Regina Remsperger Sensitive Responsivität
Regina Remsperger
Sensitive Responsivität Zur Qualität pädagogischen Hande...
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Regina Remsperger Sensitive Responsivität
Regina Remsperger
Sensitive Responsivität Zur Qualität pädagogischen Handelns im Kindergarten
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugleich Dissertation an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main mit dem Titel „Sensitive Responsivität in der Erzieherinnen-Kind-Interaktion – Eine qualitative Videostudie“, 2010 Mein herzlicher Dank gilt den Erzieherinnen und Kindern, meinen Gutachtern Prof. Dr. Michael May und Prof. Dr. Barbara Friebertshäuser und besonders meiner Familie, die mich so unermüdlich und liebevoll während dieser Arbeit unterstützt hat.
. 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch / Tanja Köhler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17875-2
Inhalt
Verzeichnis der Szenenausschnitte ................................................................ 9 Verzeichnis der komprimierten Darstellungen ............................................... 11 Verzeichnis der Übersichten .......................................................................... 13 Glossar Codierungen ...................................................................................... 15 Einleitung ...................................................................................................... 19 1 Theoretische Ansätze ........................................................................... 1.1 Konstruktivismus ................................................................................ 1.1.1 Die Lerntheorie Jean Piagets (1896 – 1980) ................................. 1.1.2 Diskussion der Lerntheorie Jean Piagets ...................................... 1.1.3 Weiterführung des Ansatzes von Jean Piaget ............................... 1.1.4 Die Lerntheorie Lew Wygotskys (1896 – 1934) ........................... 1.1.5 Weiterführung des Ansatzes von Wygotsky ................................. 1.1.6 Die Rolle erwachsener Interaktionspartner in (sozial-) konstruktivistischen Ansätzen ...................................................... 1.2 Hirnforschung ..................................................................................... 1.2.1 Die Entwicklung des kindlichen Gehirns ...................................... 1.2.2 Der Einfluss der Interaktionspartner auf die kindliche Hirnentwicklung ........................................................................... 1.2.3 Emotionen und Hirnentwicklung .................................................. 1.3 Bindungstheorie .................................................................................. 1.3.1 Das theoretische Konstrukt des menschlichen Bindungssystems .......................................................................... 1.3.2 Bindungspersonen von Kindern .................................................... 1.3.3 Auswirkungen sicherer Bindungen ............................................... 1.3.4 Erzieherinnen als Bindungspersonen ............................................ 1.3.5 Gestaltung der Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern .............................................................. 1.3.6 Auswirkungen sicherer Bindungen zwischen Erzieherinnen und Kindern .................................................................................. 1.3.7 Diskussion bindungstheoretischer Thesen ....................................
25 25 26 28 29 32 33 35 36 37 40 41 44 45 48 49 50 52 54 55
6
Inhalt
2 Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse ...................................... 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland ..... 2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland ........................................................................................ 2.3 Bildungspläne ..................................................................................... 2.3.1 Das Verständnis frühkindlichen Lernens und das Bild vom Kind .............................................................................................. 2.3.2 Zur Rolle der Beziehungsqualität in deutschen Bildungsplänen ............................................................................. Erzieherverhalten im Kindergarten als Forschungsgegenstand in Deutschland ...................................................................................... 3.1 1960er und 1970er Jahre ..................................................................... 3.2 1980er Jahre ........................................................................................ 3.3 1990er Jahre bis heute .........................................................................
57 57 63 65 66 68
3
4
73 73 76 77
Zusammenfassung und Forschungslücke ........................................... 83
5 Erkundungsstudie ................................................................................ 87 5.1 Erkenntnisinteressen ........................................................................... 87 5.2 Forschungsdesign ................................................................................ 90 5.2.1 Ethnographische Feldforschung und Teilnehmende Beobachtung ................................................................................. 90 5.2.2 Videogestützte Beobachtungen ..................................................... 94 5.2.3 Datenerhebung mit Videotechnik ................................................. 96 5.2.4 Die Rolle des Forschers und Schwierigkeiten während der Datenerhebung .............................................................................. 98 5.3 Datenanalyse ..................................................................................... 101 5.3.1 Analyseschritte ........................................................................... 106 5.3.2 Reflexion der Analyse ................................................................ 110 6 Vergleichende Textanalyse – Erkenntnisinteressen I ...................... 6.1 Die Schwierigkeit der Definition und Operationalisierung eines komplexen Begriffs ........................................................................... 6.2 Der Ursprung des Feinfühligkeitsbegriffs ......................................... 6.3 Sensitivität, Responsivität und Sensitive Responsivität .................... 6.4 Zur Differenzierung des Sensitivitätskonstrukts ............................... 6.5 Involvement ...................................................................................... 6.6 Zwischenfazit .................................................................................... 6.7 Auswahl der Begrifflichkeit und Definition .....................................
111 111 113 115 117 120 121 124
Inhalt Grundlagen der Operationalisierung „Sensitiver Responsivität“ ............................................................................. 6.7.2 Weitere Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ ........ 6.8 Zwischenfazit .................................................................................... 6.9 Merkmale der Operationalisierungen ................................................ 6.10 Die Rolle des Kindes in der Erwachsenen-Kind-Interaktion ............ 6.11 Operationalisierungen kindlicher Verhaltensweisen .........................
7
6.7.1
126 127 135 136 141 143
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens ........................................ 7.1 Die Signale der Kinder – Erkenntnisinteressen III ............................ 7.1.1 „Wichtigkeit“ .............................................................................. 7.1.2 „Dabei-Sein“ ............................................................................... 7.1.3 Signalarten .................................................................................. 7.2 Das Interaktionsverhalten pädagogischer Fachkräfte – Erkenntnisinteressen I ....................................................................... 7.2.1 Promptheit .................................................................................. 7.2.2 Eingehen ..................................................................................... 7.2.3 Dabei-Sein .................................................................................. 7.2.4 Umgang mit Stimmungen/Emotionen ........................................ 7.2.5 Wertschätzung zeigen/loben ....................................................... 7.2.6 Stimulation ..................................................................................
145 145 146 147 151
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen .......................................... 8.1 Erkenntnisinteressen II ...................................................................... 8.1.1 In welchen Situationen zeigt sich „Sensitive Responsivität“? .... 8.1.2 Kennzeichen von Situationen mit einem zumeist feinfühligen pädagogischen Verhalten ............................................................ 8.1.3 Kennzeichen von Situationen mit einem vermehrt nichtfeinfühligen pädagogischen Verhalten ........................................ 8.1.4 Beschreibung eines sensitiv-responsiven und eines wenig feinfühligen pädagogischen Verhaltens ...................................... 8.1.5 Inwiefern und warum ändert sich der „Grad“ der Feinfühligkeit im Verlauf einzelner Interaktionen? .................... 8.1.6 Lassen bestimmte pädagogische Situationen ein feinfühliges pädagogisches Verhalten eher zu als andere? ............................. 8.2 Erkenntnisinteressen III .................................................................... 8.2.1 Reaktionen der Kinder auf die Feinfühligkeit von Erzieherinnen und auf den Mangel „Sensitiver Responsivität“ ... 8.2.2 Zwischenfazit ...........................................................................
171 171 172
155 157 158 159 161 162 168
177 182 184 202 209 209 209 220
8
Inhalt 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.2.7 8.2.8
9
Reaktionen der Kinder auf den Mangel „Sensitiver Responsivität“ ............................................................................. Standhalten der Kinder bei nicht sensitiv-responsiven pädagogischen Reaktionen ......................................................... Wann wenden sich Kinder bei einer nicht sensitiv-responsiven Reaktion ab? ............................................................................... Wechselwirkungen zwischen dem kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhalten .......................................... „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen ............................................................................... Zusammenhang zwischen der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ und der Qualität kindlicher Interaktionsbeiträge ....................................................................
220 227 236 247 259
272
Zentrale Ergebnisse ............................................................................ 275
10 Ausblick ............................................................................................... 10.1 Forschungsdesiderata ........................................................................ 10.2 Empfehlungen für die pädagogische Praxis ...................................... 10.2.1 Reflexion des kindlichen Interaktionsverhaltens ........................ 10.2.2 Reflexion des pädagogischen Interaktionsverhaltens ................. 10.2.3 Gestaltung des Umgangs und der Gespräche mit Kindern .........
291 291 293 294 296 298
11 Literaturverzeichnis ........................................................................... 303
Verzeichnis der Szenenausschnitte
Ausschnitt 8.1: Szene 1 – Buch anschauen; vollständig .............................. Ausschnitt 8.2: Szene 2 – Buch anschauen; vollständig .............................. Ausschnitt 8.3: Szene 23 – Angeleitetes Basteln; Sequenz 60 bis 80 .......... Ausschnitt 8.4: Szene 17 – Spielkreis; Sequenz 75 bis 86 ........................... Ausschnitt 8.5: Szene 29 – Trösten; Sequenz 74 bis 89 ............................... Ausschnitt 8.6: Szene 5 – Kneten; Sequenz 4 bis 15 .................................... Ausschnitt 8.7: Szene 3 – Vorlesen; Sequenz 60 bis 70 ............................... Ausschnitt 8.8: Szene 15 – Erzählkreis; Sequenz 25 bis 45 ......................... Ausschnitt 8.9: Szene 11 – Erzieherin hat Zeit; Sequenz 1 bis 18 ............... Ausschnitt 8.10: Szene 27 – Konflikte; Sequenz 1 bis 8 .............................. Ausschnitt 8.11: Szene 14 – Essen; Sequenz 20 bis 27 ................................ Ausschnitt 8.12: Szene 28 – Konflikte; Sequenz 7 bis 13 ............................ Ausschnitt 8.13: Szene 16 – Erzählkreis; Sequenz 62 bis 71 ....................... Ausschnitt 8.14: Szene 4 – Vorlesen; versch. Sequenzen ............................ Ausschnitt 8.15: Szene 6 – Kneten; Sequenz 15 bis 28 ................................ Ausschnitt 8.16: Szene 16 – Erzählkreis; Sequenz 9 bis 18 ......................... Ausschnitt 8.17: Szene 26 – Rollenspiel; Sequenz 16 bis 24 ....................... Ausschnitt 8.18: Szene 26 – Rollenspiel; Sequenz 52 bis 65 ....................... Ausschnitt 8.19: Szene 4 – Vorlesen; versch. Sequenzen ............................ Ausschnitt 8.20: Szene 12 – Erzieherin hat Zeit; Sequenz 41 bis 48 ........... Ausschnitt 8.21: Szene 19 – Gespräche über Bilder; Sequenz 49 bis 50 ..... Ausschnitt 8.22: Szene 21 – Gespräche beim Malen; Sequenz 46 bis 51 .... Ausschnitt 8.23: Szene 22 – Gespräche beim Malen; versch. Sequenzen .... Ausschnitt 8.24: Szene 24 – Angeleitetes Basteln; Sequenz 20 bis 30 ........ Ausschnitt 8.25: Szene 30 – Trösten; Sequenz 13 bis 23 ............................. Ausschnitt 8.26: Szene 8 – Vorbereitung; Sequenz 3 bis 6 .......................... Ausschnitt 8.27: Szene 4 – Vorlesen; Sequenz 33 bis 43 ............................. Ausschnitt 8.28: Szene 12 – Erzieherin hat Zeit; Sequenz 61 bis 81 ........... Ausschnitt 8.29: Szene 16 – Erzählkreis; Sequenz 26 bis 34 ....................... Ausschnitt 8.30: Szene 24 – Angeleitetes Basteln; Sequenz 30 bis 47 ........ Ausschnitt 8.31: Szene 20 – Gespräche über Bilder; Sequenz 14 bis 34 ..... Ausschnitt 8.32: Szene 6 – Kneten; Sequenz 65 bis 81 ................................ Ausschnitt 8.33: Szene 4 – Vorlesen; Sequenz 2 bis 9 .................................
185 192 204 206 207 212 213 214 217 219 222 223 225 229 230 232 233 235 237 238 239 239 240 244 245 248 249 251 253 254 256 258 260
10
Verzeichnis der Szenenausschnitte
Ausschnitt 8.34: Szene 10 – Angeleitete Lernspiele; Sequenz 75 bis 82 ..... Ausschnitt 8.35: Szene 14 – Essen; Sequenz 29 bis 37 ................................ Ausschnitt 8.36: Szene 9 – Angeleitete Lernspiele; Sequenz 1 bis 24 ......... Ausschnitt 8.37: Szene 3 – Vorlesen; Sequenz 25 bis 48 ............................. Ausschnitt 8.38: Szene 5 – Kneten; Sequenz 13 bis 28 ................................ Ausschnitt 8.39: Szene 7 – Vorbereitung; Sequenz 14 bis 38 ......................
261 261 264 266 268 270
Verzeichnis der komprimierten Darstellungen
Darstellung 8.1: Pädagogische Signale der Szenen 13 und 25 ..................... Darstellung 8.2: Pädagogische Signale der Szenen 5 und 6 ......................... Darstellung 8.3: Pädagogische Signale der Szene 1 ..................................... Darstellung 8.4: Pädagogische Signale der Szenen 14 und 15 ..................... Darstellung 8.5: Pädagogische Signale der Szenen 27 und 28 ..................... Darstellung 8.6: Pädagogische Signale der Szenen 23 und 24 ..................... Darstellung 8.7: Pädagogische Signale der Szenen 7 und 11 ....................... Darstellung 8.8: Pädagogische Signale der Szenen 25 und 15 ..................... Darstellung 8.9: Pädagogische Signale der Szenen 22 und 4 ....................... Darstellung 8.10: Kindliche Signale der Szenen 7 und 29 ........................... Darstellung 8.11: Kindliche Signale der Szene 15 – Erzählkreis ................. Darstellung 8.12: Kindliche Signale der Szene 11 – Erzieherin hat Zeit ..... Darstellung 8.13: Kindliche Signale der Szene 27 – Konflikte .................... Darstellung 8.14: Kindliche Signale der Szenen 8 und 22 ........................... Darstellung 8.15: Kindliche Signale der Szene 4 – Vorlesen ....................... Darstellung 8.16: Kindliche Signale der Szene 24 – Angeleitetes Basteln ... Darstellung 8.17: Kindliche Signale der Szene 26 – Rollenspiel .................
172 173 174 175 176 176 177 179 179 210 216 217 218 221 224 226 227
Verzeichnis der Übersichten
Übersicht 6.1: Begrifflichkeiten zur „Feinfühligkeit“ .................................. Übersicht 6.2: Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ ................ Übersicht 6.3: Merkmale der Operationalisierungen ................................... Übersicht 7.1: Codierungen Kinder – Wichtigkeit ....................................... Übersicht 7.2: Codierungen Kinder – Dabei-sein ........................................ Übersicht 7.3: Codierungen Kinder – Signalarten ........................................ Übersicht 7.4: Codierungen Erzieherin – Promptheit .................................. Übersicht 7.5: Codierungen Erzieherin – Eingehen ..................................... Übersicht 7.6: Codierungen Erzieherin – Dabei-sein ................................... Übersicht 7.7: Codierungen Erzieherin – Umgang mit Stimmungen/Emotionen ................................................ Übersicht 7.8: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben ...... Übersicht 7.9: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit richtigen Antworten ....................................... Übersicht 7.10: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit vermeintlichen Fehlern .................................. Übersicht 7.11: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit allgemeinen Signalen .................................... Übersicht 7.12: Codierungen Erzieherin – Stimulation ................................ Übersicht 7.13: Codierungen Erzieherin – Spiegeln/Fragen ........................ Übersicht 8.1: Kennzeichen von Situationen mit einem meist sensitivresponsiven Antwortverhalten ............................................ Übersicht 8.2: Kennzeichen von Situationen mit einem wenig sensitivresponsiven Antwortverhalten ............................................ Übersicht 8.3: Qualitätsunterschiede im kindlichen Interaktionsverhalten ... Übersicht 8.4: Kaum nennenswerte Qualitätsunterschiede im kindlichen Interaktionsverhalten .......................................................... Übersicht 10.1: Reflexionsfragen zu Lerndispositionen .............................. Übersicht 10.2: Reflexionsfragen zur „Sensitiven Responsivität“ ...............
123 136 137 146 149 151 158 159 161 162 164 164 166 167 169 170 181 183 273 274 295 300
Glossar Codierungen
Dieses Glossar enthält alle Codierungen des kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhaltens. Die Erklärungen in der jeweils rechten Spalte dienen dazu, die Codierungen der analysierten Szenenausschnitte besser zu verstehen. Die vollständig transkribierten und ausgewerteten Videoszenen können zudem unter www.vs-verlag.de/buch/978-3-531-17875-2 eingesehen werden. Interaktionsverhalten der Kinder Codierungen Wichtigkeit W+E/Z Direkte Ansprache der Erzieherin/spontanes Reinrufen W+? Direktes Fragen W+ … Mehrfaches bzw. fortlaufendes Äußern zum Thema W+x Zum Interessensgegenstand zurückkehren/immer wieder neu ansetzen W+K Mit anderen Kindern sprechen W+NA Nonverbale Aufmerksamkeitsgesuche Codierungen Dabei-sein D+I Aufmerksamkeit und Interesse zeigen D+F Freude/Begeisterung/Spaß zeigen D+A Aufgeregtheit zeigen D+Z Zufriedenheit und Stolz zeigen D+E Emotionale Betroffenheit zeigen (Traurig oder wütend sein) D-U Unruhig sein D-Abg Abgelenkt sein D-Abw Abwesend wirken D-G Gleichgültig und desinteressiert wirken D-sa Sich abwenden
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Glossar Codierungen
Codierungen Signalarten L Lebensweltäußerungen S/E Schlussfolgerungen/Erkenntnisse F Fragen mit Ausdifferenzierung V Vorschläge K Kommentierung der eigenen Arbeitsvorgänge/Handlungen Z Etwas zeigen B Bitten/Wünsche H Hilfegesuche RE Rechtfertigen/Streithergänge schildern R Äußerungen im (Rollen-)Spiel SO Spielorganisation A Antworten mit Ausdifferenzierung Interaktionsverhalten der pädagogischen Fachkräfte Codierungen Promptheit PR+ Prompte verbale/nonverbale Reaktion mit Blickkontakt PRPrompte verbale/nonverbale Reaktion ohne Blickkontakt VR Verzögerte verbale/nonverbale Reaktion auf mehrmalige Nachfrage/Aussage ZSR Zu schnelle Reaktion/Unterbrechen SVR Stark verzögerte Reaktion, nachdem das Kind schon weg ist KR Keine Reaktion auf die Signale des Kindes Codierungen Eingehen E Promptes ausführliches/knappes Eingehen auf die Signale des Kindes VE Verzögertes Eingehen auf die Signale des Kindes nach mehrmaliger Ansprache RE Äußerst reduziertes Eingehen KE Kein Eingehen Codierungen Dabei-sein D+I Aufmerksamkeit und Interesse zeigen D+V Darauf achten, dass die Kinder etwas verstehen D+F Freude/Begeisterung/Spaß zeigen/teilen D-I Einbringen von Themen mit eigenem Lebensweltbezug
Glossar Codierungen D-F D-V D-Abg D-Geh D-Abw D-Er D-sa D-G
Automatisierte Reaktionen, um Gesprächsfluss aufrecht zu erhalten Verstehen der Kinder nicht wichtig nehmen Abgelenkt sein Gehetzt wirken/ungeduldig sein Abwesend wirken Erschöpft und angestrengt wirken Sich schnell abwenden Gleichgültig und desinteressiert wirken
Codierungen Umgang mit Stimmungen/Emotionen AS Angemessener Umgang mit Stimmungen/Emotionen US Unangemessener Umgang mit Stimmungen/Emotionen IS Inakzeptabler Umgang mit Stimmungen/Emotionen Codierungen Wertschätzung zeigen/Loben LW Ausdrückliche verbale Wertschätzung von sich aus LWK Andere Kinder beim Loben mit einbeziehen LWErz Freude über das Können des Kindes wird Erzieherin mitgeteilt LKL Knappes verbales/nonverbales Loben und beim Kind bleiben LPL (Pseudo-)Loben LLKein Loben LM Kinder Missfallen spüren lassen LL-Erz Verbales Bewerten vor anderen Kindern gegenüber Kollegin Codierungen Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit richtigen Antworten AZ Kindern zustimmen und das Gesagte damit unterstreichen AuL Unpersönliches Loben und vorher nur eine Antwortmöglichkeit im Kopf haben AiG Kindern mit inkongruenter Gestik zustimmen AkL Richtige Antwort registrieren und gar nicht loben Aabw Richtige Antwort abwerten Abl Richtige Antwort übergehen und Kind bloßstellen
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Glossar Codierungen
Codierungen Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit vermeintlichen Fehlern Fma Misslingen abfangen Fwb Kinder wertschätzend berichtigen FhR Höfliches Hinweisen auf Regeln FoE Einordnung der Antwort ohne Erklärung FE Einordnung der Antwort mit nüchterner Feststellung des Sachverhalts FaK Können anderer Kinder anführen Fbl Handlungen der Kinder übertrieben und bloßstellend als Fehler bewerten Fnv Es die Kinder im negativen Sinne spüren lassen, wenn sie etwas nicht verstanden haben Fv Kind vorführen, wenn man vermutet, dass es nicht aufgepasst hat Fm Maßregeln vor anderen/Unfreundliches Hinweisen auf Regeln Codierungen Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit allgemeinen Signalen SA Kindliche Phantasie/Meinung/Handlung akzeptieren SPMPhantasie/Meinung der Kinder als Falsch bewerten SGabb Gespräche von Kindern mit knappen Worten abblocken S?Die Fragen der Kinder nicht wertschätzen Sabw Nonverbales Abwerten/Abblocken Sabsch Die Kinder nicht ernst nehmen und Hilfegesuche/Bedürfnisse nonverbal/verbal abschmettern SGer Ausdrücken von Geringschätzung Sbl Kinder vor anderen abwerten/bloßstellen SNZ Kindern etwas nicht zutrauen Codierungen Stimulation St Stimulation STWenig Stimulation STK Keine Stimulation Codierungen Spiegeln/Fragen SP Spiegeln Fr Fragen
Einleitung
Die erfolgreiche Gestaltung der Bildungsprozesse von Kindern hängt ganz entscheidend von einem feinfühligen Verhalten der pädagogischen Fachkräfte1 ab. Dies wird von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen heraus gearbeitet. Wie bedeutsam ein sensitives und responsives pädagogisches Verhalten für die Entwicklung von Kindergartenkindern ist, wird vor allem von Forschern betont, die Erzieherinnen-Kind-Bindungen zum Gegenstand ihrer Untersuchungen machen. Ahnert (2004, 2007) verweist beispielsweise darauf, dass ein emotional unterstützender Dialog zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern und damit sichere, zuverlässige sowie von Feinfühligkeit und persönlichem Engagement geprägte Erzieherinnen-Kind-Bindungen für eine längerfristige erfolgreiche sozial-emotionale kindliche Entwicklung sehr bedeutend sind. Andere Wissenschaftler machen darauf aufmerksam, dass Kinder, die sichere Bindungserfahrungen im Kindergarten gemacht haben, sich vor Schuleintritt nicht nur durch ihre hohe Lernmotivation auszeichnen. Sie hatten vielmehr auch eine freudige Erwartungshaltung hinsichtlich der neuen Beziehungen zu den Lehrern in der Schule (Howes, Hamilton, Philipsen 1998; Oppenheim, Sagi und Lamb 1988). Vertreter der Resilienzforschung untermauern diese Aussagen. Wustmann (2004) kommt nach einer Zusammenstellung nationaler und internationaler Studien zu dem Ergebnis, dass ein autoritativer und demokratischer Erziehungsstil als soziale Ressource für die Entwicklung von kindlicher Resilienz von großer Bedeutung sei. Ein solcher Erziehungsstil ist durch ein emotional positives, feinfühliges, responsives, unterstützendes und strukturierendes Verhalten gekennzeichnet. Schließlich weisen auch Hirnforscher darauf hin, dass die Hirnentwicklung eines Kindes in hohem Maß von der emotionalen, sozialen und intellektuellen Kompetenz seiner erwachsenen Bezugspersonen abhängig ist. Das familiäre und soziale Umfeld, die Erziehung und Sozialisation sowie Anregungen und Anforderungen beeinflussen die Erfahrungen eines Kindes und damit auch seine Hirnentwicklung maßgeblich. Das Frontalhirn wird zuweilen sogar als „soziales Produkt“ interpretiert (Hüther 2003). Haug-Schnabel und
1 Zur besseren Lesbarkeit des Textes spreche ich im Folgenden von Erzieherinnen, Erziehern und pädagogischen Fachkräften. Dabei beziehe ich mich auf männliche und weibliche Fachkräfte.
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Einleitung
Bensel (2007) schlussfolgern deshalb, dass Erwachsene sich Kindern emotional zuwenden sollen, um diese in ihrer intellektuellen Entwicklung zu unterstützen. Dass es für Erzieherinnen im Elementarbereich zuweilen schwierig ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden, zeigt unter anderem eine im Rahmen der Qualitätsdiskussion durchgeführte Studie der Forschergruppe um Tietze (1998). Tietze und Kollegen machten das Verhalten von Frühpädagoginnen mit zum Gegenstand ihrer Forschungen. Mithilfe der Kindergarten-Einschätzskala (KES) untersuchten sie die pädagogische Qualität in deutschen Kindergärten. Dabei erfassten die Wissenschaftler auch die pädagogische Prozessqualität. Anhand einer adaptierten Fassung der Caregiver-Interaction-Scale von Arnett (1989) ermittelten die Forscher drei Subskalen der spezifischen Erzieherinnen-Kind-Interaktion: Sensitivität, Involviertheit/Beteiligung und Akzeptanz. Die pädagogische Prozessqualität musste jedoch in den meisten Fällen als unzureichend eingestuft werden. Dies äußerte sich zum Beispiel darin, dass einige Erzieherinnen die Kinder tendenziell sich selbst zu überlassen schienen, sie bei Aktivitäten unzureichend anregten und die Kinder bei Konflikten und emotionalen Problemen häufig nicht genügend unterstützten (Tietze 1998). Auch König (2006) kam in ihrer Studie über „Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse“ im Kindergartenalltag zu dem ernüchternden Ergebnis, dass die Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern lediglich an der Oberfläche verharren und somit erhebliche Defizite in der Interaktionskultur zwischen Erzieherinnen und Kindern bestehen. König stellte fest, dass die Erzieherinnen den Alltag der Kinder zum Teil äußerst passiv begleiten und nur in den seltensten Fällen in „lang andauernde Interaktionen“ mit den Kindern verbunden sind. Dialoge mit dem einzelnen Kind kommen in einem überwiegenden Anteil an Interaktionen zu kurz. Die Kinder werden eher instruiert, als dass die Fachkräfte die Interaktionsprozesse dazu nutzen, gemeinsam mit den Kindern konstruktiv Ideen zu entwickeln. Die sich hier widerspiegelnde Realität in deutschen Kindertageseinrichtungen steht damit der in den deutschen Bildungsplänen vertretenen Auffassung entgegen, dass Bildung nur im gemeinsamen Dialog und in ko-konstruktiven Prozessen von Kindern und ihren Interaktionspartnern stattfinden kann. Nahezu übereinstimmend teilen die Autoren der Bildungspläne die Ansicht, dass es entscheidend auf die Qualität der Erzieherinnen-Kind-Interaktionen ankommt, wenn Kinder erfolgreich bei ihren Lernprozessen unterstützt werden sollen. Hintergrund dieses Postulats eines angemessenen pädagogischen Verhaltens ist auch das sich seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland etablierende Bild des aktiven, kompetenten und sich die Welt ko-konstruktiv aneignenden Kindes (Schäfer 1995; Laewen und Andres 2002). Diese neue Fokussierung sozialkonstruktivistischer Bildungs- und Lerntheorien hatte zur Folge, dass die Beobach-
Einleitung
21
tung und Dokumentation kindlicher Lernprozesse als Qualitätsmerkmal pädagogischer Arbeit in den Bildungsplänen der Länder verankert wurde. Um die pädagogische Arbeit an den Interessen und Kompetenzen der Kinder ausrichten zu können, ist es Aufgabe der Fachkräfte, die Kinder intensiver und gezielter als bislang zu beobachten. Aus diesem Grund wurden in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre neue Beobachtungsverfahren entwickelt. Ein Verfahren, das neben den kindlichen Handlungen und Lerndispositionen auch die Beziehungen zwischen Kindern und Fachkräften berücksichtigt, sind die „Bildungs- und Lerngeschichten als Instrument zur Konkretisierung und Umsetzung des Bildungsauftrags im Elementarbereich“. In einem Projekt des Deutschen Jugendinstituts e.V. wurde das von Margaret Carr (2001) in Neuseeland entwickelte Verfahren der „Learning Stories“ aufgegriffen, unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes adaptiert und in deutschen Kindertageseinrichtungen erprobt. In dem von Hans Rudolf Leu geleiteten Projekt teilte man die Meinung Carr´s, dass vor allem solche Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern zum Erkennen der Interessen der Kinder und damit auch zum erfolgreichen Lernen beitragen, die auf Seiten der Erzieherinnen von Responsivität gegenüber den Kindern geprägt sind (Carr 2001, Preface). Allerdings muss in diesem Zusammenhang festgestellt werden, dass die Erhöhung der Qualität von Interaktionsprozessen zwischen Erzieherinnen und Kindern in Deutschland zwar postuliert wird, jedoch immer noch ein eher randständiges Thema ist. Pädagogische Fachkräfte finden hierzulande nur wenige Anregungen, wie sie den Umgang und die Gespräche mit Kindern auf sensitive und responsive Weise gestalten könnten. In den Bildungsempfehlungen der Länder werden konkrete Hilfestellungen, die die Qualität und die Feinfühligkeit in der Erzieherinnen-Kind-Interaktion betreffen, nur selten oder lediglich am Rande thematisiert und damit die entscheidenden Konsequenzen der Forderung ko-konstruktiver Bildungsprozesse vernachlässigt. So sind Erzieherinnen in Deutschland aufgrund der ohnehin zumeist widrigen Rahmenbedingungen mit Schwierigkeiten konfrontiert, wenn sie im Alltag spontane Gespräche mit einzelnen Kindern führen möchten, bei denen sie feinfühlig auf deren Signale eingehen und einen Einblick in ihre Sichtweisen hinsichtlich der eigenen Lernerlebnisse gewinnen könnten. Hinzu kommt, dass nur wenige Analysen vorliegen, die die Beziehungsqualitäten von Kindern und pädagogischen Fachkräften in deutschen Kindertageseinrichtungen betrachten (Nickel 1985; Tietze 1998; Roux 2002; König 2006). Ebenso besteht die Problematik, dass die Begrifflichkeiten, Definitionen und Operationalisierungen von Feinfühligkeit in der Forschung differieren und das Konzept der Feinfühligkeit bislang in erster Linie in Bezug auf die Mutter-
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Einleitung
Kind-Bindung angewandt wurde. Auf detaillierte Beschreibungen eines sensitiv-responsiven pädagogischen Verhaltens und auf Erläuterungen zu dessen Auswirkungen auf die Kinder können deutsche Erzieherinnen deshalb lediglich in einem sehr begrenzten Maße zurückgreifen. Die Autoren des Hintergrundberichts der OECD (2004) benennen dieses Desiderat und verweisen darauf, dass die Entwicklung und Erprobung von Möglichkeiten der systematischen Anregung und Begleitung kindlicher Lernprozesse, die auf der Vorstellung von Dialog und Ko-Konstruktion zwischen Kindern und Erzieherinnen basieren, noch ausstehen. Dies impliziert auch das Schaffen von Anregungen, wie Kinder auf ihren Lernwegen feinfühlig unterstützt werden können. Die vorliegende Studie hat deshalb zum Ziel, die zentrale Funktion, die einem feinfühligen Verhalten für die Bildungs-, Lern- und Entwicklungsprozesse der Kinder zukommt, näher zu betrachten. Die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern werden aus diesem Grund auf ein feinfühliges pädagogisches Verhalten hin überprüft. Grundlage der Untersuchung sind Alltagssituationen in deutschen Kindertageseinrichtungen, die mithilfe einer Videokamera aufgezeichnet wurden. Bei der genauen Betrachtung von 30 Interaktionsszenen geht es in erster Linie darum, die unterschiedlichen Nuancen „Sensitiver Responsivität“ detailliert zu beschreiben. Zudem wird ergründet, warum sich der „Grad“ der Feinfühligkeit im Verlauf einzelner Interaktionen verändert. Außerdem soll untersucht werden, ob bestimmte pädagogische Situationen ein feinfühliges pädagogisches Verhalten eher zulassen als andere. Nicht zuletzt zielt die Studie darauf, die Auswirkungen eines feinfühligen Verhaltens, aber auch die Konsequenzen eines nicht feinfühligen pädagogischen Handelns bei den Kindern zu ermitteln. Die Reaktionen der Kinder und das daraus resultierende Antwortverhalten der Erzieherinnen werden schließlich auf ihre Wechselwirkung hin überprüft. Letztlich sollen mit dieser qualitativen Untersuchung Hinweise gegeben werden, wie ein sensitiv-responsiver Umgang mit Kindern in der pädagogischen Praxis umgesetzt werden kann. In Kapitel 1 werden zunächst die wesentlichen theoretischen Ansätze vorgestellt, auf denen das in dieser Arbeit zu entwickelnde Konzept der „Sensitiven Responsivität“ basieren wird. Neben konstruktivistischen Lerntheorien werden hier Überlegungen und Ergebnisse aus der Hirn-, Bindungs- und Resilienzforschung aufgeführt. Anschließend wird in den Kapiteln 2 und 3 auf die Umsetzung der dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse im In- und Ausland eingegangen und das Erzieherverhalten als Forschungsgegenstand in Deutschland genauer betrachtet. Im Rahmen einer Zusammenfassung des Theorieteils wird im vierten Kapitel die Forschungslücke als Ausgangspunkt der vorliegenden Studie aufgezeigt.
In Kapitel 5 werden die Erkenntnisinteressen und das Forschungsdesign dieser Erkundungsstudie vorgestellt. Dabei werden die einzelnen Analyseschritte geschildert sowie die Rolle des Forschers und die Schwierigkeiten wäh-
Einleitung
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rend der Datenerhebung kritisch reflektiert. Auf dieser Grundlage kann im sechsten Kapitel mithilfe einer vergleichenden Textanalyse der Begriff der „Sensitiven Responsivität“ generiert werden. Hierfür sollen die in der Literatur aufgeführten und bislang ungeordneten Hinweise zu einem feinfühligen pädagogischen Verhalten systematisiert und Ainsworth´s übergreifendem Konzept der Feinfühligkeit sowie den damit korrelierenden Konzepten gegenüber gestellt werden. Ziel ist es, das Konzept der Feinfühligkeit für die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern neu zu definieren und zu operationalisieren, um diese Beziehungen hinsichtlich der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ untersuchen zu können. Bei der Auswertung der Daten orientiere ich mich an den Kerngedanken ethnographischer Feldforschung und stelle mehrere Fälle vergleichend und kontrastierend dar. Zunächst erfolgt in Kapitel 7 eine nuancierte Beschreibung des kindlichen Interaktionsverhaltens und der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“. Die hierbei gebildeten feingliedrigen Codierungen dienen sodann als Grundlage der deskriptiv-analytischen Betrachtung von 30 unterschiedlichen Interaktionsszenen. Bei der vergleichenden Analyse der Videoszenen in Kapitel 8 sollen situationsabhängige Variablen „Sensitiver Responsivität“ und Veränderungen des Grades an Feinfühligkeit innerhalb ein und desselben Interaktionsverlaufs eruiert werden. Ebenso werden die Reaktionen der Kinder auf das pädagogische Interaktionsverhalten und die Wechselwirkungen in den Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern untersucht. Nicht zuletzt gilt es zu ergründen, inwiefern ein (wenig) sensitiv-responsives Antwortverhalten die Qualität und Quantität der kindlichen Interaktionsbeiträge beeinflusst. Im neunten Kapitel wird eine Zusammenfassung zentraler Ergebnisse der Studie und ihre Einordnung in den Kontext der Resultate anderer Forschungsgruppen dazu führen, neue Forschungsdesiderata aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen für die pädagogische Praxis zu geben (Kapitel 10). Die Methode der Ethnographischen Feldforschung bietet hierbei den Vorteil, auf der Basis neuer Einsichten in die Komplexität, Unübersichtlichkeit und Selbstverständlichkeit des pädagogischen Alltags Implikationen für eine Veränderung pädagogischen Handelns zu entwickeln (Friebertshäuser 2008/1997; Oester 2008). Die aus den Forschungsergebnissen resultierenden Empfehlungen betreffen sowohl die Reflexion des kindlichen und des pädagogischen Interaktionsverhaltens als auch Hinweise für die Gesprächsgestaltung mit Kindern. Erzieherinnen sollen so unterstützt werden, kindliche Lernprozesse mithilfe eines sensitiv-responsiven Verhaltens besser begleiten und fördern zu können.
1 Theoretische Ansätze
Im Theorieteil der Studie geht es zunächst darum, zentrale theoretische Ansätze darzulegen, die dem zu entwickelnden Konzept der „Sensitiven Responsivität“ als Grundlage dienen. Konstruktivistische Lerntheorien werden in diesem Zusammenhang genauso aufgeführt, wie Überlegungen und Forschungsergebnisse aus der Hirn-, Bindungs- und Resilienzforschung. Im Anschluss daran wird auf die Umsetzung der aufgeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse im In- und Ausland eingegangen. Schließlich gilt es, das Verhalten pädagogischer Fachkräfte als Forschungsgegenstand in Deutschland in den Blick zu nehmen und die Forschungslücke als Ausgangspunkt dieser Videostudie aufzuzeigen.
1.1 Konstruktivismus Die soziale Interaktion hat als Grundlage frühkindlicher Bildungsprozesse in der internationalen entwicklungspsychologischen Diskussion der letzten Jahre immer mehr an Bedeutung gewonnen. Wie weitreichend dieses Verständnis kindlichen Lernens ist, erkennt man unter anderem daran, dass Barbara Rogoff (1997) Kognition als „kollaborativen Prozess“2 und Katherine Nelson (1996) kognitive Entwicklung als „Entstehung des (sozial) vermittelten Geistes“3 bezeichnet haben (Gisbert 2003, S.88ff). Laut Gisbert (2003) stimmt diese entwicklungspsychologische Sichtweise mit modernen Vorstellungen der Kognitionspsychologie überein, in der Verstehensprozesse und intersubjektive Bedeutungs- und Sinnkonstruktionen betrachtet werden. Lernen und Denken wird dabei nicht als isolierter, individueller Prozess, sondern vielmehr als sozialer Aushandlungsprozess verstanden (ebd.). Folgt man den Ausführungen Gisberts (2003), entsteht in einem ko-konstruktiven Prozess der Interaktionen nicht nur die Bedeutung von Dingen, Sachverhalten und Phänomenen. Auch die individuelle Bedeutung wird aus einer sozialen Übereinkunft abgeleitet. In der Theorie bezeichnet man diese Sichtweise auf frühkindliche Lernprozesse als Sozialkonstruktivismus (ebd.). Die Prinzipien des Sozialkonstruktivismus basieren 2 3
Rogoff, Barbara (1997): Cognition as a Collaborative Process Nelson, Katherine (1996): Language in cognitive development. Emergence of the mediated mind
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Theoretische Ansätze
nach Siraj-Blatchford (2007) auf den Theorien Lew Wygotskys (Konstruktivkulturtheoretische Psychologie) und Jean Piagets (Konstruktive Psychologie) (Siraj-Blatchford 2007, S.105). Zunächst soll jedoch auf den Konstruktivismus als übergreifende Theorie eingegangen werden. Der Konstruktivismus befasst sich mit der Entstehung des Wissens von Dingen und betont die aktive Interpretation des erkennenden und lernenden Menschen, der in einem Prozess Sinn und Bedeutung konstruiert. Gisbert (2003) führt dazu aus, dass Vertreter postmoderner konstruktivistischer Ansätze die Vorstellung ablehnen, dass Wissen im Individuum lokalisierbar ist. Sie verstehen Lernen und Verstehen als genuin soziale Aktivitäten. Lernen und Verstehen entwickelt sich demzufolge aus konkretem Handeln in sozialen Situationen, d.h. es ist situativ und kontextuell gebunden. Kulturelle Aktivitäten und Werkzeuge werden hierbei als integrale Bestandteile der geistigen Entwicklung betrachtet. Das bedeutet, dass Kinder nicht erst ein bestimmtes Entwicklungsniveau erreicht haben müssen, um mit kulturellen Werkzeugen wie Schriftsprache und Zahlen umzugehen. Vielmehr sind diese von Geburt an in der Entwicklung der Kinder eingebunden und treiben sie voran. Nach dieser konstruktivistischen Sichtweise erwerben Kinder in Interaktionen mit anderen schließlich Inhalte, die verhandelt werden und Methoden, um sich neue Dinge anzueignen (Gisbert 2003, S.88ff). Zentrale Merkmale des Konstruktivismus sind demnach die Annahme eines individuellen aktiven Lernprozesses, die Betonung der Situativität und die hohe Bedeutung der Lerngemeinschaft. Auch Vertreter des Sozial-Konstruktivismus heben die Aktivität und Flexibilität der Kinder hervor und erwarten, dass Pädagogen vom Alltagsverständnis der Kinder und deren Konstruktion der sie umgebenden Welt ausgehen (Laewen 2004, S.153). Da ein solches Verständnis mit als Ausgangsbasis eines feinfühligen pädagogischen Verhaltens betrachtet werden kann, sollen die Theorien Jean Piagets und Lew Wygotskys im Folgenden vorgestellt und diskutiert werden.
1.1.1 Die Lerntheorie Jean Piagets (1896 – 1980) Der Konstruktivismus als Wissenschafts- und Erkenntnistheorie betont den aktiven Prozess der Wissensentstehung und stützt seine Annahmen unter anderem auf Jean Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung. Der Schweizer Philosoph und Entwicklungspsychologe versteht Lernen als dynamischen und intra-personellen Konstruktionsprozess eines selbsttätigen Individuums. Piaget geht davon aus, dass der lernende Mensch die Umwelt zwar als Anregung seiner Entwicklung benötigt, dass die wesentlichen Impulse aber von ihm selbst ausgehen und er selbsttätig, aktiv und strukturiert seine Umwelt erkundet. Da seine Erkennt-
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nismöglichkeiten von sich aus nach Erprobung und Anwendung drängen, ist es nicht notwendig, einen lernenden Menschen zu diesem unsystematischen, nicht didaktisch angeleiteten Aufbauprozess der Selbstkonstruktion zu motivieren. Demzufolge geht es bei Piagets Theorie um eine kreative, selbständig entdeckende Entwicklung und ein Lernen als selbstkonstruktives Geschehen mit einer immanenten „Entfaltungslogik“ (Piaget 1972). Bei der Konstruktionsleistung kindlichen Denkens sind nach Piaget die Prinzipien der Assimilation und der Akkomodation grundlegend. Piaget (1975) versteht unter Assimilation eine Unterordnung der Umwelt an den Organismus. In der Akkomodation sieht er eine Quelle der Veränderungen, die den Organismus den sukzessiven Zwängen der Umwelt beugt (Piaget 1975, S.339). Assimilation und Akkomodation bilden demzufolge die beiden entgegengesetzten Pole bei der Interaktion zwischen Organismus und Umwelt. Diese Interaktion ist nach Piaget (1975) Grundvoraussetzung „für jegliches biologisches und intellektuelles Funktionieren“ und setzt von Anfang an ein Gleichgewicht (Äquilibration) zwischen den beiden Polen voraus (ebd.). Dabei muss laut Piaget (1971) beachtet werden, dass bei der Assimilation das Bedürfnis des Organismus als Motor anzusehen ist. Das Bedürfnis sei der „Ausdruck der Assimilationstätigkeit an sich“. Einflüsse, die einseitig von der Umwelt ausgeübt werden, entsprechen dieser Sichtweise folgend keinem Bedürfnis und führen deshalb so lange nicht zu ihrer Assimilation, bis der Organismus sich nicht an sie angepasst hat (Piaget 1971, S.410). Demzufolge ist Lernen in den Augen Piagets ein aktiver und eigendynamischer Prozess, bei dem das Subjekt seine Umwelt zur Nährung seiner ererbten oder erworbenen Schemata gebraucht (Piaget 1975, S.338). Ergeben sich bei der Anwendung bekannter und einfacher kognitiver Strukturen Unzulänglichkeiten und Widersprüchlichkeiten mit den gerade wahrgenommenen Strukturen der Umwelt, strebt der Lernende danach, das während des Assimilationsprozesses entstandene Ungleichgewicht auszugleichen und neue Strukturen zu konstruieren. Mit den Worten Mays (2004) ausgedrückt kommt eine Akkomodation dann zum Tragen, „wenn eine Situation Eigenschaften besitzt, die der Strukturorganisation des Assimilationsschemas nicht entsprechen, so dass diese den unerwarteten Eigenschaften und Beziehungen des Objekts bzw. der Situation anzupassen sind“ (May 2004, S.87). Da die Bildung der zu akkomodierenden Verhaltensschemata dem Assimilationsprozess selbst zu verdanken ist, ist Akkomodation laut Piaget (1971) nur in Abhängigkeit von Assimilation möglich (Piaget 1971, S.412). Die Interaktion zwischen Subjekt und Objekt sei infolge der Interdependenz von Assimilation und Akkomodation so groß, dass einer der Pole nicht ohne den anderen gedacht werden könne. Intelligenz sei deshalb die „Konstruktion von Beziehung und nicht nur Identifikation“ (ebd., S.420). Diese Zusammenhänge berücksichtigend und das
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Spannungsfeld ebenfalls auf das Verhältnis zwischen einzelnen (Teil-) Schemata beziehend spricht May (2004) hier von einer Dialektik „assimilativer Akkomodation und akkomodativer Assimilation“ (May 2004, S.87). May erläutert, dass Akkomodation und Assimilation durch die fortlaufende Entwicklung der Denkstruktur immer wieder aus dem Gleichgewicht geraten und so fortwährend neue Entwicklungen anstoßen. Piaget habe auf diese Weise in der Eigentätigkeit der Strukturen selbst die zentrale Ursache des Aufbaus neuer Strukturen ausmachen können (ebd.).
1.1.2 Diskussion der Lerntheorie Jean Piagets Galt Piagets Forschung in erster Linie der Suche nach allgemeinen Konstruktionsprozessen der geistigen Entwicklung, wird ihr dennoch vielfach vorgehalten, sie betrachte das Kind als „einsamen Wissenschaftler“. Dem setzt SirajBlatchford (2007) entgegen, dass Piaget durchaus eine Theorie über die Rolle sozialer Faktoren in der frühkindlichen Entwicklung gehabt habe, dass diese jedoch bei kritischen Betrachtungen weitgehend vernachlässigt wurde. SirajBlatchford (2007) betont, dass Piaget die Wichtigkeit von Beziehungen im Hinblick auf kindliches Lernen durchaus berücksichtigt habe. Er habe den Einfluss von Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern sowie zwischen Gleichaltrigen auf jegliche Aspekte kindlicher Entwicklung herausgearbeitet und auch die Vorstellung geteilt, dass die Reziprozität in der Gleichaltrigenbeziehung das Fundament für Perspektivenübernahme und Dezentrierung bildet. Nicht zuletzt habe Piaget ermittelt, dass kooperative soziale Interaktionen unter Kindern sowie zwischen Kindern und Erwachsenen dazu beitragen, die kognitive, emotionale und moralische Entwicklung der Kinder zu fördern (Siraj-Blatchford 2007, S.105). Youniss (1980), der sich intensiv mit den Thesen Piagets auseinandergesetzt hat, stellt die von Piaget fokussierten sozialen Aspekte kindlichen Lernens besonders umfassend dar. So basieren die Theorien Piagets laut Youniss (1980) auf einem Konzept von Individuen, die sich im Rahmen von vielfältigen Beziehungen entwickeln (Youniss 1980, S.19). Piaget (1965) konstatiert in diesem Kontext: „There are no … such things (as) isolates individuals. There are only relations”. „(T)he self can only know itself in reference to other selves” (Piaget 1965, S.360 und S.393; Youniss 1980, S.4). Demzufolge lernen Kinder von dem Zeitpunkt, an dem sie entdecken, dass sie in Beziehungen mit anderen existieren, durch diese Beziehungen und in der Interaktion mit anderen (ebd., S.20). Mit Youniss´ (1994) Worten ausgedrückt ist das Wachstum des Individuums oder des Selbst also eine immer wieder erfolgende Konstruktion des Selbst
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durch Beziehungen (Youniss 1994, S.150). Hierbei negierte Piaget laut Youniss (1980) nicht die Individualität eines Individuums, sondern er schuf ein neues Verständnis von Individualität. Bezug nehmend auf Piaget führt Youniss (1980) dazu aus, dass ein Subjekt dazu in der Lage sein muss, sein Selbst mit anderen in Beziehung zu setzen, um sich selbst als Individuum entdecken zu können (Youniss 1980, S.20). Auch das Wissen eines Kindes über seine Handlungen sei weniger das Ergebnis seiner Reflexion, als vielmehr eine in Interaktion konstruierte Ordnung. Youniss (1994) erläutert, dass das Wissen eines Kindes sozialisiert ist, weil die Handlungen des Selbst als reziprok zu den Handlungen anderer verstanden werden. Die Beiträge anderer Personen beeinflussen und bedingen die gedanklichen Abstraktionen eines Kindes (Youniss 1994, S.154 mit Verweis auf Piaget 1986). Bedeutungen werden demzufolge sozial und in interpersonellen Interaktionen konstruiert, wobei nicht die Frage der Kinder handlungsleitend ist: „What should I do?”, sondern „What do you do when I do this or that?” (Youniss 1980, S.5). Schließlich entsteht auch im sozialen Bereich gültige Erkenntnis nach Piaget (1986) dadurch, dass sich ein Subjekt an andere wendet und mit diesen hinsichtlich einer gegenseitigen Verständigung kommuniziert. Das Subjekt wendet sich Piagets Auffassung nach also nicht nach innen und stellt logische Analysen an (Piaget 1986, S.118ff zitiert in Youniss 1994, S.183). Piaget weicht somit von einer weit verbreiteten Meinung ab, wonach die Gedanken der Kinder in ihrem Inneren entstehen (Youniss 1994, S.154). Vor dem Hintergrund anderer zeitgenössischer psychologischer Theorien, die die Entstehung von Beziehungen dem Vorhandensein von Subjekt und Objekt nachordnen, betrachtet Youniss (1994) Piagets Herangehensweise, Beziehungen als Gegenstand der Erkenntnis zu behandeln, als einzigartig (Youniss 1994, S.151).
1.1.3 Weiterführung des Ansatzes von Jean Piaget Seit die Vorstellung überwunden wurde, dass Lernende von Erwachsenen Werte, Wissen und Können übernehmen, bekennen sich laut Krappmann und Oswald (1994) viele Entwicklungspsychologen und Sozialisationsforscher zu einer Position, die im Erwerb von Wissen und Können keinen einseitigen, sondern einen wechselseitigen Prozess sehen, an dem Heranwachsende aktiv beteiligt sind. Demnach „konstruieren“ Kinder Begriffe, Vorgehensweisen, Schemata und Fähigkeiten in Auseinandersetzung mit Objekten und Personen. Der Begriff des Konstruktivismus, der ursprünglich Piagets genetischen Strukturalismus von anderen Entwicklungsmodellen abhob, wird in dem von Krappmann und Oswald (1994) herausgegebenen Band durch James Youniss um eine interaktive Dimension erweitert. Krappmann und Oswald weisen darauf hin, dass Youniss´ Werk
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mit der Absicht entwickelt worden sei, die widerstreitenden Vorstellungen über die kindliche Entwicklung zu integrieren. Indem er ein Entwicklungskonzept in den Mittelpunkt rückte, das partikulare, universelle, individuelle, soziokulturelle, rekonstruktive und evolutive Aspekte gleichermaßen berücksichtigt, forderte Youniss - so Krappmann und Oswald - dazu auf, die interaktiven Erfahrungen der Kinder mit Eltern und Gleichaltrigen in all ihrer Kontingenz ernst zu nehmen. Dabei habe Youniss immer wieder insistiert, dass sich das Selbst eines Kindes innerhalb sozialer Prozesse der Differenzierung von Perspektiven ausbildet, an denen das Kind im Rahmen seiner Beziehungen zu anderen beteiligt ist. Youniss ließ sich folglich von Piagets frühen Werken inspirieren und führte dessen Epistemologie insofern weiter, als dass er Beziehungen als die Grundlage der sozialen Konstruktion betrachtete (Youniss 1994, S.10). Nach Krappmann und Oswald vertritt Youniss eine „starke und zugleich soziale Version“ des Konstruktivismus, die in dem von Youniss geprägten Begriff „Ko-Konstruktion“ zum Ausdruck kommt (Youniss 1994, S.7). In seiner „starken These“ zum Erwerb von Kompetenz verdeutlicht Youniss die Entstehung des individuellen Selbst der Kinder als Resultat ihrer Erfahrungen innerhalb von Beziehungen zu wichtigen Personen. Laut Krappmann und Oswald ist Youniss der Auffassung, dass die Ausbildung moralischer Orientierungen und Prinzipien in den Anstrengungen fußen, gegensätzliche Rechte und Interessen in alltäglichen Interaktionen mit realen Personen zu einem Ausgleich zu bringen. Außerdem betone er, dass der Erwerb eines wirklichen Verständnisses und einer wirksamen Kompetenz nur möglich sei, wenn Lernende Zweifel äußern und fragen, Argumente prüfen und die Folgen von Irrtümern und Fehlverhalten untersuchen können. Für diese Entwicklungsschritte benötigen Kinder in den Augen Youniss´ Interaktionspartner, die sich mit ihnen auf diese Prozesse einlassen, Antworten geben, widersprechen, neue Fragen aufwerfen, ohne jedoch die eigenen Anstrengungen der Heranwachsenden überflüssig zu machen (ebd., S.8). Youniss (1994) konstatiert in diesem Zusammenhang, dass man zugestehen müsse, dass ein Interaktionspartner direkt am Konstruktionsprozess beteiligt ist, wenn man gemäß der Piagetschen Erkenntnistheorie annimmt, dass das Selbst aktiv konstruiert. Wäre dem nicht so, „wäre Erkenntnis nicht sozial“ (ebd., S.170). Ähnlich wie Youniss knüpft auch Daniel Stern (1995, 1998) an Piaget an und erweitert dessen Theorie ebenfalls um eine interaktive Dimension. In gewisser Weise übernimmt Stern (1995) in seiner Theorie der präsymbolischen Interaktionsrepräsentierung Piagets Dialektik von Assimilation und Akkomodation (1995, S.193ff). Während Piaget allerdings die Seite des Säuglings fokussiert und annimmt, dass dessen zunächst voneinander isolierte Sinnesempfindungen erst allmählich miteinander in Beziehung gesetzt werden, geht Stern (1998) in
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Anlehnung an so genannte Skript- oder Ereignistheorien des Gedächtnisses von einer Interaktionsrepräsentierung aus, bei der sich verschiedene (taktile, propriozeptive, kinästhetische, visuelle, geschmackliche etc.) Empfindungen auf eine spezifisch affektive Weise zu einer Durchschnittsrepräsentanz verbinden. Stern spricht hier von einer „representation of interaction generalized (RIG)“ bzw. von einem Schema des Zusammenseins: „schema of beeing with“ (Stern 1998). Mit seinem Konzept der RIGs hat Stern heraus gearbeitet, dass der Säugling vor allem anderen „wechselseitig regulierte Abfolgen von mütterlichen und kindlichen Handlungen“ verinnerlicht (Beebe und Stern 1977, S.52; Dornes 1997, S.65). Darüber hinaus konnte Stern (1992) zeigen, dass die gemeinsame Ausrichtung der Aufmerksamkeit, die intentionale Gemeinsamkeit sowie die Gemeinsamkeit affektiver Zustände die Phase des „subjektiven Selbstempfindens“ eines sieben bis neun bzw. 15 bis 18-monatigen Kindes kennzeichnen (Stern 1992, S.182ff). Hinsichtlich einer gemeinsamen Ausrichtung der Aufmerksamkeit erläutert Dornes (1997) Untersuchungsergebnisse Sterns, wonach Säuglinge ab etwa dem achten Monat dem Zeigen eines Erwachsenen folgen können. Kinder dieses Alters sind demnach dazu in der Lage, „eine Dezentrierungsleistung (zu) vollbringen, die ihnen Piaget nicht zugetraut hatte“ (Dornes 1997, S.152ff). Zudem belegen die Resultate das Bedürfnis der Kinder, ihre eigene Wahrnehmung mit anderen zu teilen. Nachdem sie das Gezeigte gesehen haben, blicken die Kinder wieder zurück zum Erwachsenen, „wie um sich zu vergewissern, dass beide das Gezeigte gemeinsam sehen“ (ebd., S.153). Zeigt das Kind einer sorgenden Person etwas, geht es ebenso nicht nur darum, „dass beide dasselbe sehen (joint attention), sondern darum, dass sie es gemeinsam sehen (shared attention)“ (ebd.). Um ein „sharing“ handelt es sich in ähnlicher Weise beim „social referencing“, welches sich jedoch nicht ausschließlich auf kognitive, sondern gerade auch auf affektive Zustände bezieht. Hierzu referiert Dornes Untersuchungsergebnisse, die zeigen, dass sich beispielsweise neun Monate alte Kinder der Reaktion ihrer sorgenden Person vergewissern, wenn sie ein Objekt ansehen, das Neugierde und zugleich Unsicherheit erregt. Macht die sorgende Person ein furchtsames Gesicht, wird sich das Kind fürchten, lächelt sie, widmet sich das Kind neugierig dem Objekt (ebd.). „Social referencing“ ist folglich eine affektive Kommunikation zweier Personen unter Bezugnahme auf ein äußeres Objekt (ebd., S.154). Sich erneut auf Stern beziehend macht Dornes darauf aufmerksam, dass es jedoch auch Formen von Affektkommunikation gibt, die ohne diesen Umweg erfolgen. Stern beschreibt diese als „affect attunement“ (ebd.). Dornes (1997) erläutert den Begriff des „affect attunement“, der sich auf die amodalen Eigenschaften von Affekten bezieht und Verhalten nicht als solches wieder-
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gibt, sondern Gefühle, die darin zum Ausdruck kommen (ebd., S.155). Stern (1992) unterscheidet dabei sechs beobachtbare Merkmale, unter deren Zuhilfenahme sich Erwachsene und Kleinkinder miteinander abstimmen: absolute Intensität, Intensitätskontur, Takt, Rhythmus, Dauer und Gestalt (Stern 1992, S.203ff).
1.1.4 Die Lerntheorie Lew Wygotskys (1896 – 1934) Lew Wygotsky und sein Kollege Alexei Leontjew erzielten – wie Reich (2005) beschreibt – teilweise ähnliche Resultate wie Jean Piaget. Auch May (2004) sieht insbesondere in Leontjews Begründung dafür, weshalb das Rollenspiel im Vorschulalter die dominante Tätigkeit im Aneignungsprozess darstelle, „verblüffende“ Ähnlichkeiten zu den entsprechenden Ausführungen Piagets. So sehe Leontjew in den Symbol- und Rollenspielen ein aktiv sich aneignendes Eindringen „in immer größere Lebensbereiche“, gingen diese doch „über den engen Rahmen des Hantierens mit den Dingen und des Umgangs mit den Menschen in seiner allernächsten Umgebung“ weit hinaus (Leontjew 1973, S.398; May 2004, S.247). Ansonsten unterscheiden sich Piagets durchgehend formalistische entwicklungs- bzw. kompetenztheoretische Konzeption und das Aneignungskonzept Wygotskys und Leontjews aber grundlegend (ebd.). Im Gegensatz zu Piaget wandten sich die russischen Psychologen stärker sozialen und historischen Fragestellungen zu (Reich 2005, S.77) und prägten damit den Sozialkonstruktivismus. Die konstruktiv-kulturtheoretische Psychologie Wygotskys geht zurück auf die kulturhistorische Schule, die er nach der Revolution in der Sowjetunion gemeinsam mit Alexei Leontjew und Alexander Luria begründete. Die Schule zielte darauf, die Verbindung zwischen Individuum und Gesellschaft zu erklären und vertrat ein Menschenverständnis, das diesen als aktiven Gestalter seiner Entwicklung betrachtete. Gemäß diesem Verständnis eignet sich der Mensch als handelnder Akteur kulturelle Inhalte seiner Gesellschaft an und wird auf diese Weise zum Mitglied der Kultur. Kulturen werden unter dem Gesichtspunkt eines niedrigeren und höheren Entwicklungsniveaus betrachtet und der Entwicklungsgedanke damit auf Kulturen übertragen. Lew Wygotsky war einer der einflussreichsten Vertreter der kulturhistorischen Schule und vereinigte kognitive und soziale Aspekte, indem er alle höheren Bewusstseinsphänomene aus der sozialen Interaktion ableitete. In der Zusammenarbeit mit anderen Menschen sieht Wygotsky (1987) „die allererste Quelle für die Entwicklung der inneren individuellen Eigenschaften der Persönlichkeit des Kindes“ (Wygotsky 1987, S.85). Den Einfluss des physikalischen, sozialen und kulturellen Kontextes auf die kognitive Entwicklung betonend ver-
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steht Wygotsky demnach Lernen als Entdeckungsprozess im Rahmen sozialer Interaktionen. In den Augen des Psychologen sind Individuen aktive Gestalter ihrer Entwicklung, die von ihrer sozialen Umgebung maßgeblich beeinflusst werden. Die individuelle Entwicklung ist in dieser Sicht ein gemeinsames Werk vom einzelnen Kind, von Erwachsenen und anderen Kindern und basiert auf Zusammenarbeit und Vorbild (ebd., vgl. dazu auch Textor 2007, S.82 ff). Der eigentliche Lern- und Entwicklungsprozess besteht nach Wygotsky (1987) schließlich aus der Vermittlung durch mentale Werkzeuge. Die Kultur stellt Sprache, Zeichen und Symbole bereit und sorgt auf diese Weise für die Vermittlung kulturellen Wissens und Handelns. Wygotsky (1987) spricht deshalb von Ko-Konstruktion von Kultur sowie von individuellem Wissen und Handeln (ebd.). Die Bildung kognitiver Strukturen eines Kindes kann nach Auffassung des Psychologen also nicht von seinem jeweiligen Kontext getrennt werden und geschieht sowohl zwischen Menschen als auch im einzelnen Individuum als externaler und internaler sozialer Konstruktionsprozess. Sich stützend auf Wygotsky beschreibt Fried (2005) diesen Ko-Konstruktionsprozess, in dem das einzelne Kind kulturspezifische Symbolsysteme und kollektive Wissensbestände internalisiert und diese nutzt, um eigene Wissensstrukturen, d.h. kulturspezifische Konzepte und Begriffe, weiter auszubilden. Insofern wird die Wissensaneignung junger Kinder entscheidend durch die Kultur geprägt, in deren Rahmen sie stattfinden (Fried 2005, S.18). Das Potenzial für die kognitive Entwicklung von Kindern liegt laut Wygotsky (1969) in der Zone der nächsten Entwicklung (ZNE), die oberhalb des aktuellen Entwicklungsniveaus liegt und den Bereich bezeichnet, den sich das Kind als nächstes aneignen wird. Dabei können drei ZNE unterschieden werden: Die intentionale Instruktion (informelle und formelle Erziehung), die stimulierende Umgebung (Bücher oder Konstruktionsspielzeug) und das Spiel selbst. Nach Wygotsky erreichen Lernende die ZNE, nachdem sie zunächst eine Aufgabe durch Instruktion und schließlich auch selbständig gelöst haben (Wygotsky 1969, S.236ff).
1.1.5 Weiterführung des Ansatzes von Wygotsky Der Ansatz Wygotskys wurde insbesondere über Jerome Bruner vermittelt und fand eine weite Verbreitung im englischen Sprachraum (Reich 2005, S.77). Jerome Bruner (1983) hat – so Reich – sozial-konstruktivistische Interaktionsformen zwischen Erwachsenen und Kindern nach dem Motto betrachtet „Wo zunächst ein Zuschauer war, soll anschließend ein Teilnehmer sein.“ Bruner sah es wie Wygotsky als notwendig an, dass Erwachsene ihre Kommunikation an die aktuellen Fähigkeiten der Kinder anpassen und die notwendige Unterstützung
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leisten, mit der Kinder eine ihre Fähigkeiten leicht übersteigende Aufgabe lösen können. Erwachsene müssen Bruner zufolge Hinweise geben, wie ein Kind mehr Verantwortung für eine Lösung übernehmen kann, sodass es imstande ist, die geforderte Tätigkeit eigenständig auszuführen (ebd.). Nach Gisbert (2003), die die Arbeiten Bruners rezitiert, nehmen interaktive Prozesse des Lernens somit einen ähnlichen Stellenwert ein wie die Bedeutung des Lehrens (Gisbert 2003, S.90). Im deutschsprachigen Raum wurden die Thesen Wygotskys und Leontjews vor allem von Holzkamp (1973) aufgegriffen und weitergeführt. Weist Leontjew (1973) ausdrücklich darauf hin, dass die „historischen Bedingungen, unter denen das Kind lebt ..., sowohl den konkreten Inhalt der einzelnen Entwicklungsstufen als auch den gesamten Verlauf der psychischen Entwicklung“ maßgeblich beeinflussen (Leontjew 1973, S.403; May 2004, S.247), so verstehen Holzkamp und Schurig (1973) individuelle Entwicklung im Rahmen des Aneignungskonzeptes „als Folge ›sachlogisch‹ aufeinander aufbauender Stufen verschiedener ›dominanter Tätigkeiten‹ in Abhängigkeit von bestimmten Gegenstandsarten und der über Gegenstände vermittelten Kooperations- und Kommunikationsweisen“ (Holzkamp und Schurig 1973, S.XLII). Darüber hinaus haben sie darauf hingewiesen, dass ein funktionales System nicht allein im Verhältnis zu den jeweiligen dinglichen Spielobjekten entsteht. Erwachsene üben darauf einen Einfluss, indem sie Kindern im Kleinkindalter Gebrauchsgegenstände und Spielmaterial nicht einfach bloß darreichen. Folgt man Holzkamps Aneignungstheorie, sind der Erwachsene und das einzelne Kind in „dyadischer Asymetrie“ den sachlichen Notwendigkeiten der in den entsprechenden Produkten „vergegenständlichten allgemeinen Zwecksetzungen unterworfen und durch diese Notwendigkeit in ihren ›Beiträgen‹ miteinander koordiniert“ (ebd., S.195). May (2004b) nimmt explizit auf den Aneignungsbegriff der „kulturtheoretischen Schule“ und folglich auch auf Holzkamp Bezug und entwickelt den Begriff im Kontext seiner Theorie der Selbstregulierung weiter. In seiner Interpretation ist das, was Holzkamp als „funktionale Systeme“ bezeichnet und von Piaget als „sensomotorische“ bzw. „Assimilationsschemata“ genannt wurde, „nichts anderes als die „tote Arbeit“4 gelingender Selbstregulierungen im Kooperationsverhältnis zwischen äußeren Objekten und den in der Reibung an deren objektiver Realität sich ausbildenden menschlichen Wahrnehmungs- und Handlungsorganen“ (May 2004b, S.52). Sich berufend auf Negt und Kluge (1981) führt May aus, dass jegliche zielgerichtete menschliche Aneignungstätigkeit ein „instrumentelles, planendes Funktionieren des Gehirns, Gehorsam oder Nichtmucken der Organe und Zellen“ voraussetze (Negt und Kluge 1981, 4 Mit dem Begriff der „toten Arbeit“ bezieht sich May (2004b) auf Marx, der diesen für vergegenständlichte, verobjektivierte Arbeit verwendete (ebd.).
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S.92; May 2004b, S.64). May vertritt die Auffassung, dass hierfür die notwendige Arbeitskraft fortwährend neu erarbeitet werden muss und zwar „in einem Tauschverhältnis zwischen der Selbstausbeutung bereits als toter Arbeit konstituierten Arbeitsvermögens und dem Eigensinn der von der Arbeitskraft immer erneut wieder anzueignenden „Naturkraft“ lebendiger Arbeit der Selbstregulierung“ (ebd.). In den Augen Mays schienen Piaget, Bourdieu, Leontjew und Holzkamp dies allerdings kaum zur Kenntnis genommen zu haben. Was Piaget als Assimilationsschemata, Holzkamp als funktionale Systeme, Stern als RIGs und Bourdieu als Habitus thematisierten, ist nach May das geschichtliche Resultat von Prozessen, die wesentliche Anteile der Geschichte abtun. Diese Anteile werden laut May jedoch nur dann in das Blickfeld gerückt, „wenn entsprechende Vermögen nicht allein als bloße Mittel zur Selbstentfremdung, sondern in der Perspektive ihrer Verwirklichung und Kooperationsfähigkeit untersucht werden“ (ebd.).
1.1.6 Die Rolle erwachsener Interaktionspartner in (sozial-) konstruktivistischen Ansätzen Auch in aktuelleren Arbeiten wird immer wieder auf (sozial-)konstruktivistische Lerntheorien Bezug genommen und in diesem Zusammenhang auf ein entsprechendes Interaktionsverhalten von Erwachsenen hingewiesen. So bezieht sich beispielsweise Siraj-Blatchford (2007) dezidiert auf die Thesen Wygotskys und führt aus, dass Kinder zum Erreichen eines höheren Entwicklungsstands beim Lösen von Problemen nicht nur die Unterstützung fähigerer Gleichaltriger erfahren müssen, sondern auch die Unterstützung durch Erwachsene. Aufgabe der Erwachsenen sei es, die Grenzen der kindlichen Entwicklungszonen richtig zu definieren und ihre Unterstützungsmaßnahmen entsprechend anzupassen. Die Hilfestellungen müssen dabei so abgestimmt sein, dass sie die Kinder nicht über- oder unterfordern. Vielmehr sollen Kinder dazu befähigt werden, Probleme künftig selbst lösen zu können und damit die Zone der nächsten Entwicklung auch zu erreichen. Zudem gibt Siraj-Blatchford zu bedenken, dass Kinder dieses Ziel nur erlangen können, wenn sie während der Interaktion wirklich interessiert und beteiligt sind. Vor dem Hintergrund eines ko-konstruktiven Lernverständnisses sei es deshalb notwendig, dass die Interaktionsinhalte nicht nur lehrreich sind, sondern dass das Engagement des erwachsenen Interaktionspartners gleich hoch ist wie das des Kindes (Siraj-Blatchford 2007, S.105ff). Ein solcher Unterstützungsprozess durch kompetentere und sensible Interaktionspartner wird in der Entwicklungspsychologie „Scaffolding“ genannt (Gisbert 2003, S.90; Textor 2007, S. 84ff).
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Ähnlich wie Siraj-Blatchford (2007) unterstreicht Reich (2005) die Notwendigkeiten, dass die Konstruktion von Wissen immer in Verbindung mit der eigenen Interessens-, Motivations- und Gefühlslage steht sowie Inhalte und Beziehungen der Interagierenden konstruktivistisch ausgelegt werden (Reich 2005, S.119). Reich bezieht sich hierbei auf John Dewey, dessen Pragmatische Lerntheorie er als wesentlichen Vorläufer heutiger kulturell orientierter konstruktivistischer Ansätze bezeichnet und die er als grundlegend für den Pädagogischen Konstruktivismus sieht. Dewey zufolge steht Lernen immer im Zusammenhang mit einem eigenen (hohen) Interesse und bestimmten Motiven. Pädagogen sollten deshalb die Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung der Kinder unterstützen, sie in ihrer Verantwortung und damit auch in ihrem Selbstwertgefühl stärken (ebd., S.70). Um dies zu gewährleisten, sieht Deweys pädagogischer Ansatz laut Reich die interessierte und emotionale Antwort des Erwachsenen als Handlungsstufe vor, die dafür Sorge trägt, sich auf den Sinn des Lernens einzulassen (ebd., S.199).
1.2 Hirnforschung Vertreter der Hirnforschung unterstreichen die oben ausgeführten Ansichten hinsichtlich der auf Ko-Konstruktion basierenden Lernprozesse von Kindern. Insbesondere die Gruppe um Stern (2003; 2004) vertritt eine (sozial-)konstruktivistische Sichtweise auf kindliches Lernen und ist der Auffassung, dass intelligentes Wissen nicht einfach übertragen werden kann, sondern vom Lernenden durch die Anwendung in unterschiedlichen Zusammenhängen eigenständig konstruiert werden muss (Stern 2003, S.15; Stern und Schumacher 2004, S.16). Aus diesem Grund heben Stern und Kollegen (2007) Rahmenbedingungen eines guten Unterrichts hervor. Unter Hinweis auf Baumert et al. (2004) erläutern sie, dass Pädagogen, die in diesem „guten Unterricht“ agieren, verständnisvolles Lernen als aktiven, individuellen und sinnstiftenden Konstruktionsprozess verstehen und Kinder dementsprechend unterstützen. Außerdem geben die Pädagogen Kindern die Möglichkeit, sich während dieses Prozesses handelnd mit ihrer sozialen und natürlichen Umwelt auseinanderzusetzen und mit Symbolsystemen umzugehen. Laut Stern et al. (2007) ermöglicht es ein solches verständnisvolles, situiertes, kontextuiertes und durch metakognitive Prozesse reguliertes Lernen, neu eingehende Informationen an bereits bestehendes Wissen anzuknüpfen und die Wissensstrukturen der Kinder dadurch zu verändern, zu erweitern, zu vernetzen, hierarchisch zu ordnen oder neu zu generieren (Stern et al. 2007, S.115ff).
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Stern (2003) gibt jedoch zu bedenken, dass diese Sichtweise auf pädagogischen und kognitionswissenschaftlichen Theorien basiere, die gegenüber neurophysiologischen Erklärungen auf höheren Erklärungsebenen angesiedelt seien. Nach Stern ist es deshalb prinzipiell nicht möglich, diese kognitionswissenschaftlichen und pädagogischen Theorien vollständig auf neurophysiologische Erklärungen zu reduzieren. Ebenso sei es noch nicht möglich, aus hirnphysiologischen Forschungsergebnissen allein Forderungen hinsichtlich der Gestaltung von Lerngelegenheiten abzuleiten (Stern 2003, S.9; Stern et al. 2007). Das menschliche Gehirn stelle im Kontext des kulturellen Lernens lediglich ein Teilsystem dar. Deshalb müsse die Beschreibung der Voraussetzungen kulturellen Lernens neben der Beschreibung des Gehirns auch weitere Faktoren wie das Vorwissen des Lernenden mit einbeziehen. May (2004) sieht hier im Gehirn nichts anderes als den neurophysiologischen Niederschlag von Lernprozessen und spricht deshalb auch von „toter Arbeit“. Er führt dazu aus, dass sich die lebendige Arbeit der Selbstregulierung der „toten Arbeit“ entsprechender Hirnstrukturen mit ihrer jeweiligen speziellen Ausstattung als Instrument in unterschiedlichsten Kombinationen bedient. Diese werden sodann als Muster elektrischer Aktivität erfassbar (May 2004, S.75). Da die Hirnforschung laut Stern und Kollegen (2007) mit der Beschreibung neurophysiologischer Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Lernen – und hier vor allem mit der Diagnose und Erklärung kognitiver Leistungsstörungen sowie der Identifikation von Vorläuferfähigkeiten kognitiver Leistungen – wichtige Einsichten für kognitionswissenschaftliche und pädagogische Theorien bereitstellt (Stern et al. 2007, S.33ff), wird im Folgenden auf Resultate der Hirnforschung näher eingegangen. Dabei werden insbesondere die Rolle der erwachsenen Interaktionspartner und die Funktion von Emotionen in Bezug auf die kindliche Gehirnentwicklung beleuchtet. Zunächst sollen jedoch einige grundlegende Informationen gegeben werden, wie sich die Entwicklung des kindlichen Gehirns vollzieht.
1.2.1 Die Entwicklung des kindlichen Gehirns Laut Singer (2003) sind die Nervenzellen von Kindern zum Zeitpunkt ihrer Geburt im Wesentlichen angelegt, in bestimmten Bereichen des Gehirns (z.B. in der Großhirnrinde) jedoch noch nicht miteinander verbunden (Singer 2003, S.70). Mit der Geburt vollzieht sich nach Singer ein entscheidender Sprung in der Entwicklung des kindlichen Gehirns. Die Sinnesorgane der Kinder können jetzt Signale aus der Umwelt aufnehmen. Das entstehende Wechselspiel zwischen diesen Signalen und den Genen der Kinder wird Singer zufolge in einem
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Selbstorganisationsprozess von Aktivitätsmustern bestimmt, die von der Umwelt mitgeprägt werden. Alles, was auf die Sinnesorgane eines Babys einwirkt, beeinflusst nun die weitere Entwicklung des Gehirns (ebd., S.69). Unter der Voraussetzung, dass die körperlichen und emotionalen Grundbedürfnisse von Kindern befriedigt und ihre Sinnesfunktionen intakt sind, vollziehen sich laut Stern et al. (2007) viele Veränderungen im Gehirn auf „vorprogrammierte und eigendynamische Weise“ (Stern et al. 2007, S.19). Dass ein kritischer Umgang insbesondere mit der von Stern verwendeten Begrifflichkeit „vorprogrammiert“ notwendig ist, erkennt man unter anderem daran, dass Hüther (2003) von der Hirnentwicklung als einem sich selbst organisierenden und durch Interaktionen mit der Umwelt gelenkten Prozess spricht (Hüther 2003, S.32). Hüthers Darstellungsweise betrifft damit also selbst organisierende und selbst regulative Prozesse. Im ersten Lebensjahr eines Kindes nehmen die Verschaltungen zwischen den Synapsen im Gehirn in einem hohen Ausmaß zu, das später nicht mehr erreicht wird (Stern et al. 2007, S.19). Ein Großteil der Verbindungen wird laut Singer (2003) bald wieder vernichtet (Singer 2003, S.70). Die Forschergruppe um Stern (2007) betont, dass ab dem dritten Lebensjahr der Kinder sogar ein rapider Abbau einsetzt, der sich in abgeschwächter Form bis zur Pubertät fortsetzt (Stern et al. 2007, S.19). Folgt man Singer (2003), bleibt jedoch etwa ein Drittel der einmal angelegten Nervenverbindungen erhalten. Singer konstatiert, dass die Ausreifung der erhaltenen Hirnstrukturen dabei von ihrer eigenen Aktivität abhängt. Zudem führt Singer (2003) aus, dass die Ausbildung der funktionellen Architektur der Großhirnrinde in erheblichem Umfang von Sinnessignalen geprägt sei und somit auch auf Erfahrungen beruhe. Bewertungssysteme des Gehirns ermöglichen es den Aussagen des Wissenschaftlers zufolge nur ausgewählten Signalen, die Entwicklung zu beeinflussen. Gesteuert von eigenen Bewertungen entscheide das Gehirn, welche Aktivitätsmuster die Verschaltungen im Gehirn verändern. Ob das hierfür notwendige Vorwissen – wie Singer unterstellt – in der funktionellen Architektur der Bewertungssysteme gespeichert und genetisch festgelegt ist, gilt bei anderen Forschern jedoch als umstritten. Schließlich merkt Singer an, „dass Sinnessignale nur dann strukturierend auf die Entwicklung einwirken können, wenn sie Folge aktiver Interaktionen mit der Umwelt sind, bei denen der junge Organismus die Initiative hat“ (Singer 2003, S.70). Hüther (2003), der im Gegensatz zu Singer genetische Programmierungen weniger betont, sieht in der Hirnentwicklung einen Prozess, der sich selbst organisiert und durch Interaktionen mit der Außenwelt gelenkt wird. Dabei können neue neuronale Verbindungen und synaptische Verschaltungen lediglich im Kontext und auf der Basis bereits etablierter Interaktionsmuster ausgebildet und
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stabilisiert werden. Laut Hüther entwickelt sich das Gehirn nur unter der Voraussetzung, dass neue Bedingungen auftreten, die die Stabilität der bereits etablierten Interaktionen infrage stellen. Solche Bedingungen werden seiner Theorie zufolge von dem sich entwickelnden System selbst verursacht. Ist dieser Fall gegeben, verläuft die Hirnentwicklung laut Hüther „weitgehend autonom, selbstorganisiert und eigendynamisch innerhalb der jeweils herrschenden äußeren (intrauterinen) Bedingungen“ (Hüther 2003, S.33). Mit dem Erlöschen von Proliferation und Wachstum verliert das sich entwickelnde Gehirn jedoch einen wesentlichen Antrieb seiner Eigendynamik. Hüther erläutert, dass das Gehirn zunehmend Verbindungen zur Außenwelt erlangt, wodurch die bereits etablierten und noch zu bildenden Verschaltungen und Erregungsmuster über sensorische Eingänge von außen beeinflusst werden. Diese Erregungsmuster führen dazu, dass bestimmte neuronale Verschaltungsmuster stabilisiert werden können. Deren Stabilität hängt jedoch von den jeweiligen sie stabilisierenden Eingängen und Erregungsmustern ab. Die Hirnentwicklung verläuft laut Hüther von nun an also nicht mehr autonom gegenüber sensorischen Inputs, sondern in Abhängigkeit von den sensorischen Eingängen der Außenwelt. Folgt man Hüthers Theorie, so können deshalb jegliche Veränderungen der äußeren Welt, die stark genug sind, das sich in der „Innenwelt“ des sich entwickelnden Gehirns herrschende Bedingungsgefüge zu verschieben, die dort stattfindenden Wachstums- und Differenzierungsprozesse in eine bestimmte Richtung lenken (ebd.). Mit anderen Worten besagen die vorherigen Ausführungen, dass Kinder dann lernen, wenn das neuronale Gewebe in bestimmten Bereichen ihrer Gehirnrinde so aktiv ist, dass es eine Modifikation der Synapsenstärken bewirkt. Dabei sind die Faktoren Aktivität und Aufmerksamkeit laut Spitzer (2002) von gleichrangiger Bedeutung. Aufmerksamkeit ist nach Spitzer nicht nur ein psychologischer, sondern ebenfalls ein messbarer neurobiologischer Prozess (Spitzer 2002, S.149). Lenken Kinder ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte, ihre Sinne erregende Aspekte der Außenwelt, werden hierbei genau die neuronalen Strukturen stärker aktiviert, die für die Verarbeitung dieses Ausschnitts zuständig sind (ebd., S.146 und S.149). Zu bedenken ist jedoch, dass die bildgebenden Verfahren selbst wiederum ein Produkt von statistischen Berechnungen sind. Die Hirnaktivität wird also nicht unmittelbar, sondern lediglich „vermittelt“ dargestellt. In welchem Ausmaß Kinder die neu gewonnenen Informationen behalten, hängt nach Spitzer davon ab, wie aufmerksam sie sich dem dargebotenen Material zuwenden. Spitzer führt weiterhin aus, dass aus neurobiologischer Sicht hierfür zwei Prozesse verantwortlich sind: zum einen die allgemeine Wachheit oder Vigilanz (d.h. die Aktivierung des Gehirns überhaupt) und zum anderen die selektive Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Ort, Gegenstand oder Aspekt
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der Wahrnehmung (ebd., S.155). Folgt man Haug-Schnabel und Bensel (2007) kommt hinzu, dass Kinder Erfahrungen selbst machen müssen, um Wahrnehmungen ihrer Umwelt aufnehmen und verarbeiten zu können (Haug-Schnabel und Bensel 2007, S.20). Sie müssen Dinge selbst ausprobieren und unmittelbar erfahren können sowie in einen interaktiven Dialog mit ihrer Umwelt treten, damit Sinnessignale strukturierend auf die Entwicklung der Kinder wirken können und nachhaltige neuronale Netze aufgebaut werden können (ebd., S.21; Singer 2003, S.70ff).
1.2.2 Der Einfluss der Interaktionspartner auf die kindliche Hirnentwicklung Nach Spitzer (2002) lernen Kinder in erster Linie dann, wenn die Erfahrungen, die sie machen, positiv sind. Folgt man Spitzers Theorie, so bestehen positive Erfahrungen für Menschen vorderrangig in positiven Sozialkontakten. In gemeinschaftlichen Aktivitäten und im gemeinschaftlichen Handeln sieht der Forscher den wahrscheinlich bedeutsamsten „Verstärker“ menschlichen Lernens (Spitzer 2002, S.181). Auch Haug-Schnabel und Bensel (2007) verweisen darauf, dass das menschliche Gehirn primär ein „Sozialorgan“ sei, das relevante Erfahrungen vor allem im Kontakt, Austausch und in der Interaktion mit der sozialen Umwelt sammle (Haug-Schnabel und Bensel 2007, S.21). Hüther (2003) erklärt, dass insbesondere in den jüngeren Gehirnbereichen der Prozess der nutzungsabhängigen Strukturierung (d.h. die Bildung und Elimination überschüssiger synaptischer Verschaltungen) immer stärker durch die jeweils vorgefundenen äußeren Nutzungsbedingungen bestimmt wird. Das bedeutet, dass das familiäre und soziale Umfeld, die Erziehung und Sozialisation sowie Anregungen und Anforderungen die Erfahrungen eines Kindes und damit auch seine Hirnentwicklung maßgeblich beeinflussen (Hüther 2003, S.34). Dabei sei die Hirnentwicklung eines Kindes in besonders hohem Ausmaß von der emotionalen, sozialen und intellektuellen Kompetenz seiner erwachsenen Bezugspersonen abhängig. Erwachsene tragen damit eine hohe Verantwortung für die Gestaltung der Entwicklungsbedingungen von Kindern. Da Erwachsene jedoch sehr unterschiedliche Fähigkeiten der Entwicklungsgestaltung von Kindern aufweisen, können die genetischen Potenzen zur Ausformung hochkomplexer, vielseitig vernetzter Verschaltungen im Gehirn nicht bei allen Kindern in vollem Umfang entfaltet werden (ebd., S.31). Nach Hüther (2003) wird die Hirnregion, die in besonderer Weise durch Erziehungs- und Sozialisationsprozesse strukturiert wird, als Frontal- oder Stirnlappen bezeichnet. Dieser sich zuletzt und am langsamsten entwickelnde Bereich des Gehirns sei dafür zuständig, eintreffende Erregungsmuster aus anderen
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Bereichen des Gehirns zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Mit seiner Hilfe können Kinder zukunftsorientierte Handlungsmuster bilden, innere Orientierungen entwickeln, planen, die Folgen von Handlungen abschätzen, sich in andere hineinversetzen, Gefühle teilen und Verantwortungsgefühl empfinden. Wie sehr und auf welche Weise sich die neuronalen Verschaltungen vor allem im frontalen Kortex vernetzen, hängt Hüther zufolge in hohem Maße davon ab, womit sich Kinder besonders intensiv beschäftigen und welche Anregungen ihr Gehirn im Verlauf des Erziehungs- und Sozialisationsprozesses erfährt. So sollten Kinder bereits im Säuglingsalter viele Gelegenheiten bekommen, sich selbst, aber auch ihre Wirkung auf andere wahrzunehmen. In aktiven Interaktionen und zusammenhängenden Kontexten müssen sie ihre bisher erworbenen Fähig- und Fertigkeiten erproben und weiter entwickeln und zudem die Erfahrung machen, dass sie auch Schwierigkeiten mit der Unterstützung ihrer Interaktionspartner überwinden können. Da sich die hochkomplexen Verschaltungsmuster des Frontalhirns nur unter diesen Voraussetzungen ausbilden können, kann dieser Bereich des Gehirns als „soziales Produkt“ angesehen werden (Hüther 2003, S. 40ff). Neben diesen interaktionalen und kommunikativen Prozessen, die laut Singer (2003) „außerordentlich wichtig für die Hirnentwicklung“ sind (Singer 2003, S.75), stellen nicht zuletzt Sicherheit bietende Bindungen – wie Hüther (2003) hervorhebt – eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung lernfähiger und plastischer Gehirne dar. Verschwindet beispielsweise plötzlich die Mutter eines Kleinkindes, so erzeugt dies nach Hüther eine intensive, unspezifische Erregung in den emotionalen Zentren des kindlichen Gehirns. Das Vertrauen der Kinder wachse in ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, bedrohliche Situationen meistern zu können, wenn sie in solchen Momenten Bezugspersonen haben, die ihnen zuverlässig und feinfühlig helfen, ihren Ängsten beistehen und die ihnen Wege zeigen, um die Ängste zu überwinden. Hüther erklärt, dass in den Gehirnen der Kinder alle dabei aktivierten Verschaltungen gebahnt werden und die Kinder neben Selbstvertrauen auch enge Bindungen zu ihren Bezugspersonen entwickeln, die auf Geborgenheit, Sicherheit und Orientierung fußen (Hüther 2003, S.35 – S.37).
1.2.3 Emotionen und Hirnentwicklung Beim Sammeln von Erfahrungen werden Kinder mit vielfältigen Gefühlen konfrontiert. Wird etwas Neues oder Unerwartetes wahrgenommen, das als Bedrohung (Angst) oder Belohnung (Freude) empfunden wird, ist die strukturelle Verankerung dieser Erfahrungen laut Hüther (2003) „eng an die Aktivierung emo-
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tionaler, limbischer Hirnregionen geknüpft“ (Hüther 2003, S.34). Die Aktivierung limbischer Zentren führe dazu, dass in den höheren assoziativen kortikalen Regionen des Gehirns vermehrt Signalstoffe mit trophischen, neuro-plastischen Wirkungen (Transmitter, Mediatoren, Hormone) ausgeschüttet würden. Diese Signalstoffe stimulierten die Bildung und Bahnung synaptischer Verschaltungen. Es komme dann zu einer Festigung insbesondere der Nervenzellverschaltungen, die im Zuge der emotionalen Aktivierung besonders intensiv genutzt werden. Hüther spricht in diesem Zusammenhang von einem „emotionalen Gedächtnis“ für erfolgreiche bzw. erfolglose Bewältigungsstrategien (ebd.). Allerdings macht May (2004) darauf aufmerksam, dass es in der Forschung sehr umstritten sei, was zum limbischen System zu rechnen ist. Sich berufend auf LeDoux (1998) führt May an, dass der Begriff zuweilen gänzlich in Frage gestellt wird, da es sich hierbei um ein anatomisch und auch funktional sehr heterogenes Gebilde handele, das von anderen funktionalen Systemen kaum abgrenzbar sei. Andererseits schlagen Forscher wie Roth (2001) vor, Kerngebiete des Zwischenhirns wie den Hypothalamus, Gebiete im Endhirn wie die Amygdala sowie den so genannten Hirnstamm zum „limbischen System im engeren Sinne“ zu zählen (May 2004, S.62; Roth 2001, S.232ff). Die Forschergruppe um Spitzer (2002) versuchte nun in ihren Untersuchungen zu zeigen, dass einige der bereits erwähnten Regionen des Gehirns ein späteres Erinnern vorhersagen und dass dabei zudem der emotionale Kontext, in dem sich die Einspeicherung von neutralen Wörtern vollzieht, „einen modulierenden Einfluss auf die Erinnerungsleistung hat“ (Spitzer 2002, S.165). Bei den Versuchen der Forschergruppe erinnerte man sich am besten an diejenigen Wörter, bei der die Einspeicherung in einem positiven emotionalen Zusammenhang erfolgte. Hierbei wurden Hippokampus und Parahippokampus aktiviert. Bestimmte ein negativer emotionaler Kontext die Einspeicherung, bestand eine Aktivierung der Amygdala. Versuchten die Probanden sich die Worte im neutralen emotionalen Kontext zu merken, wurde ihr frontaler Kortex aktiviert (ebd., S.166). Folgt man Spitzers Ergebnissen, sind Emotion und Kognition eng miteinander verbunden und die eigene emotionale Beteiligung verbessert das Lernen erheblich (ebd., S.159 und S.167). Auch Rauh (2002) betont, dass Emotionen Lernprozesse begleiten und energetisieren und sich darüber hinaus auf das Langzeitgedächtnis auswirken können (Rauh 2002, S.172). Warum Lernen nach Spitzer (2002) bei guter Laune am besten funktioniert (ebd., S.167) und etwas mit Mühe gelernt zu haben, den Ausführungen Sterns (2003) zufolge auch Spaß zu machen scheint, wird damit erklärt, dass eine plötzliche Einsicht in ein Prinzip zu der Ausschüttung von Stoffen im Gehirn führt, die Glücksgefühle signalisieren (Stern 2003, S.9). Einer dieser Stoffe ist Dopamin, das laut Spitzer (2002) in der Forschung als „Substanz der Neugier
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und des Explorationsverhaltens, der Suche nach Neuigkeit“ bezeichnet wird (Spitzer 2002, S.181). Spitzer erläutert, dass mehrere Dopaminsysteme unterschieden werden müssen und dass eines der wesentlichen Dopaminsysteme die Handlungen des Menschen motiviert, die Dinge bewertet, die auf ihn einwirken, und diesen Ereignissen Sinn und Bedeutung verleiht. Auf diese Weise bestimme das System, was der Mensch lernt (ebd., S.195). Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass es keine „Dopaminsysteme“ als Ursache gibt und die Ausschüttung von Dopamin selbst schon eine Folge ist. Die Wissenschaftler um Stern (2007) führen zudem aus, dass unter anderem mithilfe des Transmitters Dopamin positive und erfolgreiche Lernerfahrungen so im Gehirn eingespeichert werden, dass sie bei Bedarf erneut eingesetzt werden können (Stern et al. 2007, S.109). Stern und Kollegen bezeichnen das System, das neben Motivations- auch mit Gedächtnisprozessen in Verbindung gebracht wird, als „mesokortiko-limbische Dopaminsystem“ (ebd., S.97). Welche Konsequenzen mit dem Wissen um die Verknüpfung von Gefühlen und Lernen verbunden sind, wird von Braun (2004) umfassend dargelegt. Da klinische Studien ihren Angaben zufolge immer mehr in die Richtung weisen, dass positive wie negative Gefühlserfahrungen während der ersten Lebensjahre auch beim Menschen die Entwicklung der – wie sie es nennt – limbischen synaptischen Verschaltungsmuster beeinflussen können, wächst laut Braun die Verantwortung von Eltern und Erzieherinnen, die Entwicklung dieser „limbischen Schaltkreise“ der Kinder über eine intellektuelle und emotionale Förderung entsprechend zu unterstützen. Braun zufolge muss die frühe Phase des Vorschulalters dazu genutzt werden, um die hirnbiologische Grundlage für spätere Lernleistungen der Kinder und deren sozio-emotionale Kompetenz zu bilden (Braun 2004, S.9). Die an Gefühle, Spiel, Erfahrungen und Lernen gekoppelten Erfolgs- und Glückserlebnisse sollten Kindern deshalb ihrer Meinung nach genauso wenig vorenthalten werden wie das Erleben von Entmutigung und Frustration (ebd., S.2). Weitere Hinweise für Erwachsene, die mit lernenden Kindern interagieren, gibt Spitzer (2002). Diese haben die Aufgabe, den Kindern auch einmal einen „netten Blick“ zu schenken, der laut Spitzer die Aktivität im kindlichen Belohnungs- bzw. Dopaminsystem genauso steigert wie emotional positive Worte, die Erwachsene an Kinder richten (Spitzer 2002, S.191 und S.195). Der Wissenschaftler führt weiter aus, dass sich die begeisterten Reaktionen einer Erziehungsperson auf lernende und fragende Kinder übertragen und deshalb nur ein von seinem Fach begeisterter und gelegentlich lobender Lehrer das Belohnungssystem seiner Schüler „auf Trab“ bringen kann (ebd., S.194). HaugSchnabel und Bensel (2007) unterstreichen diese Sichtweise und geben zu bedenken, wie wichtig die emotionale Zuwendung für die intellektuelle Entwick-
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lung eines Kindes ist. Sie führen an, dass Kinder zum Beispiel Wörter schneller lernen, wenn eine ihnen nahestehende Bezugsperson ihre Sprechversuche begeistert kommentiert. Die Kinder verbinden die neuen Begriffe mit einem positiven Gefühl und behalten sie deshalb besser. Die emotionale Aufladung einer Situation durch eine vertraute Bezugsperson kann laut Haug-Schnabel und Bensel somit als entscheidender Anreiz für das kindliche Gehirn betrachtet werden, dem Erlebten Bedeutung beizumessen, zu lernen und Erfahrungen dauerhaft abzuspeichern (Haug-Schnabel und Bensel 2007, S.21).
1.3 Bindungstheorie Schon in den voran stehenden Ausführungen ließ sich erkennen, welch wichtige Rollen das Verhalten der erwachsenen Interaktionspartner und die damit eng verbundene Entstehung von Gefühlen für die Entwicklung und das Lernen von Kindern spielen. Der Einfluss feinfühliger Erwachsener wird jedoch noch offensichtlicher, wenn man bindungstheoretische Perspektiven und Forschungsergebnisse berücksichtigt. Der für diese Arbeit zentrale Begriff der Feinfühligkeit hat seinen Ursprung in der Bindungstheorie, die im ethologischen Denken der 1960er Jahre entstanden ist und die traditionell entwicklungspsychologisches und klinisch-psychoanalytisches Wissen mit evolutionsbiologischem Denken verbindet. Formuliert wurde die Theorie von John Bowlby, einem englischen Psychoanalytiker, der Bindung als die besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern oder anderen es konstant betreuenden Bezugspersonen versteht (Bowlby 1986, S.190). Seine Schülerin Mary Ainsworth (1964) definiert Bindung zunächst als Zuneigung. Darüber hinaus seien Bindungen spezifische, beobachtbare Verhaltensweisen und aktive Prozesse. Schließlich beeinflusse der Akt der Bindung die Reaktion des Objekts, weshalb Bindung ein zweiseitiger Prozess sei, der Interaktionen impliziere (Ainsworth 1964/2003, S.102). Grossmann und Kollegen (2003) legen in diesem Kontext ihre Theorie dar, nach der Bindung im Gefühl eines jeden Menschen verankert ist und diesen über Zeit und Raum hinweg mit den für ihn bedeutsamen Personen verbindet (Grossmann et al. 2003, S.223). Rauh (2002) verweist zudem darauf, dass Bindung als psychologisches Konstrukt die Emotionen, Motivationen und das Verhalten eines Kindes je nach den Erfordernissen einer Situation strukturiere (Rauh 2002, S.197). Im Folgenden wird sowohl auf das theoretische Konstrukt des menschlichen Bindungssystems eingegangen als auch erläutert, unter welchen Voraussetzungen bindungstheoretischen Sichtweisen zufolge pädagogische Fachkräfte zu Bindungspersonen von Kindern werden können.
