Roboter-Wacht
KURT BRAND
Ren Dhark
Band Nr. 79
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Version 1.0
Roboter-Wacht KURT BRAND
War Zwitt wirkli...
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Roboter-Wacht
KURT BRAND
Ren Dhark
Band Nr. 79
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Version 1.0
Roboter-Wacht KURT BRAND
War Zwitt wirklich harmlos? Klein und hilflos kamen sich Commander Ren Dhark und sein Freund Dan Riker vor, während sie den gewaltigen Tempel mit den schneeweißen Säulen und den rotlodernden Flammenbogen über dem Dach betrachteten. Der harte, trockene Knall, der beim Entstehen des Lichtbogens entstanden war, hatte die beiden überraschten Männer zusammenzucken lassen. War diese mehrere hundert Meter hohe, halbbogenförmige Flammenwand eine deutliche Warnung, die Tempelanlage nicht zu betreten, oder eine Aufforderung, nicht länger stehenzubleiben? Die beiden schwarzen Wände hinter dem Tempel, die eine steile und tiefe Schlucht bildeten, wurden von der Lohe beleuchtet, und das flackernde Licht schuf Reflexe, die dem Einschnitt in das nicht besonders hohe Gebirge etwas Gespenstisches gaben. Dazu kam der brennende Himmel, der mit seinem gelblichen Leuchten so ungewöhnlich war, daß Dhark und Riker immer wieder zu ihm hinaufsahen. Unwillkürlich drängte sich ihnen die Frage auf, was dieses außergewöhnliche Sternengebilde denn nun tatsächlich war: eine Sonne oder ein Planet mit einer hochenergetischen leuchtenden Hülle von Sonnenformat, oder beides, ein – Zwitter? Gleichzeitig blickten sich die Männer an. Jeder fragte mit seinem Blick den anderen, und niemand wußte eine Antwort zu geben. Weder Dhark noch Riker hatten den Mut zu einer Antwort, die gleichzeitig eine Entscheidung war. »Diese siebte Sonne in der Sternenbrücke«, sagte Riker nachdenklich und grüblerisch zugleich. Dhark und er waren schon vor dem Start des Kolonistenraumers GALAXIS Freunde gewesen, und er kannte seinen Freund, den Commander, wie kein zweiter Mensch. In einer Geste, die um Vertrauen bat, legte er ihm die Hand auf die Schulter. »Ren«, sagte er, während der rotlodernde Flammenbogen leise knisterte und rauschte, »irgend etwas hat dich zur siebten Sonne gezogen, aber was ist es gewesen? Willst du es mir nicht endlich sagen?« In Ren Dhark entstand eine Sperre, die ihn daran hinderte, über Mone zu sprechen. Er wich dem fragenden Blick seines Freundes aus, sah sich
wieder den Flammenbogen an, betrachtete das Tempeldach mit seinem Fries, deren Darstellungen er aus dieser Entfernung nicht erkennen konnte, und sagte dann, während Rikers Geduld strapaziert wurde: »War es nicht natürlich, daß ich eine Sonne mit Planeten aufsuchte, die einmal ein G0 Stern wie Sol gewesen war?« Rikers Hand glitt von der Schulter des Freundes. Er konnte es nicht beweisen, aber sein Gefühl sagte ihm, daß Dhark die Frage nicht wahrheitsgemäß beantwortet hatte. Dennoch ließ er sich nichts anmerken. »Was werden wir tun?« Da traf der Commander seine Entscheidung. »Zur POINT OF zurückfliegen. Wir dürfen nie mehr das kleinste Risiko eingehen. Der Planet, auf dem die schwarzen Weißen ihre Station errichtet hatten, hat uns alle doch genug Lehrgeld zahlen lassen.« »Du und kein Risiko eingehen… Nein, das nehme ich dir nicht ab, mein Lieber«, widersprach Riker. »Aber ich habe auch nichts dagegen einzuwenden, wieder den Ringraumer aufzusuchen. Denn noch haben wir die Hyperfunkstationen zu finden, die uns beim Anflug unter ihre Ortungs-Kontrolle nahm.« Ohne Zwischenfall erreichten sie den Ringraumer, flogen ein und suchten die Kommando-Zentrale auf. Hier erwartete sie eine Überraschung. Alle Mitglieder der astronomischen Abteilung waren um die große Ortungs-Anlage des Flaggschiffes versammelt. Vier Offiziere der Besatzung standen am Checkmaster und tasteten eine Frage nach der anderen. Die Bordverständigung zur Funk-Z stand, und aus dem Lautsprecher war Walt Bruggs Stimme zu hören, der sagte: »Wir haben es jetzt mit der Echo-Kontrolle auch erfaßt. Es ist beinahe überall.« Der Commander und Riker waren am Schott zur Zentrale stehengeblieben, so sehr hatte sie die große Zahl Männer im Leitstand überrascht. Unverständlich blieb ihnen, was Brugg soeben durchgegeben hatte. Mit der Echo-Kontrolle konnte über Hyperfrequenz festgestellt werden, ob eine angerufene Station funkklar war oder abgeschaltet hatte. Langsam näherte sich Dhark der Ortung. Erst im letzten Moment, als er schon darum bitten wollte, ihm Platz zu machen, bemerkte man ihn. Jens Lionel, der neben Grappa saß, rückte etwas zur Seite, damit auch der Commander die Oszillos sehen konnte. Die Energie-Ortung arbeitete mit maximaler Leistung, was nichts Besonderes war, aber der Erfassungsbereich ließ auch Dhark aufmerken.
Der brennende Himmel über Zwitt wurde abgetastet, und die automatische Sektor-Steuerung erfaßte mit logistischer Sturheit Bereich um Bereich. Dhark wunderte sich, daß man die Echo-Kontrolle in der Funk-Z mit der Energie-Ortung gekoppelt hatte. Die Verbindung war nur über den Checkmaster möglich, dem aber diese zusätzliche Aufgabe nichts ausmacht, denn er berechnete Frage auf Frage mit der an ihm gewohnten Schnelligkeit. Der Commander wurde aus den Amplituden und Diagrammen nicht klug. Er konnte nicht ablesen, was die Energie-Ortung in der gelblich brennenden Korona, die 141 Millionen Kilometer entfernt war, erfaßte und identifizierte. Noch weniger begriff er, wieso aber alle anderen im Leitstand wußten, worum es sich handelte. Die Sektor-Steuerung nahm sich den nächsten Bereich der hochenergetischen Korona über Zwitt vor. Auf den Oszillos erschienen die gleichen Blips, auch die gleichen Diagramme, nur war ihre Position im Koordinatensystem verändert. Erst als der Commander entdeckte, daß auch die Distanz-Ortung mit der Echo-Kontrolle über den Checkmaster gekoppelt war, begann ihm etwas zu dämmern. Dennoch blieb ihm der Gesamt-Zusammenhang unklar. Jeder Sektor der Korona zeigte hundertvierundvierzig Örter. Diese Örter bewegten sich sehr schnell in der Korona. Die zum Planeten gegenläufige Strahlungsschicht in 141 Millionen Kilometer besaß in ihrer Tiefe Fremdkörper, die sich in der gleichen Richtung bewegten wie die Sternkugel, auf der die POINT OF gelandet war. Ihre UmlaufGeschwindigkeit war so groß, daß sie, von jedem beliebigen Punkt der Sternkugel-Oberfläche betrachtet, ihren Standort in der Korona nicht verändert. Doch warum war die Echo-Kontrolle mit der Ortung in der Zentrale gekoppelt worden? Damit waren doch nur Hyperfunkstationen zu erfassen, und das, was sich in der hochenergetischen Schicht befand, konnten doch keine Hyperfunkstationen sein! Seit einiger Zeit wurde der Commander unauffällig von Astronom Lionel beobachtet. Nun räusperte sich der Mann und legte seine Hand auf Dharks Arm. »Wir haben es auch nicht erraten können. Wir kamen einfach nicht dahinter, was sich an diesen 144 Örtern pro Bereich befinden sollte. Wir spielten die erfaßten Werte Miles Congollon zu, und der erkannte auf den ersten Blick, worum es sich handelte. Dhark, wir haben es hier mit supergroßen Flächenprojektoren zu tun!« »Mit Flächenprojektoren?« echote Dhark, der sofort an Sle und
Sternensog dachte. Aber was hatten in dieser sonnengroßen Korona der Sle-Antrieb oder Sternensog zu suchen? Welche Aufgabe sollten sie in der hochenergetischen Schicht erfüllen? Hier mußte ein Irrtum vorliegen, und Dhark sprach seine Bedenken aus. Lionel nickte zustimmend zu seinen Worten, aber dann widersprach er dem Commander. »Das dachten wir zunächst auch, doch als wir uns eine dieser 144 Örter pro Bereich genauer ansahen und ausmaßen, machten wir eine interessante Beobachtung, die direkt verlangte, daß wir uns an das schlauchartige rotleuchtende Strahlenfeld erinnerten, von dem die gesamte Sternenbrücke eingehüllt ist. Meine Kollegen und ich waren bei Einflug in dieses System nicht in der Lage zu sagen, ob das Strahlenfeld von dieser siebten Sonne ausging, ob es in ihr endete, oder ob beides der Fall war. Inzwischen liegt uns ein Teil der Lösung vor. Das Strahlenfeld endet im Korona-Bereich dieser siebten Sonne. Die darin schwebende Flächenprojektor-Stationen sind zugleich Empfänger und Sender. Sie nehmen die Energie, die herangeführt wird, auf, verarbeiten sie auf eine Weise, die uns noch unbekannt ist, und emittieren sie wieder, um erstens diese Korona zu erstellen und zweitens, sie stabil zu halten…« »Sie sind verrückt, Lionel!« platzte Ren Dhark heraus. Der Astronom verargte ihm diese Bemerkung nicht. »Wir zweifelten auch an unserem Verstand, als sich uns diese Erkenntnis regelrecht anbot. Inzwischen zweifeln wir nicht mehr, Commander…« »Mit anderen Worten«, unterbrach dieser erregt den Astronomen, »ist dieser gelblich brennende Himmel in 141 Millionen Kilometern nichts anderes als ein technisches Kunstprodukt? Lionel, erwarten Sie, daß ich diesen Unsinn glaube? Haben Sie die Planeten vergessen, die Zwitt umlaufen? Haben Sie…?« Er hatte an Mone gedacht, an diese unerklärbare, unsichtbare Intelligenz, die ihn auf die siebte Sonne der Sternenbrücke aufmerksam gemacht hatte. Woher hatte Mone das Wissen über die siebte Sonne bezogen? Von den Mysterious, oder von den schwarzen Weißen? Ren Dhark erinnerte sich des stilisierten Emblems, und deutete diese Darstellung einer Galaxis nicht auf die Geheimnisvollen hin? »Großer Himmel!« sprach Dhark weiter, der den letzten Satz nicht vollendet hatte. »Lionel, wenn das stimmt, was Sie behaupten, dann hätten wir es hier…« Wieder stockte er. »Es tut mir leid, aber mein Verstand
wehrt sich gegen diese Vorstellungen. Ich kann es nicht glauben!« »Wir auch nicht, aber man zwingt uns dazu. Besonders meine Kollegen und ich stehen unter starkem Druck. Wir haben kurz nach der Landung noch einmal den Film mit den tanzenden Planeten und dem Mondsammler durchlaufen lassen. Commander, auf dem Film waren keine tanzenden Planeten zu sehen, die ihre Bahnen wechselten, sondern drei Sauerstoffwelten, die sich normal benahmen! Wie unter einem Schock saßen wir da, und jeder fragte sich: Was habe ich denn nun wirklich beim Vorbeiflug gesehen? Wir können nur vermuten, was geschehen war. Wir alle standen unter suggestivem Einfluß. Wir sollten etwas sehen, das in Wirklichkeit in dieser ungewöhnlichen Form nicht existierte. Wir sollten mit allen Mitteln abgehalten werden, uns näher mit der siebten Sonne zu befassen. Damit tritt eine Frage in den Vordergrund, Commander, die nur Sie beantworten können: Wie kamen Sie dazu, an den drei interessanten Sauerstoffwelten vorbeizufliegen, einen Sprung zu wagen, der uns mitten in einer Sonne hätte existent werden lassen, wenn die Siebte eine Sonne gewesen wäre? Dhark, wie kamen Sie zu diesem Entschluß?« Mehr als dreißig Männer sahen ihn erwartungsvoll an. Jeder verlangte vom Commander Aufklärung. Jeder glaubte ein Recht darauf zu haben. Und der Mann, der neben ihm stand und ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, flüsterte: »Mein Lieber, jetzt mußt du endlich Farbe bekennen!« Wieder gab es diese Sperre in Ren Dhark, die ihn zwang, nicht über Mone zu sprechen. Weshalb nur? fragte sich Dhark, dem es nicht lag, aus Bequemlichkeit zur Notlüge zu greifen, denn Mone hatte ihn nicht zum Schweigen über ihr Zusammentreffen verpflichtet. Dennoch gab es etwas, das ihm den Mund schloß. Und dieses Unbewußte zwang ihn zur gleichen Ausrede, die er gegenüber Dan Riker benutzt hatte. Er wies auf die siebte Sonne hin, die, nach Sternzeit gemessen, vor nicht allzu langer Zeit noch ein G0-Typ gewesen war. Niemand glaubte ihm. Neben ihm stöhnte Riker unterdrückt auf. »Merkst du nicht, daß du unglaubwürdig wirst?« fragte er im Flüsterton. Dhark hatte es schon selbst erkannt, aber er konnte ihnen nichts über Mone erzählen. Er war bereit, es zu tun, doch eine Kraft, die stärker war als sein Wille, zwang ihn zu schweigen. Bin ich beeinflußt? fragte er sich, während man ihn noch von allen
Seiten enttäuscht ansah. Hat Mone mich geblockt, aber wieso kann ich an ihn denken und nicht über ihn sprechen? Der 1. Offizier der POINT OF, der im Pilotsessel Sitzwache hatte und die Instrumente und die fünf großen Bildschirme beobachtete, die anstelle der Bildkugel getreten waren, lenkte das Interesse der Männer an Ren Dhark ungewollt ab. Auf den drei mittleren Schirmen war in maximaler Vergrößerung der gewaltige Tempel zu sehen, der viel besser nach Europa gepaßt hätte, als auf diese rätselhafte Sternkugel. Und der Flammenbogen über der Tempelanlage hatte sich auffallend verändert. Über dem unteren Bogen hatte sich ein zweiter gebildet, und darüber, mit fast senkrecht hochjagenden Flammenwänden, stand der dritte Bogen, der sich erst in einigen tausend Metern Höhe in einer spitzen Kurve vereinigte. »Seht auch das an!« hatte der 1. Offizier gerufen und auf seine drei Bildschirme gewiesen. In natürlichen Farben und mit dem wunderbarsten Stereoeffekt war das eindrucksvolle Schauspiel zu sehen. Schweigen breitete sich in der Kommando-Zentrale aus, das zu einer andachtsvollen Stille wurde, als zwischen dem dritten und zweiten Flammenbogen ein Emblem aus dem Nichts herauskommend, auftauchte, das vielen in der POINT OF so vertraut war: die stilisierte Wiedergabe einer Galaxis-Spirale! Plötzlich war der Commander wieder Blickpunkt. Von allen Seiten sah man ihn fragend an. Jeder erwartete abermals, daß er sich äußerte. Er war doch ihr Motor, der sie auf der Spur der Geheimnisvollen von Stern zu Stern immer tiefer in den Dschungel der Milchstraße geführt hatte. Auf Deluge, in der Toten Stadt, die inzwischen unter aber Millionen Tonnen Gestein begraben lag, war man zum erstenmal auf diese Feststellung gestoßen. Später, auf der Flucht vor Rocos Rollkommandos tiefer in die Höhlen hinein, hatte man dieses Emblem rotierend unter der Höhlendecke gesehen. Und dann, vor nicht allzu langer Zeit, auf dem Planeten Mirac, auf dem es diese riesige Statue eines Homo sapiens gab, dem man Kopf und Arme abgeschlagen hatte, war in dem einzigen unzerstörten Flash eines geborstenen Ringraumers neben vielen Sternenkarten dieses Symbol vom Commander gefunden worden. Nach wie vor ruhte es in einem abgesicherten Fach in der POINT OF. Niemand, außer Ren Dhark, dachte daran, während er dem fragenden Blick der andern auswich und sich das Schauspiel über dem Tempel
erneut ansah. In diesem Moment wurde sein Gehirn in einem Bereich zum Suprasensor. Er erinnerte sich an eine bestimmte Koordinaten-Gruppe! Im nächsten Augenblick drängte er sich zum Checkmaster, wo man ihm erstaunt Platz machte, und schon tastete er seine Frage. Die aufleuchtende Grün-Kontrolle fiel mit der Folie zusammen, die Dhark auffing. Ein Blick genügte ihm. Seine Erinnerung hatte ihn nicht im Stich gelassen. Er trat neben seinen Freund Riker, drückte ihm die Folie in die Hand. »Dan, erinnerst du dich dieser Koordinaten?« Der grübelte angestrengt und schüttelte den Kopf. »Wie sollte ich, Ren? Sie sind mir fremd.« »Aber mir nicht, und dem Checkmaster nicht. Erinnerst du dich der Nacht, als wir auf Mirac lagen und der Hurrican durch das Tal raste, in dem es auch einen zerstörten Ringraumer gab? Damals fingen wir einen Dauerruf auf einer Hyperfrequenz auf, auf der wir noch niemals eine Sendung gehört hatten. Wir hörten in ununterbrochener Folge einen einzigen Satz in einer baßtiefen, kehllautfreien Sprache. Wir verstanden ihn nicht, aber wir verstanden, daß ein intelligentes Wesen in höchster Not um Hilfe rief…« Je länger Dhark gesprochen hatte, um so größer waren Rikers Augen geworden. Schon nach dem ersten Hinweis seines Freundes hatte er sich erinnert. Damals hatte nicht nur eine unbekannte ferne Station in der Galaxis diesen Hilferuf ausgestrahlt, sondern sieben gigantische Hyperfunksender von sieben weit auseinanderliegenden Stellen im galaktischen Bereich. Ein siebenfacher Dauer-Schrei war durch die Milchstraße gestoßen worden. Dieser Ruf hatte sie an die sieben Symbole der Mysterious erinnert, auf die sie auf der Flucht vor Rocco in jener Höhle gestoßen waren, in der es die halb zu Staub zerfallenen Maschinen gegeben hatte und die GalaxisSpirale unter der Höhlendecke. Dan Riker ließ die Folie sinken. »Jetzt verstehe ich langsam… Jetzt verstehe ich dich auch, Ren. Dein Unterbewußtsein hat uns zur siebten Sonne geführt…« Er drehte sich um und sein Blick wanderte von einem Mann zum anderen. Dann sagte er auffallend ruhig: »Meine Herren, wir befindet! Uns auf einer jener sieben Welten, von der damals auf einer sonst nie benutzten Hyperfrequenz, ein Dauer-Notruf in unbekannter Sprache ausgestrahlt wurde!«
Ren Dhark dachte nicht daran, seinen Freund zu verbessern. Im Gegenteil, er war glücklich, daß Rikers Kombinationen falsch waren. So lief er nicht mehr Gefahr, über Mone sprechen zu müssen. So glaubte jeder, sein Unterbewußtsein, das jene Koordinaten gespeichert harte, habe ihn zu diesem Ziel geführt. Was sie aber auch zur siebten Sonne gebracht hatte, war plötzlich von nebensächlicher Bedeutung geworden. Dominierend war jene Tatsache, daß von dieser Sternenkugel aus einer der sieben synchron laufenden Notrufe abgestrahlt worden war. Doch wo war dieser Sender zu suchen, der gigantische Ausmaße haben mußte? Lionel sah den Commander beinahe herausfordernd an, als wollte er mit seinem Blick sagen: Na, Dhark, glaubst du nun alles? Er ging darauf nicht ein. Er fühlte, daß er seine gewohnte Spannkraft nicht mehr besaß, und das ließ ihn leicht zu einem Entschluß kommen. »Meine Herren, wenn es keine schwerwiegenden Zwischenfälle geben wird, werden wir uns auf diesem Planeten oder was es sein mag, gründlich umsehen. Vorher aber ist es erforderlich, daß wir die Kräfte für ein Forschungsunternehmen dieser Art zur Verfügung haben. In einer halben Stunde werden alle, bis auf die Wachen, sich zur Ruhe legen. Um 2:30 Uhr Norm-Zeit wird dann im Schiff geweckt. Hiermit möchte ich allen gute Nacht wünschen. Wer aber vorher noch das Bedürfnis haben sollte, gut zu essen, den bitte ich, sofort die Messe aufzusuchen.« Niemand protestierte. Plötzlich fühlte jeder, daß ihr Besuch der Sternenbrücke an ihren Kräften gezehrt hatte, und als das erste unkontrollierte laute Gähnen durch die Kommando-Zentrale klang, lachte man nicht einmal. Langsam leerte sich der Leitstand. »Dein bester Befehl seit Tagen und Wochen!« urteilte Riker mit leichter Ironie. »Ich habe dich buchstäblich bewundert, als du darauf hinwiesest, man könne vor der befohlenen Nachtruhe eventuell auch die Messe aufsuchen. Ich erinnere mich nicht, daß du schon einmal daran gedacht hast, deine Mitmenschen könnten hin und wieder Kohldampf haben.« »Den du natürlich hast, Dan, oder?« Der sagte knapp und mit ernstem Gesicht: »Ren, das war die überflüssigste Frage, die du jemals gestellt hast!« Er verpaßte etwas, weil ihn ein saftiges Steak mit besten Beilagen wie ein Magnet zur Messe zog.
