SPRACHE UND METAPHYSIK
BOCHUMER STUDIEN ZUR PHILOSOPHIE Herausgegeben von Kurt Flasch – Ruedi Imbach Burkhard Mojsisc...
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SPRACHE UND METAPHYSIK
BOCHUMER STUDIEN ZUR PHILOSOPHIE Herausgegeben von Kurt Flasch – Ruedi Imbach Burkhard Mojsisch – Olaf Pluta For an overview of all books published in this series, please see http://benjamins.com/catalog/bsp
Band 52
TAMAR TSOPURASHVILI
Sprache und Metaphysik Meister Eckharts Prädikationstheorie und ihre Auswirkung auf sein Denken
B.R. GRÜNER AMSTERDAM/PHILADELPHIA
Sprache und Metaphysik Meister Eckharts Prädikationstheorie und ihre Auswirkung auf sein Denken
TAMAR TSOPURASHVILI Ilia State University, Tbilisi
B.R. GRÜNER AMSTERDAM/PHILADELPHIA
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Gedruckt mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und Open Society Institute (OSI). Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Bibliographic information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available in the Internet at http://dnb.ddb.de.
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Tsopurashvili, Tamar. Sprache und Metaphysik : Meister Eckharts Prädikationstheorie und ihre Auswirkung auf sein Denken / Tamar Tsopurashvili. p. cm. -- (Bochumer Studien zur Philosophie, ISSN 1384-668X ; Bd. 52) Includes bibliographical references and index. 1. Eckhart, Meister, d. 1327--Criticism and interpretation. 2. Metaphysics. I. Title. B765.E34T76â•…â•… 2011 189'.5--dc22 2011013951 isbn 978 90 6032 385 4 (hb; alk. paper) isbn 978 90 272 8520 1 (eb) No part of this book may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission from the publisher. © by B.R. Grüner, 2011 Printed in The Netherlands B.R. Grüner is an imprint of John Benjamins Publishing Company John Benjamins Publishing Co. • P.O.Box 36224 • 1020 ME Amsterdam • The Netherlands John Benjamins North America • P.O.Box 27519 • Philadelphia PA 19118-0519 • USA
Meiner Mutter gewidmet
Vorwort
Die vorliegende Studie ist bei der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation eingereicht und am 22. Juli 2009 vor der Prüfungskommission im Rahmen einer Disputation verteidigt worden. Zuerst möchte ich Prof. Dr. Burkhard Mojsisch größten Dank dafür aussprechen, dass er die Betreuung meiner Doktorarbeit übernommen und ihr Entstehen mit großem Interesse verfolgt hat. Die Klarheit, durch die sich seine eigenen Arbeiten zur antiken und mittelalterlichen Philosophie auszeichnen, stand mir stets als erstrebenswertes Ideal vor Augen. Ihm danke ich auch ganz herzlich dafür, dass die Untersuchung Eingang in die Reihe Bochumer Studien zur Philosophie gefunden hat. Großer Dank gebührt Prof. Dr. Walter Jaeschke, der das Korreferat zu meiner Dissertation erstellt und mir inhaltlich wichtige Hinweise gegeben hat. Diese Arbeit wäre wahrscheinlich nie entstanden, wenn während meines Grundstudiums in Georgien von meinen Dozenten Prof. Dr. Guram Tevsadze und Prof. Dr. Mamuka Beriashvili mein Interesse für die mittelalterliche Philosophie und besonders für das Denken Meister Eckharts nicht geweckt worden wäre. Ich bedanke mich bei ihnen, dass sie mich zu dem anspruchsvollen Projekt, eine Doktorarbeit über Meister Eckhart zu konzipieren, ermuntert haben. Herzlicher Dank gebührt den Organisationen DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) und OSI (Open Society Institute) für die einige Jahre gewährte Promotionsförderung mit dem damit verbundenen Aufenthalt in Deutschland. Bei diesen Organisationen bedanke ich mich auch für die Genehmigung einer ungewöhnlich großzügigen Druckkostenbeihilfe, wodurch ermöglicht worden ist, dass die Arbeit bei der John Benjamins Publishing Company erscheinen konnte. Der OSF (Open Society Foundation) sage ich Dank für die Unterstützung, die mir in Rahmen des International Higher Education Support Program, und zwar des AFP (Academic Fellowship Program), nach meiner Rückkehr in Georgien zuteil geworden ist.
viii Sprache und Metaphysik
Anke de Looper vom Benjamins-Verlag danke ich dafür, dass sie mir zum Manuskript der Studie wichtige Hinweise für die technische Gestaltung unterbreitet hat. Besonderer Dank gebührt Hartmut Grabst für seine gewissenhafte Durchsicht der Arbeit. Die vorliegende Untersuchung stellt eine Art Summa meiner philosophischen Studien in Deutschland dar, Studien, die für mich von besonderem Wert gewesen sind. Das Buch widme ich meiner Mutter, Manoni Ghviniashvili. Sie war mir während meiner Promotionsbemühungen kontinuierlich eine innere Stütze. Ich glaube, sie wäre stolz gewesen, wenn sie das Erscheinen dieses Buches hätte miterleben können.
Tbilisi, im Februar 2011
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1. Eckharts spekulatives Anliegen – das Opus tripartitum 1 2. Zum Verlauf der Arbeitâ•… 9 kapitel 1 Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter 1.1 Logica vetus – logica nova 13 1.2 Inhaerentia-Theorie und Identitätstheorieâ•… 18 kapitel 2 Die Bedeutung von negatio negationis 2.1 Die Eckhart’sche Definition von negatio negationis in den lateinischen Werkenâ•… 27 2.2 Die zwei Theologumenaâ•… 32 2.2.1 Negatio negationis als Affirmationâ•… 32 2.2.2 Negatio negationis als unumâ•… 33 kapitel 3 Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“ 3.1 Die Ontologisierung der Semantikâ•… 35 3.2 Prädikation bei Meister Eckhartâ•… 41 3.3 Negation und Gotteserkenntnis bei Pseudo-Dionysius Areopagitaâ•… 51 3.4 Negatio negationis als Attributionsaussageâ•… 57 3.5 Die Rehabilitierung der affirmativen Sätzeâ•… 69 3.6 Eckharts Interpretation der via negativa 79 Zusammenfassungâ•… 85
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Sprache und Metaphysik
kapitel 4 Die Auswirkung der Prädikation auf die Grundsätze der Metaphysik 87 4.1 Die Transzendentalienlehreâ•… 87 4.2 „Deus est intelligere“. Die Quaestio Parisiensis Iâ•… 96 4.2.1 Der pro forma – Rekurs auf Argumente des Thomas von Aquinâ•… 96 4.2.2 Intelligere als Fundament des Seinsâ•… 99 4.2.3 Die Analogielehre in der Quaestio Parisiensis Iâ•… 107 Zusammenfassungâ•… 112 4.3 Die These vom Seinâ•… 113 4.3.1 Die Vorbemerkungen zum Prologus generalis in Opus tripartitumâ•… 113 4.3.2 Transzendentalien als Prädikateâ•… 118 4.3.3 Die Konvertibilität des ‚Seins‘ mit den anderen Transzendentalienâ•… 121 4.3.4 Die exklusive Identifizierung der Transzendentalien mit Gottâ•… 125 4.3.5 Die semantisch-ontologische Differenz zwischen den termini generales und den Akzidentienâ•… 128 Zusammenfassungâ•… 130 4.4 Das Geburtsparadigmaâ•… 131 4.4.1 Der Prolog des Kommentars zum Johannesevangeliumâ•… 132 4.4.2 Die gleichartigen Wesen – die Univozitätslehreâ•… 136 4.4.3 Die Sohnschaft Gottes und die Stellung des Menschen in ihrâ•… 138 Zusammenfassungâ•… 146 kapitel 5 Eckharts Deutsche Werke und ein weiterer Ort der Thesen seiner Metaphysik 5.1 Eckharts Sprache in den Deutschen Predigten. Ein germanistischer Exkursâ•… 148 5.2 Predigt 9: ‚Quasi stella matutina in medio nebulae et quasi luna plena in diebus suis lucet et quasi sol refulgens, sic iste refulsit in templo dei‘ (Eccli. 50, 6f.)â•… 154 5.3 Predigt 21: ‚Unus deus et pater omnium etc.‘ (Eph. 4, 6)â•… 164 Zusammenfassungâ•… 169
147
Inhaltsverzeichnis
Schlussbetrachtung
171
Bibliographie 1. Werke Meister Eckhartsâ•… 173 2. Ergänzende Primärliteraturâ•… 174 3. Sekundärliteraturâ•… 175
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Sachregister Namenregister
183 187
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Einleitung
Das Denken ist die Aktivität der Vernunft. Das Denken lässt sich durch die Sprache ermitteln. Die Sprache ermöglicht es, die durch die Aktivität des Denkens erbrachten Ergebnisse, die Gedanken, in Form von Sätzen zu fixieren. Auf solche Weise, in Form von Sätzen, hält die Vernunft die Gedanken als die Produkte ihrer Tätigkeit, des Denkens, fest. So zeigt sich eine Kette von Gegebenheiten, die einander bedingen: Vernunft – Denken, Denken – Gedanken, Gedanken – Sprache, Sprache – Satz. Die Reflexion auf die Vernunft impliziert die Reflexion auf das Denken als Prozessualität, auf den Gedanken als Gedachtes und auf die Sprache als Form, in der das Gedachte gedacht wird. Die Sprache fungiert als ein Medium, das es ermöglicht, den durch die Vernunft gedachten Gedanken zu konstruieren: Um in einem Satz ein Subjekt mit einem Prädikat auf der Ebene der Sprache zu verbinden, muss diese Verbindung erst auf der Ebene des Denkens vollzogen werden. Das Denken vermag diese Aufgabe auf zweierlei Weise zu erfüllen. In der Neuzeit unterschied I. Kant bei den durch diese Operation entstandenen Sätzen zwischen analytischen und synthetischen Urteilen. Im Mittelalter sprach man von inhärenziellen Sätzen und Identitätssätzen. Die Differenz zwischen analytisch/synthetisch und inhärenziell/identisch findet allerdings keinerlei Ausdruck in einer unterschiedlichen Satzstruktur. In beiden Arten von Sätzen wird ein Subjekt mit einem Objekt durch die Kopula ‚ist‘ verbunden. Die Sinndimension des Satzes eröffnet sich nicht in der Satzstruktur, sondern in der Denotation der Begriffe. Die Vernunft ist ein zentraler Begriff in Meister Eckharts Werken. Die zentrale Stellung des Vernunftbegriffes in seinem Denken impliziert die besondere Bedeutung des Denkens selbst (intelligere) und des mit dem Denken verbundenen Mediums für den Ausdruck des Gedachten – der Sprache. 1.
Eckharts spekulatives Anliegen – das Opus tripartitum
Obwohl schon am Anfang der Eckhartforschung J. Quint darauf aufmerksam gemacht hat, dass Eckharts Denken als Einheit zu betrachten ist, tendiert die . Vgl. J. Quint, Zur Einführung, in: Meister Eckhart, LW III, S. XVI.
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Sprache und Metaphysik
Forschung immer noch dazu, Eckharts Denken in seinen lateinischen Werken abzugrenzen von dem als Mystik oder spekulative Mystik charakterisierten Denken in seinen deutschen Werken. Eine solche Auffassung wird meistens mit der Differenz der sprachlich-stilistischen Ausdrucksweisen zwischen den deutschen und lateinischen Schriften begründet. So gesehen bleibt die Einordnung des Eckhart’schen Denkens in die Geschichte der abendländischen Tradition immer noch eine offene Frage. Allerdings gilt es als weitgehend akzeptiert, dass Meister Eckhart ein Metaphysiker ist. Den Ort in Eckharts Denken, an dem Bruchstücke seiner Metaphysik zu finden sind, stellt das Opus tripartitum dar. Wie schon der Name besagt, sollte das Opus tripartitum drei Teile umfassen: (1) das Opus propositionum mit mehr als tausend Thesen, das dazu bestimmt war, die Grundlagen der Eckhart’schen Lehre darzulegen; (2) das Opus quaestionum, das nach Eckharts Andeutungen in materia und ordo der Summa theologiae des Thomas von Aquin folgte, und (3) das Opus expositionum, eine umfassende Auslegung der Schrift. Das Opus expositionum besteht aus zwei Teilen, aus den eigentlichen Expositiones und dem Opus sermonum. Eckhart beschäftigt sich hier mit einzelnen Bibelzitaten, die ihm besonders gehaltvoll erscheinen. Die Auswahl der Zitate erfolgt nicht im Hinblick auf ihre Anordnung im biblischen Text, sondern in Bezug auf die von ihm zuerst aufgestellten propositiones, die ihrerseits der Ordnung der termini generales folgen. Gemäß dem Prologus generalis bilden die drei Werke einen systematischen Zusammenhang. Die Grundlegung des dreiteiligen Werkes erfolgt nach Eckharts Intention im Opus propositionum. Ohne dessen Thesen seien die beiden anderen Werke „nur von geringem Nutzen“. Ob das Programm auch durchgeführt wurde, können wir heute nicht mehr beurteilen: Das Opus . Für die Verteidiger der mystischen Strömung in der Eckhart-Forschung ist die Position von K. Ruh exemplarisch: „Ein wirkliches Problem ist hingegen die Frage nach der mystischen Erfahrung Eckharts. Sie wird in Abrede gestellt, weil er nicht davon spricht. Eckharts Mystik, so heißt es, sei eine ‚Geistmystik‘, keine cognitio experimentalis. Aber ist das Schweigen über sie nicht gerade als ihr Kriterium angesprochen worden? Die Entrückung des Paulus in den dritten Himmel (2 Kor. 12, 2 u. 4; vgl. auch Apost. 9, 3) bleibt ungewortet – ‚geworten‘, ‚ins Wort treten‘ ist eine spezifische Bildung der deutschen Mystik – da die vernommenen ‚geheimnisvollen Worte‘ von der Art waren, ‚die ein Mensch nicht sagen darf ‘.“ K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, S. 188. Anstelle des etablierten Terminus „spekulative Mystik“ verwendete K. Albert die neuen Formulierungen: „intellektuelle Mystik“ und „philosophische Mystik.“ Vgl. K. Albert, Eckharts intellektuelle Mystik, in: A.€Speer/ L.€Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin/NY 2005, S. 231–238, hier S. 234. . Prol. gener. n. 11, LW I, S. 156, 5.
Einleitung
expositionum ist uns nur als Torso überliefert worden, vom Opus quaestionum kennen wir fast nichts, nur vom Opus propositionum liegt ein großer Teil vor. Hier könnte die Erklärung von K. Weiß hilfreich sein, die er im Vorwort zur kritischen Ausgabe der lateinischen Werke Eckharts gegeben hat: Eckhart schrieb die Vorreden und die ersten Genesisauslegungen zusammen und als Einheit nieder, woran sich vielleicht die Exodusauslegung anschloß. Wahrscheinlicher ist, daß sie als besondere, zweite Schrift auch in ein besonderes Heft geschrieben wurde, was für die zweite Genesisauslegung selbstverständlich ist.
Nach Weiß ergibt sich daraus, dass die später hinzugefügten Inhaltsverzeichnisse für die Vorreden und die erste Genesisauslegung zusammen vor den Vorreden stehen, während die zweite Genesis- und die Exodusauslegung ihre Inhaltsverzeichnisse jeweils vor sich stehen haben. In den Vorreden sei ein Plan vorhanden, der vermutlich vor der ersten Genesis- und Exodusauslegung geschrieben wurde. Die Frage, ob die anderen Teile des dreiteiligen Werkes zu diesem Zeitpunkt bereits vorlagen, wurde von Weiß negativ beantwortet. In seiner Argumentation sieht er zwei überzeugende Gründe für eine solche Behauptung: Erstens, dort, wo Eckhart beispielsweise die erste These, die erste Abhandlung und die erste Auslegung in der Vorrede anführt, sage er nicht, dass diese an ihrem Ort ausführlicher behandelt, sondern ausführlicher zu behandeln seien; zweitens spreche Eckhart in der Hauptvorrede immer im Präsens von der Ausarbeitung des ganzen Werkes, im Futur von seiner Wirkung; nur dort, wo er vom zweiten Teil des Werkes der Auslegungen, den Predigtentwürfen, spreche, sage er: „… auctor pertractavit et exposuit et placuit ipsi.“ Weiß kommt zu dem Schluss: … als Eckhart die Hauptvorrede schrieb, waren vom ganzen dreiteiligen Werke lediglich die Predigtentwürfe geschrieben. Darüber hinaus ist diese Vorrede für die Feststellung dessen, was Eckhart vom ganzen Werke noch fertiggestellt hat, belanglos. Anhaltspunkte für die Feststellung der wirklich einstmals vorhandenen Werke Eckharts können nur seine Selbstzitate sein.
J. Koch behauptet aufgrund des überlieferten Eckhart’schen Opus „mit Gewissheit“, dass „dieses Werk nie fertig geworden ist … Wir befinden uns vielmehr . Vgl. O. Langer, Meister Eckharts Begründung einer neuen Theologie, in: V. Leppin/ H. J. Schiewer (Hrsg.), Meister Eckhart aus theologischer Sicht, (Meister-Eckhart Jahrbuch 1) Stuttgart 2007, S. 1–25, hier S. 9. . K. Weiß, Zur Einführung, in: Meister Eckhart, LW I, S. 25. . Zitiert nach: K. Weiß, Zur Einführung, in: Meister Eckhart, LW I, S. 26. . K. Weiß, Zur Einführung, in: Meister Eckhart, LW I, S. 26.
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Sprache und Metaphysik
sozusagen auf einem weiten Bauplatz, auf dem einzelne Teile des geplanten großen Gebäudes bereits errichtet sind, während andere unvollendet dastehen.“ Eine solche Behauptung schließt die Annahme aus, dass während der Überlieferung einige Teile von Eckharts Werk verloren gegangen sein könnten. Eine Weiterentwicklung der von Koch aufgestellten Forschungshypothese stellt der Vorschlag von W. Goris dar, eine ideale und eine realisierte Ebene in den Eckhart’schen Werken zu unterscheiden. Seiner Auffassung nach könne nämlich im Fall von Meister Eckhart eher über die nicht geschriebene als über die nicht vollständig überlieferte Philosophie gesprochen werden. Die Argumentation von Goris zielt darauf ab, die Position der sog. ‚Bochumer Schule‘ zu kritisieren, die behaupte, die im Prolog des Johanneskommentars formulierte Intention Eckharts bestehe darin, die Bibel mit philosophischen Argumenten auszulegen.10 Goris’ Meinung nach passe nicht alles, was von Eckhart geschrieben worden sei, zu dessen ursprünglicher Planung, was zum Beispiel auch der zweite Genesiskommentar zeige, der schwer in das Projekt des Opus tripartitum einzuordnen sei.11 Die Frage nach der Datierung des Opus tripartitum wurde in der Forschung mehrmals aufgegriffen.12 Das letzte Wort in dieser Hinsicht gehört L. Sturlese, der . J. Koch, Zur Einführung, in: Meister Eckhart, LW III, S. XXI. . Vgl. J. Koch, Zur Einführung, in: Meister Eckhart, LW III, S. XXI: „Verbinden wir nun unsere früheren Darlegungen über die gruppenweise Überlieferung der Schriften Eckharts mit den Ergebnissen, die wir bei der Betrachtung der Struktur des Opus tripartitum gewonnen haben, so ergibt sich zunächst mit völliger Gewissheit, daß dieses Werk nie fertig geworden ist.“ 10. Die Argumentation der ‚Bochumer Schule‘ bezieht sich auf die folgende Passage des Kommentars zum Iohannesevangelium: „In cuius verbi expositione et aliorum quae sequuntur, intentio est auctoris, sicut et in omnibus suis editionibus, ea quae sacra asserit fides christiana et utriusque testamenti scriptura, exponere per rationes naturales philosophorum“ (In Ioh. n. 2, LW III, S. 4, 4–6). Von einer „Behauptung der Bochumer Schule“ kann also keine Rede sein, da Eckhart seine Intention hier klar formuliert. Vgl. auch die Kritik von Goris in: W. Goris, Einheit als Prinzip. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts, (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters Bd. LIX) Leiden/NY/Köln 1997, S.€27: „Insoweit der Prolog zum Johanneskommentar die Intention Eckharts, so wie diese in den Prologi in Opus tripartitum formuliert worden ist, nämlich die Bibel mit Hilfe der Philosophie auszulegen, zum Ausdruck bringt, ist es gelinde gesagt äußerst fraglich, ob es eine solche Philosophie überhaupt gibt! Die Vernachlässigung des Unterschiedes zwischen der idealen und realisierten Ebene des Eckhart’schen Werkes verführt die Bochumer Schule dazu, eine Eckhart’sche Philosophie auf der realisierten Ebene anzunehmen, nur aus dem Grunde, daß sie im Plan des Opus tripartitum erscheint.“ 11. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 10. 12. Vgl. dazu: J. Koch, Kleine Schriften I, Rom 1973, S. 361: „… die Pariser Quaestionen, die etwa 1302–1304, also lange vor dem Exoduskommentar entstanden sind“; auch: „[Man] darf
Einleitung
konstatiert: „Mir scheint kein Zweifel zu bestehen: wir befinden uns unmittelbar nach seiner Pariser Lehrtätigkeit 1302/03, im ersten Teil seines Provinzialats – in Eckharts Erfurter Zeit.“13 Diese Zeit datiert Sturlese auf 1305 und betont als die wichtigste Konsequenz dieser Datierung, „daß die Unterscheidung zwischen einem ‚Frühwerk‘ (‚Quaestiones Parisienses‘, ‚Paradisus animae intelligentis‘) und einem nach 1313 in Straßburg bearbeiteten ‚Spätwerk‘ (‚Opus tripartitum‘) nicht mehr haltbar ist“.14 Gemäß Sturleses Hypothese hatte Eckhart zu dieser Zeit „noch keinen ‚Liber parabolarum Genesis‘ und keinen ‚Johanneskommentar‘ geschrieben. Der ‚Exoduskommentar‘ war nur geplant, der ‚Genesiskommentar‘ befand sich in einem Frühstadium. Interessanterweise lag bereits der allgemeine Plan des ‚Opus tripartitum‘ (‚Prologi‘) vor, und zwei Reden bei zwei Provinzialkapiteln waren gehalten und redigiert worden.“15 Die beiden Prologe des Opus tripartitum entfalten einen spekulativen Gesamtentwurf, in welchem Eckhart Metaphysik, Theologie und Bibelexegese als aufeinander bezogen betrachtet. Diese Betrachtungsweise gilt dabei für ihn als rationale, was er im Kommentar zum Johannesevangelium offen ausspricht: In cuius verbi expositione et aliorum quae sequuntur, intentio est auctoris, sicut et in omnibus suis editionibus, ea quae sacra asserit fides christiana et utriusque testamenti scriptura, exponere per rationes naturales philosophorum.16
annehmen, daß ein Teil der uns erhaltenen Kommentare während des dritten Pariser Aufenthalts entstanden ist. Die Werke selbst bieten aber keinerlei chronologischen Anhalt“. Siehe auch E. Reffke, Studien zum Problem der Entwicklung Eckharts im Opus tripartitum, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 57 (1938), S. 19–95, hier S. 82: „Weitere Anhaltspunkte für die absolute Chronologie finden sich nicht, so daß man am besten wohl die ganze Zeitspanne nach der zweiten Pariser Wirksamkeit des Meisters, die er als einen gewissen Abschluß seiner wissenschaftlichen Laufbahn ansehen konnte, also etwa 1314–1323, für die Arbeit am Opus tripartitum ansetzen kann.“ 13. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des „Opus tripartitum,“ in: A. Speer (Hrsg.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus, (Miscellanea Mediaevalia 23) Berlin 1995, S. 434–446, hier S. 443. 14. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana, S. 445. 15. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana, S. 443. 16. In Ioh. n. 2, LW III, S. 4, 4–6: „Wie in allen seinen Werken hat der Verfasser bei der Auslegung dieses Wortes und der folgenden die Absicht, die Lehren des heiligen christlichen Glaubens und der Schrift beider Testamente mit Hilfe der natürlichen Gründe der Philosophen auszulegen.“
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Sprache und Metaphysik
Das Anliegen Eckharts ist es, die Konkordanz zwischen der ratio und der Bibelwahrheit aufzuzeigen. Dies setzt aber die Identität von Theologie als Wissenschaft des Evangeliums und Philosophie als Metaphysik voraus.17 Hier ist auch zu erwähnen, dass bei Eckhart unter Philosophie zwei Disziplinen – Metaphysik und Naturphilosophie – zu verstehen sind, wobei die metaphysischen Inhalte die der Naturphilosophie erhellen und die naturphilosophischen Inhalte die der Metaphysik. Der Titel ‚Konkordanz‘ impliziert den Hinweis auf das Zusammenstimmen (consonare) von Evangelium und Naturphilosophie. Dies schließt aber die Rolle des Glaubens für Eckhart nicht aus, sondern dient dazu, denselben durch die ratio zu erklären. In seiner Kritik der sog. ‚Bochumer Schule‘ betont N. Largier, dass diese die Naturphilosophie und die metaphysische Dimension im Denken Eckharts ideengeschichtlich überbewerte. Sein Hauptargument besteht darin, dass sich Eckharts Denken in den Kategorien der Expositio bewege, die schlechthin auf die Schrift rekurriere. Die Tatsache, dass Eckharts Text auf die Schrift rekurriert, wurde allerdings in der Forschung nie bestritten. Auch die Betonung der rationalen Argumentationsverfahren, die sich im Kommentar zum Johannesevangelium findet, schließt die Bedeutung des Glaubens nicht aus und meint nicht dessen Überbietung durch die Vernunft, wie dies Largier zeigen will, sondern das Zusammenstimmen der beiden, was auch die Idee der Konkordanz impliziert.18 Daher 17. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, S. 9: „Der Parallelisierung – das Evangelium und die lex vetus verhalten sich zueinander wie der, der einen strengen Beweis führt, zum Topiker, wie der Metaphysiker zum Naturphilosophen€– folgt die typische Eckhart’sche Identifizierung von Theologie, sofern sie Wissenschaft des Evangeliums ist, und Metaphysik, denn: ‚evangelium contemplatur ens in quantum ens.‘ Damit besitzt die Theologie als Wissenschaft des Evangeliums nur einen Gegenstand, das Seiende als Seiendes, den Gegenstand der Metaphysik.“ 18. Vgl. N. Largier, Zeit, Zeitlichkeit, Ewigkeit. Ein Aufriss des Zeitproblems bei Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart, (Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700 8) Bern/Frankfurt a. Main/NY/Paris 1989, S. 73, Anm. 161: „Sicherlich haben Mojsisch und Flasch recht, wenn sie die naturphilosophischen und metaphysischen Dimensionen im Denken Eckharts in ihrer Eigenart hervorheben. Dabei dürfen jedoch nicht die Bedingungen aus dem Auge verloren werden, unter denen Eckhart in seinem Text diese Theoreme – von einer (systematischen, also auch homogenen) Theorie zu sprechen, scheint mir in den meisten Fällen den Text zu überfordern – einsetzt. Die Frage stellt sich, ob hier nicht die Neuartigkeit, zu der sich Eckhart selbst bekennt (Vgl. Prol. gen. n. 2; LW I, 148, 5–149, 2), ideengeschichtlich überwertet wird: Eckharts Denken bewegt sich, dies zeigt die Gesamtheit seiner Werke, vorerst in den Kategorien der expositio, die schlechthin auf die Schrift rekurriert. Damit ist auch dem Faktum des Glaubens ein Gewicht beigemessen, das nicht grundsätzlich durch die Vernunft überholt, sondern in dieser aufgehoben ist.“ Die von N. Largier erwähnte Auffassung von K. Flasch ist vor allem in den folgenden Publikationen zu finden: K. Flasch, Die Intention Meister Eckharts, in:
Einleitung
liegt hier eine philosophische Bibelauslegung vor, und dies bedeutet, dass es für Eckhart grundsätzlich keinen Bereich der Theologie gibt, der nicht der philosophischen Reflexion zugänglich wäre und der sich nicht in einer philosophischen Aussage festhalten ließe.19 Ein Rückgriff auf die „rationes naturales philosophorum“ ist am deutlichsten im Opus propositionum zu sehen, das einen der Metaphysik vorbehaltenen Teil darstellt und den Schlüssel zum Verständnis des Verhältnisses von biblischer Theologie und Metaphysik bei Meister Eckhart enthält. K. Albert spricht von der Abhängigkeit des Opus quaestionum und des Opus expositionum vom Opus propositionum. Dabei meine diese Fundamentalität des Thesenwerkes für die zwei anderen Werke nur, „daß in beiden entweder die Thesen selbst in Erscheinung treten oder doch Argumentationen, die im Zusammenhang mit den Thesen stehen.“20 Kennzeichnend für das Opus propositionum ist der axiomatisch-deduktive Charakter, für dessen Eigenart – vergleicht man sie mit der thomistischen und frühscholastischen Axiomatik – die von Boethius im Rückgriff auf Aristoteles begründete und insbesondere in der Schule von Chartres fortgeführte Axiomatik von Bedeutung ist.21 Die letztere weist in einer gewissen Hinsicht sogar eine Sprache und Begriff, FS für B. Liebrucks, Meisenheim am Glan 1974, S. 292–318; K. Flasch, Meister Eckhart – Versuch, ihn aus dem mystischen Strom zu retten, in: P. Koslowski (Hrsg.), Gnosis und Mystik in der Geschichte der Philosophie, Zürich/München 1988, S. 94–110; K.€Flasch, Meister Eckhart und die „Deutsche Mystik“, in: O. Pluta (Hrsg.), Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert, (Bochumer Studien zur Philosophie 10) Amsterdam 1988, S. 439–463. 19. E. Waldschütz schildert in seiner Monographie Denken und Erfahren des Grundes die Tendenzen in der Interpretation der Eckhart’schen Werke ziemlich treffend: „Einmütigkeit herrscht bei den Interpreten so ziemlich darüber, daß Eckhart nicht der Meinung ist, mit der Philosophie ein heterogenes Element in die Schriftauslegung einzubringen. Deswegen wird Philosophie allerdings nicht zur ‚exegetischen Hilfswissenschaft‘ und es ist auch nicht von einer ‚biblisch begründeten Philosophie‘ zu sprechen. In beiden Urteilen wird Philosophie untergeordnet bzw. wird ihr ein heterogenes Fundament gegeben, beides aber trifft nicht für Eckharts Philosophieverständnis zu.“ In: E. Waldschütz, Denken und Erfahren des Grundes. Zur philosophischen Deutung Meister Eckharts, Wien/Freiburg/Basel 1989, S. 47. 20. K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein. Untersuchungen zur Metaphysik des Opus tripartitum, Kastellaun/Saarbrücken 1976, S. 20. 21. O. Langer macht darauf aufmerksam, inwiefern sich eine solche Art der Axiomatik auf die Boethianische zurückführen lässt: „In seiner Schrift ‚De hebdomadibus‘ will Boethius theologische Probleme ut in mathematica lösen, indem er oberste, unableitbare Sätze, termini oder regulae oder communes animi conceptiones, aufstellt, um dann die theologischen Einzelprobleme so zu lösen, dass man die Antworten durch Ableitung aus den obersten Sätzen gewinnt.“ O. Langer, Meister Eckharts Begründung einer neuen Theologie, in: V. Leppin/H. J. Schiewer (Hrsg.), Meister Eckhart aus theologischer Sicht, (Meister-Eckhart-Jahrbuch 1) Stuttgart 2007, S. 1–14, hier S. 9. Dabei gibt er einen interessanten Hinweis auf die Rolle der Axiomatik in
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Sprache und Metaphysik
Ähnlichkeit mit der Axiomatik Euklids auf. Euklid unterscheidet zwischen den wissenschaftlichen Aussageformen der Aufgaben (problemata) und der Lehrsätze (theoremata). In der Schrift De hebdomadibus wendet Boethius die in der Mathematik seit Euklid übliche Methode auf die Lösung eines theologischen Problems an.22 In der Einteilung seines Werkes ordnet Eckhart die theoremata den problemata vor.23 Er spricht der propositio den eigentlichen heuristischen Wert zu, doch greift er die ebenfalls seit Euklid geläufige Unterscheidung von drei Satzgruppen wissenschaftlicher Argumentation – Definitionen, Postulate und Axiome – nicht auf, sondern fokussiert den Blick auf die sprachliche Form der Aussage als solche. Die Aussage integriert dabei die Aspekte der Definition, des Postulats und des Axioms dadurch, dass in ihr ein terminus generalis als ein wesentlicher Bestandteil vorkommt. Eine solche Axiomatik als Methode steht für Eckhart im Opus tripartitum im Dienste der Schriftauslegung. In hermeneutischer Hinsicht wendet Eckhart auf die Schriftworte drei verschiedene Auslegungsmethoden an. In seiner Studie zur Exegetik Meister Eckharts spricht E. Winkler von drei verschiedenen Weisen des Umgangs mit dem auszulegenden Text: Entweder (1) benutze Eckhart die Schriftzitate zur Auslegung des Textes, indem er sie nur zitiere oder kurz glossiere (sozusagen „mitauslege“); oder (2) er widme ihnen eine längere Auslegung, so dass das eigentliche Textwort ganz in den Hintergrund trete. Schließlich könne Eckhart
der Theologie im 12. Jahrhundert: „Die axiomatische Methode rückt im 12. Jahrhundert im Zusammenhang der Frage eines wissenschaftlichen Aufbaus der Theologie … ins Zentrum. Erste Umrisse einer theologischen Prinzipienlehre entwirft Gilbert von Poitiers in seinen Boethius-Kommentaren. Er will nach dessen wissenschaftstheoretischen Leitlinien die Theologie als Wissenschaft begründen, indem er wie in der Mathematik erste, oberste Sätze aufweist, aus denen andere abgeleitet werden.“ Ibid., S. 10. Allerdings erwähnt Langer die Rolle des Liber de causis in diesem Zusammenhang nicht. 22. Boethius, De hebdomadibus, 14–17 (ed. Stewart-Rand, 38–40): „Ut igitur in mathematica fieri solet ceterisque etiam disciplinis, praeposui terminos regulasque, quibus cuncta, quae sequuntur, efficiam.“ Zu De hebdomadibus vgl. G. Schrimpf, Die Axiomenschrift des Boethius (De hebdomadibus) als philosophisches Lehrbuch des Mittelalters, Leiden 1966. 23. M. P. Schirpenbach weist darauf hin, dass bei Eckhart „quaestio“ nur eine abgeleitete, den Gegenstand der Betrachtung bloß vertiefende, jedoch nicht aufdeckende Bedeutung hat. Dabei vertritt er die Ansicht, dass im Falle des Opus tripartitum nicht eine Axiomatik im strengen Sinne vorhanden ist. Sein Argument des Prinzips der Intertextualität gründet auf der Annahme, dass die drei Teile des Opus tripartitum in ihrer jeweiligen grammatischen Eigenart in einem unmittelbaren Verhältnis zueinander stehen und als drei einander bedingende Aussageweisen zu begreifen sind. Vgl. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung. Das strukturontologische Schema der Termini generales im Opus Tripartitum Meister Eckharts, (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, NF 66) Münster i. W. 2004, S. 119.
Einleitung
(3) darauf hinweisen, dass analog der Auslegung der vorliegenden Schriftstelle auch viele andere Schriftstellen ausgelegt werden können.24 Bei Eckhart ist die erste Methode am häufigsten zu finden. Die längeren „Mitauslegungen“ finden sich oft in den Sermones, seltener in den Kommentaren. Die philosophische Bibelexegese gründet sich allerdings auf einen Torso der Metaphysik, in der das, was als Wahrheit der Schrift angedeutet ist, mit dem übereinstimmt, was gemäß der natürlichen Vernunft über divina, naturalia et moralia bewiesen und ausgeführt werden kann. Unter Metaphysik ist bei Eckhart – worauf E. Waldschütz schon mit Recht hingewiesen hat25 – die Einheit von Philosophie und Theologie zu verstehen. Philosophie als Erste Philosophie im aristotelischen Sinne, d.€h. als Wissenschaft vom Seienden, und Theologie als Wissenschaft vom höchsten Seienden sind für Eckhart nicht separat zu denken. Der Begriff der Metaphysik bezeichnet den spekulativen Bereich des menschlichen Denkens, in dem die Einheit beider Disziplinen zu suchen ist. Zu bestreiten, dass Eckhart ein Philosoph war, hieße daher, zu bestreiten, dass er ein Theologe war.
2.
Zum Verlauf der Arbeit
Es ist das Anliegen der vorliegenden Arbeit, Eckharts Metaphysik in systematischer Weise darzustellen. Hierbei – und darin unterscheidet sich die vorliegende Studie von vergleichbaren Darstellungen derselben Thematik – wird dieser Versuch der Systematisierung aufgrund des Sprachmodells durchgeführt, innerhalb dessen die Prädikationssätze, die gleichzeitig Eckharts Grundthesen bilden, zu denken sind. Einen Schlüssel zur Auslegung der Eckhart’schen Metaphysik bildet das Verständnis der Prädikationssätze, die er im Bezug auf Gott verwendet. Sie sind an diversen Stellen in seinen Schriften zu finden und lauten: „Deus est intelligere“, „esse est deus“, „deus est esse“ und „unum est negatio negationis“. Je nachdem, ob man die Prädikation in diesen Sätzen gemäß der inhaerentia-Theorie oder der Identitätstheorie versteht, variiert in ihnen der Sinn. Um die Prädikationsaspekte bei Meister Eckhart im Hinblick auf die Sprachtheorien des Mittelalters darzustellen, erfolgt im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit ein Exkurs über die logischen Theorien des Mittelalters und über die damaligen Sprachkonzeptionen. 24. E. Winkler, Exegetische Methoden bei Meister Eckhart, Tübingen 1965, S. 100. Vgl. auch W.€Goris, Eckharts Entwurf des Opus tripartitum, in: Kl. Jacobi (Hrsg.), Meister Eckhart: Lebensstationen-Redesituationen, Berlin 1997, S. 379–391, hier S. 388. 25. E. Waldschütz, Denken und Erfahren des Grundes. Zur philosophischen Deutung Meister Eckharts, S. 78.
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Sprache und Metaphysik
Wie sich im weiteren Verlauf der Untersuchung zeigen wird, verändert die Deutung der Eckhart’schen Definitionen auch die Deutung der mit ihnen verfolgten Intentionen. Dies scheint besonders wichtig im Hinblick auf die Sätze zu sein, die eine Definition beinhalten, in der auch das Wort ‚deus‘ vorkommt. Die Analyse des Eckhart’schen Sprachmodells ermöglicht es auch, die Frage nach seiner Haltung gegenüber der negativen Theologie zu klären. Die negative Theologie akzeptiert die Prädikationsmöglichkeit Gottes nur in der Weise, dass sie die Prädikate als bloße Namen Gottes denkt. Eine solche Analyse ermöglicht ferner die Beantwortung der Frage, ob für Eckhart die in den Prädikationssätzen ausgesagte Identität extensional oder intensional zu denken ist. Zum Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung wird die Definition „unum est negatio negationis“ gewählt, um Folgendes zu klären: (1) Ist negatio negationis in diesem Prädikationssatz als ein Operator oder als ein Prädikat aufzufassen? (2) Ist der in negatio negationis auftretende Begriff der Negation mit der via negativa komÂ� patibel? Am Beispiel der Verwendung von negatio negationis im Eckhart’schen Werk wird gezeigt, wie die Prädikation Gottes für ihn denkbar ist. Um die Eckhart’sche Intention in Beziehung zur apophatischen Theologie zu setzen, wird im dritten Kapitel der Arbeit unter anderem auch die Frage nach der Gotteserkenntnis bei Pseudo-Dionysius Areopagita dargestellt. Die Prädikationssätze bilden die Grundthesen der Eckhart’schen Ontologie. Im vierten Kapitel wird gezeigt, inwiefern das Verständnis seiner ontologischen Thesen von seinem Sprachmodell abhängt. Berücksichtigt werden hier vor allem Quaestio Parisiensis I, Expositio sancti evangelii secundum Iohannem, Prologus generalis in Opus tripartitum und Prologus in Opus propositionum. Dabei werden sowohl die intellekttheoretischen oder ontologischen Grundthesen Eckharts als auch das für ihn spezifische Geburtsparadigma näher betrachtet. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die jenseits der Differenz in der Ausdrucksweise liegenden gemeinsamen Konturen der Eckhart’schen Metaphysik in den lateinischen und deutschen Traktaten herausgearbeitet und in systematischer Weise dargestellt. Als Ausgangspunkt hierzu bietet sich wiederum die Wortverbindung negatio negationis an, die in ihrer Übersetzung, und zwar als die Verneinung der Verneinung oder das Verleugnen des Verleugnens, auch in Eckharts deutschen Werken vorkommt. Sowohl im lateinischen Kommentar zum Johannesevangelium als auch in diversen deutschen Predigten ist das sog. Geburtsparadigma zu finden. Die negatio negationis als philosophischer Terminus und das Geburtsparadigma als dialektisches Modell der trinitarischen Relation bilden den gedanklichen Rahmen, innerhalb dessen eine einheitliche Rekonstruktion der Eckhart’schen Metaphysik möglich ist. Im Zusammenhang der Behandlung der sprachlichen Besonderheiten in Eckharts deutschen Predigten werden im fünften
Einleitung
Kapitel die in der germanistischen Forschung vertretenen Auffassungen näher dargestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Thesen der Eckhart’schen Metaphysik auch in seinen deutschen Werken zu finden sind, werden hier Predigt€9 und Predigt 21 ausgelegt. Die Frage nach der einheitlichen Metaphysik führt wiederum zur Frage nach dem Sprachmodell, das den Thesen von Eckharts Metaphysik zu Grunde liegt.
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kapitel 1
Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter
1.1
Logica vetus – logica nova
Während der Entwicklung seiner Ideenlehre ist Platon auf die Frage nach der Möglichkeit, einem Subjekt verschiedene Prädikate zuzusprechen, gestoßen. Im ersten Teil des Spätdialoges Parmenides (129a–136e) wird diese Prädikation durch die gleichzeitige Teilhabe des gemeinten Einzeldinges an verschiedenen Ideen gerechtfertigt. Die Frage, die Platon zu beantworten hatte, hieß, ob man auch eine einzelne Idee zum Subjekt verschiedener Prädikate machen kann und ob somit auch diese Idee selbst wiederum an verschiedenen anderen Ideen teilhat. Der zweite Teil des Parmenides führt diesen Nachweis für die Idee des Einen (137c– 166c), der Mittelteil des Sophistes (248a–250e) aber stellt allgemein fest: Jede Idee konstituiert sich aus Natur und Teilhabe an bestimmten anderen Ideen; Natur ist der Grund für das, was jede Idee aus sich selbst heraus ist; Teilhabe ist aber der Grund für alles, was von ganz bestimmten anderen Ideen hinzukommt. Beide zusammen machen erst eine Idee aus. Dabei gibt es gewisse höchste Ideen oder fünf Gattungen, an denen alle Ideen teilhaben und die dadurch bewirken, dass – wie von allem Seienden – die Bestimmungen anderes, eines und seiend gebildet werden können. In seinen Spätdialogen entwickelt Platon die Methode der Dihairesis, ein Einteilungsverfahren,26 dessen Schlussdefinition im Idealfall jede einzelne Teilhaberelation der zu bestimmenden Idee zu anderen Ideen als Prädikat wiedergibt.27 So entwickelt
26. Vgl. Platon, Sophistes 253c–258c. Über die Notwendigkeit der dialektischen Übung vgl. auch: Parmenides 135c–136e. 27. Die Satzbildung bei Platon charakterisiert L. M. de Rijk folgendermaßen: „Quite naturally, Plato is fully aware of the phenomenon of statement-making as contra-distinguished with merely naming something.“ L. M. de Rijk, Logos and Pragma in Plato and Aristotle, in: Ders./ H.€A. G. Braakhuis (Hrsg.), Logos and Pragma. Essays on the Philosophy of Language in Honor of Professor G. Nuchelmans, (Artistarium Supplementa III) Nijmegen 1987, S. 27–61, hier S. 28; vgl. auch B. Mojsisch, Platons Sprachphilosophie im „Sophistes“, in: Ders. (Hrsg.), Sprachphilosophie in Antike und Mittelalter. Bochumer Kolloquium 2.–4. Juni 1982, (Bochumer Studien zur Philosophie 3), Amsterdam 1986, S. 19–38.
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Sprache und Metaphysik
Platon Ansätze zu einer Prädikationslehre, die terminologisch erst von Aristoteles präzisiert wird. In De interpretatione erklärt Aristoteles, jeder einfache logos apophantikós sei entweder bejahend oder verneinend, und das heiße: Etwas als dem Subjekt werde etwas als ein Prädikat zu- oder abgesprochen.28 Die Auffassung von Aristoteles lässt sich auch so wiedergeben: Jede apophantische Rede ist entweder ein Satz, und dieser ist prädikativ, oder eine Aneinanderreihung von Sätzen. Hier ist zu erwähnen, dass Aristoteles in seinen logischen Untersuchungen nur die prädikativen Sätze berücksichtigt hat. Man kann die Termini ‚Subjekt‘ und ‚Prädikat‘ auch rein grammatisch verstehen. In der Tradition ist aber das grammatische Verständnis dieser Termini immer mit einem semantischen Verständnis verbunden gewesen.29 Mit Prädikat und Subjekt war semantisch gemeint, dass ein prädikativer Satz eine streng bestimmte Struktur hat: Etwas, d.€h. das, wofür das Prädikat steht, wird von etwas, d.€h. von dem, wofür der Subjektausdruck steht, ausgesagt. Man kann es auch so formulieren: Das Prädikat steht immer für einen Begriff, und mit einem prädikativen Satz wird ausgesagt, dass etwas unter diesen Begriff fällt. Damit ist gemeint, dass jeder prädikative Satz bzw. jedes Urteil für eine Zusammensetzung („Synthesis“) steht: In einem Urteil wird etwas mit etwas, d.€h. der Prädikatsbegriff mit dem Subjektbegriff, verbunden. Die Prädikation als die Sprachhandlung des Prädizierens lässt sich unter vier verschiedenen Gesichtspunkten beschreiben. Sie besteht (1) in syntaktischer Hinsicht darin, dass ein Prädikat oder Prädikatsausdruck mit einem Subjekt oder Subjektsausdruck zu einem bejahenden oder verneinenden Satz verbunden wird; (2) in semantischer Hinsicht darin, dass das Prädikat eines Satzes dem durch das Satzsubjekt bezeichneten Gegenstand zuoder abgesprochen wird; (3) in ontologischer Hinsicht darin, dass die durch das Prädikat eines Satzes bezeichnete Eigenschaft dem durch das Satzsubjekt bezeichneten Gegenstand zu- oder abgesprochen wird, und (4) in erkenntnistheoretischer 28. Aristoteles, De interpretatione (ΠΕΡΙ ΕΡΜΗΝΕΙΑΣ), cap. 5, 17a, 7–21, in: Aristotelis Opera, vol. I, ed. O. Gigon, Berlin 1960, S. 16–24. Über die Kataphasis bei Aristoteles siehe auch L.€M. de Rijk: „That kataphasis is sometimes an expression which is or may be used as the predicate expression of an affirmative logos is quite in line with logos as ‚composite expression‘ … ‚affirmation‘ and ‚negation‘ mean, not statements, but (roughly) predicative expressions. On the other hand, statement properly speaking, (though not in the sense of our ‚S€=€P‘ formula) is designated by the term logos apophantikos, defined as that logos ‚in which there is truth or falsity‘ (17a 2f.) and explicitly opposed to a prayer which is indeed a logos yet neither true nor false. Hence it appears that the logos as such does not yet contain a truth value and it is the element apophantikos that brings in the capacity to be either true or false.“ L. M. de Rijk, Logos und Pragma in Plato and Aristotle, S. 40. 29. Vgl. E. Tugendhat/U. Wolf, Logisch-semantische Propädeutik, Stuttgart 1983, S. 79f.
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Hinsicht darin, dass der im Prädikat eines Satzes ausgedrückte Begriff mit dem im Satzsubjekt ausgedrückten Begriff zu dem in dem Satz selbst ausgedrückten Gedanken verbunden wird.30 In der Frühscholastik wurden alle Schriften von Aristoteles entweder direkt aus dem Griechischen oder aber indirekt aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. Ausgehend von den Texten der Logica vetus (Aristotelische Schriften: Kategorien, Peri hermeneias, die vom 4. bis 6. Jahrhundert ins Lateinische übersetzten Schriften) und unter allmählicher Einbeziehung der Logica nova (Analytica, Topica, Elenchi) wurde die semantische Analyse der aristotelischen Begriffslogik begonnen.31 In der Hochscholastik bestand eine deutliche Neigung, die logischen Untersuchungen auf die Logica nova zu konzentrieren, vor allem auf die beiden Analytiken. Man betonte die aristotelische Forderung, dass die Wissenschaft einen allgemeinen, unveränderlichen Gegenstand haben muss, und man versuchte, den Gegenstand der Logik diesen Ansprüchen entsprechend zu formulieren. Da die Erfüllung dieser Forderungen allein die Grundlagenwissenschaft der Ontologie gewährleisten kann, versuchte man, die Logik in der Ontologie zu verankern. Interessant ist hier genau diese Verknüpfung von Logik und Ontologie: Eine Prädikation wird nicht nur als ein Produkt des Intellekts verstanden, sondern auch als eine Aussage über die Struktur der Wirklichkeit. Auf solche Weise entsteht die Korrelation zwischen dem ontischen und dem epistemischen Gebrauch der Sprache, die man auch so ausdrücken könnte, dass die Logik in die „Umklammerung“ der Ontologie gesetzt wird.32 Der über die logica vetus vermittelte Einfluss der stoischen auf die scholastische Logik ist deutlich zu spüren. Der stoischen Logik gelingt es unter anderem,
30. Vgl. Ch. H. Kahn, The Verb ‚be‘ in Ancient Greek in: J. W. M. Verhaar (Hrsg.), The Verb ‚be‘ and its Synonyms, Dordrecht 1973, S. 40–45; zu Kahns Buch vgl. E. Tugendhat, Die Seinsfrage und ihre sprachliche Grundlage, in: Philosophische Rundschau 24 (1977), S. 161–176. 31. Vgl. J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter. Ein Überblick, Stuttgart 1972, S. 13. 32. J. Pinborg spricht von der Befreiung der Logik aus der „Umklammerung“ der Ontologie, die aufgrund der Verschmelzung der Logica nova und der neuen terministischen Logik in der Spätscholastik (ca. 1300–1450) stattgefunden habe. Dagegen sei in der Frühscholastik das Gegenteil zu beobachten: „Man unterstreicht die aristotelische Forderung, daß die Wissenschaft einen allgemeinen, unveränderlichen Gegenstand haben muß. Deshalb wird versucht, den Gegenstand der Logik auf diese Weise zu formulieren, und ihn in der Grundwissenschaft der Ontologie zu verankern, die allein die Erfüllung dieser Forderung gewährleisten kann. Man interessiert sich also vor allem für die Ontologie der Logik: Was ist die Natur der allgemeinen Größen, mit denen sich die Logik beschäftigt?“ J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter, S. 14. Eine solche Fragestellung ist gemeint, wenn im Folgenden von der „Umklammerung“ der Logik durch die Ontologie die Rede ist.
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die aristotelische Einschränkung auf die prädikativen Sätze zu überwinden. Beide Auffassungen lassen sich wie folgt skizzieren. Nach Aristoteles (1) stehen die Termini zu den durch sie bezeichneten Gegenständen in einem dreifachen Verhältnis: Sie können univok, äquivok oder denominativ sein. Das univoke Verhältnis tritt auf in einer Definition (etwa animal im Verhältnis zu homo und bos); im Fall des äquivoken Verhältnisses sind ein Ausdruck, aber zwei Definitionen vorhanden (etwa homo für den konkreten Menschen und für einen gezeichneten Menschen). Das denominative Verhältnis ist gegeben, wenn ein Abstraktum eine Eigenschaft eines konkreten Gegenstandes bezeichnet. So benennt z.€B. das Abstraktum ‚sapientia‘ die Eigenschaft eines konkreten Menschen, eines ‚sapiens‘.33 Dieses Schema wird von Aristoteles und seinen Nachfolgern verfeinert, etwa durch die Unterscheidung zwischen äquivok und systematisch äquivok (analogisch) oder durch die Beschreibung anderer möglicher Beziehungen, etwa zwischen zwei Wörtern und einer Definition oder zwischen zwei Wörtern und zwei Definitionen. Dadurch, dass im Mittelalter die Logik in die „Umklammerung“ der Ontologie gesetzt wird, gewinnt dieses arisÂ�totelische Schema der Relation zwischen Begriff und Gegenstand eine andere Dimension: In der Univokation, Äquivokation oder Denomination betrifft die Relation Begriff und Gegenstand als wesensverschiedene Entitäten. Dies setzt das Begreifen einer spezifischen Form von ontologisch gedachter Ähnlichkeit voraus. Seit der Hochscholastik drängt dabei die Frage nach einer Lösung, in welcher begrifflichen Form sich diese ontologisch gedachte Ähnlichkeit ausdrücken lässt. Das Sein, das von den Dingen ausgesagt wird, kann zwar unmöglich dasselbe Sein meinen wie das von Gott ausgesagte, aber da Gott allem Seienden das Sein gibt, muss es in irgendeiner Form mit diesem verwandt bleiben. In Anlehnung an Aristoteles drückte man diese „Verwandtschaft“ auf dreierlei Art und Weise aus, was in der Scholastik zu drei verschiedenen Prädikationsformen führte: Univokation, Äquivokation und Analogie.34 33. Die Denomination tritt immer mit einer gewissen Konsignifikation oder „Mitbedeutung“ auf. Die Konsignifikationsaspekte, die bei der Denomination zum Ausdruck kommen, beschreibt J. Pinborg folgendermaßen: „Die Denominativa (z.B. ‚albus‘) bedeuten immer den Träger mit, während die Denominata (z.B. ‚albedo‘) nur die Form bedeuten. Die beiden haben also verschiedene Mitbedeutung, die verschiedenen Mitbedeutungen bezeichnen aber denselben Inhalt.“ J. Pinborg, Die Entwicklung der Sprachtheorie im Mittelalter, (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 42/2) Münster i. W./Kopenhagen 1967,€S. 32. 34. Eine kurze und klare Definition von äquivoken, univoken und analogen Relationen zwischen Begriffen ist bei N. Winkler zu finden: „Eine Beziehung wurde äquivok genannt, wenn gänzlich verschiedene Dinge mit ein und demselben Namen belegt wurden. Univoke Prädikation lag vor, wenn Dinge derselben Gattung in gleichem Sinne ausgesagt wurden. Der Analogie war eine Mittelstellung zugewiesen, da sie weder die absolute Differenz (äquivok) noch
Kapitel 1.╇ Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter
Nach der Auffassung der Stoiker (2) konnotiert ein allgemeiner Name zwar eine allgemeine Eigenschaft, aber er denotiert nur ein konkretes Individuum. Die Verben konnotieren Prädikate (kategoremata), aber denotieren nur einen konkreten Gegenstand im Moment der Denotation. Dies geschieht in dem aus Nomen und Verbum zusammengesetzten Satz, der ein vollständiges lekton ist. Der Satz ist die primäre Einheit der Sprache. Subjekte und Prädikate sind unvollständig.35 Sie haben verschiedene Rollen insofern, als Subjekte die Denotierung des Prädikates festlegen, während Prädikate von sich aus keine bestimmten Denotata festlegen.36 Die aristotelische Logik lässt sich grosso modo als eine Termlogik verstehen, wohingegen die stoische als Satzlogik aufzufassen ist. Stoiker und Neuplatoniker betreiben daher in erster Linie Sprachanalyse.37 A. C. Lloyd hat nachgewiesen, dass es in vielen Punkten zu einer Konvergenz zwischen stoischer und neuplatonischer Logik gekommen ist. Er deutet dies von der inneren Triebkraft der neuplatonischen Philosophie her, die die aristotelischen ontologischen Implikationen der Logik abstreifen wollte.38
deren absolute Einheit (univok) ausdrückte, sondern Differenz und Einheit in verschiedener Hinsicht.“ N. Winkler, Meister Eckhart zur Einführung, Hamburg 1997, S. 70. Zur genauen Darstellung des Eckhart’schen Verständnisses von Äquivokation, Univokation und Analogie siehe B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983 (engl.: Amsterdam/Philadelphia 2001). 35. Vgl. Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, liber VII, 63, ed. H. S. Long, tomus II, Oxford 1964, S. 324. 36. Vgl. J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter, S. 31 f. Es ist bemerkenswert, dass F.€W.€J. Schelling in seinen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit die logica vetus aufgreift, wenn er die Definition des korrekt verstandenen Pantheismus bestimmen will. Vgl. F. W. J. Schelling, Über das Wesen der menschlichen Freiheit, hrsg. v. Th. Buchheim, Hamburg 1997, S. 15: „Die alte tiefsinnige Logik unterschied Subjekt und Prädikat als vorangehendes und folgendes (antecedens et consequens) … Selbst in dem tautologischen Satz, wenn er nicht etwa ganz sinnlos sein soll, bleibt dies Verhältnis. Wer da sagt: der Körper ist Körper, denkt bei dem Subjekt des Satzes zuverlässig etwas anderes als bei dem Prädikat; bei jenem nämlich die Einheit, bei diesem die einzelnen im Begriff des Körpers enthaltenen Eigenschaften, die sich zu demselben wie Antecedens zum Consequens verhalten. Eben dies ist der Sinn einer andern älteren Erklärung, nach welcher Subjekt und Prädikat als das Eingewickelte und Entfaltete (implicitum et explicitum) entgegengesetzt wurden.“ 37. Vgl. J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter, S. 30. 38. Vgl. A. C. Lloyd, Neoplatonic Logic and Aristotelian Logic, in: Phronesis 1 (1956), S. 58–72 und 146–160.
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Sprache und Metaphysik
1.2
Inhaerentia-Theorie und Identitätstheorie
Dadurch, dass die Ontologie als „Umklammerung“ der Logik gesetzt und die Prädikation als eine Aussage über die Struktur der Wirklichkeit verstanden wird, wird in der Scholastik auch die folgende Problematik aufgeworfen: Handelt es sich in einer Prädikation um ein rein syntaktisches Verhältnis, oder besteht auch eine wesentliche Beziehung zwischen Begriffsinhalt und natura rei? Obwohl die Ontologie als „Umklammerung“ der Logik verstanden wird, bleibt in der SprachÂ� analyse des Mittelalters ein gewisser Gegensatz zwischen den linguistischen Strukturen und den Strukturen der Wirklichkeit, aus denen die linguistischen Strukturen abgeleitet sind, bestehen. Ein einfaches Beispiel ist das Wort ‚Nichts‘: Es ist ein Substantiv, und als solches bezeichnet es eine Substanz, jedoch entspricht ihm keine Substanz.39 Diese Problematik der Kompatibilität von linguistischen Strukturen und Strukturen der Wirklichkeit impliziert die Frage nach dem Denotatum des Satzes, und zwar in folgender Hinsicht: Wie kann die Bedeutung des Satzes verstanden werden? Die Bedeutung des Satzes oder das dictum propositionis ist kein Ding, weil ein Satz etwas aussagen und dieses dictum „bestehen“ kann, auch wenn die denotierten Gegenstände nicht mehr bestehen oder auch nie bestanden haben. Dennoch kann das dictum wahr oder falsch sein. Seine Grundlagen sind die Beziehungen zwischen den Dingen. Das dictum propositionis kann also eine deutliche Analogie zum status rei aufweisen. Die vom Satz denotierten Beziehungen kommen durch das kopulative Morphem des verbums oder durch die Kopula ‚est‘ zum Ausdruck. In Anlehnung an die boethianische Übersetzung der Stelle 19b–f der Kategorienschrift des Aristoteles wurde die Kopula im Mittelalter als tertium adiacens aufgefasst.40 Das tertium adiacens prädiziert zusätzlich und zusammen mit einem als Prädikatsnomen auftretenden Wort dem durch das Satzsubjekt bezeichneten Gegenstand. Das Mittelalter kennt die zwei Prädikationstheorien, die die funktionelle Bedeutung der Kopula ‚est‘ behandeln: die Inhärenz- und die Identitäts-Theorie.41 Nach der inhaerentia-Theorie wird das Prädikat intensional aufgefasst. Dies bedeutet, dass das Prädikat für seinen (allgemeinen) Inhalt (significatio per se) steht. Im Fall einer solchen Prädikation drückt die Kopula aus, dass dieser Inhalt, d.€h. die significatio per se, sich im Subjekt als Form findet. In der Inhärenz steckt die Voraussetzung der beharrenden Identität. Im Gegensatz zum Prädikat 39. Vgl. J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter, S. 119. 40. Vgl. Aristoteles Lat. II 1–2, hrsg. v. L. Minio-Paluello/G. Verbeke, Brügge/Paris 1965, S. 19,€1. 41. Mehr darüber: J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter, S. 53.
Kapitel 1.╇ Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter
wird das Subjekt extensional aufgefasst. Dabei kann das Prädikat von allen oder einigen oder keinen der Denotata des Subjekts aussagen. Die Sätze, die Inhärenz ausdrücken, nehmen die Existenz des Subjekts als bekannt an und stellen die Relation des Prädikats zum Subjekt dar.42 Im Unterschied zur inhaerentia-Theorie werden nach der Identitätstheorie sowohl das Prädikat als auch das Subjekt extensional aufgefasst. Der Satz ist wahr nicht wegen der Konnotation der Termini, sondern weil es Denotata gibt oder geben kann, für die sowohl Subjekt als auch Prädikat stehen. Dies bedeutet, dass sowohl Subjekt als auch Prädikat als Namen für Denotata verwendet werden können. Hier ist auch zu erwähnen, dass diese zwei Formen der Prädikation, die das Mittelalter kennt, der kantischen Auffassung über die synthetischen und analytischen Urteile korrespondieren. Laut Kant ist: … in allen Urteilen, worinnen das Verhältnis eines Subjekts zum Prädikat gedacht wird, […] dieses Verhältnis auf zweierlei Art möglich. Entweder das Prädikat B gehört zum Subjekt A als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckter Weise) enthalten ist; oder B liegt ganz außer dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in Verknüpfung steht.43
Diese Bestimmung der analytischen und synthetischen Urteile bei Kant entspricht dem oben dargestellten intensionalen und extensionalen Verständnis der Prädikation im Mittelalter. Die Art der intensionalen Prädikation (der Inhalt oder die significatio per se des Prädikats findet sich als Form im Subjekt) lässt sich mit Kant folgenderweise formulieren: Im analytischen Urteile bleibe ich bei dem gegebenen Begriffe, um etwas von ihm auszumachen. Soll es bejahend sein, so lege ich diesem Begriffe nur dasjenige bei, was in ihm schon gedacht war; soll es verneinend sein, so schließe ich nur das Gegenteil desselben von ihm aus. In synthetischen Urteilen aber soll ich aus dem gegebenen Begriff hinausgehen, um etwas ganz anderes, als in ihm gedacht war, mit demselben in Verhältnis zu betrachten …â•›.44
An einer anderen Stelle in der Kritik der reinen Vernunft kennzeichnet Kant diese Art der Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt als Verknüpfung „durch
42. Vgl. H. Weidemann, Prädikation in: J. Ritter/K. Gründer, Historisches Wörterbuch der Philosophie 7, Darmstadt 1989, Sp. 1194–1208, hier Sp. 1196. 43. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, in: Immanuel Kants Werke, hrsg. von E. Cassirer, Berlin 1923, Bd. III, S. 40. 44. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 151.
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Identität“,45 aber wie der Inhalt der von ihm gegebenen Definition zeigt, bedeutet Identität für Kant die Intensionalität, die im Mittelalter nur im Rahmen der inhaerentia-Theorie möglich war. Die als Inhärenz explizierte beharrende Identität des Subjekts und Prädikats verweist auf die Zusammengehörigkeit beider, die dadurch zum Vorschein kommt, dass das Prädikat im Subjekt mitausgesagt wird. Die Definition der synthetischen Urteile bei Kant weist dagegen darauf hin, dass man durch eine solche Verknüpfung des Subjekts und Prädikats den Begriffsinhalt des Subjekts erweitert, weil man ihm etwas ganz anderes, als in ihm gedacht wird, hinzufügt. Daher weisen die synthetischen Urteile Analogie mit dem Verständnis der Prädikation in der mittelalterlichen Identitätstheorie auf: Der vom Prädikat ausgesagte Inhalt konnotiert den Inhalt des Subjekts nicht, ist – in Kantischen Termini – in ihm nicht „versteckterweise“ enthalten; sondern liegt ganz außerhalb des durch das Subjekt bezeichneten begrifflichen Inhalts, obwohl er mit demselben verknüpft ist. Diese Verknüpfung geschieht nicht aufgrund der Konnotation der Termini, sondern – wie es im Mittelalter hieß – weil es Denotata gibt oder geben kann, für die sowohl das Subjekt als auch das Prädikat stehen. Sowohl in der inhaerentia-Theorie als auch in der Identitätstheorie stellt sich die Frage nach der Funktion und Bedeutung der Kopula. Wie sich in den Auseinandersetzungen des 13. Jahrhunderts um die Semantik herausstellte, war die Auslegung von ‚est‘ Teil eines größeren, mit dem Verbum ‚esse‘ verbundenen Problemzusammenhangs. Dieser bestand darin, dass sich im Wort esse mehrere Bedeutungen verbinden: Existenz, Prädikation, Identität, behauptende Kraft.46 Das Hauptproblem selbst betrifft die Analyse der Aussage ‚S ist P‘: Ist sie zwei- oder dreiteilig, gehört also ‚est‘ zum Prädikat oder nicht? Damit ist die Frage nach der Art des Prädizierens aufs engste verbunden.47 45. Vgl. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 40: „Analytische Urteile (die bejahenden) sind also diejenigen, in welchen die Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt durch Identität, diejenigen aber, in denen diese Verknüpfung ohne Identität gedacht wird, sollen synthetische Urteile heißen. Die ersteren könnte man auch Erläuterungs-, die anderen Erweiterungsurteile heißen, weil jene durch das Prädikat nichts zum Begriff des Subjekts hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe zerfällen, die in selbigem schon, (obgleich verworren), gedacht waren: dahingegen die letzteren zu dem Begriffe des Subjekts ein Prädikat hinzutun, welches in jenem gar nicht gedacht war und durch keine Zergliederung desselben hätte können herausgezogen werden.“ 46. Zu den verschiedenen Bedeutungen des Wortes ‚Sein‘ vgl. E. Tugendhat/U. Wolf, Logischsemantische Propädeutik, S. 215. 47. L. M. de Rijk führt das Problem des Prädizierens auf die Signifikationsproblematik zurück, wenn er schreibt: „Im Zentrum aber dieses Problemfeldes scheint mir die Frage der Namensbezeichnung (impositio nominum) zu stehen.“ L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, in: A. Zimmermann
Kapitel 1.╇ Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter
Die Lösung dieser Problematik stößt auf das weitere Problem der consignificatio temporis: Beim Prädizieren wird vorausgesetzt, dass die Kopula immer in der Form des Präsens (z.B. ‚est‘) auftritt. Wenn wir Formen wie ‚fuit‘ oder ‚erit‘ anwenden, erweitern wir den Denotationsbereich des Terminus. Wird dagegen das ‚est‘ als ein bloßer Ausdruck der Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat aufgefasst, ist klar, dass es nicht nur das Präsens, sondern eine Allzeit ausdrückt. Schon bei Boethius wird die Kopula ‚est‘ auch ohne Zeitbestimmung aufgefasst,48 z.€B. in dem Satz „Deus fuit ante tempora“ (für Gott besteht ja keine Zeit); dagegen drückt das ‚est‘ Zeit aus, wenn es sich auf Kreaturen bezieht. Boethius nennt noch eine zweite Anwendung, die mit der soeben genannten verwandt ist: Das tempus praesens ist selbst nicht strikt an die Gegenwart gebunden, sondern wird als „allzeitig“ verstanden oder vielmehr als „zeitlos“ in dem Sinne, dass man die Zeit gar nicht beachtet. Er nennt dies das praesens quod continuat praeteritum et futurum, das später (seit dem 12. Jahrhundert) praesens continuum oder confusum genannt wurde. Gemäß dieser Auffassung sind nur das Präteritum und das Futurum tempora.49 Die weitere Frage, die sich bezüglich der Kopula während des ganzen Mittelalters stellte, hieß: Lässt sich mit der Kopula eine vermeintliche oder tatsächliche Existenzbehauptung verknüpfen? Die Beantwortung dieser Frage wurde auf das Problem des ontischen und epistemischen Gebrauchs der Prädikation zurückgeführt.50 Beim Verbum ‚est‘ wurde meistens zwischen zwei Bedeutungen, der existentiellen (wie in „Petrus est“) und der kopulativen (wie in „Petrus est homo“), (Hrsg.), Sprache und Erkenntnis im Mittelalter, (Miscellanea Mediaevalia 13/1) Berlin/NY 1981, S. 19–35, hier S.€31. 48. Vgl. Boethius, In Arist. Peri herm. II, 51–52, in: Aristoteles Latinus II 1–2, De interpretatione vel Periermenias. Translatio Boethii, ed. L. Minio-Paluello, translatio G. de Moerbeka, Bragues/Paris 1965. 49. L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 29. 50. Die Existenzbehauptung der Kopula bestreitet de Rijk mit folgenden Argumenten: „Ich halte es jedoch für unangemessen, die Auffassung dieser Logiker mit einer (sei es vermeintlichen oder tatsächlichen) Existenzbehauptung der Kopula zu verknüpfen; sie hat damit meiner Meinung nach wenig zu tun. Mehrmals sagen doch auch diese Logiker ausdrücklich, daß das Verbum ‚est‘ in dritter Position (tertio adiacens), also als Kopula, nur dazu dient, ein Prädikat mit einem Subjekt zu verbinden. Einen eigenen Inhalt (res verbi) habe das verbum ‚est‘ nur dann, wenn es in Aussagen wie ‚Petrus est‘ gebraucht wird; es hat also als Kopula auch bei ihnen keinerlei Existenzbedeutung. Meiner Meinug nach handelt es sich in solchen Fällen (‚S est P‘) stets um die Bedeutung von Namen (nomina), nicht um irgendeine Existenzbehauptung der Kopula.“ In: L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 20.
