KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR
UND KU LT U R K U N D L I C H E HEFTE
HEINRICH
SCHIFFERS
SCHÄ...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR
UND KU LT U R K U N D L I C H E HEFTE
HEINRICH
SCHIFFERS
SCHÄTZE DER SAHARA AUF DER S U C H E N A C H W A S S E R , Ö L , GAS U N D E R Z
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MURNAU•MUNCHEN•1NNSBRUCK•BASEL
70 Grad im Schatten Mehr als dreißig Jahre ist es her, daß ich zum erstenmal — ich hatte gerade mein Universitätsstudium beendet — in die Wüste reiste. Es war im August, und ich rollte im Speisewagen der westalgerischen Bahn durch die Schluchten des Atlas der Sahara entgegen. Damals sprach noch kein Mensch von Erdöl. Wie sollte man auch, da bis 1956 dieser Gedanke nicht einmal als Märchen auftauchte. Im Jahre 1929 verzeichnete die Landkarte inmitten der sieben Millionen Quadratkilometer großen Wüstenfläche noch viele Fragezeichen mit dem Vermerk „Unbekannt". Trotzdem oder gerade deswegen wollte ich dahin. Ich hatte beim Antiquar die fünf verstaubten Bände des Reisewerkes von Heinrich Barth erstanden, der achtzig Jahre zuvor fünf Jahre und fünf Monate lang mit Pferden, Kamelen und zu Fuß im „Meer der Dünen" und im Sudan unterwegs gewesen war. Und ich hatte noch die Bemerkung eines alten, ausgedienten Fremdenlegionärs im Ohr, der sich in meiner Vaterstadt mit Korrekturlesen durchschlug. Mit ihm zusammen hockte ich in den Wirtschaften, und er erzählte mir von seinen Abenteuern. Er hatte einmal seinen Bericht geschlossen mit den Worten: „Tja, mein Lieber, in der Wüste kann man einen Fehler nur einmal machen!" — Also war die Sahara kein Reiseland für Muttersöhnchen. Einige meiner Studienkameraden waren unterdessen nach Indien unterwegs; ihnen hatten es die Himalaja-Gipfel angetan. Und mich, mich hielt die Sehnsucht nach den Weiten der Wüste, nach Karawanen, nach den Lagerfeuern gefangen.
Der Offizier, der mir bei meiner ersten Wüstenfahrt im Speisewagen gegenübersaß, kehrte gerade vom Heimaturlaub auf seine Station tief in der Sahara zurück. Über sich im Gepäcknetz hatte er einen schwarzen Geigenkasten liegen. Funk und Radio gab es hier noch nicht. Der hagere, braungebrannte Mann sah mich zweifelnd und etwas mitleidig an: „Wissen Sie auch, was Sie ausgerechnet jetzt im Sommer da unten erwartet? Wissen Sie, was 70 Grad im Sand für einen Neuling wie Sie bedeuten?" Ich erfuhr es schon, als wir am Ende der Bahnlinie nach 600 Kilometern Fahrt in der Militärstation Colomb-Bechar am Nordrand der Sahara den Zug verließen und durch knietiefen Sand dem kleinen, flachgedeckten Gebäude zustapften, das sich stolz „Hotel Europa" nannte. Ich wagte kaum zu atmen in dem Hitzebrodem, der über mich hereinbrach. Ich hatte auch keine dunkle Brille bei mir, um mich vor den tollen Lichtfluten zu schützen, die von oben, vom hellen Sand und den weißen Mauern zurückprallten und mir das Sehen unmöglich machten. In dem fast völlig dunklen Schankraum erkannte ich M. Suau, den Wirt, zunächst überhaupt nicht. Ich stand da wie betäubt und suchte meine fünf Sinne wieder zusammen, um wenigstens auf seine besorgte Frage, ob mir nicht wohl sei, antworten zu können. Na ja, das war eben damals. Aber ich bin doch nicht „schleunigst wieder nach Norden gefahren", wozu mir auch der Wirt geraten hatte. Ich wollte meine Lehrzeit nicht gleich mit einer Pleite anfangen. Da war ja noch die Oase, ein schöner schattiger Dattelpalmenhain, mit weiten Wegen, die zu den Gärten führten und zum Wadi, dem Bach, mit kristallklarem, kühlem Wasser, in dem es sich herrlich baden ließ. Wenn ich ihm folgte, kam ich an den Rand des Palmenwaldes. Dort türmte sich sogleich, wie eine Wand, die Düne auf. Von hoch oben konnte man nach Süden schauen, wo es nichts Grünes mehr gab und keine Spur von Leben, nur Hügel von Sand und Täler und wieder Hügel. Wie weit? Ich hatte es auf einer Karte ausgemessen: 2000 Kilometer weit, bis die Steppen des Sudangürtels begannen; und 6000 Kilometer breit war dieses „tote Meer" der Sahara von Ost nach West. Wenn man es auf Europa übertrug, würde es den großen Kontinent fast %rollständig mit seinem gelben Leichentuch bedecken. Ein ganzer Erdteil Wüste also! Im Angesicht der Sandfluten saß ich unter den rauschenden Dattelpalmen und las, wie die Franzosen in den Besitz dieser „Mondlandschaft" gekommen waren. 3
Frankreichs „unverdaulicher Brocken" Es geschah um die Jahrhundertwende, als die Engländer und Franzosen Nordafrika bis hinunter zur Guinea-Küste in „Einflußgebiete" aufteilten. Die Engländer gaben sich mit Nigeria „zufrieden", einem Land, das viel guten Boden hatte und dicht bevölkert war. Den Franzosen „überließen" sie die Weiten der Sahara, im ganzen fast vier Millionen Quadratkilometer. Das meiste davon war noch unerforscht; und daß alles völlig wertlos sei, davon waren die Engländer überzeugt. Lord Salisbury, der die Verhandlungen leitete, meinte nachher: „Wir haben dem Gallischen Hahn Sand gegeben, viel Sand, daran wird er wohl seine Krallen schärfen können." Und die Franzosen? Zähe wie sie waren, hielten sie an dem Brocken fest; denn er schien ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihre Besitzungen am Mittelmeer mit denen am Atlantik zu verbinden. Dazwischen mußte man halt einige Posten anlegen, um die Wüstenleute in Schach zu halten. Das waren im Norden Araber und Berber, in der Mitte die stolzen Tuareg, im Osten die flinken Tibbus und im Westen die Mauren. Das beste war, man würde möglichst bald mitten hindurch bis hinunter zum Niger eine Bahn bauen, als Fortsetzung des SchmalspurBähnchens, mit dem ich nach Colomb-Bechar gerollt war. Es gab Kommissionen und Pläne, immer neue Pläne und Sitzungen, eine endlose Zahl, im fernen, ach so fernen Paris; und heute ist die Transsahara-Bahn immer noch nicht gebaut! Denn inzwischen kamen die Autos und die Flugzeuge. Ganz abgesehen davon, daß sich Frankreich die hohen Ausgaben für einen solchen Bahnbau, dessen Rentabilität sehr fraglich war, überhaupt nicht leisten konnte. Ja, das war die eine große Enttäuschung. Jahrzehnte vergingen; man spottete über die „Wüstensammler", über die „Grande Nation", die den Brocken nur der „Gloire", der Ehre wegen festhielt, obwohl er offenkundig unverdaulich war. Es gab da einige Millionen Dattelpalmen, Kamele, ein bißchen Karawanenhandel, Marktverkehr in den größeren Nord-Oasen, und dann das lächerliche Geschäft mit Salz. Ausgerechnet Salz holten immer noch Zehntausende von Kamelen wie schon seit Jahrhunderten aus den Lagern mitten in der öden Sahara und schleppten es zum salzarmen Sudan. Aber Profite, nein, die waren dabei nicht groß zu machen. Doch 1956 schlug die Stunde, da man endlich den großen, ersehnten Schatz aus dem Sand der Sahara' hob: Das erste Öl schoß aus 4
dem Boden, vorzügliches ö l , in unheimlichen Mengen, wenn auch 600 Kilometer von der Küste entfernt, wenn auch mitten im unbarmherzigen Krieg der Franzosen gegen die Algerier. Der „Gallische Hahn" würde also doch noch triumphierend mit seinen Flügeln schlagen; denn Frankreichs junge Mannschaft verwandelte in wenigen Jahren die algerische Sahara in ein Erdölgebiet von Weltrang — und dann kam die zweite Enttäuschung, der endgültige Rückzug, so schien es: Algeriens Unabhängigkeit! Bevor ich jedoch die aufregende Geschichte vom Erdöl in der Wüste weiter verfolge, muß noch von einigem anderen berichtet werden, vor allem vom Wasser, dem größten Schatz in der Sahara, ohne den alle anderen Wüstenschätze ungehoben bleiben müßten.