Dhark besprach mit dem Offizier vom Dienst noch den Wachplan, als Zwitt sich veränderte. Der gelblich brennende Himmel, der so hoch über dieser Sternenkugel stand, wie der Mittelpunkt der Sonne von ihrer Orangefarbe an. Gleichzeitig breitete sich draußen Dämmerung aus, das schnell in den Zwielichtbereich überging. Über Zwitt wurde es Nacht! Über dem gesamten Sternenbereich. Der Himmel verdunkelte. Sein brennendes Leuchten bestand nicht mehr. Wohin der Blick der Männer fiel, sahen sie über sich nur die Innenseite einer Korona, die kein Licht mehr emittierte. »Eigenartig«, sagte Dhark, und er erinnerte sich, was Lionel behauptet hatte. Er drehte sich um und trat an den Checkmaster. Pro Bereich sollten 144 Flächenprojektor-Stationen sich in der Korona befinden. Aber selbst wer nicht in der Lage war, eine einfache Multiplikationsaufgabe im Kopf zu lösen, mußte sich aufgrund seines Schätzungsvermögens sagen, daß die Zahl dieser Stationen astronomisch groß sein müßte, wenn Lionels Hypothese stimmen sollte. Der Checkmaster gab das Resultat durch. Auf Anhieb konnte Ren Dhark die Zahl mit den vielen Nullen nicht lesen. Vom Schluß aus beginnend unterteilte er sie in Dreier-Gruppen. Aber damit kam er bald auch nicht weiter, weil er sich unter den komplizierten Zahlennamen nichts mehr vorstellen konnte. Er gab die Lösung zurück mit der Aufforderung, den Wert zur Potenz zu erheben. Das Produkt auch gleichen Faktoren war eine klare Aussage, und sie war so klar, daß er den Kopf schüttelte und dabei murmelte: »Jede Station soll einen Durchmesser von rund zwei Kilometern haben. Um Millionen Stück zu bauen, benötigt auch eine Wundertechnik hundert Jahre. Über uns soll es aber Milliarden mal Milliarden Flächenprojektoren geben… Nonsens! Diese Stückzahl erreicht man auch dann nicht, wenn einem die Ewigkeit zur Verfügung steht!« Aber dann mußte er daran denken, daß es über Zwitt Nacht geworden war. Eine Nacht, die man künstlich ausgelöst hatte. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu den fünf Bildschirmen. Die Anzeige daran verriet ihm, daß sie sich auf Infrarot geschaltet hatten. Deshalb sah er die Tempelanlage so klar, als ob es draußen immer noch heller Tag sei. Die drei Flammenbogen faszinierten ihn wieder. Sie standen keineswegs still, sondern schwangen weich auf und ab, und aus ihren oberen Grenzbereichen schossen hin und wieder fackelnde Zungen zum
verdunkelten Himmel empor. Was verbarg sich hinter dieser auffallenden Demonstration? Was stellte dieses System, auf dessen Zentralwelt sie sich befanden, in Wirklichkeit dar? Nachdenklich verließ er die Kommando-Zentrale, um seine Kabine aufzusuchen. Unterwegs schoß ihm die Idee durch den Kopf, den Astronomen und Astrophysikern in ihrer Abteilung einen Besuch abzustatten. Seine Müdigkeit gab ihm jedoch den Rat, eine Handvoll Schlaf zu nehmen. Aber er konnte nicht einschlafen. Vor seinen Augen tauchte ununterbrochen diese Sternenbrücke auf. Er glaubte, die neun Sonnen zu sehen, und die Erinnerung führte ihn auf jenen Planeten zurück, der von den schwarzen Weißen als Station benutzt wurde. Er sah ihre Roboter mit den grelleuchtenden Augen, und er hörte Girr-O wieder reden. Mone, dachte er, doch das war das letzte, was er klar überlegte. Unmerklich war er über den Gedanken an diese unsichtbare Intelligenz eingeschlafen. * Dem GSO-Mann Jos Aachten van Haag hatte das Herz bis zum Hals geklopft, als er in Begleitung von Jimmy durch den Ring der grauen Transmitter-Antenne trat. Niemand konnte ihm sagen, ob er wirklich dort herauskommen würde, wo vor ihm der Robothund schon gewesen war. Übergangslos kam er an. Er trat aus einem Antennenring heraus, der nur wenig mehr als zwei Meter Durchmesser hatte, aber das sah er nicht. Er konnte nichts mehr sehen. Grellste Lichtflut umgab ihn, und urweltliches Dröhnen ließ ihn halb taub werden. Ich träume, schoß es durch seinen Kopf. So etwas gibt’s doch gar nicht! Er war von Bildschirmen umgeben! In einem Raum, durch dessen Wände das Brüllen, Heulen und Krachen des brennenden MammutAggregates drang, aber auch in einem Raum, in dem die grellen Feuerzungen und Energieballungen nicht mehr zu sehen waren. Wie ein Hund schmiegte sich Jimmy an ihn. Unbewußt streichelte er dieses Wesen, das ihn hierhergeführt hatte. Er stand mitten in einem zylindrischen Raum, der bis auf den Deckenabschluß und Boden keine Winkel besaß. Jos kam nicht auf den Gedanken, die Bildschirmringe, die ihn umgaben, zu zählen. Schirm neben Schirm. Eine Reihe über der
anderen. Bis zur Decke. Und über alle Bildschirme sprang die Katastrophe in diese Beobachtungszentrale. Als der Boden unter seinen Füßen zu zittern begann, wurde sein Blick abgelenkt. Mit einem lauten Aufschrei sprang er zur Seite. Jimmy hatte in einem Satz sogar die Wand erreicht. Ein Kontrollpult schob sich aus dem blauen Unitallboden. Ein Ring von einem halben Meter Dicke bei einem Durchmesser von weniger als zwei Metern. An einer Stelle war der Ring geöffnet. Der einzige Weg, um zu dem polierten niedrigen Hocker zu gelangen, der im Mittelpunkt stand. Jos verzweifelte, während er die Instrumente und die Steuerschalter betrachtete. Er bereute seinen Entschluß, allein den Versuch unternommen zu haben, die beiden entarteten Cyborgs aufzuspüren. Vergebens wünschte er sich Chris Shanton herbei, der mit dieser Anlage bestimmt etwas anzufangen gewußt hätte. Der Steuerring, blau in der Unitallfarbe schimmernd, war komplett ausgefahren worden. Doch Jos rührte sich nicht, weil sein Blick abgelenkt worden war. Innerhalb der dritten Reihe beobachtete er gleichzeitig vier nebeneinanderliegende Bildschirme. Habe ich Halluzinationen, fragte er sich und traute seinen Sinnen nicht mehr. Roboter der Mysterious waren zu sehen, oder waren diese großen Schildkröten-Konstruktionen, die über eine A-Grav-Bahn heranschwebten, etwas ganz anderes? In drei Reihen kamen sie herein, verteilten sich an einer bestimmten Stelle und verschwanden in den Tiefen der entfesselten Energiefontänen. Dann sah er auf dem rechten äußeren Schirm drei dieser Konstruktionen für einen Moment wieder. Von aber Tausenden Hitzegraden umgeben, mitten in den wildesten Explosionen, in denen unbekannte MysteriousAnlagen auseinanderflogen, stießen sie in das Zentrum der Katastrophe vor. Hört der Strom an Schildkröten denn gar nicht auf, fragte sich der GSOMann, der sich immer hilfloser vorkam und die beiden Cyborgs Mildan und Dordig inzwischen vergessen hatte. Shanton und Manu Tschobe mußten her. Sie hatten sich vor allen Dingen mit diesem Steuerring zu beschäftigen. Vielleicht war diese Anlage die letzte Chance, den IndustrieDom, und damit auch den Kontinent Deluge, vor seiner endgültigen Vernichtung zu bewahren. Natürlich! Jimmy sah ihn aus schräger Kopfhaltung an. Hastig winkte Jos. Die Robotkonstruktion nahm Sprungstellung ein, drückte sich ab und landete dicht neben dem Mann. Der beugte sich zu ihm hinab und brüllte
ihm ins Ohr, um sich bei dem Lärm verständlich zu machen: »Hau ab und hol den Dicken und Tschobe!« Das Brikett auf Beinen wirbelte herum, sauste auf eine Bildschirmpartie zu, die sich dicht vor ihm teilte, etwas nach außen schwang und damit die zylindrische Wand öffnete. Die Katastrophe in ihrem gesamten Ausmaß war plötzlich wieder zu sehen, und erneut mußte Jos seine Augen schließen. Sterne und Boliden, tobte er in Gedanken und riß sich den Klarsichthelm wieder über den Kopf, den er zurückgestreift hatte, als er Jimmy seinen Befehl ins Ohr brüllen mußte. Hoffentlich hat mich die Strahlung jetzt nicht gegrillt! Der Spalt, durch den die Robonkonstruktion verschwunden war, hatte sich wieder geschlossen. Der GSO-Mann befand sich nun allein in dem Raum mit den hunderten Bildschirmen und dem Steuerring, mit der er nichts anzufangen wußte. Innerlich hatte er sich darauf vorbereitet, mit der gewaltigen Anlage in die Luft zu fliegen. Keine schöne Vorstellung, aber wenn er dabei auch an Shanton und Tschobe dachte, die genauso gefährdet waren, wie er, dann spielte es wirklich keine Rolle, ob er gleich schmerzlos ins Jenseits befördert wurde oder erst eine halbe Stunde später, wenn der Industrie-Dom in einem einzigen Ausbruch auseinanderflog. Die Reihen der Bildschirme rissen auf. Manu Tschobe und Chris Shanton taumelten herein. Zwischen ihnen der Scotchterrier, an dem beide Männer sich festhielten, weil auch sie geblendet waren. Die automatisch arbeitende Filter-Einrichtung ihres Klarsichthelms kam gegen diese Lichtfluten einfach nicht mehr an. Die Verständigung war nur noch über Helmfunk möglich, und dennoch schwierig, weil der Lärm, dieses Brüllen, Fauchen und Orgeln in allen Tonlagen, auch mit dem geschlossenen Klarsichthelm nicht abzuschirmen war. Manu Tschobe und Shanton hatten sich buchstäblich auf den Steuerring gestürzt und dabei das interessante Geschehen auf einigen Bildschirmen nicht bemerkt. Diplom-Ingenieur Shanton war zu dick. Sein Bauch paßte nicht durch die Öffnung des Ringes. Fluchend blieb er vor der Anlage stehen, während der Afrikaner schon auf dem kleinen Hocker saß, der drehbar war und langsam herumschwenkte. Über die Funkverständigung hörte Jos mit, worüber die beiden Männer sprachen. Er verstand kein Wort, weil ihm die technischen Begriffe nicht bekannt waren. Aber ein Ausdruck war ihm geläufig:
Gesteuerte Implosionen! Das konnte sich doch bestimmt nicht auf dieses hochgehende MammutAggregat beziehen? Tschobe, den die meisten Menschen als ausgezeichneten Arzt kannten, war auch auf dem Gebiet der Hyperfunk-Technik ein erstklassiger Experte, und durch seine Einsätze mit Ren Dhark zu einem Allroundman geworden. »Jos!« hörte der GSO-Mann den Afrikaner über Hyperfunk brüllen, »diese beiden entarteten Cyborgs…« Der Zufall hielt seine tückische Hand im Spiel. Blendendes Licht fiel in den zylindrischen Raum mit den vielen Bildschirmen. An der gleichen Stelle, die Jimmy als Tür entdeckt hatte, war die Wand schon wieder geöffnet worden. Jos kam seine Ausbildung als GSO-Mann zu Hilfe. Er reagierte unwahrscheinlich schnell, und während ihn noch das Entsetzen über die beiden Schatten packte, die er scharf abgezeichnet gegen die blendende Lichtflut erkannte, schoß er schon aus beiden Para-Schockern mit voller Ladung. Ein dritter Scharten, mit der Reaktionsfähigkeit exakt arbeitender Sensoren, war durch die grelle Lichtflut geflogen. Lange, bevor Jost seine Strahler benutzte. Der Robothund hatte mit seinen Ortungen die Gefahr erkannt und angemessen. Der Abstrahlpol auf seiner Zungenspitze emittierte ein Strahlengemisch, das der Scotchterrier laut Programmierung nur in alleräußersten Notfällen benutzen durfte, wenn es darum ging, Menschenleben vor der Vernichtung zu bewahren. Jimmy war ein wahres Wunderwerk an technischen Einrichtungen, aber vom ethischen Standpunkt aus hartherzig programmiert. Die Hände vor den Klarsichthelm gepreßt, dabei die Finger ein wenig gespreizt, spähte Jos in die Blendung hinein und hatte nicht einmal Zeit, sich über das Wasser, das ihm in die Augen schoß, zu wundern. Unter dem Strahlenbeschuß der Robotkonstruktion wurden zwei Schatten, die menschliche Umrisse hatten, wieder zu Menschen! Jos erkannte Dordig, und dann den Cyborg Mildan! Zwei Menschen, die unter tödlichem Strahlbeschuß standen. »Shanton, rufen Sie Ihr Ungeheuer zurück!« schrie Jos auf, der kein Interesse daran hatte, gleich vor Aschehaufen zu stehen. Mildan und Dordig brachen zusammen! Jimmy schoß immer noch. War die Konstruktion plötzlich ohne Programm?
»Abstellen! Abstellen!« schrie Jos wie von Sinnen, und wußte, daß die beiden entarteten Cyborgs nie mehr seine Fragen beantworten würden. Das Brikett auf Beinen mordete zwei Menschen, die durch Robonen umgestellt worden waren! »Shanton, Ihr wahnsinnig gewordener Köter hat zwei Menschen umgebracht!« schnaubte Jos, kaum daß er wieder etwas sehen konnte. »Sie können…« »Ach, halten Sie Ihren Mund, Sie Neunmalkluger!« brüllte der Dicke mit seiner orgelnden Baßstimme dazwischen. »Wenn Jimmy so gehandelt hat, dann mit Grund. Und wollen Sie Narr mir einmal erklären, wieso die beiden Verdrehten wie kleine Atombomben explodieren konnten? Und jetzt halten Sie endlich mal Ihren Schnabel und geben uns die Möglichkeit…« Er kam auch später nie mehr darauf zurück, von welcher Möglichkeit er hatte sprechen wollen. Chris Shanton sah auf einigen Bildschirmen den Einsatz der Schildkröten. »Die haben ja einen Durchmesser von gut fünf Metern! Und die sind dazu noch über zwei Meter hoch… Große Beteigeuze, woher kommen die Apparate?« Manu Tschobe, der schon wieder die Instrumente und Steuerschalter studierte, blickte auf, drehte sich mit seinem Hocker und brachte keinen Ton über seine wulstigen Lippen. Dann verdeckte ihm der Dicke zum Teil die Sicht, weil dieser dicht an die Bildschirme herangetreten war und die Vorgänge wie ein Wunder anstarrte. Plötzlich stand der Afrikaner neben ihm. Er hatte es im Ring nicht länger ausgehalten. Auch er sagte kein Wort mehr, und Jos kam sich erneut in Gegenwart der beiden Spezialisten höchst überflüssig vor. Innerlich tobte er, weil er so schnell nicht vergessen konnte, daß dieser Robotköter zwei Menschen kaltblütig zerstrahlt hatte. Tschobe zerriß die Stille im Helmfunk. Mit beiden Händen packte er Shantons dicken Oberarm und versuchte den Zweizentner-Mann zu schütteln. »Shanton, diese Schirmreihe paßt zu den Instrumenten der Serie 13-2! Diese Wanzen… diese Dinger… Große Milchstraße, die haben… die steuern ja… Die machen’s, Shanton! Die!« »Das ist nicht zu fassen! Nicht zu fassen, Tschobe! Diese Wanzen machen aus Explosionen gesteuerte Implosionen.« Gesteuerte Implosionen! Und dann hatte der Dicke keine Luft und atmete erst einmal tief. »Die Implosions-Kräfte kommen über den Mittelpunkt nicht hinaus!«
hörte Jos den Afrikaner brüllen, und er hatte den Eindruck, daß Tschobe am eigenen Verstand zu zweifeln begann. Jos Aachten van Haag hielt es nicht länger aus. »Darf ich auch mal wissen, was hier vorgeht und…« »Kommen Sie her, Mann«, forderte ihn Shanton auf. »Sehen Sie sich das an und…« »Das hatte ich schon beobachtet, lange bevor Sie hier ankamen!« konterte Jos, der sich über das Verhalten des Dicken zu ärgern begann. Sein großartiges Getue ging ihm an die Nerven. »Und das haben Sie uns nicht gezeigt?« fauchte ihn Tschobe zu allem Überfluß auch an. »Jos, das ist die Rettung für den Industrie-Dom! Aber woher kommen diese Dinger? Wo gibt’s hier den Transmitter, der solche Ströme an Wanzen heranschafft?« Jos hatte es satt, mit dahingeworfenen Bemerkungen, aus denen er keine Erklärungen nehmen konnte, abgespeist zu werden. »Tschobe, bin ich Experte oder Sie? Behalten Sie Ihre Erkenntnisse für sich. Ich die meinen auch…« Er bekam Jimmys Nackenhaare zu fassen. Der Hund blickte auf. Jos deutete nach draußen, und erinnerte sich in diesem Moment, daß er auf der Spezial-Frequenz des Hundes zu ihm sprechen konnte. Hastig schaltete er seinen Helmfunk um. »Jimmy, zeig mir den Platz, wo du die Schatten gesehen hast.« Weder Chris Shanton noch Manu Tschobe hatten über ihre Verständigung mithören können. Sie waren ahnungslos, als der erboste GSO-Mann mit dem Scotchterrier zur Stelle der Bildschinnwand ging, die zugleich der Ausgang nach draußen in die entfesselte Energiehölle war. Hätte Jos Aachten van Haag nur den Verdacht gehabt, was ihn erwarten würde – niemals hätte er sich von dem Brikett auf vier Beinen den Platz zeigen lassen, wo die Robotkonstruktion bei ihrem Einsatz zwei Schatten beobachtet hatte. * Über Zwitt war wieder Tag. Der Himmel brannte im gelblichen Farbton, aber im Gegensatz zum vergangenen Tag trieben Wolken, die an Schwefeldünste erinnerten, lautlos über den unbekannten Kontinent dahin. In allen Räumen der POINT OF, in der sich Menschen aufhielten, herrschte spannungsvolle Erwartung und Unruhe, denn kurz nach dem allgemeinen Wecken hatte Ren Dhark durchgegeben, daß er dieses Mal mit mehreren großen Gruppen und allen verfügbaren Waffen diesen
eigenartigen Planeten durchforschen wolle. Wie eigenartig Zwitts physikalische Verhältnisse waren, hatte ihm Jens Lionels Team schon berichtet. Die Astronomen und Astrophysiker waren der Order, eine Handvoll Schlaf zu nehmen, nicht nachgekommen und hatten ihre Untersuchungen ununterbrochen weiter betrieben. Zwitt war einwandfrei ein Planet mit einer Sonnenhülle des Sterntyps F, die von ihm 141 Millionen Kilometer entfernt war. Doch diese Korona, deren Stärke zwischen 35.000 bis 61.000 Kilometer schwankte, sollte künstlichen Ursprungs sein. Dieser Behauptung hatte der Commander die Frage entgegensetzt: »Ist schon einmal ein System beobachtet worden, das nur aus Planeten bestand, aber keine Sonne besaß?« Die Astrophysiker konnten damit nicht erschüttert werden. »Wir haben dem Checkmaster fast alles zu verdanken, was wir jetzt wissen, Commander. Vieles basiert auf den Resultaten der Wahrscheinlichkeitsrechnung, vieles aber ergab sich als Folge logischer Überlegungen. Zuerst gab es nur Zwitt, auf dessen Oberfläche wir uns befinden. Nach Aufbau der Flächenprojektor-Stationen in einem Abstand von 141 Millionen Kilometern um Zwitt wurde die Korona entwickelt. Die erforderlichen Kräfte bezog man aus dem Hohlschlauch, der die gesamte Sternenbrücke einhüllt. Diese Strahlenhülle ist so genial und raffiniert zugleich aufgebaut, daß wir sie nicht als Kunstgebilde erkennen konnten, sondern sie als die Korona einer Sonne vom Typ F ansahen. Auf der inneren Koronaseite befindet sich ein stark abschirmendes Feld, das wohl die lebensnotwendigen Lichtmengen und Lichtarten durchkommen läßt, in der Hauptsache aber dafür sorgt, daß alle Kräfte in der Korona nur in den Weltraum hinaus wirksam werden. Acht der neun Sonnen der Sternenbrücke haben allem Anschein nach keine andere Aufgabe, als der Korona des Planeten Zwitt die Möglichkeit zu verschaffen, wie eine normale Sonne auszusehen. Als diese Entwicklung abgeschlossen war, wurden die Planeten herbeigeschafft. Man hat sich nur mit den inneren Umläufern Arbeit gemacht, um bei den Bahnen der äußeren Planeten sehr nachlässig vorzugehen…« »Hm…«, hatte der Commander den vortragenden Astrophysiker unterbrochen, »wie stellen Sie sich das vor? Man nehme einen Planeten unter den Arm und schaffe ihn einige tausend Lichtjahre weiter zu einem anderen System. Doch ein wenig utopisch, nicht wahr?« »Nein, Commander, keineswegs utopisch. Wir haben uns damit
abzufinden, daß Zwitts Sonnenkorona ein künstliches Gebilde ist, gleichzeitig aber auch eine vollwertige Sonne, deren Kräfte groß genug sind, dieses komplizierte Planetensystem zu beherrschen. Können wir uns auch nicht vorstellen, wie man diese gigantischen Aufgaben gelöst hat, so können wir doch sagen, daß es millionenmal schwieriger war, die Korona um Zwitt zu erzeugen, als die fehlenden Planeten heranzuschaffen!« Dann war der Astrophysiker in Details gekommen. Der Commander hatte ihn mit der Bitte unterbrochen, die wichtigsten Erkenntnisse in einem Report zusammenzufassen und ihm zur Verfügung zu stellen. Riker war auf den Bericht der Astronomen wieder zu sprechen gekommen, während man wartete, ob es der Funk-Z-Ortung gelingen würde, eine von diesen riesenstarken Hyperfunkstationen auszumachen, die die POINT OF beim Überfliegen von Zwitt nicht aus ihren Tasterstrahlen hatten entkommen lassen. »Einen Punkt haben unsere Sterndeuter links liegenlassen: die tanzenden Planeten! Warum hat man sich die Arbeit gemacht, Besatzungen einfliegender Raumschiffe mit diesem Phänomen regelrecht auf den Arm zu nehmen?« »Liegt die Antwort nicht auf der Hand?« stellte Dhark die Gegenfrage. »Um von Zwitt abzulenken!« Heftig wehrte Riker ab. »Nein, das kann es nicht sein. Wer fliegt schon in eine Sonne hinein? Höchstens ein selbstmörderischer Kommandant oder der Terraner, der Ren Dhark heißt. Wir sollten uns, wenn wir Zwitt wieder verlassen haben, diese drei aus den Bahnen tanzenden Planeten doch einmal näher ansehen.« Elis Yogan aus der Funk-Z meldete sich über die Bordverständigung. »Wir geben es auf, Dhark, denn wir erreichen ebensowenig wie Grappa mit seinen Ortungen. Man ist versucht zu sagen: Es ist wie verhext!« Dhark kehrte dem Bildschirm der Verständigung wieder den Rücken zu. »Es bleibt dann bei Alarmstufe 3, aber es ändert nichts an unserem Erkundigungsvorstoß. Wir haben jetzt…«, er warf einen Blick auf sein Chrono, »9:42 Uhr Norm-Zeit… also noch achtzehn Minuten, bis es soweit ist. Wir sollten uns auch fertigmachen, Dan.« * Die Tempelanlage war umstellt worden und achtundvierzig fahrbare Gravitationsschleudern hatten sich darauf eingerichtet. Bis zu 10 Gravos sollten sie kurzfristig erzeugen, wenn von einem der Gruppenführer ein
dementsprechender Funk-Impuls bei der Zentral-Schaltung einlief. Was das an körperlicher Belastung für die eingesetzten Männer zu bedeuten hatte, war nur den wenigsten klar, sorgten doch die Andruckausgleicher in den Schiffen, gleichgültig ob Ring- oder Kugelraumer, daß die Schwerkraft nicht über 1 g stieg. Zehn Flash mit den erfahrensten Piloten besetzt, hatten rücksichtslos einzugreifen, wenn um Hilfe gerufen wurde. Die beiden Waffensteuerungen des Flaggschiffes hatten Alarmbesetzung. Clifton und Rochard, die Chefs, warteten nur darauf, die Strahlantennen der POINT OF zu Energiewerfern zu machen. Bis ins kleinste war alles vorbereitet worden, um hundertacht Mann der Expeditionstruppe den größtmöglichen Schutz zu geben. Das Waffen-Depot der POINT OF hatte noch niemals seit seiner Einrichtung so viele leere Fächer aufgewiesen wie an diesem Tag. Jeder Mann, der das Unternehmen mitmachte, war buchstäblich bis zu den Zähnen bewaffnet, und die normalen Viphos waren gegen die Spezialgeräte ausgetauscht worden, die sonst nur von der GSO und den Männern um Dhark benutzt wurden. Unter allen Umständen wollte der Commander vermeiden, daß seine Männer oder er noch einmal in die Lage kamen, aus der es nach menschlichem Ermessen keine Rettung mehr gab. Die Lehre, die er durch die schwarzen Weißen bezogen hatte, steckte Dhark noch in den Gliedern. Und er wußte, daß es auf Zwitt keinen Mone gab, der ihn oder seine Leute retten würde. Die energetische Struktur der drei übereinanderstehenden Flammenbogen hatte man noch nicht analysieren können. Daß sie keine harte Strahlung emittierten, stand fest. Im Bereich der Tempelanlage sollte es keine Konverter oder Aggregate geben, die Energie erzeugten. Aber bis zur Einsatzstunde war auch nicht festgestellt worden, woher die Kräfte kamen, die drei Flammenbogen aufgebaut hatten. Über Vipho kam die Klarmeldung der letzten Gruppe. Das Chrono zeigte 10:09 Uhr Norm-Zeit. Der Himmel über Zwitt brannte gelblich. Er schien zum Greifen nah, weil das Brennen selbst am Horizont in unverändertem Aussehen zu beobachten war, und dennoch standen 141 Millionen Kilometer zwischen Zwitt und der Innenseite dieser künstlich erzeugten Sonnenkorona, die in dieser Form nur geschaffen war, um auf Zwitt Leben zu ermöglichen. Ren Dhark gab das letzte Kommando vor dem Einsatz. »Klarsichthelm schließen! Funkstille mit Ausnahme der Gruppenführer!«
10:10 Uhr Norm-Zeit. Dhark, Riker und Doorn näherten sich der breiten Treppe, die zum Tempel mit seinen leuchtenden Säulen hinaufführte. Zum erstenmal sahen die Menschen den Fries aus der Nähe. Diese Skulpturen, die nichts Humanoides an sich hatten, konnten sie nicht mehr enttäuschen. Als die Vergrößerung der Bildschirme in der POINT OF sie bis auf Lebensgröße herangeholt hatten, waren die meisten Betrachter bald müde geworden, sich diese ineinander verschlungenen Ungeheuer zu betrachten. Es war deutlich, daß hier Körper dargestellt worden waren, aber alle waren kopflos, und was Experten als Gliedmaßen bezeichneten, sahen die Laien im Schiff als wüsten Auswuchs übergärender Phantasie eines unbekannten Künstlers an. Zwischen den Fugen der Tempelstufen wuchs glashartes gelbliches Gras, das an Eiszapfen erinnerte. Wenn ein Fuß dagegenstieß, federte der Halm, als ob er aus Stahl sei. Niemand achtete darauf. Jeder versuchte das Halbdunkel der tief erliegenden Säulenreihe zu durchforschen. »Licht!« gab Dhark über Helmfunk an die POINT OF. Die Scheinwerfer seines Flaggschiffes flammten auf. Über den Köpfen der Männer standen achtzehn scharfgebündelte Bahnen, die sich unter dem Fries zwischen den Säulenreihen ins Halbdunkel eindrangen und es aufrissen. In der gleichen Zeit hatte die erste Gruppe, die aus fünfundzwanzig Mann bestand, das Podest erreicht. Wie angewurzelt blieben sie stehen. Sie blickten in eine freitragende Halle, die vollkommen leer war. Doorn schaltete an seiner tragbaren Ortungs-Anlage und ging von einer Frequenz auf die andere. Geduldig wartete man, was er zu sagen hatte. »Nichts«, gab der sprechfaule Sibirier durch, »und das ist mir zu wenig!« Eine Halle, mehr als achtzig Meter im Quadrat, von allen vier Seiten durch Säulen begrenzt. Decke und Boden spiegelglatt mit schmutziggrauem Marmor verkleidet. Marmor, der nur einen Teil des einfallenden Lichts reflektierte. Und Staub lag auf dem Boden. Hier nichts, aber dort fußhoch. Und Gras wuchs im Halbdunkel. Das war alles! Ratlos sahen sich die Männer an. Auf ihren Gesichtern zeichneten sich Enttäuschung und Mißtrauen ab.