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unterschieden. Aufgrund dieser Unterscheidung konnte aber die folgende Frage nicht überzeugend beantwortet werden: Wie kann das Verbum ‚est‘, das ja kraft seiner eigenen Bedeutung Existenz behauptet, wenn es kopulativ gebraucht wird, sogar non-existentia verbinden? Die Lösung, die von Abaelard für dieses Problem gefunden wurde, unterschied bei jedem verbum personale zwei Funktionen: die des Prädizierens und die des Konjungierens. Gemäß Abaelard können nur die Verbformen ‚est‘ und ‚nuncupatur‘ etwas von sich selbst Verschiedenes mit einem Subjekt verbinden.51 Von diesen sei ‚est‘ als verbum substantivum das semantisch Wichtigere, weil es nicht nur nomina, sondern auch pronomina, participia und orationes mit einem beliebigen Subjekt verbinden könne. Dabei werde ‚est‘ nicht zum Zwecke der appeÂ� llatio verwendet.52 Welche Art der Denotation ist dann im Spiel? Appellatio oder nominatio ist die Benennung eines konkreten Seienden mit Hilfe eines Allgemeinbegriffs: Das eigene Signifikatum der Verbform ‚est‘ ist aber die Existenzbehauptung, nicht die Wesensbezeichnung. Die Übereinstimmung zwischen Existenzbehauptung und appellatio besteht darin, dass sie sich beide im Bereich des konkreten Seienden bewegen; ihr wichtiger Unterschied besteht darin, dass bei der appellatio mit Hilfe eines Allgemeinbegriffes ein gegebenes Konkretes durch ein nomen appellativum ausgedrückt wird, während das ExisÂ� tenz behauptende ‚est‘ die Gegebenheit eines Dinges zum Ausdruck bringt. Die appellatio hebt also die Gegebenheit von etwas Konkretem hervor, das ‚est‘ die Gegebenheit von etwas.53 Die Komplexität besteht also in der gewöhnlichen Kombination von Prädizieren und Konjungieren: Duo itaque coniunguntur Socrati per ‘albus’ praedicatum, albedo scilicet in adiacentia et album, idest ipsum affectum albedine, in essentia; sola tamen albedo
51. Vgl. Abaelardus, De dictionibus definitis, in: Petrus Abaelardus, Dialectica, tract. I, lib. III, vol. III, ed. L. M. de Rijk, Assen 1956, S. 134: „Solet ita, memini, grammaticorum sententia nullam secundum significationem differentiam in nuncupativo et substantivo verbo accipere, sed eamdem in utroque sententiam proferri volunt, ut nihil aliud ‚ego nuncupor Petrus‘ quam ‚ego sum Petrus‘ intelligatur; hoc tamen ‚secundum institutionem inventionis‘ ad differentiam dicunt, quod nuncupativum, licet substantivi significationem habeat, non tamen constructionem ipsius ubique servat. Illud enim omnibus vel nominibus vel pronominibus vel participiis vel definifionibus praedicatis potest copulari, hoc autem solis propriis nominibus concedunt coniungi.“ 52. Vgl. Abaelardus, De divisionibus et definitionibus, in: Petrus Abaelardus, Dialectica, tract.€V, lib. II, ed. L. M. de Rijk, Assen 1956, S. 582–598. 53. Vgl. L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 23.
Kapitel 1.╇ Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter
praedicatur, quia sola coniungi intenditur. Non enim quicquid coniungitur praedicatur, sed id solum quod propositione coniungi intenditur.54
Abaelard betrachtet die Prädikation als eine Operation, die das Wesen eines Dinges betrifft: In „Socrates est albus“ soll die Weiße (albedo) prädiziert werden, denn auf diese ist der Intellekt gerichtet, nur sie zu prädizieren beabsichtigt man. Das Wesen wird indessen auch konjungiert, aber das einzig mögliche und daher unumgängliche Mittel zum Konjungieren (est) schmuggelt sozusagen seine eigene Bedeutung (d.€h. die Existenzbehauptung) ein, die aber gerade unvereinbar mit dem universellen Signifikatum (albedo) ist, denn nicht die universelle Weiße exisÂ� tiert, sondern ein konkretes weißes Ding: Deshalb sagt man ja nicht „Socrates est albedo“, sondern „Socrates est albus.“55 In der Verbindung ‚S ist P‘ treffen die Wesensprädikation und die Existenzbehauptung zusammen, was die Verflechtung der beiden Funktionen verursacht. Dies ist nur möglich, weil in einer Wesensbestimmung aufgrund der Verknüpfung durch die Kopula ‚est‘ die Behauptung der Existenz eines Konkreten impliziert ist: Das Konkret-Existierende heißt doch album im Sinne von affectum albedine. Aber die Verflechtung von Wesensprädikation und Existenzbehauptung geschieht in einer „mésalliance“, denn richtiges Prädizieren ist nur Wesensprädikation, und richtiges Konjungieren ist nur Existenzbehauptung.56 Die von Abaelard vertretenen Grundthesen über die Funktion der Kopula lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: (1) Als Kopula verbindet ‚est‘ nicht nur existierende Dinge, sondern auch nicht-existierende; (2) jedes Prädizieren ist Wesensprädikation und bewirkt als solche die Verknüpfung einer res praedicati mit einem Subjekt.
54. Abaelardus, De divisionibus et definitionibus, in: Petrus Abaelardus, Dialectica, tract. V, lib.€II, ed. L. M. de Rijk, Assen 1956, S. 585. 55. Vgl. Abaelardus, Log. Ingred. 361: „Qui enim propositionem facit ‚Socrates est albus‘, solam albedinem inesse Socrati ostendit, et si haberet verbum per quod posset simpliciter albedinem copulare Socrati, ita quod nil subiecti attingeret, profecto sic faceret. Sed quia non est verbum per quod id fiat, venit ad substantivum; quod quia essentiae tantum significationem habet, non potest ipsum proferri sine coniunctione essentiae; in essentia vero non potest vere albedo Socrati copulari, ut scilicet dicatur ‚Socrates est albedo‘. Unde ut et album copuletur in adiacentia et secundum subiectum albedinis coniunctio essentiae vere ponatur, adiectivum quod est ‚album‘, coniungitur verbo, quod et formam quam significat, adiacentem praeÂ�dicet, et fundamentum quod nominat, essentialiter secundum albedinem tantum praedicet, quod in ea tantum vi, ut dictum est, poni intenditur.“ Zitiert nach L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S.€23. 56. Eine ausführliche Darstellung der Frage findet sich in: L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 23f.
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De Rijk weist darauf hin, dass, wenn Prädizieren und Konjungieren als Funktionen verschmilzen, die Verbform ‚est‘ als Kopula ihren eigenen Bedeutungsinhalt („Existenzbehauptung“) verliert und somit der semantische Schwerpunkt auf das Prädikatsnomen verlegt wird. Dieses Problem war auch Abaelard bewusst, da er dafür plädierte, die Kopula und das Prädikatsnomen als einen einzigen Begriff anzusehen.57 Anselm folgt Abaelard, indem auch er einen Unterschied zwischen significatio und appellatio macht.58 Aber er deutet die beiden „Operationen“ anders: Appellatio ist nach Anselm die Relation zwischen einem Wort und seinem Denotatum, d.€h. dem Gegenstand. Die significatio aber, zumindest im strengen Sinne (per se), ist die Relation zwischen einem Wort und seinem Bedeutungsinhalt, also seinem Konnotatum. Nun hat aber gemäß Anselm ein Substantiv ein und dasselbe als Signifikatum und Appellatum, ein Adjektiv dagegen (wie albus) bezeichnet etwas anderes, als es denotiert. Es bedeutet Anselm zufolge nämlich habens albedinem und denotiert nur mittelbar den Träger.59 Die platonische bzw. neuplatonische Satzanalyse lässt sich von der platonischen Seinsauffassung nicht trennen.60 In diesem Zusammenhang ist die Auffas57. L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 27. 58. Siehe Anselmus Cantuariensis, De grammatico, cap. 12, in: Opera omnia, t. I, v. I, ed. F.€S.€Schmitt, Stuttgart/Bad Cannstatt 1968, S. 156–157: „Nulla enim est differentia substantiae sine qua substantia inveniri non possit, et nulla differentiarum eius sine illa potest existere. Quapropter quamvis omnia simul velut unum totum sub una significatione uno nomine appellentur ‚homo‘, sic tamen principaliter hoc nomen est significativum et appellativum substantiae, ut cum recte dicatur: substantia est homo et homo substantia (S. 156, 29–34) … Et hoc nomen quamvis sit appellativum hominis, non tamen proprie dicitur eius significativum; et licet sit significativum grammaticae, non tamen est eius appellativum. Appellativum autem nomen cuiuslibet rei nunc dico, quo res ipsa usu loquendi appellatur (157, 3–6).“ 59. L. M. de Rijk bemerkt zur Denotation bei Anselm: „Diese Gegenüberstellung ist aber terminologisch recht merkwürdig, denn üblicherweise steht der Ausdruck ‚habens albedinem‘ gerade für den Träger (fundamentum albedinis, oder id quod habet albedinem), hier aber bezeichnet er die Qualität selbst, also das Wesen der albedo als etwas Anhaftendes. Das habens albedinem ist also albedo participata, nicht das albedinem participans. So etwas lässt sich aber nur gemäß der neuplatonischen Semantik sagen.“ L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 34. 60. In die Korrelationalität zwischen der Seinsauffassung und Satzanalyse im Rahmen des Platonismus bzw. Neuplatonismus werden von L. M. de Rijk folgende Aspekte hervorgehoben: „Das Zentrum des Satzes wird vom Prädikat gebildet, das ja von einem unbestimmten Subjekt ausgesagt wird. In der platonischen Metaphysik ist ein Individuum nicht mehr als, wie Plato es selbst im Theaetet … nennt, ein ‚Bündel‘ von Eigenschaften, während die intelligible Substanz, also die Idee, die Substanz im eigentlichen Sinne ist. So soll man eine Aussage wie ‚Sokrates ist
Kapitel 1.╇ Die zwei Sprachmodelle im Mittelalter
sung von L. M. de Rijk markant, in der er für die semantische Prävalenz des in formallogischer Hinsicht schwächeren Neuplatonismus plädiert: Die Entwicklung der mittelalterlichen Philosophie wurde letzten Endes von den Auseinandersetzungen zwischen Neuplatonismus und Ockhamismus bestimmt. Der Stagirite wurde ja am Ende des Mittelalters immer mehr ausrangiert, und wer ihn in voller Ehrfurcht, wie z. B. ein Ockham, nicht beseitigte, hatte ihn von mancherlei Schwächen geläutert und (unwissentlich) mit pia fraus in das eigene Lager gezogen.61
weiß‘ deuten als ‚es gibt einen Fall partizipierter Weiße‘ (und zwar in Sokrates, aber letzteres ist nicht wesentlich). Diese semantische Auffassung ist genau das Gegenstück des semantischen Grundgedankens hinter der ‚Substanz = sensibles Individuum‘ – Ontologie des Aristoteles, bei dem das sensible Individuum selbst zu einem ‚Etwas‘ wurde, d.€h. Substratum (ὑποκείμενον ἐν ᾧ), das im Satz als ein richtiges Subjekt (ὑποκείμενον καθ᾽ οὖ) fungieren kann. Die Verschiebung aber von der Idee zu dem sensiblen Substratum, der logisch-semantisch jene vom Prädikat zum Subjekt entspricht, zerbricht auch die Komplementarität von Denken und Sein, indem sie die Trennung zwischen Idee und Begriff herbeiführt, sowie jene zwischen Sein als Seinsvollkommenheit und als bloßer Existenz, und jene zwischen Seinsintelligibilität und Wesensintelligibilität.“ L. M. de Rijk, Die Wirkung der Neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 34. 61. L. M. de Rijk, Die Wirkung der neuplatonischen Semantik auf das mittelalterliche Denken über das Sein, S. 35.
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kapitel 2
Die Bedeutung von negatio negationis
2.1
Die Eckhart’sche Definition von negatio negationis in den lateinischen Werken
In Meister Eckharts überlieferten Werken finden sich keine systematischen Ausführungen über die Wortverbindung negatio negationis, jedoch sind die diversen Bestimmungen dieses Konzepts in fast allen seinen Schriften vorhanden. In den deutschen Schriften übersetzt er den lateinischen Terminus als die Verneinung der Verneinung oder das Verleugnen des Verleugnens. In den lateinischen Schriften Eckharts kommt negatio negationis in verschiedenen Zusammenhängen vor. Nicht jeder Kontext, in dem negatio negationis auftritt, stellt eine Definition dieses Terminus dar. Darüber hinaus wird seine Bedeutung auch durch die verschiedenen semantischen Wortfelder bestimmt, in die es eingefügt wird. Trotz der Einfügung in diverse semantische Wortfelder behält negatio negationis eine einheitliche Konnotation bei. Im Folgenden seien einige typische Beispiele eines solchen kontextuellen Gebrauchs von negatio negationis aufgeführt: (1) Praeterea, negatione nihil vere docetur, et negatio nihil ponit et in ipsa affirmatione figitur et firmatur, nihil in se ipsa habens perfectionis. Propter quod in ipso deo nullum prorsus locum habet negatio; est enim ‚qui est‘ et ‚unus est‘, quod est negatio negationis.62 (2) Tertio notandum quod repetitio, quod bis ait: sum qui sum, puritatem affirmationis excluso omni negativo ab ipso deo indicat.63
62. In Eccli. n. 60, LW. II, S. 289, 3–6: „Außerdem enthält eine Verneinung keine wahre Belehrung, die Verneinung behauptet nichts, sondern hat in der Bejahung ihren festen Halt, in sich selbst ist sie ganz unvollkommen. Daher hat die Verneinung in Gott ganz und gar keinen Platz. Denn er ist ja ‚der da ist‘ (Ex. 3, 4) und ‚ist einer‘ (Gal. 3, 20). ‚Einer‘ besagt aber eine Verneinung der Verneinung.“ 63. In Exod., n. 16, LW II, S. 21, 7f.: „Drittens ist zu bemerken: die Wiederholung: ‚ich bin, der ich bin‘ zeigt die Lauterkeit der Bejahung unter Ausschluß jeder Verneinung von Gott an.“
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Sprache und Metaphysik
(3) Nulla ergo negatio, nihil negativum deo competit, nisi negatio negationis, quam significat unum negative dictum: ‚deus unus est‘ … Negatio vero negationis purissima et plenissima est affirmatio: ‘Ego sum qui sum’.64 (4) Sciendum igitur ad praesens quod li unum primo est voce quidem negativum, sed re ipsa affirmativum. Item est negatio negationis, quae est purissima affirmatio et plenitudo termini affirmati.65 (5) Iterum etiam li unum nihil addit super esse, nec secundum rationem quidem, sed secundum solam negationem … Propter quod immediatissime se tenet ad esse, quin immo significat puritatem et medullam sive apicem ipsius esse, quam nec li esse significat. Significat enim li unum ipsum esse insuper in se ipso cum negatione et exclusione omnis nihili, quod, inquam, nihil omnis negatio sapit. Omnis siquidem negatio negat aliquod esse, cuius esse carentiam dicit. Negatio ergo negationis, quam li unum significat, notat in termino significato adesse omne quod termini est et abesse omne quod oppositi termini est. Hoc autem necessario est unum.66 (6) Praeterea li unum est negatio negationis. Propter quod soli primo et pleno esse, quale est deus, competit, de quo nihil negari potest, eo quod omne esse simul praehabeat et includat.67 64. In Exod., n. 74, LW II, S. 77, 9–12: „Auf Gott trifft also keine Verneinung, nichts Verneinendes zu außer der Verneinung der Verneinung, die das eine Verneinung einschließende Eine ausdrückt: ‚Gott ist einer‘ … Die Verneinung der Verneinung ist jedoch lauterste und vollste Bejahung: ‚ich bin, der ich bin‘.“ 65. In Sap., n. 147, LW II, S. 485, 5–7: „Man muss also nunmehr wissen, daß das Begriffswort das Eine zunächst dem Klang nach verneinend, der Sache nach aber bejahend ist. Ferner ist es die Verneinung der Verneinung, das ist die reinste Bejahung und der bejahende Begriff im Vollsinn.“ 66. In Sap., n. 148, LW II, S. 486, 2–9: „Ferner fügt das Eine nichts (Positives) zum Sein hinzu, auch nicht dem Begriff nach, sondern allein eine Verneinung … Deshalb steht das Eine in einÂ� em ganz unmittelbaren Verhältnis zum Sein, ja es bezeichnet die Reinheit, das Mark oder den Gipfel des Seins selbst, und das besagt das Wort Sein an sich noch nicht. Das Eine bezeichnet nämlich überdies das Sein selbst in sich selbst mit der Verneinung und dem Ausschluß jeden Nichts, des Nichts sage ich, das jede Verneinung verspüren lässt. Jede Verneinung verneint ja irgendwelches Sein, und diesen Seinsmangel bringt sie zum Ausdruck. Die Verneinung der Verneinung, die das Eine besagt, weist also darauf hin, daß der bezeichnete Begriff alles umfaßt, was zu diesem Begriff gehört, und alles ausschließt, was zu dem entgegengesetzten Begriff gehört. Wo das zutrifft, haben wir aber notwendig das Eine.“ 67. Prol. op. prop., n. 6, LW I, S. 169, 6–8: „Außerdem ist das Eine Verneinung der Verneinung. Deswegen kommt es allein dem ersten und vollen Sein zu, wie es Gott ist. Von ihm kann deshalb nichts verneint werden, weil er alles Sein insgesamt im voraus schon besitzt und in sich schließt.“
Kapitel 2.╇ Die Bedeutung von negatio negationis
(7) Praeterea … enti sive de ente nihil negari potest sive nullum esse negari potest, sed competit ipsi negatio negationis esse.68 (8) Nihil ergo entitas universaliter negari potest ipsi enti sive ipsi esse. Propter hoc de ipso ente, deo, nihil negari potest nisi negatio negationis omnis esse. Hinc est quod unum, utpote negationis negatio, immediatissime se habet ad ens.69 (9) Ad primum dicendum quod quies privatio quidem est, sed est privatio privationis, motus scilicet, sicut unum, quod cum ente convertitur, est privatio privationis realis quam importat multitudo. Privatio autem privationis mera est et perfecta affirmatio, ut unitas, privatio multitudinis, est merissima dei unitas.70
Das erste Beispiel bietet keine Definition im eigentlichen Sinne, indem es die Verneinung der Verneinung auf negative Weise charakterisiert und bestimmt. Sie besagt, dass die Verneinung keine wahre Belehrung sei, da sie nichts behaupten könne und ihren festen Halt nur in der Affirmation habe. Das meint, dass die Verneinung der Verneinung nur in Bezug auf die Affirmation sein kann. Mehr noch: Sie kann nur in Bezug auf die Affirmation gedacht werden. Dieser Gedanke impliziert für Eckhart Folgendes: Die Verneinung kann nicht selbstständig ohne den Bezug auf das andere definiert oder als das An- und das Für-sich-Seiende gedacht werden. Das, was nicht an sich denkbar ist, ist unvollkommen. Das Unvollkommene oder das Nichtdenkbare kann in Gott, der der Vollkommenste und selbst das Denken ist, keinen Platz haben, da „der Verstand in Gott vor allem, und vielleicht in ihm allein als dem ersten Ursprung von allem, ganz und gar wesenhaft Verstand ist, ganz und gar reines Denken.“71 68. Prol. op. prop., n. 12, LW I, S. 172, 6f.: „Überdies … kann dem oder vom Seienden nichts oder kein Sein verneint werden, ihm kommt vielmehr die Verneinung der Verneinung des Seins zu.“ 69. Prol. op. prop., n. 15, LW I, S. 175, 12–15: „Dem Seienden selbst oder dem Sein selbst kann also kein Seinsgehalt überhaupt abgesprochen werden. Deswegen kann vom Seienden selbst, das heißt von Gott, nichts verneint werden außer vermittels der Verneinung der Verneinung alles Seins. Damit hängt zusammen, daß das Eine als Verneinung der Verneinung in unmittelbarster Beziehung zum Seienden steht.“ 70. In Gen. I, n. 158, LW I, S. 306, 10–14: „Zum ersten (Einwand) ist zu sagen: Ruhe ist zwar Beraubung, aber Beraubung einer Beraubung, nämlich der Bewegung, wie das mit dem Seienden vertauschbare Eine Beraubung der Seinsberaubung ist, die mit der Vielheit gegeben ist. Beraubung der Beraubung ist aber reine und vollkommene Seinsbejahung, wie die Einheit als Beraubung der Vielheit die reinste Einheit Gottes ist.“ 71. In Ioh. n. 34, LW III, S. 27, 12–14: „Ubi signanter notandum est quod intellectus in deo maxime, et fortassis in ipso solo, utpote primo omnium principio, se toto intellectus est per essentiam, se toto purum intelligere.“ Vgl. auch In Gen. I, n. 168, LW I, S. 314, 3–5: „Et hoc est
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Gott aber ist und ist einer. Das Etwas-Sein besagt aber die Verneinung, weil etwas, sofern es dieses bestimmte Etwas ist, sich von anderen bestimmten Seienden unterscheidet. Die Definition Eckharts, dass das Eine die Verneinung der Verneinung besage, impliziert den Gedanken, dass das Eine ein von dem bestimmten Sein unterschiedenes Sein meint. Die Gleichsetzung des transzendentalen Einen mit der Negation der NegaÂ� tion wird in der zweiten Definition noch deutlicher wiedergegeben: Hier wird das transzendentale Eine seinem Bedeutungsgehalt nach zunächst für die Verneinung der Verneinung und daher für die reine Bejahung erklärt. Derselbe Gedanke wird in der dritten und vierten Definition ausgedrückt. In beiden Fällen denotiert die negatio negationis einerseits Gott oder das höchste Sein, andererseits aber die purissima affirmatio. Sowohl Gott als auch purissima affirmatio drücken die negatio negationis im vollen Sinne aus: Im Fall Gottes ist dieser Sinn ein ontologischer, im Fall der purissima affirmatio ein konzeptueller. Die fünfte Definition stammt aus der Expositio libri Sapientiae und bezieht sich auf die ontischen Termini, die in der Eckhart’schen Metaphysik mit der negatio negationis in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Zunächst wird in dieser Textpassage erklärt, dass das Eine nichts Positives zum Sein hinzufüge, sogar dem Begriff nach. Das, was zum Sein nichts hinzufügt und trotzdem in Relation zum Sein steht, ist einerseits mit dem Sein identisch, wird aber andererseits vom Sein durch diese unmittelbare Relation unterschieden. Es ist mehr als Sein, insofern es das Mark des Seins oder das Reinste des Seins darstellt. Aber dies besagt das Wort ‚Sein‘ an sich noch nicht („quam nec li esse significat“). Das Eine als ein Signifikant des Seins, als das Mit-dem-Sein-identisch-Sein, impliziert die Elimination all dessen, was dem Sein nicht zugehört, oder anders ausgedrückt, die Subtilität des Einen meint die Elimination des Nichts. Jede Verneinung aber verneint das ‚dies und das Sein‘ und bringt dadurch den Seinsmangel des bestimmten Seienden, d.€h. das Nichts, zum Ausdruck. Die weiteren Definitionen der negatio negationis aus dem Prologus in Opus propositionum betonen die ontische Ebene im Begriffssinn der doppelten Verneinung: Am Anfang wird der leitende Gedanke der Eckhart’schen Metaphysik wiederholt, dass das Eine die Verneinung der Verneinung sei und es deswegen allein dem ersten und vollen Sein wie Gott zukomme. In der siebten Definition wird der quod in verbis praemissis dicens deum quiescere ab universo opere nos docere voluit quod deus sit intellectus purus, cuius esse totale est ipsum intelligere.“ Übers.: „Wenn (Moses) daher in dem vorliegenden Wort sagt, Gott ruhe von dem gesamten Werk, so will er uns lehren, daß Gott reiner Intellekt ist, dessen ganzes Sein das Denken schlechthin ist.“ Der Gedanke, dass Gott ein Intellekt ist, ist explizit in der Pariser Quaestio I, Utrum in deo sit idem esse et intelligere, dargestellt.
Kapitel 2.╇ Die Bedeutung von negatio negationis
vorherige henologische Diskurs (unum est negatio negationis) durch den ontologischen Diskurs ersetzt. Hier heißt es nicht mehr, „dem Einen kommt die Verneinung der Verneinung zu“, sondern in dieser Identitätsaussage wird das Eine durch das Seiende ersetzt. Daher heißt es hier: „Dem oder vom Seienden kann nichts oder kein Sein verneint werden, ihm kommt vielmehr die Verneinung der Verneinung des Seins zu.“72 Dadurch, dass in dieser Identitätsaussage das transzendentale Eine durch das Seiende ersetzt wird, kommt die Identität des Seienden und des transzendentalen Einen in der Denkstruktur Eckharts zum Ausdruck.73 In der nächsten Definition aus dem Prologus in Opus propositionum wird die Identität des Seienden und Gottes in terminologischer Hinsicht schon explizit thematisiert: Dem Seienden selbst oder dem Sein selbst kann überhaupt kein Seinsgehalt abgesprochen werden. Ohne Seinsgehalt wären das Seiende kein Seiendes und das Sein kein Sein. „Deswegen kann vom Seienden selbst, das heißt von Gott, nichts verneint werden außer vermittels der Verneinung der Verneinung alles Seins.“74 Die neunte Definition weist darauf hin, dass das mit dem Seienden vertauschbare Eine die Beraubung einer Seinsberaubung ist. Sie geht von der Prämisse aus, dass die Vielheit der Seienden der Seinsberaubung zugrunde liegt. Auf solche Weise wird der wichtige Kontext wiedergegeben, der für den Inhalt der privatio privationis konstituierend ist: Der Begriff der Vielheit setzt die Annahme der Mehrzahl der Seienden voraus. Mehrzahl der Seienden bedeutet, dass das Sein oder die Seinsweise eines Seienden vom Sein bzw. von der Seinsweise des anderen Seienden zu unterscheiden ist. Dieses Unterschieden-sein-Von besagt Folgendes: Das Seiende als ein Bestandteil der Vielheit stellt die Beraubung des Seins der anderen Seienden dar, da ein bestimmtes Seiendes an sich ein Sein besitzt, das den anderen Seienden fehlt, die es ihrerseits anderen Seienden rauben. Dadurch kommt die Seinsberaubung als solche zum Ausdruck. Weil durch die doppelte
72. Vgl. Prol. op. prop., n. 12, LW I, S. 172, 6f. 73. Eine bemerkenswerte Auslegung dieser Stelle bietet W. Goris in seiner Monographie Einheit als Prinzip: „Die negatio negationis … wird hier als Operator der Attribution verwendet: Eine Vielfalt von Verwirklichung einer Vollkommenheit schließt eine Negation ein, die selbst wieder negiert werden muß, damit der Grund der Vielheit angesprochen werden kann, von dem her alles an diesen Vollkommenheiten teilhat.“ Die Einheit als negatio negationis gilt als eine „Super-Eigenschaft“, „welche die Vorzüglichkeit der Verwirklichung der transzendentalen Bestimmung im Göttlichen indiziert.“ W. Goris, Einheit als Prinzip. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts, (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59) Leiden/NY/Köln 1997, S. 72f. 74. Vgl. Prol. op. prop. n. 15, LW I, S. 175, 13f.: „Propter hoc de ipso ente, deo, nihil negari potest nisi negatio negationis omnis esse.“
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Sprache und Metaphysik
Beraubung das bestätigt wird, was durch die Beraubung aufgehoben wurde, wird die Beraubung der Beraubung zum Ausdruck eines reinen und vollkommenen habituellen Seins. Dem Verständnis der privatio als Beraubung des habituellen Seins liegt der begriffliche Gegensatz von habitus und privatio zugrunde. Diese Gegenüberstellung der beiden Begriffe geht auf Aristoteles zurück. Aristoteles grenzt die héxis als Wirklichkeit des Habens und des Gehabten von der stéresis als Wirklichkeit des Nicht-Habens und des Nicht-haben-Könnens ab.75 Unter privatio versteht Eckhart die Trennung von oder die Einschränkung einer Vollkommenheit, d.€h. jede Form von Nichtvollkommenheit oder nichtvollkommenem Sein. Daher ist für ihn privatio ein Medium, das zur Aussage der Negativität dient. Im Gegensatz dazu bedeutet habitus den uneingeschränkten Besitz bzw. die uneingeschränkte Teilhabe und Bindung eines Trägers an die durch den habitus bezeichnete Wirklichkeit.
2.2
Die zwei Theologumena
Hinter diesen mehrfachen Definitionen der negatio negationis ist ein sich immer wiederholender und einheitlicher Inhalt dieses Terminus erkennbar. Obwohl der Versuch ihrer Zurückführung auf eine einzige Definition eine gewisse Reduktion der semantischen Wortfelder und der Kontexte impliziert, welche die Konnotation von negatio negationis in den einzelnen Fällen bereichern, lassen sich die Inhalte der oben erwähnten neun Definitionen auf zwei Grundthesen zurückführen. Innerhalb des metaphysischen Diskurses Eckharts stellen diese Grundthesen zwei Formen des theologischen Narrativs hinsichtlich des Begriffs der Negativität€dar. 2.2.1
Negatio negationis als Affirmation
Das erste theologische Narrativ der doppelten Verneinung ist in der folgenden Bestimmung aus Genesis I exemplarisch ausgedrückt: „Privatio autem privationis mera est et perfecta affirmatio, ut unitas, privatio multitudinis, est merissima dei unitas.“76 Im angeführten Zitat finden sich die folgenden drei Aussagen über die Identität: Erstens wird privatio privationis oder die Beraubung der Beraubung für identisch mit reiner und vollkommener Seinsbejahung erklärt; zweitens wird die 75. Vgl. Aristoteles, Metaph. V 19 u. 22, 1022 b 1–10. 76. In Gen. I, n. 158, LW I, S. 306, 12f.: „Beraubung der Beraubung ist aber reine und vollkommene Seinsbejahung, weil die Einheit als Beraubung der Vielheit die reinste Einheit Gottes ist.“
Kapitel 2.╇ Die Bedeutung von negatio negationis
Einheit (unitas) als Beraubung der Vielheit bestimmt; drittens wird die Einheit als reine Einheit Gottes verstanden. Diese drei Identitätsaussagen stellen einen Grundgedanken der Eckhart’schen Metaphysik dar. Dieser Gedanke ist hinsichtlich der folgenden Aspekte zu pointieren: Eckharts Wortverbindung privatio privationis meint die doppelte Verneinung des Bedeuteten, die einmalige privatio spricht das Sein ab. Durch die privatio privationis oder die Beraubung der Beraubung wird das bestätigt, was im Bedeuteten, im Sein, gemeint ist. Ein so aufgewiesenes Sein ist absolutes Sein, das nur Gott als solcher haben kann. Diesem Gedanken liegt die folgende Formel des theologischen Narrativs der Negativität zugrunde: Verneinung der Verneinung ist die reinste Bejahung. Da die doppelte Beraubung des Seins zur vollkommenen Affirmation des Seins führt, gründet die Affirmation in der Beraubung oder Verneinung. Die Einheit kann nur aufgrund der Beraubung der Vielheit gedacht werden, frei von der Vielheit aber kann nur Gott sein. Daher ist eine Einheit, die mit der Beraubung der Vielheit identisch ist, die reine Einheit Gottes. Damit stellt diese Beraubung die Grundlage der Einheit Gottes dar. Als Synonym des oben angeführten Zitats aus Genesis I („privatio autem privationis mera est et perfecta affirmatio“) dient die folgende Bestimmung: „Negatio vero negationis purissima et plenissima est affirmatio.“77 Allerdings weist diese auch einen subtilen Unterschied auf: In dieser Textstelle wird die privatio privationis (die doppelte Beraubung des habituellen Seins) durch die negatio negationis ersetzt, die einen qualitativ noch allgemeineren Grad der Negativität ausdrückt, bzw. der Begriff der Affirmation wird seinerseits auch verallgemeinert und nicht nur im Kontext der Seinsaffirmation, sondern überhaupt als Affirmation an sich gedacht. Ungeachtet dieser graduellen Unterschiede bleibt die inhaltliche Identität der beiden Gedanken bestehen. 2.2.2
Negatio negationis als unum
Die zweite Grundthese oder das zweite theologische Narrativ der Negativität, auf das sich die verschiedenen Definitionen der negatio negationis zurückführen lassen, lautet: Das Eine ist die Verneinung der Verneinung. Im Prologus in Opus propositionum heißt es: „Unum est negatio negationis.“78 Wenn Eckhart unum oder das Eine anführt, denkt er eindeutig gemäß der neuplatonischen Denktradition und stellt sein Reflektieren in den Kontext dieser Tradition. Hier ist auch zu 77. In Exod. n. 74, LW II, S. 77, 11: „Die Verneinung der Verneinung ist jedoch lauterste und vollste Bejahung.“ 78. Prol. op. prop., n. 6, LW. I, 169, 6: „Das Eine ist die Verneinung der Verneinung.“
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Sprache und Metaphysik
erwähnen, dass Proclus und der Liber de causis zu den am meisten zitierten AutoÂ� ritäten in Eckharts Schriften gehören.79 Seit Proclus ist es dieser Tradition aber eigen, unter dem unum Gott zu verstehÂ� en. Eckhart zitiert für die Attribution des Einen an Gott aus der neuplatonischen Tradition Proclus und den Liber de causis: Rursus eodem modo se habet de uno, scilicet quod solus deus proprie aut unum aut unus est, Deut.6: ‚deus unus est‘. Ad hoc facit quod Proclus et Liber de causis frequenter nomine unius aut unitatis deum exprimunt.80
Daher besagt der Satz „unum est negatio negationis“ nichts anderes, als dass Gott die Verneinung der Verneinung sei. Wenn man hinsichtlich des unum die Konnotation der proklischen Henologie (unum = deus) berücksichtigt, betrifft die angeführte Definition nicht nur das Eine, sondern auch Gott. In Eckharts Definition€– unum est negatio negationis – ist immer die Konnotation mitzudenken, dass Gott die Verneinung der Verneinung sei. Vor dem Hintergrund dieser Gleichsetzung (unum = Gott) stellt sich nicht nur die Frage nach der Charakterisierung des Eckhart’schen Denkens als eines mystischen oder eines spekulativen, sondern auch die Frage nach der Zugehörigkeit Eckharts zur Tradition der negativen Theologie. Lässt sich die Aussage „unum est negatio negationis“ für Eckhart im Rahmen der negativen Theologie betrachten, oder überschreitet die auf solche Weise gegebene Definition Gottes€– die eigentlich für Eckhart inhaltlich eine affirmative Definition ist, weil negatio negationis die höchste Affirmation besagt – die Grenzen der negativen Theologie? Das ist die Hauptfrage, die hinsichtlich der negatio negationis als eines philosophischen Terminus aufgeworfen wird, wenn man den semantischen Kontext berücksichtigt, in dem der Terminus in Eckharts Schriften vorkommt. Der Beantwortung dieser Frage wird sich Kapitel 3.6 der vorliegenden Arbeit widmen.
79. Die Vergleichstabelle, die A. Schönfeld in der Ausgabe des Liber de causis aufgeführt hat, zeigt, dass in Meister Eckharts Werken Proclus und der Liber de causis mehr als 90 Mal erwähnt werden. Vgl. Liber de causis, hrsg. v. A. Schönfeld, Hamburg 2003, S. 161–164. 80. Prol. op. prop. n. 6, LW I, 169, 6–8: „Weiter: ebenso verhält es sich mit dem Einen, daß nämlich Gott allein im eigentlichen Sinne eines oder einer ist: ‚Gott ist einer‘ (deut. 6, 4). Dazu stimmt, daß Proclus und das Buch von den Ursachen Gott häufig mit dem Namen ‚das Eine‘ oder ‚die Einheit‘ bezeichnen.“
kapitel 3
Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
3.1
Die Ontologisierung der Semantik
Stellte die Frage nach der Prädikation für Abaelard eine Komplexität von Prädizieren und Konjungieren dar und implizierte dadurch eine Vermischung von Wesensprädikation und Existenzbehauptung, so wird dieser Aspekt bei Eckhart im Zusammenhang mit der Denotationsfrage noch stärker betont. Im Exoduskommentar schreibt er: Unde secundum modum intelligendi accipiuntur et formantur modi significandi et consequenter modi praedicandi … Concretum autem significat formam solam, sicut ‚album solam qualitatem‘. Sed licet subiectum non significet, tamen consignificat et connotat. Subiectum vero semper se habet respectu formae sicut passivum ad activum et effectus ad causam.81
In dieser Aussage wird der Primat der Erkenntnis (intelligere) formuliert und der Begriffsinhalt im Sinne von Bedeutung (significatio) von der sprachlich verfassten Aussage (praedicatio) unterschieden.82 Der Hauptgedanke, der hier hinsichtlich 81. In Exod. n. 84, LW II, S. 87, 11–14: „Daher richten sich die Bezeichnungsweisen und folglich die Aussageweisen nach der Weise unserer Erkenntnis … Ein konkretes Wort aber bezeichnet die Form allein, wie ‚weiß allein die Beschaffenheit‘ bezeichnet. Aber obwohl es den Träger nicht bezeichnet, so bezeichnet es diesen doch mit und einschlußweise. Der Träger jedoch verhält sich zur Form immer wie das Erleidende zum Wirkenden und wie die Wirkung zur Ursache.“ 82. Die Unterscheidung zwischen significatio und praedicatio fasst M.€P. Schirpenbach folgenderweise zusammen: „Die Unterscheidung von modi significandi und modi praedicandi geht von einer metasprachlichen Begriffssetzung aus. Da in dieser Passage zwischen Form und Träger (forma et subiectum) unterschieden wird, kann darauf geschlossen werden, dass wir es mit dem abstrakten Allgemeinbegriff zu tun haben, der mit dem Formmoment innerhalb der Gegenstandskonstitution zusammenfällt, dem aber an dieser Stelle eine eigene – ideenhafte€– Realität zugedacht wird. Wir finden das aristotelische Schema von Akt und Potenz angewandt, wobei die beiden Elemente weniger als gleichnotwendige Momente ein und derselben Wirklichkeit behandelt werden, sondern als deutlich voneinander separiert, wobei der Form das größere Gewicht zukommt.“ M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 50.
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Sprache und Metaphysik
der Prädikation wesentlich ist, besteht darin, dass ein konkretes Wort als modus significandi, als die Bezeichnungsweise, als ein Prädikat in einem Satz nur die Form bezeichnet und nicht das Subjekt selbst. Aber obwohl laut Eckhart das Prädikat das Subjekt nicht direkt signifiziert, wird von ihm der Begriffsinhalt des Subjekts trotzdem konsignifiziert und konnotiert. Also kann das Prädikat von einÂ� em Subjekt nicht abgetrennt werden. Dieser Gedanke Eckharts lässt sich auf die Auffassung von der Definition zurückführen, die Dietrich von Freiberg in seinem Traktat De accidentibus folgenderweise formuliert: „Convenit autem hoc universaliter definitioni et definito, ut ab invicem separari non possint, cum in utroque istorum importetur unum et idem per essentiam.“83 Dietrichs Auffassung lautet, dass die Definition, die eigentlich eine Verbindung des Subjekts und des Prädikats darstellt, sich nicht vom Subjekt, d.€h. von dem Zu-Definierenden abtrennen lässt, weil der Subjektbegriff und der in der Verbindung von Subjekt und Prädikat ausgedrückte Sinn wesentlich identisch sind. Wie diese wesentliche Identität zu verstehen ist, erklärt Dietrich am Beispiel der Affektion: Das Subjekt gehöre zur Definition der Affektion in der Weise, dass die Definition des Subjekts und die Definition der Affektion, die das Was des Subjekts und das Warum der Affektion zum Ausdruck bringe, ein und dieselbe sei.84 Das, was Eckhart mit dem Terminus consignificare wiedergibt, formuliert also Dietrich als wesentliche Selbigkeit der Definition als der Verbindung von S-P und des Subjekts als des Definierten. Um die Stellung des Subjekts in einem definitorischen Satz zu erhellen, verwendet Eckhart den folgenden Vergleich: Wie das Erleidende zum Wirkenden und wie die Wirkung zur Ursache, so verhalte sich immer das Subjekt zur Form. Durch einen solchen Vergleich wird die Diskussion über die Prädikation von Eckhart auf die ontische Ebene übertragen, da er die Frage nicht mehr in semantischer, sondern in ontisch-kausaler Hinsicht denkt:
83. Dietrich von Freiberg, Über die Akzidentien (Theodoricus de Vribergh, Tractatus de accidentibus), übers. von B. Mojsisch, eingel. von K.-H. Kandler, Hamburg 1994, S. 88. Vgl. Übers.: „Das aber kommt ganz allgemein der Definition und dem Definierten zu, daß sie nicht voneinander abgetrennt werden können, da in beiden von ihnen ein und dasselbe wesentlich impliziert ist.“ Ibid. S. 89. 84. Vgl. Dietrich von Freiberg, Über die Akzidentien (Theodoricus de Vribergh, Tractatus de accidentibus), S. 88: „In his enim subiectum cadit in definitione passionis secundum eum modum, quod eadem est definitio subiecti et passionis dicens quod est subiectum et propter quid passionis.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Constat enim quod album habet albedine et per albedinem, quod sit album. Et sic albedo est ante album ut causa et auctor albi, et est ultra sive post album ut finis et terminus dealbationis, qua res est alba.85
Da das Weiße von der Weiße ist, ist die Weiße früher sowohl in ontologischer (das Weiße hat sein Sein von der Weiße, insofern es weiß ist) als auch in gnoseologischer Hinsicht (das Weiße kann erst dann erkannt werden, wenn schon die Erkenntnis über die Weiße vorhanden ist).86 Daher bedeutet für Eckhart der Satz „Etwas ist weiß“ nicht nur die Aussage, in der das Weiße als Prädikat zum Etwas als Subjekt hinzugefügt wird, sondern eine Explikation des kausalen Verhältnisses, in dem die Weiße vor dem konkreten Weißen als dessen Ursache und Urheber ist. Das Ursache- oder Urheber-Sein der Weiße meint, dass sie über das konkrete Weiße hinaus oder nach ihm das Ende und Ziel des Weißwerdens darstellt, durch das etwas weiß wird.87 Dabei charakterisiert Eckhart diese Art der Zuordnung zwischen dem Erleidenden (album) und dem Wirkenden (albedo) als eine solche, in der „activum … et univocum communicat suo passivo in specie et nomine“.88 Diese univoke Kommunikation zwischen album und albedo besagt
85. In Exod. n. 84, LW II, S. 87,14–88,3: „Denn bekanntlich hat das Weiße es von der Weiße, daß es weiß ist. Also ist die Weiße vor dem Weißen als Ursache und Urheber des Weißen und ist über das Weiße hinaus oder nach ihm als Ende und Ziel des Weißwerdens, wodurch etwas weiß ist.“ 86. Vgl. In Ioh. n. 172, LW III, S. 141, 9–11: „Nam et ipsa albedo prior est albo, in quantum album est, nec posset intelligi quis albus, nisi prius intelligatur albedo.“ Übers.: „Denn auch das Weißsein ist früher als das Weiße, insofern es weiß ist; auch könnte man nicht erkennen, daß jemand weiß ist, wenn man nicht vorher erkennt, was Weißsein ist.“ 87. Zum kausalen Verhältnis zwischen der Weiße und dem konkreten Weißen vgl. auch die folgenden Stellen: Prol. gen. n. 13 (LW I 158, 7–9); Prol. op. prop. n. 9 (LW I 171, 3); n. 23 (LW I 179, 7–9); In Sap. n. 206 (LW II 539, 7: „Nota quod nemo potest esse iustus sine iustitia, sed nec albus sine albedine.“ Übers: „Es ist zu bemerken, daß niemand gerecht sein kann ohne Gerechtigkeit, wie auch keiner weiß sein kann ohne die Qualität der Weiße“; Serm. IV, 1n. 23 (LW IV 24, 11–14); Serm. XXIII n. 219 (LW IV 205, 12f.). 88. Vgl. In Gen. II n. 118, LW I, S. 584, 1–5: „… activum naturale et univocum communicat suo passivo in specie et nomine, puta ignis ab igne, album ab albedine et speciem habet et nomen speciei, nec ab aliquo prorsus alio sortitur nomen et naturam albi quippiam nisi ab albedine et ipsa sola, adeo ut nec deus posset facere album sine albedine.“ Übers.: „… das in der Naturordnung innerhalb derselben Art Wirkende hat mit dem ihm zugeordneten Erleidenden Art und Namen gemeinsam, wie zum Beispiel das Feuer vom Feuer und das Weiße von der Weiße Art und Artbezeichnung ist. Und zwar empfängt nichts von irgendwo anders her Namen und Natur des Weißen außer von der Weiße und von ihr allein, so daß auch Gott nichts Weißes ohne die Weiße machen könnte.“
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Sprache und Metaphysik
in diesem Kontext, dass nichts von irgendwo anders her Namen und Natur des Weißen empfangen kann außer von der Weiße allein. Die hier am Beispiel von album-albedo geschilderte Relation lässt sich hinsichtlich der Eckhart’schen Auffassung über das Subjekt-Prädikat-Verhältnis folgenderweise verallgemeinern: 1. Das Prädikat stellt einen modus significandi dar, der sich nach dem modus intelligendi richtet und dementsprechend gebildet wird. 2. Ein konkretes Prädikat ist ein selbstständiges semantisches Element, das nicht das Subjekt bezeichnet, aber den Begriffsinhalt des Subjektes konnotiert und konsignifiziert. 3. Das Subjekt verhält sich zum Prädikat wie das Erleidende zum Wirkenden und wie die Wirkung zur Ursache.89 Die Betrachtung des Subjekt-Prädikat-Verhältnisses als eines solchen, in dem das Subjekt als das Erleidende und das Prädikat als das Wirkende auftritt, verankert den semantischen Aspekt der Darlegung im Bereich der causa-essentialis-Theorie: Wenn nämlich das Subjekt sich zum Prädikat wie das Erleidende zum Wirkenden und wie die Wirkung zur Ursache verhält, dann muss dieses Verhältnis auch im Rahmen der Perspektive zu denken sein, die in der Eckhart’schen causa-essentialis-Theorie dadurch zum Vorschein kommt, dass die Formel „ens in sua causa non est ens“ noch durch einen bestimmenden Aspekt, den die Formulierung „causa est in suis causatis“ enthält, ergänzt wird.90 In „ens in sua causa non est ens“ kommt die begrifflich-ontologische Abhängigkeit der wesensverschiedenen Entitäten zum Ausdruck: Das konkrete Weiße (album) ist in seiner Ursache€– der Weiße (albedo) – nicht mehr seiend. Der Grund dafür besteht darin, dass das Sein, das vom konkreten Weißen ausgesagt wird, unmöglich dasselbe Sein meinen kann, das für die Ursache selbst gilt. Daher ist das von einem konkreten Weißen ausgesagte Sein nicht dasselbe wie das Sein der Weiße, und daher kann das Weiße in seiner Ursache, der Weiße, nicht seiend sein. Aber da alles Weiße von der Weiße 89. Aufgrund dieses letzten Kennzeichens scheint die Annahme von M.€P. Schirpenbach fragwürdig zu sein, wenn er meint: „Die Eckhart’sche Untersuchung geht nicht von einer Analyse der rationes aus, Ideen, die die eigentliche Wirklichkeit der Welt bildeten, sondern von einer konkreten sprachlichen Form.“ M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 62. Obwohl die These Schirpenbachs lautet, dass Eckhart die Sprache nicht als eine gegenüber der ontologischen Wirklichkeit autonome Entität auffasse, tendiert er dazu, die platonisierenden Elemente der Eckhart’schen Semantik, die in der Betrachtung des Subjekt-Prädikat-Verhältnisses zum Vorschein kommen, unberücksichtigt zu lassen. 90. Zum spezifischen Charakter der Eckhart’schen causa-essentialis-Theorie siehe B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, S. 42–81.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
stammt, muss das konkrete album in irgendeiner bestimmten Form von der albedo abhängig bleiben. Die Relation, die zwischen dem Seienden und seiner Ursache gemäß der Formel „ens in sua causa non est ens“ aufgestellt wird, lässt sich als eine analoge Relation definieren, weil dort, „wo eine analoge Beziehung vorliegt, das Hervorgebrachte immer niedriger, geringer, unvollkommener als das Hervorbringende und ihm ungleich ist.“91 Die Ungleichheit des konkreten weißen Seienden mit seiner Ursache albedo kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Seiendheit des album in seiner Ursache nicht mehr vorhanden ist. Diese Ungleichheit spricht aber für die Prävalenz der Ursache gegenüber dem Verursachten. Die analoge Relation drückt weder die absolute Differenz noch die absolute Einheit der beiden aus, sondern Differenz und Einheit in verschiedener Hinsicht: ens und causa sind eins, da causa einen Grund für die Existenz von ens darstellt, aber die Wesensverschiedenheit ihrer Entitäten macht eine Differenz zwischen den beiden aus. Indem Eckhart diese Perspektive durch den in der Formulierung „causa est in suis causatis“ enthaltenen Aspekt ergänzt, verleiht er der ganzen causa-essentialis-Theorie eine wesentlich neue, spekulative Dimension: Die Annahme, dass die Ursache in dem Verursachten gegeben ist, drückt die Wesensgleichheit der beiden aus. Obwohl die Ursache und das Verursachte voneinander durch ihren jeweiligen Daseins-Modus unterschieden sind, ist die Ursache in ihrem Verursachten vorhanden. Hier ist nun zu fragen, wie vollkommen dieses Vorhandensein der causa im causatum in einer solchen Beziehung zu sein vermag, denn im Fall der analogen Beziehung „stammt das Hervorgebrachte zwar vom Hervorbringenden ab, ist aber unter seinem Ursprung, nicht bei ihm. Ferner ist es ein anderes der Natur nach, und so ist es nicht der Ursprung selbst.“92 Die neue gedankliche Dimension, die durch die These „causa est in suis causatis“ in der Eckhart’schen causa-essentialis-Theorie eröffnet wird, tendiert dazu, die Ursache als eine solche zu denken, die in und bei dem Verursachten zu sein vermag. Da Eckhart die Relation des Subjekts zum Prädikat wie die Relation des Erleidenden zum Wirkenden denkt, ist er bestrebt, sowohl die semantische als auch die ontologische Ebene als gegenseitige Ergänzungen zu verstehen. Daher kann bei ihm nicht mehr von der Ontologie als „Umklammerung“ der Logik die Rede sein, sondern die Semantik selbst wird ontologisiert, indem die semantischen Elemente (Subjekt-Prädikat) in ontologischen Termini (causa-causatum) gedacht werden. Das Prädikat oder – wie es bei Eckhart charakterisiert wurde – das 91. Vgl. In Ioh. n. 5, LW III, S. 7, 4f.: „Ubi notandum quod in analogicis semper productum est inferius, minus, imperfectius et inaequale producenti.“ 92. In Ioh. n. 6, LW III, S. 7, 11–14: „Ubi tamen et hoc notandum quod, licet in analogicis productum sit descendens a producente, est tamen sub principio, non apud ipsum. Item fit aliud in natura, et sic non ipsum principium.“
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Wirkende ist im Subjekt oder Erleidenden vorhanden. Dieser Standpunkt setzt aber Folgendes voraus: Das Prädikat kann sogar als Ursache dem Subjekt als dem Verursachten nichts Extensionales hinzufügen, weil das Verursachte nur insofern das Verursachte ist, als in ihm seine Ursache vorhanden ist, und zwar gemäß der These „causa est in suis causatis“. Da das Verursacht-Sein darin besteht, dass im Verursachten (dem Subjekt) die Ursache (das Prädikat) ist, kann der Akt des Prädizierens eigentlich keine Hinzufügung mehr ausdrücken, weil im Subjekt als im Verursachten der Begriffsinhalt des Prädikats als der Ursache schon intensional gegeben ist. Das intensionale Bezugsverhältnis zwischen Subjekt und Prädikat, ausÂ� gedrückt durch den Vergleich causa-causatum (In Exod. n. 84), lässt T. SuarezNani außer Acht, wenn sie über die Sprachmodelle bei Eckhart urteilt: Da jedoch die Sprache dem Inhärenzmodell verhaftet ist (‚der Mensch ist gerecht‘), widerspricht die Eckhart’sche Konzeption diesem Modell, um die Idealität und die Reinheit der formalen, mit Gott identifizierten Qualitäten zu bewahren. Es folgt somit, dass in der Eckhart’schen Sicht der Satz ‚der Mensch ist gerecht (als solcher)‘ in Wahrheit bedeutet: ‚Die Gerechtigkeit ist (wird) Mensch‘. Mit anderen Worten: Das, was Subjekt war, wird zum Attribut, und das, was Attribut war, wird Subjekt.93
Suarez-Nani hat wohl Recht, wenn sie meint, in der Eckhart’schen Sicht bedeute der Satz „der Mensch ist gerecht“, dass die Gerechtigkeit eigentlich Mensch sei (werde). Als Grund dafür hebt sie die Vertauschbarkeit des Subjekts und Prädikats im Rahmen der Identitätstheorie hervor. Doch wie am Beispiel von albedo-album schon gezeigt wurde, handelt es sich im Eckhart’schen Sprachmodell nicht um die Vertauschbarkeit des Subjekts und Prädikats, sondern um das causa-causatumVerhältnis zwischen den beiden. Die Auffassung der Subjekt-Prädikat-Relation als causa-causatum setzt für Eckhart voraus, dass die Ursache (im ersten Beispielsatz ‚gerecht‘) im Verursachten (im ersten Beispielsatz ‚Mensch‘) intensional gegeben ist. Dieses intensionale Bezugsverhältnis gründet sich auf den Satz – causa (Prädikat) est in suis causatis (Subjekt) – und bildet den Grund für die Selbigkeit der Begriffsinhalte von Subjekt und Prädikat. Dies ermöglicht Eckhart auch zu sagen, dass die Gerechtigkeit Mensch sei. Dabei wird die intensionale Relation, die zwischen dem Subjekt und dem Prädikat auf der semantischen Ebene besteht,
93. T. Suarez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (Hrsg.), Eckardus theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozess gegen Meister Eckhart, Freiburg/Schweiz 1992, S. 31–96, hier S. 79.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
durch die Beschreibung mit ontologisierenden Termini (causa, causatum, effectus etc.) in der ontologischen Ebene verankert. In diesem Modell des Subjekt-Prädikat-Verhältnisses, das am Beispiel von albedo-album dargestellt wird, tendiert Eckhart offensichtlich dazu, die Prädikation intensional aufzufassen, indem er den durch das Prädikat ausgedrückten Inhalt und den durch das Subjekt ausgedrückten Inhalt in einem kausalen Verhältnis verstanden wissen will. Den Kern dieses kausalen Verhältnisses bildet auf semantischer Ebene der Standpunkt, dass ein konkretes Prädikat ein selbstständiges semantisches Element ist, das nicht das Subjekt bezeichnet, aber den Begriffsinhalt des Subjekts konnotiert und ihn konsignifiziert. Eine solche Prädizierung lässt sich eher im Rahmen der inhaerentia-Theorie denken.
3.2
Prädikation bei Meister Eckhart
Der mittelalterlichen Reflexion über das Verhältnis von Wort (verbum/vox), Begriff (conceptio) und Sache (res) liegt das boethianische Verständnis dieses Verhältnisses zugrunde, das auf Aristoteles’ De interpretatione zurückgeht. Danach meint ‚Wort‘ das gesprochene Sprachzeichen, ‚Begriff ‘ seinen Inhalt und ‚Sache‘ den Gegenstand bzw. Sachverhalt, auf den Bezug genommen wird. Nomina und Verben bezeichnen eine Sache, weil sie für diese Sache gesetzt sind (positione sigÂ� nificant). Sie sind Zeichen der gedanklichen Inhalte (animae passionum notae), wobei der Terminus ‚gedankliche Inhalte‘ für die lateinischen Ausdrücke intellectus, imagines und similitudines rerum steht.94 Auf der Grundlage dieses Verständnisses entsteht im Mittelalter das Problem, die Sprache im geistigen Erfassen der Wirklichkeit zu begründen. Die drei Elemente der Sprache, die die wichtigsten Bestandteile dieser Tradition bilden, werden in Eckharts Exoduskommentar folgenderweise thematisiert: … orationes sive propositiones respondent primo et per se non rebus, sed rerum conceptionibus; sunt enim voces signa et ‚notae earum quae sunt in anima passionum‘. Propter quod ipsam conceptionem notant et indicant et significant. Et idcirco etiam iudicantur esse verae vel falsae, compactae vel incompactae orationes sive propositiones non ex rebus sive ex entibus absolute, sed ex rerum et entium conceptionibus, quas significant primo et per se.95 94. Vgl. J. H. J. Schneider, Art. „Sprache“, in: HWbPh 9, Darmstadt 1995, Sp. 1454–1468, hier Sp.€1454. 95. In Exod. n. 55, LW II, S. 60, 6–12: „Aussagen oder Sätze entsprechen zuerst und aus sich nicht den Dingen, sondern den Begriffen von den Dingen; Worte sind nämlich Zeichen und ‚Merkmale der Gedanken (in der Seele).‘ Deshalb kennzeichnen sie den Begriff, zeigen ihn an
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Sprache und Metaphysik
Der Begriff terminus erscheint hier nicht. Stattdessen ist conceptio zu finden, was im Deutschen ebenfalls mit ‚Begriff ‘ wiedergegeben werden kann, jedoch einen anderen Aspekt als terminus hervorhebt. Conceptio bezeichnet das gedankliche Erfassen eines Inhalts, aber nicht seinen sprachlichen Ausdruck (vox). Beide werden also der Sache nach voneinander unterschieden. Terminus umfasst sowohl conceptio als auch vox. An dieser Stelle wird von Eckhart betont, dass der primäre Bezugspunkt eines Wortes nicht der Gegenstand, sondern ein Gedanke ist, und zwar der Begriff, den der Intellekt von einer Sache hat.96 Der Gegenstandsbezug ist demnach nicht unmittelbar, sondern mittelbar. Am Anfang des Prologus generalis gibt Eckhart eine Übersicht über 14 termini und deren jeweilige oppositio (LW I 150,1–151,1).97 Bei der folgenden Aufzählung dieser termini geht es Eckhart um ihre gegenseitige Zuordnung, um die Systematik ihrer Aufstellung und daher um die Beantwortung der Frage, warum er gerade diese Auswahl und Anordnung getroffen hat. Diese Intention der Systematisierung wird im Prologus generalis mit folgenden Worten wiedergegeben: „Opus autÂ� em primum, quia propositiones tenent mille et amplius, in tractatus quattuordecim distinguitur iuxta numerum terminorum, de quibus formantur propositiones.“98 und bezeichnen ihn. Deswegen werden auch Aussagen oder Sätze nicht aufgrund der Dinge oder des schlechthin Seienden als wahr oder falsch, zutreffend oder unzutreffend beurteilt, sondern auf Grund unserer Begriffe von den Dingen und dem Seienden, die erstere zuerst und aus sich heraus bezeichnen.“ 96. Der subtile Unterschied zwischen terminus und conceptio liegt darin, dass, wie M. P. Schirpenbach formuliert, mit conceptio „ein vorsprachliches Moment des Erkenntnisganges gemeint“ ist, „ein Gedanke, der gesprochene Sprache und Inhalt deutlich voneinander trennt“. Nach Schirpenbach leiten sich die Wahrheit und Falschheit der Aussagen aus unserer Erkenntnis der Gegenstände ab, nicht aus diesen Gegenständen selbst unmittelbar: „Damit wird kein unüberwindbarer Graben zwischen den Dingen an sich und unserer Erkenntnisweise bzw. die absolute Unerreichbarkeit des Dinges an sich behauptet, wohl aber eine Mittelbarkeit der sich in Sprache mitteilenden und kommunikablen Weltbetrachtung.“ M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 49. Über die Relationsmodelle zwischen der Sprache und der Wirklichkeit im Mittelalter. Vgl. auch J. Pinborg, Die Entwicklung der Sprachtheorie im Mittelalter, S. 30–45. 97. M. P. Schirpenbach vertritt die Auffassung, dass sich innerhalb dieses Textabschnitts „die grundlegende Struktur des Eckhart’schen Denkens“ zeigt und man daher von einem „hermeneutischen Schlüssel“ des ganzen Textes sprechen kann: „Gerade die bekundete Absicht Eckharts zur Systematisierung lässt darauf schließen, dass es sich um eine bewusste, umfassende, wenn auch nicht notwendig abschließende Auswahl der für sein Denken zentralen Begriffe handelt.“ Vgl. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 14. 98. Prol. gener. n. 3, LW I, 149, 6–8: „Weil das erste Werk aber tausend und mehr Thesen enthält, gliedert es sich nach der Zahl der Begriffe, über welche die Thesen aufgestellt werden, in vierzehn Abhandlungen.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Damit wird von Eckhart die Vorentscheidung sowohl hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung als auch hinsichtlich der durch die Betrachtungsperspektive bestimmten Methode getroffen. Die angekündigten 14 termini präsentiert Eckhart unter Zuordnung des jeweiligen oppositum in Form von Gegensatzpaaren: Sein und Seiendes (esse et ens) im Gegensatz zum Nichts (nihil); Einheit und das Eine (unitas et unum) im Gegensatz zum Vielen (multum); Wahrheit und das Wahre (veritas et verum) im Gegensatz zum Falschen (falsum); Gutheit und das Gute (bonitas et bonum) im Gegensatz zum Schlechten (malum); Liebe (amor et caritas) im Gegensatz zur Sünde (peccatum); das sittlich Gute, die Tugend und das Richtige im Sinne des richtig bzw. gerade Ausgerichteten (honestum, virtus et rectum) im Gegensatz zum sittlich Schlechten, Fehler-/Lasterhaften und Gekrümmten/Ungeraden (turpe, vitium et obliquum); das Ganze (totum) im Gegensatz zum Teil (pars); das Gemeinsame und Ununterschiedene (commune et indistinctum) im Gegensatz zum Eigenen und Unterschiedenen (proprium et distinctum); die Natur des Oberen (natura superioris) im Gegensatz zu der des Niederen (natura inferioris); das Erste (primum) im Gegensatz zum Letzten (novissimum); die Idee und der Begriff (idea et ratio) im Gegensatz zum Ungeformten und zur Abtrennung/Beraubung (informe et privatio); das, wodurch etwas ist (quo est), im Gegensatz zu dem, was etwas ist (quod est); Gott, das höchste Sein (deus summum esse) im Gegensatz zum Nichtsein (non esse); die Substanz (substantia) im Gegensatz zum Akzidens (accidens).99 Die Frage, die sich hier erhebt, lautet, ob Eckhart diese Termini als termini generales denkt? Diese Frage beantwortet M. P. Schirpenbach positiv, wenn er schreibt: „Eine explizite Klassifizierung der 14 Gegensatzpaare als termini generales liegt hier zwar nicht vor, doch erscheint diese Gleichsetzung aus dem Zusammenhang als zwingend.“100 Seine Meinung begründet er damit, dass es „wenig Sinn“ mache, „in den Prologen selbst zwei voneinander abweichende Ansätze zu
99. Vgl. Prol. gener. n. 3, LW I, S. 149,6–151,1. Über die Erhebung des Wortes ‚termini‘ zum Hauptthema des Opus tripartitum schreibt Schirpenbach: „Wenn Eckhart in der vorgestellten Aufzählung von termini, das heißt ‚Ausdrücken‘, spricht und nicht von rationes im Sinne von ‚Begriffen‘, dann legt dies die Vermutung nahe, dass es ihm zunächst um eine sprachlichÂ�gedankliche Erfassung der Wirklichkeit durch Grundworte geht, die keinen Anspruch auf eine systematische intensionale, wohl aber eine extensionale Vollständigkeit, also auch nicht definitorische Klarheit und streng univoke Begrifflichkeit erhebt und von daher nicht mit einer die ganze Wirklichkeit systematisch erfassenden und so in sich abgeschlossenen Kategorientafel verwechselt werden darf, sondern den Charakter einer Annäherung an eine durch diese Begriffe bezeichnete gemeinsame Wirklichkeit hat.“ M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung,€S. 17. 100. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 15f.