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1.3.1 Das theoretische Konstrukt des menschlichen Bindungssystems Nach Bowlby (1986) verfügen Kinder von Geburt an über ein System, das es ihnen ermöglicht, Bindungsverhalten gegenüber einer bzw. wenigen anderen Bezugspersonen zu zeigen (Bowlby 1986, S.191ff). Rauh stellt dar (2002), dass dieses Verhaltenssystem komplementär zum motorischen Erkundungssystem entwickelt wird und Kinder vor Gefahren und Fremdem schützt, indem es diese befähigt, bei Erwachsenen ein Fürsorgeverhalten auszulösen (Rauh 2002, S.197). Fühlt sich ein Kind unwohl, ist es müde, hungrig, krank oder hat es Angst, wird das Bindungssystem des Kindes laut Bowlby (1986) aktiviert (Bowlby 1986, S.281). Das Kind sucht dann seine Bindungsperson, krabbelt zu ihr hin, klammert sich fest, schmiegt sich an und schreit, weint oder lächelt (ebd., S.198). Nach Becker-Stoll (2007) wird die kindliche Erregung sodann durch die Wahrnehmung der Bindungsperson, deren Nähe, einem liebevollen Körperkontakt zu ihr sowie der Interaktion mit ihr beendet (Becker-Stoll 2007, S.16). Grossmann und Kollegen (2003) führen hierzu aus, dass eine Bindungsbeziehung die Funktion hat, Kindern Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln, wenn sie unter emotionalen Belastungen und erschöpften eigenen Ressourcen auf andere Personen zurückgreifen müssen und auf deren Unterstützung angewiesen sind (Grossmann et al. 2003, S.230). In Bindungsbeziehungen wird jedoch nicht nur die Balance zwischen Nähe- und Sicherheitssuchen eines kleinen Kindes gesteuert, sondern auch dessen Exploration und Untersuchung der Umwelt. So verweist Bowlby (1986) auf die Ergebnisse Ainsworth´s (1967), die in einer Studie herausfand, dass Kinder ihre Bindungsperson – d.h. in diesem Fall ihre Mutter – als sichere Basis für ihre Erkundungen nutzen (Bowlby 1986, S.198; Grossmann et al. 2003, S.230). Auch Rauh (2002) merkt an, dass Kinder, die sich sicher fühlen, kein Bindungsverhalten aktivieren, sondern sich in den Raum wagen, um Gegenstände und Personen zu erforschen (Rauh 2002, S.197). Nach Bowlby (1986) versuchen die Kinder bei dieser spielerischen Exploration sich mit Blicken bei den Bindungspersonen rückzuversichern. Bei Angst und Gefahr kehren sie jedoch zu ihnen zurück (Bowlby 1986, S.198; Grossmann et al. 2003, S.230). In der empirischen Überprüfung ihrer Bindungstheorie erzielte Mary Ainsworth (1967) in einer Felduntersuchung in Uganda erste Erfolge. Die Forscherin führte die Entwicklung einer besonderen Bindungsqualität zwischen Mutter und Kleinkind auf bestimmte qualitative Reaktionsweisen der Mutter auf die kindlichen Signale zurück (Ainsworth 1967). Ihre Operationalisierungen dienten schließlich als Grundlagen für ihre Untersuchungen in Baltimore, USA. Dort beobachteten Ainsworth und Kollegen 12 bis 24 Monate alte Kinder und entwickelten hierfür das standardisierte Beobachtungsverfahren der „Fremden Si-
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tuation“ (Ainsworth und Wittig 1969/2003, S.112ff5). Hierbei erfahren die Kinder in acht dreiminütigen Episoden Unvertrautheit, Neuheit und Fremdheit in zunehmender Intensität sowie zwei kurze Trennungen von ihrer Mutter (Ainsworth und Bell 1970, S.114ff). Nach Rauh (2002) werden in diesem Test also das kindliche Erkundungs- und Bindungssystem gleichermaßen angesprochen (Rauh 2002, S.198). Bei der Auswertung der Baltimore-Studie entwickelte Ainsworth (1974) Skalen, von denen die Skala „Feinfühligkeit versus Unfeinfühligkeit gegenüber den Mitteilungen des Babys“ die bekannteste geworden ist. Das Forscherpaar Grossmann (2000/2003), das die Skala übersetzen ließ, erläutert, dass den einzelnen Punktwerten dieser Skala im Unterschied zu Beurteilungsskalen aus der Sozialpsychologie genaue Verhaltensbeschreibungen und empirisch nachprüfbare Sachverhalte zugeordnet sind (Ainsworth, Bell und Stayton 1974/2003, S.414; Grossmann 2000, S.223). In ihrem übergreifenden Konzept der mütterlichen Feinfühligkeit definiert Ainsworth (1974/2003) das feinfühlige Verhalten einer Mutter gegenüber ihrem kleinen Kind anhand von vier Merkmalen: x x x
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Eine feinfühlige Mutter besitzt eine sehr niedrige Wahrnehmungsschwelle und nimmt die Befindlichkeit ihres Babys wahr. Sie hat ihr Kind aufmerksam im Blick. Die Mutter interpretiert die Äußerungen ihres Säuglings aus seiner Lage heraus richtig und nicht nach ihren eigenen Bedürfnissen. Eine feinfühlige Mutter reagiert prompt auf ihr Kind. Auf diese Art und Weise merkt das Baby einen Zusammenhang zwischen seinem eigenen Verhalten und den Handlungen seiner Mutter. Es fühlt sich nicht hilflos, sondern entwickelt ein erstes Gefühl der eigenen Effektivität. Schließlich müssen die Reaktionen der Mutter angemessen sein. Sie sollten nicht mehr, aber auch nicht weniger umfassen, als das, was vom Säugling verlangt wurde. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Reaktionen der Mutter im Einklang mit den Entwicklungsprozessen des Kindes stehen (Ainsworth 1974/2003, S.4146).
Grossmann und Kollegen (2003) weisen außerdem darauf hin, dass Feinfühligkeit nicht zur Überbehütung werden sollte. Erwachsene müssen deshalb darauf achten, dass die Reaktionen auf ihre Kinder entwicklungsfördernd sind. Kindern sollte nichts abgenommen werden, was sie eigentlich selbst tun könnten. Nicht zuletzt setze ein feinfühliges Verhalten die Förderung der kindlichen Kommu5 Vgl. dazu auch Ainsworth und Bell 1970/2003, S.146ff; Ainsworth, Bell und Stayton 1971/1974/ 2003, S.169ff bzw. S.217ff; Grossmann et al. 2003, S.226 6 Vgl. dazu auch Grossmann K.E. 1977; Grossmann et al. 2003, S.236
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nikationsfähigkeit bereits im vorsprachlichen Alter voraus. Demnach sei das behutsame Eingehen auf das Weinen eines Kindes kein Verwöhnen, sondern die angemessene Antwort auf die Mitteilung seiner negativen Gefühle (Grossmann et al. 2003, S.237). Neben der mütterlichen Feinfühligkeit benannte die Gruppe um Ainsworth (1974) zwei weitere Merkmale des elterlichen Fürsorgeverhaltens: die Annahme bzw. die Akzeptanz des Kindes mit seiner individuellen Eigenart sowie die Feinfühligkeit der Mutter, mit ihrem Baby zu kooperieren. Im Rahmen dieser Kooperationsbewertung wird erfasst, ob Mütter ihre Kinder als eigene Persönlichkeiten mit eigenen Gefühlen, Gedanken und Absichten respektieren. Beide Konzepte korrelieren hoch mit der mütterlichen Feinfühligkeit, erfassen aber auch weitere Aspekte mütterlichen Verhaltens (Ainsworth et al. 1974/2003, S.262ff; Grossmann et al. 2003, S.237). Die Qualität der Bindungsbeziehung zwischen Mutter und Kind ermittelten Ainsworth und Kollegen (1971) sowohl aus der Art, wie ein Kind seine Mutter nach den kurzen Trennungen in der „Fremden Situation“ empfängt, als auch aus der Sensitivität der Mütter. Die Forscher unterschieden drei qualitativ unterschiedliche Bindungsstile: A – unsicher-vermeidend, B – sicher, balanciert und C – ambivalent-unsicher (Ainsworth et al. 1971/2003, S.200ff; Grossmann et al. 2002, S.237). Main und Solomon (1990) klassifizierten darüber hinaus noch eine vierte Komponente: D - desorganisiert und desorientiert (Main und Solomon 1990 zitiert in Rauh 2002, S.199ff). Als entscheidend für die Bindungsqualität von Mutter und Kind wird in der Forschung die mütterliche Feinfühligkeit in Bezug auf die Signale des Säuglings angesehen (z.B. Dornes 2000, S.53 und S.44). Nach Bowlby (1986) sind Mütter, deren Babys am sichersten an sie gebunden sind, in hohem Maße bereit, auf deren Schreien einzugehen. Sie reagieren prompt und in angemessener Weise auf die Signale des Kindes und beschäftigen sich mit ihm häufig in geselliger Weise – „zum Vergnügen beider Partner“ (Bowlby 1986, S.289). Einer bindungstheoretischen Sichtweise folgend hängt das Gelingen einer sicheren Bindung demnach ab vom Ausmaß der Zugänglichkeit und Verfügbarkeit der Bezugsperson hinsichtlich der (emotionalen) Bedürfnisse und Signale des Kindes sowie von der Güte des mütterlichen Feinfühligkeitsmaßes (Grossmann et al. 2003, S.231 und S.238). Weitere Wissenschaftler unterstreichen dies (z.B. Spangler et al. 2000; Becker-Stoll 2007; Simó et al. 2000; Van den Boom 1994).
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1.3.2 Bindungspersonen von Kindern Folgt man Bindungstheoretikern, binden sich Kinder jedoch nicht nur an ihre Mütter, die sie füttern und ihre leiblichen Bedürfnisse befriedigen. Laut Bowlby (1986) haben Kinder fast von Anfang an mehr als eine Figur, auf die sie Bindungsverhalten richten, wobei die Rolle der Hauptbindungsperson auch von anderen Personen als der natürlichen Mutter übernommen werden kann. Ainsworth´s (1964) Beobachtungen in Uganda ergaben, dass Kinder im Alter von neun oder zehn Monaten vielfache Bindungen zeigen und dass sich Babys nicht nur an ihre Mütter binden, sondern ebenfalls an andere Personen, die mit ihnen spielen und interagieren (Ainsworth 1964/2003, S.110ff; Bowlby 1986, S.279). Kinder behandeln ihre Bindungspersonen nicht gleich, sondern bauen ihre Beziehungen zu Vätern, Geschwistern, Großeltern oder auch zu Erzieherinnen mit unterschiedlicher Bindungsqualität auf (Rauh 2002, S.201). Einige Wissenschaftler sehen deshalb im Bindungstyp keine Persönlichkeitseigenschaft des Kindes, sondern vielmehr ein Charakteristikum spezifischer personenbezogener und hierarchisch geordneter Bindungsbeziehungen des Kindes zu den unterschiedlichen Bezugspersonen (Rauh 2002, S.201; Grossmann et al. 2003, S.239; Becker-Stoll 2007, S.19). Neben Ainsworth (1973) weisen auch weitere Bindungsforscher darauf hin, dass die unterschiedlichen Bindungspersonen mit ihrem feinfühligen Verhalten neben den kindlichen Bedürfnissen nach Bindung auch deren Streben nach Exploration und Autonomieentwicklung nachkommen müssen. Nur unter dieser Voraussetzung können sich Kinder als selbstbestimmt und selbstwirksam erleben und über die gesamte Lebensspanne hinweg eine gelungene Anpassung an ihre Umwelt erfahren (Ainsworth und Bell 1973; Grossmann K.E. 2000, S.232). Nach Auffassung des Forscherpaars Grossmann kommt Vätern – und auch pädagogischen Fachkräften – hier eine wichtige Rolle zu (Grossmann, K. E. und Grossmann, K. 2001, S.10). Becker-Stoll (2007) verweist auf das psychoanalytische Konstrukt, nach dem Väter, die die psychische Sicherheit ihres Kindes während dessen spielerischer Exploration unterstützen und die Neugier und Kompetenzen ihres Kindes feinfühlig und vorsichtig herausfordern, die kindliche Autonomie innerhalb dieser affektiven Beziehung fördern. Demzufolge ist die väterliche Feinfühligkeit für eine sichere Exploration des Kindes ebenso bedeutsam wie die mütterliche Feinfühligkeit für eine sichere kindliche Bindungsorganisation (Becker-Stoll 2007, S.20).
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1.3.3 Auswirkungen sicherer Bindungen Nach Grossmann und Kollegen profitieren Kinder von der elterlichen Feinfühligkeit, weil sie sich beim Spiel besser konzentrieren können und dadurch zentrale Aspekte ihrer sozial-emotionalen Entwicklung und ihrer Bindungsentwicklung über lange Zeiträume positiv beeinflusst werden (Grossmann, K. E. und Grossmann, K. 2001, S.14). Folgt man den Ausführungen Becker-Stolls (2007), liegt dies vor allem daran, dass bereits kleine Kinder aus den immer wiederkehrenden Erfahrungen mit ihren Bezugspersonen verallgemeinernde Vorstellungen entwickeln, wie sich diese in bestimmten Situationen ihnen gegenüber verhalten, ob sie selbst liebenswert und ihre Bindungspersonen vertrauenswürdig und unterstützend sind. Bowlby (1987/2003) spricht hier von einem Aufbau „internaler Arbeitsmodelle“ von sich selbst und anderen, in dessen Zusammenhang Kinder lernen, dass sie selbst etwas bewirken können und dass sie es wert sind, dass auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird (Bowlby 1987/2003, S.307ff). Becker-Stoll (2007) erklärt in diesem Zusammenhang, dass Kinder Vertrauen in ihre Eltern und in sich selbst entwickeln, wenn sich die Eltern mit einer hohen Feinfühligkeit ihnen gegenüber verhalten. Sichere internale Arbeitsmodelle steuern laut Becker-Stoll somit das kindliche Verhalten gegenüber ihren Bezugspersonen und zunehmend auch die Emotions- und Verhaltensregulation in anderen Lebensbereichen (Becker-Stoll 2007, S.28ff). Auch Rauh (2002) vertritt die Ansicht, dass ein bestehendes sicheres Arbeitsmodell zumeist auch auf künftige Beziehungen zu möglichen Vertrauenspersonen im Vorschul- und Schulalter übertragen wird (Rauh 2002, S.201). Unter Hinweis auf Untersuchungen von Main und Cassidy (1988), Zach (2000) sowie Zimmermann et al. (2000) konstatiert er, dass bereits hinsichtlich der Verarbeitung der Eingewöhnung in der Krippe die Bindungsqualität zwischen Kindern und Eltern ein Prädiktor zu sein scheint. Aufgrund der Resultate aus Studien von Ahnert und Lamp (2001) sowie Ziegenhain und Wolff (2000) führt Rauh weiter aus, dass Kinder mit sicherer Bindung zu ihren Eltern ihre Emotionen offener zeigen, sich längerfristig offensichtlich wohler in der Gruppe fühlen und positivere soziale Kompetenzen ausbilden als unsicher-gebundene Kinder. Sich auf Sroufe (1983) berufend gibt Rauh schließlich an, dass sich sicher-gebundene Kinder in Kindergarten und Grundschule besser zurechtfinden, kompetenter mit sozialen Konflikten umgehen können und weniger Verhaltensprobleme aufweisen (Rauh 2002, S.201 – S.203). Wie Rauh (2002) bezieht sich auch Becker-Stoll (2007) auf Studien, die die positiven Auswirkungen einer sicheren Bindung auf die Entwicklung von Kindern sowie auf deren erfolgreiche Integration in Kindertageseinrichtungen nach-
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weisen. Sicher-gebundene Kinder verfügen nach Ainsworth (1974) über subtilere und vielfältige Kommunikationsfähigkeiten und sind laut Grossmann und Grossmann (1991) im Kindergarten weniger emotional isoliert und abhängig von ihren Erzieherinnen (Becker-Stoll 2007, S.27). Becker-Stoll (2007) hebt hervor, dass sicher-gebundene Kinder insgesamt gesehen vom Vorschulalter an ein besseres Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen haben sowie Gefühlszustände besser regulieren können (Becker-Stoll 2007, S.277). Simó und Kollegen (2000) ergänzen an dieser Stelle, dass sich Kinder mit sicherer Bindung in kognitiven Leistungssituationen als motivational und emotional stabiler erweisen (Simó et al. 2000, S.119). Wie weitreichend sich sichere Eltern-Kind-Bindungen auswirken, erkennt man an weiteren Ausführungen Becker-Stolls (2007). Die Wissenschaftlerin bezieht sich auf Studien, die belegen, dass sich sicher-gebundene Kinder auch im Schul- und Jugendalter durch eine positive soziale Wahrnehmung, eine hohe soziale Kompetenz, ein beziehungsorientiertes Verhalten, durch bessere Freundschaftsbeziehungen mit Gleichaltrigen sowie durch stabilere Vertrauens- und Liebesbeziehungen auszeichnen (Becker-Stoll 2007, S.278). Inwiefern pädagogische Fachkräfte selbst diese positiven Entwicklungen der Kinder beeinflussen können, soll der nächste Abschnitt zeigen.
1.3.4 Erzieherinnen als Bindungspersonen Schon nach Bowlby (1986) gilt es unter Bindungsforschern als unbestritten, dass Kinder fast von Beginn an mehrere Bindungsfiguren haben (Bowlby 1986, S.279). Zahlreiche weitere Forscher konnten zudem belegen, dass Erzieherinnen im Rahmen einer stabilen Tagesbetreuung ebenfalls zu sicherheitsgebenden Bindungspersonen werden können, deren Nähe und emotionale Zuwendung von den Kindern auch gefordert wird (Ahnert 2004, S.59). In Kindertagesstätten betreute Kinder gehen – so Ahnert (2007) – „zweifellos“ bedeutungsvolle Beziehungen mit ihren Erzieherinnen ein (Ahnert 2007, S.32). Sie konnte beobachten, dass sich Kinder von den pädagogischen Fachkräften führen und anregen lassen und sich diesen in misslichen und belasteten Situationen zuwenden, um Trost und Sicherheit zu bekommen (Ahnert 2002, S.8).
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Mit Verweis auf Arend, Gove und Sroufe 1979; Suess, Grossmann und Sroufe 1992; Bowlby 1969; Ernst 1988; Verschueren und Marcoen 1999 8 Mit Verweis auf Elicker et al. 1992, Grossmann und Grossmann 1991; Zimmermann 1995; Scheuerer-Englisch 1989 9 Vgl. dazu auch Cummings 1980; Farran und Ramey 1977; Ziegenhain und Wolff 2000; S.185; Howes und Hamilton 1992a, S.860; Goossens und Van Ijzendoorn 1990; Camras und Sachs 1991
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Obwohl das Bindungskonzept nach Ahnert (2004) auch auf Erzieherinnen angewendet werden kann, ist es pädagogischen Fachkräften ihrer Meinung nach nicht möglich, ein Äquivalent zur Mutter als primäre Bindungsperson darzustellen (Ahnert 2004, S.610). Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern müssen Ahnert zufolge entwicklungspsychologisch anders interpretiert werden als Mutter-Kind-Beziehungen, können diese nicht ersetzen und sind funktionell auf die Betreuungssituation in der Kindertageseinrichtung beschränkt (Ahnert 2002, S.8). Gleichwohl konstatieren Howes und Hamilton (1992b), dass sichere Bindungen mit Erziehern jedoch gegebenenfalls unsichere Eltern-Kind-Bindungen kompensieren können (Howes und Hamilton 1992b, S.877). Goosens und Van Ijzendoorn (1990) belegten in einer Studie, dass in rund 10% der untersuchten Fälle Erzieherinnen unsichere Bindungsbeziehungen zwischen Kindern und ihren Eltern ausgleichen konnten. Diese pädagogischen Fachkräfte verhielten sich während der erforschten Freispielsituationen feinfühliger als die ebenfalls beobachteten Mütter und Väter (Goosens und Van Ijzendoorn 1990, S.835). Grossmann und Grossmann (2001) verweisen zudem auf Gespräche mit Erwachsenen, die überzeugend von mindestens einer weiteren Person berichteten, die für sie in der Vergangenheit die Rolle einer feinfühligen, verständnisvollen und unterstützenden Bindungsperson übernommen hat. Häufig war diese Person eine Lehrkraft. Die Bindungsrepräsentationen der befragten Personengruppe werden von Grossmann und Kollegen als „erworbene Sicherheit“ klassifiziert (Grossmann und Grossmann 2001, S.15). Ahnert (2003) sowie Ziegenhain und Wolff (2000) gehen davon aus, dass die Bindungsbeziehungen zwischen Kindern und ihren Erzieherinnen in ihrer Qualität unabhängig von denen zu ihren Müttern und damit auch unbelastet sind (Ahnert 2003, S.2 und S.8; Ziegenhain und Wolff 2000, S.176). In einer Metaanalyse kam die Forschergruppe um Ahnert (2004) zu dem Ergebnis, dass Kinder weniger wahrscheinlich eine Bindungssicherheit zu ihren Erzieherinnen aufbauen als zu ihren Eltern. Ahnert und Kollegen schlussfolgern deshalb, dass die kindlichen Bindungsmuster zu pädagogischen Fachkräften eher diskordant von unsicheren Eltern-Kind-Bindungen auftreten. Ihrer Auffassung nach nutzen Kinder ihre durch Vermeidensstrategien bewahrte Verhaltensflexibilität in unsicheren Eltern-Bindungen als Chance, aktiv nach neuen Bindungsbeziehungen zu suchen (Ahnert 2004, S.8ff). Die multiplen kindlichen Bindungsmuster basieren nach Ahnert auf voneinander getrennten Interaktionsgeschichten und reflektieren spezifische, kontextuell eingebundene Interaktionserfahrungen der Kinder mit ihren jeweiligen Bindungspersonen. Laut Ahnert (2004) sind die Bindungsmuster von pädagogischen Fachkräften und Kindern somit maßgeblich 10
Vgl. dazu auch Cummings 1980; Farran und Ramey 1977
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vom Verhalten der Fachkräfte und von den jeweiligen Erzieherinnen-Kind-Interaktionen bestimmt (ebd., S.9). Zu beachten ist an dieser Stelle jedoch, dass die Gruppe um Grossmann (2000) zu einer abweichenden Auffassung kommt. Grossmann und Kollegen folgen der „Konkordanz-Hypothese“ (Ahnert 2004, S.8) und konstatieren, dass außerfamiliäre Beziehungen zu Erzieherinnen durchaus von den kindlichen Erfahrungen mit früheren Bindungen beeinflusst werden (Grossmann et al. 2000, S.231). Wie sicher die referierten Forschungsergebnisse sind, bleibt deshalb offen.
1.3.5 Gestaltung der Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern Bindungsforscher, die das pädagogische Verhalten der Erzieherinnen näher untersuchten, kamen zu dem Ergebnis, dass die Interaktionen von einem hohen persönlichen Engagement der Erzieherinnen für die Kinder (Grossmann et al. 2003, S.240; Howes und Hamilton 1992a, S.859ff) sowie von einem feinfühligen und zuverlässigen Verhalten der Fachkräfte geprägt sein sollten (Ziegenhain und Wolff 2000, S.178). Erzieherinnen sollten Ahnert (2004) zufolge vor allem emotional unterstützende Dialoge mit den Kindern führen. Systematische Bildungsanstrengungen seien für pädagogische Fachkräfte umso lohnender, je ausgeprägter sie sich auf diese Art der Kommunikation beziehen (Ahnert 2004, S.3). Goosens und Van Ijzendoorn (1990) machen zudem darauf aufmerksam, dass Kinder und Erwachsene genügend Zeit brauchen, um sich aneinander zu gewöhnen und die Signale und Verhaltensweisen des anderen einschätzen zu können (Goosens und Van Ijzendoorn 1990, S.836). Pädagogische Fachkräfte, die innerlich beteiligt und hoch engagiert mit Kindern interagieren (Anderson et al. 1981, S.53) und viel Zeit mit ihnen verbringen, haben die Möglichkeit, sichere Bindungen zu Kindern aufzubauen und im Freispiel sensitiver auf sie einzugehen (Goosens und Van Ijzendoorn 1990, S.832). Auch Howes und Hamilton (1992a) empfehlen, dass pädagogische Fachkräfte ein besonderes Augenmerk auf die Faktoren Sensitivität und Involvement richten sollten (Howes und Hamilton 1992a, S.864). Die aktuellere Forschung betrachtet das Verhalten der erwachsenen Interaktionspartner ebenfalls genau und stellt dabei fünf Eigenschaften in den Mittelpunkt, die die vielfältigen alltäglichen Bindungserfahrungen von Kindern beeinflussen. Nach Ahnert (2007) schließen diese Eigenschaften neben zuwendenden, sicherheitsgebenden und stressreduzierenden Aspekten die Unterstützung und Hilfen beim kindlichen Erkunden sowie beim Erwerb von Wissen mit ein (Ahnert 2007, S.33). Unter Zuwendung versteht Ahnert (2007) eine liebe-
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volle, emotional warme pädagogische Kommunikationsweise, bei der Kinder und Erzieherinnen Freude am Zusammensein und an der gemeinsamen Interaktion haben. Ebenso sollten Erzieherinnen für die Kinder verfügbar sein und ihnen ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, damit sie intensiver spielen und ihre Umwelt aufgeschlossener erkunden können. Eine Stressreduktion erreichen die Fachkräfte - so Ahnert - indem sie Kinder in misslichen Lagen trösten und unterstützen und ihnen bei der Regulation negativer Emotionen sowie der Überwindung von Ängsten helfen. Stehen Erzieherinnen Kindern bei diesen Unsicherheiten und Ängsten als sichere Basis zur Verfügung und ermutigen sie sie zum Erkunden, leisten die Fachkräfte eine in Ahnerts Augen angemessene Explorationsunterstützung. Nicht zuletzt können Erzieherinnen durch zusätzliche Informationen und Unterstützung Kindern dann assistieren, wenn diese an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gelangen (ebd., S.33ff). Stehen im Kleinstund Kleinkindalter die sicherheitsgebenden und stressreduzierenden Aspekte im Vordergrund, konstatiert Ahnert, dass ab dem Vorschulalter die erzieherische Unterstützung beim kindlichen Erkunden sowie beim Wissenserwerb für die Entstehung sicherer Erzieherinnen-Kind-Bindungen von höherer Bedeutung ist (ebd., S.39). Zur Entwicklung dieser sicheren Bindungsmuster von Erzieherinnen und Kindern ist es laut Ahnert (2004) zudem entscheidend, nicht nur das kindzentrierte Verhalten der pädagogischen Fachkräfte, sondern auch die Gruppenzugehörigkeit der Kinder zu beachten. Die Forscherin bezieht sich auf Studien, die keine Zusammenhänge von der erzieherischen Sensitivität und der Bindungssicherheit der Kinder finden konnten. Sagi und Kollegen (1985/1995) kamen in ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass Kinder einer stabil betreuten Gruppe ähnliche Bindungsmuster zu sämtlichen Betreuungspersonen der Gruppe aufweisen (Ahnert 2004, S.35). Nach Ahnert (2004) ermittelte die Forschergruppe um Howes (1998) sogar, dass sich die Bindungsqualitäten von Kindern und ihren Erzieherinnen kaum veränderten, wenn die pädagogischen Fachkräfte ausgewechselt wurden (ebd.). Sichere Erzieherinnen-Kind-Bindungen scheinen demnach eher in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit zu entstehen. Ein empathisches, gruppenbezogen ausgerichtetes Verhalten der Fachkräfte, das die wichtigsten sozialen Bedürfnisse des jeweiligen Kindes unter Einbeziehung der Anforderungen der Gruppe zum richtigen Zeitpunkt bedient sowie die Dynamik der Gruppe reguliert, ist somit laut Ahnert (2004) konstitutiv für die Bindungssicherheit eines Kindes zu seiner Erzieherin (ebd.). Kleine, stabile Gruppen fördern ein solches pädagogisches Verhalten (Ahnert 2003, S.2).
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1.3.6 Auswirkungen sicherer Bindungen zwischen Erzieherinnen und Kindern Wie elementar ein feinfühliges pädagogisches Handeln ist, erkennt man unter anderem daran, dass verschiedene Bindungsforscher in der Qualität der Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern den Schlüssel für eine erfolgreiche kindliche sozial-emotionale Entwicklung sehen (Grossmann 2000, S.231). Oppenheim, Sagi und Lamb (1988) stellten die Bindungssicherheit der Erzieherinnen-Kind-Beziehungen mit einem prosozialen, unabhängigeren und zielorientierteren Verhalten des Kindes im 5. Lebensjahr in Zusammenhang. Dabei erwies sich in ihren Studien der Bindungsstatus mit der jeweiligen Erzieherin als der beste Prediktor verschiedenster Aspekte der sozial-emotionalen kindlichen Entwicklung (Oppenheim, Sagi und Lamb 1988, S.430). Auch Ahnert (2004) verweist auf Studien, die längerfristige Auswirkungen sicherer Erzieher-Kind-Bindungen auf die Sozialentwicklung von Kindern nachgewiesen haben (Ahnert 2004, S.10ff). Die Forschergruppe um Van Ijzendoorn (1992) sieht – so Ahnert – in der Erzieher-Kind-Bindung, die in ein Netz von multiplen Betreuungspersonen-Bindungen eingebettet ist, einen Prädiktionswert für die kindliche Entwicklung. Ahnert (2004) führt dazu aus, dass diese Bindungsbeziehung entweder – der Additionshypothese folgend – als zusätzliche sichere Bindung zu betrachten sei oder – in Anlehnung an die Kompensationshypothese – als Kompensation für eine bislang fehlende sichere Bindung anzusehen ist (Ahnert 2004, S.16). Zudem zieht Ahnert die Resultate von Howes und Kollegen (1998) heran, die in ihren Untersuchungen den Einfluss früher Erzieherinnen-Kind-Bindungen auf die Beziehungsqualitäten von Kindern zu ihren Lehrerinnen in der Schule verdeutlichen. Ahnert (2007) erläutert diese Ergebnisse. Demnach zeichneten sich Kinder, die sichere Bindungserfahrungen mit den pädagogischen Fachkräften in den Tagesstätten gesammelt hatten, vor Schuleintritt nicht nur durch ihre hohe Lernmotivation aus. Sie hatten zudem eine freudige Erwartungshaltung hinsichtlich der neuen Beziehungen zu den Lehrern in der Schule. Die Kinder waren empathischer, kooperativer, unabhängiger und zielorientierter als ihre Altersgenossen mit unsicheren Bindungsmustern (Ahnert 2007, S.40). Dass sich enge und stabile Beziehungen zu außerfamiliären Bezugspersonen, die feinfühlig, responsiv und kompetent auf die Bedürfnisse und Signale von Kindern eingehen, ebenfalls positiv auf die Entwicklung kindlicher Resilienz auswirken können, wird von Wustmann (2004) hervorgehoben. In denen von ihr herangezogenen Studien11 zeigte es sich, „dass eine emotional positive, 11 „Kauai-Längsschnittstudie“ (Werner und Smith 1982, 1992, 2001); „Mannheimer Risikokinderstudie“ (Lacht et al. 1996, 1997, 1998, 1999, 2000); „Bielefelder Ilvulnerabilittätsstudie“ (Lösel et al. 1994, 1999)
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zugewandte, akzeptierende und zugleich normorientierte, angemessen fordernde und kontrollierende Erziehung eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung von Resilienz hat“ (Wustmann 2004, S.111). Wustmann erläutert, dass viele resiliente Kinder der Kauai-Studie einen Lehrer hatten, der ihnen Aufmerksamkeit entgegenbrachte, sich für sie einsetzte und sie herausforderte. Damit wurde dieser Lehrer für die Kinder zu einer entscheidenden Quelle emotionaler und sozialer Unterstützung (ebd.). In der Bielefelder Ilvulnerabilitätsstudie erwies sich das Erziehungsklima im Heim für die untersuchten Jugendlichen aus einem Multiproblem-Milieu in ähnlicher Weise als wichtige stabilisierende Variable. Wustmann führt hierzu aus, dass der entwicklungsfördernde Effekt vor allem von einem autoritativen Erziehungsstil ausging. Dieser ist durch Zuwendung, Empathie, hohe Strukturiertheit und Normorientierung, Feinfühligkeit und Responsivität gekennzeichnet (ebd., S.94 und S.116). Wustmann schlussfolgert deshalb, dass Fachkräfte in Bildungsinstitutionen unter anderem mit Wärme, Respekt und Akzeptanz gegenüber dem einzelnen Kind sowie mit einer positiven Verstärkung dessen Leistungen und Anstrengungsbereitschaft nicht nur die Resilienz, sondern auch die allgemeine Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unterstützen können (ebd.).
1.3.7 Diskussion bindungstheoretischer Thesen Resümiert man die Ausführungen der unterschiedlichen Bindungsforscher, kommt man zu dem Schluss, dass Bindungsbeziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern zwar für sich stehend hinsichtlich einer qualitativen Einordnung untersucht werden können und somit die Beziehungen von pädagogischen Fachkräften und Kindergartenkindern auch als Bindungsbeziehungen bezeichnet werden können. Dennoch bleibt unbestritten, dass Kinder ihre primären Bindungserfahrungen in der Regel im Elternhaus machen und diese frühen Bindungsbeziehungen die Entwicklung der Kinder beeinflussen. Obwohl Bindungstheoretiker nun kontroverse Sichtweisen verfolgen, inwiefern sich die Qualität der Bindung zur Mutter (bzw. zu den Eltern) im Sinne eines Aufbaus „internaler Arbeitsmodelle“ auf weitere Bindungsbeziehungen des Kindes auswirkt, möchte ich an dieser Stelle auf Ahnert (2004) Bezug nehmen und festhalten, dass eine Erzieherin-Kind-Bindung kein Äquivalent zur Mutter-Kind-Bindung darstellen kann. Rauh (2002) betont in diesem Kontext, dass Bindungsbeziehungen spezifisch, personenbezogen und hierarchisch geordnet seien und folgt damit Bowlby (1986), demzufolge Bindungsbeziehungen qualitativ unterschiedlich gestaltet sind. Da pädagogische Fachkräfte hinsichtlich der Gestaltung der Bindungsbeziehungen zu Kindern mit anderen Bedingungen konfrontiert sind als Mütter
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oder Väter, müssen Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern anders eingeordnet werden. Im Gegensatz zu Müttern und Vätern interagieren sie hauptsächlich im Gruppengeschehen und zudem oftmals mit Kindern ganz unterschiedlichen Alters. Dies erfordert nach Ahnert (2007) vor allem eine angemessene und differenzierte Explorationsunterstützung. Abstrahiert das Konstrukt der „Bindung“ von den konkreten situativen Bedingungen, so führt dies zu teils kontroversen Sichtweisen der Wissenschaftler darüber, ob sichere Bindungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern frühere „unsichere“ Bindungserfahrungen von Kindern ausgleichen können. Trotzdem besteht ein weitgehender Konsens darüber, was den Stellenwert dieses von Ahnert angesprochenen angemessenen pädagogischen Verhaltens anbelangt. Die Belege der positiven Auswirkungen eines feinfühligen pädagogischen Verhaltens ziehen deshalb die Konsequenz nach sich, dass pädagogische Fachkräfte – um es mit Ahnerts Worten zu sagen – „zweifellos“ eine hohe Verantwortung für die Gestaltung dieser „bedeutungsvollen Beziehungen“ tragen und damit auch für die Entwicklung der Kinder.
2 Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse
Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie die zuvor dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien zu einem feinfühligen pädagogischen Verhalten im Alltag von Kindertageseinrichtungen umgesetzt werden. Dabei sollen neben pädagogischen Ansätzen und Konzepten unterschiedliche Curricula betrachtet werden, die sowohl im Ausland als auch in Deutschland die grundlegenden Richtlinien pädagogischen Handelns bilden.
2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland Betrachtet man die Curricula im internationalen frühpädagogischen Bereich, besteht laut Gisbert (2003) ein breiter Konsens darüber, dass die Bildungsprozesse in der frühen Kindheit auf den Kontext ausgerichtet werden müssen, in dem sie stattfinden. Trotz dieser Einigkeit gibt es zwei verschiedene Auffassungen über frühkindliches Lernen. Die erste konzentriert sich auf die Lernprozesse und die Entwicklung von Kindern beispielsweise in körperlichen, psychomotorischen, sozialen und kognitiven Bereichen. Motivation, Interesse und Lerndispositionen der Kinder stehen im Vordergrund. Die zweite Auffassung stellt den kindlichen Kompetenz- und Wissenserwerb in den Mittelpunkt. Eine fächerorientierte Lernbereitschaft und der Erwerb schulbezogener Kompetenzen sind hier die Ziele (Gisbert 2003, S.86ff). Insbesondere Schweden und Neuseeland gelten als Vertreter der erstgenannten Ansicht über frühkindliche Bildung. Gleichzeitig sind dies auch die beiden Länder, in denen der soziokulturelle Ansatz der theoretischen Fundierung der jeweiligen Curricula dient (Oberhuemer 2004, S.371). Sowohl Dahlberg (2004) als auch Smith (2004) nehmen eine sozial-konstruktivistische Sichtweise12 ein, wenn sie den Perspektivenwechsel des „Bildes vom Kind“ aufgreifen. Sie unterstützen eine neue Sicht auf Kinder, die diese nicht als unreife, hilfsbedürftige und erwachsenenabhängige Wesen, sondern als aktive, kompetente und eigenständige Individuen mit großem Entwicklungspotenzial sowie als Träger eigener Rechte beschreibt. Dahlberg und ihre Kollegen (1999) sehen – so Oberhuemer – in Kindern keine Objekte der Bil12
Vgl. Kapitel 1.1 Konstruktivismus, S.25ff
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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dungsbemühungen Erwachsener, sondern eigenaktive Subjekte, die ihren Bildungsprozess im Kontext sozialer Interaktionen und Beziehungen gestalten (Oberhuemer 2004, S.371 mit Verweis auf Dahlberg, Moss und Pence 1999). Oberhuemer (2004) gibt einen Einblick in den schwedischen Bildungsplan, der sich sehr dezidiert an einer soziokulturellen Perspektive von Kindern und Kindheit orientiert. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Kinder selbst, und zwar wie sie sind und wie sie die Welt im Austausch mit anderen sehen und verstehen. Ziele des schwedischen Curriculums sind die Verknüpfung von Lernen, Entwicklung und Spielen, die Förderung von Basiskompetenzen, die Neukonzeptionalisierung des Übergangs in das formelle Bildungssystem sowie die Weiterführung individualisierter Lernformen in der Grundschule. Basierend auf soziokulturellen und soziokognitiven Ansätzen wird Lernen als Sinn-Konstruktion und Weltaneignung verstanden und Kinder und Erwachsene als Ko-Konstrukteure von Bildungsprozessen angesehen (Oberhuemer 2004, S.372). Die Gestaltung der Beziehungen zu Kindern wird deshalb zum zentralen angestrebten Handlungsmuster der schwedischen Frühpädagogen. Wird ein Bild des „reichen“ Kindes vertreten, haben Pädagogen und Eltern in den Interaktionen mit Kindern vielfältige Möglichkeiten, die Perspektive des einzelnen Kindes besser zu verstehen. Der Prozess der Ko-Konstruktion setzt dabei laut Oberhuemer (2004) eine fragende und reflektierende Haltung voraus, „und zwar sowohl gegenüber den eigenen Lernprozessen wie auch den Lernprozessen des Kindes“ (ebd., S.374). Auch Smith (2004) sieht in spontanen wechselseitigen Interaktionen und feinfühligen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, aber auch in Beziehungen zwischen Kindern, den wichtigsten Qualitätsaspekt in der Frühpädagogik. Erwachsene und Kinder stehen sich in diesen Interaktionsprozessen als gleichberechtigte, aktiv handelnde Partner gegenüber. Das bedeutet, dass pädagogische Fachkräfte ihr Wissen nicht einfach an passiv empfangende Kinder weitergeben. Sie handeln auf der Grundlage des Wissens, dass sich Kinder durch ihre eigenen, selbst initiierten Aktivitäten im Kontext sozialer Interaktionen und Beziehungen entwickeln und hierbei von anderen Menschen, ihrer Kultur und Sprache genauso beeinflusst werden wie durch die Erfahrungen, die sie gemeinsam mit anderen in für sie bedeutsamen Situationen in den Kindertageseinrichtungen machen. Deshalb ermöglichen es die Pädagogen den Kindern, in gemeinsamen Aktivitäten Probleme mit erfahrenen Partnern zu lösen. Sie teilen ihre Sinnkonstruktionen und Deutungen mit starken, fähigen und wissbegierigen Kindern und konstruieren dabei gemeinsam Verständnis und Wissen (Smith 2004, S.74).
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Diese auf Wygotsky13 zurück gehenden Ansichten zum kindlichen Lernen dienen der theoretischen Fundierung des neuseeländischen Curriculums „Te Whariki“ und kommen an zahlreichen Stellen des Bildungsplans zum Tragen. Bereits in der Einleitung des Curriculums wird betont, dass sozial und kulturell vermitteltes Lernen ebenso bedeutsam ist wie die auf Gegenseitigkeit und Einfühlungsvermögen beruhenden Beziehungen der Kinder mit Menschen, Orten und Dingen (New Zealand Ministry of Education 1996, S.9). In Neuseeland geht man demnach von einer Vielfalt kindlicher Lernbiographien aus und interpretiert das dadurch erworbene Wissen als historisch und kulturell situiert (Oberhuemer 2004, S.374). Dieser Ansicht trug man auch damit Rechnung, dass der Rahmenplan 1996 unter dem Namen „Te Whariki: He Whariki Matauranga mo nga Mokopuna o Aotearoa: Early Childhood Curriculum” veröffentlicht wurde. Der Titel des in Englisch und in Maori erschienenen Plans entstammt der Sprache der eingeborenen Bevölkerung Neuseelands und bezeichnet eine gewobene Matte, auf der alle stehen können. Die sozialen und kulturellen Kontexte Neuseelands und die Perspektiven beider Bevölkerungsgruppen konnten im „Te Whariki“ fest verankert werden und wurden somit dem bikulturellen Ansatz des Curriculums gerecht (May, Carr, Podmore 2004, S.176ff). Strukturiert wird das neuseeländische „Te Whariki“ durch vier Grundprinzipien: x x x x
Whakamana – Ermächtigung: Das Curriculum ermächtigt die Kinder zu lernen und zu wachsen. Kotahitanga – Ganzheitliche Entwicklung: Im Curriculum spiegelt sich die ganzheitliche Art und Weise wider, in der Kinder wachsen und lernen. Whanau tangata – Familie und Gemeinde: Die erweiterte Umwelt von Familie und Gemeinde sind ebenso Bestandteil des Curriculums. Nga Homonga – Beziehungen: Kinder lernen durch feinfühlige und wechselseitige Beziehungen zu Menschen, Orten und Dingen (New Zealand Ministry of Education 1996, S.14).
Insbesondere im vierten Prinzip ist der Einfluss Wygotskys deutlich zu spüren. Hier wird der Stellenwert von Beziehungen hervorgehoben und betont, dass Kinder nicht nur durch soziale, emotionale und kognitive Lernaspekte geprägt werden, sondern dass sie vor allem durch feinfühlige und wechselseitige Beziehungen mit Menschen, Orten und Dingen lernen. Kinder sollen die Möglichkeit erhalten, als kompetent und selbstbewusst Lernende und Kommunizieren13
Vgl. Kapitel 1.1.4 Die Lerntheorie Lew Wygotskys (1896 – 1934), S.32f
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de aufzuwachsen (ebd., S.43). Aus diesem Grund ergänzen die fünf leitenden Dimensionen Wohlbefinden, Zugehörigkeit, Partizipation, Kommunikation und Exploration den strukturellen Rahmen des neuseeländischen Curriculums. Die fünf Dimensionen sind mit den vier Grundprinzipien des Rahmenplans eng verwoben. Sie werden in drei bis vier Lernziele gegliedert, die wiederum eine Reihe von möglichen Lernergebnissen enthalten. Gleichzeitig lassen sich in allen Prinzipien und Dimensionen für die Erzieherinnen beschriebene Verhaltensweisen finden, die sowohl den Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern als auch den Lernprozessen der Kinder zu Gute kommen sollen. So werden insbesondere konstante Erzieher-Kind-Beziehungen hervorgehoben, die geprägt sind von Wärme, Akzeptanz, Vertrauen, Respekt, einfühlsame Interaktionen und fein abgestimmte Hilfestellungen (Remsperger 2008, S.12). Mit der Entwicklung und Erprobung des „Te Whariki“ wandelte sich in Neuseeland die Sicht auf Kinder und die Haltung ihnen gegenüber. Da Evaluation als integraler Bestandteil des Curriculums betrachtet wird, benötigte man in der Folge neue Beurteilungs- und Evaluationsverfahren, die den soziokulturellen Hintergrund des Curriculums aufgreifen und mit denen die komplexen, wechselseitigen und responsiven Beziehungen zwischen Lernenden und Umwelt definiert und dokumentiert werden können (Carr 2001, S.5). Von 1995 an wurde deshalb unter der Leitung von Margaret Carr das Projekt „Assessing Children´s Experiences“ durchgeführt, das die Ganzheitlichkeit, mit der Kinder lernen, ebenso berücksichtigte wie die Beziehungen der Kinder untereinander, zu Erwachsenen und zu ihrer Lernumwelt (May, Carr, Podmore 2004, S.180). In diesem Projekt galt es herauszufinden, welche feststellbaren Lernergebnisse von Kindern sich auch mit dem „Te Whariki“ in Verbindung bringen lassen. Deshalb sollte ein Beobachtungs- und Beurteilungsverfahren entwickelt werden, das für Kinder aller Altersgruppen sowie in allen neuseeländischen Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden kann. Ebenso sollten mithilfe des Verfahrens die Familien der Kinder einbezogen und das Selbstbild der Kinder als aktive, kompetente und selbstbewusste Lerner gefördert werden. Das neu entwickelte Verfahren der „Learning Stories“ gab dazu die Möglichkeit (ebd.). Im Beobachtungs- und Einschätzverfahren der „Learning Stories“ wurde die soziokulturelle Ausrichtung des Curriculums konsequent aufgegriffen und weitergeführt. Zweck der Beobachtung und Beurteilung war es von nun an, das Lernvermögen der Kinder zu steigern. Der defizitäre Blick auf die Wissenslücken der Kinder wandelte sich in eine ressourcenorientierte Sichtweise, die die kindlichen Stärken fokussiert. Das Abhaken isolierter Fähigkeiten, um die Schulreife der Kinder zu überprüfen, rückte in den Hintergrund und wurde durch das Konzept der Lerndispositionen ersetzt. Die Lerndispositionen umfas-
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sen neben der Lernmotivation eines Kindes auch dessen Fähigkeiten und Fertigkeiten, sein Wissen und seine Lernstrategien (Leu et al. 2007, S.49ff). Nach Carr (2001) kommen in den Lerndispositionen die Motivation und die Fähigkeit eines Kindes zum Ausdruck, sich mit neuen Situationen und Herausforderungen auseinanderzusetzen und diese mitzugestalten. Demzufolge sind Lerndispositionen grundlegende Voraussetzungen für die Bildungsprozesse von Kindern und bilden die Grundlage für ein lebenslanges Lernen (Carr 2001, S.21; Leu und Remsperger 2004, S.174f). Insgesamt werden fünf Lerndispositionen unterschieden: taking an interest, being involved, persisting with difficulty or uncertainty, communicating with others, taking responsibility (Carr 2001, S.24f). Die fünf Lerndispositionen werden jeweils einer Dimension des Curriculums zugeordnet. So müssen sich Kinder zugehörig fühlen, um sich mutig und neugierig für etwas zu interessieren. Ebenso müssen sie sich wohl fühlen, um sich an einem sicheren Ort auf etwas einlassen und eine Lernfreude entwickeln zu können, die von einem hohen Maß an Engagiertheit geprägt ist. Kinder sollten explorieren und forschen können, um die Ausdauer zu entwickeln, sich Schwierigkeiten zu stellen und ihnen standzuhalten. Um kommunizieren zu können, brauchen Kinder das Vertrauen, dass sie ihre Ideen, Ansichten und Gefühle ohne Ängste äußern können. Schließlich sollten sie bei vielen Aktivitäten, Diskussionen und Planungen in der Tageseinrichtung mitwirken dürfen. Dabei entwickeln sie Verantwortung für Gerechtigkeit und Fairness und sind in der Lage, auch einmal einen abweichenden Standpunkt einzunehmen. Von zentraler Bedeutung ist es, dass pädagogische Fachkräfte die Lerndispositionen der Kinder wertschätzen und ihnen eine Lernumgebung zur Verfügung stellen, in der diese ihre Lerndispositionen weiterentwickeln können. Dabei ist der direkte und ständige Dialog zwischen Erzieherinnen und Kindern entscheidend für die Weiterentwicklung der kindlichen Lerndispositionen (Wustmann und Remsperger 2005, S.85; Remsperger 2008, S.14). Zielt das Beobachtungsverfahren der „Learning Stories“ auf die Bestärkung lernender Kinder, unterstützt eine zweite Evaluationsmethode die neuseeländischen Erzieherinnen bei der Schaffung wechselseitiger, feinfühliger und respektvoller Beziehungen mit Kindern. Mit den „Teaching Stories“, die nahezu parallel zu den „Learning Stories“ ebenfalls von Margaret Carr und Kollegen entwickelt wurden, verfügen die Frühpädagoginnen in Neuseeland über ein Rahmenkonzept, mit dem sie ihre pädagogische Arbeit im Sinne von „Te Whariki“ evaluieren können. Strukturierender Rahmen der „Teaching Stories“ sind wiederum die fünf Dimensionen des neuseeländischen Curriculums sowie die fünf Lerndispositionen der „Learning Stories“. Darauf basierend wurden fünf hypothetische Fragen aus der Sicht von Kindern formuliert, die in ihrer Kurzfassung wie folgt lauten: Kennst du mich und meine Interessen? Kann ich dir
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vertrauen? Ermunterst du mich, über Neues nachzudenken und Unbekanntes auszuprobieren? Hörst du mir zu und reagierst du auf mich? Unterstützt du mich dabei, ein Teil der Gruppe zu sein? (May, Carr, Podmore 2004, S.181; Remsperger 2007a, S.6f). Die erste Frage wird der Curriculums-Dimension „Zugehörigkeit“ sowie der Lerndisposition „interessiert sein“ zugeordnet. Erzieherinnen denken darüber nach, inwiefern sie die Interessen eines Kindes verstehen und wertschätzen. Pädagogische Hilfestellungen entsprechen folglich den Interessen eines Kindes und knüpfen an seinem derzeitigen Wissen und Können an. Die zweite Frage gehört zur Dimension „Wohlbefinden“ und zur Lerndisposition „engagiert sein“. Fachkräfte reflektieren, ob sie den alltäglichen Bedürfnissen der Kinder mit Sensibilität begegnen und dadurch sowohl das Sicherheits- und Zugehörigkeitsgefühl als auch die Lernprozesse der Kinder stärken. Die dritte Frage steht im Zusammenhang mit der Dimension „Exploration“ und der Lerndisposition „Ausdauer zeigen bei Schwierigkeiten und Herausforderungen“. Erzieherinnen fragen sich, inwieweit sie den Kindern Herausforderungen anbieten, die ihre Denk- und Handlungsprozesse anregen. Die vierte Frage zielt auf die Dimension „Kommunikation“ und auf die Lerndisposition „Ansichten und Gefühle ausdrücken“ ab. Sie dient der Auseinandersetzung mit der Frage, ob pädagogische Fachkräfte die Kinder zum Kommunizieren und Zuhören einladen. Ein aufmerksames Zuhören, das Ernstnehmen der kindlichen Äußerungen und das angemessene Eingehen auf die verbalen und nonverbalen Signale der Kinder werden dabei als Voraussetzungen für einen gelingenden, partnerschaftlichen Dialog angesehen. Die fünfte Frage betrifft schließlich die Dimension „Partizipation“ und die Lerndisposition „Verantwortung übernehmen“. Hier überlegen Erzieherinnen, wie sie die Bemühungen der Kinder unterstützen können, Teil einer größeren Gruppe zu sein. Durch Interaktionen mit Erwachsenen werden Kinder unterstützt und ermutigt, gemeinsam mit anderen Kindern zu lernen. So finden sie ihren Platz in der Gruppe und beginnen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen (May, Carr, Podmore, 2004, S.18314). Die Beantwortung dieser Fragen und der regelmäßige Einsatz der „Learning Stories“ führen letztendlich dazu, dass der sozial-konstruktivistische Ansatz Wygotskys in neuseeländischen Kindertageseinrichtungen nicht nur theoretisches Leitbild bleibt, sondern dass die Erzieherinnen im Alltag tatsächlich auf einen fein-fühligeren Umgang mit den Kindern achten und ihr eigenes pädagogisches Verhalten dementsprechend ausrichten.
14
Vgl. dazu auch Remsperger 2008, S.16
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2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland In Deutschland bedarf es gewiss noch eines längeren Weges, bevor das Ziel eines ko-konstruktiven und noch feinfühligeren Umgangs mit Kindern in den Kindertagesstätten des Landes umgesetzt wird. Zwar versteht insbesondere Fthenakis (2004) Bildung in Anlehnung an internationale Entwicklungen und mit Rückgriff auf sozialkonstruktivistische Ansätze als sozialen und interaktionalen Ko-Konstruktionsprozess im Sinne eines Sinnkonstruktionsprozesses (Fthenakis 2004, S.562), jedoch mangelt es oftmals an der konsequenten Umsetzung dieser Sichtweise in der Alltagspraxis. Vor allem spontane und lang anhaltende Dialoge mit einzelnen Kindern scheinen in der Praxis häufig nicht zustande zu kommen. Neben unzureichenden Rahmenbedingungen liegen die Ursachen hierfür vermutlich auch darin begründet, dass es in Deutschland - anders als in Neuseeland - keinen einheitlichen und für alle Einrichtungen verbindlichen Bildungsplan gibt, dass mit dem Thema Beziehungsgestaltung sehr unterschiedlich umgegangen wird und dass konkrete Hinweise für einen sensibleren Umgang mit Kindergartenkindern bislang häufig fehlen15. Auf der anderen Seite darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch in Deutschland seit Anfang des neuen Jahrtausends erste Versuche unternommen werden, mit Erzieherinnen mithilfe neu entstandener Beobachtungs- und Dokumentationsmethoden hinsichtlich eines neuen Bildes vom Kind und vom Lernen zu arbeiten. Das Projekt von Laewen und Andres „Zum Bildungsauftrag in Kindertagesstätten“ ist ein Beispiel für diese Entwicklung. Laewen und Andres (2002) definieren Bildung als Selbstbildung im doppelten Sinn: Das heißt, es geht sowohl um das selbsttätige Bemühen eines Kindes um Weltaneignung und Handlungskompetenz als auch um die Bildung des Selbst als Kern der Persönlichkeit (Laewen und Andres 2002a, S.61). Über Sinneserfahrungen und Handeln machen sich Kinder demzufolge ein Bild von der Welt. Dabei entwickeln sie innere Strukturen, auf denen alles spätere Denken und Fühlen aufbauen wird (Laewen und Andres 2002b, S.40). Laewen und Andres (2002) sehen es als vorrangige Aufgabe der Erziehungspersonen, die Umwelt und die Interaktionen mit den Kindern zu gestalten. Die Zumutung und Beantwortung von Themen entscheidet dabei mit darüber, welche Ausschnitte der Welt sich Kinder konstruierend aneignen können (ebd., S.43). Um diesen Zusammenhang zu erläutern, bezieht sich Laewen dezidiert auf Wygotsky16. Bei der Beantwortung der kindlichen Themen greifen Erwachsene auf kulturell verfügbare Deutungsmuster zurück, erweitern die Themen durch ein Mehr an Information und muten schließlich neue Themen im 15 16
Vgl. Kapitel 2.3 Bildungspläne, S.65ff Vgl. Kapitel 1.1.4 Die Lerntheorie Lew Wygotskys (1896 – 1934), S.32f
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Rahmen der Zone der nächsten Entwicklung zu (ebd., S.125). So gesehen bleibt Erziehung als gestaltete Interaktion und als Antwort auf die Themen der Kinder nicht bei der Begleitung der Kinder stehen, sondern fordert sie heraus, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu nutzen und weiter auszudifferenzieren (ebd., S.145). Auch wenn Laewen und Andres den Begriff nicht explizit nennen, setzt ihr Verständnis von Erziehung als Gestaltung der Interaktionen mit Kindergartenkindern das feinfühlige Verhalten der pädagogischen Fachkräfte voraus. Neben Laewen, Andres und Fthenakis tritt Schäfer (2003) in Deutschland für eine neue Sichtweise auf kindliche Lernprozesse ein. Schäfer versteht Bildung als Selbstbildung im sozialen Kontext (Schäfer 2003, S.31), die sowohl auf sozialen Beziehungen beruht, als auch auf Beziehungen zu subjektiv bedeutsamen Dingen und Gedanken. Schäfer betont, dass Kinder bei ihren Bildungsbewegungen Partner brauchen, die sich innerlich von ihrem Tun ansprechen und darin verwickeln lassen und die ihnen darüber hinaus eine interessierte Resonanz auf ihre Welt- und Selbsterfahrungen geben (ebd., S.35). Um dies zu gewährleisten und um das Umfeld so zu gestalten, dass es den Horizont der Kinder erweitert, brauchen pädagogische Fachkräfte eine sensible, fachlich geschulte Wahrnehmungsfähigkeit, eine zuverlässige und interessierte Beziehung zum Kind sowie die Bereitschaft, mit Kindern zu sprechen und das eigene pädagogische Handeln zu reflektieren (ebd., S.110). Nur so sei es möglich, an den Fragen und Ideen der Kinder anzusetzen, sie in für sie bedeutsamen Situationen zu unterstützen und ihnen Impulse zu geben, die die Kinder fördern und herausfordern (ebd., S.108). Schäfer spricht sich damit ebenfalls indirekt für einen feinfühligen Austausch mit Kindern aus. Schließlich sei auf das von Leu (2007) geleitete Projekt „Bildungs- und Lerngeschichten als Instrument zur Konkretisierung und Umsetzung des Bildungsauftrags im Elementarbereich“ verwiesen, das von 2004 an vom Deutschen Jugendinstitut e.V. durchgeführt wurde und das im Wesentlichen die Ansichten der aufgeführten Forscher subsumiert. Das Verfahren der „Bildungsund Lerngeschichten“ basiert ebenso auf einem sozial-konstruktivistischen Verständnis von kindlichem Lernen und rückt die Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern verstärkt in den Mittelpunkt. Dies liegt natürlich auch daran, dass der neuseeländische Ansatz der „Learning Stories“ der Entwicklung dieser für Deutschland neuen Beobachtungs- und Dokumentationsmethode als Grundlage diente. Im Projekt wurden das Konzept der Lerndispositionen aufgegriffen und Beobachtungsbögen entwickelt, mit deren Hilfe pädagogische Fachkräfte die individuellen Lernwege der Kinder beobachten, auswerten und dokumentieren können. Nicht zuletzt lehnte man sich an die vier Arbeitsschritte des Verfahrens der „Learning Stories“ an und rückte neben dem Beobachten, Dokumentieren und Entscheiden vor allem das Diskutieren in das Zentrum der Be-
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trachtung. Damit wurde versucht, der Bedeutung eines sensitiven und responsiven Austauschs mit den Kindern Rechnung zu tragen (Leu et al. 2007). Eine zusätzliche Unterstützung in Bezug auf die Beziehungsgestaltung bekommen deutsche Erzieherinnen, die wie ihre Kolleginnen in Neuseeland mit „Teaching Stories“17 arbeiten. Die hier enthaltenen „Fragen des Kindes“ an seine Erzieherin zielen darauf, die Selbstreflexion der pädagogischen Fachkraft zu fördern und unterstützen damit einen feinfühligeren Umgang mit dem einzelnen Kind (Remsperger 2008, S.16)18.
2.3 Bildungspläne Seit Mitte der 1990er Jahre richtet sich die elementarpädagogische Diskussion in Deutschland verstärkt darauf, der Bildung in Kindertageseinrichtungen ein größeres Gewicht zu verleihen. Ausgangspunkt dieser Debatte waren die Arbeiten von Schäfer (1995) zu kindlichen Selbstbildungsprozessen und das von Laewen und Andres (2002) geleitete Projekt „Zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen“ (Laewen und Andres 2002)19. Ebenso lenkte der 10. Kinder- und Jugendbericht (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1998) und die Arbeit von Elschenbroich zum „Weltwissen der Siebenjährigen“ (2001) den Fokus auf frühkindliche Bildung (Gisbert 2003, S.85). Darüber hinaus wurde die bundesdeutsche Bildungsdiskussion von Untersuchungen zur pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen flankiert (Tietze 1998). Die Ergebnisse der ersten Erhebungswelle der PISA-Studie löste eine breite öffentliche und politische Debatte um Bildung aus. Nahezu zeitgleich betonte das im Jahre 1999 durch Bund und Länder konstituierte „Forum Bildung“ in seinen Empfehlungen die zentrale Bedeutung der frühen Förderung im Elementarbereich und forderte die bessere Realisierung von Bildung in Kindertageseinrichtungen (Gisbert 2003, S.78). Das Augenmerk richtete sich damit sehr dezidiert auf die Bildungsrelevanz der Kindertagesseinrichtungen, die einige Zeit später auch durch empirische Hinweise der IGLU-Studie belegt wurde (Bos et al. 2003). In der Folge dieser Studien und Debatten sah sich der Elementarbereich mit neuen Herausforderungen und Anforderungen konfrontiert, für die konzeptionelle Antworten gefunden werden mussten. Um dem Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen gerecht werden zu können, wurden schließlich in allen Bundesländern Bildungspläne und -empfehlungen erarbeitet, die sich während 17
Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland, S.57ff Vgl. Kapitel 2.1, S.57ff und 10.2, S.293ff 19 Vgl. Kapitel 2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland, S.63ff 18
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des Entstehungsprozesses dieser Arbeit zum Teil noch in ihrer Erprobungsphase befanden. Da in Deutschland bei dieser Konzeptualisierung des Bildungsauftrags lediglich auf begrenzte nationale wissenschaftliche Ressourcen zurückgegriffen werden konnte, finden sich in einigen Bildungsplänen auch Bezüge zu internationalen Vorlagen und Konzepten. Dieser Einfluss wird insbesondere dann sichtbar, wenn es um das Verständnis kindlichen Lernens und die Bedeutung ko-konstruktiver Prozesse20 geht. Die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer werden im Folgenden sowohl auf diese beiden Aspekte hin betrachtet als auch dahingehend untersucht, inwiefern die Beziehungsqualität zwischen Erzieherinnen und Kindern thematisiert wird.
2.3.1 Das Verständnis frühkindlichen Lernens und das Bild vom Kind Die Tätigkeit, die Kinder von sich aus – also eigenaktiv – verrichten, um das Geschehen um sie herum aufnehmen und zu einem inneren Bild ihrer Wirklichkeit verarbeiten zu können, wird in Anlehnung an Schäfer und Laewen in einigen Bildungsempfehlungen als Selbstbildung21 bezeichnet (z.B. RheinlandPfalz, S.2322). Das heißt, dass Kinder nicht als das Objekt der Bildungsbemühungen anderer anzusehen sind und zur Eroberung der Welt nicht erst motiviert werden müssen (Niedersachsen, S.11). Kinder seien vielmehr auf Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung hin ausgerichtet und wollen von sich aus lernen. Somit werden sie als soziale Akteure und als Akteure ihrer Selbst betrachtet, die ihre Bildung und Entwicklung mit produzieren (Sachsen, S.6; Sachsen-Anhalt, S.16). Vor allem die Verfasser des Bildungsprogramms von Sachsen-Anhalt knüpfen an dieser Stelle ausdrücklich an Wygotsky und Leontjew an, die den Begriff der Aneignung im Rahmen der kulturhistorischen Schule der sowjetischen Psychologie entwickelt und auch die entsprechende Theorie begründet haben. Leontjew beschreibt gerade diese tätige Weltaneignung der Kinder, die sich und ihre Welt immer wieder aufs Neue erfinden23 (Sachsen-Anhalt, S.16). Die Autoren deutscher Rahmenpläne des Elementarbereichs sind sich darüber einig, dass frühkindliches Lernen mit der Geburt beginnt und damit ein fortwährender, offener und unabschließbarer Prozess ist, der ein Leben lang andauert. Die Aktivität und Ganzheitlichkeit des kindlichen Lernens wird hierbei besonders hervorgehoben. Kinder werden als aktive Lerner und als Subjekte 20
Vgl. Kapitel 1.1.4 Die Lerntheorie Lew Wygotskys (1896 – 1934), S.32f Vgl. Kapitel 2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland, S. 63ff 22 Vgl. Bremen, S.8; Sachsen-Anhalt, S.12, S.19 23 Vgl. Kapitel 1.1.4 Die Lerntheorie Lew Wygotskys (1896 – 1934), S.32f 21
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ihrer eigenen Bildung beschrieben, die ihre Welt aktiv, neugierig und mit allen Sinnen entdecken. Dabei unterstützt sie die Ausstattung mit sozialen, kognitiven, motorischen und kreativen Kompetenzen. Die Verfasser einiger Bildungspläne24 nehmen an dieser Stelle auch auf Humboldt Bezug und bezeichnen Bildung als Aneignungstätigkeit, mit der sich jeder Mensch ein Bild von der Welt macht und dabei sein Ich mit der Welt verknüpft (z.B. Berlin, S.1125). Während dieses Prozesses setzen sich Kinder sowohl mit sich selbst als auch mit ihrer natürlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Umwelt auseinander. Bei dieser spezifischen und individuellen Weise der Weltaneignung fügen sich die vielfältigen Erfahrungen der Kinder zu einem Bild, das sie von sich, von anderen Personen und von ihrer Umwelt machen. Der Gedanke der Selbstbildung schließt ein Bild vom Kind mit ein, das die Stärken und Kompetenzen von Kindern ausdrücklich in den Mittelpunkt stellt. Diesem Bild zufolge besitzen Kinder von Geburt an die notwendigen Fähigkeiten und die entsprechende Neugier, sich zu bilden. In Hessens Bildungsplan werden die kindlichen Ressourcen besonders betont. Kinder werden als stark, kommunikationsfreudig und medienkompetent, als kreativ, phantasievoll und künstlerisch, lernend, forschend und entdeckungsfreudig sowie als wertorientiert und verantwortungsvoll handelnd umschrieben. Als kompetente Säuglinge seien sie auf die Interaktion und Kommunikation sowie auf den Dialog mit Erwachsenen vorbereitet und seien dazu in der Lage, ihre Bildung und Entwicklung aktiv mitzugestalten26. Deshalb heben die Autoren von Bremens Bildungsplan die Notwendigkeit hervor, Kinder bereits als vollwertige Menschen anzuerkennen und nicht als „Rohstoff von Bildung und Erziehung“ zu sehen (Bremen, S.6). Die verantwortungsvolle Partizipation an ihren eigenen Bildungsprozessen trage demgegenüber dazu bei, die Welt zu verstehen (Niedersachsen, S.11ff). Nicht zuletzt bestärkt diese kompetente Mitgestaltung des eigenen Lebens, Lernens und der eigenen Bildung (Bayern, S.22) auch die Entwicklung autonomer und selbstbewusster Individuen (Bremen, S.7). Betrachtet man die Ausführungen zu Ko-Konstruktionsprozessen in den deutschen Bildungsplänen, lassen sich Parallelen zum neuseeländischen „Te Whariki“ feststellen27. Selbstbildung von Kindern wird nämlich gerade nicht als ein auf das jeweilige Kind bezogene und isolierte Geschehen verstanden. Kinder konstruieren ihre eigenen Weltbilder immer in der Auseinandersetzung mit Menschen und Gegenständen ihrer Umgebung. Im permanenten Austausch mit 24 Bildungspläne werden im Folgenden nur mit der Nennung des jeweiligen Bundeslandes gekennzeichnet. 25 Vgl. Thüringen, S.14; Sachsen-Anhalt, S.12, S.19 26 Vgl. Hessen, Kapitel „Konsistenz in den Inhalten“ 27 Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland, S. 57ff
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anderen entwickeln und überprüfen sie ihre individuellen Konzepte und Deutungen und entwickeln auf diese Weise intersubjektiv tragfähige Konzepte und Weltbilder (Sachsen-Anhalt, S.19; Sachsen, S.6). Bildungsprozesse spielen sich also als soziale und kommunikative Prozesse zwischen Kindern untereinander als auch zwischen Kindern und Erwachsenen ab. Eingebunden in soziale, kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge entwickeln und entfalten Kinder ihre eigene Person (Thüringen, S.16). Kindliches Lernen findet demnach in konkreten sozialen Situationen und in Interaktionen mit Erwachsenen und anderen Kindern statt (Bayern, S.22).
2.3.2 Zur Rolle der Beziehungsqualität in deutschen Bildungsplänen Voraussetzung für das Gelingen dieser Ko-Konstruktionsprozesse sind das Vertrauen zu und die Anerkennung durch andere Kinder sowie durch erwachsene Bezugspersonen (Sachsen-Anhalt, S.19). Die Kinder sind auf die positive Resonanz ihrer Bezugspersonen angewiesen und erleben vor allem durch diese Reaktionen Ereignisse und Erkenntnisse als sinn- und bedeutungsvoll (z.B. Niedersachsen, S.1128). Die Verfasser von Hessens Bildungsplan sehen in der sozialen Interaktion und im sozialen Dialog den Schlüssel zur kindlichen Wissensund Sinnkonstruktion. Wie die Autoren des Bildungsplans von Sachsen-Anhalt verweisen sie ausdrücklich auf die sozial-konstruktivistische Basis des Plans, die weitreichende Folgen für die Bildungsqualität in Kinder-tagesstätten habe (Hessen, S.15ff). Damit knüpfen die Autoren der hessischen Rahmenempfehlungen erneut an das neuseeländische Curriculum an, dem eine auf Wygotsky fußende soziokulturelle Sichtweise auf das kindliche Lernen ebenfalls zugrunde liegt29. Die vor allem in Neuseeland vertretene Ansicht, dass neben einem sozial und kulturell vermittelten Lernen besonders spontane, wechselseitige Interaktionen und von Feinfühligkeit geprägte Beziehungen wesentliche Qualitätsaspekte in der Frühpädagogik darstellen, wird in Deutschland geteilt und in den meisten Rahmenplänen aufgegriffen. Die Herstellung sicherer Beziehungen der Kinder untereinander sowie zwischen Kindern und Erzieherinnen gilt auch hierzulande als eine Grundvoraussetzung kindlichen Lernens (z.B. Niedersachsen, S.11). Dabei bieten insbesondere stabile Beziehungen und verlässliche Bindungen zu Erwachsenen sowie deren zugewandte und wertschätzende Unterstützung und Begleitung die entscheidenden Anstöße zur Selbstbildung der Kinder (z.B. Bremen, S.9). Positiv erlebte emotionale Kontakte mit Erwachsenen entscheiden 28 29
Vgl. Hamburg, S.12; Saarland, S.12 Vgl. Kapitel 1.1.4, S.32ff und 2.1, S.57ff
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somit darüber, welche Zugänge zur Welterschließung Kinder erhalten (Thüringen, S.16ff) und ob sie neue Lerninhalte annehmen (Baden-Württemberg, S.22). Wie bedeutsam die Qualität der Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern für die Qualität frühkindlicher Bildung ist, sieht man an der Hervorhebung der Tatsache, dass sich ein emotional warmer und verantwortungsvoller pädagogischer Interaktionsstil positiv auf die kindliche Entwicklung auswirkt. Die emotionalen Bindungen zu den Erzieherinnen und das dadurch entstehende Wohlbefinden bilden nicht nur die Grundlage für ein eigenverantwortliches und interessegeleitetes Lernen (Sachsen, S.19), sondern beeinflussen ebenfalls die soziale und emotionale Entwicklung der Kinder. Das heißt, dass die Kinder auf dieser vertrauensvollen Grundlage eigene Bindungs- und Beziehungsfähigkeiten sowie soziale Kompetenzen entwickeln können (Rheinland-Pfalz, S.54). Warum das so ist, wird ausführlich in Hessens Bildungsplan erläutert. Kinder lernen besonders nachhaltig und sind am kreativsten, wenn sie sich wohl fühlen und mit Freude Dinge lernen, die sie interessieren und emotional bewegen (Hessen, S.21). Das erfolgreiche Bewältigen schwieriger Aufgaben macht sie glücklich und erhöht die Lust auf weiteres Lernen (Sachsen-Anhalt, S.20). Während sie „lustvoll“ lernen (ebd.), entwickeln Kinder eine besondere Sensibilität dafür, wie sich Erwachsene während der Interaktionen ihnen gegenüber verhalten. Emotionen, die die Lernprozesse der Jungen und Mädchen begleiten, werden also ebenfalls mitgelernt und prägen das weitere Lernverhalten der Kinder. Die emotionale Lernatmosphäre entscheidet letztendlich darüber, ob Kinder weiter explorieren und ob ihre Lernmotivation aufrechterhalten bleibt. Systematische Bildungsanstrengungen werden demzufolge umso lohnender sein, je ausgeprägter sie auf einem feinfühligen und die kindliche Autonomie respektierenden pädagogischen Verhalten sowie auf einem emotional unterstützenden Dialog mit dem einzelnen Kind basieren (Hessen, S.21). Diese Voraussetzungen betreffen natürlich auch den Erwerb von Sprache, bei dem Kinder auf vertrauensvolle Beziehungen (Rheinland-Pfalz, S.40), gelungene Dialoge und aktive sprachliche Anregungen angewiesen sind (Niedersachsen, S.20). Kinder lernen das Sprechen und Sprache in einem eigenaktiven und konstruktiven Prozess, d.h. im fortwährenden sozialen Kontakt mit ihnen zugewandten Bezugspersonen, zu denen sie eine gute Beziehung haben (Niedersachsen, S.20). Diese guten Beziehungen motivieren die Kinder genauso zum Sprechen (Bremen, S.20ff) wie interessante Themeninhalte und bedeutungsvolle Dialoge, die während Sinn ergebender Handlungen (Hessen, S.57; Bayern, S.155ff) sowie in Situationen gelassener, aber neugieriger Aufmerksamkeit ent-
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stehen30. Die Autoren der sächsischen Rahmenempfehlungen betonen an dieser Stelle die Notwendigkeit, sensibel für Gesprächs- und Sprechanlässe zu sein, die Themen der Kinder aufzugreifen, mit ihnen in den Dialog zu treten und ihnen zuzuhören. Erzieherinnen müssen die Äußerungen der Kinder ernst nehmen und akzeptieren und sollten ihnen genügend Raum zum Selbstausdruck geben, um eine dialogische Gesprächskultur in den Einrichtungen zu gewährleisten31. Hierzu gehört auch die differenzierte Wahrnehmung nonverbaler Signale und Ausdrucksformen von Kindern sowie die Reflexion der eigenen Körpersprache (Bayern, S.160ff; Rheinland-Pfalz, S.41). Die Beziehungen und die emotionalen Bindungen zwischen Erzieherinnen und Kindern beeinflussen demnach sowohl die soziale und emotionale Entwicklung der Kinder als auch die eng damit verknüpfte sprachliche und kognitive kindliche Entwicklung (Hessen, S.57ff). Der Charakter dieser Beziehungen und die Bedeutungshaltigkeit der Dialoge sind folglich wesentliche Faktoren für die Aneignung verbaler und nonverbaler Ausdrucksformen32. Dass die Qualität der Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern zudem bei der Förderung kindlicher Resilienz eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, heben die Verfasser der Bildungspläne von Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Sachsen hervor. Um die Entwicklung sozialer und personaler Ressourcen zur Entwicklung von Resilienz zu unterstützen, müssen Erzieherinnen stabile emotionale Beziehungen zu den Kindern aufbauen (Bremen, S.23ff) und enge Bindungen mit ihnen ermöglichen. Zudem ist es notwendig, ein wertschätzendes Erziehungsklima zu schaffen (Hessen, S.36), in dem die pädagogischen Fachkräfte den Kindern mit bedingungsloser Wertschätzung, emotionaler Wärme, Einfühlungsvermögen, Echtheit und Verlässlichkeit begegnen (Bayern, S.48) sowie feinfühlig auf die kindlichen Bedürfnisse eingehen (Rheinland-Pfalz, S.29ff). Gehen pädagogische Fachkräfte in Gesprächen sensibel mit den Emotionen der Kinder um, erleben diese nicht nur Sicherheit und Wertschätzung in den sozialen Bindungen mit den Erzieherinnen, sondern werden in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt und bei der Ausbildung von Resilienz unterstützt (Sachsen, S.9). Indirekt werden also mit einer qualitativ hochwertigen Beziehungsgestaltung die Grundsteine kindlichen resilienten Verhaltens gelegt (Bayern, S.48ff). Folgt man den Ausführungen der Autoren der deutschen Bildungspläne, ist Bildung nicht ohne verlässliche Beziehungen denkbar. Die Gestaltung von Beziehungen wird als „Kern der professionellen (…) Tätigkeit der Erzieherinnen“ bezeichnet (Sachsen-Anhalt, S.19) und Fachkräfte dazu aufgefordert, „Haltung30
Vgl. Sachsen, Kapitel 2.3 „Kommunikative Bildung“ Vgl. Sachsen, Kapitel „Grundlagen“ sowie „Kommunikative Bildung“, S.2 32 Vgl. Sachsen, Kapitel 2.3 „Kommunikative Bildung“ 31
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en zu verändern (,…) Professionalität zu entwickeln“ (ebd., S.16) sowie die Interaktionsverhältnisse zu Kindern regelmäßig zu reflektieren (Sachsen, S.13). Die Notwendigkeit einer guten Beziehungsqualität zwischen Erzieherinnen und Kindern scheint somit in den Bildungsplänen unumstritten zu sein. Umso erstaunlicher erscheint es, wie unterschiedlich intensiv auf dieses Thema in den jeweiligen Rahmenvereinbarungen eingegangen wird. In nur knapp einem Drittel der Pläne werden eigenständige Abschnitte zum Thema Interaktionsqualität vorgehalten und sehr konkrete Anregungen gegeben, wie pädagogische Fachkräfte Fragen von Haltung und Beziehungsgestaltung in der Alltagspraxis umsetzen können. In anderen Empfehlungen wird zwar auf die Beziehungsgestaltung zu Kindern eingegangen, jedoch geschieht dies bei sehr spezifischen Themen wie der Förderung von Sprache oder Resilienz bzw. bei der Übergangsgestaltung von Kindern im Krippenalter. Darüber hinaus verschwinden zuweilen die Hinweise zu einem feinfühligen pädagogischen Interaktionsstil in Fließtexten zu den vielfältigen Aufgaben der Fachkräfte. Birgt eine solche Vorgehensweise die Gefahr, dass die anwendungsrelevanten Bedingungsfaktoren eines qualitativ hochwertigen Interaktionsstils beim Studium der Pläne leicht „überlesen“ werden könnten, fehlen in einigen wenigen Plänen jegliche Ausführungen zur Gestaltung der Beziehungsqualität zwischen Erzieherinnen und Kindern.
3 Erzieherverhalten im Kindergarten als Forschungsgegenstand in Deutschland
Das Verhalten pädagogischer Fachkräfte wurde neben der institutionellen vorschulischen Erziehung auch von der empirischen Forschung in Deutschland lange Zeit ausgeklammert. Zwar wurde dem sozial-emotionalen Verhalten der Fachkräfte nach Versuchen in den 1970er Jahren in deutschen Kindertageseinrichtungen eine zentrale Bedeutung für die Förderung kindlicher Lernprozesse zugesprochen, jedoch gibt Nickel (1985) zu bedenken, dass sich unter den empirischen Begleit- und Evaluationsstudien zu den verschiedenen Modellversuchen dieser Zeit noch kein Ansatz fand, der das Erzieherverhalten ausdrücklich als grundlegende Bedingungsvariable berücksichtigte und der die für eine emotional-positive Lernatmosphäre relevanten Erziehervariablen überprüfte (Nickel 1985, S.97ff). Darüber hinaus hatten die Untersuchungen, die Ende der 1960er Jahre und in den 1970er Jahren durchgeführt wurden, Nickel zufolge meist den Charakter von Erkundungsstudien und wiesen häufig gravierende methodische Mängel auf. Allerdings konnten bei späteren, breiter angelegten und methodisch besser fundierten Untersuchungen Übereinstimmungen über einige grundlegende Aussagen zur Kennzeichnung des Erzieherverhaltens, des Interaktionsklimas sowie zu pädagogischen Situationen festgestellt werden. Laut Nickel (1985) kann den frühen Studien zum Erzieherverhalten deshalb dennoch ein größerer Allgemeinheits- und Gültigkeitsgrad zugesprochen werden (ebd.). Im Folgenden nehme ich auf einige dieser Untersuchungen Bezug und stelle zudem weitere Arbeiten und Studien vor, die bis heute im Rahmen einer Betrachtung der Erzieher-Kind-Interaktion erstellt wurden.
3.1 1960er und 1970er Jahre Die erste empirische Erhebung zum Erziehungsgeschehen in deutschen Kindergärten wurde von Tausch und Kollegen im Jahre 1968 durchgeführt. Während sich andere Arbeiten dieser Zeit auf die Selbstbeschreibung des pädagogischen Verhaltens beschränken, handelt es sich bei dieser Untersuchung um eine der wenigen Studien, in der ein Beobachtungssystem für das tatsächliche Er-
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3 Erzieherverhalten als Forschungsgegenstand
zieherverhalten entwickelt worden ist (Tausch et al. 1968, S.267ff). Die Forschergruppe um Tausch (1968) kam zu dem Ergebnis, dass das Erzieherverhalten durch ein hohes Maß an lenkend-restriktiven Eingriffen, wenig Freundlichkeit und vorwiegend sozialer Irreversibilität gekennzeichnet war. Zudem stellten die Wissenschaftler ein hohes Ausmaß an geringschätzenden unfreundlichen Äußerungen gegenüber Kindergartenkindern fest. Nicht zuletzt herrschte eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung der Erzieherinnen vor (ebd.; vgl. Nickel 1985, S.95). Ähnlich negativ waren die Ergebnisse der Untersuchungen von Westermann und De Wall (1972) sowie von Barres (1973), die Nickel (1985) in einem Überblick über Studien zum vorschulischen Erzieherverhalten darstellt. Westermann und De Wall beobachteten laut Nickel ein Erzieherverhalten, das eine starke Betonung der äußeren Ordnung mit einer traditionellen Strukturierung des Vormittags vorsah. Zudem ermittelten sie einen hohen Grad an Lenkung sowie ein geringes Ausmaß an ermutigend-anregenden Äußerungen der pädagogischen Fachkräfte. Barres stellte ebenfalls Lenkungsmaßnahmen der Gruppenleiterinnen fest. Außerdem zählten eine erhöhte Konflikthäufigkeit und wenig Freiraum für ein selbst bestimmtes Kinderverhalten zu ihren Forschungsresultaten (Westermann und De Wall 1972; Barres 1973 in Nickel 1985, S.95). Die positiven Auswirkungen auf das kindliche Interaktionsverhalten fokussierend verweist Nickel (1985) unter anderem auf Untersuchungsergebnisse von Struck (1973), der drei Verhaltensvariablen von Erzieherinnen ermitteln konnte, die den Erfolg eines Förderprogramms wesentlich beeinflussen. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, Begeisterungsfähigkeit und positive Stimulierung sowie Kommunikationsfähigkeit und aktive Förderung sind hier zu nennen (Nickel 1985, S.99). Nickel selbst hatte zuvor in einem Trainingsexperiment zur visuellen Differenzierungsfähigkeit mit vier- bis fünfjährigen Kindern zeigen können, dass allein schon ein positives Zuwendungsverhalten der Erziehungspersonen die Wahrnehmungsleistungen der Kinder auch ohne ein spezifisches Training signifikant verbessert. Ebenso ermittelte Eppel (1974) laut Nickel in der emotionalen Haltung pädagogischer Fachkräfte eine wichtige Bedingungsvariable für die allgemeine Sprachentwicklung von Kindern und für eine erfolgreiche gezielte sprachliche Förderung (Nickel 1985, S.98). Dass die emotionale Haltung pädagogischer Fachkräfte durchaus zu Denken gab, belegten Tausch und Kollegen (1976), die die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern in einer Vorschullernsituation untersuchten. Die drei- bis sechsjährigen Kinder erfuhren von ihren Erzieherinnen lediglich ein mittleres Ausmaß an Wertschätzung und Ermutigung sowie ein mittleres Ausmaß an nicht dirigierender, fördernder Aktivität. Jedoch wurden sie stark gelenkt und dirigiert und erhielten keine einfühlenden Reaktionen. Schließlich war
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die pädagogische Wissensvermittlung nur wenig verständlich (Tausch et al. 1976, S.1). Wie besorgniserregend dieses Forschungsergebnis ist, verdeutlicht ein weiteres Resultat der Gruppe um Tausch. Demzufolge zeigten die beobachteten Kinder umso mehr konstruktive Aktivität, Interessiertheit und Bemühen, je mehr ihre Erzieherinnen auf ihre Mitteilungen einfühlend reagierten und eingingen (ebd., S.7ff). Die von der Gruppe um Tausch herausgearbeiteten Dimensionen des pädagogischen Verhaltens: nämlich sozial-emotionale Zuwendung, Lenkung, Anregung und Stimulierung wurden im Wesentlichen durch dimensionale Modelle zur Kennzeichnung des Lehrerverhaltens beeinflusst und in der Folge als grundlegend für alle pädagogischen Interaktionsprozesse angenommen (Nickel 1985, S.94). Nickel und Kollegen führten in Düsseldorf eine erste repräsentativ angelegte Analyse des Erziehungsgeschehens in traditionellen Kindergärten und Elterninitiativgruppen durch. Sie verwendeten die Skalen sozial-emotionale Zuwendung, Lenkung - Dirigierung, Anregung - Stimulierung, Bekräftigungsverhalten sowie das Ausmaß der verbalen und motorischen Aktivität, um relevante Aussagen über das Erzieherverhalten in einer Malsituation zu gewinnen. Systematische Kurzzeitbeobachtungen sollten die erzieherische Aktivität und die Dauer der Erzieher-Kind-Kontakte erfassen (Nickel 1980, S.25 und S.37). Die Ergebnisse der Studie legen dar, dass die beobachteten Erzieherinnen im Durchschnitt nur ein mittleres Ausmaß an lenkend/dirigierender und anregend/stimulierender Aktivität sowie lediglich eine geringe bis mittlere sozial-emotionale Zuwendung verwirklichten (ebd., S.87). Nur 7,7% ihrer Aktivität war auf das einzelne Kind bezogen und nicht einmal zur Hälfte der Beobachtungszeit bestand eine über flüchtige Kontakte hinausgehende erzieherische Interaktion mit den Kindern. Die pädagogischen Fachkräfte waren vorwiegend mit organisatorischen Aktivitäten wie Aufräumen und Vorbereiten oder auch mit Unterhaltungen, Rumlaufen und bloßem Dasitzen beschäftigt (ebd., S.31ff). Hinzu kommt, dass 60% der Erzieherinnen ein neutrales bis kühles sowie distanziertes und wenig ermutigendes Verhalten gegenüber den Kindern aufwiesen und dass Mittel der positiven Verstärkung sowie ermutigende und unterstützende Worte zu wenig im Vordergrund des pädagogischen Verhaltens standen (ebd., S.41). Nickel und Kollegen unterschieden drei Erziehertypen und beschrieben diese genau: A) ermutigender, anregender, sozial-emotional zugewandter Typ, B) engagiert strukturierender, emotional neutraler Typ, C) gewährend-inaktiver, neutraler Typ (ebd., S.42ff). Das Verhalten der einzelnen Erziehertypen wirkte sich entsprechend auf das kindliche Verhalten aus. So trat ein aktiv-kooperativer kindlicher Verhaltenstypus signifikant häufig mit einem ermutigend, anregend und sozial-emotional zugewandten Erzieherverhalten (Typ A) auf. Tendenziell bedeutsame Beziehungen gab es zudem zwischen einem gewährend-inaktiven,
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neutralen Erzieherverhalten (C) mit einem aktiv-aggressiven Verhalten von Kindern. Ebenso waren tendenziell häufiger passiv-bedrückte Kinder im Zusammenhang mit engagiert-strukturierend, emotional neutralen Erziehern (B) zu beobachten (Nickel 1985, S.103). Besonders förderlich für das Sozialverhalten von Kindern sind nach Nickel Erzieherinnen, die zum Typ A gehören und die sich durch eine emotional warme zugewandte Haltung bei gleichzeitiger Ermutigung auszeichnen. Diese pädagogischen Fachkräfte stimulieren die Kinder kognitiv, regen sie zu eigener Aktivität an und reduzieren lenkende, kontrollierende und das Kind einengende Maßnahmen auf ein notwendiges Minimum. Die Forschergruppe um Nickel sieht somit vor allem im Ausmaß an emotionaler Zuwendung und Ermutigung neben der kognitiven Stimulierung und Anregung zu eigener Aktivität die entscheidende Voraussetzung für ein positives und förderliches Erzieherverhalten (Nickel 1980, S.91ff).
3.2 1980er Jahre Wie Nickel und Kollegen berief sich auch Röchner (1985) auf die von Tausch et al. entwickelten Dimensionen des Erzieherverhaltens und ermittelte in einer Untersuchung lediglich ein niedriges Ausmaß an sozial-emotionaler Zuwendung, an Lenkung und Ermutigung sowie ein mittleres Maß an stimulierenden, verbalen und motorischen erzieherischen Aktivitäten (Röchner 1985, S.116). Bei seiner Untersuchung von Erziehungseinstellungen entwickelte Röchner diese Dimensionen weiter und stellte zusätzliche Kategorien auf: Emotionale, direktivautoritative, gewährend-inaktive neutrale, differentielle sowie geschlechts-spezifische Erziehung (ebd., S.110ff). Obwohl dem pädagogischen Verhalten laut Wolfram (1995) in den 1980er Jahren ebenfalls eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von pädagogischen Zielen und Konzeptionen zugesprochen und in weiteren Studien ein Zusammenhang zwischen pädagogischem Verbalverhalten und der Effektivität der kognitiven Frühförderung von Kindern festgestellt wurde33, blieb auch zu dieser Zeit die Problematik weitgehend unberücksichtigt, die mit der Anforderung an die pädagogischen Fachkräfte verbunden ist, Kindern eine „unmittelbare Erfahrung von Zuwendung und Geborgenheit“ zu ermöglichen (Ministerium für Kultus und Sport 1981, S.4 zitiert in Wolfram 1995, S.107). Wolfram macht darauf aufmerksam, dass in einem „Handbuch für die Praxis“, in dem zur Verwirklichung eines sozialintegrativen und eines von Achtung, Wärme, Rücksichtnahme, Echtheit, vollständigem einfühlenden Verstehen und Förderung geprägten Erzie33
Wolfram bezieht sich auf eine Untersuchung von Kubinger 1982.
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hungsstils angehalten wurde, die Beantwortung der Frage fehlte, in welchem Ausmaß Erzieherinnen sich im pädagogischen Alltag in dieser Weise verhalten können (ebd.). Hinweise zur Gestaltung der Erzieherinnen-Kind-Interaktion fanden pädagogische Fachkräfte in den 1980er Jahren eher in Werken mit normativ-konzeptionellem Charakter. Behr und Walterscheid-Kramer (1986) verwiesen auf erzieherische Fehlverhaltensformen wie das Ignorieren von Gefühlen, Liebesentzug und das Abnehmen von Lösungen (Behr und Walterscheid-Kramer 1986, S.73 – S.85), und hoben zudem die drei Basisvariablen Echtheit, Emotionale Wärme und Wertschätzung sowie Einfühlung des „Personenzentrierten Ansatzes“ nach Rogers hervor, die als humanisierend wirkende Verhaltensvariablen in pädagogischen Zusammenhängen zu zentralen Prinzipien erwachsen sollten (ebd., S.106). Unter anderem mit Verweis auf die Axiome Watzlawicks sah auch Hangert (1985) die Qualität der Erzieher-Kind-Interaktion als abhängig von Echtheit, Akzeptanz, einfühlendem Verstehen sowie dem Anbieten von Lernmitteln (Hangert 1985, S.80). Die Kommunikation zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern gelingt in Hangerts Augen vor allem dann, wenn sich Erzieherinnen Kindern gegenüber aufrichtig verhalten, ihre Selbstdefinition achten, Kindern Wertschätzung und Ermutigung entgegenbringen, ihre Sichtweisen anerkennen, ihre nonverbale Kommunikation beachten und Kinder insbesondere auch als Partner achten (ebd., S.49ff). Nicht zuletzt sei die Variable „AchtungWärme-Anteilnahme“ nach Tausch und Tausch wesentlich für eine erfolgreiche Erzieherinnen-Kind-Interaktion. Diese Variable umfasst die Faktoren Wertschätzung, Anteilnahme, Anerkennung, Zuneigung, Rücksichtnahme, Zärtlichkeit, liebevoller Umgang, Ermutigung, Vertrauen, Beistand, Schutz, Fürsorge, Hilfe, Trost, Öffnen und Nähe (ebd., S.50).