»Die anderen Gruppen langsam aufrücken bis zum Ende der Säulenreihen!« gab Dhark durch. Er stand neben Doorn und überzeugte sich, daß dessen Ortungs-Anlage nur bedeutungslose Werte im Bereich der Distanz und Massen auswarf. Die Energie-Ortung lag still. Das Hauptinstrument zeigte Null. Sie waren zehn Meter tief in die Halle eingedrungen, aber der Commander gab das Zeichen, weiterzugehen, als er sich vergewissert hatte, daß die anderen Gruppen das befohlene Ziel erreicht hatten. Der angewehte Boden war spurlos. Die Scheinwerfer ihrer M-Anzüge beleuchteten ihn. »Nicht einmal Insekten sind zu sehen. Eine sterile Welt, wie der Planet, auf dem die schwarzen Weißen ihre Station aufgebaut hatten.« Dan Rikers Feststellung fand kein Echo. Jeder war unruhig. Jeder sah sich immer wieder nach allen Seiten um. Daß die Gravitationsschleudern nun den leeren Tempelraum bestreichen konnten, war keine beruhigende Tatsache. Die Männer erreichten eine Stelle, die frei von angewehtem Staub war, mit einem Bodenbelag, der keine Spuren aufwies und matt schimmerte. Und über uns drei Flammenbogen, dachte Ren Dhark, über einem leeren Tempel, der nichts über seine Erbauer aussagt. Sein Schritt stockte. Mit ihm verhielten Riker und Doorn, die die Spitze der fünfundzwanzigköpfigen Gruppe bildeten. Jeder hatte Musik gehört. Wie auf dem Planeten der schwarzen Weißen! Aber diese Musik war anders. Die Tonfolgen waren einschmeichelnd, wenn sie auch sehr leise klangen, als hätte sie ein Windhauch aus weiter Ferne herangebracht. Zwei Baßlagen waren die Untermalung. Klar waren drei Instrumente herauszuhören, die eine kurze Melodie immer wieder spielten. Ihr Rhythmus klang weich, aber sehr gedämpft, gongartiges Tönen auf, das mit dem Ende der kurzen Melodie jedesmal auch ausklang. Woher kam diese Musik? Doorns Meßgerät mußte doch Auskunft geben. Es ließ die Terraner im Stich! Dhark gab durch eine Bewegung den Befehl, unter keinen Umständen über Helmfunk zu sprechen. Er hatte die bösen Erfahrungen mit den schwarzen Weißen nicht vergessen. Weitergehen! Mit jedem Schritt wurde die Musik lauter; das war die einzige
Veränderung! Ahnung überfiel Dhark! Er drehte sich um! Sie waren allein! Sie waren… Einer seiner vierundzwanzig Begleiter hatte aufgeschrien! In diesem Moment war auch die Musik verstummt. Sie standen unter einem dreifachen Flammenbogen, und vor ihnen breitete sich auf einer Ebene die Stadt aus! Die Stadt! Menschen von Terra sahen zum erstenmal Zwitts wirkliche Oberfläche! Über den Tempelraum hatten sie den Fiktionsbereich verlassen. Die Flammenbogen waren der Eingang zur Stadt. Dhark erinnerte sich seiner Orders. Über Helmfunk versuchte er die zurückgebliebenen Gruppen zu erreichen. Er atmete erleichtert auf, als er sofort Antwort erhielt. Seine Bedenken, daß sie funktechnisch von den anderen getrennt worden waren, hatten sich als unbegründet erwiesen. »Sie werden Musik hören, die bei jedem Schritt lauter klingt. Lassen Sie sich nicht irritieren. Im unverminderten Tempo weitergehen. Sie durchschreiten eine auf energetischer Basis nicht anzumessende Sichtsperre und erreichen dann durch den dreifachen Flammenbogen die Peripherie einer…« Dhark stockte. Der Ausdruck Stadt wollte ihm nicht über die Lippen. Blickten sie auf eine Stadt hinunter oder auf einen Industriekomplex? Bauwerke in Ringform breiteten sich vom Mittelpunkt her aus. Der äußere hatte einen Durchmesser von zwölf Kilometern und war selbst über einen Kilometer breit, bei einer gleichmäßigen Höhe von gut dreihundert Metern. Zum Zentrum hin wurden die Bauten allmählich niedriger, so daß die gesamte Anlage von außen her wie ein Trichter aussah, der von dunklen Rillen seine markanten Merkmale erhielt. Diese dunklen Rillen jedoch waren die im Kreis verlaufenden Straßenzüge zwischen den einzelnen Ringen mit ihren glatten Dächern. Ren Dhark konnte nicht länger abwägen, was er sah. Er wiederholte den letzten Satz seiner Durchsage und gab an: »Sie erreichen uns unter dem dreifachen Flammenbogen!« »Mitten in der Schlucht?« wurde von einem Gruppenführer die Gegenfrage gestellt. Ren Dhark atmete schwer, denn auch ihn kostete es Überwindung, das verhältnismäßig niedrige Gebirge zu vergessen, das den Hintergrund zur
Tempelanlage gebildet hatte. Es war nie existent gewesen. Es war nichts anderes als eine Fiktion von vollendeter technischer Meisterschaft – eine Fiktion, die sogar die Ortungs-Anlagen der POINT OF genasführt hatte. »Es gibt keine Schlucht. Es gibt kein Gebirge, und ob es diesen Tempel wirklich gibt, in dem Sie sich mit den Männern aufhalten… Großer Himmel, ich wage es nicht zu behaupten. Stellen Sie keine Fragen mehr, sondern kommen Sie uns nach!« Ren Dharks Blick tastete wieder die grauen und glatten Dächer der Ringbauten ab. Die Funkstille war von seinen Männern durchbrochen worden. Der Eindruck, den dieser Komplex auf sie machte, war zu gewaltig. Dagegen verblaßte die Stadt auf dem vernichteten Planeten W-4, und die andere, die von den schwarzen Weißen als Station benutzt wurde. In Gedanken fragte sich der Commander, was die Erbauer veranlaßt haben konnte, diese zusätzliche Tarnung zu benutzen, da doch Zwitt schon im Schutz einer energetischen Hülle lag, die eine Sonne mit allen charakteristischen Merkmalen vortäuschte. Arc Doorn stieß ihn an und reichte ihm die tragbare Ortungs-Anlage. »Dhark, versuchen Sie mal Ihr Glück damit. Ich bekomme nichts in den Kasten hinein.« Der nahm ihn nicht an. Er wußte, daß auf den Sibirier Verlaß war, und wenn es dem nicht gelang, etwas Wichtiges zu ertasten, dann brauchte er es nicht auch noch zu versuchen. Er legte den Kopf in den Nacken und sein hochstabiler, geschlossener Klarsichthelm machte die Kopfbewegung mit, ohne daß er dafür eine zusätzliche Kraftanstrengung hätte machen müssen. Im gleichen Moment suchte er bei Doorn und Riker Halt. Die drei Flammenbogen wanderten langsam auf das Zentrum des Komplexes zu. Ihre Bögen gewannen an Durchmesser und Höhe. Die Intensität ihres Leuchtens jedoch blieb unverändert. Riker und der Sibirier folgten seinen Blicken. Heftig schüttelte Riker den Kopf. Fast wütend fragte er Doorn: »Und Sie können auch jetzt noch nichts mit der Energie-Ortung erfassen? Haben wir denn schon mal wieder eine Fata Morgana vor uns, oder was, zum Teufel, bedeutet es?« Die Feuerzeichen gaben keine Antwort. Lautlos bewegten sie sich weiter auf das Zentrum zu. »Wie ein Fanal!« Irgendwer aus Dharks Begleitung hatte es gesagt. Damit hatte die Stadt einen Namen. Fanal!
Die zurückgebliebenen Gruppen hatten zu ihnen aufgeschlossen, die Mannschaften der Gravitationsschleudern kamen nach, und lautlos folgten sichernd die Flash. Nichts hatte sie aufgehalten, auch nicht die Sichtsperre. »Wir stehen vor einem Mammut und können nicht übersehen, wo wir die Gruppen ansetzen sollen«, meinte Dhark. Resignation klang in seiner Stimme mit. »Du willst keinen Vorstoß unternehmen, Ren? Nicht einmal Fanal mit einem Flash überfliegen!« Alle hörten im Helmfunk mit. Plötzlich war Dhark wieder Mittelpunkt ihres Interesses geworden. Die Männer fieberten danach zu erfahren, was sich in diesen gigantischen Ringwerken befand. Fanal war verlassen. Das wurde durch die Tatsache unterstrichen, daß nirgendwo Bewegung festzustellen war. Keine Insekten, keine Tiere, keine Wesen, die sich mit Flügelschlag oder Flughäuten durch die Luft bewegten. »Verdammt«, platzte Riker heraus, »hier gibt’s auch keine Wolken, die Schwefelfarbe haben! Liegt denn dieser Planet komplett unter einer Tarnkappe? Aber wozu dieses Theater?« Ren Dhark ließ ihn reden. Er hätte sich am liebsten mit impulsiven Bemerkungen Luft gemacht. Was versteckt sich in Fanal? Wer hatte diesen Komplex erbaut? Wer ihn unter einen absolut sicheren Ortungsschutz gestellt? Und warum war das Werk genialer Intelligenzen verlassen worden? Vergiß aber die siebte Sonne nicht! Mones Telepathiespruch wurde in seiner Erinnerung wieder wach! Vergiß sie nicht…! Er hatte sie nicht vergessen. Er war in die siebte Sonne durch Transition hineingeflogen, und er hatte Zwitt unter der Sonnenkorona entdeckt. Und jetzt war Fanal entdeckt worden, ein Komplex aus fünfunddreißig Ringbauten. Darüber standen nun drei Flammenbogen. Ihre Feuerzungen waberten zum gelblich brennenden Himmel. Und sie, hundertacht Terraner, standen auf dem Kamm eines Höhenzuges, dessen Innenflanke sich allmählich zur Stadt absenkte, die mit ihrem Außenring einer befestigten Anlage ähnelte. Wohin auch der Blick fiel, nirgendwo besaß die glatte graue Front der Ringanlage eine Öffnung oder ein Fenster. Sie waren aus einem Guß. Ren Dhark rang sich zu einem Entschluß durch. Hatte er eben noch
überlegt, ob es nicht besser sei, die meisten Männer wieder zur POINT OF zurückzuschicken, so bedauerte er nun, daß sie so wenige waren. Die Besatzungen der Gravitationsschleudern zählten nicht; die zehn Piloten der Blitze stellten die Notreserve dar. Auf sie durfte er nicht schon jetzt zurückgreifen. »Wir machen einen Vorstoß bis zur Ringmauer. G-Schleudern und Flash übernehmen die Sicherung. Die einzelnen Gruppen setzen sich nach Plan in Marsch!« Sie erreichten ihr Ziel ohne die geringste Störung. Die Verbindung zur POINT OF war unverändert gut, und die Kommando-Zentrale hatte nichts Bedeutungsvolles zu berichten. Dhark auch nicht. Fanal ließ sie nicht hinein. Der Ring von zweihundertdreiundneunzig Metern Höhe wehrte sie ab. »Warum haben wir keine Schwebeplatten mitgenommen?« richtete Dhark seine Frage an den Oberleutnant, der für die Ausarbeitung dieses Einsatzes verantwortlich war. Weil die POINT OF anrief, wurde der Offizier einer Antwort enthoben. Auf der kleinen Bildscheibe des Viphos tauchte Walt Bruggs Gesicht auf. »Wir haben einen Hyperfunkspruch aufgefangen, Dhark. Gerafft und zerhackt. Impulsdauer 0,0005 Mikrosekunde. Standort des Senders im System der siebten Sonnen dicht vor der Bahn des sechsten Planeten, des äußeren Tänzers. Spruch konnte weder auf normale Länge gebracht werden, noch war er bis jetzt zu entziffern. Nach Rückfrage an Checkmaster erhielten wir folgende Antwort: Form der Amplitude deutet auf bekannte Erscheinung hin. Vorliegende Daten reichen aber nicht aus, eine Wahrscheinlichkeitsrechnung durchzuführen. Wir haben versucht, die Richtung festzustellen, in die der Spruch abgestrahlt wurde, aber nur mit der Echo-Kontrolle kamen wir weiter. Leider sagt das Resultat nicht allzuviel aus. Auf dem Planeten der schwarzen Weißen haben wir eine Hyperfunk-Station erfaßt, die mit maximaler Leistung arbeitet. Doch was hat das schon zu bedeuten, wenn wir nicht in der Lage sind zu beweisen, daß ihr der abgestrahlte Spruch gegolten hat.« Das war eine ausführliche Nachricht. Atemlos hatten die Männer gelauscht. Jedem war klar, was sie zu bedeuten hatte. Ein fremdes Raumschiff befand sich im System der siebten Sonne und schien im Begriff zu sein, den äußeren der drei tanzenden Planeten anzufliegen. Würde es dabei bleiben?
Unwillkürlich schüttelte sich Ren Dhark. Abermals glaubte er Mones Telepathiespruch zu vernehmen: Vergiß aber die siebte Sonne nicht! Dieser Erinnerungsimpuls störte ihn in seinen Überlegungen. Bruggs Nachricht hatte ihn nervös werden lassen. Ein fremdes Raumschiff in diesem System konnte nur bedeuten, daß die schwarzen Weißen ihre Spur trotz der Zeit-Verschiebung gefunden hatten und sie nun verfolgten. Aber wieso war er dazu gekommen, sich gerade in diesen Augenblicken an Mones Hinweis zu erinnern? Er entdeckte, daß sein Freund ihn beobachtete. Riker besaß manchmal ein ausgezeichnetes Gespür, wenn er unsicher war oder sich zu keinem Entschluß durchringen konnte. Da mußte er schon wieder an Mone denken! Gleichzeitig sprach er mit Walt Brugg in der Funk-Z der POINT OF. »Brugg, schalten Sie sofort zur Ortung durch, damit Grappa mithören kann. Dieses fremde Raumschiff ist unter allen Umständen in unserer Kontrolle zu halten. Rufen Sie mich unverzüglich an, wenn Neues vorliegt. Wir werden jetzt drei der zehn Flash einsetzen und versuchen, nach Fanal hineinzukommen.« »Fanal? Was ist denn das?« Bruggs Frage war berechtigt. Der Ausdruck Fanal war ihm ein unbekannter Begriff. Mit wenigen Worten gab der Commander Dhark Aufklärung, dann schaltete er auf die Piloten um. Pjetr Wonzeff, Rul Warren und Mike Doraner, die die Blitze 002,003 und 004 flogen, erfuhren, daß sie mit Dhark, Riker und Doorn in Einsatz gehen sollten. Das paßte Riker nicht. »Du wagst wieder zuviel, Ren!« »Möglich!« gab er scharf zur Antwort. »Aber ich kann noch nicht alle Männer einsetzen. Oder bist du bereit, die Verantwortung für sie zu übernehmen?« Aus der Sicherungsreihe flogen die drei Flash heran und setzten mit ihren Auslegern, die sie bei dem kurzen Flug nicht eingefahren hatten, vor dem Commander, seinem Freund und dem Sibirier auf. Dhark gab seinem Stellvertreter Oberleutnant Roder die letzten Anweisungen, dann stiegen sie zu den Piloten ein, schlossen den Einstieg, kontrollierten noch einmal die Funkverbindung und starteten. Senkrecht stiegen die drei plumpen Blitze, die trotz ihrer häßlichen Form wunderbare Raumfahrzeuge waren, an der grauen, fugenlosen Wand empor. Dhark hatte Zeit, einigen Gedanken nachzuhängen. Und er, der auf der Suche nach den Mysterious war, landete wieder bei ihnen. Wer aber waren die schwarzen Weißen? Und warum hatten sich ihre
Roboter, die auf dem Planeten Hidplace ihnen doch viel freundlicher entgegengetreten waren, in Gegenwart ihrer Konstrukteure ganz anders verhalten? Und die schwarzen Weißen, diese den Terranern ähnliche Rasse, die sich nur durch ihre Hautfarbe von ihnen unterschied und nicht den kleinsten negroiden Einschlag aufwies, wer waren sie? Wo lag ihre Heimatwelt? Waren sie tatsächlich so weit in ihrer Technik fortgeschritten, wie sie es ihm gezeigt hatten, oder hatten sie, nachdem die Geheimnisvollen verschwunden waren, nur deren Erbe angetreten? Plötzlich dachte er wieder an Mone, die unsichtbare Intelligenz, die über dem Kern in den Tiefen des Planeten wohnte und dort von den Robs der schwarzen Weißen aufgestört worden war. Mone hatte nicht gut über sie gesprochen. »Wir sind oben!« Wonzeffs Ruf riß ihn aus seinen Gedanken. Sie hatten die ebene Dachfläche des Ringbaues erreicht und schickten sich an, sie in ihrer Breite zu überfliegen, um an der anderen Kante dann zu landen. Neunhundertsechsundsechzig Meter war die Krone der Ringanlage breit. Fugenlos und aus dem gleichen unbekannten Material gebaut wie die Außenwand. Erschütterungsfrei setzte die 002 auf. Rechts und links davon landeten 003 und 004. Die Piloten rührten sich nicht, als Dhark und seine beiden Begleiter ausstiegen. Vorsichtig bewegten sich die Männer bis zur Kante vor. Ihre Hände lagen um die Kolben der Strahlwaffen, aber niemand dachte an eine Gefahr. Jeder war gespannt, was ihnen gleich ihr Blick in die Tiefe zeigte. Wenige Meter vor Erreichen ihres Ziels sahen sie den ersten Streifen zwischen den beiden Ringen. Eine graue, leere Straße. Ein glatter Ring zwischen den Anlagen. So leer, so eintönig wie Fanal wohl überall aussah. Mehr als zweihundert Meter weit war es zum nächsten Bauwerk, das sich in nichts von den anderen unterschied. Ohne ein einziges Fenster, ohne die kleinste Andeutung eines Portals. Und in der Tiefe diese breite, leere Straße. Ein graues, leeres Band unter einem gelblich brennenden Himmel, der die Innenseite einer künstlich erstellten Sonnenkorona war. Ren Dhark versuchte sich gegen diesen trostlosen Anblick zu wehren, und es wartete darauf, daß entweder sein Freund Dan Riker oder Doorn eine Bemerkung machten, aber die beiden sagten kein Wort. Sie gingen zu den Flash zurück, ließen sich in die Sitze fallen und
schlossen den Einstieg. Die Blitze hoben ab, flogen über die Kante, um sich mit schwach arbeitendem Sle zur Straße hinunter zu senken. »Weiter beobachten!« gab Dhark über Helmfunk durch. Die Bildprojektion über dem Kopf war der einzige Ausblick. Die Biegung der Straßenschlucht zwischen den beiden trostlosen Bauwerken war kaum festzustellen, nur wenn sie geradeaus sahen, entdeckten sie, daß sie den Kreisbogen nicht besonders weit einsehen konnten. In fünfzig Metern Höhe flogen die drei Blitze auf Sicherheitsabstand hintereinander. Je länger der Kontrollflug über die äußere Ringstraße dauerte, um so höher wurde die Geschwindigkeit der Flash. »Ein Friedhof ist tausendmal schöner!« stellte Dan Riker sarkastisch fest. Dann bemerkte Wonzeff: »Wir haben unseren Ausgangspunkt wieder erreicht!« Rechts glatte graue Wände; links glatte graue Wände; die Straße grau und glatt und leer; der Himmel eine gelblich brennende Fläche, ohne Wolken. Die drei Flammenbogen waren von ihrer Position aus nicht zu sehen. Die Stille war erdrückend; sie weckte das Unheimliche. Dhark rief Oberleutnant Roder an. Der hatte nichts Neues zu melden. Er rief zur POINT OF; auch dort gab es keine Neuigkeiten. Das geortete fremde Raumschiff stand immer noch vor der Bahn des sechsten Planeten. In diesem Moment wurde Dhark aufmerksam. Unwillkürlich beugte er sich vor, als ob er den Sprechrillen näher kommen wollte, dabei unterhielt er sich über Helmfunk. »Brugg, geben Sie mir Grappa in die Verbindung!« Das Gesicht auf dem Schirm wechselte. »Grappa, Sie haben trotz Sonnenkorona keine Schwierigkeiten mit der Ortung?« »Nein!« »Haben Sie sich schon einmal überlegt, daß das unbekannte Schiff unsere Ortungsstrahlen feststellen kann? Und haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was passieren muß, wenn der fremde Raumer dadurch die Position der POINT OF erfährt, also entdeckt, daß die siebte Sonne der Sternenbrücke gar keine Sonne ist?« Keine Antwort, aber schweres Atmen in der Funkverbindung zu hören. Riker räusperte sich, dann kam sein allgemein gehaltener Vorwurf: »Und daran hat kein Mensch gedacht?«
Von der POINT OF kam die im unsicheren Ton gestellte Frage: »Abschalten, Dhark?« »Ja, bis die Echo-Kontrolle… nein! Auch die! Aber kontrollieren Sie statt dessen die Sonnenkorona. Hoffentlich ist es nicht zu spät.« Die Flash standen, von schwacher Sle-Leistung gehalten, auf der Stelle. »Überfliegen wir einmal die gesamte Anlage!« Die Ringwerke wurden niedriger, je näher sie dem Zentrum kamen, und auch schmaler. Ebenso verringerte sich die Breite der leeren grauen Straßen. Diese Minderungen waren jedoch so gleichbleibend, daß die sechs Mann in den Blitzen bald das Gefühl verloren hatten, wie sehr der Durchmesser der Ringbauten zusammengeschrumpft war, so daß die Bauwerke viel von ihrem imposanten Eindruck verloren hatten. »Dhark… links! Ganz weit links…« Rul Warren, der Mann, der seine kalte Stummelpfeife nie aus dem Mund nehmen konnte, hatte etwas entdeckt, das allen anderen entgangen war. Der sechste oder siebte Ring, vom Zentrum aus gezählt, war an einer Stelle unterbrochen! Sofort nahmen die Flash darauf Kurs. Je näher die Männer kamen, um so deutlicher sahen sie über die Bildprojektion, daß dem sechsten Ring ein mehr als hundert Meter langes Stück fehlte. Dann standen sie in knapp zweihundert Metern Höhe genau darüber. Die Ringlücke war zum Teil durch eine Häuserzeile ausgefüllt! Aber die Häuser standen auf der Ringkrone, die an dieser Stelle nur viel tiefer lag! Die Straße darunter lag noch vierzig Meter unter der Krone. »Häuser mit Fenstern und Türen! Häuser in dem scheußlichen Zementbau-Stil, wie sie in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf Terra gebaut wurden«, urteilte Mike Doraner, und hatte damit eine ausführliche Beschreibung abgegeben. Großer Himmel, dachte Dhark fassungslos, was haben an dieser Stelle der Anlage Häuser zu suchen? »Wir sehen uns diese Bauten mal an!« Drei Flash setzten wieder auf. Die Ortungen liefen. Distanz-Werte kamen nichtssagende Massen-Werte, mehr nicht. Grau die Fronten der Häuser. Im leichten Gelbton schimmernd die Fenster, die das Licht des brennenden Himmels widerspiegelten. Geschlossen die etwas blau wirkenden Türen. Und über allem diese Stille, die erneut das Unheimliche weckte. »Dan, rufe Roder und die POINT OF an. Informiere die Männer, was wir entdeckt haben!« Dhark zählte die Stockwerke der Häuserreihe mit
den langen, rechteckigen Fenstern, die durch Verstrebungen auch noch unterteilt waren. Wieso konnten an dieser Stelle Häuser gebaut werden? Er hatte sie im Zentrum erwartet! Ich mache mir selbst etwas vor, verbesserte er sich in Gedanken. Im Zentrum habe ich erwartet, einen im ultrablauen Licht schwebenden Ring zu sehen, einen kreisrunden Platz, und im ersten Ring Portale, die in sein Inneres führen. Aber niemals habe ich damit gerechnet, solche Häuser zu sehen. Hat diese Anlage vielleicht gar nichts mit den Mysterious zu tun? Die Geheimnisvollen ließen ihn, Commander Dhark, nicht los. »Fertig!« gab Riker durch. »Und nun, mein Lieber?« »Aussteigen, bis auf die Piloten! Sollte der Funkkontakt abreißen, sofort Meldung an Roder und die POINT OF. Was dann noch zu tun ist… woher sollte ich es wissen? Handeln nach freiem Ermessen, aber unter keinen Umständen ein Großeinsatz, um uns zu suchen. Das wär’s wohl!« Drei Mann verließen drei Flash. Hinter ihnen schlossen sich die Blitze wieder. Für die Piloten bestand Alarmstufe 1. Über ihre Bildprojektion sahen sie den Commander mit Riker und Doorn langsam auf die nächste Haustür zugehen. Die Männer hatten den Klarsichthelm immer noch geschlossen und unterhielten sich über Funk. Auffallend war Dharks Einsilbigkeit. Sein Freund hatte dieselbe Frage schon zum dritten Mal an ihn gerichtet und immer noch keine Antwort erhalten. »Wie eine Falle…« »Was hast du gesagt, Ren?« Riker hatte sich zu seinem Freund umgedreht und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Dharks Bemerkung war keine Antwort auf seine Frage gewesen. »Die Lage dieser Häuserreihe gefällt mir nicht, Dan. Die erinnert mich an die drei tanzenden Planeten. Damit hat man auch versucht, jedes einfliegende Raumschiff abzulenken.« »Aber du warst nicht abzulenken. Du warst der einzige, der sich an die Koordinaten der sieben gigantischen Sender erinnerte, die alle zur gleichen Zeit denselben Notruf abstrahlten!« Unwillkürlich nickte der Commander. Es war ihm schon wieder entfallen, daß er durch die Erinnerung daran vielen bohrenden Fragen aus dem Weg gehen konnte. Mone, dachte er, was hast du damit angerichtet, mich auf die siebte Sonne aufmerksam zu machen?! Dreißig Meter trennten sie noch von der nächstliegenden Haustür, und dreißig Meter blieben es.