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vermuten.“101 Obwohl eine solche Annahme für die systematische Darstellung des Eckhart’schen Werkes fruchtbar scheint, spricht gegen sie eine andere Stelle aus dem Prologus generalis in opus tripartitum (LW I, S. 152, 8–12), wo Eckhart einige termini generales aufzählt und unter ihnen auch die sapientia erwähnt. Sapientia kommt jedoch in der Aufzählung der 14 von Schirpenbach als termini generales bezeichneten Termini gar nicht vor: Ad evidentiam igitur dicendorum tria sunt praemittenda. Primum est quod de terminis generalibus, puta esse, unitate, veritate, sapientia, bonitate et similibus nequaquam est imaginandum vel iudicandum secundum modum et naturam accidentium, quae accipiunt esse in subiecto et per subiectum et per ipsius transmutationem et sunt posteriora ipso et inhaerendo esse accipiunt.102
Aus dieser Stelle lässt sich schließen, dass Eckhart unter den termini generales einerseits die transzendentalen Bestimmungen (esse, unitas, veritas, bonitas) und andererseits die Termini, die die perfectiones spirituales (sapientia) bezeichnen, versteht. Am Anfang der Tabula prologorum in opus tripartitum formuliert er ein Kriterium, das seiner Ansicht nach die Identifizierung der termini generales ermöglicht. Dort heißt es: … aliter loquendum est et sentiendum de terminis generalibus, puta de esse, unitate, veritate, bonitate et si quae sint huiusmodi quae cum ente convertuntur, aliter autem de aliis quae citra ista sunt et contracta ad aliquod genus, speciem aut naturam entis.103
Somit erklärt Eckhart, dass die Vertauschbarkeit mit dem Seienden ein Kriterium für die Zugehörigkeit eines Terminus zu den termini generales sei. Für Eckhart lautet die erste und grundlegende Prämisse, dass man über die termini generales nicht nach der Seinsweise und Natur der Akzidentien urteilen darf. Die Akzidentien sind ihrer Seinsweise nach sekundär, weil sie ihr Sein in 101. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 16. 102. Prol. gener. n. 8, LW I, S. 152, 8–12: „Zum Verständnis der nachfolgenden Ausführungen ist also dreierlei vorauszuschicken. Das erste ist dies: Die Allgemeinbegriffe, zum Beispiel Sein, Einheit, Wahrheit, Weisheit, Güte und dergeichen darf man sich nicht vorstellen oder beurteilen nach der Seinsweise und Natur der Akzidentien. Denn diese empfangen ihr Sein in ihrem Träger und durch einen Träger und durch dessen Veränderung, sind also (ihrer Natur nach) später als er und empfangen ihr Sein als Sein an etwas.“ Vgl. auch Tab. prol. op. trip. n. 1, LW€129, 6. 103. Tab. Prol. op. trip. n. 1, LW I, S. 129, 5–8: „… man muß anders reden und denken von den Allgemeinbegriffen, nämlich Sein, Einheit, Wahrheit, Güte und was es etwa sonst noch an derartigen mit dem Seienden vertauschbaren Begriffen gibt, anders aber von den anderen Begriffen, die unter diesen und auf eine Gattung, Art oder Natur des Seienden eingeschränkt sind.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
ihrem Träger empfangen. Dies kann aber von den termini generales nicht gesagt werden. Die termini generales drücken den allgemeinen Inhalt aus, der auf das Subjekt durch den Prädikationsakt bezogen wird. Im Prologus in opus propositionum liefert Eckhart eine Untersuchung des propositionalen Kontexts, indem er zwei Strukturen der Prädikation unterscheidet. Er übernimmt die dem Mittelalter geläufige Unterscheidung zwischen Inhärenz und Identität, nutzt diese jedoch nicht als eine bloß logische Distinktion, sondern legt Wert auch auf den konnotativen Aspekt der im Satz verwendeten Termini. Dies wird dadurch ausgedrückt, dass er die Sprache, die wir im Hinblick auf die Allgemeinbegriffe in ihrer Vollkommenheit (und damit auf Gott) benutzen, von der Sprache, mit der wir über die Alltagserscheinungen sprechen, unterscheidet: … aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc. Similiter autem de esse absolute et simpliciter nullo addito, et aliter de esse huius. Similiter etiam de aliis, puta de bono absolute et aliter de bono hoc et hoc aut de bono huius et bono huic. Cum igitur dico aliquid esse, aut unum, verum seu bonum praedico, et in praedicato cadunt tamquam secundum adiacens praemissa quattuor et formaliter accipiuntur et substantive. Cum vero dico aliquid esse hoc, puta lapidem, et esse unum lapidem, verum lapidem aut bonum hoc, scilicet lapidem, praemissa quattuor accipiuntur ut tertium adiacens propositionis nec sunt praedicata, sed copula vel adiacens praedicati.104
Von Eckhart wird hier der semantische Aspekt der Wörter esse, unum, verum und bonum hervorgehoben. Besonders bemerkenswert ist der Gedanke, dass, wenn von etwas aussagt wird, es sei oder es sei eines, wahr und gut, diese vier Bestimmungen zweites Satzglied der Satzaussage sind und in ihrem eigentlichen Sinne und als Hauptwörter genommen werden.105 Dies bedeutet, dass die Transzendentalien, sofern sie in einem Satz an der Stelle des Prädikates stehen, in ihrem eigentlichen Sinne als Hauptwörter genommen werden. In der Aussage „deus est 104. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 166,12–167,8: „… man muß anders urteilen über das Seiende (als solches) als über dies und jenes Seiende. Desgleichen anders über das Sein an sich und schlechthin ohne nähere Bestimmung als über das Sein dieses oder jenes (Seienden). Dasselbe gilt von den übrigen allgemeinsten Bestimmungen. Man muß zum Beispiel über das Gute an sich anders urteilen als über dieses und jenes Gute oder das, was diesem da oder für dieses da gut ist. Wenn ich also von etwas aussage, daß es ist oder daß es eines, wahr oder gut ist, so sind diese vier Bestimmungen als zweites Satzglied Satzaussage und werden in ihrem eigentlichen Sinne und als Hauptwörter genommen. Sage ich aber: etwas ist dieses, etwa der Stein da, es ist ein Stein, ein wahrer Stein, oder dieses Gute, nämlich der Stein da, dann bilden diese vier Bestimmungen das dritte Glied des Satzes und sind nicht das (eigentlich) Ausgesagte, sondern entweder Kopula oder nähere Bestimmung zum Ausgesagten.“ 105. Vgl. ibid.
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unum“ oder „deus est esse“ wird mithin das Prädikat unum bzw. esse nicht als etwas Sekundäres, sondern als etwas genauso Bedeutungsvolles betrachtet wie das in der Position des Subjekts stehende Hauptwort (in diesem Beispiel deus). Die Unterscheidung der beiden Prädikationsweisen der termini generales lässt darauf schließen, dass nach Eckharts Ansicht Aussagen aus dem genuinen Bereich der Metaphysik nicht in Form einer gewöhnlichen Subjekt-Prädikat-Aussage aufgestellt werden können. Sie verlangen vielmehr eine eigene Deutung, die sich auf die konnotierenden semantischen Aspekte der termini generales gründet.106 Schirpenbach ist der Auffassung, dass Eckharts Unterscheidung zwischen dem eigentlichen und dem uneigentlichen Gebrauch der termini generales (Prol. in op. prop. n. 3) der Sache nach mit einer Distinktion übereinstimmt, die in der terministischen Logik Anwendung findet.107 In der letzteren wird unterschieden zwischen kategoremata, d.€h. Subjekt- und Prädikatausdrücken als selbstständigen Bedeutungsträgern, und synkategoremata, d.€h. unselbstständigen, nur in Verbindung mit anderen Wörtern bedeutungsvollen Satzelementen, wie z. B. Kopula oder Konjunktionen. Termini generales als Termini im eigentlichen Sinne werden kategorematisch gebraucht. Dabei heißt ein Wort mit eigenständiger Bedeutung€– es kann sich auch um eine Wortgruppe handeln – nur dann ‚Terminus‘, wenn es im Satz an der Subjekt- oder Prädikatstelle stehen kann. Synkategoremata sind Wörter, welche nicht als Namen gebraucht werden, sondern nur als Wörter, von denen nichts bejaht oder verneint werden kann. Dagegen sind kategorematisch allein diejenigen Wörter, die vollständige Begriffe bezeichnen. Es handelt sich um Ausdrücke, die für sich eine eigene Bedeutung haben und die Haupttermini im
106. Über die doppelte Prädikationsweise, die für Eckhart im Zusammenhang mit den termini generales steht, bemerkt M. P. Schirpenbach (Wirklichkeit als Beziehung, S. 32) Folgendes: „Auf den ersten Blick erscheinen die Sätze, in denen die termini generales formaliter verwendet werden, indeterminierte Aussagen zu sein, während sie in ihrem uneigentlichen Gebrauch zur Bildung determinierender Sätze dienen.“ B. McGinn sieht den Kern der Eckhart’schen Differenzierung in dem Unterschied zwischen unbegrenzter und begrenzter Aussage („unlimited and limited predication“). Aussagen der ersten Gruppe („two-term propositions“) implizieren einen unbegrenzten Hervorgang des Ausgesagten, seine absolute Fülle und damit seine negatio negationis. Von daher können transzendentale Begriffe im eigentlichen Sinne nur Gott zugesprochen werden (vgl. B. McGinn, Meister Eckhart on God as Absolute Unity, in: D. O’Meara, Neoplatonism and Christian Thought, NY/Albany 1982, S. 128–139, hier S. 131); F. Brunner fasst die erste Prädikationsweise als diejenige auf, in der das Prädikat eine transzendentale Bestimmung darstellt, die zweite als diejenige, in der es eine „détermination spécifique“, d.€h. eine sachliche Bestimmung, bildet. Im ersten Fall bezeichnet das Prädikat Gott, im zweiten ein Geschöpf (vgl. F. Brunner, Foi et raison chez Maître Eckhart, in: J. Moreau, Permanence de la philosophie, Neuchâtel 1977, S. 196–207, hier S. 197). 107. Vgl. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 47.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Satz darstellen. Synkategorematische Ausdrücke haben als Nebentermini nur einen Sinn in Verbindung mit einem Hauptterminus.108 Daher gilt, dass nicht jedes Wort ein Terminus ist, sondern nur dasjenige, das als Subjekt oder Prädikatsterm, d.€h. als kategorematischer Ausdruck, im Satz vorkommen kann. Bei der Analyse des Satzes „unum est negatio negationis“ ist zunächst zu fragen, ob Eckhart hier negatio negationis als einen kategorematischen, vollständigen Ausdruck, d.€h. als Terminus, verstanden wissen will oder ob er negatio negationis als ein Synkategorema auffasst, von dem nichts bejaht oder verneint werden kann. Des weiteren stellt sich die Frage nach dem Gebrauch dieses Ausdrucks: Verwendet er negatio negationis – ähnlich den termini generales – als eigentliches wie auch als uneigentliches Prädikat? Der Satz „unum est negatio negationis“ weist folgendes Charakteristikum auf: Es werden zwei Satzglieder – Subjekt und Prädikat – mittels der Kopula ‚est‘ aufeinander bezogen. Dadurch entsteht die Definition von ‚unum‘, die als allgemeingültig aufgefasst wird. Allgemeingültigkeit bedeutet, dass in dieser Aussage die Bedeutung von ‚est‘ sowohl die Bedeutung von ‚erit‘ als auch die von ‚fuit‘ impliziert und deshalb dem Inhalt des Satzes für die Allzeit Geltung verleiht. Ein solcher Allgemeingültigkeitsstatus von ‚est‘ weist darauf hin, dass Eckhart jeden Ausdruck, den er untersucht, in einem starken und absoluten Sinn verstanden wissen möchte und nicht innerhalb einer kontextbedingten Relativierung.109 Der zu untersuchende Satz ist affirmativ und stellt eine prädikative Aussage dar, die verwendet wird, um etwas von etwas zu affirmieren. Es handelt sich also um einen logos kataphantikos im aristotelischen Sinne und nicht um einen logos apophantikos, d.€h. eine prädikative Aussage, in der etwas von etwas verneint wird.110 Im Eckhart’schen Satz wird ja das Prädikat (negatio negationis) mit dem Subjekt (unum) affirmativ verbunden und ihm nicht abgesprochen. Für die Analyse der Aussage „unum est negatio negationis“ spielt neben der formalen, syntaktisch-logischen Konstruktion auch der inhaltliche Aspekt der beiden Begriffe eine Rolle, die als Termini in diesem Satz an der Stelle des Subjekts und des Prädikats vorkommen. ‚Unum‘ ist ein konnotativer Begriff, weil es die carentia divisionis konnotiert, und zwar nicht aufgrund der grammatischen Bedeutung, sondern aufgrund des Prinzips der Bedeutungsgebung.
108. Vgl. „Synkategoremata“, in: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, hrsg. von R. Eisler/ K. Roretz, Berlin 1930, S. 199. 109. Vgl. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 33. 110. Zur Unterscheidung zwischen logos kataphantikos und logos apophantikos bei Aristoteles siehe L. M. de Rijk, Logos and Pragma in Plato and Aristotle, S. 27–61.
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Problematisch erscheint der Inhalt des Prädikats. Es ist hier durch die doppelte Negation wiedergegeben. Die Verneinung an sich ist als Operation anzusehÂ� en, die auf einen Satz angewendet wird. Die Anwendung der Verneinung setzt immer die Annahme voraus, dass der ursprüngliche Satz falsch ist.111 Daraus folgt, dass die Negation sich auf den propositionalen Gehalt bezieht, d.€h. zum Gedanken gehört, und das Verneinen nicht eine eigene Art von negativer behauptender Kraft ist. Wenn wir einen Satz negieren, negieren wir also nicht seine Bejahung, sondern wir bejahen seine Negation.112 Die Verneinung eines Gedankens ist aber selber ein Gedanke und kann wieder zur Ergänzung der Verneinung dienen. „Indem ich die Verneinung des Gedankens zur Ergänzung der Verneinung gebrauche, erhalte ich die Verneinung der Verneinung des Gedankens“, heißt es in den sprachanalytischen Untersuchungen von G. Frege.113 Frege meint, aus der BetÂ� rachtung des Gesetzes der duplex negatio lasse sich schließen, dass das Verneinen keine trennende, auflösende Wirkung hat: Die Verneinung eines Gedankens ist also selber ein Gedanke und kann wieder zur Ergänzung der Verneinung dienen. Das Ergebnis dieser Ergänzung ist … ein Gedanke. Den gemeinsamen ergänzungsbedürftigen Bestandteil kann man doppelte Verneinung nennen. Dieses Beispiel zeigt, wie ein Ergänzungsbedürftiges mit einem Ergänzungsbedürftigen zu einem Ergänzungsbedürftigen verschmelzen kann.114
Dieses „Verschmelzen“ stellt schon einen sonderbaren Fall dar, weil hier etwas, und zwar die Verneinung von …, mit sich selbst verschmilzt. Dadurch ändert sich der Wahrheitswert des Gedankens auch nicht, weil von den beiden Gedanken – A und der Verneinung der Verneinung von A – entweder jeder oder keiner wahr ist. Der Satz „unum est negatio negationis“ ist von diesen sprachanalytischen Ansätzen her zu denken. Allerdings ist hier auch folgender Aspekt hervorzuheben: Der Satz drückt nicht die Verneinung der Verneinung von ‚unum‘ aus (¬ ¬ A = A), sondern besagt, dass das unum an sich als eine Verneinung der Verneinung zu denken ist. Damit wird die Verneinung nicht als eine Operation angesehen, die auf einen Satz angewendet wird mit dem Ergebnis, dass nun behauptet wird, dass 111. Vgl. E. Tugendhat/U. Wolf, Logisch-semantische Propädeutik, Stuttgart 1983, S. 212. 112. Siehe dazu G. Frege, Logische Untersuchungen, hrsg. und eingel. von G. Patzig, 5. Auflage, Göttingen 2003; vgl. auch O. Langer, Sich lâzen, sîn selbes vernihten. Negation und >IchTheorie< bei Meister Eckhart, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (Hrsg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 317–346. 113. G. Frege, Logische Untersuchungen, S. 80. 114. G. Frege, Logische Untersuchungen, S. 82.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
der ursprüngliche Satz falsch sei, sondern als ein Prädikat, welches vom Subjekt des Satzes prädiziert wird und daher ein Kategorema oder einen vollständigen Begriff darstellt. Nur ein Begriff mit einer vollständigen Bedeutung, der im Satz an der Stelle des Subjekts oder Prädikats stehen kann, heißt Terminus. Daher wird negatio negationis von Eckhart in diesem Satz nicht als ein logisch-grammatischer Operator angesehen. Negatio negationis als Operator wäre als ein Synkategorema bzw. ein Wort mit einer unvollständigen Bedeutung zu denken, weil von einem Operator im Satz, der selbst eine Operation ausdrückt, weder etwas verneint noch etwas bejaht werden kann. Im Prologus in opus propositionum findet sich jedoch eine andere Art der Anwendung von negatio negationis: Praeterea, sicut supra tactum est, enti sive de ente nihil negari potest sive nullum esse negari potest, sed competit ipsi negatio negationis esse. Ita uni nihil unum sive nulla unitas negari potest nisi negatio negationis unitatis aut unius; similiter de vero et bono.115
Die Voraussetzung dieser Darlegung bildet die Annahme, dass vom Seinenden kein Sein verneint werden kann. Dem Seienden kommt vielmehr die Verneinung der Verneinung des Seins zu, wie dem Einen die Verneinung der Verneinung der Einheit bzw. des Einen zukommt. Genauso verhält es sich mit dem Wahren und Guten. Das Seiende, Eine, Wahre und Gute sind die termini generales und bilden die Transzendentalien. Das Seiende attribuiert Eckhart Gott unter Berufung auf Dionysius. Er versucht, alle termini generales als Gottesnamen einzusetzen, so dass die Priorität innerhalb dieser Namen im Prologus in opus propositionum allein dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie in einer gewissen Rangfolge aufgelistet werden. Eckhart sagt eindeutig, von den termini generales könne nicht das verneint werden, dessen Verallgemeinerung diese Termini begründe. Vielmehr kann ihnen die Verneinung der Verneinung des Seins, des Einen, des Wahren oder des Guten zukommen. Negatio negationis gehört in dieser Satzstruktur zum Prädikat, ist aber nicht das Prädikat selbst. Sie ist kein Wort mit einer vollständigen Bedeutung mehr, kein Kategorema, sondern sagt nur aus, dass S nicht nicht€P ist. W. Goris meint, dass die negatio negationis, die er zunächst als ein Prädikat der Definition des Einen betrachtet, hier als „Operator der Attribution“ verwendet wird. Eine Vielfalt von Verwirklichungen einer Vollkommenheit schließe eine 115. Prol. op. prop. n. 12, LW I, 172, 6–9: „Überdies, wie oben berührt, kann dem oder vom SeienÂ�den nichts oder kein Sein verneint werden, ihm kommt vielmehr die Verneinung der Verneinung des Seins zu. So kann dem Einen nichts Eines oder keine Einheit abgesprochen werden, es sei denn durch die Verneinung der Verneinung der Einheit oder des Einen. Geichermaßen beim Wahren und Guten.“
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Negation ein, die selbst wieder negiert werden müsse, damit der Grund der Vielheit angesprochen werden könne, von dem her alles an dieser Vollkommenheit teilhabe.116 Aus dem Gesagten lässt sich Folgendes schließen: In einem Satz kann negatio negationis in zwei Funktionen auftreten: einerseits als Prädikat, d.€h. als ein Wort mit einer vollkommenen Bedeutung (Kategorema), und andererseits als Operator, d.€h. als ein Wort ohne vollkommene Bedeutung (Synkategorema). Im ersten Fall kann man von der negatio negationis als einem Terminus sprechen. Im zweiten Fall stellt negatio negationis keinen Terminus dar, weil Terminus ein syntaktischer Begriff ist: Ein Begriff heißt nur dann Terminus, wenn er im Satz an der Subjekt- oder Prädikatstelle stehen kann. In der Bezogenheit auf das Seiende, Eine, Wahre und Gute wird aber negatio negationis als Operator nicht kategorematisch, sondern synkategorematisch gebraucht und steht mit dem Hauptwort in Verbindung (hier negatio negationis entis, negatio negationis unius, negatio negationis veri, negatio negationis boni etc.). Diese zwei logisch-syntaktischen Aspekte von negatio negationis müssen unterschieden werden, wenn man über die Verneinung der Verneinung als philosophisch-theologischen Terminus sprechen will. Als ein philosophischer Terminus kann negatio negationis in einem Satz nur als Prädikat auftreten. Nur in diesem Fall kann die Frage nach der Art der Prädikation, die im Satz „Unum est negatio negationis“ ausgedrückt wird, gestellt werden: Welche Art der Prädikationstheorie liegt dem Verständnis dieser Definition Eckharts zugrunde? Muss sie gemäß der inhaerentia-Theorie oder der Identitätstheorie verstanden werden? Mit anderen Worten: Ist in diesem Satz negatio negationis intensional, als Prädikat, das in einer beharrenden Identität gegenüber dem Subjekt steht und dessen Inhalt sich im Subjekt als Form findet, aufzufassen, oder ist negatio negationis extensional, als ein Prädikat, das ebenso wie das Subjekt als Name für ein Denotat verwendet wird, zu verstehen? In kantischen Termini formuliert würde diese Frage folgendermaßen lauten: Ist der Satz „unum est negatio negationis“ als ein analytisches oder als ein synthetisches Urteil zu denken? Ist dieser Satz für Eckhart notwendig wahr, oder kann er auch falsch sein? Die hier aufgeworfenen Fragen sind in den nächsten Kapiteln zu beantÂ� worten.
116. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 73f.
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Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Negation und Gotteserkenntnis bei Pseudo-Dionysius Areopagita
Im 1. Kapitel von De mystica theologia weist Ps. Dionysius auf die Unterscheidung zwischen Affirmationen und Negationen als Ausgangspunkt für zwei Arten der Theologie hin: In Bezug auf Gott muss man sowohl alle Eigenschaften bejahen als ihm auch all diese Eigenschaften absprechen. Die positiven Aussagen denominieren ihn als Ursache von allem, während mittels der Verneinungen versucht man, seinem jenseitigen, transzendentalen Charakter gerecht zu werden. Die leitende Frage dieser Schrift bildet nach der Lobpreisung Gottes die Frage nach den verschiedenen Weisen der Gotteserkenntnis. Es geht in De mystica theologia darum, wie man sich dem Göttlichen durch Negationen annähern kann. Aus dem Unterschied zwischen Bejahung und Verneinung werden von Dionysius im 2. Kapitel des Textes folgende Anweisungen zur Benennung Gottes entwickelt: Bei den Bejahungen nimmt man den Ausgang von den ursprünglichsten Seinsformen und steigt über die mittleren bis zu den niedersten herab. Anders verhält es sich mit den Verneinungen, bei denen man von den niedersten Seinsformen zu den ursprünglichsten aufsteigen soll. So wird der Bezug zwischen den Affirmationen und Negationen einerseits und der ab- und aufsteigenden Bewegung andererseits hergestellt, den Dionsysius in De mystica theologia als ein Klassifikationsprinzip für seine Schriften verwendet.117 Klassifikationsprinzip meint hier, dass die Figur der absteigenden und aufsteigenden Bewegung als Grundlage dieser Einteilung fungiert.118 Dabei betrifft die Opposition zwischen der Verneinung und Bejahung nicht den Gehalt der Aussagen, sondern ihre Anordnung, und zwar die Richtung (auf- bzw. absteigend), an die man sich beim jeweiligen Vorgehen halten muss. Die Schriften De theologicis hypotyposibus, De divinis nominibus und De symbolica theologia beschreiben die absteigende Bewegung von der göttlichen Transzendenz bis zur sinnlichen Welt: Die absteigende Bewegung beginnt mit den in der Hl. Schrift enthaltenen Namen, dann geht die Darlegung zu den intelligiblen Namen über, und schließlich wird die unterste Ebene, die der Sinnlichkeit, erreicht. Diese absteigende Bewegung ist eine Bewegung vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Abstrakten zum Konkreten. Zufolge der Interpretation von G. Zedania, die auf den 1. und 2. Kapiteln von De mystica theologia gründet, spiegeln in diesem Paradigma die affirmative 117. Diese Klassifikation findet im 3. Kapitel von De mystica theologia statt. Vgl. Ps.-Dionysius Areopagita, De mystica theologia, Kap. 3, 1032 D-1033 D in: Corpus Dionysiacum II, hrsg. von G. Heil/A. M. Ritter, (Patristische Texte und Studien 36) Berlin/NY 1991, S. 146f. 118. Vgl. G. Zedania, Von Einheit zu Pluralität. Nikolaus von Kues als Interpret der Schriften des Dionysius Pseudo-Areopagita, Saarbrücken 2009, S. 22.
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und die symbolische Theologie die Deszendenz vom transzendenten Gott zu den sinnlichen Symbolen wider, die negative Theologie wiederum initiiert den Aufstieg zurück zur unaussprechbaren Gottheit.119 Die Funktion der symbolischen Theologie besteht in Herausarbeitung der Regeln, welche die Anwendung der aus der sinnlichen Welt genommenen Symbole auf Gott und die himmlischen Wesen zulassen. Daher ist die symbolische Theologie im Zusammenhang mit der biblischen Exegese besonders relevant, denn ihre Aufgabe ist dadurch bestimmt, verschiedene Symbole in der Bibel zu erklären.120 Gemäß dem dionysischen Verständnis müssen Symbole zugleich offenbaren und verbergen. Dies impliziert eine esoterische Auffassung des Wissens.121 Die symbolische Theologie meint aber keine Identifizierung Gottes mit den Symbolen. Dionysius verstent Gott als transzendent gegenüber allen materiellen Symbolen. Deswegen muss jedes Bild, bevor es auf Gott übertragen wird, gereinigt werden. Diese Reinigung meint, neben der Ähnlichkeit auch die Unähnlichkeit des Bildes in Bezug auf das Göttliche offensichtlich zu machen. Diese doppelte
119. Vgl. G. Zedania, Von Einheit zu Pluralität. Nikolaus von Kues als Interpret der Schriften des Dionysius Pseudo-Areopagita, S. 23. Zedanias Auslegung nimmt eine kritische Stellung gegenüber der von I. P. Sheldon-Williams, der während seiner Interpretation die 1. und 2. Kapiteln von De mystica theologia außer Acht lässt. Vgl. ibid.: „Sheldon-Williams zufolge entspricht die symbolische Theologie dem Moment des Hervorgangs des Göttlichen (prodos), die affirmative dem Moment der Rückkehr (epistrophé) und die mystische dem Moment des Verharrens (moné). Daß diese Auslegung nicht ganz adäquat sein kann, zeigt deren Gegenüberstellung mit der oben analysierten Passage aus De mystica theologia, welche die symbolische Theologie unmißverständlich im Kontext des Abstiegs vom Göttlichen darstellt. Aber Sheldon-Williams verweist auf andere Stellen aus dem Corpus, die sein Insistieren auf der aufsteigenden Rolle der symbolischen Theologie rechtfertigen.“ Vgl. auch I. P. Sheldon-Williams, The PseudoÂ�Dionysius, in: A. H. Armstrong (Hrsg.), Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, Cambridge 1979, S. 461–467. 120. Die Auslegung von verschiedenen Symbolen in der Bibel erklärt Chr. Schäfer aus folgendem Absicht von Ps. Dionysius: „In naming God with Biblical theonyms, the author of DN does exactly the same thing that Paul’s preaching clamed to do: reveal the Name(s) of the ‚unknown God.‘ Scriptural revelation confers theonyms to the anonymous Divinity of Classical thought. Put simply, Dionysius wants us to understand that Greek philosophy was on the correct path in its understanding of the Divine, but it obviously needed the eye-opening ‚superaddition‘ or ‚grace‘ (if these are the right words) of Christian revelation in order to be released from its ultimate speechlessness and residual insecurity concerning the last Cause… .“ Chr. Schäfer, The philosophy of Dionysius the Areopagite. An introduction to the Structure and the content of the threatise on the Divine Names, Leiden/Boston 2006, S. 25. 121. Über die esoterische Auffassung des Wissens bei Ps. Dionysius vgl. G. Zedania, Von Einheit zu Pluralität. Nikolaus von Kues als Interpret der Schriften des Dionysius Pseudo-Areopagita, S. 23–24.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Aufgabe der symbolischen Theologie bestimmt auch deren zwei Arten: Die eine nimmt ihren Weg über die ähnlichen, die andere über die unähnlichen Bilder. Der Unterschied zwischen ähnlichen und unähnlichen Symbolen ist analog dem Unterschied zwischen affirmativer und negativer Theologie.122 Diese Analogie weist vor allem auf ein grundlegendes methodisches Prinzip hin, das auf den Vorrang der negativen Theologie vor der affirmativen hinausläuft und von Dionysius in De coelesti hierarchia auf folgende Weise formuliert wird: Wenn es nun zutrifft, daß die Negationen bei den göttlichen Dingen wahr, die positiven Aussagen hingegen der Verborgenheit der unaussprechlichen Geheimnisse unangemessen sind, dann folgt, daß bei den unsichtbaren Gegenständen die Darstellung durch Ausdrucksformen ohne jede Analogie eher die passendere ist.123
Im Unterschied zur symbolischen versucht die affirmative Theologie, dem Göttlichen auf begriffliche Art und Weise näherzukommen, indem sie dem Göttlichen die intelligiblen Namen zuschreibt, die den Kreaturen zukommen: das Gute, das Sein, das Leben, die Weisheit etc. Im Rahmen der affirmativen Theologie werden diese Namen vom Göttlichen als der Ursache von Seienden prädiziert. Das KausaÂ� litätsprinzip ist bestimmend für dieses theologische Verfahren, das besagt: Die menschliche Vernunft kennt Gott nicht aus seiner eigenen Natur heraus, da diese jeden Intellekt übersteigt, sondern von der Ordnung der Seienden her, die aus Gott herausprojiziert wurde. Diese Ordnung enthält Abbilder ihres Ursprungs, d.€h. Gottes. Durch die Erkenntnis dieser Abbilder vermag der endliche Intellekt zu diesem Ursprung aufzusteigen: „Alles Göttliche, auch jenes, was uns geoffenbart wird, läßt sich nur aus Partizipationen erkennen.“124 Die affirmative Theologie steht vor derselben Schwierigkeit wie diejenige Art der symbolischen Theologie, die sich der ähnlichen Bilder bedient: Weder ein
122. Vgl. G. Zedania, Von Einheit zu Pluralität. Nikolaus von Kues als Interpret der Schriften des Dionysius Pseudo-Areopagita, S. 25. 123. Pseudo-Dionysius Areopagita, De coelesti hierarchia II, 2.3.4, 141 A, in: Corpus Dionysiacum II, hrsg. von G. Heil/A. M. Ritter, Berlin/NY 1991, S. 12f., 20–23: „Τιμῶσι τοιγαροῦν, οὐκ αἴσχους ἀποπληροῦσι τὰς οὐρανίας διακοσμήσεις αἱ τῶν λογίων ἱερογραφίαι ταῖς ἀνομοίοις αὐτὰς μορφοποιίαις ἐκφαίνουσαι καὶ διὰ τούτων ἀποδεικνῦσαι τῶν ὑλικῶν ἁπαντων ὑπερκοσμίως ἐκβεβηκυίας.“ 124. Pseudo-Dionysius Areopagita, De divinis nominibus II 7, in: Corpus Dionysiacum I, hrsg. von B. R. Suchla, Berlin/NY 1990, S. 131, 5f.
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Sprache und Metaphysik
Begriff noch ein Bild kann das Unendliche erreichen. Daher fordert die affirmative Theologie als Korrektiv die negative Theologie.125 Im 7. Kapitel von De divinis nominibus vertritt Dionysius die Auffassung, dass aus den positiven Aussagen über Gott, die aufgrund des Prinzips der Teilhabe und Analogie möglich sind, und den negativen Aussagen, die die göttliche Unerkennbarkeit wahren wollen, sich eine Antithetik entwickeln lässt.126 Im Abschnitt 7,3 872 A wird nämlich die Frage nach der doppelten Gotteserkenntnis wie folgt behandelt: Gott wird aufgrund des Prinzips der Teilhabe und der Analogie nur deswegen erfasst, weil zwischen Gott und den Dingen eine Beziehung besteht, die eine relative Erkenntnis ermöglicht. Aber zugleich behauptet Dionysius dort, dass Gottes Wesen unerforschlich bleibt: Gott sei über jeden Namen hinausgerückt, er sei ἀνώνυμος.127 Es ist also ein Wissen und Nichtwissen, woraus sich die Möglichkeit der Antithetik erklärt. In diesem Zusammenhang lässt sich fragen, wie eigentlich die Negation bei Dionysius verstanden werden soll? In Epistula I hebt er hervor,128 dass die das Göttliche betreffenden Negationen nicht im Sinne von Privationen zu verstehen seien. Versteht man in Bezug auf Gott das Fehlen eines Attributs als Privation, als Beraubung des habituellen Seins, so impliziert dies in der Tat die Unvollkommenheit des göttlichen Wesens. In De divinis nominibus präzisiert Dionysius den Begriffsinhalt der Privation primär im Zusammenhang mit den ethischen Kategorien:
125. Über die „korriegierende“ Funktion der negativen Theologie vgl. G. Zedania, Von Einheit zu Pluralität. Nikolaus von Kues als Interpret der Schriften des Dionysius Pseudo-Areopagita, S. 26. 126. Mehr zu dieser Frage bei W. Völker, Kontemplation und Ekstase bei Pseudo-Dionysius Areopagita, Wiesbaden 1958. 127. Über die Namenskonzeption bei Dionysius vgl. Chr. Schäfer, The Philosophy of Dionysius the Areopagite. An introduction to the structure and the content of the treatise on the Divine Names, S. 73: „Dionysius has a different concept of ‚name‘ than most (pagan) Platonists of his time. … In Neoplatonic theology since the times of Iamblichus, the ‚names‘ were used for theurgical purposes, which is also found in Proclus (cf. van den Berg 2002, 101–106). Dionysius wants to avoid all such theurgical implications in his treatise. Knowing the names of God does not mean that we magically exercise control over God. The Names help us to approach God, but they do not drag Got toward us. As Dionysius states in the introductory chapter 3 of DN: ‚picture ourselves aboard a boat. There are hawsers joining it to some rock. We take hold of them and pull them, and it is as if we were dragging the rock to us when in fact we are hauling ourselves and our boat toward that rock‘ (DN 680 C).“ 128. Pseudo-Dionysius Areopagita, Epistula I, 1065 A, in: Corpus Dionysiacum II, hrsg. von G.€Heil/A. M. Ritter, Berlin/NY 1991, S. 156, 5.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Die Privation kämpft aus eigener Kraft gegen das Gute. Denn die unbeschränkte Privation ist völlig kraftlos, die teilweise vorhandene dagegen besitzt keine Kraft, sofern sie Privation ist, sondern nur, sofern sie eben keine unbeschränkte Privation ist. Wenn allerdings die Privation des Guten nur eine teilweise vorhandene ist, dann ist das noch nicht böse, wenn sie hingegen unbeschränkt geworden ist, dann ist vielmehr auch die Natur des Bösen verschwunden.129
Aber hier muss auch berücksichtigt werden, dass im 4. Kapitel von De divinis nominibus das Gute zu einem ersten und allergeeigneten Namen Gottes erklärt wird. Dadurch lässt sich der Privationsbegriff des Areopagiten auch gemäß der neuplatonischen Tradition verstehen.130 Um den Gedanken der Unvollkommenheit Gottes zu vermeiden (Gott ist vollkommen, und ihm kann kein Attribut fehlen), den ‚Privation‘ impliziert, unterscheidet Dionysius zwischen zwei Weisen des Prädizierens: Ein und dasselbe Prädikat (z. B. Vernunftlosigkeit) werde einem Tier anders zugeschrieben als Gott. Ersterem komme dieses Prädikat im Sinne des Fehlens, der Privation, zu, Gott hingegen so, dass seine Überlegenheit gegenüber menschlichem Sprechen und Denken zum Vorschein komme.131 In Bezug auf das Göttliche seien die Negationen in diesem Sinne des Übersteigens (via eminentia) gemeint.132 Dies bedeutet, dass Gott ein Prädikat nicht einfach zugesprochen wird, um es danach von ihm zu verneinen, sondern die Andersheit Gottes wird in der Prädikation durch das Präfix hyper- zum Ausdruck gebracht. 129. Pseudo-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes, 729 C, eingel. u. übers. von B. R. Suchla, Stuttgart 1988, S. 64. Vgl: „Ἡ στέρησις κατὰ δύναμιν οἰκείαν μάχεται τῷ ἀγαθῷ. Ἡ γὰρ παντελὴς στέρησις καθόλου ἀδύναμος, ἡ δὲ μερικὴ οὐ, καθ᾽ ὃ οὐ παντελής, ἔχει τὴν δύναμιν, ἀλλὰ καθ᾽ ὃ οὐ παντελής ἐστι στέρησις. Στερήσεως γὰρ τοῦ ἀγαθοῦ μερικῆς οὔσης οὔπω κακόν, καὶ γενομένης καὶ ἡ τοῦ κακοῦ φύσις ἀπελήλυθεν.“ De divinis nominibus, in: Corpus Dionysiacum I, 729C, S. 175. 130. Die Tatsache, dass Dionysius die Begriffe ‚das Gute‘ und ‚Gott‘ als Synonyme betrachtet, erklärt Chr. Schäfer als Fortgang zu einer neuen ontologischen Ordnung: „By introducing the ‚Good‘ as God’s first and most ‚accessible‘ Name in chapter 4 of DN, Dionysius presents a new order of ‚phases‘ in the ontological development to the reader. There is no way of beginning with the μονή or being-itself of the all-transendent first Cause, whose being-itself is strictly ineffable. Dionysius claims that from the new perspective of things as related to God, one has to start off ‚genetically‘ with the procession … . The question of respose and identity can only be discussed when it comes to the ‚halt‘ of being themselves, i.e. in a second step after the process, but this is already a far-reaching anticipation of problems which still lie ahead.“ Chr. Schäfer, The Philosophy of Dionysius the Areopagite. An introduction to the structure and the content of the treatise on the Divine Names, S. 62 f. 131. Vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, De coelesti hierarchia II 4, in: Corpus Dionysiacum II, S. 14, 19–24. 132. Vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, Epistula I, in: Corpus Dionysiacum II, S. 156, 5.
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Sprache und Metaphysik
Gott ist gut, aber nicht gemäß unserem Verständnis des Guten, sondern als ÜberGutes. Gott ist demnach „das Übergute, das Übergöttliche, das Überseiende, das Überlebendige, das Überweise und was immer einer überragenden Verneinung gehört.“133 Dadurch behält man die Beschränkung der menschlichen Sprache ständig im Blick.134 Durch einen solchen methodischen Ausgangspunkt werden folgende semantisch-logischen Aspekte der negativen Theologie offensichtlich: Für Dionysius kann das Prädikat nicht in einem intensionalen Bezug zum Subjekt (Gott) gedacht werden. In einem Satz ‚S ist P‘ wird das Prädikat nur als ein Name aufgefasst, der das Subjekt extensional deutet. Daher sind die Prädikate ‚Vernünftigkeit‘, ‚Vernunftlosigkeit‘ oder ‚Übervernünftigkeit‘ für Dionyius die Namen, die sich in Bezug auf Gott nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen. Das heißt, dass alle drei mit diesen Prädikaten gebildeten Sätze – Gott ist vernünftig, Gott ist vernunftlos, Gott ist übervernünftig – wahr sind, weil ihre Wahrheit nicht durch die Konnotation der Termini oder durch die Gegebenheit von Denotata bestimmt wird. Das Wesen Gottes als Denotatum des Begriffes ‚Gott‘ bleibt für die menschliche Vernunft unerkennbar bzw. lässt sich nicht durch die menschliche Sprache ausdrücken. Diese semantisch-logische Auffassung kommt explizit in dem Begriff ‚Überunerkennbares‘ zum Vorschein, den Dionysius für die Charakterisierung des göttlichen Wesens verwendet.135
133. Pseudo-Dionysius Areopagita, De divinis nominibus II, 3, in: Corpus Dionysiacum I, S.€14–16; vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes eingel., übers. und mit AnmerÂ� kungen vers. von B. R. Suchla, S. 31. 134. Über die Negation und Affirmation wie auch die Sprachkonzeption bei Ps. Dionysius Areopagita vgl. G. Zedania, Von Einheit zu Pluralität. Nikolaus von Kues als Interpret der Schriften des Dionysius Pseudo-Areopagita, S. 27: „Es muß gesagt werden, daß Dionysius nicht behauptet, Affirmationen seien schlechthin falsch und Negationen richtig. Affirmation und Negation sind nicht unabhängig voneinander; sie sind vielmehr zwei verschiedene Weisen der theologischen Betrachtung, die sich keineswegs ausschließen. Affirmationen sind nicht einfach verneint; Negationen dienen dazu, das von Affirmationen Gesetzte einzuschätzen und das im Hinblick auf den göttlichen Gegenstand durch die Prädikation suggerierte Unpassende aufzuheben. Diese Aufhebung wiederum ist die Bedingung für den Aufstieg des menschlichen Subjekts zum Unendlichen. Letztendlich muß der Mensch ansichts der Transzendenz Gottes auf die Sprache endgültig verzichten und ins Schweigen versinken.“ 135. Vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, De mystica theologia I, 997 A, in: Corpus Dionysiacum II, S. 141, 2; vgl. Th. Kobusch, Dionysius Areopagita, in: Fr. Niewöhner (Hrsg.), Klassiker der Religionsphilosophie von Platon bis Kierkegaard, München 1995, S. 84–98, hier S. 91.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
*** Zusammenfassend kann über die Formen der negativen und affirmativen Theologie bei Dionysius Folgendes gesagt werden: Die Negation wird zu einem methodischen Prinzip,136 das die Formen der affirmativen Theologie korrigierend übersteigt. Dieses Übersteigen impliziert aber die Einheit der Affirmation und Negation.137 Die negative Theologie korrigiert jedoch nicht nur die symbolischen und affirmativen Theologien, sondern auch sich selbst. Die negative Theologie muss „über sich selbst noch einmal hinausgehen“.138 Der Grund dieser „Selbstkorrektur“ liegt in der Notwendigkeit, Gott jenseits der Gegensätzlichkeit von Affirmation und Negation zu denken. Die negative Theologie vermag es auch nicht, das göttliche Wesen adäquat zu erfassen, weil selbst die Negationen Produkte der menschlichen Sprache sind.
3.4
Negatio negationis als Attributionsaussage
Der henologische Diskurs stellt einen wichtigen Bestandteil der Eckhart’schen Metaphysik dar. Für die neuplatonische Philosophie ist die Annahme bestimmend, dass es das Eine gibt, das auch das Gute darstellt.139 Für Proclus ist das Eine der Ursprung und Grund von allem. Das Eine kann aber nur als das Nichts alles dessen bestimmt werden, was in ihm begründet ist und aus ihm hervorgeht. Diese Dialektik hängt mit der Einsicht zusammen, dass aus dem Einen selbst jede Vielheit prinzipiell ausgeschlossen bleiben muss. Das Eine wird von Proclus als Einfachheit und Reinheit gedacht. Jegliche Affirmation, die dem Einen etwas zuschriebe, wäre eine Hinzufügung, da sie das Eine
136. Vgl. J. Hochstaffl, Negative Theologie: ein Versuch zur Vermittlung des patristischen Begriffs, München 1976, S. 135. 137. Vgl. W. Völker, Kontemplation und Ekstase bei Pseudo-Dionysius Areopagita, Wiesbaden 1958, S. 158: „Es gehört zur Eigenart des Areopagiten, Gottes Unbegreiflichkeit durch Antithesen auszudrücken, man muss daher immer beide Seiten zusammenhalten, wenn man ein richtiges Bild gewinnen will.“ 138. Th. Kobusch, Dionysius Areopagita, in: Fr. Niewöhner (Hrsg.), Klassiker der Religionsphilosophie von Platon bis Kierkegaard, S. 91. 139. Zum Begriff des Einen bei Proclus vgl. W. Beierwaltes, Proklos: Grundzüge seiner Metaphysik, 2. erw. Auflage, (Philosophische Abhandlungen 24) Frankfurt a. M. 1979, S. 343–348.
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Sprache und Metaphysik
zum Etwas machte.140 Die Einfachheit bedeutet, dass das Eine keine Beziehung, keinen Unterschied enthält, nicht einmal einen Selbstbezug. Auch Selbstidentität ist vom Einen ausgeschlossen, da die Selbstidentität den Unterschied im Einen oder die Reflexion auf diesen Unterschied voraussetzt: Die Beziehung der Identität kann nur zwischen zwei voneinander Unterschiedenen hergestellt werden. Daher gehen die Vielheit und Unterschiedenheit der Identitätsbeziehung logisch vorher. Dazu kommt noch der Aspekt, dass das Denken der Selbstidentität nur im Unterschied zu dem Anderen gedacht werden kann. Dies deutet darauf hin, dass das selbstidentische Eine nur durch einen Unterschied vermittelt werden kann. Dies kann aber für Proclus das Konzept der absoluten Einfachheit des Einen nicht zulassen, weil die Einfachheit die Vielheit ausschließt. Von daher kann auch das Denken diesem Einen nicht zugesprochen werden. Das Konzept der einfachen und reinen Einheit macht auch den reflektierenden Selbstbezug des Einen für Proclus unmöglich. Auch für Dionysius ist das Eine das höchste Prädikat Gottes. Er deutet jedoch dieses Prädikat anders als Proclus: Dionysius versucht nämlich, die Transzendenz des Einen nicht zu beeinträchtigen, zugleich behauptet er aber die Identität des Einen mit Sein, Leben und Weisheit. Während Proclus ‚Sein‘, ‚Leben‘ und ‚Weisheit‘ als absteigende Ordnung der Allgemeinheiten deutete, besteht gemäß Dionysius diese Ordnung in der geschaffenen Welt nur deshalb, weil sie in Gott selbst begründet ist. In De divinis nominibus liest man: … unter den verschiedenartigen Teilnahmen an ihm wird das Sein vorgezogen, weiter ist das Sein an sich ehrwürdiger als das Sein des Lebens an sich, das Sein der Weisheit an sich und das Sein der erhabenen Ähnlichkeit an sich, und so hat alles Weitere, an dem das Seiende Anteil hat, vor all diesem Anteil am Sein … .141
Dies impliziert auch die Ansicht, dass die Hierarchie der Prädikate, die in dieser Welt gültig ist, auch auf die göttliche Sphäre anwendbar sei. Dadurch, dass Dionysius die Prädikate ‚Sein‘, ‚Leben‘ und ‚Weisheit‘ als identisch mit dem Einen betrachtet, verändert er das proclische Konzept der Einheit tiefgreifend. Das Eine 140. Vgl. Proclus, Kommentar zu Platons Parmenides 141 E-142 A, eingel., übers. und erläut. von R. Bartholomai, Sankt Augustin 1990, S. 68: „Et enim le ens aliquid omne quodcumque uni apponas, aliud aliquid est praeter unum; le unum igitur aliud aliquid assumens, praeter quod est, fit aliquid unum pro simpliciter uno, …“. 141. Pseudo-Dionysius Areopagita, De divinis nominibus V 3.4.5, 820 A, in: Corpus Dionysiacum I, S. 183, 18–21: „καὶ πρὸ τῶν ἄλλων αὐτοῦ μετοχῶν τὸ εἶναι προβέβληται, καὶ ἔστιν αὐτὸ καθ᾽ αὑτὸ τὸ εἶναι πρεσβύτερον τοὖ αὐτοζωὴν εἶναι καὶ αὐτοσοφίαν εἶναι καὶ αὐτοομοιότητα θείαν εἶναι, καὶ τὰ ἄλλα, ὅσων τὰ ὄντα μετέχοντα, πρὸ πάντων αὐτῶν τοῦ εἶναι μετέχει, … .“ Vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes, eingel., übers. und mit Anmerkungen vers. von B. R. Suchla, Stuttgart 1988, S. 70.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
wird nicht mehr ausschließlich als relationslose Transzendenz gedacht. Dionysius charakterisiert Gott als „geeint in der Geschiedenheit und in der Einung geschieden“.142 Eckhart übernimmt diesen henologischen Diskurs, entwickelt ihn aber zu einÂ� em ontologischen Schema, indem er das Eine nicht nur zu einem bloßen Namen Gottes (unum ist der Name Gottes, weil Gott gemäß dem Ausdruck „Ego sum qui sum“ derjenige ist, der da ist und einer ist: ‚unus est‘), sondern zu einem Modus des göttlichen Seins erklärt: Unum ist das einige Eine „ohne Weise und ohne EigenÂ�schaft“.143 Auf der ontologischen Ebene heißt das für Eckhart: Das einige Eine als Gott ist weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist. Es hat keine Bestimmung und ist doch ein Etwas. Gott als ein Etwas meint, dass er völlig aus sich selbst als aus bestimmten Modi des göttlichen Seins (Vater, Sohn, Heiliger Geist) herausgegangen ist. Was nach diesem Aus-sich-selbst-Herausgehen vom trinitarischen Gott bleibt, ist das einfache Eine (simplex unum). Es ist unbestimmt und einfach im Vergleich zu dem vorigen Seinsmodus (Triplizität), aber es ist trotzdem wesentlich durch sein Einfach- und Eins-Sein bestimmt. Das Eins-Sein oder die Einheit besagt die Ungeteiltheit des Seins in sich. Das Sein und das Eine sind darum sachlich identisch, sind miteinander vertauschbar, sie werden nur begrifflich verschieden erfasst. Das Eine unterscheidet sich vom Seienden als Seienden darin, dass es ihm die negatio negationis hinzufügt, damit aber eine Bedeutung des Seienden aufdeckt, die in ihm, sofern es nur als Seiendes gedacht wird, verborgen bleibt. R.€Manstetten drückt diesen Gedanken mit der Formulierung aus, dass die selbstreflexive Struktur der negatio negationis die Begründung des Einen ermöglicht.144 Für die Aussagen über Gott gelten in Meister Eckharts Metaphysik folgende zwei Kriterien, die sich auf die henologische Auffassung von Proclus zurückführen lassen: Die Gott betreffenden Aussagen sollen die Reinheit (puritas) und die Fülle (plenitudo) des göttlichen Seins ausdrücken, also nur das plenum et purum esse
142. Pseudo-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes 641 B, eingel., übers. und mit Anmerkungen vers. von B. R. Suchla, S. 32. Vgl. auch Pesudo-Dionysius Areopagita, De divinis nominibus II 3. 4, 641 B, in: Corpus Dionysiacum I, S. 127, 7. 143. Vgl. Pr. 2, DW I, S. 43, 3–6: „Got selber luoget dâ niemer în einen ougenblik und gelougete noch nie dar în, als verre als er sich habende ist nâch wîse und ûf eigenschaft sîner persônen. Diz ist guot ze merkenne, wan diz einic ein ist sunder wîse und sunder eigenschaft.“ 144. Vgl. R. Manstetten, Esse est Deus. Meister Eckharts christologische Versöhnung von Philosophie und Religion und ihre Ursprünge in der Tradition des Abendlandes, München 1993, S.€226.
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wiedergeben.145 Negatio negationis als Aussage über Gott soll auch den Ansprüchen der beiden Kriterien entsprechen. Die Aussagen über Gott implizieren einen Attributionsakt, in dem Gott etwas zugeschrieben wird. Etymologisch bedeutet attributum das Zuerteilte. Es handelt sich um ein Prädikat, das eine wesentliche, bleibende, notwendige, ursprüngliche, konstitutive Eigenschaft eines Seienden, ein Grundmerkmal, meint. In den Analytica posteriora unterscheidet Aristoteles die „zufälligen“, akzidentellen Eigenschaften eines Dinges von den wesentlichen, notwendigen Eigenschaften, die von ihm nicht abgetrennt gedacht werden können: τὰ ἐν τῇ ὀυσίᾳ ὄντα – τὰ συμβεβηκότα.146 Im engeren Sinne gehören zu den Attributen die Vollkommenheiten, welche von der logisch früheren Wesenheit abgeleitet werden und ihre nähere Bestimmung bilden. Daher ist die Frage nach dem Gebrauch des Attributes mit der Frage nach den Universalien oder termini generales verbunden. Attribution als ein logischer Akt lässt sich als Zuteilung des Prädikats zum Subjekt definieren. V. Lossky unterscheidet zwischen zwei Arten der durch die AttriÂ�bution ausgesagten Identitäten bei Eckhart: zwischen der identité exclusive, der gemäß die puritas des vollkommenen Seins unter Ausschluss des Unvollkommenen affirmiert werde, und der identité inclusive, die die plenitudo des Seins affirmiert, worin jedes Sein eingeschlossen wird.147 W. Goris ergänzt diese von Lossky eingeführte Unterscheidung zwischen der inklusiven und exklusiven Identität um jene Attribute in den Sätzen Eckharts, die die Vollkommenheiten Gottes ausdrücken und die inklusiven und exklusiven Vollkommenheiten bilden: Die exklusiven und inklusiven Identitäten bilden die Struktur des Einheitsbegriffes, die der Spannung zwischen der inklusiven und der exklusiven Vollkommenheit Gottes zugrunde liegt. Dabei bemerkt er, dass das wichtigste Merkmal der Transzendentalien „ihre exklusive Attribution an Gott“ sei.148 Nun setzt aber der Attributionsakt ein gewisses kategoriales Denken voraus, da ‚Attribution‘ bedeutet, dass ein 145. In Exod. n. 74, LW II, 77, 1f.: „Ait autem: ‚sum qui sum‘, tum quia ipse est plenitudo esse et plenum esse, tum quia ipse nihil est aliud nisi purum esse.“ Vgl. auch In Exod. n. 16, LW II, 21, 7f.: „notandum quod repetitio, quod bis ait: sum qui sum, puritatem affirmationis excluso omni negativo ab ipso deo indicat.“ Auch In Exod. n. 17, LW II 23. 7f.: „Sic li sum qui sum impermixtionem esse et eius plenitudinem indicat.“ 146. Aristoteles, Anal. post. I. 22, 83 b 19, in: Aristotelis Opera, vol. I, ed. O. Gigon, Berlin 1960; vgl. auch Metaph. V 30, 1025 a 30, in: Aristotelis Opera, vol. I, ed. O. Gigon, Berlin 1960. 147. Vgl. V. Lossky, Théologie négative et connaissance de dieu chez Maître Eckhart, Paris 1960, S. 68. 148. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 75: „Das wichtigste Merkmal der Transzendentalien in der Doktrin Eckharts, so wie diese im Prologus in Opus propositionum, aber auch anderswo in den lateinischen Werken explizit gemacht wurde, ist ihre exklusive Attribution an Gott.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
als Prädikatsnomen auftretendes Wort einem durch das Satzsubjekt bezeichneten Gegenstand attribuiert wird. Dagegen ist die negative Theologie überall da zu finden, wo die Kategorien des endlichen Denkens als nicht auf Gott zutreffend erachtet werden.149 Goris’ These, dass Transzendentalien eine exklusive Attribution an Gott ausdrücken, setzt das Vorhandensein kategorialen Denkens voraus, denn obwohl die termini generales selbst keine Kategorientafel darstellen, muss sich das Denken im Rahmen der Kategorien bewegen, um etwas einem Etwas exklusiv, d.€h. unter Ausschluß alles anderen, zu attribuieren. Andererseits schreibt Goris, es scheine ihm fragwürdig: … ob die Prädikationslehre aus sich allein der Eckhart’schen Metaphysik ein Fundament zu geben vermag – dennoch wird diese Sicht, wenn wir die Prädikationslehre nicht vom Unterschied zwischen simpliciter und hoc et hoc, den sie erläutern soll, abheben, dem Eckhart’schen Selbstverständnis gerecht.150
Er bestreitet also nicht die fundamentale Bedeutung der Prädikationslehre für die Eckhart’sche Metaphysik, aber nur unter der Bedingung, dass der Unterschied zwischen esse simpliciter und esse hoc et hoc beibehalten wird. Dieser Unterschied steht für Eckhart fest. Seine Metaphysik ist ja auf der Differenz zwischen dem SeienÂ�den schlechthin (ens simpliciter) und dem konkreten Seienden (ens hoc et hoc) gegründet. Diese Differenz macht auch den Ausgangspunkt seines philosophisch-theologischen Denkens aus. Sie ist selbst von Eckhart exemplarisch mit den Worten – „aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc“ – ausgedrückt, in denen das Anders-urteilen-über-das-Seiende-als-Solches schon die andere Art der Existenz dieses Seienden voraussetzt.151 Wenn aber der PrädikaÂ� tionslehre, die ein Denken vermittels der Kategorien voraussetzt, eine derart große Rolle im Denken Eckharts eingeräumt werden muss, dann erscheinen Interpretationen, die bei ihm eine negative Theologie à la Pseudo-Dionysius entdecken wollen, zumindest fragwürdig, liegt doch im Primat des kategorialen Denkens bei Eckhart der wesentliche Unterschied zur negativen Theologie des Pseudo-Dionysius. Daher widerspricht die These von Goris, Eckharts Prädikationslehre gebe den Grund seiner Metaphysik, seinem eigenen Argumentationsgang, der darauf 149. Dieser Gedanke ist explizit thematisiert von H. Fischer, Meister Eckhart. Einführung in sein philosophisches Denken, Freiburg/München 1974, S. 26: „Negative Theologie muss da getrieben werden, wo immer die Kategorien endlichen Denkens nicht auf Gott zutreffen; allerdings würde man vergebens eine solche im Sinne der einseitigen Interpretation des PseudoDionysius Areopagita bei Eckhart suchen.“ 150. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 68. 151. Über den Unterschied zwischen esse simpliciter und esse hoc et hoc siehe K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein.
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zielt, bei Eckhart die fundamentale Unzulänglichkeit der Gotteserkenntnis anzunehmen. Prädikation ist ja eine Art der Erkenntnis.152 Gemäß Goris kommt diese Struktur des Einheitsbegriffes, die durch die exkluÂ� siven und inklusiven Identitäten gebildet wird und der Spannung zwischen der inklusiven und exklusiven Vollkommenheit Gottes zugrunde liegt, in der Gottesnamenproblematik zum Ausdruck. Negatio negationis zeige die einzige Negation, die Gott aufgrund der plenitudo zukomme, und die einzige Affirmation, die Gott aufgrund der puritas beigemessen werde.153 Hierzu ist anzumerken, dass negatio negationis an sich keine Negation im strengen Sinne ist. Sie ist Negation nur dem Wortlaut nach, während sie inhaltlich eine Bejahung darstellt. Daher gibt dieser Ausdruck in dem Satz „unum est negatio negationis“ das göttliche Wesen als höchste Affirmation wieder. Deswegen kann negatio negationis nicht als eine Negation charakterisiert werden, die Gott aufgrund der plenitudo zukommt.154 Bedenkt man dies, dann bleibt festzuhalten, dass der logische Hintergrund der Struktur des Einheitsbegriffes in der Interpretation von Goris nicht genügend Beachtung gefunden hat. Aufgrund des oben dargestellten Attributionsverständnisses fasst Goris die Struktur von Inklusivität und Exklusivität in der negatio negationis folgendermaßen auf: „Gott schließt als das eine Sein jede Negation und alles Kreatürliche aus und aufgrund dessen alles ein.“155 Das Einschließen und Ausschließen werde zur Voraussetzung dafür, dass das Sein und die Einheit in der negatio negationis die Spannung zwischen der Inklusivität und der Exklusivität der göttlichen Vollkommenheit darstellen, und dies sei die Bedeutung der negatio negationis als „Operator“ der Gottesattribution.156 152. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 363: „Dadurch, daß Eckhart die Gotteserkenntnis in Gestalt einer Gnade denkt, zu der kein natürlicher Weg hinführt, bestätigt er die menschliche Hoffnung auf eine Vereinigung mit dem Göttlichen, ohne einen qualitativen Bruch zwischen der Gotteserkenntnis diesseits und im Jenseits einzuführen, bestätigt aber zugleich die fundamentale Unzulänglichkeit der natürlichen Vermögen des Menschen, zu einer solchen Gotteserkenntnis zu gelangen.“ 153. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 182. 154. Vgl. In Eccli., LW II, S. 292,9–293,2: „Sicut, verbi gratia, unum transcendens in voce quidem negatio est, sed in significato, cum sit negatio negationis, est mera affirmatio.“ Übers.: „So ist zum Beispiel das transzendentale Eine dem Wort nach eine Verneinung, seinem Bedeutungsgehalt nach aber ist es als Verneinung der Verneinung reine Bejahung.“ 155. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 189. 156. Pointiert wird diese Auffassung von W. Goris vertreten. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 189. Diese Charakterisierung der negatio negationis wurde von W. Goris in die Eckhartforschung eingeführt.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Neben der von Lossky eingeführten inklusiven und exklusiven Identität entstehen in der von Goris vorgeschlagenen Interpretation die sich gegenseitig ausschließenden Begriffspaare inklusive und exklusive Vollkommenheit, inklusive und exklusive Attribution. Wie lässt sich eine solche Opposition verstehen? In formeller Hinsicht kann ein Satz ein exklusives Urteil sein, wenn er einem Subjekt unter Ausschluss aller anderen Subjekte ein Prädikat zuschreibt bzw. wenn er die folgende Struktur aufweist: Nur S ist P. Daher kann man die exklusive Vollkommenheit Gottes als eine solche verstehen, die nur Gott zukommt und in dem Satz ausgedrückt wird: Nur Gott ist vollkommen. Inklusion kann zwischen 2 Klassen K und L bestehen, wenn K ein Teil von L ist, d.€h., wenn alle Elemente von K auch Elemente von L sind. Die inklusive Vollkommenheit Gottes kann als eine solche gedacht werden, die bereits im BegÂ� riff Gottes mitgedacht ist. Nach Aristoteles besagt der Satz „A sei in B (ganz) enthalten“ dasselbe wie „B wird von allen A ausgesagt,“157 wobei zu beachten ist, dass bei Aristoteles zwischen dem Inhalt und dem Umfang der Begriffe nicht unterschieden wird. Wenn also von den exklusiven Vollkommenheiten die Rede ist, wird ‚Vollkommenheit‘ als ein Prädikat bzw. ein Attribut in einer propositio exclusiva verstanden. Die inklusive Vollkommenheit kann aber nur meinen, dass der mit dem Prädikat bzw. Attribut ausgedrückte Begriffsinhalt völlig im Begriff des Subjekts enthalten ist. Bei der Gottesattribution soll für Eckhart die Fülle (plenitudo) und die Reinheit (puritas) des göttlichen Seins ausgedrückt werden. Diese zwei Kriterien der Gott betreffenden Aussagen Eckharts setzt W. Goris in Beziehung zur apophatischen und kataphatischen Theologie des Dionysius, wenn er schreibt: Ausgehend von der puritas oder vom Reinheitskriterium gilt es, daß die negativen Aussagen wahrer sind als die positiven Aussagen, denn nur die negativen Aussagen bestätigen, daß Gott nichts Geschaffenes zukommt. Ausgehend von der plenitudo oder vom Kriterium der Fülle gilt es dagegen, daß keine negative Aussage wahr ist, denn Gott kann nichts abgestritten werden.158
Gemäß Goris bringt die negatio negationis die puritas und plenitudo Gottes zusammen: Sie drückt aus, dass Gott nichts Geschaffenes zukommt und dass ihm 157. Vgl. Aristoteles, Anal. pr. I, 2, 24 b 25, in: Aristotelis Opera, vol. I, ed. O. Gigon, Berlin 1960; vgl. auch Boethius, Interpretat. pr. anal. Arist., 640 a, in: Aristoteles Latinus III 1–4, Analytica priora. Translatio Boethii (recensiones duae), Translatio anonyma, Pseudo-Philoponi aliorumque Schola, ed. L. Minio-Paluello, Bragues-Paris 1962, S. 5–191. 158. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 181.
