichen, sei es, dass zu wenig Personal verfügbar ist oder dass die Kompetenz des vorhandenen Personals nicht ausreicht. Weiters besteht die Möglichkeit, dass der Change Management Prozess nicht funktioniert. Entscheidungen über RfCs dauern zu lange oder eine schlechte Wartbarkeit der Software lässt Änderungen auf einfache Weise nicht zu. Sollte eine instabile Situation eintreten, so muss das Management dieser Entwicklung auf jeden Fall sofort begegnen und die Ursachen feststellen, um für eine geeignete Abhilfe sorgen zu können.
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
15.3.2. Qualität von CIs Auch eine grobe Messung der Qualität der einzelnen CIs ist möglich, indem die Anzahl der Störungen je CI über der Zeit aufgezeichnet wird. Abb. 15.8 zeigt eine positive und eine negative Tendenz.
Anzahl der Störungen
1. Version
2. Version
3. Version
Zeit
1. Version
2. Version
3. Version
Zeit
Anzahl der Störungen
Abb. 15.8 – Verlauf von Störungen über der Zeit bei verschiedenen Releases
Die Anzahl der Störungen über der Zeit sollte im Falle von stabilen CIs abnehmen, wobei diese abnehmende Tendenz bei Einführung neuer Versionen kurzfristig unterbrochen werden kann. Sollte sich eine CI als nicht stabil erweisen und keine abnehmende Tendenz zeigen, dann ist eine vollständige Neuerstellung dieser CI in Angriff zu nehmen. Weitere Fehlersuche und Fehlerbehebung führt in solchen Fällen meist nicht mehr zum Ziel und wäre wesentlich aufwändiger als das Entwickeln und Implementieren einer völlig neuen Version.
Systemadministration
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15.3.3. Qualität von Eingabemasken und Schnittstellen In der Datenbank der Produktionsleittechnik finden sich weitere Hinweise auf mögliche Qualitätsmängel, die ausgewertet werden sollten und auf mögliche Schwachstellen hindeuten können. Die erfassten Daten aus Handeingaben sollten regelmäßig geprüft werden. Wichtig ist es, Augenmerk auf fehlende Eingaben zu legen. Fehlende Eingaben weisen meist auf mangelnde Prüfung von Eingabedaten durch die Produktionsleittechnik hin. Oftmals ist es auch problematisch, dass Werker die Eingaben nicht verstehen oder mit der Eingabe überfordert sind. Solche Probleme können durch Überarbeitung der Prozesse und der Masken meist auf relativ einfache Weise behoben werden. Bei kritischen Daten ist zudem die Einführung einer Methode zur Prozessabsicherung zu überlegen (Routen von Teilen auf Nacharbeitsplätze oder Anhalten der Linie). Auch falsche Eingaben sollten geprüft werden. Bei falschen Eingaben kommen die gleichen Ursachen, wie bei fehlenden Eingaben in Frage. Meist entstehen falsche Eingaben durch eine ungünstige Planung von Arbeitsschritten, wenn z.B. die Handhabungsreihenfolge von Teilen nicht mit der Eingabereihenfolge übereinstimmt. Eine besondere Gefahr stellt in diesem Zusammenhang der Einsatz von Handscannern bei mangelnder Prüfung der Eingabe dar. Auch die Performance der Datenschnittstellen der Produktionsleittechnik sollte regelmäßig geprüft werden. Auf diese Weise können Schwachstellen, wie Netzwerkprobleme oder Fehler in der Protokollimplementierung in der Produktionsleittechnik oder in angebundenen Systemen aufgedeckt und behoben werden. Typischerweise sind auch lange Wartezeiten auf Datenversorgungen etc. ein möglicher Hinweis auf versteckte Fehler.
15.4. Systemadministration
15.4.1. Überwachung des Systembetriebs Eine der Hauptaufgaben des Administrators der Produktionsleittechnik stellt die Überwachung des Betriebs der Produktionsleittechnik dar. Das System implementiert eine ständige Überwachung und Alarmierung für alle Produktionsanlagen, weshalb eine Infrastruktur für die Überwachung und Alarmierung im Falle von Problemen im System selbst bereits zur Verfügung steht. Die Überwachung sollte flexibel konfigurierbar sein, da je nach Projektphase und Betriebszustand möglicherweise unterschiedliche Parameter überwacht und zur Beurteilung der Systemperformance herangezogen werden. Die Überwachung
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
kann zudem in eine möglicherweise bereits bestehende Monitoring Infrastruktur eingebunden werden, die z.B. auf Performance Counters, Alerts etc. aufbaut. Tabelle 15.2 listet wichtige Systemparameter auf, die überwacht werden sollten. Tabelle 15.2 – Zu überwachende Systemparameter Systemparameter
Beschreibung
Rechnerhardware
Die Rechnerhardware sollte auf ausgefallene Festplatten, die im RAID Verbund zu ersetzen sind, auf defekte Lüfter, Übertemperaturen an Bauteilen etc. überwacht werden.
Netzwerkmonitoring
Das Netzwerk sollte ständig auf mögliche Probleme überwacht werden. Für diesen Zweck stellen die Hersteller von Netzwerkausrüstungen verschiedene spezialisierte Diagnosewerkzeuge bereit. Üblicherweise sollten Komponentenausfälle, Ports, an denen die Verbindung verloren geht, übermäßig hohe Wiederholungsraten auf Ethernet Ebene durch verstümmelte Frames, das Andocken von Endgeräten mit unbekannter MAC Adresse etc. überwacht werden.
CPU Belastung
Eine ständig zu hohe CPU Belastung gefährdet die zeitgerechte Reaktion auf externe Ereignisse.
Speicherbelegung
Speicherengpässe sind eine sehr verbreitete Ursache für unerklärliche Fehlfunktionen oder Abstürze.
Festplattenplatz
Mangelnder Festplattenplatz sollte ebenfalls rechtzeitig untersucht werden.