»Wir kehren um! Sofort!« Dan Riker verstand den Freund nicht mehr. Doorn schwelgte in seiner oft unangenehm wirkenden Eigenschaft, den Mund nicht aufzumachen. Kommentarlos nahm er Dharks Order hin, machte kehrt und ging auf die Flash zurück. »Stopp!« rief Riker ihm nach. »Doorn, was sagen Ihre Ortungen?« Der kontrollierte sein tragbares Gerät schnell noch einmal, um dann zu sagen: »Nichts!« Als letzter machte sich Riker auf den Rückweg zu den Flash. In seinen Augen funkelte die Wut, als er sich im engen Sitz niederließ und den Einstieg schloß. Er hätte zu gern einen Blick in diese Häuser geworfen, und er konnte seinen Freund einfach nicht verstehen. Dhark war mit sich selbst unzufrieden, weil er so spontan seinem Angstgefühl nachgegeben hatte. Als ihm der Gedanke gekommen war, diese fehlplacierten Häuser könnten nichts anderes als eine Falle für ungebetene Besucher sein, hatte er völlig instinktiv gehandelt, und dann hatte er seinen impulsiven Entschluß nicht wieder rückgängig machen wollen. Er unterrichtete Roder und die POINT OF, daß die Durchsuchung der Häuser nicht vorgenommen worden sei und sie ihren Flug quer über die Ringe wieder aufgenommen hätten. Die Flash gingen mit dem Tempo herunter, je näher sie dem Zentrum kamen. Hundertacht Meter Durchmesser hatte der runde Platz. Einundzwanzig Meter hoch war der erste Ring und fünfzehneinhalb Meter breit seine glatte graue Dachkrone. Auch diese Anlage besaß keine Fenster und Türen. Wohin die Männer nach der Landung aus ihren geöffneten Flash auch sahen: graue, glatte Wände; ein grauer Platz, darüber die drei Flammenbogen und über ihnen der gelblich brennende Himmel. »Verkapselt… alles verkapselt, und dann diese Häuser, die wirklich nicht hierhergehören. Große Milchstraße, welche Idioten haben das gebaut?« Ren Dharks Angst war nicht kleiner geworden. Im Gegenteil, sie hatte eine Stärke erreicht, die ihm den Schweiß aus den Poren trieb. Das Gefühl, es sei trotz einwandfrei arbeitender Klimaanlage im Raumanzug viel zu heiß, ließ in ihm den Wunsch aufkommen, den Klarsichthelm zu öffnen. Als seine Hände zupackten, wurde ihm klar, daß er wieder einmal bereit gewesen war, unnötiges Risiko einzugehen. »Ren«, Riker wagte einen Vorstoß, »soll nicht wenigstens ein Flash
versuchen, mit dem Intervall in den kleinsten Ring einzufliegen?« Wenn du wüßtest, wieviel Angst ich gerade davor habe, dachte der Commander und kniff die Augen zusammen, weil ihm der Schweiß hineinzulaufen drohte. Er verriet keine Unsicherheit, als er antwortete: »Das kommt nicht in Frage, mein Lieber. Ich denke nicht daran, mit diesem Manöver zu riskieren, daß einer der Ringe hochgeht!« »Ren, hast du denn alle Tatsachen vergessen?« brauste Riker auf. »Doorn kann keine Energie-Quellen feststellen. Diese Konservenanlage scheint nichts anderes als die verrückte Spielerei von noch verrückteren Architekten gewesen zu sein. Denke nur an diesen lächerlichen Tempel mit den drei Flammenbogen…« In drei Flash wurden sechs Männer an diese Bogen erinnert. Unwillkürlich sahen vier von ihnen nach oben. Die Flammenbogen erloschen! Sie fielen in sich zusammen! Sie waren nicht mehr! Nur noch der gelblich brennende Himmel stand über Fanal. Und da gellte Tino Grappas Stimme aus der POINT OF in ihrem Helmfunk auf: » Struktur-Erschütterung! Erschütterungen! Raumer fliegen ein! Raumschiffe stürzen sich auf uns…« Dann gab es keine Verbindung mehr zur POINT OF; auch nicht zu den Gruppen unter Oberleutnant Roder, die vor der äußeren Ringmauer warteten. Ren Dhark verstand nicht, warum seine Angst plötzlich so groß geworden war, daß er ein Stöhnen nicht unterdrücken konnte. * Jos stand wieder vor Manu Tschobe und Chris Shanton. Jimmy hatte er zurückgelassen. »Laßt alles stehen und liegen! Kommen Sie mit! Sehen Sie sich das einmal an, was Ihr Monstrum entdeckt hat!« Der GSO-Mann unterstrich seine erregt hervorgebrachten Worte mit heftigen Gestikulationen, die so eindrucksvoll waren, daß der Afrikaner und der Dicke ihre Beobachtungen einstellten. »Was hat Jimmy entdeckt? Was haben Sie gesehen, Jos?« orgelte der
Diplom-Ingenieur. »Bin ich Fachmann? Woher soll ich das wissen? Ich habe nur den Verdacht, daß Jimmy einen Transmitter gefunden hat, der aber keine graue Antenne besitzt, sondern eine irisierende Kugel, in deren Innern es rot glüht. Ja, Shanton, Sie brauchen mich gar nicht so ungläubig anzusehen, weil ich von Transmittern nichts verstehe. Vielleicht ist es auch keiner, sondern eine Höllenmaschine, mit der wir uns kurz und schmerzlos in die Luft jagen können, bevor wir hier langsam gegrillt werden. Aber sehen Sie sich das Ding doch einmal an. Das ist hundertmal interessanter als die Armee von Schildkröten oder mechanischen Wanzen. Kommen Sie mit oder nicht?« Sie ließen alles im Stich. Der GSO-Mann mit seinem aufgeregten Benehmen hatte sie neugierig gemacht. Shanton und Tschobe ließen sich von Jos führen, der trotz aller Blendung doch noch etwas sehen mußte, denn kein einziges Mal wurde er im Schrittempo langsamer. »Vorsicht! Jetzt!« Er packte beide am Nacken. Es kostete ihn Kräfte, den Zweizentner-Mann vorwärts zu stoßen. Mit Manu Tschobe hatte er weniger Arbeit. Durch eine schwarze Wand, die schwachen Widerstand aufwies, aber dann nachgab. Eine Wand, die dicker als ein Meter sein mußte. Und eine Wand, die es schaffte, den Höllenlärm im Wolkenkratzer-Aggregat vollkommen zu isolieren. »Da! Na, was habe ich gesagt?« brüllte Jos über den Helmfunk, weil auch er noch halb taub war. Blaues Licht um sie herum. Ein großer, mehr als dreißig Meter hoher Raum, das dreifache länger und breiter. Links eine einzige Instrumentenwand mit einem Steuerpult. Rechts nur Unitall zu sehen. Aber in der Mitte eine irisierende Kugel, deren Durchmesser mehr als zehn Meter betrug. Eine Kugel, die aus flimmernder Energie zu bestehen schien, dennoch oben und unten Kontakt mit einer halbkugeligen Schale hatte, die von einem kräftigen Metallrahmen gehalten wurde. In der Mitte der Kugel flackerte es rot auf. Ein unruhiges Flackern, als wolle es jeden Augenblick die Kugel sprengen und sich in den Raum stürzen. Tschobe machte eine hilflose Bewegung, als ob er an seinem Verstand zweifele. »Das muß ein Transmitter sein! Das ist auch ein Transmitter, aber warum hat er anstelle einer Antenne eine Kugel? Und was hat diese Anlage in dem Mammut-Aggregat zu suchen?«
Sie sahen sich genauer um. Dieser Raum war kein Versteck, und nichts deutete darauf hin, daß die beiden entarteten Cyborgs sich hier aufgehalten hatten. Über diesen Punkt wurde der Dicke stutzig. »Sollten Mildan und Dordig diesen Transmitter benutzt haben und von Jimmy nur deshalb entdeckt worden sein, weil sie gerade aus der Kugel kamen oder im Begriff waren, sie zu benutzen?« Einer sah den anderen an. Dann blickten sie alle zur irisierenden Kugel. Das rote Leuchten in ihrer Tiefe flackerte unregelmäßig. Tschobe hatte seine wulstigen Lippen noch mehr hervorgeschoben und studierte wieder das Schaltpult mit den ihm vertrauten Steuerknöpfen. Die Bedeutung der meisten war ihm nicht klar. Ebenso fand er keine Antwort darauf, warum es über dem Pult einen Bildschirm gab. Was hatte der an dieser Stelle zu suchen? Er schaltete ihn ein. Der Schirm flackerte, wurde schwarz, aber in der schwarzen Fläche leuchteten zwei scharf umgrenzte Punkte, die von weniger hellen umlaufen wurden. Er sah das Col-System! Ihr System, in dem es auch den Planeten Hope gab. »Shanton! Jos!« Sein Ruf holte sie heran. Mit wenigen Worten hatte er ihnen alles erklärt. »Und jetzt schalte ich weiter. Ich bin gespannt, was uns dann der Schirm zeigt.« Der Steuerschalter kippte in eine andere Position. Das Bild wechselte. Drei Männer hatten vergessen, daß sie sich in einem riesigen IndustrieBau befanden, der es nur seiner Unitallverkleidung zu verdanken hatte, noch nicht auseinandergeflogen zu sein. Auch dachten sie nicht mehr an den Einsatz der Roboter, die wie überdimensionierte Schildkröten aussahen. Eine ihnen unbekannte Sternkonstellation zeigte sich ihnen. Drei blauweiße Sonnen, die auffallend nah zusammenstanden, die jedoch alle über ein eigenes System verfügten. »Man müßte Astronom sein, um zu wissen, welches Sternbild hier dargestellt wird«, murmelte Shanton. Tschobe teilte seine Ansicht nicht. »Die Sternbilder, nach denen wir uns manchmal richten können, sind doch nichts anderes als ein Produkt menschlichen Vorstellungsvermögens. Hier sehen wir aus dem Meer der Sterne drei Sonnen, die wahrscheinlich alle vom gleichen Typ sind.« Sein Blick war über die Instrumente gewandert. Als er die Zahlensymbole der Mysterious erkannte und sie deutete, wußte er, daß mit diesem Gerät die
Koordinaten einer dieser drei Sonnen angegeben worden waren – jedoch Koordinaten nach dem Einteilungssystem der Geheimnisvollen! Ein Checkmaster fehlte, der in der Lage war, sie auf das terranische System umzustellen! Drei Kontrollen blinkten auf. »Was hat das nun wieder zu bedeuten?« fragte Jos, der sich hilflos vorkam. »Die Aufforderung, die Fehleinstellung zu schalten«, erwiderte Tschobe, der sich gar keine Gedanken machte, wie sicher er in den wenigen Minuten geworden war, seitdem er am Steuerpult stand. Manches hatte Ähnlichkeit mit der Anlage in der POINT OF; vieles war fremd, dennoch ergab das Ganze ein Bild, und wenn es auch in seinen Konturen verwaschen war. Die drei Kontrollen leuchteten nicht mehr. Auf dem Bildschirm war eine kleine Verschiebung vor sich gegangen. Die Sonne im Südbereich des Schirmes hatte sich in den Vordergrund geschoben und zeigte ihre dreizehn Planeten. Der sechste davon flackerte wie ein Blinklicht. »Darauf befindet sich die Gegenstation!« behauptete Manu Tschobe. »Hypothese!« schränkte Shanton des Afrikaners Bemerkung ein. »Scheint ein bißchen weit weg zu sein, wie?« Tschobe fühlte auch kein Verlangen, die Transmitter-Anlage hinter seinem Rücken auszuprobieren. Ihn fror wieder, wenn er an seine Reise dachte, die er zusammen mit Jimmy unternommen hatte, um dann auf einem unbekannten Planeten auf den vermißten Professor Acker zu stoßen. Wieso sie zum Schluß auf der im Raum befindlichen POINT OF herausgekommen waren, hatte nie geklärt werden können. Jos Aachten van Haag löste den entscheidenden Impuls aus. »Müssen wir erst zu Cyborgs umgebaut werden, daß wir den Mut finden, diesen Transmitter zu benutzen? Mir ist die Vorstellung sympathischer, auf einem fernen Planeten zu verweilen, als mit diesem Höllenkasten in die Luft zu fliegen!« Das erinnerte sie an die Katastrophe, die sich im Industrie-Dom abspielte. Chris Shanton setzte sich in Bewegung, schob seinen dicken Bauch vor sich her und stieß sich durch die Wand, die abermals nur schwachen Widerstand entwickelte. »Was hat Shanton vor?« fragte Jos überrascht. »Keine Ahnung«, erwiderte Tschobe halb geistesabwesend. »Machen Sie mit, Jos?« »Was? Was soll ich mitmachen?«
»Na, eine Transmitter-Reise zu diesem Planeten einer blauweißen Sonne? Aber bedenken Sie, daß es sehr gut möglich ist, nie wieder nach hier zurückzufinden…« Der Zweizentner-Mann schob sich durch die Wand. Seine Augen funkelten. »Die Wanzen«, keuchte er, »die Wanzen bekommen die Hölle unter Kontrolle. Sie sind überall zu sehen. Sie sind überall am Werk. Weiß der Himmel, wie sie aus Explosionen Implosionen machen und mit energetischen Ausbrüchen verfahren, als ob ein harmloses Rinnsal umzulenken sei. Das ist eine Feuerwehr! Einmalig! Das muß man gesehen haben!« Er stutzte, weil weder Tschobe noch Jos dafür Interesse zeigten. »Shanton, wir werden den Transmitter benutzen. Bleiben Sie hier, um auf uns zu warten? Nur Jimmy müssen Sie uns mitgeben und…« »Den Teufel werde ich tun«, polterte der Dicke. »Hier warten und Daumen drehen, das könnte Ihnen so passen. Ich komme mit. Nur möchte ich vorher wissen, auf welche Distanz Sie geschaltet haben, Tschobe.« »Das möchte ich auch gern wissen«, echote der Afrikaner. »Bleiben Sie bei Ihrem Entschluß?« Chris Shanton ging auf die irisierende Kugel zu. »Ist die Anlage eingeschaltet?« »Ist eingeschaltet, soweit ich es beurteilen kann.« »Okay. Los, Jimmy, machen wir beide den Anfang, aber dieser oder jener holt Sie, Tschobe, wenn mich die Gegenstation in der Bratpfanne eines Kannibalen landen läßt!« Der Dicke hatte keine Angst, oder er zeigte sie nicht. Dicht neben ihm befand sich der Scotchterrier. Beide blieben nun einen Moment vor der Kugel stehen, der Diplom-Ingenieur sah sich noch einmal nach Jos und Tschobe um und tat dann den entscheidenden Schritt. Der Hund und er drangen in die Kugel ein! Sie bewegten sich darin, als ob sie sich in freier Luft aufhalten würden! Sie gingen immer weiter. Immer weiter! Und sie wurden dabei kleiner. Mit jedem Schritt, der sie dem roten Leuchten näher brachte, das unverändert in unregelmäßigen Abständen flackerte. »Das ist… das ist nicht zu fassen. Himmel, ist das wirklich ein Transmitter?« stieß Manu Tschobe über die wulstigen Lippen, der sich anstrengen mußte, um Mann und Hund noch erkennen zu können. Er sah sie, als ob aus dem Riesen Shanton ein Zwerg geworden sei, der nur noch knapp einen Zentimeter groß war. »Warum dreht er sich nicht um? Warum reagiert er nicht? Er muß mich doch über Funk…« Mann und Hund, kaum noch millimetergroß, hatten das rote Glühen
erreicht. Blitzartig veränderte es sein Aussehen! Grelles ultrablaues Licht schoß aus dem Mittelpunkt der Kugel in den Raum. Es war ein kurzes, einmaliges Aufleuchten. Dann gab es wieder den flackernden Rotpunkt in dem irisierenden Gebilde zu sehen, aber keine Spur mehr von Chris Shanton und seinem Robothund! »Hm…«, brummte Jos, »hätte ich doch vorhin nur meinen Mund gehalten…« »Mir gefällt der Fall auch nicht mehr, aber was bleibt uns anderes übrig, als dem Dicken und seinem Monstrum… äh, seinem Hundeviech zu folgen? Wir können ihn doch nicht im Stich lassen.« »Bringen wir es hinter uns, Tschobe!« »Einen Moment noch, Jos. Ich möchte noch einmal versuchen, mit irgendwem auf Deluge in Funkkontakt zu kommen. Erstens, um sie über unser Experiment zu unterrichten, und zweitens, ihnen zu melden, daß schildkrötengroße Roboter dabei sind, die Katastrophe im Industrie-Dom unter Kontrolle zu bringen.« Seine Rufe blieben ohne Antwort. Endlich gab Tschobe es auf. »Los! Lassen wir Shanton nicht zu lange warten.« Und nebeneinander, mit klopfendem Herzen, gingen sie auf die große, irisierende Kugel zu, in der es rot leuchtete. * Die Res-Works F im Ural waren ein unansehnlicher Industriekomplex. Die langen, flachen Plastikhallen paßten nicht in die romantische zerrissene Naturlandschaft mit ihren dunklen Berghängen, reißenden Wildwassern und den nadelspitzen Felsgraten. Res-Works F war nur Fachleuchten ein Begriff. Aber der Nimbus, mit dem sich diese Forschungsstätte umgeben hatte, war im Laufe der letzten Jahre verflogen. Cir Monk, der Chef-Metallurg, hatte in wissenschaftlichen Prognosen zuviel versprochen. Sensationell waren seine damaligen Ankündigungen gewesen, und sie hätten ihn zu einem der berühmtesten Männer Terras gemacht, wenn sie in Erfüllung gegangen wären. Plötzlich war es um die Res-Works F still geworden. Wenn in Fachkreisen das Tofirit behandelt wurde, verwies man spöttisch auf Cir Monk. Es war dann schon zur Regel geworden, daß sich der andere diesen dummen Scherz verbat und oft den Metallurgen Monk einen großsprecherischen Nichtskönner nannte.
Die wenigen Eingeweihten wußten, daß man Monk damit unrecht tat. Ihr Schweigen war begründet. Sie kannten die Schwierigkeiten, die völlig unerwartet aufgetreten waren, als man daran gegangen war, das rotleuchtende Schwermetall Tofirit zu verwenden. Dieses Erz, das man bisher nur auf Hope und dem Planeten Jump entdeckt hatte, besaß das spezifische Gewicht von 481,072 kg ccm. Seine Kristalle hatten erst den To-Funk möglich gemacht. Er war dem von verschiedenen Intelligenzen in der Milchstraße entwickelten Hyperfunk in jeder Hinsicht überlegen. Man ahnte, daß das Schwermetall vielseitig verwendet werden konnte, nur zeigte es sich von einer widerspenstigen Seite, die niemand hinter ihm vermutet hatte. Damals, als diese Schwierigkeiten erstmalig gesehen wurden, hatte Cir Monk ernsthaft überlegt, ob er seinen Posten als Chef-Metallurg nicht niederlegen sollte. Seine Kollegen hatten ihm wochenlang zureden müssen, die Arbeit nicht hinzuwerfen. Und als er sich dann durchgerungen hatte und nicht mehr an seinen Rücktritt dachte, war es um die Res-Works F im Ural still geworden. In der Folge wurde nicht einmal mehr das Ministerium für Technik in Alamo Gordo ausreichend unterrichtet. Einigen schläfrigen Ressort-Chefs fiel nicht auf, daß die Res-Works F zu einem Unkostenfaktor geworden waren, der in keinem Verhältnis zu seinen Forschungsergebnissen stand. Man wurde auch in Alamo Gordo immer noch nicht stutzig, als man in regelmäßig kurzen Abständen Unitall anforderte, das aus den erbeuteten Robot-Ringraumern stammte. Die technische Kontrolle der Terranischen Flotte schlug plötzlich Alarm, als die vom Ministerium für Technik genehmigte Anforderung der Res-Works F über dreißig Tonnen Unitall vorlag. Ingenieur Harald Erneson protestierte im Ministerium. »Die Res-Works F wracken ja einen Ringraumer regelrecht ab, wenn wir diese Menge Unitall nach dem Ural liefern. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, den Stab der TF zu benachrichtigen. Meine Anweisungen lauten, kein Gramm Unitall mehr nach dem Ural abzugeben!« Ingenieur Erneson, im Rang eines Oberleutnants bei der Flotte, glaubte damit alles getan zu haben, um diese Dreißig-Tonnen-Lieferung zu verhindern. In den Res-Works F wartete man immer ungeduldiger auf die Sendung. In der Transportabteilung hörte man Cir Monk das erste Mal toben, anschließend nahm er die Sache selbst in die Hand und schlug über Vipho beim zuständigen Ressort-Chef in Alamo Gordo Krach! Dieser wußte sich
nicht anders zu helfen, als bei seinem Minister vorstellig zu werden. Innerhalb der Berichterstattung kam ans Tageslicht, welche Unsummen die bisher ergebnislosen Forschungsarbeiten der Res-Works F verschlungen hatten, und daß der Verbrauch an unersetzbarem Unitall einfach nicht zu begreifen war. Cir Monk sollte erschöpfend Auskunft geben. Cir Monk weigerte sich, es über Vipho zu tun. Der Minister für Technik beorderte ihn nach Alamo Gordo. Cir Monk gab zur Antwort, keine Zeit zu haben. Der seltene Fall trat ein, daß sich ein Minister der Regierung in Alamo Gordo auf den Weg zum Ural machte, um sich an Ort und Stelle zu überzeugen, wo die riesigen Geldmengen geblieben waren. Drei Tage dauerte sein Aufenthalt in den Res-Works F. Nach seiner Rückkehr vereinbarte er mit Henner Trawisheim, dem Stellvertreter des Commanders Dhark, einen Termin. Im Laufe der Unterredung wurde Marschall Bulton gebeten, sich einzufinden. Zwei Stunden danach erhielt Ingenieur Erneson vom Marschall persönlich den Befehl, dreißig Tonnen Unitall so schnell wie möglich nach dem Ural auf den Weg zu bringen! Zähneknirschend zeichnete der Ingenieur die Materialanforderung ab und ließ die Folie über den gewohnten Abwicklungsweg laufen. Am Abend des gleichen Tages spie die Transmitter-Gegenstation in den Res-Works F diese dreißig Tonnen aus. Cir Monk sagte, als er die Meldung darüber erhielt: »Jetzt müssen wir aber Glück haben!« Er schaltete nach Tokio durch und unterhielt sich mit seinem Kollegen Suo Suami. »Morgen abend lassen wir den entscheidenden Versuch laufen. Alle Unterlagen gehen heute noch als Kopie an Sie ab. Suami, hüten Sie sie wie Ihren Augapfel!« Der Japaner erwiderte: »Sie können sich auf mich verlassen, nur verstehe ich immer noch nicht, warum Sie in diesem Versuch zugleich ein lebensgefährliches Experiment sehen.« Monk, ein rüstiger Sechziger, dem man sein Alter nicht ansah, winkte ab. »Lebensgefährlich, Suami? Sie untertreiben. Wenn der Versuch mißlingt, kann der halbe Ural in die Luft fliegen. Wenn wir ihn morgen anfahren, dann befinden sich nur noch achtundsechzig Menschen in unserem Werk, und auf einen Umkreis von fünfundsiebzig Kilometern hält sich niemand mehr auf…«
Und nun lief der Versuch schon in der dritten Stunde. Fünf abschirmende Energiewände lagen zwischen der Versuchsstätte und dem Kontrollraum, in dem Monk mit sieben Mitarbeitern vor einem überdimensionalen Bildschirm saß. Zwei der modernsten Suprasensoren standen zur Verfügung, und sämtliche Konverter, über die die Res-Works F verfügten. Die benachbarten MMC-Werke auf der anderen Seite des Urals hatten Order, ein Drittel ihres Energievorrats abzugeben, wenn Monk sie anforderte. 23.000 Tonnen Tofirit wollte Cir Monk in einem Arbeitsgang verarbeiten! In der Plastikgrube, die zweihundert Meter Durchmesser und eine Tiefe von hundertacht Metern hatte, schwebten von vier superstarken AGravfeldern gehalten, die 23.000 Tonnen Tofirit, die im Licht der strahlenden Mittagssonne wie aber Millionen riesengroßer Rubine funkelten. Rund um die Grube waren Steuergeräte aufgefahren, eine Unzahl kostspieligster Injektoren, Rha-e-Former, die ein Erzeugnis der Mysterious waren, Fernkontrollen und eine Reihe von Antennen in bizarrsten Formen. Ein kuppelförmiges Energiefeld schirmte diese Grube ab. Bis zum Kontrollraum, in dem sich Monk mit seinen sieben Mitarbeitern aufhielt, sicherten weitere vier. Schutzschirme diese Menschen, die sich von den wenigen in den Res-Works F verbliebenen Leuten der Grube am nächsten aufhielten. »Neunundvierzig zu Ende. Null-Stand wieder erreicht. Die Katas 17 und 18 aus IX werden gegen die Katas 21,22 und 23 aus X ausgetauscht. 2,74 Tonnen Unitall werden jetzt zusätzlich eingefahren. Letzter KonverterRing hat angesprochen.« Monks Assistent hatte wie ein Roboter gesprochen und dazu, wie in alten Zeiten bei Nennung jeder Position, auf seiner Checkliste abgestrichen, obwohl die kontrollierenden Suprasensoren diese Arbeit pannensicher durchführten. Achtzehn Kilometer trennten sie von der Grube. Fünfzig Kilometer waren noch viel zuwenig, wenn dieser Versuch zur Katastrophe wurde. Monk beobachtete über den großen Bildschirm, wie weitere 2,74 Tonnen Unitall, von einem steuerbaren A-Gravfeld gehalten, eingefahren wurden. Der obere rechte Ausschnitt des Schirms ließ sehen, daß durch überlange Plastikgelenke die Katalysatoren 17 und 18 entfernt wurden.