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64 Sprache und Metaphysik
nichts abgestritten werden kann.159 Indem negatio negationis die einzige Negation zeige, die Gott aufgrund der plenitudo zukomme, und die einzige Affirmation, die Gott aufgrund der puritas zukomme, werde sie ein Teil der Möglichkeit, Gott zu erkennen. Diese Erkenntnismöglichkeit kommt nach Goris durch die via negativa und die via eminentiae zustande. Via eminentiae meint, dass Gott mit „Namen“ bezeichnet wird, die ihm als solche formell zukommen, allerdings nicht auf die begrenzte Weise des Geschöpflichen. Daher bedarf die via eminentiae auch der via negativa, um die in den Grenzen unserer Geschöpflichkeit gebildete Prädikation zu verneinen. Diese Rechtfertigung der bildhaft-anthropomorphen Redeweise erklärt, inwiefern die bloße Verhältnisähnlichkeit und die Seinsanalogie zwischen Gott und dem „Namen“ vorliegt. Die Annahme – das Reinheitskriterium meine für Eckhart, dass die negativen Aussagen wahrer sind als die positiven, denn die negativen Aussagen besagen, dass Gott nichts zukomme – erfolgt aus der Perspektive der pseudo-dionysischen negativen Theologie; das Kriterium der Fülle (plenitudo) meint, dass keine negative Aussage wahr ist, denn Gott kann nichts abgestritten werden. Eckhart formuliert diesen Gedanken wie folgt: „Der Gedanke also, etwas Positives werde von Gott angenommen oder in ihm erfasst, ist nicht wahr, sondern nichtig und unzutreffend. Soviel von den Namen, in denen etwas von Gott bejaht wird.“160 In seiner Auslegung von Exodus 15â•›:â•›3 („omnipotens nomen eius“) geht Eckhart auch auf die Problematik der Gottesnamen (Exod. n. 34–78) ein. Er verweist auf seine nicht überlieferten Auslegungen von Gen. 13â•›:â•›4 („invocabit ibi nomen dei“), Zach. 6â•›:â•›12 („oriens nomen eius“) und Phil. 2â•›:â•›9 („donavit illi nomen quod est super omne nomen“), wo er diese Problematik ebenfalls dargestellt haben dürfte. Als Grund für ihre Behandlung im Kontext der Auslegung von Exod. 15â•›:â•›3 gibt er an, dass Thomas von Aquin sie in demselben Zusammenhang behandelt habe.161 Eckhart
159. Vgl. dazu W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 182. 160. In Exod. n. 177, LW II, S. 152,8–153,2: „Nihil ergo positivum receptum de deo vel in deo apprehensum verum est, sed vanum et incongruum. Haec de nominibus affirmative dictis de deo.“ 161. In Exod. n. 34, LW II, S. 40, 3–8: „Licet autem de nominibus dei notaverim in diversis locis, prius super Gen. c. 13, secundo super illo: ‚oriens nomen eius‘, Zach. Et Phil. 2 super illo: ‚donavit illi nomen quod est super omne nomen‘, quia tamen Thomas p. I q. 13 materiam de nominibus dei, utrum deus sit nominabilis, fundat super isto verbo: omnipotens nomen eius, placet hic notare ad praesens quattuor.“ Übers: „Ich habe zwar über die Namen Gottes schon an verschiedenen Stellen gehandelt, zuerst zu Genesis Kapitel 13, zweitens zu dem Wort: ‚Aufgang ist sein Name‘ (Zach. 6, 12) und zu dem anderen: ‚er hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist‘ (Phil. 2,9); weil jedoch Thomas (in der Summe der Theologie) Teil I Frage 13 die
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
gliedert seine Darlegung in vier Punkte: Zuerst behandelt er die Meinung gewisser Philosophen (philosophi quidam, d.€h. Liber de causis, Avicenna) sowie die des Maimonides (quidam Hebraeorum) über die Prädikate, die Gott attribuiert werden, wobei er den Leser auf seine Auslegung von Exod. 20â•›:â•›7 verweist; zweitens beabsichtigt er, die Meinung der „katholischen Ausleger“ über diese Fragen anzuführen; drittens möchte er die von Boethius pointierte Diskussion bezüglich der Attribution der Substanz und der Relation als genera praedicamenti auf Gott berücksichtigen; viertens wird er den „Gott allereigensten und ihm besonders vorbehaltenen Namen“, nämlich den des Tetragrammaton, betrachten.162 Eckhart stützt seine Argumentation auf die Auffassung von Avicenna und Maimonides. Bei Avicenna findet er die Lösung der Gottesattribution im letzten Kapitel des 8. Buches der Metaphysik: „Das erste, was man Gott als ihm eigentümlich zuschreibt, ist dies, daß er ist, das heißt das Sein.“ „Bei dem übrigen handelt es sich“ entweder um „das Sein mit einer Beziehung“ (esse cum relatione) oder um „das Sein mit einer Verneinung (esse cum negatione).“163 Diese Auffassung von Avicenna versteht Eckhart folgendermaßen: Sagt man zum Beispiel, Gott sei Substanz, so wird damit verneint, dass er „esse in subiecto“ hat; sagt man, Gott sei einer, so bedeutet das, dass man jede Teilbarkeit von ihm verneint; sagt man, Gott sei der Erste, so bedeutet das in ihm nur die Beziehung seines Seins zu jedem oder zu allem (Seienden) usw. Im Exoduskommentar folgt der Auffassung von Avicenna die von Maimonides, dass eine verneinende Aussage über den Schöpfer wahr sei, weil sie nichts Zweifelhaftes enthalte, eine bejahende Aussage über den Schöpfer dagegen nur
Ausführung über die Namen Gottes, ob Gott benennbar sei, auf dieses Wort: Allmächtiger ist sein Name gründet, möchte ich hier nun viererlei dazu bemerken.“ 162. In. Exod. n. 34, LW II, S. 40, 8–13: „Primo quid philosophi quidam de hoc senserint et quidam Hebraeorum de his attributionibus, quibus deus nominatur, puta cum dicitur deus subÂ� stantia, deus bonus, pius, largus et huiusmodi. De quibus etiam diffuse invenies hic notatum post super illo: ‚non assumes nomen dei in vanum‘, capitulo vicesimo. Secundo sumendum breviter quid sentiendum sit de talibus praedicationibus sive nominibus secundum catholicos tractatores. Tertio quid est quod secundum Boethium et doctores communiter tantum duo genera praedicamenti, puta substantia et relatio, admittuntur in divinis? Quarto vero de nomine magis proprio deo et specialiter separato, quod est tetragrammaton, dicetur infra vicesimo capitulo super illo: ‚non assumes nomen dei tui in vanum‘, capitulo vicesimo.“ 163. In. Exod. n. 36, LW II, S. 42, 6–11: „Secundo accipiatur verbum Avicennae VIII Metaphysicae capitulo ultimo, ubi dicit: ‚quod prima proprietas de deo est quia est‘, id est esse. In ‚aliis autem proprietatibus‘ in quibusdam est ‚esse cum relatione‘, in quibusdam vero est ‚esse cum negatione‘, cuius ratio est, ut dicit, quia ‚nulla harum duarum proprietatum facit in dei essentia debere esse multitudinem ullo modo nec variationem‘.“
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66 Sprache und Metaphysik
Namensgleichheit enthalte oder unvollkommen bleibe.164 Eckhart führt jene fünf Arten einer näheren Bestimmung oder Benennung von etwas auf, die sich bei Maimonides finden, und schließt, Gott könne nur eine solche Weise der näheren Bestimmung zukommen, bei der ein Ding nach seiner Beziehung zu einem anderen benannt werde, denn die letztere bedinge weder Vielheit noch Veränderung irgendwelcher Art in dem Ding, das nach der Beziehung benannt werde.165 Maimonides bestreite jedoch, dass eine solche Redeweise auf Gott zutreffe, weil jede Beziehung eine gewisse Ähnlichkeit besage, Gott aber nichts ähnlich sei und nichts ihm ähnlich heißen könne. Nur die fünfte Art der Redeweise, nach der ein Wesen nach dem von ihm vollbrachten Werk benannt wird, scheine auf Gott zuzutreffen. Denn sie bezeichne durchaus weder die Vielheit noch eine Veränderung in dem, was nach ihr benannt werde, noch drücke sie einen Zusatz zur wirkenden Substanz aus, denn derartige Werke blieben der Substanz des Benannten fern.166 Eckhart fasst die Auffassung von Maimonides auf folgende Weise zusammen: Haec igitur sunt quae tradit Rabbi Moyses de nominibus sive attributionibus affirmative positis divinis. Vult enim quod omnia, quae dicuntur positive de deo, improprie dicuntur, cum nihil ponant in deo. Nihil autem ponere in aliquo et tamen dici positive de illo utique incompactum est, improprium et dissonum veritati. Unde omnia positive dicta de deo, quamvis sint perfectiones in nobis, in deo tamen non plus sunt nec perfectiores sunt quam horum opposita.167
164. In. Exod. n. 37, LW II, S. 43, 6–9: „Tertio accipiatur sententia Rabbi Moyses, qui I c. 57 sic ait: ‚scias quod enuntiatio de creatore per verba negativa est vera, in qua non cadit dubitatio nec est in ea diminutio in veritate creatoris ullo modo. Sed enuntiatio de ipso per verba affirmativa partim est in aequivocatione‘.“ 165. In Exod. n. 38, LW II, S. 44, 8–11: „… modus, quo denominatur aliquid ex comparatione ad alterum, videtur quod deo conveniat, quia iste modus nec multitudinem nec variationem inducit aliquam in re, quae denominatur ex comparatione.“ 166. In Exod, n. 41, LW II, S. 46, 5–9: „Quintus autem modus, quo res denominatur ab opere operato, videtur deo solus competere inter alios modos praedictos. Nullam enim prorsus nominat multitudinem nec variationem in eo, quod secundum istum modum denominatur, nec dicit aliquid additum substantiae operantis. Sunt enim huiusmodi remota a substantia nominati.“ 167. In Exod. n. 44, LW II, S. 48, 7–13: „Dies also überliefert Maimonides über die Namen Gottes oder das, was man ihm im bejahenden Sinn zuschreibt. Er meint, nämlich, daß alle positiven Aussagen über Gott nur im uneigentlichen Sinne gelten, da sie nichts Positives in Gott bezeichnen. Über ein Ding positive Aussagen machen, die nichts Positives in ihm bezeichnen, ist jedoch durchaus unpassend, uneigentlich und mit der Wahrheit unvereinbar. Die Eigenschaften also, die man von Gott positiv aussagt, sind zwar bei uns Vollkommenheiten, in Gott aber sind sie es nicht mehr als ihr Gegenteil.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Im Zusammenhang mit der negativen Theologie nennt Eckhart als Autoritäten vor allem Maimonides und Pseudo-Dionysius. Die ‚Wurzel dieser Lehre‘, die durch die via negativa expliziert wird, hebt er im weiteren Verlauf der Schrift hervor: Maimonides führe die erwähnte Lehre im Buch 1 Kapitel 50 an und meine, dass es irgendwelche Eigenschaften, die (zum Wesen) hinzukämen, in Gott nicht gebe und nicht geben könne: „… in deo nulla prorsus est nec potest esse additio dispositionum quarumlibet universaliter.“168 Nun besagen (praedicant aut implicant) alle bejahenden Bestimmungen (nomina affirmativa) eine Hinzufügung zum Wesen Gottes, denn das ist der Sinn der Bejahung. Also lässt sich von Gott nichts im eigentlichen oder zutreffenden Sinn bejahen.169 Im Anschluss an Maimonides nennt Eckhart folgende Charakteristika einer so verstandenen Attribution von Eigenschaften: (1) Jede Eigenschaft ist ein Zusatz zu der Substanz, mit der sie verbunden wird; (2) jede Eigenschaft ist etwas außer der Substanz des Dinges, dem sie beigelegt wird; (3) jede Eigenschaft ist etwas Akzidentelles oder stammt aus der Gattung des Akzidentellen und verrät die Natur des Akzidens.170 Das Attribut oder Prädikat kann also einer Substanz oder einem Subjekt nur etwas hinzufügen, was akzidentell ist, weil jede Eigenschaft die Natur des Akzidentellen wiedergibt. Diese drei Charakteristika bilden die Axiome der Gottesprädikation und liegen der Problematik der Gottesnamen zugrunde, die Eckhart kurz und bündig folgendermaßen ausdrückt: Gott kann weder Eigenschaft noch Zusatz, noch Zahl irgendwie zukommen.171 Maimonides’ ganze Lehre wird von ihm im Exoduskommentar so zusammengefasst, dass: … alle Bejahungen oder alle positiven Attribute Gott in keiner Weise zukommen und daß es bei ihm keinerlei wesentliche oder zufallende Bestimmungen gibt, sosehr solche auch bei uns Vollkommenheiten sein mögen, wie Macht, Weisheit, Leben und dergleichen.172
168. In Exod. n. 47, LW II, S. 51, 11f.: „… irgendwelche Eigenschaften, die (zum Wesen) hinzukämen, gibt es in Gott nicht und kann es nicht geben.“ 169. Ibid. 170. Vgl. In Exod. n. 48, LW II, S. 51, 17–52, 7: „… omnis dispositio est res adiuncta substantiae, cui adiungitur … omnis dispositio est praeter substantiam illius, cui attribuitur. … omnis dispositio est accidens vel manat de genere accidentis et accidentis sapit naturam.“ 171. In Exod. n. 51, LW II, S. 54, 1f.: „… impossibile est in deo cadere quamcumque dispositionem sive quid additum aut numerum quomodolibet.“ 172. In Exod. n. 53, LW II, S. 57, 1–5: „… affirmationes omnes sive nomina positiva nullo modo deo competere, nec in ipso esse aliquam dispositionum universaliter sive substantialium sive
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68 Sprache und Metaphysik
An dieser Textstelle, an der Eckhart die Gottesnamenproblematik bei Maimonides behandelt, lässt sich auch die folgende Struktur der Prädikation im Rahmen der negativen Theologie aufweisen: (1) Das Prädikat stellt nur die Hinzufügung eines Etwas zum Subjekt dar. Daher müssen alle Prädikate in Bezug auf Gott verneint werden, weil Gott nichts hinzugefügt werden kann; (2) durch das Prädikat, das dem Subjekt etwas „hinzufügt“, wird der Begriffsinhalt des Subjekts erweitert. Da jedoch der Begriff ‚Gott‘ die höchste Vollkommenheit ausdrückt, umfasst er alle Vollkommenheiten, so dass ihm nichts mehr hinzugefügt werden kann; (3) da das Prädikat explizit als die Hinzufügung von etwas zum Subjekt verstanden wird, wird ein definitorisches Urteil als synthetischer Satz aufgefasst, in dem sowohl das Subjekt als auch das Prädikat extensional aufeinander bezogen sind, was eine beharrende Identität zwischen beiden, d.€h. eine Prädizierung gemäß der inhaerentia-Theorie, ausschließt; (4) das Prädikat drückt nur das Hinzufügen (additio) aus. Daher bildet die Prädikation keine Ausfaltung des Begriffsinhaltes des Subjekts. Weil Gott die Fülle des Seins darstellt, kann ihm nichts hinzugefügt werden. Die negativen Attribute oder nomina können Gott nur in der Weise beigeÂ� legt werden, „wie man von einem Ding etwas verneint, was ihm nicht zugehören kann.“173 In Exod. n. 35 greift Eckhart statt auf Maimonides schon auf den Liber de causis zurück und erklärt „nomen super omne nomen“ für einen Namen, mit dem Gott benannt werden kann: Notandum autem quod in De causis dicitur deus non innarrabilis, sed ‚superior narratione‘, secundum illud Psalmi: ‚magnificasti super omne nomen sanctum tuum‘, et Phil. 2: ‚donavit illi nomen quod est super omne nomen‘. Superius enim non est privatum perfectionibus inferiorum, sed omnes praehabet excellentius. ‚Nomen‘ ergo, ‚quod est super omne nomen‘, non est innominabile, sed omninominabile.174
accidentialium, quantumcumque in nobis sint perfectiones, puta potentia, sapientia, vita et huiusmodi.“ 173. Vgl. In Exod. n. 182, LW II, S. 156, 3–5: „… ‚nomina negativa‘ non ‚attribuuntur‘ creatori nisi secundum modum quo removetur aliquid ab alio, quod non est aptum, ut inveniatur in ipso.“ 174. In Exod. n. 35, LW II, S. 41,10–42,1: „Es ist aber zu beachten, daß im Buch Von den Ursachen Gott nicht unbeschreiblich genannt wird, sondern ‚über alle Beschreibung erhaben‘, gemäß den Worten: ‚du hast deinen heiligen Namen über alles herrlich gemacht‘ (Ps. 137,2) und: ‚er hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist‘ (Phil. 2,9). Dem Oberen fehlen nämlich die Vollkommenheiten des Niederen nicht, sondern es hat sie alle in vorzüglicherer Weise voraus. ‚Der Name‘ also, ‚der über alle Namen ist‘, ist nicht unnennbar, sondern auf jede Weise nennbar.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
In dieser Passage wird gegen die via negativa eingewandt, dass Gott eigentlich gar nicht unnennbar, sondern auf alle Weise nennbar sei. Das „nomen super omne nomen“ schließt alle Vollkommenheiten ein und ist infolgedessen omninominabile. „Nomen super omne nomen“ ist immer noch ein Name und bedeutet keinen Verzicht auf Begrifflichkeit, wenn er als ein allumfassender und allgemeinster Name gedacht wird. Mithin begegnen im Exoduskommentar zwei Auffassungen: Nach der ersten sind die Namen, die etwas bejahen, für die Bennennung Gottes nichtig und unzutreffend, nach der zweiten ist der bejahende, allumfassende Name „nomen super omne nomen“ dem Göttlichen zu eigen. Kommt in diesem Namen die dionysische via eminentia zum Ausdruck, die im Zusammenhang mit der Apophatik zu denken ist, oder bietet Eckhart hinsichtlich der Gottesattribution eine definitiv neue Lösung? Die endgültige Antwort auf diese Frage ist wieder im Exoduskommentar zu finden.
3.5
Die Rehabilitierung der affirmativen Sätze
Den Gedanken der zwei Arten von Prädikation – „aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc“175 – aus dem Prologus in Opus propositionum wiederholt Eckhart auch im Exoduskommentar. Er weist darauf hin, dass man über das Seiende oder die Dinge und ihr Sein anders sprechen und denken muss als über die Kategorien der Dinge und das, was man über sie aussagt: „… aliter loquendum est et sentiendum de entibus sive de rebus et ipsarum esse, aliter de praedicamentis rerum et ipsarum praedicatione.“176 Eckhart unterscheidet hier zwei Weisen des Denkens und seines Ausdrucks und daher zwei Weisen der Prädizierung: zum einen, wenn etwas über ein Seiendes oder ein Ding gedacht oder ausgesagt bzw. ein Seiendes oder ein Ding prädiziert wird; zum anderen, wenn die Prädizierung selbst die Prädikamente betrifft. Die von Aristoteles stammenden zehn Kategorien – Substanz (οὐσία), Quantität (ποσόν), Qualität (ποιόν), Relation (πρός τι), Ort (πού), Zeit (ποτέ), Lage 175. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 166, 12f. 176. In Exod. n. 54 LW II, S. 58, 3f.: „… über das Seiende oder die Dinge und ihr Sein muß man anders sprechen und denken als über die Kategorien der Dinge und das, was man über sie aussagt.“ Denselben Gedanken wiederholt Eckhart in Exod. n. 63, LW II, S. 67, 6f.: „… aliter loquendum est et sentiendum de entibus sive rebus, aliter de praedicamentis.“ Übers.: „Man muß nämlich … von dem Seienden oder von den Dingen anders reden und denken als von den Kategorien“.
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70 Sprache und Metaphysik
(κεῖσθαι), Haben (ἔχειν), Tun (ποιεῖν), Erleiden (πάσχειν)177 – stellen die Aussageformen des Seins dar. Als Kategorien werden bei Aristoteles die voneinander abgrenzenden Aussageschemata bezeichnet. Die Analyse dieser Aussageschemata sollte die Mehrdeutigkeiten der philosophischen Argumentation und der Diskussionssprache, insbesondere bei der Verwendung des vieldeutigen ‚ist‘, vermeiden. Hierzu stellte Aristoteles die vierfachen Grundverhältnisse dar, die zwischen „von einem Subjekt (hypokeimenon) ausgesagt werden“ und „in einem Subjekt sein“ möglich sind, wodurch er die Relation zwischen dem Partikularen und Universalen, Akzidens und Substanz, klären wollte. Dies wurde von Boethius in die lateinische Tradition aufgenommen. Gemäß diesen Grundverhältnissen sind Substanz und das Universale das, was über das Subjekt ausgesagt wird und nicht in einem Subjekt ist (de subiecto dicitur et in subiecto non est); das Akzidens und das Partikulare sind das, was über das Subjekt nicht ausgesagt wird und im Subjekt ist (de subiecto non dicitur et in subiecto est).178 Boethius ist der Überzeugung, dass die Kategorien als die obersten genera sigÂ� nificationum zugleich die obersten genera rerum seien.179 Nicht nur die Zahl der Dinge ist unendlich, sondern auch die Zahl der Möglichkeiten, wie sie signifiziert werden können. Die Funktion der Kategorie besteht darin, den genauen Begriff zu finden, der als solcher bereits den Sinn vom Seienden verbürgt. Daher wird die Kategorie zu einer Bedingung der Möglichkeit dafür, dass etwas gewusst wird. Thomas von Aquin unternimmt eine systematische Ableitung der Kategorien. Da für Thomas die Ableitung der einzelnen Kategorie aus einem obersten, allgemeinen Begriff des Seienden, der als Gattung oberster Gattungen widersprüchlich wäre, sich als unmöglich darstellt, wählt er als Prinzip der Deduktion die praedicatio in den sie bestimmenden strukturellen Implikaten, die als aufeinander aufbauende Aussagemuster am Leitfaden des konstituierten wirklichen Dinges orientiert sind.180 Entsprechen die Seinsweisen den Aussageweisen, die modi essendi den modi praedicandi, so lässt sich gemäß dieser Parallelität von
177. Vgl. Aristoteles, Top. I 9, 103 b 20 ff.; Cat. 4, 1 b 25ff. 178. Vgl. Boethius, In Cat. Arist. Libri Quatuor, MPL (Migne Patrologia Latina) 64, 175. Vgl. auch H. M. Baumgartner/G. Gerhardt/K. Konhardt/G. Schönrich, Kategorie, Kategorienlehre in: J. Ritter/K. Gründer, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, Sp. 721f. 179. Vgl. Boethius, In Cat. Arist. Libri Quatuor, MPL 64, 178. 180. Vgl. Thomas von Aquin, De veritate I, 1, hrsg. und übersetzt von A. Zimmermann, Hamburg 1986. Vgl. auch H. M. Baumgartner/G. Gerhardt/K. Konhardt/G. Schönrich, Kategorie, Kategorienlehre in: J. Ritter/K. Gründer, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, Sp.€722f.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Denken und Sein Thomas zufolge die Zehnzahl der Kategorien aus den verschiedenen Arten der praedicatio rechtfertigen. Eckhart nimmt zunächst Abstand von dieser Gleichsetzung der obersten genera significationum mit den obersten genera rerum, der Aussageweisen mit den Seinsweisen: „Decem enim praedicamenta non sunt decem entia nec sunt decem res nec sunt decem prima entia nec decem primae res, sed sunt decem prima rerum sive entium genera.“181 Demnach sind die zehn Kategorien nicht die obersten zehn Seienden, sondern die obersten zehn Gattungen, die dazu bestimmt sind, die seienden Wesen oder Dinge einzuordnen. Diese Annahme Eckharts schließt den Gedanken der Identität von modi essendi und modi praedicandi aus. Wird eine Differenz zwischen beiden Modi behauptet, dann führt dies dazu, dass auch die Auffassung des Boethius, die genera rerum seien gleichsam auch genera significationum,182 in Frage gestellt wird: Wenn die obersten genera significationum auch die obersten 181. Vgl. In Exod. n. 54, LW II, S. 58, 6–8: „Die zehn Kategorien sind nicht zehn seiende Wesen oder Dinge, auch nicht die obersten zehn seienden Wesen oder Dinge, sondern die obersten zehn Gattungen der Dinge oder des Seienden.“ Über die Frage nach der Identität der Wirklichkeit der Sprache mit der Wirklichkeit des Dinges bemerkt M. P. Schirpenbach Folgendes: „Die Trennung zwischen der rein sprachlichen Bedeutung und der außersprachlichen Sache ist von der Eckhart’schen Konzeption her jedoch nicht möglich. Die Unterscheidung der Begriffe ‚ontische‘ und ‚ontologische Identität‘ mag an dieser Stelle weiterhelfen. Die Wirklichkeit der Sprache ist insofern mit der der Dinge nicht identisch, als letzte auch ohne erstere bestehen (sic!). Eine ontische Identität kann so nicht vorliegen. Demgegenüber jedoch kann im Blick auf Eckhart die Annahme, das konkrete Wort sei – im Hinblick auf die bezeichnete Sache – nur akzidentell, so nicht stehenbleiben.“ M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 60. Wie jedoch in dem oben angeführten Zitat Eckharts zu lesen ist, sind die die sprachliche Wirklichkeit darstellenden zehn Kategorien keine zehn Seienden schlechthin, d.€h. keine Wirklichkeit der Dinge. Daher scheint die Auffassung von Schirpenbach eher zur Ontologisierung der Fragestellung zu tendieren. Bemerkenswert ist auch die folgende Auffassung von S. Köbele: „Eckharts gedrängte Bestimmung auf mehreren Analyseebenen (semantisch, morphologisch, syntaktisch) bleibt nah an der Tradition. … Das 13. Jahrhundert vermischt Sprachtheorie, Logik und Ontologie. So schließt die Analyse der formalen Struktur sprachlicher Äußerungen immer eine Aussage über den ontologischen Status des Verweisungsobjekts ein. Die grammatische Kategorie gilt als Transformation einer Seinskategorie. Nach der gemeinsamen Anschauung der Grammatiker kennzeichnet das Adverb, insofern es kein selbständiges Prädikat, sondern ein von anderem abhängiger Modifikator ist, eine Hinweisfunktion.“ S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik bei Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd. 113 (Sonderheft), (1994), S. 190–206, hier S. 202. Dieses allgemeine Urteil läßt aber den Eckhart’schen Satz „decem enim praedicamenta non sunt decem entia“ außer Acht, der erkennen lässt, dass Eckhart durch die Trennung der zehn Kategorien von den zehn obersten Seienden einen gewissen Abstand zu dieser Tradition bezieht. 182. Vgl. Boethius, In Cat. Arist. Libri Quatuor, MPL 64, 178.
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Sprache und Metaphysik
genera rerum wären, wäre in allen Aussagen, in denen die obersten zehn Kategorien vorkommen, das Seiende schlechthin durch Prädikamente signifiziert. Dadurch besäßen solche Aussagen auch ontologische Bedeutung. Eckhart betont aber: „Decem enim praedicamenta non sunt decem entia“. Aufgrund des 7. Buches der Metaphysik schließt er, dass die zehn obersten Kategorien keineswegs die obersten zehn Seienden schlechthin sind, sondern nur unum das Seiende ist, und zwar die Substanz. Die übrigen Gattungen seien eigentlich nur an einem Seienden und könnten als Seiendes nur in Analogie zu dem einen schlechthin Seienden, d.€h. der Substanz, betrachtet werden.183 Gemäß Eckhart sind letztendlich diese neun Kategorien nicht Seiendes schlechthin, sondern nur mittelbar Seiendes oder etwas am Seienden. Nach Eckhart liegt der Grund hierfür darin, dass die substantielle Form allÂ� ein Sein gibt. Die anderen Kategorien drücken kein Sein, sondern nur die SoÂ�Beschaffenheit des Seienden aus und können daher nicht den Status der Substanz besitzen. Das Seiende kann nur durch die Substanz, nämlich durch die substantielle Form, das Seiende schlechthin sein. Die Akzidentien können Substanz nur im analogen Sinne sein, wenn sie in Analogie zu dem, was ein Seiendes und Ding ist – zur Substanz –, betrachtet werden. Hier stellt sich die Frage, ob Eckhart, indem er den Status der Substanz nur dem Seienden zuspricht, die anderen obersten Gattungen als Akzidentien denkt, d.€h. als solche, die sich auf das Subjekt im analogen Sinne beziehen. Die Antwort auf diese Frage wird explizit im Exoduskommentar gegeben, wo die Art der Beziehung zwischen dem Subjekt und den obersten Gattungen wie folgt präzisiert wird: „Non autem sunt genera analogice, sed sunt genera univoce, alias non essent decem prima genera.“184 Die Benennung prima genera besagt, dass das Oberste weder an einem anderen hängt noch zu einem anderen in Analogie gesetzt wird.185 Daher kann den obersten Prädikamenten oder Gattungen der Status von Akzidentien nicht eingeräumt werden, weil Akzidentien stets an einem anderen angehängt und dadurch ihm untergeordnet sind. In dieser Hinsicht sind die obersten Gattungen „relationslos“. Doch obwohl die obersten zehn Gattungen sich auf das Subjekt univok beziehen und nicht in einer untergeordneten Beziehung zu ihm stehen, lässt sich an ihrem kategorialen Wesensgehalt ein akzidenteller und
183. Vgl. In Exod. n. 54, LW II, S. 58, 8–10: „Nequamquam prima decem entia, sed unum ens, substantia scilicet: reliqua vero non sunt entia, sed entis proprie … entia solum analogice ad unum ens absolute, quod est substantia.“ 184. In Exod. n. 54, LW II, S. 59, 10f.: „Gattungen aber sind die Kategorien nicht im analogen, sondern im gleichen (univoken) Sinn; sonst wären sie nicht die obersten zehn Gattungen.“ 185. Ibid.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
substantieller Wesensgehalt unterscheiden: Neun von ihnen stellen akzidentelle Kategorien dar.186 Aber dieser kategoriale Wesensgehalt gilt für Eckhart nicht als fixiert, sondern hängt vom Prädizieren und den Denotata des Subjekts ab, denn es gilt: „… aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc.“187 Die Frage nach dem akzidentellen Wesensgehalt wird im Zusammenhang mit einem Beweisgang angesprochen, in dem die Beziehung der Kategorie der Relation zum Seienden schlechthin oder Gott dargestellt wird. Hier ist auch zu betonen, dass in diesem Beweisgang Eckharts Ansätze zur Ontologisierung der Semantik zum Vorschein kommen. Der Gedankengang beginnt mit der Prämisse, dass die Relation sich nur auf sich selbst beziehen kann, weil sie nicht in einer untergeordneten, analogen Beziehung zu einem anderen steht. Die Relation setzt ihrer Gattung und ihrem Wesen nach durchaus nichts an ihrem Subjekt; sie besagt weder ein Sein schlechthin noch ein Sein an ihrem Träger, sondern ist ihrem Wesen nach von dem anderen her und zu dem anderen hin. Dieser Gedanke gilt als eine Voraussetzung für die Annahme Eckharts, dass „die Beziehung trotz des geringen Seinsgehaltes, den man ihr zuschreibt, ebenso eine oberste kategoriale Gattung (primum genus praeÂ� dicamenti) ist wie die Substanz.“188 Warum die Relation von den anderen Akzidentien als oberster Begriff abgehoben werden muss, erklärt Eckhart wiederum mit dem Diktum: „… aliter loquendum est et sentiendum de entibus sive rebus, aliter de praedicamentis.“189 Obwohl die Relation ein Akzidens ist, bezeichnet sie doch nicht nach Art eines Akzidens, weil sie nicht nach Art eines dem Subjekt oder der Substanz Anhaftenden bezeichnet. Die anhaftende Kraft vermag nur das zu haben, was auch einen Seinsgehalt besitzt. Die Relation aber ist ihrem Wesen nach nur von dem anderen her und zu dem anderen hin: „Relatio autem quamvis sit accidens, non tamen significat per modum accidentis, quia non (per) modum inhaerentis subiecto sive substantiae …â•›.“190 Dieser Gedanke bildet den Schlüssel zum Verständnis der Eckhart’schen ontologisierten Semantik. Für sie gilt, dass sogar die Akzidentien als prima genera auftreten können, bzw. der Modus der 186. Vgl. In Exod. n. 72, LW II, S. 74, 5–10. 187. Prol. Op. prop. n. 3, LW I, S. 166, 12f. 188. In Exod. n. 54, LW II, S. 59, 12f.: „Dico ergo, quod relatio, quamvis dicatur minime ens, tamen aeque primum genus praedicamenti sicut ipsa substantia.“ 189. In Exod. n. 63, LW II, S. 67, 6f.: „Man muss nämlich … von dem Seienden oder von den Dingen anders reden und denken als von den Kategorien.“ 190. In Exod. n. 63, LW II, S. 67, 9–11: „Obwohl nun die Beziehung ein Akzidens ist, bezeichnet sie doch nicht nach Art eines Akzidens, weil (sie) nicht nach Art eines dem Träger oder der Substanz Anhaftenden (bezeichnet)…â•›.“
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Akzidentien in Abhängigkeit davon, wie sie selbst signifizieren, verändert werden kann. Entscheidend für diese Umwandlung des Modus ist die Signifikation des Begriffs. Da die Beziehung an sich kein Sein aussagt, fügt sie ihrem Träger, d.€h. dem Subjekt, nichts hinzu und kann nur das Bezogen-Sein bezeichnen; ferner ist die Beziehung als solche für ihren Träger kein Ursprung irgendeiner Tätigkeit. Deswegen bleibt die Beziehung entsprechend ihrer Beziehungs- oder Aussageweise, welche sie als eigene kategoriale Gattung begründet, auf Gott anwendbar.191 Eckhart verallgemeinert diesen Gedanken für alle Aussagen bzw. alle möglichen Prädikate auf folgende Weise: Alles, was seinem Träger bzw. Subjekt zufällt und an ihm ist, hat ein Sein mit ihm, und zwar das Sein des Subjekts, auch wenn es tausenÂ�derlei Akzidentelles wäre.192 Dessen Sein ist nämlich ein Sein-An, nämlich an seinem Träger; ferner ist dessen Sein im Sein des Trägers. Es hat nämlich nur das Sein im Sein seines Subjekts. Dies ist die allgemeine Prämisse für Eckhart, die im Bezug auf die Sätze, die über Gott ausgesagt werden, folgendermaßen präzisiert wird: „In deo autem idem est et hoc ipsum esse quod essentia sive substantia.“193 Aus der Identität der Wesenheit und des Seins in Gott aber folgt, dass in Aussagen, welche die Seinsweise Gottes charakterisieren, alle akzidentellen Kategorien ihrer Gattung und Aussageweise nach in die Substanz übergehen: „Igitur omnia praedicamenta accidentalia in deo transeunt in substantiam secundum genus suum et modum praedicandi, quem sortitur a subiecto et ex habitudine ad subiectum.“194 Obwohl Eckhart den zehn obersten Kategorien den Status des Seienden eindeutig abgesprochen hat („decem praedicamenta non sunt decem entia nec sunt decem res“) und somit eine Grenze zwischen der verbalen und der ontologischen Ebene gezogen hat, verbindet er in dieser Passage die beiden Ebenen wieder. Allerdings betont er, dass die zehn obersten Gattungen an sich nicht die zehn obersten Seienden schlechthin darstellen, sondern sie bekom191. Vgl. In Exod. n. 64, LW II, S. 68,11–69,6: „Et quia ut sic nihil positive est in subjecto et nomen relationis hoc solum et illo modo significat et ipsa sola relatio inter novem praedicamenta, iterum autem etiam ut sic non est principium alicuius operationis subiecto … propter hoc relatio secundum modum significandi sive praedicandi, qui modus genus praedicamentale relationis constituit, manet in divinis.“ 192. Vgl. In Exod. n. 65, LW II, S. 69, 9–11: „… omne accidens subiecto et in subiecto habet unum esse cum subiecto et ipsum esse subiecti, etiam si mille essent accidentia.“ 193. In Exod. n. 65, LW II, S. 69, 13f.: „Bei Gott aber ist das Sein mit seiner Wesenheit oder Substanz identisch.“ 194. In Exod. n. 65, LW II, S. 69, 14–16: „Also gehen bei ihm alle akzidentellen Kategorien ihrer Gattung und Aussageweise nach, die sie von ihrem Träger und auf Grund ihres Verhältnisses zu ihrem Träger empfangen, in die Substanz über.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
men in einem propositionalen Kontext, in dem sie von Gott prädiziert werden, die ontologische Bedeutung dadurch, dass sie in die Substanz (d.€h. in Gott oder ein Seiendes schlechthin) übergehen. Daher drückt eine akzidentelle Eigenschaft, wenn sie auf Gott bezogen wird, nicht mehr etwas Zufälliges aus, sondern gibt, da sie ihrer Gattung und Aussageweise nach in die Substanz übergegangen ist, die Wesenheit Gottes wieder. Dieses Übergehen von einem Zufälligen zu einem Notwendigen wird durch einen entsprechenden Übergang auf der Ebene des Signifikationsmodus erklärbar: Das, was in Bezug auf das ens hoc et hoc etwas Zufälliges ausdrückte, drückt in Bezug auf Gott nur Wesentliches aus. Dies meint, dass in der Satzstruktur ‚S ist P‘ die mit P gegebene Eigenschaft notwendig in das Wesen von S übergegangen ist. Indem Eckhart sich nicht scheut, eine solche Auffassung zu formulieren, setzt er sich kritisch mit der Tradition auseinander. Augustinus hat die Bedeutung der Kategorien für die Erkenntnis Gottes in Abrede gestellt. Obgleich ihm zufolge die Kategorien als Leitfaden der Explikation des göttlichen Wesens gebraucht werden müssen, kann Gott weder gemäß der Kategorie der Substanz noch gemäß den neun Kategorien der Akzidentien in seinem Wesen erkannt werden.195 Aus dieser Auffassung entwickelt sich der für das Mittelalter maßgebliche Grundgedanke, dass die Kategorien zwar Leitfaden der Bestimmung, jedoch nicht inhaltliches Moment der Erkenntnis Gottes sein können. Die These Eckharts, das Prädikat oder der Name Gottes könne dessen Wesenheit ausdrücken, passt allerdings nicht in den Rahmen der negativen Theologie. Solch ein intensionales Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Prädikat kennt im Mittelalter die inhaerentia-Theorie. Die angeführte Passage bildet in Eckharts Texten ein Beispiel dafür, wie die metaphysische Auffassung – ungeachtet der Diskursivität der negativen Theologie€– aufgrund ontologischer Schemata die eigentlichen Grenzen der Apophatik verlassen kann: Indem das durch das Prädikat ausgedrückte Akzidens in die Substanz des Subjekts übergegangen ist, drückt es die Wesenheit des Subjekts aus und kann daher nicht mehr als sein bloßer Name betrachtet werden. Der Prädikationstheorie Eckharts scheint dieser Gedanke zugrunde zu liegen, den er noch einmal ausdrücklich im weiteren Verlauf des Textes wie folgt formuliert: „Tunc assumo quod omne genus praedicamenti accidentale secundum rationem suam transit in substantiam praeter rationem propriam relationi, ut dictum est, nam illam non accipit a subiecto.“196 Allein die Relation stellt ein solches genus praedicamentale dar, das 195. Vgl. Augustinus, De Trin. 5, 1. 2; Conf. IV, 28. 196. In Exod. n. 68, LW II, S. 72: „Jede akzidentelle Kategorie geht (in Gattung) ihrem Wesensgehalt nach in die (Kategorie) Substanz über, abgesehen von dem der Beziehung eigenen Wesensgehalt; denn ihn empfängt die Beziehung nicht von ihrem Träger.“
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bei Gott nicht in die Substanz übergeht, sondern gleichsam außerhalb derselben bleibt. Auf solche Weise wird der Kategorie der Relation einerseits der Status des Akzidens abgesprochen, andererseits ist sie, da sie ihrer Gattung nach außerhalb der Substanz Gottes bleibt, verschieden vom Wesensgehalt der Substanz. Wie aber kann etwas vom Wesensgehalt der Substanz verschieden und trotzdem kein Akzidens sein? Eckhart stellt diese These am Beispiel der Trinität exemplarisch dar: Gott ist nicht nach demselben Wesensgehalt Vater, nach dem er Substanz ist, sondern nach dem einen Wesensgehalt ist Gott Substanz, nach dem anderen ist er auch Vater.197 Der kategoriale Wesensgehalt der Relation ist kein Sein an Etwas. Daher bringt dieser Wesensgehalt auch keine Unterschiede ins Sein oder in die Wesenheit: … relatio [tum quia] secundum rationem sui generis <non> transit in substantiam, tum quia in deo substantia sua non habet rationem relationis, tum quia substantia non est deo pro relatione, sicut e converso alia octo genera accidentis, puta qualitas in divinis transit in substantiam.198
Obwohl Gott durch seine eigene Substanz so und so beschaffen ist, etwa wissend, gut und dergleichen, ist er durch seine Substanz nicht auf ein Anderes bezogen. Die einzige Relation, die im Hinblick auf Gott gedacht werden kann, ist die Selbstrelation als die Relation von sich zu sich, weil außer Gott nichts gedacht werden kann und daher Gott auch keine Relation zu einem Anderen haben kann. Ausgehend von der Beschaffenheit der göttlichen Substanz schließt Eckhart, dass von den Akzidentien allein die Beziehung ihrer Gattung nach bei Gott bestehen bleibt und nicht in seine Substanz übergeht. Der Wesensgehalt der Gattung (ratio generis) der Relation grenzt sich dabei seiner Natur nach gegen den Wesensgehalt der Gattung der Substanz ab. Die Voraussetzung dafür ist die Beschaffenheit der Relation, die darin besteht, dass sie kein Sein besitzt, um sich an etwas anzuheften. In dieser Darlegung, welche die Teilhabe der obersten Gattungen an der Substanz darstellt, fallen folgende semantische Aspekte auf, die für den theologischen Diskurs Eckharts paradigmatisch sind: (1) Bei der Prädikation Gottes gehen die Kategorien in die Substanz Gottes über; (2) die Kategorien drücken das Wesen der göttlichen Substanz aus; (3) sie stellen die Entfaltung des Wesens der göttlichen Substanz und nicht eine bloße Hinzufügung zum Subjektbegriff dar.
197. Vgl. In Exod. n. 70, LW II, S. 73. 198. In Exod. n. 72, LW II, S. 74, 5–9: „… die Beziehung geht ihrem kategorialen Wesensgehalt nach nicht in die Substanz über, weil bei Gott die Substanz nicht den Wesensgehalt der Beziehung hat und nicht an die Stelle der Beziehung tritt, wie dies bei den anderen acht akzidentellen Kategorien der Fall ist und etwa die Qualität bei Gott in die Substanz übergeht.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Ein solches Verständnis der Prädikation liegt der Rehabilitation der Gott betreffenden affirmativen Sätze zugrunde. Diese Rehabilitation folgt dem Diktum: „… veritas affirmativae propositionis universaliter consistit in identitate terminorum, negativae autem veritas consistit in alietate et distinctione terminorum.“199 Hiermit wird ein Wahrheitskriterium für die affirmierenden und negierenden Aussagen aufgestellt. Es bedeutet: In einem Satz ‚S ist P‘ wird nichts anderes als die beharrende Identität beider Termini ausgesagt. Diese Identität oder Selbigkeit von Subjekt und Prädikat schließt aber aus, dass der durch das Prädikat ausgedrückte Begriffsinhalt nur als ein Name des Subjekts verstanden wird, weil ein Name oder eine Kategorie, die nicht in einer intensionalen Relation zum Subjekt steht, die Wesenheit des Subjektbegriffes nicht entfalten kann. Dieses Wahrheitskriterium wird von Eckhart durch einen Gedanken ergänzt, der die epistemologische und die ontologische Ebene in seiner Metaphysik in eine Korrelation setzt: „Verum enim et ens convertuntur.“200 Die Wahrheit der bejahenden Aussagen besteht also darin, dass sie besagen, es ist, was ist. Dies gilt aber allein von Gott: „Hoc autem proprie dei est et solius dei.“201 Gott ist die Fülle des Seins und das volle Sein und nichts anderes als das purum esse. Aus dieser ontologischen Annahme und dem Wahrheitskriterium folgt nach Eckhart, dass „die Bejahung, die im Sein und in der Identität der Begriffsworte besteht, auf Gott im eigentlichen Sinn zutrifft“.202 Kein Satz ist wahrer als der, in dem dasselbe von sich selbst ausgesagt wird. Als einen solchen lässt sich nach Eckhart der Satz „Ego sum qui sum“ verstehen.203 So wird der Satz, der im Rahmen der negativen Theologie als ein Zeugnis für die Unnennbarkeit Gottes verstanden wurde, von Eckhart als ein Ausdruck der höchsten Affirmation interpretiert. Die negativen Aussagen bleiben für alles, was diesseits von Gott ist, reserviert.204 Das, was diesseits von Gott ist, ist gleichzeitig seiend und nicht seiend, weil bei jedem, das diesseits des Seins seiend ist, irgendein Sein verneint wird. Ebendiese Annahme, dass die negativen Aussagen eigentlich für die Kreaturen 199. In Exod. n. 73, LW II, S. 75,16–76,1: „… die Wahrheit eines bejahenden Satzes besteht allgemein in der Identität der Begriffsworte, die Wahrheit eines verneinenden Satzes in der Andersheit und Unterschiedenheit der Begriffsworte.“ 200. In Exod. n. 73, LW II, S. 76, 7: „… wahr und seiend sind vertauschbar.“ 201. In Exod. n. 74, LW II, S. 76, 13: „Das aber ist Gott und ihm allein eigen.“ 202. In Exod. n. 74, LW II, S. 77, 2–4: „Concluditur igitur quod affirmatio, consistens in esse et identitate terminorum, deo proprie competit.“ 203. Vgl. In Exod. n. 74, LW II, S. 77, 11f.: „Negatio negationis purissima et plenissima est affirmatio: ‚Ego sum qui sum‘.“ 204. Vgl. In Exod. n. 74, S. 77, 6f.
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bestimmt sind, ermöglicht Eckhart den Schluss, dass auf Gott keine Verneinung außer der Verneinung der Verneinung zutrifft, die ihrerseits nichts anderes als die lauterste Affirmation ausdrückt: „Nulla ergo negatio, nihil negativum deo competit, nisi negatio negationis, quam significat unum negative dictum. … Negatio vero negationis purissima et plenissima est affirmatio.“205 Eckharts Schluss lautet: „Nulla ergo negatio deo congruit.“206 Wenn Gott die Verneinung angemessen wäre, dann verneinte das Sein, dass es das Sein ist. Dies ist aber laut Eckhart unmöglich, denn „nichts verläßt sich selbst.“207 Dies wiederum bedeutet, dass „die Bejahung, da sie ja zum Sein gehört, Gott und dem Göttlichen als solchem zu eigen ist. Die Verneinung jedoch ist Gott nicht eigen, sondern fremd.“208 Der Grund für die Priorität der affirmativen Sätze gegenüber den negativen Sätzen liegt im semantischen Verständnis der Satzstruktur und der Funktion der Kopula: Durch ‚est‘ wird für Eckhart nicht das Hinzufügen von Etwas zum Subjekt bzw. zur Substanz (hier Gott) ausgedrückt, wie es gemäß der negativen Theologie der Fall ist, sondern es wird das Sein ausgesagt, das in der Bejahung eingeschlossen ist: „… affirÂ� matio esse habet et includit. Li est enim medium est omnium affirmativarum, vel in ipsum resolvuntur.“209 Jeder verneinende Satz schließt aber das Nicht-Sein ein, und dieses kann Gott nicht zukommen. Außerdem kann dem Subjekt (hier Gott) durch das Prädikat kein Akzidens hinzugefügt werden, das seinem kategorialen Wesensgehalt nach nicht in die Substanz übergegangen wäre. Nur auf die Kategorie der Relation trifft dieser Übergang nicht zu, und dies nur deswegen, weil sie nichts an einer Substanz Anhaftendes aussagt. Eckhart ist sich bewusst, dass diese aus der Diskursivität der negativen Theologie entstandene Beweisführung im Gegensatz zu den Grundprinzipien der apophatischen Theologie steht. Deshalb schlägt er eine Deutung der Auffassung des Pseudo-Dionysius vor, welche die Rehabilitierung der affirmativen Sätze in Bezug auf Gott abschließend rechtfertigt.
205. In Exod. n. 74, LW II, S. 77, 9–11: „Auf Gott trifft also keine Verneinung, nichts Verneinendes zu außer der Verneinung der Verneinung, die das eine Verneinung einschließende Eine ausdrückt. … Die Verneinung der Verneinung ist jedoch lauterste und vollste Bejahung.“ 206. In Exod. n. 74, LW II, S. 78, 1: „Also ist Gott keine Verneinung angemessen.“ 207. Vgl. In Exod. n. 74, LW II, S. 78, 2f.: „Esse non potest negare esse se ipsum esse: ‚nihil se ipsum deserit‘.“ 208. In Exod. n. 77, LW II, S. 80, 9–11: „… affirmatio, utpote ad esse pertinens, propria est deo et divinorum, in quantum divina sunt. Negatio autem non est propria, sed aliena a deo.“ 209. In. Exod. n. 77, LW II, S. 80,11–81,2: „… die Bejahung besitzt das Sein und schließt es ein. Das Wörtchen ‚ist‘ ist ja die Kopula in allen bejahenden Sätzen (entweder ausdrücklich) oder nach Zurückführung (auf die Ist-Form).“
3.6
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Eckharts Interpretation der via negativa
Die These Eckharts, dass die Bejahung Gott und dem Göttlichen zu eigen ist, widerspricht der schon aufgeführten Meinung des Maimonides und widerspricht der negativen Theologie. Eckhart liegt daran, seine eigene Auffassung mit der negativen Theologie zu versöhnen. Zu diesem Zweck nützt er den Diskurs der Apophatik und die kirchliche Autorität des Pseudo-Dionysius, indem er dessen Ausgangspunkt im Sinne seiner eigenen Auffassung interpretiert. Im zweiten Kapitel von De coelesti hierarchia konstatiert Dionysius, dass in Bezug auf Gott die Verneinungen wahr, die Bejahungen aber unzutreffend seien: Εἰ τοίνον αἱ μὲν ἀποφάσεις ἐπὶ τῶν θείων ἀληθεῖς, αἱ δὲ καταφάσεις ἀνάρμοστοι τῇ κρυφιότητι τῶν ἀπορρήτων, οἰκειοτέρα μᾶλλόν ἐστιν ἐπὶ τῶν ἀοράτων ἡ διὰ τῶν ἀνομοίων ἀναπλάσεων ἐκφαντορία.210
Eckhart gibt diesen Gedanken des Dionysius präzise in dem Satz wieder: „… negationes de deo sunt verae, affirmationes vero incompactae.“211 Obwohl diese Auffassung die Affirmation in Bezug auf Gott ausschließt, meint Eckhart, dass sie seiner Position nicht entgegensteht („non obstat“): „Hoc enim verum est quantum ad modum significandi in talibus.“212 Die entscheidende Rolle in diesem Satz spielt die mit „quantum ad“ eingeleitete Einschränkung: Die dionysische Position ist wahr nur unter der Bedingung, dass der modus significandi der Wörter und daher des ganzen Satzes berücksichtigt wird. Eckhart schlägt vor, zwischen den Seinsvollkommenheiten, die unser Intellekt an den Geschöpfen erkennt, und den Vollkommenheiten an sich zu unterscheiden. Diese Unterscheidung geht von der Prämisse aus, dass die perfectiones, die unser Verstand an den Geschöpfen erfasst, nicht die perfectiones per se darstellen, sondern in ihrem An-den-Geschöpfen-Sein unvollkommen, zerteilt und verstreut sind. Daher kann der modus significandi, der sich auf die Kreaturen bezieht, die
210. Pseudo-Dionysius Areopagita, De coelesti hierarchia II, 2.3.4, 141 a, in: Corpus Dionysiacum II, hrsg. von G. Heil/A. M. Ritter, Berlin/NY 1991, S. 12f., 20–23. Vgl. Übers: „Wenn es nun zutrifft, daß die Negationen bei den göttlichen Dingen wahr, die positiven Aussagen hingegen der Verborgenheit der unaussprechlichen Geheimnisse unangemessen sind, dann folgt, daß bei den unsichtbaren Gegenständen die Darstellung durch Ausdrucksformen ohne jede Analogie eher die passendere ist.“ Pseudo-Dionysius Areopagita, Über die himmlische Hierarchie, eingel. und übers. von G. Heil, Stuttgart 1986, S. 32, 5–9. 141 A. 211. In Exod. n. 78, LW II, S. 81, 3f. 212. In Exod. n. 78, LW II, S. 81, 2f.: „Sein Wort ist nämlich wahr, wenn man die Bezeichnungsweise in solchen (Sätzen) im Auge hat.“
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Vollkommenheit an sich nie wiedergeben. Diese Differenz hebt Eckhart wie folgt hervor: … ratio id quod est ad intellectum pertinet et ad veritatem. Veritas enim in solo intellectu est, non extra. Igitur perfectiones in rebus extra non verae perfectiones sunt. Ipsas igitur attribuere deo est ipsum apprehendere imperfectum et ipsum non esse intellectum se toto purum, sed esse rem extra, saltem aliquo sui, sicut in inÂ� tellectibus creatis.213
Aus dieser Passage folgt erstens, dass das, was wahr ist, zum Intellekt gehört, zweitens, dass das Wahre eine Idee darstellt, drittens, dass die Idee der Außenwelt fremd ist. Durch diese drei Kriterien wird ein intelligibler Bereich für die Wahrheit konstituiert, in dem die Vollkommenheiten an sich zu betrachten sind und wo sie wahre Vollkommenheiten darstellen. Die Vollkommenheiten in den Dingen der Außenwelt oder – in platonischen Termini – die in den Dingen anzutreffenden Vollkommenheiten sind keine wahren Vollkommenheiten. Eine solche Annahme impliziert, dass die Vollkommenheiten in den Dingen, die bezogen auf Gott unwahre Vollkommenheiten sind, die Reinheit des göttlichen Seins beflecken. Zur Lösung der Schwierigkeiten, die im Hinblick auf das Reden oder Denken über die perfectiones entstehen, ist es gemäß Eckhart erforderlich, bei Sätzen, in denen die perfectiones vorkommen, zweierlei zu berücksichtigen: (1)€Bedenkt man die bezeichneten (significata) Vollkommenheiten selbst, nämlich Gutheit, Wahrheit, Leben, Erkennen und dergleichen, sind die Sätze, in denen die perfectiones vorkommen, zutreffend und wahr („et sic sunt compactae et verae“); (2)€Bedenkt man die Bezeichnungsweise (modus significandi) selbst, sind die Sätze unzutreffend.214 Eckhart will also den dionysischen Satz dadurch im Sinne seiner eigenen Auffassung verstehen, dass er die Sprache, mit der über die allgemeinen Begriffe geredet oder nachgedacht wird, von der Sprache, mit der über die Kreaturen gesprochen wird, unterscheidet. Im Lichte dieser Unterscheidung wird auch die dionysische Apophatik interpretiert.
213. In Exod. n. 176, LW II, S. 152, 1–5: „…die Idee gehört ihrem Wesen nach zum Verstand und in den Bereich der Wahrheit. Wahrheit ist nämlich nur im Verstand, nicht in der Außenwelt. Folglich sind die Vollkommenheiten in den Dingen der Außenwelt keine wahren Vollkommenheiten. Sie Gott beilegen heißt demnach, ihn unvollkommen denken und behaupten, daß er nicht völlig reiner Intellekt sei, sondern – wenigstens mit einem Teil seines Wesens – ein Ding unter Dingen, wie das auf die geschaffenen Geistwesen zutrifft.“ 214. Vgl. In Exod. n 78, LW II, S. 81, 8–11: „In his enim propositionibus est duo considerare, scilicet ipsas perfectiones significatas, puta bonitatem, veritatem, vitam, intelligere et huiusmodi; et sic sunt compactae et verae. Est etiam considerare in talibus modum significandi; et sic incompactae sunt, quod ait Dionysius.“
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Dass Eckhart nach der Aufführung einiger Zitate aus der Bibel215 die Auslegung von Exodus 15â•›:â•›3 mit den Worten von Augustinus „quis est autem qui sic cogitat deum quemadmodum ille est?“216 beendet, bedeutet für ihn aber noch nicht das Ende der Diskussion über die negativen und positiven Aussagen, weil er diese Thematik im Exoduskommentar noch einmal aufgreift. In der Auslegung von Exodus 20â•›:â•›7 entfaltet Eckhart seinen Beweisgang folgendermaßen: Einerseits wird der Gedanke, dass etwas Positives von Gott angenommen oder in ihm erfasst wird, für nichtig und unzutreffend erklärt,217 andererseits wird betont, dass eine verneinende Aussage nichts Wesentliches€– weder vom wahren Wesen des Dinges, von dem etwas verneint wird, noch von irgend etwas an ihm – wissen lässt. Aus verneinenden Prämissen folgt nichts, das heißt, dass durch die negativen Prämissen weder etwas gewusst noch in seinem Sein begründet wird.218 Eckhart geht auf Maimonides’ Beurteilung des Problems ein, doch macht er sie sich nicht zu eigen. Er zitiert Maimonides wie folgt: … enuntiatio de creatore per verba negativa est vera, in quam non cadit dubitatio, nec est in ea diminutio in veritate creatoris ullo modo. Sed enuntiatio de ipso per verba affirmativa partim est in aequivocatione, partim in imperfectione.219
Das Zitat macht deutlich, dass sich Maimonides der Auffassung der negativen Theologie anschließt, dass, da nur die verneinenden Aussagen über Gott für wahr, die bejahenden aber teilweise für äquivok, teilweise für unvollkommen erklärt werden, die Möglichkeit einer Gotteserkenntnis ausgeschlossen ist. Diese agnosÂ� tische Position ist für Eckhart unannehmbar, weil sie den Unterschied zwischen Moses, Salomon, Paulus, Johannes und allen anderen Weisen auf der einen und den Unwissenden auf der anderen Seite verwischte, wenn jene Weisen in der 215. Gemeint sind Kor. 13, 12: „‚videmus enim nunc‘ ‚in aenigmate‘ et ‚ex parte‘“; Ps. 115,11: „omnis homo mendax.“ Übers.: „Wir schauen nämlich jetzt im Rätsel und stückweise“; Ps. 115, 11: „Jeder Mensch ist ein Lügner.“ Vgl. In Exod. n. 78, LW II, S. 82, 2–3. 216. In Exod. n. 78, LW II, S. 81,15–82,1: „Wer aber dächte Gott so, wie er wirklich ist?“ 217. Vgl. In Exod. n. 177, LW II, S. 152,8–153,2: „Nihil ergo positivum receptum de deo vel in deo apprehensum verum est, sed vanum et incongruum. Haec de nominibus affirmative dictis de deo.“ 218. Vgl. In Exod. n. 178, LW II, S. 153, 3–6: „Ubi primo sciendum quod ‚abnegatio non facit scire aliquid de veritate rei, a qua fit abnegatio‘, nec aliquid quod in ipsa sit. Propter hoc enim ‚ex negativis nihil sequitur‘ nec scitur nec in esse aliquo constituitur.“ 219. In Exod. n. 178, LW II, S. 153, 10–13: „… eine verneinende Aussage über den Schöpfer ist wahr, sie enthält nichts Zweifelhaftes, noch erleidet in ihr die Wahrheit über den Schöpfer irgendwie eine Einbuße. Aber eine bejahende Aussage über ihn enthält entweder nur Namensgleichheit oder bleibt unvollkommen.“
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Gotteserkenntnis lediglich zu rein verneinenden Aussagen gekommen wären, die im Grunde genommen an Gott nichts erkennen lassen.220 Neben dieser gnoÂ� seologischen Ebene pointiert Eckhart in diesem Zusammenhang auch die semantische Ebene, denn er stellt die Frage: „Worin unterscheiden sich die verneinenden Aussagen über Gott von den bejahenden, wenn diese nichts bejahen und jene nur verneinen, also ebenso wenig bejahen?“221 Dieser komplexe, kognitiv-semantische Widerspruch ist sowohl in Maimonides’ Auffassung als auch in der ganzen negativen Theologie implizit enthalten, wird aber gleichsam verdeckt durch die Annahme eines irgendwie gearteten Erkenntnisgehalts auch der negativen Aussagen. Eckhart rückt die Auflösung dieses Widerspruchs in den Mittelpunkt des ExoÂ� duskommentars. Er findet folgenden Ausweg aus dem in obiger Frage formulierten Dilemma: Die bejahenden Aussagen führen ihrer Natur nach entweder zur 220. Vgl. In Exod. n. 178, LW II, S. 153,15–154,2: „… in quo differt Moyses, Salomon, Paulus et Iohannes et ceteri sapientes in cognitione dei ab imperitis quibuslibet, si nihil eorum quae sunt in deo cognoverunt nisi puras negationes?“ Der agnostische Charakter der negativen Sätze im Hinblick auf Gott wird von H. Fischer betont: „Von den negativen Bezeichnungen ist zu sagen: eine Negation läßt uns nichts von der Wahrheit des Dinges noch von dem, was in ihm ist, erkennen. Daraus entsteht die doppelte Frage, wieso behauptet werden kann, Negationen über Gott seien wahr, und die andere, wie sich affirmative und negative Aussagen voneinander unterscheiden. Die Negation hebt auf, sie setzt nichts Positives. Sie gründet aber in einer Affirmation und schließt aus, wie das Licht die Finsternis.“ H. Fischer, Meister Eckhart. Einführung in sein philosophisches Denken, Freiburg/München 1974, S. 130. Es ist bemerkenswert, dass mit der Eckhart’schen Frage nach der Gotteserkenntis in der angeführten Passage sich die Interpretation von W. Goris schwer vereinbaren lässt: „Dadurch, daß Eckhart die Gotteserkenntnis in Gestalt einer Gnade denkt, zu der kein natürlicher Weg hinführt, bestätigt er die menschliche Hoffnung auf eine Bereinigung mit dem Göttlichen ohne einen qualitativen Bruch zwischen der Gotteserkenntnis diesseits und im Jenseits einzuführen, bestätigt aber zugleich die fundamentale Unzugänglichkeit der natürlichen Vermögen des Menschen, zu einer solchen Gotteserkenntnis zu gelangen.“ W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 363. 221. In Exod. n. 179, LW II, S. 154, 3–5: „… quomodo negativa differunt ab affirmativis dicta de deo, si nec illa quidpiam ponunt nec ista, negativa scilicet, aliquid ponunt, sed tantum negant.“ Diese Fragestellung Eckharts lässt sich mit der folgenden Interpretation W. Banges schwer vereinbaren: „Die ‚negativen Namen‘ sagen zunächst zwar, was Gott nicht ist; aber je mehr negative Prädikate jemand Gott zu geben weiß, desto tiefere Erkenntnis hat er von Gott.“ W. Bange, Meister Eckeharts Lehre vom göttlichen und geschöpflichen Sein, S. 38. In der Eckhart’schen Darlegung ist bekanntlich keine Rede von einer tieferen Gotteserkenntnis durch die negativen Namen, sondern vielmehr vom Fehlen einer solchen. Die weiteren Aufführungen Banges geraten auch in Widerspruch zur Eckhart’schen Auffassung über die doppelte Art der Prädikation, da Bange nur eine Art von Prädikation animmt, und zwar diejenige, die „nur die bezeichnete Sache (Sein, Güte, Weisheit) auf Gott übertragen“ kann, „nicht auch den Modus, nach dem sie von uns gedacht wird oder nach dem sie etwa in den Geschöpfen sich findet.“ Ebd., S. 39.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
Erkenntnis von etwas, das die Substanz des Dinges ist, dem die Aussage gilt, oder zur Erkenntnis von etwas, das als Eigenschaft oder Akzidens der Substanz anhaftet. Für die verneinenden Aussagen gilt dies nicht. Sie besagen lediglich, dass eine Vollkommenheit, die ein verneinter Begriff bezeichnet, nicht vorhanden ist oder dort fehlt, wo sie sein sollte. Die Verneinung hebt alles auf, was die Vollkommenheit beinhaltet, ohne etwas zu setzen. Daher besagen die verneinenden Aussagen über Gott lediglich, dass nichts von dem, was in der Außenwelt ist und was die Sinne wahrnehmen, in Gott ist.222 Jede Privation setzt notwendig den entsprechenden Habitus voraus: Damit etwas fehlen kann, muss es erst einmal vorhanden sein. Um etwas zu verneinen, muss dieses Etwas schon vorher gegeben sein. Das meint der Satz „negatio fundatur in affirmatione“,223 weil die Verneinung auch die Bejahung voraussetzt: „Affirmatio und negatio“, so Schirpenbach, „erscheinen als relationale Begriffe, wenn auch nicht einander gleichgeordnet, sondern ausgehend von einer Grundaffirmation, dass das Sein der Normal- und Ursprungszustand ist, der dann eine negatio in einschränkendem Sinne zugeÂ� ordnet sein kann.“224 Den Schluss, dass nur das verneint werden kann, was schon vorher gegeben war, findet Eckhart überzeugend genug, um zu behaupten, dass in Gott etwas ist, das die Unwissenheit, Leidensfähigkeit und dergleichen von ihm ausschließt.225 Das Ausschließen der Unwissenheit betont immer wieder den Primat des Wissens in Bezug auf Gott, weil das, was nach dem Ausschluss der Unwissenheit bleibt, nur das Wissen sein kann. Der Weg des Ausschlusses ist aber die via negativa, was Eckhart auch nicht bestreitet: „Negative Attribute werden dem Schöpfer
222. Vgl. In Exod. n. 179, LW II, S. 154, 6–13: „… affirmationes ex sui natura faciunt venire in cognitionem alicuius, quod sit ipsa substantia eius de quo dicuntur vel aliquid eius, puta proprietas vel accidens. Negationes vero ex sui natura non sic, sed solam remotionem sive privationem perfectionis, quam terminus negatus significat. Negatio liquide tollit totum quod invenit, nihil ponens. … Negationes ergo dictae de deo hoc solum ostendunt quod nihil istorum, quae in rebus extra sunt et quae sensibus apprehenduntur, in deo est.“ 223. In Exod. n. 181, LW II, S. 155, 14. 224. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 71. Schirpenbach fährt dort: „Die Negation hat keinen positiven inhaltlichen Gehalt, sondern definiert sich nur durch ihre Defizienz gegenüber der reinen Affirmation. Sie ist nicht als Gegenprinzip zu verstehen, sondern als Absetzung von der Affirmation, und dies als deren Einschränkung. Das heißt, nur in Bezug auf eine Affirmation und unter Annahme der Möglichkeit einer Affirmation kann überhaupt von einer Negation gesprochen werden.“ 225. Vgl. In Exod. n. 181, LW II, S. 155,14–156,1: „… aliquid esse in deo, quodcum sit illud, excludens ignorantiam, passibilitatem et huiusmodi, …â•›.“
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Sprache und Metaphysik
nur in der Weise beigelegt, wie man von einem Ding etwas verneint, was ihm nicht zugehören kann.“226 Hier zitiert Eckhart erneut Maimonides’ Auffassung: Je mehr negative Attribute du dem Schöpfer beilegst, um so näher kommst du seiner Erkenntnis und bist ihm näher als der, der es nicht versteht, unvollkommene Attribute von ihm zu verneinen, von denen erwiesen ist, daß sie fern von Gott sind.227
Die Position von Maimonides fasst Eckhart auf folgende Weise zusammen: Die vollkommenere Gotteserkenntnis hat derjenige, der mit stärkeren Gründen die Attribute, die von Gott fern sind, verneint und der ferner dieses für eine größere Zahl solcher Attribute zu leisten vermag. Das Kriterium für „derartige Attribute“ ist von Eckhart schon erläutert worden: Die Attribute, die von Gott fern sind, stammen aus der Außenwelt und sind durch die Sinne wahrnehmbar.228 Hier lässt sich natürlich fragen, ob Eckhart alle Attribute als fern von Gott versteht oder ob dies nur auf eine bestimmte Klasse von ihnen zutrifft? Eckharts Rede von huiusmodi attributiones impliziert schon die Beschränkung auf eine bestimmte Klasse. Für die Zugehörigkeit zu ihr hat Eckhart Kriterien aufgestellt. Nun stellt sich Frage, ob zu den huiusmodi attributiones von Eckhart auch die termini generales gerechnet werden oder ob er sie strikt von ihnen unterscheidet? Wie wir schon gesehen haben, hat Eckhart gemäß dem Grundsatz „aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc“229 den propositionalen Kontext markiert, der geeignet ist, Aussagen über das Seiende schlechthin zu machen. Dabei hat er hinsichtlich der termini generales festgestellt, dass der akzidentelle Wesensgehalt der Kategorie in die Substanz bzw. den substanziellen Wesensgehalt übergeht, sobald die kategorialen Sätze Gott betreffen. Ausgenommen von diesem Übergehen des Wesensgehaltes ist nur die Kategorie der Relation, weil sie nur eine Bewegung von anderem zu anderem besagt und nicht als etwas gedacht werden kann, das anderem anhaftet. Ungeachtet dessen denkt Eckhart die Relation als eine Kategorie, die zu den obersten Begriffen aufgestiegen ist und in einem univoken Sinne im Hinblick auf das Subjekt gedacht werden kann. Für ihn können die termini generales nicht mehr die „huiusmodi attributiones“ sein, die von Gott fern sind,
226. In Exod. n. 182, LW II, S. 156, 3–5: „… ‚nomina negativa non‘ attribuuntur ‚creatori nisi secundum modum quo removetur aliquid ab alio, quod non est aptum, ut inveniatur in ipso….‘.“ 227. In Exod. n. 183, LW II, S. 156,13–157,2: „… ‚quidquid addideris nominibus negativis respectu creatoris, appropinquabis apprehensioni eius et eris <ei> propinquior quam ille, qui nescit removere‘ a deo imperfectiones sive attributiones, ‚de quibus probatum est quod longe sunt a deo‘.“ 228. Vgl. In Exod. n. 176, LW II, S. 152, 1–5. 229. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 166, 12.