Längen von Warteschlangen Die Länge der Warteschlangen in den Meldepipelines ist ein guter Indikator für Performanceprobleme. Datenbankparameter
Anzahl offener Transaktionen, die älter als eine Minute sind, Deadlocks, Wartezeiten bei Sperren, Anzahl der Tabellenscans, Größe des verwendeten Logspace, Synchronisation mit dem Shadow Server
Anmeldungen
Zurückgewiesene Anmeldeversuche
Schnittstellen
Verbindungsabbrüche oder Kommunikationstimeouts mit angebundenen Systemen in der Anlage und auf der IT Ebene
Archivierung und Sicherung Fehler bei der Datenarchivierung oder der Datensicherung
Die Anzahl der zu überwachenden Parameter ist sehr umfangreich. Aus diesem Grund sollte die Darstellung des Systemstatus in einer möglichst einfachen Anzeige erfolgen, sodass der Gesamtstatus des Systems möglichst mit einem Blick erfasst werden kann. Im Produktionsleitstand, wenn ein solcher eingerichtet wird, sollte ein Bildschirm eine ständig aktualisierte Ansicht des Systemstatus bieten. Zudem sollten Alarme aufgesetzt werden, die den Help Desk oder den Administrator automatisch über anormale Zustände informieren. Die Schranken sollten hierbei so gesetzt werden, dass ein zeitgerechtes Eingreifen noch möglich wird, bevor Störungen den Produktionsbetrieb beeinträchtigen.
Systemadministration
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15.4.2. Upgrades und Patches Der Administrator eines IT Systems hat heute grundsätzlich das Problem, dass er mit einer Flut an Upgrades und Patches für das Betriebssystem und für die Software selbst umgehen muss. Das Einspielen von Patches ist eine Änderung, die vom Change Management gesteuert wird. Dennoch sind Patches und Upgrades für einen nicht zu vernachlässigenden Anteil von Störungen in der Produktionsleittechnik verantwortlich. Das Problem hierbei ist, dass durch eingehende Vorbereitungsarbeiten und Tests das Risiko von Fehlfunktionen nach Einspielen neuer Software zwar stark verringert aber nicht ausgeschlossen werden kann. Eine gute Vorbereitung sollte einige wichtige Punkte umfassen. Aus der CMDB sollte ersichtlich werden, welche anderen CIs von einer Änderung an einem konkreten CI betroffen sein könnten. Die Verantwortlichen für diese CIs (im Haus oder bei Lieferanten) sollten vor Einspielen des Patches informiert werden und diese Aktivität autorisieren. Die Dokumentation der Patches durch den Lieferanten sollte genau geprüft werden. Vielfach entstehen Probleme dadurch, dass die Dokumentation weder gelesen noch verstanden wird. Patches sollten auf einem Testsystem, welches eine möglichst exakte Kopie des Produktivsystems ist, getestet werden. Vor dem Einspielen eines Patches sollte ein Backup des Systems durchgeführt werden. Das Überspielen des Backups der Systempartition auf ein Laufwerk gleicher Bauart ermöglicht im Fehlerfall das schnelle Umschalten auf den alten Systemstand (Rechner abstellen, Laufwerk tauschen und neu starten). Fehlermeldungen beim Einspielen des Patches sind ernst zu nehmen. Wenn Fehlermeldungen auftreten, so ist den Ursachen nachzugehen. Nach Einspielen eines Patches, was meist in der produktionsfreien Zeit erfolgt, sollte ein verantwortlicher Mitarbeiter des 2nd Level Supports bei Wiederaufnahme des Produktionsbetriebs im Werk anwesend sein. Dies sollte für alle Änderungen am System verbindlich gelten. Es bleibt festzuhalten, dass Änderungen am System auch bei noch so guter Vorbereitung immer mit einem Restrisiko verbunden sind. Deshalb sollte die Produktionsleitung in die Planungen von Änderungen miteinbezogen werden und auch über die möglichen Folgen und Risiken offen informiert werden.
15.4.3. Virenschutz Viren und Trojaner sind in allen IT Systemen heute eine alltägliche Bedrohung, der nur durch professionelles Management von Servern begegnet werden kann. Einige grundlegende Maßnahmen sind zu fordern. Auf allen Servern, allen Clients und allen Anlagen müssen Virenscanner installiert sein und über aktuelle Virensignaturen verfügen. Alle Dienste, die für den Betrieb nicht erforderlich sind, sollten abgeschaltet oder deinstalliert werden. Die
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Der Betrieb von Produktionsleitsystemen
Netzwerkinfrastruktur sollte den Zugriff auf unerwünschte Netzwerkschnittstellen und Ports verhindern. Eine Freigabeprozedur für PCs von Lieferanten ist einzuführen, die zu durchlaufen ist, bevor ein fremder PC an das Netz gehen darf. Die Server sollten stets mit allen aktuellen Sicherheitspatches versorgt werden. Auf Servern sollte nur das absolute Minimum an erforderlicher Software installiert werden. Regelmäßige Sicherungen der Systempartitionen sind durchzuführen, und auf Festplatte vorzuhalten, sodass im Fall einer Störung schnellstmöglich auf eine saubere Sicherung zurückgegriffen werden kann.
15.4.4. Sicherung und Archivierung Die hierfür erforderlichen Vorgangsweisen wurden oben bereits diskutiert. Wichtig ist, dass der Administrator den Fortschritt und Erfolg dieser Aktivitäten überwacht.
15.4.5. Benutzerverwaltung Wenn möglich sollte die Benutzerverwaltung im HR System oder in einem dedizierten System (Radius, LDAP etc.) erfolgen. Die Produktionsleittechnik kann für die Authentifizierung und die Rechtevergabe an Benutzer auf Informationen in diesen Systemen zurückgreifen. Für die Verwaltung von Benutzern sollte die Personalstelle verantwortlich sein. Wenn Probleme mit Anmeldungen auftreten, so können diese vom Help Desk bearbeitet und gelöst werden. Hierfür ist ein formaler Prozess einzurichten, der sicherstellt, dass kein Missbrauch mit Benutzerzugängen getrieben werden kann. Wichtig ist es, fehlgeschlagene Anmeldungen zu überwachen, da diese auch aus versuchten Angriffen (Brute Force Angriffe) stammen könnten.
16. Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1 - Produktion und Produktionsüberkapazität nach Regionen ................... 04 Abb. 1.2 – Typische Aufteilung der Fertigungskosten .......................................... 06 Abb. 1.3 – Fokus der Planung von einer Kostensicht hin zu ertragsbestimmenden Faktoren............................................................. 08 Abb. 1.4 – Bewertung von Fertigungstechnologien hinsichtlich technologischer Parameter.............................................................................................. 10 Abb. 1.5 – Zusammenhang der Fertigungstechnologien im Automobilbau .......... 11 Abb. 1.6 – Automatisierungsstruktur einer Rohbauzelle ....................................... 14 Abb. 1.7 – Das „Programmier-Babylon“ im Karosserierohbau ............................ 15 Abb. 1.8 – Darstellung aus „Industrial Blitzkrieg“................................................ 28 Abb. 1.9 – Das Toyota Produktionssystem ........................................................... 29 Abb. 2.1 – Modellbildung ..................................................................................... 32 Abb. 2.2 – Dreigeteilte Modellstruktur im Produktionsleitsystem ........................ 33 Abb. 2.3 – Prinzipielle Struktur der Stückliste ...................................................... 33 Abb. 2.4 – Verwaltung der grundlegenden Materialdaten in Microsoft Dynamics AX ....................................................................................... 36 Abb. 2.5 – Erstellung von Stücklisten in Microsoft Dynamics AX....................... 38 Abb. 2.6 – Schrittweise Stücklistenauflösung ....................................................... 39 Abb. 2.7 – Beispiel eines Gozintographens für die Bedarfsrechnung ................... 42 Abb. 2.8 – Prinzipielle Struktur der Ressourcenplans ........................................... 47 Abb. 2.9 – Verwaltung des Ressourcenplans im Produktionsleitsystem ............... 48 Abb. 2.10 – Festlegung des Teileflusses im Produktionsleitsystems .................... 50 Abb. 2.11 – Funktionsübergreifende Verwaltung des Ressourcenplans ............... 53 Abb. 2.12 – Struktur des Ressourcenplans in der ISA S95.01 .............................. 55 Abb. 2.13 – Prinzipielle Struktur des Prozessplans ............................................... 56 Abb. 2.14 – Projektphasen des Automobilprojekts ............................................... 57 Abb. 2.15 – Zeitlicher Ablauf von paralleler Produkt- und Prozessentwicklung .. 58 Abb. 2.16 – Schema der Abtaktung ....................................................................... 60 Abb. 3.1 – Das Ebenenmodell des Unternehmens................................................. 62 Abb. 3.2 – Der Aufbau eines Produktionsleitsystems ........................................... 63 Abb. 3.3 – Aufbau eines Produktionsleittechnik-Servers nach der 2-Tier Architektur ........................................................................................... 67 Abb. 3.4 – Aufbau eines Produktionsleittechnik-Servers nach der 3-Tier Architektur ........................................................................................... 69 Abb. 3.5 – Produktionsrückmeldungen in einer Schweißzelle .............................. 74 Abb. 3.6 – Auflistung und Einteilung gängiger Feldbusse .................................... 76 Abb. 3.7 – Herkömmliche Kommunikationsstruktur am PC ................................. 78
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 3.8 – Kommunikationsstruktur am PC bei Einsatz von OPC ....................... 78 Abb. 3.9 – Logischer Aufbau des OPC Objektmodells ......................................... 79 Abb. 3.10 – Aufbau des OPC Protokollstacks....................................................... 82 Abb. 3.11 – Beispiel einer Kommunikationsinfrastruktur für ein Produktionsleitsystem ....................................................................... 89 Abb. 3.12 – Pipeline für die Meldeverarbeitung ................................................... 91 Abb. 3.13 – Editor für Schrittketten zur Implementierung von Abläufen im Produktionsleitsystem ....................................................................... 92 Abb. 3.14 – Strukturierung von Systemen hinsichtlich Produktionsplanung und Produktionssteuerung ........................................................................ 95 Abb. 3.15 – Prinzipieller Ablauf der Produktionsplanung am Beispiel SAP R/3-PP ............................................................................................... 97 Abb. 3.16 – Produktionsplanung und Produktionssteuerung als Regelkreis ......... 99 Abb. 3.17 – Functional Enterprise Control Model nach ISA S95.01 .................. 100 Abb. 3.18 – Kosten- und Einnahmenentwicklung über die Phasen eines Automobilprojekts ........................................................................... 104 Abb. 4.1 – Verfahren zur Teileidentifikation ...................................................... 108 Abb. 4.2 – Beispiel eines Linienabschnitts in der Visualisierung ....................... 120 Abb. 4.3 – Teileverfolgung durch Schieberegister .............................................. 121 Abb. 4.4 – Gepufferte Ansteuerung von Betriebsmitteln .................................... 128 Abb. 5.1 – Gewerksübersicht in der Produktionsleittechnik ............................... 132 Abb. 5.2 – Linienübersicht in der Produktionsleittechnik ................................... 133 Abb. 5.3 – Personalisierung von angezeigten Anlageninformationen durch den Benutzer ............................................................................................. 134 Abb. 5.4 – Das Management als Regler .............................................................. 145 Abb. 5.5 – Das Management als Gestalter von Regelkreisen .............................. 146 Abb. 5.6 – Qualitätsregelkreise ........................................................................... 146 Abb. 5.7 – Bitinformationen aus der Teileverfolgung erweitert um Stationsstati ........................................................................................ 150 Abb. 5.8 – Prinzip der Klassifizierung von Zeiten .............................................. 151 Abb. 5.9 – Prinzip der Stückzählung ................................................................... 152 Abb. 5.10 – Beispiel für die Berechnung der OEE.............................................. 153 Abb. 5.11 – Beispiel einer Linienübersicht mit redundanten Anlagen ................ 156 Abb. 5.12 – Trichtermodell der Fertigung ........................................................... 159 Abb. 5.13 – Das Durchlaufdiagramm.................................................................. 160 Abb. 5.14 – Durchlaufdiagramme für verschiedene Lastsituationen .................. 160 Abb. 5.15 – Durchlaufdiagramm bei einlastungsbedingten Problemen .............. 161 Abb. 5.16 – Durchlaufdiagramm bei strukturbedingten Problemen .................... 162 Abb. 5.17 – Durchlaufdiagramm bei einlastungsbedingten Problemen .............. 162 Abb. 5.18 – Das Sechs-Partner Modell ............................................................... 163