Drei andere traten an ihre Stelle. Die Plastikgelenke schwenkten zurück, wurden eingefahren. Eine Reihe von Impulsen verrieten in der Kontrolle, daß der nächste Versuch anlaufen konnte. Monks Assistent beugte sich zum Stand-Vipho vor. »Fünfzig fährt an. X-Zeit läuft!« Cir Monk griff zur Seite nach einer Zigarette und drehte das Mundstück zwischen den Lippen. Während er tief inhalierte, begannen am Grubenrand die Injektoren unter Heulen ihre gebündelten Energien zu emittieren. Die Rha-e-Former brummten im tiefen Baß. Die rund am Grubenrand aufgebauten Mikrofone konnten diese tiefe Tonlage gerade noch erfassen. In der Kontrolle bewegte sich keine Hand. Keine einzige Schaltung wurde durchgeführt. Allein die beiden programmierten Suprasensoren hatten diese komplizierte Aufgabe übernommen. In ihnen steckte auch der Befehl, beim kleinsten Anzeichen einer Katastrophe alles auf Null zu fahren – wenn dafür die Zeit noch reichte! Das war die große Unbekannte dieser Versuchsreihe! Plötzlich richtete sich Cir Monk auf. Hastig zerdrückte er die gerade angerauchte Zigarette im Ascher. Seinen sieben Mitarbeitern erging es nicht anders. Die Suprasensoren hatten alle verfügbaren Energiemengen der MMCWerke auf der anderen Seite des Urals abgerufen und eingesetzt. Die letzten Reserve-Injektoren heulten auf. Das Aussehen der Katas, die wie Liliputmonde den 23.000 Tonnen schweren Tofiritbrocken umschwebten, veränderte sich. Diese Materialien, die eine bestimmte Reaktion in ihrem Verlauf auslösen sollten, wechselten teilweise in einen anderen Aggregatzustand über. Sie vergasten, konnten aber nicht entfliehen, weil sie von ihrem A-Gravfeld gehalten wurden. Der Energieschirm über der Grube war mit 98,2 Prozent belastet. Cir Monk warf einen hastigen Blick auf das Chrono, das die X-Zeit wiedergab. Noch drei Minuten und ein paar Sekunden, dachte er. In diesem Moment stand über der Plastikgrube eine Sonne, die 23.000 Tonnen Gewicht hatte! Die Reaktion war eingetreten! Das Tofirit begann sich in einer Molekularstruktur zu verändern! Die beiden steuernden und kontrollierenden Suprasensoren griffen auf Grund ihrer Programmierung ein.
Im gleichen Moment standen in den MMC-Werken alle Maschinen still. Not-3 war eingetreten! Jetzt Not-4 und Not-5! Zwei weitere Werke, die Kugelraumer-Werft 22 und die TrittCorporation, konnten über ihre eigenen Energien nicht mehr verfügen. Alles fraß diese Sonne über einer Plastikgrube, die sich in ihrem superstarken A-Gravfeld zu drehen begann und dabei immer grausamer strahlte. Doch die Belastung des schützenden Energieschirms war auf 45,3 Prozent gefallen! Von den Katalysatoren konnten Monk und seine Kollegen keine Spur mehr entdecken. »Keine harte Strahlung… keine harte Strahlung…«, keuchte der Assistent und schüttelte fassungslos den Kopf. »Doch! Genug davon! Im Kern des Tofirits!« stieß Cir Monk aus, der Angst hatte, die nächsten Minuten nicht überstehen zu können, weil er einen Zusammenbruch befürchtete. Die körperlichen und seelischen Belastungen waren seit Einsetzen der Reaktion beim Tofirit einfach zu hoch geworden! Das Unitall über der Grube hatte sich nicht verändert! Im Licht der erzeugten Kleinsonne, die sich immer schneller um ihre eigene Achse drehte, schimmerte es im bekannten Blauton. Es machte nicht einmal die Rotation des Schwermetalls mit! Im Kern des Tofirits jagte die Temperatur immer höher. Die 23.000 Tonnen hätten längst gasförmig sein müssen, dennoch war das Material nur glutflüssig. Der Druck unter dem Energieschirm stieg sprunghaft an. Nicht gleichmäßig verlaufende Reaktionen, dachte Cir Monk, der wie erstarrt vor dem großen Bildschirm saß und seine Blicke zwischen den Kontrollgeräten und dem Schirm pendeln ließ. »Jetzt…!« Der Schrei gellte durch die Kontrolle! Für den Bruchteil einer Sekunde hatte es ausgesehen, als ob das rotierende glutflüssige Tofirit auseinanderfliegen wollte. Die im strahlendsten Weiß glühende Kugel hatte sich wie ein Ballon aufgebläht, drohte über den Rand der Grube zu dringen, und war dann ebenso blitzartig in sich zusammengefallen. Not-4 und Not-5 wurden nicht mehr eingesetzt. Auch die MMC-Werke konnten etwas später wieder über ihre Energie verfügen. Ein Drittel der
Injektoren an der Grube schaltete ab. Die superstarken A-Gravfelder gingen mit ihrer Leistung herunter. Das grelle Strahlen der rotierenden Schwermetallkugel ließ nach. Ihr Farbton veränderte sich zum strahlenden Grün, verblaßte, und dann blähte sich die Kugel noch einmal auf, um an einer Stelle aufzureißen. Beide steuernde Suprasensoren arbeiteten wunderbar exakt. Die A-Gravfelder verließen den 1:1-Bereich! Tofirit, fremdartig farblos, floß aus dem Riß, fiel in die Grube, rann an der glatten Plastikwand entlang jener Öffnung zu, die sich am tiefsten Punkt blendenartig aufgetan hatte, um darin zu verschwinden! Haben wir es geschafft, fragte sich Cir Monk und fühlte in diesem Moment noch keinen Triumph. Noch konnte niemand sagen, ob die Reaktion so verlaufen war, wie man es seit Wochen und Monaten erwartete. Der Riß in der Kugel wurde länger und breiter. Das Tofirit verlor mehr und mehr seine Form. Dann sah es wie ein überdimensionaler Tropfen aus, der sich, kaum noch von A-Gravfeldern beeinflußt, in die Tiefe der Grube ergoß. Unter der Grube lief es in vorbereitete Formen, die ebenfalls von leistungsstarken Kühlanlagen umgeben waren. Helles Summen, das in der Kontrolle laut wurde, kündigte das Ende dieses Versuches an. Siebeneinhalb Stunden später lagen die ersten metallurgischen Werte vor. Terra besaß ein Metall, das in seiner hochkomprimierten Molekularstruktur das Unitall in jeder Hinsicht übertraf. Ein Vorteil wog besonders schwer: Innerhalb der ersten drei Stunden nach seiner Umwandlung konnte Tofirit ohne besonders große technische Schwierigkeiten bearbeitet werden, danach jedoch widerstand es wie das Unitall allen Angriffen! Als Cir Monk seinen Erfolg nach Alamo Gordo melden wollte und auf sein Stand-Vipho zuging, dachte er. Jetzt können wir endlich unsere Raumschiffe bauen! Bis zum Stand-Vipho kam er nicht mehr. Ein Schwächeanfall ließ ihn zusammenbrechen. Besinnungslos am Boden liegend, wurde Cir Monk von seinem Assistenten gefunden, der seine sofortige Überführung in die Medo-Station veranlaßte. Die untersuchenden Ärzte hatten schnell ihre Prognose gestellt, dann aber nahmen sie sich den Assistenten vor, der sich gegen seinen Willen
untersuchen lassen mußte. Er konnte nicht verhindern, daß auch seine sechs Kollegen zu den Ärzten gerufen wurden. »Man sollte es nicht glauben!« fauchte sie der Chefarzt an. »Man kann sich kaum vorstellen, daß man es hier mit erwachsenen Menschen zu tun hat! Sie haben mit Ihren Körperkräften Raubbau getrieben! In einer Form…« So müde Monks Assistent auch war, aber in dieser Tonart ließ er nicht mit sich reden. »Doktor«, fauchte er ebenso energisch zurück, »haben Sie Ihr Examen durch Faulenzen erreicht? Und jetzt lassen Sie mich gefälligst wieder gehen. Mein Bett erreiche ich auch ohne Ihre Hilfe. Vorher habe ich in Vertretung von Cir Monk noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Oder haben Sie schon einmal einen Minister warten lassen?« Der Arzt hatte sich schnell von seiner Überraschung erholt, als er in dieser Form angesprochen worden war. »Minister sind zu ersetzen, aber Experten so schnell nicht.« An der Tür war Monks Assistent stehengeblieben und erwiderte jetzt sichtlich erschöpft: »Experten, die hundemüde sind, sind keinen Schuß Pulver wert. Und jetzt lassen Sie mich endlich ins Bett kommen.« * Achtzehn fremde Raumschiffe waren nach Zwitt durchgebrochen! 112 Millionen Kilometer entfernt standen sie über dem Planeten, der von einer Sonnenkorona umgeben war. Der Alarm in der POINT OF war automatisch ausgelöst worden. A-Grav riß den Ringraumer vom Boden! Die Flächenprojektoren emittierten mit maximaler Leistung. Im Leerraum des Rings entstand der Brennkreis, der das Flaggschiff durch die dichten Luftschichten dem freien Raum entgegenjagte. In der Funk-Z rief Glenn Morris seinem Kollegen Walt Brugg zu: »Keine Verbindung mit dem Commander mehr! Auch nicht zu den wartenden Gruppen. Selbst über To-Funk nichts zu erreichen!« Tino Grappa hinter den Ortungen hatte andere Sorgen. Das Schiff war geortet worden. Es lag in fremden Tasterstrahlen! Diese achtzehn unbekannten Raumer hatten die POINT OF erfaßt. Der Zweite Offizier, der durch dieses überraschende Ereignis zum Kommandanten des Flaggschiffes geworden war, wischte sich über die Augen. Die drei Flammenbogen über der Tempelanlage bestanden nicht
mehr! Grappa sah über seinen Oszillo eine Amplitude wischen, deren Schwingungsweite mit seiner Anlage nicht voll erfaßt werden konnte. Im nächsten Moment waren die Kontrollgeräte tot! Abgeschaltet! Der Zweite Offizier sah über dem langgestreckten Instrumentenpult die Bildkugel auseinanderfliegen. Gleichzeitig waren sämtliche Steuerschalter blockiert. Über die Bordverständigung meldete sich Bud Clifton, Chef der WSWest: »Wir können die Ziele nicht mehr erfassen! Zum Teufel, was ist denn jetzt schon wieder los?« Niemand konnte ihm antworten. Die POINT OF war blind! Die POINT OF war nicht mehr zu steuern! In 12.000 Metern Höhe über NN war das alles über die Besatzung hereingebrochen. »Der Checkmaster… der Checkmaster…« Voller Ahnungen riß sich der Zweite Offizier mit seinem Pilotsessel herum. Der Checkmaster lag still! Das Bordgehirn der POINT OF arbeitete nicht mehr! War es der Anfang vom Ende? Lagen die beiden Intervalle auch nicht mehr um die Ringraumer? Stürzte das Schiff in die Tiefe? * Die Wissenschaftler, die sich über den Transmitter aus dem IndustrieDom nach Kontinent 4 gerettet hatten, fingen von dem 100-MeterKugelraumer DOG die Nachricht auf, daß sich Jos Aachten van Haag, Manu Tschobe und Chris Shanton noch immer im geräumten Höhlensystem aufhalten würden. Alle Versuche, mit ihnen in Funkverkehr zu treten, seien bis jetzt gescheitert. Zwei Techniker, die zu den einundsechzig Personen gehörten, die sich auf diese Inselwelt gerettet hatten, meldeten sich freiwillig. Kaum hatten sie ihr Angebot vorgetragen, als sie schon in ihren M-Raumanzug stiegen. Lakuss, der am Fenster stand und zur Schachtanlage hinübersah, durch die das Tofirit gefördert wurde, dessen Vorkommen in 1,4 Kilometern
Tiefe lag, schämte sich plötzlich, weil er gedacht hatte: Besser die als ich! Abrupt drehte er sich um. »Ich gehe auch mit!« sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Im gleichen Moment war ihm, als ob eine Zentnerlast von ihm gewichen sei. Sie ließen sich nicht durch Warnungen abhalten. Barsch wurden die Warner von Ingenieur Lakuss unterbrochen. »Rufen Sie das Team am Transmitter an, damit man die Anlage für uns klarmacht!« Ein paar Minuten später stampften sie hinaus, gingen am langgestreckten Verwaltungsbau vorbei und rauchten nervös. »Ein Himmelfahrtskommando!« stellte Risaro fest, der im kommenden Monat sein Examen als Transformer-Techniker machen wollte. »Möchtest du so hängengelassen werden?« fragte Kilkill im scharfen Ton. »Streiten wir uns nicht«, versuchte Lakuss die Erregung seiner Begleiter zu dämpfen. »Hoffen wir lieber, daß wir sie finden und noch einmal die beiden Col-Sonnen sehen.« Die Transmitter-Station, die auf Kontinent 4 stand, war noch von den Mysterious errichtet worden, die wahrscheinlich erst kurz vorher das Tofirit-Vorkommen entdeckt hatten, und dann alles stehen- und liegenließen, weil sie Hope fluchtartig den Rücken drehten, um nie mehr wiederzukommen. Sie stiegen durch die Ringantenne der kleinen Anlage, und durch die andere im Industrie-Dom wieder hinaus. Als sie den separaten kleinen Raum verließen, erwarteten sie die Hölle zu sehen. Die Wirklichkeit zeigte sich anderes. Die Mammuts im Dom arbeiteten normal! Nicht das schwächste Zittern lief durch den Boden. Die neunhundert Quadratkilometer große Höhle war nicht mehr von Brüllen, Dröhnen und Heulen erfüllt! So, wie sie es erlebten, kannten sie es. Langsam erholten sich die Männer von ihrer Verblüffung. »Wunder gibt’s nicht, darum glaube ich auch an keines«, murmelte Lakuss. Risaro und Kalkül hörten es über Helmfunk. »Aber hier ist eins geschehen!« widersprach Kilkill. »Hier standen doch drei Mammuts vor der Explosion, und mir kann keiner erzählen, daß drei Aggregate von neunhundert Metern Höhe und Kilometern Breite und Länge von einem Moment zum andern wieder zahm werden, wenn sie kurz vorher auseinanderfliegen wollten. Wollen wir uns die Sache nicht
mal aus der Nähe ansehen? Schwebeplatten stehen doch genug herum.« Lakuss erinnerte ihn daran, warum sie das Wagnis unternommen hatten, in den Industrie-Dom zurückzukommen. Aber weder Jos Aachten van Haag, noch Manu Tschobe oder Chris Shanton meldeten sich auf ihre Funkrufe. Daß sie ebenfalls keine Verbindung zum Kugelraumer DOG, der inzwischen auf Main Island stand, und dem Kontinent 4 bekamen, war ihnen bekannt. Die Schwebeplatte brachte sie in rasender Fahrt zum nächstliegenden Mammut-Aggregat, das sie mit seiner drohenden Explosion aus dem Industrie-Dom gejagt hatte. »Risaro«, fragte Ingenieur Lakuss zum dritten Mal, »sind Sie ganz sicher, daß dieser Wolkenkratzer durchgehen wollte?« Und er deutete auf das Monstrum, vor dem sie in einem Kilometer Entfernung gelandet waren. »Und ob ich diesen Wolkenkratzer wiedererkenne, Lakuss! Dieses Ungetüm war doch das erste von den dreien, das durchging. Ich habe doch knapp zwei Kilometer entfernt auf der anderen Seite mit dem DreiserTeam gearbeitet. Wenn Sie es immer noch nicht glauben wollen, dann gehen Sie doch ran, ziehen Ihren Anzug aus und legen nur mal kurz Ihre nackte Hand an die Unitallverkleidung. Vielleicht schaffen Sie es, sich alle fünf Finger zu verbrennen, wenn Sie nicht schon vorher geschmort werden!« Der unitallverkleidetete Riese war nicht wärmer und kälter als der Mammut auf der anderen Seite der Maschinenschlucht! Aber nach Risaros Aussagen sollten die Unitallwände schon geglüht haben, als er mit dem Team zum Transmitter flüchtete. Ihm war es gar nicht angenehm, daß Lakuss und Kilkill ihn mißtrauisch betrachteten. Die Kraft, sich dieses Mißtrauen zu verbitten, brachte er nicht mehr auf. Der Zweifel, sich geirrt zu haben, wurde größer. Sein Verstand jedoch sagte unbeirrt, daß sie vor dem Giganten standen, der drauf und dran gewesen war, zu explodieren. »Ich spinne doch nicht!« brauste er plötzlich auf, und gab einem Einfall nach. Er legte sein Ohr an die Verkleidung, die jetzt normale Temperatur hatte. Risaro lauschte und lauschte. Er rührte sich nicht! Er ließ die anderen fragen; er dachte nicht daran, ihnen zu antworten. Er lauschte!
Bis Lakuss und Kilkill seinem Beispiel folgten. Klüger als Risaro wurden sie dadurch auch nicht. »Das hört sich nach Abbruch an«, meinte Lakuss unsicher, der jetzt dem verkleideten Maschinengiganten einen mißtrauischen Blick schenkte. »Oder nach Aufräumungsarbeiten«, sagte Kilkill widerwillig, weil ihm seine eigene Vermutung lächerlich vorkam. Risaro ließ sie reden. Er preßte sein Ohr wieder gegen das Unitall, das einen eigenartigen, unregelmäßigen Höllenlärm übertrug. Gerade kreischte, krachte und donnerte es wieder darin, als ob zehn Maschinenstockwerke in die Tiefe gestürzt wären. Danach war wieder jenes gleichmäßige Geräusch zu hören, das vor und nach diesen kurzen Aktionen zusammenbrechenden Materials immer zu hören war. »Könnten darin Roboter am Werk sein?« Wütend biß sich Risaro auf die Lippen. Er hatte diesen Gedanken gar nicht aussprechen wollen, und wunderte sich, seine Begleiter nicht lachen zu hören. Die Schwebeplatte brachte sie zum Groß-Transmitterraum. »Geschlossen!« konstatierte Lakuss, der gar nichts anderes erwartet hatte. »Sehen wir uns die beiden anderen Mammuts an, bevor wir die Suche nach Jos, Tschobe und Shanton fortsetzen!« Sie mußten sie suchen, doch als sie vor dem zweiten standen, erhielten sie durch die starke Hitzeausstrahlung den spürbaren Beweis, den richtigen Ort erreicht zu haben. Ihre Verblüffung wechselte in Angst um, als sie Zeugen wurden, wie schnell die Unitallverkleidung abkühlte. Hilflos blickte Lakuss wieder auf sein Chrono. Vor fünf Minuten hatten sie nicht näher als bis auf zehn Meter herangehen können, weil die Hitze sie zurückgehalten hatte, und nun konnten sie das ungeschützte Ohr an das Unitall legen! Ein zweites Mal und an einem anderen Ort im Industrie-Dom hörten sie diese undefinierbaren Geräusche hinter der Verkleidung. »Wir machen uns auf Kontinent 4 lächerlich, wenn wir…« Zufällig hatte Kilkill hinter sich gesehen und im gleichen Moment den Schrei ausgestoßen: »Wer kommt denn da?« Die Wissenschaftler, die sich auf den Kontinent 4 geflüchtet hatten, kehrten zurück! Der Abbau des kontinentalen Intervalls um Deluge hatte ihre Annahme bestärkt, daß die Gefahr im Industrie-Dom beseitigt sein müßte. Der Funkverkehr mit der DOG war wieder möglich. Das Schiff war in
Main Island schon gestartet und befand sich auf dem Flug nach Deluge. Von allen Seiten her wurde die Suche nach den vermißten drei Männern und dem Robothund aufgenommen. Buchstäblich wurde jeder Winkel des Höhlen-Systems umgekrempelt. Widerwillig ließ der Kommandant der DOG die Rundfrage los: »Sind nirgendwo zwei Schatten beobachtet worden, die menschliche Umrisse haben?« Als dem Kommandanten innerhalb der ersten Minute nach der Rundfrage per Funk gleich von drei Seiten aus dem Höhlen-System erklärt wurde: Man verzichte in Zukunft darauf, mit derart kindischen Fragen belästigt zu werden!, stampfte er wütend aus der Zentrale, suchte die Medo-Station auf und überschüttete Astrophysiker Spence Bentheim mit massiven Vorwürfen, die der Wissenschaftler, der aus seinem geschockten Zustand wieder wachgeworden war, widerspruchslos über sich ergehen ließ. »Kommandanten«, sagte er mit schwacher Stimme, »legen Sie den Männern, die sich in der Nähe des kreisrunden Platzes aufhalten, ganz besonders ans Herz, den schwebenden Ring aufmerksam zu beobachten und sofort von Para-Schockern Gebrauch zu machen, wenn sie zwei Männer darin verschwinden oder herauskommen sehen.« Wortlos drehte sich der Kommandant um. Sein Besuch galt dem Bordpsychiater. »Nehmen Sie sich diesen Astrophysiker vor, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat! Na, Sie werden schneller als ich herausfinden, wie sehr er spinnt.« Die DOG war kaum eine halbe Stunde auf Deluge gelandet, als der Psychiater dem Kommandanten berichten mußte, daß der Astrophysiker geistig vollkommen gesund sei. »Wollen Sie damit allen Ernstes behaupten«, brüllte der Kommandant mit rotem Kopf, »daß es im Industrie-Dom Schatten gibt, die menschliche Umrisse haben sollen? Mann!« »Ich behaupte es nicht, aber Spence Bentheim behauptetes. Er hat sie zusammen mit dem GSO-Mann Jos Aachten van Haag gesehen. Bentheim ist von einem der Schatten geschockt worden!« »Und wer fabriziert diese Schatten?« fragte der Kommandant, und seine Stimme triefte vor Hohn. »Das sollen die beiden Cyborgs Mildan und Dordig sein.« »Ich habe zu tun, Doc«, fiel ihm der Kommandant schneidend ins Wort. Der Psychiater verstand diesen Hinweis und verließ die Zentrale. Der
Major sah ihm kopfschüttelnd nach und er wurde das Gefühl nicht los, daß auch der Bord-Psychiater im Kopf nicht mehr ganz in Ordnung war. Sobald sie Terra wieder erreicht hatten, würde er dafür sorgen, daß dieser Mann von Bord kam. Auf der DOG war für Verrückte kein Platz! Sechs Stunden später wurde die Suche nach den Vermißten eingestellt. Die letzte Hoffnung, sie könnten im geschlossenen Groß-Transmitterraum eingesperrt sein, mußte begraben werden, als er sich wieder automatisch öffnete. Die Vermutung, sie könnten den Transmitter benutzt haben, erwies sich auch als falsch, denn die Anlage lag still! Im Höhlen-System versuchte man zur Tagesordnung überzugehen, doch überall, wo sich Gruppen bildeten, sprach man nicht nur über die verhinderte Zerstörung des Industrie-Doms, sondern auch über das rätselhafte und spurlose Verschwinden der drei Männer und ihres Robothundes. * Die Einstiege der drei Flash schlossen sich: das Intervall hüllte die Beiboote der POINT OF wieder ein. Starten! wollte Ren Dhark befehlen, aber das Wort kam nicht über seine Lippen. Zwitt zeigte sein wahres Gesicht! An unzähligen Stellen riß der gelblich brennende Himmel auseinander. Die Sonnenkorona griff mit ihren Flächenprojektoren-Stationen an! Sie griff Zwitt an! Und Zwitt erwiderte Angriff mit Angriff! Während die Männer in den drei Flash atemlos über die Bildprojektion das ungeheuerliche Schauspiel erlebten, wie Energiebahnen aus der Korona herunterschossen, ging die Ringanlage zum Gegenangriff vor. Sie war eine Strahlengeschützstellung von planetarischem Format! Sie war ein einziges Strahlgeschütz, das einen Durchmesser von zwölf Kilometern hatte! Und im innersten Ring – dem kleinsten –, der eine Strahlbahn von unvorstellbar großem Durchmesser zum Himmel hinaufjagte, befanden sich drei winzige Flash! Aus allen Richtungen und in allen Farben des Regenbogens standen die gigantischen Energiefinger im Raum zwischen Innenhülle und Zwitt. Ihr Leuchten war bedeutend stärker als das Aussehen des brennenden
Himmels. Das verwirrende Glittermuster ließ unwillkürlich an Weltuntergang denken. Ren Dhark verfolgte das Geschehen über die Bildprojektion. Mit dem ersten Feuerschlag hatte er begriffen, woher seine Angst gekommen war. Jetzt hatten sie die Antwort! Unbewußt kniff er die Augen zusammen. Hoch über ihnen hatte es einmal kurz, aber grell aufgeblitzt. Jetzt wieder, jedoch an anderer Stelle! Über die Gedankensteuerung stellte der Commander die Bildprojektion um. Ihr Tele-Vermögen griff weit in den Raum hinein. Fassungslos betrachtete Ren Dhark das neue Bild! Die vielen Strahlbahnen, die von der Innenseite der Korona ausgingen, erreichten Zwitts Oberfläche gar nicht! Sie endeten dort, wo es abermals aufgeblitzt hatte, als ob es dort eine winzige Sonne gegeben hätte, die in einem Lichtausbruch untergegangen war. Unwillkürlich duckte sich der Commander, und den anderen Männern in den Flash erging es nicht anders. Der Energiesturm, der von der inneren Ringanlage emittiert wurde, hatte seine Richtung verändert. Im spitzen Winkel jagte er nun in nördlicher Richtung zum Himmel hoch! Und auch diese Strahlbahn endete mitten im freien Raum an der Stelle, wo wiederum eine Sonne zu sehen gewesen war! »Die fremden Raumschiffe!« brachte Dhark über die Lippen. Seine Blicke tasteten die Bildwiedergabe ab. Er sah den Strahlturm, der sie von allen Seiten umschloß. Das, was sie für flache, fugenlose Dächer der Ringe angesehen hatte, war in Wirklichkeit nichts anderes als eine titanische AntennenEinrichtung, deren Emissionswinkel wahrscheinlich im Material verändert werden konnte. Fremde Raumschiffe waren durch die Korona gebrochen! Schiffe der schwarzen Weißen? Und nun schlug die Sonnenkorona zusammen mit dem Planeten erbarmungslos zurück! Warum aber war die POINT OF nicht angegriffen worden, als sie nach einer Transition Zwitt unter sich liegen sah? Pjetr Wonzeff, der seine Bildprojektion auf einen anderen Bereich eingestellt hatte, schrie auf. Er, der erfahrene Mann, der in vielen Einsätzen seine Ruhe nicht verloren hatte, konnte nur noch stammeln. »Zwitt… Dhark! Commander… Zwitt… Zwitt hat ja… ha, es hat ein paar hundert Forts dieser… dieser Größe. Das ist… das ist.«
Blitzschnell schaltete der Commander auf den Bereich, den sein Flashpilot einsah. Er mußte vor den gelben dicken Strahlen die Augen schließen. Durch Schlitze versuchte er das Bild zu erkennen! Wonzeff hatte gut beobachtet. Zwitt mußte mit Forts von planetarischen Dimensionen regelrecht gespickt sein! Die Oberfläche dieser Welt glich einem Igel, der seine in allen Regenbogenfarben leuchtenden Stacheln aufgerichtet hatte -Stacheln, deren äußere Ringanlagen einen Durchmesser von zwölf Kilometern hatten! Was mag aus der POINT OF geworden sein? fragte sich Dhark in Gedanken immer wieder. War sein Flaggschiff in diesem Strahl-Inferno untergegangen? War Tino Grappas verstümmelter Funkruf der letzte Impuls gewesen, den das Schiff hatte abgeben können? Er blickte zur Energie-Ortung. Sie hatte sich abgeschaltet, und Dhark verstand dieses Verhalten. Die M-Geräte der Flash waren auf EnergieAusbrüche, die allein Fanal entwickelte, nicht geeicht! »Dhark, Funksprüche… Hören Sie? Hören Sie es?« schrie ihm Wonzeff, der seinen Kopf so weit wie möglich gedreht hatte, zu. Bei dem Höllenlärm der tobenden Strahlen, die die dichten Luftschichten Zwitts zur Seite schleuderten und sie dabei gleichzeitig aufheizten, war die Sendung kaum zu verstehen, obwohl Pjetr Wonzeff auf maximale Lautstärke geschaltet hatte. Worte einer unbekannten Sprache waren zu hören! Worte, die Ren Dhark dennoch bekannt vorkamen, und die ihn an Girr-O, den schwarzen Weißen, erinnerten. Um sich verständlich zu machen, rief er Wonzeff so laut wie möglich zu: »Wir haben es mit schwarzen Weißen zu tun!« Der Funkpilot hatte den Commander verstanden. Hoffentlich ist in diesem Tohuwabohu nicht unsere POINT OF draufgegangen, dachte er voller Grimm, weil er den schwarzen Weißen diesen heißen Empfang von Herzen gönnte. Ren Dhark hatte andere Sorgen. Innerhalb des inneren Rings befanden sich seine drei Flash in größter Sicherheit, aber was geschah, wenn es einigen Schiffen der schwarzen Weißen gelang zu landen und sie dabei Fanal angriffen? Die Möglichkeit, daß es auch bei dieser Anlage tote Winkel gab, mußte berücksichtigt werden. Er konzentrierte seine Gedanken und gab das Kommando über die drei Blitze an die Gedankensteuerung ab.