Kapitel 3.╇ Die Satzstruktur von „Unum est negatio negationis“
aus der Außenwelt stammen und durch die Sinne wahrnehmbar sind, weil sie selbst in die Substanz bzw. das Subjekt, d.€h. Gott, übergegangen sind. Dadurch aber, was im Gott ist, kann Gott erkannt werden.
Zusammenfassung Die Frage nach der negatio negationis als nach einem philosophischen Terminus in Eckharts Metaphysik kann nur im Zusammenhang mit seiner Auffassung der Prädikation betrachtet werden. Der Prädikationslehre Eckharts liegt die folgende semantische Prämisse zugrunde: „aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc.“ Sie ermöglicht es ihm, einerseits das Sein der zehn obersten Gattungen auf der Ebene der Sprache anzusiedeln und sie dadurch von der ontologischen Ebene zu trennen, andererseits den Übergang des akzidentellen Wesensgehalts der von Gott prädizierten Attribute in dessen substantiellen Wesensgehalt anzunehmen. Die Kategorie, die in den Wesensgehalt des Subjekts ‚Gott‘ übergegangen ist, stellt schon dessen Wesenheit dar und ist nicht mehr etwas Zufälliges, sondern ein im Begriff des Subjekts impliziertes Notwendiges, das ihm inhäriert und zum Grund einer beharrenden Identität zwischen dem Subjekt und dem Prädikat wird. Das Sprachmodell, innerhalb dessen Eckhart eine solche Relation denkt, lässt sich unter inhaerentia-Theorie einordnen. Eine so entstandene beharrende Identität zwischen dem Subjekt und dem Prädikat schließt die Annahme der via negativa aus, die das Prädikat zu etwas erklärt, das in einem affirmativen Satz das Wesen Gottes nicht ausdrücken kann. Eine solche Auffassung bestreitet die Möglichkeit der Gotteserkenntnis: Die Aussagen über Gott müssen negiert werden, weil die menschliche Vernunft nicht dazu geeignet ist, die Prädikation Gottes durchzuführen. Eine solche Position impliziert eine agnostische Auffassung, die Eckhart, wie wir gesehen haben, überwinden will. Daher wird die Frage sowohl nach der Möglichkeit der Gotteserkenntnis als auch nach der des Ausdrucks dieser Erkenntnis von ihm positiv beantwortet. Im Folgenden wird gezeigt, wie eine so verstandene Prädikation Eckhart es ermöglicht, sein eigenes ontologisches Schema wiederzugeben.
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kapitel 4
Die Auswirkung der Prädikation auf die Grundsätze der Metaphysik
4.1
Die Transzendentalienlehre
Die Transzendentalienlehre ist „das Kernstück der scholastischen Ontologie und Metaphysik“.230 Im Mittelalter lässt sich die Ontologie von der Transzendentalienlehre nicht trennen. Nach der treffenden Formulierung von M. Müller sind die Transzendentalien „der Grund der Möglichkeit der Ontologie als Wissenschaft. Damit sind sie ihr Einsatzpunkt. Sie hat bei ihnen zu beginnen. Ontologie ist zuerst und zunächst: Transzendentalienlehre.“231 Die Transzendentalienlehre als Begründung für die Möglichkeit der Ontologie bildete das Fundament für das Gottesdenken. Diese Lehre behandelt überkategoriale Bestimmungen, die von allen Dingen aussagbar sind – Seiendes (ens), Eines (unum), Wahres (verum) und Gutes (bonum) – und die in ihrer Allgemeinheit die aristotelischen Kategorien oder die zehn obersten Gattungen in dem Sinne übersteigen, dass sie nicht auf eine Kategorie beschränkt sind, sondern alle umgreifen. Obwohl sich die TransÂ� zendentalien als untereinander austauschbar erweisen, gelten sie dennoch nicht als synonym. Untereinander sind sie im Träger (in subiecto) identisch, begrifflich jedoch verschieden: So drückt die Wahrheit etwas anderes aus als die Gutheit, obwohl Wahrheit und Gutheit in den Dingen gleichzeitig auftreten. Aristoteles’ Kritik an Platons Idee des Guten wurde als ein Hinweis auf den transzendentalen Charakter des Guten gedeutet: Es könne keine Idee des Guten geben, da das Gute in ebenso vielen Bedeutungen wie das Seiende ausgesagt werde und sich in allen Kategorien finde.232 Grundlage für die Lehre von den Transzendentalien bilden die Ausführungen von Aristoteles über das Seiende und das Eine im IV. Buch der Metaphysik, wo 230. J. B. Lotz, Zur Konstitution der transzendentalen Bestimmung des Seins nach Thomas von Aquin, in: Ders., Der Mensch im Sein. Versuche zur Geschichte und Sache der Philosophie, Freiburg i. Br./Basel/Wien 1967, S. 67–75. 231. M. Müller, Sein und Geist. Systematische Untersuchungen über Grundproblem und Aufbau mittelalterlicher Ontologie, Tübingen 1940, S. 49. 232. Vgl. Aristoteles, Eth. Nic. I 4, 1096 a 19–29.
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Sprache und Metaphysik
er ihr Verhältnis durch die Momente der Identität und Differenz bestimmt: „Das Seiende und das Eine sind dasselbe und eine einzige Natur dadurch, daß sie einander folgen …, jedoch nicht so, daß sie durch einen Begriff bestimmt werden.“233 Dem Einen sei es eigentümlich, dass es durch eine Negation definiert werde, und zwar als das ‚Ungeteilte‘.234 Wenn die Transzendentalien als communissima und prima gekennzeichnet werden, wird dadurch ihre unterschiedliche philosophische Funktion angezeigt: Ontologisch betrachtet, sind sie das Gemeinsamste, da sie von allem ausgesagt werden können; in kognitiver Hinsicht sind sie das Erste, „da sie nicht auf etwas Früheres zurückgeführt werden können.“235 In der mittelalterlichen Transzendentalienlehre sind aristotelische und platonische Gedanken zu einem einheitlichen Ganzen verwoben. Die systematische Tendenz der scholastischen Philosophie wird daher in diesem Lehrstück besonders klar erkennbar. Um das Jahr 1230 scheint als erster Philipp der Kanzler einen Traktat zur Transzendentalienlehre, die Summa de bono, verfasst zu haben.236 Im Prolog stellt er fest: „… am allgemeinsten (communissima) sind das Seiende, Eine, Wahre und Gute.“237 Philipp befasst sich vor allem mit zwei Fragen, die Kernprobleme der Transzendentalienlehre darstellen: der Frage nach dem Unterschied zwischen den communissima, die ja miteinander vertauschbar (convertibilia) sind, und der Frage nach ihrem Verhältnis zu demjenigen, was Gott eigentümlich (proprium) ist, weil ‚Seiend‘, ‚Eines‘, ‚Wahres‘ und ‚Gutes‘ manchmal Gott appropriiert werden. Die von Aristoteles angeregte Lösung der ersten Frage wurde für die Doktrin im 13. Jahrhundert grundlegend. Das Allgemeinste ist gemäß seinen supposita (Trägern) identisch, jedoch begrifflich (secundum intentionem) verschieden. ArisÂ� toteles’ negative Bestimmung des Einen wird zum Modell für Philipps Ordnung der communissima. Nicht nur das Eine, sondern auch das Wahre und Gute fügen dem Seienden die Verneinung von Geteiltheit hinzu: Das Wahre ist die Ungeteiltheit (indivisio) von esse und id quod est, das Gute die von Akt und Potenz.238 Hinsichtlich der zweiten Frage legt Philipp dar, die Allgemeinheit des Begriffes
233. Vgl. Aristoteles, Metaph. IV 2, 1003 b 22–1004 a 1. 234. Vgl. Aristoteles, Metaph. X 1, 1052 b 15. 235. Vgl. Philipp der Kanzler, Summa de bono 9, hrsg. von N. Wicki, Bern 1985, S. 30. 236. Vgl. D. H. Pouillon: Le premier traité des propriétés transcendentales: La ‚Summa de bono‘ du Chancelier Philippe, in: Revue néoscolastique de philosophie 42 (1939), S. 40–77. 237. Vgl. Philipp der Kanzler, Summa de bono 9, hrsg. von N. Wicki, Prol., S. 4. 238. Vgl. Philipp der Kanzler, Summa de bono, S. 1–3, 5–17.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
‚Gut‘ sei eine Gemeinsamkeit secundum prius und posterius. Hierfür wird später der Terminus ‚Analogie‘ verwendet. ‚Gut‘ wird von Gott primär ausgesagt, von den Geschöpfen in zweiter Linie und in Beziehung zu ihm, weil ihr Gutsein von Gott verursacht ist.239 Der grundlegende Text für Eckharts Lehre von den Transzendentalien ist der Prologus in Opus propositionum. Das Hauptthema der ersten vier Traktate des Opus tripartitum sind das Seiende, das Eine, das Wahre und das Gute sowie ihre Gegensätze. Da die TransÂ� zendentalienlehre das Kernstück der scholastischen Ontologie und Metaphysik bildet,240 prägt die Art und Weise, wie Eckhart die Transzendentalien versteht, auch den spezifischen Charakter seiner Metaphysik: Diese Lehre beansprucht eine gewisse Eigenständigkeit der philosophischen Reflexion. Sie setzt ein gewisses axiomatisches Schema insofern voraus, als die Transzendentalien nicht nur als gemeinsamste, sondern auch als erste Vernunftbegriffe betrachtet werden. Sie können nicht definiert werden, da sie in jedem anderen Begriff – und somit in jeder Erkenntnis und Wissenschaft – vorausgesetzt werden.241 Eigentümlich für Eckharts Transzendentalienlehre ist die Ansicht, dass die Transzendentalien im eigentlichen Sinne nur Gott zukommen. Illustrativ für diese Identifizierung ist seine Auslegung des Schriftwortes „Er kam in sein Eigen“ (Joh. 1, 11): … propria ista, in quae deus venit, sunt esse sive ens, unum, verum, bonum. Haec enim quattuor deus habet propria, utpote >primum<, quod >est dives per se<. Habet ista, quia >dives<; habet propria, quia >per se<. Praedicta enim quattuor omnibus citra primum ‚hospites‘ sunt ‚et advenae‘, domestica deo.242 239. Vgl. Philipp der Kanzler, Summa de bono, S. 5, 22. 240. Vgl. J. B. Lotz, Zur Konstitution der transzendentalen Bestimmung des Seins nach Thomas von Aquin, in: Ders., Der Mensch im Sein. Versuche zur Geschichte und Sache der Philosophie, Freiburg/Basel/Wien 1967, S. 67–75. 241. Mehr darüber bei W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 16. Die Innovation der TranszendentaÂ� lienlehre Meister Eckharts betont auch Th. Kobusch, wenn er schreibt: „Die Transzendentalienlehre Meister Eckharts ist von unerhörter Neuheit. Denn sie ist nichts anderes als Gotteslehre.“ Th. Kobusch, Lesemeistermetaphysik – Lebemeistermetaphysik: Zur Einheit der Philosophie Meister Eckharts, in: A. Speer/L. Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 283–297, hier S. 248. 242. Vgl. In Ioh. n. 97, LW III, S. 83,13–84,1: „… das Eigene, in das Gott kam, ist das Sein oder Seiende, das Eine, das Wahre und das Gute. Denn diese vier hat Gott zu eigen, da er ‚das erste‘ ist, das ‚von Natur reich‘ ist. Er hat sie, weil er ‚reich‘ ist; er hat sie zu eigen, weil ‚von Natur‘. Denn diese vier Vorgenannten sind für alles unter dem Ersten ‚Gäste und Fremdlinge‘, für Gott Hausgesinde (Eph. 2, 19).“
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90 Sprache und Metaphysik
Zugleich verwendet Eckhart die Transzendentalienlehre zur philosophischen Verdeutlichung der göttlichen Trinität. Dadurch erlangt er eine neue DimenÂ�sion im spekulativen Denken der Trinität, die zur Gleichsetzung der trinitarischen Personen mit den Transzendentalien führt. Im Kommentar zum Johannesevangelium legt er dar, dass aus einem Ununterschiedenen und Unbestimmten nichts hervorgeht. Das Nicht-Notwendige und das Unentschiedene verweise als Unbestimmtes auf die Natur der Materie, bringe nichts hervor und bewirke nichts. Eckhart zufolge eignet diese Charakterisierung dem Sein, weil das Sein das Innere und die Wesenheit betreffe und seinem Sinngehalt nach nicht Ursprung irgendeines Hervorbringens sei. Auf solche Weise wird das Sein mit der göttlichen Wesenheit gleichgesetzt.243 Zum Sein, das nichts hervorbringt und aus dem Nichts hervorgebracht wird, verhält sich am unmittelbarsten das Eine. Ausgehend vom zehnten Buch der MetaÂ� physik des Aristoteles, schließt Eckhart, dass das Eine als Erstes bestimmt sei. Es grenze das Sein gegen das Viele ab. Darum komme es dem Einen seinem Sinngehalt und seiner Eigentümlichkeit nach zu, erstes Hervorbringendes und Vater der gesamten Gottheit und der Geschöpfe zu sein.244 Damit wird das ‚Eine‘ eindeutig dem Vater appropriiert, weil das Eine ‚das erste Hervorbringende‘ ist. Da das Eine oder der Vater das Hervorbringen der gesamten Gottheit und der Geschöpfe iniÂ� tiiert, ist ihm in der Gottheit die Einheit zu eigen. Damit ist der Vater das Eine als Einheit, als Einheit des Wesens oder als wesentliche Einheit, in der kein Sein als Sein anzutreffen ist, weil Sein im Einen Eines ist.245 Da das Eine gleichzeitig auch das Erste bei allem ist, ist es jeweils der Ursprung von allem. Das Ursprung-Sein meint, dass das Eine in der bestimmten Ordnung alles hervorbringt, was nach ihm ist. Darum wird nach Eckhart vom 243. Vgl. In Ioh. n. 512, LW III, S. 443, 8–15: „Esse autem, tum quia ad intus et essentiam respicit, tum quia absolutum et indeterminatum, nullius productionis principium est secundum sui rationem. An indistincto enim et indeterminato nihil procedit. Unde commentator super II Physicorum reprehendit Avicennam ponentem casum et fortunam circa contingens et ad utrumlibet eo quod casus et fortuna respiciant causam efficientem; contingens autem et ad utrumlibet, utpote indeterminatum, sapit naturam materiae nullius productivum seu effectivum. Hinc est etiam quod theologi dicunt esse seu essentiam nec generare nec generari.“ 244. Vgl. In Ioh. n. 513, LW III, S. 444, 1–5: „… unum vero, quod inter praedicta quattuor immediatius se habet ad esse, et primo et minimo determinat ipsum, propter hoc ut primum determinatum est et esse determinans contra multum, ut patet X Metaphysicae, propter hoc ipsi uni competit ex sui ratione et proprietate esse primum productivum et patrem totius divinitatis et creaturarum.“ 245. Vgl. B. Mojsisch, Perfectiones spirituales – Meister Eckharts Theorie der geistigen Vollkommenheiten. Mit possibilitätsphilosophischen Reflexionen, in: M. Pickavé (Hrsg.), Die Logik des Transzendentalen, (Miscellanea Mediaevalia 30), Berlin/NY 2003, S. 511–524, hier S.€512.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
Einen, insofern es Eines und Vater ist, das Wahre oder die Wahrheit hervorÂ� gebracht als Spross, der vom Vater, dem Einen, allein gezeugt ist.246 Damit wird die dritte transzendentale Bestimmung (verum) mit dem Sohn gleichgesetzt. Der Vater und Sohn sind aber eins. Aus der Einheit der beiden folgt, dass vom Einen und Wahren das Gute hervorgebracht wird. Das Gute (bonum) gehört zur Liebe und zum Band der beiden, ja es ist dieses Band selber.247 Mithin ist bei Gott das Sein oder die Wesenheit, die weder zeugt noch gezeugt ist, das Eine oder der Vater, der zeugt, aber ungezeugt ist, das Wahre, das von dem Einen allein gezeugt ist, und das Gute, das vom Einen und Wahren – insofern sie eins sind – hervorgebracht ist. Die Gleichsetzung der vier Transzendentalien mit Gott fasst Eckhart mit folgenden Worten zusammen: Sic ergo in divinis habemus esse sive essentiam nec gignentem nec genitam, unum patrem gignentem ingenitum, verum genitum ab uno solo, bonum procedens a duoÂ� bus, uno scilicet et vero, ut unum sunt. Propter quod et ipsum unum est. Et sic habemus in divinis essentiam unam, personas tres: patrem et filium et spiritum sanctum. ‚Et hi tres unum sunt‘. 1 Ioh. 5: unum essentia, unum esse sunt.248
Durch ihre Verwendung zur philosophischen Deutung der göttlichen Trinität gewinnt die gesamte Lehre eine neue Bedeutung: Die Trinitäts- und Transzendentalienlehre werden gleichgesetzt. Durch eine solche Gleichsetzung erhalten im Eckhart’schen Text die trinitarischen Personen der christlichen Glaubenslehre eine philosophische Implikation. Die trinitarischen Relationen, die in der Eckhart’schen Metaphysik im Zusammenhang mit der Gottesgeburt in der menschlichen Seele dargestellt sind, werden dadurch zum Paradigma für das Verhältnis der Transzendentalien untereinander.
246. Vgl. In Ioh. n. 513, LW III, S. 444, 6–8: „Sed quia ‚primum in unoquoque‘ origo est et productivum ordine quodam omnium ‚quae post sunt‘, hinc est quod ab uno, ut unum et pater, producitur verum sive veritas proles genita a solo patre uno.“ 247. Vgl. In Ioh. n. 513, LW III, S. 444, 9–11: „Et quia, ut iam supra dictum est, pater et filius unum sunt, hinc est quod ab uno et vero producitur bonum ad amorem et nexum quendam duorum pertinens, aut est potius ipse nexus.“ 248. In. Ioh. n. 513, LW III, S. 444,14–445,2: „So haben wir also bei Gott das Sein oder die Wahrheit, die weder zeugt noch gezeugt ist, das Eine, den Vater, der zeugt und ungezeugt ist, das Wahre, das von dem Einen allein gezeugt ist, und das Gute, das von beiden hervorgeht, nämlich vom Einen und vom Wahren, insofern sie eins sind. Darum ist es auch selber ein. Und somit haben wir in Gott eine Wesenheit, drei Personen: Vater und Sohn und Heiliger Geist. ‚Und diese drei sind eins‘ (1. Joh. 5,8): eins in der Wesenheit, eins im Sein.“
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Eckhart versucht so, die bisher unentdeckte Sinndimension, die in der metaphorischen Ausdrucksweise der Schrift verborgen ist, aufzudecken. Diese Aufgabe kann aber ohne philosophische Reflexion nicht erfüllt werden. Ihre Rolle wird auch durch die Verflechtung der Transzendentalienlehre mit der Trinitätslehre hervorgehoben. Eckhart beginnt damit, dass er eine neue Deutung des Seinsbegriffs vorlegt. Dabei klammert er sich nicht an eine bestimmte Terminologie.249 K. Albert hat in Bezug auf ‚Sein‘ eine dreifache Terminologie bei Eckhart unterschieden:250 Der Prolog zum Opus propositionum mache, ebenso wie die meisten Texte des Opus tripartitum, die uns überliefert sind, einen Unterschied zwischen dem esse einerseits, das mit Gott identisch sei, und dem esse hoc et hoc andererseits, dem Sein des einzelnen, außergöttlichen Seienden in seiner Geschöpflichkeit. Dabei besitze das kreatürliche Sein ein duplex esse. Der Kern dieser These Alberts meint, dass das ens hoc et hoc nicht nur als ein dies und das Seiendes, sondern als ein ens schlechthin zu verstehen ist.251 Als ein ens schlechthin ist Seiendes sowohl seiend im absoluten als auch im partikulären Sinne. Diese Terminologie ist für Eckharts Metaphysik und ebenso für seine Theologie die wichtigste. Ihr entspricht als Grundthese des Opus propositionum: „Esse est 249. Vgl. M. P. Schirpenbach, Wirklichkeit als Beziehung, S. 34f.: „Die isolierte Betrachtung des Begriffs im Sinne einer Begriffsklärung ist für Eckhart bedeutungslos. Von Anfang an geht es um den Aussagezusammenhang des Begriffs … Deshalb gelangt Eckhart auch zu keiner begrifflichen DifferenzieÂ�rung zwischen der Infinitivform esse und der Partizipialform ens. Bei beiden handelt es sich bereits um differenzierte Aussageweisen desselben durch den terminus bezeichneten Begriffs. Der terminus als solcher muss dann als jenseits der Aussageform angesiedelt gedacht werden.“ 250. Vgl. K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein, S. 96. 251. Vgl. K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein, S. 67; Vgl. auch Chr. Büchner: „Daraus ergibt sich ein duplex esse, ein doppeltes/dialektisches Sein der Schöpfung: Sie hat Sein, aber es ist ihr nicht zu eigen. Mit der Schöpfung als Verleihung des Seins (collatio esse) ist jedem Geschöpf bereits die Fülle des Seins in Gott – des eins in principio – mitgegeben …; mit genau derselben Verleihung des Seins aber … ist ihr auch Unterschiedenheit vom Schöpfer und daher Mangelhaftigkeit gegeben.“ Chr. Büchner, Was heißt lûter niht? Meister Eckharts Schöpfungsverständnis im Rahmen seines Denkens der Einheit Gottes, in: V. Leppin/H. J. Schiewer (Hrsg.), Meister Eckhart aus theologischer Sicht, (Meister-Eckhart-Jahrbuch 1) 2007, S. 111–123, hier S. 115. Das Konzept des duplex esse rerum verbindet N. Largier mit dem Eckhart’schen Verständnis der Zeit: „Das Konzept des duplex esse rerum bestimmt den Platz deutlicher, den die Zeit einnimmt: Bezieht sich diese auf das, was der Veränderung unterworfen ist, heißt dies auch, daß die Kreatur nicht ganz der Zeit untersteht. Zeitlich ist nur das, was in seiner Verwirklichung immer die Differenz zum Sein realisiert, da es sich als dieses hier und jenes dort bestimmt, also als Vieles gegenüber dem Einen auftritt, und da es sich in seiner Veränderung immer als kausal und final begründet erweist.“ N. Largier, Zeit, Zeitlichkeit, Ewigkeit, S. 108.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
deus“. In den beiden Vorbemerkungen zur Vorrede dieses Werkes weitet Eckhart die Unterscheidungen in Bezug auf das Sein auf die anderen termini generales aus. Die Distinktion zwischen esse und esse hoc et hoc, bonum und bonum hoc et hoc, verum und verum hoc et hoc liegt schon der ersten Vorbemerkung zugrunde: „Gott allein ist im eigentlichen Sinne Seiendes, Eines, Wahres und Gutes.“252 Wenn Gott das Sein ist, und zwar im strengen Sinne er allein, dann kann auch nur er im eigentlichen Sinne als seiend gelten. Da aber die übrigen transzendentalen Begriffe nichts anderes als das Seiende meinen – wenn auch unter jeweils verschiedenem Aspekt –, so ist Gott als das ens schlechthin auch das unum schlechthin, das verum schlechthin, das bonum schlechthin. Damit weist Eckhart allen vier Transzendentalien die Funktion einer unmittelbaren Explikation der Absolutheit Gottes zu. Durch diese betonte Gleichsetzung der Transzendentalien mit Gott unterscheidet sich Eckhart von Thomas von Aquin.253 Thomas hält die Transzendentalien für Bestimmungen, die zwar im göttlichen Wesen ihre Entsprechung finden können, aber allein vom Intellekt, der Gott erkennt, gebildet werden:254 In der Ordnung der Erstbegriffe besitzt Seiendes die Priorität, weil es sich auf den Seinsakt bezieht. Etwas ist nur erkennbar, insofern es aktual ist.255 Thomas setzt ens als die erste transzendentale Bestimmung an, da es als transzendentale Bestimmung in seiner Verbindung mit dem esse die Aktualität des Seienden besagt. Die übrigen Transzendentalien drücken „eine allgemeine Seinsweise“ aus, die durch das Wort ‚Seiendes‘ selbst noch nicht ausgedrückt wird. Die modale Explikation der Transzendentalien erfolgt bei Thomas in zweierlei Weise: Sie betrifft entweder jedes Seiende in sich selbst oder ein Seiendes in seiner Hinordnung auf anderes. Zur ersten Gruppe gehören ‚Ding‘ (res), das die Washeit oder Wesenheit eines Seienden ausdrückt, und ‚Eines‘, das die Ungeteiltheit bezeichnet. Mit Bezug auf die relationalen Transzendentalien legt Thomas 252. Vgl. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 167, 9: „… solus deus proprie est ens, unum, verum et bonum.“ 253. Die Verschiedenheit der Transzendentalienlehre bei Thomas und Eckhart umreißt H.€Wackerzapp mit folgenden Worten: „Diese Verschiedenheit lässt sich allgemein so charakterisieren, daß die Transzendentalien bei Thomas auf die Ebene des ‚ens‘ oder ‚esse commune‘ gehören, während sie Eckhart Gott zuweist.“ H. Wackerzapp, Der Einfluß Meister Eckharts auf die ersten philosophischen Schriften des Nikolaus von Kues (1440–1450), (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters XXIX, 3) Münster i. W. 1962, S. 17. 254. Vgl. dazu ausführlich J. A. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals. The Case of Thomas Aquinas, Leiden 1996. 255. Vgl. Thomas Aquinas, Summa Theologiae I, De bono in communi, q. 5, a. 2, in: Opera omnia, tom. I, cum textu ex recensione Leonina, cura et studio P. Caramello, Turin/Rom 1952, S.€24.
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94 Sprache und Metaphysik
noch eine weitere Gliederung vor: Die Relationalität zwischen zwei Seinsweisen kann entweder als Unterschiedenheit bzw. Teilung oder als Übereinstimung auftreten. Die Hinordnung des Seienden auf ein anderes kann zum einen gemäß der ‚Teilung‘ (divisio) seiner Seinsweisen betrachtet werden. Dies drückt das Wort ‚aliquid‘ aus, das wörtlich ‚ein anderes Was‘ (aliud quid) bedeutet und das Seiende bezeichnet, insofern es von anderen Seienden abgeteilt ist. Zum anderen gibt es eine positive relationale Seinsweise, nämlich die ‚Übereinstimmung‘ (convenientia) eines Seienden mit einem anderen. Bedingung für eine solche Beziehung ist das Vorhandensein von etwas, das von Natur aus fähig ist, mit jedem Seienden übereinzustimmen. Die Transzendentalien seien als Ausdrücke eines in sich Vollendeten Vollkommenheiten Gottes selbst. In seiner Summa theologiae erörtert Thomas die einzelnen Transzendentalien vor allem dort, wo er von den göttlichen Eigenschaften handelt.256 Das Verhältnis zwischen Gott und anderen Seienden wird von Thomas platonisch als ein Partizipationsverhältnis gedeutet. Gott ist das subsistierende Sein selbst, ist ens per essentiam, alles andere hat am Sein teil.257 Dieses Teilhabeverhältnis ist der Grund für die analoge Aussagbarkeit der Transzendentalien. Indem Eckhart Gott mit den Transzendentalien gleichsetzt, rekurriert er auf die scholastische Lehre von der Konvertibilität der Transzendentalien, die er in der Regel wie folgt formuliert: „Unum enim, ens, verum, bonum convertuntur.“258 Ebenso hebt er auch die Vertauschbarkeit des Wahren mit dem Seienden sowie des Seienden mit dem Wahren hervor: „Verum et ens convertuntur.“259 Ausgehend von dieser Konvertibilität, versteht Eckhart die Wahrheit nicht nur als Wahrheit des Urteils, sondern auch als Wahrheit des Seins, die ontischen Status durch ihre Vertauschbarkeit mit ens gewinnt. Ebenso verhält es sich mit bonum, das durch 256. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theol. I, De bonitate dei q. 6, a. 1f. (Marietti I, S. 29–30); De unitate divina q. 11, a. 3f. (Marietti t. I, S. 49f.); De veritate q. 16, a. 5 (Marietti I, S. 96f.). 257. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theol. I, De dei perfectione, q. 4, a. 3: „Ad tertium dicendum quod non dicitur esse similitudo creaturae ad Deum propter communicantiam in forma secundum eandem rationem generis et speciei: sed secundum analogiam tantum; prout scilicet Deus est ens per essentiam, et alia per participationem.“ 258. In Ioh. n. 114, LW III, S. 99, 6; auch In Ioh. n. 360, 526, 561, 562; In Sap. n. 293; ferner In Gen. II, n. 86. Eckhart nennt nicht immer alle vier transzendentalen Begriffe. So spricht er etwa davon, dass das Eine mit dem Seienden vertauschbar ist und umgekehrt: „nam et ens et unum convertuntur.“ (In Ioh. n. 526, LW III, S. 457, 2f.), oder „unum et ens convertibiliter se habent“ (In Sap. n. 5, LW II, S. 326, 5), „unum et ens convertuntur“ (In Exod. n. 134, LW II, S. 123, 4; Serm. XXX, 2 n. 317, LW IV, S. 279, 1; Sermo XXXVII, n. 377, LW IV, S. 323, 8; In Gen. II n. 188, LW I, 659, 8; In Exod. n. 29, LW II, S. 35, 7). 259. In Gen. II n. 188, LW I, 659, 8; In Exod. n. 29, LW II, S. 35, 7.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
die Vertauschbarkeit mit ens ontischen Status erhält und die Gutheit des Seins mitbesagt.260 Daher hat ‚Wahrheit‘ sowohl epistemischen als auch ontischen Sinn: Das, was wahr ist, ist auch. Das Gute sagt sowohl den ethischen als auch den ontologischen Sinn aus: Das, was gut ist, ist auch. Andererseits gewinnt die Bedeutung von ens, da es mit ‚Wahrheit‘ und ‚Gutheit‘ vertauschbar ist, neben der ontologischen auch epistemologische und ethische Dimension: Das, was ist, ist erkennbar; das, was ist, ist gut. Durch ein solches Mit-Besagen entsteht eine Korrelationalität zwischen dem Bereich der Ontologie, der Epistemologie und der Ethik. Diese Korrelationalität ermöglicht es Eckhart, die Grenze zwischen den perfectiones generales und perfectiones spirituales aufzuheben, was am Beispiel der Relation „die Gerechtigkeit – der Gerechte“ (iustitia – iustus) offensichtlich wird. Es ist bemerkenswert, dass Eckhart in Bezug auf den Seinsbegriff nicht in allen seinen Schriften an der oben dargestellten Terminologie festhält. In der Rechtfertigungsschrift für den Kölner Inquisitionsprozess heißt das göttliche Sein nicht mehr esse oder Sein schlechthin im Gegensatz zum esse hoc et hoc der Geschöpfe, sondern wird schon als esse absolutum bezeichnet, das Sein der Geschöpfe hingegen als esse formaliter inhaerens. Obwohl die Eckhart’sche Terminologie eine verwirrende Vielfalt aufweist, steht für ihn fest, dass das Sein im absoluten Sinne Gott ist. Um diesen Gedanken auszudrücken, verwendet er zwei Formulierungen, die – wie im Kapitel 4.3. dieser Untersuchung gezeigt wird – einen subtilen Unterschied aufweisen: „Esse est deus“ und „deus est esse.“ Beide nehmen den universalen Charakter der sigÂ� nificatio des Wortes in Anspruch. Ein Satz, der sich dieses Charakters bedient, ist allgemein notwendig und unveränderlich.261 Insofern implizieren die beiden Formulierungen Eckharts Notwendigkeit und Unveränderlichkeit. Ein Grundgedanke der Eckhart’schen Metaphysik tritt aber sowohl in der BegÂ� rifflichkeit des Opus tripartitum als auch in der Rechtfertigungsschrift hervor: der Gedanke einer scharfen Trennung zwischen dem göttlichen Sein und dem Sein der Geschöpfe in ihrer Geschöpflichkeit. Diese Trennung erscheint noch größer in der Pariser Quaestio I, wo Gott überhaupt nicht mehr als esse, sondern als intelligere bezeichnet wird, während allein das esse hoc et hoc der Geschöpfe noch als esse gilt. In der These „deus est intelligere“ findet Eckharts Gedanke der Seinslosigkeit Gottes seinen Ausdruck. Zwei wichtige Aspekte der Eckhart’schen Ontologie – die innovative Auslegung des Gottesbegriffes und die Gleichsetzung von Transzendentalien- und 260. Vgl. „bonum et ens convertuntur“ (In Gen. I, n. 135, LW I, S. 289, 5; In Sap. n. 16, LW II 337, 5; n. 96, S. 430, 6); „bonum cum ente convertitur“ (In Gen. I, n. 90, LW I, S. 249, 7; In Gen. II, n. 185, LW I, S. 656, 13). 261. Vgl. J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter, S. 58.
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96 Sprache und Metaphysik
Trinitätslehre im Zusammenhang mit der Gottesgeburt in der menschlichen Seele – werden in den folgenden Kapiteln näher dargestellt.
4.2
„Deus est intelligere“. Die Quaestio Parisiensis I
4.2.1
Der pro forma – Rekurs auf Argumente des Thomas von Aquin
Im akademischen Jahr 1302–1303 stellte Eckhart in seiner Quaestio Parisiensis I die These auf, Gottes Wesen sei Erkennen und nicht Sein; dieses Sein komme ihm allein aufgrund seines Erkennens zu.262 Die Frage, die Eckhart in dieser Quaestio beantworten will, lautet, ob in Gott Sein und Erkennen miteinander identisch seien. Am Beginn der Quaestio I gibt Eckhart zunächst eine mit der Lehre des Thomas von Aquin übereinstimmende Antwort: Das Sein und das Erkennen sind in Gott sachlich und vielleicht auch logisch ein und dasselbe. Gemeinsame Grundlage aller Antworten auf diese Frage ist die Lehre, dass Gott das allererste und allereinfachste Sein ist.263 Zur Begründung führt Eckhart zunächst sechs Argumente an, die er bei Thomas in der Summa theologiae und der Summa contra gentiles findet. Diese sechs Argumente legen eine bejahende Antwort auf die Frage nach der Identität von Sein und Erkennen nahe. Zwar rekurriert Eckhart auf Thomas, doch anders als viele Dominikanertheologen seiner Zeit wird sein Denken nicht von der thomasischen Lehre bestimmt. M. Grabmann charakterisiert Eckharts Vorgehensweise folgendermaßen: „Eckhart führt pro forma die thomistischen Argumente an, um dann seine eigenen, weit von Thomas wegführenden Wege zu gehen.“264
262. Diese Auffassung, die Eckhart als Ausgangspunkt für seine Ontologie dient, charakterisiert I. Kampmann so: „Mit dieser Fragestellung gehört Eckhart nicht nur zur abendländischen Geschichte der Philosophie und zur christlichen Frömmigkeitsgeschichte, sondern ebenso zur (Vor-)Geschichte heutiger Fundamentaltheologie.“ I. Kampmann, Ihr sollt der Sohn selber sein! Eine fundamentaltheologische Studie zur Soteriologie Meister Eckharts, (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII: Theologie, 579) Frankfurt a. M. 1996, S. 15. 263. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae I, De divina beatitudine, q. 26 a. 2 (Marietti I, S. 145): „In deo autem non est aliud esse et intelligere secundum rem, sed tantum secundum intelligentiae rationem.“ Vgl. auch Meister Eckhart, In Gen. I n. 11, LW I, S. 194,11–195,1: „Sed natura dei est intellectus et sibi esse est intelligere.“ 264. M. Grabmann, Div. Thom. 5 (1927), 93; zitiert nach W. Bange, Meister Eckeharts Lehre vom göttlichen und geschöpflichen Sein, Limburg a. d. Lahn 1937, S. 52.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
Im ersten Argument wird das Erkennen zu einem innebleibenden Akt erklärt. Als ein solcher schließt das Erkennen seine Bezogenheit auf Äußeres aus. Dies bedeutet, dass es als Prozessualität immer zu sich selbst und zum primum in Relation steht. Dieses Argument setzt die Annahme voraus, dass das Erste und das Eine vertauschbare Begriffe sind. Erkennen als ein Akt, der im Einen vollzogen wird, kann nur innebleibend, d.€h. selbstreflexiv, sein. Aus der Selbstreflexivität des Erkennens und daraus, dass das Erkennen als ein Akt im Einen bleibt, folgt: „Deus est ipsum suum intelligere et est etiam suum esse.“265 In der folgenden Prämisse stellt Eckhart fest, dass in Gott kein Akzidens anzutreffen ist und in Gott Sein und Wesen miteinander identisch sind. Daher seien Gottes Erkennen, Gott und Gottes Wesen dasselbe (idem).266 Im dritten und vierten der von Thomas übernommenen Argumente wird der Primat der Aktivität gegenüber der Passivität betont.267 Daher heißt es, dass das Erkennen als Aktivität genauso Vollkommenes wie das Sein Gottes und daher das Sein selbst sei. Das Erkennen impliziert Aktivität. In Gott sei kein passives Vermögen anzutreffen.268 Das wäre aber Fall, wenn in Gott Erkennen und Sein nicht miteinander identisch wären.269 Wenn – so das fünfte Argument – das Erkennen etwas vom Sein Gottes Verschiedenes wäre, so wäre es möglich, in Gott selbst ein von ihm und von dem, was 265. Quaest. Par. I, LW V, n. 1, S. 37, 9: „Also ist Gott sein Erkennen selbst und ist auch sein Sein.“ Vgl. dazu auch Thomas von Aquin, Summa contra gentiles, I, c. 45, Editio Leonina Manualis, Rom 1882, S. 136: „Intelligere enim est actus intelligentis in ipso existens, non in aliud extrinsecum transiens, sicut calefactio transit in calefactum: non enim aliquid patitur intelligibile ex hoc quod intelligitur, sed intelligens perficitur. Quicquid autem est in Deo, est divina essentia. Intelligere ergo Dei est divina essentia, et divinum esse, et ipse Deus: nam Deus est sua essentia et suum esse.“ 266. Vgl. Thomas Aquinas, Summa contra gentiles I, c. 45 (Leonina S. 136): „Intelligere comparatur ad intellectum, sicut esse ad essentiam. Sed esse divinum est eius essentia, ut supra probatum est. Ergo et intelligere divinum eius intellectus. Intellectus autem divinus est Dei essentia: alias esset accidens Deo. Oportet igitur quod intelligere divinum sit eius essentia.“ 267. Quaest. Par. I, LW V, n. 1, S. 38, 4–6. 268. Die Auffassung, dass in Gott kein passives Vermögen anzutreffen sei, lässt sich aber mit Eckharts späterem Konzept des leidenden Gottes nicht mehr vereinbaren. Zwischen den zwei Konzepten Gottes – Gott als Aktivität und Gott als leidend – lässt sich ein langer Weg der Denkentwicklung erkennen, der als zweite „Wende“ charakterisiert werden kann. Über die erste „Wende“ siehe B. Mojsisch, Meister Eckhart, Analogie …, S. 21–23. 269. Vgl. Thomas von Aquin, Summa contra gentiles I, c. 45 (Leonina S. 136): „Intelligere est actus intelligentis. Si igitur Deus intelligens non sit suum intelligere, oportet quod comparetur ad ipsum sicut potentia ad actum. Et ita in Deo erit potentia et actus. Quod est impossibile, ut supra probatum est.“
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er ist, verschiedenes Ziel anzunehmen. Das ist deshalb unmöglich, weil das Ziel Ursache ist, dem Ersten aber keine Ursache gegeben werden kann.270 Das sechste und letzte Argument gibt folgenden Gedanken der Summa theologiae des Thomas wieder: Das intelligere, das geistige Erkennen, verhält sich zur species intelligibilis wie das Sein zur Form, zur Wesenheit. In Gott sind Wesenheit und species intelligibilis ein und dasselbe. Da nun in Gott Wesenheit und Sein identisch sind, sind in Gott Erkennen, Sein und Wesenheit absolut identisch.271 In Gott sind Sein und Erkennen identisch, da er durch das Sein selbst tätig ist und erkennt.272 Dies besagt aber, dass Gottes Sein der Grund seines Erkennens ist. Die thomasische Begründung der Identität von Sein und Erkennen in Gott durch die oben angeführten sechs Argumente scheint Eckhart nicht sonderlich überzeugt zu haben. Er trägt nämlich ein eigenes Argument vor, das auch in seinem Genesiskommentar I zu finden ist: Obwohl die Begriffe ‚Mensch‘ und ‚vernünftig‘ miteinander vertauschbar sind, wird ‚Mensch‘ nicht aus ‚vernünftig‘, sondern aus ‚Mensch‘ wird ‚vernünftig‘ (nämlich vernünftiges Sinnenwesen) abgeleitet.273 Mit diesem Argument bewegt sich Eckhart wiederum im Rahmen der inhaerentia-Theorie: Das Wort ‚Mensch‘, das Subjekt-Sein, Substanz-Sein und
270. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 2, S. 38,7–39,5. Vgl. auch Thomas von Aquin, Summa contra gentiles I, c. 45 (Leonina S. 136): „Omnis substantia est propter suam operationem. Si igitur operatio Dei sit aliud quam divina substantia, erit finis eius aliquid aliud a se. Et sic Deus non erit sua bonitas: cum bonum cuiuslibet sit finis eius.“ 271. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae I, Utrum ipsum intelligere Dei sit eius subÂ� stantia, q. 14 a. 4 (Marietti Bd. I, S. 79): „… intelligere non est actio progrediens ad aliquid extrinsecum, sed manet in operante sicut actus et perfectio eius, prout esse est perfectio exisÂ� tentis: sicut enim esse consequitur formam, ita intelligere sequitur speciem intelligibilem. In Deo autem non est forma quae sit aliud quam suum esse … Unde, cum ipsa sua essentia sit etiam species intelligibilis, ut dictum est, ex necessitate sequitur quod ipsum eius intelligere sit eius essentia et eius esse. Et sic patet ex omnibus praemissis quod in Deo intellectus et id quod intelligitur, et species intelligibilis et ipsum intelligere sunt omnino unum et idem.“ 272. Über die Rolle der thomasischen Argumente in der Pariser Quaestio I bemerkt M. Grabmann: „Es sind dies Gedanken, die auf dem Boden der thomistischen Seinsmetaphysik stehen, welche die Abhängigkeit des endlichen Seins und Tätigseins vom vollkommensten göttlichen Sein, das mit dem göttlichen Tätigsein und Erkennen identisch ist, scharf hervorheben, ohne indessen das eigene Sein und Tätigsein des Geschöpflichen ganz in Gott aufgehen zu lassen.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts und ihre Stellung in seinem geistigen Entwicklungsgange, (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 7. Abh.) München 1927, S. 50. 273. Quaest. Par. I, LW V, n. 3, S. 39, 6–8. Vgl. Auch In Gen. I n. 188, LW I, S. 332, 5–7: „… homo secundum speciem, qua homo est, ordinatur proprie ad cognitionem, quae ordinatur et perficitur proprie in ratione sive intellectu.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
Seiend-Sein beinhaltet, enthält seiner Intension nach das Prädikat ‚vernünftig‘. Hingegen lässt sich aus ‚vernünftig‘, dem als Prädikat sowohl Substantialität als auch ontologischer Sinn abgesprochen werden, kein Subjekt ableiten. Den ontologischen Hintergrund für eine solche semantisch-grammatische Struktur bildet die Auffassung: „… si esse sit perfectum, per ipsum habentur omnia.“274 Da also das Sein in Gott als „actus primus et perfectio“ das beste und vollkommenste ist, wirkt Gott durch sein Sein allein alles, und zwar sowohl in sich als auch in den Geschöpfen, auf die ihm eigentümliche Weise. So ist in Gott ebendas Sein ebendas Erkennen, weil er durch das Sein allein wirkt und erkennt.275 4.2.2
Intelligere als Fundament des Seins
Wenn Sein und Erkennen in Gott identisch sind, kann nicht von einem Vorrang des einen gegenüber dem anderen gesprochen werden. Dies folgt logisch auch aus den pro forma dargestellten thomasischen Argumenten, die zu Beginn der Pariser Quaestio I aufgezählt werden. Für Thomas ist jedoch trotz dieser Identität ein Vorrang des Seins denkbar, weil er behauptet, Gott erkenne durch das Sein. Vor diesem Hintergrund stellt Eckhart seine revolutionäre These auf, die die thomasische Auffassung geradezu umkehrt: „Tertio ostendo quod non ita videtur mihi modo, ut quia sit, ideo intelligat, sed quia intelligit, ideo est, ita quod deus est intellectus et intelligere et est ipsum intelligere fundamentum ipsius esse.“276 Dadurch, dass das Erkennen zum Fundament für das Sein erklärt wird, schlägt Eckhart den Weg zu einer wesentlich neuen Metaphysik ein. Der Satz, in Gott sei das Erkennen 274. Quaest. Par. I, LW V, n. 3, S. 39, 8f.: „… wenn das Sein vollkommen ist, durch das Sein selbst alles gegeben ist… .“ B. Mojsisch übersetzt diese Stelle so: „Wenn das Sein vollkommen ist, ist man durch das Sein im Besitz von allem.“ Vgl. Eckhart von Hochheim, Utrum in deo sit idem esse et intelligere?, Sind in Gott Sein und Erkennen miteinander identisch?, hrsg., übers. und mit einer Einleitung vers. von B. Mojsisch, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 4 (1999), S. 182–197, hier S. 185, 25. 275. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 3, S. 40, 4f.: „… et sic in deo ipsum esse est ipsum , quia ipso esse operatur et intelligit.“ Dieser Gedanke wird von Eckhart noch mehrmals wiederholt. Vgl. In Exod. n. 42 LW II, S. 47, 6–9: „In creatore non sic, sed sapientia in ipso est ipsa potentia et est ipsa voluntas. Propter quod non per aliud sapit, per aliud potest, per aliud vult, sed eodem, scilicet substantia sua, sapit, potest et vult.“ 276. Quaest. Par. I, LW V, n. 4, S. 40, 5–7. Vgl. auch Eckhart von Hochheim, Utrum in deo sit idem esse et intelligere?, Sind in Gott Sein und Erkennen miteinander identisch?, hrsg., übers. und mit einer Einleitung vers. von B. Mojsisch, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 4 (1999), S. 186. Übers.: „Drittens zeige ich, daß es mir jetzt nicht mehr richtig scheint, daß er, weil er ist, deshalb erkennt, sondern weil er erkennt, deshalb ist, und zwar so, daß Gott Intellekt und Erkennen ist und ebendas Erkennen Grundlage ebendes Seins ist.“
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Fundament des Seins, ist dann Ausdruck folgender Auffassung Eckharts: Gott ist ganz Intellekt und Erkennen, und das begründet sein Sein und Seiend-Sein. Die Voraussetzung dieser These ist der Gesichtspunkt, dass das intelligere etwas Höheres ist und einer ganz anderen Ordnung angehört als das Sein. Dieser innovative Aspekt des Eckhart’schen Denkens wurde schon von M. Grabmann betont: Eckhart verläßt hier die Bahnen der thomistischen Seinsmetaphysik, welche das Sein vor das Wahre und Gute, vor die Werte stellt und auch Geistigkeit und Erkenntniskraft ontisch aus der Immaterialität und damit aus der Seinsvollkommenheit ableitet, sowie auch das sittlich Gute aus der Seinsordnung begründet. Gegenüber der allgemeinen scholastischen Lehre, daß zuerst das Sein, dann das Leben und das Denken komme, vertritt er abermals mit Berufung auf den Anfang des Johannesevangeliums die Auffassung, daß das intelligere unter den Vollkommenheiten die erste Stelle einnimmt und daß dann erst in zweiter Linie das ens oder das esse folgt.277
Aber schon am Anfang der Eckhartforschung gab es Versuche, die von Eckhart aufgestellte These nur als die Umkehrung der thomasischen Auffassung zu verstehen. So sah zum Beispiel W. Bange deren Unterschied zur thomistischen These („quia sit, ideo intelligat“) nur darin, dass das Sein in Gott den Charakter des Erkennens habe.278 Wenn Bange das Sein in Gott so charakterisiert, dass es Erkennen 277. M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 55. Den Gedanken Eckharts, Gott sei Intellekt, führen B. Mojsisch, L. Sturlese, A. Beccarisi auf De visione beatifica des Dietrich von Freiberg zurück. Vgl. auch A. Beccarisi, Isticheit nach Meister Eckhart. Wege und Irrwege eines philosophischen Terminus, in: A. Speer/L. Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 324–334; B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität, Einheit, S. 24–40; L. Sturlese, Von der Würde des unwürdigen Menschen. Theologische und philosophische Anthropologie im Spätmittelalter, in: L. Sturlese, Homo divinus. Philosophische Projekte in Deutschland zwischen Meister Eckhart und Heinrich Seuse, Stuttgart 2007, S. 35–45. 278. Vgl. W. Bange, Meister Eckeharts Lehre vom göttlichen und geschöpflichen Sein, S. 54: „Das Neue an ihr [der These der Pariser Quaestio I – T. T.] besteht gegenüber dem früheren Beweise darin, daß das Verhältnis von Sein zum Erkennen umgekehrt wird, daß Gott seinem metaphysischen Wesen nach nicht mehr als Sein, sondern als Intellekt bestimmt wird. … das Sein in Gott hat den Charakter des Erkennens.“ Eine ähnliche Auffassung vertritt V. Leppin, indem er sowohl dem Sein als auch dem intelligere einen ontologischen Status zuspricht: „Gott, der durch das intelligere geprägt ist, hat die entia lediglich als Ursache in sich. Auf diese Weise, virtuell, ist alles in Gott enthalten, aber eben nur auf diese Weise. Die gesamte Schöpfung also ist zunächst im erkennenden Gott potenziell oder virtuell enthalten und tritt dann durch einen nicht näher beschriebenen, aber christologisch vermittelten Schöpfungsakt in sein Sein, für das kennzeichnend ist, dass es einen ontologisch niedrigeren Status hat als das intelligere.“ V.€Leppin, Dynamisierung des Gottesbildes im lateinischen Werk Meister Eckharts, in: V.€Leppin/H. J. Schiewer (Hrsg.), Meister Eckhart aus theologischer Sicht, (Meister-Eckhart-
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hat, interpretiert er Eckharts Gedanken nicht als These von der Seinslosigkeit Gottes, sondern schlägt eine Interpretation vor, die das Erkennen nur als eine modifizierte Form des Seins versteht.279 Die Deutung der Metaphysik Eckharts ist in der Forschung bis heute umstritten. B. Mojsisch hat den Schlüsselsatz aus der Pariser Quaestio I („Tertio ostendo…“) für Eckharts „Bekenntnis zur Wende“ erklärt,280 die er als Wende zu einer eigenen Metaphysik und als Distanzierung von der thomistischen Tradition versteht. Im Jahre 2005 hat A. Quero-Sánchez die These aufgestellt, dass Eckhart von Anfang an nicht Thomist gewesen sei, und eine neue Übersetzung der in Rede stehenden Stelle vorgeschlagen. Statt der temporalen Übersetzung von modo, auf die sich Mojsischs Interpretation als Bekenntnis Eckharts zur Wende bezieht, favorisiert er eine modale Übersetzung, so dass die Stelle nicht mit „Jetzt bin ich nicht (wie früher) der Meinung, daß …“, sondern mit „Ich bin nicht bloß der Meinung: weil er ist, denkt er, sondern weil er denkt, deshalb ist er“ etc. wiederzugeben sei.281 L. Sturlese hatte bereits im Jahre 1993 modo mit ‚nur‘ übersetzt.282 Obwohl Sturlese – wie auch Quero-Sánchez – eine modale Übersetzung bevorzugt hat, bestritt er die Tatsache einer Wende in Eckharts Gedankenentwicklung nicht: Jahrbuch 1) Stuttgart 2007, S. 97–110, hier, 101f. Die Annahme, dass intelligere einen ontologischen Status haben kann, widerspricht aber der Eckhart’schen These von der Seinslosigkeit Gottes. 279. Eine ähnliche Position wird auch von E. A. Panzig vertreten: „Nun hat Eckhart während seines ersten Pariser Magisteriums (1302/1303) innerhalb der ‚Quaestiones Parisienses‘ das Sein Gottes mit intelligere bezeichnet, um die höhere Weise der Seiendheit Gottes vom dort mit esse bezeichneten geschaffenen Sein abzuheben.“ E. A. Panzig, Lateinische und deutsche Terminologie in der Theologie Meister Eckharts, in: V. Leppin/H. J. Schiewer (Hrsg.), Meister Eckhart aus theologischer Sicht, (Meister-Eckhart-Jahrbuch 1) Stuttgart 2007, S. 157–166, hier S. 162. Dabei lässt er außer Acht, dass in Eckharts Denken für das geschaffene Sein der Ausdruck ‚esse hoc aut hoc‘ reserviert bleibt und der Text der Pariser Quaestio I keinen Hinweis darauf gibt, dass hier unter ‚esse‘ das kreatürliche Sein zu verstehen ist. 280. B. Mojsisch, Meister Eckhart, Analogie …, S. 22. 281. A. Quero-Sánchez, Sein als Freiheit, S. 46. Dieselbe Position vertritt er in seinem später veröffentlichten Artikel „Sein als Absolutheit (esse als abegescheidenheit)“, in: A. QueroÂ�Sánchez/G. Steer (Hrsg.), Meister-Eckhart-Jahrbuch 2 (2008), S. 189–218. 282. Vgl. L. Sturlese, Meister Eckhart: Ein Porträt, in: Ders. Homo divinus. Philosophische Projekte in Deutschland zwischen Meister Eckhart und Heinrich Seuse, Stuttgart 2007, S. 15–34, hier S. 22–23. Fn. 35: „Es ist allerdings zu bedenken, daß modo in der Formel non modo … sed eine modale Bedeutung hat, so daß die Stelle in adäquater Weise wie folgt übersetzt werden dürfte: ‚Drittens zeige ich, daß ich nicht nur der Meinung bin, daß Gott denkt, weil er ist, sondern vielmehr, daß er ist, weil er denkt‘.“ Dieser Übersetzung stimmt auch M. von Perger zu: „Ich stimme Sturleses Übersetzung zu. Durch den Ausdruck ‚nicht nur …, sondern vielmehr‘
102 Sprache und Metaphysik
Eine Wende gab es doch in Eckharts Werk. Aber sie fand eher zwischen dem ‚Opus tripartitum‘ und dem ‚Liber parabolarum rerum naturalium‘ statt, dessen erster und einziger abgefasster Teil der ‚Liber parabolarum Genesis‘ war. Vieles deutet darauf hin, daß diese Wende ein bedeutender Markstein in Eckharts philosophischer Entwicklung war.283
Die Bedeutung von modo, die Sturlese oder Quero-Sánchez hier für zutreffend halten, bezieht sich auf die Funktion von modo in der Konjunktion ‚non modo€– sed (etiam)‘ und stellt in einem Satzgefüge die modale Beschränkung dar, d.€h. eine correctio (Berichtigung) des ersten Gliedes, wenn das zweite Glied das wichtigere ist. Aber um als ein solches ‚nicht nur/bloß – sondern auch‘ bezeichnen zu können, müsste sich die Verneinung non auch auf modo beziehen. In dem oben zitierten Satz wird aber nicht modo verneint, wie es die Übersetzer annehmen, sondern „ita videtur mihi“. Ungeachtet dessen, dass in dem Satzgefüge sowohl non als auch modo vorkommen, beziehen sie sich nicht aufeinander, sondern auf verschiedene Satzteile: non verneint – wie schon gesagt – „ita videtur mihi“, modo bezieht sich aber auf den darauf folgenden Sachverhalt. Modo fungiert hier nicht als ein Glied der Konjunktion ‚non modo – sed (etiam)‘, sondern als ein Adverb zum Ausdruck der Zeitbeschränkung, die sich auf den Zeitpunkt bezieht, der der Gegenwart des Sprechenden unmittelbar vorhergehen oder folgen kann.284 Daher muss der umstrittene Satz so übersetzt werden:
(non …modo …, sed) will Eckhart nicht die vorigen Argumente als hinfällig erklären, sondern strebt eine paradoxe Steigerung des Arguments an. Wenn zwischen Sein und Erkennen die Funktion von Grund (fundamentum) und Vollendung (perfectio) umkehrbar ist, dann ergibt sich, wie Eckhart im ersten Satz der quaestio andeutet, vielleicht nicht nur eine sachliche, sondern sogar eine begriffliche Identität zwischen Gottes Sein und Erkennen. – Eckhart stellt sein folgendes Theologumenon sicher bewusst anderslautenden entgegen.“ M. von Perger, Disputatio in Eckharts frühen Pariser Quästionen und als Predigtmotiv, in: Kl. Jacobi (Hrsg.), Meister Eckhart: Lebensstationen – Redesituationen, Berlin 1997, S. 115–148, hier S. 133. 283. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana, S. 446. In einem anderen Beitrag, in dem er die Thesen der Vorrede des Opus tripartitum untersucht, bestreitet L. Sturlese selbst die Annahme einer Wende in Eckharts Denken: „Ihr scheinbarer Widerspruch zum in den Pariser Quaestionen vorgetragenen Primat des Denkens hat einen Teil der Forschung veranlaßt, von einer Wende in Eckharts Metaphysik zu reden (Klibansky). Ich bin hingegen der Meinung, daß es sich lediglich um einen Perspektivenwechsel handelt, wie eine Analyse der Verwendung des Analogiebegriffs in der I. Pariser Quaestio und in der II. Lectio zu Jesus Sirach zeigen kann.“ Vgl. auch L. Sturlese, Meister Eckhart: Ein Porträt, in: Homo divinus …, S. 26. 284. Vgl. dazu Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Hannover 1962, S. 967.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 103
Drittens zeige ich, daß es mir jetzt nicht mehr richtig scheint, daß er, weil er ist, deshalb erkennt, sondern weil er erkennt, deshalb ist, und zwar so, daß Gott Intellekt und Erkennen ist und ebendas Erkennen Grundlage ebendes Seins ist.285
Darüber hinaus reicht dieser eine Satz der Pariser Quaestio I nicht aus, um zu entscheiden, ob Eckhart in seinem früheren Denken Thomist war oder nicht. Weder die temporale noch die modale Übersetzung von modo ändert aber den programmatischen Sinn der Pariser Quaestio I in Eckharts Schriften. Sowohl bei der temporalen als auch bei der modalen Übersetzung wird doch von Eckhart erklärt, dass er folgender Meinung sei: Nicht, weil Gott ist, denkt er, sondern weil er denkt, ist er. Die Deutung der ersten Pariser Quaestio ist in der Eckhartforschung stets umstritten gewesen. Erwähnt sei hier nur die Kontroverse zwischen O. Karrer und M. Grabmann. In dieser Quaestio, die zu Eckharts Disputationen mit dem späteren Minoritengeneral Gonsalvus Hispanus gehört, verwirrte die Forschung Eckharts Behauptung „Deus est intelligere“. Nach Grabmann stand die Quaestio, in der Eckhart die Seinslosigkeit Gottes vertrat, den Intellekt vor das Sein stellte und mit Gott gleichsetzte, nicht allein da. Sie gehörte in den Rahmen der Kontroversen des 13. und 14. Jahrhunderts, die auf den Pariser Averroismus und seine Wurzeln – die neuplatonischen Gedanken des Proclus – zurückzuführen waren und sich mit der Frage beschäftigten, ob Gott das wahre Sein oder das Sein im strengen Sinne zukomme. Ebenso wie Grabmann sah auch der französische Gelehrte G. Théry eine Verbindung Eckharts zu der averroistischen Bewegung um Siger von Brabant, deren Lehren 1277 durch Bischof Stephan von Tempier zum Teil verurteilt worden waren. O. Karrer wiederum bestritt dies. Er glaubte, den vermeintlichen „unthomistischen Intellektualismus“ des frühen Eckhart mit Hilfe der negativen Theologie deuten zu können286 – eine Lösung, die Grabmann seinerseits für eine „gewaltsame“ und „tendenziöse Interpretationsmethode“ hielt: Daß Meister Eckhart in der für uns in Betracht kommenden Pariser Quaestio tatsächlich die Seinslosigkeit Gottes gelehrt hat, ergibt sich nicht nur aus dem klaren unzweideutigen Text und Kontext, den nur eine ganz gewaltsame und tendenziöse Interpretationsmethode in einem ganz anderen Sinne erklären und
285. Eckhart von Hochheim, Utrum in deo sit idem esse et intelligere?, Sind in Gott Sein und Erkennen miteinander identisch?, hrsg., übers. und mit einer Einleitung vers. von B. Mojsisch, S.€187. 286. Vgl. O. Karrer, Das Gotteserlebnis bei Augustinus und Meister Eckhart, in: W. Köhler/ O. Karrer, Gotteserfahrung und Gotteserlebnis bei Jeremia, Augustin und Eckhart, Zürich 1934, S.€3.