Vulkane und Hochgebirge in der Wüste Wie oft hat man mir in Europa, wenn ich die Bilder von meinen Reisen vorführte, entgegengehalten, die Wüste sei doch früher einmal ein Meer gewesen, dessen Sandboden sich in Dünen verwandelt
Geologen-Karawane dringt durch die unbefahrene GesteinstrümmerWüste in ein breites Wadi ein. 5
habe. Man brauche nur genügend Wasser hineinlaufen zu lassen, dann hätte man nicht nur reichlich Land zum Bebauen. Auch das Klima würde sich ändern und Niederschläge wären viel häufiger. Es paßt einfach nicht zu den immer noch festsitzenden Vorstellungen über die „sandigen Niederungen" der Sahara, wenn ich im Film Hochgebirge vorführe, die ausgerechnet in der Wüstenmitte liegen, den Hoggar und das Tibesti-Bergland. Sie bedecken zusammen eine Fläche so groß wie Frankreich. Auch das übrige Gebiet besteht aus Hochebenen zwischen 200 und 800 Metern. Freilich gibt es weite Becken dazwischen, aber deren tiefstes liegt noch immer fast 200 Meter über dem Meer. Nur ganz im Norden finden sich einige Strecken unter Meeresniveau. In den Zentralgebirgen ragen Riesenkrater auf, dreitausend Meter hoch und mehr. Schwarze Schlünde von mehreren Kilometern Durchmesser öffnen sich, und tief unten, sechshundert Meter eingesenkt, leuchtet es weiß von dicken Salzkrusten. Deutlich erkennen wir, wie von den Vulkanausbruchstellen aus mächtige Lavaströme hinabgeflossen sind. Sie haben zunächst die Plateaus in 2000 m Höhe überdeckt, sich wie Wasserfälle hinab in die Wüstenebene gestürzt und sich hier über Hunderte von Kilometern ausgebreitet. Da liegen sie noch, schwarzglänzend wie riesige Tigerpranken, und heben sich scharf von den unermeßlichen Ebenen ab, die in Gelb und Rot schimmern. Ein wahrhaft phantastischer Anblick! Da sage einer, die Wüste sei eintönig! Man kann sogar ungefähr angeben, wann diese Vulkane tätig gewesen sind. Es mögen sechsbis achttausend Jahre her sein, als Feuer zum Himmel lohte und Aschenmassen das Sonnenlicht verdunkelten. Ausgerechnet in dieser Zeit war die Sahara noch gar keine Wüste wie heute. Damals war sie wirklich das, was so viele Plänemacher Europas wieder hervorzaubern möchten: ein Paradies.
Als die Sahara ein „Paradies" war Bei uns ging in dieser Epoche die letzte Eiszeit zu Ende, der in Nordafrika eine Regenzeit entsprach. Wolken bedeckten den Himmel, und jedes Jahr gab es genug Regenfälle. Immer wieder habe ich staunend am Rand der tief eingegrabenen Wadi gestanden, der Trockentäler, die von den Gebirgen noch weiter als der Rhein ins Innere hineinziehen; heute sind sie ohne eine Spur von Grün, wenn man von wenigen Akazien am Rande absieht, und streckenweise hoch angefüllt mit Sand, über den der Wind dichte Staubfahnen treibt. 6
Da rauschten einst die Fluten, Wälder überzogen die Steppe« draußen, Strauße, Elefanten, Löwen, Antilopen, Flußpferde lebten in Scharen, und Menschen fanden hier ihren Unterhalt zu Zehntausenden. Kaum auszudenken, wenn man in der Gegenwart fünfhundert bis tausend Kilometer weit kein Wasserloch und kein lebendes Wesen antrifft. Man weiß sogar, wie sie ausgesehen haben, diese Ur-Saharier; wie sie sich mit Straußenfedern schmückten zum kultischen Tanz; wie sie Rinderherden hüteten und mit den Nachbarn darum kämpften. Auch hatten sie Wagen, mit Pferden bespannt. Damit durchfuhren sie die Steppen von einem Ende der Sahara bis zum anderen. Ihre Werkzeuge waren aus Stein. Man findet sie heute noch zu Tausenden, wohl gerundet oder zugespitzt, auf den Dünen, und zwar oft gerade da, wo seit Menschengedenken nie ein menschliches Wesen gelebt hat. In je abgelegenere Gegenden wir mit der Karawane kamen, desto häufiger fanden wir Grabhügel, Grabkammern und ringförmige Steinsetzungen. Am Ufer großer Seen aber lebten Fischer. Tonschichten und Salzkrusten zeigen noch den Boden der ehemaligen Wasserflächen an. Riesen-Tiergerippe ragen noch festgebacken aus dem steinharten Schlamm. Angelhaken aus Fischgräten sind verstreut, Tonscherben werden ausgegraben. Einmal lagerten wir an einem steilen Felshang. Ich betrachtete ihn, und wie die Sonne sank, wurden die Umrisse einer Zeichnung sichtbar. Drei Meter hoch war da eine Giraffe in den harten Fels gepickelt. Die Karawanenleute ließen mich mit einem Strick vom oberen Rand des Felsens herab. Ich zog mit Kreide die Umrisse nach, um am nächsten Morgen eine Aufnahme machen zu können. Nicht nur im Westen gibt es solche Bilder. In der Ostsahara entdeckte man in der Felswand einer nachtdunklen Höhle noch interessantere Zeichnungen. Hier waren Menschen an die Wand gemalt, die deutlich Schwimmbewegungen machen — in einer Gegend, die heute so trocken ist, daß man sie eine Wüste in der Wüste nennt. Der Künstler muß sein Werk bei Fackelschein ausgeführt haben. Als dann weit ab von allen Siedlungen ölfunde gemacht wurden und mit den „Petroliers" auch die Vorgeschichtsforscher kamen, fand man nicht Dutzende, nein, Tausende der herrlichsten Bilder, auf fast unzugängliche Felswände geritzt und gehämmert oder unter vorragende Felsplatten gemalt — viele Meter lang, wie ein Film, und alles in dramatischer Bewegung: der Tanz, die Jagd, und immer wieder der Kampf. 7
Wenn auch keine Schrift entdeckt wurde, wie etwa die Hieroglyphen auf den Grabwänden Ägyptens, und nie ein Reisender des Altertums über die Geister-Bilder berichtete, so läßt uns doch diese steinerne Chronik der Sahara in eine ferne Welt schauen, die zum Untergang verurteilt war von dem Zeitpunkt an, als nach dem Ende der europäischen Eiszeit die „Ver-Wüstung" über Nordafrika hereinbrach. Nicht von heute auf morgen. Nein, von einem Jahrhundert zum andern. Immer länger blieben die Regen aus. Die Ströme wurden zu Rinnsalen, die Bäume verschwanden. Jahrelang zeigten sich keine Wolken mehr am Himmel. Elefanten, Flußpferde und Krokodile wanderten nach Süden, wo heute noch Savannen und Wälder sind und vom Meer her Feuchtwinde genügend Regen bringen. Andere zogen sich ins Innere der Gebirge zurück, wo Regenteiche sich länger hielten, wo auch die letzten Ur-Saharier wie auf Inseln lebten und die Schluchtwände mit den Bildern ihres Alltags bedeckten. Nun herrschte überall, vom Atlantik bis zum Roten Meer, und noch weit darüber hinaus, über die ganze arabische Halbinsel hinweg, das Schweigen der Wüste. Der Sand und Schlamm der Seen und Flüsse verwandelte sich in Staub, den die heißen und trockenen Winde davontrugen und in den Ebenen draußen zu Dünen anhäuften.
Heißes Land, in dem es sehr kalt wird Seit jener Zeit herrschen allein die Trockenheit, das Sonnenfeuer von morgens sechs bis abends sechs, und dieser schreckliche Wind; dreitausend, viertausend, fünftausend Jahre. Nachts strahlt die Hitze rasch in den wolkenlosen Himmel aus. Die Kälte kriecht unter den Burnus. Nie habe ich so schrecklich gefroren wie in diesen Wüstennächten! Wie oft fand ich morgens vor Sonnenaufgang das Ther-
Aus der „Steinernen Chronik" der Ur-Saharier (Felszeichnungen in der Wüste, nach H. Lhote) 8
mometer mit Temperaturen unter Null, das Wasser, das in einem Behälter draußen stehengeblieben war, mit einer Eisschicht überzogen — und das in einem Land, das als das heißeste der Welt gilt; denn tagsüber steigt die Temperatur mit unerbittlicher Regelmäßigkeit an. Ich konnte mir in den ersten Zeiten meiner Karawanenreisen lange nicht erklären, warum die barfüßigen Eingeborenen beim Pakken der Tiere immer die Beine anhoben und herumhüpften, was doch ihrem sonst so würdigen Verhalten widersprach. Bis ich einmal mittags in der Sonne auf der Sandoberfläche sage und schreibe 70 Grad gemessen habe. Da wußte ich Bescheid, weshalb sie herumtänzelten. Natürlich muß dieser ständige Wechsel der Temperaturen auch die Felsen angreifen. Es bilden sich Risse. Quadratmetergroße Platten stürzen herab und zersplittern zu Trümmern.