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 5.19 – Beispiel für einen Verfügbarkeitsverlauf der Produktionspartner ... 164 Abb. 5.20 – Die ideale Betriebskennlinie ............................................................ 167 Abb. 5.21 – Reale Betriebskennlinien ................................................................. 168 Abb. 5.22 – Arbeitspunkte der Fertigung ............................................................ 169 Abb. 5.23 – Die errechnete Betriebskennlinie ..................................................... 171 Abb. 5.24 – Optimierungsansätze an Hand der Betriebskennlinie ...................... 172 Abb. 5.25 – Abhängigkeit der Optimierung vom Arbeitspunkt .......................... 173 Abb. 5.26 – OLTP und Data Warehouses ........................................................... 175 Abb. 5.27 – Beispiel für einen Bericht in Microsoft Excel ................................. 177 Abb. 5.28 – Web-basierter Zugriff auf Berichte .................................................. 178 Abb. 6.1 – Stufenweise Entwicklung der Instandhaltung .................................... 181 Abb. 6.2 – Beispiel für Abhängigkeit der Instandhaltungsstrategie vom Kontext ............................................................................................... 183 Abb. 6.3 – Ablauf des 7-Step Prozesses .............................................................. 186 Abb. 6.4 – Prinzipieller Aufbau des Alarmverteilers .......................................... 194 Abb. 6.5 – Workflow für Arbeitsaufträge ........................................................... 196 Abb. 6.6 – Die Badewannenkurve ....................................................................... 200 Abb. 6.7 – Ausfallswahrscheinlichkeit bei Komponententausch ........................ 201 Abb. 6.8 – Ausfallswahrscheinlichkeit von Teilen .............................................. 202 Abb. 6.9 – Kosten durch versteckte Redundanzen .............................................. 203 Abb. 6.10 – Die Säulen von TPM ....................................................................... 206 Abb. 7.1 – Möglichkeiten der Fehlerbehandlung ................................................ 214 Abb. 7.2 – Komponenten der Fehlerbehandlung nach Blickrichtung.................. 216 Abb. 7.3 – Beispiel für Absicherung der Lagerschalenwahl bei einem Motor .... 218 Abb. 7.4 – Beispiel für ein Schrauber HMI ......................................................... 229 Abb. 7.5 – Fabrikanzeige..................................................................................... 221 Abb. 8.1 – Grundlegender Funktionsablauf im Produktionsleitsystem ............... 229 Abb. 8.2 – MFA Layout einer Automobilproduktion .......................................... 233 Abb. 8.3 – Datentechnische Struktur eines Prozessplans .................................... 236 Abb. 8.4 – Editor für die Abtaktung .................................................................... 241 Abb. 8.5 – Die Abnahmemaske ........................................................................... 249 Abb. 8.6 – VPD Erfassung .................................................................................. 250 Abb. 8.7 – Fehlteilerfassung ................................................................................ 251 Abb. 8.8 – Maske zur Eingabe freier Problemeinträge........................................ 252 Abb. 8.9 – Lackfehlererfassung ........................................................................... 254 Abb. 8.10 – Werkerinformationssystem .............................................................. 256 Abb. 9.1 – Protokollablauf zur Produktionsdatenversorgung .............................. 263 Abb. 9.2 – Auslegung eines Anlagenrechners ..................................................... 265 Abb. 9.3 – Beispiel für eine EC-Schrauber Anbindung ...................................... 267 Abb. 10.1 – Gozintograph für die Vorlaufterminierung ...................................... 281
400
Abbildungsverzeichnis
Abb. 10.2 – Darstellung im Ereignisbaum .......................................................... 284 Abb. 10.3 – Maschinenbelegungsplanung im GANTT Chart ............................. 285 Abb. 10.4 – Ergebnis des Algorithmus von Heller und Logemann im GANTT Chart ................................................................................................ 290 Abb. 10.5 – Maschinenbelegungsplanung in SAP APO (Advanced Planning & Optimization), © Copyright SAP AG ............................................. 291 Abb. 10.6 – Entscheidungsbaum für Algorithmus nach Hogan .......................... 292 Abb. 10.7 – Isoquante zur Beurteilung von Maßnahmen zur Verringerung des Lagerbestandes ................................................................................ 298 Abb. 10.8 – Beispiel einer Rohbaustruktur für die Ansteuerung von Vormontagen ................................................................................... 303 Abb. 10.9 – Ausgangsbasis für die Sequenzierung ............................................. 304 Abb. 10.10 – Ergebnis der Sequenzierung .......................................................... 305 Abb. 10.11 – Struktur der zentralen Produktionssteuerung ................................. 308 Abb. 10.12 – Struktur der dezentralen Produktionssteuerung mittels KANBAN ........................................................................................ 308 Abb. 10.13 – Prinzipdarstellung eines KANBANs ............................................. 311 Abb. 10.14 – Zentrale Produktionsplanung versus KANBAN............................ 312 Abb. 10.15 – Beispiel einer KANBAN Plantafel ................................................ 313 Abb. 10.16 – Alternative KANBAN Plantafel .................................................... 314 Abb. 11.1 – Nacharbeitsmaske ............................................................................ 320 Abb. 11.2 – Nacharbeitserfassung in der Motormontage .................................... 321 Abb. 11.3 – Grafische Angabe des Fehlerortes ................................................... 322 Abb. 12.1 – Lackfehlererfassung......................................................................... 328 Abb. 12.2 – Lackfehlerauswertung ..................................................................... 330 Abb. 12.3 – Stellplatzanzeige .............................................................................. 332 Abb. 12.4 – Verladung am PDA ......................................................................... 333 Abb. 12.5 – Gesamtablauf der Verladung ........................................................... 334 Abb. 13.1 – Aufbau eines Shadow Servers ......................................................... 