104 Sprache und Metaphysik
wenden kann, sondern auch aus der gegen Meister Eckhart gerichteten Quaestio des Franziskanergenerals Gonsalvus de Vallebona.287
Das Argument dafür, dass das Erkennen Grundlage des Seins ist, findet Eckhart im Anfang des Johannesevangeliums: „In principio erat verbum.“ Im Evangelium stehe „Im Anfang war das Wort und das Wort war Gott“ und nicht „Im Anfang war das Seiende und Gott war das Seiende“. Das Wort aber ist gemäß Eckhart durch sich als ganzes auf den Intellekt hingeordnet und ist dort als sprechendes oder als gesprochenes, nicht jedoch als vermischtes Sein oder Seiendes zu finden. Daher erscheint Gott als absoluter Gott und nicht als etwas Seiendes.288 Sowohl der Bibelanfang „In pincipio erat verbum“ als auch die Worte Christi „Ego sum veritas“ sprechen nach Eckhart für den Primat des Intellekts gegenüber dem Sein, weil sich die Wahrheit als solche auf den Intellekt bezieht, indem sie – als Wahrheit von etwas – eine Beziehung mit sich bringt oder einschließt. Die so verstandene Wahrheit begründet auch die Selbstrelationalität bzw. Selbstreflexivität des Denkens. Eckhart schlägt vor, die Worte des Johannesevangeliums „Omnia per ipsum facta sunt“ nicht im Sinne von „Alles ist durch es geworden“, sondern von „‚Alles durch es Gewordene‘ ist“ zu verstehen. Eine solche Deutung stellt heraus, dass ebendem Gewordenen ebendas Sein später zukommt.289 Sie impliziert die Annahme, dass das Werden bzw. das Gewordene dem Sein vorhergeht, was wiederum den Vorrang des Werdens besagt. Aufgrund einer solchen Annahme interpretiert Eckhart auch die Worte aus dem Liber de causis: „Prima rerum creatarum est esse.“290 Wenn das erste der geschaffenen Dinge das Sein ist, so wird das Sein mit dem Geschöpf identifiziert: Sobald wir zum Sein kommen, kommen wir sogleich zum Geschöpf. Die Weisheit aber, die zum Intellekt gehört, besitzt nicht die Bestimmtheit des Erschaffbaren. Im Hinblick auf Eccli. 24 („Ab initio et ante saecula creata sum“) schlägt Eckhart vor, creata (geschaffen) im Sinne von
287. M. Grabmann, Die Lehre des Jacob von Viterbo von der Wirklichkeit des göttlichen Seins. Beitrag zum Streit über das Sein Gottes zur Zeit Meister Eckharts, in: Philosophia Perennis, Bd.€1, FS für Joseph Geyser, Regensburg 1930, S. 232. 288. Über die Bedeutung einer solchen Interpretation der Hl. Schrift schreibt M. Grabmann: „Diese Deutung war den mittelalterlichen Erklärern des Johannesevangeliums gänzlich fremd. In seinem aus späterer Zeit stammenden Kommentar zum Ekklesiastikus, der einen Bestandteil seines Opus tripartitum bildet, verwendet Meister Eckhart diese Stelle des Johannesprologes, um die Priorität der Idee eines Dinges gegenüber dem realen Ding selbst zu erweisen, ohne aber in Gott selbst den Intellekt vor und über das Sein zu stellen oder gar Gott das Sein abzusprechen.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S.€53f. 289. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 4, S. 41, 5: „… ut ipsis factis ipsum esse post conveniat“. 290. Liber de causis IV, ed. A. Pattin, in: Tijdschrift voor Filosofie 28 (1966), S. 142, 37.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 105
genita (gezeugt) auszulegen und den ganzen Satz folgendermaßen zu verstehen: „‚Im Anfang und vor der geschaffenen Welt‘ ‚bin ich‘.“ Was im Anfang oder vor der geschaffenen Welt ist, ist nicht erschaffbar, ist Gott, der seinerseits Intellekt und Erkennen, jedoch nicht Seiendes oder Sein darstellt. Im Hintergrund dieser Deutung steht der Gedanke der Seinslosigkeit Gottes: Weil Gott das Prinzip alles Seienden und das Sein selbst ist, ist Gott nicht selber ein Seiendes oder das Sein der Kreaturen. Nichts, was im Geschöpfe ist, ist in Gott. Das in den Geschöpfen Vorhandene kann in Gott wie in der Ursache sein, aber es ist in Gott nicht formaliter.291 Eckhart gibt die thomasische Position wieder, wenn er schreibt, dass einige behaupten („dicunt tamen aliqui“), das Sein, das Leben und das Erkennen könnten auf zweifache Weise betrachtet werden:292 einerseits an und für sich, und so komme zuerst das Sein, an zweiter Stelle das Leben, an dritter das Erkennen; andererseits im Vergleich zu dem, was daran teilhat, und so komme zuerst das Erkennen, an zweiter Stelle das Leben, an dritter das Sein. „Ego autem credo totum contrarium“ schreibt Eckhart und erklärt, dass das verbum, das im Anfang war, „gänzlich zum Intellekt gehört, so daß somit gerade das Erkennen im Bereich der Vollkommenheiten die erste Stufe einnimmt, dann erst das Seiende oder das Sein folgt.“293 Ferner betont er, dass nach seiner Auffassung „das Erkennen als solches und das, was zum Intellekt gehört, von anderer Verfaßtheit sind als das Sein als solches.“294 Die andere Verfasstheit, die hier als ein unterscheidendes Merkmal von Sein und Erkennen betont wird, meint sowohl den formalen als auch den realen
291. M. Grabmann sieht in dieser von Eckhart geschilderten Relation zwischen Ursache und Verursachtem einen weiteren Beweis dafür, dass sich Eckhart von der thomistischen Lehre entfernt: „In diesen Gedankengängen entfernt sich Meister Eckhart von der thomistischen Metaphysik der Ursachen. Wenn er sagt, daß nichts formaliter in der Ursache und im Verursachten sein kann, wenn es sich um eine wahre Ursache handelt, so ist darauf im Sinne der thomistischen Lehre mit einer Unterscheidung zu antworten.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 57. 292. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae I, De Deo, an Deus sit, q. 2, a. 3 (Marietti I, S.€12f.). 293. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 6, S. 43, 3–5: „‚In principio‘ enim ‚erat verbum‘, quod ad intellectum omnino pertinet, ut sic ipsum intelligere teneat primum gradum in perfectionibus, deinde ens vel esse.“ 294. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 7, S. 43, 6f.: „… ipsum intelligere et ea quae ad intellectum pertinent, sunt alterius conditionis quam ipsum esse.“
106 Sprache und Metaphysik
Unterschied zwischen beiden.295 Das esse ist das Prinzip, aufgrund dessen die kategorial bestimmten, raum- und zeitgebundenen geschaffenen Dinge existieren. Diametral entgegengesetzte Eigenschaften kommen dem Intellekt zu: Er ist nicht kategorial fassbar, entzieht sich dem Gesetz der aristotelischen Substanzontologie und ist vielmehr die Verneinung jeder formalen Bestimmtheit. Daher ist er auch nicht-seiend und nicht-geschaffen.296 Diesen Unterschied zwischen esse und intelligere verdeutlicht Eckhart am Verhältnis des Guten und Schlechten zum Wahren und Falschen: Das Gute und das Schlechte sind in Dingen anzutreffen, weshalb beides die Teilhabe am Sein impliziert. Wahres und Falsches finden sich im Bereich der Seele, weshalb sie am Erkennen teilhaben und ihre Verwirklichung erst im Bereich des Intellekts finden. Aufgrund dieser Überlegung, die aus dem VI. Buch der aristotelischen Metaphysik stammt,297 bringt Eckhart das Gute, welches Objekt des Willens ist, mit dem Wahren, welches Objekt des Intellekts ist, in kausalen Zusammenhang. Der Grund für einen solchen Zusammenhang liegt darin, dass das Gute auch wahr ist, so, dass das Wahrsein als Grund und Ursache des Gutseins erscheint. Daher wird etwas, das gut ist, nicht mehr aufgrund des Willens gut, sondern aufgrund des Intellekts.298 Das Wahre, das im Bereich der 295. Diese Stelle spricht gegen die Deutung W. Banges, die zur Ontologisierung der Eckhart’schen Auffassung tendiert: „Mir scheint also die Pariser These durchaus nicht aus dem Gesamtrahmen der Eckehartischen Lehre zu fallen. Je nach der Betonung des Gesichtspunktes der Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit kann und muß das eine oder andere [das Sein oder Erkennen – T. T.] in Gott betont werden. Das eine oder andere kann aber gerade deswegen betont werden, weil beide in sich real und formal identisch sind und der Unterschied nur von unserer Betrachtungsweise bedingt ist. Eckeharts gesamte Lehre wäre in sich bei allem Reichtum der Ideen doch innerlich nicht geschlossen, wenn man für seine späteren Schriften das Sein als das Höhere hinstellen wollte.“ W. Bange, Meister Eckeharts Lehre vom göttlichen und geschöpflichen Sein, S. 78. 296. Den Seinsbegriff in der Pariser Quaestio I charakterisiert L. Sturlese folgenderweise: „Eckhart arbeitet anhand eines genauen und sehr ausgeprägten Begriffs von esse: Er verstand ‚Sein‘ als Synonym von ‚Ens‘ (eine Position, die auch Dietrich von Freiberg damals vertrat) und ausschließlich als kategorial bestimmtes, durch die Form abgegrenztes Sein der Naturdinge (‚esse formaliter inhaerens‘). Es geht mit anderen Worten um die Dinge, wie sie sich in der Welt der tagtäglichen Erfahrung zeigen, nämlich als in Zeit und Raum voneinander unterschieden existierende selbständige Seiende bzw. Substanzen, die miteinander durch ein Netz effizienter Kausalverhältnisse verbunden sind.“ L. Sturlese, Meister Eckhart: Ein Porträt, in: Homo divinus …, S. 23. Eckhart kennt doch ein ens hoc et hoc und ein esse hoc et hoc. Er unterscheidet also zwischen ens und esse. 297. Vgl. Aristoteles, Metaph. VI 4, 1027 b 25–27. 298. Zu dieser Darlegung Eckharts bemerkt M. Grabmann: „Eckhart greift hier wieder den Begriff der Gottförmigkeit, der deiformitas in ausgesprochen intellektualistischer Prägung auf und sagt, daß diese Ableitung des Guten aus dem Wahren und dem Intellekt der Grund ist,
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 107
Seele anzutreffen ist, ist kein Seiendes.299 Daraus folgt, dass das der Seele immanente Seiende als solches nicht die Bestimmtheit des Seienden besitzt. Wie ein solches Seiendes zu denken ist, zeigt Eckhart am Beispiel des Erkenntnisbildes: Wenn das Erkenntnisbild, das in der Seele anzutreffen ist, die Bestimmtheit des Seienden besäße, könnte das Ding, dessen Erkenntnisbild es ist, durch es nicht erkannt werden; denn wenn es die Bestimmtheit des Seienden als solchen besäße, führte es zur Erkenntnis seiner hin und führte von der Erkenntnis des Dinges, dessen Erkenntnisbild es ist, fort.300
Das der Seele immanente Seiende, das keine Bestimmtheit des Seienden besitzt, gehört zum Intellekt: „Quae ergo ad intellectum pertinent, inquantum huiusmodi sunt non entia.“301 Daher ist das der Seele immanente Seiende nicht mehr als Seiendes zu denken. 4.2.3
Die Analogielehre in der Quaestio Parisiensis I
Eckhart unterscheidet Gottes Wissen und unser Wissen voneinander: Gottes Wissen ist Ursache der Dinge, unser Wissen ist aber von den Dingen verursacht.302 Da unser Wissen von den Dingen verursacht ist, ist das menschliche Wissen vom warum das Gute zum Besten sich entwickeln und durch Annäherung an die ersten Ursachen gottförmig werden kann. In dieser rein intellektualistischen Fassung der Gottförmigkeit überschreitet Eckhart, ähnlich wie in der Abstufung der Gottwohlgefälligkeit nach den Graden der Erkenntnis, die von Thomas gezogenen Grenzen des Intellektualismus.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 44. 299. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 7, S. 43, 10–12: „Unde ibi dicitur, quod verum, quod est in anima, non est ens, sicut nec ens per accidens, quod non est ens, quia non habet causam, ut ibi dicitur.“ 300. Vgl. Quaest. Par. I, LW V, n. 7, S. 44, 2–5: „… si species, quae est in anima, haberet rationem entis, per ipsam non cognosceretur res cuius est species; quia, si haberet rationem entis inquantum huiusmodi duceret in cognitionem sui et abduceret a cognitione rei, cuius est species.“ Eine ähnliche Auffassung vertritt Eckhart in Quaestio Parisiensis II (ed. B. Geyer, LW V, Stuttgart o.J.), n. 6, S. 52, 3–11ff. 301. Quaest. Par. I, LW V, n. 7, S. 44, 6: „Was also zum Intellekt gehört, ist als solches Nichtseiendes.“ 302. Derselbe Gedanke kommt auch in Quaestio Pararisiensis II n. 10 (LW V, S. 54, 1–5) vor. B.€Mojsisch stellt fest, dass dieses „pejorative Kolorit“ der menschlichen Vernunft „später“ zur „Auszeichnung der Vernunft“ werde, wenn Eckhart seine Theorie der Univozität entwickelt. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie…, S. 35. Dagegen meint V. Leppin, dass „diese ex-post-Perspektive“ „die reduktive Deutung der menschlichen Vernunft zum Zeitpunkt der Pariser Quaestionen keineswegs“ relativiere, „wenn man die Denkbewegung Eckharts nicht
108 Sprache und Metaphysik
Seienden etwas Geringeres als das Seiende selbst, weil die Ursache mehr ist als die Wirkung. Gleiches gilt auch für das Seiende als solches im Vergleich zum Wissen Gottes, von dem es verursacht wird. Diese Logik des Verursachens dient zum Grund dafür, „quod in deo non est ens nec esse, quia nihil est formaliter in causa et causato, si causa sit vera causa“.303 Aus der Annahme – wenn die Ursache eine wahre Ursache ist, ist nichts der formalen Bestimmtheit nach in der Ursache und im Verursachten – folgt aber, dass das Sein der formalen Bestimmtheit nach nicht in Gott anzutreffen ist, weil Gott die Ursache allen Seins ist. Gott als Ursache allen Seins ist causa prima. Wird Gott zu einem Ursprung des Seins erklärt, dann folgt wiederum der Beweisgang, der aufgrund der gleichen Logik entwickelt wird: Weil Gott Ursprung des Seins oder des Seienden ist, ist er nicht das Seiende oder das Sein des Geschöpfes. Die These – nichts, was im Geschöpf anzutreffen ist, ist in Gott anzutreffen – meint, dass das Geschöpf in seiner Ursache nicht der formalen Bestimmtheit nach anzutreffen ist. Zur formalen Bestimmtheit des Geschöpfs gehört zunächst das Sein. Daher ist das Sein nicht in Gott anzutreffen, sondern nur die Reinheit des Seins, die in den Worten „Ego sum, qui sum“ zum Ausdruck kommt, es sei denn, „man wollte eine solche Reinheit ‚Sein‘ nennen.“304 Mit anderen Worten: Gott als causa prima wirkt das, was er wirkt, in seinem Sein, aber als verschieden von sich selbst – insofern ist er eine causa analoga: Er wirkt nicht sich selbst Gleiches, sondern Analoges,305 was für Eckhart gleichbedeutend damit ist, dass causa prima und causatum nicht mehr auf einer Seinsstufe stehen. Aus einer Ursache geht die Wirkung als ein Anderes hervor, d.€h. Ursache und teleologisch, sondern tatsächlich genetisch interpretieren will.“ Vgl. V. Leppin, Dynamisierung des Gottesbildes im lateinischen Werk Meister Eckharts, S. 102. 303. Quaest. Par. I, LW V, n. 8, S. 45, 1f.: „… daß in Gott kein Seiendes noch ein Sein ist. Denn nichts ist in seinem Wesen nach in der Ursache und im Verursachten, vorausgesetzt, daß die Ursache eine wahre Ursache ist.“ 304. Quaest. Par. I, LW V, n. 9, S. 45, 12–15: „Deo ergo non competit esse, nisi talem puritatem voces esse.“ 305. Über die analoge Relation vgl. E. Waldschütz, Denken und Erfahren des Grundes, S. 227f.: „Eine analoge Ursache ist niemals als principium anzusprechen wie auch das, was aus ihr hervorgeht nicht der Ursprung selbst im Sinn eines principiatum sein kann. Als causatum ist das Hervorgebrachte der causa notwendig untergeordnet, die Wirkung hat nicht mehr dasselbe Sein wie ihre Ursache, das Gewirkte ist ein anderes seiner Natur nach.“ A. M. Haas unterscheidet in der Seinslehre Eckharts zwei Verfahren, das analogische und das dialektische. Beide denkt er im Rahmen der Analogielehre. Vgl. A. M. Haas, Seinsspekulation und Geschöpflichkeit in der Mystik Meister Eckharts, in: Ders., Gottleiden – Gottlieben. Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelater, Frankfurt a. M. 1989, S. 172f.; vgl. auch ders., Das Ereignis des Wortes. Sprachliche Verfahren bei Meister Eckhart und im Zen-Buddhismus, in: Ders., Gottleiden – Gottlieben. Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelalter, S. 201–240.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 109
Wirkung sind ihrer Natur nach verschieden: Gott als causa prima ist seinsmäßig völlig verschieden von seinem causatum, der Schöpfung. Der Bibeltext („Ego sum qui sum“) wurde von der Patristik, Scholastik und Mystik als Offenbarung eines der Wesensnamen Gottes aufgefasst.306 Meister Eckhart sucht seine von der ganzen vorhergehenden Scholastik und Mystik abweichende Auffassung durch eine merkwürdige Umdeutung des Bibelwortes zu rechtfertigen. Nach seiner Interpretation hat Gott sich hier überhaupt nicht als Seiender geoffenbart („Ego qui sum“); vielmehr hat Gott es gesagt, um auszudrücken, dass er die Reinheit des Seins in sich habe („… ita et dominus volens ostendere puritatem essendi esse in se dixit: ‚Ego sum, qui sum‘ …“).307 306. Bei der Analyse dieser Stelle bemerkt Grabmann, dieser Text „leuchtete wie ein führender Stern auch über den philosophischen Darlegungen, welche das metaphysische Wesenskonstitutiv Gottes im ipsum esse substans, im reinsten subsistenten Sein sahen und aus dieser Grundbestimmtheit des göttlichen Wesens alle Eigenschaften und Vollkommenheiten Gottes ableiteten.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 58. 307. Quaest. Par. I, n. 9, LW V, S. 45, 12f. Vgl. auch ibid: „Et ideo cum esse conveniat creaturis, non est in deo nisi sicut in causa, et ideo in deo non est esse, sed puritas essendi, …“. Übers: „Und deshalb gilt: Da das Sein den Geschöpfen zukommt, ist es nicht in Gott anzutreffen, es sei denn: wie in seiner Ursache, und deshalb ist in Gott kein Sein anzutreffen, sondern die Reinheit des Seins …“. A. Beccarisi interpretiert diese Auffassung Eckharts folgendermaßen: „In der ersten ‚Quaestio Parisiensis‘ (1303–1304) definiert Eckhart die Eigenschaft der göttlichen Substanz, die intelligere ist, als puritas essendi. Seiner Meinung nach ist dies die richtige Interpretation vom Namen Gottes „Ego sum qui sum“. Die Wiederholung drückt die Reinheit des göttlichen Seins aus, das heißt: Gott kann nichts anderes als eine ewige rückwendige Identität sein.“ A. Beccarisi, Isticheit nach Meister Eckhart. Wege und Irrwege eines philosophischen Terminus, in: A. Speer/L. Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 317; L. Sturlese legt die Rolle der puritas essendi in der Pariser Quaestio I wie folgt aus: „Wenn also in der Quaestio I die Frage nach dem Prinzip von Gottes Dasein gestellt wird, so lautet die Antwort nicht primär (wie nach Thomas von Aquin): ‚Gott denkt, weil er ist‘, sondern, ‚weil er denkt, deshalb ist er‘, wobei das hiermit angesprochene Sein Gottes nicht als (geschaffenes) Sein (‚esse‘), sondern als dessen begründendes Prinzip und wesentliche Ursache (Denken als puritas essendi) verstanden werden muss. ‚Das Denken ist die Grundlage des Seins selbst.‘ Aufgrund der Geschaffenheit des Seins wird in der Quaestio II die Frage, ob das Denken des Engels mit seinem Sein identisch ist, negativ beantwortet.“ L. Sturlese, MeisÂ� ter Eckhart: Ein Porträt, in: Homo divinus …, S. 22f.; vgl. auch M. Grabmann: „Eckhart stellt hier nicht bloß den göttlichen Intellekt und das göttliche intelligere, sondern auch den endlichen Intellekt außerhalb des Rahmens des Geschöpflichen und des Seienden.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 63; Denselben Gedanken betont auch L. Sturlese: „… indem er den ‚intellectus inquantum intellectus‘ als Nicht-Ding-Sein, als nicht Geschaffenes und als formale Unbestimmtheit definierte, schaffte er jegliche Differenz zwischen göttlichem und menschlichem Denken ab und statuierte ihre Koessentialität. Das intelligere war keine singuläre Eigenschaft der einen Ersten Ursache, sondern eine Dimension der Realität.“ L. Sturlese, Meister Eckhart: Ein Porträt, in: Homo Divinus …, S. 24.
110 Sprache und Metaphysik
Wie diese Reinheit des Seins zu verstehen ist, lässt sich aus der causa-essentialis-Theorie erschließen: Das Seiende in seiner Ursache ist kein Seiendes. Gott ist aber die universale Ursache des Seienden. Daher besitzt nichts, was in Gott ist, die Bestimmtheit des Seienden (ratio entis) an sich, sondern die Bestimmtheit des Intellekts (ratio intellectus) und Erkennens, weil in Gott alles Intellekt und Erkennen ist. Zur Bestimmtheit des Erkennens gehört es aber nicht, eine Ursache zu besitzen, wie es hingegen zur Bestimmtheit des Seienden gehört, verursacht zu sein.308 Diese Auffassung Eckharts, welche die Realität des potentiellen und virtuellen Seins leugnet, steht wiederum im Widerspruch zu einer Fundamentallehre der aristotelisch-thomistischen Metaphysik, wonach beim Sein die Potenz vom Akt unterschieden wird und so die Potenz eine physische und metaphysische Realität darstellt. Den weiteren Beweis für seine These findet Eckhart in der analogen Relation. Als dessen Ausgangspunkt gilt: „… in his, quae dicuntur secundum analogiam, quod est in uno analogatorum, formaliter non est in alio.“309 Daraus folgt, dass, da alles Verursachte der formalen Bestimmtheit nach Seiendes ist, Gott der formalen Bestimmtheit nach kein Seiendes sein kann.310 Da die Akzidentien in Bezug auf die Substanz ausgesagt werden, die der formalen Bestimmtheit nach Seiendes ist, sind die Akzidentien keine Seienden und verleihen der Substanz kein Sein schlechthin. Wohl aber kann das Akzidens der Substanz ein qualitatives oder quantitatives Sein verleihen (Akzidens der Größe oder Beschaffenheit). Qualität und Quantität sind Kriterien für das geschaffene Sein, da nur die Geschaffenen als solche Vielheit und graduellen Unterschied besitzen können. Ein so geartetes Sein impliziert aber auch ein Nicht-Sein: Die Quantität besagt, dass ein geschaffenes Seiendes nicht das andere geschaffene Seiende ist; die Qualität besagt, dass in einem geschaffenen Seienden eine Eigenschaft nicht in demselben Maße vorhanden ist wie in einem anderen geschaffenen Seienden. Der These, dass Akzidentien
308. M. Grabmann hebt folgenden Aspekt der Eckhart’schen Metaphysik hervor: „Sodann ist bemerkenswert, daß Eckhart hier ganz allgemein dem Intellekt und dem intelligere die Eigenschaft des Nichtverursachtseins zuteilt, ohne einen Unterschied zwischen dem göttlichen und dem endlichen Intellekt zu machen.“ M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 59. 309. Quaest. Par. I, n. 11, LW V, S. 46, 7f. Vgl. Übers.: „Bei dem, was analog ausgesagt wird, ist das, was in einem der Analogate anzutreffen ist, der formalen Bestimmtheit nach nicht in einem anderen anzutreffen.“ In: Eckhart von Hochheim, Utrum in deo sit idem esse et intelligere?, Sind in Gott Sein und Erkennen miteinander identisch?, hrsg., übers. und mit einer Einleitung vers. von B. Mojsisch, S. 187. 310. Vgl. Quaest. Par. I, n. 11, LW V, S. 46, 9f.: „Cum igitur omnia causata sunt entia formaliter, deus formaliter non erit ens.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik
ein qualitatives oder quantitatives Sein verleihen, geht ein logischer Unterschied zwischen dem geschaffenen und ungeschaffenen Sein vorher, was in Pariser Quaestio€I noch nicht artikuliert ist: Das geschaffene Sein ist gleichsam auch ein Nicht-Sein und kann daher nie das Sein als solches ausdrücken. Hingegen ist das ungeschaffene Sein das Sein schlechthin im strengen Sinne, das die Totalität des Seins bedeutet. Nur letzteres kann der Substanz das Sein im strengen Sinne verleihen und diese Substanz kann nur Gott sein. Aber selbst das ungeschaffene Sein, insofern es – laut Pariser Quaestio I – vom göttlichen Intellekt begründet wird, ist nicht primär, sondern durch die Begründung vom Intellekt „geschaffen“. Eckhart bestreitet die aristotelische Auffassung,311 dass die Akzidentien durch einen – wenn auch begrenzten – Entstehensakt zustande kommen und dadurch zu einem – wenn auch begrenzten – Seienden erklärt werden. Er spricht den Akzidentien jede Realität ab, was wiederum die Annahme stützt, dass Eckhart sich von der aristotelisch-thomistischen Auffassung über den ontischen Status der Akzidentien radikal entfernt hat: Dadurch, dass Thomas mit Aristoteles die wesenhafte Hinordnung des Akzidens auf die Substanz betont, wahrt er auch den realen Unterschied zwischen beiden, wie es u.€a. seine Lehre vom realen Unterschied zwischen der Seelensubstanz und den Seelenvermögen beweist.312 Gott kommt kein Sein zu, er ist kein Seiendes, sondern etwas Höheres als das Seiende. Gestützt auf Aristoteles’ Ausführungen in De anima (II 7, 418 b 27), der Gesichtssinn müsse farblos sein, um jede Farbe visuell wahrnehmen zu können, und der Intellekt dürfe keine in der natürlichen Wirklichkeit anzutreffende Form sein, um alle Formen erkennen zu können, gelangt Eckhart im Hinblick auf das Sein Gottes zu folgender Festellung: „… ego ipsi deo ipsum esse et talia, ut sit causa omnis esse et omnia praehabeat, ut sicut non negatur deo, quod suum est, sic negatur eidem .“313 Diese Feststellung besagt im Grunde, dass Gott das Sein schlechthin abgesprochen wird, damit er die Ursache allen Seins ist. Das causa omnis esse kann allerdings auf zweierlei Weise verstanden werden: entweder als Ursache aller Formen des Seins, auch des Seins schlechthin oder – im Sinne von causa esse omnium – als Ursache des Seins aller Dinge. Im 311. Vgl. Aristoteles, De gen. et corr. I 3. 312. Mehr darüber M. Grabmann, Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts …, S. 62. 313. Quaest. Par. I, n. 12, LW V, S. 48, 2–4. Vgl. Übers.: „… so streite auch ich gerade Gott das Sein als solches und derartiges ab, damit er die Ursache allen Seins ist und alles zuvor in sich besitzt, so daß so, wie Gott nicht bestritten wird, was ihm zukommt, gerade ihm bestritten wird, was ihm nicht zukommt.“ Eckhart von Hochheim, Utrum in deo sit idem esse et intelligere?, Sind in Gott Sein und Erkennen miteinander identisch?, hrsg., übers. und mit einer Einleitung vers. von B. Mojsisch, S. 197.
111
112 Sprache und Metaphysik
ersten Fall wird Gott das Sein schlechthin abgesprochen, im zweiten das Sein der Dinge (esse hoc et hoc). Die erste Art des Verständnisses führt zur Eckhart’schen These von der Seinslosigkeit Gottes, die die Prävalenz des intelligere gegenüber dem esse besagt. Die zweite Art des Verständnisses führt dazu, dass Gott nur das geschaffene Sein abgesprochen wird, während das Sein schlechthin und Erkennen in ihm für identisch erklärt werden. Obwohl eine solche Auslegung eine Brücke zur Eckhart’schen These „esse est deus“ schlagen könnte (Gott wird das geschöpfliche Sein abgesprochen, er ist aber das Sein im absoluten Sinne), erscheint sie problematisch, weil in der Pariser Quaestio I das göttliche und das geschöpfliche Sein nicht getrennt werden: Das, was Gott abgesprochen wird, ist nicht das esse hoc et hoc, sondern das ipsum esse. Eckhart geht es um das Sein schlechthin. Ausgehend von der causa-essentialis-Theorie, steht für Eckhart fest: „Causa non est in suis causatis.“ Um Ursache oder Grund des Seins zu sein, muss daher Gott das Sein als solches abgestritten werden. Die causa-essentialis-Theorie aufgefasst im Rahmen der These „ens in sua causa non est ens“ führt notwendigerweise zur Seinslosigkeit Gottes, weil das Sein keinen anderen Grund als Gott haben kann, das esse ipsum als causatum aber nicht in Gott als seiner Ursache vorhanden sein kann. Als Ursache des Seins ist Gott als intelligere zu verstehen, da Eckhart Erkennen als Grundlage des Seins ansieht. Zusammenfassung In der Quaestio Parisiensis I begründet Eckhart seine neue Metaphysik, indem er den Intellekt für den Grund des Seins in Gott erklärt. „Deus est intelligere“ heißt für ihn, dass Gott erkennt und erst als Erkennender ist. Eine solche Prävalenz des Erkennens hebt die thomasische These der Identität von Sein und Erkennen in Gott auf. „Deus est intelligere“ meint, dass das Erkennen als Prädikat die WesensÂ� entfaltung Gottes darstellt und im Subjekt, in Gott, implizit enthalten ist. Dabei wird der Gottesbegriff deontologisiert, indem Gott als erkennend und erst danach als seiend bestimmt wird. Die auf den Primat des Intellekts gestützte Annahme der Seinslosigkeit Gottes hebt sich von Eckharts ontologisierenden Definitionen „esse est deus“ und „deus est esse“ ab.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 113
4.3
Die These vom Sein
4.3.1
Die Vorbemerkungen zum Prologus generalis in Opus tripartitum
Im Prologus generalis in Opus tripartitum stellt Eckhart seine These „esse est deus“ auf.314 Hierbei setzt er keinen vorgefassten Gottesbegriff voraus, sondern grenzt den Seinsbegriff dadurch ein, dass er das Sein für ein dem Nichtsein Entgegengesetztes, allen Dingen gegenüber Früheres erklärt, das als Ursache und Tätiges vom Späteren unberührt ist. Im Prologus generalis werden fünf Vorbemerkungen unterschieden, welche die These „esse est deus“ erhellen sollen: Erstens, wenn das Sein etwas anderes ist als Gott, so ist Gott entweder nicht, oder er ist nicht Gott. Wenn das Sein von Gott verschieden, ihm fremd und von ihm unterschieden wäre, wäre Gott kein Sein, sondern das Gegenteil von ihm. Entweder sind also Gott und das Sein dasselbe, oder Gott hat sein Sein von einem Anderen. Wenn Gott sein Sein von einem Anderen hätte, wäre das Sein nicht Gott selbst, sondern etwas Früheres als er. Auf solche Weise wäre es die Ursache vom Sein Gottes. Damit wäre aber Gott als causa sui und causa prima nicht mehr denkbar.315 Alles, was überhaupt ist oder Etwas ist, ist und ist Etwas nur insofern, als das Sein nicht von ihm verschieden ist. In dieser Aussage über die Totalität des Seins sind zwei Aspekte zu erkennen: Sein bedeutet zunächst das Sein von Etwas (Seinsaspekt) und das Etwas-Sein von Etwas (Identitätsaspekt); beide setzen aber das Sein selbst voraus, und zwar so, dass nur das Sein alles ist und Etwas ist.316
314. Man kann K. Ruh nur zustimmen, wenn er auf die Unvereinbarkeit der beiden Thesen „Esse est intelligere“ und „Esse est deus“ Eckharts hinweist und schließt: „Man darf diesen Gegensatz weder zum Widerspruch steigern noch hinwegdisputieren.“ K. Ruh, Meister Eckhart, S.€81. 315. Vgl. Prol. gener. n. 12, LW I, S. 156,16–157,4: „Quomodo enim est aut aliquid est, a quo esse aliud, alienum et distinctum est? Aut si est deus, alio utique est, cum esse sit aliud ab ipso. Deus igitur et esse idem, aut deus ab alio habet esse. Et sic non ipse deus, ut praemissum est, sed aliud ab ipso, prius ipso, est et est sibi causa, ut sit.“ 316. Die beiden Aspekte des Seins werden von B. Mojsisch folgendermaßen herausgestellt: „Diese allgemeine Überlegung mündet in ein Spezialproblem: Gesetzt nun, daß Gott ist (prägÂ� nant verstanden: daß er Etwas ist und daß er ist), das Sein aber von ihm verschieden ist, dann kann er das Sein und das Etwas-Sein nur dadurch besitzen, daß er durch ein Anderes ist, welches dann eben Etwas ist und ist. Entweder sind Gott und Sein also identisch, oder es stellt sich der Widerspruch ein, daß das Sein als Gott (denn: Gott ist), das allein durch sich selbst und nicht durch ein Anderes ist (vgl. die Vorbemerkungen), eben durch ein Anderes ist, das Andere aber gerade es selbst ist, nämlich das Sein.“ B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 45.
114 Sprache und Metaphysik
Zweitens, alles, was ist, hat durch das Sein und von dem Sein, dass es ist. Dies besagt: Ist das Sein selbst in Bezug auf sich selbst voraussetzungslos, so ist es gerade darin Ursache für alles, was ist. Sein ist causa und principium für alles. Wenn also das Sein von Gott unterschieden wäre, hätte das Wirkliche sein Sein von etwas anderem als von Gott.317 Daher haben die Dinge ihr Sein nicht von einem Anderen als Gott, sondern vom Sein, das mit Gott identisch ist. Aus der Identität des Seins mit sich selbst folgt mithin eine Differenz zwischen dem Sein als causa und dem Seienden als causatum. Drittens, das Sein ist causa prima, da vor dem Sein nichts sein kann. Wer also Sein mitteilt, der schafft und ist Schöpfer. Daher vollzieht sich die Seinsmitteilung oder das Schaffen aus dem Nichts zum Sein durch das Sein. Alles Sein hat aber das Sein vom Sein selbst.318 Dadurch kommt der Partizipationsgedanke unter funktioneller Perspektive zum Ausdruck: Es wird die Funktion dessen analysiert, was die Teilhabe ermöglicht.319 Wenn das Sein etwas anderes als Gott wäre, müsste der Schöpfer auch etwas anderes als Gott sein, bzw. Etwas hätte das Sein mitteilen können, das selbst nicht Sein wäre, wie dies aus der ersten Vorbemerkung hervorging. Also ist Gott mit dem Sein identisch und Schöpfer. Viertens, alles, was Sein hat, ist. Daher wäre es ein Widerspruch zu behaupten, dass alles ohne das Sein sein kann: Wenn das Sein etwas anderes als Gott wäre, müssten die Dinge ohne Gott sein können, und so wäre Gott nicht nur nicht die erste Ursache, sondern überhaupt nicht die Ursache für das Sein der Dinge.320 Der erste Argumentationsgang hat aber erwiesen, dass das Sein nicht von Gott verschieden ist. Daraus folgt, dass die Dinge nicht ohne Gott, der causa prima und causa essendi der Dinge ist, sein können. Fünftens, außerhalb des Seins und vor dem Sein ist allein das Nichts, weil außerÂ�halb des Seins und vor dem Sein nur das Nichts sein kann. Wenn also das Sein etwas anderes als Gott und Gott fremd wäre, wäre Gott als Vom-Sein-
317. Vgl. Prol. gener. n. 12, LW I, S. 157, 5f.: „… omne quod est per esse et ab esse habet, quod sit sive quod est. Igitur si esse est aliud a deo, res ab alio habet esse quam a deo.“ 318. Vgl. Prol. gener. n. 12, LW I, S. 157, 7–10: „… ante esse est nihil. Propter quod conferens esse creat et creator est. Creare quippe est dare esse ex nihilo. Constat autem quod omnia habÂ� ent esse ab ipso esse … Igitur si esse est aliud a deo, creator erit aliud quam deus.“ 319. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 46. 320. Vgl. Prol. gener. n. 12, LW I, S. 157, 11–13: „… omne habens esse est, quocumque alio circumscripto…â•›. Igitur si esse est aliud quam deus, res poterunt esse sine deo; et sic deus non est prima causa, sed nec causa rebus quod sint.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 115
verschieden-Sein identisch mit dem Vor-dem-Sein-Sein, d.€h. mit dem Nichts: Gott wäre von etwas ihm gegenüber Anderem und Früherem, und dieses wäre dann „der Gott für Gott und aller Dinge Gott“.321 Gott für Gott wäre die von Gott unterschiedene causa des göttlichen Seins, die ihrerseits Gott im Sinne der Seinsmitteilung wäre. Aber Gott kann das Sein nicht von Etwas, das von ihm verschieden ist, mitgeteilt werden, weil er selbst das Sein ist, wie schon in der ersten Vorbemerkung gezeigt wurde: Allein das Nichts, das den unmittelbaren Gegensatz zum Sein bildet, wäre Gott, wenn Gott vom Sein verschieden wäre; er wäre nicht Etwas, wäre überhaupt nicht, da er als Nichts sich nicht zu sich als Sein vermitteln könnte. Daher sind esse und deus identisch: „Esse est deus.“ In dieser Vorbemerkung wird nicht nur das Sein, sondern auch das diesem Entgegengesetzte – das Nichts – thematisiert, und zwar auf folgende Weise: Das Nichts wird als ein Negieren von etwas verstanden, und zwar vom Sein im ontologischen Sinn, d.€h. vom Sein schlechthin. Durch den Begriff des Nichts grenzt die Vorbemerkung den Seinsbegriff ein. Da das Nichts das Sein schlechthin negiert, wird als oppositum des letzteren das Nichts oder das ‚dies und das Seiende‘ begÂ� riffen.322 Wenn nämlich ens hoc et hoc oder das Viele als vieles verstanden wird, impliziert dies ein Denken des Nichts, denn dann müssen über die Einheit hinaus Vielheit und Differenz gedacht werden. Differenz aber ist für Eckhart nicht ohne Negation zu denken, Negation wiederum nicht ohne ihre Wurzel, das nihil oder niht.323 Das Nichts wird in dieser ersten Bedeutung als die Negation jeder ontischen Bestimmung des kreatürlichen Seins verwendet. Dies meint, dass das Geschaffene für Eckhart nur insofern ‚ist‘, als es am Sein selbst hängt, während es ex
321. Prol. gener. n. 12, LW I, S. 158, 1–3: „… extra esse et ante esse solum est nihil. Igitur si esse est aliquid quam deus et alienum deo, deus esset nihil aut, ut prius, esset ab alio a se et a priori se. Et istud esset ipsi deo deus et omnium deus.“ 322. Vgl. Pr. 20 B, DW I, S. 346, 13f.: „Alle crêatûren sint ze snœde da zuo, daz sie in offenbâren; sie sint alle ein niht gegen gote.“ Übers.: „Alle Kreaturen sind zu geringwertig dazu, dass sie Gott offenbaren; sie sind alle [zusammen] ein Nichts gegen Gott.“ N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 239, 14–16. 323. Vgl. R. Manstetten, Esse est deus, S. 330.
116 Sprache und Metaphysik
se ‚nichts‘ ist.324 Da das Nichts als ein Verneinen zu verstehen ist, ist die Negation oder die Verneinung ihrerseits das Aussprechen eines Nichts.325 Die zweite Bedeutung des Begriffs ‚Nichts‘ kommt in der Predigt 71 zum Ausdruck, wo sie paradigmatisch mit der folgenden Formel wiedergegeben wird: „Gott ist ein Nichts und Gott ist ein Etwas.“326 Die Gleichsetzung von Gott und Nichts zeigt den ontologischen Status des Nichts an. Das Nichtsein wird als ein außerhalb des Seins seiender, kontradiktorischer Gegensatz zum Sein betrachtÂ� et. Damit wird es zu einem negativen Kriterium für den absoluten GültigkeitsÂ� anspruch des Seins.327 Das Nichts als ein Nicht-Sein wird nicht als dem Sein selbst
324. Vgl. K. Hedwig, Negatio negationis. Problemgeschichtliche Aspekte einer Denkstruktur, in: Archiv für Begriffsgeschichte 24 (1980), S. 7–33, hier S. 11. Zum kreatürlichen oder bestimmten Sein vgl. auch B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 49: „Damit gibt er zu erkennen, daß das bestimmte Sein von sich her nur beansprucht, als Sein auftreten zu können. In seiner Selbstbestimmung ist das Bestimmte nur Bestimmtes (hoc aut hoc). Sein verdankt das bestimmte Sein stets dem absoluten Sein, da das absolute Sein kein Gegenüber außerhalb seiner zuläßt.“ T. Suarez-Nani meint, dass die Eckhart’sche Auffassung, dass die Geschöpfe, an sich betÂ� rachtet, ein reines Nichts seien, zu einer absoluten Behauptung führt, die eine der Gründe der Verurteilung Eckharts bildete: „Alle Geschöpfe an sich betrachtet sind ein reines Nichts, da ihr Sein ganz und gar von der fortwährenden Gegenwart Gottes abhängt. Das Nichts der Geschöpfe wird also absolut behauptet und wird unabhängig vom konstitutiven Ort betrachtet, der sie an das Sein€– Gott bindet.“ T. Suarez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (Hrsg.), Eckardus theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozess gegen Meister Eckhart, Freiburg 1992, S. 31–96, hier S. 88; A. M. Haas spricht in Bezug auf die Relation zwischen Gott als absolutem Sein und der Kreatur als absolutem Nichts von einer Analogie-Dialektik, die sich darin bemerkbar mache, dass die spezifische Fassung der Eckhart’schen Analogie eine KonstellaÂ� tion zu bewirken vermöge, in der von beiden beteiligten Analogiepartnern Sein und Nichts in verschiedener Rücksicht ausgesagt werden könnten: „Unbezweifelbar ist mit dieser AnalogieDialektik die Voraussetzung gegeben, dass der Begriff des Nichts keinerlei nihilistische Komponente enthält, sondern immer in einer noch näher zu definierenden Beziehung zum Sein steht. Ziel der Anwendung des Nichts-Begriffs ist offenbar die Relativierung aller substantialisierenden Redeweisen.“ A. M. Haas, Das Ereignis des Wortes. Sprachliches Verfahren bei Meister Eckhart und im Zen-Buddhismus, in: Ders., Gottleiden – Gottlieben. Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelalter, S. 216. 325. Vgl. K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein, S. 140. 326. Vgl. Meister Eckhart, Pr. 71, Pr. 73, DW III, S. 211–231; S. 259–270. 327. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 43f. R. Manstetten unterscheidet die drei Bedeutungen des Terminus ‚Nichts‘, die er auf die Schöpfungslehre Eckharts zurückführt: Nichts sei alles Geschaffene, sofern es aus sich verstanden werde; Nichts sei alles, was vor dem Sein sei; Nichts sei alles, was außer dem Sein sei. Vgl. R. Manstetten, Esse est deus, S. 325.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 117
immanent, als für das Sein selbst bestimmend angesehen, sondern es hat einen rein konstruktiven Charakter, der dazu dient, den Seinsbegriff einzugrenzen.328 Dennoch stellt das Nichts auf der ontologischen Ebene die Gottheit dar: „dô er ûfstuont von der erden, mit offene ougen sach er niht, und daz niht was got.“329 Durch diese Gleichsetzung von Nichts und Gottheit, die in Predigt 71 wiedergegeben ist, verwandelt sich das Nichts als Prädikat Gottes aus der Negation des ontologischen Status des esse hoc aut hoc in einen ontologischen Begriff: Gottheit als Nichts enthält alles Sein in seinsloser Ursprungsform und ist Fülle allen Seins. Um diesen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, verwendet Meister Eckhart in Predigt 11 folgende Formulierung: „Swaz niht hie noch dâ ein vergezzenheit aller crêatûren ist, dâ ist vüllede alles wesens.“330 Insofern ist der Unterschied von Sein und Nichts als Unterschied zu begreifen, der keiner ist. In den Vorbemerkungen zum Prologus generalis hat also das Nichts eine das Sein eingrenzende Funktion, in den deutschen Predigten tritt es hingegen als ein mit der Gottheit oder dem göttlichen Wesen gleichgesetzter Begriff auf. In Analogie zum duplex esse – dem esse hoc aut hoc und dem esse als dem Seienden schlechthin – lässt sich bei Eckhart auch ein duplex nihil unterscheiden: Einerseits meint Nichts in seiner pejorativen Bedeutung alles außerhalb des transzendentalen Seins, alles Geschaffene. Hier bedeutet die Nichtigkeit der endlichen Dinge, dass sie nichts anderes sind als die reine Relationalität zu ihrem Ursprung; andererseits wird das Wesen Gottes auf affirmative Weise als Nichts gefasst, wenn Seiend-Sein als esse hoc aut hoc den Kreaturen zugeschrieben wird.331 Das Nichts als das Wesen Gottes ist aber für Eckhart nichts anderes als ein indistinctum (Nichts kann nicht bestimmt werden) oder Eines, sofern Eines als schlechthin Eines zu verstehen ist.
328. Vgl. H. Ebeling, Meister Eckharts Mystik. Studien zu den Geisterkämpfen um die Wende des 13. Jahrhunderts, Aalen 1966, S. 72: „Aber das Nichts ist weder Privation noch Negation noch Determination des göttlichen Seins, sondern rein konstitutiver, konstruktiver, peripherischer Gegensatz mit der Absicht, die totale Einheit und Universalität des göttlichen Seins negativ zu begründen und zu bejahen.“ 329. Meister Eckhart, Pr. 71, DW III, S. 211, 5f.: „Als er aufstand von der Erde, sah er mit offenÂ� en Augen nichts, und dieses Nichts war Gott.“ 330. Meister Eckhart, Pr. 11, DW I, S. 185, 6f.: „Was weder hier noch dort ist und wo ein VerÂ� gessensein aller Kreaturen ist, da ist Fülle alles Seins.“ 331. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 106; vgl. auch R. Schönberger, Meister Eckhart. Denken und Innewerden des Einen, in: Th. Kobusch (Hrsg.), Philosophen des Mittelalters, Darmstadt 2000, S. 201–218, hier S. 213; zum ontologischen Status der Geschaffenen vgl. auch K. Hedwig, Negatio negationis, S. 11f.
118 Sprache und Metaphysik
4.3.2
Transzendentalien als Prädikate
Für den theologischen Diskurs Eckharts gilt: „Aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc.“332 Dieser semantische Grundsatz betrifft nicht nur das Seiende schlechthin und das ens hoc aut hoc, sondern auch das Sein schlechthin und das esse huius et huius, weil diese Prämisse eigentlich Folgendes meint: Man muss über das Sein an sich und das Sein schlechthin ohne nähere Bestimmung anders urteilen als über das Sein dieses oder jenes Seienden.333 Die Unterscheidung des Urteilens betrifft auch die übrigen allgemeinsten Bestimmungen („similiter etiam de aliis“). Unter allgemeinsten Bestimmungen versteht Eckhart hier die vier TransÂ� zendentalien Sein, Eines, und Gutes. In diesem Zusammenhang formuliert er im Prologus in Opus propositionum vier Vorbemerkungen, die wiederum für die Erläuterung der These „esse est deus“ dienen.334 Die erste Vorbemerkung besagt, dass seiend nur das Sein sein kann. Einen Beweis dafür, dass Gott allein im eigentlichen Sinne seiend ist, findet Eckhart in den Worten der Exodusschrift: „Ego sum qui sum“ und „qui est misit me“. Die zweite Vorbemerkung erklärt, dass alles von Gott Sein, Einheit, Wahrheit und Gutheit hat. Gemäß der dritten Vorbemerkung kann nur Gott allein wahrhaft Seiendes, Eines, Wahres und Gutes sein, und alles andere hat Sein, Einheit, Wahrheit und Gutheit unmittelbar von ihm. Die letzte Vorbemerkung führt aus, dass die Bestimmungen ‚dies‘ und ‚das‘ dem Seienden, Einen, Wahren oder Guten kein Mehr an Seinsgehalt, Einheit, Wahrheit oder Gutheit hinzufügen. Zur Interpretation der These „esse est deus“ bietet sich wiederum ein Rekurs auf die Semantik an, die Aufschluss darüber gibt, in welchem Fall das Prädikat mit seinem vollen Wortsinn, d.€h. als ein Hauptwort, verstanden werden muss und wann es nur als ein ergänzender Bestandteil der Kopula zu denken ist.
332. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 166, 12. 333. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 166,12–167,1: „Secundo praenotandum est quod aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc. Similiter autem de esse absolute et simpliciter nullo addito, et aliter de esse huius et huius.“ 334. Prol. op. prop. n. 1, LW I, S. 166, 1–5. Bemerkenswert ist die Erläuterung dieser These, die B. Mojsisch gibt: „Die Proposition ‚esse est deus‘ ist in dieser Form von Eckhart bewußt gewählt, um den metaphysischen terminus generalis ‚esse‘ einer Untersuchung zu unterziehen und zugleich auszuschließen, daß der Gottesbegriff im Falle einer Identität von ‚esse‘ und ‚deus‘ auf den Seinsbegriff festgelegt ist.“ B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 44.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 119
Seine eigene Lösung dieser semantisch-logischen Frage drückt Eckhart im Prologus in Opus propositionum mit folgenden Worten aus: Cum igitur dico aliquid esse, aut unum, verum seu bonum praedico, et in praedicato cadunt tamquam secundum adiacens praemissa quattuor et formaliter accipiuntur et substantive. Cum vero dico aliquid esse hoc, puta lapidem, et esse unum lapidem, verum lapidem aut bonum hoc, scilicet lapidem, praemissa quattuor accipiuntur ut tertium adiacens propositionis nec sunt praedicata, sed copula vel adiacens praeÂ� dicati.335
Demnach gilt also: Wird von etwas ausgesagt, es sei oder es sei eines, wahr oder gut, sind diese Bestimmungen als zweites Satzglied Satzaussage und werden in ihrem eigentlichen Sinne und als Hauptwörter genommen.336 Wenn die allgemeinen Bestimmungen einen vollen Begriffsinhalt ausdrücken, werden sie also gemäß Eckhart als Hauptwörter aufgefasst. Dies gilt aber nur für die perfectiones generales und nicht für die partikuläre Verwirklichung dieser VollkommenÂ� heiten, die mit hoc aut hoc ausgedrückt wird. Mit anderen Worten, hier werden von Eckhart wieder die Grundthesen für die semantische Analyse von Sätzen hervorgehoben, die wiederum mit den Fragen der Ontologie verflochten sind: Sobald das Prädikat als ein hoc aut hoc aufgefasst wird, bildet es nicht das eigentlich Ausgesagte (praedicatum), sondern ein drittes Glied des Satzes neben dem Subjekt und der Kopula. Das Prädikat stellt entweder (1) die Kopula selbst dar, und zwar als ihr Bestandteil ohne selbstständige Bedeutung in der Satzstruktur, oder ist (2) eine nähere Bestimmung zum Ausgesagten. Die Bestimmung ‚dieses Seiende‘ oder ‚dies und das Eine‘ oder ‚dies und das Wahre‘ meint ein Hinzufügen von ‚dies‘ und ‚das‘, aber nicht von Seinsgehalt, Einheit, Wahrheit oder Gutheit zum Seienden, Einen, Wahren und Guten.337 Dies bedeutet, dass ein konkretes Seiendes, das ens hoc aut hoc, keinen größeren Seinsgehalt besitzen kann, als es das Sein in seiner Vollkommenheit – als ein allgemeiner Begriff – zum Ausdruck bringen kann. 335. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 167, 2–8: „Wenn ich also von etwas aussage, daß es ist oder daß es eines, wahr oder gut ist, so sind diese vier Bestimmungen als zweites Satzglied Satzaussage und werden in ihrem eigentlichen Sinne und als Hauptwörter genommen. Sage ich aber: etwas ist dieses, etwa der Stein da, es ist ein Stein, ein wahrer Stein, oder dieses Gute, nämlich der Stein da, dann bilden diese vier Bestimmungen das dritte Glied des Satzes und sind nicht das (eigentlich) Ausgesagte, sondern entweder Kopula oder nähere Bestimmung zum Ausgesagten.“ 336. Vgl. Prol. op. prop. n. 3, LW I, S. 167, 2ff. 337. Vgl. Prol. op. prop. n. 4, LW. I, S. 168, 2–4: „… cum dico hoc ens aut unum hoc aut unum istud, verum hoc et istud, li hoc et istud nihil prorsus addunt seu adiciunt entitatis, unitatis, veritatis aut bonitatis super ens, unum, verum, bonum.“
120 Sprache und Metaphysik
R. Manstetten hat darauf hingewiesen, dass der Satz „esse est deus“ in drei Stufen zu verstehen ist. Nach seiner Auffassung besagt die erste Stufe, dass das Subjekt ‚Sein‘ ein Anderes gegenüber dem Prädikat, ‚Gott‘ ist, die zweite Stufe, dass Subjekt und Prädikat durch die Kopula ‚est‘ in Relation zueinander stehen: „Innerhalb dieser Relation enthüllt sich Sein, wird manifest kraft eines Anderen, der den Horizont des Seins überschreitet und insofern nicht unmittelbar Sein genannt werden darf.“338 Die dritte Stufe stelle die Identität in ihrer Wahrheit dar: Nur in der Identität mit seiner von ihm unterschiedenen personalen Wirklichkeit sei Sein wahrhaft Sein. „Nur kraft der Relation esse est deus und ihrer Umkehrung ist Sein mit sich selbst identisch, so dass man sagen könnte: Aus esse est deus und deus est esse folgt erst esse est esse.“339 Mit dieser Deutung wird versucht, aus der Analyse der Satzstruktur Konsequenzen für die Begriffsinhalte zu ziehen. Indem auf der ersten Stufe anerkannt wird, dass in dem Satz zwei verschiedene Satzteile verbunden werden, stellt sich die Frage nach der Art dieser Relation. Manstetten versucht das auch darzustellen, indem er auf der zweiten Stufe das Modell skizziert, das der Inhärenz eignet. Um diese Relation zu charakterisieren, verwendet er den Begriff des Enthüllens, der in diesem Zusammenhang das Entfalten des Begriffsinhaltes wiedergeben soll. Enthüllen durch das Prädikat ist nur dann möglich, wenn der mit dem Prädikat wiedergegebene Inhalt schon im Subjekt verhüllt vorhanden ist.340 Auf der dritten Stufe will er aber diese Relation schon gemäß dem Identitätsmodell verstanden wissen, wenn er schreibt, dass aus „esse est deus“ und „deus est esse“ die Selbstidentität des Seins – „esse est esse“ – folge. Dabei will Manstetten die beiden Modelle in einer Satzaussage verwirklicht sehen. Die Lösung dieser Frage steht nicht nur im Zusammenhang mit der Funktion der Kopula, sondern auch mit dem Begriffsinhalt der als Subjekt und Prädikat fungierenden Wörter. „Esse est deus“ besagt die Relation zwischen esse und deus, während deus als etwas aus dem Sein Herausgetretenes verstanden wird.341 „Esse 338. R. Manstetten, Esse est deus, S. 61. 339. R. Manstetten, Esse est deus, S. 62. 340. Diesen Gedanken gibt R. Manstetten selbst mit anderen Worten wieder: „Was in der Frage nach dem Sein erfragt wird, der Sinn von Sein, wird erkennbar, wenn man aus dem Horizont von ‚Sein‘ heraustritt in die Dimension ‚Gott‘ und von dorther zum Sein zurückkehrt. Heraustreten und Rückkehr ereignen sich aber in der Kopula. Die Kopula ist also das eigentliche Problem der These esse est deus. Das est der These esse est deus ist ein Akt, ein Geschehen, ein Prozeß, durch den Sein in der Dimension Gott im eigentlichen Sinne sein wird.“ R. Manstetten, Esse est deus, S. 62f. Eine solche Funktion der intensionalen Verbindung zwischen Subjekt und Prädikat kann aber ‚est‘ im Rahmen der inhaerentia-Theorie besitzen. 341. J. A. Aertsen kennzeichnet die These esse est deus als nicht „rein scholastisch“, denn hier ist „der Satzgegenstand nicht Gott, dem das Seinsprädikat zugesprochen wird, sondern das
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 121
est deus“ besagt, dass das Sein in seiner Totalität Gott sein kann, weil deus€– als ein im esse schlechthin implizit enthaltener Inhalt – die Entfaltung des esse schlechthin darstellt. Sobald esse in einem Satz als ein Prädikat aufgefasst wird („deus est esse“), besagt es schon ein Moment des esse schlechthin und verhält sich intensional zum Subjekt (‚deus‘). Esse als ein Moment des esse schlechthin stellt in der These „deus est esse“ die Entfaltung Gottes dar. Esse als ein Moment des esse schlechthin ist als das Sein der partikulären göttlichen Personen aufzufassen, während das esse schlechthin die göttliche Wesenheit wiedergibt, die mehr ist als Gott in den Modi des Vaters, des Sohnes oder des Heiligen Geistes.342 Die göttliche Wesenheit umfasst die drei Hypostasen und noch etwas mehr, und zwar den wesentlichen Grund des göttlichen Seins. Ohne einen solchen Grund, der mit dem esse divinum in seiner Seiendheit identisch ist, kann das göttliche Sein nicht sein. Dieser Grund ist, wie es in Eckharts deutschen Predigten heißt, „grunt âne grunt“, wo Gott selbst niemals einen Augenblick hineinblicken kann, sofern er in der Weise der Trinität existiert.343 4.3.3
Die Konvertibilität des ‚Seins‘ mit den anderen Transzendentalien
Gott ist das Sein im eigentlichen Sinne und auch das Eine, denn es gilt: „… solus deus proprie aut unum aut unus est. Deut. 6: ‚Deus unus est‘.“344 Dies dient Eckhart als Prämisse das Sein und das Eine für konvertibel zu erklären. Der Grund ihrer Konvertibilität liegt darin, dass beide Gott im eigentlichen Sinne bezeichnen können. In diesem Zusammenhang beruft sich Eckhart auf Proclus und den Liber de causis, um die gegenseitige Vernetzung des henologischen und des ontologischen Diskurses zu rechtfertigen. Durch die Aussagesätze „esse est deus“ und „deus unus est“ wird hier folgendes ontologische Schema skizziert: Gott ist im eigentlichen Sinne das Sein, und Gott ist im eigentlichen Sinne das Eine. Das Eine ist aber als Einheit, als Einheit des Wesens oder mehr noch, als wesentliche Einheit zu verstehÂ�en, in der kein Sein als Sein anzutreffen ist, weil Sein im Einen Eines ist. Ein so konstituiertes Eines erweist sich emphatisch als relationslos begriffenes Sein steht an der Subjektstelle der Aussage … sein Ausgangspunkt ist die Evidenz des Seins.“ J. A. Aertsen, Der ‚Systematiker‘ Eckhart, in: A. Speer/L. Wegener, Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 189–230, hier S. 197. 342. Vgl. In Ioh. n. 512, LW III, S. 443. 343. Vgl. Pr. 2, DW I, S. 43, 3–5: „Got selber luoget dâ niemer în einen ougenblik und geluogete noch nie dar în, als verre als er sich habende ist nâch wîse und ûf eigenschaft sîner persônen.“ 344. Prol. op. prop. n. 6, LW I, S. 169, 3f.: „Gott allein im eigentlichen Sinne eines oder einÂ� er€ist.“
122 Sprache und Metaphysik
Eines und zeichnet sich gleichwohl als begründender Grund durch Relationalität aus.345 Das Eine als ein mit Gott konvertibler Begriff impliziert das Negieren (welches das Aussprechen eines Nichts ist)346 eines bestimmten Seinsmodus Gottes, und zwar der Triplizität. Der Begriff der Triplizität oder Trinität enthält in sich die Begriffe von Andersheit und Verschiedenheit: Der Sohn ist das andere des Vaters. Obwohl er mit ihm ein Sein ist, bleibt er als er selbst von ihm unterschieden. Diese Verschiedenheit wird im Begriff des Einen verneint: Daraus, dass der Begriff des unum die Vielheit negiert, ergibt sich konsequent eine Negation der bestimmten Sachheit und die Negation der Negation selbst.347 Es handelt sich daher um die Negation des Unterschieden-Seins, die logisch eine doppelte Negation impliziert, um gerade dadurch das ununterschiedene prius des Seienden selbst zu thematisieren.348 In Eckharts Werk erfährt das transzendentale Eine eine neue Deutung, wenn er das Eine als negatio negationis versteht: Das Eine (unum) oder die Einheit (unitas) sind die Explikationen der Einzigartigkeit Gottes. Das unum in Form der doppelten Negation geht über das Sein hinaus, begründet die Reinheit des Seins als Über-Sein.349 Das über das Sein hinausgegangene Eine, d.€i. das göttliche Wesen, gibt dem Sein seinen Grund.350 Das unum kann dem Sein seinen Grund geben, weil es ein Etwas ist, das das Sein als solches noch nicht ist. EtwasSein meint, dass das unum kein bestimmtes Sein besitzt, das in einer bestimmten Modalität oder in einem bestimmten Punkt des Seins definierbar wäre, sondern ein unbestimmtes und eigenschaftsloses Sein ist. Unbestimmtheit und Eigenschaftslosigkeit meinen eine Negation, die in privativen Begriffen zum Ausdruck 345. B. Mojsisch betrachtet das Eckhart’sche relationslose Eine, das sich als begründender Grund durch Relationalität auszeichnet, im Zusammenhang mit der Wesenstheorie Jakobs von Metz. Eckhart spricht „mit implizitem Rekurs auf die Wesentheorie Jakobs von Metz von der ‚essentia cum relatione‘ … von der ‚isticheit‘ als dem relational bestimmten Wesen in seinem Übergang zum Sein.“ B. Mojsisch, Perfectiones spirituales – Meister Eckharts Theorie der geistigen Vollkommenheiten. Mit possibilitätsphilosophischen Reflexion, in: M. Pickavé (Hrsg.), Die Logik des Transzendentalen, (Miscellanea Mediaevalia 30), Berlin/NY 2003, S. 511–524, S.€513. 346. Vgl. K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein, S. 140. 347. Vgl. K. Hedwig, Negatio negationis, S. 10. 348. Vgl. ibid. S. 10. 349. Vgl. N. Winkler, Meister Eckhart zur Einführung, Hamburg 1997, S. 55. 350. Vgl. dazu B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 97: „Trotz der im principium begegnenden Einheit von göttlichem Wesen und göttlichem Sein ist für Eckhart aber auch die Akzentuierung der Eigenständigkeit des Wesens qua Vernunft bezeugt (‚Quaestio Parisiensis€I‘), einer Eigenständigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, daß das Wesen als Vernunft für das principium als Sein Grund ist.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 123
kommt. Die im unum implizierte Negativität verursacht die Eigenständigkeit des unum gegenüber dem Sein; die Akzentuierung dieser Negativität ermöglicht auch die Schlussfolgerung, dass das unum für das esse konstitutiv ist.351 Aber diese im Begriff des Einen als im Begriff des transzendentalen Seins liegende Negation gilt nur dem Wortlaut nach, während es sich der Sache nach um eine Affirmation handelt: „Unum transcendens in voce quidem negatio est, sed in significato, cum sit negatio negationis, est mera affirmatio.“352 Hier stellt sich nun folgende Frage: Wie kann die Negation, die nur dem Wortlaut nach besteht, ein Grund des göttlichen Seins sein? Gott in seinem göttlichen Wesen ist für Meister Eckhart reiner Intellekt, dessen ganzes Sein das Denken schlechthin ist. Im ersten Genesiskommentar findet man diesen Gedanken explizit: „Deus sit intellectus purus, cuius esse totale est ipsum intelligere.“353 Gott als Intellekt ist im Vergleich zum Seiend-Sein der Dinge ein reines Nichts.354 Reines Nichts enthält die Negativität als eine unendliche Perspektive, in der alle Namen als die Ausdrücke bestimmter Seinsmodi entschwinden.355 Der Intellekt stellt aber gleichzeitig das göttliche Wesen als Grund für das transzendentale Sein dar.356 Die im Intellekt als im reinen Nichts implizierte Negativität als Negation verwandelt sich dadurch in eine positive Negativität, dass sie zum unbestimmten und damit absoluten Sein wird.
351. Vgl. ibid., S. 84. 352. In Eccli. LW II, S. 293, 1f. 353. In Gen. I, LW I, S. 314, 17. 354. Vgl. R. Schönberger, Meister Eckhart. Denken und Innewerden des Einen, S. 213. 355. Vgl. dazu N. Largier, Intellekttheorie, Hermeneutik und Allegorie. Subjekt und Subjektivität bei Meister Eckhart, in: R. L. Fetz/R. Hagenbüchle/P. Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Berlin/NY 1998, S. 460–486, hier S. 467: „Das heißt indes auch, daß das menschliche Ich, wie das göttliche, letztlich in der Negativität entschwindet. Auch das ‚Ich‘ ist, wie ‚die Vernunft‘ und ‚das Sein‘, doch immer ein Name, also etwas, das die Wüste der Gottheit nicht trifft. Letztlich ist nichts als das Höchste in Gott, als der Grund Gottes zu betrachten, sondern die Perspektive der Negativität, die Perspektive einer allem BegÂ� riff und aller Vernunft sich immer entziehenden Begründung ist vorzuziehen.“ 356. B. Mojsisch erkennt folgende Bestimmungsaspekte, die in Eckharts Denken dem Intellekt zukommen: Erstens sei Vernunft die Einheit als indistinctum; zweitens sei sie die Einheit, die als Natur (oder isticheit) dem principium attributiert werde und das principium (als Substanz) durchwirke (istige vernünfticheit); drittens sei sie das principium als das transzendentale Sein (wesende vernünfticheit); viertens sei sie das verbum oder der ungeschaffene Seelengrund in ihrer univoken Korrelation mit dem principium als Vernunft; fünftens sei Vernunft der geschaffene mögliche Intellekt, der das suche, was der Seelengrund in seiner Ungeschaffenheit seit je besitze und sei. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 105f.
124 Sprache und Metaphysik
Ein unbestimmtes Sein ist der Ausdruck der Totalität des Seins, dem nichts vorausgeht und nichts vorausgehen kann. Da vor dem Sein nichts ist, vollzieht sich die Seinsmitteilung oder das Schaffen aus dem Nichts zum Sein als bestimmtem Sein durch das Sein. Dieses Sein ist Fülle allen Seins, von dem es in Predigt€11 heißt: Von nihte ensuln wir niht wizzen und mit nihte ensuln wir niht gemeine hân. Alle crêatûren sint ein lûter niht. Swaz niht hie noch dâ enist und dâ ein vergezzenheit aller crêatûren ist, dâ ist vüllede alles wesens.357
Mit anderen Worten: Das Eine ist die Verneinung der Vielheit, welche selbst eine Negation in dem Sinne aufweist, dass dieses Seiende nicht jenes ist. Das Sein ist nämlich durch sich und aus sich das Prinzip der Unterscheidung der Dinge358 und daher auch das Prinzip der Vielheit. Daraus folgt, dass das Eine nicht etwas Negatives bezeichnet, sondern eine Affirmation, und zwar die „Reinheit und die Fülle des Seins“. Deswegen kommt das Eine oder die Verneinung der Verneinung nur dem ersten und vollen Sein zu, wie es Gott ist. Von Gott kann nichts verneint werden, weil er alles Sein im Voraus schon besitzt und in sich schließt.359 Dieses Sein gibt und erschafft alles. Daher ist es die erste und allumfassende Ursache, ist das Sein schlechthin. Das Sein des ‚dies und das Seienden‘ gibt es nicht im absoluten Sinne der Gegebenheit, im absoluten Sinne der Seiendheit, weil es nie das Sein im absoluten Sinne besagt, sondern nur ein Nicht-Sein und eine Unterschiedenheit von anderem ‚dies und das Seienden‘. Diesen Gedanken drückt Eckhart mit folgenden Worten aus: … omne dans esse creat et est causa prima et universalis omnium, ut dictum est supra. Nihil autem hoc aut hoc est causa prima et universalis omnium nec creat. Igitur nihil hoc aut hoc dat esse.360
357. Pr. 11, DW I, S. 185, 4–7. Übers.: „Vom Nichts sollen wir nichts wissen, und mit dem Nichts sollen wir nichts gemein haben. Alle Kreaturen sind ein reines Nichts. Was weder hier noch dort ist und wo ein Vergessensein aller Kreaturen ist, da ist Fülle alles Seins.“ 358. Vgl. Prol. op. prop. n. 18, LW I, S. 177, 5f.: „Esse enim est quod per se et ex se habet distinguere.“ 359. Vgl. Prol. op. prop. n. 6, LW I, S. 169, 6–8: „Praeterea li unum est negatio negationis. Propter quod soli primo et pleno esse, quale est deus, competit, de quo nihil negari potest, eo quod omne esse simul praehabeat et includat.“ 360. Prol. op. prop. n. 20, LW I, S. 178, 3–6: „… alles, was Sein gibt, erschafft und ist die erste und allumfassende Ursache, wie oben gesagt wurde. Kein Dies und Das aber ist die erste und allumfassende Ursache noch erschafft es. Also gibt kein Dies und Das Sein.“
4.3.4
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 125
Die exklusive Identifizierung der Transzendentalien mit Gott
Sein und Eines sind konvertibel. Die Konvertibilität des Seins und des Einen betont Eckhart auch dadurch, dass er den Diskurs über den Begriff des unum auf den Seinsbegriff überträgt. Gemäß Eckhart kann vom Seienden nichts oder kein Sein verneint werden. Ihm kommt vielmehr die Verneinung der Verneinung des Seins zu. Wie dem EinÂ� en nicht Eines oder Einheit abgesprochen werden kann, so kann auch dem Seienden schlechthin nicht Sein oder Seiendheit abgesprochen werden. Das Seiende schlechthin kann nur Verneinung der Verneinung sein, weil es kein ‚dies und das Seiendes‘ ist, sondern die Negation desselben darstellt. Als bestimmtes Seiendes ist das ‚dies und das Seiende‘ dadurch bestimmt, dass es das bestimmte Sein alles anderen bestimmten Seienden verneint.361 Es ist unmöglich, dass irgendein Sein oder irgendeine unterscheidende Seinsweise dem Sein selbst als dem ungeschaffenen Sein, dem Sein schlechthin, fehlt oder abgeht, weil „dies und jenes Gute und dies und jenes Seiende … sein ganzes Sein von dem Sein, durch das Sein und in dem Sein“ hat.362 Ein solches Sein, das dem Sein schlechthin fehlen oder abgehen würde, wäre kein Sein und wäre nichts: „Außer dem Sein und ohne das Sein ist alles nichts, auch das Gewordene.“363 Das Seiende besagt eigentlich die Bejahung des Seins, während sein Gegensatz, das Nichts, einen Ausdruck des Verneinens darstellt. Dabei negiert die einfache Negation das Sein. Durch die negatio negationis oder lautere Affirmation wird das bestätigt, was im Bedeuteten, im Sein, gemeint ist. Ein so affirmiertes Sein ist absolutes Sein, das nur Gott als solcher haben kann. Dieser Gedanke kommt sowohl in den deutschen als auch den lateinischen Werken Eckharts zum Ausdruck. Pr. 21: „Aber got hât ein versagen des versagennes; er ist ein und versaget alle ander, wan niht ûzer gote enist.“364
361. Prol. op. prop. n. 12, LW I, S. 172, 6–9: „… enti sive de ente nihil negari potest sive nullum esse negari potest, sed competit ipsi negatio negationis esse. Ita uni nihil unum sive nulla unitas negari potest nisi negatio negationis unitatis aut unius; similiter de vero et bono.“ 362. Vgl. Prol. op. prop. n. 23, LW I, S. 179, 4f.: „bonum hoc aut illud et ens hoc et illud totum suum esse habet ab esse et per esse et in esse.“ 363. Prol. op. prop. n. 22, LW I, S. 178, 16f.: „Praeter esse et sine esse omnia sunt nihil, etiam facta.“ 364. Pr. 21, DW I, S. 363, 7f.: „Gott aber hat ein Verneinen des Verneinens; er ist Eins und verneint alle andere, denn nichts ist außerhalb Gottes.“
126 Sprache und Metaphysik
Prol. in Op. prop.: „Propter quod soli primo et pleno esse, quale est deus, competit, de quo nihil negari potest, eo quod omne esse simul praehabeat et includat.“365
Da durch die Negativität das Nichts zum Ausdruck kommt, wird durch die AffirÂ� mation, den dem Nichts entgegengesetzten Begriff, das Sein expliziert. Indem allen Kreaturen durch das Nichts der ontologische Status abgesprochen wird, kann das Sein als solches nur Gott zugesprochen werden. Die Affirmation als das Aussprechen des Seins ist nicht nur als eine verbale Ausdrucksweise zu verstehen, sondern als eine, die in sich ontologische Bedeutung trägt. Dies bezeugt auch folgender Satz, in dem die Opposition des Affirmativen und Negativen wiedergegeben wird: „Omnia enim, universalis affirmativa, et nihil, universalis negativa, opponuntur.“366 Durch diese Entgegensetzung entstehen folgende kontradiktorische Korrelativa:
Affirmation – Negation Affirmation – Nichts Sein – Nichts Sein – Negation
und umgekehrt:
Negation – Affirmation Negation – Sein Nichts – Affirmation Nichts – Sein
Diese kontradiktorischen Begriffe werden nicht nur korrelativ aufeinander bezogen, sondern sind auch wechselseitig ineinander dialektisch aufgehoben, weil€– wie es im Exoduskommentar heißt – jede Verneinung in einer Bejahung gründet: Die Affirmation (bzw. das Sein) wird in der Negation (bzw. dem Nichts) aufgehoben, aber dadurch wird auch das Nichts seinerseits affirmativ bestimmt. Die Negation (bzw. das Nichts) wird in der Affirmation (bzw. dem Sein) aufgehoben, aber dadurch wird auch die Affirmation negativ bestimmt. Diese wechselseitige Aufhebung entgegengesetzter Extreme bildet den Grund dafür, dass die aus der negatio negationis folgende Affirmation das höchste Sein darstellt, das in sich
365. Prol. op. prop. n. 6, LW I, S. 169, 6–8: „Deswegen kommt es allein dem ersten und vollen Sein zu, wie es Gott ist. Von ihm kann deshalb nichts verneint werden, weil er alles Sein insgesamt im voraus schon besitzt und in sich schließt.“ 366. In Exod. LW II n. 30, S. 36, 15. Übers.: „Alles, die allumfassende Bejahung, und nichts, die allumfassende Verneinung, sind ja einander entgegengesetzt.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 127
selbst schon aufgehobene Negativität enthält und trotzdem oder gerade dadurch dieser Negativität entgegengesetzt bleibt. Eine solche Gegenüberstellung von Gegenüberstehenden lässt sich als oppositio oppositorum sine oppositione kennzeichnen (ein in Anknüpfung an Eckhart aber erst von Nikolaus von Kues geprägter Ausdruck),367 die keine Gegenüberstellung ist (sine oppositione), sondern die gegenseitige Aufhebung der opposita beinhaltet. Der Argumentationsgang, der von Eckhart im Hinblick auf den Seinsbegriff entwickelt wurde, gilt auch in seiner Anwendung auf das Eine. Das, was dem Einen fehlt oder abgeht, ist nicht Eines, bewirkt kein Eins-Sein und kann keine unterscheidende Weise des Einen sein. Dem Seienden oder dem Sein selbst kann keinerlei Seinsgehalt abgesprochen werden. Daher kann vom Seienden selbst, d.€h. von Gott, nichts verneint werden außer vermittels der Verneinung der Verneinung allen Seins. Damit hängt zusammen, dass das Eine als Verneinung der Verneinung in unmittelbarster Beziehung zum Sein steht und mit ihm konvertibel ist.368 Auf ähnliche Weise verhält es sich auch beim Wahren und Guten. Im Gegensatz zu Thomas von Aquin identifiziert Eckhart alle diese Transzendentalien, die die ersten vier termini generales bilden, mit Gott: „… solus deus proprie est ens, unum, verum et bonum.“369 Durch die Annahme Eckharts, dass Sein, Eines, Wahres und Gutes als BegÂ� riffe wie auch als allgemeine Bestimmungen konvertibel sind, wird in seiner MetaÂ� physik eine Korrelation zwischen der ontologischen, henologischen, ethischen und epistemologischen Ebene begründet. Mit der Konvertibilität der Transzen367. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 94. Zur Relation zwischen dem Eckhart’schen Negationsbegriff und dem des Nikolaus von Kues vgl. auch B. Mojsisch, Nichts und Negation. Meister Eckhart und Nikolaus von Kues, in: Ders./O. Pluta (Hrsg.), Historia Philosophiae Medii Aevi. Studien zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, FS für K.€Flasch, 2 Bde., Bd. II, Amsterdam/Philadelphia 1991, S. 675–693. R. Manstetten verwendet den Terminus oppositio oppositorum sine oppositione, um die Relation zwischen Sein und Nichts in Eckharts Metaphysik zu charakterisieren: „Die Rede vom nihil als dem oppositum des Seins kann man so verstehen, daß dem Sein ‚nichts‘ oder daß dem Sein ‚das Nichts‘ gegenübersteht. Beide Übersetzungen treffen einen Aspekt des von Eckhart Gemeinten. Das Problem dieses Gedankens liegt in beiden Fällen darin, daß man normalerweise ein oppositum als ein aliquid, ein etwas, zu denken sich genötigt fühlt, daß Eckhart aber unter dem Titel des nihil gerade bestreitet, daß das oppositum etwas ist.“ Vgl. R. Manstetten, Esse est deus, S. 213. 368. Vgl. Prol. op. prop. n. 15, LW I, S. 175, 12–15: „Nihil ergo entatis universaliter negari potest ipsi enti sive ipsi esse. Propter hoc de ipso ente, deo, nihil negari potest nisi negatio negationis omnis esse. Hinc est quod unum, utpote negationis negatio, immediatissime se habet ad€ens.“ 369. Prol. op. prop. n. 4, LW I, S. 167, 9f.