3.3 1990er Jahre bis heute Anfang der 1990er Jahre zeigte Hoffmann (1992) in ihrer Arbeit mit ebenfalls Rat gebendem Charakter Eigenschaften und Verhaltensweisen von Erzieherinnen auf, die zu einer Bereicherung des Zusammenlebens mit Kindern im Kindergarten beitragen sollen. Nach Hoffmann müssen sich pädagogische Fachkräfte mit Freundlichkeit, Wärme und Zuwendung emotional auf Kinder einlassen (Hoffmann 1992, S.31). In guten Gesprächen verständigen sie sich mit den Kindern über beängstigende, bedrückende, aufregende oder erfreuliche Ereignisse. Die Erzieherinnen müssen in einem gleichberechtigten Dialog bereit sein, auch von Kindern zu lernen, sich mit ihnen auszutauschen, sich selbst in
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Frage zu stellen sowie angstfrei Gefühle und Gedanken zu artikulieren. Sie sollen Kinder ausreden lassen, ihnen zuhören, gegenteilige Meinungen akzeptieren und Dinge offen ansprechen (ebd., S.67). Sehr konkrete Anregungen für die Gestaltung von Gesprächssituationen zwischen Lehrerinnen und Schülern gab Potthoff (1995) Mitte der 1990er Jahre. Zu den Interaktionsfertigkeiten von Lehrerinnen gehört es nach Auffassung der Autorin zu motivieren und zu mobilisieren, gleichberechtigt am Gespräch teilzunehmen, selbst nicht zuviel zu reden sowie zu verstärken und zu ermutigen. Außerdem müssen Erwachsene Kindern zuhören, Pausen ertragen und verstehen wollen, was ein Kind sagen will. Hierfür sei es notwendig, nicht unnötig in den kindlichen Redefluss einzugreifen, sich selbst an vereinbarte Gesprächregeln zu halten sowie Fragen nicht sofort selbst zu beantworten. Pädagogen sollten direkte und geschlossene Fragen vermeiden, Impulse einbringen, das Fragerecht der Kinder stärken und diese zu divergierendem Denken anregen. Gesprächsstörer wie Ausfragen, Bewerten, Herunterspielen und Bloßstellen müssen dabei laut Potthoff (1995) vermieden werden (Potthoff 1995, S.87ff). Dass zwischen den Ansprüchen der normativ-konzeptionellen Literatur und den Beziehungswirklichkeiten von pädagogischen Fachkräften und Kindern im Elementarbereich zuweilen große Widersprüche klaffen, wird unter anderem durch die Ergebnisse einer Studie von Wolfram (1995) belegt. Lediglich ein Viertel der interviewten Fachkräfte nannte die gute Beziehung zwischen Erzieherin und Kind als erstes und wichtigstes Ziel ihrer Arbeit. 13% der Erzieherinnen hielten die Beziehung zum Kind sogar für nicht so wichtig (Wolfram 1995, S.165ff). Wolfram sah folglich die Entwicklung einer guten Beziehung zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern als zu wenig berücksichtigt (ebd., S.169) und forderte die Gestaltung einer positiven tragfähigen Beziehung zum Kind nicht nur in der Eingewöhnungszeit, sondern über die gesamte Aufenthaltsdauer eines Kindes in der Tageseinrichtung. Das Selbstkonzept und die Identität von Kindern könnten sich unter dieser vorrangigen Zielsetzung positiv entwickeln. Dazu müssten pädagogische Fachkräfte jedoch ein einfühlsames, warmherziges und klare Orientierung gebendes Verhalten verwirklichen, was eine hohe Rollenflexibilität von ihnen fordert (ebd., S.210). Wie bedenklich die Qualität der Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindergartenkindern ist, zeigen schließlich die Resultate, die Tietze und Kollegen (1998) Ende der 1990er Jahre in ihrer breit angelegten wissenschaftlichen Untersuchung zum erzieherischen Verhalten in deutschen Kindertagesstätten erzielten. Mithilfe der Kindergarten-Einschätzskala KES34 ermittelten die Forscher unter anderem die pädagogische Prozessqualität, die die Ge34 Deutsche Fassung der Early Childhood Environment Rating Scale (ECERS) von Harms und Clifford (1980)
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samtheit der Interaktionen und Erfahrungen erfasst, die ein Kind in der Gruppe mit seiner sozialen und räumlich-materiellen Umwelt macht (Tietze 1998, S.21). Unter einer guten pädagogischen Prozessqualität versteht die Forschergruppe um Tietze eine sichere und der Gesundheit förderliche Betreuung, eine entwicklungsangemessene Stimulation, ein positives Interaktionsklima zwischen Erzieherinnen und Kindern, eine ermutigende Haltung der pädagogischen Fachkräfte gegenüber der individuellen emotionalen kindlichen Entwicklung sowie die Förderung positiver Sozialbeziehungen zu anderen Kindern (ebd., S.227). Neben der KES übersetzten und verwendeten die Wissenschaftler um Tietze die „Caregiver-Interaction-Scale“ von Arnett (1989), um den spezifischen Charakter der Erzieherinnen-Kind-Interaktion unabhängig von pädagogischen Konzepten auf der Gruppenebene erfassen zu können (ebd., S.227). Im Vergleich zur Einrichtungsebene erscheinen die Strukturbedingungen der Gruppenebene nämlich noch bedeutsamer für das Klima und den Ton pädagogischer Prozesse, d.h. für die Sensitivität, Involviertheit und Akzeptanz der Erzieherinnen während der pädagogischen Interaktionen (ebd., S.285). Die adaptierte Version der „Caregiver-Interaction-Scale“ konzentriert sich auf diese drei genannten Bereiche des erzieherischen Verhaltens: Die Sensitivität der Erzieherinnen, das Ausmaß ihrer Involviertheit bzw. Beteiligung während der Interaktionen und ihre Akzeptanz gegenüber den Kindern. Diese drei Faktoren sind Subskalen einer Skala mit insgesamt 23 Items (ebd., S.233). Die ursprünglich vierstufige und 26 Items enthaltende CIS-Skala ist für die Sprachentwicklung und Bindungssicherheit von Kindern prädiktiv (ebd., S.229 mit Verweis auf Whitebook et al. 1990). Die mithilfe der verschiedenen Instrumente gewonnenen Ergebnisse zur Prozessqualität geben jedoch zu denken. Während die pädagogische Prozessqualität bei einem Mehr an Vorbereitungszeit, einem ausreichenden ErzieherKind-Schlüssel sowie bei genügend Raum für die Kinder günstiger ausfällt, nimmt diese bei längerer Verweildauer der pädagogischen Fachkräfte im Beruf ab (ebd., S.282ff). Die Resultate der Gruppe um Tietze decken sich mit früheren internationalen Studien, die die Zusammenhänge eines positiven pädagogischen Interaktionsverhaltens mit kleineren Gruppen (z.B. Howes 1983), einem günstigeren Erzieher-Kind-Schlüssel (z.B. Howes 1983, Philippsen et al. 1995), einer besseren allgemeinen und berufsbezogenen Ausbildung (z.B. Howes 1983, Phillippsen et al. 1996), mit angemesseneren Einstellungen und pädagogischen Orientierungen (Berk 1985), einer höheren Güte des Arbeitsplatzes (Phillips, Howes und Whitebook 1991) sowie einer besseren Bezahlung der Erzieherinnen (Philippsen et al. 1996) nachweisen konnten35 (Tietze 1998, S.268ff). 35
Alle zitiert in Tietze 1998, S.268ff
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Die von Tietze und Kollegen ermittelte globale pädagogische Prozessqualität lag im Durchschnitt der untersuchten deutschen Kindergartengruppen insgesamt lediglich im Bereich „gehobener Mittelmäßigkeit“: Nur rund ein Drittel der Einrichtungen erzielte hierbei eine gute Qualität, zwei Drittel eine mittelmäßige und 2% genügten gar den Minimalstandards nicht (ebd., S.351). Hinsichtlich des pädagogischen Engagements erreichten die Erzieherinnen in den westdeutschen Ganztagsgruppen die niedrigsten Werte. Hier kann laut Tietze et al. sogar von einem „gewissen pädagogischen Rückzug“ gesprochen werden. Dieser äußerte sich darin, dass eine differenzierte pädagogische Tagesplanung sowie die Supervision und Anregung bei Spiel und Aktivitäten unterentwickelt waren und eine Tendenz bei den Erzieherinnen zu verzeichnen war, die Kinder sich selbst zu überlassen. Darüber hinaus vernachlässigten die pädagogischen Fachkräfte die Begrüßung und Verabschiedung der Kinder, beaufsichtigten und regten sie bei Aktivitäten nur unzureichend an und unterstützten sie bei Konflikten und emotionalen Problemen lediglich mangelhaft (ebd., S.352ff). König (o.Z.) ergänzt die von der Forschergruppe um Tietze festgestellten Defizite im pädagogischen Interaktionsverhalten deutscher Erzieherinnen mit einem Verweis auf eine Untersuchung von Roux (2002). Die Forscherin kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Kommunikation in deutschen Kindergärten durch Verhaltensregeln bestimmt ist und Erzieherinnen den Alltag selbstverständlich dominieren. Es herrsche kein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Kindern und Erziehern. Die Sprachkultur zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern sei in Bezug auf gelingende pädagogische Prozesse ebenfalls unzulänglich (König o.Z., S.9; Roux 2002). Schließlich macht König darauf aufmerksam, dass es trotz der von Tietze et al. verwendeten differenzierten und umfangreichen Skalen schwierig sei, pädagogische Interaktionen auf diese Weise greifbarer zu machen. Die Abfrage der einzelnen Items gleicht in Königs Augen einer Überprüfung von objektiven Tatbeständen, die die pädagogische Interaktion zwar mit beeinflussen, aber nicht deren Struktur erfassen. Die qualitativen, den wechselseitigen pädagogischen Prozess bestimmenden Strukturen können ihrer Meinung nach mit den vorhandenen Instrumenten nur bedingt erfasst werden. Hierfür müssten noch feiner abgestimmte Instrumente entwickelt werden (König o.Z., S.7ff). Aus diesem Grund untersuchte König (2006) in ihrer Dissertation einen Teilaspekt der pädagogischen Prozessqualität genauer, dem ein wesentlicher Einfluss auf die Bildungs- und Lernprozesse der Kinder zugeschrieben wird: Die Interaktion zwischen Erzieherinnen und Kindern. Königs Erkundungsstudie orientiert sich an einem interaktionistisch-konstruktivistischen Entwicklungsverständnis und versucht „dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse“ im Kindergartenalltag zu identifizieren. Damit lehnt sich die Wissenschaftlerin der
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Interaktionsform des „sustained shared thinking“ an. Diese Interaktionsform wurde in der EPPE-Längsschnittstudie von Sylva und Kollegen36 sowie in der daran angeknüpften detaillierteren REPEY-Studie von Siraj-Blatchford et al.37 als ein zentraler Indikator für eine anregungsreiche Lernumwelt im Kindergarten identifiziert (König 2006, S.160ff). Wie die zuvor aufgeführten Studien weisen auch die Resultate von Königs aktueller Untersuchung auf einen Handlungsbedarf bei der Gestaltung qualitativ hochwertiger Erzieherinnen-Kind-Interaktionen hin. Zwar scheint die Atmosphäre in den untersuchten Kindergärten generell durch ein „Wertschätzendes Eingehen auf das einzelne Kind“ dominiert zu werden (ebd., S.222) und „Faceto-Face-Interaktionen“ als ausgeprägtes Interaktionsmuster vorzuherrschen (ebd., S.252), doch gehören Merkmale der Skalen „Ablehnung des einzelnen Kindes“ und „Gehorsam und Kontrolle“ (ebd., S.222) sowie die Interaktionen dominierende Handlungsanweisungen der Erzieherinnen bis heute zum Kindergartenalltag (ebd., S.252). Insgesamt gesehen kommt die Studie zu dem ernüchternden Ergebnis, dass die Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern lediglich an der Oberfläche verharren (ebd., S.281) und somit erhebliche Defizite in der Interaktionskultur zwischen Erzieherinnen und Kindern bestehen. Die pädagogischen Fachkräfte begleiten den Alltag der Kinder zum Teil äußerst passiv und sind nur in den seltensten Fällen in „lang andauernde Interaktionen“ mit den Kindern verstrickt (ebd., S.226). Außerdem kommt nach König in den überwiegenden Interaktionen der Dialog mit dem einzelnen Kind zu kurz (ebd., S.254). Ähnlich wie Nickel in den 1980er Jahren klassifizierte die Forscherin drei Erziehertypen. Typ A zeichnet sich durch wenige Topicwechsel und mehrere lang andauernde Interaktionen mit den Kindern aus, Typ B durch häufige Topicwechsel und viele kurzfristige soziale Kontakte. Typ C weist keine Topicwechsel, aber auch keine lang andauernden Interaktionen auf (ebd., S.229ff) und wird von König mit einer gewährend-inaktiven, neutralen Erzieherin nach Nickel verglichen (ebd., S.231 mit Verweis auf Nickel 1993, 1980). Königs Studie weist nach, dass der Erziehertyp A in den untersuchten Einrichtungen sehr selten auftaucht und dass die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern nur in wenigen Fällen als Teil einer interaktionistisch-konstruktivistischen Lernumwelt gesehen werden können (ebd., S.279). Finden lang andauernde Interaktionen statt, geben Erzieherinnen viele Handlungsanweisungen, kommentieren (ebd., S.241 und S.274), steuern viele der Problem-Lösungsprozesse (ebd., S.277) und dominieren damit stark den Interaktionsablauf (ebd., S.247). Nur sehr selten konnte König beobachten, dass pädagogische Fachkräfte an den Er36 37
Sylva et al. 2003: „The Effective Provision of Pre-School Education Project“ Siraj-Blatchford et al. 2002: „Researching Effective Pedagogy in the Early Years“
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fahrungen und dem Wissen der Kinder anknüpfen, ihre direkten Interessen am Handlungskontext und ihre Ideen aufgreifen sowie ein positives und bestätigendes Feedback nutzen (ebd., S.246 und S.241). Die Tatsache, dass sich in der gesamten Untersuchung lediglich eine Sequenz eindeutig der Kategorie „Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse“ zuordnen ließ (ebd., S.247), belegt, dass die Kinder in den untersuchten Einrichtungen eher instruiert wurden, als dass die pädagogischen Fachkräfte die Interaktionsprozesse dazu genutzt hätten, gemeinsam mit den Kindern konstruktiv Ideen zu entwickeln (ebd., S.279ff).
4 Zusammenfassung und Forschungslücke
Betrachtet man die Resultate der Studien zur Erzieherinnen-Kind-Interaktion in Deutschland38, zeichnet sich ein eher ernüchterndes Bild der Beziehungsqualität zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern ab. Zeigten bereits Arbeiten der 1960er bis 1990er Jahre, dass ein Nachholbedarf hinsichtlich der Beziehungsgestaltung von Erzieherinnen und Kindern besteht, belegt die aktuellere Studie der Forschergruppe um Tietze (1998), dass die pädagogische Prozessqualität in deutschen Kindertageseinrichtungen durchaus verbesserungswürdig ist. Ähnlich wie Tietze und Kollegen, die von einem „gewissen pädagogischen Rückzug“ in Deutschlands Elementarbereich sprechen, stellte König in ihrer im Jahre 2006 erschienenen Dissertation „erhebliche Defizite in der Interaktionskultur“ zwischen Erzieherinnen und Kindern fest. Nur in wenigen Fällen konnten die an der Oberfläche verharrenden Beziehungen als Teil einer interaktionistisch-konstruktivistischen Lernumwelt gesehen werden. Die vorgestellten Forschungsergebnisse machen nachdenklich, zeigen sie doch, dass man in deutschen Kindertagesstätten noch weit davon entfernt zu sein scheint, das Verständnis von ko-konstruktiven kindlichen Lernprozessen auch praktisch umzusetzen. Anders als in Neuseeland ist der sozial-konstruktivistische Ansatz Wygotskys39 in Deutschland noch immer als ein eher theoretisches Leitbild zu betrachten. Daher überrascht es nicht, dass die Schwierigkeiten, die in den Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern auftreten, während Teambesprechungen und Fortbildungen deutlich zu Tage treten. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Fortbildungsreferentin stellte sich immer wieder heraus, dass Erzieherinnen gerade beim Thema „Austausch mit Kindern“ einen erhöhten Gesprächsbedarf haben. Ebenso erfuhr ich bei meinen zahlreichen Besuchen und Beobachtungen im Feld der Kindertagesstätten, dass es pädagogischen Fachkräften aus den unterschiedlichsten Gründen kaum möglich ist, in der Alltagspraxis spontan und sensitiv auf die Signale der Kinder einzugehen sowie anregende und lang anhaltende Interaktionen mit einzelnen Kindern zu gewährleisten. 38 Vgl. Kapitel 3 Erzieherverhalten im Kindertagen als Forschungsgegenstand in Deutschland, S.73ff 39 Vgl. Kapitel 1.1.4; S.32ff und 2.1, S.57ff
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_5 © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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4 Zusammenfassung und Forschungslücke
Versteht man Lernen und Denken in Anlehnung an Wygotsky als Entdeckungs- und Aushandlungsprozess im Rahmen sozialer Interaktionen, so kommt es hierbei jedoch gerade auf die Gestaltung feinfühliger Beziehungen an. Hierfür benötigen pädagogische Fachkräfte eine sensible Wahrnehmungsfähigkeit sowie zuverlässige und interessierte Beziehungen zu den Kindern. Erzieherinnen müssen zum einen darauf achten, ob Kinder während den Interaktionen tatsächlich interessiert und beteiligt sind. Zum anderen sollten sie sich selbst vom Tun der Kinder ansprechen und sich darin verwickeln lassen. Darüber hinaus setzt das Gelingen der Erzieherinnen-Kind-Beziehungen die Bereitschaft der Fachkräfte voraus, mit Kindern zu sprechen und das eigene pädagogische Handeln zu reflektieren. Auf diese Weise können Erzieherinnen an den Fragen und Ideen der Kinder ansetzen, ihnen interessierte, emotionale Antworten auf ihre Welt- und Selbsterfahrungen geben und die Kinder damit in bedeutsamen Situationen nicht nur unterstützen, sondern sie auch mit neuen Impulsen fördern und herausfordern. Auch wenn der Begriff in der deutschen Bildungsdiskussion häufig nicht explizit genannt wird, ist ein von Feinfühligkeit geprägtes pädagogisches Verhalten somit Voraussetzung für die Interaktionsgestaltung mit Kindergartenkindern. Wie bedeutsam dieses feinfühlige Verhalten für die kindlichen Entwicklungs- und Lernprozesse ist, belegen Forschungsresultate aus den unterschiedlichsten Disziplinen40. Hirnforscher weisen darauf hin, dass die Gehirnentwicklung von Kindern stark von der emotionalen, sozialen und intellektuellen Kompetenz ihrer erwachsenen Interaktionspartner abhängt. Vor allem die Vernetzung der neuronalen Verschaltungen im frontalen Kortex, mit dem Kinder zukunftsorientierte Handlungsmuster bilden, innere Orientierungen entwickeln, planen, die Folgen von Handlungen abschätzen, sich in andere hineinversetzen, Gefühle teilen und Verantwortungsgefühl empfinden, wird stark von den intensiven Beschäftigungen eines Kindes und den Anregungen seines Umfeldes beeinflusst. Ebenso deuten empirische Hinweise der Hirnforschung auf die untrennbare Verknüpfung von Gefühlen und Lernen sowie auf die Auswirkungen der von Emotionen begleiteten Lernprozesse auf das Langzeitgedächtnis eines Menschen hin. Nicht zuletzt wächst die Verantwortung Erwachsener hinsichtlich der Gestaltung feinfühliger Interaktionsprozesse mit der neurochemischen Erkenntnis, dass zuwendende Blicke und emotional positive Worte an ein Kind die Dopaminausschüttung, welche mit Belohnung in Verbindung gebracht wird, aktivieren und somit das kindliche Lernen während gemeinschaftlicher Aktivitäten bedeutsam verstärken.
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Vgl. Kapitel 1 Theoretische Ansätze, S.25ff
4 Zusammenfassung und Forschungslücke
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Neben der Hirnforschung weisen auch die Bindungs- und die Lehr-LernForschung auf die positiven Auswirkungen gelingender Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern hin. So wird gezeigt, dass sich nicht nur Gehirne unter der Voraussetzung der Befriedigung emotionaler und körperlicher Grundbedürfnisse von Kindern entwickeln. Stabile emotionale Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern und der damit verbundene sensible Umgang mit den kindlichen Emotionen unterstützen ebenfalls den Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls sowie die Entwicklung von Resilienz. Darüber hinaus betonen Bindungstheoretiker den Einfluss sicherer Bindungen zwischen Erzieherinnen und Kindern auf die soziale, emotionale, sprachliche und kognitive Entwicklung der Kinder. Außerdem fördern kooperative soziale Interaktionen die moralische Entwicklung der Kinder. Damit ist das Handeln der Erzieherinnen in den Interaktionen mit Kindern unmittelbar bildungswirksam. Das Verhalten der pädagogischen Fachkräfte und die dadurch entstehende emotionale Lernatmosphäre haben so mit hoher Wahrscheinlichkeit einen bedeutenden Einfluss darauf, ob die Lernmotivation der Kinder aufrechterhalten bleibt und ob sie weiterhin ihre Umwelt erforschen. In den deutschen Bildungsplänen werden die Erkenntnisse der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen berücksichtigt und zumeist (sozial-)konstruktivistische Lerntheorien fokussiert41. Indem sie auf die hohe Bedeutsamkeit von gemeinsamen Dialog- und Ko-Konstruktionsprozessen hinweisen, vertreten die Autoren der Empfehlungen nahezu übereinstimmend die Auffassung, dass es bei einer erfolgreichen Unterstützung der kindlichen Lernprozesse entscheidend auf die Qualität der Erzieherinnen-Kind-Interaktionen ankommt. Jedoch zeigte sich zugleich, dass in den Bildungsplänen der einzelnen Bundesländer konkrete und die pädagogische Feinfühligkeit betreffende Implikationen eher selten gegeben oder nicht ausreichend thematisiert werden. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland Anregungen fehlen, die einen feinfühligen pädagogischen Umgang mit Kindern betreffen. Es ist deshalb notwendig, die aus Forschungsergebnissen und bildungspolitischen Forderungen resultierenden Folgen aufzugreifen und sie für die Alltagspraxis der Kindertagesstätten nutzbar zu machen. Damit Erzieherinnen der Verantwortung künftig besser gerecht werden können, die kindlichen Lernprozesse durch feinfühlige Interaktionen erfolgreich zu unterstützen, müssen sie auf detaillierte Beschreibungen eines sensitiven und responsiven pädagogischen Verhaltens, auf Erläuterungen zu dessen Auswirkungen auf die Kinder sowie auf Hinweise zu den Wechselwirkungen in den Interaktionsprozessen zurückgreifen können. Genau hier setzt meine Erkundungsstudie an. 41
Vgl. Kapitel 2, S.57ff sowie 2.3, S.65ff
5 Erkundungsstudie
Im fünften Kapitel werden die Erkenntnisinteressen und das Forschungsdesign der Erkundungsstudie vorgestellt. Hierbei werden die einzelnen Analyseschritte geschildert und die Rolle des Forschers sowie Probleme während der Datenerhebung kritisch reflektiert. Erst auf dieser Basis kann in einer vergleichenden Textanalyse in Kapitel 6 der Begriff der „Sensitiven Responsivität“ generiert werden.
5.1 Erkenntnisinteressen Ausgehend von den Resultaten verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, die einem feinfühligen pädagogischen Verhalten einen wesentlichen Einfluss auf die erfolgreiche Unterstützung kindlicher Lern- und Entwicklungsprozesse zuschreiben und die eine verbesserungswürdige Interaktionskultur zwischen Erzieherinnen und Kindern belegen42, wird in dieser Arbeit die „Sensitive Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte in ihren alltäglichen Interaktionen mit Kindergartenkindern untersucht. Grundlage der Studie ist das Konzept der Feinfühligkeit, das Mary Ainsworth in den 1970er Jahren entwickelte43. Ainsworth´s Konzept wurde bislang hauptsächlich in Bezug auf die Mutter-Kind-Bindung angewendet und soll nun im professionellen Kontext der Erzieherinnen-Kind-Interaktion eingehend betrachtet werden. Hierfür ist es notwendig, den Begriff der Feinfühligkeit weiter zu fassen als in der Bindungstheorie und auch Interaktionen auf ihren Sensitivitätsgehalt hin zu überprüfen, die über die in der Bindungsforschung fokussierten „Fremden Situationen“ hinaus gehen. Es ist also nicht nur zu beobachten, wie Erzieherinnen mit Kindern in für sie schwierigen Momenten umgehen und sie trösten. Vielmehr rücken ganz alltägliche Interaktionen eines Kindergartentages ins Zentrum der Betrachtung. Da Begrifflichkeiten, Definitionen und Operationalisierungen von Feinfühligkeit in der Forschung differieren, geht es zunächst darum, die unterschiedlichen Hinweise zu einem feinfühligen pädagogischen Verhalten zu systemati42 43
Vgl. Kapitel 1, S.25ff und 3, S.73ff Vgl. Kapitel 1.3.1 Das theoretische Konstrukt des menschlichen Bindungssystems, S.45ff
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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5 Erkundungsstudie
sieren und sie sowohl mit Ainsworth´s Feinfühligkeitskonzept als auch mit weiteren verwandten Konzepten in Verbindung zu bringen. Anhand dieser Gegenüberstellungen soll eine neue Definition „Sensitiver Responsivität“ generiert und feingliedrigere Operationalisierungen des Begriffs hinsichtlich der Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern gefunden werden. So wird es möglich, qualitative Strukturen der Erzieherinnen-Kind-Interaktion zu erfassen und damit die unterschiedlichen, auf verbalen und nonverbalen Ausdruckskanälen geäußerten Nuancen „Sensitiver Responsivität“ detailliert beschreiben zu können. Erkenntnisinteressen I 44 x Systematisierung und Gegenüberstellung der Konzepte im Bereich „Feinfühligkeit“ x Generierung einer neuen Definition „Sensitiver Responsivität“ x Operationalisierung und qualitative Beschreibung „Sensitiver Responsivität“ Decken sich diese Forschungsaufgaben mit den Erkenntnisinteressen der Planungsphase, musste von weiteren Fragen im Verlauf der Erhebungsphase Abstand genommen werden. Ursprünglich war geplant, Situationen zu videographieren, in denen Fachkräfte und fünfjährige Kinder über zuvor dokumentierte Lerngeschichten sprechen. Hierbei sollte beobachtet werden, wie sich die Gespräche gestalten und inwiefern Erzieherinnen feinfühlig auf Kinder eingehen. Auf Seiten der Kinder sollte erfasst werden, ob sie sich von den Fachkräften verstanden fühlen und wie sie auf deren Interaktionsstil reagieren. Beim gemeinsamen Anschauen der Videoszenen sollte ermittelt werden, wie beide Interaktionspartner die pädagogische „Sensitive Responsivität“ wahrnehmen und beurteilen. Während der Explorationsphase zeigte sich jedoch, dass sich die Fachkräfte in der Alltagspraxis meist (noch) nicht mit den Kindern über deren Lerngeschichten unterhielten. Auch unabhängig davon, ob in den konsultierten Kindertagesstätten mit dem Verfahren der Lerngeschichten gearbeitet wurde, gestaltete sich das Finden von länger andauernden Gesprächssituationen schwierig. Zudem ließen es die organisatorische Struktur des Kindergartenalltags, die schnellen Wechsel der Interaktionspartner sowie das teilweise sehr junge Alter der Kinder meist nicht zu, die Videoszenen Erzieherinnen und Kindern im Anschluss an die Aufnahmen zur Beurteilung vorzulegen. Andererseits war festzustellen, dass die im Vorfeld getroffene grobe Operationalisierung „Sensitiver Responsivität“ auf Interaktionen zwischen pädagogi44
Vgl. Kapitel 6, S.111ff und 7.2, S.155ff
5 Erkundungsstudie
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schen Fachkräften und Kindern unterschiedlichen Alters angewendet werden konnte. Zudem war es nun möglich, die Aufmerksamkeit intensiver als vorgesehen auf verschiedene Interaktionssituationen zu richten. Es soll deshalb der Vermutung nachgegangen werden, ob sich die pädagogische Feinfühligkeit auch situationsabhängig verändert. Anhand der Videoszenen gilt es zu prüfen, in welchen Situationen ein sensitiv-responsives Verhalten möglich ist und wie es sich in Abhängigkeit von der jeweiligen pädagogischen Situation gestaltet. Erkenntnisinteressen II 45 x In welchen Situationen zeigt sich „Sensitive Responsivität“? Welches sind Kennzeichen dieser Situationen? Wie äußert sich hier „Sensitive Responsivität“? x Welches sind die Unterschiede zu Situationen, in denen keine „Sensitive Responsivität“ feststellbar ist? Lassen bestimmte pädagogische Situationen ein feinfühliges pädagogisches Verhalten eher zu als andere? x Inwiefern und warum ändert sich der „Grad“ der Feinfühligkeit im Verlauf einzelner Interaktionen? Ein dritter Bereich von Erkenntnisinteressen zielt auf das Interaktionsverhalten der Kinder. Ausgehend von Belegen der Bindungsforschung, die auf den Einfluss der Persönlichkeiten und der spezifischen Interaktionsbeiträge von Kindern auf die mütterliche Sensitivität hinweisen46, soll überprüft werden, inwiefern auch Kindergartenkinder die Dynamik des Interaktionsprozesses mit ihren Erzieherinnen beeinflussen. Hierbei werden sowohl die Signale der Kinder als auch ihre Reaktionen auf die (fehlende) „Sensitive Responsivität“ der Fachkräfte ins Auge gefasst. Schließlich geht es bei der mehrperspektivischen Beobachtung der Erzieherinnen-Kind-Interaktion darum, Wechselwirkungen in den Interaktionsprozessen zu erfassen. Dies trägt zur Beantwortung der Frage bei, ob die „Sensitive Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte wie die mütterliche Feinfühligkeit als dynamische Eigenschaft angesehen werden kann, die sich während der Interaktion mit dem einzelnen Kind über die Zeit herausbildet und die sich in Anpassung an das jeweilige Kind auch verändern kann (Simó et al. 2000).
45 46
Vgl. Kapitel 8.1 Erkenntnisinteressen II, S.171ff Vgl. Kapitel 6.10 Die Rolle des Kindes in der Erwachsenen-Kind-Interaktion, S.141ff
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5 Erkundungsstudie
Erkenntnisinteressen III 47 x Welchen Beitrag leisten die Kinder zur Interaktion? Welche Signale senden sie? x Wie reagieren die Kinder auf die „Sensitive Responsivität“ bzw. auf den Mangel von „Sensitiver Responsivität“ ihrer Erzieherinnen? Welches sind die Auswirkungen auf Seiten der Kinder? x Inwiefern beeinflussen die Kinder das Interaktionsverhalten der Erzieherinnen? In welcher Wechselwirkung stehen die Reaktionen der Kinder und das daraus resultierende Antwortverhalten der Erzieherinnen?
5.2 Forschungsdesign Im Rahmen der Darstellung des Forschungsdesigns gehe ich sowohl auf die Methoden der Datenerhebung als auch auf die methodische Vorgehensweise bei der Datenanalyse ein. Die einzelnen Analyseschritte werden hierbei genau aufgeführt. Nicht zuletzt wird neben der Rolle des Forschers während des Datenerhebungsprozesses auch die eigentliche Datenanalyse reflektiert.
5.2.1 Ethnographische Feldforschung und Teilnehmende Beobachtung Ein angemessenes Verfahren, den dargelegten Forschungsfragen nachzugehen, stellt die ethnographische Feldforschung dar. Die ursprünglich in der Kulturanthropologie entwickelte empirische Forschungsmethode eignet sich zum einen dazu, „fremde Kulturen“ zu erforschen (Friebertshäuser 2008, S.53). Zum anderen eröffnet die ethnographische Feldforschung einen neuen Blick auf ein bereits vertrautes Feld (Friebertshäuser 1997, S.503) und kann somit auch zur Milieuerschließung in der eigenen Kultur eingesetzt werden (Rohrmann 1996, S.17). Bezogen auf die vorliegende Studie bedeutet dies, dass mithilfe einer Feldforschung Einblicke in die „soziale Wirklichkeit“ von pädagogischen Fachkräften und Kindergartenkindern gewonnen werden sollten (Girtler 2001, S.183), um deren alltägliche Handlungspraktiken zu erfassen (Friebertshäuser 2008, S.55). Damit rückten ganz gewöhnliche und immer wiederkehrende soziale Interaktionen und Umgangsformen in das Zentrum der Betrachtung. Diese werden oft als selbstverständlich betrachtet und häufig erst gar nicht reflektiert und analysiert (ebd., S.53; Friebertshäuser 1997, S.510). Da mit dieser Unter47
Vgl. Kapitel 8.2 Erkenntnisinteressen III; S.209ff
5 Erkundungsstudie
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suchung zum methodisch kontrollierten Verstehen der Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern beigetragen werden soll, war es wichtig, mit der Kultur, den Lebensbedingungen und den darin ausgebildeten Handlungsmustern der Beobachteten vertraut zu werden (ebd., S.514). Es kam also darauf an, die zu erforschende Kultur nicht nur von außen, sondern auch „von innen zu sehen und zu erleben“ (Girtler 2001, S.183). Die Erzieherinnen-Kind-Interaktionen wurden deshalb in ihrer spezifischen Lebenswelt und in ihrer natürlichen Umgebung – dem „natural setting“ – untersucht (Friebertshäuser 1997, S.504 sowie 2008, S.55). Meine ersten Besuche im Feld der Kindertagesstätten fanden während des Projekts „Bildungs- und Lerngeschichten“ des Deutschen Jugendinstituts e.V. statt. Als Projektmitarbeiterin waren es unter anderem meine Aufgaben, die Kindergartenkinder sehr intensiv zu beobachten und die Fachkräfte hinsichtlich der Beobachtung und Dokumentation kindlicher Lernprozesse fortzubilden und zu beraten. Auch die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern wurden in diesem Zusammenhang genauer betrachtet und in Teamsitzungen thematisiert. Meine Funktion im Projekt und die damit verbundene persönliche Teilnahme am Kindertagesstättenalltag ermöglichte mir demzufolge eine intensive explorative Feldphase. Diese dient in der ethnographischen Feldforschung dazu, einen Überblick zu gewinnen, mit dem Feld vertraut zu werden, sich der Perspektive der Akteure anzunähern und gezielte Fragestellungen zu entwickeln (Jäger 2008, S.142). Der Zugang zur sozialen Realität ist in der klassischen ethnographischen Feldforschung üblicherweise offen. Auf vorab entwickelte Kategorien und klare, dem Bedeutungs- und Bewertungskontext des Forschenden entstammende Hypothesen wird zumeist verzichtet, da sie den Blick auf das Forschungsfeld einengen würden (Friebertshäuser 1997, S.511ff). Auch ich beobachtete zunächst „breit gestreut“ (ebd., S.513), was im Alltag der Kindertagesstätten passiert, bevor ich mich für die Datenerhebung auf den Teilaspekt der „Sensitiven Responsivität“ in der Erzieherinnen-Kind-Interaktion konzentrierte. Mit den Worten von Glaser und Strauss (1984) ausgedrückt blieb ich von Beginn der Hypothesenbildung an kein „passiver Empfänger von Eindrücken“ mehr, sondern ging zur aktiven Sammlung von Daten über, die für die Entwicklung und Überprüfung der Hypothesen bedeutsam waren (Glaser und Strauss 1984, S.92f; Friebertshäuser 1997, S.512). Folglich wählte ich nur noch diejenigen Situationen im Kindergartenalltag zur Beobachtung aus, die sich im Hinblick auf die Fragestellung als relevant erwiesen (Hauser-Schäublin 2003, S.46). Aus einer klassisch ethnographischen Forschung war somit eine „fokussierte“ ethnographische Forschungsvorgehensweise geworden, die sich laut Oester (2008) unter anderem durch einen kurzen, mehrmonatigen Feldaufenthalt, einen
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5 Erkundungsstudie
thematischen Fokus und eine angewandte problemorientierte Forschung auszeichnet (Oester 2008, S.234). Um Informationen über das feinfühlige Verhalten pädagogischer Fachkräfte in ihren Interaktionen mit Kindern zu gewinnen und dabei aber möglichst wenig in die alltäglichen Situationen einzugreifen und zu verändern (Friebertshäuser 1997, S.504), wählte ich die von dem britischen Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski entwickelte Methode der „Teilnehmenden Beobachtung“. Girtler (2001) definiert „Teilnehmende Beobachtung“ als einen „Prozess, in dem die Anwesenheit des Beobachters in einer sozialen Situation zum Zwecke wissenschaftlicher Erhebung unterhalten wird“ (Girtler 2001, S.63). Dabei differiert das Ausmaß der Beteiligung (Rohrmann 1996, S.17). Die Teilnahme kann „ein ganzes Spektrum unterschiedlichsten Engagiert-Seins des Forschers mit den zu untersuchenden Menschen umfassen“ (Hauser-Schäublin 2003, S.34). Girtler (2001) erwähnt eine Skala, die sich von einer passiven bis zur aktiven Teilnahme erstreckt. Er bezieht sich zudem auf Gold, der zwischen Feldforschern als vollständig Partizipierenden, Teilnehmern-als-Beobachter, Beobachtern-als-Teilnehmer und vollständig Beobachtenden differenziert (Girtler 2001, S.64). Die Teilnahme des Forschers kann daher von der bloßen physischen Präsenz bis hin zur vollständigen Interaktion mit den zu beobachtenden Menschen reichen. Im Falle meiner Forschungsarbeit durchlief ich im Grunde die ganze Bandbreite von passiver zu aktiver Teilnahme. So kam es zu einem fortwährenden Wechsel zwischen Nähe und Distanz zu den untersuchten Erzieherinnen und Kindern. Durch meine Funktion als Mitarbeiterin im Projekt „Bildungs- und Lerngeschichten“ war ein intensiver Austausch mit pädagogischen Fachkräften und Kindern selbstverständlich. Die durch zahlreiche Gespräche entstandene Nähe trug dazu bei, die Verhaltensweisen von Kindern und Fachkräften in ihrer Lebenswelt der Kindertagesstätte besser zu verstehen. Neben einem „hohen Involviertsein“ (Oester 2008, S.237) war während des Datenerhebungsprozesses jedoch auch das Herstellen von Distanz notwendig, um die Erfahrungen und Beobachtungen wissenschaftlich reflektieren und analysieren zu können. Die Distanz war deshalb zu den Untersuchungspersonen der Kindertagesstätten, die nicht am „Lerngeschichten“-Projekt teilgenommen hatten, auch dementsprechend größer. Im Sinne einer „objektivierenden Distanzierung“ (ebd.) war meine Teilnahme in diesen Einrichtungen eher passiv: Meine Anwesenheit im Alltag war zwar für alle Beteiligten sichtbar, jedoch kam es in einem weitaus geringeren Ausmaß zu intensiven Interaktionen mit Kindern und Erzieherinnen. Bei der Datenerhebung handelte es sich also um eine teilnehmende und offene Beobachtung. Pädagogischen Fachkräften und Kindern war meine Anwesenheit und Funktion als Forscher bekannt. Die Fragestellung dieser Arbeit
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verlangte es jedoch, dem Kernsatz aller Formen der „Teilnehmenden Beobachtung“: „So offen wie möglich – so verdeckt wie nötig“ zu folgen und die Grenzlinie von der eigentlich offenen Beobachtung zur verdeckten Beobachtung verwischen zu lassen. Das bedeutete, dass ich die Erzieherinnen nicht in vollem Umfang über das Forschungsinteresse aufklären konnte. Um eine Beeinflussung der Beobachteten durch die Fragestellung auszuschließen, informierte ich lediglich darüber, dass ich mich dafür interessiere, über welche Themen Fachkräfte und Kinder miteinander sprechen und wie sie aufeinander reagieren und eingehen. Wie bereits bei den Dimensionen „aktiv und passiv teilnehmend“ sowie „offen und verdeckt beobachtend“ gestalteten sich auch bei den Faktoren „systematisch und unsystematisch“ bzw. „strukturiert und unstrukturiert beobachtend“ die Übergänge im Laufe des Feldforschungsprozesses fließend. Beim Eintritt ins Feld der Kindertagesstätten waren die Beobachtungen im Hinblick auf das Forschungsvorhaben noch unsystematisch und unstrukturiert. Es existierten weder eine konkrete Fragestellung, noch fertig entwickelte Beobachtungsschemata bzw. Erhebungspläne, die in der Feldforschung herangezogen werden, um Beobachtungen zu standardisieren und das Vorgehen des Beobachters zu kontrollieren (Girtler 2001, S.66). Erst im Verlauf der mehrmonatigen Explorationsphase im Feld entwickelte sich der eigentliche Forschungsgegenstand, der jedoch während der Erhebungsphase und bei ersten Analysen des Datenmaterials nochmals modifiziert wurde48. Mit der dezidierten Fokussierung auf Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern, die hinsichtlich der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ untersucht werden sollten, konnte jedoch von einer systematischen und strukturierten „Teilnehmenden Beobachtung“ gesprochen werden. Ich beschränkte mich darauf, nur noch solche Situationen zu beobachten, in denen es mindestens zu einem kurzen (verbalen oder nonverbalen) Austausch zwischen Erzieherinnen und Kindern kam. Allerdings wurde bereits während der Explorationsphase deutlich, wie schwierig es ist, während der „Teilnehmenden Beobachtung“ verbale und vor allem nonverbale Mitteilungen und Verhaltensweisen der zu beobachteten Personen aufzuzeichnen. Hauser-Schäublin (2003) gibt zu bedenken, dass bei der „Teilnehmenden Beobachtung“ meist nicht genügend Zeit zum Schreiben vorhanden sei und dass Feldnotizen deshalb niemals die Authentizität einer Situation oder Handlung wiedergeben. Vielmehr seien die Aufzeichnungen Abbildungen oder Repräsentationen dieser Situationen und Handlungen, die mehrfach „gefiltert“ werden (Hauser-Schäublin 2003, S.49). Die Vorzüge der Ethnographie nutzend – nämlich flexibel und methodenplural zu sein – kombinierte ich 48
Vgl. Kapitel 5.1 Erkenntnisinteressen, S.87ff
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5 Erkundungsstudie
deshalb verschiedene Verfahren zur Datengewinnung (Oester 2008, S.234). Um den Untersuchungsgegenstand möglichst breit auszuleuchten und eine erste Annäherung an den Begriff der „Sensitiven Responsivität“ zu gewährleisten, stellte ich eine umfangreiche Literaturstudie an den Beginn der Forschungsarbeiten49. Die Analyse von empirischen Untersuchungen und Fachliteratur diente der Erfassung wesentlicher Hintergrunddaten, die ich durch meine eigene Materialsammlung im Feld ergänzen konnte. Zur Beobachtung und Dokumentation der im Feld gewonnenen Daten setzte ich schließlich gezielt Videoaufzeichnungen ein und konnte somit anhand dieser Methodenkombination die Schwächen einer einzelnen Methode ausgleichen. Die unterschiedlichen methodischen Zugänge ergänzten, korrigierten und validierten sich „im Sinne der Triangulation“ (Friebertshäuser 1997, S.505).
5.2.2 Videogestützte Beobachtungen Die Entscheidung, zur Erhebung der Daten Videotechnik einzusetzen, resultiert in erster Linie aus der Fragestellung der Untersuchung. Sie ist darauf ausgerichtet, die sich auf unterschiedlichen Ausdruckskanälen äußernde pädagogische „Sensitive Responsivität“ zu ergründen und zu beschreiben. Bisherige Forschungsresultate zeigen, dass sich das Arbeiten mit Video gut eignet, um gerade die nonverbalen Anteile von Konversationen, Interaktionen und Verhaltensweisen zu erfassen (Huhn et al. 2000, S.193; Huhn und Schneider 2003, S.183). Entgeht bei anderen Aufzeichnungsverfahren wie schriftlichen Protokollen oder Tonaufnahmen der bedeutsame Anteil nonverbaler Ausdrucksmittel, werden Gestik, Mimik, Körperhaltung und -bewegung sowie Habitus bei der Aufnahme mit Video transparent. Gleichzeitig stellen sie „unverzichtbare Informationen dar, die der Gefahr einer einseitig semantisch fokussierten Analyse entgegenwirken“ (Keifenheim 2003, S.253). Unmittelbar verbunden mit der Erfassung nonverbaler Ausdrucksmittel sind zudem die genaue Beobachtung und Beschreibung von Interaktionsabläufen. Ist es beim direkten Beobachten im Alltag nahezu unmöglich, alle Handlungsaspekte einer Interaktion einschließlich Mimik und Gestik schriftlich festzuhalten (Schneider 2003, S.28), bieten Videoaufnahmen die Möglichkeit, „die Dynamik und Komplexität von Kommunikationsprozessen“ (Huhn et al. 2000, S.193) und den sich „in Bruchteilen von Sekunden“ abspielenden Verlauf von Interaktionsverhalten darzustellen (Thiel 1997, S.308). Will man Erkenntnisse über die wechselseitigen Beeinflussungen von Erzieherinnen und Kindern wäh49
Vgl. Kapitel 1 Theoretische Ansätze, S.25ff
5 Erkundungsstudie
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rend des Interaktionsprozesses erlangen, ist dies zentral. Ein weiterer Grund, die Daten mithilfe von Videotechnik zu erheben, liegt in der Reproduzierbarkeit der Aufnahmen, die die beobachteten Handlungsabläufe damit einer audio-visuellen Mikroanalyse zugänglich macht (Wagner-Willi 2008, S.221; Thiel 1997, S.310). Diese Forschungsstrategie eignet sich in besonderer Weise, „vermeintlich Vertrautes auf Distanz zu bringen“ bzw. eine „Befremdung der eigenen Kultur“ zu bewirken (Wagner-Willi 2008, S.223; Amann und Hirschauer 1997, S.12). Schließlich eröffnet das Arbeiten mit Video die Möglichkeit, anhand eines mimetischen Verweises Wirklichkeit zu rekonstruieren. Einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Medien sehen Huhn und Schneider (2003) darin, dass Videoszenen „als wenig selektierende Momentaufnahmen einer Situation einen relativ authentischen Wirklichkeitsausschnitt“ wiedergeben, in dem räumliches Sehen, Hören und ein zeitlicher Ablauf rekonstruiert werden (Huhn und Schneider 2003, S.190). Die als Abbild festgehaltene einmalige Raumsituation bleibt bei der Wiedergabe weitgehend konstant und ist somit als „wahr“ beobachtbar. In den Augen der Forscher ist diese Konstanz des Raumes in der Videoszene Teil ihres „Echtheitsanspruchs“ und dient dem Bemühen, sie als in der Wirklichkeit erhobene Forschungsdaten zu legitimieren (ebd., S.193). Da die Darstellung von Filmbildern „so authentisch (ist), dass wir Handlungen nachempfinden und gefühlsmäßig mitgehen können“ (Huhn und Schneider 2003, S.190), nähern sie sich „außerordentlich der Reproduktion von Realität“ (Huhn et al. 2000, S.185f). Durch die eigenständige Konstruktion des Aufnahmevorgangs akzeptiert das Subjekt „die Objektivität des technischen Verfahrens (…). Es akzeptiert auch eine Aufzeichnung eines Geschehens, bei dem es selbst nicht anwesend war, als adäquates Abbild und zweifelt nicht daran, dass sich das Geschehen so ereignet hat.“ (Thiel 1997, S.355f). Trotz dieser angenommenen Objektivität und Authentizität muss auch der Aufnahmevorgang im Sinne von Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit methodisch hinterfragt werden (Huhn et al. 2000, S.186). Videographie bringt nämlich „kein Abbild von Realität“ (WagnerWilli 2008, S.222) bzw. keine „Analogien von Wirklichkeit“ (Keifenheim 2003, S.249) hervor, sondern ist „sowohl durch den Standort des Forschers wie durch sein Erkenntnisinteresse mitbestimmt“ (Wagner-Willi 2008, S.222). Video als Aufnahmeapparatur verweist somit auf eine vom Wissenschaftler „ausgewählte Wirklichkeit“ (Huhn und Schneider 2003, S.193) vor der Kamera und protokolliert dessen subjektive Wahrnehmung. Die Beschränktheit der Kamera zwingt den Forscher dazu, „immer wieder Entscheidungen zu treffen, um im Rahmen der technischen Begrenzungen das Gemeinte der eigenen Wahrnehmung darzustellen und als bildliche Interpretation von Realität zu formulieren“ (Huhn et al. 2000, S.187).
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5 Erkundungsstudie
Da Auswertungen von Videoszenen nur so gut sein können, wie das aufgenommene Material selbst Gütekriterien standhält, müssen die subjektiven Momentaufnahmen einem überprüfbaren Urteil unterzogen werden können. Die Forschergruppe um Huhn (2000) schlägt diesbezüglich den Prozess einer „Ikonografisierung“ vor, der auf die Verständigung über die Bedeutung des Wahrgenommenen zielt und folgende drei Schritte umfasst: die Verabredungen und Reflexionen über Ziele, Mittel und Interessen vor dem Aufnehmen mit Video, das Aufnehmen selbst und die diskursive Überprüfung der Aufnahmen gemessen an den selbst gesteckten Zielen (Huhn et al. 2000, S.188ff). In Anlehnung an den Prozess der „Ikonografisierung“ soll nun der Aufnahmeprozess thematisiert und unter methodischen Gesichtspunkten näher betrachtet werden.
5.2.3 Datenerhebung mit Videotechnik Da die „Teilnehmende Beobachtung“ auf den sozialen Beziehungen zwischen dem Forscher und den zu untersuchenden Menschen basiert (Hauser-Schäublin 2003, S.34), nimmt die Gestaltung dieses Verhältnisses Einfluss auf den Feldforschungsverlauf und dessen Ergebnisse (Friebertshäuser 1997, S.514). Nach Auffassung Girtlers (2001) muss der Beobachter „alles unternehmen, um in den ihn interessierenden sozialen Bereich in einer gelungenen Weise eingeführt zu werden“ (Girtler 2001, S.65). Persönliche Kontakte sind von großer Bedeutung, wenn es darum geht, von der zu beobachtenden Gruppe akzeptiert zu werden und sich relativ ungehindert in deren spezifischer Alltagswelt bewegen und beobachten zu können (ebd.). Die Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft im DJI-Projekt ermöglichte mir einen solchen komplikationslosen Zugang zum Feld der Kindertagesstätten. Ich begleitete zwei Einrichtungen in Hessen und konnte die Erzieherinnen aufgrund unserer intensiven Zusammenarbeit schnell zur Mitarbeit an meinem Dissertationsvorhaben gewinnen. Der Kontakt zu Fachkräften aus anderen Kindertagesstätten wurde durch meine Kolleginnen im Projekt hergestellt, die mich zu ersten Hospitationen in die Einrichtungen mitnahmen. Nicht zuletzt kam auch die Auswahl von Kindertageseinrichtungen, die nicht am Projekt teilnahmen, durch persönliche Kontakte mit den pädagogischen Fachkräften zustande. So wählte ich neben den „Lerngeschichten“-Einrichtungen drei Kindertagesstätten meiner Heimatregion. Hier waren mir einige Erzieherinnen selbst bekannt oder wurden mir durch befreundete Fachkräfte vorgestellt. Der gute persönliche Kontakt erleichterte es, das Einverständnis der Erzieherinnen zu erhalten, ihre Interaktionen mit den Kindern mit Video aufzuzeichnen. Bestand in den Projekteinrichtungen schon vorab eine schriftlich erklärte Bereitschaft, wurde diese in den drei weiteren Kindertagesstätten einge-
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holt, nachdem ich Fachkräfte und Eltern mündlich und schriftlich über die Absichten meines Feldbesuchs informiert hatte. Insgesamt besuchte ich acht Kindertageseinrichtungen, von denen fünf am Projekt des Deutschen Jugendinstituts teilgenommen hatten. Die Projekteinrichtungen befanden sich in Bayern (1), Rheinland-Pfalz (2) und Hessen (2), die drei anderen Einrichtungen ebenfalls in Hessen. Das Verhältnis zwischen kommunalen (4) und kirchlichen Trägern (4) der Beobachtungseinrichtungen war ausgewogen. Konzeptionell arbeiteten die konsultierten Kindertagesstätten sehr unterschiedlich. Die Palette reichte hier von vollständig offenen, teiloffenen und gruppenübergreifenden Konzepten bis hin zum geschlossenen Arbeiten in altershomogenen oder altersgemischten Gruppen. Auch die Größe der Einrichtungen differierte. So gewann ich sowohl einen Einblick in kleine drei-gruppige Kindergärten als auch in größere Kitas mit vier oder fünf Gruppen bzw. mit mehr als hundert Kindern. Aufgrund der intensiven Explorationsphase und einer „Video-Erprobungsphase“ (Schneider 2003, S.29) im Rahmen des Projekts war es möglich, die gezielten Beobachtungen und Videoaufzeichnungen in den Kindertagesstätten in einem relativ kurzen Zeitraum von Ende September bis Anfang November 2005 durchzuführen. Ich besuchte jede Kindertagesstätte ein bis drei Mal und filmte in der Zeit zwischen 7:30 Uhr und 15:30 Uhr, um eine große Bandbreite an Alltagssituationen erfassen zu können. Hierzu gehörten Situationen am frühen Morgen, Erzählkreise zur Tageseröffnung, Freispielsituationen, Interaktionen während des Essens sowie ruhigere Momente während der Ruhezeiten und am Nachmittag, wenn die Kindergärten allmählich leerer wurden. Insgesamt filmte ich 39 Erzieherinnen, die mit Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren interagierten. Da die kindlichen Interaktionspartner relativ rasch wechseln und das Hauptaugenmerk auf dem feinfühligen pädagogischen Antwortverhalten liegt, wurde die Anzahl der beobachteten Kinder nicht explizit erfasst. Die Dauer der aufgenommenen Interaktionsszenen wurde im Vorfeld nicht festgelegt und richtete sich danach, wann Erzieherinnen und Kinder eine Interaktion beendeten bzw. wann diese durch äußere Einflüsse unterbrochen wurde. Die einzelnen Videoszenen reichen deshalb von knapp einer Minute bis zu 27 Minuten. Bei einem Besuch in einer Tagesstätte nahm ich zwischen sechs und 16 Szenen mit einer Videokamera auf. Die überwiegende Anzahl der Szenen hat eine Länge von weniger als fünf Minuten. Um bei der Datenerhebung valides Material für die Auswertung zu erhalten, musste ich vor den Aufzeichnungen der Szenen ein Aufnahmekonzept entwickeln (Schneider 2003, S.28). Da nicht „die Kamera entscheidet, welche Bilder sie macht, sondern die Person hinter der Kamera“ (Dittrich 2002, S.3) und ein „konzeptloses Draufhalten (…) fatal“ ist (Keifenheim 2003, S.250), musste
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vor dem Anschalten der Kamera genau festgelegt werden, welche Situationen videographiert werden sollten. Zielsetzung der Studie sollte es sein, die Feinfühligkeit von Erzieherinnen zu erfassen, wenn sie in den unterschiedlichsten Situationen im pädagogischen Alltag auf Kinder verschiedenen Alters reagieren und mit diesen interagieren. Für die Analyse der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ war es notwendig, nicht nur das verbale Verhalten, sondern insbesondere auch die nonverbalen Verhaltensweisen genau zu betrachten. Deshalb entschied ich mich dazu, den Fokus der Kamera in erster Linie auf die einzelnen Erzieherinnen und deren Gesichter zu richten. Da ich jedoch auch Angaben zum Interaktionsverhalten der Kinder gewinnen wollte, versuchte ich, vor allem „Face-to-Face-Interaktionen“ aufzunehmen, in denen Mimik und Gestik der Kinder ebenfalls gut zu erkennen sind. Feinanalysen von Interaktionsverläufen sind nach Rohrmann (1996) am ehesten in solchen dyadischen Situationen möglich (Rohrmann 1996, S.13). Um die Erfassung des kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhaltens zu gewährleisten und dabei den Einfluss unterschiedlicher Situationen und Örtlichkeiten zu berücksichtigen, musste die Videokamera von Hand geführt werden. Nur auf diese Weise konnte ich mich entsprechend auf die Positions- und Ortswechsel der Interaktionspartner einstellen und die Kamera auf die jeweiligen Augenhöhen der interagierenden Kinder und Erzieherinnen richten. Zudem machte es dieses Vorgehen möglich, die Erzieherinnen-Kind-Interaktionen in unmittelbarer Nähe zu den Interaktionsteilnehmern – und damit in deren sozialen Wirklichkeit – aufzuzeichnen50. Um zu verhindern, dass der Blick zwischen Erzieherin und Kind hin- und her springt und „damit den Handlungsfluss zerreißt“ (Dittrich 2002, S.5), lag der Hauptfokus der Kamera jedoch immer auf der pädagogischen Fachkraft. Schließlich bleibt festzuhalten, dass ich ein aufsetzbares externes Richtmikrophon einsetzte, um den verbalen Interaktionsverlauf trotz der hohen Geräuschkulisse des Kindergartens möglichst gut aufzeichnen zu können.
5.2.4 Die Rolle des Forschers und Schwierigkeiten während der Datenerhebung Zeigte der letzte Abschnitt die methodische Notwendigkeit, den Interaktionsteilnehmern mit der Videokamera sehr nahe zu kommen, gilt es nun, diese Vorgehensweise und die damit verbundene eigene Rolle und Einflussnahme im Forschungsprozess kritisch zu reflektieren. Nach Hauser-Schäublin (2003) sind die während einer „Teilnehmenden Beobachtung“ gewonnenen Daten „immer von 50
Vgl. Kapitel 5.2.4 Die Rolle des Forschers und Schwierigkeiten während der Datenerhebung, S.98ff
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den Interaktionen des Forschers mit seinem Untersuchungsfeld geprägt“ (Hauser-Schäublin 2003, S.34). Dies birgt das Problem, dass allein durch die Anwesenheit des Forschers das Verhalten der Versuchspersonen beeinträchtigt und das zu beobachtende Geschehen verändert werden können (Friebertshäuser 1997, S.521). Andererseits wird auch der Beobachter, der in persönlicher Beziehung zu den Beobachteten steht, selbst „Teil des unter Beobachtung stehenden Kontextes, und er modifiziert nicht nur diesen Kontext, sondern wird auch von ihm beeinflusst“ (Schwartz und Schwartz 1955, S.344; Girtler 2001, S.63). Außerdem besteht die Gefahr, dass Wissenschaftler unreflektiert ihre eigenen Denk-, Wahrnehmungs-, Bewertungs-, und Handlungskategorien auf das Untersuchungsfeld übertragen und dadurch anderen Sichtweisen gegenüber nicht mehr offen sind oder die Beobachtungen fehl interpretieren (Friebertshäuser 1997, S.521ff). Um einer „Verzerrung durch die eigene Perspektive“ entgegenzuwirken und die notwendige Distanz zum Forschungsgegenstand zu wahren (Girtler 2001, S.61), war die Standardisierung der Videoaufnahmen ein erster Schritt, der bei der Analyse der Videoszenen fortgesetzt werden muss. Zunächst ist aber die Reflexion des videogestützten Beobachtungsvorgangs im Hinblick auf die Auswirkungen der Teilnahme auf das zu untersuchende Verhalten unabdingbar (Rohrmann 1996, S.21). Im Gegensatz zu Girtlers (2001) Postulat, sich während der Beobachtung gegenüber den zu Beobachtenden „grundsätzlich passiv“ zu verhalten (Girtler 2001, S.61), nahm ich in den Projekteinrichtungen zunächst aktiv am Alltag der Untersuchungsgruppe teil. Die Kinder wussten, dass ich sie regelmäßig besuchte, um sie beim Spielen zu beobachten und mich mit ihnen über ihr Lernen zu unterhalten. Auch mit den pädagogischen Fachkräften führte ich lange Gespräche. Diese Vorgehensweise führte dazu, dass sich Kinder und Erzieherinnen an meine Anwesenheit gewöhnten und sich in ihrem alltäglichen Tun durch mich nicht stören ließen. Beim Einführen des Arbeitens mit der Videokamera ging ich ebenfalls nach dem Leitwort „Unsichtbar durch Sichtbarkeit“ (Friebertshäuser 1997, S.524) vor. Krappmann und Oswald (1995) gehen davon aus, dass Menschen kaum etwas mehr irritiert, „als wenn sich eine Person in ihre Nähe begibt, deren Identität ihnen unklar ist“ (Krappmann und Oswald 1995, S.44). Demnach werden gerade Kinder durch jede ungeklärte Situation abgelenkt und beschäftigen sich dauerhaft mit der Beobachtungssituation (Huhn et al. 2000, S.197). Um dem entgegenzuwirken, bezog ich Kinder und pädagogische Fachkräfte beim Umgang mit der Kamera aktiv in den „Definitionsprozess“ mit ein, in den alle Interaktionspartner während einer „Teilnehmenden Beobachtung“ involviert sind (ebd.). Eine vermeintliche Schwäche der Datenerhebung mit Video nutzend ging ich entsprechend mit der Tatsache um, dass „Videokameras gerade auf Kinder oft einen großen Aufforderungscharakter“ haben (Rohrmann 1996,
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S.14). Die Kinder hatten die Gelegenheit, auch einmal durch die Kamera zu schauen, konnten sich das Gefilmte ansehen und ließen sich neugierig erklären, was ich gerade tat. Wie die Kinder nutzten auch einige Erzieherinnen die Möglichkeit, sich die Aufnahmen im Nachhinein anzusehen. Auf diese Weise entstanden mit beiden Interaktionsteilnehmern aufschlussreiche Gespräche über die Szenen, was gleichzeitig zu einem guten Beziehungsklima beitrug (Keifenheim 2003, S.254). Der offene Umgang bei der Datenerhebung sorgte dafür, dass pädagogische Fachkräfte und Kinder meine Rolle als Forscher hinter der Kamera schnell akzeptierten und im alltäglichen Geschehen bald keine Notiz mehr von mir nahmen. In der nun „distanzierten Forscherrolle“ konnte ich ungestört filmen und kam während dieser Aufnahmen auch nicht in die von Cloos (2008) aufgeführte Verlegenheit, während der „Teilnehmenden Beobachtung“ „pädagogisch eingebunden“ zu werden (Cloos 2008, S.211). Je vertrauter den Untersuchungspersonen die Forschertätigkeit ist, desto weniger Störungen treten bei der videobasierten Beobachtung auf (vgl. Schneider 2003, S.29). Obwohl ich in den drei weiteren Kindertageseinrichtungen des „Lerngeschichten“-Projekts nicht den Vorteil hatte, mit Fachkräften und Kindern ein intensives Verhältnis aufbauen zu können, traten hier während des Beobachtens mit der Kamera ebenfalls keine Störungen auf. Dies lässt sich auf zwei Faktoren zurückführen: Erstens wurde ich in diese Kindertagesstätten von Kolleginnen eingeführt, die zuvor für ein gutes Beziehungsklima mit Kindern und Erzieherinnen gesorgt hatten. Zweitens arbeiteten sowohl meine Kolleginnen als auch einige Fachkräfte ebenfalls mit Video, so dass allen Interaktionsteilnehmern das Filmen bereits vertraut war. In den drei weiteren hessischen Einrichtungen war dies nicht der Fall. Durch Gespräche im Vorfeld mussten die Erzieherinnen zunächst für die Notwendigkeit der Datenerhebung mithilfe von Videotechnik sensibilisiert und gewonnen werden. Gab es während des Aufnahmeprozesses wegen kindgerechter Erklärungen durch die pädagogischen Fachkräfte und aufgrund meines offenen Umgangs mit den Fragen der Kinder auf deren Seite kaum Irritationen, war bei einigen Fachkräften zu spüren, dass es ihnen trotz des zuvor erklärten Einverständnisses unwohl war, gefilmt zu werden und sie der Kamera auswichen. Solche Aufnahmen wurden nicht weiter verfolgt. Zudem war es mir im Gegensatz zu den Projekteinrichtungen weitaus seltener möglich, direkt am Tisch sitzend zu videographieren, weshalb ich häufiger mit dem Zoom arbeiten musste. Demnach äußerte sich das weniger intensive Verhältnis zu den Erzieherinnen und Kindern in einer größeren Distanz bei der Aufzeichnung der Videoszenen. Dies führte dazu, dass nonverbale Interaktionsanteile nur eingeschränkt erfasst werden konnten und dass es auch mithilfe des Richtmikrophons zuweilen nicht möglich war, alle verbalen Äußerungen gut hörbar aufzuzeichnen. Die Auswer-
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tung solcher Szenen gestaltete sich daher genauso schwierig wie die Analyse von Szenen, bei denen mehrere Kinder gleichzeitig mit einer pädagogischen Fachkraft interagierten und es aufgrund der Fokussierung der Erzieherin manchmal nicht möglich war, Gesichtsausdruck, Mimik und Gestik aller Interaktionspartner gleichermaßen gut mit der Videokamera aufzunehmen. Hierfür wären mehrere Kameras notwenig gewesen.
5.3 Datenanalyse Soll in dieser Arbeit die „Sensitive Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte detailliert beschrieben und daraufhin untersucht werden, inwiefern sie sich sowohl in Abhängigkeit von unterschiedlichen Situationen als auch vom kindlichen Interaktionsverhalten verändert, sind im weitesten Sinne hermeneutische Vorgehensweisen notwendig. Beim Prozess der Datenerhebung zielte der bei der „Ethnographischen Feldforschung“ im Mittelpunkt stehende „verstehende Ansatz des Zugangs zur sozialen Wirklichkeit“ darauf, „ausgehend von den Phänomenen zu theoretischen Konzepten zu gelangen“ (Friebertshäuser 1997, S.503ff). Bezogen auf die Auswertung der gewonnenen Daten heißt dies, dass es neben der Theoriebildung und der Beschreibung in erster Linie um das Verstehen und damit um die zentrale Prämisse hermeneutischer Verfahren geht. Hermeneutik als „Lehre des Verstehens“ bedeutet, den Sinn einer Aussage zu erklären, auseinanderzulegen oder verständlich zu machen. Nach Klafki (1971/2001) dienen hermeneutische Verfahren dazu, den Sinn und die Bedeutung eines menschlichen Dokuments - und hierbei insbesondere sprachlicher Aussagen - zu ermitteln, zu verstehen und zu interpretieren (Klafki 1971/2001, S.126ff). Hermeneutische Verfahrensweisen werden vor allem im Prozess der Hypothesenbildung als notwendige Voraussetzung empirischer Studien und bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Untersuchungen eingesetzt, aber auch bei der Einordnung der Resultate in größere Zusammenhänge sowie bei der Entwicklung von Folgerungen (ebd., S.128). Klafki vermutet, „dass im Grunde jede Hypothese einer empirischen Untersuchung durch Überlegungen zustande kommt, die den Charakter der Sinn- und Bedeutungsermittlung haben, also durch hermeneutische Überlegungen“ (ebd., S.129). Vergleichende Textanalysen sieht er deshalb ebenfalls als hermeneutische Vorgehensweisen an (ebd., S.130). Klafkis Betrachtungsweise folgend müssen also nicht nur die Literaturstudie zur Einordnung des Forschungsgegenstandes im Vorfeld dieser empirischen Untersuchung und die Konkretisierung der Fragestellungen während des Feldforschungsprozesses als hermeneutische Vorgehensweisen bezeichnet werden, sondern vor allem auch die vergleichende Analyse der Texte, die einer An-
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nährung an den Begriff der „Sensitiven Responsivität“ dienen soll. Gleiches gilt für die Einteilung der Interaktionssituationen in unterschiedliche Kategorien, die ohne hermeneutische Überlegungen nicht möglich gewesen wäre. Für weitere Schritte der Datenanalyse war zunächst eine Prüfung der unterschiedlichen hermeneutischen Auswertungsmethoden notwendig. Bei der „Pädagogischen Hermeneutik“ sind häufig schriftlich dokumentierte Kommunikations- und Interaktionsformen in bestimmten pädagogischen Berufsfeldern Gegenstand von Textanalysen. Bei meiner Arbeit zeigte sich jedoch, dass die unterschiedlichen Interpretationsformen51 nicht geeignet sind, um den Forschungsgegenstand in angemessener Weise zu erfassen (Rittelmeyer und Parmentier 2001, S.49ff). Bei der Auswertung der videographierten Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern geht es weder um die Analyse von Textaufbau oder Textkomposition und um die Betrachtung der Sprachtradition, noch sollen Redetexte mit anderen Texten zum gleichen Thema verglichen werden, der psychologische Gehalt der Texte „erraten“ oder auch Interpretationen unter der Fragestellung „Was wäre wenn…“ vorgenommen werden (ebd., S.51ff). Vielmehr sollen die Komponenten „Sensitiver Responsivität“ „mikroanalytisch“ beschrieben und dabei insbesondere auch nonverbale Interaktionsanteile berücksichtigt werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, orientierte ich mich bei der Datenauswertung an den Verfahren der Interaktions- und Konversationsanalyse. Interaktionsanalytische Studien haben den Vorteil, dass sie Mikro-Analysen von Videos und konversationsanalytische Ansätze mit ethnographischen Methoden kombinieren. Die Interaktionsanalyse von Videos geht auf Jordan und Henderson (1995) zurück und zeichnet sich durch offene Interaktionsbeobachtungen in Alltagssituationen ohne vordefinierte Kategoriensysteme sowie durch die induktive und detaillierte Beschreibung beobachtbarer Interaktionen aus. „Interaction Analysis … is an interdisciplinary method for the empirical investigation of the interaction of human beings with each other and with objects in their environment. It investigates human activities such as talk, nonverbal interaction and the use of artifacts and technologies, identifying routine practices and problems and the resources for their solution.” (Jordan und Henderson 1995, S.39). Bei der Interaktionsanalyse richtet sich die Aufmerksamkeit laut Hornecker (2004) somit auf das „Mikrogeschehen menschlicher Interaktion und die feinen Details menschlichen Verhaltens, die erst ein größeres sinnhaftes Ganzes entstehen lassen“ (Hornecker 2004, S.4). Im Zentrum der Betrachtungen stehen die Wechselwirkungen der Interaktionspartner und es wird beobachtet, wie Interaktionen organisiert werden und hierbei Sinn entsteht. Handlungskontexte werden 51 Strukturale, kontextuelle, komparative, psychologische bzw. mimetische sowie experimentelle Interpretation
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bei diesen intensiven ethnographischen Beobachtungen genauso berücksichtigt wie die Funktionen auch scheinbar nebensächlicher menschlicher Verhaltensweisen. Im Gegensatz zur Konversationsanalyse werden Sprache und nonverbale Kommunikation bei der Interaktionsanalyse als „co-occuring and interrelated phenomena“ behandelt, die in „gemeinsamer Performance“ auftreten (ebd., S.9). Um die Videoszenen detailliert auswerten zu können, werden bei der Interaktionsanalyse Hornecker (2004) zufolge einzelne Segmente der Videos anhand eines das grundsätzliche Geschehen beschreibende und erste Hypothesen enthaltenden „Logbuchs“ ausgewählt und sehr genau transkribiert. Meist zeigen diese Ausschnitte paradigmatische Beispiele des Geschehens oder legen durch ihr Abweichen vom Üblichen sonst verdeckte Mechanismen offen (ebd., S.3). Von den konkreten Daten ausgehend werden nun Kategorien und Theorien entwickelt, die iterativ am weiteren Material geprüft werden (ebd., S.2ff). Das wiederholte Betrachten der Videosequenzen hat dabei laut Hornecker (2004) einen Verfremdungseffekt zur Folge, der „im scheinbar Alltäglichen verborgene Phänomene, das Besondere und das Detail erkennen“ lässt (ebd., S.5). Beim iterativen Transkriptionsvorgang schärft sich folglich zunehmend der Blick, was dazu führt, dass einige Szenen erneut überarbeitet werden müssen. Da auf diese Weise bereits die Transkription wesentliche analytische Erkenntnisse ermöglicht, sollte der Wissenschaftler selbst einen Großteil der Transkriptionsarbeit durchführen (ebd.). Geleitet wird die Interaktionsanalyse durch allgemeine Fragen, unter anderem zur Struktur, zeitlichen Organisation und Abfolge von Ereignissen, zur Herstellung von Anfängen und Enden sinnvoller Segmente, zur Rhythmik und Periodizität von Ereignissen, zum Turn-taking, zu Partizipationsstrukturen sowie zum Einfluss der Umgebung (ebd.; Jordan und Henderson 1995, S.39ff). Hornecker (2004) erklärt, dass während der Analyse genauestens auf das Transkript Bezug genommen und das Augenmerk auf ein bis zwei Sequenzen gelenkt wird, in denen mehrere Phänomene gleichzeitig wirksam sind. Zudem können auch mehrere markante Abschnitte einer längeren Handlungsfolge analysiert werden. Ähnlich wie in der Ethnographie und Gesprächsanalyse ist die Beschreibung der Interaktionen als integraler Bestandteil der Analyse nicht von dieser zu trennen und kann bei entsprechender Güte und Anschaulichkeit deshalb bereits als eigenständiges wissenschaftliches Ergebnis gewertet werden (Hornecker 2004, S.6). Hypothesen und Schlussfolgerungen basieren in der Interaktionsanalyse ausschließlich auf dem erhobenen Material oder müssen mit explizitem Hintergrundwissen begründet werden. Schließlich dient ein Vergleich mit anderen Sequenzen der Überprüfung der Verallgemeinerbarkeit von Hypothesen und Schlussfolgerungen (ebd., S.5). Hornecker zufolge ist hierbei der Austausch in fachlich gemischten kooperativen Analyse-Gruppen hilfreich, bei dem verschie-
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dene Perspektiven auf den Beobachtungsgegenstand eingenommen werden, um sowohl individuelle oder fachlich geprägte Vorurteile auszugleichen als auch die Tendenz zu reduzieren, nur das Erwartete wahrzunehmen (ebd.). Wie bei der Interaktionsanalyse wird auch bei der Ethnomethodologischen Konversationsanalyse die Datenanalyse laut Eberle (1997) „strikt empirisch“ anhand von Tonband- oder Videoaufnahmen von „realen Geschehensabläufen in „natürlichen“ Situationen“ durchgeführt (Eberle 1997, S.245). Die „flüchtig soziale Wirklichkeit“ wird damit registrierend fixiert und „datengeleitet“ sowie ohne vorgefasste Hypothesen ausgewertet (ebd., S.257ff). Um die formalen Prinzipien der sozialen Organisation sprachlicher und nichtsprachlicher Interaktionen sowie deren sich Schritt für Schritt entwickelnde Geordnetheit untersuchen zu können, müssen die Interaktionssequenzen bei diesem Forschungsansatz in ihrem real-zeitlichen Ablauf festgehalten werden (ebd., S.258). In der von Sacks, Schegloff und Jefferson (1974) geprägten Konversationsanalyse hat es sich laut Eberle (1997) am ergiebigsten erwiesen, die sequenzielle Organisation von Konversationen anhand von kurzen (Paar-)Sequenzen zu untersuchen. Hierbei konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass bereits einzelne Redezüge interaktiv erzeugt werden, indem der Interaktionspartner unter anderem durch Körperhaltung, Blickkontakt oder durch auditive Rezipientensignale Aufmerksamkeit anzeigt (ebd., S.254). Da es lediglich relevant ist, woran sich ein Interaktionspartner im vorliegenden Redezug orientiert, bewegt sich die Konversationsanalyse hinsichtlich der Frage der Handlungsorientierung immer an der „Oberfläche des Interaktionsgeschehens“ (ebd., S.261). Sichtbar werden die Phänomene dieses Interaktionsgeschehens bei einer möglichst detailgenauen Transkription der aufgezeichneten Interaktionen, das heißt am Datenmaterial selbst. Eberle (1997) gibt zu bedenken, bei der Transkription darauf zu achten, dass zwar das reale soziale Geschehen in seinem Ablauf möglichst genau festgehalten wird, dass das konversationsanalytische Transkript jedoch gleichzeitig lesbar bleibt. Deshalb werden für die Transkription zunächst die gängige Orthographie verwendet und erst im Anschluss spezielle Transkriptionszeichen eingesetzt (ebd., S.258). Grundsätzlich gilt für die Transkription der Szene die analytische Maxime: „order at all points“ (ebd., S.259 mit Verweis auf Sacks 1984, S.21ff). Jede kleinste Einzelheit eines Interaktionsablaufs – und sei es nur ein leises Räuspern – muss als Beitrag zu einer Ordnung oder als Bestandteil einer Ordnung angesehen werden, die es bei der Konversationsanalyse zu entdecken gilt. Kein Detail darf nach Eberle (1997) deshalb „a priori als insignifikant, ungeordnet, zufällig, irrelevant abgetan werden“ (ebd.). Trotzdem reduziert jede noch so detaillierte Transkription die in einer Aufzeichnung enthaltene Information. Um dem annähernd entgegenwirken zu können, sollte ein Transkript laut Eberle (1997) immer unter gleichzeiti-
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gem Ansehen der Videoaufzeichnung analysiert werden. Die Transkription der Interaktionsszenen ist folglich ein sehr zeitaufwändiger Prozess, jedoch gleichzeitig ein wichtiger Schritt zur Analyse selbst: „Erst in der minuziösen Auseinandersetzung mit einer Aufzeichnung erlebt man die Virtuosität, mit der die Gesprächsteilnehmer kommunizieren, und entwickelt man die Sensibilität für die mannigfaltigen Einzelheiten eines Interaktionsablaufs und deren potentielle Funktionen“ (ebd.). Gelingt es dem Wissenschaftler zu entdecken, wie die „Akteure soziale Ordnung fortlaufend methodisch erzeugen und einander anzeigen“, gilt es möglichst viele Interaktionssequenzen zu sammeln, in der dieses Phänomen erneut auftritt. Nachdem anhand dieser Datenbasis das Erscheinen wiederkehrender Muster geprüft wurde, muss im entscheidenden Analyseschritt bewiesen werden, dass die festgestellte Ordnung interaktiv erzeugt ist (ebd., S.260). Ist die Konversationsanalyse aufgrund ihrer empirischen und gegenstandsfundierten Methodologie vielen anderen Ansätzen der Erforschung von Gesprächen überlegen, so hat diese Überlegenheit laut Deppermann (2000) jedoch den gravierenden Nachteil, über keine adäquate Interpretationstheorie zu verfügen (Deppermann 2000, S.1). Das Fehlen einer interpretationstheoretischen Grundlage hat in gegenstandsbezogener Hinsicht zur Folge, dass eher formale Eigenschaften der Gesprächsorganisation (turn-taking etc.) untersucht und dabei Fragen inhaltlicher Natur52 vernachlässigt werden. Phänomene, die interpretativ konstituiert sind, werden seltener ins Auge gefasst (ebd., S.7). Der Konversationsanalyse als einer somit sehr „oberflächennah“ arbeitenden und sich in Teilen ausdrücklich als nicht interpretierend verstehenden Wissenschaft wird deshalb vorgeworfen, sich „zu sehr auf rein technisch-organisatorische Fragen zu beschränken und keine reichhaltige Rekonstruktion der Komplexitäten interaktiver Sinnkonstitution zu leisten“ (ebd., S.23). Hinzu kommt das Defizit der Konversationsanalyse, sich nicht bzw. kaum mit Interaktionen zu befassen, die sich „ausschließlich oder überwiegend in Körpersprache abspielen“ (Huhn und Schneider 2003, S.189). Die hier aufgeführten Nachteile der Konversationsanalyse und die Tatsache, dass auch die Leitfragen der Interaktionsanalyse nicht vollständig konform zum Untersuchungsgegenstand dieser Studie gehen, führte dazu, dass ich mich im Auswertungsprozess lediglich an den beiden Methoden orientierte und sie entsprechend meiner Erkenntnisinteressen adaptierte. Die bloße Orientierung an den Ansätzen war auch deshalb notwendig, weil ich weder hinsichtlich der Interaktionsanalyse noch bei der Konversationsanalyse die „Anleitung eines Profis“ erfuhr (Eberle 1997, S.261). Ein wesentlicher Unterschied zu beiden 52
Semantik, Handeln, Funktion konversationeller Aktivitäten
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Methoden liegt nun darin, dass ich mich dem Untersuchungsgegenstand nicht ohne vordefinierte Kategorien näherte. Um den Begriff der „Sensitiven Responsivität“ detaillierter als bislang beschreiben zu können, war es notwendig, die bisher verwendeten Definitionen näher zu betrachten und gegenüberzustellen. Die Diskussion der Begrifflichkeit führte in einem ersten Analyseschritt zu „groben“ Operationalisierungen, die es am erhobenen Datenmaterial zu überprüfen und zu verfeinern galt. Die Auswertung der Daten anhand der in diesem Sinne „vordefinierten Kategorien“ hatte zur Folge, dass ich die Interaktionsanalyse leitenden und eher allgemein gehaltenen Fragen53 genauso vernachlässigte wie die bei der Konversationsanalyse im Zentrum des Interesses stehende Frage nach den formalen Prinzipien der sozialen Organisation von Interaktionen. Ebenso ging es mir bei der Analyse des Datenmaterials nicht um die Aufdeckung jeglicher auftauchender Phänomene, sondern sehr dezidiert um das Sichtbarmachen derjenigen, die die unterschiedlichen Komponenten „Sensitiver Responsivität“ transparent werden lassen. Hierbei sollte insbesondere die „gemeinsame Performance“ von verbaler und nonverbaler Kommunikation ins Auge gefasst werden, was in der Konversationsanalyse nicht ausdrücklich geschieht. Weitere Bestandteile der Analyse weisen weitgehend Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten mit der Interaktions- und Konversationsanalyse auf. Sie werden aus diesem Grund in der Darstellung der Analyseschritte implizit mit aufgeführt.
5.3.1 Analyseschritte Zur Annäherung an die Erkenntnisinteressen dieser Videostudie war ein aus sechs Schritten bestehender Analyseprozess notwendig. Im ersten Schritt des Analyseverfahrens zielte eine vergleichende Textanalyse auf die Annäherung an den Begriff der „Sensitiven Responsivität“, dessen klare Definition sowie die Generierung grober Operationalisierungen. Auf Grundlage dieser Operationalisierungen erfolgte eine erste Durchsicht der aufgezeichneten Videoszenen. Da die einzelnen Szenen auch daraufhin untersucht werden sollten, inwiefern sich die „Sensitive Responsivität“ der Fachkräfte in Abhängigkeit unterschiedlicher Situationen im Kindertagesstättenalltag gestalten, wurden die Szenen im zweiten Analyseschritt mithilfe einer Übersicht bestehend aus Ortsangabe, Datum, Zeit, Dauer sowie einer groben Situationsbeschreibung in einer Szenenkartei archiviert und in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt54. Es folgte die Entscheidung, 53
Unter anderem zur Struktur, Rhythmik und Periodizität von Ereignissen „Anschauen eines Buches“, „Vorlesen eines Buches“, „Malen“, „Angeleitetes Basteln“, „Freies Basteln oder Kneten“, „Rollenspiel“, „Essen“ 54
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welche Szenen nach der vorherigen Sichtung aller Sequenzen für eine Mikroanalyse ausgewählt und transkribiert werden. Methodisch gesehen findet nach Huhn und Schneider (2003) erst an dieser Stelle eine „Datenerhebung“ im Auswertungssinn statt. Entscheidend für die Auswahl der Szenenausschnitte war die Tatsache, dass sie vielfältige Situationen der sozialen Wirklichkeit des Kindertagesstättenalltags repräsentieren mussten. Weiterhin sollten sie den Kriterien Typikalität, Repräsentativität und Relevanz genügen (Deppermann 2000, S.10). Die teilnehmende Beobachtung in den Kindertagesstätten trug während der Explorationsphase dieser Studie zur Kenntnis der Interaktionsereignisse des Feldes bei und war somit sehr hilfreich, die zu transkribierenden Szenen gemäß diesen drei Kriterien auszuwählen. Ein letztes Auswahlkriterium war ein „maximal kontrastiver Vergleich“, das heißt, dass sowohl Szenen ausgewertet werden sollten, in denen die Erzieherinnen auf den ersten Blick sehr feinfühlig auf die Kinder reagierten als auch weitere Szenen, in denen die pädagogischen Fachkräfte augenscheinlich nicht mit „Sensitiver Responsivität“ auf ihre kindlichen Interaktionspartner eingingen. Um dies beurteilen zu können, war die mehrfache Sichtung aller Szenen notwendig. Im dritten Schritt der Datenanalyse wurden alle Videoszenen hinsichtlich der kindlichen Signale untersucht. Es wurde beobachtet, wann und welche Signale Kinder senden und sowohl Gründe für die kindlichen Signale55 als auch verschiedene Signalarten56 aufgelistet. Die unterschiedlichen Arten des Signalsendens gaben erste Hinweise auf das Interaktionsverhalten der Kinder sowie auf die Wechselwirkung im Interaktionsverlauf mit den pädagogischen Fachkräften. Die Formulierung weiterführender Fragestellungen diente der Untersuchung, wie Erzieherinnen auf kindliche Signale reagieren und inwiefern sie mit ihrem eigenen Interaktionsverhalten das Senden dieser Signale fördern aber auch behindern. Außerdem galt es Gründe dafür zu eruieren, warum manche Gespräche erfolgreich weiter geführt werden und warum einige schnell wieder abbrechen. Um dies tun und Szenen für die Transkription auswählen zu können, wurde die Kategorisierung der Videoszenen differenziert57 und vor dem Transkriptionsprozess in einem vierten Analyseschritt erneut verfeinert. Schließlich standen 15 Kategorien fest: Buch anschauen, Vorlesen, Kneten, Erzieherin Vorbereitung58, Angeleitete Lernspiele, Erzieherin hat Zeit59, Essen, Erzählkreis, 55
Unter anderem „Mitteilungsbedürfnisse“, „Hilfegesuche“ Unter anderem „direkte Ansprache“, „auf etwas zeigen“ 57 „Anschauen eines Buches“, „Vorlesen eines Buches“, „Malen“, „Angeleitetes Basteln“, „Freies Basteln oder Kneten“, „Rollenspiel“, „Essen“, „Lernspiele“, „Konflikte“, „Erzieherin bei Alltagstätigkeit“, „Erzieherin hat Zeit“, „Sitzkreis“ 58 Die Erzieherin bereitet etwas vor und interagiert währenddessen mit dem Kind/den Kindern. 59 Die Erzieherin sitzt in Ruhe bei dem Kind/den Kindern. 56
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Spielkreis, Gespräche über Bilder, Gespräche beim Malen, Angeleitetes Basteln, Rollenspiel, Konflikte, Trösten. Aus den 15 Kategorien wurden je zwei kontrastierende Szenen ausgewählt, so dass 30 Interaktionsszenen mit einer Länge von einer bis sieben Minuten transkribiert werden mussten. Die Transkription von Interaktionsszenen stellt sowohl in der Interaktionsanalyse als auch in der Konversationsanalyse einen wesentlichen methodischen Handlungsschritt dar. Nach Thiel (1997) unterstützt die Verfahrenstechnik der Transkription „in besonderem Maße den rekursivreflektorischen Prozess der Ausarbeitung von Kategorien dadurch, dass sie vom Transkribierenden eine aktive Rekonstruktion dessen verlangt, was zu hören und zu sehen ist und somit zur Erhöhung des Auflösungsvermögens des Wahrnehmenden beiträgt. Nahezu zwangsläufig stößt man dabei auf Verhalten, das man nicht erwartet hatte, oder für nicht bedeutungsvoll hielt“ (Thiel 1997, S.305). Huhn und Schneider (2003) verweisen darauf, dass der Forscher durch die technischen Funktionen des Vor- und Zurückspulens, des Anhaltens, des Betrachtens von Standbildern und Zeitlupen sowie durch das fortwährende Abspielen der Videos auf Details aufmerksam wird, die beim normalen Durchlauf nicht genau zu fassen sind. Diese technischen Funktionen gehen somit weit über das einfache Wiederholen eines Ereignisses hinaus und erlauben, den Detaillierungsgrad von Handlungsabläufen bis hin zu Mikroanalysen zu verfeinern (Huhn und Schneider 2003, S.190). Die eigenständige und vollständige Transkription der Szenen hatte somit den Vorteil, bereits während des vierten Analyseschritts auf vermeintliche Kleinigkeiten aufmerksam zu werden, die später dazu beitrugen, die „Sensitive Responsivität“ der pädagogischen Fachkräfte sehr detailliert fassen zu können. Die genaue Beschreibung der Interaktionsverläufe war somit eine „unerlässliche Grundlage für die Interpretation“ (Schneider 2003, S.30). Obwohl mit dem vorliegenden videographischen Material zwar gleichzeitig ablaufende Aktivitäten beobachtet und ein aufeinander bezogenes körperliches, gestisch-mimisches und sprachliches Interagieren simultan beschrieben werden können, ist die Transkription der Fülle an Handlungs- und Interaktionselementen durchaus mit Schwierigkeiten verbunden (Wagner-Willi 2008, S.222ff). Auch Hornecker (2004) musste feststellen, dass sich die zahlreichen parallelen Ereignisse während einer Interaktion kaum in einer angemessenen Notation darstellen lassen (Hornecker 2004, S.8). Hinzu kommt, dass bislang weder für die Transkription von „sichtbarem und taktilem“ Verhalten eine generelle Orthographie vorhanden ist (ebd., S.5), noch bestimmte Standards zur Transkription nonverbalen Verhaltens vorliegen (ebd., S.8). Zur genauen und unvoreingenommenen Beschreibung der verbalen und nonverbalen Kommunikation wählte ich deshalb einen Transkriptionsstil, in dem der Ablauf der Handlungselemente ge-
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nauso mit Worten beschrieben wurde wie verbale Äußerungen, Stimmfarbe, Gestik, Mimik und Körperhaltung. Aus Gründen der Relevanz und Lesbarkeit transkribierte ich lediglich die Handlungselemente der unmittelbar interagierenden Partner und beschrieb das Geschehen im Hintergrund einer Szene nur dann, wenn es für den Interaktionsverlauf entscheidend war. Kriterien für eine erste Auswertung der Transkripte waren die im Rahmen der vergleichenden Textanalyse entstandenen groben Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“60. Zu Beginn des fünften Schritts im Analyseverfahren mussten die Transkripte überarbeitet und kleine Fehler korrigiert werden. Anschließend erfolgte eine zweite Auswertung der Szenen anhand der zuvor festgelegten Auswertungsfaktoren. Beim Vergleich der beiden Videoszenen einer Kategorie wurden die Reaktionen der pädagogischen Fachkräfte unter besonderer Berücksichtigung der vier Ausdruckskanäle und im Hinblick auf folgende Faktoren ausgewertet: Zugänglichkeit (automatisiert – sensitiv), Aufmerksamkeit (automatisiert – sensitiv), Generelle Haltung (Akzeptanz, Wertschätzung, Interesse, Respekt vor Autonomie), Involvement/Einlassen (Interesse, Engagement, Interaktion aufrecht zu erhalten), Emotionales Klima (eigene Begeisterung, Aufgreifen der Emotionen des Kindes) und Stimulation (Bestärkung, Selbstbewusstsein/ Selbstwirksamkeitsgefühl, keine Über- oder Unterstimulation, Einbringen eigener Ideen, Anregung zum Denken und Handeln). Ebenso sollte das kindliche Interaktionsverhalten näher untersucht werden. Die Signale der Kinder wurden deshalb markiert, kategorisiert61 und bewertet. Ich überprüfte, inwiefern die Reaktionen der Fachkräfte zu weiteren kindlichen Äußerungen oder zum Abbruch der Interaktion führen. Außerdem versuchte ich zu eruieren, inwieweit sie die Qualität weiterer kindlicher Interaktionsbeiträge beeinflussen. Nicht zuletzt sollten erste Vermutungen über mögliche Gründe der verschiedenen Folgen angestellt werden. Im sechsten Analyseschritt war es schließlich möglich, anhand sehr differenzierter Beschreibungen neue, feingliedrige Operationalisierungen für die „Sensitive Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte und für die Signale der Kinder zu bilden. Die dritte Auswertung der Szenen konnte deshalb mithilfe entsprechender Codierungen der Operationalisierungen durchgeführt werden62.
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Vgl. Kapitel 6 Vergleichende Textanalyse – Erkenntnisinteressen I, S.111ff beispielsweise nach den Faktoren „Mitteilungsbedürfnis“, „Hilfegesuch“, „Frage“ 62 Vgl. Kapitel 7.2 Das Interaktionsverhalten pädagogischer Fachkräfte – Erkenntnisinteressen I, S.155ff 61
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5.3.2 Reflexion der Analyse Zwischenbilanzen nach den einzelnen Analyseschritten stellten ein wichtiges Instrument für die Kontrolle, kritische Reflexion und flexible Entwicklung des Forschungsfortganges dar (Lueger 2000, S.84). Erste Hypothesen, Ideen, Gedanken, aber auch Fragestellungen, denen im weiteren Verlauf der Analyse nachgegangen werden sollten, konnten auf diese Weise festgehalten werden (Friebertshäuser 1997, S.519). Außerdem war es von besonderer Wichtigkeit, die eigenen Interpretationsperspektiven am interpretierten Sachverhalt methodisch zu prüfen. Um diesem Grundsatz der hermeneutischen Interpretation zu genügen, mussten eigene Interpretationen mit denen eines anderen Interpreten ausgetauscht werden (Rittelmeyer und Parmentier 2001, S.43). Werden hierfür in der Interaktionsanalyse kollaborative Analysesitzungen vorgeschlagen, griff ich während meines Auslandsaufenthalts in der Auswertungsphase aus pragmatischen Gründen auf einen fachexternen Diskussionspartner zurück, um meine subjektive Wahrnehmung zu reflektieren. Durch diesen Austausch bekam ich nicht nur ein Feedback aus einer unabhängigen und unbeteiligten Perspektive (Lueger 2000, S.72). Vielmehr konnte ich meinen Blick vielsichtiger ausrichten, einseitige Feststellungen korrigieren (Rohrmann 1996, S.21; Kazemi-Veisari 1995, S.14) und mich der eigenen Sichtweise auf die Erzieherinnen-Kind-Interaktionen vergewissern (Schneider 2003, S.30).
6 Vergleichende Textanalyse – Erkenntnisinteressen I
In einer vergleichenden Textanalyse werden die in der Literatur aufgeführten und bislang ungeordneten Hinweise zu einem feinfühligen pädagogischen Verhalten systematisiert und mit Ainsworth´s übergreifendem Konzept der Feinfühligkeit sowie den damit korrelierenden Konzepten in Verbindung gebracht. Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen theoretischen Ausführungen zielt darauf, das Feinfühligkeitskonzept für die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern neu zu definieren und zu operationalisieren, um diese Beziehungen anschließend auf diesen Aspekt hin untersuchen zu können.
6.1 Die Schwierigkeit der Definition und Operationalisierung eines komplexen Begriffs Untersucht man die vorliegende Literatur vor dem Hintergrund des Findens einer klaren Definition von Feinfühligkeit sowie den dazugehörigen präzisen Operationalisierungen, stößt man auf ein sehr uneinheitliches Bild. Schon allein die in der Forschung verwendeten Begrifflichkeiten differieren und reichen von „Feinfühligkeit“, „Responsivität“ und „Sensitivität“, über „Mütterliche Feinfühligkeit“ und „Elterliche Responsivität“, bis hin zu verwandten Begriffen wie „Akzeptanz“ und „Kooperation“. Da diese Begrifflichkeiten lediglich einen Ausschnitt der untersuchten und unter „Feinfühligkeit“ subsumierten Konzepte darstellen, verwundert es kaum, dass man in der Forschungsliteratur mit gleichermaßen nuanciert abweichenden Definitionen konfrontiert wird. Seit Mitte der 1990er Jahre weisen Wissenschaftler auf diesen Tatbestand hin. Van Ijzendoorn (1995) fand in unterschiedlichen Studien viel mehr als nur einen Indikator für „Elterliche Responsivität“: Help/Support, Sensitivity, Assistance, Involvement, Organization, Warmth, Structure, Positive/negative Affect, Anxiety, Structuring, Flexibility, Intrusiveness, Connectedness (Van Ijzendoorn 1995, S.395f). Zwei Jahre später machte Thompson (1997) darauf aufmerksam, dass „Sensitivität“ als umfassende konzeptionelle Rubrik zu verstehen sei, die eine ganze Bandbreite an affektiven und das erzieherische Verhalten betreffende
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Attribute umfasst. Diese stehen wiederum in wechselseitiger Beziehung. Demnach ist „Elterliche Sensitivität“ in den Augen Thompsons nicht nur ein Persönlichkeitsattribut, das sich günstig auf die Entwicklung von Bindungssicherheit auswirkt, sondern eine Verhaltensqualität vielfältigen Ursprungs mit situationsund entwicklungsspezifischen Auswirkungen (Thompson 1997, S.595ff). Ähnlich wie Thompson (1997) bezeichnet Van den Boom (1997) „Sensitivität” als hochkomplexes Phänomen, von dem zahlreiche Operationalisierungen existieren. Da „Sensitivität“ in der Forschung sowohl als eine für sich stehende Charaktereigenschaft definiert werde als auch als Überbegriff für eine Anzahl lediglich lose verknüpfter Aspekte elterlichen Verhaltens, fordert Van den Boom, die Definition des Sensitivitätsbegriffs zu überdenken. Dafür spreche auch, dass „Sensitivität“ einerseits als elterliche Disposition gesehen werde und andererseits als das besondere Merkmal einer Dyade, wobei ein und derselbe Erwachsene in den Interaktionen mit verschiedenen Kindern unterschiedliche Grade an feinfühligem Verhalten aufweist. Insgesamt sei das Konzept der „Sensitivität“ zu abstrakt, um die feinen Nuancen elterlichen Verhaltens zu fassen. Zudem fehle es ihm an einer ausreichenden kontextabhängigen Einbindung (Van den Boom 1997, S.595f63). Diese Auffassungen werden im deutschsprachigen Raum geteilt. Nach Papoušek lässt das Konzept der „Feinfühligkeit“ viel Spielraum für unterschiedlichste Definitionen und Operationalisierungen (Papoušek 2001, S.2). Ebenso sieht Graf in der „Elterlichen Responsivität“, „Feinfühligkeit“ und in der „Emotionalen Verfügbarkeit“ „überlappende, wenngleich nicht völlig identische Konstrukte“ (Graf o.Z., S.8). Für den Bereich der Mutter-Säuglings-Forschung zieht Papoušek deshalb den Schluss, dass immer wieder neu geprüft werden müsse, um welche Bedürfnisse und Signale des Babys es geht und was es im jeweiligen Zusammenhang heißt, diese Signale richtig zu verstehen sowie prompt und angemessen darauf zu reagieren (Papoušek 2001, S.2). Diese Folgerung lässt sich durchaus auf Beziehungen zwischen Erzieherinnen und Kindern übertragen. Auch in diesem Interaktionsbereich senden Kinder ganz unterschiedliche Signale, auf die dann die jeweils spezifischen Reaktionen der pädagogischen Fachkräfte über An- oder Unangemessenheit entscheiden. Zunächst gilt es jedoch, die hauptsächlich der Bindungstheorie entstammenden Begriffe und Definitionen von „Feinfühligkeit“ gegenüberzustellen, um schließlich eine passende Definition für den Elementarbereich zu generieren.
63
Vgl. dazu auch Crittenden o.Z., S.1
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6.2 Der Ursprung des Feinfühligkeitsbegriffs Grundlage für die Begriffsfindung ist die Beurteilungsskala „Sensitivity versus Insensitivity to the Baby´s Communications“64, die erstmals im Anhang von Ainsworth, Bell und Stayton (1974) erschienen ist65. Mary Ainsworth und Kollegen entwickelten diese 9-Punkte-Skala zur Auswertung von Protokollen über das Verhalten von Müttern gegenüber ihren Babys. Mithilfe dieser Auswertungen sollten Zusammenhänge zwischen Bindung, Erkundung und Lernfähigkeit von sehr jungen Kindern gezeigt werden. Grossmann (1977) übersetzt die Skala mit: „Feinfühligkeit versus Unempfindlichkeit gegenüber den Signalen des Babys“ und definiert „Feinfühligkeit“ in Anlehnung an Ainsworth (1974) wie folgt: „Feinfühligkeit erfasst die Fähigkeit der Mutter, die Signale und Kommunikationen, die im Verhalten ihres Kindes enthalten sind, richtig wahrzunehmen und zu interpretieren, und wenn dieses Verständnis vorhanden ist, auf sie angemessen und prompt zu reagieren.“ Darüber hinaus nennt der Autor vier Bestandteile, die Ainsworth (1974) hinsichtlich der „mütterlichen Feinfühligkeit“ als unerlässlich erachtete (Ainsworth 1974/2003, S.414; Grossmann 1977, S.98): a) b) c) d)
Die Mutter muss die Signale bemerken, sie muss die Signale richtig interpretieren, sie muss sich auf die Signale hin angemessen verhalten und sie muss auf die Signale prompt reagieren.
In der Zugänglichkeit der Mutter sieht Ainsworth (1974) eine notwendige Voraussetzung, dass eine Mutter die Kommunikationen ihres Babys feinfühlig bemerken kann. Daneben spiele der Faktor Aufmerksamkeit eine große Rolle, denn nur so könne eine Mutter auf die „subtilsten, geringsten, wenig ausgeprägten Merkmale des Babys“ feinfühlig reagieren (Grossmann 1977, S.99; Ainsworth 1974/2003, S.414). Folglich müssen sehr feinfühlige Mütter die Befindlichkeit ihres Säuglings wahrnehmen, ihr Kind aufmerksam im Blick haben und dürfen keine zu hohe Wahrnehmungsschwelle besitzen (ebd.; Grossmann et al. 2004, S.236). Nach Spangler (1999) sind in diesem interpsychischen Regulationsprozess zwischen Kind und Bezugsperson neben den Aufmerksamkeitsprozessen auch Bewertungsprozesse eine wesentliche Komponente. Nur wenn feinfühlige Bezugspersonen das teilweise sehr unspezifische Ausdrucksverhalten des Kindes richtig wahrnehmen, können sie die kindlichen Bedürfnisse richtig erschließen (Spangler 1999, S.181). 64 65
Vgl. Kapitel 1.3.1 Das theoretische Konstrukt des menschlichen Bindungssystems, S.45ff Ainsworth, Bell und Stayton 1974, S.127 – S.133; Ainsworth 1974/2003, S.414
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Die Erfüllung des zweiten Feinfühligkeitsbestandteils setzt nach Ainsworth (1974) voraus, dass Mütter sehr aufmerksam sind sowie über die Fähigkeiten verfügen, Dinge ohne Verzerrung wahrzunehmen und sehr einfühlsam zu sein (Ainsworth 1974/2003, S.415; Grossmann 1977, S.99). Auf diese Weise können sie die Äußerungen des Säuglings aus seiner Lage heraus und unabhängig von den eigenen augenblicklichen Bedürfnissen richtig interpretieren (Grossmann et al. 2003, S.236; Spangler 1999, S.181). Über die An- bzw. Unangemessenheit der mütterlichen Reaktionen entscheidet laut Ainsworth (1974) die Vermeidung von Über- und Unterstimulationen des Kindes (Ainsworth 1974/2003, S.416; Grossmann 1977, S.101f). Das bedeutet, dass die Reaktionen der Mütter nicht mehr, aber auch nicht weniger umfassen sollten, als was vom Säugling verlangt wurde. Außerdem müssen die mütterlichen Reaktionen im Einklang mit den Entwicklungsprozessen des Kindes stehen, was einerseits eine hohe Kompromissbereitschaft der Bindungspersonen fordert, andererseits ein feinfühliges Verhalten gegenüber Überbehütung abgrenzt. Indem Mütter Kindern nichts abnehmen, was sie selbst tun könnten, fördern sie dieser Sichtweise folgend nicht nur deren Entwicklung, sondern bezeugen auch ihren Respekt vor der kindlichen Autonomie (Grossmann et al. 2003, S.236; Dornes 2000, S.53). Nicht zuletzt sorgt die Promptheit der mütterlichen Reaktion laut Ainsworth (1974) dafür, dass das Kind einen Zusammenhang zwischen dem eigenen (Kommunikations-)Verhalten und einem spannungsmildernden Effekt der mütterlichen Handlungen finden kann. Das Kind entwickelt in der Folge ein erstes Gefühl der eigenen Effektivität und Kompetenz beim Einwirken auf seine soziale Umwelt (Grossmann et al. 2003, S.236; Ainsworth 1974/2003, S.414ff). Soll sich das Kind nicht hilflos fühlen, besteht ein weiterer notwendiger Bestandteil von Feinfühligkeit darin, „die Signale des Babys in wirkungsvoller Weise anzuerkennen und ihm zu zeigen, dass man bereit ist, auf sie einzugehen“ (Grossmann 1977, S.103). Wie bedeutsam ein solch feinfühliges Verhalten gerade in Bezug auf die kindliche Emotionsregulation ist, belegen die Ausführungen von Friedlmeier (1999). Sensitive Bezugspersonen vermitteln Kindern das Gefühl der Nützlichkeit ihrer Emotionen, da sie in negativen Reizsituationen auf die Appelle und Handlungen der Kinder reagieren. Auf Grundlage dieser Erfahrung gewinnen Kinder das Gefühl für die Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit der Modulierung eigener Emotionen und sie verstärken dadurch ihr Wirksamkeitsgefühl der Emotionsregulation (Friedlmeier 1999, S.214).