342 Abb. 13.2 – Meldepipeline .................................................................................. 354 Abb. 14.1 – Aufwände im PLS Einführungsprojekt............................................ 361 Abb. 14.2 – Simultaneous Engineering versus klassischer Entwicklung ............ 364 Abb. 14.3 – Kostenverteilung in Simultaneous Engineering versus klassischer Entwicklung .................................................................................... 365 Abb. 14.4 – Phasen des PLS Einführungsprojekts .............................................. 367 Abb. 14.5 – Das PLS Projektteam und sein Umfeld ........................................... 368 Abb. 15.1 – Die Rolle des Helpdesk ................................................................... 382 Abb. 15.2 – Incident Management ...................................................................... 383 Abb. 15.3 – Lebenszyklus einer Störung............................................................. 385 Abb. 15.4 – Der Problem Control Prozess .......................................................... 387
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 15.5 – Der Error Control Prozess ............................................................... 388 Abb. 15.6 – Der Change Management Prozess ................................................... 390 Abb. 15.7 – Stabiler und instabiler Verlauf von Störungen über der Zeit ........... 391 Abb. 15.8 – Verlauf von Störungen über der Zeit bei verschiedenen Releases ... 392
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17. Tabellenverzeichnis Tabelle 1.1 – Die größten Herstellerländer von Fahrzeugen ................................. 02 Tabelle 1.2 – Die größten Automobilkonzerne ..................................................... 03 Tabelle 1.3 – Grundlegende Zahlen zur Automobilindustrie in Deutschland ....... 05 Tabelle 1.4 – Fertigungstechnologien im Automobilbau ...................................... 09 Tabelle 1.5 – PLS Aufgaben im Presswerk ........................................................... 13 Tabelle 1.6 – PLS Aufgaben im Rohbau ............................................................... 16 Tabelle 1.7 – PLS Aufgaben in der Lackiererei .................................................... 17 Tabelle 1.8 – PLS Aufgaben in der Motormontage ............................................... 19 Tabelle 1.9 – PLS Aufgaben in der Fahrzeugendmontage .................................... 21 Tabelle 1.10 – PLS Aufgaben in der Auslieferung und Zertifizierung .................. 22 Tabelle 2.1 – Angaben im Auftragskopf ............................................................... 35 Tabelle 2.2 – Zusatzinformationen je Material...................................................... 37 Tabelle 2.3 – Typen von Puffern ........................................................................... 52 Tabelle 3.1 – Kategorisierung von Anlagensystemen ........................................... 64 Tabelle 3.2 – Beispiele für Anlagen-Basissoftware............................................... 85 Tabelle 3.3 – Dateninhalte von der Anlage zum PLS............................................ 86 Tabelle 3.4 – Kommandos vom PLS zur Anlage .................................................. 86 Tabelle 3.5 – Beispiele für Standardanlagenanbindungen am PLS ....................... 88 Tabelle 3.6 – Übersicht über grundlegende PLS Funktionen .............................. 102 Tabelle 4.1 – Binärinformationen von der Station zum PLS ............................... 120 Tabelle 4.2 – Typische Probleme bei der Teileidentifikation .............................. 126 Tabelle 4.3 – Typische Sonderfälle bei der Teileidentifikation ........................... 129 Tabelle 5.1 – OEE Wertebereiche ....................................................................... 150 Tabelle 5.2 – OEE Zeitkategorisierung ............................................................... 151 Tabelle 5.3 – Arten von Berichten im PLS.......................................................... 179 Tabelle 6.1 – Merkmale zur Fehlerklassifizierung .............................................. 185 Tabelle 6.2 – Funktionen zur Unterstützung der reaktiven Instandhaltung ......... 191 Tabelle 6.3 –TPM-unterstützende Funktionen im PLS ...................................... 207 Tabelle 7.1 – Menschlich-bedingte Fehlerursachen ............................................ 212 Tabelle 7.2 – Von Maschinen-bedingte Fehlerursachen...................................... 213 Tabelle 7.3 – Reaktionen auf Fehler .................................................................... 215 Tabelle 7.4 – Möglichkeiten zum Umgang mit Fehlern ...................................... 215 Tabelle 8.1 – Angaben zur Auftragsidentifikation .............................................. 230 Tabelle 9.1 – Typischer Anlagenmix in der Fahrzeugendmontage ..................... 268 Tabelle 10.1 – Aufgaben im Logistiksystem versus PLS .................................... 280 Tabelle 10.2 – Ergebnis des Algorithmus von Neumann und Morlock............... 283 Tabelle 10.3 – Beispiel für eine Auftragstabelle ................................................. 285
404
Tabellenverzeichnis
Tabelle 10.4 – Beispiel für eine Auftragstabelle ................................................. 287 Tabelle 10.5 – Tabelle nach der Initialisierung ................................................... 288 Tabelle 10.6 – Tabelle nach Ablauf des Algorithmus ......................................... 289 Tabelle 10.7 – Beispiel für eine Fahrzeugsequenz .............................................. 295 Tabelle 10.8 – JIT Einsatzbereiche ..................................................................... 299 Tabelle 13.1 – Verfügbarkeitsklassen nach IEEE ............................................... 338 Tabelle 13.2 – Verfügbarkeitsklassen nach AEC ................................................ 339 Tabelle 13.3 – Dokumentation zum Produktionsleitsystem ................................ 358 Tabelle 15.1 – Die grundlegenden ITIL Prozesse ............................................... 381 Tabelle 15.2 – Zu überwachende Systemparameter ............................................ 394
18. Abkürzungsverzeichnis Abkürzung
Erläuterung
AEC
Availability Environment Classification
AL
Ablaufsprache – Dies ist grafische Programmiersprache, welche in der IEC 1131-3 genormt ist und Programmabläufe in Form von Schrittketten formuliert
APO
Advanced Planner and Optimizer – SAP R/3 Modul für die Produktionsplanung
BOM
Bill of Material – Stückliste
CAD
Computer Aided Design
CBM
Condition Based Monitoring – Zustandsbasierte Überwachung von Produktionsanlagen
CBU
Custom Built Unit
CI
Configuration Item
CIP
Cleaning in Place – Verfahren zur automatisierten Reinigung von verfahrenstechnischen Anlagen
CKD
Completely Knocked Down, Fertigungsverfahren in der Automobilproduktion bei der Bausätze in Zielländer versendet werden, die dort zusammengebaut werden.