128 Sprache und Metaphysik
dentalien verknüpft Eckhart den Partizipationsgedanken, dass alles nur von Gott das Sein, das Eins-Sein, das Wahres-Sein und das Gutes-Sein besitzt.370 Diese Auffassung ergänzt er durch die Annahme, dass auch den Zweitursachen eine seinsspendende Funktion eignet, was allerdings im Falle des esse nur für das hoc aut hoc esse gilt:371 „Also teilt keines der Dies- und Das-Seienden Sein (schlechthin) mit, obwohl die Formen Dies- oder Das-Sein verleihen, (aber nur) sofern es Dies und Das ist, nicht jedoch, sofern es Sein ist.“372 Damit gibt Eckhart zu erkennen, dass das bestimmte Sein von sich her nur beansprucht, als Sein auftreten zu können.373 4.3.5
Die semantisch-ontologische Differenz zwischen den termini generales und den Akzidentien
Im Prologus generalis in Opus tripartitum schreibt Eckhart: „Die AllgemeinbegÂ� riffe, zum Beispiel Sein, Einheit, Wahrheit, Weisheit, Güte und dergleichen, darf man sich nicht vorstellen oder beurteilen nach der Seinsweise und Natur der Akzidentien …â•›.“374 Die Akzidentien empfangen ihr Sein in einem Zugrundeliegenden und durch ein Zugrundeliegendes und durch dessen Veränderung, sind also (ihrer Natur nach) später als es und empfangen ihr Sein als Sein an Etwas. Völlig anders verhält es sich mit den genannten Allgemeinbegriffen, „denn das Sein selbst und was mit ihm bis zur Vertauschbarkeit identisch ist, kommt nicht wie etwas Späteres zu den Dingen hinzu, sondern ist früher als alles andere in
370. Prol. op. prop. n. 9, LW I, S. 170, 14f.: „… a solo deo omnia habent esse, unum esse et verum esse et bonum esse, …“. 371. Vgl. Prol. op. prop. n. 11, LW I, S. 171, 14f. 372. Prol. op. prop. n. 21, LW I, S. 178, 12f.: „Igitur nihil ens hoc vel hoc dat esse, quamvis formae dent esse hoc aut hoc, in quantum hoc aut hoc, non autem in quantum esse.“ 373. Über die Korrelation zwischen dem absoluten und bestimmten Sein bemerkt B. Mojsisch: „Aus Rücksicht des Geschaffenen kann daher zwar von einem doppelten Sein (duplex esse) geredet werden, niemals jedoch aus Rücksicht des absoluten Seins; denn gäbe es zwei Sein, besäße jedes Geschaffene zwei Sein, und folglich wäre jedes Seiende zwei Seiende.“ B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, …, S. 49; vgl. auch In Sap. n. 146, LW II, S. 484. 9–12. 374. Vgl. Prol. gener. n. 8, LW I, S. 152, 9–12: „… de terminis generalibus, puta esse, unitate, sapientia, bonitate et similibus nequaquam est imaginandum vel iudicandum secundum modum et naturam accidentium, quae accipiunt esse in subiecto et per subiectum et per ipsius transmutationem et sunt posteriora ipso et inhaerendo esse accipiunt.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 129
den Dingen.“375 Der Grund dafür, dass das Sein als etwas Früheres zu den Dingen hinzukommt, besteht darin, dass das Sein selbst sein Sein weder an Etwas noch von Etwas, noch durch Etwas empfängt. Das Sein geht voraus und ist früher als alles. Deshalb ist das Sein aller Dinge (oder das geschaffene Sein) unmittelbar von der ersten Ursache und von der allumfassenden Ursache aller Dinge (oder vom ungeschaffenen Sein).376 Das Sein stellt eine causa essentialis dar, die die Ursächlichkeit von allem in sich umfasst. Durch die Unterscheidung zwischen dem Sein schlechthin, dem ungeschaffenen Sein, das allen Seienden logisch vorhergeht, und dem ‚dies und das Sein‘, dem geschaffenen Sein, das die Seienden besitzen, bringt Eckhart auch folgendes Autarkie-Prinzip des Ungeschaffenen zum Ausdruck: Das Ungeschaffen-Sein als ein Früher-Sein verbürgt die Einheit von Früherem als Höherem und Geschaffen-Sein als Späterem und Niederem.377 Vom Sein und durch es und in ihm ist alles, das Sein selbst aber ist von nichts Anderem. Das, was vom Sein verschieden ist, ist nicht oder ist Nichts. Als ihre Verwirklichung und Vollendung bezieht sich das Sein im strengen Sinne auf alle Seienden, es ist die Wirklichkeit aller Dinge, auch der Formen. In diesem Beweisgang formuliert Eckhart den Aussagesatz „deus autem esse est,“378 um die Gleichsetzung von Sein und Gott auszudrücken: Hier stellt sich die Frage, ob die beiden Sätze „esse est deus“ und „deus est esse“ einen und denselben Inhalt ausdrücken oder ob sie einen unterschiedlichen Gedanken wiedergeben. Denken wir die Aussagesätze bei Eckhart gemäß der inhaerentia-Theorie, so ergibt sich für die beiden in Rede stehenden Fälle, dass aus der Vertauschung von Subjekt und Prädikat die Wiedergabe unterschiedlicher Inhalte folgt: Im Satz „deus est esse“ stellt esse etwas aus Gott „Herausgetretenes“, ein aus dem Begriff Gottes abgeleitetes Sein, dar. Es ist kein absolutes Sein, das mit Gott als Gottheit 375. Vgl. Prol. gener. n. 8, LW I, S. 152,15–153,2: „Non enim ipsum esse et quae cum ipso convertibiliter idem sunt, superveniunt rebus tamqaum posteriora, sed sunt priora omnibus in rebus.“ 376. Vgl. Prol. gener. n. 8, LW I, S. 153, 4f.: „Propter quod esse omnium est immediate a causa prima et a causa universali omnium.“ 377. Über den Zusammenhang vom Autarkie-Prinzip des ungeschaffenen Seins und der causa-essentialis-Theorie bemerkt B. Mojsisch: „Kaum klarer hätte Eckhart zum Ausdruck bringen können, daß er bisher Ausgeblendetes einzuholen gedenkt, daß er der in seiner causaessentialis-Theorie angesprochenen Perspektive ‚ens in sua causa non est ens‘ den Aspekt ‚causa est in suis causatis‘ beizugesellen beabsichtigt.“ B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S.€43. Vgl. auch B. Mojsisch, „Causa essentalis“ bei Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart, in: K. Flasch (Hrsg.), Von Meister Dietrich zu Meister Eckhart, (Beihefte zum Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi 2) Hamburg 1984, S. 106–114. 378. Prol. op. prop. n. 15, LW I, S. 175, 8.
130 Sprache und Metaphysik
oder dem göttlichen Wesen gleichgesetzt wäre, sondern gibt ein Moment des esse schlechthin wieder, das den Personen der göttlichen Trinität zu eigen ist. Die These „esse est deus“ besagt hingegen das „Heraustreten“ Gottes, sofern er in den Modi des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes ist, aus dem esse als absolutem Sein, wie es bereits im Kapitel 4.3.2. dieser Arbeit gezeigt wurde. Daher ist die These „deus est esse“ nicht als eine Umstellung der These „esse est deus“ zu verstehen, sondern als eine, die einen neuen Inhalt ausdrückt: Gott ist das Sein der Modi der göttlichen Hypostasen.
Zusammenfassung Am Beispiel des Seinsbegriffes Eckharts, der im Prologus generalis in Opus tripartitum und im Prologus in Opus propositionum zu finden ist, lassen sich an den termini generales folgende inhaltliche Bestimmungen unterscheiden: 1. Seiend bezeichnet nur das Sein, eines die Einheit, wahr die Wahrheit, gut nur die Gutheit. 2. Man muss anders von dem Seienden schlechthin als von diesem oder jenem Seienden sprechen. Dasselbe gilt vom Einen, Wahren und Guten. Daraus folgt: Das Seiende ist nur eines, und das ist Gott. Dies und das Seiende ist dagegen in einer Vielheit vorhanden. 3. Wenn man etwas ‚seiend‘, ‚eines,‘ ‚wahr‘ oder ‚gut‘ nennt, so ist jedes von ihnen Prädikat des Satzes und wird in seinem eigentlichen Sinne und als Hauptwort genommen. Sagt man aber, etwas sei dieses Seiende, dieses Eine, etwa ein Mensch, oder dieses Wahre oder dieses oder jenes Gute, so ist jede der vorgenannten Bestimmungen nicht das (eigentlich) Ausgesagte, sondern Kopula oder nähere Bestimmung zum Ausgesagten. 4. Gott allein ist im eigentlichen Sinne das Seiende, Eine, Wahre und Gute. 5. Von Gott allein hat alles, dass es ist, eines, wahr und gut ist. 6. (Alles) hat unmittelbar von Gott, dass es ist, dass es eines ist, dass es wahr ist und dass es gut ist. 7. Nichts, was geschaffen ist, fügt den Dingen etwas an Seinsgehalt, Einheit, Wahrheit oder Gutheit hinzu.379
379. Vgl. Prol. op. prop. n. 25, LW I, S. 181,4–182,6.
4.4
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 131
Das Geburtsparadigma Eckhart ist ein Denker, der immer vom Ganzen zu den Teilen, nie von den Teilen zum Ganzen geht. So muss man auch die einzelne Schrift, mag sie so umfangreich sein wie die Auslegung des Johannesevangeliums, als einen Teil des übergeordneten Ganzen sehen. Dies ist das Opus tripartitum.380
Diese Ausführungen J. Kochs sind besonders hinsichtlich des Themas der Gottesgeburt in Eckharts deutschen und lateinischen Werken zu beachten: Das Motiv der Gottesgeburt kommt sowohl im Johannesevangeliumskommentar als auch in diversen deutschen Predigten vor. Koch stellte die Behauptung auf, dass Eckhart keinen Kommentar zur ganzen Hl. Schrift schreiben wollte, wie das etwa zu seiner Zeit der Franziskaner Nikolaus von Lyra unternahm: Ein Kommentar geht dem Schriftwort Vers für Vers nach und erläutert das Einzelne im Zusammenhang des Ganzen. Eckhart denkt gar nicht daran, dergleichen zu unternehmen; schon deshalb nicht, weil er das, was andere gesagt haben, nicht noch einmal sagen will. Ihn beschäftigen einzelne Schriftworte, die ihm besonders gehaltvoll zu sein scheinen.381
Kochs Behauptung findet eine Bestätigung in der Auslegungsstrategie Eckharts, die im Johannesevangeliumskommentar zu erkennen ist: Mehr als ein Drittel des ganzen Werkes beschäftigt sich mit dem ersten Kapitel; davon sind wieder mehr als zwei Drittel dem Prolog (Joh. 1,1–18) gewidmet, der Rest einzelnen Worten aus den Versen 38, 39, 43, 46, 48, 51. Das sechste Kapitel übergeht Eckhart ganz; er zitiert nur einen Memorialvers über Wegemaße zu 6,19. Andere Kapitel, wie etwa 18 und 19, welche die Leidensgeschichte des Herrn erzählen, werden kurz abgehandelt; Eckhart schenkt hier besondere Aufmerksamkeit dem Wort „quid est veritas?“ (18,38), während er die Einzelheiten des Leidens Jesu überhaupt nicht behandelt. Nimmt man mit J. Koch an, dass Eckharts gesamtes Werk als Einheit betrachtet werden muss, dann liegt der Schluss nahe, dass Eckhart selbst die bildhaft-metaphorischen Ausdrucksweisen, die in seinen deutschen Predigten zu finden sind, als kompatibel mit den klaren und präzise formulierten Gedanken des JohannesÂ� evangeliumskommentars angesehen hat.
380. J. Koch, Zur Einführung, LW III, S. XIVf. 381. J. Koch, Zur Einführung, LW III, S. XVI.
132 Sprache und Metaphysik
4.4.1
Der Prolog des Kommentars zum Johannesevangelium
Am Anfang der Expositio sancti evangelii secundum Iohannem erklärt es Eckhart als seine Absicht, die Worte des Evangeliums „in principio erat verbum“ auszulegen. Dafür formuliert er fünfzehn allgemeine Grundsätze, die zum Verständnis dieses Textes dienen sollen. Sie zielen darauf, die Relation zwischen dem Hervorbringenden und Hervorgebrachten wiederzugeben. Auf die Allgemeinheit dieser Grundsätze deutet Eckharts Erklärung, sie seien sowohl im Bereich des Göttlichen als auch in der Natur und Kunst gültig.382 Wesentlicher Grundsatz ist, dass das Hervorgebrachte zuvor im Hervorbringenden ist. Um dieses Vorher-imÂ�Hervorbringenden-Sein näher zu charakterisieren, verwendet Eckhart folgende Vergleiche: Das Hervorgebrachte ist im Hervorbringenden enthalten wie der Same in seinem Ursprung;383 das von einem Hervorgebrachte ist das Wort des Hervorbringenden im allgemeinen Sinne, weil es dasjenige nennt, meldet und verkündet, aus dem es hervorgeht;384 das Hervorgebrachte ist in dem Hervorbringenden wie die Idee und das Gleichnis, in dem und nach dem das Hervorgebrachte von dem Hervorbringenden hervorgebracht wird.385 Dadurch, dass etwas aus einem anderen hervorgeht, wird es von ihm unterschieden als ein Anderes des Hervorbringenden, bleibt jedoch als von ihm Hervorgebrachtes gleich mit ihm. Die Gleichheit kann nur zwischen zwei Entitäten bestehen. Sind sie zwei, so sind sie schon voneinander unterschieden, weil es ohne Unterschiedenheit keine Zweiheit, sondern nur Einheit gäbe. Im Satz „verbum erat apud deum“ deutet Eckhart apud (bei) als den Hinweis auf „eine gewisse Gleichheit“ zwischen Gott und dem Wort.386 Die Relation zwischen dem Hervorbringenden und Hervorgebrachten kann auf zwei Weisen verstanden werden: als analoge oder als univoke. Was für eine Relation liegt nun vor, wenn zwischen dem 382. Vgl. In Ioh. n. 4, LW III, S. 5, 8–10: „… notandum primo quod naturaliter et generaliter, tamen divinis de quibus hic est sermo, quam etiam in naturalibus et artificialibus, sic se habet quod productum sive producens ab aliquo prius est in illo.“ 383. Vgl. In Ioh. n. 4, LW III, S. 6, 3: „… praeest in illo sicut semen in suo principio.“ 384. Vgl. In Ioh. n. 4, LW III, S. 6, 5f.: „… productum ab aliquo universaliter est verbum illius, dicens, nuntians et enuntians illud a quo procedit.“ 385. Vgl. In Ioh. n. 4, LW III, S. 6, 8f.: „… procedens est in producente sicut ratio et similitudo, in qua et ad quam producitur procedens a producente.“ 386. Vgl. In Ioh. n. 5, LW III, S. 7, 2–4: „Et hoc est quod sequitur: verbum erat apud deum. Non ait: sub deo, nec ait: descendit a deo, sed ait: verbum erat apud deum. Li enim apud deum sonat in quandam aequalitatem.“ Übers.: „Das besagt das Folgende: Das Wort war bei Gott. Er sagt nicht: unter Gott, noch sagt er: es stieg von Gott herab, sondern: das Wort war bei Gott. Denn bei Gott deutet auf eine gewisse Gleichheit hin.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 133
Hervorbringenden und Hervorgebrachten „eine gewisse Gleichheit“ vorhanden ist? Im fünften Grundsatz bemerkt Eckhart: Ubi notandum quod in analogicis semper productum est inferius, minus, imperfectius et inaequale producenti; in univocis autem semper est aequale, eandem naturam non participans, sed totam simpliciter, integraliter et ex aequo a suo principio accipiens.387
Damit werden die unterscheidenden Merkmale der zwei Arten von Relation zwischen dem Hervorbringenden und Hervorgebrachten präzise hervorgehoben: In einer analogen Beziehung ist das Hervorgebrachte immer niedriger, geringer, unvollkommener als das Hervorbringende und ist ihm ungleich; die Ungleichheit zwischen den beiden bestimmt, dass das Hervorgebrachte zwar vom Hervorbringenden abstammt, trotzdem unter seinem Ursprung, nicht bei ihm ist. Da in einer analogen Beziehung das Hervorbringende und Hervorgebrachte nicht gleich sind, ist somit das Hervorgebrachte ein anderes der Natur nach und nicht der Ursprung selbst. Wo dagegen eine univoke Beziehung (in univocis) vorliegt, empfängt das Hervorgebrachte von seinem Ursprung sein Sein in derselben Vollkommenheit. Somit sind das Hervorbringende und Hervorgebrachte als die Relata der univoken Beziehung immer gleich. Mit anderen Worten, in einer univoken Relation kann man nicht mehr sagen, das Seiende ist in seinem Ursprung nicht seiend (ens in sua causa non est ens), weil das Hervorgehende in dem Hervorbringenden wie der Same in seinem Ursprung ist, wie das Wort im Sprechenden, wie die Idee, in der und durch die hervorgeht, was vom Hervorbringenden hervorgebracht wird. Daher sind die Vollkommenheiten des Ursprungs im ens ohne Abzug vorhanden. Dies meint, dass es zwischen dem Ursprung und dem Verursachten keinen graduellen Unterschied mehr gibt, und ermöglicht, dass die Ursache in ihrem Verursachten ist („causa est in suis causatis“). Wenn Eckhart den Grundsatz der causa-essentialis-Theorie „ens in sua causa non est ens“ durch die These „causa est in suis causatis“ ergänzt, schafft er damit den gedanklichen Horizont, in dem sich seine Univozitätstheorie entwickelt. Das univoke Kausalitätsverhältnis macht gerade das In-ihrer-Ursache-Sein der Wirkung aus.388 Dies führt dazu, dass die 387. In Ioh. n. 5, LW III, S. 7, 4–7. 388. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 61f.: „Für das univok Wirkende im Bereich des Geistes gilt in Entsprechung zu dem im Bereich der Natur, daß die Ursache in die Wirkung herabsteigt und die gleichsam aufsteigende Wirkung in ihrer Ursache ruht … Für das analog Wirkende im Bereich des Geistes gilt in Entsprechung zu dem im Bereich der Natur, daß die Wirkung zunächst in der Ursache ist, die Ursache dann aber in ihre Wirkung herabsteigt, ohne daß das dem Erleidenden Mitgeteilte als erworbene Eigenschaft im Erleidenden haftet,
134 Sprache und Metaphysik
univoken Relata sich aufgrund ihrer Entgegensetzung unterscheiden („in quantum opponuntur, distinguuntur“), sich in ihrer Relationalität jedoch wechselseitig setzen („in quantum relative, mutuo se ponunt“).389 Durch die Aufhebung des graduellen Unterschiedes zwischen dem Hervorbringenden und dem Hervorgebrachten wird eine solche Gleichheit begründet, dass ein Hervorgebrachtes als Sohn des Hervorbringenden fungiert. Der Sohn ist derjenige, der ein anderer der Person nach, nicht ein anderer der Natur nach wird. Daraus folgt die Gleichheit des Sohnes mit dem Vater, des Wortes mit dem Ursprung. Diese Gleichheit wird mit der Formel ausgedrückt: deus erat verbum. Das Hervorbringen des Sohnes, das Entstehen des Wortes, ist ein Akt des Entstehens, das gemäß Eckhart weder mit Bewegung noch in der Zeit stattfindet. Ein solches Entstehen charakterisiert Eckhart als die Geburt, die nicht in NichtSein übergeht, nicht in die Vergangenheit sinkt, sondern immer im Anfang ist.390 Im-Anfang-Sein ist zeitlos in dem Sinne, dass das, was im Anfang ist, immer im Anfang ist. Daher kommt es, dass der Sohn in der Gottheit, das Wort im Anfang, immer geboren wird, immer geboren ist. Diese Zeitlosigkeit will Eckhart dem Wort ‚erat‘ entnehmen:391 Das War sage die Substanz aus, da es ein substantivisches Wort sei, das die Vergangenheit, und zwar die unvollendete Vergangenheit, bezeichne. Die letzten fünf der oben erwähnten fünfzehn allgemeinen Grundsätze, die gemäß der Eckhart’schen Erläuterung zum Verständnis des Textes dienen sollen, beziehen sich auf die Frage nach der Erkenntnis. Eckhart hebt hervor, dass es vielmehr nur wie im Fluß, im Werden, im Vorübergehen dem Erleidenden präsent ist … Auch beim analogen Kausalitätsverhältnis ist somit die Wirkung zunächst in ihrer Ursache. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß gerade dieses In-Sein der Wirkung in ihrer Ursache das univoke Kausalitätsverhältnis ausmacht.“ 389. Vgl. In Ioh. n. 197, LW III, S. 166, 10–12: „Pater enim et filium opponuntur relative: in quantum opponuntur, distinguuntur, sed in quantum relative, mutuo se ponunt …â•›.“ Übers.: „Denn der Vater und der Sohn stehen (einander) auf Grund ihrer Beziehung gegenüber: insofern sie (einander) gegenüberstehen, werden sie unterschieden, aber auf Grund ihrer BeÂ�ziehung setzen sie sich gegenseitig.“ 390. Vgl. In Ioh. n. 8, LW III, S. 8,13–9,2: „Propter quod consequenter non transit in non-esse nec labitur in praeteritum. Quod si sic, semper est in principio – nam et apud nos: tolle tempus, occidens est oriens –, et si semper in principio, semper nascitur, semper generatur.“ Übers.: „Deswegen geht es folglich nicht in Nicht-Sein über, noch sinkt es in die Vergangenheit. Ist das aber so, dann ist es immer im Anfang – so ist es doch auch bei uns: nimm die Zeit weg, und der Abend ist der Morgen –, und wenn es immer im Anfang ist, dann ist die Geburt immer, das Entstehen immer.“ 391. Vgl. In Ioh. n. 8, LW III, S. 9, 4ff.: „Li erat enim tria dicit: substantiam, cum sit verbum substantivum, item praeteritum, item imperfectum.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 135
dem Verstand eignet, seinen Gegenstand, das geistig Erfassbare, nicht in seinem An-sich, sondern in seinen Ursprüngen zu nehmen.392 Das Wort, die Idee, ordnet Eckhart dem Vermögen der Vernunft zu, das dem Menschen eigen ist.393 In den geschaffenen Dingen ist ihre Idee das, was erkannt werden kann, die BegriffsÂ� bestimmung aber das, was das Wissen erzeugt.394 Das konkrete Seiende partizipÂ� iert an der Idee, die ihm sein Sein gibt und die Weise seiner Seiendheit bestimmt. Die Art dieser Partizipationsdynamik gibt Eckhart mit folgenden Worten wieder: … verbum, logos sive ratio rerum sic est in ipsis et se tota in singulis, quod nihilominus est se tota extra singulum quodlibet ipsorum, tota intus, tota deforis. Patet hoc in animali et in qualibet eius specie et quolibet singulari specierum. Et propter hoc motis rebus, mutatis aut corruptis, tota rerum ratio manet immobilis nec corrumpitur.395
Daraus schließt Eckhart, dass die erste Ursache jedes Dinges die Idee, der Logos oder – wie er metaphorisch sagt – „das Wort im Anfang“ ist. Da gemäß Eckhart die Idee zum Vernunftvermögen des Menschen gehört, wird für ihn die Frage nach der Erkenntnismöglichkeit der Idee positiv beantwortet. Zwölf der Grundsätze beziehen sich auf den Gedanken der Univozität, die letzten drei geben die Analogielehre wieder, worauf schon B. Mojsisch hingewiesen hat.396 Ihre grundlegenden Gehalte lassen sich wie folgt umreißen:
392. Vgl. In Ioh. n. 9, LW III, S. 10, 1–3: „… proprium intellectus est obiectum suum, intelliÂ� gibile scilicet, accipere non in se, ut totum quoddam, perfectum et bonum est, sed accipere in suis principiis.“ 393. Vgl. In Ioh. n. 10, LW III, S. 10, 11f.: „… verbum, utpote ratio, ad rationale pertinet, quod proprium est hominis.“ 394. Vgl. In Ioh. n. 11, LW III, S. 11, 8–10: „Diffinitio autem est medium demonstrationis, aut potius est tota demonstratio faciens scire. Constat ergo quod in rebus creatis nihil lucet praeter solam rerum ipsarum rationem.“ Übers.: „Die Begriffsbestimmung aber ist das Beweismittel oder vielmehr der ganze Beweis, der Wissen erzeugt. Also steht fest, daß in den geschaffenen Dingen nichts leuchtet außer ihrer Idee allein.“ 395. In Ioh. n. 12, LW III, S. 11,14–12,3: „… das Wort, der Logos oder die Idee der Dinge ist so in ihnen, und (zwar) ganz in den einzelnen, daß sie trotzdem ganz außerhalb jedes einzelnen ist, ganz drinnen, ganz draußen. Das ist deutlich im Lebewesen und in allen seinen Arten und in jedem Einzelwesen innerhalb der Arten. Deswegen bleibt die ganze Idee der Dinge unbeweglich und unzerstört, mögen auch die Dinge selbst bewegt, verändert oder zerstört werden.“ 396. Vgl. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie …, S. 64: „Von den 15 Grundsätzen beziehen sich somit 12 auf das Univozitätsdenken, 3 auf den Analogiegedanken. Wird dies zur Kenntnis genommen, darf Eckharts Denken nicht auf den Analogiegedanken reduziert werden.“ Vgl. auch ebd. S. 62–64.
136 Sprache und Metaphysik
1. 2. 3. 4.
5. 6. 7. 8.
Das Hervorgebrachte ist im Hervorbringenden; das Hervorgebrachte ist Sohn, Wort oder Idee; das Hervorbringen ist die Geburt; der Sohn ist in einer univoken Relation mit dem Vater: Er hat nicht nur an derselben Natur teil bzw. ist ihm der Natur nach gleich, sondern empfängt sie von seinem Ursprung ganz, ohne Abzug und in derselben Vollkommenheit; die Idee, derselbe Sohn, dasselbe Wort ist in den Dingen und durch unseren Verstand erkennbar; das Wort, die Idee, gehört zum vernünftigen Vermögen, das dem Menschen eigen ist; in den geschaffenen Dingen wird nichts erkannt als die Idee; die Idee ist ganz in den Dingen und ganz außer ihnen.
Dadurch wird von Eckhart ein allgemeines Schema skizziert, das einerseits die Merkmale einer univoken Relation auf der Ebene der Ontologie und andererseits die Erkenntnismöglichkeit der Idee, die hier dem eingeborenen Sohn im Trinitätsparadigma entspricht, auf der Ebene der Gnoseologie wiedergibt. In den deutschen Predigten aus seiner Zeit als Provinzial (Pr. 19, Pr. 43) gebraucht Eckhart das Bild der Geburt für die Weise, in der der göttliche Ursprung sein „Wort“ hervorbringt. In diesem Zusammenhang entsteht auch Eckharts paradoxe semantische Verbindung „der Vater gebiert“, in der er Weiblichkeit und Männlichkeit in Gott zusammenbindet und dadurch auf der Ebene der Metapher zum Ausdruck bringt, was er für philosophisch beweisbar hält: Gott kann nicht mit einem Glied des Gegensatzes identifiziert werden,397 sondern er ist die Einheit der Gegensätze selbst. Gott ist sowohl männlich als auch weiblich, sowohl wirkend als auch leidend, sowohl Hervorbringendes als auch Hervorgebrachtes. 4.4.2
Die gleichartigen Wesen – die Univozitätslehre
Die Glieder des Gegensatzes ‚Hervorbringendes-Hervorgebrachtes‘ können gemäß Eckhart entweder in analoger oder in univoker Relation stehen. Das Hervorbringen impliziert eine gewisse Hierarchie: Das Hervorbringende ist das Obere, das Hervorgebrachte ist das Niedere. Das Niedere empfängt das, was es hat, von dem 397. Vgl. In Ioh. n. 196, LW III, S. 165, 10: „In divinis idem mas et femina, par et impar, pater et mater.“ Vgl. auch I. Kampmann, Ihr sollt der Sohn selber sein! Eine fundamentaltheologische Studie zur Soteriologie Meister Eckharts, S. 59: „Damit [mit dem Bild der Geburt –T. T.] überschreitet Eckhart die Grenzen eines traditionell männlich geprägten Gottesbildes. Gott-Vater tut, was nur Weibliches tun kann: er gebiert den Sohn, und das ohne Unterlaß, mit großer Lust und Freude, nicht als akzidentelle Tätigkeit, sondern als Vollzug des eigenen Wesens.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 137
Oberen, jedoch geschieht dies bei Wesen, die in analoger Beziehung zueinander stehen, auf eine andere Weise als bei Wesen, die in univoker Beziehung zueinander stehen: Wo eine analoge Beziehung vorliegt, wo Wirkendes und Erleidendes nicht in der Materie oder in der Gattung übereinstimmen, hat das Erleidende alles, was es hat, aus lauterer Gnade des Oberen, da dies alles aus der Natur des Oberen als dessen Eigentümlichkeit folgt und dabei kein Verdienst des Niederen vorhanden ist. Deswegen bleibt und haftet es nicht an dem Erleidenden, wenn das wirkende Obere nicht mehr da ist.398 Bei gleichartigen Wesen (in univocis) stimmen hingegen Wirkendes und Erleidendes in der Materie, in der Gattung und in der Art überein. In der univoken Beziehung hat das Niedere das, was es empfängt, wohl aus Gnade des Oberen, aber nicht aus lauterer Gnade, wie Eckhart bemerkt: In einer solchen Beziehung wirkt das Erleidende im Erleiden, und das Wirkende erleidet im Wirken. Das durchdringende Wirken oder Erleiden der beiden Relata ist der Grund dafür, dass keines von beiden weder völlig erleidend ist noch jeglicher Wirklichkeit entbehrt; das Niedere empfängt wohl Gleichartigkeit und Gestalt des Wirkenden von der Gnade des Oberen, verdient sie aber durch seine Natur, weil es dieselbe Natur der Art nach ist wie das Wirkende.399 Eckhart zufolge ist dies ein Grund dafür, dass bei gleichartigen Wesen (in univocis) das Niedere vom Oberen nicht nur aus Gnade empfängt, sondern auch aus Verdienst.400 Die Partizipation an der Gnade beim Empfangen des Niederen vom Oberen ist ein unterscheidender Aspekt der beiden Relationen: Während bei den gleichartigen, univoken Wesen das Empfangen als Verdienst anzusehen ist, geschieht es
398. Vgl. In Ioh. n. 182, LW III, S. 150, 5–12: „Tertio notandum quod inferius accipere id quod habet a superiori et de gratia ipsius, differenter se habet in analogicis et in univocis. In analogicis enim, ubi activum et passivum non communicant in materia sive in genere, ipsum passivum totum quod habet de mera gratia superioris habet, utpote consequens ipsam naturam superioÂ� ris ut proprium. Propter quod non haeret nec inhaeret passivo absente superiori activo, ut patet de lumine in medio, et passivum bibens sitit, sicut notavi super illo: ‚qui bibunt me, adhuc sitiunt‘, Eccli. 24.“ 399. Vgl. In Ioh. n. 182, LW III, S. 150,12–151,6: „In univocis autem activum et passivum in materia conveniunt et genere et specie: inferius id quod recipit habet quidem de gratia superioris, sed non de mera gratia. Ratio est, quia in talibus passivum patiendo agit et activum agendo patitur. Item etiam non est se toto passivum nec carens omni actu: ipsum inferius recipit similitudinem et formam activi de gratia quidem superioris, meretur tamen ex natura sua, eo quod sit eiusdem naturae in specie cum agente.“ 400. Vgl. In Ioh. n. 182, LW III, S. 151,15–152,3: „Verum est tamen quod etiam e converso lignum recipit gratiam formae ignis pro gratia assimilationis dispositive et in fiendo. Sic ergo in univocis inferius recipit a superiori non solum ex gratia, sed etiam ex merito. Propter quod Plato dicit quod formae dantur secundum merita materiae.“
138 Sprache und Metaphysik
bei Wesen, die in analoger Beziehung zueinander stehen, nur aus lauterer Gnade und ohne Verdienst des Niederen.401 In analoger Relation zu Gott stehen die Kreaturen, da sie geschaffen und mithin wesensverschieden von Gott sind. Als Kreatur steht also auch der Mensch in analoger Beziehung zu Gott, doch ist er nicht nur geschaffen, sondern besitzt etwas in sich, das ungeschaffen und unerschaffbar ist und ihn dadurch mit Gott gleichartig macht. Dieses Etwas nennt Eckhart den Seelenfunken. 4.4.3
Die Sohnschaft Gottes und die Stellung des Menschen in ihr
Für Eckhart steht fest: Der Sohn tut alles kund, was des Vaters ist, sein Sein, Leben, Denken, Wirken, Erkennen, Lieben, seine Wesenheit, Macht; alles, was eins und ununterschieden ist, was zur Einheit und Ununterschiedenheit im Sohn und Vater gehört.402 Der Sohn kann dies alles kundtun, insofern er im Innersten oder, wie Eckhart an dieser Stelle sagt, „im Schoß des Vaters“ ist. Mit einer solchen Terminologie drückt er erneut die Symbiose der Entgegengesetzten aus, des Mütterlichen und des Väterlichen, die in göttlicher Vaterschaft vereint sind. Der Sohn ist nicht etwas Anderes als der Vater, aber als vom Vater geborener ist er vom Vater der Person nach verschieden: „… ut sic enarrat patrem, ut quis est, ut distinctus est, et omne quod distinctionem sapit in patre, nihil autem eorum quae unitatis sunt.“403 Der Vater und der Sohn sind als aufeinander bezogene Relata zu denken, die aufgrund ihrer Beziehung einander gegenüberstehen. Insofern sie sich aufeinander beziehen und in dieser Beziehung denkbar sind, werden sie unterschieden, zugleich setzen sie sich aufgrund ihrer Beziehung gegenseitig: Der Vater ist weder ohne den Sohn noch ist der Sohn ohne den Vater denkbar. Wenn
401. Vgl. In Ioh. n. 183, LW III, S. 152, 4–5: „In analogicis autem inferius quidquid recipit a superiori, totum est de gratia mera superioris et sine merito inferioris.“ 402. Vgl. In Ioh. n. 197, LW III, S. 166, 1–5: „Ubi et hoc notandum quod filius, qui in sinu est, enarrat omne quod est patris, scilicet esse, vivere, intelligere, operari, noscere, amare, essentiam, potentiam et omne quod unum est et indistinctum, quod unitatis est et indistinctionis in filio et patre, hoc, inquam, totum enarrat filius, in quantum est in sinu, id est in intimis.“ Übers.: „Hier ist auch dies zu bemerken: der Sohn, der im Schoß ist, tut alles kund, was des Vaters ist, sein Sein, Leben, Denken, Wirken, Erkennen, Lieben, seine Wesenheit, Macht und alles, was eins und ununterschieden ist, was zur Einheit und Ununterschiedenheit im Sohn und Vater gehört; all dies, sage ich, tut der Sohn kund, insofern er im Schoß, das heißt, im Innersten ist.“ 403. In Ioh. n. 197, LW III, S. 166, 9f.: „… deshalb tut er insofern den Vater kund, als er Person ist, als er unterschieden ist, und alles, was auf Unterscheidung im Vater weist, aber nichts von dem, was zu Einheit gehört.“
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 139
der Sohn ist, ist der Vater, und wenn der Vater ist, ist der Sohn.404 Daraus folgt aber, dass keine Zeit denkbar ist, in der der Vater ohne Sohn existierte: Wenn der Vater immer war und ist, war und ist immer der Sohn. Der Sohn tut alles kund, was in der Gottheit ist, sowohl das Beziehungslose und Eine als auch alles, was zur Unterscheidung und Beziehung gehört.405 Gott als das Beziehungslose und Eine ist das einige Eine, das noch keine Relation kennt, insofern in ihm keine Unterscheidung€– also auch keine Unterscheidung der Person nach – vorhanden ist: Das einige Eine ist weder Vater noch Sohn, noch Hl. Geist. Gott als einige Eine hat keine Bestimmung und ist doch ein Etwas. Gott als ein Etwas meint, dass er völlig aus sich selbst als aus einem in bestimmten Modi Seienden herausgegangen ist. Das Aus-sich-selbst-Herausgehen trinitarischen Gottes gibt den Grund zum Seinsmodus Gottes, in dem er als einfache Eine zu denken ist. Es ist unbestimmt und einfach im Vergleich zum vorigen Seinsmodus (Dreiheit), aber es ist trotzdem wesentlich durch sein Einfach- und Eins-Sein bestimmt. Dies bedeutet, dass das einfache Eine als eine Positivität gegenüber der Triplizitätsmodalität des Seins gleichzeitig negativ ist, weil es an sich selbst doch ein bestimmendes Moment des Seins ist. Diese positive Negativität oder negative Positivität des Einen wird im Gedanken der Gottesgeburt überwunden: in diesem Einen gebiert der Vater seinen Sohn im innersten Quell. Das Innerste, das Innigste, die innere Welt oder der Seelenfunke oder Seelengrund, der ungeschaffen und unerschaffbar ist, ist ein ortloser ‚Ort‘, wo „gotes grunt mîn grunt und mîn grunt gotes grunt“ ist.406 Dieser ortlose Ort oder diese Wüste ist für Eckhart die Gottheit. 407 Von dieser heißt es:
404. Vgl. In Ioh. n. 197, LW III, S. 166, 10ff.: „Pater enim et filius opponuntur relative: in quantum opponuntur, distinguuntur, sed in quantum relative, mutuo se ponunt; nec est nec intelligitur pater sine filio et e converso.“ Übers.: „Denn der Vater und der Sohn stehen (einander) auf Grund ihrer Beziehung gegenüber: insofern sie (einander) gegenüberstehen, werden sie unterschieden, aber auf Grund ihrer Beziehung setzen sie sich gegenseitig.“ 405. Vgl. In Ioh. n. 198, LW III, S. 167, 8–10: „Enarrat enim omne quod est absolutum et unum in divinis, et omne quod est distinctionis et relationis, quae duo praedicamenta, substantia scilicet et relatio, sola in divinis admittuntur.“ Übers.: „Denn er tut alles kund, was in der Gottheit ist, sowohl das Beziehungslose und Eine, als auch alles, was zur Unterscheidung und Beziehung gehört; diese beiden Aussageweisen, nämlich Substanz und Beziehung, kommen allein bei Gott zur Anwendung.“ 406. Pr. 5 B, DW I, S. 90, 8. R. Guerizoli versteht Augustinus’ abditum mentis als die Grundlage für Eckharts Lehre vom Seelengrund. Vgl. R. Guerizoli, Die Verinnerlichung des Göttlichen. Eine Studie über den Gottesgeburtszyklus und die Armutspredigt Meister Eckharts, (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 88) Leiden/Boston 2006, S. 11–18. 407. Vgl. Chr. Asmuth, Der Begriff der Wüste bei Meister Eckhart, in: U. Lindemann/ M. Schmitz-Emans (Hrsg.), Was ist eine Wüste? Interdisziplinäre Annäherungen an einen
140 Sprache und Metaphysik
Got selber luoget dâ niemer în einem ougenblik und gelougete noch nie dar în, als verre als er sich habende ist nâch wîse und ûf eigenschaft sîner persônen. Diz ist guot ze merkenne, wan diz einic ein ist sunder wîse und sunder eigenschaft. Und dar umbe: sol got iemer dar în geluogen, ez muoz in kosten alle sîne gôtlîche namen und sîne persônlîche eigenschaft; daz muoz er alzemâle hie vor lâzen, sol er iemer mê dar în geluogen.408
Gott als Eines ist die Verneinung seiner Seiendheit in den Modi der Trinität. Dadurch, dass Gott-Vater den Sohn als sich selbst gebiert, verneint er sein Eigensein und wird im Eigensein des Sohnes seiend.409 Dies ist die erste Verneinung. Man könnte sie als ununterschiedene Unterschiedenheit bezeichnen, da der Sohn vom Vater der Natur nach ununterschieden, seiner Person nach jedoch unterschieden ist. Wenn aber der Sohn seine Unterschiedenheit vom Vater, die in seinem Eigen-Sein als Sohn-Sein besteht, verneint, um mit ihm zusammen eins zu sein, dann ist er in ununterschiedener Ununterschiedenheit mit dem Vater eins, weil er damit sein vom Vater unterschiedenes Eigen-Sein verneint (Verneinen des Verneinens).410 An der Dialektik von simile und dissimile nimmt auch der Mensch teil, insofern er „Sohn selber sein“ soll. Dabei kann er in dieser Dialektik nicht als ein Geschöpf angesehen werden, dessen similitudo sich auf eine Idee in Gott interkulturellen Topos, in: Saarbrücker Beiträge zur Vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft 12 (2000), S. 115–126. 408. Pr. 2, DW I, S. 43, 3–9. Übers.: „Gott selbst wird niemals nur einen Augenblick da hineinlugen und hat noch nie hineingelugt, soweit er in der Weise und Eigenschaft seiner Personen existiert. Dies ist leicht einzusehen, denn dieses einige Eine ist ohne Weise und ohne Eigenheit. Und drum: Soll Gott je dareinlugen, so muß es ihn alle seine göttlichen Namen kosten und seine personhafte Eigenheit; das muß er allzumal draußen lassen, soll er je darein lugen.“ In: N.€Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 35, 27ff. 409. Diese durch die Geburt eingeführte Prozessualität legt E. Waldschütz als ein Aufhellen aus: „Gerade indem der Vater als Grund und Ursprung sich selbst als solcher begreift, ist er einzig derjenige, der sein Gottsein (seine Gottheit) als Vater aufhellt und damit eo ipso sich ausspricht – im Wort. Indem er sich selbst begreift, ist sein Sprechen so intensiv, daß er das Wort, den Sohn und die Kreaturen zeugt.“ E. Waldschütz, Die Erfahrung des Grundes, S. 281. 410. Vgl. Pr. 10, DW I, S. 173, 2–6: „… der undersheit kumet von der einicheit, der underscheit in der drîvalticheit. Diu einicheit ist der underscheit, und der underscheit ist diu einicheit. Ie der underscheit mêr ist, ie diu einicheit mêr ist, wan daz ist underscheit âne underscheit. Waeren dâ tûsent persônen, sô enwaere doch dâ niht da einicheit.“ Übers.: „Die Unterschiedenheit kommt aus der Einheit, die Unterschiedenheit in der Dreifaltigkeit. Die Einheit ist die Unterschiedenheit, und die Unterschiedenheit ist die Einheit. Je größer die Unterschiedenheit ist, um so größer ist die Einheit, denn das <eben> ist die Unterschiedenheit ohne Unterschied. Wären da tausend Personen, so wäre doch da nichts als Einheit.“ In: N.€Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 131, 10–16.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 141
bezieht. Gerade aufgrund seiner intellektuellen Vorzüglichkeit, die im ungeschaffenen und unerschaffbaren Seelengrund als ein Teil des göttlichen Intellekts im Menschen zum Vorschein kommt, hat er den Zugang zum innergöttlichen Sein: Er kann erkennen, wie die unterschiedenen Dinge in Gott auf unterschiedene Weise enthalten sind.411 Fasst man das oben Gesagte zusammen, so ergibt sich Folgendes: „Deus est intelligere“ besagt, dass Gott in seinem Wesen das reine Denken ist und er selbst sich als Intellekt definieren lässt. Der Mensch ist gottförmig, insofern er in seiner Seele etwas Ungeschaffenes und Unterschaffbares, d.€h. Intellekt, besitzt. Daher ist die Gottesgeburt als Erkenntnissprozesualität zu verstehen,412 die sich in vier Schritten vollzieht: 411. Obwohl W. Goris für den Primat der via negativa bei Eckhart plädiert, bestreitet er nicht die Rolle des Intellekts in der Gottförmigkeit des Menschen. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 247: „Als intellektuales Wesen nimmt er [der Mensch – T. T.] in der Dialektik von distinctum und indistinctum denselben Platz ein wie Gott: er unterscheidet sich aufgrund seiner Ununterschiedenheit.“ G. Steer will nicht bestreiten, dass das eigentlich Neue an Eckharts Verwendung des Erkenntnisbegriffes ist, dass er ihn mit der Vorstellung der Gottesgeburt verbindet („Gott muss sich selber gebären in der lîdende vernunft“). Aber in diesem Zusammenhang lässt Steer den Kerngedanken des Johannesevangeliumskommentars unberücksichtigt, wenn er schreibt: „Eckhart betont in erster Linie das Einssein Gottes mit dem Menschen, ohne dabei eine metaphysische Erklärung nach dem Vorstellungsmodell der univoken Korrelationalität zu bieten.“ G. Steer, Meister Eckharts Predigtzyklus von der êwigen geburt. Mutmaßungen über die Zeit seiner Entstehung, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (Hrsg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 253–281, S. 275. B.€Mojsisch schreibt dem Seelengrund sogar einen Vorrang vor Gott zu, wenn er in Bezug auf Eckharts Ich-Konzeption schreibt: „Gott ist für Eckhart nur Gott, wenn er in Relation steht zum Geschaffenen. Der Seelengrund aber ist ungeschaffen. Daher besitzt er für Eckhart sogar einen Vorrang vor Gott.“ B. Mojsisch, „Dieses Ich“: Meister Eckharts Ich-Konzeption, in: Chr.€Asmuth, Sein€– Reflexion – Freiheit. Aspekte der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, (Bochumer Studien zur Philosophie 25) Amsterdam/Philadelphia 1997, S. 239–252, hier S. 248; vgl. auch B.€Mojsisch, Die Theorie des Ich in seiner Selbst- und Weltbegründung bei Meister Eckhart, in: Chr. Wenin (Hrsg.), L’Homme et Son Univers au Moyen Age. Actes du VII Congrès International de Philosophie Médiévale, (Philosophes Médiévaux 26) Louvain-la-Neuve 1986, S.€267–272; B.€Mojsisch, Der Grund der Seele. Das Ich als Ursache seiner selbst und Gottes in der Philosophie Meister Eckharts, in: G. Binder/B. Effe/R. F. Glei (Hrsg.), Gottmenschen. Konzepte existentieller Grenzüberschreitung im Altertum, (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium€55) Trier 2003, S. 181–203. 412. N. Largier plädiert dafür, die Geburt nicht als eine Erkenntnisprozessualität, sondern als ein Verstummen aller „intellektuellen Vermittlungsleistungen“ der Seele zu verstehen: „Diese Geburt, die Einung und Überformung ist, geschieht am Punkt der absoluten Negativität, wo alle naturhaften Fähigkeiten der Seele, alle ihre intellektuellen Vermittlungsleistungen verstummt sind.“ N. Largier, Figurata locutio. Hermeneutik und Philosophie bei Meister Eckhart
142 Sprache und Metaphysik
Erster Schritt: Der Vater gebiert seinen Sohn im ewigen Erkennen, er erkennt ihn in sich als mit sich gleich. Zweiter Schritt: Der Vater gebiert seinen Sohn in der Seele ganz so wie in sich. Dritter Schritt: Wo der Vater seinen Sohn im Menschen gebiert, da ist der Mensch derselbe Sohn und nicht ein Anderer. Gott gebiert also den Menschen als seinen Sohn. Vierter Schritt: Gott gebiert den Menschen nicht nur als seinen Sohn; er gebiert den Menschen als sich und sich als Menschen und den Menschen als sein Sein und als seine Natur.413
Mit anderen Worten, indem das Gebärende das Geborene gebiert, gebiert das Geborene das Gebärende, so dass Gebärendes und Geborenes nicht starr fixierte Instanzen sind, sondern Momente eines Geburtsprozesses, in dem Gebärendes und Geborenes selbst auch erst werden. Da die Begründung zwischen Gott und dem Menschen nicht monokausal, sondern wechselseitig erfolgt, ist sie Ausdruck eines korrelationalen Verhältnisses. Diese Korrelationalität ist nicht nur für diese Begründung, sondern auch für das Gebären bestimmend. Gebären und Geboren-Werden sind ein Sein, ein Leben: das Erleidende (im Geburtsparadigma: das Geborene) wirkt (im Geburtsparadigma: gebiert) im Erleiden (im Geburtspara-
von Hochheim und Heinrich Seuse, in: Kl. Jacobi (Hrsg.), Meister Eckhart: Lebensstationen€– Redesituationen, Berlin 1997, S. 303–332, hier S. 330. In seinen Ausführungen läßt Largier außer Acht, dass für Eckhart die „intellektuellen Vermittlungsleistungen“ nicht zu den naturhaften Fähigkeiten der Seele gehören, sondern etwas Ungeschaffenes und Unerschaffbares in ihr bilden. Vgl. auch N. Largier, Kontextualisierung als Interpretation. Gottesgeburt und speculatio im ‚Paradisus anime intelligentis‘, in: A. Speer/L. Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 298–313. 413. Vgl. Pr. 6, DW I, S. 109, 7–11: „Der vater gebirt sînen sun âne underlâz, und ich spriche mêr: er gebirt mich sînen sun und den selben sun. Ich spriche mêr: er gebirt mich niht aleine sînen sun, mêr: er gebirt mich sich und sich mich und mich sîn wesen und sîn natûre.“ Übers.: „Der Vater gebiert seinen Sohn ohne Unterlaß, und ich sage mehr noch: Er gebiert mich als seinen Sohn und als denselben Sohn. Ich sage noch mehr: Er gebiert mich als sich und sich als mich und mich als sein Sein und seine Natur.“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S.€83; O.€Langer macht darauf aufmerksam, dass der erste Schritt der Geburtsprozessualität der kirchlichen Trinitätslehre völlig entspricht. Der zweite Schritt aber beinhaltet zwei neue Aspekte: „Einmal, dass Gott seinen Sohn in der Seele gebiert, ferner dass er seinen Sohn in derselben Weise in der Seele gebiert wie in seiner eigenen Natur. Das bedeutet, dass Eckhart hier den innertrinitarischen Bereich und den Bereich der Seele identisch setzt.“ Dabei erwähnt Langer den vierten Schritt nicht, in dem der Gedanke der absoluten Korrelationalität zum Ausdruck kommt. O. Langer, Sich lâzen, sîn selbes vernihten. Negation und >Ich-Theorie< bei Meister Eckhart, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (Hrsg.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, S. 317–346, bes. S. 323.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 143
digma: im Geboren-Sein); das Wirkende (im Geburtsparadigma: das Gebärende) erleidet (im Geburtsparadigma: wird geboren) im Wirken (im Geburtsparadigma: im Gebären). Daher sind Gott als das Gebärende und gleichzeitig Geborene und der Mensch als das Geborene und gleichzeitig Gebärende durch ein univokes Bezugsverhältnis verbunden und Eines.414 Eckhart spricht nicht nur von der Gottesgeburt in der menschlichen Seele, sondern sogar davon, dass der Mensch in der Zeitlichkeit Gott zwingen könne, seinen Sohn in ihm zu gebären, d.€h. sein Sein, seine Gutheit und Liebe ihm mitzuteilen.415 K. Flasch hat darauf aufmerksam gemacht, dass: wenn Eckhart sagte, Gott werde durch mich erst Gott, dann [setzte] … Quint diskret das Wort ‚Gott‘ in Anführungszeichen. Diesen Eingriff gestattete Quint sich an dem von ihm konstituierten mittelhochdeutschen Text; aber natürlich kennen die Handschriften keine Anführungszeichen.416
Dieser Gott, der durch den menschlichen Zwang, sich in dem Seelengrund zu gebären, zu einem leidenden Gott wird, passt nicht in das Schema der analogen Relation: Der Mensch nimmt am göttlichen Leben teil und wird eins mit ihm, wird zum homo divinus, insofern er gerecht, gut, wahr ist. Der göttliche Mensch ist mithin göttlich nur, insofern er göttlich ist, nicht, insofern er Mensch ist.417 Der
414. Das Eckhart’sche Konzept des „leidenden Gottes“, der durch die univoke Korrelationalität geprägt ist, lässt W. Goris außer Acht, wenn er im Bereich des Göttlichen durch menschliche Erkenntnis verursachtes Entstehen ausschließt: „Doktrinell ist es durchaus wichtig, daran festzuhalten, daß die Offenbarung der göttlichen Dreifaltigkeit des Menschen und seiner einen Unterschied konstituierenden Vermögen keineswegs bedarf, und daß durch unsere Erkenntnis im Bereich des Göttlichen nichts entsteht.“ W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 240. Ein solches Verständnis tendiert dazu, die Gottesgeburt bei Eckhart als ein rein mystisches Ereignis zu verstehen. A. M. Haas bezeichnet Eckharts Gedanken als Seinsmystik im Unterschied zur ekstaÂ� tischen Mystik. Vgl. A. M. Haas, Von der Eigenart christlicher Mystik. Meister Eckhart als Maßstab, in: Ders., Gottleiden – Gottlieben, S. 45–58, hier S. 58; vgl. auch A. M. Haas, Meister Eckhart. Leben und Werk, in: Ders., Gottleiden – Gottlieben, S. 153–171. 415. Th. Kobusch sieht in diesem Zwang Gottes Ansätze des Gedankens der moralischen Notwendigkeit: „Man könnte meinen, es handle sich hier wie auch da, wo Eckhart von einem ‚Müssen‘ Gottes spricht, um die später sog. moralische Notwendigkeit, die die Freiheit nicht ausschließt, vielmehr ihre eigentliche Erfüllung darstellt.“ Th. Kobusch, Lesemeistermetapysik€– Lebemeistermetaphysik, S. 239–258, hier S. 252. 416. K. Flasch, Auslegung der Predigt 52 „Über die Armut an Geist“, in: Meister Eckhart – in seiner Zeit, Schriftenreihe der Identity Foundation, Bd. 7, S. 36–46, hier S. 40. 417. Die einschränkende Funktion des Wortes „insofern“ legt Eckhart selbst folgenderweise aus: „… li ‚inquantum‘, reduplicatio scilicet, excludit omne aliud, omne alienum, etiam secundum rationem, a termino.“ Echardus, Processus Coloniensis, pars prior, in: G. Théry,
144 Sprache und Metaphysik
göttliche Mensch ist, insofern er göttlich ist, reine Vernunft als solche, Denken als solches, Gerechtigkeit als solche, Freiheit als solche.418 Aber als zu einem solchen Gewordener ist er schon von derselben Natur, ist Sohn. In diesem Sinne lässt sich auch Eckharts Appell verstehen: „Ihr sollt der Sohn selber sein!“. Das Sohn-Sein kann sich nur aufgrund der Wesensgleichheit vollziehen, die in einer univoken Korrelationalität zum Ausdruck gebracht wird: Gemäß der Predigt 6 gebiert der Vater den Sohn, der Sohn – den Vater; Gott gebiert den Menschen, der Mensch seinerseits – Gott.419 Für Eckhart ist nicht jeder Mensch an sich gerecht, sondern allein derjenige, der in seinem ungeschaffenen Seelengrund die Gerechtigkeit gebären läßt und daher selbst nicht mehr eine Kreatur, sondern eine geborene Gerechtigkeit darstellt.420 Die Gerechtigkeit als der Vater, der Gerechte als der geborene Sohn des Vaters und die geborene Gerechtigkeit als der Mensch bilden die Relata der Geburtsprozessualität. Im Paradigma der Gottesgeburt besteht bei Eckhart mithin eine univoke Korrelationalität zwischen Gebärendem und Geborenem, in der die Relata sowohl als Erkennender und Erkanntes wie auch als Gerechter und Gerechtigkeit auftre-
Edition critique des pièces relatives au procès d’Eckhart contenues dans le manuscript 33 b de la Bibliothèque de Soest, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 1 (1926/27), S. 129–268, hier S. 186. 418. Vgl. B. Mojsisch, Der Grund der Seele. Das Ich als Ursache seiner selbst und Gottes in der Philosophie Meister Eckharts, S. 195. 419. Diesem in der Pr. 6 ausgedrückten Gedanken von der gegenseitigen Geburt des Menschen und Gottes widerspricht die Auslegung von T. Suarez-Nani: „Diese Geburt verwirklicht sich tatsächlich vollständig und fortwährend nur im trinitarischen Leben, nur hier gibt es generatio univoca, denn nur hier gibt es Identität der Natur und der Unterschiedenheit der Personen.“ Vgl. T. Suarez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (Hrsg.), Eckardus theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozess gegen Meister Eckhart, Freiburg/Schweiz 1992, S.€31–96, hier S. 62. 420. Th. Kobusch nennt die Gottesgeburt in der Seele „ein spezifisches Moment des moralischen Seins“: „Wenn sich … die Gottesgeburt in jedem konkreten Werk der Gerechtigkeit vollzieht, muß ein Akt der Seele vorausgesetzt werden, durch den die einzelnen ‚inneren Akte‘ moralisch sind. Es ist der Grundakt des Moralischen, und dieser Begriff verbleibt durchaus im weiteren Feld Eckhart’scher Terminologie, weil nicht irgendein Vermögen, sondern allein der Seelengrund diesen Akt vollzieht, der die Bedingung für die Gottesgeburt ist.“ Th. Kobusch, Mystik als Metaphysik des moralischen Seins. Bemerkungen zur spekulativen Ethik Meister Eckharts, in: K. Ruh (Hrsg.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984, Stuttgart 1986, S. 49–62, hier S. 53.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 145
ten.421 Die ersten beiden Relata lassen sich auf die transzendentale Bestimmung verum zurückführen, die auf die Gerechtigkeit bezogenen Relata auf die transzendentale Bestimmung bonum. Beide Paare der aufeinander bezogenen Relata sind innerhalb des durch das Univokationsmodell geprägten Geburtsparadigmas konvertibel gemäss der Grundthese Eckhart’scher Transzendentalienlehre: „Unum enim ens, verum, bonum convertuntur.“422 In Eckharts Metaphysik ist die Geburtsprozessualität als die Dialektik der wechselseitigen Begründung und Aufhebung von Relata zu verstehen. Diese wechselseitige Begründung bildet die Einheit, die eine dynamische Einheit des Sohnes, insofern er geboren wird und selbst gebiert, und des Vaters, insofern er gebiert und selbst geboren wird, ebenso darstellt wie auch die dynamische Einheit des Gerechten, des Guten, des Wahren, insofern sie geboren werden, und der Gerechtigkeit, der Güte, der Wahrheit, insofern sie gebären. Der Primat der Prozessualität gegenüber den fixierten Modi des Seins kommt bei Eckhart auf folgende Weise zum Ausdruck: Gott hätte niemals die Welt geschaffen, wenn Geschaffen-Haben (bei ihm) nicht Schaffen wäre, und hätte nicht den Sohn gezeugt, wenn Gezeugt-Haben (bei ihm) nicht Zeugen wäre.423
421. B. Mojsisch hat darauf hingewiesen, dass bei Eckhart das Paradigma der univoken Korrelationalität auch hinsichtlich des Liebesbegriffes zu finden ist, was einen Gedanken der absolut-korrelationalen Liebe ergibt. Vgl. B. Mojsisch, Der Begriff der Liebe bei Augustin und Meister Eckhart, in: J. Hengelbrock (Hrsg.), Philosophie. Anregungen für die UnterrichtsÂ� praxis, Heft 12: Freundschaft und Liebe, S. 19–27, hier S. 25. 422. In Ioh. n. 114, LW III, S. 99, 6. 423. Vgl. Gen. I n. 171, LW I, S. 316, 6–8: „… numquam enim deus mundum creasset, si creasse non esset creare, nec filium genuisset, si generasse non esset generare.“ Th. Kobusch hat darauf hingewiesen, dass der Begriff der Geburt schon eine Art des Werdens impliziert: „Eckhart hat den Begriff des Werdens gegenüber einer langen Tradition rehabilitiert, die ihn nur für das Entstehen der Naturdinge gebrauchte und – wie er selbst auch – dem wahren Sein gegenüberstellt. Die Gottesgeburt ist ein ständiges Werden, durch das das wahrhaft ‚Neue und Frische‘ hervorgebracht wird. Während es im Bereich der Natur und der Kunst eigentlich nichts Neues gibt, sondern nur ‚Erneuertes‘ – da stets die immer gleiche Materie zugrunde liegt –, ist die Gottesgeburt, die sich in jedem guten Werk, also im Bereich des Moralischen, vollzieht, das ‚Werden ohne Werden‘ jenseits der Zeit, das unterschieden werden muss von jeglicher der Zeit unterworfenen Veränderung. In dieser ‚Zeugung‘ entsteht ein ‚Neues‘ ohne ‚Erneuerung‘. Das Fünklein ist der in der Kommunikation werdende Gott. Alle späteren Konzeptionen von einem ‚Werden‘ Gottes sind Derivate dieses Grundgedankens.“ Th. Kobusch, Lesemeistermetaphysik€– Lebemeistermetaphysik, S. 239–258, hier S. 251–252. Vgl. auch B. Mojsisch, „Dynamik der Vernunft“ bei Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart, in: K. Ruh (Hrsg.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984, Stuttgart 1986, S. 135–144.
146 Sprache und Metaphysik
Zusammenfassung Gott als Anfang der Gottheit begreift sich selbst in sich selbst,424 weil vor ihm und außer ihm nichts sein kann. Die erste Aktivität des Anfangs – das Sich-insich-selbst-Begreifen – ist ein Selbsterkennen. Daher ist der Anfang der Gottheit ein selbsterkennender Intellekt, der als Anfang sich selbst bekannt ist und sich univok auf sich selbst bezieht. Dieser univoke Selbstbezug (oder dieses Gebären) ist durch das Aufheben der bestimmten fixierten Seinsmodi möglich. Die Voraussetzung für eine solche Aufhebung bildet die negatio negationis. Die durch die negatio negationis hervorgerufene Prozessualität verursacht es, dass die Begriffe in Eckharts Denken keine fixierten Bestimmtheiten sind, sondern sich permanent in univoker Bewegung befinden. Eckharts negatio negationis ist somit ein markanter philosophischer Terminus, durch den die Dialektik der gegenseitigen Geburt als Dialektik der Setzung der Relata zum Ausdruck gebracht wird.