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6.3 Sensitivität, Responsivität und Sensitive Responsivität Wie Grossmann (1977, 2003) haben sich zahlreiche weitere Forscher der Ainsworth´schen Definition von „Feinfühligkeit“ angeschlossen66. Meist unter direkter Bezugnahme auf die Wissenschaftlerin heben sie die Schnelligkeit und Promptheit sowie die Angemessenheit der mütterlichen Reaktionen als entscheidende Kriterien für ein feinfühliges Verhalten hervor und benennen die vier Bestandteile mütterlicher Feinfühligkeit nach Ainsworth. Hinsichtlich der Begrifflichkeiten wird von „Sensitivity“, „Sensitivität“ und „Feinfühligkeit“ gesprochen, wobei die Begriffe zumeist synonym verwendet werden. Ergänzende Ausführungen zu der eigentlichen „Feinfühligkeitsdefinition“ findet man bei Bowlby (1986), De Wolff und Van Ijzendoorn (1997), Spangler (1999) sowie bei Simó et al. (2000). Bowlby (1986) verwendet den Begriff der „Mütterlichen Art“, wenn er von feinfühligem Verhalten spricht und benutzt damit nicht nur einen anderen Begriff von Sensitivität, sondern erachtet Feinfühligkeit noch stärker als andere Autoren als Eigenschaft der Mutter. Auch bei der Hervorhebung von entscheidenden Variablen für die Entwicklung von Bindungsverhalten, d.h. notwendigen Bestandteilen von Feinfühligkeit, gebraucht der Bindungsforscher differierende Begriffe. Er spricht von der „Mütterlichen Empfindlichkeit des Reagierens“ auf die Signale des Babys und vom „Ausmaß und Wesen der Interaktion“ zwischen Mutter und Baby. Wie die zuvor aufgeführten Wissenschaftler erwähnt Bowlby (1986) die Notwendigkeit des prompten und angemessenen Reagierens, erläutert dieses in Anlehnung an Ainsworth jedoch auch als das sich häufig Miteinander-Beschäftigen „in geselliger Weise zum Vergnügen beider Partner“ (Bowlby 1986, S.289 mit Verweis auf Ainsworth 1967, Kap. 23). Damit betont er erneut die zuvor in seiner Definition der „Mütterlichen Art“ erwähnte „lebendige soziale Interaktion mit dem Kind“ (ebd., S.281). Ähnlich wie Bowlby (1986) heben De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) „aktive und fröhliche Interaktionen“ hervor, die in ihren Augen entstehen, wenn Mütter „Sensitivity in responding“ zeigen, also feinfühlig reagieren. Die beiden Forscher definieren diese neue Begrifflichkeit als soziale Initiativen, die erfolgreich in Bezug auf die Herstellung eines wechselseitigen Austauschs verlaufen (De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.571). Spangler (1999) bringt zudem die Begriffe der „Fürsorglichkeit“ und „Verfügbarkeit“ sowie den Begriff der „Responsivität“ mit ins Spiel, wenn es um die Definition von Feinfühligkeit bzw. Sensitivität geht. Seiner Auffassung nach reagieren feinfühlige Mütter prompt 66
Dornes 2000, S.44; Graf 2000, S.9; Simó et al. 2000, S.119; Spangler 1999, S.181f; Friedlmeyer 1999, S.214; Thompson 1997, S.596; De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.573 und S.584; Bowlby 1986, S.289
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und „fürsorglich“ auf die Signale der Kinder (Spangler 1999, S.177). Dabei stehen sie den Kindern als „responsive“ und „verfügbare“ Bindungspersonen zur Verfügung (ebd., S.186). Wie Spangler spricht auch Papoušek (2001) im selben Atemzug von „Responsivität“ und „Feinfühligkeit“, die in ihren Augen als drittes Merkmal zum Verhaltensrepertoire der intuitiven elterlichen Kompetenzen gehören. Die Forscherin sieht in der „Responsivität“ oder „Feinfühligkeit“ die „Fähigkeit und Bereitschaft, sich im Antworten und Anregen von den kindlichen Auslöse- und Rückkopplungssignalen leiten zu lassen und damit abzustimmen“. Aufnahmebereitschaft, Erregungsniveau, Befindlichkeit und Ermüdung, die perzeptiven und integrativen Fähigkeiten und Grenzen sowie die momentanen Vorlieben, Initiativen, Absichten und Bedürfnisse des Kindes seien hierbei zu berücksichtigen (Papoušek 2001, S.4). Die Arbeitsgruppe um Simó (2000) verwendet ebenfalls die Begriffe „Sensitivität“, „Feinfühligkeit“ und „Responsivität“ und bezieht sie in erster Linie auf das feinfühlige Verhalten von Müttern. Die Autoren sprechen von feinfühligen, harmonischen Interaktionserfahrungen, die Kinder mit ihren Müttern machen, wenn diese prompt und angemessen auf die Signale der Kinder reagieren und zudem „zugewandt“ und „emotional verfügbar“ sind (Simó et al. 2000, S.118ff). Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass „Sensibilität“ auch als das Erkennen und angemessene Interpretieren der kindlichen Signale gelehrt werden kann und Mütter nach gezielter Intervention „responsiver“ werden, die Signale ihrer Kinder besser wahrnehmen und sie angepasster „stimulieren“ (ebd., S.135 mit Verweis auf Van den Boom 1995, 1997). Simó und Kollegen (2000) sehen Feinfühligkeit als die Fähigkeit von Müttern, nicht nur Entwicklungskompetenzen und aktuelle kindliche Bedürfnisse in der Interaktion angemessen zu beachten, sondern auch das jeweilige Alter des Kindes. Schließlich betrachten Simó et al. verstärkt den dynamischen Charakter mütterlicher Sensitivität, die sich ihrer Ansicht nach erst in der Interaktion mit dem Kind herausbildet und sich fortwährend weiter entwickelt (ebd.). Geht man einige Jahre zurück, findet man in der Forschungsliteratur den Begriff der „Mütterlichen Responsivität“ bei einer Untersuchung von Crockenberg (1981). Crockenberg definiert unter „Maternal Responsiveness“ den Durchschnittswert an Sekunden, bevor eine Mutter auf die (Not-)Signale ihres Kindes reagiert (Crockenberg 1981, S.859) und unterscheidet „Sensitivität“ und „Responsivität“ („Sensitivity and responsiveness to their cues“) (ebd., S.857). Van Ijzendoorn (1995) verfährt einerseits ähnlich wie Crockenberg und differenziert zwischen „Sensitivität“ und „Responsivität“ („…the degree of sensitivity and responsiveness with which each parent react to infant attachment signals“), spricht andererseits aber auch von der Wichtigkeit „Sensitiver Responsivität“ („Importance of role of sensitive responsiveness“) (Van Ijzendoorn 1995,
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S.389). Auch Van den Boom (1994) und Isabella (1993) benutzen den Begriff der „Sensitiven Responsivität“. Van den Boom (1994) versteht unter „Sensitiver Responsivität“ die mütterliche Fähigkeit, die kindlichen Signale aufmerksam zu beobachten, sie genau zu bemerken und zu verstehen sowie angemessen und fortwährend darauf zu reagieren (Van den Boom 1994, S.1457f). Isabella (1993) legt in seinen Untersuchungen in Anlehnung an Ainsworth´s Feinfühligkeitsskala ebenfalls den Fokus darauf, inwiefern sich Mütter aufmerksam, angemessen und konsistent in ihren Interaktionen mit ihren Kindern verhalten. Dabei wird berücksichtigt, dass es eine ganze Bandbreite an mütterlichem Verhalten gibt, die es bei der Mutter-Kind-Interaktion zu beachten gilt. Isabella (1993) subsumiert deshalb unter „Sensitive Responsivity“ die Summe der BeobachterRatings hinsichtlich der Faktoren „Sensitivität“, „Kooperation“, „Angemessenheit der Antwort“, „Positiver Affekt“ sowie „Innere Beständigkeit“ (internal consistencies) (Isabella 1993, S.611). Dieses Verfahren deckt sich mit einer späteren Äußerung Van den Booms (1997), in der sie postuliert, dass „Sensitivity“ nicht als elterliche Verhaltensdisposition zu betrachten sei, die getrennt von anderen Dimensionen bestehe, sondern die vielmehr sämtliche interaktiven Verhaltensweisen durchdringe (permeat) und sich darin widerspiegele. Im Gegensatz zu De Wolff und Van Ijzendoorn (1997), die „Sensitivity“ als einen Bestandteil der elterlichen Verhaltenskomponenten verstehen, verweist Van den Boom (1997) auf die Verwobenheit und das Zusammenspiel der verschiedenen Dispositionen. In ihren Augen kommt es in erster Linie darauf an, wie Eltern ihr Verhalten mit dem des Kindes verflechten (interweave) und abstimmen, damit der Austausch während des Interaktionsflusses vorangetrieben und nicht unterbrochen wird. Dies betreffe die Komponenten Stimulation, Spiel, Instruktion und Kontrolle gleichermaßen (Van den Boom 1997, S.593).
6.4 Zur Differenzierung des Sensitivitätskonstrukts Welch vielfältige Verhaltensweisen in der Forschung mit dem Begriff der „Sensitivität“ (bzw. ähnlichen Bezeichnungen) erfasst werden, belegt eine Metaanalyse von De Wolff und Van Ijzendoorn (1997). In ihrer Studie zeigen die Forscher, wie unterschiedlich und teilweise methodisch schwach „Sensitivität“ in zahlreichen Untersuchungen erfasst wird67 (De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.572). Außerdem identifizieren die Wissenschaftler 55 verschiedene Konstrukte, die sich alle auf die mannigfaltigen Aspekte mütterlichen Verhaltens bezie67 Einzelne Hausbesuche, umfangreiche Laboruntersuchungen, Elterninterviews, Messung der Frequenz des körperlichen Kontakts, Interviews, Fragebogen
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hen. Hierzu gehören Körperkontakt, Beteiligtsein (Involvement), Unterstützung, Stimulation, Sensitivität, verbale Responsivität, Freude in der Interaktion, Mutualität/Gegenseitigkeit (Mutuality) zwischen Mutter und Kind sowie die Frequenz der positiven Reaktionen auf das Kind (ebd., S.573). Um die Anzahl der Konstrukte zu reduzieren, ordneten De Wolff und Van Ijzendoorn 15 der Konzepte jeweils einem der im Vorfeld ausgemachten vier Kategorien zu: „Sensitivity“, „Contiguity of Response“, „Physical Contact“ und „Cooperation“ (ebd.). Mit der Kategorie „Sensitivity“ beziehen sich die Forscher auf die Ainsworth´sche Definition von Feinfühligkeit und definieren sie als die mütterliche Fähigkeit, kindliche Signale korrekt wahrzunehmen sowie prompt und angemessen darauf zu reagieren (ebd., mit Verweis auf Ainsworth, Bell und Stayton 1974). Unter „Contiguity of Response“ verstehen sie die Promptheit oder auch die Frequenz der mütterlichen Antworten auf die Signale des Kindes. Im Gegensatz zum Konzept der „Sensitivity“ wird das Verhalten von Müttern bei der „Contiguity of Response“ nicht qualitativ gemessen, d.h. die Angemessenheit des Verhaltens ist in dieser Kategorie irrelevant. Aus diesem Grund lehnen die Wissenschaftler für diese Kategorie die Verwendung des in diesem Zusammenhang häufig gebrauchten Begriffs der Responsivität ab. Mit „Responsiveness“ bzw. „Sensitive Responsiveness“ werde oftmals auch „Sensitivity“ indiziert. Das Konzept der „Contiguity of Response“ soll nach De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) präzisere Unterscheidungen ermöglichen (ebd.). Die Dimensionen „Physical Contact“ und „Cooperation“ beinhalten demgegenüber wieder einen qualitativen Faktor. Insbesondere „Cooperation“ wird nach Ainsworth und Kollegen (1974) definiert und bezieht sich auf die An- bzw. Abwesenheit eines aufdringlichen oder sich einmischenden Verhaltens (ebd., mit Verweis auf Ainsworth, Bell und Stayton 1974). Grossmann (2003) führt hierzu ergänzend aus, dass es zu einem feinfühligen kooperierenden Verhalten gehöre, eigene Pläne mit den Bedürfnissen des Kindes in Einklang zu bringen und diese nicht rücksichtslos auf Kosten des Babys durchzusetzen. Die Mutter respektiert demzufolge das Kind als eigene Persönlichkeit mit eigenen Gefühlen, Gedanken und Absichten (Grossmann et al. 2003, S.237). Isabella (1993) betont in diesem Zusammenhang das Timing und die Qualität der eigenen Interventionen und Initiationen mit dem Zustand, der Gemütslage und den gegenwärtigen Interessen des Kindes abzustimmen (Isabella 1993, S.610). Nach Grossmann (2003) korreliert das Konzept der Kooperation (wie auch Ainsworth´s Konzept der Annahme des Kindes) hoch mit mütterlicher Feinfühligkeit, erfasst aber auch weitere Aspekte mütterlichen Verhaltens (Grossmann et al. 2003, S.237). Vierzig weitere Konstrukte, die zu anderen mütterlichen Interaktionsweisen als den bisher aufgeführten vier Kategorien gehören, wurden von einer von De
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Wolff und Van Ijzendoorn (1997) beauftragten Expertengruppe fünf weiteren Clustern zugeordnet. Diese Cluster orientieren sich an dem Grad der Übereinstimmung mit Ainsworth´s Feinfühligkeitskonzept und ihrer Wichtigkeit in Bezug auf die Entwicklung von Bindungsbeziehungen (De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.573f). Das Cluster „Synchrony“ bezieht sich hierbei auf das Ausmaß, in dem die Interaktion wechsel- und gegenseitig lohnend erscheint (ebd., S.574). Das Konzept der „Mutuality“ ist an Kiser, Bates, Maslin und Bayles (1986) angelehnt und bezeichnet die Anzahl an positiven Austauschsequenzen, in denen Mutter und Kind ihre Aufmerksamkeit derselben Sache widmen (ebd.). Zudem ist mit „Mutuality“ die mütterliche Fähigkeit gemeint, sich der kindlichen Erregung anzupassen, das Ausmaß abzustimmen, in dem sie das Kind unterhält sowie ihre Responsivität auf die kindlichen Signale. Kennzeichnend für das kindliche Verhalten sind bezüglich des Faktors „Mutuality“ der Ausdruck positiver Affekte, die Abwesenheit von Vermeidungsverhalten, die aktive Aufrechterhaltung der Interaktion und der Grad des Anblickens der Mutter (ebd., S.575). Im Cluster „Support“ stellt „Supportive Presence“ ein zentrales Konzept dar. Von Matas, Arend und Sroufe (1978) wurde dieses folgendermaßen definiert: „The extent to which the mother appeared attentive and available to the children and supportive to their efforts. A high score on supportive presence involved meeting two criteria: (a) Providing a secure base by helping the child feel comfortable, and (b) being involved as manifested by the attentiveness to the child and to the task” (ebd.; Matas, Arend und Sroufe 1978, S.350). Bezüglich des Clusters „Positive Attitude“ beziehen sich De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) auf das Konstrukt der „Affective Qualitiy“ nach Zaslow, Rabinovich, Suwalsky und Klein (1988). Diese beschreiben das Konzept als den mütterlichen Ausdruck von positiven und negativen Affekten gegenüber ihren Kindern sowie als den Grad, in dem Mutter und Kind sich in wechselseitigen Interaktionen miteinander beschäftigen (ebd.68). Isabella (1993) konkretisiert diese mütterlichen Affekte und nennt bezüglich der positiven Affekte das Lächeln und einen liebevollen Ton sowie hinsichtlich der negativen Affekte Feindseligkeit, Ärger, Frustration und Wut (Isabella 1993, S.610). Grundsätzlich sieht Van Ijzendoorn (1995) den Austausch zwischen elterlichen und kindlichen Gesichtsausdrücken in den Untersuchungen zur Responsivität als zu wenig beachtet. Die Messungen der „Sensitive Responsiveness“ fassen seiner Ansicht nach nicht alle relevanten Aspekte der Offenheit von Kommunikation, was Van Ijzendoorns Forderung nach genaueren Beobachtungen zum „Affect attunement“ nach sich zieht (Van Ijzendoorn 1995, S.399). Laut 68
Mit Verweis auf Zaslow, Rabinovich, Suwalsky und Klein 1988, S.290
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Stern stellt diese Affektabstimmung „eine Ausführung von Verhaltensweisen dar, die die Gefühlsqualität eines gemeinsamen Affektzustands zum Ausdruck bringen, ohne die Verhaltensäußerung des inneren Zustands exakt zu imitieren“ (Stern 1992, S.203). Die mütterlichen Reaktionen haben also etwas mit dem ursprünglichen Gefühlszustand des Kindes zu tun und ahmen nicht nur dessen Verhalten nach (ebd., S.199). Merkmale der Affektabstimmung sind Intensität, Zeitmuster und Gestalt, die in sechs stärker spezifizierte Entsprechungs- oder Angleichstypen zerlegt werden: Absolute Intensität, Intensitätskontur, Takt, Rhythmus, Dauer, Gestalt (ebd., S.10969). Nicht zuletzt sehen De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) in der „Stimulation“ jede Handlung auf mütterlicher Seite, die sich direkt an das Kind richtet (De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.575). Isabella (1993) nimmt hier eine Unterscheidung vor und differenziert zwischen verbaler (stimulierendem Ton) und physischer Stimulation (direkte Stimulation des kindlichen Körpers) (Isabella 1993, S.610). Augenscheinlich ist im Cluster „Stimulation“ wieder die Nähe zu Ainsworth´s Feinfühligkeitskonzept, im Rahmen dessen sie postuliert, Kinder angemessen zu stimulieren (Grossmann 1977, S.101f). Obwohl die fünf Cluster nach De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) zum Teil lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Konzept der „Sensitivity“ stehen, spielen sie nach Meinung der Autoren – wie auch die weiteren Merkmale des elterlichen Fürsorgeverhaltens nach Ainsworth: „Acceptance“, „Cooperation“ und „Accessibility“ – eine gleichartige Rolle hinsichtlich der Entwicklung von Bindungsbeziehungen (De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.571 und S.585). Aus diesem Grund plädieren die Wissenschaftler für einen multidimensionalen Ansatz hinsichtlich elterlicher Verhaltenskomponenten: „A multidimensional approach of parenting antecedents should replace the search for the unique contribution of sensitivity“ (ebd.).
6.5 Involvement Abschließend möchte ich auf eine letzte Komponente elterlicher Responsivität hinweisen, auf die Van Ijzendoorn (1995) aufmerksam gemacht hat und die von weiteren Forschern aufgegriffen wurde70. Gemeint ist das „Involvement“, d.h. die innere starke Beteiligung und das Sich-Einlassen der Bezugspersonen während der Interaktionen mit Kindern. Bereits 1981 erfasste die Forschergruppe um Anderson mit einem „Involvement Score“ dieses Interaktionsverhalten von 69
Vgl. dazu Friedlmeier 1999, S.216 und Dornes 1997, S.154f sowie Kapitel 1.1.3 dieser Arbeit Unter anderem von De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.573ff auch mit Verweis auf Matas, Arend und Sroufe 1978, S.350 70
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pädagogischen Fachkräften im Umgang mit Kindern. Anderson und Kollegen (1981) verstehen unter Involvement die durchschnittliche Prozentzahl an Minuten, in der eine Erzieherin mit einem Kind interagiert. Die Wissenschaftler ermittelten diese Zeit an zweitägigen Besuchen in Kindertageseinrichtungen in jeweils acht 5-Minuten-Intervallen während des Freispiels. Bei der Auswertung unterscheiden die Forscher, ob überhaupt eine Interaktion stattfindet, welcher Abstand zwischen Erzieherin und Kind herrscht und ob die Interaktion als positiv oder negativ eingestuft werden kann. Die Gruppe um Anderson kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich die Involviertheit der Erzieherinnen signifikant auf die Kontaktsuche, das Explorations- und das Interaktionsverhalten der Kinder auswirkt (Anderson et al. 1981, S.57ff). Da sich die Wissenschaftler jedoch unter anderem den Untersuchungsergebnissen Kagan´s, Kearsley´s und Zelazo´s (1978) anschließen, die die Interaktionsqualität im Unterschied zur Quantität als entscheidend für die Entwicklung und den Bestand positiver Beziehungen betonen, schlussfolgern Anderson et al. (1981), dass aufwändigere und differenziertere Methoden zur Erfassung der Interaktionsqualität notwendig seien als die von ihnen angewandte, sehr einfache und abstrakte Unterscheidung in positive und negative Interaktionen. In ihren Augen ist es sinnvoller, ein InvolvementScore für jedes Erzieher-Kind-Paar zu ermitteln als sich auf einen allgemeingültigen Level des Erzieher-Involvements zu beziehen (Anderson et al. 1981, S.60). Wie wichtig die Komponente des „Involvements“ in Bezug auf die Feinfühligkeit in der Erwachsenen-Kind-Interaktion ist, erkennt man daran, dass neben der Forschergruppe um Anderson auch weitere Wissenschaftler das Konstrukt der „Involviertheit“ aufgegriffen und untersucht haben. Sowohl Isabella (1993) und Van den Boom (1994) als auch Howes und Hamilton (1992) haben nachgewiesen, dass sich das Interaktionsengagement von Müttern (Isabella 1993, S.606; Van den Boom 1994, S.1458) und Erzieherinnen (Howes und Hamilton 1992, S.859) günstig auf die Entwicklung von Bindungsbeziehungen auswirkt.
6.6 Zwischenfazit Die vergleichende Textanalyse hat verdeutlicht, welch zahlreiche Begrifflichkeiten unter dem Konzept der Feinfühligkeit gefasst werden und wie unterschiedlich, jedoch teilweise auch sehr ähnlich und überlappend der Begriff der Feinfühligkeit definiert wird. Bevor ein Begriff und eine Definition für diese Arbeit festgelegt wird, werden die verschiedenen Konstrukte in einer Tabelle übersichtlich dargestellt. Die Übersicht bildet hierbei sowohl die Hauptbegriffe
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des Feinfühligkeitskonstrukts mit ihrer auf Ainsworth zurückgehenden Definition ab als auch die weiteren Konzepte nach Ainsworth, auf die in der Literatur zumeist Bezug genommen wird. In der Spaltenübersicht finden sich Begrifflichkeiten, die entweder als eigenständige Konzepte hoch mit dem ursprünglichen Feinfühligkeitskonzept korrelieren oder die von Forschern als Merkmale eines feinfühligen Verhaltens genannt werden. Die unteren beiden Tabellenabschnitte greifen schließlich weitere Kennzeichen von Feinfühligkeit auf, auf die in der Wissenschaft nur vereinzelt Bezug genommen wird, die aber gegebenenfalls für spätere Operationalisierungen des Feinfühligkeitskonstrukts der Erzieherinnen-Kind-Interaktion herangezogen werden können.
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Übersicht 6.1: Begrifflichkeiten zur „Feinfühligkeit“ Feinfühligkeit, Sensitivität, Sensibilität, Responsivität, Sensitivity in Responding, Sensitive Responsivität, Mütterliche Feinfühligkeit, Mütterliche Responsivität, Mütterliche Art, Mütterliche Empfindlichkeit des Reagierens, Elterliche Responsivität, Verbale Responsivität Signale richtig wahrnehmen und interpretieren, Auf Signale angemessen und prompt reagieren Akzeptanz, Kooperation, Zugänglichkeit
Accessibility, (emotionale) Verfügbarkeit, Fürsorglichkeit, Zugewandtheit, Aufmerksamkeit
Stimulation, Intrusiveness (Aufdringlichkeit), Über- und Unterstimulation,
Bewertungen
Autonomie
Involvement, Support/Help, Supportive Presence, Assistence, Unterstützung
positiver/ negativer Affekt, positive Attitude, affective Quality Affect attunement
Warmth
Mutuality (Gegenseitigkeit), Synchrony, Abstimmung
Contiguity of Response
Ausmaß und Wesen der Interaktion, Sich-Beschäftigen in geselliger Weise zum Vergnügen beider Partner, Lebendige soziale, aktive und fröhliche, harmonische Interaktion, Freude in der Interaktion Physical Contact, Organization, Structure, Anxiety, Flexibility, Connectedness
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6.7 Auswahl der Begrifflichkeit und Definition Möchte man eine Begrifflichkeit für das feinfühlige Verhalten von pädagogischen Fachkräften in ihren Interaktionen mit Kindern wählen, so scheiden Begriffe aus, die sich sehr dezidiert auf die Interaktionen zwischen Müttern bzw. Eltern mit ihren Kindern beziehen (Mütterliche Feinfühligkeit etc.). Ebenso erscheinen Begrifflichkeiten aus dem englischen Sprachraum wie „Sensitivity“ oder einschränkende Begriffe wie „Verbale Responsivität“ für den Untersuchungsgegenstand dieser Studie nicht angemessen. Auch kommt die Auswahl eines Begriffs aus weiteren Konzepten Ainsworth´s (Akzeptanz, Kooperation, Verfügbarkeit) ebenso wenig in Frage wie die Wahl eines mit dem Feinfühligkeitskonzept korrelierenden Konstrukts (z.B. Stimulation, Involvement). Diese Konzepte beziehen sich zu sehr und zu spezifisch auf eine isolierte Komponente feinfühligen Verhaltens und würden die Feinfühligkeit in der ErzieherinnenKind-Interaktion allein nicht fassen können. Deshalb ist es meines Erachtens sinnvoller, diese Konstrukte als spätere Operationalisierungen auszuwählen, um damit genau beschreiben zu können, welche Aspekte des erzieherischen Interaktionsverhaltens unter feinfühlig verstanden und untersucht werden. Zur Wahl eines zentralen Begriffs für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit stehen aus genannten Gründen die Begriffe Feinfühligkeit, Sensitivität und Responsivität zur Verfügung. Da ich mich hinsichtlich der Definition hauptsächlich auf Ainsworth´s (1974) Feinfühligkeitskonzept beziehen möchte und es mir zusätzlich auf das Antwortverhalten, d.h. die Reaktionen der pädagogischen Fachkräfte auf die Kinder ankommt, erscheint mir eine Kombination der Begriffe Sensitivität und Responsivität, wie sie auch Van den Boom (1994) und Isabella (1993) vorgenommen haben, als angemessen. In der Psychologie wird unter Response im Allgemeinen eine „Antwort“ bzw. das „Verhalten auf einen Reiz hin“, die „Folge eines Reizes“, aber auch „jegliches (spontane) Verhalten“ verstanden. Die Bezeichnung der „Response“ wird für „physiologische (reflexhafte) und psychologische Vorgänge (komplexe, emotionale und verbale) Handlungen verwendet“ (Brunner und Zeltner 1980 mit Verweis auf Zeier 1976). Entsprechend dazu findet man für den englischen Begriff des „responding“ die deutsche Übersetzung „antworten“, für das Wort „responsive“ demzufolge „reagierend“, „auf jemanden/etwas ansprechen“, „auf jemanden/etwas eingehen“, „auf jemanden/etwas reagieren“. Der Begriff „Responsiveness“ wird mit „Ansprechbarkeit“ und „Empfindlichkeit“ übersetzt, „Responsivity“ mit „Ansprechempfindlichkeit“. Für „Sensitivity“ werden die Übersetzungen „Empfindlichkeit“, „Sensitivität“ und „Zartgefühl“ aufgeführt, für „sensitive“ „einfühlsam“, „empfindlich“, „feinfühlig“, „leicht reagierend“ und „empfindsam“.
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Obwohl die Begrifflichkeiten „Sensitivität“ und „Responsivität“ damit nach wie vor nicht ganz trennscharf sind, besteht die Tendenz, mit dem Begriff der „Responsivität“ das Antworten und Reagieren an sich zu fokussieren. Dies entspräche auch den Ausführungen De Wolff´s und Van Ijzendoorn´s (1997) zu den Konzepten der „Responsiveness“ und der „Contiguity of Response“, bei denen es darum geht, überhaupt und prompt zu reagieren. Der Begriff der „Sensitivität“ umfasst demgegenüber eher einen qualitativen Faktor, d.h. den des Wie des Antwortens. Die Betonung des Begriffs der „Sensitivität“ liegt damit klar auf der Angemessenheit bzw. der Feinfühligkeit des Antwortverhaltens. Mit dem Begriff der „Sensitiven Responsivität“ kann meines Erachtens der Untersuchungsgegenstand dieser Studie am besten gefasst werden. Das heißt: Reagiert eine pädagogische Fachkraft überhaupt auf ein Kind (Responsivität)? Und wenn ja, fällt ihre Reaktion (mehr oder weniger) feinfühlig aus (Sensitivität)? Obwohl Responsivität bereits ein Minimum an Sensitivität impliziert, ist die Betonung beider Begriffe in meinen Augen für diese Arbeit zentral. Mit der Inklusion des Begriffs „sensitiv“ wird zudem indirekt auf das Konzept von Ainsworth hingewiesen, das dieser Arbeit als Grundlage dienen soll. Nicht zuletzt lenkt die Verwendung des Begriffs der Responsivität die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Untersuchungsgegenstand, nämlich das Antwortverhalten von Erzieherinnen. Daraus folgernd und Bezug nehmend auf Mary Ainsworth (1974)71 habe ich folgende Definition von „Sensitiver Responsivität“ gewählt: Eine Erzieherin, die mit sensitiver Responsivität auf die Signale von Kindergartenkindern reagiert, muss: 1. die Signale des Kindes bemerken und 2. sich auf die Signale des Kindes hin angemessen verhalten. Da eine angemessene Reaktion einer pädagogischen Fachkraft auf die Signale eines Kindes die prompte Reaktion auf diese Signale sowie deren richtige Interpretation impliziert, habe ich die ursprüngliche Definition von Ainsworth für die Erzieherinnen-Kind-Interaktion entsprechend geändert. Welche Komponenten unter diesem angemessenen Antwortverhalten subsumiert werden, wird nun dargelegt.
71
Vgl. Kapitel 6.2 Der Ursprung des Feinfühligkeitsbegriffs, S.113ff
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6.7.1 Grundlagen der Operationalisierung „Sensitiver Responsivität“ Die Operationalisierung des Begriffs der „Sensitiven Responsivität“ impliziert an erster Stelle die genaue Prüfung der 5-stufigen Feinfühligkeitsskala von Mary Ainsworth (1974), die von Grossmann (1977) übersetzt wurde (Grossmann 1977, S.104ff; Ainsworth 1974/2003, S.414ff). Ainsworth (1974) differenziert zwischen sehr feinfühligem, feinfühligem, unbeständig feinfühligem und wenig feinfühligem Verhalten sowie fehlender Feinfühligkeit von Müttern gegenüber den Signalen ihres Babys. Stellt diese Fokussierung der Mutter-Säuglings-Interaktion eine erste Schwierigkeit hinsichtlich der Übertragbarkeit der Ainsworth´schen Operationalisierungen auf die Erzieherinnen-Kind-Interaktion dar, kommt erschwerend hinzu, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Skalenstufen teilweise recht unspezifisch beschrieben sind. So findet man bei der Erläuterung eines feinfühligen mütterlichen Verhaltens Formulierungen wie „Sie ist nicht ganz so gut auf die subtileren Verhaltensweisen des Babys eingestimmt als die sehr feinfühlige Mutter“ oder „Ihre Reaktionen sind nicht in gleicher Weise beständig, prompt und in feinfühliger Weise angemessen wie die von Müttern mit höherem Punktwert“ (Grossmann 1977, S.105). Auch die Erläuterungen zu unbeständig feinfühligen Müttern bleiben an manchen Stellen recht unkonkret: „Im großen und ganzen ist sie jedoch häufiger feinfühlig als weniger feinfühlig“ (ebd., S.106). Hinzu kommt, dass beim Betrachten der Skala insgesamt der Eindruck entsteht, dass Müttern die einzelnen Feinfühligkeitskomponenten ähnlich wie Charaktereigenschaften zugeschrieben werden. Lediglich bei der Skalenstufe „unbeständig feinfühlig“ wird festgehalten, dass es Mütter gibt, die „zu manchen Gelegenheiten außerordentlich feinfühlig sein“ können, zu anderen Zeitpunkten jedoch „gegenüber den Kommunikationen des Babys blind“ erscheinen (ebd., S.105ff). Die einzelnen Punktwerte werden den unterschiedlichen Mütter-Typen jedoch offensichtlich eher für sich stehend zugeordnet. Um solche Generalisierungen im Rahmen dieser Studie zur Erzieherinnen-Kind-Interaktion zu vermeiden und um die unterschiedlichen Situationen in Kindertagesstätten auf ihre jeweiligen Feinfühligkeitskomponenten untersuchen zu können, müssen neben den Ainsworth´schen Operationalisierungen stärker spezifizierte Merkmale „Sensitiver Responsivität“ herausgearbeitet werden. Nicht zuletzt dienen die neuen und festgelegten Operationalisierungen des Begriffs auch dazu, implizite Vorstellungen, die hinsichtlich eines angemessenen pädagogischen Verhaltens nahezu zwangsläufig vorliegen, ausdrücklich zu explizieren und damit überprüfbar zu machen.
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6.7.2 Weitere Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ Natürlich findet man auch bei Ainsworth (1974) diese konkreter erläuterten Merkmale eines feinfühligen bzw. eines nicht feinfühligen Verhaltens. So gehört die prompte und angemessene Reaktion der Mutter in den Augen der Forscherin zu einem feinfühligen mütterlichen Antwortverhalten. Die Angemessenheit dieser Reaktion schließt eine verzerrte Wahrnehmung aus und impliziert die richtige Interpretation selbst subtilster Signale des Babys (Ainsworth 1974/2003, S.414ff; Grossmann 1977, S.105). Einige Verhaltensmerkmale etwas weniger feinfühliger Mütter bzw. von Müttern mit fehlender Feinfühligkeit werden ebenfalls genauer benannt: das Entgehen von kindlichen Signalen oder eine zeitweise Blindheit und Unzugänglichkeit gegenüber den Signalen des Babys, weniger empfindliche bzw. verzerrte Wahrnehmungen des kindlichen Verhaltens, verzögerte oder unvollständige Reaktionen, Voranstellung eigener Bedürfnisse sowie durch eigene Signale bestimmte Kontaktaufnahmen mit dem Kind (Grossmann 1977, S.105ff). Im Umkehrschluss werden damit die Kernvoraussetzungen für ein feinfühliges Antwortverhalten betont, nämlich die Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit hinsichtlich der Signale eines Kindes (ebd., S.99). Die Faktoren „Zugänglichkeit“ und „Aufmerksamkeit“ stellen somit die ersten zentralen Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ dar und werden von weiteren Forschern ebenfalls als Grundvoraussetzungen eines feinfühligen Verhaltens aufgeführt72. In Anlehnung an Ainsworth (1974) können die Faktoren Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit Punkt 1 der Definition von „Sensitiver Responsivität“ zugeordnet werden, nämlich dem Bemerken kindlicher Signale (Ainsworth 1974/2003, S.414ff; Grossmann 1977, S.99). Punkt 2 der neuen Definition „Sensitiver Responsivität“ umfasst die Angemessenheit der Reaktionen des erwachsenen Interaktionspartners. Neben der „Promptheit der Reaktion“ und der „Richtigkeit der Interpretation“, die von Ainsworth (1974) und weiteren Forschern als Bestandteil der Angemessenheit gesehen werden73, gilt es nun diejenigen Verhaltensmerkmale Erwachsener auszuwählen, die für die Angemessenheit des pädagogischen Antwortverhaltens als entscheidend angesehen werden. 72 Isabella 1993, S.610ff: Wahrnehmungsvermögen (perception of signals), Aufmerksamkeit (attentiveness); Van den Boom 1994, S.1457ff: aufmerksam (attentive); „Caregiver Interaction Scale“ von Arnett 1989: aufmerksam zuhören (listen attentively); Simó et al. 2000, S.124: Verfügbarkeit; Lay et al. 1989, S.1405: auf Verhalten achten (attend); Stephan 1999, S.268ff: aufmerksam; Husarek 1992: verstärkte Aufmerksamkeitszuwendung, Signalisierung von Zugänglichkeit; Graf o.Z., S.9 mit Verweis auf Biringen 2000: emotionale Verfügbarkeit, volle Aufmerksamkeit 73 Ainsworth 1974/2003, S.414ff; Grossmann 1977, S.98; Isabella 1993, S.610; Van den Boom 1994, S.1458; De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.573; Simó et al. 2000, S.118ff
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Zunächst sollen diese Merkmale die „Generelle Haltung“ umschreiben, die eine Erzieherin während der Interaktion mit Kindergartenkindern aufweist. In Bezug auf ein angemessenes Antwortverhalten ist es hierbei eine notwendige Voraussetzung, dass die pädagogische Fachkraft dem Kind mit „Akzeptanz“ und „Wertschätzung“ gegenüber tritt. Der Faktor „Akzeptanz“ stellt bei Ainsworth eines der mit Feinfühligkeit korrelierenden Konzepte dar und beinhaltet den Respekt vor der Persönlichkeit eines Kindes mit seinen eigenen Gefühlen, Gedanken und Absichten (Grossmann et al. 2003, S.237). Weitere Wissenschaftler untermauern die Wichtigkeit des Vorhandenseins von „Akzeptanz“ und „Wertschätzung“ in der Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern. Am deutlichsten wird dabei Graf (o.Z., S.8), die ein hohes Maß an Wertschätzung und Akzeptanz als eine der Bedingungen einer gelingenden ErwachsenenKind-Interaktion erachtet. Bertram und Pascal (1997), die den Zusammenhang eines erfolgreichen Lehrens mit der Haltung und der Einstellung einer pädagogischen Fachkraft hervorheben, beziehen sich auf Carl Rogers und benennen ebenfalls die Annahme und Achtung des Kindes als einen der Aspekte pädagogischen Verhaltens, die kindliches Lernen fördern (Pascal und Bertram 1997, S.5). Neben Tietze (1998), der den Faktor Akzeptanz in der deutschen Fassung der „Caregiver Interaction Scale“ (Arnett 1989) aufgreift (Tietze 1998, S.233), führt schließlich Stephan (1999) die Akzeptanz der kindlichen Entscheidungen als ein Merkmal von Vätern mit hoher Spielqualität und Bindung zu ihrem Kind auf (Stephan 1999, S.269). Ein weiterer Faktor, der der generellen Haltung Erwachsener im Umgang mit Kindern zuzuordnen ist, wird von den meisten Forschern nicht als expliziter Punkt aufgeführt, sondern wohl als eine der Grundvoraussetzungen feinfühligen Verhaltens entweder vorausgesetzt oder unter weiteren Operationalisierungen subsumiert. Dieser Aspekt betrifft das grundsätzliche tiefgründige „Interesse“ Erwachsener an dem, was Kinder äußern und tun, und ist damit von zentraler Bedeutung hinsichtlich der Unterstützung kindlichen Lernens in der Erzieherinnen-Kind-Interaktion. Die „Caregiver Interaction Scale“ (Arnett 1989), in der anhand von 26 Items die Qualität der Erzieherinnen-Kind-Interaktion überprüft wird, berücksichtigt jedoch in einem Item ausdrücklich das Interesse der pädagogischen Fachkraft: „Scheint sich nicht für die kindlichen Aktivitäten zu interessieren“74. Weitere Items der Skala beschreiben das Interesse des Erwachsenen am Kind auf indirekterem Wege: „Pays positive attention to the children as individuals“ oder „When talking to children, kneels, bends or sits at their level to establish better eye contact”.
74
Doesn´t seem interested in the children´s activities.
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Gleichermaßen indirekt setzen die im Abschnitt zur Definition „Sensitiver Responsivität” aufgeführten Konzepte der „Mutualität“ (De Wolff und Van Ijzendoorn 1997) und „Kooperation“ (ebd.; Grossmann et al. 2003) das Interesse der Erzieherinnen am einzelnen Kind voraus. Denn nur, wenn sich pädagogische Fachkräfte tatsächlich für die gerade relevanten Themen, Bedürfnisse und die allgemeinen Verhaltens- und Gemütszustände der Kinder interessieren, können sie sich den Kindern während der Interaktionen angemessen anpassen. Während sich Isabella (1993) hinsichtlich des Faktors „Interesse“ in erster Linie auf das Konzept der Kooperation bezieht75, erwähnen andere Forscher das „Sich-Anpassen“ an ein Kind zumeist unabhängig von feststehenden Konzepten. Gleichwohl fassen sie mit ihren Ausführungen auch Gesichtspunkte des Konzepts der „Mutualität“76. Eine letzte Komponente, die zu der generellen Haltung pädagogischer Fachkräfte gehört, ist der „Respekt vor der Autonomie“ eines jeden Kindes. Insbesondere Graf führt diese Operationalisierung „Sensitiver Responsivität” konkret an und nennt als Beispiel, dass emotional verfügbare Eltern, die die Autonomie ihres Kindes respektieren, dieses im Spiel führen lassen (Graf o.Z., S.9). Indem sie die Eigenständigkeit von Kindern achten, geben Erwachsene somit Kindern die Möglichkeit, die Welt zu erkunden und eigene Erfahrungen zu sammeln (ebd., S.8). Ähnliche Operationalisierungen findet man auch bei Lay und Kollegen (1989), die mit der „Special Time Procedure“ responsive Spieltechniken bei Eltern fördern wollten. Auch hier geht es darum, das Kind im Spiel führen zu lassen, Kommentare, Fragen und Verbesserungen zu vermeiden und stattdessen dem Verhalten des Kindes nachzukommen, es zu imitieren, zu loben und sein Handeln zu beschreiben (Lay et al. 1989, S.1406). Stephan (1999) unterstützt diese Sichtweisen und beschreibt einen „nicht kontrollierenden, nachgiebigen, geduldigen“ bzw. „gewährend feinfühligen“ Elterntyp, der Kindern die Initiative überlässt, deren Entscheidungen akzeptiert, sich von ihnen leiten lässt und selbstlos spielt (Stephan 1999, S.268ff). Simó et al. (2000) und Husarek (1992) greifen ebenfalls den „Respekt vor der kindlichen Autonomie“ 75 Isabella 1993, S.610: „Cooperation“: „timing and quality of interventions and initiations in relation to infant´s state, mood, and current interests“ 76 Simó et al. 2000, S.125: Eine feinfühlige Mutter passt sich dem kindlichem Verhalten, seiner Stimmung, seinem emotionalen und explorativen Zustand an; Crittenden o.Z., S.1: „pacing of turns“; Pascal und Bertram 1997, S.6: Einfühlen in die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes; Sich den kindlichen Interessen anpassen; Stephan 1999, S.269: Auf die Bedürfnisse des Kindes achten; Graf o.Z., S.8ff: Aufmerksam auf Bedürfnisse achten, Anpassung an die Bedürfnisse und an den Rhythmus des Kindes; Papoušek 2001, S.3: Berücksichtigung des allgemeinen Verhaltenszustands in Bezug auf Aufnahmebereitschaft, Erregungsniveau, Ermüdung oder Überbelastung sowie Abstimmung der Aufgaben und Anregungen auf den kindlichen Entwicklungsstand, seine Interessen und Vorlieben.
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auf und nennen als Merkmale einerseits die Akzeptanz und Unterstützung von Bewältigungsformen, die aus dem Kind selbst entstehen sowie das Zulassen des Machens eigener Fehler (Husarek 1992, S.182ff) und andererseits – sozusagen als negativ gepolte Operationalisierungen – das unerwartete Eingreifen in den persönlichen Raum des Kindes sowie das Unterbrechen der kindlichen Handlungen, um den eigenen Willen durchzusetzen (Simó et al. 2000, S.125). Wie die zuvor aufgeführten Wissenschaftler betrachten auch Pascal und Bertram (1997) den Aspekt der Autonomie und nehmen ihn als einen von drei Faktoren in ihre Skala auf, mit der sie im Rahmen des „Effective Early Learning Project” – EEL die Qualität von Lernprozessen in Kindertageseinrichtungen erfassen und verbessern möchten. Die beiden Wissenschaftler verstehen Bezug nehmend auf Ferre Laevers (1994) unter Autonomie das „Ausmaß an Freiheit, das dem Kind gewährt wird, um zu experimentieren, zu urteilen, Aktivitäten auszuwählen und Ideen auszudrücken“ (Pascal und Bertram 1997, S.5). Darüber hinaus spiele es hinsichtlich des Faktors Autonomie eine Rolle, wie mit Konflikten, Regeln und dem „Benehmen“ von Kindern umgegangen wird (ebd.). Dementsprechend wird in der eigentlichen Skala von Pascal und Bertram (1997) danach gefragt, inwiefern Kinder zur Verantwortungsübernahme für eigene Handlungen ermutigt werden und ihre Selbstregulation und Stärken unterstützt werden, inwieweit es Kindern ermöglicht wird, sich für eigene Ideen zu entscheiden und dazu zu stehen, ob sie Gelegenheit haben zum Experimentieren und Ausprobieren, ob sie Aktivitäten auf natürliche Weise beenden können und ob die Kinder Ermutigung erfahren zur Verhandlung über Konflikte und Regeln (ebd., S.6). Der Respekt vor der Autonomie eines Kindes umfasst somit auch die Achtung gegenüber dessen Arbeiten, seinen Ideen sowie seiner Einschätzung eigener Werke (ebd.). Ähnlich explizit wie Pascal und Bertram (1997) erfassen Items der „Caregiver Interaction Scale“ von Arnett (1989) den Faktor Autonomie: „Doesn´t try to exercise too much control over the children“,„Threatens children in trying to control them”, „Seems to prohibit many of the things the children want to do”, „Doesn´t supervise the children very closely”. Wie bedeutsam der (frühzeitige) „Respekt vor der Autonomie“ von Kindern ist, zeigen nicht zuletzt die Ausführungen von Papoušek (2001), die besagen, dass die Vermittlung von Kontingenzerfahrungen es Kindern erlauben, durch eigenes Tun etwas Vertrautes und Voraussagbares zu bewirken. Kontingenzerfahrungen ermöglichen bereits Babys Grunderfahrungen von Selbstwirksamkeit, in der nicht nur die Entwicklung von zielgerichtetem Verhalten und Intentionalität wurzelt, sondern insbesondere auch die Entwicklung kindlicher Autonomie (Papoušek 2001, S.3).
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Neben der „Generellen Haltung“ spielen das „Beteiligtsein“ und das „SichEinlassen“ von Erzieherinnen auf Kindergartenkinder eine zentrale Rolle bezüglich der Angemessenheit des pädagogischen Interaktionsverhaltens. Diese intensive Art, sich einem Kind zu widmen, wurde im vorherigen Abschnitt unter dem Begriff des „Involvements“ bereits eingehend erläutert. Da jedoch in der aufgeführten Untersuchung von Anderson und Kollegen (1981) das „Involvement“ lediglich sehr grob operationalisiert wurde, gilt es nun, feiner abgestimmte Merkmale für diesen Begriff zu finden. Während De Wolff und Van Ijzendoorn (1997), Isabella (1993), Van den Boom (1994) und Ziegenhain (o.Z.) die Begrifflichkeiten nur benennen ohne sie weiter auszuführen77, stößt man in der „Caregiver Interaction Scale“ von Arnett (1989) auf folgende detaillierte Operationalisierungen: „Seems distant or detached from children”; „Seems to enjoy the children”; „Seems enthusiastic about the children´s activites and efforts”; „Spends considerable time in activity not involving interaction with the children”; „Doesn´t seem interested in the children´s activities”. Diese genauen Beschreibungen eines (wenig) engagierten pädagogischen Verhaltens überraschen nicht, sollen doch mit Hilfe der Skala nicht nur „Positive Interaktionen“ („Positive Interactions“), das „strafende Verhalten“ („Punitiveness“) und die „Toleranz“ („Permissiveness“) von Fachkräften, sondern auch deren „Distanziertheit“ („Detachment“ – „Uninvolvement“ and „Desinterest“) gegenüber Kindern ermittelt werden. Ähnlich konkrete Operationalisierungen – allerdings in Bezug auf Väter mit hoher Spielqualität – findet man bei Stephan (1999), die diesen die Fähigkeiten der Ausdrucksstärke, des Ideenreichtums und des „Sich-gutenUnterhaltens“ mit ihrem Kind zuschreibt (Stephan 1999, S.269). In Bezug auf Erzieherinnen-Kind-Interaktionen wird das „Involvement” der pädagogischen Fachkräfte zudem anhand der 5-stufigen „Adult Involvement Scale” von Howes und Kollegen (1992) sehr konkret operationalisiert. Stufe 1 mit einem niedrigen Level an „Involvement“ beschreibt das „Routine Caregiving“, bei dem die Erzieherin ein Kind zwar routiniert berührt, jedoch nicht verbal auf dieses reagiert. Stufe 2 (ebenfalls mit einem niedrigen Level an „Involvement“) befasst sich mit dem „Minimal Caregiving“. Hier berührt die pädagogische Fachkraft das Kind oder spricht mit ihm, allerdings um es zu disziplinieren, direkt auf Hilfeanfragen zu antworten oder um Anweisungen zu geben. Bei Level 3, dem „Responsive Adult Involvement“, antworten Erzieherinnen auf die sozialen Signale eines Kindes, ergründen diese aber nicht näher und weiten sie nicht aus. Dies ist erst bei Stufe 4, dem „Responsive Adult Involvement” und dem „High Level of Involvement” der Fall. Level 5 der Skala erfasst 77
De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.573: „Involvement“; Isabella 1993, S.606: „more involved“; Van den Boom 1994, S.1462: „Noninvolvement“; Ziegenhain o.Z., S.6: „emotional weniger beteiligt”
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schließlich das „Responsive Adult Involvement”, den „High Level of Involvement” und damit das „Intense Involvement” bzw. das „Intense Caregiving“. Die pädagogischen Fachkräfte halten und umarmen die Kinder, damit sie sich wohl fühlen, führen lang anhaltende Gespräche mit ihnen und spielen auf interaktive Weise mit den Kindern (Howes und Hamilton 1992, S.862). Eine nächste Operationalisierung, die der Angemessenheit des pädagogischen Antwortverhaltens zugeordnet werden soll, ist das „Emotionale Klima“ während der Erzieherinnen-Kind-Interaktion. Der Aspekt des „Emotionalen Klimas“ wurde bereits im Cluster „Positive Attitude“ von De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) aufgegriffen78 und soll sich in diesem Kontext auf die affektive Interaktionsqualität zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern beziehen. Es geht also sowohl darum, Freude in den Interaktionen von Erzieherinnen und Kindern festzustellen (oder wie es De Wolff und Van Ijzendoorn (1997, S.573) bezeichnen: „Delight in the interaction“) als auch darum zu erfassen, inwiefern Fachkräfte die kindlichen Emotionen aufgreifen. Wie bedeutsam der Faktor des „Emotionalen Klimas“ ist, belegen Ausführungen der Forschergruppe um Lay (1989), die besagen, dass die affektiven Konnotationen von Interaktionen insbesondere in Bezug auf die Sozialisation von Kindern und auf deren soziales Lernen signifikante Auswirkungen haben (Lay et al.1989, S.1410). Wie lassen sich die zum Ausdruck gebrachten Affekte der Erzieherinnen nun feststellen? Um den Kommunikationsstil von Erwachsenen zu ermitteln, schlagen Simó et al. (2000) vor, die Verhaltensweisen der Interaktionspartner auf insgesamt sieben Ausdruckskanälen zu beobachten. Als relevant für die Erfassung des „Emotionalen Klimas“ erweisen sich die vier Ausdruckskanäle Gesichtsausdruck, stimmlicher Ausdruck, Körperhaltung und Körperkontakt sowie der Emotionsausdruck (Simó et al. 2000, S.125). Dabei zeigt sich der Emotionsausdruck natürlich ebenfalls über die erstgenannten Ausdruckskanäle. Auch weitere Forscher benennen diese Kanäle79. Weitergehende Operationalisierungen werden jedoch nur in beschränktem Umfang vorgenommen. Hinsichtlich des Tons findet man folgende Beschreibungen: „liebevoll“ (Isabella 1993, S.610); „emotional warm” (Simó et al. 2000, S.125); „Speaks warmly to the children“, „Seems unnecessarily harsh when scolding or prohibiting children” („Caregiver Interaction Scale“, Arnett 1989); „Stimmen klingen gereizt, ärgerlich, laut, heiter” (Tietze 1997, S.41). Zum Gesichtsausdruck stößt man in der Literatur auf 78
Vgl. Kapitel 6.4 Zur Differenzierung des Sensitivitätskonstrukts, S.117ff De Wolff und Van Ijzendoorn 1997, S.573: „body contact“; Van den Boom 1994, S.1462: „visual and body contact“; Isabella 1993, S.610: „use of facial, vocal and bodily expression“; Crittenden o.Z., S.1: „facial expression”, „vocal expression”, „position and body contact”, „expression of affection”; Pascal und Bertram 1997, S.6: Körperhaltung, Gestik, Blick; Tietze 1997, S.41: Stimmen, Körperkontakt; Husarek 1992: Körperliche Nähe; Graf o.Z., S.9: Blickkontakt, Körperkontakt, Tonfall 79
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erläuternde Hinweise wie „lächeln” (Isabella 1993, S.610); „häufiges Lachen“ (Tietze 1997, S.41); „schwacher Gesichts- und Emotionsausdruck“ (Simó et al. 2000, S.125); „freuten sich über ihr Kind und waren stolz“ (Stephan 1999, S.269) sowie „offen Freude und Begeisterung zeigen“ (Graf o.Z., S.8). Der Ausdruckskanal des Körpers wird lediglich von Tietze (1997) beim Item „Atmosphäre“ der „Kindergarten-Einschätz-Skala“ näher expliziert: „angespannt, teilnahmslos, entspannt erscheinen“, „körperlicher Kontakt dient hauptsächlich der Kontrolle (Antreiben)“, „Erzieherinnen zeigen Zuneigung durch Körperkontakte (auf den Schoß nehmen, umarmen)“ (Tietze 1997, S.41). Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass pädagogische Fachkräfte ihre Affekte meist gleichzeitig über die verschiedenen Ausdruckskanäle (d.h. Stimme, Blick/Gestik und Körper) zeigen (Simó et al. 2000, S.125; Pascal und Bertram 1997, S.6). Dies gilt sowohl für positive Affekte wie emotionale Wärme, Zuneigung, Wertschätzung, Akzeptanz, Begeisterung und Freude (Graf o.Z., S.8) sowie Warmherzigkeit und Zuwendung (Pascal und Bertram 1997, S.6) als auch für negative Affekte wie Feindseligkeit, Ärger, Frustration, Wut (Isabella 1993, S.610), Zurückweisung und Ablehnung (Graf o.Z., S.8). Simó und Kollegen (2000) geben jedoch zu bedenken, dass ein zum Ausdruck gebrachter und gewöhnlich als positiv und prosozial angesehener Affekt wie Lächeln auch als nicht feinfühlig bezeichnet werden kann, nämlich dann, wenn er beispielsweise die Reaktion auf ein weinendes Kind ist (Simó et al. 2000, S.124). Zusätzlich gilt es laut Graf zu beachten, ob die über die verschiedenen Kanäle deutlich werdenden Affekte kongruent sind, d.h. ob z.B. Worte und Tonfall einer pädagogischen Fachkraft übereinstimmen (Graf o.Z., S.9). Hinsichtlich der Wortwahl, die natürlich ebenfalls Einblicke in die Affekte der Erzieherinnen geben kann, äußern sich Pascal und Bertram (1997) im Zusammenhang des Items „Sensitivität“ ihrer Skala etwas differenzierter. In den Augen der Forscher gehört das Einfühlen in die Gefühle und Bedürfnisse eines Kindes genauso zu einem feinfühligen und positiv-affektiven pädagogischen Verhalten wie das Loben der kindlichen Anstrengungen und die Ermutigung zu neuen Leistungen (Pascal und Bertram 1997, S.6). Als gegenteilige Merkmale nennen die Wissenschaftler ein kaltes und distanziertes Verhalten, ein „automatisches“ Loben, den mangelnden Respekt vor Kindern, die Zurückweisung und das Bestätigen kindlichen Versagens, ein mangelndes Einfühlen in die Gefühle und Bedürfnisse der Kinder, mangelndes Zuhören, unzureichende Reaktionen oder auch das Sprechen mit anderen über ein Kind, als ob es nicht da wäre (ebd.). Schließlich zeigen Items der „Caregiver Interaction Scale“ von Arnett (1989), dass die Wortwahl von pädagogischen Fachkräften negative Affekte zum Ausdruck bringen kann: „Speaks with irritation or hostility to the children“;
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„Threatens children in trying to control them“; „Punishes the children without explanation“. Abschließend soll auf die letzte Operationalisierung „Sensitiver Responsivität“ Bezug genommen werden: Die angemessene „Stimulation“ der Kinder in den Einrichtungen. Hiermit wird der Wichtigkeit eines Faktors Rechnung getragen, der bereits im Rahmen von Ainsworth´s Feinfühligkeitskonzept eine große Rolle spielte (Ainsworth 1974/2003, S.414ff; Grossmann 1977, S.101f). Jedoch soll die von De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) vorgenommene Definition von „Stimulation“ für die Untersuchung von Erzieherinnen-Kind-Interaktionen weiter gefasst werden und ein konkreteres pädagogisches Verhalten beschreiben als „jede Handlung, die sich direkt an das Kind richtet“80. Gleiches gilt für die Ausführungen von Ainsworth (1974) und weiteren Forschern, die sich auf die Über- bzw. Unterstimulation von (zumeist sehr jungen) Kindern beziehen (Ainsworth 1974/2003, S.414ff)81. Vor allem Pascal und Bertram (1997) erläutern ein stimulierendes pädagogisches Verhalten in einem gesonderten Item ihrer Skala sehr genau. In Anlehnung an Ferre Laevers (1994) sehen die Forscher in der Stimulation der Kindergartenkinder die Art und Weise, wie Erwachsene Lernprozesse und -inhalte beeinflussen, d.h. wie sie Aktivitäten einführen, darbieten, Informationen geben, und auch wie sie sich bei laufenden Aktivitäten einbringen, um bei Kindern neue Aktivitäten, Denkprozesse sowie deren Kommunikation anzuregen (Pascal und Bertram 1997, S.5). Es geht also darum, Kinder zu unterstützen, sie zu motivieren und in ihrem Lernen weiterzubringen (ebd.). Stimulierend ist ein erzieherisches Verhalten nach Pascal und Bertram (1997) dann, wenn es pädagogische Aktivitäten und Interventionen lustvoll und motivierend präsentiert, entwicklungsangemessen und kulturell sensibel ist, sich den kindlichen Interessen anpasst und diese aufgreift, Kinder zur Benutzung ihrer Sinne ermutigt, Angebote auf das Spiel des Kindes bezieht sowie flexible Tagesroutinen und längere Spielphasen ermöglicht. Ein entsprechend gegenteiliges Verhalten sowie vage, verwirrende Erklärungen und die Unterdrückung kindlichen Sprechens und Denkens gehören somit nicht zu einer angemessenen Stimulation durch die Erzieherinnen (ebd., S.6). Stephan (1999) unterstützt diese Sichtweise hinsichtlich der Stimulation von Kindern. Auch sie nennt als Merkmale von Vätern, die ihren Kindern gute Spielpartner sind, deren Ausdrucksstärke und Ideenreichtum, ihre aufmerksame, abwartende, akzeptierende und unterstützende Haltung sowie deren Fähigkeiten, sich gut mit den Kindern zu unterhalten, kognitive Aspekte des Spiels zu betonen, viel zu erklären und das kindliche Selbstbewusstsein zu fördern (Stephan 1999, S.269). Die Förderung des Selbstbewusstseins von Kindern wird darüber 80 81
Vgl. Kapitel 6.4 Zur Differenzierung des Sensitivitätskonstrukts, S.117ff Vgl. dazu auch Grossmann 1977, S.101f; Ziegenhain o.Z., S.6; Simó et al. 2000, S.119
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hinaus sicherlich auch durch stimulierende Verhaltensweisen erlangt, die Graf (o.Z.) in ihren Ausführungen zur Selbständigkeitsförderung von Kindern benennt. In den Augen der Wissenschaftlerin ist es in erster Linie notwendig, dass Erwachsene die Sichtweisen von Kindern und deren Eigenständigkeit respektieren. Kindern sollten Möglichkeiten gegeben werden, die Welt zu erkunden und dabei eigene Erfahrungen sammeln und Entscheidungen treffen zu können (Graf o.Z., S.8). Die Items der „Caregiver Interaction Scale” von Arnett (1989) greifen diese Aspekte eines angemessen stimulierenden pädagogischen Verhaltens ebenfalls auf: „Encourages the children to try new experiences”, „Seems to prohibit many of the things the children want to do”, „Doesn´t try to exercise too much control over the children”, „Doesn´t supervise the children very closely”. Demzufolge gilt es, die Faktoren „Autonomie” und „Stimulation” in ihrer Verknüpfung zu betrachten und sowohl das kindliche Explorationsverhalten zu unterstützen als auch die kindlichen Kompetenzen vorsichtig herauszufordern (Grossmann 2001, S.7). Eine besondere Form der Herausforderung kindlicher Kompetenzen führt Husarek (1992) an. Die Autorin erläutert das stimulierende Verhalten von Müttern, die mit einer Frustrationssituation ihres Kindes konfrontiert sind. Im besten Fall lassen die Mütter ihr Kind in einer solchen Situation auf sich zukommen und nehmen ihm die Überwindung der Frustration nicht ab. Vielmehr akzeptieren sie die kindlichen Bewältigungsformen und lassen das Kind auch eigene Fehler machen. Dabei lassen die Mütter ihr Kind jedoch nicht „blind in sein Unglück laufen“, sondern geben ihm Sicherheit und Vertrauen in sich selbst sowie in seine Fähigkeiten, mit negativen Erfahrungen umgehen zu können. Die Mütter helfen folglich ihren Kindern, sich selbst zu helfen (Husarek 1992, S.185ff). Ähnlich äußert sich Graf (o.Z.), in deren Augen die Unterstützung bei schwierigen Aufgaben einen optimalen Grad an Strukturierung durch die erwachsenen Interaktionspartner vorsieht. Das heißt, dass Erwachsene Kindern zwar so viel wie nötig, jedoch gleichzeitig so wenig wie möglich helfen, ihnen keine Lösungen abnehmen und sie die nächsten Schritte selbst tun lassen. Mit diesem Verständnis von Stimulation bezieht sich Graf ausdrücklich auf den „Scaffolding“-Ansatz von Wygotsky (Graf o.Z., S.8f).
6.8 Zwischenfazit Führt man sich die in der Literatur thematisierten Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ vor Augen, fällt auf, dass auch diese mitunter nicht trennscharf sind und sich gegebenenfalls überlappen. Insbesondere bei den Faktoren „Respekt vor der Autonomie“ und „Stimulation“ sind die Übergänge der Kenn-
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zeichen eines angemessenen pädagogischen Verhaltens fließend: Wird Kindern der Freiraum gelassen, eigene Erfahrungen (und auch Fehler) zu machen, bedeutet dies gleichzeitig, sie mit neuen Herausforderungen zu konfrontieren und die Kinder in diesem Sinne zu stimulieren. Gleiches gilt in ähnlicher Weise für weitere Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“. So lässt sich beispielsweise das große „Interesse“ des erwachsenen Interaktionspartners und sein daraus resultierendes hohes „Involvement“ während der Interaktion mit einem Kind kaum trennen. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Ausdruckskanäle die unterschiedlichen Merkmale eines feinfühligen Verhaltens (bestenfalls) parallel und kongruent zum Ausdruck bringen. Ähnlich wie in Kapitel 6.6 möchte ich deshalb die zuvor aufgeführten Operationalisierungen und Ausdruckskanäle nochmals in einer Übersicht darstellen. Übersicht 6.2: Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ 1.
Signale bemerken
x Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit
2.
Sich auf die Signale hin angemessen verhalten
x Promptheit der Reaktion, Richtigkeit der Interpretation x Generelle Haltung (Akzeptanz/Wertschätzung, Interesse, Respekt vor der Autonomie) x Involvement x Emotionales Klima x Stimulation
Ausdruckskanäle Sprache, Stimme, Gesicht, Körper
6.9 Merkmale der Operationalisierungen In der folgenden Übersicht wird dargestellt, welche Merkmale die einzelnen Operationalisierungen „Sensitiver Responsivität“ beinhalten und wie der Beobachter diese während einer Erzieherinnen-Kind-Interaktion feststellen kann. Es wird also der Frage nachgegangen, was es konkret heißt, zugänglich und aufmerksam zu sein, Kinder zu akzeptieren und zu respektieren, sich für sie zu inte-
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ressieren, ihre Autonomie zu respektieren, sich auf sie einzulassen, für ein gutes emotionales Klima zu sorgen sowie Kinder angemessen zu stimulieren. Dabei greife ich Merkmale auf, die bereits in der Literatur genannt wurden, ergänze diese aber gegebenenfalls mit eigenen weiterführenden Überlegungen. Auf die Operationalisierungen „Promptheit der Reaktion“ und „Richtigkeit der Interpretation“ gehe ich in diesem Zusammenhang nicht weiter ein, da ihre Merkmale zum einen selbstredend sind („Promptheit der Reaktion“) bzw. sich erst im direkten Interaktionsverlauf benennen lassen („Richtigkeit der Interpretation“). Bei jeder der verbleibenden Operationalisierungen werden zusätzlich die vier Ausdruckskanäle ins Auge gefasst und erste Hinweise gegeben, inwiefern sich die Merkmale „Sensitiver Responsivität“ darin zeigen. Grundsätzlich soll die Übersicht – trotz aller Genauigkeit – so offen wie möglich gehalten werden und lediglich einen strukturierenden Rahmen geben, damit das pädagogische Verhalten bei der Auswertung der Videoszenen im Hinblick auf die „Sensitive Responsivität“ noch stärker differenziert werden kann. Übersicht 6.3: Merkmale der Operationalisierungen Zugänglichkeit: x Interesse, Zeit, Ruhe, Muße haben und ausstrahlen x Offen und abwartend sein: sich nicht aufdrängen, Kindern die Initiative überlassen und sie auf sich zukommen lassen, Raum zum Erzählen geben x Sprache: prompte Reaktionen, „Ich habe Zeit für dich.“, eigene verbale Zurückhaltung x Stimme: ruhig, freundlich x Gesicht: Blickkontakt, auf Kindern ruhender, offener, interessierter Blick x Körper: entspannte und offene Körperhaltung, auf Augenhöhe gehen Aufmerksamkeit: x Aussagen, Verhalten, Interessen, Bedürfnisse, Motivationen des Kindes aufmerksam verfolgen x Ruhiges Zuhören, keine Unterbrechungen x Sprache: prompte Reaktionen, Spiegeln, Nachfragen x Stimme: Stimmungen und Äußerungen im Tonfall aufgreifen (lauter, leiser, euphorischer reagieren) x Gesicht: Blickkontakt herstellen und halten, offener und interessierter Blick, Stimmungen und Äußerungen mit Blicken/Mimik aufgreifen x Körper: auf Augenhöhe, Stimmungen und Äußerungen mit der Körperhaltung aufgreifen (sich aufrichten bei steigender Aufregung des Kindes)
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Generelle Haltung: x x x
x x x x x x x x x
x x x x
Akzeptanz: Akzeptanz der Persönlichkeit eines Kindes mit seinen eigenen Gefühlen, Gedanken, Sichtweisen, Absichten, Äußerungen und Handlungen Zeigen von Respekt und Wertschätzung Sprache: annehmende Antworten, keine verbalen Abwertungen: „Was redest/machst du denn da?“, keine Ironie, keine Geringschätzung und Zurückweisung, kein Sarkasmus, kein Sprechen mit anderen über das Kind, als ob es nicht da wäre Stimme: wertschätzender Tonfall Gesicht: Blickkontakt, interessierte, begeisterte, erstaunte (angepasste) Mimik, keine abfälligen Gesichtsausdrücke, kein „Herumgucken“ Körper: zugewandte Körperhaltung Interesse: Interesse an den Bedürfnissen, Äußerungen, Aktivitäten sowie am allgemeinen Verhaltens- und Gemütszustand des Kindes Einfühlen in die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes, Anpassung an die kindlichen Interessen, Verhaltensweisen, Stimmungen, emotionalen und explorativen Zustände Sprache: prompte Reaktionen, Nachfragen, Spiegeln Stimme: interessiert, wach, angepasst Gesicht: Blickkontakt, auf Kindern ruhender, interessierter Blick (offene Augen), angepasste Mimik (sich öffnender Mund etc.) Körper: Augenhöhe, interessierte, zugewandte Körperhaltung: nach vorn gebeugt, offen, locker, sich an Stimmungen anpassend (umarmen, jubeln) Respekt vor der Autonomie: Achtung der kindlichen Eigenständigkeit, Zulassen der Welterkundung und des Sammelns eigener Erfahrungen (experimentieren, ausprobieren, Aktivitäten auf natürliche Weise beenden) Ermutigung zur Verantwortungsübernahme für eigene Handlungen und Entscheidungen, Zulassen eigener Fehler, Ermutigung zur Verhandlung über Konflikte und Regeln Unterstützung kindlicher Bewältigungsformen, Selbstregulation und Stärken Sprache: keine Unterbrechungen, Reduktion von Kommentaren und Verbesserungen, eher verbale Zurückhaltung, stattdessen Imitieren,
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Loben, kindliches Handeln beschreiben x Stimme: freundlich, ermutigend x Gesicht: keine Einmischung und kein Eingreifen durch Blicke und Gesten, interessierter, beobachtender, ermutigender Blick x Körper: interessierte, offene und entspannte Körperhaltung Involvement: x Starkes Interesse am Kind, seinen Aktivitäten und Äußerungen x Eigene Freude und Begeisterung über kindliche Aktivitäten und Fortschritte zum Ausdruck bringen x Hohes Engagement, die Interaktion aufrecht zu erhalten x Sprache: prompte Reaktionen, Nachfragen, Spiegeln, Loben, aktives Zugehen auf das Kind, mit eigenen Beiträgen, Ausdrucksstärke und Ideenreichtum zu neuen Ideen und Gedanken anregen, lang anhaltende Gespräche führen x Stimme: wertschätzend, begeistert, enthusiastisch x Gesicht: interessierter, engagierter, offener, an die Stimmungen und Äußerungen des Kindes angepasster Blick x Körper: interessierte, engagierte, offene, zugewandte und an die Stimmungen und Äußerungen des Kindes angepasste Körperhaltung (aufrichten, freuen, kein statisches Verharren) Emotionales Klima: x Empathisches Aufgreifen kindlicher Emotionen des Kindes und Abstimmung mit eigenem Verhalten x Loben der kindlichen Anstrengungen und Ermutigung zu neuen Leistungen x Mitteilung von Begeisterung, Freude, Interesse, Stolz x Sprache: Emotionen/Bedürfnisse/Signale prompt aufgreifen und wertschätzend spiegeln, Anstrengungen loben, respektvolle Sprache, eigene Emotionen ansprechen, keine verbalen Zurückweisungen/Bloßstellungen, kein „automatisches“ Loben, keine Ironie, kein Sarkasmus, kein Sprechen mit anderen über das Kind, als ob es nicht da wäre, keine Bestrafungen ohne Erklärung, keine geringschätzenden, feindseligen Antworten x Stimme: emotional warm, freundlich, liebevoll, den kindlichen Emotionen/Verhaltensweisen angepasst x Gesicht: Blickkontakt herstellen und halten, sehr aufmerksamer Blick, an die Emotionen, Äußerungen und Handlungen des Kindes angepasster Blick, Zeigen eigener Emotionen mit entsprechender Mimik, keine abfäl-
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ligen Gesichtsausdrücke, kein „Herumgucken“ x Körper: Augenhöhe, deutlich zugewandte und sehr interessierte Körperhaltung, Zulassen von Körperkontakten, keine angespannte (steife, verkrampfte) oder teilnahmslose (abgewandt sitzen, starre) Körperhaltung Stimulation: x Zum Ausdruck bringen der eigenen Motivation, des eigenen großen Interesses und der eigenen Begeisterung x Bestärkung der kindlichen Handlungen und Äußerungen (Stärken von Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeitsgefühl) x Vorsichtige Herausforderung kindlicher Kompetenzen, Akzeptanz kindlicher Bewältigungsformen, Zulassen eigener nächster Schritte und Fehler, keine Abnahme von Lösungen: „Scaffolding“ x Keine Über- oder Unterstimulation x Aufgreifen kindlicher Interessen, Ideen und Aktivitäten, Ermutigung zur Exploration und zur Benutzung der Sinne x Ausdrucksstarkes Einbringen des eigenen Ideenreichtums und gemeinsames „Weiterspinnen“ mit den Kindern („sustained shared thinking“) x Sprache: angeregte und anregende Gespräche, verständliche Erklärungen, Nachfragen, angemessene Abstimmungen, bestätigende, lobende, ermutigende, unterstützende, ausdrucksstarke und anregende Beiträge, keine mangelnden Reaktionen, keine zu starken/schwachen Spiegelungen, nicht zu viele/wenige eigene Beiträge, kein zu starkes Antreiben, keine frühzeitigen Unterbrechungen, keine Unterdrückung kindlichen Sprechens und Denkens x Stimme: freundlich, ermutigend, wertschätzend x Gesicht: Blickkontakt, wacher, hoch interessierter Blick, an die Äußerungen und Handlungen des Kindes angepasster Blick, Zeigen eigener Motivation und Begeisterung mit entsprechender Mimik x Körper: auf Augenhöhe, deutlich zugewandte, hoch interessierte und an die Stimmungen und Äußerungen des Kindes angepasste Körperhaltung (aufrichten, freuen, kein statisches Verharren) Bei der Untersuchung der Interaktionsszenen sollen die einzelnen, anhand der vier Ausdruckskanäle sichtbar werdenden Merkmale der Operationalisierungen nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Es ist sowohl auf die Kongruenz im Antwortverhalten der Erzieherin zu achten als auch insbesondere auf ihre Abstimmung mit dem Kind, den Interaktionsfluss und damit gleichermaßen auf den Beitrag des Kindes zur Interaktion. Um den Interaktionsprozess zwischen
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pädagogischen Fachkräften und Kindern aus beiden Perspektiven beobachten zu können, wird der Interaktionsbeitrag des Kindes bzw. dessen Rolle während der Interaktionen mit Erwachsenen in einem Exkurs kurz thematisiert.
6.10 Die Rolle des Kindes in der Erwachsenen-Kind-Interaktion Aussagen über die „Sensitive Responsivität” beziehen sich laut Van den Boom (1997) grundsätzlich auf Interaktionen und sind bedeutungslos, wenn man nicht die Verhaltensweisen beider Interaktionspartner berücksichtigt. Bei der Betrachtung dieser Dyade sind also sowohl die kindlichen Fähigkeiten des Signalgebens ins Auge zu fassen als auch die Bereitschaft der Erwachsenen82, auf diese Signale zu antworten (Van den Boom 1997, S.593). Trotz des Wissens um diesen wechselseitigen Prozess, an dem Erwachsene und Kinder gleichermaßen beteiligt sind (Crockenberg 1981, S.858), wird in den meisten Studien der Bindungsforschung Feinfühligkeit als relativ stabile Eigenschaft der Mütter betrachtet. Laut Simó et al. (2000) mangelt es an Untersuchungen, die den kindlichen Verhaltensbeitrag zur Interaktion, ihre Persönlichkeit, ihren Kommunikationsstil und nicht zuletzt ihr Alter ebenfalls fokussieren (Simó et al. 2000, S.120ff). Dabei ist es in der Wissenschaft unstrittig, dass diese Komponenten die Interaktionsprozesse zwischen Erwachsenen und Kindern – und damit auch das sensitiv-responsive Verhalten der Erwachsenen – nicht unwesentlich beeinflussen. Nach Grossmann et al. (2003) machen bereits Babys es mit ihren individuellen Verhaltensweisen einigen Eltern schwerer, anderen aber auch leichter, auf sie angemessen einzugehen (Grossmann et al. 2003, S.240). Dornes (2000) verweist ebenfalls darauf, dass angeborene Temperamentsunterschiede und Verhaltensdispositionen von Kindern eine gewisse Rolle beim Zustandekommen unterschiedlicher Bindungsstile spielen (Dornes 2000, S.45). Nicht zuletzt zeigt das Forscherpaar Papoušek (1999), dass Babys mit ihren Auslöse- und Rückkopplungssignalen an der Steuerung der intuitiven elterlichen Kompetenzen – zu denen Feinfühligkeit gehört – maßgeblich beteiligt sind. Vor allem die positiven Rückkopplungssignale der Säuglinge83 stellen für Eltern eine intensive Belohnung und eine Quelle positiver emotionaler Erlebnisse dar. Zugleich sind sie für Eltern eine Bestärkung dafür, sich auf ihre eigenen intuitiven Kompetenzen verlassen zu können (Papoušek und Papoušek 1999, S.150). Da sich Charaktereigenschaften und Bedürfnisse der Kinder im Laufe der Zeit verändern, gilt es laut Thompson (1997) auf Seiten der Eltern, sich diesen 82
Van den Boom spricht von Eltern Visuelle Aufmerksamkeit, Lächeln, ruhige Vokalisation, Anschmiegen als Antwort auf elterliche Interventionen 83
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Veränderungen anzupassen und das eigene Verhalten entsprechend feinfühlig darauf abzustimmen. Während es beim Weinen eines Säuglings in den ersten Lebensmonaten noch darauf ankommt, wirklich schnell und angemessen zu reagieren, ist es am Ende des ersten Lebensjahres hinsichtlich eines feinfühligen Antwortverhaltens von höherer Bedeutung, das Kleinkind bei neuen Herausforderungen oder bei bedrohlichen Erfahrungen vorsichtig und behutsam zu unterstützen (Thompson 1997, S.596). Ähnlich wie Simó et al. (2000), die von einem elterlichen Interaktionsstil sprechen, der sich zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr eines Kindes von feinfühlig-nachgehend zu didaktisierend-vorbereitend ändert (Simó et al. 2000, S.120), geht demnach Thompson (1997) davon aus, dass sich die elterliche Sensitivität im Laufe der Zeit und in Abhängigkeit zum individuellen Entwicklungsstand eines Kindes wandelt (Thompson 1997, S.569). Simó und Kollegen (2000) postulieren darüber hinaus, dass eine transaktionale Perspektive in der frühen Mutter-Kind-Interaktion eingenommen werden sollte, die mit der Erweiterung um eine entwicklungsdynamische Dimension auch den kindlichen Interaktionsbeitrag berücksichtigt (Simó et al. 2000, S.135). Da sich Kinder fortwährend entwickeln und verändern, dürfen feinfühlige Mütter Spangler (1999) zufolge unterstützende Verhaltensweisen nicht stereotyp anwenden (Spangler 1999, S.181), sondern müssen ihren Interaktionsstil laut Simó et al. (2000) den jeweils neuen Entwicklungsfortschritten ihrer Kinder anpassen (Simó et al. 2000, S.135). Demzufolge wandeln sich mit den unterschiedlichen Entwicklungszeiten der Kinder auch die mütterlichen, feinfühligen Interaktionsstile und treten in unterschiedlichen Maßen und Kombinationen mit anderen Verhaltenkomponenten auf. Schließlich lernen natürlich auch Kinder, sich den Kommunikationseigenschaften ihrer Mütter anzupassen, um die für sie notwendige Zuwendung zu erhalten. Auch ihre Interaktionsbeiträge verändern sich dynamisch im Verlauf ihrer Entwicklung und sollten deshalb in Simós (2000) Augen für Studien aus mehreren Komponenten bestehend konzipiert werden (ebd.). Folgt man den eben herangezogenen Wissenschaftlern und betrachtet die „Sensitive Responsivität“ Erwachsener als dynamische Eigenschaft, die sich in den Interaktionen mit Kindern erst über die Zeit herausbildet bzw. die sich in Anpassung an kindliche Entwicklungsfortschritte wandelt (Simó et al. 2000, S.120), müssen auch für diese Untersuchung die spezifischen Verhaltensrepertoires der Kindergartenkinder ins Auge gefasst und bei der Analyse entsprechend aufgegriffen werden (Van Ijzendoorn 1995, S.390). In erster Linie geht es also darum festzustellen, welche Arten von Signalen Kinder aussenden und wie sie wiederum auf die unterschiedlichen Antworten ihrer Erzieherinnen reagieren. Einige wenige Orientierungspunkte bieten hier die in der Literatur jedoch nur vereinzelt vorliegenden Beschreibungen kindlicher Verhaltensweisen.
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6.11 Operationalisierungen kindlicher Verhaltensweisen Simó und Kollegen (2000), die die Mutter-Kind-Interaktion im Verlauf der ersten 18 Monate sowie die Bindungssicherheit der Kinder am Ende des zweiten Lebensjahrs untersuchen, benennen Verhaltenweisen von Kindern, die diese als Antwortverhalten auf die mütterliche Sensitivität zeigen. Die Verhaltensstile der Kinder lassen sich den Forschern zufolge relativ altersunabhängig beschreiben, da lediglich ihre Funktionalität von Bedeutung für die Studie ist (Simó et al. 2000, S.124). Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass ein „geglücktes sensitives Verhalten“ der Mütter von den Kindern durch eine höhere Kooperativität belohnt wird (ebd., S.134). Kooperative Kinder sind nach Simó et al. ihrer Umgebung offener und positiver zugewandt, aufgeschlossen, gelöst, heiter und suchen aktiv den sozialen Kontakt. Kinder der von Simó und Kollegen aufgestellten Kategorie „Kooperatives Verhalten“ initiieren häufiger Interaktionen, halten diese aufrecht und fühlen sich wohl dabei (ebd., S.122 und S.125). Demgegenüber vermitteln Jungen und Mädchen, die der Kategorie „Bemüht-angepasstes Verhalten“ bzw. „Unsicher-abwehrende Kinder“ angehören, einen angespannten Eindruck. Sie äußern ihre Wünsche nicht offen und es gelingt ihnen selten, eigene Bedürfnisse, Interessen und Absichten zu äußern. Die Kinder fügen sich passiv in die Interaktionen mit ihren Müttern, akzeptieren deren Anforderungen und strengen sich an, diesen nachzukommen. Nach Simó et al. zeigen diese Kinder ein so genanntes „Pseudo-kooperatives Verhalten“ und haben offensichtlich wenig Spaß in den Interaktionen (ebd.). Kinder, die ein „Schwieriges Verhalten“ zeigen, drücken ihr Unbehagen und ihren Stress deutlich aus. Sie meiden Kontakte und verfolgen eigene Ziele, auch wenn diese den Zielen ihrer Mütter klar entgegenstehen. Notfalls versuchen die Kinder ihre Ziele auf aggressive Weise durchzusetzen und dabei der mütterlichen Kontrolle zu entweichen. Kinder mit einem „Schwierigen Verhalten“ zeigen ihren Widerstand und Ärger sowie ihre Frustration sehr offen. Schließlich schildert die Forschergruppe um Simó die Verhaltensweisen „Passiver“ Kinder. Diese seien emotional sehr distanziert, vokalisierten wenig, nähmen selten Blicke auf und zeigten lediglich einen gedämpften Gefühlsausdruck (ebd., S.125). Ergänzt werden die Merkmale sich passiv verhaltender Kinder um die Verhaltensweisen „Unsicher-fordernder Kinder“, die sich Interaktionen entziehen, indem sie geistesabwesend oder desinteressiert erscheinen (ebd., S.122). Im Gegensatz zu Simó et al. (2000) untersuchte Stephan (1999), wie zehnjährige Kinder über ihre sachorientierte Beziehung zu ihren Eltern sprechen. Ähnlich wie Simó und Kollegen (2000) konnte sie aber ebenfalls Interaktionsmerkmale von Kindern aufführen. Dabei unterscheidet Stephan (1999) „offene“ und „abblockende“ Kinder. Während offene Kinder sehr lebendig über ihre
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sachorientierte Beziehung zu ihren Eltern sprechen, freudig und ausführlich erzählen, positive Ausdrücke verwenden und Erläuterungen und Episoden zum Thema bringen, zeigen abblockende Kinder eher ein Abwehrverhalten. Die Mädchen und Jungen antworten nur knapp und indifferent, verweigern Antworten und geben zudem widersprüchliche Informationen (Stephan 1999, S.272). Natürlich geben die von Simó et al. (2000) und Stephan (1999) aufgeführten Operationalisierungen kindlichen Interaktionsverhaltens nur in einem äußerst beschränkten Rahmen Hinweise darauf, wie sich Kindergartenkinder während ihrer Interaktionen mit den pädagogischen Fachkräften verhalten könnten. Ebenso besteht – ähnlich wie bei der Differenzierung zwischen feinfühligen und nicht feinfühligen Müttern – die Tendenz, Kinder aufgrund bestimmter Verhaltensweisen eher generalisierend unterschiedlichen Typen zuzuordnen. May macht in diesem Kontext darauf aufmerksam, dass Kinder zwar über „innere Merkmale“ oder „Dispositionen“ verfügen, diese jedoch nicht rein biologischgenetisch bedingt sein müssen, sondern durchaus auch „Produkt einer intrauterinen Interaktionsgeschichte“ sein können (May 2004, S.37 und S.83). Das bedeutet, dass auch ein scheinbar „angeborenes“ Verhalten von Kindern durchaus soziale Ursachen haben kann. Im Folgenden müssen deshalb verallgemeinernde Verhaltenszuschreibungen an Kinder vermieden und ihre Verhaltensmerkmale sehr dezidiert und differenziert ins Auge gefasst werden. Nur so können Aussagen über die sich gegenseitig bedingenden Variablen im Interaktionsverlauf zwischen Erzieherinnen und Kindern getroffen werden.
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Bei der Datenauswertung folge ich dem Kerngedanken ethnographischer Feldforschung, der sich in der Deskription und Analyse eines untersuchten Einzelfalls verwirklicht (Friebertshäuser 1997, S.506)84. Ich werde jedoch mehrere Fälle vergleichend und kontrastierend darstellen. Zunächst erfolgt hierfür eine nuancierte Beschreibung des kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhaltens. Dabei werden die im Vorfeld getroffenen Operationalisierungen kindlicher Verhaltensweisen und der „Sensitiven Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte aufgegriffen und nochmals differenziert. Dies führt zu feingliedrigen Codierungen der Signale von Kindern und Erzieherinnen, was damit auch zur Beantwortung der ersten Erkenntnisinteressen dieser Studie beiträgt. Die Codierungen dienen sodann als Grundlage zur deskriptiv-analytischen Betrachtung der 30 verschiedenen Interaktionsszenen.
7.1 Die Signale der Kinder – Erkenntnisinteressen III Folgt man dem Hinweis aus der Hirnphysiologie, wonach „Emotionen (…) als ‘Türöffner’ für Lernprozesse und Leistungen eingesetzt“ werden (Braun und Meier 2004, S.518) und Kinder somit vor allem dann nachhaltig lernen, wenn sie dies lustvoll tun, werden die kindlichen Signale an erster Stelle im Hinblick auf die Faktoren „Wichtigkeit“ und „Dabei-Sein“ operationalisiert. Dieses Vorgehen stützt sich auch auf die Annahme, dass Kinder mithilfe so genannter Lerndispositionen85 Lerngelegenheiten wahrnehmen, erkennen, auswählen, beantworten oder herstellen. Nach Margaret Carr (2001) kommen in Lerndispositionen die Motivation und die Fähigkeit eines Menschen zum Ausdruck, sich mit neuen Herausforderungen und Situationen auseinanderzusetzen und diese mitzugestalten (Carr 2001, S.21). Lerndispositionen, die im Ansatz der „Bildungs- und Lerngeschichten“86 in Deutschland untergliedert werden in „Interessiert sein“, „Engagiert sein“, „Standhalten bei Herausforderungen und Schwie84
Vgl. Kapitel 5.2.1 Ethnographische Feldforschung und Teilnehmende Beobachtung, S.90ff Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland, S.57ff 86 Vgl. Kapitel 2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland, S.63ff 85
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
rigkeiten“, „Sich ausdrücken und mitteilen“ und „Verantwortung übernehmen“, können demzufolge als grundlegende Voraussetzungen für Bildungsprozesse betrachtet werden. Sie bilden das Fundament für ein lebenslanges Lernen. Die Dispositionen „Interessiert sein“ und „Engagiert sein“ spielen bei kindlichen Lernprozessen eine herausragende Rolle und werden deshalb bei der Untersuchung der Signale der Kinder mit den Faktoren „Wichtigkeit“ und „DabeiSein“ aufgegriffen.
7.1.1 „Wichtigkeit“ Ist Kindern etwas besonders wichtig, kann man davon ausgehen, dass sie in solchen Momenten mit großem Interesse und Engagement „bei der Sache sind“ und auf intensive Weise lernen. Die Untersuchung der Videoszenen hat ergeben, dass sich kindliche Signale hinsichtlich des Faktors der „Wichtigkeit“ in sechs Bestandteile untergliedern lassen. Übersicht 7.1: Codierungen Kinder – Wichtigkeit Direkte Ansprache der Erzieherin/Spontanes Reinrufen (W+E/Z) „Schau mal, was ich gemacht habe!“, „Ich will noch was sagen.“ Direktes Fragen (W+?) „Aber weißt Du, was ich machen möchte?“ Mehrfaches bzw. fortlaufendes Äußern zum Thema (W+ …) „Ich war da mit meinem Opa. – Ich hab’ zwei Opas. - Und drei Omas schon mal gehabt. Aber jetzt hab’ ich nur noch zwei, weil eine gestorben ist.“ Zum Interessensgegenstand zurückkehren/Immer wieder neu ansetzen (W+x) Unterbrechungen und geringen Reaktionen standhalten Mit anderen Kindern sprechen (W+K) „Du kannst mir doch ein Bild malen. Ist doch gut, oder?“ Nonverbale Aufmerksamkeitsgesuche (W+NA) Hinschauen, antippen, melden, Blickkontakt suchen, mit Blicken rückversichern Die Dringlichkeit des kindlichen Mitteilungsbedürfnisses lässt sich vor allem an den verbalen Signalen der Kinder erkennen. Sie sprechen die Fachkräfte von sich aus direkt an und nennen dabei zumeist auch den Namen der Erzieherin. Mit einem „Diana, guck mal, was ich gemacht habe!“ drücken sie unmissverständlich aus, dass sie die Aufmerksamkeit der Pädagogin erlangen möchten,
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
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um ihr entsprechende Werke zeigen oder um über bedeutsame Erlebnisse berichten zu können. Ebenso kann man feststellen, dass sich Kinder mit Fragen an die Erzieherinnen richten, um deren Aufmerksamkeit zu bekommen und Rückmeldungen zu erhalten. Ist Kindern etwas besonders wichtig, äußern sie sich mehrfach und fortlaufend zu einem bestimmten Thema und kehren teilweise auch dann zu ihrem Interessensgegenstand zurück, wenn die pädagogischen Fachkräfte sie in ihrem Rede- oder Handlungsfluss unterbrechen bzw. kaum auf die Kinder eingehen. Darüber hinaus zeigen die transkribierten Interaktionsszenen, dass sich Kindergartenkinder mit für sie wesentlichen Themen auch an andere Kinder der Einrichtung wenden. Können Fachkräfte insbesondere an den verbalen Signalen der Kinder erkennen, wie essenziell ein Erlebnis bzw. eine Tätigkeit für ein Kind ist, bringen jedoch auch nonverbale kindliche Signale die Dringlichkeit ihres Mitteilungsbedürfnisses zum Ausdruck. Untermauert werden die verbalen Signale des Faktors „Wichtigkeit“ durch nonverbale Aufmerksamkeitsgesuche wie das Antippen der Erzieherin, das Handheben, das Hinschauen zum Interessensgegenstand, das Suchen des Blickkontakts oder die Rückversicherung mit Blicken. Hinzu kommt, dass Berichte über eindrucksvolle Erlebnisse oder das Präsentieren gerade entstandener Werke mit einem stolzen Lächeln und lebhaften Handbewegungen begleitet werden. Nicht zuletzt zeigen subtilere Signale wie das leise Weinen eines Kindes oder dessen unsichere Körperhaltung, dass es die Zuwendung der pädagogischen Fachkraft in diesem Moment benötigt. Mimik und Gestik der Kinder geben demzufolge deutliche Hinweise darauf, wann Erzieherinnen Kindern mit „Sensitiver Responsivität“ begegnen sollten.