CMDB
Configuration Management Database
COM
Component Object Model
CPU
Central Processing Unit
CRM
Customer Relationship Management
DW
Data Warehouse
ERP
Enterprise Resource Planning
FIFO
First-in First-Out, Puffer in Form einer Warteschlange
FMEA
Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse
406
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Erläuterung
FTC
First Time Correct, Direktläuferquote
HMI
Human Machine Interface
HR
Human Resources, Personalverwaltung
HTML
Hypertext Markup Language
HTTP
Hypertext Transfer Protocol
ISO
International Standards Organisation
ITIL
IT Infrastructure Library
J2EE
Java 2 Enterprise Edition
JIPM
Japan Institute for Plant Maintenance
JIS
Just in Sequence
JIT
Just in Time
KPI
Key Performance Indicator
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
LAN
Local Area Network
LDAP
Lightweight Directory Access Protocol
LIFO
Last in First Out, Puffer in Form eines Stapels
MAC
Media Access Control
MES
Manufacturing Execution System
MTBF
Mean Time Between Failure
MTTR
Mean Time To Repair
OEE
Overall Equipment Efficiency
OLTP
Online Transaction Processing
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Erläuterung
OPC
OLE for Process Control
PDA
Personal Digital Assistant
PDI
Process Data Interface
PLS
Produktionsleitsystem
PPS
Produktionsplanungssystem
PTO
Process Try-Out
QZK
Qualitätszahl Kundenzufriedenheit
RAID
Redundant Array of Inexpensive Disks
RAM
Random Access Memory
RCM
Reliability Centered Maintenance
RFC
Request for Change
RFID
Radio Frequency Identification
ROI
Return of Investment
SA
Sonderausstattung
SAE
Society of Automotive Engineers
SKD
Semi-knocked Down
SMED
Single Minute Exchange of Die
SMS
Short Message Service
SOA
Service-oriented Architecture
SOAP
Simple Object Access Protocol
SOP
Start of Production
SOX
Sarbanes-Oxley Act of 2002
407
408
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Erläuterung
SPOF
Single Point of Failure
SPS
Speicherprogrammierbare Steuerung
SQL
Structured Query Language
SUV
Special Utility Vehicle
TCP/IP
Transmission Control Protocol / Internet Protocol
TEEP
Total Effective Equipment Performance
TPM
Total Productive Maintenance
TPS
Toyota Produktionssystem
TQM
Total Quality Management
VIN
Vehicle Identification Number, Fahrgestellnummer
VLAN
Virtuelles LAN
VPD
Variable Prozessdaten
WIP
Work in Progress
WIS
Werkerinformationssystem
WLAN
Wireless LAN
WPP
Work Progress Planning
XML
Extensible Markup Language
19. Literaturverzeichnis Al-Radhi, M. (2002). Total Productive Management. München Wien: Carl Hanser Verlag. Becker, H. (2006). High Noon in The Automotive Industry. Berlin Heidelberg New York: Springer Verlag. Bernhard, W. (17. September 2006). Vortrag SDK Darmstadt. Abgerufen am 7. April 2008 von Volkswagen AG - Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: http://www.volkswagenag.com/vwag/vwcorp/info_center/de/talks_and_presentations/ 2006/09/schutzgemeinschaft.-bin.acq/qual-BinaryStorageItem.Single.File/200609-17_SDK_Darmstadt.pdf BMW AG. (2007). Werksbroschüre Dingolfing. Dingolfing, Bayern, Deutschland. BMW AG. (2008). Jahresabschluss der BMW AG Geschäftsjahr 2007. Abgerufen am 29. Dezember 2008 von BMW Website: http://www. bmwgroup.com/bmwgroup_prod/d/0_0_www_bmwgroup_com/investor_relation/ finanzberichte/geschaeftsberichte/2007/_pdf/10936_BMW_AG_Jahresabschluss_ dt.pdf Cattero, B. (1998). Mythos Facharbeit. SOFI-Mitteilungen Nr. 26 , S. 99-117. D&S Associates. (2008). Welcome to ISO 27001 Online. Abgerufen am 31. Dezember 2008 von ISO 27001 Security: http://www.27001-online.com/ Dirk Krafzig, K. B. (2007). Enterprise SOA. Heidelberg: Redline GmbH. Engelhardt, C. (2000). Betriebskennlinien. München Wien: Carl Hanser Verlag. Gerfried Zeichen, K. F. (2000). Automatisierte Industrieprozesse. Wien New York: Springer Verlag. Gerhard Geiger, E. H. (2003). Kanban. München Wien: Carl Hanser Verlag. Granath, J. Å. (24-25. August 1998). Torslanda to Uddevalla via Kalmar: A journey in production practice in Volvo. Seminário Internacional, Reestruturação Produtiva, Flexibilidade do Trabalho e Novas Competências Profissionais. Rio de Janeiro, Brasilien. Günther Zäpfel, R. B. (2005). Moderne Heuristiken der Produktionsplanung. München: Verlag Vahlen. Hartmann, E. H. (2001). TPM - Effiziente Instandhaltung und Maschinenmanagement, 2. Aufl. Landsberg: Verlag moderne Industrie AG.