Wasser — der kostbarste Schatz der Wüste. Schafherde drängt sieh zum Wasserbrunnen, der bei einer Ölbohrung erschlossen wurde 9
Im mauretanischen Adrar, einem Plateaugebirge der westlichen Sahara, zogen wir einmal in etwa sechshundert Meter Höhe wochenlang über solche finsteren Felstrümmerebenen. Tagaus, tagein ging es im Schritt der Kamele, wie wenn wir über Mondfelder zögen. Vergebens spähten wir am Horizont nach einem Baum, der Schatten verhieß, oder nach einer Bergspitze, die uns von der Leere der Horizonte erlöst hätte. Meist schritten wir, nur mit Sandalen an den nackten Füßen, neben unseren Tieren her, besonders dann, wenn wir die Tiere nicht übermüden durften. Wo wir auch hinblickten, überall Gesteinstrümmer, mehrere Zentimeter dick und handgroß, alle schwarz gefärbt und in der Sonne wie Fett leuchtend. Was uns auf die Dauer nervös machte, war das klirrende Geräusch, wenn sie zersprangen, so als ob wir über Glassplitter gingen. Wie müde wir am Abend waren, kann man sich denken. Am meisten regte uns aber dieser Wind auf, der auf tausende Kilometer kein Hindernis findet und manchmal drei, manchmal auch sieben Tage geht und nur nachts einige Zeit aussetzt. Man kann kaum ein Papier in die Hand nehmen, das nicht davonflattert; den Bleistift muß man an einer Kordel befestigt tragen. Warm war dieser Wind und vor allem trocken, also reichlich angenehm zunächst. Aber von überallher brachte er Sand mit. Kiesel trommelten gegen die nackten Beine, wenn wir neben den Tieren schritten. Feine Sandkörnchen ritzten einem die Haut auf Wangen und Arm. Sand stäubte in den Becher, wenn man abends am Lagerfeuer sich aufatmend einen Löffel Suppe zwischen die Lippen schob. Der Wind aber und die Sonne sind zugleich schlimme, heimliche Diebe; denn vereinigt saugen sie den Körper aus. Literweise verloren wir Schweiß. Doch die Haut blieb trocken. Und dann fing der Durst an. Ängstlich beobachteten wir die Ziegenfellschläuche, die Girbas, die am Rücken der vor uns trottenden Kamele baumelten. Möge nur ja nie eine Schnur reißen! Denn die Liter waren abgezählt. Zehn Liter von der oft stinkenden Brühe mußten wir zu uns nehmen, wenn wir nicht unsere Kräfte verlieren wollten. Wir gierten auch nach den Tabletten gewöhnlichen Kochsalzes wie nach Pralinen. Denn auch das Salz wird ja tagein, tagaus dem Körper entzogen, oft in geradezu gesundheitsschädigenden Mengen. Da unser Tagespensum während des Rittes durch das Mauretanische Bergland morgens um sechs Uhr begann und abends zur gleichen Zeit aufhörte, mit nur einer Pause am Mittag, hatten wir genügend Zeit zum Schauen. Das Schwarz der Felsen bedrückte. Es machte schweigsam. Anfangs hielt ich alles Gestein für Basalt. Bis ein Schlag mit dem Hammer mich belehrte, wie sehr ich mich ge10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2007.01.07 15:06:36 +01'00'
täuscht hatte. Es löste sich eine Kruste, man konnte sie abheben, dann noch eine, wie die Schalen einer Zwiebel. Darunter war heller, ganz feiner Sand, dann kam der noch unverwitterte Kern, hellrot: Es war alles Sandstein. So arbeitet die Verwitterung. Das schimmernde Schwarz rührte von Ausschwitzungen her. Eisen wird in Lösung mit Salzen durch die feinen Risse an die Oberfläche geführt und schlägt sich dort nieder. Das Salz aber durchtränkt den Boden bis in große Tiefen. In Niederungen schwitzt es zu Kochsalzlagern aus, den Sebkas oder Schotts, die wie Schnee in der Sonne glitzern. Dorthin kommen die Nomaden und holen es sich für den Haushalt oder zum Handel. Nach kurzer Zeit ist es „nachgewachsen". Dieses Salz zermürbt den Stein. Von dem Plateau ritten wir — bei uns war eine Gruppe von Geologen, die nach Eisenerzlagern suchten — hinaus in die umlagernden Dünen. Federnd stapften die Kamele mit uns hoch und höher die schrägen Wände hinauf. Manchmal sind diese Sandgebirge über hundert Meter hoch. Oben ging es am scharfen Grat entlang. Rechts von uns fiel das Gebilde steil ab. Wer da hinabrutscht, versinkt wie in tiefem Wasser. Die windabgewandte Seite, zu der über den Kamm fortgesetzt die Körner hinabrinnen, ist ganz lose geschüttet. Manchmal machte mich der maurische Begleiter auf ein dumpfes Trommeln aufmerksam, das auf- und abschwoll. „Hörst du, Sihdi, das ist Raul, der Geist der Wüste, der Trommler des Todes!" Natürlich war es nur das millionenfach verstärkte Geräusch der rinnenden Körner. Aber ein Schauer blieb doch zurück. Ich wußte, daß wir uns in einem Erg befanden, in einem richtigen Sandmeer, in dem die Dünen sich einige hundert Kilometer weit von West nach Ost aneinanderreihen, in der Richtung des herrschenden Nordostpassat; dazwischen ist immer ein Gassi, eine schmale, sandfreie Zone, mit geschwärzten Kieseln und flachem Felsboden. Diese Gassi zogen wir entlang, suchten eine Querrinne, um in den nächsten Zwischenraum einzureiten. So überwindet man ein Sandmeer, dessen Gesamtfläche oft die Größe Bayerns erreicht. Von ihnen gibt es an die fünfzehn, manche ohne ein einziges Wasserloch, manche mit Brunnen, die man aber zu finden wissen muß. Rechnet man alles zusammen, dann kommen etwa zwei Sechstel der gesamten Wüstenoberfläche heraus. Das andere wird von Gesteinstrümmer-Ebenen gebildet, wie wir sie vordem überquerten. Wieder andere Ebenen sind, endlos wie das Meer und fast ganz ohne Bodenwellen, mit fast gleich großen Kieseln bedeckt. Ohne das mindeste Grün, geschweige denn einen Baum. Unvorstellbar! Serir oder Reg heißen solche Geröllteppiche. Am tückischsten aber 11
sind die Gipswüsten, die man im Osten antrifft. Grell und stumm blitzen sie einem entgegen. Nie weiß man, wohin man den Fuß setzen soll, ohne in den pulverfeinen Staub zu sinken, den jeder Schritt aufwirbelt und der sich in die Augen setzt und zum Husten reizt. Dazu die Hitze, die Stille, die Sonne, vor der man sich nirgends verkriechen kann. Ausgerechnet in solchen Gegenden sind die bedeutendsten Funde an Erdöl gemacht worden. Dort müssen die Bohrtrupps wochenlang hausen und können nur aus der Luft versorgt werden.
Regen, der nicht naß macht Doch noch andere Überraschungen hielt die Wüste für mich bereit. Als wir uns bei der Mauretanien-Reise am Südrand der Sahara befanden, kamen wir in die Zone, in der es zur Sommerszeit Gewitter gibt. Manchmal, wenn wir fast betäubt von Licht und Hitze mittags nach sechsstündigem Ritt Rast machten, sprachen wir davon wie vom Weihnachtsmann. Und wirklich, tags darauf bildeten sich hoch über uns Wolken. Wir staunten sie an wie Kinder. Rasch färbten sie sich. An der der Sonne entgegengesetzten Seite waren sie rötlich. Bald senkten sich weißliche Fahnen herab, die von grauen Streifen durchzogen wurden. Regen! Immer tiefer senkten sie sich hernieder. Würden sie uns erreichen? Ein kühler Wind sprang auf. Er elektrisierte die ganze Gesellschaft. Die Kamele trotteten schneller. Schnuppernd schoben sie die Nüstern vor. In den weiten, flauschigen Gewändern strafften sich die Muskeln unserer erschlafften Körper. Ein talergroßer Tropfen klatschte vor uns auf die glühend heiße Felsplatte und verzischte. Wir standen und staunten das. Wunder an. Doch dabei blieb es! Wir sahen die grauen Regenschwaden deutlich aus dem Weiß und Blau des Himmelsgewölbes herabsinken. Sobald sie eine bestimmte Tiefenlage erreicht hatten, zerfaserten sie in weißliche, feierlich hinschwebende Schleierfetzen. Es regnete wahrhaftig und wirklich, aber leider, nur über unseren Köpfen; die über der Erde lagernde, trokkene und heiße Luftschicht ließ alle Feuchtigkeit sogleich verdampfen. Kurz darauf war alles zerronnen, und der Glutwind glitt wieder eintönig singend über uns hin, als ob das Wolkenspiel eine Fata Morgana, ein Trugbild, gewesen wäre. Anderswo aber, vielleicht hundert Kilometer westwärts, strömten in dieser Stunde gewiß mächtige, wolkenbruchartige Güsse nieder und erweckten die mit Gesteinstrümmern gefüllten Schluchten zu tosendem Leben. Irgend12
wo hatte ich gelesen, daß die Sahara ein Land ist, in dem mehr Menschen im Wasser als im Sande umkommen. So ist es nicht selten, daß erschöpfte Karawanen, die sich in dem kostbaren Schatten eines Trockentals dem Schlaf hingeben, von jäh hereinbrechenden Fluten überrascht werden, an einem Ort, der vielleicht fünf bis sieben Jahre lang keinen Tropfen Wasser mehr gesehen hatte. So kann es kommen, ich habe es selber mehrfach erlebt, daß man auf eine Ebene gerät, die mit zehn und mehr großen, ganz flachen Seen überzogen ist, so daß man sich nach Finnland versetzt glaubt. Elektrisiert gleitet man von seinem Tier und stürzt sich jauchzend in die kühle Flut. In Eile werden auch die letzten Schläuche und alle Behälter gefüllt. Alles ist Freude und Übermut. Kehren wir nach Wochen in die „Seenlandschaft" zurück, dann glauben wir selber, was unser Begleiter erzählt, daß ein Djinn, ein böser Geist, uns genarrt hat; denn das ganze „saharische Finnland" ist verschwunden. Wieder splittern die trockenen Gesteinsscherben; wieder wirft uns jeder Windstoß mehlfeinen Staub ins Gesicht. Längst war alles verdunstet. Nur ein Teppich tausender gelber, roter und blauer Blumen, der sich noch im Windschutz eines hohen Hanges hinzog, verriet, daß es diese Zauberseen hier wirklich gegeben hatte.