Habe übernommen! nahmen seine Sinne klar und deutlich auf. Dieselbe Nachricht wurde auch von den anderen gehört. Doch auf welcher Basis dieser Kontakt erfolgte, war immer noch eins der vielen ungelösten Rätsel, die sich aus der Erbschaft der Mysterious ergeben hatten. Schlagartig änderte sich die Szene im gewaltigen Raum zwischen Innenseite der Korona und Zwitts Oberfläche. Die in der Kugelschicht kreisenden Flächenprojektor-Stationen hatten ihr Feuer eingestellt. Über Zwitt gab es nur noch denn gelblichen Himmel, der brannte. Die planetarischen Forts emittierten auch keine Strahlbahnen mehr. Der gewaltige hohle Turmstrahl, in dessen Schutz sich die drei Flash befanden, existierte nicht mehr. Dhark klopfte gegen die Unitallverkleidung dicht neben der EnergieOrtung. Sie warf auch jetzt Null aus! Das verdammte Ding ist kaputt! dachte er, der sonst so schnell nicht die Beherrschung verlor. Da meldete sich überraschenderweise die Gedankensteuerung: Absolute Abschirmung! Keine Ortung möglich! Dhark glaubte es. Er zweifelte keine Sekunde. Er zweifelte auch nicht mehr daran, daß die Korona in einem Abstand von 141 Millionen Kilometern ein künstliches Erzeugnis war. Und er zweifelte nicht mehr daran, daß acht der neun Sonnen der Sternenbrücke über die Flächenprojektor-Stationen die Energie dafür lieferten! Daß diese Stationen in der Strahlungsschicht zugleich Außenforts darstellten, hatte ihm dieser Einsatz gezeigt. Die Gedankensteuerung fuhr den Sle an. Drei Flash hoben ab. Die Blitze gingen auf Gegenkurs. Sie flogen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Erstaunlich gering war die Geschwindigkeit. Sie überflogen die einzelnen grauen Ringe, die ihr Aussehen nicht verändert hatten. Mehrfach kontrollierte Dhark den Himmel, doch die drei Flammenbogen, nach denen er sich zu sehnen begann, waren nicht wieder aufgetaucht. Resigniert erklärte Wonzeff, der seit dem Start versucht hatte, mit der POINT OF oder der Gruppe Roder Kontakt zu bekommen: »Es ist wie verhext, Dhark. Die Sender der schwarzen Weißen sind zu hören, aber von unserem Schiff kommt kein Pieps durch!«
»Moment, Wonzeff, ich will einen Versuch machen.« Dhark konzentrierte seine Gedanken auf einen Punkt. Mit der Kraft seiner schwachen Alpha-Rhythmus-Frequenz befahl er der Gedankensteuerung auf den Checkmaster der POINT OF zu schalten. Die Antwort, die er und seine fünf Begleiter in ihrem Kopf hörten, ließ jeden das Schlimmste ahnen. Mit Checkmaster kein Kontakt möglich, weil Existenz des Checkmasters nicht mehr festzustellen ist! »Aus!« preßte Pjetr Wonzeff über seine Lippen, die ihre Farbe gewechselt hatten. Nichts anderes dachte Ren Dhark, und zugleich machte er sich den schweren Vorwurf, daß er durch seine Order, den unbekannten Verband im Bereich der tanzenden Planeten zu orten, Zwitts Abwehrreaktion ausgelöst hatte. »Die Häuser! Dhark, wir landen vor ihnen!« Sie flogen die Lücke im sechsten Ring an. An einer Kontrolle erkannten sie, daß die spinnbeindünnen Ausleger ausgefahren wurden. Erschütterungsfrei setzten die Blitze nebeneinander auf. Ren Dhark rührte sich nicht. Er betrachtete kaum die Hausreihe mit den langgestreckten Fenstern. Diese Landung durch die Gedankensteuerung war der Beweis, daß die POINT OF nicht mehr existierte! Hier war jetzt ihr Zuhause! Hier! Uns über ihnen brannte der Himmel in gelblichem Farbton! * In der großen, irisierenden Kugel leuchtete es gar nicht rot. Tschobe und Jos sahen davon nichts. Sie hatten auch nicht das Gefühl, nach jedem Schritt kleiner zu werden, so wie Shanton mit seinem Jimmy unter ihren Augen zu Liliputaner geworden waren. Sie gingen einfach tiefer in das hinein, was sie als Kugel lange genug betrachtet hatten, obwohl ihnen das Herz bis zum Hals klopfte. Ihre kleine Umwelt erinnerte sie an schmutzigen, undurchdringlichen Nebelrausch – an Smog bester Londoner Qualität aus dem vergangenen Jahrhundert! Und genau vor ihnen war der Smog am dichtesten, fast schwarz. Das Schwarze zog sie wie ein Magnet an. Es bestimmte ihre Richtung.
Aber dann war das Schwarze plötzlich nicht mehr zu sehen. Der schmutzige Nebelrausch wurde dünner. Nach jedem Schritt. Und dann hatten sie die Kugel durchquert! Aber die Kugel der Gegenstation! Und Manu Tschobe stolperte über Chris Shanton, der bewegungslos am Boden lag. Und der Regen rauschte in dem dichten Blättermeer, und in den Wipfeln heulte der Wind. Die Lache um Shanton wurde zusehends größer. Der Urwald um sie herum bedrohlicher. Ringsherum Urwald, nur hinter befand sich eine irisierende Kugel, in deren Innern es rot glühte! »Sichern! Nach allen Seiten und nach oben!« zischte Manu Tschobe, der schon neben Chris Shanton kniete und den Dicken zu untersuchen begann. Jos Aachten van Haag hatte keine Zeit, sich zu wundern. Ahnungslos warf er einen Blick zum blauen Blätterdach hinauf, aus dem sich das Wasser in dicken Strahlen ergoß. Der Blitz, der neben ihm einschlug, ließ ihn mit einem Fluch zurückspringen. Dabei kam er ins Stolpern und krachte gegen einen Baumstamm, der wie poliertes Mahagoni aussah. Dort, wo er gerade noch gestanden hatte, wand sich plötzlich ein schillernder Wurm, der drei Köpfe hatte. Zum Teil von einem Strahlschuß zerfetzt, besaß das Wesen doch noch so viel Energie, um sich im Todeskampf zu wehren. Der kürbisgroße linke Kopf verkrampfte seine Oberfläche. Jos, der sich noch seinen schmerzenden Rücken rieb und sich dabei verzweifelt fragte, wer soeben geschossen hatte, schleuderte sich in einem gellenden Aufschrei zur Seite. Er hatte zu spät reagiert. Der linke, kürbisgroße Kopf hatte sich vom Wurmkörper getrennt und flog als Kugel auf ihn zu! Ein greller Strahlfinger traf das Geschoß im Flug! Unter donnerndem Krachen zerplatzte es, und unter infernalischem Singen sausten die Sprengstücke nach allen Seiten auseinander. Dann stand der Strahl im sich windenden Wurmkörper, der mitsamt dem Morastbereich, in dem er lag, umgewandelt wurde. »Zum Teufel!« Tschobes Aufschrei verstummte. Aus dem Blättermeer fiel ein Schatten herunter. Jimmy landete mitten in einer Pfütze, und der Schlamm bespritzte die beiden Männer in ihren M-Anzügen. Jos wischte sich den Dreck vom Klarsichthelm ab. Daß die schmutzige Brühe an ihm herunterlief, bemerkte er nicht.
Manu Tschobe hatte von dem Vorgang, der sich innerhalb einiger Sekunden abgespielt hatte, nichts mitbekommen. Aber der donnernde Knall lag ihm noch in den Ohren. »Jos?« Der Abstrahlpol auf Jimmys Zunge wurde schon wieder aktiv. Weder Tschobe noch Jos hatten etwas bemerkt. Nun sahen sie, wie unter einem Blasterstrahl abermals ein Wurm, der seine Köpfe gerade aus dem morastartigen Boden schieben wollte, verging. Viermal krachte es. Vier Dreckfontänen schossen zwischen den fremdartigen Bäumen hoch und überschütteten die Männer mit Schlammassen. Die beiden Männer warfen sich vielsagende Blicke zu. Ihre Transmitter-Reise hatte sie ja auf einen lieblichen und paradiesischen Planeten gebracht! Fluchend stellte sich Manu Tschobe unter einen Sturzbach, der aus dem blauen Blättermeer kam. Er benutzte ihn als Dusche, während Jos, in jeder Hand einen Strahler, sicherte. Jimmy machte die Sintflut, die sich über sie ergoß, nichts aus. Er hatte seine Ortungen auf größte Leistung geschaltet, und ließ dabei seine jetzt harmlos aussehende Zunge links aus der Schnauze hängen. »Was ist mit dem Dicken geschehen?« fragte Jos über Helmfunk. »Jetzt weiß ich’s«, erwiderte der Afrikaner, der in seinem M-Anzug nicht naß werden konnte. »Shanton muß beim Verlassen der TransmitterKugel von so einem fliegenden Ding getroffen worden sein.« »Mich sollte es auch erwischen!« teilte Jimmy plötzlich mit. »Darum kletterte ich nach oben. Aber zwischen den Blättern und Zweigen ist es noch schlimmer!« Er erklärte nicht, wie er zu seinen Klettereigenschaften gekommen war, die wirklich nicht zu einem Scotchterrier paßte, noch weniger, was es zwischen den Blättern und Zweigen an Unangenehmem gab. »Gerade jetzt muß uns Shanton ausfallen«, stellte Tschobe verärgert fest, der Jos seine Naturdusche zur Verfügung gestellt hatte. Keine fünf Meter entfernt stand die irisierende Transmitter-Kugel. Jos deutete darauf. »Man müßte sie auf Gegenrichtung schalten, und wir könnten Shanton zurückbefördern. Haben Sie schon feststellen können, was er abbekommen hat?« Tschobe knurrte den GSO-Mann an. »Ich bin Arzt und kein Hellseher!« Zwei Minuten später lag der Befund vor, und die Kugel, die Shanton am Kopf getroffen hatte, neben ihm. Beim Zusammenbruch hatte er sie unter
sich begraben. »Jos, wenn er Glück hat, ist er in einer halben Stunde wieder…« Jimmy konnte mit seinem Sprachtalent zur Plage werden. Rücksichtslos fiel er Tschobe ins Wort. »Luftanalyse abgeschlossen. Atmosphäre atembar. Kleiner, aber harmloser Zusatz von Stinkstoff vorhanden!« Trotz ihrer ungewissen Lage grinsten die beiden Männer. Jimmy hatte sich der saloppen Redeweise seines Erbauers bedient und einen unangenehm riechenden Zusatz als Stinkstoff bezeichnet. Im nächsten Moment lachten sie nicht mehr. Jimmy hatte wieder auf Blaster geschaltet und seinen Abstrahlpol an der Zungenspitze aktiviert. Drei Äste waren abgesägt worden. Krachend und polternd kamen sie mitsamt dem blauen Blattwerk zu Boden. In hastigen Sprüngen retteten sich die Männer hinter Baumstämme, die so glatt und glänzend waren wie poliertes Mahagoni. Chris Shanton wurde vom Blattwerk zugedeckt. Darauf achteten weder Jos noch Tschobe. Entsetzt starrten sie ein drei Meter langes Reptil mit blauem Schuppenpanzer an. Jede Schuppe war eine tödliche Waffe, die einen messerlangen, nadelspitzen Stachel besaß. Noch schreckenerregender waren die fünf Tentakel, die abgetrennt ein paar Schritte weiter lagen und sich unter rasenden Zuckungen mit ihren Spiralbohrer-Spitzen immer tiefer in einen dicken, polierten Stamm bohrten. Das Rauschen des sintflutartigen Regens und das Heulen des Sturmes in den Wipfeln wurde plötzlich von einem alles übertönenden Zischen überlagert. Nacheinander flogen die spiralförmigen Bohrerspitzen der Tentakel aus dem Stamm. Kaum war sie draußen, als fünf armdicke Strahlen unter hohem Druck tief in das Halbdunkel des Urwalds schossen. Tiefrot war die Flüssigkeit. »Großer Himmel, Jos! Sehen Sie sich das an!« schrie Tschobe auf, der den Scheinwerfer seines Raumanzuges eingeschaltet und den Lichtkegel auf die Stelle gelegt hatte, an der einer der Strahlen an einem anderen Baumstamm zerplatzte, der ebenholzschwarz war. Die tiefrote Flüssigkeit war Säure! Sie zerfraß den Stamm mit einer Schnelligkeit, die die Männer das Grauen lehrte. »Los! Weg von hier!« stieß Jos aus und erreichte Shanton in einigen weiten Sätzen. Überall, wo die tiefrote Flüssigkeit den Boden erreichte,
begann es zu dampfen. Dichte Nebelschwaden breiteten sich trotz der Wassermassen, die überall zu Boden schossen, nach allen Seiten aus. Der Flüssigkeitsvorrat in dem dicken Baumstamm schien unerschöpflich zu sein. Der Druck, der hinter den Strahlen stand, mußte mehr als zwanzig Atmosphären betragen. Ein Glück, daß sich die Katastrophe in der von Shanton entgegengesetzten Richtung abspielte. Jos schaffte es mit Mühe, den Dicken hochzuwuchten. Erst als Tschobe ihm half, bekam er den schweren Mann mit seinem Prachtbauch auf die Schulter. »Wohin denn, Jos?« fragte Manu Tschobe mit Recht. »Bei dem Wetter durch einen unbekannten Urwald? Legen wir den Dicken dicht vor der Kugel ab. Dort ist es noch am sichersten.« Jos schwankte unter der schweren Last, während er durch den Morast auf die Transmitter-Anlage zuging. Das Zischen der fünf dicken Flüssigkeitsstrahlen verfolgte ihn. Als er den Diplom-Ingenieur vorsichtig zu Boden gleiten lassen wollte, kam der Dicke wieder zu sich. Eine Viertelstunde später war er schon in der Lage, seinem Ärger Luft zu machen. Gerade hatte er die ersten Verwünschungen ausgesprochen, als unter tosendem Krachen ein Baumgigant zusammenstürzte, mit seiner mächtigen Krone kippte und im Niederfall zwei jüngere Bäume entwurzelte. Shanton begriff, warum seine Begleiter sprungbereit standen. Auch er hatte seinen Scheinwerfer eingeschaltet und leuchtete in die Richtung, in der der von Säure zerfressene Baum zusammengebrochen war. Die Männer rechneten damit, daß die beiden kleineren Bäume vielleicht auch zu der Art gehörten, die in ihrem Innern Säure gespeichert hatten. Kurz darauf schalteten sie ihre Scheinwerfer wieder aus. Ihre Befürchtungen hatten sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. »Und jetzt?« orgelte Shantons tiefe Baßstimme. »Ich habe die Richtung«, mischte sich Jimmy schon wieder ein, »Distanz knapp einen Kilometer!« »Was hast du erfaßt?« fragte der Dicke seinen Robothund. »Ziel nicht klar zu erkennen.« Damit mußten sie sich zufriedengeben. Tschobe, der den Transmitter auf Einbahnverkehr nach Hope eingestellt hatte, löschte die Schaltung, indem er die Anlage wieder auf beide Richtungen aktivierte. »Für den Fall, daß man im Industrie-Dom herausgefunden hat, auf welchem Weg wir verschwunden sind.«
»Wenn er überhaupt noch steht«, warf Shanton ein. »Er besteht noch!« behauptete Tschobe bestimmt. »Bitte, diese Kontrolle beweist es. Die Gegenstation im Dom arbeitet nach wie vor einwandfrei. Und dazu dürfen wir die Schildkröten nicht vergessen, die eingesetzt worden sind, um die Katastrophe im letzten Moment doch noch abzufangen.« Niemand konnte sich vorstellen, daß es zu diesem Zeitpunkt im Industrie-Dom keine Katastrophensituation mehr gab. Sie stampften durch Morast. Der Regen klatschte aus dem Blättermeer. Der Wind heulte, und Jimmy mußte dreimal eingreifen, um gefährliche Angriffe der heimtückischen Fauna des unbekannten Planeten abzuwehren. Seine Distanzangabe stimmte. Nach einem Marsch von einem Kilometer erreichten sie den Rand des Urwalds. Sie standen zwischen den letzten Bäumen und blickten in eine weiche Talmulde, die unter dem strahlenden Licht einer blauweißen Sonne lag! Dort Sonnenschein und ein friedlich aussehender Landstrich – aber über den Männern eine dunkle Wolkenschicht, aus der es goß, und um sie herum die letzten Ausläufer eines fauchenden Sturmes. Sie standen im Morast, aber ein paar Schritte weiter breitete sich ein blühender Grasteppich aus, und zwischen den kaum schwankenden farbenfrohen Halmen schwirrten und summten kleine Insekten von Blüte zu Blüte. Falter, größer als eine Männerhand, segelten lautlos vorüber. »Hier stinkt’s nicht mehr!« durchbrach Jimmy die Stille, und in mächtigen Sätzen jagte er der Mulde entgegen. Mit kräftig ausholenden Schritten folgten ihm die Männer. Als sie sich einmal umdrehten, sahen sie den Urwaldrand gleich einer Mauer und darüber die im Aussehen fast unveränderte schwarze Wolke, aus der die Wassermassen stürzten. Vom Heulen des Sturmes war nichts mehr zu hören. »Mag der Kuckuck wissen, warum die Mysterious die TransmitterAnlage ausgerechnet in einem Urwaldstück aufgebaut haben, in dem zugleich ein lebensgefährlicher Zoo zu finden ist!« Shantons Frage blieb unbeantwortet. Der Robothund tollte vor ihnen her. Ab und zu blitzte es auf seinem Rücken, wenn das Licht der blau-weißen Sonne sich an der blanken Metalloberfläche spiegelte. Jos dachte an die Cyborgs Mildan und Dordig, die durch Jimmys Eingreifen umgekommen waren. »Ob sie auch hier gewesen sind, unsere
beiden Cyborgs?« Alle drei hatten den Klarsichthelm zurückgeklappt und atmeten die frische, würzige Luft tief ein. »Diese Frage müßten Sie leichter beantworten können als wir«, hielt ihm Shanton vor. »Sie hatten Gelegenheit, die beiden und ihr Wirken im Höhlen-System zu beobachten.« »Gerade darum fällt mir die Antwort so schwer«, widersprach der GSOMann. »Wir wollen doch nicht vergessen, daß Tschobe beseitigt werden sollte. Aber warum? Und warum setzte dann die andere Seite unsere Cyborgs ein, die vorher zu Entarteten gemacht worden waren?« Shanton schnaufte. Er war kein Freund von langen Spaziergängen; noch weniger behagte es ihm, sich kriminalistisch zu betätigen. »Man sollte doch meinen…« Der Rest blieb aus. In Shantons Tasche summte ein Gerät so laut, daß es nicht überhört werden konnte. Hastig griff der Dicke hinein und hatte es dann in der flachen Hand liegen. Jimmys Suprasensor und sein Sender meldeten Ortungsstrahlen! »Bei dem sind ein paar Kreise durcheinandergeraten«, brummte der Dicke, nachdem er seinen Blick über die freundliche, aber nichtssagende Landschaft hatte kreisen lassen. Sie hatten die Mulde fast erreicht. Ein paar hundert Meter vor ihnen stand das Brikett auf vier Beinen und äugte zu ihnen herüber. Die beiden Bodenwellen sahen harmlos aus. Bis zum fernen Horizont war die baum- und strauchlose Landschaft nichts anderes als ein weiches Auf und Ab. Und doch mußte es auf dem Planeten etwas geben, das wert war, entdeckt zu werden. Den Mysterious war nicht zuzutrauen, daß sie grundlos auf einen harmlosen Sauerstoffplaneten eine KugelTransmitteranlage aufgebaut hatten. Die Installation in dem Urwaldstück, das mit lebensgefährlichem Viehzeug gespickt war, wies darauf hin, daß diese Welt etwas zu verbergen hatte. Jimmys Sender funkte ununterbrochen die Auswertung des Suprasensors: Fremd-Ortung tastet uns ab! Fremd-Ortung tastet uns ab! Shanton fragte zurück: Er verlangte eine spezifizierte Auskunft. Die lakonische Antwort lautete: Nicht zu klassifizieren! Ebenso war der Einfallwinkel nicht anzumessen. Manu Tschobe, der über die besten Kenntnisse verfügte, was die Mysterious-Technik anging, hielt das Warten nicht mehr aus. »Entweder wir gehen jetzt ein großes Risiko ein, das nicht mehr
besonders groß ist, weil man uns geortet und wahrscheinlich auch schon getestet hat, oder wir machen auf der Stelle kehrt und verschwinden wieder durch den Kugel-Transmitter!« »Okay!« entschied sich der Dicke und schob seinen Bauch vor sich her. Geheuer war ihm dieser Fall nicht, denn immer wieder strich er über seinen Backenbart und rieb seine Glatze. Jos folgte schweigend. Sein Beruf hatte ihn gelehrt, sich so schnell nicht zu wundern, aber in Gedanken fragte er sich ununterbrochen, was es in diesem Abschnitt, den sie soeben von einer ausnahmsweise hohen Bodenwelle übersehen hatten, zu finden gab. Sie holten Jimmy ein, der seinen Platz nicht verlassen hatte. Er behauptete, daß an dieser Stelle die Ortung am stärksten sei. »… Als ob wir von allen Seiten durchleuchtet würden!« Fernes Pfeifen, das schnell lauter wurde und aus dem wolkenlosen Himmel herunterstürzte, zwang die Männer, in die Höhe zu blicken. Über ihnen war ein winziger Punkt zu sehen, der von Sekunde zu Sekunde wuchs. »Ein Raumschiff!« stieß Shanton überrascht aus, der sein Wissen über Jimmys Suprasensor und Sender bezogen hatte. »Und der Kahn ist nicht einmal klein!« »Ortung aus!« kam vom Scotchterrier die Meldung, die selbst der Dicke nicht glauben wollte. Eine Scheibe von mehr als zehn Metern Durchmesser und einer Dicke von drei Metern, die im Licht der blauweißen Sonne wie Perlmutter glänzte, landete mit brodelnden Triebwerken kaum hundert Metern von den Männern entfernt. »Einsteigen!« sagte Manu Tschobe, als die Scheibe sich an einer Stelle geöffnet hatte und aus dem Dunkel des Innenraumes ein im gleichmäßigen Rhythmus flackerndes Licht zu sehen war. »Selbstmörder!« orgelte Shanton, folgte aber dem Afrikaner, der im ruhigen Tempo auf die glänzende Scheibe zuging. Jimmy und Jos hatten einen Augenblick gezaudert, doch als der Hund sich in Bewegung setzte, folgte als letzter auch der GSO-Mann. »Leer!« stieß Tschobe aus, als er die Scheibe betrat und die Sessel musterte, die nebeneinander vor der runden Wand standen. In der Mitte befand sich ein halbkugeliges, mit dem Boden verbundenes verkapseltes Gerät, das nichts von seinen Aufgaben verriet. »Sie sollen Ihren Willen haben!« polterte der Diplom-Ingenieur, der sich schwer in seinen Sessel fallen ließ und dann weit die Beine von sich