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20. Sachverzeichnis 2 2-Tier Architekturen 66
3 3-Tier Architekturen 68
7 7 Steps 186
A Ablauf des Einführungsprojekts 365 Abnahmemaske 249, 256 Abtaktung 58, 240 Abtaktungsänderungen 258 Advanced Planner and Optimizer 96 Agilität 105 Alarmierung 190 Alarmverteiler 194 Alarmverteilung 192 Anforderungsmanagement 371 Anlagendatenkopplung 87 Anlagendokumentation 198 Anlagenfehler 184 Anlagenkennzahlen 135 Anlagenrechner 265 Anlagensoftware 265 Anlagenvisualisierung 131, 132 Anschlagtafeln 224 APO 96 Arbeitsanweisung 238 Arbeitsaufträge 196 Arbeitsgänge 237, 269 Arbeitsplanung 57 Arbeitspunkt der Fertigung 168 Arbeitsschritte 238, 269 Archivierung 396 A-Teile 124 Attacken 343 Aufgaben der Betriebsführung 379 Aufgaben des Projektmanagements 375 Auftragsfolge 284 Auftragsidentifikation 229 Auftragskopf 34, 229 Aufzählungen 246 Ausfallswahrscheinlichkeit 200 Auslastung 170 Auslieferung 123, 327 Auswertung von Lackfehlern 329 Authentifizierung 348 automatische Fertigungseinrichtungen 261 automatische Produktionsanlagen 102
Automobilkonzerne 3
B Backup 343 Badewannenkurve 200 Bandhalt 154 Barcodes 108 Bauscheine 255 Bearbeitungsstatus 84 Bedarfsrechnung 42, 231 Behandlung von Fehlern 213 Benutzerhandbuch 358 Benutzerverwaltung 349, 396 Berichtsserver 178 Berichtswesen 102, 174, 325 Beschallungsanlage 222 Best Practice 197, 326 Bestand 171 Betrieb von Produktionsleitsystemen 379 Betriebsführung 379 Betriebskennlinien 166 Betriebskennlinienverfahren 158 Betriebsmittel 127, 237
C Change Management 356, 388 Checkliste 251 Checklistenpunkte 262 CKD 98 Client 249 Clients 262 CoBiT 348 Codes 230 Condition Based Monitoring 202 Condition-based Monitoring 182 Configuration Items 370 Configuration Management Database 370 Control Plan 242
D Datenarchivierung 353 Datenaustauschprotokolle 270 Datenbank 67 Datenkommunikation 271 Datenkommunikation mit SPS 285 Datenschnittstellen 72 Datensicherheit 351 Datensicherheit für historische Daten 352 Design-FMEA 243 Deutschland 5 Diagnose 277 Dokumentation 357
414
Sachverzeichnis
Durchlaufdiagramm 159 Durchlaufzeit 138, 170 Dynamics AX 36, 38
E Ebenenmodell des Unternehmens 61 Effizienz 143 Einführungsprojekt 361, 365 Einlastungsbedingte Probleme 161 Einsatzbereiche von JIT 299 Einsatzsteuerung 257 Einsatzterminierung 231 Einwegtransponder 112 Engpässe 165 Entlackung 115 Entscheidungsbaum 292 Entscheidungstabellen 247 Entwicklerdokumentation 358 Entwicklungsstückliste 39 Ereignisbaum 283 ERP Anbindung 100 Error-Control Prozess 387 Ersatzteilproduktion 98 Ethernet 73, 117 Extranet 301 Extranet Portal 65
F Fabrikanzeigen 221 Fahrzeugeigenschaften 245 Fahrzeugendmontage 19 Fahrzeugidentifikation 117 Fahrzeugspezifische Informationen 229 fahrzeugspezifische Stückliste 231 Feature Codes 230 Fehlbedienungen 342 Fehler 184, 211 Fehlerart 254 Fehlererfassung 190 Fehlerort 254 Fehlervermeidung 216 Fehlteilerfassung 252, 302 Feldbusse 73, 76 Fertigungskosten 6 Fertigungstechnologien 9 Flussfaktor 170 FMEA 58, 243 Fördereinrichtungen 302 Freie Problemeinträge 253 FTC 140, 259, 277, 317 FTOK Rate 140 Funktionen eines Produktionsleitsystems 101
G GANTT Chart 285, 289, 291 Geoskids 125 Gesamtbedarf 43 Gesamtbedarfsmatrix 44 Gesamtverfügbarkeit 142, 157, 163 Gewerksübersicht 132 Gozintograph 280 Gozintographen 42 grafische Fehlererfassung 255
H Halt bei Taktende 155 Hängebahnen 125 Hardwareausfälle 341 Heller und Logemann 286 Herstellerländer 1, 2 Heuristiken 294 Hotline 381
I Identifikation 107, 124 Identifikationssystem 263 Identifikationssysteme 116 Identifikationstechnologie 118 Identifikationsträger 115, 118 IEC 27002 348 Implementierung von Produktionsleitsystemen 361 Inbetriebnahmephase 104 Incident Management 356, 381 induktive Lesung 110 Instandhaltung 102, 181 Instandhaltungskosten 189 Instandhaltungsmanagementsystem 65 Inventur 332 ISA S95 99 ISA S95.01 54 ISO/TS 16949 242 IT Infrastructure Library 380 IT-Governance 348 ITIL 380
J J2EE 68 JIT 296, 298 Just In Time 296
K Kalibrierung von Messmitteln 204 Kameras 114 KANBAN 146, 308 Kanban Regelkreise 309 Kapazität 170 Karossenfluss 279 Karossentausch 45
Sachverzeichnis Karosserierohbau 13 Katastrophen 344 Kennzahlen 135 Kennzahlen für manuelle Arbeitsgänge 154 Komponenten 46 Konfigurationsmanagement 370 Korrektheit 344 Kostenerfassung 324 KPI Ermittlung 127 Kritikalität 347 KVP 105, 187
L Labels 109 Lackfehlererfassung 254, 327 Lackiererei 17 Lacknacharbeit 327 Lackskids 125 LDAP Server 350 Lenkungsplan 242 Leuchten 224 Lieferabruf 231 Lieferabrufe 300 Lieferantenportal 301 Linie 133 Linienübersicht 133 Lochrasterplatte 125 Lochrasterplatten 113 Logiken 247 Losgrößenmodell 296
M Management der Systemverfügbarkeit 339 Managementregelkreise 144 Managementwerkzeuge 377 manuelle Arbeitsgänge 122 manuelle Arbeitsplätze 227 Manuelle Arbeitsplätze 249 manuelle Arbeitsstationen 154 Maschinen verursachte Fehler 212 Maschinenbelegungsplanung 284 Maschinenbelegungsplanung in SAP APO 290 Maschinenfolge 284 Materialdaten 36 Materialnummer 231 Materialstamm 36 Meldepipelines 354 Meldepunkte 300 Meldungsverarbeitung 91 Menschen verursachte Fehler 212 MES 70 Message Queuing Systeme 90