7.1.2 „Dabei-Sein“ Nicht nur, wenn sich Kinder mit hoher Dringlichkeit äußern, sondern auch, wenn sie intensiv mit etwas beschäftigt sind und dies der Erzieherin mitteilen, sollten pädagogische Fachkräfte feinfühlig auf sie eingehen. Sind Kinder wirklich „bei der Sache“, ist dies ein deutliches Anzeichen dafür, dass sie in diesem Augenblick mit großem Interesse, starkem Engagement und hoher Konzentration lernen können. Begleitet werden die Lernprozesse durch ganz unterschiedliche Gefühle, die genau wie der Grad des „Dabei-Seins“ auf den Ausdruckskanälen der Kinder sichtbar werden. Daher lassen vor allem nonverbale Signale erkennen, wie stark sich Kinder mit einem Gedanken oder einer Handlung befassen. Zunächst zeigt die Körperhaltung der Kinder, ob sie aufmerksam und interessiert sind. Ist dies der Fall, beugt sich ihr Körper dem Interessensgegenstand bzw. dem Interaktionspartner entgegen. Der Kopf ist geneigt, um besser
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
zuhören zu können. Die Kinder zeigen auf Dinge und wollen sie anfassen. Begleiten positive Gefühle wie Freude, Begeisterung, Spaß, Zufriedenheit und Stolz diese Momente höchsten Interesses, werden auch diese anhand offener, zugewandter und aufrechter Körperhaltungen sichtbar. Die Kinder lassen Körperkontakte zu oder zappeln unruhig, wenn sie besonders aufgeregt sind. Sind Kinder in hohem Maße emotional betroffen, sinken ihre Körper zuweilen in sich zusammen. Häufig kann man beobachten, dass Kinder ihre Köpfe senken oder protestierend in die Knie gehen. Schwinden Aufmerksamkeit und Interesse, äußert sich dies in einer entsprechend gegenteiligen Körperhaltung. Die Kinder stützen ihre Köpfe müde auf die Hände, drehen sie weg und wenden gegebenenfalls den ganzen Körper ab. Teilweise noch deutlicher als die Körperhaltung lassen Blicke, Mimik und Gestik der Kinder Rückschlüsse auf deren Grad des „Dabei-Seins“ zu. Zunächst spiegelt die Blickrichtung der Kinder das Zentrum ihres Interesses und ihrer Aufmerksamkeit wider. Sie schauen auf den Interessensgegenstand und ebenso intensiv in das Gesicht ihrer Interaktionspartner. Sie stellen Blickkontakt her, halten ihn und stimmen sich mit ihrem Gegenüber mit Blicken ab. Die Kinder teilen ihre Gefühle mit ihren Interaktionspartnern und zeigen dabei weit geöffnete Augen und Münder, ein frohes oder stolzes Lächeln, fragende oder traurige Blicke, wild gestikulierende Arme, ein heftiges Nicken, ein zaghaftes Zucken der Schultern oder auch von Tränen überströmte Gesichter. Sind die Blickkontakte zwischen Erzieherinnen und Kindern in solchen Momenten besonders intensiv, gibt es andererseits auch Situationen, in denen kaum Blickkontakte existieren. Insbesondere Kinder, die alleine und sehr konzentriert mit etwas beschäftigt sind, erscheinen häufig so sehr in ihre Tätigkeit versunken, dass ihre Mimik und Körperhaltung zwar großes Interesse widerspiegeln, sie jedoch nicht unbedingt Blickkontakt zu ihrer Erzieherin herstellen. Unterbrochene Blickkontakte sind schließlich dann zu verzeichnen, wenn Kinder sehr aufgeregt und emotional stark betroffen sind. Das Weinen oder unruhige Umherschauen der Kinder verhindert es, den Blickkontakt mit den pädagogischen Fachkräften zu halten. Nicht zuletzt weisen Kindergartenkinder gerade dann nur äußerst reduzierte Blickkontakte mit ihren Interaktionspartnern auf, wenn sie abgelenkt werden, abwesend, gleichgültig und desinteressiert wirken oder unruhig sind. Sie schauen umher, haben einen abwesenden Blick oder starren mit unbewegtem Gesicht vor sich. Einige Kinder wenden sich ganz ab. Kommt es zu einem solchen Abwenden, versiegen auch die Gespräche zwischen Fachkräften und Kindern. In einigen Fällen führen die Kinder ihre Tätigkeiten fort, antworten jedoch nicht mehr auf die Ansprache ihrer Erzieherinnen. Manche Kinder verstummen in solchen Augenblicken gänzlich. Auch bei Kindern, die abwesend, gleichgültig oder desinteressiert wirken, sind die verba-
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len Signale sehr reduziert. Sie äußern sich – wenn überhaupt – einsilbig und mit nüchterner, monotoner Stimmlage. Im Gegensatz dazu sind die Tonfälle und verbalen Signale von aufmerksamen, interessierten und emotional sehr bewegten Kindern weitaus lebhafter. Sie sprechen lauter und schneller, sie lachen oder stöhnen und rufen oder schreien. Aufgeregtheit, Freude, Begeisterung, Zufriedenheit, Stolz, Trauer oder Wut werden deutlich zum Ausdruck gebracht. Werden die Kinder in diesen Momenten jedoch gestört, kann sich der Grad ihrer Aufmerksamkeit von einem sehr intensiven „Dabei-sein“ zum „Abgelenkt-sein“ wandeln. Dies hat zur Folge, dass auch der Rede- oder Handlungsfluss sehr engagierter Kinder unterbrochen wird. Übersicht 7.2: Codierungen Kinder – Dabei-sein Aufmerksamkeit und Interesse zeigen (D+I)
Freude/ Begeisterung/ Spaß zeigen (D+F)
Körperhaltung: dem Interessensgegenstand entgegen gebeugt, Kopf geneigt, um zuzuhören, melden, etwas anfassen wollen, auf etwas zeigen Blicke: auf den Interessensgegenstand/ Gesprächspartner gerichtet, Blickkontakt herstellen/halten (Unterschiede in Länge/Intensität), Blickabstimmung, interessiertes Zuschauen, kein Blickkontakt, wenn Blicke interessiert und aufmerksam auf den Interessensgegenstand gerichtet sind und konzentriert/vertieft gearbeitet wird Mimik und Gestik: lächeln, (heftig) nicken, fragend schauen, mit den Schultern zucken, Kopf schütteln (leicht bis heftig), (auf) etwas zeigen, mit Körpereinsatz melden und erzählen Stimme: freudig, erwartungsvoll, aufgeregt, enthusiastisch, stolz, traurig, emotional bewegt Verbale Signale: Gesprächsinitiation, (weiterführende) Beiträge, Fragen stellen, sehr junge Kinder lautieren Körperhaltung: offen, zugewandt, Körperkontakte Blicke, Mimik, Gestik: intensive Blickkontakte, weit geöffnete Augen, geöffneter Mund, lächeln, lachen, ausgebreitete Arme Stimme: freudig, aufgeregt, enthusiastisch Verbale Signale: quietschen, freudige Ausrufe, Witze machen
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Aufgeregtheit zeigen (D+A)
Körperhaltung: unruhig, wippen, zappeln Blicke, Mimik, Gestik: intensive oder unterbrochene Blickkontakte, weit geöffnete Augen, stark gestikulierend, Erzieherin antippen Stimme: aufgeregt, schnell redend, laut Verbale Signale: rein rufen, die Erzieherin beim Namen nennen
Zufriedenheit und Stolz zeigen (D+Z)
Körperhaltung: aufrecht, gehobener Kopf Blicke, Mimik, Gestik: intensive Blickkontakte, lächelnd, zufrieden und stolz das Werk betrachten, zeigen Stimme: ruhig, freudig, stolz Verbale Signale: die Erzieherin direkt ansprechen Körperhaltung: in sich gesunken, geneigter Kopf, protestierend in die Knie gehen Blicke, Mimik, Gestik: unterbrochene Blickkontakte, weinen, mit den Armen schlagen Stimme: traurig, niedergeschlagen, wütend Verbale Signale: stöhnen, weinen, schluchzen, schreien Körperhaltung: unruhig, zappeln, umherlaufen Blicke, Mimik, Gestik: unterbrochene Blickkontakte, umherschauen Verbale Signale: unterbrochen Blicke, Mimik, Gestik: unterbrochene Blickkontakte, Blick wendet sich zur Ablenkungsursache Verbale Signale: werden unterbrochen, verstummen
Emotionale Betroffenheit zeigen (D+E)
Unruhig sein (D-U)
Abgelenkt sein (D-Abg) Abwesend wirken (D-Abw)
Gleichgültig und desinteressiert wirken (D-G)
Blicke, Mimik, Gestik: Blick wandert durch den Raum, äußerst knappe Blickkontakte, weit geöffnete/träumende Augen Stimme: monoton Verbale Signale: einsilbig, verstummen Körperhaltung: aufgestützter Kopf Blicke, Mimik, Gestik: unbewegtes Gesicht, kaum Blickkontakte Stimme: monoton Verbale Signale: äußerst reduziert
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens Sich abwenden (D-sa)
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Körperhaltung: Körper weg drehen, Kopf weg ziehen oder drehen Blicke, Mimik, Gestik: schnelles Abwenden des Blickes, vor sich/aufs eigene Werk schauen/starren, Finger in die Hand nehmen und darauf schauen, Finger an den Mund nehmen Verbale Signale: keine Antwort, Arbeit fortführen, verstummen
7.1.3 Signalarten Da in dieser Studie unter anderem der Fragestellung nachgegangen werden soll, inwiefern das pädagogische Antwortverhalten das Interaktionsverhalten der Kinder beeinflusst87, müssen neben der in den Ausdruckskanälen sichtbar werdenden unterschiedlichen Formen der Mitteilungen auch die Inhalte der kindlichen Signale untersucht werden. Nur so kann die Hypothese be- bzw. widerlegt werden, dass sich die Qualität und Quantität der kindlichen Äußerungen in Abhängigkeit von der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ verändern. Um diese Zusammenhänge später verdeutlichen zu können, sollen zunächst die wichtigsten Formen kindlicher Gesprächsbeiträge aufgeführt werden. Übersicht 7.3: Codierungen Kinder – Signalarten Signalarten Lebensweltäußerungen (L)
Schlussfolgerungen/ Erkenntnisse (S/E)
87
Beispiele „Ich bin mit meinem Fahrrad gefahren. Des ist mit Stützrädern u. so ´ner Bob der Baumeister Fahne.“ „Ich war da mit mei´m Opa. – Ich hab zwei Opas. Und drei Omas schon mal gehabt. Aber jetzt hab ich nur noch zwei, weil eine gestorben ist.“ Schlussfolgerungen: „Des ist schon so voll. Des muss jetzt ausgeräumt werden.“, „Wenn ich groß bin, dann kann ich auch in die Schule gehen.“ Zusammenhänge: „Und die Schlappe ist auch anders.“, „Die L hat auch ne Haarspange.“ Wissen: „Boah, des gibt 5 gell?“, „Und Flugzeuge fliegen immer durch die Wolken manchmal.“
Vgl. Kapitel 6.10 Die Rolle des Kindes in der Erwachsenen-Kind-Interaktion, S.141ff
152
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Signalarten
Fragen (F mit Ausdifferenzierung)
Vorschläge (V)
Kommentierung eigener Arbeitsvorgänge/ Handlungen (K)
Beispiele Einschätzung des eigenen Könnens/Wissens: „Ich kann noch nicht lesen.“, „Ich kann auch schon alleine schlafen.“ Entdeckungen/Erkenntnisse: „Weil guck mal, der Ferrari, der hat ein Rad verloren.“, „Des sind alles Buchstaben.“ Aufmerksamkeit erlangen, um Wichtiges zu erzählen/ Rückmeldung zu erhalten (FW): „Weißt du, wie ich des mach? Weißt du, wieso ich an den Computer möchte?“ Von sich aus fragen aus Interesse (FI): „Was ist das?“, „Woher weißt du, wie Haarsträhnchen gehen?“, „Welches Spiel?“ Organisation/Regeln (FO): „Warum darf jeder nur einen?“, „Wie viele können eigentlich da hoch?“, „Und jetzt darf ich, oder?“, „Soll ich dir helfen?“, „Kann ich des machen?“ Nachhaken wegen mangelnder Reaktion (FN): „Mh?“, „Ok? Anna?“ „Ich hätte gesagt: Wenn der jetzt ein, gegenseitig geprügelt hätten, dann hätt´ ich gesagt, die kommen einfach beide runter. So hätt´ ich des gemacht.“, „Oder man nimmt ein Pflaster.“ „Ich hol mir diese Farbe.“, „Ich tu mal hier noch fest drücken.“, „Meinen Namen schreib ich jetzt auf die andere Seite.“, „So. So. So.“
Etwas zeigen (Z)
„Claudia, ich hab einen Waschlappen gebastelt!“, „Guck mal, hier bin ich schon fertig.“, „Schau mal, was ich kann!“
Bitten/Wünsche (B)
„Ich seh´ nix. Zeig mal.“, „Ich will noch was sagen.“, „Kann ich auch mitspielen? Bitte!“, „Kann ich des kleben?“ „Kannst du mir auch so eine Kugel machen?“, „Weißt du was, es bleibt nicht. Guck, es hängt immer so.“, „D hat von uns was kaputt gemacht.“
Hilfegesuche (H)
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Signalarten
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Beispiele
Rechtfertigen/ Streithergänge schildern (RE) Äußerungen im (Rollen-) Spiel (R)
„Wir wollen damit spielen, und der hat es uns abgenommen.“, „Die hatten wir alle. Die dürfen die nicht mehr.“ „Komm mal mit! Da ist was Schlimmes passiert!“, „Hallo, ich bin auch Arzt.“, „Siehst du mich von da oben?“
Spielorganisation (SO)
„Ja. Oder der J, wenn er will. Magst du?“, „Nach der H bin ich.“, „Das brauch ich auch!“, „Jetzt darfst du.“ Ausführliche Lebensweltäußerungen (AL): „Ja, aber ich war da gar nicht hingegangen. Also des war ausgefallen.“ Erklärungen (Mitdenken) (AE): „Aber weißt du, was ich machen möchte? Des Papier von rot auf weiß machen. Und dann in so en Flieger falten und dann einfach en schwarzes Kreuz drauf malen.“ (Tatsachen-)Beschreibungen (AB): „Der Papa ist da im Krankenhaus. Da sitzt mein Papa im Rollstuhl“, „Das ist ein Waschlappen!“ Widergabe von (Spiel-)Regeln (AR): „Jeder sollte einen Schuh in der Mitte sehen.“, „Nicht drunter gucken.“ Knappe Feststellungen (Af): „Ich bin noch nicht fertig.“ Sehr Knappe Antworten/Auskünfte/Vervollständigen halber Sätze (A-): „Ja“, „Mh.“, „Doch.“, „Ok.“//„Die Oma.“, „Eine Uhr.“,//„Nein. Schuhe.“ Nonverbale Antworten (AN): lächeln, Kopf schütteln keine Antwort (KA)
Antworten (A mit Ausdifferenzierung)
Beginnen Kinder von sich aus, ihrer Erzieherin etwas zu erzählen, betrifft dies häufig Erlebnisse, die in engem Zusammenhang mit ihrer direkten Lebenswelt stehen. Viele Kinder berichten davon, was sie gemeinsam mit ihren Familien oder Freunden erlebt haben. Andere erzählen von ihren Großeltern, ihren Haustieren oder von Spielsachen, die sie besitzen. Lässt es der Stand der sprachlichen
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Entwicklung zu, werden solche „Lebensweltäußerungen“ in vollständigen Sätzen mitgeteilt und im Gesprächsverlauf fortwährend gesendet. Schlussfolgerungen und Erkenntnisse findet man demgegenüber oftmals nur als einmalige Äußerung im Interaktionsverlauf. Dem Alter und Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes entsprechend sind aber auch hier vollständige, zusammenhängende und erklärende Sätze zu verzeichnen. Wie die Lebensweltäußerungen teilen Kinder ihre Entdeckungen, festgestellten Zusammenhänge sowie Einschätzungen des eigenen Wissens und Könnens sehr spontan und unmittelbar in der Interaktion mit. Anhand von Aussagen wie „Wenn ich groß bin, kann ich auch in die Schule gehen“ oder „Flugzeuge fliegen immer durch die Wolken“ gewinnen Fachkräfte Einblick in die unterschiedlichen Entwicklungsstände der Kinder. Derartige Rückschlüsse können Erzieherinnen auch dann ziehen, wenn sie die verschiedenen Arten betrachten, wie Kinder fragen. Die Fragen der Kinder reichen von einem kurzen Nachhaken, wenn die pädagogische Fachkraft zuvor nicht auf ein Kind reagiert hatte, über Fragen zur Organisation von Regeln und Absprachen, bis hin zu Fragestellungen, die dem hohen Interesse der Kinder entspringen. Kinder, die sehr dringlich etwas für sie Wichtiges kundtun wollen, nutzen darüber hinaus die Form der Frage, um die Aufmerksamkeit und Rückmeldung der pädagogischen Fachkraft zu erlangen. Werden Fragen, Lebensweltäußerungen, Schlussfolgerungen und Erkenntnisse in den häufigsten Fällen von sich aus geäußert, so machen Kindergartenkinder gleichermaßen von sich aus Vorschläge im Interaktionsverlauf. Ebenso kommentieren sie ihre eigenen Handlungen und Arbeitsvorgänge, ohne zuvor dazu aufgefordert zu werden. Im Gegensatz zu den drei erst genannten Signalarten werden Vorschläge häufig unter den Kindern ausgesprochen und Kommentierungen zuweilen lediglich vor sich hin gesprochen. Möchten Kinder jedoch ihre Werke zeigen, an denen sie arbeiten oder die sie gerade fertig gestellt haben, richten sie sich direkt und sehr ausdrücklich an ihre Erzieherinnen. Häufig sprechen sie die pädagogischen Fachkräfte in diesem Fall mit ihren Namen an und fordern sie deutlich zum Hinschauen auf. Ähnliches ist zu beobachten, wenn sich Kinder mit ihren Bitten, Wünschen oder Hilfegesuchen an ihre Erzieherinnen wenden. Sie nennen in solchen Fällen ebenfalls oft die Namen der Frühpädagoginnen und bringen im Anschluss daran ihre Gesuche auf direktem („Kann ich des kleben?“) oder indirektem Wege vor („Meine Nase läuft. Oh, meine klebrigen Finger.“). Besondere Formen des Signalsendens stellen Rechtfertigungen bzw. das Schildern von Streithergängen dar sowie Äußerungen im Rollenspiel und die Organisation von Spielen. Während Kinder ihre Rechtfertigungen und Konfliktschilderungen direkt an die Fachkräfte richten, kommentieren und organisieren sie das Geschehen im (Rollen-)Spiel meist unter sich. Sie
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
155
beschreiben, was sie tun, definieren ihre Rollen und treffen Absprachen mit ihren Spielpartnern. Als letzte Signalart möchte ich an dieser Stelle das Antworten aufführen. Je nach Frage der Fachkraft fallen die Antworten eines Kindes sehr ausführlich oder auch äußerst knapp aus. Stehen Antworten mit der direkten Lebenswelt des Kindes in Zusammenhang, ist ersteres zu beobachten. Ähnlich lang (und gegebenenfalls noch ausgeweiteter) sind Antworten, die das Mitdenken eines Kindes verdeutlichen und Erklärungen darstellen. Davon zu unterscheiden sind (Tatsachen-)Beschreibungen, die im Moment des Aussprechens kein größeres Nachdenken erfordern und die häufig entsprechend kürzer sind. Gleiches trifft auf die Wiedergabe von Spielregeln zu, die oft wie eingeübt erscheint und deshalb meist ohne zögernde Reflexion und knapp erfolgt. Vervollständigen Kinder die angefangenen Sätze ihrer Erzieherinnen oder geben sie kurze Auskünfte, sind diese Antworten genauso kurz wie knappe Feststellungen, die die Kinder gelegentlich machen. Schließlich antworten Kinder auf nonverbalem Wege, indem sie beispielsweise lächeln oder der Pädagogin zunicken. Es kommt jedoch auch vor, dass einige Kinder überhaupt nicht antworten.
7.2 Das Interaktionsverhalten pädagogischer Fachkräfte – Erkenntnisinteressen I Neben den Signalen der Kinder gilt es nun, das Interaktionsverhalten von Erzieherinnen in den Blick zu nehmen, um die feinen Nuancen „Sensitiver Responsivität“ beschreiben zu können. Dabei werden die in Kapitel 6 herausgearbeiteten Komponenten „Sensitiver Responsivität“ - Zugänglichkeit, Aufmerksamkeit, Generelle Haltung (Akzeptanz, Interesse, Respekt vor der Autonomie), Involvement, Emotionales Klima und Stimulation – weiter differenziert. Dieses Vorgehen beruht einerseits auf einer der Erkenntnisinteressen dieser Untersuchung88. Nur wenn die Operationalisierungen mit konkreten Handlungs- und Verhaltensweisen umschrieben werden, kann die „Sensitive Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte im Elementarbereich detailliert erfasst werden. Andererseits war im Rahmen einer ersten Grobauswertung der transkribierten Videoszenen zu erkennen, dass die zuvor festgelegten Operationalisierungen nur ansatzweise für das vielfältige Interaktionsverhalten der Erzieherinnen verwendet werden können. Es zeigte sich, dass die Fachkräfte nahezu immer antworten, wenn die Kinder sie ansprechen. In diesem Sinne sind Erzieherinnen also auch dann zugänglich, wenn sie kein tieferes Interesse oder keine Zeit, Ruhe und 88
Vgl. Kapitel 5.1 Erkenntnisinteressen, S.87ff
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Muße haben. Gleichzeitig impliziert dies jedoch nicht, dass sie in bestimmten Momenten auch „sensitiv“ zugänglich sind. Betrachtet man den Tonfall der pädagogischen Fachkräfte und die Angemessenheit ihres Antwortverhaltens, würde man die Zugänglichkeit eher als automatisiert denn als feinfühlig bezeichnen. Ähnliches gilt für die Operationalisierung „Aufmerksamkeit“. Hier ist ebenfalls festzustellen, dass Erzieherinnen das Signal eines Kindes vernehmen und „automatisch“ antworten. Jedoch variiert der Grad des Eingehens auf das Kind und muss gegebenenfalls als nicht sensitiv bezeichnet werden. Die Beobachtungen bei der ersten Auswertung der Szenen führten zu dem Entschluss, die Operationalisierungen „Zugänglichkeit“ und „Aufmerksamkeit“ mit den Faktoren „Promptheit“ und „Eingehen“ zu fassen. Diese neue Einordnung erlaubt es zu ermitteln, ob (und wann) Erzieherinnen auf die kindlichen Signale reagieren sowie zu bestimmen, wie intensiv sie auf die Kinder eingehen. Eine weitere Entscheidung hatte zur Folge, das „Wie“ des Antwortens von der Codierung „Promptheit“ zu entkoppeln. Qualitative Bestandteile der Operationalisierungen „Zugänglichkeit“ und „Aufmerksamkeit“ - wie zum Beispiel Interesse haben oder das Aufgreifen von Stimmungen - werden demzufolge mit den Faktoren „Eingehen“, „Dabei-sein“ und „Umgang mit Stimmungen/Emotionen“ ermittelt. Diese Codes erlauben es, die fließenden Übergänge von einem feinfühligen Verhalten zu einem wenig sensitiv-responsiven Antworten sehr nuanciert und konkret zu beschreiben. Um diesem Anspruch auch hinsichtlich der Operationalisierungen „Generelle Haltung“, „Involvement“, „Emotionales Klima“ und „Stimulation“ gerecht zu werden, musste ich diese Operationalisierungen ebenfalls in spezifischeren Faktoren ausdifferenzieren. Ob Erzieherinnen Kinder akzeptieren, wird mit den Codierungen „Wertschätzung zeigen/loben“ und „Umgang mit Stimmungen/ Emotionen“ überprüft. Die Bandbreite von höchstem zu kaum vorhandenem Interesse pädagogischer Fachkräfte zeigt sich in den Codierungen „Eingehen“, „Dabei-sein“ und „Umgang mit Stimmungen/Emotionen“. Die Operationalisierung „Respekt vor der Autonomie eines Kindes“ wird in den Codierungen „Wertschätzung zeigen/loben“, „Umgang mit Stimmungen/Emotionen“ und „Stimulation“ ausdifferenziert. Wie sehr sich Frühpädagoginnen in der Interaktion mit Kindern engagieren („Involvement“), wird nun mit den Codes „Dabeisein“ und „Stimulation“ untersucht. Die vorherige Operationalisierung „Emotionales Klima“ wird ebenfalls mit mehreren Codes ermittelt. Hinweise zum „Emotionalen Klima“ während einer Erzieherinnen-Kind-Interaktion findet man, wenn der „Umgang mit Stimmungen und Emotionen“ der Fachkräfte betrachtet und beobachtet wird, auf welche Weise sie Kinder „wertschätzen und loben“. Schließlich finden sich Ausführungen zur Operationalisierung „Stimulation“ in einem ebensolchen Code („Stimulation“) und nicht zuletzt in einem
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
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Unterpunkt der Codierung „Wertschätzung zeigen/loben“ - „Umgang mit Signalen“. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass sich die Merkmale der einzelnen Operationalisierungen und Codierungen häufig überschneiden bzw. fließend ineinander übergehen. So ist zum Beispiel die einfache Handlung einer Erzieherin, die einem Kind, das versucht, in ein Buch zu schauen, dieses vor den Augen des Kindes zuschlägt, sowohl mit einer mangelnden Akzeptanz und wenig Interesse an dem Bedürfnis des Kindes zu bewerten als auch mit kaum Respekt vor der Autonomie des Kindes und einem unzureichenden Involvement der Fachkraft. Außerdem kann das nicht feinfühlige Verhalten der Pädagogin in diesem Moment zu einem wenig emotionalen Lernklima führen und eine weitere Stimulation des Kindes verhindern. Bei der Auswertung der Szenen soll eine solche, doch sehr einfache Einteilung der Operationalisierungen in positiv und negativ verhindert werden. Zudem gilt es der Tatsache gerecht zu werden, dass die „Sensitive Responsivität“ eine dynamische, sich in der Interaktion herausbildende Eigenschaft ist (Simó, 2000). Die Ausprägungen von Feinfühligkeit hängen somit von den Interaktionspartnern und deren Entwicklung ab und können mit dem jeweiligen Gesprächskontext immer etwas variieren. Ein feinfühliges Antwortverhalten einer Erzieherin auf die direkte und aufgeregte Mitteilung eines Kindes sieht daher anders aus als ihre Reaktion auf den schwieriger wahrzunehmenden kurzen Blick eines anderen Kindes, das auf diese Weise versucht, die Aufmerksamkeit der Frühpädagogin auf sich zu ziehen. Bei der intensiven Betrachtung der Videoszenen sind diese feinen Abstufungen im pädagogischen Antwortverhalten sehr deutlich geworden. Die bereits erwähnten feingliedrigen Codierungen stellen somit ein zentrales Ergebnis dieser Studie dar. Sie werden im Folgenden aufgeführt.
7.2.1 Promptheit Die Codierung „Promptheit“ setzt – wie schon erläutert – die Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit pädagogischer Fachkräfte voraus und beinhaltet die Schnelligkeit, auf die Signale der Kinder zu reagieren. Qualitative Elemente der Reaktion werden an dieser Stelle ausgeklammert. Das bedeutet, dass man an einem lediglich mit „Promptheit“ codierten Szenenausschnitt noch nicht erkennt, ob sich eine Erzieherin mit hohem Interesse engagiert. Vielmehr wird anhand der jeweiligen Codes sichtbar, ob pädagogische Fachkräfte eine unmittelbare verbale oder nonverbale Reaktion zeigen, ob sie Blickkontakt mit den Kindern haben, ob sie zu schnell auf ein Kind reagieren und es damit in seinem Redeoder Handlungsfluss unterbrechen, oder ob sie erst auf ein wiederholt gesende-
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
tes Signal eines Kindes reagieren. Diese verzögerte Reaktion kann mit einer entsprechenden Codierung nochmals gesteigert werden, und zwar dann, wenn eine Erzieherin erst auf ein Kind reagiert, wenn dieses schon längst einer anderen Sache nachgeht. Die Reaktion der Fachkraft ist in einem solchen Fall „stark verzögert“ und äußert sich zuweilen in einem Rufen durch den Gruppenraum. Nicht zuletzt ist bei der Betrachtung der Videoszenen festzustellen, dass Erzieherinnen zuweilen überhaupt nicht auf das Signal eines Kindes reagieren. Übersicht 7.4: Codierungen Erzieherin – Promptheit PR+ PRVR ZSR SVR KR
Prompte verbale/nonverbale Reaktion mit Blickkontakt Prompte verbale/nonverbale Reaktion ohne Blickkontakt Verzögerte verbale/nonverbale Reaktion auf mehrmalige Nachfrage/Aussage Zu schnelle Reaktion/Unterbrechen Stark verzögerte Reaktion, nachdem das Kind schon längst weg ist Keine Reaktion auf die Signale des Kindes
7.2.2 Eingehen Im Gegensatz zur „Promptheit“ erlaubt die Codierung „Eingehen“ eine erste qualitative Einordnung des pädagogischen Interaktionsverhaltens. Die Art und Weise des Eingehens gibt Hinweise darauf, welches Maß an Interesse die Fachkraft einem Kind entgegenbringt. Geht eine Erzieherin schnell und ausführlich auf die Signale eines Kindes ein, antwortet sie in ganzen Sätzen, spiegelt sie die Aussagen des Kindes und macht auch eigene Gesprächsbeiträge, ist dies ein relativ deutlicher Hinweis auf die interessierte Haltung der Pädagogin. Ein knapperes Eingehen auf die Kinder schließt das hohe Interesse einer Erzieherin jedoch ebenfalls nicht aus. Nonverbale Antworten wie das Entgegenbeugen zum Kind, das intensive Anschauen eines vom Kind präsentierten Werkes, ein geteiltes Lächeln mit dem Kind oder ein zustimmendes Nicken können genauso gut ein feinfühliges Eingehen auf ein Kind bedeuten. Abstriche hinsichtlich eines sensitiven Eingehens sind erst dann zu machen, wenn das Eingehen auf Kinder, ähnlich wie die erste Reaktion auf deren Signale, mit einer deutlichen Verzögerung erfolgt. Werden zusätzlich in den Antworten der Erzieherinnen die Stimmungen der Kinder nicht aufgegriffen, kaum Blickkontakte hergestellt und wenig Engagement gezeigt, zeugt dies von einem geringeren Interesse der pädagogischen Fachkräfte. Sie gehen in diesen Momenten auf die Lebenswelt- und Wissensäußerungen der Kinder und auch auf deren Gefühle wie Angst oder
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Stolz lediglich „äußerst reduziert“ mit einem knappen „mh“ oder „gut“ ein. Auffällig ist an dieser Stelle, dass sich auch hier ein Zusammenspiel der einzelnen Codierungen („Eingehen“, „Dabei-sein“, „Aufgreifen von Stimmungen/Emotionen“) andeutet. Schließlich ist ein Ausbleiben des Eingehens auf ein Signal zu verzeichnen, wenn Erzieherinnen Kinder auf später vertrösten, nicht auf deren eigentliche Fragen antworten, sich schnell abwenden, eigene Beiträge fortsetzen, anstelle der Kinder selbst handeln oder deren Gesprächsbeiträge übergehen, um etwas Neues anzuordnen. Übersicht 7.5: Codierungen Erzieherin – Eingehen E VE RE KE
Promptes ausführliches/knappes Eingehen auf die Signale des Kindes Verzögertes Eingehen auf die Signale des Kindes nach mehrmaliger Ansprache Äußerst reduziertes Eingehen Kein Eingehen
7.2.3 Dabei-Sein Noch stärker als der Code „Eingehen“ wird mithilfe der Codierung „Dabei-sein“ sichtbar, wie sehr sich pädagogische Fachkräfte in einer Interaktion mit Kindern einbringen. Sind die Erzieherinnen mit einem sehr hohen Interesse „bei der Sache“, zeigen sie dies ebenso wie die Kinder über vier Ausdruckskanäle. Eine interessierte, in sich ruhende, den Kindern deutlich zugewandte Körperhaltung zeugt genauso von einem intensiven „Dabei-sein“ wie das Herstellen und Halten des Blickkontakts mit den Kindern, weit geöffnete Augen und die beobachtenden, fragenden und konzentrierten Blicke auf den Interaktionspartner oder Interessensgegenstand. Sehr interessierte Erzieherinnen verfolgen aufmerksam die Gespräche unter den Kindern, hören ihnen zu und antworten mit einer Stimmlage, die sich den Stimmungen der Kinder anpasst und die im Allgemeinen freundlich und erwartungsvoll ist. Mit Mimik und Gestik, d.h. beispielsweise mit einem kurzen Nicken oder auch mit leicht geöffnetem Mund, signalisieren die Frühpädagoginnen den Kindern ihre besondere Aufmerksamkeit. Auf verbalem Wege ist das Interesse der Erzieherinnen daran zu erkennen, dass sie Gespräche mit Kindern initiieren, offene Fragen stellen, Kindern Raum zum Erzählen und Handeln geben, diese auch zum Erzählen auffordern oder dass sie selbst aktiv zum Spiel oder Gespräch beitragen. Die Fachkräfte halten den Interaktionsfluss aufrecht, indem sie immer wieder ihre Aufmerksamkeit signalisieren,
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Nachfragen stellen, die Kinder nach ihren Meinungen und Wünschen fragen, andere Kinder in die Interaktion mit einbeziehen und indem sie ggf. Hilfestellungen anbieten. Nicht zuletzt zeichnet sich eine hoch interessierte Haltung der Erzieherinnen dadurch aus, dass sie die Kinder das Interaktionstempo und den Interaktionsverlauf selbst bestimmen lassen. Sie verschieben eigene Vorhaben, unterbrechen sich, hören zu, warten ab und lassen die Kinder ausreden. Als gesonderter Faktor, der ebenfalls eine hohen Grad des „Dabei-seins“ verdeutlicht, ist zu nennen, dass Erzieherinnen im Interaktionsverlauf darauf achten, dass die Kinder sie verstehen. Auch hier lassen die Videoaufzeichnungen erkennen, dass sich die Fachkräfte den Kindern deutlich zuwenden, Bücher langsam zeigen und die Gestik ihrer Hände verwenden, um das Verstehen der Kinder zu gewährleisten. Sie stimmen sich durch Blicke mit den Kindern ab, sprechen langsam und deutlich oder versichern sich auf verbalem Wege, ob die Kinder sie verstanden haben („Weißt du jetzt, was damit gemeint ist?“). Sachverhalte, Regeln, eigene Handlungen, Reaktionen und Maßregelungen werden ruhig und sachlich erläutert, damit die Kinder sie nachvollziehen können. Auch wiederholen die Fachkräfte Dinge für die Kinder, sie bieten Hilfestellungen an oder brechen sie ab, wenn sie merken, dass ein Kind etwas alleine schafft. Ein weiterer wichtiger Punkt, der für ein hohes Engagiert-sein der pädagogischen Fachkräfte steht, ist die eigene Freude und Begeisterung während der Interaktion mit einem Kind. Durch Blicke, Mimik und Gestik zeigen Erzieherinnen, wie viel Spaß ihnen das Sprechen und Handeln mit den Kindern bereitet. Sie beteiligen sich gern an deren Spiel, lachen und freuen sich mit ihnen. Entsprechend weniger Freude und Begeisterung der Fachkräfte ist dann auszumachen, wenn sie wie automatisiert auf die Kinder reagieren bzw. wenn sie nur Nachfragen stellen, um den Interaktionsfluss aufrecht zu erhalten. Eine unbewegtere und etwas teilnahmslose Mimik sowie eine verhaltene Gestik zeigen in solchen Momenten, dass die Erzieherinnen mit geringerem Interesse mit den Kindern interagieren. Ebenso kann es vorkommen, dass Fachkräfte nicht darauf achten, dass die Kinder sie verstehen und dass sie sich nur dann mit Engagement in die Interaktion einbringen, wenn es um Themen geht, die unmittelbar mit ihrer eigenen Lebenswelt in Verbindung stehen. In diesen Augenblicken gilt das vorrangige Interesse der Erzieherinnen nicht den mit ihnen interagierenden Kindern. Schließlich hat die Auswertung der Videoszenen ergeben, dass das „Dabeisein“ der Fachkräfte vor allem dann schwindet, wenn sie abgelenkt sind. Ihre Blicke gehen zu anderen Kindern im Raum, sie sprechen mit Kolleginnen, stehen mitten im Gespräch auf oder tun ohne Erklärung plötzlich etwas anderes. Auch „gehetzt“ oder ungeduldig wirkende Frühpädagoginnen können sich den Kindern nicht mit ungeteiltem Interesse widmen. Sie blicken fortlaufend auf die
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Uhr, unterbrechen die Kinder, ergänzen deren Sätze vorschnell, übergehen Gespräche und Handlungen und ordnen im Interaktionverlauf andere Dinge an. Abwesend wirkende Erzieherinnen lassen ihre Blicke durch den Raum wandern, haben nur äußerst knappe Blickkontakte mit den Kindern und wenden ihren Blick schnell ab. Auch sie sind nicht mit hohem Interesse bei der „Sache“. Gleiches gilt für erschöpft und angestrengt wirkende Fachkräfte, die mit aufgestütztem Kopf am Tisch sitzen und die keinen Blickkontakt zu den Kindern aufweisen. Noch extremer erscheint schließlich das fehlende Interesse gleichgültig und desinteressiert wirkender Erzieherinnen. Videoszenen zeigen ihre nüchternen Stimmen, ihre unbewegten Gesichter und starre Körperhaltungen. Wenden sie sich zudem von den Kindern ab, ist dies ein Anzeichen mangelnden „Dabeiseins“. Übersicht 7.6: Codierungen Erzieherin – Dabei-sein D+I D+V D+F D-F D-I D-V D-Abg D-Geh D-Abw D-Er D-sa D-G
Aufmerksamkeit und Interesse zeigen Darauf achten, dass die Kinder etwas verstehen Freude/Begeisterung/Spaß zeigen/teilen Automatisierte Reaktionen/Fragen, um Gesprächsfluss aufrecht zu erhalten Einbringen von Themen mit eigenem Lebensweltbezug Verstehen der Kinder nicht wichtig nehmen Abgelenkt sein Gehetzt wirken/ungeduldig sein Abwesend wirken Erschöpft und angestrengt wirken Sich schnell abwenden Gleichgültig und desinteressiert wirken
7.2.4 Umgang mit Stimmungen/Emotionen Wie sehr sich pädagogische Fachkräfte auf ein Kind einlassen, erkennt man auch daran, wie sie mit den Stimmungen und Emotionen eines Kindes umgehen. Deshalb wurde dieser Aspekt in einem gesonderten Code aufgegriffen. Ein angemessener Umgang mit kindlichen Stimmungen und Emotionen zeichnet sich dadurch aus, dass Erzieherinnen die Gefühle der Kinder bemerken und aufgreifen sowie ihren eigenen Tonfall und ihre Mimik der jeweiligen Gefühlslage der Kinder anpassen. Bei emotional bedeutsamen Themen oder Momenten ermög-
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lichen sie einen intensiven Blickkontakt mit den Kindern und begeben sich zusätzlich auf deren Augenhöhe. Die Fachkräfte greifen den Spaß und die Freude der Kinder genauso auf wie deren Trauer und Ärger. Sie lachen gemeinsam und spenden Trost, wenn es notwendig ist. Nicht zuletzt sprechen die Erzieherinnen Emotionen auch von sich aus an und haben dabei einen behutsamen und der Stimmung der Kinder angepassten Tonfall. Die genaue Betrachtung der videographierten Interaktionsszenen hat jedoch verdeutlicht, dass pädagogische Fachkräfte in manchen Augenblicken auch weniger angemessen mit den Stimmungen und Emotionen der Kindergartenkinder umgehen. Bei emotional wichtigen Themen stellen sie beispielsweise zu wenig Blickkontakt her, reagieren verspätet auf Gefühlsäußerungen oder sprechen die Gefühle eines Kindes zunächst an, ohne anschließend näher darauf einzugehen. Selten ist zu beobachten, dass Erzieherinnen die Emotionen der Kinder überhaupt nicht aufgreifen, dass sie diese abwerten oder ohne Blickkontakt abschmettern. Die Anweisung ruhig zu sein, auf eine aufgeregt und freudig mitgeteilte Entdeckung eines Kindes, stellt dementsprechend einen nicht angemessenen Umgang der Fachkraft mit der Stimmung dieses Kindes dar. Übersicht 7.7: Codierungen Erzieherin – Umgang mit Stimmungen/Emotionen AS US IS
Angemessener Umgang mit Stimmungen/Emotionen Unangemessener Umgang mit Stimmungen/Emotionen Inakzeptabler Umgang mit Stimmungen/Emotionen
7.2.5 Wertschätzung zeigen/loben Deutete sich bereits bei der Codierung „Umgang mit Stimmungen/Emotionen“ an, dass Erzieherinnen Kindern mit einem unterschiedlichen Maß an Akzeptanz gegenübertreten, so wird dies bei der Codierung „Wertschätzung zeigen/loben“ besonders gut deutlich. Die Auswertung der Videoszenen hat ergeben, dass pädagogische Fachkräfte Kinder insbesondere dann loben, wenn sie deren Leistungen kommentieren und wenn sie auf „richtige“ Antworten oder Aussagen der Kinder reagieren. Außerdem wird ihr Ausmaß an Wertschätzung und Akzeptanz in Situationen sichtbar, in denen die Fachkräfte mit vermeintlichen „Fehlern“ der Kinder umgehen oder in denen sie auf Phantasien, Meinungen, Fragen, Hilfegesuche und Handlungen – kurz: auf eine ganze Bandbreite kindlicher Signale eingehen. Zunächst wird jedoch geschildert, wie sich ein
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feinfühliges und wertschätzendes Verhalten bei der Kommentierung kindlicher Leistungen zeigt. Kommentieren Erzieherinnen die Leistungen von Kindern, tun sie dies zumeist mit erhobener Stimme, die ihre Begeisterung über das Geschaffene oder Gesprochene deutlich widerspiegelt. Sie loben die Kinder von sich aus und heben ihre Wertschätzung über das Geleistete dabei auf verbalem Wege direkt und ausdrücklich hervor: „Ich find´s ganz toll, dass du jetzt schon so eine lange Zeit bei uns sitzt.“ Häufig wird das Lob auch in Form einer anerkennenden Frage formuliert: „Boah. Und du bist alleine mit dem Fahrrad gefahren?“ Ebenso ist zu verzeichnen, dass pädagogische Fachkräfte beim Loben ihre eigene Meinung ausdrücken: „Merkst du, dass das jetzt aber wesentlich besser aussieht – meiner Meinung nach – als nur dieser Strich?“, das Geschaffene fokussieren: „Jetzt wird´s aber toll.“ und die eigene Begeisterung zeigen. Manchmal beziehen sie auch andere Kinder mit ein, wenn sie ein Kind loben: „Was ein tolles Auto. Klasse! Guckt mal, ein Omega.“ Ebenso war bei der Auswertung der Szenen zu beobachten, dass Erzieherinnen ihre Freude über das Können eines Kindes ihren Kolleginnen mitteilen und ihre Wertschätzung auf diesem Weg kundtun. Nicht zuletzt können Kinder auch mit einem knappen „Ja, super!“ sowie mit zustimmenden, anerkennenden Blicken und einem kurzen Lächeln gelobt und wertgeschätzt werden. Weniger deutlich fällt ein Lob aus, das indirekt erfolgt und bei dem zudem nicht offensichtlich ist, ob es sich um eine ernst gemeinte Wertschätzung der Fachkraft handelt. Sätze wie „Schreibst du mir auch noch deinen Namen drauf, damit ich weiß, von wem die schöne Tüte ist?“ lenken die Aufmerksamkeit von einem „schönen“, gerade entstandenen Werk ab und rücken ein eher automatisiertes Vorgehen wie die Namenskennzeichnung in den Mittelpunkt. Eine inkongruente Stimmlage kann ebenfalls ein eigentlich wertschätzend gemeintes Lob in seiner Bedeutung mindern. Schließlich wird Kindern eine wertschätzende Reaktion gänzlich verwehrt, wenn Erzieherinnen Kinder in einem Moment, in dem sie besonders stolz sind, überhaupt nicht loben. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Kind sein gerade fertig gestelltes Bild zeigt und die Fachkraft lediglich kurz und mit unbewegtem Gesichtausdruck reagiert. Nicht wertschätzend ist es außerdem, wenn Erzieherinnen Kinder ihr Missfallen deutlich spüren lassen und ihre Werke und Äußerungen abwerten. Schließlich hat auch die negative Bewertung eines Kindes, die vor anderen Kindern gegenüber einer Kollegin erfolgt, nichts mit einem akzeptierenden und wertschätzenden Verhalten gemein.
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Übersicht 7.8: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben LW LWK LWErz LKL LPL LLLM LL-Erz
Ausdrückliche verbale Wertschätzung von sich aus Andere Kinder beim Loben mit einbeziehen Freude über das Können des Kindes wird Erzieherin mitgeteilt Knappes verbales/nonverbales Loben und beim Kind bleiben (Pseudo-)Loben Kein Loben Kinder Missfallen spüren lassen Verbales Bewerten vor anderen Kindern gegenüber Kollegin
Geben Kinder pädagogischen Fachkräften richtige Antworten oder treffen sie korrekte Aussagen, zeigt sich auch im Umgang mit diesen Signalen, inwiefern Erzieherinnen Kindern mit Wertschätzung und Akzeptanz begegnen. Zum einen zeigen die ausgewerteten Szenen, dass die Fachkräfte Kindern lächelnd, mit Blickkontakt und entsprechenden Handbewegungen zustimmen und das Gesagte der Kinder damit unterstreichen. Etwas weniger wertschätzend und feinfühlig fällt demgegenüber ein Lob aus, das sehr unpersönlich und knapp ist und zudem lediglich dann ausgesprochen wird, wenn das Kind gerade die Antwort formuliert, die die Erzieherin als einzige Antwortmöglichkeit vorgesehen hatte. Stimmen Fachkräfte Kindern mit einer inkongruenten Gestik wie übertriebenen Hand- und Kopfbewegungen zu, vermittelt dies den Eindruck, dass sie ein Kind in diesem Moment nicht ernst nehmen. Ein solches Antwortverhalten kann für einige Kinder unter Umständen genauso wenig feinfühlig sein wie das Ausbleiben eines Lobes auf eine richtige Aussage hin. Werden korrekte Antworten (evtl. mit einem Hinweis auf das Alter eines Kindes) abgewertet, richtige Aussagen übergangen oder Kinder bloßgestellt, indem eine Erzieherin mit strengem Blick und lautem Ton vor anderen Kindern auf ein „Fehlverhalten“ hinweist, das mit der richtigen Antwort einherging, so muss dieses pädagogische Verhalten als nicht wertschätzend und sensitiv-responsiv eingestuft werden. Übersicht 7.9: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit richtigen Antworten AZ AuL AiG AkL
Kindern zustimmen und das Gesagte damit unterstreichen Unpersönliches Loben und vorher nur eine Antwortmöglichkeit im Kopf haben Kindern mit inkongruenter Gestik zustimmen Richtige Antwort registrieren und gar nicht loben
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens Aabw Abl
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Richtige Antwort abwerten Richtige Antwort übergehen und Kind bloßstellen
Werden pädagogische Fachkräfte mit Handlungen, Aussagen oder Verhaltensweisen der Kinder konfrontiert, die sie persönlich als falsch empfinden, so zeigt auch ihr Umgang mit den vermeintlichen Fehlern, inwiefern sie eine wertschätzende und akzeptierende Haltung aufweisen. Die Untersuchung der Videoszenen brachte drei Kennzeichen eines sensitiv-responsiven Umgangs mit den „Fehlern“ der Kinder hervor. Zum einen versuchen Erzieherinnen, das Misslingen der Kinder abzufangen. Sind Kinder enttäuscht, weil etwas „schief gegangen“ ist oder weil sie etwas vergessen haben, antworten einige Fachkräfte lächelnd und mit freundlichem, beruhigendem Tonfall. Dabei greifen sie die Gefühle der Kinder auf und modifizieren sie gegebenenfalls („Vielleicht fällt´s dir später wieder ein“). Zum anderen ist zu beobachten, dass pädagogische Fachkräfte Kinder wertschätzend berichtigen, wenn diese offensichtlich etwas nicht richtig erkannt haben. Mit ebenfalls ruhiger Stimmlage stellen sie Sachverhalte richtig, korrigieren beispielsweise einen falschen Satzbau und achten dabei darauf, dass die Kinder ihre Erklärungen verstehen. Schließlich gehört auch das höfliche Hinweisen auf Regeln zu einem wertschätzenden Umgang mit Dingen, die die Kinder in den Augen der Erzieherinnen nicht richtig gemacht haben. Die Pädagoginnen achten in diesem Fall darauf, dass die Kinder ihr Eingreifen nachvollziehen können und setzen hierfür unter anderem offene Fragen ein („Was heißt´n das, wenn einer aua aua macht?“). Abstriche hinsichtlich Akzeptanz, Wertschätzung und damit auch der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ müssen dann gemacht werden, wenn Erzieherinnen kindliche Antworten ohne Erklärung und äußerst knapp („Ne.“) bzw. mit lediglich nüchterner Feststellung des Sachverhalts einordnen („Ne. Die 2 ist das. Das ist die 1.“). Insbesondere sehr junge Kinder werden auf diese Weise mit Tatsachen konfrontiert, ohne dass die pädagogischen Fachkräfte darauf achten, dass die Kinder diese verstehen. Weisen die Erzieherinnen gleichzeitig darauf hin, dass andere Kinder etwas schon längst oder bereits besser können, ist dies als ein weniger wertschätzendes Verhalten anzusehen. Das am wenigsten feinfühlige Verhalten ist anhand der Videoszenen dann festzustellen, wenn pädagogische Fachkräfte kindliche Handlungen lautstark und bloßstellend als Fehler bewerten. Gegebenenfalls weisen sie gleichzeitig eine übertrieben wirkende Gestik – wie das Hochreißen der Arme – auf, so dass das vermeintliche Fehlverhalten des Kindes für andere Kinder im Raum sichtbar wird. Darüber hinaus zeigen die Szenen, dass es Erzieherinnen Kinder auch manchmal im negativen Sinne spüren lassen, dass sie etwas falsch verstanden haben. Mit nüchterner, leicht genervt klingender Stimme wird dann auf den „Fehler“ des Kindes
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
hingewiesen. Ebenso kommt es vor, dass Kinder vorgeführt werden. Vermuten Fachkräfte, dass ein Kind nicht aufgepasst hat, stellen sie diesem gezielte Fragen („Stimmt das?“) und machen somit seine Unaufmerksamkeit für alle erkennbar. Noch offensichtlicher ist schließlich ein explizites Maßregeln vor anderen Kindern. Mit unfreundlichem Tonfall und teilweise ohne Blickkontakt wird mithilfe rhetorischer Fragen („Was hab ich´n gesagt?“) und knappen Anweisungen („Deine Tasche wegräumen.“) auf Regeln hingewiesen. Übersicht 7.10: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit vermeintlichen Fehlern Fma Fwb FhR FoE FE FaK Fbl Fnv Fv Fm
Misslingen abfangen Kinder wertschätzend berichtigen Höfliches Hinweisen auf Regeln Einordnung der Antwort ohne Erklärung Einordnung der Antwort mit nüchterner Feststellung des Sachverhalts Können anderer Kinder anführen Handlungen der Kinder übertrieben und bloßstellend als Fehler bewerten Es die Kinder im negativen Sinne spüren lassen, wenn sie etwas nicht verstanden haben Kind vorführen, wenn man vermutet, dass es nicht aufgepasst hat Maßregeln vor anderen/Unfreundliches Hinweisen auf Regeln
Reagieren Fachkräfte auf Meinungen, Phantasien oder Handlungen der Kinder, wird nicht nur die wertschätzende Haltung, sondern auch der Respekt vor der kindlichen Autonomie sichtbar. Akzeptieren Erzieherinnen Sichtweisen und Äußerungen der Kinder, die sie persönlich als falsch empfinden, kennzeichnet dies ihre Wertschätzung und ihren Respekt vor dem, was die Kinder sagen, tun und meinen. Bewerten die Fachkräfte die Meinungen und Phantasien der Kinder jedoch als nicht korrekt und stellen sie rhetorische, geschlossene Fragen, um die Kinder auf etwas vermeintlich Falsches hinzuweisen („Guck mal richtig. Ist da alles dran?“), haben diese weniger Möglichkeit, ihre Vorstellungen uneingeschränkt umsetzen zu können. Gleiches ist die Folge, wenn Erzieherinnen die Gespräche der Kinder mit knappen Worten abblocken oder auf die Fragen der Kinder mit einem genervten und wenig wertschätzenden „Ach, das weiß ich jetzt auch nicht.“ reagieren. Eine weitere Stimulation des kindlichen Denkens und Handelns wird so verhindert.
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
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Weniger offensichtlich, jedoch noch weniger sensitiv-responsiv, ist ein nonverbales Abwerten oder Abblocken der kindlichen Signale. Kommentarlos wird zum Beispiel die Hand eines Kindes während des Spiels weg geschoben und es mit abwertenden, skeptischen oder ungläubigen Blicken bedacht. Rümpfen Erzieherinnen die Nase, schütteln sie den Kopf, drehen ihn weg oder winken mit der Hand ab, zeigen sie mit dieser abwertenden Gestik, dass sie das Spiel oder die Äußerungen der Kinder in diesem Augenblick nicht ernst nehmen. Dass Hilfegesuche und Bedürfnisse von Kindern ebenfalls manchmal nicht ernst genommen und abgewiesen werden, belegen Szenenausschnitte, in denen Bücher auf die Aussage von Kindern, nichts zu sehen, entweder so hoch gehalten werden, dass die Kinder nichts erkennen können, oder einfach zugeklappt werden. Ein solches nonverbales Verhalten ist dabei genauso wenig feinfühlig wie das bloße verbale Nachhaken („Wieso siehst du nix?“) auf die gleiche Frage hin. Gesteigert wird diese mangelnde Wertschätzung, wenn pädagogische Fachkräfte mit ironischen Bemerkungen ihre Geringschätzung ausdrücken. Gleiches tun sie, wenn sie Kindern unterstellen, etwas absichtlich kaputt gemacht zu haben. Kinder abzuwerten, bloßzustellen und ihnen Dinge nicht zuzutrauen, ist schließlich das Ende der Kette eines nicht wertschätzenden, die Autonomie des Kindes nicht respektierenden pädagogischen Verhaltens. Übersicht 7.11: Codierungen Erzieherin – Wertschätzung zeigen/Loben – Umgang mit allgemeinen Signalen SA SPMSGabb S?Sabw Sabsch SGer Sbl SNZ
Kindliche Phantasie/Meinung/Handlung akzeptieren Phantasie/Meinung der Kinder als Falsch bewerten Gespräche von Kindern mit knappen Worten abblocken Die Fragen der Kinder nicht wertschätzen Nonverbales Abwerten/Abblocken Die Kinder nicht ernst nehmen und Hilfegesuche/Bedürfnisse nonverbal/verbal abschmettern Ausdrücken von Geringschätzung Kinder vor anderen abwerten/bloßstellen Kindern etwas nicht zutrauen
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
7.2.6 Stimulation Die letzte zentrale Codierung zur detaillierten Beschreibung eines sensitiv-responsiven pädagogischen Verhaltens stellt die „Stimulation“ kindlicher Denkund Handlungsprozesse dar. Stimulierend ist ein Antwortverhalten der Frühpädagoginnen in diesem Sinne dann, wenn sie Kinder erzählen, überlegen und handeln lassen oder wenn sie sie dazu auffordern, etwas auszuprobieren. Dass es hierfür ebenfalls notwendig ist, sich für die Kinder zu interessieren, wirklich „bei der Sache“ zu sein, das emotionale Wohlbefinden der Kinder zu gewährleisten, ihre Autonomie zu respektieren und den Kindern mit Wertschätzung zu begegnen, liegt auf der Hand. Insofern subsumiert der Code „Stimulation“ wesentliche Aspekte der anderen Codierungen. Sie sind gewissermaßen die Voraussetzung dafür, gemeinsam mit Kindern überlegen, weiter denken und handeln zu können. Damit Kinder diesen Prozess ungestört durchlaufen können, machen Erzieherinnen Pausen, ermuntern Kinder, Gedankengänge zu ergänzen oder schalten sich ohne Aufforderung ein, um weiterführende Gesprächsbeitrage zu machen, vorzulesen und zu erzählen. Dabei greifen die Fachkräfte die Interessen der Kinder auf, führen neue Begriffe ein und erklären sie mit verständlichen Worten. Zudem belegen die Videoausschnitte, dass stimulierende Erzieherinnen selbst Vorschläge im Spiel einbringen und bei Interaktionen darauf achten, dass ein Bezug zur Lebenswelt der Kinder hergestellt wird. Außerdem stellen sie Fragen, die die Kinder zum Denken anregen. Offene Fragen erweisen sich dabei als besonders anregend. Nicht zuletzt fordern die Fachkräfte Kinder dazu auf, sich gegenseitig zu helfen und überlassen ihnen das Lösen von Konflikten. Schließlich zeigen die Videoszenen, dass pädagogische Fachkräfte, die Kinder in ihren Bildungsprozessen anregen und dabei ihre Autonomie respektieren, eine Kongruenz in ihrem Ausdrucksverhalten aufweisen. Das heißt, dass ihre Handlungen, wie das langsame Zeigen eines Buches, durch Blickkontakte und Blickabstimmungen mit den Kindern sowie durch eine der Stimmung der Kinder angepasste Mimik, Gestik und Tonlage begleitet werden. Weniger stimulierend erweist es sich, wenn Erzieherinnen zwar offene Fragen stellen, die Antwortmöglichkeit dann jedoch mit einer Fragestellung eingrenzen. Wird beispielsweise gefragt „Was ist denn das hier?“, lässt die Einschränkung mit der lediglich zu ergänzenden Anschlussfrage „Sind das Fotos, oder…?“ im Grunde nur die Antwort zu, die die pädagogische Fachkraft in diesem Augenblick erwartet. Ebenso regt es das Denken und Handeln der Kinder weniger an, wenn Erzieherinnen den Kindern sehr konkrete Anweisungen geben, was sie nun machen könnten oder sollten. Zum Beispiel schränkt es die Phantasie eines Kindes ein, wenn die Fachkraft vorschlägt, die Knete zu rollen, ohne dass das Kind zuvor überlegt hätte, was es gerne damit machen möchte.
7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
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Greifen pädagogische Fachkräfte Lösungen gänzlich vorweg, wie dies häufig bei Konflikten geschieht, regt ein solches Verhalten das Denken der Kinder nicht an. Gleichsam ist es nicht stimulierend, wenn Erzieherinnen die Kinder abfragen, das heißt, wenn sie eine Frage nach der anderen stellen und die Kinder ohne eigenständiges Denken antworten müssen. Ebenso verhindern es manche Antworten der Fachkräfte, dass sich die Kinder selbst weitere Gedanken machen („Das ist halt so.“). Stellen Erzieherinnen Kindern Fragen und warten die Antwort nicht ab, richten sie sich an weitere Kinder oder beantworten sie eine Frage sofort selbst, ist dies für die betreffenden Kinder ebenfalls nicht anregend. Schließlich belegen die videographierten Szenen, dass ein Antwortverhalten pädagogischer Fachkräfte auch dann nicht stimulierend auf Kinder wirkt, wenn die eigene persönliche Begeisterung der Erzieherinnen fehlt. Hier zeigt sich zum wiederholten Male, wie sehr die einzelnen Bestandteile „Sensitiver Responsivität“ ineinander greifen. Übersicht 7.12: Codierungen Erzieherin – Stimulation St STSTK
Stimulation Wenig Stimulation Keine Stimulation
Abschließend sei darauf verwiesen, dass die Komponenten „Spiegeln“ und „Fragen“ in Bezug auf die pädagogische „Sensitive Responsivität“ nicht ausdifferenziert wurden. Dies mag zunächst verwundern, stellen doch Spiegeln und Nachfragen auf den ersten Blick wesentliche Merkmale dar, die auf ein „SichEinfühlen“ der pädagogischen Fachkräfte hindeuten könnten. Jedoch lassen die Videoszenen erkennen, dass Erzieherinnen auch verzögert oder sehr nüchtern spiegeln, kindliche Emotionen nicht aufgreifen, selbst keinen Enthusiasmus zeigen, mit inkongruenter Gestik spiegeln und sich noch während des Spiegelns schnell zur Gruppe hinwenden. Natürlich machen Erzieherinnen beim Spiegeln auch eigene weitere Beiträge, spiegeln fragend, um zu stimulieren oder loben ein Kind beim Spiegeln. Gleichermaßen verhält es sich, wenn pädagogische Fachkräfte Kindern Fragen stellen. Sie können dies offen und anregend tun, aber auch geschlossen und damit weniger stimulierend. Ihre Fragen dienen einerseits dazu, Kinder zu verstehen und anzuregen und andererseits, um Dinge schnell zu organisieren. Da die qualitativen Aspekte der beiden Faktoren jedoch mit den übrigen Codierungen angegeben werden, dienen die Abkürzungen „SP“ und „Fr“ lediglich zur Kennzeichnung von „Spiegeln“ und „Fragen“.
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7 Beschreibung des Interaktionsverhaltens
Übersicht 7.13: Codierungen Erzieherin – Spiegeln/Fragen SP Fr
Spiegeln Fragen
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Wurden in Kapitel 7 die Signale der Kinder und die Komponenten „Sensitiver Responsivität“ im pädagogischen Anwortverhalten detailliert beschrieben, soll nun den verbleibenden Erkenntnisinteressen dieser Videostudie nachgegangen werden89. Zunächst werden die Interaktionsszenen zwischen Erzieherinnen und Kindern auf dem Hintergrund der Fragen des zweiten Blocks an Erkenntnisinteressen analysiert. Im Zentrum der Betrachtung stehen situationsabhängige Variablen „Sensitiver Responsivität“ sowie Veränderungen des Grades an Feinfühligkeit innerhalb des Interaktionsverlaufs. Daran anknüfend werden die Reaktionen der Kinder auf das pädagogische Interaktionsverhalten beleuchtet und die Wechselwirkungen in Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern untersucht. Schließlich gehe ich der Frage nach, inwiefern ein sensitiv-responsives bzw. ein wenig feinfühliges Antwortverhalten die Qualität und Quantität der kindlichen Interaktionsbeiträge beeinflusst. Leitend sind dabei die Erkenntnisinteressen des dritten Blocks.
8.1 Erkenntnisinteressen II Um die Erkenntnisinteressen des zweiten Blocks beantworten zu können, wird danach gefragt, in welchen Situationen sich „Sensitive Responsivität“ zeigt und was diese Situationen kennzeichnet. Ebenso werden Merkmale von Situationen mit einem vermehrt nicht-feinfühligen pädagogischen Verhalten herausgearbeitet. Im Anschluss daran werden ein sensitiv-responsives und ein wenig feinfühliges pädagogisches Verhalten mithilfe zweier Beispiele genau beschrieben. Außerdem wird untersucht, inwiefern und warum sich der „Grad“ der „Sensitiven Responsivität“ im Verlauf einzelner Interaktionen ändert und ob bestimmte pädagogische Situationen ein feinfühliges Verhalten eher zulassen als andere.
89
Vgl. Kapitel 5.1 Erkenntnisinteressen, S.87ff
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
8.1.1 In welchen Situationen zeigt sich „Sensitive Responsivität“? Untersucht man die Videoszenen der zuvor festgelegten 15 Kategorien, ist festzustellen, dass sich Erzieherinnen grundsätzlich in jeder Situation feinfühlig verhalten können, und zwar ganz unabhängig davon, ob sie mit Kindern ein Buch anschauen, vorlesen, kneten, etwas vorbereiten, Lernspiele anleiten, Zeit haben, essen, Erzähl- oder Spielkreise veranstalten, über Bilder sprechen, Gespräche beim Malen führen, basteln, sich an Rollenspielen beteiligen, in Konflikte involviert sind oder Kinder trösten. Die folgende Übersicht zeigt beispielhaft Ausschnitte der Codierungen des pädagogischen Antwortverhaltens aus zwei unterschiedlichen Kategorien in komprimierter Form. Dünn gedruckte Codes symbolisieren feinfühlige Verhaltensweisen, fett dargestellte Codierungen dagegen wenig sensitiv-responsive Reaktionen. Eingerückte Codierungen stehen für nonverbale Signale. Anhand der Beispiele wird sichtbar, dass ein sensitivresponsives Verhalten in ganz unterschiedlichen Situationen praktiziert wird. Deutlich wird aber auch, dass in Interaktionen, in denen Erzieherinnen fast ausschließlich sehr feinfühlig auf Kinder reagieren, ebenfalls nicht-feinfühlige Interaktionselemente vorkommen können. Darstellung 8.1: Pädagogische Signale der Szenen 13 und 25 Szene 13 – Essen
Szene 25 – Rollenspiel
D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, SP PR+, E, D+I, AZ D+I PR+, E, AZ, D+I, Fr geschlossen D+I Fr geschlossen PR+, E, SP, D+I, D+F, AiG? KR, KE bei C, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, D+F, SP, Fr offen PR+, E, D+I, D+F, SP, Fr offen PR+, E, D+I, D+F, SP, D+V, Fr rhetorisch KR, KE bei A, PR+, E, D+I, SP, LKL PR+, E, SP, D+I, Fr geschlossen PR+, E, SP, D+I, LKL D+I, D+F, LW VR/PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, LW
PR+, E, D+I, SA D+I D+I PR+, E, D+I, Fr geschlossen, SA PR+, E, D+I, SA D+I PR+, E, D+I, D+F, D+I, D+F PR-, E, SP, D+I, D+F, SA D+I, SA, spielt D+I D+I, D+F D+I, D+V, FhR KR, KE, D+I PR+, E, D+I, D+F, SA D+I, St, SA PR+, E, D+I, VR, E, D+I, Fr geschlossen, SA PR+, KE, D+I, D-sa PR+, E, D+I, SP, SA
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Dass in Interaktionen, in denen pädagogische Fachkräfte ein insgesamt weniger feinfühliges Verhalten aufweisen, sensitiv-responsive Komponenten überwiegen, zeigt Szene 6. Diese Szene wurde unter der Prämisse des maximal kontrastiven Vergleichs in der Kategorie „Kneten“ gemeinsam mit Szene 5 ausgewählt. Schaut man sich den Ausschnitt aus Szene 6 an, findet man mehr Codes, die ein weniger feinfühliges Antwortverhalten symbolisieren als im Ausschnitt aus Szene 5. Trotzdem überwiegen in Szene 6 die feinfühligen Elemente. Darstellung 8.2: Pädagogische Signale der Szenen 5 und 6 Szene 5 – Kneten PR+, E, D+I, D+F, KR, KE bei M PR+, E, SP, D+I, D+F, St PR+, E, D+I, D+F, St PR+, E, AZ, D+I, D+F, LWErz LKL PR+, E, D+I, LKL PR+, E, D+I, D+F, LW D+I, St, Fr offen PR+, E, SP, D+I, St, Fr offen PR+, E, SP, D+I, Fwb D+V PR+, E, D+I, Fwb, D+V, SA PR+, E, D+I, Fwb, D+V St, Fr offen PR+, E, D+I, Fwb, D+V D+I, St, Fr offen PR+, E, D+I, D+F, LW D+I, Fr geschlossen, LW PR+, E, D+I, D+F, LKL
Szene 6 – Kneten PR+, E, LKL, D-Abg PR+, E, D+I, Fr geschlossen/Org. PR-, E, D+I, D-Abg D+I, Fr geschlossen/Org. PR+, E, D+I, Fr geschlossen/Org. PR+, E, D+I, LW D-Abg, PR+, RE, D-Abg VR, RE, LKL, D-Abg PR+, E/KE, Fr offen, D-Abg PR+, E, D+I, D+F, LKL D+I D+I, Fr offen PR-, E, SPM-, LM D+V D-Abg D+V D+I KR, KE bei 3.Ki, D+I, Fr geschlossen PR+, E, STK, D-Abg
Traten in den Szenen 5, 13 und 25 nicht-feinfühlige Interaktionselemente eher vereinzelt und sporadisch auf, wird aus dem Ausschnitt aus Szene 1 ersichtlich, dass sich in einer Situation mit einem insgesamt sehr feinfühligen pädagogischen Antwortverhalten der Grad der „Sensitiven Responsivität“ passagenweise ändern kann. Reagiert die Erzieherin in Szene 1 nahezu durchweg prompt und angemessen, gelingt ihr dies in der Mitte der Interaktion nicht. Mehrfach unterbricht sie den Redefluss des Kindes.
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Darstellung 8.3: Pädagogische Signale der Szene 1 Szene 1 – Buch anschauen D+I PR-, E, AS, D+I, D+V, D+F, St PR-, E, AS, D+I, D+V, D+F, St PR+, AS, E, D+I, D+F, AZ, SP ohne Beitrag PR+, AS, E, D+I, D+F D+I PR+, E, AS, D+I, D+V, D+F, St PR+, E, D+I; PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, Fr geschlossen ZSR, KE, D+I, ZSR, KE, D+I, ZSR, KE, D+I PR+, D+I, E PR+, E, D+I, SP PR+, E, D+I, D+V, St, Fr offen PR+, E, D+I, SP D+I, St, Fr offen
In der Konsequenz heißt das, dass pädagogische Fachkräfte nicht unterschiedlichen Typen zugeordnet werden können, die als sensitiv-responsiv, wenig- oder nicht-feinfühlig eingestuft werden. „Sensitive Responsivität“ ist demnach keine Charaktereigenschaft und hängt auch nicht zwangsläufig mit einer „guten“ pädagogischen Haltung zusammen, die grundsätzlich von Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit geprägt ist. Szene 1 ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass Erzieherinnen, die sonst äußerst feinfühlig auf Kinder eingehen, aus verschiedenen Gründen in einigen Momenten auch wenig sensitiv-responsiv auf Kinder reagieren. Demzufolge muss jede einzelne Reaktion einer pädagogischen Fachkraft auf ihren Feinfühligkeitsgrad hin untersucht werden. Will man zudem die Gründe für unterschiedliche Grade an „Sensitiver Responsivität“ im Verlauf einer Interaktion ermitteln, müssen hierbei die Umstände dieser einzelnen Momente ins Auge gefasst werden. Einen letzten Hinweis, dass zur genauen Analyse insbesondere nicht sensitiv-responsiver Szenenauschnitte nicht nur die Person der Erzieherin betrachtet werden darf, bieten exemplarisch die Codierungen des pädagogischen Antwortverhaltens aus den Szenen 14 und 15. Die beiden Szenenausschnitte repräsentieren das Interaktionsverhalten einer Erzieherin in zwei verschiedenen Situationen. Zeigt die Fachkraft vor allem in der ersten Hälfte der Szene „Essen“ einige nicht-feinfühlige Reaktionen, geht sie während des „Erzählkreises“ zumindest in
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der ersten Hälfte im Grunde durchweg mit hoher „Sensitiver Responsivität“ auf die Kinder ein. Dieser Tatbestand belegt erneut, dass ein und dieselbe Erzieherin einmal mehr positive, jedoch auch teilweise mehr negative Feinfühligkeitsmerkmale in verschiedenen Situationen aufweisen kann. „Sensitive Responsivität“ ist demnach nicht allein an die Haltung der Fachkraft gekoppelt. Darstellung 8.4: Pädagogische Signale der Szenen 14 und 15 Szene 14 – Essen PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR-, E, D+I VR, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I PR+, E, D+I, LW D+I, D+F, Fr offen PR+, E, D+I D+I, Abstimmung VR, E, LKL PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR-, RE, D+I KR, KE, Fr geschlossen org PR-, E, ST/STK/Aufforderung PR+, E, D+I, Fwb PR+, E, D+I, H, StPR+, E, D+I, Fwb, Fr geschlossen PR+, E, VR, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, ST/STK/Aufforderung PR+, E, D+I, ST/STK/Aufforderung
Szene 15 – Erzählkreis D+I, Fr offen PR+, E, D+I, D+F, LWK D+I, Fr rhetorisch, Fr geschlossen, FhR D+I, Fr offen PR+, E, AkL, D+I, FhR, D+V D+I, Fr rhetorisch, FhR, D+V D+I, D+V D+I, D+V D+I, Fr rhetorisch, FhR, D+V PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, Fr geschlossen D+I, H PR+, E, D+I, LW PR+, E, D+I, D+F, LW, LWK D+I, Fr offen PR+, E, D+I, SP, Fr rhetorisch, D+I, D+F, LW, FhR, D+V D+I, D+V PR+, E, D+I, Fr rhetorisch, D+V PR+, E, D+I, SP, D+V FhR
Die bisherige Analyse der Szenen hat ergeben, dass in allen pädagogischen Situationen und Kategorien teils sehr feinfühlige, teils aber auch wenig sensitivresponsive Interaktionsbestandteile vorliegen können. Rückblickend erklärt dies, warum die Szenenauswahl für die einzelnen Kategorien nach der Vorgabe des maximal kontrastiven Vergleichs zuweilen sehr schwierig war. Vor allem in den Kategorien „Konflikte“ und „Trösten“ sind die maximal kontrastiven Unterschiede kaum zu erkennen. Die Ausschnitte aus den Szenen 27 und 28 der Kategorie „Konflikte“ zeigen, wie ähnlich die Interaktionsmuster der Pädagoginnen aussehen und dass beide Erzieherinnen den gleichen negativen Code der mangelnden Stimulation aufweisen.
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Darstellung 8.5: Pädagogische Signale der Szenen 27 und 28 Szene 27 – Konflikte D+I PR+, E, D+I VR, VE, D+I, D+V STK D+I, D+V, Fr rhetorisch D+I, D+V, Fwb, Fr rhetorisch, STK D+I, Fwb D+I, D+V, Fwb, Fr rhetorisch, STK D+I, LKL
Szene 28 – Konflikte D+I PR+, E, D+I Fwb, STK PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, AZ, D+I D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I Fwb, Fr rhetorisch, AN, D+I D+I, St, Fr offen D+I, STK, Anweisung
Wie extrem die Unterschiede der Szenen in den übrigen Kategorien sein können, wird am Beispiel der Kategorie „Angeleitetes Basteln“ erkennbar. Kann die Erzieherin in Szene 23 bei einem sonst sehr feinfühligen Verhalten lediglich in kurzen Passagen wegen Ablenkungen nicht auf die Kinder reagieren, zieht sich das nicht sensitiv-responsive Antwortverhalten der Fachkraft in Szene 24 wie ein roter Faden durch die Interaktion. Dünn geschriebene feinfühlige Reaktionen tauchen im Szenenausschnitt nur vereinzelt auf. Darstellung 8.6: Pädagogische Signale der Szenen 23 und 24 Szene 23 – Angeleitetes Basteln PR+, E, D+I, H KR, KE bei D, D-Abg, Anweisung D+I PR+, E, D+I, AZ SVR, E, D+I, D+F PR+, E, D+I, D+F KR, KE, D-Abg PR-, RE, D-Abg PR-, E, D+I, D+F D+I, D+V D+I, D+V D+I, D+V D+I, Fr rhetorisch, D+I D+I, D+V, Anweisung PR-, E, D+I, D+F PR-, E, D+I, D+F, SA, Fr geschlossen PR+, E, AZ, D+I, D+F D+I, Arbeitsablauf D+I, D+V, Anweisung, H D+I, Fr geschlossen
Szene 24 – Angeleitetes Basteln D-Abg, Anweisung gerufen, D-sa PR+, RE Anweisung, D-sa D-Abg, D-Abw PR-, RE, D-Abg D-Abg, VR, E, D+I, LKL Anweisung, LW, D+I PR+, RE, D-Abg, D-Abw PR+, RE, D-Abg, D-sa PR+, RE, LL-, Anweisung, D-Abg, D-sa D+I, STK STK STK, D-Abg, D-sa D+I, Fm D-Er, Fm, Anweisung D-Er, Fm, Anweisung PR-, E, D-Abg, D-sa D-Abg
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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8.1.2 Kennzeichen von Situationen mit einem zumeist feinfühligen pädagogischen Verhalten
Hat sich bei der Beantwortung der voranstehenden Forschungsfrage herauskristallisiert, dass pädagogische Fachkräfte in Szenen, die ein überwiegend sensitiv-responsives Antwortverhalten aufzeigen, ebenfalls nicht-feinfühlig auf Kinder reagieren, muss das nächste Erkenntnisinteresse entsprechend angepasst werden. Es wird gefragt, welches die Kennzeichen der Situationen sind, die ein zumeist feinfühliges Verhalten ermöglichen. Gegenstand der Betrachtung sind Szenen mit ungerader Nummerierung, die ein im Sinne der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ positives Antwortverhalten repräsentieren. Die Untersuchung dieser Videoszenen hat ergeben, dass es von insgesamt 15 Szenen lediglich eine gibt, in der das Verhalten der pädagogischen Fachkraft durchweg mit einer „positiven“ Codierung versehen werden konnte. Ist es der Erzieherin in Szene 7 möglich, konstant sensitiv-responsiv auf die Kinder zu reagieren, wird die Fachkraft in Szene 11 zweimal abgelenkt. Am Ende der Interaktion sind zudem ein reduziertes Eingehen sowie eine verzögerte Reaktion zu verzeichnen. Die ausgewählten vollständigen Szenenausschnitte zeigen, dass ein durchgängig feinfühliges Verhalten unter den gegebenen Umständen im Elementarbereich nahezu unmöglich ist. Auf der anderen Seite ist Szene 11 jedoch auch ein Beispiel dafür, dass es Erzieherinnen trotz Ablenkungen und anderer widriger Umstände gelingt, insgesamt gesehen äußerst feinfühlig mit Kindern umzugehen. Darstellung 8.7: Pädagogische Signale der Szenen 7 und 11 Szene 7 – Vorbereitung D+I, D+V PR+, E, D+I, LKL PR+, E, D+I, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, SA, D+V, St PR+, E, D+I, D+F, LKL, St PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, D+V PR+, E, D+I, D+F PR+, E, D+I, SP, St PR+, E, D+I, FhR PR+, E, D+I, SP, Fr offen PR+, E, D+I, SP PR+, E, D+I, SP, LKL PR+, E, D+I, SP PR+, E, D+I, Fr offen
Szene 11 – Erzieherin hat Zeit D+I, D+F PR+, E, D+I, D+V PR+, E, D+I, D+V Fr geschlossen D+I, D+Abg D+I, D+V PR+, E, D+I, D+V PR+, E, D+I PR+, E, D+I PR+, E, D+I D+I, D+V, org D+I, D+V, org PR-, E, D+I, D+V D+I, Fr offen org, SA PR+, E, D+I, SA, D+I, Fr rhetorisch,
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Szene 7 – Vorbereitung PR+, E, D+I PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I PR+, E, D+I, SP, LKL PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, SP PR+, E, D+I, D+F, LKL PR+, E, D+I, LKL, AZ, D+V D+V D+I, D+V, Fr geschlossen D+I, Fr geschlossen PR+, E, SP, D+I, D+V, Fr geschlossen D+I, D+V, St PR+, E, D+I PR+, E, D+I, D+V PR-, E, D+I, AZ Fma D+I PR+, E, D+I, org PR+, E, Fr rhetorisch, D+I D+V LKL PR+, lässt ihn, daher eher E, D+I, D+V, LW PR+, E, D+I, D+V D+V, LW
Szene 11 – Erzieherin hat Zeit D+I, D+V, D-Abg D+I, D+V, Fr rhetorisch D+I, D+V, Fr rhetorisch, Fr geschlossen, D+I, D+V D+I, D+V D+I, D+F, D+V PR+, E, D+I, H D+I, D+V, Fr offen, org D+I, D+V D+I, D+V, St D+I, D+V PR+, E, D+I, AZ, LW D+I, D+V, LW PR+, E, D+I, H PR+, E, D+I, D+F PR+, RE, D+I, D+I, D+F, LWK PR+, E, D+I, D+V PR+, E, D+I, D+V, FhR VR, E, D+I, D+V PR+, E, D+I, SP, D+V D+I, D+V D+I, D+V PR+, E, D+I D+I, LW
Welche Umstände begünstigen nun ein positives pädagogisches Interaktionsverhalten? Dass die Anzahl der mit einer Erzieherin interagierenden Kinder offensichtlich nicht die entscheidende Einflussvariable ist, zeigen die unten stehenden Beispiele. Während die Fachkräfte der Szenenausschnitte 25 und 15 den Kindern mit einer hohen „Sensitiven Responsivität“ begegnen – und zwar ganz unabhängig davon, ob sie sich im Austausch mit 3 oder 18 Kindern befinden – sind in den Ausschnitten der Szenen 22 und 4 zahlreiche negative Interaktionsbestandteile zu verzeichnen. Auch hier spielt es keine Rolle, ob die jeweilige Fachkraft mit 2 bzw. ca. 14 Kindern interagiert.
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Darstellung 8.8: Pädagogische Signale der Szenen 25 und 15 Szene 25 – Rollenspiel (3 Kinder) PR+, E, D+I, SA D+I D+I PR+, E, D+I, Fr geschlossen, SA PR+, E, D+I, SA D+I PR+, E, D+I, D+F, D+I, D+F PR-, E, SP, D+I, D+F, SA D+I, SA, spielt D+I D+I, D+F D+I, D+V, FhR KR, KE, D+I PR+, E, D+I, D+F, SA D+I, St, SA PR+, E, D+I, VR, E, D+I, Fr geschlossen, SA PR+, KE, D+I, D-sa PR+, E, D+I, SP, SA PR+, E, D+I PR+, E, D+I, Fr offen PR+, E, D+I, SA PR+, E, D+I, SA PR+, E, D+I
Szene 15 – Erzählkreis (18 Kinder) D+I, Fr offen PR+, E, D+I, D+F, LWK D+I, Fr rhetorisch, Fr geschlossen, FhR D+I, Fr offen PR+, E, AkL, D+I, FhR, D+V D+I, Fr rhetorisch, FhR, D+V D+I, D+V D+I, D+V D+I, Fr rhetorisch, FhR, D+V PR+, E, D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, Fr geschlossen D+I, H PR+, E, D+I, LW PR+, E, D+I, D+F, LW, LWK D+I, Fr offen PR+, E, D+I, SP, Fr rhetorisch, D+I, D+F, LW, FhR, D+V D+I, D+V PR+, E, D+I, Fr rhetorisch, D+V PR+, E, D+I, SP, D+V FhR D+I, D+V, FhR D+I, LW D+I, D+V, Fr rhetorisch org D+I, D+V
Darstellung 8.9: Pädagogische Signale der Szenen 22 und 4 Szene 22 – Gespräche beim Malen (2 Kinder) D-G D-F, Fr geschlossen Fr geschlossen D-G, D-F, Fr geschlossen D-G, PR+, RE PR-, E, D-G, D+I PR+, RE, D-G, D-F, Fr geschlossen PR+, RE, D-G, D-F, Fr geschlossen PR+, RE, D-G PR+, RE, D-G D+I, Fr geschlossen PR+, E, D+I, SP, Fr rhetorisch
Szene 4 – Vorlesen (ca. 14 Kinder) PR+, KE, Abl ST-, Fr offen D-Geh , D-V PR+, E, Abl freundlich, AuL, AZ St-, Fr offen D-Geh, D-V KR, KE, STK, ST—, Fr geschlossen D-V KR, KE PR+, E, SP, AZ, ST-, Fr offen, D-V D+V Fr offen, St-, D-V
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Szene 22 – Gespräche beim Malen (2 Kinder) PR+, E, D+I, SP (falsch verstanden) D+I, Fr geschlossen PR+, RE, D-G D-I, D+F D-I, D+F, D+Z (wie Kind) PR+, E, D-I, D+F, D+Z (wie Kind) D-I, D+F, D+Z (wie Kind) D-I, D+F, D+Z (wie Kind) D+I, Fr geschlossen PR+, KE, D+I PR+, E, D+I, AZ PR+, KE, US, D+I
Szene 4 – Vorlesen (ca. 14 Kinder) KR, KE, D-V PR+, E, D+I, AZ, LKL St-, Fr offen D-V STK St-, Fr offen, St-, Fr offen, D-V D+V PR+, KE, Sabsch St-, Fr offen, PR+, E, D+I, AZ D-V,
Um die Kennzeichen der Szenen mit einem zumeist sensitiv-responsiven pädagogischen Antwortverhalten beschreiben zu können, wurden die Codierungen der einzelnen Szenen nochmals einer eingehenden Betrachtung unterzogen. Ziel war es herauszufinden, welche Codes übereinstimmend in allen bzw. in den meisten der „sehr feinfühligen“ Interaktionen vorkommen. Ebenso sollte eruiert werden, welche Codierungen eher selten vergeben worden sind, um erste Unterschiede zu den „weniger feinfühligen“ Interaktionen feststellen zu können. Die bei der Transkription verzeichneten Rahmenbedingungen der einzelnen Szenen wurden schließlich erneut betrachtet, um auch hier die Gründe für Differenzen zwischen „feinfühligen und nicht-feinfühligen“ Interaktionen erfassen zu können. Vor der Erklärung der Ergebnisse sei darauf verwiesen, dass sich die Zahlenangaben in der Tabellenspalte der positiven Codes darauf beziehen, dass eine bestimmte Codierung in einer Szene auffällig häufig vorhanden war. Das heißt jedoch nicht, dass ein weiterer Code, wie zum Beispiel „Fragen“, überhaupt nicht in einer Szene vergeben wurde. Gezählt wurden lediglich die für eine Szene charakteristischen Codierungen. In der Tabellenspalte der negativen Codes wurden ebenso diejenigen Codierungen ausgezählt, die das für eine Szene charakteristische „negative“ Interaktionsverhalten repräsentieren. Betrachtet man das Beispiel „Kein Eingehen“, bedeutet die Zahlenangabe in diesem Fall nicht, dass sich die betreffenden Szenen insgesamt gesehen durch diesen sehr negativen Code auszeichnen. Waren negative Codierungen vereinzelt vorhanden, handelte es sich lediglich um den Code, der am häufigsten vergeben wurde.
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Übersicht 8.1: Kennzeichen von Situationen mit einem meist sensitivresponsiven Antwortverhalten Positive Codes Interesse 15 Eingehen 13 Verständnis 11 Eigeninitiative Beiträge 11 Blickkontakt 10 Fragen 6 Loben 5 Spiegeln 4 Hilfestellung 3 Freude 2
Negative Codes Kein Eingehen 10 Reduziertes Eingehen 3 Zu schnelle Reaktion 2 Mangelnde Stimulation 2 Ablenkungen 2 Verzögerte Reaktion 1 LL-Erz, SPM-, Sabsch, SNZ, Sbl, Aabw, LM, US 1
Welche Merkmale weisen aber nun die Szenen auf, in denen sich pädagogische Fachkräfte meist sehr feinfühlig verhalten? Übersicht 8.1 zeigt, dass in allen 15 untersuchten Szenen durchweg und charakteristisch häufig der Code „Interesse“ vergeben wurde. Dies bedeutet, dass die Erzieherinnen meist konstant interessiert „bei der Sache“ waren. Die etwas geringere Anzahl an „Eingehen“ erklärt sich dadurch, dass in Szene 9 (Angeleitete Lernspiele) sowie in Szene 27 (Konflikte) eher eigeninitiative Beiträge der Fachkräfte vorliegen als Reaktionen auf die Kinder. Eben diese eigeninitiativen Beiträge der Erzieherinnen kommen genauso wie der Code „Verständnis“ in 11 der 15 Szenen sehr häufig vor. Neben einem hohen Interesse, einem konstanten Eingehen auf die Kinder, einem verständnisvollen Handeln und Sprechen sowie einem engagierten Interaktionsverhalten scheint der Blickkontakt mit Kindern ein charakteristisches Merkmal sensitiv-responsiver Interaktionen zu sein. Fragen, Loben und Spiegeln sind hingegen lediglich in ca. einem Drittel der untersuchten Szenen überdurchschnittlich häufig zu verzeichnen und somit kein grundsätzliches Charakteristikum eines sensitiv-responsiven Antwortverhaltens. Gleiches gilt für die Faktoren Hilfestellung und Freude, die in drei bzw. zwei Szenen auffällig oft auftraten. Rückt man nun die negativen Codes ins Blickfeld, wird deutlich, dass „Kein Eingehen“ in zwei Dritteln der 15 Szenen jene Codierung ist, die am häufigsten vorkommt, falls es nicht-feinfühlige Bestandteile in einer Interaktion gibt. In einem weit geringeren Ausmaß sind zu schnelle (2) oder verzögerte Reaktionen (1) sowie die Codes für ein reduziertes Eingehen (3) und für eine mangelnde Stimulation (2) festzustellen. Deutlich negative Codierungen, wie das Abwerten von Antworten oder den unangemessenen Umgang mit Gefühlen,
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treten lediglich in Einzelfällen auf. Die im Grunde deutlich geringe Anzahl an negativen Codes deutet genauso wie das seltene Vorkommen von vermehrten Ablenkungen (2) darauf hin, dass Interaktionen, in denen sich Fachkräfte in erster Linie sehr sensitiv-responsiv verhalten, insgesamt eher ungestört verlaufen. Die Analyse der äußeren Rahmenbedingungen der Szenen untermauert diese Vermutung: Die Umgebungsgeräusche der Interaktionen wurden zumeist „ruhig“ (5) oder „sehr ruhig“ (4) eingestuft, zuweilen auch „relativ ruhig“ (3). Nur in Einzelfällen war es „teilweise unruhig“ (1), „anfangs laut/dann ruhig“ (1) oder es herrschte „Turnraumlautstärke“ (1).
8.1.3 Kennzeichen von Situationen mit einem vermehrt nicht-feinfühligen pädagogischen Verhalten In Situationen, in denen vermehrt ein nicht-feinfühliges Verhalten festzustellen ist, ist es dagegen überwiegend laut und unruhig. In drei Szenen herrschte während der Aufzeichnung der Interaktionen „Lärm und Unruhe“, die Hintergrundgeräusche zweier weiterer Szenen wurden als „sehr laut“ eingestuft. In drei Szenen wurde ebenfalls eine große Unruhe deutlich, in einer war es laut und unruhig. Szene 4 zeichnet sich trotz niedriger Umgebungsgeräusche durch die Unruhe der Kinder aus. Lediglich in einem Drittel der Videosquenzen wurde die Geräuschkulisse als „relativ ruhig“ (1), „ruhig“ (3) bzw. als „sehr still“ (1) eingestuft. Wie bei den „feinfühligen“ Interaktionen spiegeln sich auch im Falle der „nicht-feinfühligen“ Interaktionen die Rahmenbedingungen der Szenen in der Codierung „Ablenkungen“ wider. Dieser Code wurde als charakteristisches Merkmal für ein wenig sensitiv-responsives pädagogisches Verhalten in insgesamt 10 Szenen vergeben und rangiert somit direkt hinter dem Code „Kein Eingehen“, der in 13 Szenen besonders auffiel. Betrachtet man jedoch den positiven Code „Interesse“, der charakterisch für 14 Szenen ist und damit noch vor dem Code „Kein Eingehen“ steht, erkennt man, welches Wechselspiel zwischen feinfühligen und wenig feinfühligen Reaktionen in manchen Interaktionen vorherrscht. Auch das relativ hohe Vorkommen des Faktors „Eingehen“ (11) unterstreicht die zu Beginn des Analyseteils getroffene Aussage, dass in den „negativeren“ Interaktionen häufig die sensitivresponsiven Bestandteile überwiegen. Diese werden jedoch zuweilen von deutlich negativen Komponenten wie zum Beispiel „Gleichgültigkeit“ oder „mangelnde Freude“ gewissermaßen „überdeckt“. Insgesamt gesehen fallen die Codierungen „Gleichgültigkeit“ (2), „mangelnde Freude“ (2), „fehlendes Interesse“ (3), „gehetzt sein“ (2), „eigener Lebensweltbezug“ (2), „stark/verzögerte Reaktionen (2) und „reduziertes Eingehen“ (2) in nur wenigen der 15 Szenen ins
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Auge. Die Faktoren „Abfragen“, „Fehlendes Verständnis“, „Erschöpfung“ und „Abwenden“ sind sogar lediglich für je eine Szene bezeichnend. Deutlich negative Codierungen kommen wie bei den „positiven“ Szenen nur in Einzelfällen vor. Auffällig ist jedoch die relativ hohe Anzahl an „Fehlender Stimulation“, die in 7 Szenen als Merkmal festgestellt wurde. Darüber hinaus zeichnen sich vier Szenen durch Aufforderungen bzw. Anweisungen der pädagogischen Fachkräfte aus. Nimmt man die Codierung „Abfragen“ hinzu, gibt es somit fünf Szenen, in denen das Interaktionsverhalten der Kinder deutlich gelenkt bzw. beschränkt wird. Vergleicht man abschließend die beiden linken Tabellenspalten mit den positiven Codes, zeigt sich, dass die Codierung „Fragen“ (6) als Merkmal „positiver“ wie „negativer“ Interaktionen gleich häufig vorkommt. Deutliche Unterschiede gibt es hingegen bei den Codierungen „Eigeninitiative Beiträge“ (6) und „Verständnis“ (4), die bei den Szenen mit dem weniger feinfühligen pädagogischen Antwortverhalten weitaus seltener als Merkmal vergeben wurden als bei den sensitiv-responsiven Interaktionen. Auch der Faktor „Blickkontakt“ fällt nach einer differenzierten Betrachtung als Auszeichnung nicht-feinfühliger Interaktionen deutlich weniger ins Gewicht. Lediglich einmal fiel das Merkmal des fortwährenden Augenkontakts auf, zweimal wurde „meist“ verzeichnet, dreimal „teilweise“ und einmal sogar „häufig ohne“. Die Codes „Loben“, „Spiegeln“, „Freude“ fallen dagegen überhaupt nicht als vorrangiges Charakteristikum auf. Übersicht 8.2: Kennzeichen von Situationen mit einem wenig sensitivresponsiven Antwortverhalten Positive Codes Interesse 14 Eingehen 11 Fragen 6 Eigeninitiative Beiträge 6 Verständnis 4 Blickkontakt (3 teils, 2 meist, 1 immer, 1 häufig ohne) Hilfestellung 1 Loben 0 Spiegeln 0 Freude 0
Negative Codes Kein Eingehen 13 Ablenkungen 10 Fehlende Stimulation 7 Aufforderungen/Anweisungen 4 Fehlendes Interesse 3 (Stark) Verzögerte Reaktionen 2 Reduziertes Eingehen 2 Gehetzt sein 2 Gleichgültigkeit 2 Mangelnde Freude 2 Eigener Lebensweltbezug 2 Abfragen 1
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Positive Codes
Negative Codes Fehlendes Verständnis 1 Erschöpfung 1 Abwenden 1 Fm 2, US/IS, FhR, Fnv, SPM-, Sabw, Sgabb, LPL je 1
8.1.4 Beschreibung eines sensitiv-responsiven und eines wenig feinfühligen pädagogischen Verhaltens Wie sich ein sensitiv-responsives pädagogisches Verhalten im Einzelnen äußert und im Unterschied dazu ein Antwortverhalten aussieht, das durch weniger „Sensitive Responsivität“ gekennzeichnet ist, soll im Folgenden mithilfe der Szenen 1 und 2 der Kategorie „Buch anschauen“ verdeutlicht werden. Die beiden maximal-kontrastiven Szenen werden hierfür mit ihrer vollständigen Transkription und Code-Auswertung abgebildet und im Anschluss daran analysiert und beschrieben. Szene: Kategorie: Dauer: Zeit: Kameraposition: Rahmensituation:
1 Buch anschauen 4,5 Minuten Morgens Von seitlich oben auf den Tisch. Gesichter von 1, 2 und 3 sind ganz zu sehen, die Erzieherin von der Seite. Die Erzieherin sitzt am Tisch, zwei Jungen (1, 2) direkt neben ihr. Neben den Jungen sitzt ein Mädchen (3). Links neben der Erzieherin befindet sich ein weiteres Mädchen, das aber nicht an der Interaktion beteiligt ist. Im Raum befinden sich eine weitere Erzieherin, ca. sechs andere Kinder und die Mutter eines Mädchens, das sich in der Eingewöhnungsphase befindet. Anfangs ist es relativ laut im Raum. Ein Kind schreit/weint. Die laute Stimme der zweiten Erzieherin ist zu hören. Später ist es ruhiger.
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Ausschnitt 8.1: Szene 1 – Buch anschauen; vollständig Nr. 1 2 3 4 5 6
7
8 9
10
11 12 13
Dialog Jungs schauen ins Buch. 1 greift sich an die Stirn. Erz beobachtet Jungs, sitzt leicht abseits. 2: Das ist lustig, gä1? (zeigt auf Buch) 1: Ja schau mal, Erz.! Erz: (beugt sich vor) Der macht Flugstücke! Des ist ein kleiner Flieger. Schau mal, der…(gibt Erklärung, unverständlich) 2: Schau mal da, Erz! (zeigt mit freudigem Gesicht auf das Buch, 1 (beugt sich auch über das Buch)
Signale D+I, D+I W+K, D+I, Z W+E/Z, D+I, Z PR-, E, AS, D+I, D+V, D+F, St W+E/Z, W+…, D+I, D+F, Z D+I
Erz: (beugt sich über das Buch) Das waren die ersten Flugzeuge, die es gegeben hat. Da hat der… der Lilienthal das ausprobiert, wie man fliegen kann. (Erz zeigt noch immer ins Buch). Liest: Und da steht: Auf dem Kopf liegend überquert der Kunstflieger Geffroy Gibson 1934 den Ärmelkanal. (1 und 2 schauen gebannt ins Buch) Auf dem Kopf liegend (Stimme hebt sich) ist er von Deutschland nach England geflogen. (macht Handbewegung zum Fliegen, 1 und 2 schauen gebannt zu Erz) 1: Aha. (Sein Blick geht ins Buch.) Schau, ein Zeppelin! Erz: Ja genau, das ist ein Zeppelin.
PR-, E, AS, D+I, D+V, D+F, St
1: Und und …
W+…, D+I, D+F, D+A, L
D+I,
D+I, D+F
A-, W+E/Z, W+…, D+I, Z PR+, AS, E, D+I, D+F, AZ, SP ohne Beitrag 1: Schau, ich hab beim Penni schon mal einen W+E/Z, W+…, D+I, Zeppelin gesehen. (steht auf) Der war soo breit! D+F, D+A, L (zeigt es mit seinen Armen, Augen weit auf, Stimme hebt sich) Erz: Oh! (Blick auf 1) PR+, AS, E, D+I, D+F 2: (schaut auch auf 1) D+I
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Nr. 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
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Dialog 2: (zeigt eine Breite mit seinen Armen) Aber nicht so breit. Erz: (Blick ruht auf den beiden Jungen)
Signale W+…, W+K, D+I, D+F, L D+I
1 und 2: (unterhalten sich über die Größe)
W+…, W+K, D+I, D+F, L Erz: Der ist sogar sehr groß. Da passen sogar PR+, E, AS, D+I, viele Leute rein. D+V, D+F, St 1 und 2: (erklären weiter, Erz nickt, Jungs W+…, W+K, D+I, gehen in eine andere Ecke des Raums, 1 vorher, D+F, L 2 hinterher, 1 zeigt 2 ein Foto) PR+, E, D+I 3: (fällt – schon vorher – ins Wort, ist erst W+E/Z, D+I, L unverständlich) Erz: Wo? (gespitzte Lippen, Oberkörper nach PR+, E, D+I, Fr offen vorne, Blick auf dem Mädchen) 3: Wo ich einmal hingegangen bin. (puzzelt Af/AL, D+I während dessen) Erz: Wo? Und wo war des? (noch immer nach PR+, E, D+I, Fr offen vorne gebeugt) 3: Das weiß ich nicht mehr. (kurzer Af, D+I Blickkontakt, puzzelt) Erz: Seid ihr damit geflogen mit dem Flugzeug? PR+, E, D+I, (Kopf schief, Blick ruht auf 3) Fr geschlossen 3: Ja und dann …(Blick auf Puzzle, puzzelt) A-, W+…, D+I, L Erz: Wahrscheinlich nach Frankreich. (unterbricht 3, Blick ruht auf 3) 3: Ja und da …(puzzelt)
ZSR, KE, D+I
Erz: Zur Oma. (unterbricht 3, Blick ruht auf 3)
A-, W+…, W+x, D+I, L ZSR, KE, D+I
3: Nein, woanders. Ich weiß … (Blick auf Puzzle, puzzelt, 2 kommt zurück, schaut auf 3) Erz: Urlaub. (unterbricht 3, Blick ruht auf 3)
Af, W+…, D-Abg, L D+I ZSR, KE, D+I
3: Ja (leicht genervt: Kopf und puzzelnder Arm „rucken“ nach unten, Stimme genervt). Und da hab ich…(puzzelt noch immer) Erz: Ja. (Blick auf 3, Kopf geneigt)
A-, W+…, W+x, D+I, L PR+, D+I, E
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Dialog 3: weißt du, ein Flugzeug gesehen. (beugt sich vor, intensiver Blickkontakt mit Erz, unterbricht Puzzle) . ..und ganz lang ..ins Flugzeug rein gegangen (unverständlich) Erz: Ist ganz lang, gell? (weiterhin stark zugewandte Haltung) 3: Ja. Und das war ganz schön groß. (Blickkontakt, vorgebeugt) Erz: Ja. Und was habt ihr da gemacht in dem Flugzeug? (immer noch vorgebeugt) 3: Da haben wir so gesitzt. (Blickkontakt, vorgebeugt) 2: Nein. 3: (Blickkontakt, vorgebeugt) Da haben wir gewartet, bis das Essen kommt. (wendet sich Puzzle zu) Erz: (leicht geöffneter Mund, weit geöffnete Augen, hochgezogene Augenbrauen): Habt ihr gewartet, bis das Essen kommt. (lehnt sich zurück) Und dann? (beugt sich vor, Blick offen auf 3) (keine Antwort von 3, zeigt 2. Erz ihr fertiges Puzzle) 2: Gä, Erz… (zeigt auf das Buch) Guck, wenn der da runter fällt. Erz: (Blick auf 2, kritischer Blick ins Buch) 2: Der hält sich da bloß fest. Erz: Ja, der sitzt. Der muss sich da festhalten. Da waren noch gar keine Türen beim ersten Flugzeug. Liest: Vor über 100 Jahren flog der Otto Lilienthal als erster mit dem Gleitflieger, mit Gleitfliegern. Er erkannte, wie wichtig die Flügelform ist. (Finger im Buch, Köpfe mit 2 zusammen gesteckt. 1 kommt zurück. Steht hinter Erz und 2 und schaut über die Schultern der beiden) Und da hat er immer weiter dran gebaut und immer wieder weiter. Und dann waren noch andere. Die haben da so einen
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Signale W+…, W+x, D+I, L
PR+, E, D+I, SP A-, W+…, D+I, L PR+, E, D+I, D+V, St, Fr offen Af/AL, D+I W+K, D+I W+…, D+I, L
PR+, E, D+I, SP; D+I, St, Fr offen; Puzzle zeigen ist gerade wichtiger Dsa W+E/Z, D+I, D+F, K PR+, D+I, E W+…, D+I, D+F, K PR+, E, D+I, D+V, D+F, St;
D+I, D+F; D+I, D+V, D+F, St;
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Nr.