Das große Sterben Warum in der Sahara vor acht- bis zehntausend Jahren das große Sterben begann und in Europa die Gletscher fast ganz abgeschmolzen sind, das wissen wir immer noch nicht, trotz aller weltweiten meteorologischen Wissenschaft. Aber wir wissen, daß seitdem ein Wind ständig aus den innerasiatischen Wüsten aufsteigt, dann immer weiter nach Süden und damit in immer heißere Gebiete gerät und deshalb immer mehr Feuchtigkeit zu speichern in der Lage ist. Um etwas davon abzugeben, müßte Kühle eintreten; doch das geschieht nicht. Daher ist das Schicksal der ganzen afrikanisch-asiatischen Wüstenzone seit jenen Jahrtausenden die Trockenheit. Der Wind, der stets aus der gleichen Richtung, aus Nordost kommt, ist die Hauptursache für diese Trockenheit. Nur wenn vom Süden herbeigesogene feuchte Meerwinde in den Trockenraum geraten, kommt es zu Gewittern oder zu kürzeren Regenzeiten und am Südrand zur Ausbildung kurzlebiger Steppenzonen. In der übrigen Zeit ist die Luft so trocken, daß man die sogenannte relative Feuchtigkeit mit so niedrigen Prozentzahlen angeben muß wie sonst nirgends auf der Welt. Im Durchschnitt sind 13
«s wohl 30 (bei uns im Norden meist über 70). Nicht selten aber sinkt die Zahl auf 20, auf 10 oder gar auf 5. Sie erreicht dann die kritische Schwelle, die für den Menschen Lebensgefahr birgt, weil sein Herz nicht mehr in der Lage ist, voll seine Funktionen zu erfüllen, ganz abgesehen davon, daß der Körper zuviel Feuchtigkeit verloren hat, die er — neben dem Salz — nicht leicht ersetzen kann. Nicht umsonst werden die transsaharischen Pisten — die Spurwege — jedes Jahr von Juni bis September für die Durchfahrt gesperrt. Nicht umsonst werden alle Arbeiter auf den ölfeldern in dieser Zeit sorgfältigst von Ärzten überwacht und die wenigen Frauen und Kinder der Beamten, die in den großen Oasen der Nordsahara Dienst tun, während dieser Monate Jahr um Jahr in kühlere Regionen verbracht. Schon solche Klimabedingungen sollten uns davon überzeugen, daß von einer Massenbesiedlung der Großen Wüste — im Gegensatz zu phantastischen Projekten vergangener Jahre — nie die Rede sein kann. Von den etwa eineinhalb Millionen Menschen, die im Wüstenbereich nachgewiesen werden können, leben etwa 600 000 in den großen Oasenstädten des Nordens, in denen man sich gut gegen die sommerliche Hitze schützen kann.
Phantastische Projekte Und noch eins, wonach ich immer und immer wieder gefragt werde: Wie steht es mit der Klimaverbesserung durch große Stauseen? Ich glaube, die vorher geschilderten Zustände und Erlebnisse müßten eigentlich schon davon überzeugt haben, daß auch das nur ein schöner Traum ist, selbst wenn man Millionen Dollar dafür opfern würde. Was würde es nützen, wollte man Meerwasser, also salziges Wasser, in die Wüste pumpen? Und zudem: Würde man überhaupt genügend große und tiefliegende Flächen finden, deren Gestein das Wasser nicht allzu rasch versickern ließe? Oder ein anderer Vorschlag: Er sieht vor, Wasser vom Kongo her in den Tschad-See zu leiten und diesen See zu einem riesigen Meer anzustauen. Aber was könnte ein solches Meer für die gesamte Sahara überhaupt bedeuten, für eine Fläche so groß wie von Madrid bis hinter den Ural unter einem Glutwind, der stets aus der gleichen Richtung kommt und keine Feuchtigkeit abgibt? Was sollte da ein noch so großer See ausmachen? Er würde unvorstellbare Massen von Salz aus dem Boden lösen. Die Untiefen würden zu einem Morast werden, einer Brutstätte der Malaria, und die versalzten 14
Wasser würden das kostbare Gras verbrennen; denn um es süß zu halten, müßte man für ständigen Abfluß sorgen. Was das kostet, können wir ausrechnen, wenn wir nur an die Dränage einer Wiese bei uns denken. Nein, solange nicht die große Luftzirkulation geändert werden kann, solange nicht der Passatwind eine andere Richtung bekommt, die südlichen Feuchtwinde weiter nach Norden gezogen werden, der Niederschlag nicht wenigstens 150 Millimeter im Jahr überschreitet, solange ist nicht mit einem „Meer in der Wüste" zu rechnen. Höchstens, daß in der Nähe der Oasen auf andere Weise einige hundert Quadratkilometer dem Anbau gewonnen werden und daß sich dem, der im Flugzeug darüberfliegt, ein paar Grünflecken mehr darbieten, als es jetzt der Fall ist. Vielleicht geschieht das in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, falls man die Millionen aus Erdölgewinnen wirklich dafür zielbewußt und in sorgfältiger Planung einzusetzen bereit ist. Das Wasser hierfür muß von ganz woanders herkommen, aus der Tiefe nämlich. Damit schlagen wir ein neues Kapitel im Buche von den Saharaschätzen auf, eins mit vielen guten, leider aber auch schlechten, weil unbekannten Seiten.
Wasser aus der Wüste Nie werde ich jenen Tag 1959 vergessen, als ich mit meinen Händen im Sand wühlte und er sich dunkel zu färben begann. Ich grub hastiger und tiefer, und da stieg mir wirklich und wahrhaftig Wasser entgegen, kühles, klares, köstlich schmeckendes Wasser! Wer nie durch die Sahara geritten ist, immer vom Gedanken gequält, den Brunnen zu verfehlen, wer nie den Karawanenführer mit den Gefährten ängstlich umstanden hat, wenn er abends die Becher schmutzigen Wassers aus der letzten Girba mit ernstem Gesicht einem jeden zuteilte, wer nie in toller Mittagshitze den Ledereimer ins schwarze Brunnenloch hinabließ und mit klopfendem Herzen darauf wartete, ob er auch wirklich den Wasserspiegel erreichte, der kann sich nur schwer vorstellen, was es für mich bedeutete, Wasser so einfach aus einem Meter Tiefe hervorzuzaubern, soviel man brauchte Die Frage ist, wo das Wasser herkommt, wenn es nicht in ausreichender Menge vom Himmel fällt. Denn an sehr vielen Stellen der Sahara findet man Wasserstellen. Die Bewohner haben es seit je verstanden, sie sich auf oft bewunderungswürdige Weise zu 15
schaffen. Im allgemeinen erscheint Wasser an der Oberfläche nur dann, wenn es unter Druck steht. Dazu muß man etwas vom Bau des Untergrundes der Sahara wissen; das ist ja auch für die ö l wirtschaft wichtig. Ganz zuunterst liegt das Grundgebirge aus Granit, Gneis und kristallischen Schiefern, das einmal den Kern eines Ur-Afrika gebildet hat. Durch spätere Erdbewegungen geriet der Kern nicht überall an die Oberfläche; nur Teile davon hoben sich inselartig hervor, so in der westlichen Sahara, in den Hochgebirgen am Südrand und ganz im Osten. Dazwischen erstrecken sich die sogenannten Deckschichten, Sedimente, Ablagerungen aus Kalk- und Sandstein, Rückstände zumeist von Meeren, die in Hunderten von Millionen Jahren sich über weite Teile Afrikas ausbreiteten, dann wieder verschwanden und in anderer Begrenzung später irgendwo auftauchten. In diesen Zeiten gab es erneute Bewegungen, vor allem Faltungen, die bis tief in das Grundgebirge hinabreichten. Die höchsten Faltungen traten zuletzt ein und schoben sich schließlich ganz im Norden zum Atlasgebirge zusammen. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Stellen wurden auch die Deckschichten gefaltet. Darüber breiteten sich wieder andere Schichten, die durch Verwitterung zu den heutigen Ebenen abgetragen worden sind. All dies wurde durch Verschiebungen noch komplizierter, und wir begreifen, warum die Wassersuche und auch die ölsuche eine langwierige und kostspielige Arbeit ist. Können wir uns überhaupt vorstellen, welche Gedanken die Bewohner der Oasen bewegen, wenn eine Wasser- oder Ölquelle angebohrt ist? Uns ist das alles selbstverständlich. Für sie ist besonders geheimnisvoll die Frage, wie die Techniker bloß die Stelle so richtig getroffen haben. Da fliegen sie über die nackte Felswüste hinweg. Ein Apparat zeigt mit einem Haken in der Kurve auf einem 'aufenden Papier an, daß sich an der und der Stelle etwas unter der Oberfläche, in der und der Tiefe befinden muß. Die Stelle wird genau fixiert. Nach Monaten taucht dort ein anderes Flugzeug auf, geht nieder, landet weit ab von allen Oasen. Heraus quellen riesige Pakete und Maschinenteile. Die Männer schlagen Zelte auf, eine Kabine wird zusammengesetzt, man erzeugt Strom. • Schon ist eine klimatisierte Baracke da. Ein weiteres Flugzeug bringt Nachschub. Nun brennt elektrisches Licht. Der schwarze Koch bereitet Essen auf der Kochplatte. Ein Tankwagen oder ein Hubschrauber bringt Wasser heran, das man fürs Trinken, fürs Kochen und natürlich auch für den künstlichen Bohrschlamm braucht. So eine Mannschaft von, sagen wir 45 Mann, benötigt pro Tag 50 00Ö 16