streckte. Er zuckte mit keiner Wimper, als Jimmy einen großen Satz machte und auf seinem Schoß landete. Kaum hatte auch Jos Aachten van Haag Platz genommen, als sich die Scheibe schloß. Nach einigen Minuten sahen sie sich der Reihe nach dumm an. Nichts war inzwischen geschehen! Gar nichts. Nicht das leiseste Vibrieren war durch ihr Gefängnis gelaufen. Unverändert der Klang der brodelnden Triebwerke. Plötzlich öffnete sich die Scheibe wieder. »Probe beendet!« sagte Shanton mit sarkastischem Unterton und vergaß seinen Mund zu schließen. Ein Röcheln kam über seine Lippen. Jimmy flog von seinem Schoß, und mit einer Schnelligkeit, die man dem Dicken nie zugetraut hätte, raste er auf den Ausgang zu. Nicht weniger schnell folgten ihm Manu Tschobe und Jos Aachten van Haag. So langsam aber, als ob er etwas Furchtbares ausgefressen habe, schlich sich Jimmy zum Ausgang. Er hatte auch ein schlechtes Gewissen; ein sensorisches! Seine Ortungen versagten, obwohl laut Kontrolle des Suprasensors kein Fehler in seinen technischen Eingeweiden vorlag. Jemand, der noch ein bißchen mehr konnte als sein Erbauer Chris Shanton, hatte seine Ortungen einfach abgeschaltet! Die drei Männer beobachteten ihn nicht. Sie wußten nicht, wohin sie zuerst und wohin sie zuletzt blicken sollten, und dann sahen alle drei zufällig nach oben. Über ihnen war ein Meer, ein Ozean! Über ihnen waren Tief seeungeheuer zu sehen, die aus ihren großen Glotzaugen hereinblickten. Dazwischen bewegten sich Schwärme kleiner und mittelgroßer Wesen, die Fische sein mußten, weil sie im Wasser lebten. Das alles war zum Greifen nahe und tatsächlich mehr als siebzig Meter von ihnen entfernt. Eine glasklare Decke, die es erlaubte, vom Grund eines Ozeans zu seiner Oberfläche hinaufzusehen! »Große Milchstraße!« stieß Manu Tschobe aus, der seinen Blick gewaltsam losreißen mußte, um sich nicht tiefer in die Vorstellung zu verstricken, die Decke könnte im nächsten Augenblick reißen und aber Millionen Tonnen Wasser zu ihnen hereinstürzen. Sein Verstand sagte ihm nüchtern, daß die Intelligenzen, die solch eine gewaltige Anlage auf dem
Grund des Ozeans bauen konnten, auch über die Mittel verfügten, einen Wassereinbruch von vornherein auszuschließen. Sie standen am Anfang. Hinter ihnen lag die Scheibe, die unter der künstlichen Beleuchtung ebenso glänzte wie unter dem Licht der blau weißen Sonne. Sie standen am Anfang einer Bandstraße, die viele Kilometer lang war. Sie standen in einer Werft der Mysterious, in der Ringraumer gebaut wurden! – Stand das Band still? Chris Shanton begriff nicht, daß er leise vor sich hin sprach: »Sieben… acht… neun… zehn… Sternteufel und Sternschwänze! Elf Bandstraßen! Elf!« Drei Terraner und ein Robothund, dessen Ortungen abgeschaltet worden waren, erlebten einen Arbeitsakt der Bandstraßen mit. In elffacher Ausführung! Elf Ringraumer-Zellen – aber ein Schiffstyp, der kleiner als die POINT OF war – wurden auf elf Straßen um den Durchmesser eines Schiffes von unsichtbaren Kräften lautlos vorwärts bewegt. Wo am Anfang der Straßen sich diese Ringröhren eben noch befunden hatten, war der Boden aufgesprungen und aus elf dunklen Öffnungen schwebten lautlos elf neue Schiffszellen hervor! Manu Tschobe nahm beide Hände hoch und preßte sie gegen die Schläfen. »Gute Nacht!« flüsterte er, und noch einmal: »Gute Nacht! Wenn sich hier die Mysterious auch seit tausend Jahren nicht mehr haben sehen lassen… In der Zwischenzeit… Nein! Nonsens! Diese Bandstraßen können doch gar nicht seit tausend Jahren ununterbrochen Raumschiffe gebaut haben!« Schweigend wurde er von beiden Seiten angesehen. Shanton und Jos nickten nur. »Und wenn doch?« »Ach!« stieß Tschobe auf Shantons Frage aus und ließ seine Hände wieder sinken. »Sie zerbrechen sich den Kopf, wieviel Raumer in tausend Jahren gebaut worden sind. Ich zerbreche mir den Kopf, warum man uns hierhergebracht hat. Was war der Anlaß dazu?« Die elf dunklen Öffnungen unter den neu herangeführten Schiffszellen hatten sich inzwischen wieder geschlossen. Die Bandstraßen liefen in der Ferne in einem Punkt zusammen. Wo war das Ende? Und was gab es hinter dem Ende der Straßen zu sehen? Einen ausgehöhlten Planeten, der einen Tausend-Jahre-Vorrat an Ringraumern in sich barg – Schiffe, deren Durchmesser keine Hundert
Meter betrug? »Warum sehen wir es uns nicht an?« stellte Jos die Frage. »Und wie verhalten wir uns, wenn wir auf Mysterious stoßen?« »Ich lasse mir von ihnen den Backenbart streicheln!« fauchte Chris Shanton, der sich nicht wohl bei der Vorstellung fühlte, die der GSOMann gerade aufgezeigt hatte. »Vielleicht schafft uns die Scheibe ans Straßenende«, machte Tschobe den Vorschlag und liebäugelte mit der Gedankensteuerung. Zum zweitenmal erlebten sie das gleiche: Platz nehmen, Schließen des Einstiegs, warten, Öffnen des Ausgangs und hinaustreten. Sie hatten das Ende der Bandstraßen erreicht. Die im Perlmutt glänzende Scheibe sprach auf die Impulse der Alpha-Rhythmus-Frequenz an! Elf Ringraumer, die im Unitallglanz schimmerten, warteten auf den letzten Arbeitstakt, um ins Depot geschafft zu werden. Tschobe hatte den Dicken und Jos mit Mühe und Not zurückhalten können. Sie mußten mit der Inspektion eines der Ringschiffe warten, solange nicht die Zeitdauer eines Arbeitstaktes bekannt war. Mit Meterschritten nahm Shanton in der Zwischenzeit Maß. Auf fünfundachtzig Meter legte er den Durchmesser der Ringröhren fest, bei einem Durchmesser der Druckknöpfe von fünfzehn bis sechzehn Metern. Wie die POINT OF besaß auch dieser Typ vier Schleusen. Die im Unitall befindlichen Antennen waren zu sehen. Alle Schiffe im Stadium der Endfertigung wirkten auf die drei Terraner so vertraut, als würde die TF nur aus Raumern dieses Typs bestehen. Manu Tschobe war in der Zwischenzeit ein wenig zwischen zwei Straßen entlanggegangen. Ihn interessierte es, mit welcher Methode diese Schiffe ausgerüstet wurden. Es hatte ihn stutzig werden lassen, die ganze Zeit über keinen Arbeitslärm vernommen zu haben. Selbst als auf allen Straßen die Schiffe um einen Durchmesser verschoben wurden, war dieser Prozeß lautlos abgewickelt worden. Im viertletzten Arbeitstakt-Bereich machte er seine erste Entdeckung. Die beiden Zellen rechts und links, die von A-Gravfeldern gehalten wurden, waren ringsum von Aggregaten umgeben, die ihn an Transmitter erinnerten, wenngleich sie kaum Ähnlichkeit mit den Typen hatten, die er inzwischen kennenlernen konnte. Er fand an ihnen weder die graue Ringantenne, noch die irisierende Kugel mit dem roten Leuchten im Mittelpunkt. Dennoch war der Afrikaner bereit zu beschwören, daß diese Unitallhülle Transmitter-Funktionen hatten. Der Versuch, über eine der
Schleusen einzusteigen, wurde übermächtig in ihm. Als er schwankend wurde, kam ihm der Arbeitstakt zu Hilfe. Abermals wurden auf elf Straßen elf Ringraumer zum Ende hin lautlos verschoben. Mit diesem Prozeß hatten sich auch alle Aggregate, die Tschobe für Transmitter hielt, von der Zelle zurückgezogen, und sie kamen wieder heran, als die nachgeschobene Zelle ihren Standort erreicht hatte. Achtzehn Minuten Norm-Zeit hatte der letzte Takt gedauert. In den nächsten achtzehn Minuten wollte sich der Afrikaner einen groben Überblick verschaffen, wie dieser Typ im Innern ausgerüstet wurde. Er erlebte etwas, das ihn vollkommen unvorbereitet traf! Die offenstehende Schleuse war durch ein energetisches Feld gesperrt! Als er bei der dritten Schleuse auch aufgehalten wurde, mußte er erkennen, daß ihm ein Betreten des Schiffes verwehrt wurde. Er eilte zu Shanton und Jos zurück. Ihre Gesichter verkündeten nichts Erfreuliches. »Diese Geheimnisvollen!« polterte der Dicke und wühlte mit allen fünf Fingern in seinem Backenbart. »Der Teufel soll sie holen! Aber alle!« Das war kein frommer Wunsch, aber Shantons Wunsch war in dieser krassen Form nicht zum erstenmal ausgesprochen worden. Ein Mann, der Arc Doorn hieß, hatte Ähnliches schon oft vorgebracht. Auf Tschobes fragenden Blick hin erklärte Jos: »Wir konnten weder das eine noch das andere Schiff betreten, als es den letzten Trakt erreicht hatte.« Nichts Neues für Tschobe. Das gleiche hatte er eben auch erlebt. »Und wohin werden die Raumer geschafft?« Verärgert schüttelte der GSO-Mann den Kopf. »Die verschwinden genauso, wie sie gekommen sind. Boden auf! Rein ins Loch! Boden zu! Nächster Kahn heran. Aus! Ende! Schön, wie?« »Verdammter Mist!« tobte Chris Shanton, der sich nicht beruhigen konnte, »man hält uns zum Narren!« »Benutzen wir die Scheibe. Vielleicht spricht sie auf Gedankenimpulse wiederum an und schafft uns ins Raumer-Depot«, schlug Tschobe vor, der in dem Verfahren, wie die Mysterious ihre dienstklaren Raumer fortschafften, nichts Geheimnisvolles entdecken konnte. Eine halbe Stunde später zweifelten drei Terraner an ihrem Verstand. Sie befanden sich im Depot. Sie hatten nicht abschätzen können, ob in den gigantischen Lagern zehntausend oder dreißigtausend Raumschiffe gestapelt wurden. Sie wollten es auch nicht mehr wissen, seitdem sie die
elf anderen Bandstraßen gesehen hatten, auf denen diese Schiffe wieder abgerüstet wurden! Sie irrten sich nicht, denn unter ihren Blicken wurden die leeren Ringzellen am Ende der Straße in gleichmäßige Teile zerschnitten! »Ich kann es nicht fassen!« sagte Chris Shanton. »Ich kann es nicht verstehen, wie man solche Werte einfach vernichtet!« »Und hören Sie etwas, Shanton? Hören Sie das schwächste Geräusch?« machte ihn der Afrikaner darauf aufmerksam. Die zylindrische Ringröhre aus Unitall wurde in Scheiben geschnitten. Drei Männer sahen den Vorgang aus nächster Nähe, aber sie hörten nichts. Knapp drei Meter dick war jedes Zylinderstück, das von der Röhre abgetrennt wurde. Von einem A-Gravfeld gehalten und augenscheinlich von Traktorstrahlen gezogen, wurde eine Scheibe nach der anderen einem großen Aggregat zugeführt, das das Ende der Bandstraßen darstellte. Ein Unitallkoloß mit einer dreißig mal dreißig Meter glatten Front, die aber nur an ihren Kanten blau schimmerte, nahm die abgetrennten Stücke auf. Sie schwebten auf die schwach flimmernde Fläche zu und verschwanden einfach. »Man verfährt hier mit Unitall, als ob es weich wie Butter wäre«, murmelte Jos Aachten van Haag, der über das Metall der Geheimnisvollen nur soviel wußte, als daß es bisher jeder Bearbeitung durch Menschen und ihrer Technik widerstanden hatte. Chris Shanton drehte sich so schnell zu Tschobe herum, als ob er den anderen angreifen wollte. Seine großen Hände legten sich um die Schultern des Afrikaners. Er hielt sie fest und zwang den anderen, ihm in die Augen zu sehen. »Tschobe, strengen Sie Ihren Verstand an. Ich gebe freiwillig zu, daß diese Vorstellung über meinen Grips geht. Haben Sie eine Erklärung für die unverständliche Zerstörungswut der Mysterious? Was halten Sie davon?« »Was ich davon halte? Wahrscheinlich machen wir uns immer noch nicht die richtige Vorstellung von der Industrie-Kapazität der Mysterious. Wenn diese Werft nur eine von vielen hunderten ist… Nein, es übersteigt auch mein Vorstellungsvermögen, und mit Gewalt will ich mich nicht lächerlich machen.« »Jetzt reden Sie tatsächlich Unsinn. Was heißt hier, sich lächerlich machen, mein Lieber? Habe ich mir nicht ein Armutszeugnis ausgestellt, als ich angab, für diese Zerstörungswut keine Erklärung zu finden?« Unverblümt hielt ihm Tschobe vor: »Shanton, Sie sind eine Nervensäge! Gut, Sie sollen wissen, was ich vermute:
Die Mysterious verfügen über so viele Raumschiffwerften, daß sie es sich leisten können, Schiffe, die einen bestimmten Zeitraum alt sind, wieder abzuwracken. Und das sahen wir hier in der vollendetsten Form!« Grimmig sah der Dicke seinen Begleiter an. »Quatsch! Das gibt’s auch bei den Mysterious nicht, oder hat’s nie gegeben. Geld ist bei denen auch Geld gewesen.« »Und wenn das Imperium für uns unvorstellbare Ausmaße gehabt hat, dann könnte diese Anlage unter dem Ozean eines uns unbekannten Planeten sogar eine kleine, unbedeutende Werft sein.« Chris Shanton wühlte in seinem Backenbart herum und stieß so laut Luft aus, als ob seine Lungen unter Überdruck litten. »Besten Dank für Ihre Auslassungen, Tschobe. Sie waren sehr interessant, nur nicht logisch. Ein Imperium, wie Sie es sich zwischen den Sternen unserer Milchstraße vorstellen, hinterläßt nicht nur Spuren dieser Art, sondern auch Spuren seiner Schöpfer. Bis zur Stunde aber wissen wir nicht einmal, wie die Geheimnisvollen ausgesehen haben, aber eine Rasse, die über ein RiesenImperium herrscht, muß aus Milliarden mal aber Milliarden Köpfen bestehen!« »Oder aus robotischen Anlagen, wie wir sie vom Industrie-Dom her kennen, oder wie man sie uns mit den Bandstraßen hier zeigt!« warf Tschobe ein, dem es keineswegs absurd vorkam, in dieser Werft nur einen unbedeutenden Betrieb der Geheimnisvollen zu sehen. Jos Aachten van Haag beteiligte sich nicht an der Unterhaltung der beiden technisch versierten Männer. Interessiert verfolgte er, wie durch unsichtbare Kräfte ein drei Meter breiter Ring von der zylindrischen Hohlröhre abgetrennt wurde. Und was er an dieser Stelle beobachtete, geschah zur gleichen Zeit auf derselben Höhe an zehn anderen abgerüsteten Ringschiffen auch. Unwillkürlich drehte er sich um. Er wollte sich überzeugen, ob das Auseinanderschneiden des Druckkörpers hinter seinem Rücken in der gleichen Geschwindigkeit vor sich ging, als er in dieser Bewegung zufällig die Bandstraße entlang sah. Jos Aachten van Haags Augen weiteten sich. Seine Hände flogen zu den Kolben der Strahlwaffen. Er riß sie hoch und hatte die Fingerkuppe auf dem Kontakt liegen. Während ihm der Schweiß ausbrach, schrie er gellend auf: »Stopp! Stehenbleiben! Keinen Schritt weitergehen!« Die beiden Männer, auf die er seine Waffen gerichtet hatte, blieben abrupt stehen.
Chris Shanton und Manu Tschobe, durch Jos’ gellenden Schrei aufgeweckt, wirbelten herum. Der Afrikaner wischte über seine Augen. Er dachte nicht daran, seine Strahler in Schußlage zu bringen. Die sind doch tot! dachte er immer wieder. Die hat Jimmy doch auf dem Gewissen, Jimmy, das Monstrum! Aber sie waren nicht tot! Mildan und Dordig standen neben dem vorletzten Ringkörper, der auf seine Abwrackung wartete. Dordig und Mildan, die beiden entarteten Cyborgs! * Lange dreißig Minuten warteten sechs Männer in den Flash 002, 003 und 004, dann stieg Ren Dhark als erster aus. Die Luft im Bereich dieses planetarischen Verteidigungsforts, das von ihnen den Namen Fanal erhalten hatte, war noch mit harter Strahlung verseucht, die aber in der letzten halben Stunde in ihren Werten auffallend schnell abgesunken war, als ob unbekannte Kräfte am Werk seien, die Atmosphäre so schnell wie möglich wieder zu. reinigen. Aus diesem Grund konnte der Commander es nicht wagen, seinen Klarsichthelm zu öffnen und zurückzuklappen. Nachdenklich war er neben der 002 stehengelieben, und sein Blick glitt an der Front der Häuserreihe entlang. Wieder störte ihn dieser Stilbruch. Die Bauten paßten nicht zur Ringanlage, und diese Tatsache machte ihn erneut mißtrauisch. Er vermutete nicht mehr, die Bauten auf dem an dieser Stelle tiefer gesetzten Ring könnten eine Falle darstellen. Seit dem der Angriff gegen die eingeflogenen Raumer der schwarzen Weißen erfolgt, war, glaubte er sogar fest, daß ihnen keine Gefahr drohte. Aber warum eigentlich nicht? Und seine Überlegungen drehten sich schon wieder um die Mysterious. Sind wir in unserem biologischen Aufbau dieser verschollenen Rasse so ähnlich, oder bat man uns durch robotische Anlagen getestet und unsere Gehirn-Strommuster überall dorthin übermittelt, wo die Geheimnisvollen einst ihre Städte, Werke und Verteidigungsstellungen errichtet hatten? Dan Riker und Arc Doorn ahmten sein Beispiel nach und verließen auch ihren Blitz. »Immer noch keine Spur von der POINT OF.«
Rikers Bemerkung brachte Dhark wieder in den harten Alltag zurück. Unwillkürlich schüttelte er sich bei der Vorstellung, mit seinen Begleitern allein auf diesem Planeten Zwitt zu sein, der von einer Sonnenkorona umgeben war. »Ob alle Schiffe der schwarzen Weißen vernichtet worden sind?« fragte Arc Doorn, dem die Vorstellung ungeheuerlich war, daß es das Flaggschiff nicht mehr geben sollte. Ein Ereignis, das der Anfang einer Katastrophe war, gab die Antwort. Sie sahen das Aufblitzen durch die Scheiben der Häuserreihe. Sie sahen die Vorderfront auseinanderreißen und nach allen Seiten fliegen. Dann erst hörten sie den Knall einer mächtigen Explosion, dem die Druckwelle auf dem Fuß folgte. Blitze schossen aus allen Öffnungen und brachten die Plastikbetonkonstruktion zum Einsturz. Wie ein Kartenhaus fiel alles zusammen. Dhark und seine beiden Begleiter hatten sich zu Boden geworfen, als aber um sie herum die zerfetzten Plastikbetonbrocken einschlugen, sprangen sie auf und rannten um ihr Leben. Arc Doorn hatte zu spät reagiert. Er sah ein großes Stück Wand heranfliegen. Instinktiv riß er den rechten Arm hoch, als wollte er das tonnenschwere Stück abwehren. Der Luftzug riß ihm die Beine unter dem Körper weg. Er sah Sterne, als er aufschlug, und dann traf eine Riesenfaust seine linke Körperseite und schleuderte ihn über das Dach des sechsten Ringes, der im Bereich dar Häuserzeile tiefer verlief. Der Sibirier hatte mit dem Leben abgeschlossen. Er glaubte, Brustkorb und Becken seien zerfetzt, als er eine Hand im Nacken spürte, die ihn hochriß. Ren Dhark hatte Doorns Notlage erkannt. Er dachte nicht an sein Leben, als er zur Seite rannte, wo der Sibirier vor einem mehrere Meter großen Mauerstück über die Fläche getrieben wurde und abzustürzen drohte. Ohne zu überlegen, sprang der Commander auf den zerfetzten Wandteil, machte dessen Rutschen mit, ließ sich auf die Knie fallen und versuchte Doorn zu greifen. Erst beim dritten Versuch bekam er ihn am Nacken zu fassen. Er riß ihn hoch, schrie auf, weil sie sich schon kurz vor der Kante befanden, und schleuderte den Sibirier und sich zur Seite von dem Bruchstück herunter, das eine Sekunde später in die Tiefe stürzte, um zerbrechend auf der leeren Ringstraße aufzuschlagen. Arc Doorn konnte nicht mehr stehen. Immer wieder brach er in die Knie. Die Schmerzen, die in seinem Körper wühlten, nahmen ihm die
Kraft zu atmen. Aber sie mußten ihre Flash erreichen, wenn sie von den herumfliegenden Trümmern nicht erschlagen werden wollten. Ununterbrochen donnerten und krachten Explosionen in der fast vollkommen zerstörten Häuserreihe. Ren Dhark erkannte die Verfassung des Sibiriers. Dieser Mann, der schon so oft für andere sein Leben eingesetzt hatte, durfte auf Zwitt nicht vor die Hunde gehen. Er packte den bulligen, gedrungenen Mann und warf ihn sich über die Schulter. Das rettete ihnen beiden das Leben. Der kurze Stopp hatte ihr Vorwärtskommen verzögert, und wo sie sich unter normalen Umständen nun befunden hätten, war ein stockwerkgroßes Stück Plastikmauer niedergestürzt. Keuchend unter der schweren Last erreichte Dhark die 004. Er schleuderte Doorn in den Sitz, sah Riker in die 003 steigen und raste selbst zu seinem Flash zurück. Der Einstieg schnappte zu, das Intervall stand um den Blitz. Dhark öffnete seinen Klarsichthelm und murmelte eine Verwünschung. »Ich habe um Sie drei keinen Cent mehr gegeben, als ich die Strukturerschütterung begriff.« Im gleichen Augenblick wurde Ren Dhark wach. Wovon hatte Pjetr Wonzeff gesprochen? Von einer Strukturerschütterung? Wieso? Was sollte die denn mit der Gefahr zu tun haben, in der sie alle geschwebt hatten? »Gefahr«, echote Wonzeff auf Dharks Frage. »Das sollte ein tödlicher Schlag sein. Denn das Ding, das die Häuser hat auseinanderfliegen lassen, kam aus dem Hyperraum. Da muß man eine Waffe eingesetzt haben, die sich der Transition bedient!« Dhark zuckte zusammen. »Das würde bedeuten…« »Ja«, fiel ihm Pjetr Wonzeff ins Wort, »das muß bedeuten, daß es einigen Schiffen der schwarzen Weißen gelungen ist, auf Zwitt zu landen. Allmächtig ist dieser Planet nun also auch nicht. Schade.« Die Gedankensteuerung führte noch immer das Kommando über die drei Flash. Ren Dhark konzentrierte sich darauf, und er atmete erleichtert auf, als er in seinem Kopf die Stimme vernahm, die im unpersönlichsten Ton erklärte: Kommandoführung wieder abgegeben! Da wurde Fanal von allen Seiten angegriffen.