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Dialog kleinen Doppeldecker gebaut. (Finger und Blick im Buch, 1 und 2 blicken auch ins Buch). Der hieß Flyer, Flyer hieß das Flugzeug. Und des hier, der ist auch über den Ärmelkanal gefahren. (1 stützt seinen Arm auf Erz´s Schulter, geht auf die andere Seite) Der Franzose, des war - der war aus dem gleichen Land wie 3´s Mama. Und der ist auch nach England geflogen. (ihr Blick geht zu 1) 2: (zeigt ins Buch) Und da verbrennen die Flugzeuge. Erz: (zeigt auch auf die Stelle) Nee, die Flugzeuge brennen nicht. Da unten ist ein Waldbrand. (3 kommt hinzu) und die Flugzeuge.. (1 legt seinen Arm und Erz´s Schulter. Schaut aufs Buch) 3: (fragt viermal, schon im Kommen, erst leise, dann laut, beugt sich über das Buch) Wo ist Mama? Erz: Ne, das ist ein Mann, der ist aus dem gleichen Land wie deine Mama. (Blick auf 3) Aus Frankreich, ein Franzose. (Blick zurück ins Buch, zeigt auf etwas) Und des hier, das ist ein Waldbrand. Und die Flugzeuge, die haben drinnen, so zum Löschen, eine eine (Blick auf 1 und 2, 3 geht) eine Flüssigkeit, oder manchmal auch ein Pulver. Und dann (Handbewegung zur Verdeutlichung) fliegen die da drüber weg und lassen des raus. Und des geht dann über den Brand und löscht dann die Flammen. (Blick auf 1) 1: Ja. – Erz, und ich kenne noch einen Waldbrand. Bei der Biene Maja. Und da war auch mal ein Brand. Und da (redet aufgeregt mit heftigen Armbewegungen) war so ein Schatten und da war ein Zündholz hingeschmissen. Und da war da ein Waldbrand.
Signale D+I, D+F, D+I, D+V, D+F, St; D+I, D+F, D+I, D+V, D+F, St; D+V
W+E/Z, W+…, D+I, D+F, K PR-, E, D+I, D+V, D+F, Fwb, St, D+I D+I W+?, D+I, FI, L
VR, E, D+I, D+V, Fbw, St D+I;
D+I; D-sa
W+E/Z, W+…, D+I, D+F, D+A, L
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Dialog Erz: (Blick ruht auf 1. Intensiver Blickkontakt, nicken, Mund leicht geöffnet, Augen weit geöffnet) Oh, da hat jemand sein Zündholz weggeschmissen. Oh, das darf man nicht machen, gell. (Augenbrauen ziehen sich zusammen) 1: (Intensiver Blick zu Erz) Ja und dann hat der Willi gegessen … (geht um den Tisch, behält Blickkontakt mit Erz) … und des ist auch eine Biene. Und dann, und dann (unverständlich) Und dann, und dann ist der zur Maja geflogen. Und dann und dann … Erz: (rutscht weg mit dem Stuhl, kurzer Abbruch des Blickkontakts, holt ein Taschentuch, gibt es 1, stellt Blickkontakt wieder her) 1: (als Erz Taschentuch holt) und dann und dann - und dann hat er gezeigt (unverständlich, nimmt Taschentuch) …und da hat die Biene Ma-ja gesagt: Ja! Da sind die Flammen! (Stimme hebt sich gleichzeitig mit Arm, reißt ihn hoch) Erz: Ja. (Mund gleichzeitig weit geöffnet) Ooh. (lang gezogen) 1: Und dann sind die gleich wieder weggeflogen. Erz: Und da ist ihnen nix passiert? 1: Nein. (putzt seine Nase) Erz: Ah, zum Glück. 2 schaut während der Geschichte von 1 weiter ins Buch, Erz wendet sich beim Naseputzen von 1 wieder 2 zu.
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Signale PR+, E, AS, D+I, D+V, D+F, St
W+…, D+I, D+F, D+A, L
PR+, D+I, E
W+…, D+I, D+F, D+A, L
PR+, E, D+I, D+F, AS, SP Ton imitieren W+…, D+I, D+F, D+A, L PR+, E, AS, D+I, D+F, Fr geschlossen D+I, APR+, E, AS, D+I D+I
Untersucht man die Codierungen des pädagogischen Interaktionsverhaltens in Szene 1, erkennt man, dass die Erzieherin während des gesamten Gesprächs für die Kinder zugänglich ist. Mit Ausnahme einer kurzen Passage am Ende der ersten Interaktionshälfte (26, 28, 30) reagiert sie prompt auf die Kinder und
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stellt dabei meist Blickkontakt mit den beiden Jungen (1 und 2) und dem Mädchen (3) her. Die beobachtende und konstant zugewandte Haltung der Fachkraft signalisiert ihr großes Interesse an der Interaktion. Dass sie den Kindern aufmerksam zuhört, ihren Gedanken, Interessen und Äußerungen Raum gibt und gebannt mit ihnen ins Buch schaut, zeugt ebenfalls von einem sehr interessierten „Dabei-sein“ der Erzieherin. Dies lässt vermuten, dass auch die etwas weniger feinfühlige Reaktion während des Dialogs mit dem Mädchen (3) im hohen Interesse der Pädagogin begründet liegt. Möglicherweise aus „Übereifer“ unterbricht sie den Redefluss des Kindes dreimal in Folge (26, 28, 30) und geht somit nicht auf das ein, was das Mädchen sagen möchte. Abgesehen von dieser Ausnahme gelingt es der Erzieherin in Szene 1 jedoch sehr gut, die Interessensgegenstände der Kinder zu verfolgen. Sie reagiert prompt, als die beiden Jungen ihr etwas in dem Bilderbuch zeigen wollen und schaut gebannt mit den beiden ins Buch (ab 4). Hierbei greift die pädagogische Fachkraft nicht nur die Freude der Jungen auf, sondern versteht es gleichzeitig, die Kinder mit gut verständlichen und mit entsprechender Gestik untermalten Erklärungen zu stimulieren. Aufmerksam hat sie anschließend im Blick, wie sich das Interesse der Kinder steigert. Folglich reagiert sie angemessen auf den Ausruf von 1 (8: „Schau, ein Zeppelin!“). Nachdem sie die Aussage des Jungen gespiegelt hat (9: „Ja genau, das ist ein Zeppelin“), gibt sie ihm den Raum, um an die Entdeckung im Buch anzuknüpfen und eine Verbindung zu einer Begebenheit aus seiner Lebenswelt herzustellen. Sehr aufgeregt, inzwischen stehend, mit geweiteten Augen, intensivem Blickkontakt und mit lauterer Stimme berichtet er noch mehr von dem Zeppelin (10: „Schau, ich hab’ beim Penni schon mal einen Zeppelin gesehen.“). Mit beiden Armen zeigt der Junge seiner Erzieherin, wie groß der Zeppelin war (10: „Der war soo breit!“). Die Fachkraft wiederum spiegelt auch diese Schilderung – diesmal jedoch vor allem auf nonverbale Weise, indem sie ebenfalls die Augen weit öffnet und den Jungen direkt ansieht. Verbal hält sie sich dagegen eher zurück (11: „Oh!“). Dadurch gibt sie dem zweiten Jungen die Gelegenheit, sich einzuschalten und genauso engagiert wie 1 und mit ausgebreiteten Armen von der Größe des Zeppelins zu berichten (14: „Aber nicht so breit.“). Nach einem weiteren stimulierenden und erklärenden eigenen Gesprächsbeitrag (17: „Der ist sogar sehr groß. Da passen sogar viele Leute rein.“) zieht sich die Erzieherin aus dem Gespräch zurück, bleibt jedoch interessiert „bei der Sache“. Die Jungen still beobachtend, verfolgt sie deren weiteres Gespräch über den Zeppelin (18). Als die beiden Jungen nach ihrem Gespräch und dem kurzen Austausch zwischen der Erzieherin und dem Mädchen an den Tisch zurückkehren, setzt die pädagogische Fachkraft ihr stimulierendes, verständnisvolles und Emotionen aufgreifendes Interaktionsverhalten fort. Die Köpfe mit 2 zusammengesteckt
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und die Umarmung von 1 zulassend, schaut sie mit den Jungen ins Buch, liest kurze Textpassagen vor und gibt zusätzliche Erklärungen (44: „Der Franzose, des war - der war aus dem gleichen Land wie 3s Mama. Und der ist auch nach England geflogen.“). Als 2 plötzlich ruft (45: „Und da verbrennen die Flugzeuge!“), reagiert die Erzieherin ebenfalls prompt. Sofort zeigt sie auf die Flugzeuge im Buch und erklärt wertschätzend und für die Kinder verständlich, dass die Flugzeuge nicht brennen (46: „Nee, die Flugzeuge brennen nicht. Da unten ist ein Waldbrand.“). Nachdem sie verzögert, dafür aber mit längerer Erklärung auf einen Einwand des Mädchens reagiert hat (48: „Ne, das ist ein Mann, der ist aus dem gleichen Land wie deine Mama. Aus Frankreich, ein Franzose.“), schaut die pädagogische Fachkraft wieder ins Buch und setzt ihre erklärenden Erläuterungen fort (48: „Und die Flugzeuge, die haben drinnen, so zum Löschen, eine Flüssigkeit oder manchmal auch ein Pulver. Und dann fliegen die da drüber weg und lassen das raus. Und das geht dann über den Brand und löscht dann die Flammen.“). Während ihrer Erklärung behält sie den Blickkontakt mit den Jungen bei und unterstreicht ihre Schilderungen erneut mit entsprechenden Handbewegungen. Schließlich macht 1 sehr aufgeregt und mit wild rudernden Armen einen weiteren Einwurf. (49: „Ja. – Erz., und ich kenne noch einen Waldbrand. Bei der Biene Maja. Und da war auch mal ein Brand. Und da war so ein Schatten und da war ein Zündholz hingeschmissen. Und da war da ein Waldbrand.“). Nachdem sie den Schilderungen des Jungen mit einem auf ihm ruhenden Blick sehr aufmerksam gefolgt ist, erwidert die Erzieherin mit geöffnetem Mund und geweiteten Augen: „Oh, da hat jemand sein Zündholz weggeschmissen. Oh, das darf man nicht machen, gell?“ (50). Diese spiegelnde, stimulierende und zugleich Emotionen aufgreifende Äußerung unterstreicht sie mit ihren Augenbrauen, die sich zusammenziehen. Nach wie vor sehr aufgeregt und mit Blickkontakt zur Erzieherin beschreibt der Junge den Waldbrand bei Biene Maja nun genauer (51: „Ja, und dann hat der Willi gegessen. … Und das ist auch eine Biene. Und dann, und dann ist der zur Maja geflogen. Und dann und dann … 53: und da hat die Biene Maja gesagt: ‚Ja! Da sind die Flammen!’“). Hat die Fachkraft zunächst aufmerksam zugehört (52), greift sie die Gefühle des Jungen an dieser Stelle vor allem auf nonverbale Weise auf. Die gehobene Stimme des Jungen und dessen hoch gerissene Arme am Schluss der Erzählung spiegelt sie mit einem weit geöffneten Mund und einem lang gezogenen (54: „Ooh.“), bei dem sie gleichzeitig den Tonfall des Jungen imitiert. Nach einem weiteren Beitrag von 1 (55: „Und dann sind die gleich wieder weggeflogen.“) und einer interessierten Nachfrage der Erzieherin (56: „Und da ist ihnen nix passiert?“), die 1 zwar kurz, aber erleichtert beantwortet (57: „Nein.“), zeigt sich die Pädagogin
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ebenfalls erleichtert (58) und bringt die Interaktion damit zu einem befriedigenden Abschluss. Insgesamt gesehen ist es der Erzieherin in Szene 1 folglich gelungen, mit einer interessierten, beobachtenden und wertschätzenden Haltung, mit stimulierenden eigenen Interaktionsbeiträgen und gut verständlichen Erklärungen, mit dem Aufgreifen der kindlichen Emotionen und dem überwiegend konstanten Halten des Blickkontakts und nicht zuletzt mit dem zumeist prompten Eingehen auf die kindlichen Signale, das Interesse und die Begeisterung der Kinder wachzuhalten und sie zu eigenen Gedanken und Interaktionsbeiträgen anzuregen. Szene: Kategorie: Dauer: Zeit: Kameraposition: Rahmensituation:
2 Buch anschauen 6,5 Minuten Vormittags Auf die Erzieherin gerichtet, Gesicht von 1 und 2 zu erkennen Die Erzieherin sitzt mit vier Jungen am Tisch, zwei Jungen schauen mit ihr ins Buch, zwei weitere bauen mit Klötzen. Eine weitere Erzieherin ist mit ca. sechs anderen Kindern im Raum. Im Zimmer herrscht etwas Lärm und Unruhe. Inmitten der Szene betritt eine dritte Erzieherin den Raum und fragt die gefilmte Erzieherin nach einem Buch. Ein längeres Gespräch der beiden Erzieherinnen unterbricht die Szene.
Ausschnitt 8.2: Szene 2 – Buch anschauen; vollständig Nr. 1 2 3 4 5
Dialog Erz: Das ist ein Hamster …Der sammelt Körner. (greift sich an die Wangen, wendet sich Kindern zu, kurzer Blickkontakt, hat Tüte in der Hand) 2: (stehend über das Buch gebeugt) Kurz (unverständlich) Erz: Ach! (winkt mit der Hand ab, dreht den Kopf weg, schüttelt den Kopf) Das weiß ich jetzt nicht! (genervt) 2: (setzt sich, nimmt bunte Würfel in die Hand) 1: Ein Rehtier! (zeigt ins Buch)
Signale D+I
W+…, D+I PR-, KE, US, D-Geh, S?D-sa W+E/Z, D+I, D+A, K
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Nr. 6 7 8 9 10 11 12 13
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Dialog 2: Ein Rehtier! Ein Rehtier! (ruft dazwischen) Erz: Ein Reh, ein Reh, ne. Ein Rehbaby. (dazwischen, Blickkontakt mit 1) 1: Ich hab das hier geguckt! (Blick geht ins Buch, zeigt darauf) Erz: (Blick geht zu 1, langer Blickkontakt, Hände auf dem Buch, Blick ins Buch) Mh. 2: Ich hab auch!
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Signale W+E/Z, D+I, D+A, K PR+, E, D+I, AZ, SP W+E/Z, W+…, D+I, K PR+, RE
W+E/Z, W+…, D+I, D+A, K Erz: (Zu 1) Hast du denn schon mal eins gesehen? PR+, E, KR, KE, US bei 2, D+I, Fr geschlossen 1: Jaa. A-, D+I Erz: (Blick ins Buch, nimmt mit einer Hand 1´s KR, KE; Hand aus dem Buch. Hält die Seite selbst fest.) Hier Anweisung ganz vorsichtig blättern! 1: (schaut weg, als Erz seine Hand wegnimmt, 2 D-sa, D-abw schaut in die Luft) Der Reh hat ein Hörner! W+x, D+I, D+A, (verdeutlicht mit Händen die Hörner am eigene S/E Kopf, wiederholt es) 2: (ruft) Ich auch! …. Das hab ich schon mal W+K, D+I, D+A, gesehen. L Erz: (kein Blickkontakt mit 1 und 2, ihre Hand im KR, KE, IS, Buch, unbewegtes Gesicht) D-Abw, D-G 2: Ein Reh, ein Reh, ein Reh! (Stimme laut und W+…, W+x, aufgeregt) D+I, D+F, D+A, S/E Erz: (Blick langsam zu 2) So! (Kurzes Nicken, SVR, KE, US, Blick wieder ins Buch, Tüte ist abgenommen) D-G 1: Der Rehtier hat ein Hörner! W+x, D+I, D+F, S/E 2: Eheh! W+K, D+I Erz: Guck mal, das ist jetzt schon ganz nah, ne. KR, KE, D-I, (kurzes Zuwenden, steht dann auf, um Mädchen D-F, D-Abg Tesafilm zu geben.)
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Nr. 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
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Dialog 2: Eheh! 1: Doch, du weißt … 2: Nein! 1: Doch! 2: Nein! Erz: (kommt zurück) Ach!
Signale W+K, D+I W+K, D+I W+K, D+I W+K, D+I W+K, D+I KR, KE, IS, D-Geh, Sabw, SGabb 1: Doch! W+K, D+I 2: Nein! W+K, D+I Erz: So wir blättern jetzt … (Hand im Buch, Blick KR, KE, IS, zu 1 u 2 u Buch) D-Geh, SGabb 1: Gell, der Rehtier hat Hörner? (kein Blickkontakt W+?, D+I, FI mit Erz) Erz: Ja, aber nur, wenn das ganz groß ist und wenn PR+, E, D+I, das ein Mann wird, ne! Nur dann. (Blick zu 1, D+V, St; dann ins Buch, nimmt 1 Hand weg, blättert um) D-Geh 1: Mh. – Aber Babys können nicht kein Mann … W+…, D+I, S/E; (zeigt etwas im Buch, benennt es, unverständlich) W+E/Z, D+I, Z Erz: (unterbricht 1) Nee. Guck mal, jetzt ist es ZSR, RE, D+I, aufgestanden, ne. Jetzt will´s mal gucken. Will mal STK gucken, wo seine Mama ist. (schaut auf andere Buchseite) (3. Erz kommt rein, Erz blickt zu 3. Erz., spricht sie D-Abg an) 1: (will umblättern) D+I 3: Hier. D+I Erz: (nimmt Buchseite, schlägt mit um, schaut ins D+I Buch) 1: (Hand aufgestützt, zeigt dann ins Buch) Was will W+?, W+…, der Rehtier? D+I, FI Erz: Ja der sucht seine Mama. (Blick zu anderen PR-, E, D+I, Seite) STK, D-Abg 1: Und die Enten? (zeigt ins Buch, blickt danach W+…, W+?, zur Erz) D+I, FI Erz: (Blick auf 3. Erz, die etwas sagt, gibt keine KR, KE, D-Abg
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Nr. 43 44 45 46 47
48 49 50 51 52
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Dialog Signale Antwort) 1: (Blick zur 3. Erz, legt seine Hand auf Erz´s Arm) D-Abg, W+NA, D+I Erz: (keine Antwort. Blick auf 3. Erz und spricht KR, KE, D-Abg mit ihr/lang) 1: (zeigt trotzdem ins Buch, blickt und spricht sie W+…, W+x, an) Ich … W+NA, W+E/Z, D+I Erz: (Gespräch mit 3. Erz/längerer Dialog) KR, KE, D-Abg 1: (Blick auf 3. Erz, dann in den Raum, wartet, D-Abg, D-sa, D+I Blick ins Buch, dann in den Raum, wieder ins Buch) 1: Erz, Erz, was will … (zeigt auf das Buch, Blick W+?, W+…, auf Erz, berührt ihre Hand, die sie am Kinn hat) W+x, W+NA, D+I, FI Erz: (Gespräch mit 3. Erz, keine Reaktion) KR, KE, D-Abg 1: (blickt in den Raum und ins Buch) D-sa, D+I (anderer Junge fragt, ob er frühstücken kann) 1: Erz, Erz (berührt wieder ihre Hand) W+…, W+x, W+NA, W+E/Z, D+I Erz: (keine Antwort, nimmt 1s Hand, antwortet PR- nonv., KE, anderem Jungen) So, und jetzt macht sich das Reh D-Abg; wieder auf den Weg. (Kopf zu 1 geneigt) SVR, KE einfach etwas sagen, D+I 1: Erz, was will die Ente machen? (fällt Erz ins W+?, W+…, Wort, Blick auf Erz, hält noch immer ihre Hand, D+I, FI Augen weit geöffnet) Erz: Ja, die Enten schauen auch nach dem Reh und PR+, E, D+I, sagen, was macht denn das Reh hier? (Stimme D+V, STK wird sanfter, Kopf geht dichter runter zu 1, hält seine Hand, blättern gemeinsam um) 1: Und der? Und was will der fragen? W+?, W+…, D+I, FI Erz: Das ist ne Gans. PR+, E, D+I 1: Was will der Reh fragen den? W+?, W+…, D+I, FI
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Nr. 59 60 61 62 63 64 65 66 67
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69 70
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Dialog Erz: Die Gans, die sagt auch, du bist ja ganz alleine unterwegs. Wo ist denn deine Mama? (Blick auf 1 gerichtet, blättern um) Aha. Wer kommt denn da … mh? (Blick auf Buch) 1: Rehtier. Erz: Ja, und das hier? (zeigt auf die Stelle)
Signale PR+, E, D+I, D+V
D+I, Fr offen, St AB, D+I PR-, KE, D+I, AkL, ST2: Kinder, Kinder! (aufgeregte Stimme) AB, D+I, D+A 1: Und was will der Kinder machen? W+?, W+…, D+I, FI Erz: Die haben bestimmt Waldtag. PR-, E, D+I, STK 1: Will der den Rehtier suchen? W+?, W+…, D+I, FI Erz: NEIN. Die wollen da spielen. Die haben ja gar PR-, E, D+I, nicht gewusst, dass das Rehlein da liegt. (blättert STK; um, Blick wenig involviert) Das hat sich versteckt. D-Abw, D+I 1: He, da ist der Rehtier!! (ruft, zeigt) Hat sich das W+…, W+?, da versteckt? D+I, D+A, D+F, FI, K Erz: Das Reh hat sich da versteckt. Das hat jetzt PR-, E, D+I, SP Geräusche gehört und ein bisschen Angst gekriegt. (blättert um) 1: Was hat der? W+?, W+…, D+I, FI Erz: Das hat ein bisschen Angst. Hat immer noch PR-, E, D+I; nicht die Mama gefunden. (schüttelt zum Unterstreichen den Kopf, Blick geht weg, 2. Erz D-Abg, D+I kommt rein, Blick wieder zum Buch) 1: Der Rehtier schlaft. W+…, D+I, K Erz: Ist wieder eingeschlafen, ne. (Blick geht im PR-, E, D-Abw, Raum herum, wieder zum Buch) D+I, SP 1: Ist der aufgestanden? W+?, W+…, D+I, FI Erz: (beim Umblättern) Nicht so schnell 1(hält 1´s KR, KE, Hände zurück) Anweisung 1: (ruft) He!! W+E/Z, D+I,
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Nr. 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95
Dialog Erz: 1, bleib mal in der Ruhe! (bestimmt, kein Blickkontakt, hält seine Hände) 3: Was ist das? Erz: (keine Antwort, blättert um, schaut ins Buch) 1: He, was macht der denn? (ruhiger, 3 schaut ins Buch) Erz: Das ist eine Libelle. Haben wir auch draußen am Teich manchmal. 1: Was will der von die machen?
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Signale D+A PR-, KE, US, Fm
W+?, D+I, FI KR, KE W+?, W+…, D+I, FI, D+I PR-, E, D+I, D+V, St W+?, W+…, D+I, FI Erz: Gar nichts, gar nichts. Ist nur mal da gelandet. Pr-, E, D+I, D+V, Was ist das denn hier? (macht kreisende Fr offen, St-; Handbewegungen über dem Buch) D+V 4: (neu hinzugekommen) Frosch. (schaut ins Buch) AB, D+I Erz: Na, guck mal ganz genau L. (hält ihm das Buch PR+, E, D+I, höher) D+V, Fwb 1: He! Ein, ein … (zeigt ins Buch) W+E/Z, D+I, D+A, Z 4: Eine Schildkröte! AB, D+I, D+F, D+A Erz: Eine Schildkröte ist das. PR-, E, D+I, SP 3: Aber der sieht alt aus! W+E/Z, D+I, D+F, S/E Erz: Ja, aber die ist vielleicht auch schon ganz alt. PR+, E, D+I, Schildkröten können ganz ganz alt werden. (kurzer D+V, AS, AZ, St Blickkontakt) (Kinder reden durcheinander, jedem fällt etwas W+K, D+I, D+F, dazu ein) D+A 4: Die können 100 Jahre alt werden. W+…, D+I, S/E Erz: (Blick zu 4) Ich glaube sogar noch älter. (nickt PR+, E, D+I, AZ, dabei, Blick wieder ins Buch) St 1: Der, der (Blick zu Erz) ist schon grün geworden. W+E/Z, W+…, D+I, K 6: Ist die tot? (Kinder schauen an die Stelle) W+?, W+…, D+I, FI
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Nr. 96 97 98 99 100 101 102 103
104 105 106 107 108 109 110 111 112 113
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Dialog Signale Erz: Nee, guck mal, die hat doch hier noch ihren PR+, E, D+I, Kopf draußen. (zeigt auf die Stelle, stützt ihren D+V, St, D+Er Kopf auf die Hand auf, blättert) 1: He, der Rehtier ist aufgestanden. (zeigt ins Buch) W+…, D+I, D+A, K Erz: Das Reh ist aufgewacht, ne. (kein PR+, E, D+I, SP, Blickkontakt) D+Er 1: Was hat der Rehtier? W+?, W+…, D+I, FI Erz: Gar nix. Das guckt so (Kopf und Hände gehen PR+, E, D+I, in die Höhe) und staunt. D+V, STK 6: (von oben stehend runtergebeugt) Und da ist die W+E/Z, D+I, K Eule. (zeigt darauf) Erz: Da ist die Eule. (Kopf aufgestützt) PR+, E, D+I, SP, D+Er 1: Guckt die, guckt die die Mama? W+?, W+…, D+I, FI Erz: Ja, ne, das guckt. Die Eule hat jetzt gerufen: PR-, E, D+I, „Huhu“. (zeigt ins Buch) Und das Reh, das denkt D+V, D+Er „nanu“, wo kommt das denn her? (Kopf aufgestützt) 1: (blättert um) D+I Erz: Da ist sie ja wieder. (Kopf aufgestützt) D+I, D+Er 1: Ist das die Mutter von der Rehtier? W+?, W+…, D+I, FI Erz: (Kopf immer noch aufgestützt) Das ist die PR-, E, D+I, Mutter von dem Reh. D+Er 6: Guck mal! (zeigt auf etwas im Buch) W+E/Z, D+I, D+A, Z Erz: Siehste. (Kopf nicht mehr aufgestützt, blickt PR+, RE, D+I ins Buch) 1: Erz, warum hat der kein … W+?, W+…, D+I, FI 4: (gleichzeitig) Iih! D+I Erz: Das ist doch nicht iih! Das ist doch die Mama! PR+, E, IS, D+I (Blick auf 4)
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Nr. 114 115 116 117 118
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Dialog 6: Ich weiß, was die Mama vom Reh machen. Die machen die sauber damit. Erz: Mh. (Blickkontakt, ohne emotionale Beteiligung) 4: Weiß ich. Erz: 1, sag noch mal. 1: Warum hat der Rehtier keine schwarzen Punkte? (zeigt ins Buch, Augenbrauen fragend zusammen gekniffen) Erz: Das sind weiße Punkte. Die haben nur die Babys. Wenn es sich dann versteckt, dann findet man die nicht so leicht, weißte. (zeigt mit ausgestrecktem Arm in das Buch) 1: (nickt, blättert weiter, Blick ins Buch) Da schlaft der schon wieder. Erz: (Blick ins Buch) Ja die Mutter ist wieder jetzt unterwegs. 1: (Blick ins Buch, dann zur Erz) Ist der Mutter weg? Erz: Ja, die Mutter sagt: Bleib liegen. Ich gehe los und hole Futter. (Blick ins Buch, dann in andere Ecke) 1: (blättert um, blickt ins Buch) 6: (Blick ins Buch, aufgeregt) Ein ein Waschbär! Erz: (Blick ins Buch) Ein Waschbär.(Blick zu 6)
6: Weißt du was, wir haben einen toten Waschbär 127 bei Vissmann gesehen. (Blick zur Erz) Auf der Straße. Erz: Ehrlich? Als ihr in der Schule wart? (Blick zu 128 6, dann ins Buch) 129 6: Nein, ich bin noch net in der Schule. Erz: Ja, aber ihr seid doch mit den Schulanfängern 130 bei Vissmann vorbei gekommen. (Blick auf Buch) 131 1: Hey, hey, der Rehtier hat der Himbeeren
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Signale W+…, D+I, S/E PR+, RE, D-G, AkL W+K, D+I, K VR, E, D+I W+?, W+…, D+I, FI PR-, E, D+I, D+V, St
W+…, D+I, K PR-, E, D+I W+?, W+…, D+I, FI PR-, E, D+I, D-abw D+I W+…, D+I, D+A, K PR+, E, D+I, SP nüchtern, US W+…, D+I, D+A, L PR+, E, D+I, Fr (geschlossen) Af, D+I PR-, E, D+I, D-Abw W+E/Z, W+NA,
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Nr.
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Dialog gesucht! (schaut ins Buch, dann zur Erz, berührt sie an der Hand) Erz! 6: (Blick ins Buch) Nein, nein! Das haben Mama und ich und C gesehen. (kurze Blickabstimmung mit Erz) Erz: Ach so. (kurzer Blickkontakt, nickt, wendet sich 1 zu) Ja guck mal, die treffen sich jetzt, der Waschbär und das Rehkitz. 6: (lacht laut und schaut zur Erz) Erz: Guck mal, wie die sich angucken. (ohne Blickkontakt) 6: (zeigt ins Buch) Der Waschbär hat keine Angst. (Blick zur Erz) 1: (Blick ins Buch) Ist der böse? Erz: (Blick schweift ab in andere Ecke, keine Antwort)
Signale D+I, D+A, Z, K AB, D+I
PR+, RE, D+I; VR, KE, D+I AN, D+I D+I W+E/Z, D+I, K W+?, D+I, FI KR, KE, D-Abg, D-Abw
Im Gegensatz zur Fachkraft in Szene 1 gestaltete sich das Antwortverhalten der Erzieherin in Szene 2 weitaus weniger sensitiv-responsiv. Schaut man sich die Codierung des pädagogischen Interaktionsverhaltens genauer an, fällt sowohl eine Diskontinuität als auch eine gewisse Inkongruenz auf. Das heißt zum einen, dass sich positive und negative Codes im Verlauf der Szene abwechseln. Zum anderen wird deutlich, dass die Fachkraft bei ihren Versuchen zu reagieren zwar einerseits ein gewisses Maß an Interesse zeigt, dass andererseits ihre Körperhaltung aber etwas ganz anderes ausdrückt als ihre verbalen Äußerungen. Im Grunde sensitiv-responsive Reaktionen werden somit wegen einer nicht-feinfühligen Mimik und Gestik abgeschwächt. Zudem stellt die Erzieherin insgesamt gesehen weniger Blickkontakt zu den Kindern her als die Fachkraft in Szene 1. Hauptmerkmal der nicht sensitiv-responsiven Reaktionen ist in Szene 2 der Code „Kein Eingehen“, der im Unterschied zu weiteren Szenen auffällig häufig vergeben wurde. Darüber hinaus sind viele Ablenkungen und oft auch die Erschöpfung der Erzieherin festzustellen. Weitere Kombinationsmerkmale nicht-feinfühliger Reaktionen wechseln. Analysiert man das pädagogische Antwortverhalten nun im Einzelnen, fallen die zu Beginn der Szene meist negativen Codes ins Auge. Auf die Äußerung von 2 reagiert die Fachkraft zwar prompt, jedoch auch sichtlich genervt. Mit einem knappen „Ach!“, dem Abwinken mit der Hand, dem Wegdrehen und Schütteln ihres Kopfes sowie mit genervter Stimme antwortet sie dem Jungen
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(3). Gleichzeitig blockt sie dabei seinen Einwand ab, greift seine Gefühle nicht auf und geht nicht auf den Jungen ein (3: „Das weiß ich jetzt nicht!“). Auf die aufgeregt geäußerte Entdeckung des Rehs durch 1 (5) geht die Fachkraft ebenfalls zunächst gar nicht und dann lediglich äußerst reduziert ein (9: „Mh.“). Den Einwand von 2, auch ein Reh gesehen zu haben, übergeht sie und richtet sich stattdessen mit einer Frage an 1 (11: „Hast du denn schon mal eins gesehen?“). Doch auch auf dessen knappe Antwort reagiert die Erzieherin nicht. Vielmehr weist sie den Jungen an, die Seite des Buches vorsichtig umzublättern (13). Dieses nicht sensitiv-responsive Verhalten der Erzieherin setzt sich dann fort. Obwohl die beiden Jungen ihre Entdeckungen und Einfälle mit aufgeregter Stimme kundtun (14: „Der Reh hat ein Hörner!“, 15: „Das hab ich schon mal gesehen.“, 17: „Ein Reh, ein Reh, ein Reh!“), bleibt ihr Gesichtsausdruck unbewegt und der Blick in das Buch gerichtet (16). Ein knappes „So.“ und ein kurzes Nicken sind die einzigen Antworten, die die beiden Jungen in diesem Moment erhalten (18). Ihre Gefühle werden nicht aufgegriffen. Dies ist auch der Fall, als 1 und 2 angeregt darüber „streiten“, ob Rehe Hörner haben oder nicht (19 – 29). Zunächst wirft die Fachkraft eine Bemerkung ein, die nicht unmittelbar etwas mit der Diskussion der Jungen zu tun hat (21: „Guck mal, das ist jetzt schon ganz nah, ne.“), dann wertet sie den Austausch der Jungen ab (27: „Ach!“) und schließlich beendet sie das Gespräch der Kinder, indem sie abermals darauf verweist, die Seite umzublättern (30). Geht die pädagogische Fachkraft zwar auf die nächste Frage von 1 (31: „Gell, der Rehtier hat Hörner?“) stimulierend und mit einer weiterführenden Erklärung ein (32: „Ja, aber nur, wenn das ganz groß ist und wenn das ein Mann wird, ne! Nur dann.“), unterbricht sie die folgende Äußerung von 1 (33: „Aber Babys können nicht kein Mann“), antwortet reduziert und knapp und lenkt mit ihrem Interaktionsbeitrag auf ein anderes Thema (34: „Nee. Guck mal, jetzt ist es aufgestanden, ne. Jetzt will´s mal gucken. Will mal gucken, wo seine Mama ist.“). Damit verhindert sie die stimulierende Ausweitung der Gedankengänge von 1. Im folgenden Interaktionsabschnitt schwindet die Zugänglichkeit der Erzieherin für die Kinder gänzlich. Als eine weitere Fachkraft den Raum betritt und die Aufmerksamkeit der Erzieherin einfordert, beantwortet sie zwar noch eine Frage des Jungen 1 (39, 40), jedoch geht sie im weiteren Verlauf wegen des ablenkenden Gesprächs mit der Kollegin nicht mehr auf seine zahlreichen Versuche ein, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen (41 – 52). Erst nach einer starken Verzögerung wendet sich die Erzieherin dem Jungen wieder zu, trifft aber mit ihrem eigeninitiativen Gesprächsbeitrag nicht das Thema, was den Jungen eigentlich interessiert (53). 1 richtet sich nun mit weiteren Fragen an seine Erzieherin (54: „Erz, was will die Ente machen?“, 56: „Und der? Und was will der
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fragen?“). Daraufhin geht diese mit sanfterer Stimme und deutlicherer Zuwendung auf den Jungen ein. Auch wenn die Gesprächsbeiträge der Pädagogin wenig stimulierend sind und die Kinder nicht zum eigenständigen Nachdenken anregen, erfolgen sie nun prompt und zeugen von einem – im Vergleich zum Beginn der Szene – etwas gesteigerten Interesse der Erzieherin (55 – 65). Trotz dieses erhöhten Interesses wirkt die pädagogische Fachkraft zu Beginn der zweiten Hälfte der Szene abwesend und zum Teil auch abgelenkt. Ihr Blick ist wenig involviert, triftet vom Buch ab und wandert im Raum umher (67 – 73). Sie spiegelt zwar die Äußerungen von 1, stellt aber keinen Blickkontakt mit dem Jungen her und ermahnt ihn nach einem aufgeregten Ausruf zur Ruhe (77: „1, bleib mal in der Ruhe!“). Auf diese Weise geht sie zum wiederholten Mal nicht auf das ein, was den Jungen gerade beschäftigt. Erst als sich die Kinder 3, 4 und 6 in die Interaktion einschalten, werden auch die Beiträge der Erzieherin wieder ausführlicher (ab 81). Sie intensiviert den Blickkontakt mit den Jungen, spiegelt deren Aussagen, gibt verständnisvolle Erklärungen (90: „Ja, aber die ist vielleicht auch schon ganz alt. Schildkröten können ganz ganz alt werden.“) und regt die Kinder gelegentlich mit Fragen zum Nachdenken an (83: „Was ist das denn hier?“). Obwohl es der pädagogischen Fachkraft gelingt, diesen Interaktionsstil beizubehalten, wirkt sie im weiteren Verlauf der Interaktion deutlich erschöpft und stützt ihren Kopf auf den Händen ab (ab 96). Vermutlich ist diese Erschöpfung der Grund dafür, auf die zweite Entdeckung von 6 (109: „Guck mal!“) und auf seine folgende Erklärung (114: „Ich weiß, was die Mama vom Reh machen. Die machen die sauber damit.“) nur sehr reduziert und ohne emotionale Beteiligung einzugehen (110: „Siehste.“, 115: „Mh.“). Bis zum Ende der Szene wechseln sich nun prompte und teils stimulierende Reaktionen, nüchterne Spiegelungen sowie reduzierte Formen des Eingehens auf die Kinder ab. Immer wieder wirkt die Erzieherin abwesend und unterbricht den Blickkontakt mit den Jungen. Schließlich schweift ihr Blick vollständig ab und sie bleibt 1 eine weitere Antwort schuldig (138).
8.1.5 Inwiefern und warum ändert sich der „Grad“ der Feinfühligkeit im Verlauf einzelner Interaktionen? Die Analyse der maximal-kontrastiven Szenen 1 und 2 hat nicht nur veranschaulicht, wie sich ein sensitiv-responsives bzw. ein wenig feinfühliges Verhalten im Einzelnen äußern, sondern auch, dass sich der Grad der pädagogischen Feinfühligkeit im Verlauf einer Interaktion durchaus verändern kann. Wie es zu
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diesen Veränderungen kommt und welches die Gründe dafür sind, soll anhand von beispielhaften Szenenausschnitten erläutert werden. Eine erste Ursache für ein sich änderndes Maß an pädagogischer „Sensitiver Responsivität“ sind intensive Interaktionen mit den Kindern selbst. Dies mag zunächst verwundern, stehen doch insbesondere intensive Gespräche zwischen Erzieherinnen und Kindern für ein hohes Maß an „Sensitiver Responsivität“ der Fachkräfte. Es kommt aber vor, dass Erzieherinnen gerade wegen solcher intensiven Interaktionen die Signale leiserer Kinder oder von Kindern, die nicht unmittelbar an der Interaktion beteiligt sind, gar nicht erst bemerken. In einem solchen Fall reagieren sie nicht auf das entsprechende Kind und gehen nicht auf das Kind ein, was wenig feinfühlig wirken kann. Ruft man sich Szene 1 in Erinnerung, ist dies der Erzieherin ebenfalls passiert. Wegen des Gesprächs mit den beiden Jungen über die „brennenden Flugzeuge“ hat sie zunächst nicht bemerkt, dass sich das Mädchen der Szene nähert und insgesamt viermal nachfragt, wo denn seine Mutter ist. Obwohl sie im übrigen Teil der Interaktion zumeist prompt auf die Kinder eingeht, reagiert die Erzieherin auf das Mädchen in diesem Fall deutlich verzögert. Auch die Fachkraft in Szene 2 geht aufgrund gleichzeitiger Signale der Jungen zuweilen mit deutlicher Verzögerung oder auch überhaupt nicht auf einzelne Kinder ein90. Ein weiterer Grund, weshalb die sonst eher hohe „Sensitive Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte geringer werden kann, sind Ablenkungen, die im Interaktionsablauf auftreten und die diesen deshalb stören. Auch hier ist Szene 2 ein anschauliches Beispiel dafür, dass eine Erzieherin nicht mehr auf die an einem Gespräch oder an einer Aktion beteiligten Kinder reagieren kann, weil eine Kollegin die Interaktion unterbricht und die Fachkraft in ein Gespräch verwickelt. Hat der Junge 1 in dieser Szene immer wieder versucht, die Aufmerksamkeit seiner Erzieherin zurückzugewinnen, halten sich die Kinder in Ausschnitt 8.3: Szene 23 während des Austauschs ihrer Erzieherin mit der hinzugekommenen zweiten Fachkraft ganz zurück (67 – 78). Das Mädchen A wartet mit ihrem Interaktionsbeitrag so lange (79), bis die sonst sehr aufmerksame und feinfühlige Erzieherin wieder zugänglich ist und dies auch mit dem Hochnehmen der Pappe und einem knappen „So.“ signalisiert (78). Zudem zeigt der Ausschnitt aus Szene 23, dass pädagogische Fachkräfte auch deshalb abgelenkt werden, weil sie immer wieder Dinge zu erledigen und zu organisieren haben. In diesem Fall ist die Fachkraft mit dem Basteln der Laternen beschäftigt – und dies zu Beginn des Szenenausschnitts so sehr, dass sie dem Mädchen zunächst weiterbastelnd und ohne aufzuschauen sehr automatisiert antwortet (61: „Mh.“). Erst 90
Vgl. Ausschnitt 8.1, S.185ff und Ausschnitt 8.2, S.192ff
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
nach einer kurzen Verzögerung schaut die Erzieherin A in die Augen und fragt nach, was es denn eigentlich möchte (61: „Wie so?“). Ausschnitt 8.3: Szene 23 – Angeleitetes Basteln; Sequenz 60 bis 80 Nr. Dialog 60 A: (schaut weiter auf ihre Laterne, dann Blick zur Erz) Und so? 61 Erz: (ohne aufzuschauen, bastelt) Mh. (Blick zu A) Wie, so? 62 A: (Blick zur Erz) So. (hält ihre Laterne leicht nach oben) 63 Erz: (deutet mit der Schere an die entsprechenden Stellen auf der Laterne, Blick auf Laterne) Hier unten, hier drückst du es grad fest. (zeigt auf eine andere Stelle) Und da drückst du dagegen, damit es zusammen, damit die Kraft besser ist. (kein Blickkontakt, Blick auf B´s Pappe, A schaut auf ihre Laterne) Gegen .. 64 B: (nicht im Bild) Oah. 65 Erz: (schaut sofort zu B, dann wieder auf die Pappe, kein Blickkontakt mit A) .. zum zusammen kleben. Mh. 66 A: (schaut zur Treppe, steckt ihr Gesicht in die Öffnung der Laterne) Huhu. Huhu. (Blick in die Kamera) 67 2. Erz: (kommt gerade in den Keller) 68 Erz: (Blick auf die Pappe) Oh. Jetzt bin ich schief gekommen hier. 69 2. Erz: Wo soll ich dir den Zettel hinlegen? 70 Erz: (kurzer Blick zur 2. Erz, bastelt) Ja, wieder da hin. – Hat´s geklappt? 71 2. Erz: Ja. Also. Wir haben jetzt noch drei, äh vier. 72 Erz: (ohne aufzuschauen, bastelt) Ah, ja. 73 2. Erz: Der X, der Y, und die Z waren da. 74 Erz: (ohne aufzuschauen, bastelt) Mh. 75 2. Erz: Und dann noch den K, der wollte nicht. 76 Erz: (ohne aufzuschauen, bastelt) Der wollte nicht.
Signale W+?, D+I, FI PR-, KE, VE, D+I, Fr offen Af, D+I PR+, E, D+I, D+V
D-Abg, D+I K PR+, KE, D-Abg D+I, D+V D-Abg, D+I, D+F
D-Abg, K
D-Abg
D-Abg D-Abg D-Abg
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Nr. Dialog 77 2. Erz: Und da weiß ich nicht, ob ich des Sinn macht, wenn ich des mach oder lieber die Bezugserzieherin. 78 Erz: (ohne Blickkontakt, bastelt) Lieber die D, genau. (nimmt die Pappe hoch, betrachtet sie) So. 79 A: (betrachtete ihre Laterne, fällt nun ins Wort, zur Erz, Blick zur Erz) Ich tu mal hier noch fest drücken. Ich tu noch mal hier festdrücken. 80 Erz: (wendet sich A zu) Gut. Zeig mal. Ich guck mal, wie´s aussieht. (nimmt die Laterne hoch und betrachtet sie, 2. Erz geht, Erz mit gehobener Stimme) Ja, des is´ schon gelungen! Guck!
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Signale
D-Abg D+I W+E/Z, D+I, K
VR, E, D+I, LKL D+I, D+F, LW
Nicht zuletzt werden einige Fachkräfte auch deshalb abgelenkt und können nicht feinfühlig auf die kindlichen Signale eingehen, weil sie alleine in der Gruppe sind und andere Kinder ebenfalls im Auge behalten müssen. Fortwährend lassen manche Erzieherinnen ihren Blick durch den Raum schweifen und übersehen aus diesem Grund die Signale einiger Kinder. Fordern in solchen Augenblicken mehrere Kinder gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Erzieherin ein, kann diese keinem gerecht werden. Dass sich der Grad der Feinfühligkeit pädagogischer Fachkräfte auch in Abhängigkeit davon verändert, mit welchem Kind sie sich gerade austauschen, zeigt Ausschnitt 8.4 aus Szene 17 exemplarisch für vier weitere Szenen. Begegnet die Erzieherin den an der Interaktion beteiligten Kinder sonst mit einem sehr sensitiv-responsiven Antwortverhalten, in dessen Rahmen sie prompt und mit Blickkontakt reagiert, konstant darauf achtet, dass die Kinder alles verstehen und immer wieder stimulierende Fragen stellt, geht sie auffällig häufig nicht auf die Signale des Mädchens V ein. Ist dieses Nicht-Eingehen im ersten Fall des Szenenausschnitts noch damit zu erklären, dass sich die pädagogische Fachkraft gerade im Gespräch mit M befindet (75 – 80), sind die Gründe, weshalb sie auf das zweite, sehr direkte Signal des Mädchens nicht reagiert, kaum ersichtlich. Die Erzieherin übergeht, dass V sie direkt anschaut und ihre Mitteilung wiederholt (81: „Aber der hat Meik mit E geschrieben.“). Stattdessen wendet sich die Fachkraft der Gruppe mit einer neuen Frage zu (82: „Welche Kinder muss ich noch aufschreiben?“). Erst als sich das Mädchen mit ihrer Erkenntnis an mich wendet (83), schaltet sich die Erzieherin ein und reagiert nun mit starker Verzögerung auf das Kind. Ausführlich erklärend, stimulierend fragend, die Antwort
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des Mädchens spiegelnd und mit beständigem Blickkontakt antwortet sie dem Kind wieder auf feinfühlige Weise (84, 86). Ausschnitt 8.4: Szene 17 – Spielkreis; Sequenz 75 bis 86 Nr.
75
76 77 78 79 80 81
82
83
84 85 86
Dialog Erz: (Blick zu A, dann auf die Zettel) Genau. Und das Kind soll dann das tun, was ein anderes Kind gesagt hat, das es tun soll. Also, M möchte seinen Namen noch selbst schreiben. (wartet ab, wie er schreibt, beobachtet ihn. Es ist ganz still) M: (schreibt) En A, en I. V: (sagt es leise vor sich hin) Meik wird mit EI geschrieben. Erz: (beobachtet M, zeigt auf einen Buchstaben) Kennst du den Buchstaben? M: (schüttelt den Kopf) Erz: (schaut runter auf den Zettel) Ein K. Maik. OK. V: (Blick zur Erz) Aber der hat Meik mit E geschrieben. Erz: (Blick in die Gruppe) Welche Kinder muss ich noch aufschreiben? (schaut in die Gruppe) Welche Kinder muss ich da noch drauf schreiben? V: (dreht sich zu mir) Meik wird mit EI geschrieben. Mit EI? Erz: (schreibt, Blick zu V) V, Maik wird mit AI geschrieben. Dieser Maik wird mit AI geschrieben. In der Elephantengruppe gibt’s noch einen Meik. Den Meik N. Wie wird der geschrieben? V: (Blick zur Erz) EI. Erz: (Blick zu V) Mit EI. Man kann des so oder so schreiben. Es gibt verschiedene Schreibweisen. (Blick auf die Zettel) S2 hab ich jetzt. Wer fehlt noch?
Signale PR+, E, AZ, D+I, D+V D+I D+I W+E/Z, D+I, K W+E/Z, D+I, S/E KR, KE bei V, D+I, St, Fr geschlossen AN, D+I PR-, E, D+I, D+V W+…, W+x, D+I, S/E KR, KE bei V, D+I, St, Fr offen
W+…, W+x, D+I, S/E SVR, E, D+I, D+V D+I, Fr offen, St AE, D+I PR+, E, D+I, SP, AZ, D+V D+I, Fr offen, St
Während sich der Grad der „Sensitiven Responsivität“ der Erzieherin in der vorherigen Szene abhängig von ihrem Interaktionspartner wandelt, zeigt die päda-
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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gogische Fachkraft in Ausschnitt 8.5 aus Szene 29 gegenüber allen an der Interaktion beteiligten Kinder ein konstant feinfühliges Verhalten. Insbesondere beim Jungen A, um den es in dieser Sequenz hauptsächlich geht, reagiert die Fachkraft mit fortwährendem Blickkontakt, zugewandter Körperhaltung, spiegelnden Antworten und ablenkenden Fragen, um den Jungen von der Traurigkeit über seine abwesende Mutter abzulenken. Dabei greift sie die Gefühle des Jungen zumeist auf eine sehr angemessene Weise auf. Allerdings ist am Ende der ca. fünfminütigen Szene zu bemerken, dass die Erzieherin leicht erschöpft zu sein scheint (75 – 86). Über den gesamten Zeitraum der Szene hat sie den Jungen getröstet und ist fortwährend auf sein Weinen und Schluchzen eingegangen. Obwohl sie dies auch am Schluss der Szene tut und dabei spiegelt, fragt und die Emotionen des Kindes berücksichtigt, ist ihr Körper dem Jungen weniger stark zugewandt als im vorherigen Szenenabschnitt (75, 77). Hinzu kommt, dass die Erzieherin die Hände auf den Tisch legt und beginnt, mit ihren Fingern auf den Tisch zu klopfen (75, 82). Zudem übergeht sie nun das lautere Weinen von A und reagiert auf B, der zeitgleich von einem Ausflug berichtet (80). Erst nachdem sie B´s Aussage gespiegelt und nachgefragt hat, wendet sich die Fachkraft wieder A zu, kommentiert sein Weinen jedoch zunächst nicht (80). Als A erneut etwas (für mich Unverständliches) sagt, antwortet die Erzieherin dem Jungen (82: „Die kommt wieder.“), behält ihr Klopfen auf den Tisch aber bei (82). Dies geschieht auch bei einer weiteren Antwort (86). Trotz prompter Reaktion, sanfter Stimme und des Eingehens auf den Jungen ist somit eine gewisse Inkongruenz im Antwortverhalten der Fachkraft festzustellen. Ausschnitt 8.5: Szene 29 – Trösten; Sequenz 74 bis 89 Nr. 74
75
76 77
Dialog A: (beobachtete die Erz und B, fängt jetzt wieder an zu weinen, sagt etwas Unverständliches) …Mama wieder… Erz: (Blick zu A, streichelt ihn mit der ausgestreckten Hand am Kopf, klopft mit der anderen leicht auf den Tisch) Die kommt wieder, die Mama, die kommt wieder. A: (zieht den Kopf weg, weint und schluchzt, schaut vor sich) Nein. Erz: (Blick zu A, legt die Hände auf den Tisch, Körper nicht mehr so stark zugewandt wie zuvor, sanfte Stimme) Doch.
Erzieherin W+…, D+I, D+E
PR+, E, D+I, AS D-Er
Af, D+I, D+E, D-sa PR+, E, D+I, D-Er, AS widersprechen
208
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr. Dialog 78 A: (weint lauter) B: (gleichzeitig mit A, Blick zur Erz) Wir haben nur 79 einen Ausflug gemacht. Erz: (wendet sich B zu, Blick zu B) Ihr habt nur einen Ausflug gemacht. Mit einem Flieger? Ehrlich? 80 (dreht den Kopf zu A) 81 82 83 84 85 86 87 88
89
A:(weint, sagt etw. Unverständliches, schaut vor sich) Erz: (mit geneigtem Kopf und Blick zu A, klopft leicht mit der Hand auf den Tisch) Die kommt wieder. A: (weint und schreit) Nein! Erz: (mit geneigtem Kopf zu Am, Blick zu A) Pass mal auf. A: (weint und schreit) Erz: (Blick zu A, sagt etwas Unverständliches, klopft leicht mit der Hand auf den Tisch) A: (weint, schreit, schluchzt, sagt etwas Unverständliches) Erz: (neigt Kopf näher zu A, Blick zu A, Stimme sanft) Sollen wir doch noch mal nach dem Bilderbuch gucken? A: (sein Blick geht zur Kamera, vor der ein weiteres Kind Spaß macht. Er ist von der Kamera abgelenkt und hört auf zu weinen)
Erzieherin AN, D+I, D+E W+E/Z, W+…, D+I, L D-sa bei A, PR+, E, D+I, SP, D+I, Fr rhetorisch, VR, KE, D+I W+…, D+I, D+E PR+, E, D+I, AS, D-Er Af, D+I, D+E PR+, E, D+I, AS AN, D+I, D+E PR+, E, D+I, D-Er Af, D+I, D+E PR+, E, D+I, Fr rhetorisch, ablenken, AS D+I
Abschließend sei darauf verwiesen, dass sich der Grad der pädagogischen Feinfühligkeit in insgesamt 22 Szenen änderte. In drei Szenen war die hohe „Sensitive Responsivität“ der Erzieherinnen konstant, fünf Szenen zeigten ein fortwährend geringeres Maß an Feinfühligkeit im pädagogischen Antwortverhalten.
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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8.1.6 Lassen bestimmte pädagogische Situationen ein feinfühliges pädagogisches Verhalten eher zu als andere? Die zuvor dargelegten Ergebnisse belegen, dass sich die „Sensitive Responsivität“ der Erzieherinnen unabhängig von bestimmten pädagogischen Situationen entwickelt. Fachkräfte können sich in jeder Alltagssituation sowohl sehr feinfühlig als auch kaum sensitiv-responsiv verhalten. Außerdem zeigt sich, dass sich der Grad der Feinfühligkeit im Verlauf einer einzelnen Interaktion verändern kann. Klammert man den persönlichen Beitrag der Erzieherin bei der Gestaltung ihres Antwortverhaltens aus und betrachtet lediglich situationale Begebenheiten, kann festgestellt werden, dass vor allem die Rahmenbedingungen einer jeden Interaktion wie hohe Geräuschkulissen und Ablenkungen das Ausmaß der pädagogischen Feinfühligkeit beeinflussen. Der Grad an „Sensitiver Responsivität“ gestaltet sich demnach nicht in Abhängigkeit einer bestimmten Kategorie von Alltagssituationen, sondern in jeder einzelnen Interaktion selbst.
8.2 Erkenntnisinteressen III Um den Erkenntnisinteressen des dritten Blocks91 nachzugehen, werden zunächst die Reaktionen der Kinder auf die Feinfühligkeit von Erzieherinnen und auf den Mangel „Sensitiver Responsivität“ untersucht. Zudem wird den Fragen nachgegangen, wann Kinder bei nicht sensitiv-responsiven pädagogischen Reaktionen standhalten und wann sie sich abwenden. Weitere Bestandteile der Analyse sind die Wechselwirkungen zwischen kindlichem und pädagogischem Interaktionsverhalten sowie die „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen. Abschließend sollen mögliche Zusammenhänge zwischen der pädagogischen „Sensitiver Responsivität“ und der Qualität kindlicher Interaktionsbeiträge herausgerabeitet werden.
8.2.1 Reaktionen der Kinder auf die Feinfühligkeit von Erzieherinnen und auf den Mangel „Sensitiver Responsivität“ Wurde bereits dargestellt, welchen Beitrag die Kinder selbst zur Interaktion leisten und welche Signale sie aussenden, kann an dieser Stelle bereits auf die zweite Frage des dritten Blocks an Erkenntnisinteressen eingegangen werden.
91
Vgl. Kapitel 5.1 Erkenntnisinteressen, S.87ff
210
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Es wird untersucht, welche kindlichen Signale auf sensitiv-responsive Reaktionen der Fachkräfte folgen. Schaut man sich die komprimiert dargestellten kindlichen Signale aus den Szenen 7 und 29 an, erkennt man, dass Kinder auf das sehr feinfühlige Antwortverhalten ihrer Erzieherinnen mit einem durchweg hohen und konstanten Interesse während des Interaktionsverlaufs reagieren. Außerdem scheint ein sensitiv-responsives pädagogisches Verhalten das Zulassen und Äußern von Gefühlen zu begünstigen. Sowohl in Szene 7 als auch in Szene 29 tun die Kinder ihre Freude, ihren Stolz und ihre Traurigkeit kund. In Szene 29 geschieht Letzteres auf sehr intensive Weise. Deutlich wird anhand der Ausschnitte der komprimierten Darstellungen jedoch auch, dass Kinder unterschiedlich viele Interaktionsbeiträge leisten. Manche Kinder sagen im Vergleich sehr viel mehr als andere Mädchen und Jungen. So äußern sich J in Szene 7 und A in Szene 29 nahezu durchgängig von Anfang bis Ende der Interaktion, während die Kinder A, 1. Kind und M in Szene 7 sowie B und C in Szene 29 lediglich vereinzelte Signale in die Interaktion einbringen. Bei M und C handelt es sich dabei um im Grunde einmalige Beiträge, d.h., dass sie sich nicht wie die anderen Kinder an mehreren Stellen der Szene zu Wort melden. Darstellung 8.10: Kindliche Signale der Szenen 7 und 29 Szene 7 – Vorbereitung J: W+E/Z, D+I, B Af, D+I D+I A: W+NA, D+I, D+F, D+Z, Z D+I W+E/Z, D+I, Z, K A-, D+I AN, D+I, D+F, W+…, D+I, D+F, K W+?, D+I, D+F, L AL, D+I A-, D+I, D+Z W+…, D+I, D+Z, L A-, D+I AE, D+I AE, D+I Af, W+…, D+I Af, D+I, D+Z, D+F A-, D+I, D+Z, D+F J: A-, D-Abg Af/AL, D+I, D+Z, D+F AN, D+I, D+Z, D+F
Szene 29 – Trösten A: W+E/Z, D+I, D+E, L Af, D+I, D+E AN, D+I, D+E B: W+E/Z, D+I, L Af, D+I, D+E W+…, D+I, L D+I, D+E W+…, D+I, D+E, L AB, D+I, D+E AB, D+I, D+E AN, D+I, D+E Af, D+I, D+E W+…, D+I, D+E, L W+…, D+I, D+E, L W+…, D+I, D+E Af, D+I, D+E AN, D+I, D+E Af, D+I, D+E Af, D+I, D+E Af, D+I, D+E W+…, D+I, D+E, L Af, D+I, D+E D+I
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen Szene 7 – Vorbereitung A: W+NA, D+I, Z W+K, D+I 1.Ki: W+K, D+I W+K, D+I W+E/Z, D+I, Z D+I AN, D+I D+I W+E/Z, D+I, L W+K, D+I W+E/Z, D+I, B D+I W+…, D+I, S/E W+K, D+I M: A-, D+I W+E/Z, D+I, B W+E/Z, D+I, B W+?, D+I, FI
211 Szene 29 – Trösten
W+…, D+I, D+E, L AN, D+I, D+E Af, D-sa, D+E AN, D+I AE, D+I AN, W+…, D+E, L W+E/Z, D+I, K W+…, D+I, K D+I W+…, D+I, S/E W+…, D+I, D+E C: W+E/Z, D+I, L AN, D+I A-, D+I AL, D+I Af, D+I Af, D-Abg, D+I
Einen weiteren Beleg dafür, dass ein feinfühliges Antwortverhalten das Äußern kindlicher Emotionen begünstigt, liefert die Überprüfung der Szenen hinsichtlich des Zusammenspiels positiver Codierungen. Untersucht wurde, ob pädagogische Fachkräfte die von den Kindern geäußerten Gefühle aufgreifen und ob die Kinder daraufhin erneut ihre Emotionen zeigen. Solche Zusammenhänge konnten in insgesamt 15 Szenen gefunden werden, wobei vier dieser Szenen denjenigen Szenen angehören, in denen die Fachkräfte im Gegensatz zur dazugehörigen maximal-kontrastiven Szene weniger sensitiv-responsiv auf die Kinder reagieren (Szenen 16, 18, 26, 30). Interpretiert man diesen Befund, heißt das, dass es in Szenen mit mehrheitlich hoher Feinfühligkeit häufiger ein Zusammenspiel positiver Codierungen gibt, dass es aber auch in Szenen mit einer niedrigeren pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ nicht ausgeschlossen ist, dass Fachkräfte und Kinder Gefühle teilen. Mithilfe von Ausschnitten aus den Szenen 5 und 3 soll nun gezeigt werden, wie sich das Teilen von Emotionen zwischen Erzieherinnen und Kindern gestaltet.
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Ausschnitt 8.6: Szene 5 – Kneten; Sequenz 4 bis 15 Nr. 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Dialog M: Hoch soll er leben, drei mal hoch! (hebt die Arme) Erz: (Blick zu M) Hoch soll er leben? Geburtstagskuchen! (Stimme hebt sich) M: Ja! Erz: (singt) Hoch soll er leben, hoch soll er leben, drei mal hoch, hoch, hoch! (Kinder stimmen mit ein)
Signale W+…, W+x, D+I, D+F, L, K PR+, E, SP, D+I, D+F, St A-, D+I, D+F PR+, E, D+I, D+F, St; D+I, D+F M: (Blick zur Erz, dann zum Kuchen) „Hoch!“ D+I, D+F 2 Ki: Mit dem Kuchen. W+E/Z, D+I, K Erz: (Blickkontakt zu 2 Ki, lächelt, nickt) Ja. (zu 2. PR+, E, AZ, D+I, Erz) Hat er selber angefangen: Hoch soll er leben. D+F, LWErz, Hast´es gehört? (lächelt zu M) LKL T: Schau, Erz! W+E/Z, D+I, Z Erz: (Blick zu T, lächelt) PR+, E, D+I, LKL M: Schau, ein Kuchen! W+E/Z, D+I, D+F, Z Erz: (Blick zu M) Der ist schön, Geburtstagskuchen! PR+, E, D+I, (beugt sich vor) Wer hat denn Geburtstag, M? D+F, LW; D+I, St, Fr offen M: Ehhm, Th. (Blick zur Erz) Af, D+I
Die Erzieherin in Szene 5 sitzt mit sieben Kindern am Tisch, die kneten. Besonders der zweijährige Junge M, der neben ihr sitzt, ist mit Freude „bei der Sache“. Fröhlich hebt er beide Arme und ruft „Hoch soll er leben! Dreimal hoch!“ (4). Daraufhin reagiert die Erzieherin prompt, schaut zu dem Jungen, spiegelt dessen Aussage und fügt mit erhobener Stimme und stimulierend hinzu: „Geburtstagskuchen!“ (5). Die anschließende fröhliche Zustimmung des Kindes erwidert sie singend (7: „Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch, hoch, hoch!“). Auf diese Weise greift sie die Freude des Jungen so anregend auf, dass dieser das „Hoch!“ ebenfalls freudig wiederholt (8) und auch im weiteren Verlauf der Interaktion mit Stolz erneut auf den Geburtstagskuchen zu sprechen kommt (13).
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Ausschnitt 8.7: Szene 3 – Vorlesen; Sequenz 60 bis 70 Nr. 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69
70
Dialog Erz: Ich würde auch nicht mitgehen. (schüttelt unterstreichend den Kopf, kritischer Blick, Blickkontakt mit Kindern) Ki: Ich auch nicht. (im Chor) Erz: L2, warum würdest du nicht mitgehen? (zu ihr hingebeugt, Blickkontakt) Was könnte denn dann passieren? L2: Das ich verhunger. (kaum zu verstehen, sehr leise) Erz: (Blickkontakt mit L2) Du verhungerst und verdurstest. L1. (meldet sich) Erz: (Blick zu L1) Was wäre deine Sorge? L1?
Signale PR+, E, D+I, D+V, SP, AS W+E/Z, L D+I, D+V, AS, Fr offen AL, D+I, D+E
PR+, E, D+I, D+V, SP, AS W+NA, D+I PR+, E, D+I, AS, Fr offen L1: Das der mich… Das der böse ist. Und dann stirbt AL, D+I, D+E man. Erz: Das der böse ist, mh. (Blickkontakt mit L1) PR+, E, D+I, D+V, SP, AS L1: Nee. Wenn man nix zu essen und zu trinken hat. W+…, D+I, D+E, L Erz: Ach so. Du hast auch Sorge, dass du verdurstest PR+, E, D+I, und verhungerst. (abstimmendes Nicken mit L1; D+V, SP, AS; Zwischenruf eines Kindes: Aber bei der Pizzeria. nicht zu sehen, Reaktion auch nicht) KR, KE
In Szene 3 liest die Erzieherin den Kindern das Märchen von Aladin und der Wunderlampe vor und initiiert ein Gespräch über die Sorgen und Ängste der Kinder. Dabei achtet sie darauf, Blickkontakt mit den Kindern herzustellen und diesen zu halten. Außerdem beugt sie sich zu den Kindern hin und ist ihnen dadurch körperlich näher. Behutsam kann die pädagogische Fachkraft nun die Gefühle der Kinder ansprechen (62: „L2, warum würdest du nicht mitgehen? Was könnte denn dann passieren?“). In ruhigem Tonfall und den Blickkontakt mit L2 haltend spiegelt die Erzieherin deren leise Antwort und somit die Gefühle, die das Mädchen auf verbalem und nonverbalem Weg zum Ausdruck bringt (64: „Du verhungerst und verdurstest.“). Anschließend richtet sie ihren Blick auf ein weiteres Kind, das sich meldet, und spricht dessen Sorge direkt an (66: „Was
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wäre deine Sorge, L?“). Auch das Signal dieses Kindes spiegelt die Fachkraft mit anhaltendem Blickkontakt und nimmt somit dessen Gefühle sehr ernst (68: „Dass der böse ist, mh.“). Zudem achtet sie darauf, dass sie L auch richtig versteht, spiegelt ihre berichtigende Äußerung (70: „Ach so. Du hast auch Sorge, dass du verdurstest und verhungerst.“) und stimmt sich zusätzlich mit Blicken und einem Nicken ab. Die Kinder werden durch das feinfühlige Verhalten der Erzieherin dazu angeregt, Gedanken zu entwickeln, die über das Märchen hinausgehen und die eigene Lebenswelt betreffen sowie offen über ihre Emotionen zu sprechen. Auch der Junge B in Szene 15 berichtet von Erlebnissen, die seiner eigenen Lebenswelt entspringen. Obwohl die Gefühle des Kindes nicht in gleicher Form im Mittelpunkt stehen wie in den zuvor herangezogenen Szenenausschnitten, sind die Schilderungen des Jungen ebenfalls von Emotionen – insbesondere des Stolzes – geleitet. Dass sich die aus mehreren zusammenhängenden Beiträgen bestehende Erzählung des Kindes im Wechsel mit einem sensitiv-responsiven pädagogischen Verhalten vollzieht, zeigt der nächste Szenenausschnitt. Ausschnitt 8.8: Szene 15 – Erzählkreis; Sequenz 25 bis 45 Nr. Dialog 25 B: (nicht im Bild) Ich will noch was sagen. 26 Erz: (Blick zu B) Ja. B: (Blick in die Gruppe) Bin von gestern von F bis zu Oma und Opa von F. Auf der Brücke ham wir 27 ne Pause gemacht. Und dann sind wir den ganzen Weg zu Oma und Opa nach R gefahren mim Fahrrad. Erz: (hörte aufmerksam zu, Blick zu B, anerkennende Stimme u Kopfbewegung) Boah. 28 Und du bist alleine mit dem Fahrrad gefahren? Oder bist du, hast du hinten bei der Mama drauf gesessen? B: (Blick in die Gruppe) Eh, ne. Mama sein 29 Fahrrad ist ein bisschen kaputt. Aber der E ist mitgefahren Fahrrad. Erz: (Blick zu B) Moment. Wie bist denn du 30 (betont) gefahren, mit welchem Fahrrad? B: (Blick in die Gruppe) Ich bin mit meinem 31 Fahrrad gefahren. Des ist mit Stützrädern und so
Signale W+E/Z, D+I PR+, E, D+I W+…, D+I, D+Z, L
PR+, E, D+I, LKL; D+I, Fr geschlossen AE, AL, D+I
PR+, E, D+I, Fr geschlossen AE, AL, D+I
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Nr. 32 33 34 35
36
37 38 39 40 41 42 43 44
45
Dialog ´ner Bob der Baumeister Fahne. 4. Ki: (nicht im Bild) Ja, des kenn ich! Erz: (hebt ahnend des Kopf, Blick zu B) Und da bist du mit Stützräder-Fahrrad den ganzen Weg nach R gefahren? B: (Blick in die Gruppe) Ja. Erz: (Blick zu B) Boah. Das ist ganz schön weit. (betont) B: (Blick in die Gruppe) Und da hat E hat beim Papa hinten drin im Sitz gesessen, weil der Papa hat ein ganz tolles cooles Fahrrad. Weil der Papa (unverständlich) Und der E hat hinten gesessen. Und dann hat er dauernd am Papa sein Popo rumgefummelt. (lacht, schaut zur Erz) Erz: (nickte während B´s Schilderungen, hörte aufmerksam zu, lacht jetzt, Blick zu B) Ehrlich? 5. Ki: (nicht im Bild) Hab ich auch als Baby gemacht. Erz: (kurzer Blick zu 5. Ki, nickt u lächelt, dann zu B) Hast du einen Ausflug mim Papa und mim E gemacht? B: (Blick in die Gruppe) Ja. Erz: (Blick zu B) Ja toll! B: (Blick in die Gruppe) Und dann sind wir zu Oma und Opa gefahren… Erz: (Blick in die andere Ecke) Pscht. (nimmt Finger an den Mund, Blick zu B) B: … den ganzen Weg nach R.
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Signale W+K, D+I PR+, E, D+I, Fr geschlossen A-, D+I, D+Z PR+, E, D+I, LW W+…, D+I, D+Z, D+F, L;
W+NA PR+, E, D+I, D+F, AS, D+I, Fr rhetorisch W+E/Z, D+I, L PR+, E, D+I, Fr geschlossen, D+I A-, D+I, D+F PR+, E, D+I, LKL W+…, D+I, D+Z, L D-Abg, FhR, VR
W+…, D+I, D+Z, L Erz: (kurzer Blick zu A) Super, B! (Blick zu A) PR+, E, D+I, LW, So. A. (schaut länger zu ihm) Steck des noch rein D-sa, D-Abg; und dann lässt´es liegen. Weil des Gekruschpel, da FhR, D+I, D+V; kann man nicht so gut zuhören. (A steckt das Gehorcht Papier in die Schachtel) So, das nehmen wir D+I, D+V, org nachher mit runter, gell.
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Die Erzieherin zeigt sich im gesamten Verlauf der Interaktion mit B zugänglich, aufmerksam und sehr interessiert. Zu Beginn der Szene signalisiert sie dem Jungen ihre Aufmerksamkeit, indem sie den Blickkontakt mit ihm aufnimmt und prompt auf seinen Wunsch, noch etwas sagen zu wollen, eingeht (26: „Ja.“). Der Junge berichtet daraufhin detailliert vom Fahrradausflug zu seinen Großeltern (27: „...Und dann sind wir den ganzen Weg zu Oma und Opa nach R. gefahren, mim Fahrrad.“). Die Fachkraft, die den Schilderungen des Kindes aufmerksam zugehört und den Blickkontakt gehalten hat, reagiert auch hier prompt. Mit anerkennender Kopfbewegung und Stimme geht sie ausführlich und lobend auf B ein (28: „Boah! Und du bist alleine mit dem Fahrrad gefahren? Oder bist du, hast du hinten bei der Mama draufgesessen?“). Mit ihrer interessierten Nachfrage hält sie den Interaktionsfluss aufrecht und sorgt dafür, dass sie B besser versteht. B beantwortet die Fragen der Fachkraft und gibt weitere Informationen. Er erzählt, dass das Rad seiner Mutter derzeit defekt ist und dass sein jüngerer Bruder mitgefahren ist (29). Die Nachfrage der Erzieherin (30: „Wie bist denn du gefahren?“) beantwortet er umfassend und in vollständigen Sätzen (31: „Ich bin mit meinem Fahrrad gefahren. Das ist mit Stützrädern und so ’ner „Bob der Baumeister“-Fahne.“). Nachdem sie B hat ausreden lassen, drückt die Erzieherin ihre Freude über die Leistung des Kindes erneut mit anerkennender Stimme, Mimik und Gestik aus. Mit fortwährendem Blickkontakt lobt sie den Jungen ausdrücklich (35: „Boah! Das ist ganz schön weit“). B nimmt diese Wertschätzung zum Anlass, das „tolle, coole“ Fahrrad seines Vaters zu erwähnen und seine Erzählung fortzusetzen. Dabei tauscht er ein fröhliches und stolzes Lachen mit seiner Erzieherin (36). Mit geteilter Freude, Begeisterung und Aufmerksamkeit halten die beiden das Gespräch aufrecht (37 – 45), bis es aufgrund einer Ablenkung beendet wird. Das aufmerksame, interessierte, engagierte und damit sehr feinfühlige Antwortverhalten der Erzieherin hat B jedoch genügend Raum gegeben, das Interaktionstempo selbst zu bestimmen und sich umfassend zu einem für ihn bedeutsamen Thema zu äußern. Darstellung 8.11: Kindliche Signale der Szene 15 – Erzählkreis B: W+E/Z, D+I W+…, D+I, D+Z, L AE, AL, D+I AE, AL, D+I 4. Ki: W+K, D+I A-, D+I, D+Z W+…, D+I, D+Z, D+F, L W+NA 5.Ki:W+E/Z, D+I, L A-, D+I, D+F W+…, D+I, D+Z, L
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Hat sich B in Szene 15 fortlaufend mitgeteilt, so dass seine Interaktionsbeiträge in der Darstellung 8.11 als zusammenhängender Block erscheinen, gibt es natürlich auch Kinder, die sich im Interaktionsverlauf nur sporadisch zu Wort melden. Bei der Durchsicht der komprimierten Darstellungen des kindlichen Interaktionsverhaltens konnte ich insgesamt drei Szenen (11, 27, 28) ausmachen, in denen von Seiten der Kinder mehrheitlich nur kurze „Interaktionsspots“ vorliegen. Ausschnitte aus den komprimierten Darstellungen der Szenen 11 und 27 sollen an dieser Stelle gemeinsam mit den dazugehörigen Transkriptionsausschnitten aufgeführt werden. Darstellung 8.12: Kindliche Signale der Szene 11 – Erzieherin hat Zeit A: W+K, D+I, D+F, B B: W+K, D+I, D+F, B W+E/Z, D+I, S/E W+E/Z, D+I, D+F, K Af, D+I 1.Ki: W+K, D+I, L W+E/Z, D+I, L 2.Ki: W+E/Z, D+I, B W+E/Z, D+I, B 3.Ki:W+E/Z, D+I, Z, K
Ausschnitt 8.9: Szene 11 – Erzieherin hat Zeit; Sequenz 1 bis 18 Nr. 1
2 3 4 5 6
Dialog Erz: Oh Gott, oh Gott, die hängt ja bis zum Boden runter. (kurzer Blick zu A, dann auf Seil in ihrer Hand) A: (schaut zur Erz) Ne. Die will ich. Nach der H will ich. (klettert mit dem Faden in der Hand über die Beine der Erz) B: (aus anderer Ecke) Eheh. Nach der H bin ich. Erz: (zu A, nimmt den Faden) Gut. Dann musst du da rüber gehen. (zeigt dorthin) Des Sofa ist gar nicht so lang. (fängt an zu zwirbeln) ?: Des Sofa ist gar nicht so lang. A: (zwirbelt, zeigt auf eine Seite, Blick zur Erz) Ich dreh nach diese, ich dreh nach diese.
Signale D+I, D+F
W+K, D+I, D+F, B W+K, D+I, D+F, B PR+, E, D+I, D+V W+E/Z, D+I, S/E W+E/Z, D+I, D+F, K
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Nr. 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog Signale Erz: (Blick zu A) Wart mal, des Seil ist ein bisschen PR+, E, D+I, kurz hier. – Dahin? (zeigt mit dem Finger, Blick zu A) D+V, Fr geschlossen A: (zeigt in die Richtung, Blick zur Erz, nickt) Ja, ich Af, D+I dreh dahin. Erz: (dreht mit A, Blick geht kurz hoch zu den D+I, D-Abg anderen Kindern im Raum) 1. Ki: Die E hat überhaupt keine Haarspange. W+K, D+I, L Erz: (zu L, die gerade neben A steht) Gell, nicht zu D+I, D+V eng drum wickeln. 1. Ki: Die L hat auch ne Haarspange. W+E/Z, D+I, L Erz: (lang gezogen) Jaa. (Blick zu den Mädchen) PR+, E, D+I 2. Ki: (kommt mit Faden, schaut zur Erz) Ich will W+E/Z, D+I, B auch. Ich auch. 1. Ki: (zeigt auf ihre Haare, Blick zur Erz) Erz, ich W+E/Z, D+I, B auch. Erz: (zu 1. Ki) Ja, ihr könnt euch Wolle abschneiden. PR+, E, D+I, Dann machen wir welche zusammen. (Blick auf D+V Faden) 3. Ki: (zur Erz) Guck mal, ich brauch längere Haare. W+E/Z, D+I, Z, Erz, ich brauch längere Haare. K Erz: (Blick zu 3. Ki, lächelt) PR+, E, D+I
Darstellung 8.13: Kindliche Signale der Szene 27 – Konflikte Ki: W+E/Z, D+I, Z, RE W: W+NA, D+I, Z, D-sa V: W+NA, D+I, Z, D-sa D: W+E/Z, D+I, RE V: A-, D+I W+E/Z, D+I, D+A, D+E RE, L V: D+I, D+E
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Ausschnitt 8.10: Szene 27 – Konflikte; Sequenz 1 bis 8 Nr. 1 2 3 4 5 6
7
8
Dialog Erz: (steht im Turnraum, Blick zu den Beteiligten, verschränkte Arme) Zeigt e mal. Ki: (kommen näher, bringen etwas, jemand unbestimmtes) Der hier. Erz: (Blick auf die Kinder, verschränkte Arme) Ach der D. W und V: (halten einen Gummiklotz, W schaut in andere Ecke, V zur Erz) D: (kommt auf Knien an und zeigt auf den Klotz, Blick von unten zur Erz) Eheh! … V: (Blick auf D, dann zur Erz, nahezu gleichzeitig) Ja. D: (Blick in andere Richtung, dann zur Erz) Die die … (steht auf und zeigt auf die andere Stelle, empört) Die ham uns, die ham uns so ein Teil geklaut! (Blick zur Erz, steht mit ausgestrecktem Arm für einige Sekunden da, dreht sich zu einem 3. Mädchen, irgendjemand sagt: Die V.) V: (Blick auf D, dann zu 3. Mädchen, dann zur Erz, große Augen, geöffneter Mund)
Signale D+I W+E/Z, D+I, Z, RE PR+, E, D+I W+NA, D+I, Z, D-sa W+E/Z, D+I, RE A-, D+I W+E/Z, D+I, D+A, D+E, RE, L
D+I, D+E
In den Szenen 11 und 27 interagiert dieselbe Erzieherin in unterschiedlichen Situationen mit verschiedenen Kindern. Hat sie in Szene 11 Zeit, mit den Kindern „Haarteile“ aus Wolle zu fädeln (Kategorie „Erzieherin hat Zeit“), wird sie in Szene 27 wegen eines Konflikts zur Hilfe gerufen (Kategorie „Konflikte“). Die Kinder in Szene 11 sind hauptsächlich damit beschäftigt, das Fädeln zu organisieren. Es geht darum, untereinander auszuhandeln, wer wann an die Reihe kommt, sich zu Wort zu melden, wenn man mitmachen möchte, Beiträge einzubringen, die mit dem Thema zu tun haben und das Fädeln mit der Erzieherin abzustimmen. In dieser Szene fordern mehrere Kinder nahezu gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit und Unterstützung ein. Die Kinder machen entweder isolierte Beiträge wie B (3: „Eheh. Nach der H bin ich.“) und 2.Ki (14: „Ich will auch. Ich auch.“), oder aber sie bringen sich wie A (2, 6, 8) und 1.Ki (10, 12, 15) immer wieder in die Interaktion ein. In Szene 27 zeigt sich ein ähnliches Bild. Eine kleine Kindergruppe leistet anfänglich gemeinsam einen einzelnen einleitenden Interaktionsbeitrag (2: „Der
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
hier.“). Auch W sendet lediglich ein isoliertes nonverbales Signal in dieser Szene, indem er in eine andere Ecke des Zimmers schaut (4). Während sich D mehrfach zu Wort meldet (5, 7), antwortet V nur knapp (6) und sendet in der Folge ein nonverbales Signal (8). Berücksichtigt man nun das pädagogische Antwortverhalten, das in beiden Szenen zumeist als sensitiv-responsiv einzustufen ist, lässt dies den Schluss zu, dass auch knappe Interaktionsbeiträge der Kinder nicht (zwangsläufig) in einer mangelnden „Sensitiven Responsivität“ der pädagogischen Fachkräfte begründet sein müssen, sondern durchaus auch mit dem thematischen Gehalt der Situation zusammenhängen können.
8.2.2 Zwischenfazit
Rückblickend auf die bislang vorgestellten Szenenauschnitte kann festgehalten werden, dass sich Kinder immer, wenn es ihnen wichtig ist, mit Dingen an ihre Erzieherinnen wenden. Dabei leisten sie entweder sehr knappe oder auch wiederholte und zusammenhängende Gesprächsbeiträge. Letztere sind insbesondere dann zu verzeichnen, wenn Kinder stark emotional beteiligt sind oder mit ihren Signalen einen Bezug zu ihrer konkreten Lebenswelt herstellen möchten. Vorweggreifend kann man bereits jetzt konstatieren, dass sich die Kinder hierbei an jede pädagogische Fachkraft richten, ganz unabhängig davon, ob sie besonders feinfühlig oder auch mit weniger „Sensitiver Responsivität“ auf die Kinder eingeht. Dies zeigen alle 30 ausgewählten Szenen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Kindergartenkinder fortlaufende Interaktionsbeiträge liefern, wenn ihre Erzieherin ein überwiegend feinfühliges Antwortverhalten aufweist, aufmerksam ist, immer wieder den Kontakt mit den Kindern aufnimmt und interessiert nachfragt. In den Szenen 1, 3, 5, 7, 9, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25 und 29 findet man (deshalb) Signale einiger Kinder im Block. Dass dies jedoch nicht ausschließlich durch die sensitiv-responsive Reaktion der Fachkraft bedingt ist, wurde schon an mehreren Stellen der Studie erwähnt. Bevor jedoch weiter auf die Gründe für sich ausweitende oder abbrechende kindliche Interaktionsbeiträge eingangen wird, sollen zunächst noch die Reaktionen der Kinder auf ein nicht feinfühliges Antwortverhalten der Fachkräfte überprüft werden.
8.2.3 Reaktionen der Kinder auf den Mangel „Sensitiver Responsivität“ Untersucht man die Szenen, in denen pädagogische Fachkräfte passagenweise wenig feinfühlig auf Kinder reagieren, hinsichtlich eines Zusammenspiels negativer Codierungen, stellt man fest, dass das Interesse der Kinder in den von sich
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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aus gesendeten Signalen immer vorhanden ist. Gelegentlich wird dieses Interesse bei wenig sensitiv-responsiven Reaktionen der Fachkräfte unterbrochen, es kehrt jedoch zumeist zurück. Komprimierte Darstellungen der kindlichen Signale aus den Szenen 8 und 22 sollen diesen Sachverhalt beispielhaft zeigen. Die Codierung für Interesse ist D+I, die für schwindendes Interesse D-sa (sich abwenden), D-Abg (abgelenkt sein) und D-Abw (abwesend wirken). Die Ausschnitte zeigen zudem, dass Kinder in „weniger feinfühligen“ Interaktionen unterschiedlich viele Interaktionsbeiträge leisten. Darstellung 8.14: Kindliche Signale der Szenen 8 und 22 Szene 8 – Vorbereitung A: AN, D+I, D-sa J: W+?, D+I, FI W+?, W+x, D+I, FI W+?, W+x, W+NA, D+I, FI AN, D+I W+K, D+I M: W+K, D+I W+E/Z, D+I, B A?, D+I W+?, D+I, K W+NA, W+E/Z, D+I Af, D+I W+…, D+I, K W+E/Z, D+I, K W+…, D+I, S/E A-, D+I W+E/Z, D+I, K D-Abg D-Abg D-Abg AN, D+I W+?, D+I, B W+x, D+I, K W+?, D+I, FI W+…, D+I, K A-, D+I W+?, D+I, FI W+K, D+I W+E/Z, D+I, K D+I K: W+?, D+I, B W+…, D+I, D+F W+?, D+I, FO D+I, D-Abg
Szene 22 – Gespräche beim Malen A: AAW+E/Z, L W+…, D+I, L Af, D+I, D+Z A-, W+…, D+I, L, S/E W+…, D+I, L D-E W+…, D+I, L B: AE, D+I Af W+E/Z, D+I, S/E D-sa AN, D+I AE, D+I AN, D+I A-, D-sa D-sa AL, D+I AL, W+?, D+I W+…, D+I, D+E, L A-, D-sa W+?, D+I, FI A-, D+I AL, D+I D-Abw A-, D-Abw W+E/Z, S/E (geht auf Erz ein) W+?, spiegelt, D+I? W+…, D+I, S/E, W+?, D+I, FI
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Szenen, in denen pädagogische Fachkräfte die Interaktionen bestimmen und durch Anweisungen oder vorgegebene Lösungen lenken, verdeutlichen, dass sich auch diese Form eines pädagogischen Interaktionsverhaltens deutlich auf die Kinder auswirkt. Exemplarisch für insgesamt sieben Szenen (14, 16, 18, 24, 27, 28, 30) wird nun mithilfe von Transkriptionsausschnitten aus den Szenen 14 und 28 aufgezeigt, dass sich die verbalen Beiträge der Kinder in solchen Momenten verkürzen, dass sie ausbleiben und die Kinder die Vorgaben der Erzieherinnen befolgen. Ausschnitt 8.11: Szene 14 – Essen; Sequenz 20 bis 27 Nr. 20 21 22 23 24 25 26 27
Dialog Erz: (beugt sich leicht vor zu C) Kann ich bitte mal die Butter haben, C? C: (gibt sie ihr) Mh. A: (schaut zur Nutella) Ich möchte die Nutella. Erz: (neigt sich seitlich zu A, kein Blickkontakt) Dann frag mal die C. A: (schaut zu C, zeigt auf Nutella, Blick zur Erz) Kann ich die Nutella? Erz: (noch immer zu A geneigt) haben. (intensiver Blickkontakt mit A, lächelt) A: Haben. (A u Erz schauen zu C) C: (reicht die Nutella)
Signale KR, KE, Fr geschlossen org A-, gehorcht W+E/Z, D+I, B PR-, E, ST/STK/Aufforderung W+K, D+I, B PR+, E, D+I, Fwb A-, gehorcht
Die Erzieherin in Szene 14 sitzt mit den Kindern am Frühstückstisch. Hauptsächlich geht es darum, das Frühstück zu organisieren. Diese Organisation wird von der Erzieherin gelenkt (20: „Kann ich bitte mal die Butter haben, C?“, 23: „Dann frag mal die C.“). Ebenso berichtigt sie die Ausdrucksweise der Kinder (25: „haben.“). Die Kinder wiederum befolgen die Aufforderungen und Anweisungen der Fachkraft. Ihre Signale sind dabei – abgesehen von As Wunsch nach dem Brotaufstrich (24) - jedoch sehr knapp (21: „Mh.“, 26: „Haben.“).
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Ausschnitt 8.12: Szene 28 – Konflikte; Sequenz 7 bis 13 Nr. 7 8 9 10
11
12 13
Dialog M: (ist nicht zu erkennen) Ja, aber ich durfte nicht hoch. Erz: (Blick zu T, der, neben ihr steht, nach einer kurzen Stille) Hast du dem M den Weg versperrt? T: (Blick zur Erz, nickt) Erz: (Blick zu T, nickt) Mh. (schüttelt den Kopf) Ist aber auch nicht in Ordnung, gä? (leise) Oder? (langer Blickkontakt mit T) 2. Erz: (nicht zu sehen) Was machen wir da, dass es wieder in Ordnung kommt? He, T. Was kömmern da machen? Erz: (Blick zu T, wartet Antwort nicht ab, leise, Kopfwink zur Burg) Entschuldige dich erst mal, ja. T: (schaut in die Burg, klettert nach oben)
Signale W+E/Z, D+I, K, L, RE D+I, Fr geschlossen AN, D+I PR+, E, D+I Fwb, Fr rhetorisch, AN, D+I D+I, St, Fr offen
D+I, STK, Anweisung Gehorcht
In Szene 28 reduzieren sich die kindlichen Interaktionsbeiträge wegen der starken Lenkung der beiden Erzieherinnen ebenfalls meist auf ein Minimum. Nachdem M sich zum Konflikt geäußert hat (7: „Ja, aber ich durfte nicht hoch.“), übernehmen die Fachkräfte die Lösung des Konflikts (8: „Hast du dem M den Weg versperrt?“, 10: „Ist aber auch nicht in Ordnung, gä?“, 11: „Was machen wir da, dass es wieder in Ordnung kommt? He, T. Was kömmern da machen?“, 12: „Entschuldige dich erst mal, ja.“). Außer B, der einen ausführlichen Vorschlag kund tut (16), sind von den eigentlich am Konflikt beteiligten Kindern M und T keine verbalen Signale mehr zu vernehmen. M äußert sich nicht mehr, während T lediglich nickt (9) und die Konfliktlösung der Erzieherinnen akzeptiert und befolgt (13). Eine weitere Möglichkeit, auf das nicht feinfühlige Verhalten ihrer Erzieherinnen zu reagieren, besteht für Kinder darin, sich abzuwenden. Dass in einer Interaktion „etwas nicht stimmt“, wird bereits vor diesem Abwenden deutlich, und zwar dadurch, dass die Szene durch eine gewisse Unruhe bestimmt ist (Szenen 16, 18, 24) oder dass die Kinder zum Teil abwesend wirken (Szenen 4, 22, 24). Die komprimierte Darstellung der kindlichen Signale aus Szene 4 zeigt dieses Verhalten und verdeutlicht, dass die Redebeiträge einzelner Kinder während dieser Interaktion äußerst knapp sind und lediglich vereinzelt auftreten.
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Darstellung 8.15: Kindliche Signale der Szene 4 – Vorlesen Ki: D+I, D+A, Af, D-abw J: AE, D+I D+I, D-Abw D+I, D-Abw I: Af D+I, D-Abw A-, D+I L: A-, D+I D+I M: Af, D+I D-Abw D+I 1.Ki: Af, D+I A2.Ki: Af, D+I D+I, D-Abw 3.Ki: W+E/Z, D+I, B D+I, D-Abw E: AE, D+I D+I D+I, D-Abw, D-sa A: D+I Af, D+I D+I, D-sa AB, D+I I: Af, D+I D+I, D-Abw, D-U
Wirken die Kinder in Szene 4 unruhig, abwesend oder wenden sich vom Interaktionsgeschehen ab, reden die Kinder in den Szenen 2, 6 und 16 wegen des wenig sensitiv-responsiven Verhaltens der pädagogischen Fachkräfte untereinander weiter. In Szene 16 interagiert die Erzieherin mit insgesamt 12 Kindern gleichzeitig. Die Gruppe befindet sich im Erzählkreis und es verbleibt nicht mehr viel Zeit, bis die Kinder nach draußen gehen sollen. Dieser Druck ist auf Seiten der Fachkraft deutlich zu spüren. Häufig schaut sie auf die Uhr und teilt den Kindern mit, dass nicht mehr viel Zeit zum Erzählen bleibt. Auf den Interaktionsbeitrag vom 6. Kind (67: „Ich hab ein Hochbett mit ner Rutsche.“) geht sie gar nicht ein. Darüber hinaus wird die Fachkraft von weiteren Kindern abgelenkt, die dazwischen rufen (68). Das 6. Kind tauscht sich jedoch weiterhin mit dem 4. Kind über das Hochbett aus und teilt seine Freude mit dem Jungen (69 – 71).
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Ausschnitt 8.13: Szene 16 – Erzählkreis; Sequenz 62 bis 71 Nr. 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
Dialog Erz: (schaut zu 9. Ki) Schläfst du nicht in deinem Bettchen? 9. Ki: (schüttelt den Kopf, Blick zur Erz) Eheh, da hab ich Angst. Erz: (Blickkontakt) Och je. Du hast bestimmt ein ganz tolles Bettchen. 9. Ki: (Blick zur Erz) Ein großes Bettchen. Erz: (Blickkontakt) Ein großes Bett. 6. Ki: (Blick zur Erz) Ich hab ein Hochbett mit ner Rutsche. Erz: (kurzer Blick zu 6. Ki, dann zur Gruppe, die durcheinander ruft) 4. Ki: (Blick zu 6. Ki): Ich auch! 6. Ki: (Blick zu 4. Ki, Daumen hoch gestreckt, ruft freudig) Wir beide T!! 4. Ki: (streckt auch Daumen hoch)
Signale D+I, Fr geschlossen Af, D+I, D+E PR+, E, D+I, AS/US Af, D+I PR+, E, D+I, SP W+E/Z, D+I, L PR+, KE, D-Abg, D+I, D-U W+K, D+I, D+F W+K, D+I, D+F W+K, D+I, D+F
Eine weitaus ungünstigere Art, als auf das wenig feinfühlige Antwortverhalten der Fachkräfte mit einem Austausch unter Kindern zu reagieren, besteht darin, dass Kinder eigene Aussagen deutlich reduzieren, lediglich antworten oder eigeninitiative Beiträge ganz unterlassen. Auch das Abfragen der Kinder durch die Erzieherin hat zur Folge, dass die Quantität kindlicher Interaktionsbeiträge abnimmt. Gleiches trifft auf eine starke Situationslenkung durch Anweisungen und vorweg gegriffene Lösungen seitens der Fachkräfte zu. Die Signale einiger Kinder sind aus diesem Grund isoliert und knapp. In Szene 24 wird deutlich, welche Auswirkungen es hat, wenn Erzieherinnen kaum für Kinder zugänglich sind und diese mit zahlreichen Anweisungen konfrontieren. Die fett gedruckten Signale in der komprimierten Darstellung 8.16 zeigen, dass die Kinder abwesend und gleichgültig wirken, abgelenkt sind, sich abwenden und äußerst selten eigeninitiative Beiträge einbringen.
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Darstellung 8.16: Kindliche Signale der Szene 24 – Angeleitetes Basteln A: W+E/Z, D+I, Z W+E/Z, D+I D-sa, D+I B: D+I, D-Abg 1.Ki: W+E/Z, D+I, L W+…, D+I C: W+E/Z, D+I, Z D+I D+I 2.Ki: W+?, FO W+…, D+I, RE D-Abg
D-Abg
D-Abg W+?, D+I, FO
D+I, D-Abg D+I D+I, D+I, D-Abg D+I, D-Abw D-Abw, D-G D+I D+I, D-Abg D+I, D+I, D-Abg W+E/Z, D+I, L D+I, D+I, D-Abw? W+E/Z, D+I, Z D-G, D-Abw Af, D+I W+E/Z, D+I, L A-, D+I W+…, D+I, L W+…, D+I, L
Dass nicht alle Kinder auf ein eher wenig sensitiv-responsives Interaktionsverhalten ihrer Erzieherin gleichermaßen reagieren und ihre Signale reduzieren, liegt auf der Hand. Ähnlich wie bei den Szenen mit einem überwiegend feinfühligen Verhalten der pädagogischen Fachkräfte gibt es in allen maximal-kontrastiven Szenen Kinder, deren Interaktionsverhalten zusammenhängend und fortlaufend ist. Während bei den Szenen 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20 und 22 kindliche Signale im „Block“ zu finden sind, ist das Interaktionsverhalten der Kinder in den Szenen 26 und 30 als eher „durchlaufend“ zu bezeichnen. Der Grund hierfür ist jedoch, dass in beiden Szenen jeweils nur zwei Kinder an der
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Interaktion beteiligt sind. In Szene 24 hingegen sind außer einem sehr kurzen verbalen „Signalblock“ von A am Ende der Interaktion keine weiteren verbalen „Signalblöcke“ zu verzeichnen. Die komprimierte Darstellung der kindlichen Signale der Szene 26 soll nun Signale in durchlaufender Form veranschaulichen. Darstellung 8.17: Kindliche Signale der Szene 26 – Rollenspiel J: W+E/Z, D+I, R W+?, D+I, R M: W+E/Z, D+I, SO W+x, W+…, D+I, SO W+…, D+I, SO AB, D+I D+I Af, D+I W+E/Z, D+I, SO W+…, W+x, W+?, D+I, SO, FN W+…, W+x, D+I, R AB, D+I, SO AB, D+I, W+…, SO Af, D+I, W+… AB, D+I, SO W+…, D+I, R W+…, W+K, D+I, R W+…, D+I, R W+…, W+?, D+I, R Af, D+I, SO Af, D+I, R W+K, D+I, SO A-, D+I W+K, D+I, R Af, W+K, D+I, SO A-, D+I, SO W+K, D+I, SO W+…, D+I, R A-, D+I, R W+K, D+I, SO
8.2.4 Standhalten der Kinder bei nicht sensitiv-responsiven pädagogischen Reaktionen
Wirkte sich das wenig sensitiv-responsive Verhalten der pädagogischen Fachkräfte in den bisher vorgestellten Szenen eher ungünstig auf das kindliche Interaktionsverhalten aus, stellt sich nun die Frage, wann Kinder bei nicht sensitivresponsiven Reaktionen ihrer Erzieherinnen „bei der Sache“ bleiben. Die
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Durchsicht der Szenen hat ergeben, dass dies vor allem dann der Fall ist, wenn Kinder ein besonders hohes Interesse an einem Thema haben, zu dem sie sich dann natürlich mitteilen wollen. Zunächst soll auf einen Ausschnitt aus Szene 2 näher eingegangen werden, in dem die Jungen 1 und 2 sehr an den Tieren im Buch interessiert sind (Vgl. Ausschnitt 8.2, ab Seite 192, Sequenz 14 bis 59). Trotz des bereits geschilderten wenig sensitiv-responsiven Verhaltens ihrer Erzieherin92 halten 1 und 2 ihr Interesse am Thema aufrecht. Immer wieder teilen sie ihre Entdeckungen mit (14 – 17) und unterhalten sich untereinander darüber, ob Rehe Hörner haben (19 – 29). Dass vor allem 1 sehr daran interessiert ist, mehr über die Rehe im Buch zu erfahren, erkennt man daran, dass er sogar während des Gesprächs der beiden Fachkräfte versucht, seine abgelenkte Erzieherin zu erreichen (35 – 50). Hierfür benutzt 1 fortwährend verschiedene Kanäle: Er stellt kurze Fragen (39, 41, 48), spricht sie mit Namen an (48) und versucht, sie mit nonverbalen Mitteln auf sich aufmerksam zu machen. Dies gelingt jedoch weder durch das Suchen des Blickkontakts (41, 45, 48) noch durch das Berühren der Erzieherin (43, 48) oder das Zeigen auf die Abbildungen im Buch (45, 48). Sie reagiert nicht und setzt das Gespräch mit ihrer Kollegin fort. Obwohl der Junge sein Interesse am Thema aufrecht erhält und immer wieder ins Buch schaut, ist 1 nicht mehr durchgängig „bei der Sache“. Er wird von seinem bisherigen Interessensgegenstand abgelenkt, lässt seinen Blick zeitweise durch den Raum schweifen (43, 47, 50), und reduziert die Intensität seines Gesprächsengagements (43 – 50). Erst als sich die Erzieherin dem Jungen mit starker Verzögerung zuwendet (53: „So, und jetzt macht sich das Reh wieder auf den Weg.“), macht 1 wieder ausführliche Interaktionsbeiträge (54: „Erz, was will die Ente machen?“, 56: „Und der? Und was will der fragen?“, 58: „Was will der Reh fragen den?“). Ist das Interaktionsverhalten der Fachkraft in Szene 4 in Bezug auf die „Sensitive Responsivität“ noch negativer einzuschätzen als das der Erzieherin in Szene 2, bleiben einige Kinder in Szene 4 ebenfalls interessiert „bei der Sache“, obwohl die Fachkraft ihre Signale deutlich „abschmettert“. Als die Erzieherin das Buch vor den Augen des Jungen, der hinein sehen möchte, zuklappt bzw. das Buch weg nimmt, bleibt das Kind bei der Erzieherin stehen, meldet sich und ist weiterhin an den Inhalten interessiert (33). Auch das zweite Abweisen seiner Signale kann den Jungen nicht davon abbringen, ins Buch zu schauen (55). D verhält sich zunächst in gleicher Weise und richtet seinen Blick in das Buch, das die Fachkraft zuvor so hoch gehalten hatte, dass der Junge keine Chance hatte, hinein zu sehen (74). Erst nachdem es einen Blick erhaschen konnte, wendet sich das Kind ab und geht in eine andere Ecke des Raumes (74 Mitte). 92 Vgl. Kapitel 8.1.4 Beschreibung eines sensitiv-responsiven und eines wenig feinfühligen pädagogischen Verhaltens, S.184ff
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Ausschnitt 8.14: Szene 4 – Vorlesen; versch. Sequenzen Nr.