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Liter für die Bohrung und 5000 bis 8000 Liter für die Mannschaft. Nach weiteren Wochen oder Monaten ist der Bohrturm zusammengeschraubt. Der Meißel dreht sich, frißt sich ins Gestein. Es geht Tag und Nacht durch in drei Schichten. Die Hilfsmannscbaft, junge Leute aus den benachbarten Oasen, kommt gar nicht dazu, sich über die veränderte Umwelt zu wundern. Zum erstenmal haben Achmed und Habib soviel Zigaretten, wie sie wollen. Sie essen mit den anderen, nicht jeden Tag den gleichen Hirsebrei oder eine Handvoll Datteln. Und, oh Allah, sie brauchen jetzt nicht mehr mit dem Esel zum Brunnen zu gehen und das Wasser für die Familie heraufzuseilen. Sie brauchen auch nicht mehr mit dem Esel in den Oasengarten zu wandern, um den hineingewehten Sand vom Gemüsefeld in die Körbe zu laden, und das ein Jahr um das andere, nur für das Essen beim Vater, und solange, bis man selber Söhne hat, die diese Sklavenarbeit fortsetzen — einfach fortsetzen müssen; denn was sollte sonst aus der Oase werden, aus dieser einsamen Insel mitten im Sandmeer? Kein Wunder, daß Achmed auch viele seiner Freunde nach sich zieht, ohne sich um das Gejammer der Alten zu kümmern, für die „Oasenflucht" oft auch „Oasensterben" bedeutet. So geschah es immer öfter; denn jeder Bohrtrupp brauchte Helfer. Die nach europäischen Begriffen lächerlich geringen Löhne waren für die jungen Burschen ein Vermögen. Inzwischen tat der Bohrturm seine Schuldigkeit. Das Wasser lief immerzu; zunächst floß es ungenutzt in die Wüste. Dann wurde ein Tank zementiert, dann war ein vielleicht viele Kilometer langer Kanal bis zu den Pflanzungen entstanden. Die jungen Leute brauchten auch dort nicht mehr die stupide Arbeit am Brunnen zu verrichten, und jetzt konnte auch der Vater zufrieden sein, denn jetzt bekam er Wasser genug. Die Regierung überwachte alles. Vorbei waren die Zeiten, da man sich am „Wassergericht" zankte, weil der Wasserhüter einen betrogen zu haben schien. Eins blieb indessen leider auch jetzt noch zu bedenken: Zuviel Wasser konnte zuviel Salz im Boden lösen, so daß sich schließlich harte weiße Krusten bildeten, die sich kaum mit dem Spaten abheben ließen. Da jetzt viele das Feld aufgaben und sich, wenn es möglich war, weiter draußen ein neues herrichteten, kam es darauf an, einen Kanal auch für den Abfluß zu schaffen. Kurz und gut, die neue Zeit mit der vermehrten Suche nach Wasser, die notwendig mit der Suche nach öl verbunden ist, hat eine wahre soziale Revolution in der Wüste hervorgerufen. Im Unit
günstigen Fall hat sie durch Abwanderung von Arbeitskräften die Lebenswelt einer kleinen, abgelegenen Oase erschüttert, im günstigen Fall arbeitslose Burschen nützlicher Beschäftigung zugeführt. In einigen Oasen gibt es schon seit langem Fachschulen, in denen die Bewohner mit den notwendigen technischen Arbeiten, namentlich mit der Wartung der Maschinen vertraut gemacht werden; denn vergessen wir nicht: Die beiden Länder, in denen nach Wasser und öl gebohrt wird, Algerien und Libyen — von Ägypten und anderen Ländern gar nicht zu reden —, sind selbständig und möchten so rasch wie möglich die europäischen Arbeiter durch einheimische ersetzt sehen. Den großen Gesellschaften kann das nur recht sein; so wird das gute Verhältnis zwischen ihnen und den Staaten gewahrt, auf das sie angewiesen sind.
Nomaden der Neuzeit Eine erfolgreiche Bohrung auf Wasser oder auf öl verursacht Kosten in Höhe von einer Million Mark und mehr. Es ist verständlich, daß sie sorgfältig vorbereitet werden muß, will man nicht zu ergebnislosen Probebohrungen genötigt sein. Um dahinter zu kommen, wie die Schichten unter der Oberfläche verlaufen, in die man nicht hineinschauen kann, wurden noch andere Verfahren entwickelt. Man veranstaltet z. B. ein künstliches Erdbeben und schließt aus der Fortpflanzung der erzeugten Druckwellen im Gestein, ob eine Bohrung Erfolg verspricht oder nicht. Auch diese Vorarbeiten sind schwierig und teuer. Sie verlangen den Einsatz von Spezialisten, und sie erfordern Einrichtungen, die es ihnen ermöglichen, in einem Naturraum wie der Sahara für kürzere, aber auch für längere Zeit sommers wie winters auszuhalten. Dabei handelt es sich meist um junge Leute aus großen Städten, die brausendes Leben und Ablenkungen aller Art gewöhnt sind. Sie müssen, ungeachtet der guten Ernährung und des hohen Lohnes, in dieser Zeit das Leben von Wüstenleuten führen und mit der Einsamkeit und mit sich selber fertig werden — und das ist nicht so leicht, wie es sich hier liest. Auch wechseln die Trupps unaufhörlich ihren Standort. Es sind Nomaden der Neuzeit, die keine andere Abwechslung haben als die oft eintönige Arbeit an Statistiken, in den Labors und an den Bohrplätzen.
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Brunnenbau Immer, wenn ich die Bohrleute oben im Gestänge des Derricks — des Bohrturms — bei der Arbeit sah oder wenn die Schwaden des Sandsturms sie mir verhüllten, dachte ich: Wie haben es bloß die Alt-Saharier fertiggebracht, ihre Tausende von Brunnen aus dem festen Fels herauszuschlagen, und mehr noch, wie haben sie gewußt, wo nach Wasser zu suchen sei? Zwischen dem Tschad-See und dem Oasengebiet um Kufra in Südost-Libyen gibt es auf mehr als zweitausend Kilometern einige wenige Brunnen, die nur dafür geschaffen wurden, damit durchreisende Kaufleute ein vordem un^ passierbares Gebiet von eineinhalb Millionen Quadratkilometern überhaupt überwinden konnten. Die Karawanen führten oft Hunderte von Kamelen und Dutzende von Kameltreibern mit, die neben der Nahrung jeden Tag ihr Quantum Wasser brauchten und die wochenlang unterwegs waren. Wie haben es die Arbeiter — sicher waren es schwarze Sklav e n — angefangen, dort in der bäum- und strauchlosen Einöde das erste metertiefe Loch in den harten Fels zu schlagen, an einer Stelle, die ihnen von einem erfahrenem Brunnenbauer bezeichnet war? Woher hatten sie da.s nötige Wasser, ehe sie es aus dem erst zu schaffenden Brunnen entnehmen konnten? Was trieben sie die Zeit über, wenn sie nicht stumpfsinnig unter der unbarmherzigen Sonne, immer tiefer hinabsteigend, das Gestein loshackten? Wer half ihnen, wenn sie einmal krank waren? Wie verhinderten sie, daß sie unten nicht erstickten? Oft hatte man nicht einmal Palmstämme, um die Wände abzustützen; denn konnte man sicher sein, nicht eine bröckelige Tonschicht durchstoßen zu müssen? Wann immer ich meinen Kabir danach fragte, abends beim Lagern, erwiderte er, verwundert über solche europäische Neugier: „Oh Sihdi, was du nicht alles wissen möchtest! Genügt es dir nicht, daß Allah es weiß?" Einfacher hatten es die Saharier in der Landschaft Tuat, in der algerischen Sahara, wo Wasser aus schräg liegenden Schichten sikkerte. Man grub genau da, wo das Wasser hervortrat, Stollen in das Plateau hinein, so wie die Schichten einfielen, und folgte unterirdisch seinem Lauf. Zur Arbeit krochen die Leute mit Körben in die Tunnels, die mehrere Meter unter der Oberfläche, leicht geneigt, in den Berg hineinführten. Sie schufen so im Laufe der Jahrhunderte einige Hundert Kilometer solcher „Foggaras". Damit das Wasser frisch blieb und man die Stollen leichter reinigen konnte, wurde alle paar Meter ein Schacht nach oben geführt. An 20