Ein Angriff aus dem Nichts heraus!
Ein Angriff gegen die Ringanlagen!
Die Bildprojektionen brachten ihnen die Explosionsfontänen in die
Flash herein. Der hohe Außenring riß an sieben Stellen zugleich auf und spie Feuer und Energien in den gelblich brennenden Himmel. Überall stießen Energiezungen nach allen Seiten. »Blitzstart! Mir folgen!« schrie Ren Dhark. Er hoffte, daß die beiden Piloten der 003 und 004 prompt reagierten. Der Sie stieß die Blitze in den Himmel hinein, als Zwitt zum zweitenmal sein Gesicht zeigte! Schlagartig wurde es Nacht. Der gelblich brennende Himmel erlosch! Dennoch war es nicht überall dunkel. Die Finsternis wurde von dicken Energiebahnen aufgerissen. Sie leuchteten in allen Farben, aber was daran so unheimlich war, zeigte sich in ihrer ungewöhnlich spitzen Winkeleinstellung. Ren Dhark begriff nicht, warum Zwitt verdunkelt worden war. Über Infrarot konnte man so gut sehen wie bei normalem Tageslicht. Da hörte er im Empfang abermals einen Funkspruch in jener Sprache, die ihn an Girr-O erinnerte. Im nächsten Moment waren sechs oder sieben weitere Sender zu hören. Der Commander ließ die Funkortung laufen. Die Stationen lagen bis auf dreitausend Kilometer auseinander, fast gleichmäßig über den nördlichen Teil Zwitts verteilt. »Folgen Riker und Doorn?« fragte er kurz seinen Piloten, dessen Kunst er sich ruhig anvertrauen konnte. »Haben dicht aufgeschlossen. Aber sollen wir…?« Der zweite Angriff aus dem Unsichtbaren heraus erfolgte auf Fanal. Der Gegner brach über den Hyperraum mit seinen Bomben mitten in der Ringanlage ein! Sein Ziel war einwandfrei der äußere Ring – und am Fuß dieser Anlage befanden sich die Gruppen unter Oberleutnant Roder! »Dhark, wir liegen in Fremd-Ortung!« alarmierte ihn Wonzeff. Der Commander ließ alle Peiler seines Flash laufen. Er ahnte, daß es nun auf Sekunden ankam. Sie hatten die Sekunden verspielt! Der Gegner schlug unbarmherzig zu. Vor ihnen riß die Finsternis auseinander! Drei Bomben explodierten in der Flugrichtung der Flash! Drei winzige Sonnen mit ihren freiwerdenden Höllenenergien versuchten die Intervalle der Blitze zum Zusammenbruch zu bringen. »Durch!« brüllte Wonzeff, der den Sie auf normale Leistung geschaltet hatte. »Wir sind durch…«
Da hatte der Feind gleich zwei Bomben pro Flash zum Einsatz gebracht! Die Belastung des Intervalls der 002 schnellte auf 99,2 Prozent. Eine Winzigkeit fehlte, und das Beiboot der POINT OF mit Dhark und Wonzeff an Bord wäre vernichtet worden. Die Blendensteuerung der Bildprojektion arbeitete in gewohnter Präzision. Aber die Bildwiedergabe nicht! Fanal war verschwunden! Fanal, das sie kaum zehn Kilometer hinter sich gelassen hatten. Keine Spur von der gewaltigen Ringanlage war zu sehen! Sollte Infrarot nicht mehr arbeiten? Dhark und Wonzeff nahmen zur gleichen Zeit an ihren Pulten die Kontrolle vor. Infrarot hatte keine Panne! »Die Berge… Dhark, die Berge sind wieder da! Und die Flammenbogen! Mein Gott, die sehen jetzt ja ganz anders aus!?« Wonzeff war verwirrt. »Soll ich den Flash übernehmen?« fragte Dhark, der erstaunt war, daß ihn dieser Wechsel nicht überrascht hatte. Zwitt hatte eine seiner stärksten Defensivwaffen eingesetzt: Fiktion! Aber hatte Fanal nicht hinter einem sicheren Schirm gelegen? Sie hatten Fanal doch erst dann sehen können, als sie die Tempelanlage passiert hatten. Ren Dhark erhielt keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Die Flächenprojektor-Station in der Korona war wieder zu überdimensionalen Forts geworden. Aus dem vollkommen abgedunkelten Innenseitenbereich schossen erneut aber Tausende Energiebahnen herunter. Und in diesem Gewirr blitzte es an vielen Stellen auf. Raumschiffe, die verglühten! Neue Raumschiffe der schwarzen Weißen? Hatte der erste Verband, dem es zum Teil gelungen sein mußte, auf Zwitt zu landen, Verstärkung angefordert, und brach diese Verstärkung jetzt nach einer Transition in diesen abgeschirmten Raum ein? »Wonzeff, sehen Sie sich das an!« stieß Dhark aus, den die neue Entwicklung nun überrascht hatte. Die planetarischen Forts griffen in die Schlacht ein, die sich zwischen dreizehn bis achtundsechzig Millionen Kilometer Höhe abspielte. Aber diese Forts waren nicht zu sehen! Nur ihre gigantischen Strahlbahnen, diese hochenergetischen Hohlrohre, die durch den äußeren Ring, wenn er
genauso groß wie bei Fanal war, einen Durchmesser von zwölf Kilometern hatten! Über zwanzig dieser Zentren zählte Ren Dhark. Die fernsten waren aufgrund ihrer nach allen Seiten hin und her schwenkenden Energiefinger zu erkennen. Aber welchen Sinn hatte es dann noch, die Ringanlagen durch fiktive Landschaften unsichtbar zu machen? Ihre Position verrieten sie doch durch ihre Kampfstrahlen? Orkane mit größter Stärke mußten jetzt über Zwitt rasen – Stürme, die noch in den obersten Luftschichten zu bemerken waren. Dharks Gedanken wirbelten durcheinander. Einmal dachte er an seine POINT OF, dann an die Männer, die unter dem Kommando Roders vom Angriff aus dem Nichts überrascht worden waren, und dann wieder an diesen Planeten, der in 141 Millionen Kilometern von einer Korona umgeben worden war, die alle physikalischen Verhältnisse einer Sonne des Typs F aufwies. Und dennoch war das Wunderwerk einer unvorstellbaren Technik auch verletzbar! Die schwarzen Weißen mit ihren einbrechenden und sich verzweifelt wehrenden Raumschiffen bewiesen es schon wieder. Der nachtdunkle Himmel, von grelleuchtenden Energiefingern nur stellenweise aufgerissen, gebar eine winzige Sonne nach der andern: Schiffe der schwarzen Weißen, die in Energie umgewandelt worden waren und nun innerhalb weniger Sekunden erloschen. Doch das Aufblitzen in vielen Millionen Kilometern Höhe hörte nicht mehr auf. Es sah so aus, als ob immer mehr Flächenprojektor-Stationen in den Kampf eingriffen. Der Gegner schien mit einer riesigen Flotte eingebrochen zu sein. Da stieß der Lautsprecher des Flash einen Funkspruch aus: POINT OF ruft Commander! POINT OF ruft Commander! Bitte kommen! Bitte kommen! Der Funkverkehr war wieder klar! Das Flaggschiff der Terranischen Flotte war nicht vernichtet worden! »Gott sei Dank!« hörte Dhark seinen Freund Dan in der 003 erleichtert sagen. Wie üblich, war von Arc Doorn nichts zu hören. Ob er inzwischen die Folgen seines Unfalls überwunden hatte? Dhark rief auf der Frequenz des Ringraumers zurück. Er wunderte sich, daß der Bildschirm grau blieb. Keine Antwort! Er schaltete den Hyperfunksender auf größte Leistung, rief gleichzeitig
die erfaßten Daten der Funk-Ortung ab. Das konnte doch nicht stimmen?! Die POINT OF sollte sich außerhalb der Korona befinden? »Wonzeff, übernehmen Sie die Nachkontrolle. Hier muß ein Fehler vorliegen.« Mehr war nicht nötig zu sagen. Kurz darauf meldete sich der Pilot wieder. »Dhark, wir müssen es glauben. Die POINT OF steht in der Nähe des inneren tanzenden Planeten!« Der Commander hütete sich, voreilig ein Urteil über das Vertrauen des stellvertretenden Kommandanten seines Schiffes zu fällen, bevor er nicht genau wußte, was ihn zum Verlassen des Zwitt-Bereiches gezwungen hatte. Aber irgend etwas an der neuen Position des Ringraumers störte ihn. War es die Position in der Nähe der drei tanzenden Planeten, die es in Wirklichkeit in dieser Form nicht gab? Commander! Commander! Herrliche Milchstraße, das war doch Oberleutnant Roders Stimme, der Chef der Gruppen, die vor der äußeren Ringmauer in Wartestellung verblieben waren. »Hier Dhark!« rief der Commander in Richtung der Sprechrillen. »Roder, ich habe Sie gehört. Bitte, melden! Haben Sie Ausfälle gehabt?« Dazwischen schrie Pjetr Wonzeff erregt: »Dhark, abschalten. Wir werden erneut geortet!« Mit einem Blick auf die Instrumente erkannte Ren Dhark, das fremde Tasterstrahlen nach der 002 griffen, und damit auch die beiden anderen Flash erfaßt hatten. Die Gedankensteuerung schaltete sich ein! Ihr selbständiger Eingriff bedeutete höchste Gefahr für die Flash und ihre Besatzungen. Die Leistung des Sie sprang auf Maximum! Die Andruckabsorber begannen zu heulen! Die Energie-Ortung schlug bis zum Anschlag aus. Rund um die Flash riß der nachtdunkle Raum auf, und winzige Sonnen stürzten sich mit ihren Energien auf die Beiboote der POINT OF! Der Feind hatte sie zum dritten Mal mit seinen Transitionsbomben angegriffen! Geblendet schlossen Dhark und sein Pilot die Augen. Die automatisch arbeitenden Filterblenden der Bildprojektoren hatten der Lichtflut nicht mehr Herr werden können. In diesen kurzen Sekunden wurden die Intervallfelder um die einzelnen Blitze zum Zusammenbruch gebracht.
Die beiden Energie-Erzeuger in jedem Beiboot, die bisher nur in seltenen Fällen zusammen hochgeschaltet worden waren, kamen nicht mehr dazu, ein neues Intervall zu errichten! Die Andruck-Ausgleicher standen dicht vor dem Zusammenbruch. Die Gravos-Werte in den Blitzen waren nicht mehr stabil. »Uns hat ein Traktorstrahl erwischt!« stellte Dhark in ohnmächtigem Grimm fest, als er wieder etwas sehen konnte und die Werte an seinen Instrumenten ablas. Die 002 wurde im spitzen Winkel nach unten gerissen. Den anderen Flash erging es ebenso. Der Sle kam gegen die Gewalten nicht mehr an. Die Gedankensteuerung schaltete ihn einfach ab. Es wurde auch kein weiterer Versuch mehr unternommen, das Intervall neu aufzubauen. Alle verfügbaren Reserven wurden den heulenden Andruck-Ausgleichern zugeführt. Sie hatten die wichtigste Aufgabe zu erfüllen, den Besatzungen der Blitze so lange das Leben zu erhalten, bis dieser Angriff vorüber war oder eine entscheidende Änderung in der Lage eingetreten war. 1000 Meter Höhe! Die Beschleunigung wuchs immer noch. Dhark zerrte seinen Klarsichthelm wieder über den Kopf. Verständigung von Mann zu Mann war bei den heulenden Andruck-Ausgleichern jetzt nicht mehr möglich. Der Helmfunk mußte die Rolle des Übermittlers spielen. »An alle! Unter keinen Umständen nach der Zwangslandung das Feuer eröffnen. Bestätigung!« Warren und Doraner bestätigten. Riker und Doorn äußerten sich nicht dazu. Höhe noch 230 Meter! Die Beschleunigung stieg ununterbrochen. Mit fünffacher Überschallgeschwindigkeit jagten drei hilflos gewordene Blitze ihrem unbekannten Ziel zu, ausbruchsicher von einem titanstarken Traktorstrahl erfaßt. Aber dieser Traktorstrahl war nicht sauber! Er mußte die Leitstrecke für gesteuerte Gravitationskräfte sein, die ununterbrochen versuchten, in die Flash einzubrechen, aber noch nicht ans Ziel kamen. Höhe zweihundert! In jedem der drei Flash schaltete ein Absorber ab! Das Heulen des anderen ließ an Stärke nach. Abrupt fiel die Geschwindigkeit unter Mach
1. Dann setzten die Beiboote, die ihre Ausleger nicht ausgefahren hatten, mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf. Die plumpen Blitze wühlten sich nacheinander mit ihrer platten Nase ins Erdreich, überschlugen sich ein paarmal und blieben dann auf der Seite liegen. Seitdem Terraner Flash benutzten, waren Blitze auf diese Weise noch nie gelandet. Ren Dhark dankte dem Schicksal, daß er seinen Klarsichthelm wieder geschlossen hatte, dennoch hatte der halbstabile Schutz nicht ausgereicht, ihn beim mehrfachen Überschlagen seiner 002 vor harten Prellungen vollständig zu bewahren. Sein Kopf brummte ihm noch, als er über Helmfunk durchgab: »Unter keinen Umständen den Flash verlassen. Abwarten, was auf uns zukommt!« »Herzlichen Dank, Terraner Dhark«, hörte er eine Stimme aus dem Helmlautsprecher, die er sofort erkannt hatte. Girr-O, der Chef der schwarzen Weißen, befand sich auf Zwitt! Girr-O hatte seine Beute, die ihm durch die Hilfe von Mone entkommen konnte, wieder gefaßt! »Wer war das denn?« fragte Dan Riker ahnungslos. »Wer hat sich denn diesen schlechten Witz erlaubt?« »Girr-O, Dan!« Der schwarze Weiße meldete sich über Funk noch einmal: »Ich bin nur an dem Terraner Ren Dhark interessiert. Jetzt noch mehr als vorher, weil ich es ihm zu verdanken habe, endlich das Tor zur Sonne gefunden zu haben!« Dhark stutzte, als er den Ausdruck Tor zur Sonne hörte. Girr-O, dessen Stimme einen gleichgültigen Klang gehabt hatte, war bei dieser Formulierung in eine höhere Tonlage gegangen. Tor zur Sonne? War damit Zwitt und die Sonnenkorona gemeint? Ren Dhark schaltete die Bildprojektion um. Er versuchte den Raumer zu entdecken, aus dem Girr-O zu ihm gesprochen hatte. Der schwarze Weiße schien sich auf Zwitt sehr sicher zu fühlen. Die energiespeienden Flächenprojektor-Stationen in der Korona und die flach schießenden planetarischen Forts dieser Welt machten auf ihn keinen Eindruck. Dhark suchte sich die Augen aus. Nirgendwo konnte er ein Raumschiff in dem wüstenartigen Landstrich erkennen, in dem sie sich befanden. Bis zum Horizont breitete sich die riesige Ebene aus, und bis zum Horizont hin gab es kein Raumschiff.
Immer noch führte die Gedankensteuerung das Kommando. Erst auf einen konzentrierten Gedanken-Impuls hin gab sie dem Commander die Ortungen frei. Sie erbrachten kein Resultat. Im Umkreis von hundert Kilometern gab es kein Raumschiff. Dennoch ließ Dhark sich nicht täuschen. Er hatte das Bauwerk in mehr als achttausend Metern Höhe über der Stadt mit den Spiraltürmen und weitgeschwungenen Brücken und Hochstraßen nicht vergessen. In diesem Fall hatten die Ortungen der POINT OF auch nicht einwandfrei gearbeitet. Ren Dhark grinste verbissen, als er per Funk den Kalauer durchgab: »Nimmst du es ganz genau, Zett-Vau!« Es erfolgte keine Rückfrage. Riker und Doorn mit ihren Piloten hatten ihn verstanden. Das letzte Mittel, sich vor Girr-O zu retten, bestand in der Zeit-Verschiebung! Es war nicht anzunehmen, daß es den schwarzen Weißen gelingen würde, den versteckten Sinn des Kalauers aufzudecken, weil es die Abkürzung Zett-Vau in der terranischen Sprache erst seit etwas mehr als einen Tag gab. Ren Dhark zuckte zusammen! Hatte die Besatzung der POINT OF tatsächlich eine Zeitverschiebung erlebt? Wenn ja, wie war es dann möglich, daß sie noch innerhalb der zweitägigen Verschiebung in Richtung Vergangenheit hier schon wieder auf Girr-O trafen? Das Schicksal nahm ihm die Möglichkeit, dieses Problem in Ruhe zu durchdenken. Zwitt zeigte zum dritten Mal ein anderes Gesicht! Zwitt setzte seine Roboter ein! Und über Zwitt wurde es schlagartig wieder Tag! Der Boden öffnete sich an vielen tausend Stellen. Kreisrund waren die Öffnungen und dunkel, aber darüber flimmerte es, und dieses Flimmern, das an erhitzte Luft erinnerte, pulsierte schneller und schneller. Dhark und seine fünf Männer beobachteten eine der Öffnungen, die kaum hundert Meter von ihnen entfernt war. Jeder fragte sich, was das zu bedeuten hatte, bis der Commander erschüttert ablas, daß im Rhythmus des Pulsierens, jedesmal dann, wenn sie das Maximum erreicht hatten, eine Struktur-Erschütterung erfolgte! Aber tausend im nahen Umkreis! Was geschah hier? Was verließ das Normal-Kontinuum oder was kehrte
über den Hyperpack in den Einstein-Raum wieder zurück? Sekunden vergingen. Auch Dhark erwartete nichts Besonderes mehr, als in zwei Kilometern Entfernung etwas auseinanderriß und im Flirren einer sich wild hin und her bewegenden Wand ein Raumschiff sichtbar wurde. Ein Gigant, der aus zwei Kugeln bestand, die durch einen auffallend dicken Ringwulst miteinander verbunden waren. Sechshundert oder siebenhundert Meter Durchmesser hatte jede graue Kugel, die mit ihren langen Strahlantennen wie monströse Igel wirkten. Sahen sie Girr-Os Schiff? Befand sich der schwarze Weiße in diesem Koloß? Commander Dhark kniff die Augen zusammen. Die Transparenz der hin und her schwankenden Wand wurde besser. Schwärme von großen Insekten schienen die beiden Kugeln zu umtanzen! Insekten? Dhark schaltete die Bildprojektion um! Als erster sah er Zwitts Roboter-Armee! Keine Nachbildungen eines Humanoiden! Keine fliegenden Panzer! Die unmöglichsten Formen waren zu erkennen: Würfel, Kreise, Kugeln, Halbkugeln, Pyramiden und viele andere Körper, für die es keine Namen gab! Tausende um die Doppelkugel herum! Tausende, die sich plötzlich zu seltsamen Formen vereinigten und sich gleichzeitig auf den Antennenwald des Raumschiffes stürzten! Bei jedem Kontakt mit einer dieser bizarren Antennen-Konstruktionen entstanden im Bereich der Robot-Gruppen winzige Sonnen, die ihre Energie aber gegen die Zelle abstrahlten. Dhark wußte nicht mehr, wohin er zuerst sehen sollte. Es gab keine Antenne mehr, an der nicht einer dieser fliegenden grotesken RobotKörper hing, aber es gab noch aber Tausende dieser Einzelteile, die aus dem Nichts heraus entstanden, sich hinter der flirrenden Wand zu weiteren Gruppen verbanden, um sich damit auf das Schiff zu stürzen. Warum wehrte sich die Besatzung nicht? Kein einziger Schuß verließ die Antennen, aber an vielen Stellen glühten die Robotgruppen auf und steigerten in Sekundenteilen ihre Emissionsleistungen – gegen die Kugelhülle! Die Robot-Wacht des Planeten Zwitt hatten den Kampf gegen unerwünschte Eindringlinge aufgenommen! »Ren! Ren…«, sein Freund Dan meldete sich. »Ren, sie schmelzen dem
Schiff alle Antennen ab!« Das hatte er auch schon beobachtet, aber im ersten Moment nicht glauben wollen. Das Schauspiel, das vor ihnen ablief, war ungeheuerlich. Roboter, die nicht warnten, aber zerschlugen! Roboter, die nur ihrer seelenlosen Programmierung gehorchten! Die Doppelkugel versuchte zu starten! Die Energie-Ortung der 002 verriet es Dhark. Aber das Schiff rührte sich nicht von der Stelle. Die Luft darum herum war mit bizarren Robotkörpern übersättigt! Sie kamen aus dem Nichts! Sie kamen über den gleichen Weg hinter den hochenergetischen Schutzschirm des Raumschiffes der schwarzen Weißen, wie diese ihre Bomben im Bereich der Ringanlagen zur Wirkung gebracht hatten. Aus oder in den Rohren, die aus der Tiefe führten, wurden sie transistiert, und ihr Sprung war so genau berechnet, daß sie innerhalb der relativ kleinen Schutzsphäre des Doppelkugelraumers den Normal-Raum wieder erreichten! Neue Kombinationen griffen den auffallend dicken Ringwulst an! Arc Doorn hatte etwas entdeckt, das ihm die Zunge löste: »Über die Energie-Ströme des Schiffes, das zu starten versucht, dringen die Roboter in den Ringwulst ein.« Er hatte es kaum ausgesprochen, als der Ringwulst an mehreren Stellen aufriß und Glutbahnen ins Freie stieß! Im Schiff war ein Atombrand ausgebrochen! Was kümmerten sich Zwitts Roboter darum! Dhark drehte seinen Kopf, so weit es ging. »Wonzeff, ich möchte einfliegen, aber allein. Würden Sie…« Der Pilot hatte verstanden. »Okay, wenn wir das Intervall wieder einschalten können!« Das Intervall stand, wurde abgeschaltet, Wonzeff stieg aus und rannte im Schutz seines Raumanzuges zur 003 hinüber. Ob es Dan Riker recht war oder nicht – er mußte ihm Platz machen. Riker tobte, weil Ren Dhark wieder einmal alles auf eine Karte setzte, und zum anderen nicht verraten hatte, warum er in das Schiff der schwarzen Weißen einfliegen wollte. Hatte er nicht genug gehabt an der ersten Begegnung mit diesem Girr-O? Und an Girr-O dachte der Commander. Diesen schwarzen Weißen wollte er aus dem brennenden Schiff retten; den wichtigsten aller schwarzen Weißen, wie er für sie der wichtigste aller Terraner war!
Seine 002 hob ab. Der Flash nahm Kurs auf das Doppelkugelschiff, das einen brennenden Ringwulst besaß. An seinen Instrumenten stellte er wohl eine besonders starke Struktur-Erschütterung fest, doch daß sie ihm galt, ahnte Ren Dhark nicht. Plötzlich raste sein Flash auf ein paar hundert Robotkörper zu, die vor ihm aus dem Nichts aufgetaucht waren. Blitzschnell schlossen sie sich zu einem Ring, dessen Öffnung nicht besonders groß war, zusammen. Dieser Ring nahm Kurs auf seine 002! Dieser Ring nahm vom Intervall des Blitzes keine Notiz. Dieser Ring umschloß das Beiboot der POINT OF! In wilder Entschlossenheit versuchte Dhark den Sle auf maximale Leistung zu bringen! Damit vernichtete er den Flash 002! Die 002 wurde zu Boden gedrückt! Seine fünf Männer, die zurückgeblieben waren, sahen, wie die Roboter den Flash zudeckten. Sie erlebten nicht mit, wie man das Beiboot Nummer 2 der POINT OF aufschnitt! Ren Dhark gab auf, als sein Flash den Boden berührte, aber als er den Riß in der Unitallhaut seines Blitzes immer länger werden sah, und der vordere Antrieb innerhalb weniger Sekunden in einem lautlosen Vorgang vom tankförmigen Flugkörper abgeschnitten wurde, wußte er mit absoluter Sicherheit, daß Zwitt eine Welt der Mysterious war. Und er wußte auch, daß es für Girr-O, den schwarzen Weißen, auf Zwitt keine Rettung mehr gab. Die Roboter-Wacht warnte nicht. Sie schlug zu! Sie vernichtete laut Programm! Sie vernichtete sogar sich selbst! Die Gruppen, die gegen die Doppelkugel in Einsatz gegangen waren, gingen in den Atomgluten des auseinanderfliegenden Schiffes mit unter! Ren Dhark aber war Gefangener einer Robotgruppe geworden. Er steckte in ihr wie in einem Gefängnis, das ihn wie eine zweite Haut umschloß. –ENDE–