33
55
Dialog Erz: (erstaunter, anerkennender Blick zum Kind) Sehr gut. Genau, I. Lisbeth. (zeigt währenddessen das Buch herum, erst beim letzten Kind Blickkontakt) Du hast Recht. Lisbeth hieß se. (Blick ins Buch) Wo steckt bloß die Katze, denkt Lisbeth? (laut, betont, mit Armbewegung unterstrichen) Ich hab doch schon überall gesucht. Hoffentlich ist sie nicht wirklich weggelaufen. (Blick ins Buch, Kinder wechseln ihre Sitzposition) Ohoh, Lisbeth wird traurig. (Blick in die Gruppe, trauriger Blick) Ohne ihre Katze schmeckt doch die Geburtstagstorte nicht. (betont weinerliche Stimme, Blick in die Gruppe) Wer hat denn (Junge kommt, möchte ins Buch schauen, Erz klappt es zu mit minimalem Blickkontakt) zu seinem Geburtstag seinen besten Freund eingeladen? Wer von euch.. (Blick in die Gruppe, Junge bleibt bei der Erz) .. hat zu seinem Geburtstag seinen besten Freund eingeladen? (Kinder melden sich, Junge auch, Erz blickt in die Gruppe) Und ist der beste Freund auch gekommen?
Erz: Und wer glaubt, dass die Katze jetzt zu hause ist, der hebt mal die Hand. (Blick in die Gruppe mit weit geöffneten Augen) Wer glaubt des? (einige Kinder melden sich, Erz schaut in die Gruppe) Und wer – Hände wieder runter – und wer glaubt nicht, dass die Katze im Haus ist? (einige Kinder melden sich, Junge will wieder ins Buch gucken, Erz nimmt es weg) Darf ich mal bitte zeigen? Setz dich bitte. Dann wirst du´s auch sehen. Ich weiß, du bist ein wenig ungeduldig. (Junge gehorcht, schaut ins Buch) So jetzt gucken wir mal weiter. (zeigt Buch herum, relativ schnell) Kann jemand die Katze schon entdecken? (Blick in die Gruppe, einige Kinder rufen ja, kritischer Blick zu K, nicht im Bild) K, du hast sie doch noch gar nicht gesehen.
Signale PR+, E, D+I, LKL, AZ; D-V; LW; Vorlesen;
D+I, D-Abw, DU D+I, D+V; D+I, D+V; W+NA, D+I, PR+, KE, Sabsch; D+I, Fr geschlossen; D+I, D+V, D+I AN, D+I, D+I, RE; D+I (kein I am einzel. Kind), US, Fr geschl. D+I, STK; D+I, STK, Fr geschl., AN, D+I; D+I, STK, Fr geschlossen, AN, D+I; W+NA, D+I, B; PR+, E/KE, Sabsch, Fm, D+I; D-V, STK; D+I, Sabw; A-, D+I PR+, E; Abl
230
Nr. 71 72 73
74
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog D: (kommt und will ins Buch schauen) Ich seh nix auch. Erz: Wieso siehst du nix? (kein Blickkontakt, obwohl D direkt neben Erz steht, dann kurzer Blick) D: Weil… Erz: (hält gleichzeitig das Buch ganz hoch über ihren Kopf, für D ist so nichts zu erkennen, D bleibt, schaut ins Buch) Einen Hexenumhang, einen Zauberstab, (nimmt Buch wieder runter) ein Zauberbuch. (Ki versuchen, ins Buch zu schauen) Und eine Zauberkugel. (D geht in eine andere Ecke, Erz schaut ins Buch) Jetzt guckt genau her, ruft Lisbeth und schwingt den Zauberstab. Hokuspokus, Krallentanz (unterstreichen mit Armbewegung, Kinder sprechen mit, andere wenden sich ab) ich wünsch mir meine liebe Katz. (Blick ins Buch, kurz in die Gruppe, dann wieder ins Buch)
Signale W+E/Z, D+I, B PR-, E/KE, D-V, Sabsch AE, D+I KR, KE, D-V; D+I, STK; W+NA, D+I; D-sa; vorlesen;
D+I, D-Abw, Dsa D+I
Wie in den Szenen 2 und 4 ist es auch in Szene 6 das große Interesse des 3. Kindes, das es trotz des wenig sensitiv-responsiven Antwortverhaltens der Fachkraft nicht davon abhalten kann, sich zu seinem „Knödel aus Knete“ zu äußern. Ausschnitt 8.15: Szene 6 – Kneten; Sequenz 15 bis 28 Nr. 15
16
17 18 19
Dialog 3. Ki: (kommt mit Papierschlange) Frau G., guck doch mal. Erz: (hält noch immer die Hand in der Mappe, Blick in den Raum, Blick zu 3. Ki, leise zu 3.Ki) Was hast du da gemacht? (wartet Antwort nicht ab, Blick schnell zu 2. Ki, lacht sie an) 2.Ki: Des hier! (lacht)
Signale W+E/Z, D+I, Z PR+, E/KE, Fr offen, D-Abg; D+I, LKL
W+E/Z, D+I, D+F, D+Z, Z Erz: (erwidert Lachen, Blickkontakt mit 2. Ki) PR+, E, D+I, Lustig! D+F, LKL 3. Ki: Jetzt muss ich nur noch den Knödel.. (ist nicht W+E/Z, D+I, K zu sehen, nicht ganz verständlich)
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr. Dialog 20 2. Ki: (Mädchen blättert weiter, lächelt) Erz: (Blickkontakt mit 2. Ki) Oah, guck mal, wie du 21 da guckst, ganz grimmig! 22 2. Ki: (lacht und geht dann) Erz: (Blick zu 3. Ki, streckt ihm Arm entgegen) Und 23 was machst du? Was ist das? Was bastelst du da? 24 3. Ki: (schaut auf seine Papierschlange) Ein Knödel. Erz: Ne! (bestimmt, Blick auf Tisch) Ein Knödel ist was Rundes. Das ist ein Knödel. (zeigt einen auf dem Tisch, kein Blickkontakt) Aber das ist kein 25 Knödel. (nimmt eine Mappe und bindet sie zu. Blick zu 3. Ki) Des ist ne Wurst, en Schlauch, ne Schlange (Blick auf die Mappe) … 3. Ki: (betrachtet sich seinen Knödel) 26 27 28
Erz: (Blick zu 3. Ki) 3. Ki: (ein anderes Kind steht mit bei ihm, sie betrachten gemeinsam das Werk. Ein Kind sagt: Eine große Schlange. Nicht klar, wer, 3. Ki bleibt neben dem Tisch)
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Signale D+I D+I D+I, D+F, D-sa D+I, Fr offen AB, D+I PR-, E, SPM-, LM; D+V; D-Abg; D+V W+NA, D+I, D+E? D+I D+I, D+E; W+K, D+I, K; D+I
Das dritte Kind macht seine Erzieherin zu Beginn des Ausschnitts darauf aufmerksam, dass es etwas gebastelt hat (15: „Frau G, guck doch mal.“). Obwohl sie fragt, was das Kind gemacht hat, geht sie in der Folge nicht mehr weiter auf den Jungen ein, weil sie durch ein zweites Kind abgelenkt wird (16 - 18). Der Junge hingegen bleibt „bei der Sache“ und spricht weiterhin über sein Werk (19: „Jetzt muss ich nur noch den Knödel…“). Erst, als das zweite Kind geht, wendet sich die Erzieherin wieder an den Jungen (23: „Und was machst du? Was ist das? Was bastelst du da?“). Allerdings akzeptiert sie seine Deutung nicht und lässt sich nicht erklären, warum der Junge in seinem Werk einen Knödel sieht. Vielmehr widerspricht sie seiner Sichtweise mit bestimmtem Ton und deutlichen Worten (25: „Nee! Ein Knödel ist was Rundes. Das ist ein Knödel.“). Ohne Blickkontakt widerlegt sie die Interpretation des 3. Kindes (25: „Aber das ist kein Knödel.“, „Das ist ´ne Wurst, ein Schlauch, ’ne Schlange.“). Trotz der fehlenden Akzeptanz der pädagogischen Fachkraft behält der Junge das Interesse an seinem „Knödel“. Er setzt den Dialog mit seiner Erzieherin jedoch nicht
232
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
fort, sondern betrachtet sein Werk mit einem anderen Kind. Gemeinsam stellen die Kinder Überlegungen an, um was es sich handeln könnte (26 - 28). Ähnlich standhaft wie der Junge in Szene 6 versucht das Mädchen M in Szene 16 die Aufmerksamkeit ihrer Erzieherin zu erlangen, um von einer Begebenheit zu berichten, die sie sehr beschäftigt. Hierfür benutzt sie zunächst nonverbale Ausdruckskanäle und meldet sich im Erzählkreis so lange, bis die Erzieherin sie zum Reden auffordert (9). Ausschnitt 8.16: Szene 16 – Erzählkreis; Sequenz 9 bis 18 Nr.
9
10 11 12 13 14 15
16
17
18
Dialog Erz: (kurzer Blickkontakt mit C, wendet sich schnell anderen Kindern zu, die sie zur Ruhe ruft, Finger an den Mund) Pscht. Warte mal, die L, (verbessert sich) die M, meldet sich schon so lange. (nickt ihr zu) M: (nimmt Arm runter, schaut zur Erz, wippt hin/her) Mh. Ich… Erz: (nimmt die Finger zum Mund, Blickkontakt mit Q) Q, pscht. (Blick zu M) Q: (nicht im Bild) Der P klopft aber immer bei mir. M: (Blick zur Erz, wippt) Ich klingel auch an der Tür. Mit em J und em K allein. Erz: Wow. (nur kurzer Blickkontakt, dann in die Gruppe) M: (Blick zur Erz, wippt) Ich pass dann auf den K auf. Erz: (nur minimaler Blickkontakt zu M, dann zu P) Der P hört jetzt mal auf mit dem Quatsch. (zur Gruppe) Wisst ihr was. (sieht, dass sich M noch mal meldet) Ja, die M ist noch nicht fertig. (Blick zu M) M: (Blick zur Erz, wippt hin und her) Ehm. Wir, der K hat zu haus Geburtstag. Deswegen muss ich dann noch ein Kleid anziehen. Erz: (Blick zu M) Ach wie schön. Ein Kleid. (zur Gruppe, letzte Silben verschwimmen schon mit dem nächsten Satz, zu D gebeugt) Wisst ihr, was
Signale PR+, KE, D-Abg, D-sa; FhR, D+V; VR, E, D+I AKR, KE, D-Abg, FhR;VR W+E/Z, D+I, H, RE W+…, W+x, D+I, L PR+, RE, LKL, D-sa, D-Abg W+…, W+x, D+I, D+Z, L KR, KE, D-sa, D-Abg, Fm; D+I; W+NA, W+x, D+I; PR+, E, D+I, D-Geh W+…, W+x, D+I, D+Z, L PR+, E, LPL, D-Geh, D-sa; Fr rhetorisch, D-I
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr.
Dialog der D heut macht? Der weiß des noch gar nicht. (intensiver Blickkontakt, betont) Der geht heute mit seinen zwei Schwestern und mit seiner Mama in die Stadt. Nach R. (kurzer Blick zu mir) Da ist heut Helloween. Und der wollt sich verkleiden.
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Signale
Nachdem ihr Beitrag aufgrund einer Ablenkung unterbrochen wurde, setzt das Mädchen erneut an (13: „Ich klingel’ auch an der Tür. Mit em J und em K allein.“). Die pädagogische Fachkraft reagiert zwar prompt und mit kurzem Blickkontakt, drückt ihre Anerkennung jedoch nur äußerst knapp aus (14: „Wow!“). Anschließend wendet sie sich schnell der Gruppe zu (14). Das Mädchen lässt sich vom geringen Interesse ihrer Erzieherin nicht beirren und äußert sich weiterhin zu einem Thema, das ihre direkte Lebenswelt betrifft (15: „Ich pass’ dann auf den K auf.“). Abermals reagiert die Fachkraft nur mit minimalem Blickkontakt und ermahnt sogleich ein anderes Kind (16). Anschließend setzt sie an, um über ein für sie offenbar wichtiges Ereignis zu reden (16: „Wisst ihr was.“). Erst mit einer deutlichen Verzögerung bemerkt sie, dass sich M standhaft meldet und wendet sich ihr zu (16). Aufgeregt hin und her wippend und nach wie vor interessiert erzählt das Mädchen, dass ihr Bruder Geburtstag hat und sie deshalb ein Kleid anziehen wird (17). Auch auf diese Mitteilung geht die Erzieherin nicht vertiefend ein. Während sie dem Mädchen noch eine knappe positive Rückmeldung gibt (18: „Ach, wie schön, ein Kleid.“), verschwimmen die letzten Silben bereits mit dem nächsten Satz, den sie an ein anderes Kind richtet (18: „Wisst ihr, was der D heut’ macht?“). Der Dialog mit M wird auf diese Weise beendet. Wie die zuvor erwähnten Kinder behält M in Szene 26 trotz des passagenweise wenig feinfühligen Verhaltens der pädagogischen Fachkraft das Interesse am Rollenspiel, das sie mit der Erzieherin und einem weiteren Jungen spielt. Ausschnitt 8.17: Szene 26 – Rollenspiel; Sequenz 16 bis 24 Nr. 16 17 18
Dialog M: (Gesicht nicht zu sehen, hält Männchen in der Hand) Der hatte kein (unverständlich) gesagt. Erz: (sehr kurzer Blick zu M, dann zur Burg, hält Männchen in die Burg) M: (schaut auf ihre Männchen in ihren Händen) OK? Erz?
Signale W+E/Z, D+I, SO PR-, KE, D-G W+…, W+x, W+?, D+I, SO,
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Nr.
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog
Signale FN
19 20 21 22 23 24
Erz: (schaut weiterhin in die Burg, hält Männchen in die Burg) M: (beugt sich runter, stellt ihr Männchen vor Erz) Hier. Erz: (Blick zur Burg, weiter mit Burg beschäftigt) Wie bitte? Was hat er nicht? M: (Blick auf ihr Männchen, Richtung Erz) Guck mal. Der rote Ritter hatte hat kein Ton gesagt. (Blick in die Kamera) Erz: (Blick weiterhin auf Burg) Hat keinen Ton gesagt. M: (Blick zur Erz) Ja. (zeigt auf das Männchen) Guck, der hat kein Ton gesagt.
KR, KE, D-G W+…, W+x, D+I, R PR-, E, D+I, Fr offen AB, D+I, SO
PR-, E, SP, D+I, D-G AB, D+I, W+…, SO
Ähnlich wie M in Szene 16 lässt sich auch das Mädchen M in Szene 26 nicht davon abbringen, ihrer Erzieherin etwas für sie Wichtiges mitzuteilen (16: „Der hatte kein’ (Ton) gesagt.“). Die Erzieherin wirft M jedoch lediglich einen kurzen Blick zu, um ihr Augenmerk dann schnell auf die Burg zu richten und ihre Spielfigur hinein zu halten (17). Parallel zu der gleichgültig wirkenden Reaktion der Fachkraft verkürzt M zwar ihre Aussagen im weiteren Interaktionsverlauf, bleibt aber „hartnäckig bei der Sache“, indem sie nachhakt (18: „Okay? Erz?“). Als die Erzieherin weiterhin in die Burg schaut und nicht auf M eingeht (19), begibt sich diese ins direkte Blickfeld der Fachkraft und stellt ihre Spielfigur vor ihr auf. Um wahrgenommen zu werden, kommentiert sie zusätzlich ihre Handlung (20: „Hier“). Nach wie vor mit der Burg beschäftigt antwortet die Erzieherin nun dem Mädchen (21: „Wie bitte? Was hat er nicht?“). Die deutlich verzögerte Reaktion, der fehlende Blickkontakt und die Beiläufigkeit ihrer Nachfrage sind jedoch Anzeichen dafür, dass sich die Erzieherin nach wie vor nicht mit vollem Interesse auf das Kind einlässt. Trotzdem äußert sich M jetzt wieder ausführlicher (22: „Guck mal. Der rote Ritter hatte hat kein’ Ton gesagt.“). Daraufhin spiegelt die Fachkraft die Aussage des Mädchens, stellt aber immer noch keinen Blickkontakt her (23). Obwohl es M gelungen ist, trotz des gleichgültigen und wenig sensitiv-responsiven Antwortverhaltens ihrer Erzieherin standzuhalten, erreicht sie letztlich nicht ihre volle Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit.
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Ausschnitt 8.18: Szene 26 – Rollenspiel; Sequenz 52 bis 65 Nr. 52
53
54 55 56 57
58
59
60 61 62 63 64 65
Dialog M: (Blick auf die Männchen in ihrer Hand) Ehm. Aber hier steht auch noch… Erz: (Blick auf die Männchen auf dem Tisch, zu J gewandt) Dann folge mir. (geht mit Männchen zur Burg, J nimmt auch eines von ihren und geht zu Burg, Blicke in die Burg) Ich zeige dir den Weg. M: (beugt sich vor, Blick auf die Männchen in ihrer Hand) Was will er denn? Erz: (mit zusammen gekniffenen Augenbrauen, Blick kurz in die Luft, dann zur Burg, sagt zu J) Moment. Lass mich erst mal durch. J: (Blick auf Männchen u Burg) Ich auch. M: (beugt sich mit ihrem Männchen noch weiter vor, schaut auf die Männchen und die Burg) Was will er denn mache? Was will er denn mache? Erz: (Blick auf die Burg, verzögert) Königin. Er wollte zu ihnen. Sie müssen vielleicht (zeigt es mit dem Arm) hinten rum über ihr Gemach. (Blick auf M´s Männchen) M: (hält ein Männchen hoch, kurzer Blick zur Erz, stellt Männchen auf den Tisch, schaut es an) Äh. Ich bin doch die Königin. Erz: (Blick auf M´s Männchen, Blick auf M, mit nüchterner Stimme) Ja? Ich hab auch grad mit dir geredet. (nüchterner Blick) M: (Blick auf ihr Männchen am Tisch, gleichzeitig) Ich hab doch gehört, König. Erz: (nüchterner Blick auf M und nüchterne Stimme) Königin hab ich gesagt. M: (nimmt ihr Männchen hoch, stellt es wieder auf den Tisch, Blick auf Männchen und zur Erz) Äh. Ich weiß nicht. Wollst du zur Königin oder zum König? Erz: (Blick zu M, dann zur Burg) Ne, zum König. (Blick zu M) M: (Blick zur Erz, nimmt ihr Männchen wieder hoch) Ach so.
Signale W+K, D+I, SO KR, KE bei M, PR+, E, D+I, SA D+I, R W+?, D+I, R KR, KE bei M, D+I, Spielorg W+…, D+I, SO W+?, W+x, W+…, D+I, R SVR, E, SA D+I, D+V
A-, W+E/Z, D+I, R, SO PR+, E, Sabw, Fnv AB, D+I, SO PR+, E, Sabw, Fnv Af, D+I, W+?, D+I, SO PR+, E, D-F A-, D+I
236
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dass dies auch für den weiteren Interaktionsverlauf zutrifft, belegt ein weiterer kurzer Ausschnitt der Szene 26. Mehrfach sieht sich M damit konfrontiert, dass die Erzieherin nicht auf ihre Signale reagiert (52: „Ehm. Aber hier steht auch noch…“, 54: „Was will er denn?“) und sich stattdessen mit dem Jungen unterhält (53, 55). Auch in diesem Fall versucht M mit Nachdruck, die Aufmerksamkeit der Fachkraft zu erlangen (54, 57: „Was will er denn mache? Was will er denn mache?“). Als ihr dies schließlich gelingt, übergeht M die nicht senitivresponsiven Antworten ihrer Erzieherin. Mit nüchterner Stimme und Mimik hat sie das Mädchen deutlich spüren lassen, dass sie die Spielorganisation nicht verstanden hat (60: „Ich hab auch grad mit dir geredet.“, 62: „Königin hab ich gesagt.“). Die Signale des Kindes (59: „Äh. Ich bin doch die Königin.“, 61: „Ich hab doch gehört, König.“) hat sie in diesem Sinne abgewertet. Trotzdem führt das Mädchen die Interaktion fort (63: „Äh. Ich weiß nicht. Wollst du zur Königin oder zum König?“). In diesem Abschnitt wurden sechs Ausschnitte aus eher „nicht-feinfühligen“ Szenen ausgewählt, um zu belegen, wie sich Kinder trotz eines wenig sensitiv-responsiven Verhaltens ihrer Erzieherinnen weiterhin interessiert an der Interaktion beteiligen. Neben fünf zusätzlichen Szenen dieser Kategorie (8, 10, 12, 18, 24) gibt es natürlich auch in den Szenen mit den überwiegend feinfühligen pädagogischen Reaktionen Momente, in denen sich Kinder einem weniger sensitiv-responsiven Verhalten ihrer Erzieherinnen widersetzen. Neun solcher Szenen konnten ausgemacht werden (3, 5, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25).
8.2.5 Wann wenden sich Kinder bei einer nicht sensitiv-responsiven Reaktion ab? Ausschnitte aus sieben Szenen sollen verdeutlichen, wann sich Kinder bei nichtsensitiven Reaktionen abwenden. Dabei werden sowohl „positive“ als auch „negative“ Szenen in Bezug auf die „Sensitive Responsivität“ herangezogen. Die Szenenausschnitte stehen exemplarisch für vier weitere Szenen (2, 20, 23, 29).
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Ausschnitt 8.19: Szene 4 – Vorlesen; versch. Sequenzen Nr. 22
23
27
43
Dialog 3. Ki: (geht zum Buch) Tür auf. (will das Türchen im Buch öffnen) Erz: Ne, die Tür lassen wir grad mal zu. (3. Ki geht zurück, schaut zu E) Was konnt´ man da kaufen? E, guck mal drauf, was kannst´en kaufen? (hält das Buch hoch in seine Richtung, Blickkontakt mit ihm über den Raum hinweg, Kinder vor ihr, teils dabei, teils abwesend, sehen schwer) Erz: (blättert schnell, zwei Mädchen versuchen, mit ins Buch zu schauen) Genau. Und da warn mer zuletzt im Tierladen. Da war sie auch nicht (macht das Buch zu, blickt in die Gruppe, ein Mädchen guckt, ein Mädchen wendet sich ab) die Katze. Wo soll sie jetzt noch suchen? A? (Hände fragend ausgestellt, Blick zu A, Mädchen imitiert sie) Erz: (Blick zu 4. Ki, dann sofort ins Buch, dann zu L) Du kannst verstehen, L, du kannst verstehen, dass die Lisbeth jetzt traurig ist, weil ihre beste Freundin (geht runter auf die Knie, kurz unterbrochener Blickkontakt mit L) die Katze gar nicht da ist, gell. (sitzt jetzt direkt neben L, Kopf zu L gewandt, L nickt) Die L kann des verstehen. (Blick ins Buch, blättert, L schaut ins Buch, anderes Mädchen zeigt ins Buch, will Türchen öffnen) Du kannst mal die Tür zu lassen! (nimmt Buch weg und hält es hoch in die andere Richtung kurz zu L, geht wieder auf die Knie nach oben, Mädchen dreht sich nach kurzem Zögern weg) So. In der Tür ist was drin. Vielleicht kann das jemand erkennen. Ich weiß noch nicht, was es ist. (hält das Buch hoch und zeigt es herum, Türchen ist geöffnet)
Signale W+E/Z, D+I, B PR+, KE, Sabsch D-sa; St-, Fr offen, D-V D+I, D-Abw D-V; D+I; D+I; KR, KE, D-V; D+I, D-Abw, D-sa; Fr offen, St-; D+I PR+, KE, IS, US, D+V;
AS; AN, D+I, D+E; W+NA, D+I, B; PR+, KE, Sabsch; D-V/D+V; D-sa; St, D+V, Aufforderung
Betrachtet man erneut Szene 4, wird ersichtlich, dass sich nicht alle Kinder der mangelnden Feinfühligkeit der pädagogischen Fachkraft widersetzen können. Die Bitte des 3. Kindes, das Türchen im Buch zu öffnen (22), wird von der Erzieherin deutlich zurück gewiesen (23: „Ne, die Tür lassen wir grad mal zu.“). Das Kind kann dieser Abweisung nicht standhalten und geht zurück (23). Auch
238
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
eines der Mädchen, die gemeinsam versuchen, ins Buch zu schauen, wendet sich ab, als die Fachkraft das Buch vor ihren Augen zuschlägt (27). Schließlich dreht sich ein weiteres Mädchen weg, dessen Versuch, ein Türchen im Buch zu öffnen, von der Erzieherin verbal (43: „Du kannst mal die Tür zulassen!“) und nonverbal abgewiesen wurde. Schnell hatte die Fachkraft das Buch weggenommen und es hoch in eine andere Richtung gehalten (43). Ausschnitt 8.20: Szene 12 – Erzieherin hat Zeit; Sequenz 41 bis 48 Nr. Dialog 41 1. Ki: (erklärt etwas, nicht zu verstehen) Erz: Der Kuckuck? Der Kuckuck, den gibt’s auch im 42 Wald, ja. (über den Tisch gebeugt, nickt) 43 1. Ki: (sagt etwas Unverständliches) Erz: Den gibt’s auch im Wald. (erst Blickkontakt mit 44 1. Ki, aufgestützt, dann rumdrehen zur Leiterin, die gerade reinkommt) 2. Ki: (schaut Erz an) Und die, und die… 45 46
47 48
Erz: (stimmt sich mit Blicken mit der Leiterin ab, Blick zu 2. Ki, dann ruft sie wieder die Leiterin, die kommt zurück, kurzes Gespräch) E: (kommt in die Szene, möchte etwas, Erz streicht nur kurz über den Kopf, redet mit der Erz, er geht wieder) 1. und 2. Ki: (beobachten Gespräch der Erzieherinnen)
Signale AE, D+I PR+, E, SP, AZ, D+I, D-Er W+…, D+I, S/E PR+, E, AZ, D+I, D-Er, D-Abg W+E/Z, D+I, S/E VR, KE, D-Abg
W+?, D+I, FO; VR, KE, D-Abg, D-sa D-Abg
Anders als in Szene 4 richtet sich das wenig feinfühlige Verhalten der Fachkraft in Szene 12 nicht direkt gegen die Kinder, sondern ist indirekt durch ihre eigene Erschöpfung und hinzukommende Ablenkungen bedingt. Das Gespräch zwischen dem 1. und 2. Kind und der Erzieherin wird durch die Leiterin der Einrichtung unterbrochen (44 – 46). Sie verwickelt die pädagogische Fachkraft in ein kurzes Gespräch. Dadurch von ihrem bisherigen Interessensgegenstand abgelenkt, beobachten das 1. und das 2. Kind die beiden Erzieherinnen (48). E, der in der Szene hinzu kam und die Aufmerksamkeit seiner Erzieherin suchte, wendet sich ab und geht, als diese nicht auf ihn eingeht (47).
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Ausschnitt 8.21: Szene 19 – Gespräche über Bilder; Sequenz 49 bis 50 Nr.
49
50
Dialog Erz: (bleibt stehen, Blick zu C) Gut. Also des Bild kriegt einen ganz speziellen Charakter bei dir, muss ich sagen. (geht weiter um den Tisch, A läuft mit ihrem Bild hinterher, hält es mit ausgestrecktem Arm über den Tisch) Erz: (wendet sich erst F zu, schiebt etwas von ihren Malsachen beiseite, A zieht Bild zu sich) F, können wir des mal ein bisschen vielleicht rücken? Guck mal, hier hängt´s dir runter. Darf ich? Ich mach des jetzt einfach. So.
Signale PR+, E, D+I, LW W+NA, D+I, Z
KR, KE bei A, D+I; D-sa; Fr rhetorisch org, D+V, Handelt ohne Antwort des Kindes abzuwarten
Im Gegensatz zu den Kindern in Szene 12 richtet sich A in Szene 19 auf nonverbale Weise an ihre Erzieherin (49). Diese reagiert jedoch nicht auf das Mädchen, das ihr hinterher läuft und ihr Bild mit ausgestrecktem Arm zeigen möchte (49). Als sich die Fachkraft einem anderen Kind zuwendet, zieht A ihr Bild zurück und wendet sich in dieser Form ab (50). Ausschnitt 8.22: Szene 21 – Gespräche beim Malen; Sequenz 46 bis 51 Nr.
46
47 48 49 50
Dialog B: (geht zu seinem Platz, Blick zur Erz) Also, also. Des hab ich nur auf dem Computer eingespeichert. Des muss dann mal auf auf - zuhause auf dem Computer einspeichern. (legt den Kopf auf seine Hand) Erz: (Blick zu B) Meinst du nicht. Des ist bestimmt auf jedem drauf. Weil du hast es doch nicht gespeichert. B: (Blick zur Erz, Kopf auf der Hand) Doch. Erz: (Blick zu B) Wie denn? B: (Blick zur Erz, lehnt sich zurück) Da, irgendwann, wenn irgendwann mal das Spiel gekommen ist, hab ich gespeichert.
Signale W+…, D+I, S/E, L
KR, KE bei A, PR+, E, D+I, SNZ Af, D+I PR+, E, Fr offen, D+I, FV/SNZ AE, D+I
240
Nr.
51
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog Erz: (Blick zu B, lächelt) Sehr süß! Gut, es kann sein, dass du es gespeichert hast. Aber du hast es nicht installiert. (langer Blick zu B, der weiter malt) Des hat jemand anderes gemacht. (spitzt weiter, kein Blickkontakt) Aber der A kann ja gerne zu hause gucken, oder? Ob er das Spiel hat. (spitzt weiter)
Signale PR+, E, D+I, LPL, Sbl, D-sa Sbl D+I, Fr rhetorisch, Vorschlag
Eine weitere Form sich abzuwenden, besteht darin, den Dialog mit der Erzieherin zu unterbrechen und eine ursprüngliche Handlung fortzusetzen. Zu beobachten ist dies bei B in Szene 21. B hat der Fachkraft erklärt, dass er zu hause etwas auf dem Computer gespeichert hat (46). Die Erzieherin traut dies dem Jungen aber nicht zu (47: „Weil du hast es doch nicht gespeichert.“, 49:„Wie denn?“) und stellt die Äußerung des Kindes mit einem ironischen Loben bloß (51: „Sehr süß!“). Daraufhin wendet B seinen Blick ab und malt weiter (51). In Szene 22 gibt es im Gegensatz zu den vorher herangezogenen Sequenzen gleich mehrere Passagen, in denen sich das Mädchen, das mit der Erzieherin interagiert, abwendet. Ausschnitt 8.23: Szene 22 – Gespräche beim Malen; versch. Sequenzen Nr. 24 25 26 27 28 29 30 31
Dialog Erz: (Arme verschränkt, senkt Kopf zu A, lächelt) Wir haben eine Schlange. A: (schaut Erz mit großen Augen an) Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A, mit leichtem Lächeln) Noch ne ganz kleine Babyschlange haben wir als Haustier. A: (Blick zur Erz, lächelt) Mh. (schaut auf ihr Blatt, malt) Ganz klein. Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A, lächelt) Mh. Zwei Meter lang. A: (Blick zur Erz, lächelt, schaut zur Kamera) Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A, lächelt) Und des is´ noch ne ganz junge. A: (Blick zur Erz) Mh. (schaut auf ihr Blatt, malt weiter)
Signale D-I, D+F AN, D+I D-I, D+F, D+Z (wie Kind) AE, D+I PR+, E, D-I, D+F, D+Z (wie Kind) AN, D+I D-I, D+F, D+Z (wie Kind) A-, D-sa
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr.
32
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35 36 37 38
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Dialog Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A, lächelt) Die C erschreckt sich immer, wenn sie oben lang krabbelt und die dann runter purzelt. Weil se sich nicht mehr halten kann. (lächelt, dreht Körper kurz nach vorne, dann wieder seitlich zu A, Blick auf A) A: (malt) Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A, beobachtet A, nach kl Pause) Aber hier im Kindergarten war ja auch schon mal ne Schlange. Kannst dich noch dran erinnern. Letztes Jahr, wo der Zirkus hier war? A: (schaut auf, Blick nach vorne) Ja. (Blick zur Erz, lächelt) Ich kann mich an alles erinnern. Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A) Da hat die K doch die Schlange um den Hals gehabt. A: (Blick zur Erz, lächelt) Mh. Paar, gell? Die war ganz schön lang, gell? Erz: (nickt, Arme verschränkt, Blick zu A) Des war ne ganz große, genau. A: (lächelt, Blick nach vorne) Ja, da hatten nämlich ein paar Kinder. Ich hab mich gar nicht getraut. (zieht den Kopf zwischen die Schultern, lächelt, kurzer Blick zur Erz) Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A) Ne. Aber die ist ja gar net glitschig. Obwohl die so glitschig aussieht. (schaut länger zu A, die nach vorne guckt) Einige Kinder hatten sie um den Hals. A: (Blick zur Erz) Mh. (will Blick abwenden, Erz redet weiter, A hält Blickkontakt) Erz: (Arme verschränkt, Blick zu A) Die haben dann die Kinder eingeladen, um mal in den Zirkus zu kommen. – Der hat uns ja auch so Karten gegeben letztes Jahr. A: (Blick nach vorne) Ja, aber ich war da gar nicht hingegangen. (Blick zur Erz, Lächeln verschwunden)
241
Signale D-I, D+F, D+Z (wie Kind)
D-sa D+I, Fr geschlossen
AL, D+I PR+, KE, D+I AL, W+?, D+I PR+, E, D+I, AZ W+…, D+I, D+E, L
PR+, KE, US, D+I
A-, D-sa D+I, D-F
AL, D+I
242
Nr.
48
49 50 51
52
83
84 85
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog Erz: (Arme verschränkt, schaut unter sich) Ja, und wir waren dort und dann ist die Vorstellung ausgefallen. (Blick zu A, die guckt unsicher/abwesend in den Raum) Weil nur ganz wenig Leute gekommen sind. Hammer unser Geld wieder gekriegt. (Blick zu A) Müssen mer wieder nach hause. A: (schaut Erz mit großen Augen an, dann in die Luft, drückt Stift in ihre Wange) Mh. Erz: (Arme verschränkt, nickt leicht mit dem Kopf, Lippen zusammen) Mh. A: (schaut in die Luft, ihr Stift fällt runter, sie hebt ihn auf, sagt währenddessen) Also des war ausgefallen. Erz: (Arme verschränkt, schaut vor/unter sich) Mh. Wegen 5 Leuten machen die halt keine Vorstellung. (kurzer Blick zu A, dann in die Kamera) A: (malt) Ich war da mit mei´m Opa. – Ich hab zwei Opas. (Blick zur Erz, dann vor sich) Und drei Omas schon mal gehabt. Aber jetzt hab ich nur noch zwei, weil eine gestorben ist. (Blickt mit großen Augen zur Erz) Erz: (Arme verschränkt, Blickkontakt, Lippen aufeinander, nickt, wendet sich B zu) Und wie viel Omas hast du, B? A: (schaut zur Erz, dann kurz zu B, malt dann weiter)
Signale PR+, KE, D-I
D-Abw D-I A-, D-Abw D-I W+E/Z, S/E (geht auf Erz ein) PR+, RE, D-I
W+…, D+I, D+E, L
PR+, KE, IS D-F, Fr offen AN, D+I, D-sa
Im ersten Szenenausschnitt macht A zwei Versuche, sich aus dem Gespräch mit der Fachkraft auszuschalten. Während die Erzieherin freudig lächelnd wie ein Kind von ihrer Schlange erzählt, erscheint das Mädchen an diesem Thema nicht sehr interessiert. Zwar spiegelt sie freundlich lächelnd die Aussagen der pädagogischen Fachkraft, doch sind ihre Antworten eher knapp (27: „Mh. Ganz klein.“) oder lediglich nonverbal (29: Lächeln). Da die Erzieherin das geringe Interesse des Mädchens übergeht und weiter erzählt (30: „Und des ist noch ne ganz junge.“), reagiert A abermals knapp (31: „Mh.“), schaut auf ihr Blatt und malt weiter. Die nächste Mitteilung der Fachkraft beantwortet sie nicht mehr. Das Mädchen wendet sich ab und malt (33). Im weiteren Verlauf der Szene setzt die Erzieherin das Gespräch über Schlangen fort und verknüpft es mit einer Be-
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
243
gebenheit im Kindertagesstättenalltag (34). Obwohl A nun interessierter scheint als zuvor und sich ausführlicher zum Besuch der Zirkustiere im Kindergarten äußert (35, 37, 39) antwortet sie am Ende des Abschnitts wieder knapp (41: „Mh.“). Der Grund hierfür könnte sein, dass sie zuvor ihre Gefühle angesprochen hat (39: „Ich hab mich gar nicht getraut.“) und die Erzieherin diese jedoch nicht aufgegriffen hat (40: „Aber die ist ja gar net glitschig.“). Dass A sich nun abwenden und weiter malen möchte, entgeht der Erzieherin ebenfalls (41). Unbeirrt setzt sie ihre Erzählung fort und berichtet, dass die Kinder vom Zirkus eingeladen worden wären (46). A hält den Blickkontakt mit der Fachkraft und hört ihr weiterhin zu (47). Als die Erzieherin abermals nicht auf ihren Interaktionsbeitrag eingeht (47: „Ja, aber ich war da gar nicht hingegangen“), wirkt das Mädchen unsicher und schaut abwesend in den Raum (48). Verstärkt wird dieses Abwesend-wirken dadurch, dass A auf den weiteren Bericht der Erzieherin wieder nur knapp reagiert (49: „Mh.“) und anschließend in die Luft schaut sowie ihren Stift versunken in ihre Wange drückt (49). Ein letztes Abwenden von A ist zu verzeichnen, als die pädagogische Fachkraft lediglich äußerst reduziert und nicht angemessen auf die Schilderung des Mädchens über den Tod ihrer Großmutter eingeht (83: „Ich war da mit meim Opa. – Ich hab’ zwei Opas.“, „Und drei Omas schon mal gehabt. Aber jetzt hab’ ich nur noch zwei, weil eine gestorben ist.“). Obwohl A damit von einem Erlebnis berichtet, das sie offensichtlich sehr bewegt hat, greift die Erzieherin die Gefühle von A nicht auf und reagiert mit verschränkten Armen, zusammengepressten Lippen, einem stummen Blickkontakt und einem kurzen Nicken (84). Anschließend wendet sie sich B zu (84). Auch inhaltlich blockt die Fachkraft das Thema Sterben und Tod ab und bringt das Gespräch auf eine harmlose Ebene (84: „Und wie viele Omas hast du?“). A verfolgt für einen kurzen Moment den Austausch zwischen ihrer Erzieherin und B, scheint dann aber zu realisieren, dass kein weiterer Austausch mit der pädagogischen Fachkraft stattfinden wird. Sie wendet sich folglich wieder ihrer Tätigkeit zu (85). Das Verhalten der Erzieherin hat somit dazu geführt, dass A´s anfängliches Interesse, sich bezüglich ihrer Gefühlswelt mitzuteilen, in dieser Interaktion zum Erliegen kommt.
244
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Ausschnitt 8.24: Szene 24 – Angeleitetes Basteln; Sequenz 20 bis 30 Nr.
20
21
22 23 24
25
26 27
28
29
30
Dialog Erz: (beugt sich zu A, lacht) Klasse! Guck mal. (legt ihr die zweite Seite der Laterne hin, zeigt ihr, was sie machen soll, A ist kurz durch die 2. Erz abgelenkt, die man in der anderen Ecke hört, sonst schaut A auf die Laterne, Erz wendet sich B zu, Blickkontakt, fragt ihn etwas Unverständliches in Bezug auf den Kleber, kurzer Blickkontakt, nicken beide) B: (nimmt die Klebeflasche, um zu kleben, Erz hält die Flasche mit fest, führt die Flasche, A schaut ihnen zu, bastelt nicht weiter) Erz: (Blick auf das Papier, klebt jetzt allein) So, noch ein kleines bisschen. (stellt die Flasche ab, nimmt das Transparentpapier) B: (schaut auf sein Laternenteil) A: (stützt ihren Kopf auf die Hände, schaut vor sich) Erz: (hält das Transparentpapier über B´s Laternenteil, Blick auf das Papier) Guck mal, jetzt kannst du das hier drauf kleben. (klebt es selbst auf ohne Blickkontakt, bedeutet ihm mit den Händen, dass er es glatt streichen soll) B: (versucht es glatt zu streichen) A: (beobachtet B) Erz: (schaut kurz, nimmt seine Hände und streicht es mit ihm glatt) So. Mach mal. (sucht ein Stück Transparentpapier für eine freie Stelle) Oh nein. Das ist zu klein. (schneidet ein passendes Stück Papier ab, ohne Blickkontakt, gibt es ihm) Des darfst du auf den kleinen Stern kleben. B: (klebt es dahin, A schaut die ganze Zeit nur zu) Erz: (wirft ein Stück Papier weg, schaut dann auf die Stelle, ohne Blickkontakt) Super. Noch ein bisschen da drauf. (nimmt seine Hand und drückt mit B das Transparentpapier fest, nimmt die Seite der Laterne weg ohne Kommentar und Blickkon-
Signale PR+, E, LKL, D+I D+V, STK, Hilfestellung D+I, D-Abg D-sa, D+I D+I, (FR, org) D+V, D+I D+I, STK, Hilfestellung D+I, D-Abg STK STK D+I, D-Abw D-Abw, D-G
Anweisung STK STK, Anweisung D+I D+I, D-Abg STK Anweisung STK Anweisung
D+I, D+I, D-Abg D+I, LKL, STK, Anweisung
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr.
Dialog takt, wendet sich A zu, sagt etwas Unverständliches zu ihr, gibt ihr die Prickelnadel in die Hand)
245
Signale D-sa D+I
Wenden sich die Kinder in den anderen Szenen von sich aus ab, ist in Szene 24 ein fortwährender Wechsel zwischen „aufflackerndem“ und „abfallendem“ Interesse bei den Kindern zu bemerken. Im gesamten Verlauf der Szene wirken das Mädchen A und der Junge B teils interessiert, teils aber auch abwesend oder gleichgültig. Hinzu kommt, dass sie immer wieder abgelenkt werden. Dies trifft bereits zu Beginn des Transkriptionsausschnitts auf A zu, die zunächst durch eine zweite Erzieherin abgelenkt ist (20) und sodann auch ihre Bastelarbeit unterbricht, weil sie zu B und zur Fachkraft schaut (21). B wirkt im selben Moment abwesend und betrachtet seine Laterne (23), die die Erzieherin im Grunde gerade alleine für den Jungen bastelt (ab 23). Das nicht stimulierende und von Anweisungen geprägte Verhalten der Erzieherin hat zur Folge, dass auch A mittlerweile ihren Kopf auf die Hände gestützt hat und dadurch abwesend und gleichgültig wirkt (24). Erwacht später B´s Interesse am Basteln der Laterne und versucht er, das Papier glatt zu streichen (26), beobachtet A lediglich den Jungen (27). Zum einen ist das Mädchen wohl interessiert daran, was B tut, zum anderen ist sie jedoch auch abgelenkt und nicht mit vollem Interesse bei ihrer eigenen Arbeit. Für den weiteren Verlauf der Szene trifft dies ebenfalls zu: A schaut B weiterhin zu (29). Ausschnitt 8.25: Szene 30 – Trösten; Sequenz 13 bis 23 Nr.
13
14 15 16
Dialog Erz: (kniet neben A, Blick zu A, sanfte Stimme) Dann kannst du jetzt aufhören zu weinen (unterbricht den Blickkontakt, richtet sich auf, nimmt ein Taschentuch) und dann geb´ ich dir ein Tempo. (wischt ihr die Augen) Du hast nämlich gar keinen Grund momentan. Die J kommt dann wieder und dann kommt sie wieder zu dir. OK? (Blickkontakt) A: (schluchzt, schaut nach vorne, nickt, schaut dann zur Erz) Erz: (kniet neben A, Blick zu A, sanfte Stimme) Willst du die Steckperlen hier noch machen? A: (nickt, Blickkontakt mit Erz)
Signale D+I, STK, US
D+I, AS D+I, D+V D+I, Fr rhetorisch, AS AN, D-Abw, D+I, D+E D+I, Fr geschlossen AN, D+I, D+E
246
Nr. 17 18 19 20 21 22 23 24
25
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog Erz: (kniet neben A, Blick zu A, sanfte Stimme) Wenn die J wieder kommt, sag´ ich, dass du hier bist, OK? A: (schluchzt noch leicht, Blick nach vorne, nickt) Erz: (kniet neben A, Blick zu A, sanfte Stimme) Soll sie dann zu dir kommen? A: (nickt, Blick nach vorne) Erz: (kniet neben A, Blick zu A, stupst sie sanft am Arm, sanfte Stimme) Steckst du das ein? A: (nickt, greift nach dem Taschentuch, Blick zur Erz) Erz: (kniet neben A, gibt ihr das Taschentuch, A steckt es ein, Blick zu A, sanfte Stimme) Und jetzt kannst du aufhören zu weinen, OK? A: (steckt das Tasschentuch ein, schaut dabei zur Seite, schluchzt) Erz: (richtet sich auf, Blick zu A) Dann sag ich der J, dass sie zu dir kommen soll, wenn sie fertig ist, OK. (A schaut zu Erz, kurze Blickabstimmung, Erz steht auf und geht)
Signale D+I, Fr rhetorisch, AS AN, D-Abw, D+I, D+E D+I, Fr geschlossen, AS AN, D-Abw, D+I, D+E D+I, Fr geschlossen AN, D+I PR+, E, D+I D+I, Fr rhetorisch, US
D+I, Fr rhetorisch, AS AN, D+I D+I
Dass ein Sich-abwenden oder Abwesend-wirken nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass Kinder nicht interessiert „bei der Sache“ sind oder ein Interesse verlieren, sieht man am Beispiel des Ausschnitts aus Szene 30. Das Mädchen A sendet ausschließlich nonverbale Signale und zeigt durch ihr Weinen, dass sie sehr traurig ist (ab 14). Die Erzieherin nimmt die Gefühle des Mädchens im überwiegenden Teil der Szene ernst und passt ihr Verhalten entsprechend an. Auf Augenhöhe neben A kniend versucht sie das Mädchen in ruhigem Tonfall zu beruhigen (13: „Die J kommt dann wieder und dann kommt sie wieder zu dir. Ok?“). Schluchzend nickt A daraufhin (14). Da sie jedoch zunächst unter sich schaut und erst kurz darauf Blickkontakt mit der Erzieherin herstellt, erscheint das Mädchen emotional bewegt und abwesend zugleich. Mit unveränderter Körperhaltung und Stimmlage versucht die Fachkraft A weiterhin zu beruhigen und abzulenken. Betrachtet man die Reaktionen des Mädchens, fällt auf, dass sie die Erzieherin bei den Ablenkungsversuchen anschaut (16, 22) (15: „Willst du die
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
247
Steckperlen hier noch machen?“, 21: „Steckst du das ein?“), den direkten Blickkontakt jedoch vermeidet (18, 20), wenn die Erzieherin sie auf den Grund ihrer Traurigkeit anspricht (17: „Wenn die J wieder kommt, sag ich, dass du hier bist, Ok?“, 19: „Soll sie dann zu dir kommen?“). In diesem Fall spricht das abwesende Vor-sich-schauen nicht für ein geringeres Maß an Interesse, sondern für eine stärkere emotionale Beteiligung des Kindes. Dass sich die innere Regung des Mädchens am Schluss der Szene zu legen scheint, erkennt man, als sich A mit der Erzieherin nach dem letzten Trost mit Blickkontakt abstimmt (25: „Dann sag ich der J, dass sie zu dir kommen soll, wenn sie fertig ist, Ok.“).
8.2.6 Wechselwirkungen zwischen dem kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhalten Pädagogische Fachkräfte können durch die Art und Weise ihres Antwortverhaltens kindliche Interaktionsbeiträge beeinflussen. Im Folgenden soll nun dargestellt werden, inwiefern auch Kinder selbst das Interaktionsverhalten der Erzieherinnen beeinflussen. Es wird aufgezeigt, in welcher Wechselwirkung die kindlichen Reaktionen und das daraus resultierende Antwortverhalten der Fachkräfte stehen. Exemplarisch für insgesamt 14 Szenen wurden Ausschnitte aus neun Szenen ausgewählt, die belegen, dass Kinder das Interaktionsverhalten der Fachkräfte verändern können. Betrachtet man die Sequenzen 19 bis 40 aus Szene 1 (Ausschnitt 8.1, S.185) fällt auf, dass die pädagogische Fachkraft in einem kurzen Szenenabschnitt nicht angemessen auf das Mädchen reagiert und es mehrfach in ihrem Redefluss unterbricht (26 – 30)93. Das wichtige Lebensweltthema hat das 3. Kind allerdings dazu motiviert, den Unterbrechungen standzuhalten, engagiert „dranzubleiben“ und hartnäckig die Aufmerksamkeit der Erzieherin einzufordern. Insgesamt dreimal setzt das Mädchen an, um davon zu erzählen, dass sie ein Flugzeug gesehen hat (27, 29, 31). Dem dritten Signal verleiht sie einen besonderen Nachdruck: Sie verändert den Tonfall ihrer Stimme, die nun leicht „genervt“ klingt, und macht zusätzlich je eine ruckartige Bewegung mit ihrem Kopf und Arm nach unten (31). Von diesem Moment an lässt die Erzieherin von ihren Unterbrechungen ab und reagiert wieder mit hoher Feinfühligkeit auf das Kind (32). Nicht zuletzt steigt parallel dazu auch das Interesse des Mädchens an. Dieses äußert sich im Vorbeugen mit dem ganzen Körper, im Herstellen eines intensiven Blickkontakts mit der pädagogischen Fachkraft, dem Unterbrechen ihres Puzzles (33), und dem ausführlichen Schildern ihres Erlebnisses (ab 33). 93 Vgl. Kapitel 8.1.4 Beschreibung eines sensitiv-responsiven und eines wenig feinfühligen pädagogischen Verhaltens, S.184ff
248
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Ruft man sich Szene 2 in Erinnerung94, wird ersichtlich, dass Kinder die Aufmerksamkeit der Fachkraft zurückgewinnen und deren Interaktionsstil verändern können, indem sie die Art ihrer Signale wechseln. Der Junge 1 in Szene 2 hat zu Beginn der Interaktion ausschließlich Aussagen getroffen. Mit der Zunahme eines wenig sensitiv-responsiven pädagogischen Antwortverhaltens fing er an, diese Aussagen mit dem zweiten Jungen auszutauschen, bevor er sich mit einem beständigen Fragen an seine Erzieherin richtete. Zusätzlich berührte er diese am Arm und erlangte nach dem ablenkenden Gespräch mit der Kollegin die Aufmerksamkeit seiner Erzieherin zurück. Obwohl nicht sicher konstatiert werden kann, dass der Junge das angemessenere Antwortverhalten der Fachkraft durch die Änderung seiner Signale erzielt hat, fällt auf, dass das nun fortlaufende Fragen des Kindes mit einer höheren Aufmerksamkeit der pädagogischen Fachkraft einhergeht. Ähnlich wie der Junge 1 in Szene 2 erreicht J in Szene 8 durch sein beständiges Fragen die (geteilte) Aufmerksamkeit der Erzieherin (3). Diese ist damit beschäftigt, etwas für die Kindergruppe zu basteln und reagiert deshalb häufig nicht mit „Sensitiver Responsivität“ (4). Um seinen Fragen mehr Gewicht zu verleihen, nutzt J ebenfalls nonverbale Kommunikationswege und tippt auf die Fotos auf dem Tisch (3). Mit starker Verzögerung reagiert die pädagogische Fachkraft nun auf den Jungen, bastelt jedoch weiter und stellt keinen Blickkontakt her (4). Ausschnitt 8.26: Szene 8 – Vorbereitung; Sequenz 3 bis 6 Nr.
3
4
5
Dialog Signale J: (schaut sich Fotos an) Von Y bin ich… Ist des W+?, D+I, FI; auch der Y? (Blick zur Erz, tippt auf das Bild) Ist W+?, W+x, das auch der Y? (tippt noch mal auf das Bild) Des? W+NA, D+I, FI W+?, W+x, D+I, FI Erz: (klebt, kein Blickkontakt, nach einer Weile SVR, KE, D-Abg; wendet sie sich zu J, kein Blickkontakt) Ja, da muss ich jetzt des Schönste raussuchen. Such mir D+I, Fr offen; mal des Schönste raus. Was meinst du, was des Schönste für´n Y ist? (klebt weiter, kein D-Abg Blickkontakt) J: (zeigt auf eins) AN, D+I
94 Vgl. Kapitel 8.1.4 Beschreibung eines sensitiv-responsiven und eines wenig feinfühligen pädagogischen Verhaltens, S.184ff
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr. 6
Dialog Erz: (kein Blickkontakt) Des find ich auch. En gude Geschmack hast Du.
249
Signale PR-, E, LPL
Ist Szene 4 in erster Linie dadurch bestimmt, dass die Erzieherin die Kinder „abfragt“ (33) und ihnen durch diese Interaktionsform keine Gelegenheit zum Mitteilen eigener Gedanken lässt, gelingt es L mit dem „Rein rufen“ ihrer Lebensweltäußerung (36: „Meine mal nicht“), den Interaktionsmodus zu unterbrechen. Die pädagogische Fachkraft geht nun auf das Mädchen ein (ab 37) und begibt sich kurz darauf auf Augenhöhe des Kindes (43). Damit wird sie dem emotionalen Gehalt der kindlichen Signale gerecht. Allerdings geht die Erzieherin auf eine ebenfalls herein gerufene Lebensweltäußerung des 4. Kindes (42: „Der B, der ist gekommen.“) nicht ein und stellt stattdessen einen Zusammenhang her zwischen L´s Mitteilung und dem Inhalt der vorgelesenen Geschichte (43). Das durch L bewirkte sensitiv-responsive Antwortverhalten wirkt rückblickend deshalb instrumentalisiert. Ausschnitt 8.27: Szene 4 – Vorlesen; Sequenz 33 bis 43 Nr.
33
34 35 36 37 38 39 40
Dialog Erz: Wer von euch.. (Blick in die Gruppe, Junge bleibt bei der Erz) .. hat zu seinem Geburtstag seinen besten Freund eingeladen? (Kinder melden sich, Junge auch, Erz blickt in die Gruppe) Und ist der beste Freund auch gekommen? Ki: Jaaa!! (durcheinander) Erz: Sind eure Freunde … L: Meine mal nicht. Erz: (schaut zu ihr runter, Kinder auch) Deine nicht. Und wenn der Freund kommt, L, wie ging´s dir denn da? Als der Freund nicht kam. L: Traurig. Erz: Warst du traurig. L: Und ich hab … aber meine anderen zwei Freundinnen die, die…
Signale D+I, D+V, D+I AN, D+I, D+I, RE; D+I (kein I am einzel. Kind), US, Fr geschl. A-, D+I, D+A KE, US, Fr geschlossen W+E/Z, D+I, D+E, L D+I; PR+, E, D+I, SP, Fr offen, D+V, AS Af, D+I, D+E, PR+, E, D+I, SP W+…, D+I, D+E, L
250
Nr. 41 42
43
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog Erz: … die waren da. (geht auf die Knie runter zu L, Blickkontakt zu L) Des war schon mal was. 4. Ki: (rein gerufen, nicht im Bild) Der B, der ist gekommen. Erz: (Blick zu 4. Ki, dann sofort ins Buch, dann zu L) Du kannst verstehen, L, du kannst verstehen, dass die Lisbeth jetzt traurig ist, weil ihre beste Freundin (geht runter auf die Knie, kurz unterbrochener Blickkontakt mit L) die Katze gar nicht da ist, gell. (sitzt jetzt direkt neben L, Kopf zu L gewandt, L nickt) Die L kann des verstehen. (Blick ins Buch, blättert, L schaut ins Buch, anderes Mädchen zeigt ins Buch, will Türchen öffnen) Du kannst mal die Tür zu lassen! (nimmt Buch weg und hält es hoch in die andere Richtung kurz zu L, geht wieder auf die Knie nach oben, Mädchen dreht sich nach kurzem Zögern weg) So. In der Tür ist was drin. Vielleicht kann das jemand erkennen. Ich weiß noch nicht, was es ist. (hält das Buch hoch und zeigt es herum, Türchen ist geöffnet)
Signale ZSR, E, D+I, H W+…, D+I, D+E, L PR+, KE, IS, US, D+V;
AS, AN, D+I, D+E; W+NA, D+I, B; PR+, KE, Sabsch; D-V/D+V;
D-sa; St, D+V, Aufforderung
Hatten die Kinder 1, 2 und E es in einem ersten Teil der Szene 12 schwer, die Aufmerksamkeit der erschöpft und angestrengt wirkenden Erzieherin zu bekommen und wandten sich die drei wegen einer weiteren Ablenkung schließlich ganz ab95, erreicht das 5. Kind die Fachkraft mit seinem Hilfegesuch sofort und anhaltend (61: „Erz, der D hat von uns, hat der was kaputt gemacht.“). Anders als zuvor geht die Erzieherin prompt und mit Blickkontakt auf das Problem des Kindes ein (62). Mit teils stimulierenden Fragen (62, 64, 75) versucht sie, den Konflikt unter den Kindern beizulegen. Jedoch klingen die Fragen der Fachkraft zunächst automatisiert (62: „Und jetzt?“, 64: „Und was machen wir da jetzt.“) und sie erscheint etwas „genervt“ (71). Trotzdem versucht sie gleichzeitig, mit etwas mehr Engagement auf die Kinder einzugehen, und greift die Emotionen des 6. Kindes auf, das sie weinend auf ihren Schoß nimmt (69). Von der Müdigkeit und Erschöpfung der Erzieherin ist bis zum Zeitpunkt der Problemlösung
95
Vgl. Ausschnitt 8.20, S.238
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
251
nichts mehr zu spüren (73 – 81). Somit kann auch der Inhalt eines kindlichen Signals zur Veränderung des pädagogischen Antwortverhaltens führen. Ausschnitt 8.28: Szene 12 – Erzieherin hat Zeit; Sequenz 61 bis 81 Nr. 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
72 73 74 75
Dialog 5. Ki: (kommt, zur Erz) Erz, der D hat von uns, hat der was kaputt gemacht. Erz: (Blick zu 5. Ki, klingt automatisiert) Und jetzt? 5. Ki: Und jetzt. Wir mögen des nicht, dass der was von uns kaputt macht. Erz: (Blick zu 5. Ki, klingt automatisiert) Und was machen wir da jetzt? 5. Ki: (steht am Tisch, schaut auf seine Hände) Guck der D … 6. Ki: (kommt gleichzeitig zur Erz, weint) Erz: (Blick auf 5. Ki, dreht Körper zu 6. Ki, schaut sie an, hält sie an den Armen) Was ist los? 6. Ki: (Blick zur Erz, sagt weinend) Wir wollen damit spielen, und der hat es uns abgenommen. Erz: (greift sie unter den Armen, nimmt sie auf den Schoß, Blickkontakt) Wer denn? 6. Ki: (weinend) Der D. Erz: (schmiegt sie an sich, sagt mit komischer, genervter Stimme) D, komm mal her. (D sagt schon etwas Unverständliches) Komm mal her. Was war los? D: (im Laufen) Sie hat des einfach steh´n gelassen. (ist jetzt bei Erz) Sie hat des einfach da steh´n gelassen. Erz: (Blick zu D) 6. Ki: (mit Blick zu D) Aber der (unverständlich) war mir. (erklärt es weiter, unverständlich) Erz: (nach kl Pause und mit Blick zu D) Und wie wollen wir des jetzt lösen, des Problem?
Signale W+E/Z, D+I, H PR+, E, D-F, Fr offen, St AL, D+I, RE PR+, E, D-F, Fr offen, St AB, D+I, RE W+NA, D+I, D+E, H PR+, E, D+I, Fr offen
AB, D+E, RE PR+, E, D+I, AS, Fr geschlossen Af, D+I, D+E PR-, E, D-Er, Aufforderung; D+I, Fr offen AB, D+I, RE
D+I W+…, D+I, D+E, RE PR+, E, D+I, Fr offen, St
252
Nr.
76 77 78 79 80
81
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog Das beide glücklich sind. Was machen wir da? Was kann man da jetzt machen? D: (schaut erst unter sich, zuckt mit den Schultern, schaut zur Erz, dann wieder auf die Sache, die er in der Hand hält) Erz: (nach kurzer Pause mit Blick auf D) Sind nicht genug Sachen für alle da? 6. Ki: (Blick zu D) Ja, und die Sachen, die hatten wir alle. Die dürfen die nicht mehr. Erz: (Kopf zu 6. Ki gewandt) Aber man kann doch mal was abgeben, oder? 6. Ki: (Blick zur Erz) Nein, die (unverständlich) die haben des kaputt gemacht. Erz: (Blick auf D) So, D, dann zeigst du ihm mal, was kaputt ist. Und der D baut´s wieder auf, was er kaputt gemacht hat. (Blick zu D, 6. Ki klettert vom Schoß, sie gehen gemeinsam in die andere Ecke)
Signale
AN
D+I, Fr geschlossen/rhetorisch AB, D+I, RE PR+, E, D+I, Fr geschlossen, STK AB, D+I, RE PR+, E, D+I/D-Er, STK Lösung vorweg greifen/Aufforderung, Gehorchen
Eine weitere Form, das Dialogverhalten von pädagogischen Fachkräften zu verändern, besteht darin, sehr ausdrückliche Hinweise zu geben. Das 3. Kind in Szene 16 hat seiner Erzieherin unmissverständlich klar gemacht, dass es noch etwas sagen möchte (27). Dazu unterbricht es die fortwährend auf die Uhr schauende und dadurch gehetzt wirkende Fachkraft in ihrem Redefluss. War die Erzieherin zuvor damit beschäftig, den Erzählkreis zu organisieren, das spätere Aufräumen in die Wege zu leiten und einige unruhige Kinder zur Ordnung zu rufen (26), hört sie dem 3. Kind nun zu (28), spiegelt seine Signale und stellt interessiert Nachfragen (30, 32). Sich der Aufmerksamkeit der pädagogischen Fachkraft gewiss, kann das Kind nun erzählen, was es an Helloween macht (29, 31, 33).
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
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Ausschnitt 8.29: Szene 16 – Erzählkreis; Sequenz 26 bis 34 Nr.
26
27 28 29 30 31 32 33 34
Dialog Erz: (Blick zu 2. Ki) Wir gehen im Dunkeln, uuhhh, gruselig. (macht mit den Händen ein Gespenst nach, Blick zu 2. Ki, dann zur Gruppe) Ihr Lieben (klatscht einmal in die Hände, schaut auf die Uhr) Ein bisschen ham wir noch Zeit zum Erzählen. Aber dann müsst ihr mir auch versprechen, ganz ordentlich aufzuräumen. (zu P) P und R, tauscht ihr bitte mal die Plätze? R gehst du mal auf den Platz vom P? Weil der P nämlich nur Quatsch macht. R steh mal auf, tausch grad mal mit dem P. Der kann sonst gar nichts verstehen. Und … 3. Ki: (fällt ins Wort, Blick zur Erz) Ich möchte was sagen. Erz: … hier zuhören. (dreht sich zu 3. Ki, Blickkontakt) Ja. 3. Ki: (intensiver Blick zur Erz) Äh. – Meine Schwester und ich gehen alleine. Erz: (intensiver Blick zu 3. Ki) Wo geht ihr alleine hin? 3. Ki: (intensiver Blick zur Erz) Zum Helloween. Erz: (intensiver Blick zu 3. Ki) Du gehst mit deiner Schwester alleine? Aber die ist doch noch so ganz klein. (Handzeichen für Größe) 3. Ki: (intensiver Blick zur Erz) Pass auf die auf. Erz: (intensiver Blick zu 3. Ki) Du passt auf die auf. Das ist ja toll.
Signale PR+, E, AS, D+I, D+F; D-Geh Org; FhR, Fr rhetorisch, D+V, Anweisung, org
W+E/Z, D+I VR, E, D+I W+…, D+I, D+Z, L PR+, E, D+I, SP, Fr offen Af, D+I, D+Z PR+, E, D+I, Fr rhetorisch Af, D+I, D+Z PR+, E, D+I, SP, LW
Mit einem ähnlich ausdrücklichen Aufmerksamkeitsgesuch wie das Kind in Szene 16 erreicht auch A in Szene 24 ihre Erzieherin, die damit beschäftigt ist, eine Laterne für den Jungen B fertig zu stellen. Als ihr die pädagogische Fachkraft die Prickelnadel gibt, protestiert das Mädchen (31: „Ich hab doch schon mal“). Mit diesem Protest bewirkt sie ein kurzzeitiges „Aufflackern“ von Interesse seitens der Fachkraft. Mit Blickkontakt und angestrengter Stimme richtet sie eine Erklärung an das Kind (32: „Du brauchst doch zwei Teile für die Later-
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
ne.“, „Zwei Stück brauchst du.“). Noch während sie spricht, wendet sich die Erzieherin allerdings wieder dem Jungen zu (32). Ein etwas intensiveres Eingehen der Fachkraft erzielt das Mädchen dagegen am Ende des Interaktionsabschnitts mit einer Lebensweltäußerung (40: „Da hab ich mir mal in den Finger geprickelt.“) sowie einer späteren Ausweitung und Wiederholung der Aussage (44: „Damals war ich nur noch drei Jahre.“, 46: „Da hab ich mir in den Finger geprickelt.“). Ihre Signale unterstreicht sie mit einem intensiven Blickkontakt, lauter Stimme und entsprechenden Handbewegungen. Die Erzieherin hält in ihrem eifrigen Tun inne und geht, um ein gegenseitiges Verstehen bemüht, auf das Mädchen ein (41: „Aber jetzt nicht mehr. Jetzt bist du ja schon vier Jahre, gä.“). Dabei erwidert sie den intensiven Blickkontakt, gestikuliert zur Verdeutlichung und stellt einen leichten Körperkontakt mit dem Kind her. Obwohl sie auch auf die nächste ausweitende Aussage des Mädchens eingeht (45), lässt sich die Fachkraft immer wieder ablenken (43: Schere suchen, 45: Laterne anschauen). Dies führt dazu, dass sie auf das letzte Signal des Mädchens wieder nur reduziert mit einem kurzen Blick und Streicheln reagiert und sich schließlich schnell einer Kollegin zuwendet (47). Ausschnitt 8.30: Szene 24 – Angeleitetes Basteln; Sequenz 30 bis 47 Nr.
30
31
32
33
Dialog Erz: (wirft ein Stück Papier weg, schaut dann auf die Stelle, ohne Blickkontakt) Super. Noch ein bisschen da drauf. (nimmt seine Hand und drückt mit B das Transparentpapier fest, nimmt die Seite der Laterne weg ohne Kommentar und Blickkontakt, wendet sich A zu, sagt etwas Unverständliches zu ihr, gibt ihr die Prickelnadel in die Hand) A: (Blick auf Laterne und Nadel, Blick zur Erz) Ich hab doch schon mal. Erz: (stellt jetzt erst Blickkontakt her, mit angestrengter Stimme) Du brauchst doch zwei Teile für die Laterne. (wendet sich B zu, legt ihm eine neue Seite hin, dann beugt sie sich zu A, Blick zu ihr) Zwei Stück brauchst du. (A prickelt, Erz klebt B´s Laterne) (B hat nur die Hand an der Flasche, beobachtet Flaschenführung, Erz stellt die Flasche weg, nimmt Transparentpapier, ohne Blickkontakt) Jetzt kannst
Signale D+I, LKL, STK, Anweisung D-sa D+I W+E/Z, D+I, L PR+, KE, D+I, D+V, D-Er STK, Anweisung, D-sa; D-sa D+V, Anweisung D+I, STK D+I, D-Abw? STK STK, Anweisung
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr.
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
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Dialog Signale du´s wieder drauf kleben. (Erz klebt es selbst, B STK drückt nur den Rand fest, schneidet überstehendes Papier ab) C: (hält Laternenseiten zur Erz, Blick zur Erz) W+E/Z, D+I, Z Fertig. Beide. Erz: (ohne aufzuschauen, bastelt an A´s Laterne) Oh. PR-, RE, LL-, D-Abg C: (legt die Seiten vor sich, stützt den Kopf auf die D-G, D-Abw Hand und starrt auf die Seiten) Erz: (schaut jetzt erst zu C) So. Wo hast´en deine Fr offen org, D+I Schere? Die Weiße? (sucht unter dem Papier auf dem Tisch) A: (Blick zur Erz) Die sind doch vorne in der Af, D+I Bienengruppe. Erz: (wendet sich zu A, schaut sie an, fasst sie leicht PR+, E, D+I am Arm, Blickkontakt) A: (intensiver Blickkontakt) Da hab ich mir mal in W+E/Z, D+I, L den Finger geprickelt. Erz: (intensiver Blickkontakt mit A) Aber jetzt nicht PR+, E, D+I, mehr. Jetzt bist du ja schon 4 Jahre, gä. (zeigt es mit D+V der Hand, fasst sie am Arm) A: (schaut zur Erz) Ja. (verfolgt den Blick der Erz) A-, D+I Erz: (wendet den Blick ab von A, Blick zu B) B, D-sa, guck mal, wo die kleine weiße Schere ist. Anweisung A: (Blick zur Erz, die sich gerade ein Laternenteil W+…, D+I, L nimmt, laut) Damals war ich nur noch drei Jahre. Erz: (Blick zu A) Na, jetzt (betont) bist du ja schon 4 PR+, E, D+I, Jahre, mh. (Blick auf das Laternenteil) D-sa A: (Blick zur Erz, zeigt ihr den Finger) Da hab ich W+…, D+I, L mir in den Finger geprickelt. (macht die entsprechende „prickelnde“ Handbewegung) Erz: (Blick zu A, streichelt ihr leicht den Rücken, lächelt, dann Blick zur 2. Erz)
PR+, RE, D-Abg, D-sa
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Anders als die Kinder in den Szenen 16 und 24 erhält der Junge in Szene 20 aufgrund seines ausdrücklichen Beharrens auf seiner Meinung nicht ein Mehr an (der ohnehin schon hohen) Aufmerksamkeit der Fachkraft, sondern deren höhere Akzeptanz. Am Anfang des Transkriptionsausschnitts hat die Erzieherin Schwierigkeiten, die Sichtweise des Kindes zu akzeptieren. Obwohl J bereits festgestellt hat, dass er seinem Bild nichts hinzufügen möchte (15), lässt die pädagogische Fachkraft seine Meinung nicht gelten und macht den Jungen mehrfach auf Dinge aufmerksam, die ihrer Ansicht nach noch gemalt werden müssen (18: „Was hat die Mama alles?, „Und was fehlt dann?“). J beantwortet die Fragen seiner Erzieherin und kommt deren Anweisungen zunächst nach (19). Als die Fachkraft den Jungen jedoch auf die vermeintlich fehlenden Haare der Mutter hinweist (20), widerspricht er ihr erneut und bleibt diesmal standhaft bei seiner Meinung (21: „Nein.“). Er beantwortet die Nachfragen der Erzieherin (22 – 26), gibt ihr aber deutlich zu verstehen, dass er die Haare nicht mehr malen wird (27: „Aber, das kann ich nicht mehr malen.“). An dieser Stelle scheint sich das Verhalten der Pädagogin zu ändern. Im Gegensatz zum ersten Teil der Interaktion interessiert sie sich nun für die Beweggründe des Jungen und „hakt“ mehrfach nach (28: „Ne? Geht das nicht mehr?“, „Und warum nicht?“, 30: „Hast du denn die Haare am Bauch?“, 32: „Wo sind denn deine Haare?“). Die Erklärungen des Kindes führen schließlich dazu, dass die Erzieherin den Jungen versteht und seine Perspektive nicht nur akzeptiert, sondern ausdrücklich lobt (34: „Am Kopf. Ach, weil die Mama nach oben guckt, sieht man das nicht. Ist richtig. Da haste recht.“, „Super!“). Ausschnitt 8.31: Szene 20 – Gespräche über Bilder; Sequenz 14 bis 34 Nr. 14 15 16 17
18
Dialog Erz: (beobachtet J und schreibt, schaut zu J) Und was fehlt der Mama noch? J: (schaut aufs Bild, dann zur Erz) Nix mehr. Erz: (Blickkontakt mit zusammen gekniffenen Lippen) Doch. Guck mal. J: (schaut abwechselnd aufs Bild und zur Erz) Erz: (Blickkontakt) Guck mal. (kurzer Blick in die Kamera) Guck mal. Was hat die Mama alles? (beugt sich zu J über den Tisch, zeigt mit dem Stift aufs Bild) Die hat Beine und Füße. Und einen Bauch, einen Kopf und ein Gesicht. Und was fehlt dann? (Blick zu J mit zusammen gekniffenen
Signale D+I, Fr offen, StAf, D+I PR+, E, D+I, SPMAufforderung AN, D+I PR+, E, D+I Fr rhetorisch D+V, D+I Fr offen
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr. 19 20 21 22 23
Dialog Lippen) J: (Blick zu Erz) Die Arme. Erz: (Blick zu J, nickt, lächelt) Richtig. (schreibt, J malt, schaut auf J) Jetzt guck noch mal drauf, ob da vielleicht doch noch was fehlt. J: (Blick aufs Bild) Nein. Erz: (Blick zu J) Nein? – Hat die Mama so Haare, so ne Frisur? (zeigt mit dem Stift auf den gemalten Kopf) J: (Blick zur Erz, Gesicht nicht zu erkennen) Erz: (Blickkontakt) Hat die keine Haare?
24 25 26 27
28
29 30 31 32 33
34
J: (Blickkontakt) Doch. Erz: (Blickkontakt, leise) Doch. J: (Blick zur Erz) Aber, das kann ich nicht mehr malen. Erz: (vorgebeugt, intensiver Blickkontakt) Ne? Geht das nicht mehr? (schüttelt dabei leicht den Kopf) Und warum nicht? (Blick zu J, dann aufs Bild) J: (zeigt mit dem Finger aufs Bild) Weil hier doch der Bauch ist. (Blick zur Erz) Erz: (Blickkontakt) Hast du denn die Haare am Bauch? J: (Blick zur Erz) Nein. Erz: (Blickkontakt) Wo sind denn deine Haare? J: (zeigt mit dem Finger aufs Bild, Blick zur Erz) Hier am Kopf. Erz: (Blick aufs Bild) Am Kopf. Ach, weil die Mama nach oben guckt, sieht man das nicht. Ist richtig. Da haste recht. (nickt, schaut J an, dann wieder aufs Bild) Super.
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Signale Af, D+I PR+, E, D+I, AZ, D+I, D-Abg, D+I, Aufforderung, St Af, D+I PR+, E, SP, D+I, Fr geschlossen, St/ SPM-, D+V AN, D+I PR+, E, D+I, Fr geschlossen, St/ SPMAf, D+I PR+, E, SP, D+I W+…, D+I, S/E PR+, E, D+I, Fr rhetorisch D+I, Fr offen, SA AE, D+I PR+, E, D+I, Fr geschlossen Af, D+I PR+, E, D+I, Fr offen Af, D+I PR+, E, SP, D+I, STK AZ D+I, LKL
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Ein letztes Beispiel soll zeigen, dass Kinder nicht zwangsläufig das pädagogische Antwortverhalten beeinflussen, wenn sie die Form ihrer Signale ändern. Obwohl das 3. Kind in Szene 6 mit einer gewissen Hartnäckigkeit beständig „bei der Sache“ bleibt und seinen Signalen durch eine Verlängerung mehr Nachdruck verleiht (65: „Guck doch.“, 73: „Guck doch mal!“, 80: „Guck doch mal, wie lang die ist!“), erzielt es damit keine Veränderung im Interaktionsverhalten der Erzieherin. Diese reagiert entweder lediglich mit einem kurzen Blick auf den Jungen (66), einem Nicken (74) oder überhaupt nicht (81). Ausschnitt 8.32: Szene 6 – Kneten; Sequenz 65 bis 81 Nr. Dialog 65 3. Ki: Guck doch. 66 Erz: (Blick zu 3. Ki, sagt etwas Unverständliches) 67 2. Ki: (kommt mit der Mappe) Was ist des? Erz: (wendet sich zu 2. Ki) Die F hat des 68 gemacht. 69 L: (fragt Erz) Für mich? Erz: (Blick zu L) Weiß ich nicht. F, für wen hast 70 du es gemacht? (Blick zu F) 71 F: Für L. Erz: Aha. (wertschätzend, knotet Mappe zu und 72 gibt sie zurück) 73 3. Ki: Guck doch mal! 74 Erz: (wendet sich zu 3. Ki, nickt) 3. Ki: Ich mach noch ´ne Dicke. (knetet eine 75 dicke Schlange) 76 Erz: (antwortet nicht, wendet sich ihrer Knete zu) 77 3. Ki: (knetet weiter, schaut auf 1. Ki) 1. Ki: (kommt mit Mappe, reicht sie der Erz über 78 den Tisch) Kannst du mir des zumachen? Erz: (Blickkontakt) Oh, kann ich nicht. Da ist nur ein Bändel. Musst es so lassen. (gibt Mappe 79 zurück, schaut bedauernd, knetet weiter, schaut zu den Jungs in der Ecke) 3. Ki: (Blick zu Erz) Guck doch mal, wie lang die 80 ist!
Signale W+E/Z, D+I, Z PR+, E, D+I W+?, D+I, FI PR+, E, D+I W+?, D+I, FI PR+, E, D+I, Fr geschlossen Af , D+I PR+, E, D+I W+E/Z, D+I, Z PR+, E, D+I W+E/Z, D+I, K KR, KE, D-Abg D+I W+?, D+I, H PR+, E, D+I, D+V; D+I, D-Abg W+E/Z, D+I, D+Z, Z
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr.
81
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Dialog Signale Erz: (gleichzeitig zu J) Das ist gut. Das ist ein KR, KE bei 3. Ki, schönes Brot. (nimmt es, tut es auf einen Teller) D+I, LW, St/STK Das können wir ja mal hier alles, was wir an Brot oder Brötchen machen, da drauf legen und dann können wir´s backen. (3. Ki: knetet weiter) D+I
Der Ausschnitt aus Szene 6 steht damit exemplarisch für fünf weitere Szenen (17, 18, 21, 23, 26). In diesen Szenen nutzen Kinder unterschiedliche Wege, um die pädagogischen Fachkräfte auf sich aufmerksam zu machen. Wie das 3. Kind in Szene 6 äußern sie sich beständig und fortlaufend, setzen Fragen ein, sprechen mit nachdrücklichem Ton, gestikulieren oder nennen mehrfach den Namen ihrer Erzieherin. Jedoch sind die Auswirkungen des veränderten kindlichen Interaktionsverhaltens geringer als in den zuvor vorgestellten Szenen oder lediglich für einen kurzen Moment spürbar. Das heißt, dass die Erzieherinnen schnell wieder zu ihrem eigentlichen Interaktionsmodus zurückkehren und demzufolge mehr oder weniger sensitiv-responsiv antworten. Nicht zuletzt muss festgehalten werden, dass in einigen dieser verbleibenden Szenen nicht mit Gewissheit belegt werden kann, dass es tatsächlich ein Kind war, das eine minimale Veränderung im pädagogischen Antwortverhalten bewirkt hat.
8.2.7 „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen Betrachtet man abschließend alle 30 ausgewählten Szenen zusammen, fällt auf, dass die Gewichtung der Redeanteile in einigen „wenig sensitiv-responsiven“ Interaktionen deutlich zugunsten der pädagogischen Fachkräfte ausfällt. Dagegen kristallisieren sich bei den eher „feinfühligen“ Interaktionen solche Szenen heraus, bei denen vor allem die Kinder zu Wort kommen. Bezogen auf das Feinfühligkeitsmerkmal der „Stimulation“ erweisen sich diese kindbestimmten Interaktionen deutlich günstiger. Im Folgenden werden einige Transkriptionsausschnitte aus erzieher- bzw. kindbestimmten Szenen aufgeführt.
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8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Ausschnitt 8.33: Szene 4 – Vorlesen; Sequenz 2 bis 9 Nr.
2
3
4
5
6 7 8 9
Dialog Erz: (durch den Raum) Schön I, dass du J heißt. (strenger Blick und Ton, Reaktion von I nicht ersichtlich) – uund (lang gezogen) was war das Problem? Warum hat sie nicht gefeiert? K? (zeigt das Buch schnell, auf ihrer Höhe, herum) J: Weil sie die Katze suchen muss. Erz: (gespitzter Mund, lächelnd, Blickkontakt mit Mädchen, Buch herumzeigen ohne Blickkontakt) Gut J, dass du K heißt. Aber sehr schön. War richtige Antwort. (Blick ins Buch, einige Kinder sind interessiert, einige abwesend) Genau. (blättert um) I, wo war die Katze? (Stille) Wo war die denn versteckt die Katze? (Blick zu dem Mädchen, Lippen fragend zusammen gekniffen, schnelles Herumzeigen des Buches ohne Blickkontakt mit den anderen Kindern, nicht alle Kinder schauen zum Buch) I: Bei den … Tieren (sehr leise, unverständlich, nicht im Bild) Erz: L, stimmt das? War die Katze im Tierladen? (Blick zu L und ins Buch, Buch herum zeigen ohne Blickkontakt, nicht alle Kinder schauen zum Buch) Ki: Ja, ja. (leise und durcheinander) L: (schüttelt den Kopf, nuschelt etwas, schaut zur Erz) Erz: (Blick zu L, dann ins Buch)
Signale PR+, KE, Abl; ST-, Fr offen; D-Geh D-V AE, D+I PR+, E, Abl freundlich, AuL, AZ; D+I, D-Abw; St-, Fr offen;
D-Geh, D-V; D+I, D-Abw Af KR, KE, STK, STFr geschlossen, D-V D+I, D-Abw A-, D+I A-, D+I KR, KE
In Szene 4 kommen eigene Gedanken der Kinder aufgrund der starken Interaktionslenkung der Fachkraft nicht zur Sprache. Die Vorlese-Situation ist deutlich geprägt durch die Abfragen der Erzieherin. Eine Frage reiht sich an die nächste, wobei die Erzieherin immer eine bereits vorgefertigte Antwort im Kopf hat. Die von der Fachkraft zum Sprechen aufgeforderten Kinder haben somit nur eine Antwortmöglichkeit, die in einigen Fällen von der Erzieherin knapp bewertet wird (4: „Aber sehr schön. War richtige Antwort.“). Manchmal geht sie jedoch nicht auf eine Antwort ein und wendet sich stattdessen einem anderen Kind zu,
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um sich die Richtigkeit bestätigen zu lassen (6: „L, stimmt das?“). Die Kinder können wegen des nicht sensitiv-responsiven Verhaltens der Erzieherin kaum eigene Ideen entwickeln und äußern. Sie kommen insgesamt gesehen kaum zu Wort und werden auf diese Weise nicht zu weiterführendem Denken und Lernen stimuliert. Ausschnitt 8.34: Szene 10 – Angeleitete Lernspiele; Sequenz 75 bis 82 Nr. 75 76 77 78 79 80 81 82
Dialog Erz: (Blick zu A, nickt) Des ist die 5. Und wo ist die 7? Zeig mir mal die 7, A. (kurzer Blickkontakt) A: (beugt sich vor, zeigt sie) Erz: (keine Reaktion auf A, die weiter auf die Klötze schaut) Die M zeigt mir jetzt mal die 3. Ob sie´s noch weiß. M: (sucht die 3, tippt auf eine Zahl) Erz: (ohne Blickkontakt) Nein. M: (noch immer suchend über Würfel gebeugt, tippt auf eine neue Zahl) Erz: (zu M gewandt) Aha. Nicht raten. Richtig gucken. Jetzt zeigt mir mal die A die 8. (Blick auf A) A: (sucht)
Signale PR-, E, D+I, AZ, SP, Fr offen, St AN, D+I KR, KE, AkL, Fv, D+I D+I, St? AN, D+I PR-, RE, FoE AN, D+I PR-, E, Aabw, STK (Abfrage)/St, D+I AN, D+I
Szene 10 ist ebenfalls gekennzeichnet durch das Abfragen, die Aufforderungen und Überprüfungen der Fachkraft. Im ausgewählten Abschnitt wird deutlich, dass sich die beiden Mädchen A und M aufgrund des wenig stimulierenden Verhaltens der Erzieherin nicht verbal äußern und lediglich mit ihren Fingern auf die erfragten Zahlen tippen (76, 78, 80). Dementsprechend ist auch Szene 10 deutlich durch die Pädagogin bestimmt. Ausschnitt 8.35: Szene 14 – Essen; Sequenz 29 bis 37 Nr. Dialog 29 C: (Blick zur Erz) Wo ist die Nutella? Erz: (schaut zu C, lachend) Haste grad hierher 30 gereicht. Brauchst du se auch? 31 C: (lacht, schaut auf ihr Brötchen und
Signale W+?, D+I, FO PR+, E, D+I, Fwb, Fr geschlossen A-, D+I
262
Nr. 32 33 34 35 36
37
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Dialog abwechselnd zur Erz) Ja. Erz: (kurzer Blick zu C) Gleich. (beugt sich zu A) Was wolltest du? A: (kurzer Blick zur Erz, zeigt auf die Brötchen) Brötchen. Erz: (zeigt mit dem Finger auf C) Frag mal die C. Die C sitzt bei den Brötchen. (Intensiver Blick zu A) A: (schaut fragend zur Erz) Erz: (Blick zu A) Sag mal, C, gib mir bitte die Brötchen. A: (leise, leicht nuschelnd, schaut in die Richtung von C, aber gesenkte Augenlieder, hält Hände in ihren Haaren) C, gib mir bitte die Brötchen.
Signale PR+, E, VR, D+I, Fr offen Af, D+I PR+, E, D+I, ST/STK/Aufforderung AN, D+I, H PR+, E, D+I, ST/STK/Aufforderung Gehorcht, D+I
Auch wenn die Erzieherin in Szene 14 ähnlich häufig das Wort ergreift wie die Fachkräfte in den vorherigen Sequenzen und der Redeanteil der an der Interaktion beteiligten Kinder geringer ist, haben die Aufforderungen der Erzieherin eine andere Qualität. Diese bestimmen zwar die Handlungen der Kinder, doch geht es hier darum, die Kinder beim Erlernen von Umgangsweisen zu unterstützen (34, 36). Ob diese Unterstützung jedoch anregender verlaufen könnte, bleibt an dieser Stelle fraglich. Im Gegensatz zu Szene 14 ist die mangelnde Stimulation in Szene 24 (Ausschnitt 8.24; S.244) unbestritten. Auch hier ist die Interaktion durch die Handlungen und Anweisungen der pädagogischen Fachkraft bestimmt. Mit ihrem wenig sensitiv-responsiven Verhalten nimmt die Erzieherin dem Jungen B nahezu jegliche Möglichkeit, Dinge eigenständig auszuprobieren. Stattdessen bastelt sie die Laterne des Kindes im Grunde alleine. Dabei stimmt sie sich nicht durch Blicke mit dem Jungen ab, sondern bedeutet ihm durch Gesten oder kurze Anweisungen, was er tun soll (25: „Guck mal, jetzt kannst du das hier draufkleben.“, 28: „So. Mach mal.“, „Das darfst du auf den kleinen Stern kleben.“). Auffällig ist, dass sie B zumeist keine Gelegenheit lässt, ihre Aufträge in die Tat umzusetzen (22, 25, 28, 30). Der Junge handelt in dieser Situation nicht eigeninitiativ, sondern fremdbestimmt und automatisiert. Er leistet keinen eigenen Beitrag, sondern erfüllt lediglich die Anweisungen seiner Erzieherin (26, 29). Verbal äußert sich B in dieser Szene überhaupt nicht. Betrachtet man seine nonverbalen Signale, sind auch diese äußerst reduziert. Sein anfängliches Engage-
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ment, auf das man durch seinen Griff nach der Klebeflasche schließen kann (21), nimmt im Verlauf der Interaktion stetig ab. Selbst das Aufkleben des Papiers am Ende des Szenenausschnitts entspringt nicht der intrinsischen Motivation des Jungen, sondern ist eher als gehorsames Ausführen der erzieherischen Handlungsanweisung zu betrachten (29). Ein interessegeleitetes und selbstständiges Lernen ist für B in dieser nicht anregenden Interaktion folglich nicht möglich. Erinnert man sich an die Szenen 27 und 28 der Kategorie Konflikte96, stellt man fest, dass auch hier die beiden Erzieherinnen mit der Art und Weise, zu einer Lösung zu kommen, die Interaktionen bestimmt haben. Die an den Interaktionen beteiligten Kinder leisteten außer zu Beginn der Szenen kaum eigene Beiträge und akzeptierten die Bewältigungsangebote der Fachkräfte. Dieses wenig stimulierende pädagogische Antwortverhalten nimmt Kindern jedoch die Möglichkeit, eine Herausforderung bewältigen zu können und dadurch in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt zu werden. Ihnen entgeht damit die Chance, sich gegenseitig zu helfen und selbst Auswege aus schwierigen Situationen zu finden. Nicht zuletzt sei an dieser Stelle erneut auf Szene 22 verwiesen97, die auch in Bezug auf die Gewichtung der Redeanteile einen besonderen Fall darstellt. Obwohl das Mädchen A sich abweichend von den bislang vorgestellten Kindern im Szenenverlauf mehrfach zu Wort meldet, ist es doch die Erzieherin, die mit ihrem Antwortverhalten den Interaktionsverlauf deutlich bestimmt. Die Ausschnitte aus Szene 22 zeigen, dass die von A angesprochenen Themen oftmals nicht ausgeweitet werden und die Erzieherin auf Dinge von persönlichem Belang zu sprechen kommt. In diesem Zusammenhang ändert das Mädchen die eigene Dialogform von eigeninitiativen Aussagen zum Spiegeln und Beantworten der Aussagen der Erzieherin. Sie passt sich folglich dem Antwortverhalten der Fachkraft an, geht auf sie ein, ordnet sich unter und schaut, wo sie wieder einen Raum zum Erzählen findet. Auf diese Weise erreicht A zwar ein höheres Interesse der Erzieherin, jedoch nicht mehr Aufmerksamkeit und Stimulation hinsichtlich der eigenen Themen. Bei den Szenen mit einem überwiegend feinfühligen pädagogischen Antwortverhalten haben wir es zunächst ebenfalls mit einem Sonderfall zu tun.
96 97
Vgl Ausschnitt 8.10, S.219 und Ausschnitt 8.12, S.223 Vgl. Ausschnitt 8.23, S.240
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Ausschnitt 8.36: Szene 9 – Angeleitete Lernspiele; Sequenz 1 bis 24 Nr.
1
2 3 4 5 6 7 8 9 10
11
Dialog Erz: (Erz legt Klötze, schaut K dabei nicht an, K beobachtet die Erz, M steht hinter Erz und K und schaut zu) Wir könnten mal probieren, wie des ist, wenn man immer die aneinander stellt. Warte mal. Muss ich selber erst mal probieren. Die passen net so schön zusammen. So, es geht, guck, wenn man immer die Spitze einmal dahin und dahin macht, so kriegt man eine Reihe. Siehst´e? Siehst´es? Und dann muss man´s einräumen. Soll mer mal weiter einräumen oder wollen mer hier noch so bauen? K: (sagt etwas Unverständliches) Weiter… M: (sitzt inzwischen auf der anderen Seite der Erz und schaut zu, hält auch Klötze in der Hand, beugt sich über den Tisch) Erz: Weiter hier bauen? (kein Blickkontakt) K: (legt die Klötze auf das dazugehörige Brett) Erz: (beobachtet, was K macht) Ja. M: (legt auch einen Klotz an, schaut fragend zur Erz) Mh? Erz: (zuckt mit den Schultern, kein Blickkontakt) Ich weiß es nicht. M: (sagt etwas Unverständliches und deutet auf den Klotz) K: (nimmt den Klotz und legt ihn richtig hin) Erz: (zu M, Kopf zur Seite, aber kein Augenkontakt) Guck mal, die K hat geseh´n, wie´s geht. Es gibt nämlich, guck mal (nimmt anderen Klotz, erklärt es mit Finger) es gibt eine Spitze, die ist ganz lang. Siehst du des? Und des ist ne kurze Seite. Es hat zwei lange und eine kurze Seite. Und man muss immer die lange Spitze an den Rand stellen. (kein
Signale D+I D+I, D+V;
D+I, Fr rhetorisch, D+V; D+I, Fr geschlossen org, SA A?, D+I D+I
D+I, Fr geschlossen org, SA D+I D+I, LKL W+?, D+I, H PR-, E, D+I, St W+…, D+I, Z D+I VR, E, D+I; FaK, D+V;
D+I, Fr rhetorisch, D+V
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr.
23
Dialog Blickkontakt, Blick auf das Brett) M: (schaut aufmerksam zu) K: (baut weiter) Erz: (beobachtet K) M: Du machst ja einen Halbkreis, K. 2. Erz: Schön, dass sie das macht. Erz: (dreht sich mit Verzögerung zur 2. Erz) Sie hat´s im Moment besser hingekriegt als … (meint wohl M, die sie anschaut, Reaktion/ Mimik nicht zu sehen) 2. Erz: Mh. Erz: (dreht sich zurück, wendet sich an K, kein Blickkontakt) Guck mal an der Ecke. Du hast schon gemerkt, da stimmt irgendwas nicht. Soll ich dir noch mal helfen? Guck mal, jetzt hat man hier schon ne Spitze. Da muss wieder ne gerade Seite an den Rand. (zeigt es mit den Klötzen) K: (hört ihr zu, versucht es dann) Erz: Jetzt kommt die Ecke. Da muss man immer zwei gerade Seiten hinlegen. K: (legt den Klotz, schafft es) Erz: (beobachtet K) Jawoll!! (mit gehobener Stimme) Gut gewusst! (Blick zu K)
24
K: (macht weiter)
12 13 14 15 16 17 18
19
20 21 22
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Signale D+I D+I D+I W+K, D+I, S/E LW LWErz, LL-Erz
D+I, D+V; Fr geschlossen, H; D+V/STK
D+I D+I, D+V/STK D+I LW D+I
Betrachtet man den Redeanteil der Erzieherin in Szene 9 und vergleicht ihn mit dem verbalen Interaktionsanteil von K, kommt man zunächst zu dem Schluss, dass auch diese Interaktion erzieher- und nicht kindbestimmt ist. Dass dies jedoch nicht richtig ist, stellt sich heraus, wenn man die nonverbalen Signale des Mädchens näher anschaut. K ist über den gesamten Interaktionszeitraum höchst interessiert und intensiv „bei der Sache“. Geradezu versunken in ihre Tätigkeit lässt sie sich nicht davon abbringen, die Holzsteine sehr konzentriert und in richtiger Anordnung auf das dafür vorgesehene Brett zu legen (5, 10, 13, 20, 22, 24). Wegen dieses intensiven Beschäftigt-seins reduzieren sich ihre verbalen Beiträge auf eine einzige Äußerung zu Beginn der Szene (2). Die von der Fähig-
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keit des Mädchens sichtlich begeisterte Erzieherin (23) bestimmt so gesehen mit ihren Beiträgen nicht die Interaktion. Ausschnitt 8.37: Szene 3 – Vorlesen; Sequenz 25 bis 48 Nr. 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42
Dialog Erz: (Blickkontakt) Drei Wünsche hat er. Also du kennst die Geschichte schon von Aladin. (blickt zurück auf´s Buch) Ki: Ich auch, ich auch! (mehrere Kinder rufen durcheinander) Ki 1: Ich hab´s auch als Buch! Erz: (Blick zu Ki 1): Ja. L1: (meldet sich). Und ich hab´s als CD. Erz: (Blick zu L) Du hast es als CD. (hält Buch nach wie vor gut für die Kinder sichtbar nach oben) Ki rufen durcheinander, auf welchem Medium sie Aladin haben. Ki 2: Ich hab´ auf Buch und auf CD. Erz: (Blick zu Ki 2) Du hast jetzt Aladin als Buch. N: (meldet sich) Erz: (blickt zu N) Und du? N: Auf Kassette. Erz: Auf Kassette. Ki 3: Und ich bring meine CD mit. Erz: (Blick zu Ki 3) Bringst du uns die CD mit. Das find ich sehr schön. (Blick zu allen Kindern) Könntet ihr die Sachen, die ihr von Aladin zuhause habt, morgen mitbringen? Ki: Jaa! (durcheinander) Ki 2: OK, ich sag´s meiner Mama. Erz: Die Kinder, die dran denken und die des auch dürfen. Ihr müsst natürlich erst fragen. (Blick zu allen Kindern, dann zurück ins Buch, blättert erste Seite auf) Dieses Buch hier..