solch runden Eintiefungen im Boden, die wie Perlen einer Kette aufeinanderfolgen, vermag man diese Leitungen unter dem Wüstenboden leicht zu erkennen. Auch hier geschah der Ausbau mit Hilfe von Sklaven. Noch immer liefern manche dieser Leitüngswerke Wasser, wenn auch längst nicht mehr soviel wie früher. Seitdem die Sklaverei aufgehoben wurde, hatten die Befreiten keine Lust mehr, ihr Leben lang wie Maulwürfe unter der Erde zuzubringen und Felsbrocken zu schleppen, zu einem Lohn, der meist nur aus dem Essen, gelegentlich einem Burnus oder vielleicht auch einem Stückchen Pachtland bestand. Viele dieser kunstvollen Stollenwerke gerieten in Verfall. Decken stürzten ein, das Wasser verschmutzte, Kanalteile wurden verstopft. Die Folge war, daß auch die Gärten verfielen, daß Menschen hungern mußten, daß sie anderswohin zogen und Oasen von der Wüste zugedeckt wurden. In Libyen findet man gelegentlich noch um Tripolis und in Oasen wie Gadames* Brunnen, mit Schwenkbalken, an deren einem Ende ein schwerer Steinbrocken als Gegengewicht gegen die Eimerlast angebunden ist. Oder man schüttete einen künstlichen Hügel an, den ein Esel hinauf- und hinabläuft, wobei er an einem Strick, der über eine Rolle läuft, einen Eimer oder Ziegenbalg heraufzieht oder hinabläßt. Alle diese Einrichtungen werden nur noch selten. benutzt. Wenn Filmleute kommen und gut bezahlen, stellt man sich in Positur und läßt die Schwenkbalken knirschen, die Eselchen trotten, wie es Jahrhunderte lang in der ganzen Sahara zum Alltag gehörte. Motorpumpen haben fast überall diese schweren, und vor allem schrecklich eintönigen Arbeiten den Menschen abgenommen. Sie werden nun für andere Arbeiten frei, für die neue Zeit, für weit bessere Bezahlung, wenn man findig ist und Glück hat. Während also an vielen Stellen der weiten Wüste das Wasser unter unsäglichen Mühen täglich neu erkämpft werden mußte, drang und dringt es an anderen in richtigen Seen an die Oberfläche. So war es auch dort der Fall, wo ich unweit eines Sees das Wasser aus dem Boden wühlen konnte, nur weil der Grundwasserspiegel sehr hoch stand. Nun sollte man meinen, an solchen Seen hätten sich ganze Schwärme von Siedlern niedergelassen. Doch ist das nicht der Fall. Das Wasser ist sehr häufig salzig und ungenießbar, solche Gegenden sind manchmal Herde der Malaria. Außerdem liegen die Seen nicht selten in ganz vom Karawanenhandel abgelegenen Gegenden. Es verdampfen also ungezählte * vgl. Lux-Lesebogen Nr. 383 „Die weiße Oase". 21
Ein paar Griffe in die Tiefe: Grundwasser tritt zutage
Tausende von Kubikmetern dieses kostbaren N a ß seit Jahrhunderten völlig ungenützt. Wer darangeht, das Nutzland einer Oase zu erweitern, irgendwo eine Arbeitersiedlung zu begründen, etwa nahe einem Flugplatz oder einer neuen Verkehrsstraße, erkundet zuerst, wie tief der Grundwasserspiegel und wie ergiebig er an dieser Stelle ist. Grundwasser hält sich dort, wo darunter und darüber Schichten liegen, die kein Versickern und kein Verdunsten zulassen. Gewöhnlich sind es Tonschichten. Grundwasser kommt aber nirgendwo etwa in unterirdischen „Seen" vor; sondern es durchtränkt Pore für Pore einer etwa mehrere hundert Meter mächtigen Sandsteinschicht und wandert darin, entsprechend dem vorhandenen Gefälle. Liegt darüber eine Kalkschicht, die von Rissen durchzogen wird, so vermag fortwährend eine bestimmte Menge nach oben, in den Wüstenhimmel, durch Verdunstung zu entweichen. Das „Meer unter der Wüste", von dem man lange Zeit lesen konnte, existiert nicht. Es 22
gibt wohl vom Grundwasser durchtränkte „Horizonte" mit oft riesigen Mengen Wasser, entsprechend der beträchtlichen Ausdehnung der wasserführenden Schichten. Besonders reich sind die Wasservorräte dort, wo mehrere günstige Stockwerke übereinander liegen, was z. B. südlich des Sahara-Atlas der Fall ist. Genau auf dem ölfeld von Hassi Messaud, unweit der Oase Wargla, hatten die Petroliers das Glück, eine recht ergiebige Grundwasserschicht anzubohren. Viele Probleme, die bei der Anlage des inzwischen zu einer Stadt angewachsenen Lagers mit seinen zwei- bis dreitausend Bewohnern aufgetaucht waren, wurden dadurch mit einem Male gelöst. Woher solche Mengen von Wasser in der Ausdehnung von einigen hunderttausend Quadratkilometern kommen, darüber gibt es zwei Ansichten. Die einen sagen, es handele sich zum Teil um Wasser, das in den Feuchtzeiten, also vor acht- bis zehntausend Jahren, während der -großen Regenzeiten in den Boden eindrang (fossiles Wasser). Die anderen meinen, es setze sich vorwiegend aus Abflußmengen zusammen, die vom Atlas stammen. Das Wasser des Atlas rinne durch Sandsteinschichten und Kalkspalten in eine Mulde, die sich in Urzeiten durch Verwerfungen in den Tiefen der Deckschichten zwischen Atlas und Hoggargebirge gebildet hat, und sickere der tiefsten Stelle zu. Immer mehr folge nach jeder Regenzeit. In der Mitte, in der größten Tiefe der Mulde, stehe es unter so hohem Druck, daß es beim Anbohren wie ein Geysir, ein „Springer", herausspritze. Doch fließe es äußerst langsam; das Wasser, das wir z. B. bei Hassi Messaud heute erbohren, sei etwa zur. Zeit Karls des Großen als Regen auf den Sahara-Atlas gefallen. Da man nicht sagen kann, wieviel wirklich in der Tiefe vorhanden ist, da man aber wohl weiß, wie langsam es sich erneuert, kommt alles darauf an abzuschätzen, wieviel man aus dem großen Reservoir entnehmen darf, das nach einem Wasserforscher, dem Professor Savornin, auch „Savornin-Meer" genannt wird. Für die Bewässerung von einem Hektar Dattelpalmenwald braucht man jeden Tag etwa 55 000 Liter. Ebensoviel braucht man täglich für ein Bohrgerät. Erzwäschen, wie sie in der westlichen Sahara errichtet werden, verlangen viel mehr. Wir müssen also den üblichen Bedarf für eine Pflanzung und für Menschen von dem weit höheren für Industrieanlagen unterscheiden. Denken wir nur daran, wieviel Bohrstellen vor allem in Libyen von einem Jahr zum anderen neu geschaffen werden! Überlegen wir, was einmal an Wassermengen nötig sein wird, wenn die Erzförderung richtig in Schwung kommt und wenn gar neue Funde gemacht werden, dann 23
bekommt unsere Frage nach dem Wasserschatz in der Wüste ein ganz anderes Gesicht. Sollte die Nutzung für Industriezwecke einmal so hoch werden, daß sie den — unbekannten — Wassernachschub überschreitet, dann würden sich die Wasservorräte in der Tiefe erschöpfen, ohne daß man den Schaden reparieren könnte. Kommt es doch immer wieder vor, daß, wenn ein Wasserbrunnen erbohrt wird, sein Ertrag nach kurzer Zeit nachläßt, oder daß ein anderer, vielleicht kurz zuvor geschaffener, ganz versiegt.
Erdöl, die große Hoffnung! Als ich 1929 zum erstenmal nach Colomb-Bechar kam, ahnte noch niemand etwas von der neuen Zeit in der Wüste, von jenen Jahren, da man Gelder im Wert von Milliarden Mark bereitstellen würde, um aus der Tiefe das öl zu holen. Aus der sogenannten „romantischen" Sahara ist inzwischen die „nützliche Wüste" geworden, aus der man sich nun unbegrenzte Reichtümer verspricht, eine Wüste, in der mit die größten ölfelder der Erde liegen. Welch eine Wendung! 1929 gab es nur westlich des Oasenstädtchens am Wadi Bechar eine Kohlengrube, aus der Steinkohle im Tagbau gewonnen wurde. Man verfrachtete die Kohle auf ein Bähnchen und eine Parallelbahn, um sie zur Küste und zu den großen Städten zu befördern. Damit sich das Unternehmen rentierte, mußte die Regierung kräftig zuzahlen; von einer wettbewerbsfähigen Kohle konnte allein aus Transportgründen nicht die Rede sein. Inzwischen suchten die Geologen weiter nach Bodenschätzen. Jahrzehnte verstrichen. 1951 stieß man — wieder bei Colomb-Bechar — auf Erdöl. Aber es wurde kein rechter Erfolg damit, auch nicht mit den Bohrungen, die schon vorher im nördlichen Algerien durchgeführt worden waren. Die Zeiten waren alles andere als günstig; denn 1955 tobten bereits die schweren Kämpfe zwischen den Franzosen und der algerischen Freiheitsbewegung, der FLN, im gesamten Gebiet Nordalgeriens, von der marokkanischen bis zur tunesischen Grenze.