415
Middleware 101 Modell 31 Modellbildung 31 Modellmix 241 Motormontage 18 MTBF 202 MTTR 202
N Nacharbeit 317, 329 Nacharbeitsmaske 320 Nacharbeitssteuerung 102, 317 Nachrichtenverarbeitung 90 Nachvollziehbarkeit 105, 350 Netzwerkinfrastruktur 73 Not-Aus 155 Notfahrweisen 199 Notfallshandbuch 358 Notfallstrategien 125 Nutzen 103
O OEE 127, 147, 150, 213 OLE for Process Control 77 OLTP 175, 352 OPC 77, 271 OPC Data Access 79 OPC Server 80 OPC UA 81 OPC Unified Architecture 81 Organisatorische Verluste 142 Overall Equipment Efficiency 127, 147
P Partner Mensch 164 PC-basierte Systeme 84 PDA 123, 333 PDI 87, 265 Perlenkette 138 Perlenketten 45 Personalverwaltungssystem 65 physikalische Durchlaufzeit 166 Pipeline 91, 354 Plantafel 312 Planungsablauf in SAP 96 Plus-Minus Methode 40 Presswerk 12 Primärbedarf 42 PR-Nummern 230 Problem Management 385 Problem-Control Prozess 386 Problemeinträge 253 Produktionsanlage 261 Produktionsdaten 267 Produktionsdurchsatz 137
416
Sachverzeichnis
Produktionskapazitäten 3 Produktionskennzahlen 258 Produktionsleitebene 62 Produktionsleitsystem 62 Produktionsleittechnik Client 223, 248 Produktionslenkungspläne 242 Produktionsplanung 95 Produktionsreihenfolge 232 Produktionsrückmeldungen 237 Produktionsschritt 94 Produktionsschritte 232 Produktionssequenz 97, 127 Produktionsstatus 131 Produktionssteuerung 95 Produktmerkmale 238 Projektablauf 363 Projekte als soziale Konstrukte 376 Projektmanagement 374 Projektorganisation 368 Projektteam 368, 369 Projektumfeld 368 Prozessabsicherung 212, 214, 217 Prozessentwicklung 373 Prozess-FMEA 243 Prozessmerkmale 239 Prozessplan 55, 235 Prüfadapter 125 Puffer 51, 119, 133 Puffermanagement 125, 306
Q Qualität des Problem Managements 391 Qualitätsmanagement 371 Qualitätsrate 139 Qualitätsregelkreise 146 Qualitätssicherung 390 Qualitätsverluste 187 Quality-Gates 234 QZK 254, 258
R RCM 182 reaktive Wartung 190 Redundanzen 203 Regelwerke 41, 246 Reliability Centered Maintenance 181, 182 Ressourcenplan 46, 53 RfC 388 RFID 107, 110, 113, 118 Robustheit 346 Rohbauzelle 14 Routing von Teilen 306 Rückmeldungen zum ERP System 232
Rüstkosten 297
S Sabotage 343 SA-Codes 230 Sarbanes-Oxley Act 348 SBS 227, 254 Schichtberichte 174 Schichtkalender 93 Schieberegister 118, 119, 121 Schnittstellen zur ERP Ebene 92 Schrauber 266, 268, 276 Schraubfälle 219 Schrittketten 91 Schulung 360, 362 Schweißsteuerung 75 Schweißzangen 204 Schweißzelle 14 Sechs-Partner Modell 163 Sekundärbedarf 43 Sequenzbildung für Vormontagen 303 Sequenzfolgerichtigkeit 139 Sequenzierung 292 Sequenznummern 232 Sequenzplanung 240 Sequenzteile 139 Service Desk 381 Service Oriented Architecture 90 Shadow Server 352 Sicherheitsbestand 310 Sicherheitskritische Verschraubungen 219 Sicherung 396 Simultaneous Engineering 363 Single Point of Failure 340 SKD 98 Skriptsprachen 247 SMED 12, 148, 296 SOA 90 Soforthalt 154 Softwareentwicklungsprozess 372 Softwarefehler 342 Softwarestruktur 66 Sortiertisch für Bordliteratur 217 SOX 348 Sperren 98, 234 Sprachen 359 SPS 74, 75, 264, 271 SPS Programmierstandards 83 Stationen 120 Stationsmeldung 128 Stellplatz 330 Stellplatzverwaltung 330 Steuerung der Nacharbeit 318 Steuerung des Teileflusses 279
Sachverzeichnis Stichproben 238 Stillstandsursachen 155 Störungsbehebung 384 Strukturbedingte Probleme 161 Stückliste 33, 93, 257 Stücklistenauflösung 38, 230 Stücklistenerstellung 38 Stückzahlabweichung 137 Subauftrag 244 Subaufträge 45 sukzessive Bedarfsrechnung 45 Supply Chain Management 97 System 23 Systemadministration 393 Systemverfügbarkeit 337
T Taktverlust 184 Taktzeit 136, 240 TCP/IP 73, 117, 265 Technical Hold 234 Technische Verfügbarkeit 157 technologische Matrix 44 TEEP 140 Teilefluss 50, 51, 279 Teileidentifikation 107, 114 Teilemodell 244 Teilestatus 228 Teilesteuerung 102 Teileverfolgung 107, 118, 120, 122 Teilezähler 127 Terminals 67 Terminierung von Nacharbeiten 323 Termintreue 138 Thin Clients 67 Toyota Produktionssystem 27, 307 TPM 206 Transponder 110 Trend 137 Trichtermodell 158
U Uddevalla 24 Übernahme durch den Spediteur 333 Überwachung 277 Überwachung des Systembetriebs 393 Upgrades und Patches 395
V variable Prozessdaten 234
417
Variable Prozessdaten 245 Variationsfaktor 171 Verbesserungsprozesse 105 Verflechtungsmatrix 43 Verfolgung von Betriebsmitteln 124 Verfügbarkeit 141 Verladung 333 Verlässlichkeit 140, 344 Verpackung 333 Verschraubungen 219, 266 Versorgung automatischer Fertigungseinrichtungen 261 Versorgung manueller Arbeitsplätze 227 Versorgung von Anlagen 261 Virenschutz 395 Visualisierung 119, 131, 134 Volkswagen H54 26 Volvo 24 vorbeugende Wartung 200 Vorgehensmodelle 366 Vorlaufterminierung 280 Vormontagen 124, 302, 303 Vorserie 242 VPD 227, 234, 244, 262, 276
W Wagenbegleitkarten 227 Wartbarkeit 141, 355 Wartungsaufträge 93, 95, 208 Wartungsmanagementsysteme 208 Wartungstrigger 205 Werkerinformationssystem 254 Wertebereiche 245 WIP 171 WIS 255 Workflows 102 Workflows für Alarme 195
X XML 270, 274
Z Zeitbausteinen 237 Zeitkartensystem 237 Zeitverhalten 353 Zeitverlust 184 Zertifizierung 21, 123, 327 Zugriffsschutz 347 Zustandsüberwachung 202