Signale PR+, E, D+I, D+V, SP W+E/Z, D+I, D+A, L W+E/Z, D+I, D+A, L PR+, E, D+I W+E/Z, D+I, D+A, L PR+, E, D+I, D+V, SP W+E/Z, D+I, D+A, L W+E/Z, D+I, D+A, L PR+, E, D+I, D+V, SP W+AN, D+I PR+, E, D+I, Fr offen Af, D+I PR+, E, D+I, D+V, SP W+E/Z, D+I, V PR+, E, D+I, D+V, SP, LW; Fr geschlossen org A-, D+I, D+F Af, D+I PR+, E, D+I, D+V, org; D+I, D+V
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Nr. 43
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45 46 47
48
Dialog Ki 2: (unterbricht Erz) Oder wenn Spielzeugtag ist, bring ich’s mal mit. Erz: (Blick zu Ki 2, zeigt zustimmend mit der Hand) Ja Montag. Du darfst es aber. Ich könnte es aber auch heute Mittag schon der Mutti sagen. Auch wenn kein Spielzeugtag ist: Bücher, Kassetten und CDs dürft ihr immer mitbringen, ne. (Blick geht in die Gruppe) Aber so Spielsachen, wie z.B. (überlegende Handbewegung) ein Auto oder (überlegende Handbewegung) … Ki 4: Bagger. Erz: Ein Bagger (Blick geht in die Gruppe, mehrere Kinder melden sich, zeigt mit der Hand eines auf) Ki 5: Barbie Erz: (Blick zu Ki 5) Barbie und so was, diese Sachen kommen nur montags her. (Blick ins Buch) Also: Aladin und die Wunderlampe. (Blick zu Kindern) Wenn ihr die Geschichte schon kennt, dann brauch ich sie ja gar nicht mehr vorlesen. Oder?
267
Signale W+E/Z, D+I, V PR+, E, D+I, D+V, org, St
AE, D+I PR+, E, D+I, D+V, SP; W+NA, D+I; PR+, E, D+I AE, D+I PR+, E, D+I, D+V, SP; St; Fr rhetorisch
Anders als in Szene 9 melden sich die Kinder in Szene 3 sehr deutlich und häufig zu Wort. Die Szene ist damit ein anschauliches Beispiel dafür, wie groß die Unterschiede sind zwischen einem Sich-Zeit-Nehmen für ein Gespräch und dem bloßen Abfragen kindlicher Leistungen. In Szene 3 ist ersteres der Fall. Die Erzieherin, die gemeinsam mit den um sie versammelten Kindern die Geschichte von Aladin lesen möchte, hält das Buch aufgeschlagen vor ihrem Bauch, so dass die Kinder gut hineinschauen können. Während des Lesens und Erzählens dreht sie das Buch nicht zu sich, sondern schaut von oben hinein (30). Fortwährend darauf achtend, dass die Kinder ihre Äußerungen verstehen, liest die Erzieherin langsam und deutlich. Immer wieder macht sie eine kurze Pause, schaut vom Buch auf und sucht den Blickkontakt mit den Kindern (z.B. 25). Damit ermöglicht sie ihnen, gut mitzukommen, nachzudenken und eigene Gedanken zu äußern. Die Kinder nutzen den von der pädagogischen Fachkraft bereit gestellten Raum, um Dinge aus ihrer Lebenswelt zu berichten. Interessiert und aufgeregt teilen sie im ersten Interaktionsabschnitt mit, auf welchem Medium sie die Geschichte von Aladin besitzen und wie gerne sie diese mit in den Kindergarten
268
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
bringen möchten (26 – 43). Die Erzieherin geht auf all diese Signale ein (28 – 42) und unterbricht sich im zweiten Abschnitt erneut (44), um den Einwurf von Kind 2 zu hören (43). Anschließend greift sie den Vorschlag des Kindes auf und nutzt ihn, um die übrigen Kinder durch ihre feinfühlige Sprechweise zu stimulieren. In die Runde schauend und mit überlegenden Handbewegungen untermalt baut sie wiederholt kurze Pausen in ihre Sätze (44: „Aber so Spielsachen, wie zum Beispiel …“, „… ein Auto oder…“). Die Kinder lassen sich dadurch anregen und entwickeln die Überlegungen der Fachkraft weiter (45 – 47). Ausschnitt 8.38: Szene 5 – Kneten; Sequenz 13 bis 28 Nr. Dialog 13 M: Schau, ein Kuchen! Erz: (Blick zu M) Der ist schön, 14 Geburtstagskuchen! (beugt sich vor) Wer hat denn Geburtstag, M? 15 M: Ehhm, Th. (Blick zur Erz) Erz: Die Th. (Blick zu M, dann zu Th, dann 16 zu M) Und wie alt wird sie? (vorgebeugt) 17 M: 2. (zeigt es mit den Fingern) Erz: 2. 2 Jahre.. (kurzer Blick zu Th) Aber jetzt, sie ist neulich 3 Jahre geworden, gä. (zeigt es mit den Fingern, Blickkontakt mit 18 M, lehnt sich zurück) Letzte Woche ist sie 3 Jahre geworden, die Th. (Blick und Nicken zu Th, M macht mit Kuchen weiter) 19 3. Ki: Ne, dann wird sie heute eben 4. Erz: (Blick zu 3.Ki, kritischer Gesichtsausdruck) Na ja, ist sie aber noch nicht ganz. 20 Spielen kann man´s ja. (Blick zu 3. Ki u Th, nicken) 21 Th: 2. Erz: (Blick zu Th) 2 warst du vorher. (mit 22 Fingern zeigen) Und jetzt bist du drei. Und nächstes Jahr? (intensiver Blickkontakt) Th: Und dann hat die V gesagt, morgen werd 23 ich so. (Blick zur Erz)
Signale W+E/Z, D+I, D+F, Z PR+, E, D+I, D+F, LW; D+I, St, Fr offen Af, D+I PR+, E, SP, D+I, St, Fr offen Af, D+I PR+, E, SP, D+I, Fwb; D+V
W+…, D+I, S/E PR+, E, D+I, Fwb; D+V, SA W+…, D+I, S/E PR+, E, D+I, Fwb, D+V; St, Fr offen AE, D+I
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr. 24 25 26 27 28
Dialog Erz: (Blick zu Th) Morgen noch nicht. Aber nächstes Jahr wirst du dann 4 Jahre alt. (zeigt es mit den Fingern) Th: (schaut auf ihre eigenen Finger) Erz: Zeig mal, wie viel sind denn vier? Th: (schaut auf ihre Finger) Ki: (fangen an, Happy Birthday to you, Marmelade im Schuh zu singen, Th schaut zu anderen Kindern)
269
Signale PR+, E, D+I, Fwb, D+V
AN, D+I D+I, St, Fr offen AN, D+I W+K, D+I, D+F, K; D-Abg
Wie in Szene 3 sind auch in Szene 5 die Redeanteile der pädagogischen Fachkraft und die der Kinder gleichgewichtig. Ein stimulierendes Interaktionsverhalten der Erzieherin geht ebenfalls mit einher. Die Fachkraft greift das von M initiierte – und auch für andere Kinder interessante – Thema des Geburtstagskuchens auf (13) und regt so die Lernprozesse der Kinder an. Mit einer zugewandten Körperhaltung, fortwährendem Blickkontakt und unterstreichenden Gesten spiegelt die Erzieherin nicht nur konsequent die Signale der Kinder, sondern stellt immer wieder gezielte und anregende Fragen (14: „Der ist schön, Geburtstagskuchen! Wer hat denn Geburtstag, M?“, 16: „Die Th. Und wie alt wird sie?“, 22: „Und nächstes Jahr?“, 26: „Zeig mal, wie viel sind denn vier?“). Die Antworten der Kinder ergänzt sie zum Teil durch verständliche Erklärungen oder behutsame Berichtigungen (18: „Aber jetzt, sie ist neulich drei Jahre geworden, gä?“, „Letzte Woche ist sie drei Jahre geworden, die Th.“, 22: „Zwei warst du vorher. Und jetzt bist du drei.“, 24: „Morgen noch nicht. Aber nächstes Jahr wirst du dann vier Jahre alt.“). M bleibt während der Interaktion interessiert „bei der Sache“ und beantwortet die stimulierenden Fragen der Erzieherin (15, 17). Anschließend verfolgt er den Dialog zwischen seiner Erzieherin und Th (18), die das Zunicken der Pädagogin zum Anlass genommen hat, in das Gespräch einzusteigen und ihr vermeintliches Alter kund zu tun (21). Auf die nächste Frage der Fachkraft reagiert das Mädchen ausführlich (23: „Und dann hat die V gesagt, morgen werd ich so“). Damit stellt sie eine Verbindung her zwischen dem für sie interessanten Gesprächsthema und ihren Erfahrungen außerhalb des Kindergartens. Schließlich gelingt es ihr, mit den Fingern ihr künftiges Alter zu zeigen. Mit ihrem sensitiv-responsiven Antwortverhalten hat die Erzieherin den Kindern nicht nur genügend Raum gegeben, um sich mitzuteilen, sondern gleichzeitig deren Denkprozesse angeregt.
270
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Ausschnitt 8.39: Szene 7 – Vorbereitung; Sequenz 14 bis 38 Nr. Dialog 14 J: Rate mal, was ich heute mache? Erz: Was machst du heute? (Blick zu J) 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
J: (sagt etwas Unverständliches, Blick zur Erz) Erz: Fußball spielen. (Blick zu J) J: Ja. (Blick zu Erz mit großen Augen) Erz: Ja? Super. (Blick zu J, lächelt) J: Punktspiel. (Blick zur Erz mit großen, strahlenden Augen) Erz: Punktspiel? (schaut ihn fragend an) J: (Blick zur Erz mit großen Augen) Ja. Erz: Worum geht das Punktspiel, erzähl mal. (Blick zu J) J: Guck mal, des geht so, wenn man Tore schießt, dann kriegt man 25 Punkte… (schaut beim Erklären umher) Erz: Ja. (Blick zu J) J: …und wenn die Leute nicht so stark sind wie Bayern. (Nach kurzem Blick nach draußen wieder Blick zur Erz) Erz: Ach ja. (Blick zu J) Und hast du schon mal gewonnen? J: (schaut in den Raum und auf seine Kräuter, trotzdem bei der Sache.) Ähäh. Noch Wir haben noch nie – (unverständlich) Erz: Noch nicht. (Blick zu J) J: (Blickt ruckartig auf zur Erz, strahlt) Doch! Erz: (Blick zu J) Einmal gewonnen? J: Jaa! (Blick zur Erz, Augen leuchten) Erz: (Blick zu J) Und? Gab´s da en Pokal?
Signale W+?, D+I, D+F, L PR+, E, D+I, SP, Fr offen AL, D+I PR+, E, D+I, SP A-, D+I, D+Z PR+, E, D+I, SP, LKL W+…, D+I, D+Z, L PR+, E, D+I, SP A-, D+I PR+, E, D+I, Fr offen AE, D+I
PR+, E, D+I AE, D+I
PR+, E, D+I, Fr geschlossen Af, W+…, D+I
PR+, E, D+I Af, D+I, D+Z, D+F PR+, E, D+I, SP, LKL A-, D+I, D+Z, D+F PR+, E, D+I, Fr geschlossen J: (schaut aus dem Fenster, schüttelt den Kopf) A-, D-Abg Ne. Erz: (Blick zu J) Ne. PR+, E, D+I, SP
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
Nr. 36 37 38
Dialog J: (Blick zur Erz, große Augen, strahlt) Ich hatte zwei Tore geschossen. Erz: (Blick zu J, lächelt) Oh, klasse! Ist ja super! J: (lächelt, schneidet weiter)
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Signale Af/AL, D+I, D+Z, D+F PR+, E, D+I, D+F, LKL AN, D+I, D+Z, D+F
Abschließend möchte ich stellvertretend für die bereits analysierten Szenen 1 und 1598 nun einen Ausschnitt aus Szene 7 heranziehen. Szene 7 belegt nochmals die überaus positiven Auswirkungen eines sensitiv-responsiven pädagogischen Interaktionsstils. Um diesen gewährleisten zu können, unterbricht die Erzieherin in dieser Sequenz ihre eigentliche Handlung (15) und geht prompt auf das Signal des Jungen J ein (14: „Rate mal, was ich heute mache?“). In der Folge achtet sie darauf, dass J ausreichend Gelegenheit hat, sich mitzuteilen. Konsequent spiegelt die Fachkraft die Äußerungen des Jungen und hält dabei fortwährend Blickkontakt mit dem Kind (17, 19, 21). Sehr interessiert stellt sie immer wieder offene und geschlossene Nachfragen (15: „Was machst du heute?“, 27: „Und hast du schon mal gewonnen?“), fordert ihn offen zum Erzählen auf (23: „Worum geht das Punktspiel, erzähl mal?“) und signalisiert konstant ihre Aufmerksamkeit (25: „Ja.“, 29: „Noch nicht.“, 35: „Ne.“). Darüber hinaus greift sie die Freude und den Stolz des Kindes auf verbale und nonverbale Weise auf (19: lächelnd: „Ja? Super.“) und lobt es ausdrücklich (37: „Oh, klasse! Ist ja super!“). Der Junge wird durch das feinfühlige Interaktionsverhalten seiner Erzieherin dazu angeregt, seine anfänglich knappen Antworten (18: „Ja.“, 20: „Punktspiel.“) auszuweiten und entsprechende Erklärungen hinzuzufügen (24: „Guck mal, des geht so, wenn man Tore schießt, dann kriegt man 25 Punkte…“, 26: „…und wenn die Leute nicht so stark sind wie Bayern.“). Schließlich bleibt er im gesamten Interaktionsverlauf interessiert und emotional „bei der Sache“ und teilt mit einem Strahlen im Gesicht die Gefühle von Freude und Stolz mit seiner Erzieherin (20, 30, 32, 36, 38).
98
Vgl. Ausschnitt 8.1 aus Szene 1, S.185 sowie Ausschnitt 8.8 aus Szene 15, S.214
272
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
8.2.8 Zusammenhang zwischen der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ und der Qualität kindlicher Interaktionsbeiträge Konnte zuvor aufgezeigt werden, dass ein feinfühliges, stimulierendes pädagogisches Verhalten mit einem hohen Engagiert-Sein der Kinder einhergehen und diese durchaus zum Denken anregen kann, stellt sich nun die Frage, ob es einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der „Sensitiven Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte und der Qualität kindlicher Redebeiträge gibt. Sprechen Kinder also offener und ausführlicher und äußern sie mehr Lebensweltäußerungen sowie Schlussfolgerungen und Erkenntnisse, wenn die Erzieherinnen ihnen sehr sensitiv-responsiv begegnen? Antworten auf diese Frage sollen gefunden werden, indem die maximal kontrastiven Szenen einer jeden einzelnen Kategorie gegenüber gestellt und die kindlichen Signale dabei verglichen werden. Die Gegenüberstellung der Szenen hat ergeben, dass es in insgesamt sechs Kategorien (2 - Vorlesen, 3 - Kneten, 4 - Vorbereitung, 5 - Angeleitete Lernspiele, 7 – Essen und 12 - Angeleitetes Basteln) durchaus Unterschiede bezogen auf die Qualität der kindlichen Interaktionsbeiträge gibt. Betrachtet man die in Übersicht 8.3 aufgeführten Ergebnisse, fällt auf, dass diese Unterschiede deutlich sind. Kinder, die mit Erzieherinnen interagieren, die mehr sensitiv-responsive Interaktionsbestandteile aufweisen (siehe Spalte „Positive“ Szene), senden mehr eigeninitiative Beiträge, Lebensweltäußerungen, Schlussfolgerungen und Erkenntnisse, erklären mehr und sind offensichtlich interessiert und mit Freude „bei der Sache“. Kinder, die sich häufiger mit einem weniger feinfühligen Antwortverhalten der Fachkräfte konfrontiert sehen, erscheinen in diesen Kategorien passiver in ihrem Interaktionsverhalten. Sie senden häufiger (knappe und isolierte) Antworten, fragen und bitten mehr. In Szene 24 gibt es ebenfalls wenige eigeninitiative Signale der Kinder, diese wenigen sind jedoch auch Lebensweltäußerungen oder die Kinder möchten etwas zeigen.
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
273
Übersicht 8.3: Qualitätsunterschiede im kindlichen Interaktionsverhalten Kategorie
„Positive“ Szene
2 - Vorlesen
3: mehr eigeninitiative Beiträge als in 4, durchgängiges Interesse
3 - Kneten
5: mehr Schlussfolgerungen/Erkenntnisse, Antworten (Beschreibungen), Erklärungen und Freude als in Szene 6 7: mehr Lebensweltäußerungen, Lebensweltantworten, Erklärungen, Freude als in Szene 8 9: intensives nonverbales Beschäftigt-sein 13: weit mehr Schlussfolgerungen/Erkenntnisse und Lebensweltäußerungen als in Szene 14 23: mehr eigeninitiative Äußerungen (Rechtfertigungen, Kommentare, Bitten, Hilfegesuche), Freude
4 - Vorbereitung
5 - Angeleitete Lernspiele 7 - Essen
12 - Angeleitetes Basteln
„Negative“ Szene 4: mehr (isolierte) Antworten, einige nonverbale Aufmerksamkeitsgesuche und Bitten, Wechsel zwischen Interesse und abwesend wirken 6: mehr knappe Antworten
8: mehr (Organisations-) Fragen als in Szene 7
10: knappe Antworten wegen Abfrage 14: eher knappe Antworten und Bitten
24: kaum eigeninitiative Äußerungen, die wenigen jedoch als Lebensweltäußerungen und Zeigen
Waren in den zuvor betrachteten Kategorien deutliche Unterschiede hinsichtlich der Qualität der kindlichen Interaktionsbeiträge zu verzeichnen, können in den verbleibenden Kategorien (1 – Buch anschauen, 6 – Erzieherin hat Zeit, 8 – Erzählkreis, 9 – Spielkreis, 10 – Gespräche über Bilder, 11 – Gespräche beim Malen, 13 – Rollenspiel, 14 – Konflikte und 15 - Trösten) kaum nennenswerte Qualitätsunterschiede ausgemacht werden. In der Mehrzahl der Kategorien (6, 8, 9, 11, 13, 14, 15) sind die Signale der Kinder in den beiden maximal konstrastiven Szenen bezogen auf den Qualitätsaspekt nahezu identisch. Die kindlichen Signale in den Szenen der Kategorien „Buch anschauen“ und „Gespräche über Bilder“ unterscheiden sich zwar, doch kann nicht konstatiert werden, dass „fortlaufende Erzählungen“ (Szene 1) qualitativ höher eingestuft werden können als
274
8 Vergleichende Analyse der Videoszenen
„Fragen“ (Szene 2). Gleiches gilt für die Signale „Antworten mit Beschreibungen und Erklärungen“ (Szene 19) und „knappe Antworten“ einhergehend mit einem Mehr an „Schlussfolgerungen und Erkenntnissen“ (Szene 20). Übersicht 8.4: Kaum nennenswerte Qualitätsunterschiede im kindlichen Interaktionsverhalten Kategorie 1 - Buch anschauen 6 - Erzieherin hat Zeit 8 - Erzählkreis
„Positive“ Szene 1: fortlaufende Erzählungen 11: viele Bitten, Fragen
2: mehr Fragen
15: viele Lebensweltäußerungen, Lebensweltantworten, Erklärungen, viel Stolz, Freude
16: viele Lebensweltäußerungen, Lebensweltantworten, Erklärungen, viel Stolz, Freude, mehr Wechsel zwischen Interesse und Unruhe 18: viele Schlussfolgerungen/Erkenntnisse, viel Freude, viel weniger Antworten 20: eher knappe Antworten, dafür mehr Schlussfolgerungen/Erkenntnisse 22: Lebensweltäußerungen, Schlussfolgerungen/Erkenntnisse, Erklärungen, längere Antwortpassage 26: Spielorganisation und Spieläußerungen 28: Rechtfertigungen, Schlussfolgerungen/Erkenntnisse 30: nonverbale emotionale Signale
9 - Spielkreis
17: viele Schlussfolgerungen/Erkenntnisse, Erklärungen
10 - Gespräche über Bilder
19: Antworten mit Beschreibungen und Erklärungen
11 - Gespräche beim Malen
21: Lebensweltäußerungen, Schlussfolgerungen/Erkenntnisse, Erklärungen
13 - Rollenspiel
25: Bitten und Spieläußerungen 27: Rechtfertigungen, Zeigen
14 - Konflikte
15 - Trösten
„Negative“ Szene
29: verbale und nonverbale emotionale Signale
12: viele Bitten, Fragen
9 Zentrale Ergebnisse
Im Hauptteil dieser Arbeit wurden 30 Interaktionsszenen aus dem Alltag von Erzieherinnen und Kindern im Hinblick auf die „Sensitive Responsivität“ der Fachkräfte analysiert. Dabei wurden die feinen Nuancen des pädagogischen Antwortverhaltens genauso detailliert beschrieben wie die Signale der Kinder. Des Weiteren wurden die Interaktionsverläufe auf situationsabhängige Variablen „Sensitiver Responsivität“ und auf Veränderungen des Feinfühligkeitsgrads hin untersucht. Neben den kindlichen Reaktionen auf das pädagogische Antwortverhalten standen die Wechselwirkungen in Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern im Zentrum der Betrachtung. Schließlich wurde überprüft, inwiefern ein sensitiv-responsives bzw. ein weniger feinfühliges pädagogisches Verhalten die Qualität und Quantität kindlicher Interaktionsbeiträge beeinflusst. Im Folgenden sollen die Ergebnisse der Studie zusammengefasst und im Kontext der Resultate anderer Forschungsgruppen eingeordnet werden. „Sensitive Responsivität“ = Bemerken kindlicher Signale und angemessene Reaktion Mithilfe der Gegenüberstellung und Systematisierung der zahlreichen Begrifflichkeiten, die in der Literatur unter dem Konzept der Feinfühligkeit gefasst werden, konnte eine Definition „Sensitiver Responsivität“ generiert werden, die die Untersuchung von Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern aus Tageseinrichtungen ermöglicht99. Bei der Analyse der teilweise sehr ähnlichen und überlappenden Begrifflichkeiten stand Ainsworth´s (1974) übergreifendes Konzept der Feinfühligkeit im Mittelpunkt, das mit weiteren Konzepten in Verbindung gebracht wurde. In Anlehnung an Van den Boom (1994), De Wolff und Van Ijzendoorn (1997) und Isabella (1993) wählte ich für die Definition pädagogischer Feinfühligkeit eine Kombination der Begriffe „Sensitivität“ und „Responsivität“. Während „Responsivität“ die Reaktion der Fachkraft an sich fokussiert (Erfolgt überhaupt eine Reaktion?), umfasst der Begriff der „Sensitivität“ verstärkt einen qualitativen Faktor (Wie feinfühlig ist die Reaktion?). Die Begrifflichkeit der „Sensitiven Responsivität“ konnte somit den Untersuchungsge99
Vgl. Kapitel 6 Vergleichende Textanalyse – Erkenntnisinteressen I, S.111ff
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
276
9 Zentrale Ergebnisse
genstand dieser Studie am besten fassen und wurde in Anlehnung an Ainsworth (1974) folgendermaßen definiert: Eine Erzieherin, die mit „Sensitiver Responsivität“ auf die Signale von Kindergartenkindern reagiert, muss die Signale des Kindes bemerken und sich auf die Signale des Kindes hin angemessen verhalten. „Sensitive Responsivität“ umfasst vielfältige und feingliedrige Operationalisierungen Führt man sich die Definition „Sensitiver Responsivität“ vor Augen, erfordert insbesondere der Aspekt der angemessenen Reaktion eine genaue Operationalisierung. Mit dieser Operationalisierung wird nicht nur einer der Erkenntnisinteressen der Arbeit nachgegangen, sondern ebenso der Tatsache Rechnung getragen, dass ein angemessenes Verhalten eine implizite Vorstellung pädagogisch „korrekten“ Handelns mit sich bringt. Um die Videoszenen auswerten zu können, mussten diese impliziten Vorstellungen expliziert werden. Für die genaue Operationalisierung „Sensitiver Responsivität“ waren mehrere Analyseschritte vonnöten100, da die in der Literatur aufgeführten Operationalisierungen mitunter genauso wenig trennscharf waren wie die herangezogenen Definitionen. So waren beispielsweise die Übergänge der Operationalisierungen „Interesse“ und „Involvement“ genauso fließend wie bei den Faktoren „Respekt vor der Autonomie“ und „Stimulation“. Außerdem brachte der Auswertungsprozess hervor, dass die festgelegten groben Operationalisierungen (Zugänglichkeit; Aufmerksamkeit; Generelle Haltung: Akzeptanz, Interesse, Respekt vor der Autonomie; Involvement; Emotionales Klima; Stimulation) den Untersuchungsgegenstand teilweise nur bedingt fassen konnten und deshalb nochmals in feingliedrigen Codierungen ausdifferenziert werden mussten (Promptheit; Eingehen; Dabeisein; Umgang mit Stimmungen/Emotionen; Wertschätzung zeigen/loben; Stimulation). Obwohl diese Ausdifferenzierung vorgenommen und die einzelnen Codierungen genau beschrieben wurden, deutete sich bereits in diesem frühen Stadium der Untersuchung an, dass ein feinfühliges pädagogisches Antwortverhalten das Zusammenspiel einzelner Codierungen verlangt. Vor allem die Codierung „Stimulation“ subsumiert zentrale Aspekte weiterer Codierungen (z.B. „Eingehen“, „Dabei-sein“, „Umgang mit Stimmungen/ Emotionen“), die wiederum als Voraussetzung für eine angemessene Stimulation der Kinder angesehen werden können. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Auffassung Thompson´s (1997), der „Sensitivität“ als umfassende konzeptionelle Rubrik versteht, deren 100
Vgl. Kapitel 5.3.1, S.106ff und 6, S.111ff
9 Zentrale Ergebnisse
277
zahlreiche affektiven und das erzieherische Verhalten betreffenden Attribute in wechselseitiger Beziehung stehen. Nicht zuletzt sieht Van den Boom (1997) „Sensitivity“ nicht als einen Bestandteil elterlicher Verhaltenskomponenten, sondern vielmehr als Dimension, die sämtliche interaktiven Verhaltensweisen durchdringt und sich darin widerspiegelt. Van den Boom verweist dabei auf die Verwobenheit und das Zusammenspiel der verschiedenen Dispositionen sowie auf die Notwendigkeit, das eigene Verhalten mit dem des Kindes zu verflechten und abzustimmen, damit der Austausch während des Interaktionsflusses vorangetrieben und nicht unterbrochen wird101. Kindliche Signale können differenziert werden nach „Wichtigkeit“, „DabeiSein“ und Inhalt Um diese Abstimmungen zwischen Erzieherinnen und Kindern untersuchen zu können, musste das Interaktionsverhalten der Kinder ebenfalls in den Blick genommen werden102. Basierend auf Carr´s (2001) Konzept der Lerndispositionen103, das besagt, dass Kinder insbesondere dann lernen, wenn sie interessiert und engagiert sind, wurden die kindlichen Interaktionssignale zunächst hinsichtlich der Faktoren „Wichtigkeit“ und „Dabei-sein“ unterschieden. Diese Untersuchung hat ergeben, dass sich die Signale der Kinder in Bezug auf die „Wichtigkeit“ in sechs Bestandteile untergliedern lassen. Die Dringlichkeit des kindlichen Mitteilungsbedürfnisses wird dann sichtbar, wenn Kinder ihre Erzieherin ausdrücklich ansprechen, direkt fragen, sich mehrfach und fortlaufend äußern, immer wieder neu ansetzen und zum Interessensgegenstand zurückkehren, mit anderen Kindern sprechen und auf nonverbale Weise Aufmerksamkeit ersuchen. Dabei lassen vor allem die Ausdruckskanäle Mimik, Gestik, Stimme und Körperhaltung erkennen, wie dringend sich Kinder mitteilen möchten. Gleiches gilt für den Faktor „Dabei-sein“. Auch hier geben die Ausdruckskanäle deutliche Hinweise darauf, wie sehr Kinder „bei der Sache sind“. Der Grad des „Dabeiseins“ konnte in 10 Nuancen ausdifferenziert werden (Aufmerksamkeit und Interesse zeigen, Freude/Begeisterung/Spaß zeigen, Aufgeregtheit zeigen, Zufriedenheit und Stolz zeigen, emotionale Betroffenheit zeigen, unruhig sein, abgelenkt sein, abwesend wirken, gleichgültig und desinteressiert wirken, sich abwenden). Die Inhalte der kindlichen Signale wurden schließlich unterschieden nach Lebensweltäußerungen, Schlussfolgerungen und Erkenntnissen, Fragen, Vorschläge, Kommentierung der eigenen Arbeitsvorgänge und Handlungen, et101
Vgl. Kapitel 6.1 Die Schwierigkeit der Definition und Operationalisierung eines komplexen Begriffs, S.111ff 102 Vgl. Kapitel 7.1 Die Signale der Kinder, S.145ff 103 Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland, S.57ff
278
9 Zentrale Ergebnisse
was zeigen, Bitten und Wünsche, Hilfegesuche, Rechtfertigungen, Äußerungen im (Rollen-)Spiel, Spielorganisationen und Antworten. Diese Unterscheidung diente der späteren Analyse der Zusammenhänge zwischen pädagogischem Antwortverhalten und der Qualität und Quantität des kindlichen Interaktionsverhaltens. „Sensitive Responsivität“ gestaltet sich unabhängig von pädagogischen Situationen Die Analyse der Videoszenen hat gezeigt, dass sich Erzieherinnen grundsätzlich in jeder Situation feinfühlig verhalten können104. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher pädagogischen Situation sie mit Kindern interagieren und welcher der 15 zuvor festgelegten Kategorien105 diese Situation zugeordnet wurde. Zudem hat die Untersuchung der Videoszenen ergeben, dass es von insgesamt 15 „positiven“ Szenen lediglich eine gibt, in der das Verhalten der Fachkraft durchweg mit Codierungen für ein sensitiv-responsives Verhalten versehen werden konnte. Das heißt, dass Interaktionen, in denen Fachkräfte überwiegend feinfühlig auf Kinder reagieren, durchaus auch nicht-feinfühlige Interaktionselemente aufweisen. Sensitiv-responsive Interaktionsbestandteile überwiegen allerdings. Gleiches trifft auf Interaktionen zu, in denen sich Erzieherinnen im Vergleich zu den Szenen mit höherer „Sensitiver Responsivität“ weniger feinfühlig verhalten. Deutet dieser Sachverhalt einerseits darauf hin, dass ein durchgängig feinfühliges Verhalten unter den gegebenen Umständen im Elementarbereich nahezu unmöglich ist, zeigt sich andererseits aber auch, dass es pädagogischen Fachkräften trotz Ablenkungen und weiterer widriger Umstände gelingt, insgesamt gesehen weitgehend sensitiv-responsiv mit den Kindern umzugehen. Dieses Resultat deckt sich mit einer Feststellung Königs (2006), die – basierend auf einem ebenfalls sozialkonstruktivistischen Verständnis von Lernen – in ihrer Videostudie „Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse“ zwischen Erzieherinnen und Kindern im Kindergartenalltag untersuchte. König zeigte auf, dass die Atmosphäre in den Kindergärten generell durch ein „Wertschätzendes Eingehen auf das einzelne Kind“ dominiert wurde106.
104
Vgl. Kapitel 8.1.1 In welchen Situationen zeigt sich „Sensitive Responsivität“?, S.172ff Buch anschauen, Vorlesen, Kneten, Vorbereitung, Angeleitete Lernspiele, Erzieherin hat Zeit, Essen, Erzählkreis, Spielkreis, Gespräche über Bilder, Gespräche beim Malen, Angeleitetes Basteln, Rollenspiele, Konflikte, Trösten 106 Vgl. Kapitel 3.3 1990er Jahre bis heute, S.77ff 105
9 Zentrale Ergebnisse
279
„Sensitive Responsivität“ gestaltet sich unabhängig vom „Erzieher-Typ“ Während König (2006) im Rahmen ihrer Dissertation ähnlich wie die Forschergruppe um Nickel (1980) drei unterschiedliche Erziehertypen klassifizierte und auf dieser Grundlage deren Interaktionsverhalten beschrieb, gab es in der vorliegenden Studie keine (von außen gesetzte) Zuordnung der pädagogischen Fachkräfte zu verschiedenen Typen107. Meine Beobachtungen ergaben, dass Erzieherinnen zwar ein insgesamt sehr feinfühliges Antwortverhalten aufweisen, jedoch in einigen Momenten auch wenig sensitiv-responsiv auf Kinder reagieren. Außerdem wurde festgestellt, dass bei ein und derselben Erzieherin in ganz unterschiedlichen Situationen einmal überwiegend positive, jedoch auch teilweise mehr negative Feinfühligkeitsmerkmale vorliegen können. Wegen des sich ändernden Grads an „Sensitiver Responsivität“ können Erzieherinnen nicht als sensitiv-responsiv, wenig- oder nicht-feinfühlig eingestuft werden. Die Ausprägungen „Sensitiver Responsivität“ sind demnach nicht als Charaktereigenschaften anzusehen und hängen nicht zwangsläufig mit einer Haltung zusammen, die grundsätzlich von Zugänglichkeit und Aufmerksamkeit geprägt ist. Daher musste jede einzelne Reaktion auf ihren Feinfühligkeitsgrad hin untersucht und dabei auch die Situationsumstände mit ins Auge gefasst werden. Interesse, Eingehen, Engagement, Verständnis, Blickkontakt und Ruhe sind Merkmale von Situationen mit einem feinfühligen pädagogischen Verhalten Ruft man sich die tabellarisch aufgeführten Codierungen „Sensitiver Responsivität“ in Erinnerung, zeigte sich, dass ein hohes Interesse, ein konstantes Eingehen auf Kinder, ein gut verständliches Handeln und Sprechen, ein engagiertes Interaktionsverhalten sowie ein fortwährender Blickkontakt mit Kindern zu den charakteristischen Merkmalen von Interaktionen gehören, die durch ein überwiegend feinfühliges Verhalten der Fachkräfte geprägt sind108. „Fragen“, „Loben“ und „Spiegeln“ sind lediglich in ca. einem Drittel der untersuchten Szenen sehr häufig zu verzeichnen und somit keine unbedingt notwendigen Charakteristika eines sensitiv-responsiven Antwortverhaltens. Gleiches gilt für die Faktoren „Hilfestellung“ und „Freude“. Auch wenn die Codierung „Kein Eingehen“ ebenfalls in den Szenen mit einem eher feinfühligen pädagogischen Verhalten zu verzeichnen ist, treten sehr negative Codierungen wie das „Abwerten von Antworten“ oder der „unangemessene Umgang mit Gefühlen“ nur in Einzelfällen auf. Insgesamt gesehen ist die Anzahl negativer Codes geringer als in den 107
Vgl. Kapitel 8.1.1 In welchen Situationen zeigt sich „Sensitive Responsivität“?, S.172ff Vgl. Kapitel 8.1.2 Kennzeichen von Situationen mit einem zumeist feinfühligen pädagogischen VerhaltenS.177ff
108
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maximal kontrastiven Szenen und deutet gleichsam mit dem seltenen Vorkommen von vermehrten „Ablenkungen“ darauf hin, dass Interaktionen, in denen sich Fachkräfte sehr sensitiv-responsiv verhalten, eher ungestört verlaufen. Die Analyse der Umgebungsgeräusche bestätigt den vorwiegend niedrigen Geräuschpegel in den „positiven“ Szenen. Diskontinuität und Inkongruenz sind Merkmale von Situationen mit einem eher weniger feinfühligen pädagogischen Verhalten Im Gegensatz dazu ist es in Situationen, in denen vermehrt ein eher wenig sensitiv-responsives Verhalten der Erzieherinnen festzustellen ist, überwiegend laut und unruhig109. Zudem fällt auf, dass die Kinder auch in einer Szene mit niedrigen Umgebungsgeräuschen unruhig sind. Lediglich in einem Drittel der Videoszenen wurde die Geräuschkulisse als insgesamt ruhig eingestuft. Diese Rahmenbedingungen spiegeln sich in der Codierung „Ablenkungen“ wider, die als charakteristisches Merkmal für ein wenig sensitiv-responsives Antwortverhalten in 10 Szenen vergeben wurde. Damit ist die Codierung „Ablenkung“ nach dem Code „Kein Eingehen“ das am häufigsten zu verzeichnende „negative“ Kennzeichen dieser Interaktionen. Noch häufiger als „Kein Eingehen“ ist jedoch der positive Code „Interesse“ festzustellen. Dieses Ergebnis unterstreicht gleichsam wie das relativ hohe Vorkommen des Faktors „Eingehen“ das zuvor festgehaltene Resultat, dass in den „negativeren“ Interaktionen oftmals sensitiv-responsive Bestandteile überwiegen. So fallen negative Codierungen wie „Gleichgültigkeit“, „mangelnde Freude“, „fehlendes Interesse“, „gehetzt sein“, „eigener Lebensweltbezug“, „stark/verzögerte Reaktionen“, „reduziertes Eingehen“, „Fehlendes Verständnis“, „Erschöpfung“ und „Abwenden“ in nur wenigen der 15 Szenen besonders ins Auge. In manchen Interaktionen gibt es also ein Wechselspiel zwischen feinfühligen und wenig feinfühligen Reaktionen und damit gewissermaßen eine Diskontinuität und Inkongruenz im pädagogischen Interaktionsverhalten. Schließlich sei darauf verwiesen, dass die Codierung „Fehlende Stimulation“ in knapp der Hälfte der Szenen mit einem weniger feinfühligen Verhalten als Merkmal festgestellt wurde. Zudem wurden fünf Szenen gefunden, in denen das Interaktionsverhalten der Kinder deutlich durch die Erzieherinnen gelenkt bzw. beschränkt wurde. Außerdem konnten die Codierungen „Eigeninitiative Beiträge“ und „Verständnis“ weniger häufig festgestellt werden als in den „positiven“ Szenen. Auch der Faktor „Blickkontakt“ fiel als Auszeichnung „nicht-feinfühliger“ Interaktionen deutlich weniger ins Gewicht. Ähnli109
Vgl. Kapitel 8.1.3 Kennzeichen von Situationen mit einem vermehrt nicht-feinfühligen pädagogischen Verhalten, S.182ff
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ches gilt für die Codes „Loben“, „Spiegeln“ und „Freude“, die überhaupt nicht als vorrangiges Charakteristikum ausgemacht werden konnten. Vergleicht man die Merkmale von Situationen mit einem eher weniger sensitiv-responsiven Antwortverhalten – und hier insbesondere die Faktoren „Stimulation“, „Loben“, „Spiegeln“, „Verständnis“ – mit früheren Studien zum pädagogischen Interaktionsverhalten, fällt auf, dass bereits in den 1970er und 1980er Jahren von unterschiedlichen Wissenschaftlern ein wenig anregendes und zugleich stark lenkendes pädagogisches Verhalten belegt wurde110 (Westermann und De Wall 1972 in Nickel 1985, Tausch et al. 1976, Nickel et al. 1980). Standen nach Nickel et al. (1980) Mittel der positiven Verstärkung sowie ermutigende und unterstützende Worte nicht ausreichend im Vordergrund des pädagogischen Verhaltens, stellten Tausch und Kollegen (1976) fest, dass die Wissensvermittlung von Erzieherinnen nur wenig verständlich war. Auf den ersten Blick bestehen somit Gemeinsamkeiten zwischen den früheren Forschungsresultaten und den in dieser Arbeit festgestellten Kennzeichen eines wenig sensitiv-responsiven Verhaltens. Jedoch muss bedacht werden, dass die Untersuchungen der 1970er und 1980er Jahre in institutionellen Kontexten durchgeführt wurden111, die sicherlich meist „eine starke Betonung der äußeren Ordnung mit einer traditionellen Strukturierung des Vormittags“ vorsahen (Westermann und De Wall 1972 in Nickel 1985). Deshalb sind sie mit dem für diese Arbeit relevanten institutionellen Kontext sowie den damit einhergehenden Vorstellungen frühkindlicher Bildung und Erziehung nur schwer vergleichbar. Anders verhält es sich, wenn man aktuellere Studien zum Vergleich heranzieht112. So lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen dem in der vorliegenden Studie nachgewiesenen oftmals wenig stimulierenden pädagogischen Verhalten und den Resultaten der Forschergruppe um Tietze (1998) feststellen. Die Wissenschaftler sprechen von einem „gewissen pädagogischen Rückzug“ in westdeutschen Ganztagsgruppen, der sich unter anderem in einer Unterentwicklung der Anregungen beim Spiel und weiteren Aktivitäten äußerte. Roux (2002) und König (2006) stellten zudem fest, dass pädagogische Fachkräfte den Alltag in deutschen Kindertageseinrichtungen selbstverständlich dominieren, die Kommunikation durch Verhaltensregeln bestimmen, viele Handlungsanweisungen geben, kommentieren, viele der Problem-Lösungsprozesse steuern und somit den Interaktionsablauf ebenfalls stark dominieren. Außerdem beobachtete König selten, dass Erzieherinnen an den Erfahrungen und dem Wissen der Kinder anknüpfen, ihre Interessen und Ideen aufgreifen sowie ein positives und bestätigendes Feed110
Vgl. Kapitel 3.1, S.73ff und 3.2, S.76f Tausch et al. 1976: Vorschullernsituation; Nickel et al. 1974: traditionelle Kindergärten und Elterninitiativgruppen 112 Vgl. Kapitel 3.3 1990er Jahre bis heute, S.77ff 111
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back nutzen. Die Tatsache, dass König lediglich eine Sequenz eindeutig der von ihr fokussierten Kategorie „Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse“ zuordnen konnte, belegt, dass die Erzieherinnen die Kinder in den untersuchten Einrichtungen eher instruierten, als gemeinsam mit ihnen konstruktiv Ideen entwickelten. Bezogen auf das Feinfühligkeitsmerkmal „Stimulation“ sind demzufolge auch hier Gemeinsamkeiten mit der vorliegenden Arbeit zu verzeichnen. Ablenkungen, persönliche Befindlichkeiten und intensive Interaktionen sind Ursachen für einen sich ändernden Grad an „Sensitiver Responsivität“113 Betrachtet man zunächst die kontextabhängigen Variablen der 22 Szenen, in denen sich der Feinfühligkeitsgrad im Interaktionsverlauf änderte, wird deutlich, dass insbesondere Rahmenbedingungen wie hohe Geräuschkulissen und Ablenkungen das Ausmaß der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ beeinflussen. Die sonst möglicherweise hohe Feinfühligkeit von Erzieherinnen verringert sich vor allem dann, wenn Störungen während Interaktionen mit einzelnen Kindern auftreten, mehrere Kinder ihre Aufmerksamkeit einfordern, sie alleine in der Gruppe sind und zudem Organisatorisches zu erledigen haben. Persönliche Befindlichkeiten wie Erschöpfung oder Anstrengung resultieren aus diesen Umständen und führen ebenfalls zu einem sich reduzierenden Grad an „Sensitiver Responsivität“ und ggf. zu einer Inkongruenz im Antwortverhalten. Allerdings können persönliche Befindlichkeiten wie das zunehmende „Interesse“ das Ausmaß an „Sensitiver Responsivität“ im Antwortverhalten einer Fachkraft auch insofern erhöhen, als dass sie bei Themen mit persönlichem Belang aufmerksamer „bei der Sache“ sind. Positive wie negative Umkehrungen pädagogischer „Sensitiver Responsivität“ sind schließlich dann zu vermerken, wenn Erzieherinnen mit Kindern besonders intensiv interagieren oder wenn sie sich im Austausch mit bestimmten Kindern befinden. Im ersten Fall erlauben sehr intensive Interaktionen zum einen ein sich steigerndes Eingehen auf die Interaktionspartner. Zum anderen ist jedoch ein geringeres Ausmaß an Feinfühligkeit festzustellen, wenn auf subtilere und zeitgleich gesendete Signale anderer Kinder während dieser intensiven Gespräche nicht eingegangen wird. Im zweiten Fall beziehen sich die positiven und negativen Wandlungen von „Sensitiver Responsivität“ darauf, mit welchem Kind eine Erzieherin interagiert. Zuweilen können deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom jeweiligen kindlichen Interaktionspartner ermittelt werden. Diese Beobachtung erinnert somit an die These Van den Booms (1994), nach der ein und derselbe Erwachsene in den In113
Vgl. Kapitel 8.1.5 Inwiefern und warum ändert sich der „Grad“ der Feinfühligkeit im Verlauf einzelner Interaktionen?, S.202ff
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teraktionen mit verschiedenen Kindern unterschiedliche Grade an feinfühligem Verhalten aufweisen kann114. Überraschenderweise hat sich in dieser Studie die Anzahl der mit einer pädagogischen Fachkraft interagierenden Kinder nicht als entscheidende Einflussvariable für eine sich ändernde „Sensitive Responsivität“ heraus kristallisiert. Zwar widerspricht dieses Resultat auf den ersten Eindruck den Ergebnissen weiterer Forschungsgruppen (z.B. Tietze 1998), die einen Zusammenhang zwischen einer besseren Prozessqualität und einem ausreichenden Erzieher-Kind-Schlüssel belegen. Doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die qualitative Anlage der vorliegenden Studie keineswegs repräsentativ ist und die qualitativ gefundenen Zusammenhänge deshalb nochmals überprüft werden sollten. „Sensitive Responsivität“ scheint fortlaufende Gesprächsbeiträge und das Äußern von Emotionen bei Kindern zu begünstigen115 Die Analyse der Interaktionssequenzen hat verdeutlicht, dass Kinder unterschiedlich viele Interaktionsbeiträge leisten. Wiederholte, zusammenhängende und fortlaufende Beiträge sind insbesondere dann zu verzeichnen, wenn Kinder sehr interessiert und emotional stark beteiligt sind oder wenn sie mit ihren Signalen einen Bezug zu ihrer konkreten Lebenswelt herstellen möchten. Des Weiteren zeichnete sich in der überwiegenden Anzahl der „positiven“ Szenen ab, dass sich ein kontinuierliches Interaktionsverhalten von Kindergartenkindern im Wechsel mit einem aufmerksamen, interessierten, engagierten und damit feinfühligen pädagogischen Antwortverhalten vollzieht. Zudem hat die Überprüfung der Szenen hinsichtlich eines Zusammenspiels positiver Codierungen ergeben, dass ein sensitiv-responsives Antwortverhalten das Äußern kindlicher Emotionen offensichtlich begünstigt. Bei der Untersuchung, ob pädagogische Fachkräfte die von Kindern geäußerten Gefühle aufgreifen und ob Kinder daraufhin erneut ihre Emotionen zeigen, konnten in insgesamt 15 Szenen solche Zusammenhänge gefunden werden. Die Tatsache, dass vier dieser Szenen denjenigen Szenen angehören, in denen die Fachkräfte im Gegensatz zu der dazugehörigen maximal-kontrastiven Szene weniger feinfühlig auf die Kinder reagieren, zeigt einerseits, dass es in den Szenen mit mehrheitlich hoher pädagogischer Feinfühligkeit häufiger ein Zusammenspiel dieser positiven Codierungen gibt. Andererseits ist es auch in Szenen mit einer niedrigeren „Sensitiven Responsivität“ nicht ausgeschlossen, dass Fachkräfte und Kinder Gefühle teilen.
114
Vgl. 6.1 Die Schwierigkeit der Definition und Operationalisierung eines komplexen Begriffs, S.111f 115 Vgl. Kapitel 8.2 Erkenntnisinteressen III, S.209ff (auch für das Folgende)
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Ein direkter Zusammenhang zwischen pädagogischer „Sensitiver Responsivität“ und der Intensität des kindlichen Interaktionsverhaltens kann nicht nachgewiesen werden Wie schwierig es im Rahmen dieser qualitativen Videostudie war, relevante Zusammenhänge zwischen der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ und der kindlichen Gesprächsintensität nachzuweisen, wird dann sichtbar, wenn man berücksichtigt, dass sich Kinder immer, wenn es ihnen wichtig ist, mit Anliegen an ihre Erzieherinnen wenden. Dabei zeigen alle 30 ausgewählten Interaktionsszenen, dass dies unabhängig davon geschieht, ob Fachkräfte besonders feinfühlig oder auch mit weniger „Sensitiver Responsivität“ auf die Kinder eingehen. Ebenso kann trotz des Wechselspiels von pädagogisch feinfühligem Antwortverhalten und fortlaufenden Interaktionsbeiträgen der Kinder nicht mit Gewissheit konstatiert werden, dass Letzteres ausschließlich durch die „Sensitive Responsivität“ der Fachkräfte bedingt ist. Zwar deuten die Ergebnisse unterschiedlicher Forschergruppen auf diesen Zusammenhang hin116. So belegten beispielsweise Tausch und Kollegen (1976), dass die von ihnen beobachteten Kinder umso mehr konstruktive Aktivität, Interessiertheit und Bemühen zeigten, je mehr Erzieherinnen auf ihre Mitteilungen einfühlend reagierten und eingingen. Auch Nickel et al. (1985) konnten in ihren Untersuchungen zeigen, dass ein aktiv-kooperativer kindlicher Verhaltenstypus signifikant häufig mit einem ermutigend, anregend und sozial-emotional zugewandten Erzieherverhalten auftrat. Nicht zuletzt wiesen die Wissenschaftler um Simó (2000) darauf hin, dass ein „geglücktes sensitives Verhalten“ von Müttern eine höhere Kooperativität von Kindern nach sich zieht und diese ihrer Umgebung offener und positiver zugewandt sind, aktiv und häufiger Interaktionen initiieren, sie aufrecht erhalten und sich dabei wohl fühlen. Die Studien wurden jedoch wiederum vor einem anderen gesellschaftlichen Hintergrund und in anderen institutionellen Kontexten durchgeführt. Zudem differierten zuweilen die Untersuchungsgruppen. Da die Studien auch breiter angelegt waren, sind die Resultate nicht mit den Ergebnissen dieser qualitativen Arbeit vergleichbar. Darüber hinaus bleibt zu vermuten, dass das konstante kindliche Interaktionsverhalten auch in der intrinsischen Motivation dieser Kinder begründet liegen könnte. Gestützt wird dieser Gedanke durch Ergebnisse der Analyse eines Zusammenspiels „negativer“ Codierungen in den Szenen, in denen die Fachkräfte mehrheitlich ein eher wenig-feinfühliges Verhalten aufwiesen. Hier zeigte sich, dass das Interesse der Kinder in den von sich aus gesendeten Signalen immer vorhanden ist und trotz zeitweisen Schwindens aufgrund wenig sensitiv-res116
Vgl. Kapitel 3.1, S.73ff; 3.2, S.76ff und 6.11, S.143ff
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ponsiver Reaktionen meist zurückkehrt. Zudem gibt es ähnlich wie bei den Sequenzen mit einem überwiegend feinfühligen pädagogischen Verhalten in allen maximal-kontrastiven Szenen Kinder, deren Interaktionsverhalten zusammenhängend und fortlaufend ist. Schließlich kann man in „positiven“ wie in „negativen“ Sequenzen Kinder beobachten, die sich im Interaktionsverlauf nur sporadisch zu Wort melden. Dabei lässt die Untersuchung der Szenen mit einem überwiegend sehr feinfühligen Antwortverhalten den Schluss zu, dass knappe Interaktionsbeiträge der Kinder nicht zwangsläufig in einer mangelnden „Sensitiven Responsivität“ der Fachkräfte begründet sein müssen. Die an dieser Stelle relevanten Szenen der Kategorien „Erzieherin hat Zeit“ und „Konflikte“ zeigen, dass hierfür auch der thematische Gehalt einer Situation verantwortlich sein kann. In Szenen, in denen pädagogische Fachkräfte eher wenig sensitiv-responsiv auf Kinder eingehen und in denen sie die Interaktionen durch Abfragen bestimmen oder durch Anweisungen sowie vorgegebene Lösungen lenken, sieht man jedoch, dass ein solches Interaktionsverhalten die Quantität der kindlichen Interaktionsbeiträge durchaus zu beeinflussen scheint. In etwa einem Fünftel der 30 Szenen konnte aufgezeigt werden, dass sich die verbalen Beiträge der Kinder in Verbindung mit einem sich auf diese Weise äußernden wenig feinfühligen Antwortverhaltens nicht nur verkürzen, sondern auch deutlich reduzieren. Einige Kinder unterlassen eigeninitiative und fortlaufende Interaktionsbeiträge, äußern sich isoliert und knapp und befolgen die Vorgaben der Erzieherinnen. Oftmals wirken sie dabei abwesend, abgelenkt und gleichgültig und wenden sich ggf. ab. Einige Kinder widersetzen sich wenig-feinfühligen Reaktionen Im Rahmen dieser Studie finden sich zahlreiche Kinder, denen es gelingt, einem wenig sensitiv-responsiven pädagogischen Antwortverhalten standzuhalten und „bei der Sache“ zu bleiben117. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Kinder ein besonders hohes Interesse an einem Thema oder Gegenstand haben, zu dem sie sich entweder mitteilen oder mit dem sie sich weiterhin befassen wollen. Die hohe Motivation dieser Kinder ist also ein entscheidender Antrieb, sich einem nicht-feinfühligen Verhalten der Erzieherinnen zu widersetzen. Um die wenig zugänglichen Fachkräfte zu erreichen, nutzen Kinder unterschiedliche Strategien. Sie stellen Fragen, sprechen ihre Erzieherin mit Namen an, haken nach, kommentieren ihre Handlungen, begeben sich ins direkte Blickfeld der Fachkraft und versuchen mit nonverbalen Mitteln, deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. Gelingt dies nicht, unterhalten sich einige Kinder untereinander weiter. 117
Vgl. Kapitel 8.2.3, S.226ff und 8.2.4, S.227ff
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Vergleicht man das standhafte kindliche Verhalten mit Carr´s (2001) Konzept der Lerndispositionen118, scheinen diese Kinder über ein sehr ausgeprägtes Repertoire dieser Dispositionen zu verfügen. Nach Carr stellen Lerndispositionen wesentliche Voraussetzungen für kindliche Selbstbildungsprozesse dar und umfassen das Interessiert- und Engagiert-sein, die Fähigkeit, sich auf unterschiedliche Weisen auszudrücken, bei Schwierigkeiten standzuhalten und Verantwortung zu übernehmen. Offensichtlich ausgestattet mit den entsprechenden Dispositionen, fällt es den hier umschriebenen standhaften Kindern vergleichsweise leicht, mit der mangelnden „Sensitiven Responsivität“ ihrer Erzieherinnen umzugehen. Einige Kinder wenden sich bei wenig-feinfühligen Reaktionen ab Andere Kinder hingegen wenden sich bei einem nicht feinfühligen Antwortverhalten der Fachkräfte ab119. Dieses Abwenden beinhaltet sowohl ein sich Entfernen vom Ort der Interaktion als auch das Wegdrehen des Kopfes, das Unterbrechen des Blickkontakts, das Wegziehen von präsentierten Werken und das Beenden eines Gesprächs bei gleichzeitiger Fortsetzung einer anderen Handlung. Stellt man nun erneut einen Bezug zu Carr´s (2001) Konzept der Lerndispositionen her, sind die Lerndispositionen der sich abwendenden Kinder offenbar in geringerem Ausmaß ausgeprägt als die der standhaften Kinder. Während einige Kinder vermutlich über ein geringeres Maß an (sprachlicher) Ausdrucksfähigkeit verfügen und erste Aufmerksamkeitsgesuche auf sich beruhen lassen, werden andere Kinder womöglich durch die mangelnde „Sensitive Responsivität“ der Fachkräfte abgeschreckt und teilen sich deshalb nicht weiter mit. Offensichtlich stehen den Kindern (noch) nicht die notwendigen Strategien zur Verfügung, um sich ihren Themen und Handlungen trotz eines nicht-feinfühligen Verhaltens der Erzieherinnen mit Standhaftigkeit und Engagement widmen zu können. Abschließend soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass ein Sich-Abwenden nicht zwangsläufig in einer unzureichenden „Sensitiven Responsivität“ pädagogischer Fachkräfte begründet sein muss. Ebenso bedeutet es nicht zwingend, dass Kinder nicht interessiert „bei der Sache“ sind oder ein Interesse verlieren. Auch bei einer starken emotionalen Beteiligung, also einem sehr intensiven „Bei der Sache-Sein“, können Kinder den direkten Blickkontakt mit ihren Erzieherinnen unterbrechen.
118
Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland S.57ff Vgl. Kapitel 8.2.5 Wann wenden sich Kinder bei einer nicht sensitiv-responsiven Reaktion ab?, S.236ff
119
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Kinder können die pädagogische „Sensitive Responsivität“ beeinflussen Ausschnitte aus knapp der Hälfte der Szenen dieser Studie belegen, dass Kinder mit ihrem spezifischen Interaktionsverhalten das Antwortverhalten der pädagogischen Fachkräfte beeinflussen können120. Sie tun dies, indem sie sich mit besonderem Nachdruck äußern, ausdrücklich auf etwas hinweisen oder konsequent auf ihrer Meinung beharren und ggf. protestieren. Außerdem wechseln sie die Art ihrer Signale, weiten sie aus, wiederholen sie oder fragen mit einer hohen Beständigkeit. Andere Kinder unterbrechen Erzieherinnen in ihrem Redefluss, rufen Äußerungen „spontan rein“, ändern ihren Tonfall oder weisen eine nachdrückliche Gestik auf. Nonverbale Aufmerksamkeitsgesuche wie das Berühren am Arm oder ein intensiver Blickkontakt können die „Sensitive Responsivität“ der Fachkräfte ebenfalls zum Positiven verändern. Nicht zuletzt führen auch die Inhalte kindlicher Signale - wie Hilfegesuche oder das Zeigen eines Sachbuchs zu einem feinfühligeren pädagogischen Antwortverhalten. Die Fachkräfte reagieren aufmerksamer und interessierter sowie mit einer höheren Akzeptanz und einem stärker stimulierenden Interaktionsverhalten. Obwohl nicht mit vollkommener Sicherheit konstatiert werden kann, dass die Veränderungen im pädagogischen Interaktionsverhalten ausschließlich durch die veränderten kindlichen Signale bedingt sind, kann belegt werden, dass die Veränderungen im Interaktionsverhalten der Kinder mit einer Änderung des pädagogischen Interaktionsverhaltens einhergehen. Damit knüpft dieses Resultat an Aussagen von Bindungsforschern an, die ebenfalls auf die Wechselwirkungen in Interaktionsprozessen zwischen Erwachsenen und Kindern verweisen. Sie betonen den Einfluss, den Kinder mit ihren jeweiligen Persönlichkeiten und spezifischen Verhaltensbeiträgen zur Interaktion auf die mütterliche Sensitivität ausüben. Da sich beide Interaktionspartner gegenseitig beeinflussen und zur Interaktionsqualität beitragen, sehen verschiedene Forscher Feinfühligkeit als dynamische Eigenschaft an, die sich in Anpassung an das sich entwickelnde Kind auch wandelt (Simó et al. 2000, Van den Boom 1997 vgl. dazu auch Wolfram 1995)121.
120
Vgl. Kapitel 8.2.6 Wechselwirkungen zwischen dem kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhalten, S.247ff 121 Vgl. Kapitel 6.10 Die Rolle des Kindes in der Erwachsenen-Kind-Interaktion, S.141f
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Erzieherbestimmte Interaktionen gehen einher mit einer mangelnden Stimulation122 Bei der Untersuchung der Gewichtung der Redeanteile in den 30 ausgewählten Szenen wurde deutlich, dass diese in einigen Interaktionen mit geringerer „Sensitiver Responsivität“ sehr zugunsten der pädagogischen Fachkräfte ausfällt. Außerdem zeigte sich, dass die durch Abfragen, Anweisungen und Lenkungen geprägten Interaktionen eine mangelnde Stimulation des kindlichen Denkens und Handelns nach sich ziehen. So kommen Kinder, die von pädagogischen Fachkräften abgefragt werden, kaum zu Wort, haben oft lediglich eine Antwortmöglichkeit und können keine eigenen Ideen entwickeln und äußern. Auch Kinder in der Kategorie „Konflikte“ hatten keine Gelegenheit, eigene Lösungsvorschläge zu entwickeln und eigenständig Auswege aus einer schwierigen Situation zu finden. Nicht zuletzt war Kindern ein aktives und selbst bestimmtes Handeln verwehrt, weil ihre Aufgaben nahezu vollständig von den Erzieherinnen für sie erledigt wurden. Die Kinder reagieren auf dieses nicht stimulierende Verhalten der pädagogischen Fachkräfte äußerst passiv und angepasst. Auffällig sind hier seltene bzw. sich reduzierende Interaktionsbeiträge der Kinder. Die Kinder scheinen sich unterzuordnen und ggf. nach einem Raum suchen, um sich wieder mitteilen zu können. Insgesamt gesehen akzeptieren Kinder das lenkende Verhalten der Fachkräfte, handeln in solchen Fällen aber fremdbestimmt und automatisiert und erfüllen die Handlungsanweisungen der Erzieherinnen. Vergleicht man die hier beschriebenen kindlichen Reaktionsweisen mit Kindern, die der von Simó et al. (2000) heraus gearbeiteten Kategorie „Bemühtangepasstes Verhalten“ bzw. „Unsicher-abwehrende Kinder“ angehören123, fallen Ähnlichkeiten auf. Nach Simó et al. vermitteln diese Kinder einen angespannten Eindruck. Sie äußern ihre Wünsche nicht offen und es gelingt ihnen selten, eigene Bedürfnisse, Interessen und Absichten zu äußern. Passiv fügen sie sich in die Interaktionen mit ihren Müttern, akzeptieren deren Anforderungen und strengen sich an, diesen nachzukommen. Die Kinder zeigen ein so genanntes „Pseudo-kooperatives Verhalten“ und haben offensichtlich wenig Spaß in den Interaktionen. Trotz dieser gemeinsamen Attribute muss festgehalten werden, dass die Gruppe um Simó in ihrer Studie die Bindungsbeziehungen von Kindern und ihren Müttern untersuchte und die Übertragbarkeit der Ergebnisse deshalb kritisch zu betrachten ist. Zudem bleibt fraglich, ob sich die Kinder der vorliegenden Arbeit in anderen Situationen bzw. in der Interaktion mit anderen Fachkräften genauso anpassend verhalten würden. 122
Vgl. Kapitel 8.2.7 „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen, S.259ff 123 Vgl. Kapitel 6.11 Operationalisierungen kindlicher Verhaltensweisen, S.143f
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Kindbestimmte Interaktionen gehen mit einer Stimulation der Kinder einher Im Gegensatz zu den erzieherbestimmten Interaktionen ziehen kindbestimmte Interaktionen eine Stimulation der Kinder nach sich124. Erzieherinnen geben in diesen Szenen den Kindern genügend Raum, um sich mitzuteilen. Hierfür unterbrechen sie ggf. auch eigene Handlungen. Die pädagogischen Fachkräfte gehen prompt auf die Kinder ein, hören ihnen zu, lassen sie ausreden und spiegeln konsequent sowie mit einer zugewandten Körperhaltung, fortwährendem Blickkontakt und unterstreichenden Gesten die Signale der Kinder. Zudem greifen sie die Emotionen der Kinder auf und stellen interessierte, gezielte und anregende Nachfragen. Damit auch andere Kinder zu Wort kommen, versehen einige Fachkräfte ihre Sätze mit Pausen, die die Kinder zum Mitreden anregen sollen. Die Kinder lassen sich durch das sensitiv-responsive Antwortverhalten der Erzieherinnen stimulieren, weiten ihre Aussagen aus, bleiben interessiert „bei der Sache“ und entwickeln Gedankengänge weiter. Kindbestimmte Interaktionen erweisen sich bezüglich des Feinfühligkeitsmerkmals „Stimulation“ also deutlich günstiger als erzieherbestimmte Interaktionen. Zusammenhänge zwischen „Sensitiver Responsivität“ und der Qualität kindlicher Interaktionsbeiträge gestalten sich in Abhängigkeit von bestimmten Kategorien125 Bei der Gegenüberstellung der Szenen hat sich gezeigt, dass es in den Kategorien Vorlesen, Kneten, Vorbereitung, Angeleitete Lernspiele, Essen und Angeleitetes Basteln deutliche Unterschiede bezogen auf die Qualität der kindlichen Interaktionsbeiträge gibt. Interagieren Kinder in diesen Kategorien mit pädagogischen Fachkräften, die mehrheitlich sensitiv-responsive Interaktionsbestandteile aufweisen, machen sie mehr eigeninitiative Beiträge und Lebensweltäußerungen, äußern viele Schlussfolgerungen und Erkenntnisse, erklären mehr und sind offensichtlich interessiert und mit Freude „bei der Sache“. Kinder, die in den genannten Kategorien häufiger mit einem weniger feinfühligen Verhalten der Fachkräfte konfrontiert sind, verhalten sich passiver. Sie senden seltener eigeninitiative Signale, geben stattdessen häufiger knappe, isolierte Antworten und fragen oder bitten mehr. Dagegen können in den Kategorien Buch anschauen, Erzieherin hat Zeit, Erzählkreis, Spielkreis, Gespräche über Bilder, Gespräche beim Malen, Rollen124
Vgl. Kapitel 8.2.7 „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen, S.259ff 125 Vgl.´Kapitel 8.2.8 Zusammenhang zwischen der pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ und der Qualität kindlicher Interaktionsbeiträge, S.272ff
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spiel, Konflikte und Trösten kaum nennenswerte Qualitätsunterschiede ausgemacht werden. Hinsichtlich der Qualität der kindlichen Interaktionsbeiträge sind in sieben der acht Kategorien die Signale der Kinder in den beiden maximal kontrastiven Szenen nahezu identisch. Obwohl sich die kindlichen Signale in den Szenen der Kategorien „Buch anschauen“ und „Gespräche über Bilder“ unterscheiden, können „fortlaufende Erzählungen“ qualitativ nicht höher eingestuft werden als „Fragen“. Gleiches gilt für die Signalkombinationen „Antworten mit Beschreibungen und Erklärungen“ sowie „knappe Antworten mit Schlussfolgerungen und Erkenntnissen“. Folglich beeinflussen pädagogische Fachkräfte in den Kategorien Vorlesen, Kneten, Vorbereitung, Angeleitete Lernspiele, Essen und Angeleitetes Basteln das kindliche Interaktionsverhalten mit ihrem feinfühligen bzw. nicht-feinfühligen Verhalten stärker als in den übrigen Kategorien. Eine Erklärung für diese Zusammenhänge wäre, dass sich Erzieherinnen den Kindern womöglich intensiver widmen, wenn sie gemeinsam mit ihnen Bücher anschauen, sich mit ihnen unterhalten, sie bei Konflikten unterstützen, sie trösten oder bewusst mit ihnen (bspw. im Stuhlkreis) spielen. Eine größere Aufmerksamkeit und Zugänglichkeit der Fachkräfte wäre den Kindern im Rahmen dieser Kategorien gewissermaßen zwangsläufig gewiss. Das führt offensichtlich dazu, dass sich Kinder in solchen Situationen auch dann eher mitteilen, wenn Erzieherinnen mit einer insgesamt gesehen geringeren „Sensitiven Responsivität“ auf sie eingehen. Im Gegensatz dazu richten sich Fachkräfte beim Vorlesen, Kneten, angeleiteten Basteln und Essen, bei der Vorbereitung sowie bei angeleiteten Lernspielen zumeist nicht an einzelne, sondern an mehrere Kinder gleichzeitig und instruieren ggf. stark. Die Kinder stehen hierbei zudem oftmals nicht in einer direkten (1 zu 1) Interaktion mit den Erzieherinnen, so dass wenig sensitiv-responsive Reaktionen (oder Instruktionen) nicht unmittelbar ausgeglichen werden können. Womöglich beeinflusst deshalb ein feinfühliges bzw. wenig feinfühliges pädagogisches Verhalten die Qualität der kindlichen Interaktionsbeiträge in diesen Kategorien. Die Hypothese müsste jedoch in weiteren Untersuchungen überprüft werden.
10 Ausblick
Auch wenn die Erkenntnisse dieser Videostudie Fragen offen lassen, geben sie deutliche Hinweise darauf, dass bestimmte Bereiche der Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindergartenkindern der Reflexion und Verbesserung bedürfen. Die Methode der Ethnographischen Feldforschung126 bietet den Vorteil, nicht nur die Komplexität, Unübersichtlichkeit und Selbstverständlichkeit des pädagogischen Alltags transparenter zu machen, sondern auf dieser Basis ebenfalls Implikationen für eine Veränderung pädagogischen Handelns zu entwickeln (Friebertshäuser 2008/1997, S.58/S.510; Oester 2008, S.242). Bevor jedoch Empfehlungen für die pädagogische Praxis gegeben werden, gilt es zunächst, die aus dieser Studie resultierenden Forschungsdesiderata aufzuzeigen.
10.1 Forschungsdesiderata Bei der zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse dieser Videostudie hat sich gezeigt, dass die Resultate zwei Kategorien zugeordnet werden können. In die erste Kategorie fallen Ergebnisse, die sehr klar getroffen werden konnten. So wurde eine Definition „Sensitiver Responsivität“ für die Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindergartenkindern gefunden, die sich sehr vielfältig und feingliedrig operationalisieren ließ. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass sich „Sensitive Responsivität“ unabhängig vom „Erzieher-Typ“ sowie von pädagogischen Situationen gestaltet, die in der vorliegenden Arbeit in 15 Kategorien eingeteilt wurden. Ebenso ließen sich sowohl die Merkmale von Situationen mit einem feinfühligen pädagogischen Verhalten als auch die Kennzeichen von Situationen mit einem eher weniger sensitiv-responsiven Antwortverhalten der Fachkräfte ermitteln. Dabei ist deutlich geworden, dass für ein sensitiv-responsives Verhalten ein Zusammenspiel möglichst vieler Komponenten pädagogischer Feinfühligkeit notwendig ist. Nicht zuletzt konnten Ursachen für einen sich im Interaktionsverlauf ändernden Grad an „Sensitiver Responsivität“ aufgeführt und ein Zusammenhang zwischen erzieher- bzw. kindbestimmten Interaktionen und der Stimulation von Kindern dargelegt werden. Schließlich war es möglich, 126
Vgl. Kapitel 5.2.1 Ethnographische Feldforschung und Teilnehmende Beobachtung, S.90ff
R. Remsperger, Sensitive Responsivität, DOI 10.1007/978-3-531-92766-4_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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10 Ausblick
kindliche Signale nuanciert zu differenzieren und die unterschiedlichen Umgangsweisen der Kinder mit feinfühligen bzw. nicht-feinfühligen pädagogischen Reaktionen heraus zu arbeiten. Hierbei wurde ersichtlich, dass Kinder die pädagogische „Sensitive Responsivität“ durchaus beeinflussen können. Die Resultate der zweiten Kategorie sind hingegen weniger eindeutig und lassen Fragen offen. So konnte nicht mit Gewissheit belegt werden, dass die pädagogische „Sensitive Responsivität“ die alleinige Ursache für fortlaufende Gesprächsbeiträge und das Äußern kindlicher Emotionen ist. Auch ob ein direkter Zusammenhang zwischen der Feinfühligkeit der Erzieherinnen und der Intensität des kindlichen Interaktionsverhaltens besteht, konnte nicht sicher nachgewiesen werden. Schließlich bleibt unklar, weshalb ein sensitiv-responsives Antwortverhalten pädagogischer Fachkräfte die Qualität der kindlichen Interaktionsbeiträge in bestimmten Kategorien beeinflusst, in anderen aber nicht. Die auf Einzelfällen basierenden Befunde dieser qualitativen Videostudie haben somit nur eine „mittlere Reichweite“ und müssten entweder anhand von Verfahren mit quantitativer Ausrichtung oder stärker fokussierten Beobachtungen bestimmter Interaktionssituationen überprüft werden. Insgesamt resultieren deshalb sechs Forschungsdesiderata aus der Arbeit, wobei drei Desiderata mit den nicht belegbaren Erkenntnisinteressen dieser Studie in direktem Zusammenhang stehen. Es müsste also erstens untersucht werden, ob sich Kinder tatsächlich mehr und emotionaler mitteilen, wenn pädagogische Fachkräfte ihnen mit einer hohen „Sensitiven Responsivität“ begegnen. Hierfür ist die Fokussierung auf Sequenzen notwendig, in denen Erzieherinnen entweder sehr oder nicht feinfühlig interagieren und in denen Kinder ein Gefühl entweder schon angesprochen haben oder ansprechen könnten. Eine sorgfältige Auswahl der Beobachtungssituationen wäre dabei eine zentrale Voraussetzung. Die Untersuchung des zweiten Forschungsdesiderats erlaubt dagegen eine breitere Betrachtung an Interaktionsszenen. Jedoch müssten für den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen pädagogischer „Sensitiver Responsivität“ und der Intensität des kindlichen Interaktionsverhaltens ggf. die in dieser Studie festgelegten Operationalisierungen kindlicher Signale modifiziert werden. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass sich Kinder unterschiedlich häufig und intensiv zu Wort melden und deshalb die Auswirkungen „Sensitiver Responsivität“ auf mitteilsame und ruhige Kinder gleichermaßen betrachtet werden sollten. Eine repräsentative Untersuchungspopulation wäre die Grundlage einer solchen Studie. Ein weitaus differenzierteres Forschungsdesign erfordert das dritte Forschungsdesiderat. Um zu ergründen, warum pädagogische „Sensitive Responsivität“ die Qualität des kindlichen Interaktionsverhaltens in Abhängigkeit bestimmter Kategorien beeinflusst, müssten nicht nur die Qualitätsmerkmale der
10 Ausblick
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kindlichen Signale erneut berücksichtigt und das Verhalten verschiedener Kinder in den Blick genommen werden. Vielmehr müsste auch das Bedingungsgefüge der Situationen in den unterschiedlichen Kategorien differenziert betrachtet werden. Die Untersuchung von Kontextfaktoren spielt hier eine besondere Rolle. Die verbleibenden drei Forschungsdesiderata stellen eine Erweiterung der Erkenntnisinteressen der vorliegenden Arbeit dar. So wäre zu erforschen, warum es in der Erhebungsphase dieser Studie so schwierig war, überhaupt Situationen zu finden, in denen Erzieherinnen und Kinder über einen kurzen Moment hinaus miteinander interagieren. Bereits König (2006)127 hatte in ihrer Dissertation ermittelt, dass pädagogische Fachkräfte nur sehr selten in „lang andauernde Interaktionen“ mit Kindergartenkindern verbunden sind und Dialoge mit einzelnen Kindern zu kurz kommen. Bei gleichzeitiger Betrachtung pädagogischer Haltungen würde es sich lohnen, diesem Tatbestand nachzugehen. Pädagogische Haltungen könnten auch im Rahmen eines fünften Forschungsdesiderats untersucht werden. Es könnte eruiert werden, inwiefern die Haltungen von Fachkräften das Initiieren, Zulassen und Fördern bestimmter pädagogischer Situationen beeinflussen. Die Fragestellung könnte zudem entsprechend erweitert werden, wenn man die Auswirkungen der pädagogischen Haltungen und Situationen auf das Lernen der Kinder in den Blick nimmt. Schließlich wäre es eine sechste spannende Forschungsaufgabe, dem Vorhandensein von Lerndispositionen128 sowohl auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte als auch auf Seiten der Kinder nachzugehen und auf den Zusammenhang mit einem erfolgreichen kindlichen Lernen hin zu überprüfen. Erste Anzeichen, dass Interaktionen erfolgreich verlaufen und Kinder insbesondere dann zu lernen scheinen, wenn beide Interaktionspartner interessiert und engagiert „bei der Sache sind“, liegen in dieser Studie vor. Sie müssten ausgeweitet und vertieft werden.
10.2 Empfehlungen für die pädagogische Praxis Anknüpfend an die Forschungsdesiderata und Ergebnisse dieser Untersuchung werden schließlich Empfehlungen gegeben, die Fachkräfte im pädagogischen Alltag unterstüzen sollen, kindliche Lernprozesse durch sensitiv-responsive Interaktionen zu begleiten. Die Hinweise betreffen sowohl die Reflexion des kindlichen und pädagogischen Interaktionsverhaltens als auch die Gesprächsgestaltung mit Kindern. 127 128
Vgl. Kapitel 3.3 1990er Jahre bis heute, S.77ff Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland, S.57ff
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10 Ausblick
10.2.1 Reflexion des kindlichen Interaktionsverhaltens Die Studie hat gezeigt, dass kindliche Signale nach „Wichtigkeit“, „Dabei-Sein“ und Inhalt differenziert werden können. Zudem wurde deutlich, dass Kinder nicht nur unterschiedlich mit einer mangelnden pädagogischen „Sensitiven Responsivität“ umgehen, sondern diese durchaus auch selbst beeinflussen können. Aus dieser Erkenntnis folgt, dass Erzieherinnen kindliche Interaktionssignale genau beobachten müssen. Dabei können sie sowohl die Folgen ihres mehr oder weniger feinfühligen Verhaltens eruieren als auch Lerndispositionen der Kinder in den Blick nehmen, die für die Interaktionsgestaltung und sich fortentwickelnde Lernprozesse von zentraler Bedeutung sind. Da pädagogische Fachkräfte nur angemessen und sensitiv-responsiv auf Kinder reagieren können, wenn sie die Signale eines jeden einzelnen Kindes bemerken und richtig verstehen, sollten regelmäßig offene Beobachtungsverfahren angewendet werden, um das Interaktionsverhalten und die Lerndispositionen von Kindern zu ergründen. Dabei eignen sich „Bildungs- und Lerngeschichten“129 sehr gut, individuelle Interessen, Verhaltensweisen und Lernprozesse ins Blickfeld zu rücken und auf dieser Basis angemessen auf Kinder einzugehen. Ein Vorteil dieses ressourcenorientierten Instruments besteht darin, dass Lerndispositionen als strukturierende Aspekte bei der Beobachtung von Alltagssituationen unmittelbar mit erfasst werden. Pädagogische Fachkräfte beobachten also nicht nur die Handlungen und Aussagen der Kinder, sondern erfahren zugleich, inwieweit sich Kinder engagieren, wie sie sich ausdrücken und mitteilen, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen und inwiefern sie Verantwortung übernehmen (Leu et al. 2007). Eine weitere Form, Themen und Verhaltensweisen von Kindern zu beobachten, stellt der Bogen zu kindlichen Bildungsthemen dar, der im Modellprojekt „Zum Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen“ von Laewen und Andres (2002)130 entwickelte wurde. Der Bogen erlaubt eine genaue Erfassung und Reflexion dessen, was Kinder in einer Beobachtungssituation sagen und tun. Ebenso ermöglichen es die Beobachtungsbögen von Mayr und Ulich (1999) einen Einblick in Interessensfelder zu gewinnen, für die sich Kinder besonders stark engagieren. Auch über einen längeren Zeitraum hinweg kann die Engagiertheit einzelner Kinder eingeschätzt werden. Durch die Ermittlung der Häufigkeit bestimmter Aktivitäten wie Bewegung, Basteln, Rollenspiel, Musizieren etc. erfahren Erzieherinnen, für welche Themen sich Kinder derzeit besonders interessieren. Zudem können sie die Situation der Kinder in der Einrichtung reflektieren. 129 130
Vgl. Kapitel 2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland, S.63ff Vgl. Kapitel 2.2 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien in Deutschland, S.63ff
10 Ausblick
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Da eine sorgfältige Dokumentation mithilfe der vorgestellten Bögen durchaus zeitaufwändig ist und Erzieherinnen mit sehr wenig Vorbereitungszeit vor ernstzunehmende Probleme stellt, soll zusätzlich auf Beobachtungs- und Dokumentationsmöglichkeiten verwiesen werden, die zwar noch nicht wissenschaftlich erprobt sind, die sich in der Praxis aber gut bewährt haben. Hierzu zählen Karteikarten, Gruppenbücher oder so genannte Könnerhefte, die der Dokumentation kindlichen Lernens dienen. Auch Video- oder Fotoaufnahmen können die Beobachtungs- und Dokumentationsformen zur Erfassung kindlicher Interessen ergänzen. Da pädagogische Fachkräfte jedoch vor allem im direkten Austausch mit Kindern erfahren können, was diese tatsächlich beschäftigt, sind persönliche und unmittelbare Gespräche unabdingbar. Abgesehen von spontanen Gesprächen im pädagogischen Alltag sollten Erzieherinnen mit Kindern auch über ihre Beobachtungen sprechen. Nur so gewinnen sie Einblick in die Sichtweisen der Kinder und können die Richtigkeit ihrer Beobachtungen überprüfen. Folgende Fragen dienen nun zur Reflexion von Beobachtungs- und Gesprächssituationen. Sie sollen Fachkräfte unterstützen, einen tieferen Einblick in individuelle Ausdrucksfähigkeiten und Lerndispositionen von Kindern zu gewinnen. Übersicht 10.1: Reflexionsfragen zu Lerndispositionen x Ist das Kind interessiert und engagiert „bei der Sache“? Wirkt es dabei zufrieden, begeistert, stolz, emotional bewegt? Warum ist das ggf. nicht so? x Wie teilt sich das Kind mit? Wie drückt es sich – verbal und nonverbal – aus? x Bleibt das Kind hartnäckig an seinem Thema oder lässt es sich leicht verunsichern? x Welche Strategien nutzt das Kind, um bei Schwierigkeiten standzuhalten? x Wie wichtig ist dem Kind sein Thema? Kehrt es zum Interessensgegen-stand zurück? x Woran erkenne ich das dringende Mitteilungsbedürfnis eines ruhigeren Kindes? x In welchen Situationen kommt das Kind von sich aus zu mir, um mir etwas zu erzählen oder zu zeigen? Was erzählt, zeigt oder tut es dann? x Wie reagiert das Kind im Interaktionsverlauf auf mich? Ändert sich seine Ausdrucksweise - qualitativ und quantitativ? x Wie wirkt das Kind nach Abschluss der Interaktion auf mich?
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10.2.2 Reflexion des pädagogischen Interaktionsverhaltens Neben der Reflexion des Interaktionsverhaltens der Kinder muss auch über das pädagogische Interaktionsverhalten nachgedacht werden, wenn Erzieherinnen den Umgang mit Kindern feinfühliger gestalten möchten. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass die Faktoren Interesse, Eingehen, Engagement, Verständnis, Blickkontakt und Ruhe für einen sensitiv-responsiven Austausch mit Kindern von zentraler Wichtigkeit sind131 und dass der Grad an „Sensitiver Responsivität“ bei entsprechender Umkehrung der Faktoren ins Negative fallen kann. Ebenso wurde aufgezeigt, dass Kinder weniger Anregung erfahren, wenn pädagogische Fachkräfte die Interaktionen mit ihnen bestimmen und lenken132. Die kollegiale Beobachtung und der kollegiale Austausch können helfen, eigene Verhaltensweisen und die Rahmenbedingungen pädagogischer Situationen zu reflektieren. Erzieherinnen, die mit dem Verfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten, überlegen gemeinsam mit ihren Kolleginnen, wie sie in unterschiedlichen Situationen auf Kinder reagiert haben oder künftig bei der Begleitung ihrer Lernprozesse reagieren wollen. Ebenso lässt sich der Beobachtungsbogen der Gruppe von infans (2002) zur Selbstreflexion nutzen. Fachkräfte denken darüber nach, welche Reaktionen eine beobachtete Situation in ihnen hervorruft und versuchen die gewonnenen Erkenntnisse in ihrem künftigen Handeln umzusetzen. Erzieherinnen, die die Bögen von Mayr und Ulich (1999) anwenden, gehen ähnlich vor. Sie reflektieren, wie sie eine stärkere Engagiertheit bei Kindern anregen können. Zudem wird überdacht, welche Konsequenzen dies für das eigene pädagogische Handeln und für die Gestaltung von Rahmenbedingungen nach sich zieht. Gegebenenfalls greifen die Fachkräfte auf den Bogen „Kleingruppe bei einer Tätigkeit“ (Mayr und Ulich 1999) zurück, der sich für die kollegiale Beobachtung gut eignet. Wenn sich Erzieherinnen beispielsweise beim Vorlesen mit einer Kindergruppe von einer Kollegin beobachten lassen und sich anschließend über die Situation unterhalten, bekommen sie nicht nur einen Einblick in Interessensfelder, für die sich Kinder sehr engagieren, sondern auch ein Feedback zu ihrem eigenen pädagogischen Verhalten. Nicht zuletzt nutzen Fachkräfte aus Neuseeland die Methode der kollegialen Beobachtung, um die Ursachen für eine mangelnde Zugänglichkeit, Aufmerksamkeit und ein unzureichendes Sich-Einlassen auf Kinder zu ergründen. Über einen Zeitraum von zwei Wochen videographieren die Erzieherinnen ihre 131
Vgl. Kapitel 8.1.2 Kennzeichen von Situationen mit einem zumeist feinfühligen pädagogischen Verhalten, S.177ff 132 Vgl. Kapitel 8.2.7 „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen, S.259ff
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Kolleginnen, während diese mit verschiedenen Kindern interagieren. Anschließend werden die Beobachtungen im Team ausgewertet. Indem sich die pädagogischen Fachkräfte intensiv mit den einzelnen Situationen befassen, finden sie in aller Regel heraus, warum sie einem Kind nicht richtig zugehört und in der Interaktion mit ihm nicht feinfühlig reagiert haben. Oftmals hängen die Ursachen für ein wenig sensitiv-responsives Antwortverhalten der Fachkräfte mit Situationsumständen wie Unruhe und Ablenkungen zusammen. Das hat auch die Analyse der Videoszenen dieser Studie gezeigt133. Selbst wenn Erzieherinnen diese ungünstigen Rahmenbedingungen nicht immer beeinflussen können, haben sie dennoch die Möglichkeit, pädagogische Situationen neu zu gestalten. Mit dem konsequenten Rückhalt ihrer Leiterinnen ist es einigen Fachkräften im Projekt „Bildungs- und Lerngeschichten“ gelungen, ruhigere Zeiten für den Austausch mit Kindern einzurichten. Eine Reflexion der organisatorischen Alltagsstruktur und klare Absprachen im Team haben dazu geführt, dass als „Springer“ fungierende Fachkräfte genau den Kolleginnen den „Rücken freihalten“, die sich gerade ungestört mit Kindern unterhalten möchten. Zudem haben die Erzieherinnen mit den Kindern bestimmte Zeichen vereinbart, die sie darauf hinweisen, dass eine Erzieherin gerade nicht unterbrochen werden möchte. Ebenso hat es sich als sinnvoll erwiesen, darüber nachzudenken, welche Situationen sich im Tagesablauf besonders gut für den Austausch mit Kindern nutzen lassen. Auf diese Weise wurden Situationen wie das morgendliche Ankommen oder das Spielen im Außengelände, aber auch Wickelsituationen mit jüngeren Kindern im Hinblick auf die Gestaltung feinfühliger Interaktionen wieder neu entdeckt. Schließlich fördert es sensitiv-responsive Interaktionen, Materialien, Räumlichkeiten und Situationen dann zu verändern, wenn diese nicht mehr genügend Anregungsgehalt bieten. Auch wenn Kinder eine günstigere Umgebung brauchen, um ihre Gefühle angstfrei und unbeschwert zu äußern, können Räume neu geschaffen werden. Neben einem feinfühligen Interaktionsklima ist hier die ganz konkrete Raumgestaltung gemeint, also die Einrichtung abgeschirmter und gemütlicher Ecken, in denen sich Kinder wohl und geborgen fühlen. Hierhin können sie sich mit ihren Freunden oder Erzieherinnen zurückziehen und sich ungestört austauschen.
133
Vgl. Kapitel 8.1.3 Kennzeichen von Situationen mit einem vermehrt nicht-feinfühligen pädagogischen Verhalten, S.182ff
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10.2.3 Gestaltung des Umgangs und der Gespräche mit Kindern Grundvoraussetzung eines sensitiv-responsiven pädagogischen Verhaltens ist, dass Erzieherinnen Kindern aufmerksam und interessiert zuhören. Das belegen die Resultate dieser Arbeit. Kinder haben meist das dringende Bedürfnis, ihre Stimmungen und Gedanken sofort mitzuteilen und brauchen dann einen Interaktionspartner, der angemessen auf ihre Signale reagiert und eingeht. Neben den Gefühlen der Kinder sollten Fachkräfte natürlich die in den Ideen, Äußerungen und Tätigkeiten zutage tretenden Interessen der Kinder im pädagogischen Alltag spontan aufgreifen und sich darüber mit ihnen austauschen. Ruft man sich in Erinnerung, dass bei einigen Erzieherinnen dieser Studie die Tendenz bestand, Kinder abzufragen und mit Anweisungen zu konfrontieren134, muss an dieser Stelle das Zuhören thematisiert werden. Zuweilen haben Fachkräfte im Dialog mit Kindern bestimmte Antworten im Kopf und hören deshalb nicht mehr auf das, was Kinder außerdem erzählen. Carr postuliert (2001) deshalb das „Aktive Zuhören“. Im Gegensatz zum „Evaluativen Zuhören“ schenken Erzieherinnen Kindern während des gesamten Dialogs eine hohe Aufmerksamkeit und fragen immer wieder interessiert nach, um sie richtig zu verstehen. Damit ein gegenseitiges Verstehen auch in Interaktionen mit Kleinstkindern bzw. mit nicht deutsch sprechenden Kindern gewährleistet ist, greifen pädagogische Fachkräfte auf den „handelnden Dialog“ zurück. Dabei beobachten sie die Handlungen der Kinder sehr aufmerksam und fühlen sich in die Kinder ein. Anschließend drücken sie ihre Vermutungen über den Sinn der kindlichen Tätigkeiten handelnd aus und untermauern sie verbal. Anhand der Reaktionen der Kinder ermitteln die Fachkräfte, ob sie die Kinder verstanden haben. Neben dem Zuhören und Reagieren gehört es zu einem sensitiv-responsiven Verhalten, Interaktionsanlässe zu initiieren. Besonders, wenn es darum geht, zurückhaltendere Kinder zu erreichen, lohnt es sich, Kinder aktiv anzusprechen. Gleiches gilt selbstverständlich für alle anderen Kinder, wenn Erzieherinnen diese einbeziehen oder zu weiterführendem Denken und Handeln anregen möchten. Hierbei kann auch darüber nachgedacht werden, welche Themen die Fachkräfte selbst spannend finden, womit sie sich besonders gut auskennen und wie sie die Kinder begeistern könnten. Möchten Erzieherinnen den Austausch mit Kindern initiieren, erleichtern offene und einladenden Fragen wie „Ich habe gesehen, wie du … .Was hattest du denn vor?“, „Kannst du mir zeigen, wie du das gemacht hast?“, „Wie bist du auf diese Idee gekommen?“, „Was hat dir dabei besonders Spaß gemacht?“ den Gesprächseinstieg. Gelingt es Interaktionsanlässe zu schaffen, die für mehrere Kinder bedeutsam sind, erweitern die Fach134
Vgl. Kapitel 8.2.7 „Sensitive Responsivität“ in erzieher- oder kindbestimmten Interaktionen, S.259ff
10 Ausblick
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kräfte deren Denk- und Handlungsspielräume und leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Integration. Indem sie die Interessen verschiedener Kinder miteinander verknüpfen, erleichtern sie es ihnen, Kontakte herzustellen und auszubauen. Eine besondere Interaktionsform, die wie der „handelnde Dialog“ oder das „Aktive Zuhören“ zu einem gleichberechtigten, verstehenden und stimulierenden Austausch führt, ist das „sustained shared thinking“, das von König (2006) in ihrer Studie über „Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse“ untersucht wurde135. Der Begriff des „sustained shared thinking“ entstand im Kontext der von 1997 bis 2003 in England durchgeführten EPPE-Studie136, in der belegt werden konnte, dass Kinder vor allem dann gute Lernergebnisse erzielen, wenn sie zusammen mit ihren Erzieherinnen oder Freunden nachhaltig denken, Ideen entwickeln, gemeinsam gedankliche Probleme lösen, sich gegenseitig Konzepte erklären, über ihre Aktivitäten nachdenken oder Geschichten weiterspinnen. Die Fachkräfte beziehen die Beiträge der Kinder aufeinander und unterstützen sie bei der Ausführung ihrer Ideen. Dabei fragen sie nach, ohne die Kinder zu bewerten und regen sie so zu neuen Gedanken an. Nach Carr (2001) dominieren die Erzieherinnen die Gespräche mit Kindern nicht und lassen ihnen ausreichend Raum zum Erzählen. Außerdem vermeiden sie es, Kinder mit zu vielen und geschlossenen Fragen zu konfrontieren, da diese ihnen nur sehr beschränkte Antwortmöglichkeiten lassen. Stattdessen nehmen die Fachkräfte eine stets interessierte, neugierige, fragende, forschende und „dialogische“ Haltung ein. Auf gleicher Augenhöhe lernen sie von und mit den Kindern. Dies setzt die Bereitschaft der Erzieherinnen voraus, sich während der Interaktion mit Kindern in Zurückhaltung zu üben. Häufig sind es Fachkräfte gewohnt, in bestimmten Situationen zu intervenieren, und sei es, um Kinder vor einem vermeintlichen Schaden zu bewahren. Diese sicherlich gut gemeinten Eingriffe verhindern jedoch in manchen Fällen, dass Kinder die vorhandenen Anregungen zu ihrem Vorteil nutzen und in ihren Lernprozessen voranschreiten können. Aus diesem Grund muss überprüft werden, ob Kindern zu wenig zugetraut wird und ob ihnen Tätigkeiten und Gedankengänge abgenommen werden, die sie selbst aus- und weiterführen könnten. Erzieherinnen sollten vielmehr auf die Neugierde der Kinder vertrauen und sich ggf. auch von eigenen Ansichten und Gewohnheiten lösen. Nur so können sie sich in gemeinsamen Denk- und Lernprozessen mit Kindern auf neue Sichtweisen einlassen. Die Arbeit an einem sensitiv-responsiven pädagogischen Verhalten bedeutet folglich, sich fortwährend mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen. Um Erzieherinnen hierbei zu unterstützen, werden abschließend erneut Reflexions135 136
Vgl. Kapitel 3.3 1990er Jahre bis heute, S.77ff The Effective Provision of Pre-School Education Project
300
10 Ausblick
fragen aufgeführt. Die Fragen basieren auf dem neuseeländischen Ansatz der „Teaching Stories“137, der Ende der 1990er Jahre von Carr und Kollegen entwickelt wurde. Fünf hypothetische Fragen aus Kindersicht wurden in dieser Dissertation erweitert und mit den entsprechenden Komponenten „Sensitiver Responsivität“ in Verbindung gebracht (Remsperger 2008, S.46ff). Mit den „Fragen der Kinder“ möchte ich dazu ermuntern, die Beziehungen zu Kindern immer wieder in den Blick zu nehmen, damit sie tatsächlich von Wechselseitigkeit, „Sensitiver Resposnivität“, Respekt und Anregung geprägt werden. Wenn wir also die Interessen und Lernchancen von Kindern wahrnehmen, uns von ihrer Motivation und Begeisterung anstecken lassen und auf die Neugier und Lernfreude der Kinder vertrauen, können wir stimulierende Impulse geben, die Kinder dazu anregen, ihre eigenen Interessen zu verfolgen, ihre Ideen umzusetzen und kreativ zu handeln und zu lernen. Übersicht 10.2: Reflexionsfragen zur „Sensitiven Responsivität“ Fragen der Kinder Kennst du mich und meine Interessen?
137
Weiterführende Reflexionsfragen x Weiß ich, wofür du dich gerade interessierst und beobachte ich dich ausreichend? x Greife ich deine aktuellen Interessen und Themen auf und spreche ich mit dir darüber? x Überlege ich gemeinsam mit dir, wie und was du lernst? x Dokumentiere ich deine Lernwege gemeinsam mit dir?
Vgl. Kapitel 2.1 Umsetzung (sozial-) konstruktivistischer Lerntheorien im Ausland, S.57ff
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Hörst du mir zu und reagierst du auf mich?
x Bin ich zugänglich und wirklich interessiert an dem, was du erzählst, zeigst oder tust? x Habe ich Zeit und Ruhe, dir aufmerksam zuzuhören? x Gebe ich dir ausreichend Raum zum Erzählen? x Spreche ich langsam, deutlich und in angemessenem Ton? Wie stimme ich mich nonverbal mit dir ab? x Suche und halte ich den Blickkontakt mit dir? x Nehme ich deine verbalen und nonverbalen Signale wahr und verstehe ich sie? x Reagiere ich auf deine Signale und lasse ich mich wirklich auf dich ein? x Frage ich nach und versuche ich, deine Interessen und Bedürfnisse zu verstehen? x Bringe ich mich aktiv in die Interaktion ein? x Fällt mir selbst etwas zu deinen Schilderungen ein und berichte ich davon?
Kann ich dir vertrauen?
x Wie ist meine Beziehung zu dir? x Begegne ich dir mit Offenheit, Wertschätzung, Respekt, Akzeptanz und auf gleicher Augenhöhe? x Wie frage ich dich, wie antworte ich dir? Ist meine Wortwahl wertschätzend? x Wie gehe ich mit deinen „Fehlern“ um? Wie berichtige oder lobe ich dich? x Äußerst du dich mir gegenüber ohne Ängste und lässt du mich an deinen Gefühlen teilhaben? x Greife ich deine Gefühle prompt auf? x Befinde ich mich mit dir auf Augenhöhe und lasse ich den Körperkontakt mit dir zu? x Zeige ich Gefühlsregungen und bringe Freude, Begeisterung und Traurigkeit zum Ausdruck?
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Ermunterst du mich, über Neues nachzudenken und Unbekanntes auszuprobieren?
x Lasse ich mich von deiner Begeisterung anstecken und nehme ich gleichzeitig deine Lernchancen wahr? x Bestärke ich dich in dem, was du tust und sagst? x Greife ich deine Ideen auf und rege ich dich zu neuen Gedanken und Handlungen an? x Wie drücke ich mich im Gespräch verbal aus? x Welche neuen Kommunikationsanlässe schaffe ich für dich? x Lasse ich dir nötige Freiräume, damit du dich selbsttätig und eigenständig erproben kannst?
Unterstützt du mich dabei, ein Teil der Gruppe zu sein?
x Unterstütze ich dich bei der Integration in die Gruppe? x Bestärke ich dich in diesem Integrationsprozess und stärke ich damit dein Selbstbewusstsein? x Inwiefern greife ich deine Interessen auf, um sie mit denen anderer Kinder zu verknüpfen und gemeinsame Lernprozesse zu ermöglichen?
11 Literaturverzeichnis
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