Am „glücklichen Brunnen" Doch die ölgesellschaft, der sich bald andere zugesellten, ließ sich nicht entmutigen. Während der blutigen Auseinandersetzungen im Norden suchten Bohrtrupps zwischen den Dünen und auf den felsigen Plateaus weiter nach Anzeichen von Lagerstätten. Südöstlich von Wargla, da wo sich bei einer alten Karawanenpiste ein weißes Brunnenhäuschen von den gelben Dünen abhebt — Hassi Messaud, „Glücklicher Brunnen", genannt — hatten sie einen ersten 24
großen Erfolg. In seiner Nähe stieß man am 15. Juni 1956 in 3330 Meter Tiefe auf sehr gutes ö l . Die Erfolgsmeldung verbreitete sich rasch nicht nur in den Ländern Europas, sondern auch in Nordamerika. In Frankreich, das angespannt den immer erbitterter •werdenden Algerien-Krieg verfolgte, geriet man in einen wahren Taumel der Begeisterung. Endlich ein großes Plus für das schwer geprüfte Land. Junge Leute meldeten sich für die Ausbildung als Erdölgeologen. Die erforderlichen Gelder wurden gezeichnet. Die Organisation des Nachschubs schien trotz aller Schwierigkeiten zu klappen. Die Oase Wargla bildete die Zentrale, die dafür sorgte, daß die Leute vom ölfeld Hassi Messaud alles bekamen, was sie zu weiteren Erfolgen benötigten. Das war zunächst fast nur auf dem Luftweg möglich. Doppelstöckige Flugzeuge flogen von Frankreich herbei, landeten auf der leeren Wüstenebene und luden Bohrtürme und dreißig Meter lange Rohrstücke für die Bohrung aus. Sie brachten vorfabrizierte Baracken mitsamt den Klimaanlagen. Sie brachten Stacheldraht in riesigen Rollen. Der Draht wurde als Schutzhecke in einem engen Kreis ausgezogen, wo das Hauptkamp errichtet werden sollte. Tag um Tag kamen weitere Maschinen. Sie landeten ohne Schwierigkeiten auf dem ebenen Felsboden, entluden und wendeten, immer überwacht von Begleitmaschinen der Luftwaffe, indessen neben dem Kamp Militär sein Lager aufschlug. Inzwischen rollten über die Straßen Nordalgeriens auch die Karawanen riesiger Transporter heran, gleichfalls militärisch gesichert. Bis etwa hundert Kilometer südlich der Ketten des Sahara-Atlas gab es noch gute Straßen. Dann aber mußte man vorsichtig fahren. Denn nun folgte eine Piste mit nur leidlich festem Boden. Wer daneben geriet, hielt nicht nur die ganze Kolonne auf, sondern versank auch nur allzuoft in den weichen Sand. Stunden, ja Tage dauerte es, ehe so ein Riese wieder flott war. Jahre vergingen, bis eine feste Asphaltstraße sicheres und zügiges Fahren wie auf einer Rollbahn erlaubte. Als das erste Erdöl in Hassi Messaud aus der mit „Md 1" bezeichneten Bohrung lief, nahm man es zuerst einmal unter Verschluß. Denn wohin damit? Es wurde deshalb ein „Christbaum" gesetzt, ein „Arbre de Noel", mit Verschlüssen, die es erlaubten, von dem Vorrat aus der Tiefe wie von dem Behang eines Weihnachtsbaumes nach Belieben zu nehmen. Für anderes und für das mit öl austretende Gas wurden hohe Rohre errichtet. Man setzte öl und Gas in Brand, und seitdem sieht man bald hier bald dort in der Wüste die Riesenfackeln von schwarzem Rauch oder die laut 26
brüllenden Flammen zum Himmel hinaufschießen, was besonders bei Nacht und wenn man darüber fliegt ein phantastischer Anblick ist. Ende Dezember 1957 war man soweit, Öl in kleineren und großen Tanks speichern zu können. Zunächst flössen 600 Liter täglich; bald waren es 15 000 Liter in der Stunde, 1960 schon 6,6 Millionen Tonnen im ganzen Jahr und 1962 gar 20 Millionen Tonnen, zusammen mit dem, was inzwischen 700 Kilometer weiter im Südosten, bei Edscheleh an der libyschen Grenze, gewonnen wurde. Rund um diese Hauptstellen werden seitdem Jahr um Jahr neue Funde gemacht; man rechnet mit Vorräten von über 700 Millionen Tonnen, die dort im Wüstenboden der Ausschöpfung harren. Auch bei Edscheleh entstand eine „Stadt", ein Lager mit mehreren Landeplätzen und mit einem ständig anwesenden Stamm von etwa 3000 Menschen. Im Juni 1962 wurde eine Fluglinie eingerichtet. Von Paris aus ging es in vier Stunden bis nach Hassi Messaud; wer wollte, der konnte aus der Wüste nach Paris telefonieren. Noch immer aber blieb die Frage: Wohin mit dem Öl-Segen? Das Abfackeln war ebensowenig eine Lösung wie das vorläufige Speichern in den silberglänzenden Wüstentanks. Mit größter Mühe gelang es zunächst, gewisse ölmengen über eine Behelfspipeline zu einem Tankzug zu bringen, der in 180 Kilometer Entfernung, in der Oase Tuggurt, stand und dann mit seiner kostbaren Fracht, von wachsamen Militärflugzeugen geleitet, den Schluchten des Atlas entgegendampfte. Im Hafen von Philippeville wartete der Tanker „President Meny". Er brachte im März 1958 die ersten 15 000 Tonnen Sahara-Öl heil zum Ölhafen Etang de Berre bei Marseille. Doch schon waren Spezialtrupps dabei, eine große Pipeline zu legen, die im Hafen Bougie enden sollte. Sie erreichte von Hassi Messaud aus eine Länge von 660 Kilometern und konnte 14 Millionen Tonnen im Jahr durchfließen lassen. Im November 1959 war sie fertig, und nun folgte ein Tanker dem anderen. Ähnliche Sorgen gab es zunächst auch für Edscheleh. Sollte man eine Ölleitung durch libysches Gebiet legen? Schließlich kam eine Abmachung mit Tunesien zustande. Die neue Pipeline war viel länger als die von Hassi Messaud ausgehende, nämlich 780 Kilometer. Sie kann bis zu 17 Millionen Tonnen im Jahr bewältigen und war im September 1960 fertig. Sie mündet unmittelbar nördlich des südtunesischen Hafens Gabes, bei La Skhirra. Als ich vor einiger Zeit auf Einladung einer ölgesellschaft die „Stadt" Hassi Messaud auf dem Luftwege besuchte, als mich 27
die Maschine auf die Minute genau in dem blendenden Licht der Saharasonne auf der flachen Felsebenc absetzte, als das Auto mich über eine tadellose Asphaltstraße zum Eingang des Lagers brachte, als ich dort eines der Häuschen angewiesen bekam und nachher in verschiedenen Büros vorsprach, da bewunderte ich im stillen diese ölleute. Was mußten sie für Nerven haben! Hier die überaus komplizierte Maschinerie des ölabbaus und einer Verwaltung für mehrere tausend Menschen, in Algier die Zentralbüros, die die umfang- . reichen Vorbereitungsarbeiten erledigten und für den Nachschub sorgten, in Paris das „Heimatbüro", das den Kontakt mit der Regierung aufrechterhielt und die Milliarden aufzubringen hatte, und das alles im Angesicht einer doch völlig ungewissen Zukunft. Ist es nicht ähnlich so im Irak und in Venezuela? Wer mit öl zu tun hat, so dachte ich, der muß ein ganz besonderer Mensch sein. Der Gewinn allein kann nicht die einzige Lockung sein. Und dann wanderte ich in der Lagerstadt von einem Viertel der klimatisierten Baracken zum andern. Es war wie in einer Siedlung daheim. Jeder hatte seine Aufgabe. Es klappte alles wie am Schnürchen. Morgens erschien ich in der großen, wunderbar kühlen Versammlungshalle zum Frühstück und staunte das frische, knusprige und schneeweiße Brot an, die eisgekühlte Butter und die frische Milch. Als ich gesättigt war, ging ich dahin, wo ich die Ursache des feudalen Frühstücks vermutete. Und siehe da, in einer zünftigen Backstube stand Meister Bäcker in tadellosem Weiß. Er zeigte mir strahlend einen funkelnagelneuen Backofen, der elektrisch betrieben wurde und der in der vergangenen Woche mit dem Flugzeug aus Frankreich angekommen war. Bei Allah, wenn das nicht eine Revolution in der Wüste ist! Draußen, unter weit vorgezogenem Sonnendach spielten einige junge Männer Tischtennis. Unter ihnen traf ich zwei deutsche Schachtmeister. Sie kamen aus Hannover und sprachen von Mosul, Caracas und den neuen Bohrstellen in den Sümpfen der Nigermündung wie von den Vororten irgendeiner Stadt. „Kommen Sie mit", Luden sie mich ein, „wir fahren nach ,D 5 ! ' " Bald saßen wir im Wagen, und nachdem wir uns an der Ausfahrtkontrolle ausgewiesen hatten, öffnete sich vor uns die breite Piste. Unterwegs traten Kamele ins Blickfeld. Als wir hielten, um den Karawanenführer zu begrüßen, sammelten sich die Tiere um unsere Gruppe. Als ihre Neugier befriedigt war, trabten sie wieder auf die alte Kamelpiste, die hier von der Autopiste geschnitten wurde. Sie zogen genau an der Stelle hinüber, die sie seit Jahren benutzten, lange bevor diese fremden ölleute mit ihren Wagen in ihr 28
Wüstenreich eingedrungen waren. Ja, ja, die neue Zeit! Wie lange werdet ihr noch von Oase zu Oase ziehen, ihr braven Höckertiere! Schon geben viele Kameltreiber ihren Beruf auf und suchen sich einen neuen „Job"; denn was ist bei einem Tempo von 20 bis 30 Kilometern je Tag und 3 bis 6 Zentner Last je Tier schon viel zu verdienen! Zur Zeit wandern gute Tiere in die Metzgereien in den großen Oasen! Als Objekte für die Schlachtviehzucht im Umherziehen werden die edlen Wüstenschiffe vielleicht noch eine Weile überdauern. Dann erschien in einer Mulde der „puit", der ,Brunnen', das heißt hier, die Bohrstelle. Einer der hannoverschen Bohrmeister ging zum Derridk hinüber und fragte den hoch oben im Gestänge stehenden Arbeiter, ob die Post schon da sei. Im gleichen Augenblick hielt drüben auf der Düne, wo eine Reihe von Baracken lagen, ein Kraftwagen. Ein Mann mit einem Bündel Briefe kletterte heraus, trat in eine der Unterkünfte, und wir folgten ihm. Da drinnen war es köstlich kühl. In der Baracke war eine Bar eingerichtet, in der ein Grieche bediente.
Am „Eisen-Gebirge" Der Bruder eines der Hannoveraner hatte Post von der Kedia Idschil, einem kleinen Gebirge in der westlichen Sahara. Sein Freund arbeitete dort als Geologe. In der Nähe, bei Fort Gouraud, erhebt sich das altbekannte „Eisengebirge". Lange vor dem 2. Weltkrieg hatte ein Postflieger bemerkt, daß seine Instrumente immer dann, wenn er über dem Gebirge war, heftige Reaktionen zeigten, und er meldete seine Beobachtung nach Paris. Geologen studierten die menschenleere Gegend gründlich. Sie fanden bedeutende Lagerstätten von Eisenerz und Reste uralter Verhüttungseinrichtungen. Erst 1952 bemühte man sich ernsthaft um die Frage, ob das Erz rentabel abzubauen sei. Immerhin handelt es sich um Reserven von 120 Millionen Tonnen mit 64 Prozent Eisengehalt. Die Untersuchungen zogen sich Jahre hin. Nicht weniger als 4900 Analysen wurden gemacht. Die Weltbank vergab eine Anleihe. Auch die deutsche Stahlindustrie schickte Fachleute dorthin. Schwierig war schon die Wasserfrage zu lösen, denn man würde täglich 1000 Kubikmeter brauchen. Beim ersten Abbau wurden Lastwagen eingesetzt, die auf schwierigen Wegen durch Dünen westwärts bis zur Küste fuhren. In einem Fischerhafen verlud man das Erz nach Europa. Seit kurzem ist man dabei, am Kap Blanc einen eigenen Verladehafen einzurichten. Eine 680 Kilometer lange Bahn ist fertiggestellt. Eine Lagerstadt für etwa 1000 Menschen wuchs aus dem Boden. 29
Es gibt bereits eine Kraftanlage, einen Verschiebebahnhof und den üblichen Betrieb. Weiter im Süden, in Mauretanien, wurden fast gleichzeitig riesige Lager von Kupfererz entdeckt. Die reinen Metallreserven werden hier auf eine halbe Million Tonnen geschätzt. Man weiß auch noch von einer Reihe anderer Erzlagerstätten in der westlichen Wüste. Aber es ist überall dasselbe: Wie das nötige Wasser finden? Lohnt sich der Abtransport? Denn an eine Verwertung in Nordafrika selbst ist vorläufig nicht zu denken. Für das sehr weit abliegende Westafrika gilt das gleiche. AH das scheint erst ein bescheidener Anfang zu sein. Was wird man in der südlichen Wüste oder auch in den Millionen Quadratkilometern der östlichen Sahara finden? Welch ein Glück, muß man denken, für die jungen Staaten, die gleichsam als Morgengabe mit der sicheren Aussicht auf bedeutende Abgaben und mindestens 50 Prozent vom Ertrag beglückt werden!
Das große Los für Libyen So ist es inzwischen auch in Libyen. Hier hat sich das ErdölWunder in gleicher Weise wiederholt, nur noch viel schneller und anscheinend mit viel größeren Reserven. Das seit 1951 selbständige Land ist mit seinen 1,8 Millionen Quadratkilometern Bodenfläche wirklich ein Großstaat. Aber es hat nur 1,3 Millionen Bewohner, von denen 90 Prozent in der Küstenzone wohnen, wo es etwas Anbau gibt. Noch nicht einmal ein halbes Prozent der Fläche wird bebaut. Der Staat war also jahrelang völlig von ausländischer Hilfe abhängig. Dürrejahre, Jahre mit verheerenden Ratten- und Heuschreckenplagen folgten einander. Von 1958 bis 1960 ging der Bestand an Schafen um 40 Prozent zurück. Die Leute lebten zwar bescheiden, aber die Zukunft sah finster aus. Da fiel ihnen buchstäblich das große Los in den Schoß! Nicht nur, daß es hier keinen Krieg gab wie in Algerien. Es gab auch keine Spannungen zwischen Einheimischen und Fremden wie dort. Jahrelang suchten, von den Erfolgen in der algerischen Wüste angestachelt, die Geologen auf den libyschen Plateaus und in den Dünenfeldern nach dem grünen Gold. 1958 brachte erste günstige Ergebnisse, allerdings weit im Hinterland, nahe der Westgrenze. Dann kam das Glücksjahr 1959. Man entdeckte, nicht allzu weit von der Küste, bei dem kleinen Gebirge Dschebel Zelten, mächtige Lager. Mit nur zwei Bohrungen wurden Tagesergebnisse von 2500 Tonnen erzielt. Schon gibt es nicht nur eine Pipeline sondern ein ganzes Netz, 30
das mit zwei Strängen die Küste an der Syrte erreicht. Schon sind hier zwei hypermoderne Spezial-Ölhäfen gebaut worden, Marsa el Begra und Ras Sidr. Aber damit noch nicht genug der Überraschungen, die uns die Chronik der Sahara bietet! Denn in der Zwischenzeit hat sich eine weitere „Schatzhöhle" aufgetan. Bereits 1956 stieß man bei Hassi R'mel in Algerien, 70 Kilometer nordwestlich der Oasen-Stadt Gardaia, auf ein Erdgaslager. Eigentlich suchte man nach Erdöl, aber in 2200 Meter Tiefe wurde Erdgas angetroffen. Es hat den Vorzug, viel näher der Küste zu liegen als die großen Erdölfelder. Man schätzt die astronomische Summe von 2000 Milliarden Kubikmetern an Vorräten, von denen aus technischen Gründen etwa die Hälfte abbaufähig ist. Eine Pipeline wurde zur Küste gebaut. Das erste Gas traf Ende April 1961 in Algier ein, fünf Jahre nach der Erschließung. So sorgfältig auch trotz des Tempos alles bedacht wird, Zwischenfälle konnten nicht ausbleiben. Der dramatischste ist bisher mit der sogenannten Teufelsflamme verbunden. Auf dem 1961 entdeckten Erdgasfeld südlich von Hassi Messaud, bei Gassi TuiI, entzündete sich am 13. November das Gas aus der Sonde „GT 2". Eine hundert Meter hohe Flamme schoß unter Höllenhitze in den Saharahimmel. Täglich gingen auf diese Weise 15 Millionen Kubikmeter verloren. Der Winter zog dahin, und der Frühling 1962 kam. Es gelang nicht, dem brüllenden Ungeheuer beizukommen. Schließlich holte man einen Spezialisten aus den USA. Er ließ 300 Kilogramm Dynamit besorgen. Aus Paris wurde vorsichtshalber Blutplasma herbeigeflogen, und in Eile errichtete man ein Notlazarett mit Klimaanlage. Eine Reihe von Hubschraubern wurde bereitgestellt. Eine Stahlkappe von 7 Tonnen war angefertigt worden. Dann kam der 4. April. Der Mann aus den USA näherte sich dem Hexenkessel mit seiner Dynamitladung. Vorsichtig wurde sie so weit wie möglich herangebracht und dann elektrisch gezündet. Der gewaltige Explosionsdruck löschte die Flamme aus. Die Stahlkappe deckte die Öffnung zu.
Blick in die Zukunft Die Zeit schreitet mit Riesenschritten weiter, auch in der größten Wüste der Erde, die so lange allen technischen Eingriffen zu trotzen schien. Schon fahren bei uns Autos mit Benzin aus Saharaöl. Nicht lange wird es dauern, und Saharagas strömt zu den Industriewerken unseres Landes. Für Nordafrika sind die europäischen Län31
der natürliche Abnehmer von Erdöl und Erdgas; denn solche Riesenmengen, wie sie jetzt schon gewonnen werden, übersteigen auch in den nächsten zehn Jahren bei weitem den Eigenbedarf. Nach Europa führt der kürzeste Weg. Nur, was sagt die Konkurrenz? Denn bekanntlich herrscht in der Welt nicht etwa Mangel an ö l . Das wird auch lange noch nicht der Fall sein, selbst wenn der Verbrauch beträchtlich ansteigt. Wie werden sich die Preise auspendeln? Was werden die ölländer des nahen und mittleren Ostens tun? Was die Amerikaner? Und wie wird die Sowjetunion reagieren, deren Pipelines aus den Riesenlagern des Innern westwärts drängen? Fragen über Fragen. Die algerische Regierung hat sich mit der französischen nach ihrer Selbständigwerdung darüber geeinigt, die ölgesellschaften in Südalgerien unbehelligt weiter arbeiten zu lassen. Hohe Gewinne sind ihr ebenso sicher wie der libyschen Regierung. Aus dem südalgerischen Hinterland, das bisher ein Zuschußgebiet war, ist der Haupt-Geldschrank geworden, der zum mindesten dazu beiträgt, die Zeit der wirtschaftlichen Anfangsschwierigkeiten des jungen algerischen Staates zu überbrücken. Libyen dürfte für die nächsten Jahrzehnte ausgesorgt haben. Für die früheren „Herren" der Wüste, die Kamelzüchter und die Karawanenhändler, wird ebenso wie für die Oasenbewohner eine Zeit großer und schwieriger Umstellung kommen. Abgelegene Siedlungen werden verlassen werden, andere wachsen und neue entstehen, in denen modernes Leben pulst. Die „gute" alte Zeit ist vorüber. Die Sahara wird trotzdem doch immer noch riesig groß und „wüst und leer" sein. Freilich, wer dort zu tun hat, wird in den klimatisierten Städten wenig davon merken, wenn er nicht einmal irgendwo zwischen Dünen notlanden muß und der Funk versagt, oder wenn er nicht mit seinem Wagen von der Piste gerät und die Hilfe sich verzögert. Dann wird er wohl Allah preisen, wenn er ihm in seiner unermeßlichen Güte und Voraussicht einen Trupp Kamelreiter schickt, die vielleicht gerade mit einigen Zentnern Wüstensalz und dem nötigen Reisevorrat an Wasser zum Sudan unterwegs sind. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Bilder: Dr. Heinrich Schiffers und Verlagsarchiv Karte Seite 17: Karlheinz Dobsky L u x - L e s e b o g e n 3 9 1 (Erdkunde) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte — Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1,80) durch .jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig — Druck: llieronymus Mühlberger, Augsburg — Verlag: Sebastian Lux, Mumaii vor München — Herausgeber: Antonius Lux.
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