424. Vgl. Pr. 15, DW I, S. 252, 2–6: „Der vater ist ain begin der gothait, wàn er begriffet sich selber in im selber. us (sic!) dem gat das ewig wort inne belibend, vnd der hailig gaist flùsset von in beiden inne belibend vnd gebirt in nit, wàn er ain end is der gothait inne belibend vnd aller creaturen, da ain luter, růw ist vnd ain rasten alles des, das wesen ie gewan.“ Übers.: „Der Vater ist ein Beginn der Gottheit, denn er begreift sich selbst in sich selbst. Aus dem geht das ewige Wort innebleibend aus, und der Heilige Geist fließt von ihnen beiden innebleibend aus, und <der Vater> gebiert ihn nicht, denn er ist ein innebleibendes Ende der Gottheit und aller Kreaturen, in dem eine lautere Ruhe ist und ein Rasten alles dessen, was je Sein gewann.“ In: N.€Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 179,35–181,6.
kapitel 5
Eckharts Deutsche Werke und ein weiterer Ort der Thesen seiner Metaphysik
Wer mit Eckehart sich beschäftigt hat, weiss, wie sein geistiger an die den himmel stürmenden Titanen erinnernden riesenlauf auf das treueste in des meisters sprache sich spiegelt; Eckehart schwelgt förmlich in dem genusse, die muttersprache zum ersten male mit sich zu führen hinab in die tiefen seiner spekulativen erörterung und hinauf in die höhen intellektuellen schauens. In diesen regionen hat die deutsche sprache noch nie gelebt und geatmet; doch auch hier erweist sie sich lebensfähig. … Seine sprachlichen neuerungen dagegen sind gröstenteils geniale neuschöpfungen der fruchtbarsten nachwirkungen bis in unsere zeit hinein.425
Mit dieser bereits 1884 gegebenen Einschätzung lenkte E. Kramm das Interesse der Forschung auf die sprachlichen Innovationen der Eckhart’schen deutschen Werke. Mit ihr widersprach er der bis dahin weithin akzeptierten Auffassung Denifles, Eckhart habe mit der deutschen Sprache gerungen und neue Termini, aber keine neuen Begriffe gebildet. Dabei habe er sich im Rahmen von bereits Gegebenem bewegt; wie in seiner Denkweise, so sei er auch in seiner deutschen Terminologie vom scholastischen Vorbild abhängig gewesen: Natürlich behielt man nicht selten lieber den geläufigen lateinischen Terminus bei, modelte vereinzelt denselben um, bildete auch manchmal Wörter, die ebenso schlecht waren, wie ähnliche scholastische, z.€B. die Substantive auf keit, welche auf einer Linie mit den scholastischen auf tas stehen.426
Im Gegensatz zu Denifle, der die Rolle Eckharts bei der Bildung der Neuschöpfungen in der deutschen Sprache skeptisch betrachtet hatte, galt Eckhart nach Kramm als ein Initiator der deutschen Schriftsprache. Die Funktion der deutschen Sprache im Rahmen von Eckharts Tätigkeit ist evident: Er wollte seine Lehre nicht nur an der Universität vertreten, sondern auch dem Laienpublikum – etwa der Beginen und Begarden – vermitteln. Als was 425. E. Kramm, Meister Eckharts Terminologie in ihren Grundzügen dargestellt. In: ZfdPh 16 (1884), S. 1–47, zitiert nach I. Degenhardt, Studien zum Wandel des Eckhartbildes, Leiden 1967,€S.€194. 426. H. S. Denifle, Meister Eckeharts lateinische Schriften, und die Grundanschauung seiner Lehre, in: ALKGMA 2 (1886) S. 417–615, hier S. 423.
148 Sprache und Metaphysik
aber ist diese auf Deutsch vertretene Lehre anzusehen? Gehört sie eigentlich zur Mystik, oder ist sie nur eine bildhaft-symbolische Darstellung der Theorien des hochgelehrten Meisters? Obwohl diese Frage seit der Entdeckung von Eckharts deutschen Predigten diskutiert wird, ist eine endgültige Antwort darauf noch immer nicht gefunden.
5.1
Eckharts Sprache in den Deutschen Predigten. Ein germanistischer Exkurs
Es sind Eckharts deutsche Predigten, an denen man seine eigentümliche Verwendung der Volkssprache untersuchen kann. Im Zusammenhang mit der Frage, warum Eckhart sich bei der Darlegung seiner Lehre außer der lateinischen auch der Volkssprache bedient hat, wird in der Forschung immer wieder auf die beschränkte Ausdruckskapazität der lateinischen Sprache hingewiesen.427 Da
427. Die Rolle der deutschen Sprache in Eckharts Werken beschreibt B. Hasebrink folgendermaßen: „Ausgehend von der These, daß das Lateinische seine ‚Lebendigkeit‘ verloren habe und zu einer dogmatischen Begriffssprache der Schultheologen ‚erstarrt‘ sei, wird der Volkssprache eine besondere Dignität zum einen für sprachliche Innovation überhaupt zugesprochen (im Hintergrund steht die historische Situation zu Beginn des 14. Jahrhunderts) und zum anderen für die Versprachlichung individueller Erfahrung. Die Volkssprache wird zum Medium innoÂ� vativer, authentischer Ich-Rede. Ob Eckhart glaubte, den Entfremdungscharakter der Sprache im Deutschen eher unterlaufen zu können als im Lateinischen, können wir nicht wissen; ebenso problematisch bleibt die Vermutung einer besonderen Erfahrungsnähe.“ B. Hasebrink, Grenzverschiebung. Zu Kongruenz und Differenz von Latein und Deutsch bei Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 121 (1992), S.€369–398, hier S. 376. D. Mieth weist auch auf die erschöpften Möglichkeiten der lateinischen Sprache hin: „Dabei geht es einerseits darum, daß die Volkssprache als Sprache im Werden neue Ausdrucksweisen gestattete, eine Verlebendigung des Gedankengutes ermöglichte, die in der fixierten lateinischen Begriffsprache so nicht möglich war.“ D. Mieth, Die theologische Transposition der Tugendethik bei Meister Eckhart, in: K. Ruh (Hrsg.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984, (Germanistische Symposien, Berichtsband€7) Stuttgart 1986, S.€63–79, hier S. 70. N. Largier bestreitet die These, dass die Differenz zwischen Deutsch und Latein in der Opposition „Mystik – Scholastik“ aufgehe. Sein Standpunkt lautet: „Die Volkssprache, die durchaus zur selbständigen philosophischen und theologischen Theoriebildung fähig ist, entfremdet sich dem Latein keineswegs. Sie wird auch nicht, wie man zu denken geneigt ist, schlechthin zum Instrument einer Laientheologie oder einer Philosophie des Laien.“ N. Largier, Meister Eckhart. Perspektiven der Forschung, in: ZfdPh 114 (1995), S.€29–98, hier S.€68. Eine der wichtigsten Leistungen Eckharts sieht B. Hasebrink darin, dass er die Volkssprache zu einem Instrument des theoretischen Denkens gemacht hat: „Die Volkssprache wird bei Eckhart zu einem zugleich literarisierten, klerikalen, wissenschaftlichen und selbstreflexiven Sprachmedium, das die transzendierenden und negierenden Bewegungen des Denkens
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 149
Eckhart die deutsche Sprache in Predigten verwendet, muss man bei der Untersuchung der verbalen Aspekte zunächst auch die innerhalb der Predigtstruktur festgelegte Themenentfaltung berücksichtigen. In einer Predigt lassen sich die folgenden Arten der Themenentfaltung unterscheiden:428 Erstens, die deskriptive Themenentfaltung. Sie eignet sich dazu, die Darstellung der theologischen Lehre von der Exegese des Schriftwortes her thematisch zu strukturieren. Sie findet sich daher gehäuft in den ersten Abschnitten der Predigttexte; zweitens, die explikative Themenentfaltung. Sie liegt vor, wenn eine Einteilung in Explanandum (das, was erklärt werden soll) und Explanans (das, was erklärt) erkennbar bzw. rekonstruierbar ist; drittens, die argumentative Themenentfaltung. Sie dient dazu, die textinterne Begründungsfähigkeit der Aussagen des Predigers, nicht aber dessen argumentative Absicht nachzuweisen. Die Unterscheidung zwischen dem systematisch-argumentativen Status einzelner Theoreme im theologisch-philosophischen Denken Eckharts und ihrer Repräsentation im Kontext der Predigt wirft die Frage nach der Explizitheit rationaler Ansprüche der Predigt ebenso wie die nach dem Verfahren ihrer Theologisierung auf.429 Obwohl Eckhart seine Gedanken häufig in emphatischer Rede ausdrückt und so zur Gottesliebe und zum Handeln aus Dankbarkeit anregen will, hält er gleichzeitig an dem Anspruch fest, dass diese Gedanken auch wahr sind. K. Ruh erklärt unter Hinweis auf die locutio emphatica in Eckharts Predigten die Rede der Mystiker für affektivisch. Nach der Meinung von J. Margetts entsteht bei der Bezeichnung „affektivisch“ die Gefahr, dass dadurch in Eckharts Fall die verkehrte Vorstellung einer charismatischen Mystik entstehen könnte: Wir haben uns die locutio emphatica nicht so vorzustellen, als ob Eckhart sich beim Predigen erregten Gefühlen überlassen habe. Nach Eckharts eigenen Worten zielt die locutio emphatica vielmehr darauf, bei den Zuhörern starke Liebe
an sich selbst erfährt.“ B. Hasebrink, Grenzverschiebung, S. 377. Zur Frage nach der Verwendung der deutschen Sprache durch Eckhart vgl. auch J. Quint, Die Sprache Meister Eckharts als Ausdruck seiner mystischen Geisteswelt, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 6 (1928); J. Quint, Mystik und Sprache. Ihr Verhältnis zueinander insbesondere in der spekulativen Mystik Meister Eckharts, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 27 (1953); F. Tobin, Meister Eckhart: Thought and Language, University of Pennsylvania Press, Philadelphia 1986. 428. Mehr darüber siehe bei B. Hasebrink, Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart. UnterÂ� suchungen zur literarischen Konzeption der deutschen Predigt, Tübingen 1992, S. 29–32. 429. Ibid. 35.
150 Sprache und Metaphysik
zu den Mitmenschen und zu Gott hervorzurufen. Ihre Verwendung geschieht äußerst bewußt und beruht auf Überlegung.430
Margetts begründet seine Auffassung damit, dass sich die locutio emphatica, obwohl sie sich auf den Inhalt einer Aussage beziehe, auch mit dem klaren Satzbau der Eckhart’schen Prosa mit ihren überschaubaren Spannungsverhältnissen in Verbindung bringen lasse. Denn diese hyperbolische Aussage bei Eckhart werde von einem äußerst klaren syntaktischen Aufbau getragen. Hierin finde sich der Berührungspunkt zwischen den Ergebnissen der syntaktischen Untersuchungen und dem Gesamtbild, das man von Eckhart habe.431 Wenn man sich mit den Predigten Eckharts auseinandersetzen will, muss man berücksichtigen, dass sie in der vorliegenden Form als Lesepredigten einzustufen sind. B. Hasebrink zweifelt ohnehin an der Prävalenz der Mündlichkeit gegenüber der Literarisierung in der Dominikanertradition, wenn er schreibt: „Literarisierung und Mündlichkeit zugunsten einer größeren Unmittelbarkeit der mündlichen Rede zu trennen, verfehlte den habituellen Charakter der Predigtkompetenz.“432 Dies schließt allerdings die Annahme einer Vorstufe der Eckhart’schen Predigten in mündlicher Form nicht aus. Neben der Frage nach dem Bezug zwischen Mündlichkeit und Literarisierung in Eckharts Predigtpraxis stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen seinen deutschen und seinen lateinischen Predigten. N. Largier hat im Anschluss an J. Koch und J. Quint darauf hingewiesen, dass in verschiedenen Fällen nicht nur eine „redaktionelle Verwandtschaft“ zwischen ihnen bestehe, sondern Eckhart selbst beide als sermones bezeichne und sich im Lateinischen wie im Deutschen an dieselben rhetorischen Regeln halte.433 Die Ausdrucksmittel, die er bevorzugt und die den Stil seiner späteren deutschen Predigten prägen, sind gemäß Quint „Hyperbolismus und Antithetik, oft gepaart mit Parallelismus“, sowie die „sehr eindrucksvollen Vergleiche … die … knapp und scharf profiliert, auf das tertium comparationis hin beschnitten und konzentriert sind.“434 430. J. Margetts, Die Satzstruktur bei Meister Eckhart, (Studien zur Poetik und Geschichte der Literatur 8) Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1969, S. 170. 431. J. Margetts, Die Satzstruktur bei Meister Eckhart, S. 171. 432. B. Hasebrink, Grenzverschiebung. Zu Kongruenz und Differenz von Latein und Deutsch bei Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 121 (1992), S.€369–398, hier S. 373. Vgl. auch: R. Manstetten, Mystik zwischen Literalität und Oralität. Meister Eckhart und die Theorie medialer Noetik, in: Kl. Jacobi, Meister Eckhart. LebensstationÂ� en€– Redesituationen, S. 15–42. 433. N. Largier, Meister Eckhart. Perspektiven der Forschung, in: ZfdPh 114 (1995), S. 41. 434. J. Quint, in: Meister Eckhart, DW V, S. 179.
Kapitel 4.╇ Prädikation und Metaphysik 151
In seiner Analyse der sprachlichen Besonderheiten in Eckharts Predigten unterscheidet B. Hasebrink folgende vier Aspekte der worttheologischen Ausführungen Eckharts: (1) das Sprechen als Hervorbringung, (2) die Herleitung des ‚auswendigen Wortes‘ aus dem ewigen, ersten Wort, (3) die Namenlosigkeit und Unaussprechbarkeit Gottes und (4) die Dialogizität von göttlichem Sprechen und Hören, Behalten und Zurücksprechen des inneren, gelassenen Menschen als Umschreibung der Einheit von Gott und Seele.435 Obwohl sich diese vier Momente unterscheiden lassen, sind sie nicht getrennt. Sie benennen unterschiedliche Motive der Verwendung von worttheologischen Inhalten. Sie betonen die Prävalenz des Logos gegenüber der Wirklichkeit des Seienden (1), führen in die Grundlagen einer sachsemantischen Bedeutungslehre ein (2), halten die Forderungen der negativen Theologie aufrecht (3) und präsentieren eine kommunikative Variante der Einheitsaussage (4).436 In der Aufzählung der Aspekte der worttheologischen Ausführungen wie auch in derjenigen der Motive ihrer Verwendung wird einerseits betont, dass die worttheologischen Ausführungen bei Eckhart sich durch den Aspekt der Namenlosigkeit und Unaussprechbarkeit Gottes charakterisieren lassen; andererÂ�seits wird darauf hingewiesen, dass die Verwendung der worttheologischen Inhalte dem Aufrechterhalten der Forderungen der negativen Theologie dient. In beiden Fällen wird auf einen gewissen „Sprachpessimismus“ hingewiesen, da die Unaussprechbarkeit Gottes und die Forderungen der negativen Theologie nichts anderes als die Ohnmacht der Sprache bezüglich des göttlichen Wesens meinen. N. Largier ist der Auffassung, dass, da die Mitteilbarkeit für Eckhart problematisch werde, sich das herausbilde, „was insofern als mystische Sprache bezeichnet werden kann, als es die Überschreitung der Mitteilbarkeit, den spirituell und philosophisch geforderten Durchbruch zur Transzendenz, im Prozess des eigenen Sprechens zum Ausdruck bringt.“437 Obwohl er das Eckhart’sche Medium, d.€h. die Sprache, als die Überschreitung der Mitteilbarkeit bezeichnet, betont Largier, dass es vielmehr um den Versuch geht: … innerhalb der Sprache die Überschreitung der Positivität zu denken und so die Sprache zum Ort eines Wortgeschehens zu machen, das nicht nur Spiegel und Repräsentation eines rational und diskursiv erschlossenen Systems ist, sondern im Sinne der Tradition negativer Theologie und des Postulats der Überschreitung
435. Vgl. B. Hasebrink, Grenzverschiebung, S. 57. 436. Vgl. B. Hasebrink, Grenzverschiebung, S. 57. 437. N. Largier, Meister Eckhart. Perspektiven der Forschung, in: ZfdPh 114 (1995), S. 66.
152 Sprache und Metaphysik
aller Repräsentation, das Eckharts Denken zugrunde liegt, ihre eigene Negation in sich aufnimmt.438
Das Wortgeschehen, das nicht Repräsentation eines rational und diskursiv erschlossenen Systems ist, kann nur in der Tradition negativer Theologie denkbar sein und dadurch eher der mystica theologia dienen. Eine solche Auffassung führt aber wieder zur Annahme eines gewissen Sprachpessimismus in Eckharts verbaler Vermittlung. Der Grund für eine solche Annahme kann auch darin liegen, dass Eckhart sich bei der Bibelexegese extreme Freiheit nimmt. D. Gottschall pointiert in dieser Hinsicht die wichtigen Aspekten des Eckhart’schen Schreibstils: Er treibe die scholastische Methode des litteram punctare offensichtlich auf die Spitze und segmentiere nicht nur Satzglieder, sondern auch Einzelwörter, die er dann nicht einmal in ihrer Reihenfolge belasse. „Man ist dann gerne geneigt, in dieser Willkür den Mystiker zu sehen, der sich um logische Zusammenhänge nicht zu kümmern braucht und das Schriftwort nur als ‚Sprungbrett‘ für sein einziges großes Thema ‚Gott und Seele‘ benutzt.“439 Die Erklärung für ein solches Verhalten Eckharts sieht Gottschall in „seiner besonderen Vorstellung von Wörtern.“440 Aus der Annahme der außergewöhnlichen Hochschätzung des gesprochenen oder geschriebenen Wortes bei Eckhart folge, dass von Sprachpessimismus nicht die Rede sein könne; alle Sprachen seien gleichwertig, und es spiele keine Rolle, ob auf Latein oder auf Deutsch gepredigt werde; jedes Wort der Heiligen Schrift sei gleich wichtig und auslegungswürdig; der Kontext eines Wortes, d.€h. der Satz, sei nur von geringer Bedeutung. Diese Auffassung Gottschalls steht im Gegensatz zu der S. Köbeles über die ungewöhnliche deutsche Wortfolge bei Eckhart, die sich
438. N. Largier, Meister Eckhart. Perspektiven der Forschung, in: ZfdPh 114 (1995), S. 66f. 439. D. Gottschall, „Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 81). Zum Umgang Meister Eckharts mit Wörtern in seinen deutschen Predigten, in: A. Speer/L. Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 427–449, hier S. 448. 440. Eine ähnliche Position zur Bedeutung der Wörter in der Eckhart’schen Exegese vertritt L. Sturlese: „Wie merkwürdig auch immer diese Exegese erscheinen mag, ist es auf den ersten Blick eindeutig, daß Eckhart nicht am Kontext interessiert ist, in dem das Gebot steht. Er zerlegt vielmehr den Satz der Schrift nach seiner üblichen und bewährten Methode zunächst in seine Bausteine … und fragt sodann nach dem Sinn von jedem Baustein. Der Sinn des Satzes ergibt sich als Summe der Sinne seiner Teile, mehr sagt Eckhart nicht. Diese Art der Exegese mag heute seltsam anmuten, denn sie dekontextualisiert den zu behandelnden Text. … Man könnte geradezu, wie ich meine, die ganz entgegengesetzte These vertreten, nämlich, daß Eckhart die Buchstaben des Textes unerbittlich ernst nimmt – vielleicht sogar zu unerbittlich.“ L.€Sturlese, Seele und intellektueller Seelengrund auf Deutsch und Latein. Eine Lektüre von Pred. 17 Quint, in: Ders., Homo divinus, S. 61–77, hier S. 63.
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 153
am Lateinischen orientiere. Gemäß Gottschall handelt es sich bei Eckhart um die Übersetzung einzelner Wörter, was Beleg dafür ist, dass die einzelnen Wörter für Eckhart besondere Bedeutung haben; Eckhart zeige einen besonders sorgfältigen Umgang mit dem „Wortkörper“ in seiner mittelhochdeutschen Übertragung. Davon zeuge Eckharts Vorliebe für die figura etymologica und die Stilfigur des color rhythmicus: Ich glaube, bei Eckhart sind diese Elemente mehr als rhetorischer Schmuck, sie sind wesentlicher Bestandteil seiner Aussage. Die Wiederholung ein und derselben Wortwurzel dient sicher zur hervorhebenden Betonung einer Aussage, bewahrt aber auch die Form eines Wortkörpers in seiner Laut- und Schriftgestalt, die so im Intellekt des Hörers oder Lesers immer wieder die gleiche Prägung (impressio) der gleichen kosmischen Kraft hervorruft.441
Bemerkenswert an dieser Auffassung ist, dass sie die Bedeutung des Wortes bei Eckhart hervorhebt und dadurch die Annahme eines „Sprachpessimismus“, der sich auf die negative Theologie zurückführen lässt, bestreitet. S. Köbele meint, dass bei Eckhart im Falle der Predigt „ein zwischen Grammatik, Sprach- und Semantiktheorie, Negativer Theologie und Verbumtheologie kreisendes Bezugssystem“ vorhanden ist.442 Ein solches Bezugssystem impliziert, dass Eckhart die bisherige Kapazität der Begriffe sprengt: Immer wieder schieben sich Perspektiven und Aussageweisen riskant übereinander, was das Schwebende und Schwierige, das Antiterminologische seiner Terminologie ausmacht. Offensichtlich geht es ihm … um die Relation der Ebenen [gemeint sind die Sprachebenen – T. T.]. Sie gelten gleichzeitig, bleiben übergängig, so daß man den Eindruck gewinnt, die Sätze formulieren in Wirklichkeit den freien Raum zwischen ihnen.443
Im Folgenden wird am Beispiel der Predigten 9 und 21 aufgezeigt, dass die in unserer Untersuchung dargestellten Ideen Eckharts, die ihre explizite Entfaltung in seinen lateinischen Traktaten finden, thesenweise auch in seinen deutschen Predigten vorkommen.
441. D. Gottschall, „Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 81). Zum Umgang Meister Eckharts mit Wörtern in seinen deutschen Predigten, in: A. Speer/L. Wegener (Hrsg.), Meister Eckhart in Erfurt, (Miscellanea Mediaevalia 32) Berlin 2005, S. 427–449, hier S. 448f. 442. S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik bei Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 113 (Sonderheft; 1994), S. 190–206, hier S. 199. 443. S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik bei Meister Eckhart, S. 200f.
154 Sprache und Metaphysik
5.2 Predigt 9: ‚Quasi stella matutina in medio nebulae et quasi luna plena in diebus suis lucet et quasi sol refulgens, sic iste refulsit in templo dei‘ (Eccli. 50, 6f.) Predigt 9 gilt als eine „Schlüsselpredigt“ der Sammlung Paradisus anime intelligentis, die die spezifisch dominikanische Doktrin vermittelt. Diese Sammlung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts enthält mit einer unscheinbaren Ausnahme keine der in Häresieverdacht geratenen Predigten Eckharts. Nach allgemeiner Auffassung wirkt sie wie ein nachträglicher Rechtfertigungsversuch.444 In der Stelle aus Eccli. 50, 6f. bilden die letzten Worte, templo dei, das Objekt des Eckhart’schen Interesses. In diesem Zusammenhang stellt er die Fragen, die die Predigt zu beantworten hat: „Was ist Gott?“ und „Was ist Tempel Gottes?“ Schon die Fragestellung „Was ist Gott?“ zielt auf die Washeit Gottes und verweist auf die Absicht, die göttliche quiditas näher zu betrachten. Um die Frage zu beantworten, rekurriert Eckhart auf den Liber 24 philosophorum des Pseudo-Hermes Trismegistus und hebt aus dieser Schrift die drei Antworten auf die gestellte Frage hervor: (1) Gott sei etwas, dem gegenüber alle wandelbaren und zeitlichen Dinge nichts seien, und alles, was Sein habe, das sei vor ihm gering; (2) Gott sei etwas, das notwendig über dem Sein sei, etwas, das in sich selbst niemandes bedürfe und dessen doch alle Dinge bedürften; (3) Gott sei eine Vernunft, die da lebe in der Erkenntnis ihrer selbst.445 Der ersten Antwort zufolge wird Gott für etwas erklärt, dem gegenüber alle wandelbaren und zeitlichen Dinge oder das ens hoc et hoc, wie es in den lateiniÂ� schen Schriften Eckharts auch heißt, nichts sind bzw. vor dem alles, was Sein hat, gering ist. Damit wird Gott zu etwas Seinslosem erklärt, dem gegenüber die zeitlichen Dinge nichts sind. Gemäß der zweiten Antwort aus dem Liber 24 philosophorum bestimmt Eckhart Gott negativ als jenseits des Seins, als notwendig über dem Sein, als etwas, das in sich selbst niemandes bedarf und dessen doch alle Dinge bedürfen. Dies meint, dass Gott zwar in allen Kreaturen ist, sofern sie Sein haben, und doch darüber ist.446 Eben dadurch, dass er in allen Kreaturen ist, ist er notwendig 444. Vgl. S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik bei Meister Eckhart, S. 196f.: „Bereits ihr Titel ist eine eindeutige Stellungnahme im Ordensstreit um die Frage nach der Priorität von intellectus oder voluntas/caritas. So liegt es für diese Predigt nahe, nicht nur die besondere Hervorhebung der vernünfticheit, sondern auch die oben angesprochenen Leerstellen und ‚Zwischenräume‘ mit einer dogmatisch bereinigenden Redaktion in Verbindung zu bringen.“ 445. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 142, 3–7. 446. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 143, 1f.: „Got ist in allen crêatûren, als sie wesen hânt, und ist doch dar über.“ Zu dieser Stelle vgl. auch In Eccli. n. 54, LW II, S. 282,13–283,1: „… deus est rebus
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 155
darüber, weil das, was in vielen Dingen eins ist, notwendig über den Dingen sein muss. Als Beispiele für solches In-vielen-Dingen-Sein und trotzdem Über-vielenDingen-Sein nennt Eckhart die Seele, die gleichmäßig in verschiedenen Gliedern des Menschen geteilt ist und trotzdem über diesen Gliedern bleibt,447 und das Nun, das alle Zeit in sich begreift und trotzdem alle Zeiten übergreift.448 Die dritte Antwort – „got ist ein vernünfticheit“449 – dient als Ausgangspunkt dafür, den „Tempel“, in dem Gott recht eigentlich wohnt, als Vernunft zu deuten. Die Vernunft lebt da, d.€i. in Gott, in der Erkenntnis einzig ihrer selbst. Das Leben der Vernunft da ist die Selbsterkenntnis. Aber die Vernunft ist auch Gott selbst. Daher lebt Gott einzig in seiner Selbsterkenntnis. Damit wird die vernünfticheit nicht nur als innergöttlicher Akt aufgefasst, der zur Selbsterkenntnis Gottes dient, sondern wird als solche mit Gott gleichgesetzt.
omnibus intimus, utpote esse, et sic ipsum edit omne ens; est et extimus, quia super omnia et sic extra omnia.“ In Sap. n. 135, LW II, S. 473, 8: „… deus sic totus est in quolibet, quod totus est extra quodlibet.“€ In Gen. I. n. 166, LW I, S. 312, 10f.: „Ratio est quia ipse sic totus est in rebus singulis, quod totus est extra.“ 447. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 143, 5–7: „Diu sêle ist ganz und ungeteilet alzemâle in dem vuoze und alzemâle in dem ougen und in ieglîchem glide.“ Vgl. auch In Exod. n. 92, LW II, S. 95, 7–8: „Quaelibet enim pars ignis est, et anima tota in qualibet parte minima corporis animati.“ Sermo LV n. 556, LW IV, S. 465, 13f.: „Exemplum huius in anima, quae vivit in oculo, vivit in aure, in lingua et in omnibus membris.“ In Sap. n. 135, LW II, S. 474, 3–5: „Hinc est quod anima non variatur nec senescit nec desinit extracto oculo aut pede, quia ipsa se tota est extra oculum et extra pedem, in manu tota et in qualibet alia parte tota.“ Ein ähnlicher Vergleich kommt auch bei Thomas von Aquin vor. Vgl. Summa theologiae I, De existentia Dei in rebus, q. 8, a. 2 (Marietti I, S. 37): „Et ideo sicut anima est tota in qualibet parte corporis, ita Deus totus est in omnibus et singulis entibus.“ 448. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 143,8–144,3: „Daz nû, dâ got die werlt inne machete, daz ist als nâhe dirre zît als daz nû, dâ ich iezuo inne spriche, und der jüngeste tac ist als nâhe disem nû als der tac, der gestern was.“ Übers.: „Das Nun, in dem Gott die Welt schuf, das ist dieser Zeit so nahe wie das Nun, in dem ich jetzt spreche, und der jüngste Tag ist diesem Nun so nahe, wie der Tag, der gestern war.“ In: N. Largier, Meister Eckhart Werke I, S. 105,33–107,2. Denselben Gedanken wiederholt Eckhart auch In Ioh. n. 214: „Primo, quia ante mundum creatum non fuit aliquod ubi. Unde cuidam sciolo volenti probare aeternitatem mundi et quaerenti, quare deus mundum non prius creavit et postea creaverit, respondi quidem ad hominem, quod deus non potuit mundum prius creare, quia ante mundum et tempus non fuit prius.“ Auch In Ioh. n. 582: „… in deo, utpote in esse, nihil est praeteritum, nihil futurum, sed tantum praesens, id est praesto ens. Unde deus nec mundum creasset, nisi creasse esset creare, …“. 449. Pr. 9, DW I, S. 142, 7.
156 Sprache und Metaphysik
Somit nimmt Eckhart in rudimentärer Form Bezug auf eine Thematik, die an die Quaestio Parisiensis I erinnert,450 um die Hörer in einem Dreischritt zu dem Gedanken anzuleiten, dass Gott Vernunft sei und die Menschen vor allem über das Vermögen der Vernunft Zugang zu ihm hätten. Wie J. Quint in der kritischen Edition bemerkt, sind die ersten beiden Sprüche bei Eckhart viel zu ungenau zitiert, als dass sie mit bestimmten Passagen des Liber 24 Philosophorum in eins gesetzt werden könnten. Nur der dritte Spruch habe eine eindeutige Beziehung, und zwar zum 20. Meisterspruch, der lautet: „Deus est, qui solus suo intellectu vivit.“451 Eckhart führt weiter aus, dass jedes Ding in seinem Sein wirke, weil kein Ding über sein Sein hinaus wirken könne. Gott wirke oberhalb des Seins, er wirke im Nichtsein. Diesen Gedanken begründet er mit der Schöpfungsidee: Noch ehe es Sein gab, wirkte Gott, und zwar wirkte er das Sein. Dadurch erklärt Eckhart das Sein für etwas Sekundäres im Vergleich zu Gott. Dabei nennt er diejenigen, die Gott mit dem lautersten Sein gleichsetzen, die grobsinnigen Meister. Er rückt also ab von der These „esse est deus“, weil er Gott nicht nur für etwas Unterschiedenes vom kreatürlichen Sein, dem esse hoc et hoc, erklärt, sondern sogar für etwas Unterschiedenes vom esse absolutum, vom lautersten Sein. Wie diese Seinslosigkeit Gottes zu verstehen ist, erklärt Eckhart so: „Daz ich aber gesprochen hân, got ensî niht ein wesen und sî über wesene, hie mite enhân ich im niht wesen abegesprochen, mêr: ich hân ez in im gehœhet.“452 Die Auffassung über die Seinslosigkeit Gottes will Eckhart auf die Worte von Augustinus aus De trinitate zurückführen, die im Einklang mit der Position der via eminentiae stehen: „Sankt Augustinus sagt: Gott ist weise ohne Weisheit, gut ohne Gutheit, gewaltig ohne Gewalt.“453 Diese Auffassung von Augustinus weist darauf hin, dass Gottes Weisheit, Gutheit oder Gewalt nicht als solche zu denken sind, die man mit den Worten ‚Weisheit‘, ‚Gutheit‘ oder 450. Die Bezugspunkte zwischen den Quaestiones Parisienses und der Predigt 9 Eckharts hat M. von Perger ausführlich dargelegt. Vgl. M. von Perger, Disputatio in Eckharts frühen Pariser Quästionen und als Predigtmotiv, in: Kl. Jacobi (Hrsg.), Meister Eckhart. LebensstationenÂ�Redesituationen, S. 115–148. 451. Vgl. Pr. 9, DW I, Quints Anmerkung 3, S. 142f. 452. Pr. 9, DW I, S. 146; vgl. N. Largier, Meister Eckhart Werke I, S. 107, 30–32: „Wenn ich aber gesagt habe, Gott sei kein Sein und sei über dem Sein, so habe ich ihm damit nicht das Sein abgesprochen, vielmehr habe ich es in ihm erhöht.“ 453. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 107, 35f.; vgl. Pr. 9, DW I, S. 147, 1f.: „Sant AugusÂ� tînus sprichet: got ist wîse âne wîsheit, guot âne güete, gewaltic âne gewalt.“ Vgl. auch AugusÂ� tinus, De trinitate l. V c.1 n. 2 (PL 42, 912): „… ut sic intelligamus Deum … sine qualitate bonum, sine qualitate magnum, sine indigentia creatorem, sine situ praesidentem, sine habitu omnia continentem, sine loco ubique totum, sine tempore sempiternum.“
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‚Gewalt‘ belegt. Folgt man Augustinus’ Gedankengang, ist Gott unprädizierbar. Von ebendieser Konsequenz her deutet S. Köbele die gesamte Predigt 9, wenn sie meint, dass der Seinsüberlegenheit die Namenlosigkeit Gottes entspreche.454 Das Thema der Seinslosigkeit Gottes spricht Eckhart in Predigt 9 nicht zum ersten Mal an. Daher empfiehlt es sich, den Gedanken „Gott sei kein Sein und sei über dem Sein“ im Kontext seines gesamten Werkes zu betrachten. Darin kommt die These von der Seinslosigkeit Gottes zum ersten Mal in der Quaestio Parisiensis I vor, in der erklärt wird, dass „ebendas Erkennen Grundlage ebendes Seins ist.“455 Wenn Eckhart in Predigt 9 sagt, Gott sei kein Sein, sondern über dem Sein, dann ist hier eher an etwas zu denken, das kein Sein ist und doch als Grund des Seins mehr als das Sein selbst ist. Bedenkt man, dass Predigt 9 in der Sammlung Paradisus anime intelligentis enthalten ist, die wie ein nachträglicher Rechtfertigungsversuch wirkt, dann lässt sich auch die Funktion des in diesem Kontext angeführten augusÂ� tinischen Zitats verstehen: Eckhart versucht hier, seine These von der Seinslosigkeit Gottes auf Augustinus zurückzuführen und dessen Lehre seinem Theorem zu akkommodieren. Dadurch skizziert er den gedanklichen Horizont, in dem die quiditas Gottes zu denken ist. Dass die wesentliche Fragestellung hier eher mit der Pariser Quaestio I als mit Augustinus’ De trinitate im Einklang steht,456 zeigt auch die zu Beginn der Predigt angeführte dritte Antwort auf die Frage, was Gott sei: „Gott ist eine Vernunft, die da lebt in der Erkenntnis einzig ihrer selbst.“ Dadurch wird Gott zu einem erkennenden Subjekt erklärt, das selbstreflexiv ist. Als ein sich selbst erkennendes Subjekt ist er ohne Bestimmtheit, ohne Weise, weil er sich durch seine Erkenntnis bestimmt, die kein abgeschlossener Akt ist, sondern sich permanent und ohne Ende vollzieht.457 Da diese Prozessualität ohne Ende
454. Vgl. S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik bei Meister Eckhart, S. 193. 455. Vgl. Quaest. Par. I, n. 4, LW V, S. 40, 5ff. 456. In diesem Zusammenhang ist der Beitrag von Chr. Ortmann interessant, die einen Versuch unternimmt, die besondere Argumentationsstruktur der deutschen Predigt 9 vor dem allgemeinen Hintergrund der lateinischen Werke Eckharts zu rekonstruieren; vgl. Chr. Ortmann, Eckharts Lehre für die Ungelehrten. Zum Verhältnis von Deutsch und Latein in der deutschen Predigt, in: K. Grübmüller (Hrsg.), Befund und Deutung. Zum Verhältnis von Empirie und Interpretation, in: Sprach- und Literaturwissenschaft (FS für H. Fromm), Tübingen 1979, S.€342– 391. Zum Zusammenhang zwischen den lateinischen Quästionen und den deutschen Predigten Eckharts vgl. auch M. von Perger, Disputatio in Eckharts frühen Pariser Quästionen und als Predigtmotiv, S. 115–148. 457. Über den Charakter des intelligere bemerkt L. Sturlese: „Diametral entgegengesetzte Eigenschaften kämen dem Denken (intelligere) zu: Es sei nicht kategorial faßbar, es entziehe sich somit den Gesetzen der aristotelischen Substanzontologie und sei vielmehr Verneinung jeder formalen Bestimmtheit, daher nicht-seiend und nicht-geschaffen.“ L. Sturlese, Meister Eckhart:
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zu denken ist, ist er – in Eckhart’schen Worten – „Weise ohne Weise“,458 ohne Bestimmtheit, weil die Weise erst nach einem abgeschlossenen Erkenntnisakt die Weise einer Bestimmung gewinnen kann.459 Nachdem Gott vom lauteren Sein unterschieden wurde, entfaltet Eckhart seine Fragestellung „Was ist Gott?“ dadurch, dass er die Frage nach der Prädikation Gottes auch in dieser deutschen Predigt näher angeht: Um die Washeit Gottes zu definieren, muss man die Art des Definitionsverfahrens bestimmen. Eckhart beginnt mit dem Beispiel der baccalarii theologiae, welche lehren, dass die zehn aristotelischen Kategorien, die die zehn Seinsweisen aller Wesen darstellen, Gott abgesprochen werden müssen. Keine dieser Seinsweisen berühre Gott, jedoch ermangele er auch keiner von ihnen. Die erste, die am meisten Sein besitze, in der alle Dinge ihr Sein empfingen, sei die Substanz, und die letzte, die am allerwenigsten Sein enthalte, heiße Relation, und die sei in Gott, dem Allergrößten, das am meisten Sein besitze, gleich.460 Diese Ausführung Eckharts korrespondiert folgender Auffassung aus seinem Exoduskommentar: Ex praemissis, ubi dictum est, quod deus est et operatur omnia sua substantia, patet quod in deo est unicum praedicamentum, scilicet substantia, qua est, qua potens est, qua sapiens est, qua bonus est et huiusmodi, quae in creaturis pertinent ad praedicamenta novem accidentis.461
Ein Porträt, in: Ders. Homo divinus, S. 15–34, hier S. 22. Eine eingehende Analyse von Eckharts Quaestio findet sich bei R. Imbach, Deus est intelligere. Das Verhältnis von Sein und Denken in seiner Bedeutung für das Gottesverständnis bei Thomas von Aquin und in den Pariser QuaesÂ� tionen Meister Eckharts, Freiburg/Schweiz 1976, S. 153–157. 458. Den Ausdruck „Weise ohne Weise“ (wîse âne wîse) verwendet Eckhart als Ausdruck höchster Unbestimmtheit. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 144, 8f.: „… got ze minnenne daz ist wîse âne wîse.“ 459. Über das Denken als Tätigkeit, als principium bei Eckhart siehe B. Mojsisch, Denken und Freiheit in der Philosophie Meister Eckharts, in: Ders./M. Beriashvili (Hrsg.), Die Idee der Freiheit in Philosophie und Sozialtheorie, Saarbrücken 2010, S. 113–130. 460. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 147, 4–8: „Diu êrste, diu des wesens allermeist hât, dâ alliu dinc wesen inne nement, daz ist substancie, und daz leste, daz des wesens aller minnest treit, daz heizet relatio, daz ist glîch in gote dem aller grœsten, daz des wesens allermeist hât.“ 461. In Exod. n. 62, LW II, S. 66,14–67,3. Vgl. Übers.: „Wir sagten oben, daß Gott alles durch seine Substanz ist und wirkt. Daraus folgt, daß es in Gott nur eine Kategorie gibt, nämlich die Substanz, durch die er ist, durch die er mächtig ist, durch die er weise ist, durch die er gut und alles das ist, was bei den Geschöpfen zu den neun Kategorien des Akzidens gehört.“
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 159
Die zehn Prädikamente kommen Gott nicht in derselben Weise zu wie den Kreaturen, d.€h. als real verschieden von der Substanz, wohl aber als in die göttliche Substanz übergehende und daher als real identisch mit der göttlichen Substanz, als der göttlichen Substanz inhärierend.462 Wenn aber Gott kein Sein ist, dann ist er auch keine Gutheit, weil Gutheit am Sein haftet und nicht weiter als das Sein reicht; denn gäbe es kein Sein, so gäbe es keine Gutheit. Wie aber kann dann Gott ohne Gutheit gut sein, wenn „nieman enist guot dan got aleine“ (Mark. 19, 18)? Eckharts Antwort lautet: „Daz ist guot, daz sich gemeinet.“463 Damit erklärt er das Sich-Mitteilen zu einem Kriterium des Gut-Seins: Kein Ding teilt sich aus Eigenem mit, denn alle Kreaturen sind nicht aus sich selbst. Was immer sie mitteilen, das haben sie von einem Anderen. Gott teilt das Seine mit, weil er aus sich selbst ist, was er ist, und in allen Gaben, die er gibt, gibt er zuerst stets sich selbst. Eckharts Thesen, von denen die eine Gott zu einem absoluten Sein erklärt („esse est deus“) und die andere Gott das Sein abspricht, schließen sich gegenseitig aus, beziehen sich aber auf ein und denselben Begriff: Gott. Eckhart betrachtet jedoch die beiden Thesen als konvertibel, denn für ihn gilt: Als wir got nehmen in dem wesene, sô nehmen wir in in sînem vorbürge, wan wesen ist sîn vorbürge, dâ er inne wonet. Wâ ist er denne in sînem tempel, dâ er heilic inne schînet? Vernünfticheit ist der tempel gotes. Niergen wonet got eigenlîcher dan in sînem tempel, in vernünfticheit, …â•›.464
462. Vgl. dazu J. Koch, Pr. 9, DW I, S. 147, Anm. 5. Die in Anmerkung 458 zitierte Stelle aus Predigt 9 legt S. Köbele folgenderweise aus: „Von ihnen [den zehn Kategorien – T. T.] träfen nur zwei, Substanz und Relation, auf Gott zu. Selbst diese fielen in Gott in eins (147,3ff.), womit ein zusätzliches Argument dafür gewonnen ist, daß Gott nicht prädizierbar ist.“ Die These von der Unprädizierbarkeit Gottes leitet sie von den Worten „Got enist weder diz noch daz“ (146,2f.) ab. Dies ist einer der Gründe, warum sie diese Predigt als „eine Auseinandersetzung mit der Negativen Theologie“ charakterisiert. Bei ihren Ausführungen läßt sie aber jene Stelle aus dem Exoduskommentar außer Acht, wo der gleiche Gedanke vorkommt und durch die Prämisse „aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc“ ergänzt wird, was zur Betrachtung der zehn Prädikamente als in die Substanz übergehende führt. Vgl. S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik bei Meister Eckhart, S. 193. 463. Pr. 9, DW I, S. 149; vgl. Übers.: „Niemand ist gut als Gott allein … Das ist gut, was sich mitteilt. Gott ist das Allermitteilsamste.“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 109, 17–19. 464. Pr. 9, DW I, S. 150; Übers.: „Wenn wir Gott im Sein nehmen, so nehmen wir ihn in seinÂ� em Vorhof, denn das Sein ist sein Vorhof, in dem er wohnt. Wo ist er denn aber in seinem Tempel, in dem er als heilig erglänzt? Vernunft ist ‚der Tempel Gottes‘. Nirgends wohnt Gott eigentlicher als in seinem Tempel, in der Vernunft…“. In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S.€109,34–111,2.
160 Sprache und Metaphysik
Diese Metapher erläutert die Relation von Gott und Sein in Eckharts Metaphysik; ebenso ist sie Schlüssel zum Verständnis der Vereinbarkeit zwischen den beiden Thesen, von denen die eine Gott für ein absolutes Sein erklärt, die andere aber ihm das Sein abspricht: Sowohl das Sein als auch die Seinslosigkeit charakterisieren die Washeit Gottes, aber auf verschiedene Art und Weise. Das Sein drückt die quiditas Gottes aus, ist jedoch nur ein „Vorhof “ im Vergleich zur Vernunft, die mit Gott gleichgesetzt wird: … got ist ein vernünfticheit, diu dâ lebet in sîn aleines bekantnisse, in im selber aleine blîbende, dâ in nie niht engeruorte, wan er aleine dâ ist in sîner stilheit. Got in sîn selbes bekantnisse bekennet sich selben in im selben.465
Der Ausdruck „Gott ist in der Vernunft in der Stille“ meint, Gott sei in der Vernunft frei vom Bezug auf ein Etwas. Die einzige Relation, die er in der Vernunft erfährt, ist das Selbsterkennen: Gott erkennt im Erkennen seiner selbst sich selbst in sich selbst.466 Durch die Erkenntnis wirkt Gott im Nichtsein und gibt das Sein: „Des engels wesen hanget dar an, daz im götlich vernünticheit gegenwertic ist, dar inne er sich bekennet.“467 Die Vernunft ist nicht nur für Gott und seine Selbsterkenntnis reserviert, sondern auch die Seele besitzt ein „Tröpflein Vernunft“, ein „Fünklein“.468 Die Seele verfügt unter ihren verschiedenen Kräften (Eckhart zählt an dieser Stelle Verdauen, Zunehmen, Wachsen und Sehen auf) auch über das Vermögen des Denkens. Das Denken stellt in sich die Dinge vor, die nicht gegenwärtig sind, so dass man diese Dinge ebenso gut erkennt, als ob man sie mit den Augen sehen würde. Mit dem Denken wirkt die Seele im Nichtsein, weil sie durch das Denken den abstrakten oder unrealen Gegenständen das Sein mitteilt, indem sie sie denkt: „… mit dirre kraft würket diu sêle in unwesene und volget gote, der in
465. Pr. 9, DW I, S. 150; Übers.: „Gott ist eine Vernunft, die da lebt im Erkennen einzig ihrer selbst, nur in sich selbst verharrend dort, wo ihn nie etwas berührt hat; denn da ist er allein in seiner Stille. Gott erkennt im Erkennen seiner selbst sich selbst in sich selbst.“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 111, 2–6. 466. Zur These, dass Gott reines Erkennen sei, dass ihm das Sein erst sekundär durch das Erkennen zukomme, vgl. Quaest. Par. I (Utrum in deo sit idem esse et intelligere) n. 4, n. 7, n. 5, LW V, S. 40,5ff.; 43,6ff.; 42,7; Quaest. Par. 3 (Utrum laus dei in patria sit nobilior eius dilectione in via) n. 9, LW V, S. 60, 8f.; Sermo XXIX n. 301, n. 303, n. 304, n. 305; In Gen. I n. 11; In Gen. II n. 214; In Sap. n. 299; In Ioh. n. 34, n. 38, Sermo LII n. 523. 467. Pr. 9, DW I, S. 154; Übers.: „Des Engels Sein hängt daran, daß ihm die göttliche Vernunft gegenwärtig ist, darin er sich erkennt.“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 113, 22–24. 468. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 151: „Nû nehmen wirz in der sêle, diu ein tröpfelîn hât vernünfticheit, ein vünkelîn, ein zwîc. Diu hât krefte, die dâ würkent in dem lîbe.“
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 161
unwesene würket.“469 Das Wirken der Seele oder die Erkenntnis gibt dem Nichtsein das Sein. Auf solche Weise begründet das Gnoseologische das Ontologische: Das, was man erkennt, wird seiend. Die Vernunft erkennt nicht das, was seiend ist, sondern schafft durch die Erkenntnis eine Art der Seiendheit, die erst dadurch existiert, dass man sie erkannt hat. Wie erkennt aber eine Seele, die durch das Denken dem göttlichen Wirken folgen kann, selbst Gott? Eckhart hält an der Differenz zwischen Willen und Vernunft wie auch an deren Unterschied in ihrem Bezug auf Gott fest: … diu sêle, diu got minnet, diu nimet in under dem velle der güete. Vernünfticheit ziuhet gote daz vel der güete abe und nimet in blôz, dâ er entkleidet ist von güete und von wesene und von allen namen.470
Hier bemerkt Eckhart in Parenthese: „Noch sind es alles Worte heidnischer MeisÂ� ter, die bislang zitiert wurden; deren Erkenntnis erfolgte bloß in natürlichem Licht.“471 Diese aus „natürlichem“, nicht aus durch Offenbarung erleuchtetem vernünftigen Denken entstandene These eines heidnischen Meisters, Vernunft habe die Fähigkeit, Gott das Fell der Güte abzuziehen, genügt Eckhart zur Rettung seiner Behauptung, die Vernunft sei edler als der Wille. Dass diese Behauptung mit der gegenteiligen konkurriert, der Wille sei edler als die Vernunft, ist offenbar eine Anspielung auf Eckharts in Paris geführte Auseinandersetzung mit dem Franziskanergeneral Gonsalvus Hispanus,472 der in seiner Quaestio Utrum laus dei in patria sit nobilior eius dilectione in via? gegen Eckhart polemisiert und behauptet hatte, dass der Wille edler sei als die Vernunft, da der Wille die Dinge nehme, wie sie in sich selbst sind, die Vernunft hingegen, wie sie in ihr sind. Eckhart grenzt die Vernunft der menschlichen Seele, die sich mit ihren Vermögen auf Gott richtet, 469. Pr. 9, DW I, S. 151. Vgl. Übers.: „… mit dieser Kraft wirkt die Seele im Nichtsein und folgt darin Gott, der im Nichtsein wirkt.“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 111, 22f. 470. Pr. 9, DW I, S. 152; vgl. Übers.: „Die Seele, die Gott liebt, die nimmt ihn unter der Hülle der Gutheit. Vernunft aber zieht Gott die Hülle der Gutheit ab und nimmt ihn bloß, wo er entkleidet ist von Gutheit und von Sein und von allen Namen.“ In N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 111, 29–33. 471. Ibid. 472. M. von Perger kommentiert diese in Predigt 9 vorhandene Anspielung folgendermaßen: „Diese Erzählung erinnert an Paris, spiegelt aber keinen Vorgang, der uns aus den Pariser Zeugnissen von 1302/1303 bekannt wäre. Dort stellt Gonsalv sich selbst als Autor einer These hin, Eckhart als seinen Widerredner, und er selbst antwortet wieder darauf. Hier erzählt Eckhart einen Fall mit umgekehrten Rollen, wobei nicht einmal deutlich wird, ob der ‚andere‘ Meister seine These als Antwort auf diejenige Eckharts verstanden wissen wollte; lediglich durch die Erzählfolge bekommt sie diesen Status.“ M. von Perger, Disputatio, S. 115–148, hier S. 142.
162 Sprache und Metaphysik
vom Willen oder von der Liebe ab und weist ihr einen bestimmten Vorzug zu: Der Wille verhüllt das göttliche Wesen mit der Gutheit und lässt dessen wahre Washeit nicht erkennen. Nur die Vernunft kann Gott frei von Gutheit, Sein und allen Namen, d.€h. frei von allen Bestimmungen, wahrnehmen. Nur die Vernunft kann erkennen, dass Gott Vernunft ist. „Ich spriche aber, daz vernünftiheit edeler ist dan wille“473 – mit diesen Worten beginnt folgende Ausführung, in der Eckhart die Idee der menschlichen Seligkeit nicht mehr mit dem Begriff der Gutheit, sondern mit dem Begriff der Vernünftigkeit verbindet: Dâ von enbin ich niht sælic, daz got guot ist. Ich enwil des niemer begern, daz mich got sælic mache mit sîner güete, wan er enmöhte ez niht getuon. Dâ von bin ich aleine sælic, daz got vernünftic ist und ich daz bekenne.474
In dieser Aussage wird die Seligkeit insofern nicht mehr als logische Konsequenz des Ethischen, sondern des Gnoseologischen verstanden, als das Gnoseologische das Ethische begründet: Das, was man erkennt, wird durch diese Erkenntnis nicht nur seiend, sondern auch gut. Hierdurch wird in dieser Predigt die PräÂ� valenz der gnoseologischen gegenüber der ontologischen wie auch der ethischen Ebene betont. Nach seinen Ausführungen, die die Fragen „Was ist Gott?“ und „Was ist der Tempel Gottes?“ behandeln, wendet sich Eckhart der Frage zu, was man von Gott aussagen könne. Er findet auf diese Frage folgende Antwort: „Das Allereigentlichste, was man von Gott aussagen kann, das ist ‚Wort‘ und ‚Wahrheit‘. Gott nannte sich selbst ein ‚Wort.‘“475 ‚Im Anfang war das Wort‘ deutet demnach an, dass „man“, d.€i. der Mensch, bei diesem Wort ein „Beiwort“ sein soll. Eckhart unterscheidet drei Arten von Worten: Ein hervorgebrachtes Wort, das die Engel, die Menschen und alle Kreaturen benennt; das Wort, das gedacht und hervorgebracht ist, durch das es möglich ist, das man sich etwas vorstellt; und das Wort, das sowohl unhervorgebracht wie ungedacht ist, das niemals austritt, vielmehr ewig in dem bleibt, der es spricht:
473. Pr. 9, DW I, S. 153, 3; Übers.: „Ich aber sage, daß die Vernunft edler ist als der Wille.“ In: N.€Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 113, 3f. 474. Pr. 9, DW I, S. 153; vgl. Übers.: „Nicht dadurch bin ich selig, dass Gott gut ist. Ich will auch niemals danach begehren, dass Gott mich selig mache mit seiner Gutheit, denn das vermöchte er gar nicht zu tun. Dadurch allein bin ich selig, dass Gott vernünftig ist und ich dies erkenne.“ In: N. Largier, Meister Eckhart Werke I, S. 113, 12–16. 475. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 113, 29–31; vgl. Pr. 9, DW I, S. 154,7–155,11.
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 163
… ez ist iemermê in einem enpfâhenne in dem vater, der ez sprichet, und inneblîbende. Vernünfticheit ist allez înwert würkende. Ie kleinlîcher und ie geistlîcher daz dinc ist, ie krefticlîcher ez înwert würket, und ie diu vernunft kreftiger und kleinlîcher ist, ie daz, daz si bekennet, mêr dâ mite vereinet wirt und mêr ein mit ir wirt.476
Eckhart definiert die Seligkeit Gottes folgendermaßen: Gottes Seligkeit liege im Einwärtswirken der Vernunft, wobei das Wort innebleibend sei.477 Gottes Seligkeit liege im Wirken der Vernunft, wobei das Wort oder der Sohn innebleibend sei. Die Seele solle ein Beiwort des Wortes oder des Sohnes sein und mit Gott ein Werk wirken. Gottes Werk sei aber Erkenntnis. In dem gemeinsamen Erkennen seien sowohl Mensch als auch Gott selig. Geht man von den folgenden Grundthesen der Predigt – Gott ist kein lauteres Sein, Gott ist Vernunft, Gott erkennt sich selbst und wirkt durch die Erkenntnis€– aus, so lässt sich die Predigt 9 in den Gedankengang Eckharts einreihen, der mit der Pariser Quaestio I anhebt.
476. Pr. 9, DW I, S. 157; Übers.: „Es ist im Vater, der es spricht, immerfort im Empfangenwerden und innebleibend. Vernunft ist stets nach innen wirkend. Je feiner und je geistiger etwas ist, um so kräftiger wirkt es nach innen; und je kräftiger und feiner die Vernunft ist, um so mehr wird das, was sie erkennt, mit ihr vereint und mit ihr eins.“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 115,32–116,1. S. Köbele charakterisiert die in dieser Passage ausgedrückte Relation folgendermaßen: „Was im ersten und zweiten Predigtabschnitt noch getrennt verhandelt war, die Selbsterkenntnis Gottes und die Gotteserkenntnis des Menschen, gilt hier – als Selbsterkenntnis Gottes im Menschen und umgekehrt – reflexiv und transitiv zugleich.“ S. Köbele, Bîwort sîn. „Absolute“ Grammatik, S. 195. An einer anderen Stelle (S. 203) kennzeichnet sie die Erkenntnisrelation als analogische Ontologie: „Verdeckt in Predigt 9, offen in Predigt 6, gibt Eckhart dort eine fundamentale Voraussetzung auf: die analogische Ontologie, in deren Geltungsbereich similitudo Form und Inhalt der Erkenntnis ist.“ Die Relation, die Köbele „reflexiv und transitiv zugleich“ nennt, kennzeichnet Eckhart selbst als univok, wie es im Prolog zum Kommentar des Johannesevangeliums heißt. Das gegenseitige Erkennen von Mensch und Gott ist gemäß Eckhart durch den Seelenfunken ermöglicht, der ungeschaffen und unerschaffbar ist. In diesem durch den Seelenfunken vermittelten Erkennen stehen Mensch und Gott in einer univoken Relation. Daher scheint es in diesem Zusammenhang unzutreffend, aufgrund der Predigten 6 und 9 von einer „analogischen Ontologie“ zu sprechen. Auf jeden Fall bietet es sich an, die von Eckhart entwickelte Terminologie zu verwenden. Wenn man auf den Univozitätsgedanken in Eckharts Werk verzichtet, scheint es besonders schwierig, die „Ununterschiedenheit Gottes und der Seele“ aufgrund der analogischen Ontologie zu erklären, was Köbele im weiterÂ� en Verlauf ihrer Ausführungen beabsichtigt. 477. Vgl. Pr. 9, DW I, S. 158.
164 Sprache und Metaphysik
5.3
Predigt 21: ‚Unus deus et pater omnium etc.‘ (Eph. 4, 6)
Predigt 21 ist die einzige deutsche Predigt, in der Eckhart den Terminus negatio negationis in der deutschen Übersetzung ‚Verneinen des Verneinens‘ verwendet und erläutert. Die Predigt kann in drei Hauptabschnitte unterteilt werden, deren erster (DW I, S. 357,5–364,4) sich auf die Analyse des göttlichen Einen im Kontext des folgenden Bibelzitats konzentriert: „Ein got ist vater aller, der dâ ist gebenedict über alle und durch alle und in uns allen“ (Eph. 4, 6). Eckhart will es mit einem Zitat aus Luk. 14, 10 in Verbindung bringen: „vriunt, klim ûf baz, ziuch dich hœher.“ Beide Zitate zusammen deutet er wie folgt: „Daz er sprichet ‚vriunt, klim ûf baz, ziuch dich hœher‘, daz ist einkôsen der sêle mit gote, und ir wart geantwürtet: ‚ein got und vater aller.‘“478 Im zweiten Hauptabschnitt (DW I, S. 364,5–368,4) werden Wille und Vernunft im Hinblick auf eine Prävalenz des einen vor dem anderen betrachtet. Eckhart diskutiert ihre Rolle in Bezug auf Gnade und Seligkeit. Der dritte Hauptabschnitt (DW I, S. 368,5–370,6) stellt eine Zusammenfassung der beiden vorhergehenden Abschnitte dar und vereinigt den henologischen und den soteriologischen Diskurs. Eckhart beginnt seine Betrachtung der Worte „unus deus et pater omnium“ mit einer Reihe klassischer Gottesbeschreibungen, wobei er folgende Interpretation von ‚ein Gott‘ vorschlägt: ‚Ein Gott‘ meine das Eins-Sein Gottes in sich selbst und sein Gesondert-Sein von allem. Dabei grenzt Eckhart den Gottesbegriff vom Begriff der Kreaturen mit der für ihn typischen henologischen Terminologie ab: Alles, was Gott erschuf, das schuf er als dem Wandel unterworfen. Da außerhalb Gottes nur das Nichts ist, ist es unmöglich, dass in Gott irgendwie Veränderung oder Wandel fallen könnten. Das, was außer sich etwas anderes sucht, das ändert sich. Gott in seiner Fülle hat alle Dinge in sich und sucht nichts außerhalb seiner selbst. Diese Auffassung Eckharts schließt sich an die Aussage des Boethius an, Gott sei Eines und wandele sich nicht.479 In diesem Unterabschnitt des ersten 478. Pr. 21, DW I, S. 359,10–360,1; Übers.: „Wenn er sagt: ‚Freund, steig höher hinauf, zieh höher hinauf,‘ so ist das ein Zwiegespräch der Seele mit Gott, wobei ihr geantwortet wurde: ‚Ein Gott und Vater aller.‘“ In: N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 247, 14ff. Über Predigt 21 schreibt W. Goris: „Obwohl darin bestimmt andere Akzente gelegt werden und ein anderes Publikum angesprochen wird, möchte ich behaupten, daß die Predigt 21 zu Eph. 4:6 die Einheitsmetaphysik, wie diese in der Sermo XXXVII expliziert worden ist, fortsetzt.“ Dabei weist er auf fünf Punkte hin, die seiner Meinung nach die Übereinstimmungsaspekte zwischen der Predigt 21 und dem Sermo XXXVII bilden. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 101–104. 479. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 358, 1ff.
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 165
Hauptabschnittes arbeitet Eckhart mit dem Paradigma ‚Gott-Kreaturen‘, ersetzt es aber in der darauf folgenden Passage durch das Paradigma ‚Vater-Kinder‘, das er als eine zweite Lehre bezeichnet. Als Ausgangspunkt für diesen Paradigmawechsel dient Eckhart das Bibelwort: „vater aller, dû bist gebenedict.“480 Eckhart betont selbst, dass dieses Wort ein Wandlungsmoment in sich („eine anderunge in im“) trage, die für ihn durch die gegenseitig bestimmende Relationalität der Relata Vater-Kind zustande kommt: ‚Vater‘ ist nur in Bezug auf ‚Kind‘ denkbar wie auch ‚Kind‘ nur in Bezug auf ‚Vater‘. Wenn Gott als „vater aller“ in der Bibel bezeichnet wird, dann bedeutet es für Eckhart, dass mit diesen Worten auch wir mitgemeint sind („dâ sîn wir iezuo mite“), weil Gott unser Vater nur dann heißen kann, wenn wir seine Kinder sind.481 Im Kontext der Gottes-Kindschaft, für deren Verwirklichung er die Reinheit des Herzens als die Voraussetzung ansieht, kommt Eckhart auf das Thema der Unterschiedenheit zu sprechen: Das ist Reinheit des Herzens, was abgesondert und geschieden ist von allen körperlichen Dingen, was gesammelt und verschlossen ist in sich selbst und was sich aus dieser Lauterkeit in Gott wirft und dort vereint wird [Hervorhebungen T.€T.].482
Mit dem Thema der Unterschiedenheit hebt Eckhart an dieser Stelle seine Theorie des Seelengrundes noch einmal hervor. Der Kerngedanke lautet: In den Seelengrund des Menschen, der ungeschaffen und unerschaffbar ist, kann nichts als die lautere Gottheit gelangen. Alle Kreaturen, die Unterschiedenheit haben, sind unwürdig, dass Gott selbst in ihnen wirkt. Nur im Seelengrund, der frei von allen Unterschieden ist, kann Gott wirken. Die Unterschiedenheit bzw. das An-sichUnterschiedenheit-Tragen bildet für Eckhart ein pejoratives Kriterium: Selbst der Engel, solange er eine Unterschiedenheit an sich tragende Kreatur ist, kann nicht in den Seelengrund gelangen. Die Seele in sich selbst oder in ihrem Grund nimmt nichts auf als die „bloße lautere Gottheit“. Bloße lautere Gottheit ist in dieser Hinsicht für Eckhart etwas Höheres als Gott im Modus der Trinität, weil für ihn gilt: Selbst Gott kann nicht da hinein, solange er an sich einen Aspekt der Unterschiedenheit trägt, insofern er im Modus des Vaters, Sohnes und Hl. Geistes existiert oder – in Eckharts Worten – insofern „ihm alles da nicht abgenommen wird, was 480. Pr. 21, DW I, S. 358, 8. 481. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 358, 10: „Ist er unser vater, sô sîn wir sîniu kint, …“. 482. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 247, 3–7. Vgl. auch Pr. 21, DW I, S. 359, 2–4: „Daz ist reinicheit des herzen, daz gesundert ist und gescheiden von allen lîphaftigen dingen und gesamenet und geslozzen in im selben und denne ûz der lûterkeit sich werfende in got und dâ vereiniget werdende.“
166 Sprache und Metaphysik
ihm zugelegt ist.“483 Gott ist „ein got“, nachdem ihm das Zugelegte abgenommen ist, d.€h. nachdem er keine Unterscheidung mehr an sich trägt. Hiermit kehrt Eckhart in der Predigt wieder zum henologischen Diskurs zurück, den er im Zusammenhang mit den Hauptaspekten seiner Transzendentalienlehre folgendermaßen skizziert: Eines ist etwas Lautereres als Gutheit und Wahrheit. Gutheit und Wahrheit fügen dem Seienden nichts hinzu oder – wie Eckhart es formuliert – „legen nichts zu“. Wenn dieses Hinzufügen geschieht, dann allein im Denken. Eins dagegen legt dort nichts zu, wo Gott in sich selbst ist. In sich selbst ist Gott, „ehe er ausfließt in den Sohn und in den Heiligen Geist.“484 Da Eckhart das Eine als etwas dem Ausfließen Gottes in den Sohn und in den Hl. Geist Vorangehendes auffasst, hält er es für erforderlich, seinem Publikum hier das Eine in seinen deutschen Predigten ein einziges Mal zu definieren. Es ist bemerkenswert, dass, obwohl Eckhart seine henologische Auffassung auch in anderen deutschen Predigten vertreten hat, der Ausdruck „ein versagen des versagennes und ein verlougen des verlougennes“ nur an dieser Stelle vorkommt. Dabei spricht er von der Definition „Eines ist ein Verneinen des Verneinens“ als den Worten eines Meisters. J. Quint hat hier als den Meister Thomas von Aquin vermutet und die Definition auf Thomas Quodlibet X q. 1 a. 1 ad 3 zurückgeführt.485 W. Goris nimmt an, Eckhart habe negatio negationis als Terminus aus Heinrich von Gents Summa quaestionum ordinarium 25, 1 und 73, 11, ad 2 übernommen.486 Der entscheidende Punkt bei der Deutung dieser Stelle ist der begriffliche Inhalt, den Eckhart in der folgenden Passage erläutert. Dabei kommt die Definition „Eins ist ein Verneinen des Verneinens“ viermal vor:487 Beim ersten Mal wird sie, wie erwähnt, als die Auffassung eines Meisters eingeführt; bei der zweiten Erwähnung wird das Eine nicht nur als Verneinen, sondern auch als Verleugnen charakterisiert: „Eins ist ein Verneinen des Verneinens und ein Verleugnen des Verleugnens.“488 Dabei erläutert Eckhart, dass Eins das meint, dem nichts zugelegt 483. Pr. 21, DW I, S. 361, 2–5. 484. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 249, 3ff. Vgl. auch Pr. 21, DW I, S. 361, 8f.: „Ein enleget niht zuo, dâ er in im selber ist, ê er ûzvlieze in sun und heiligen geist.“ 485. Vgl. Thomas von Aquin, Quodlibet X q. 1 a. 1 ad 3: „In ratione multitudinis includitur negatio rei; sed in ratione unius negatio negationis et rei simul … Et sic unum, in quantum negat affirmationem et negationem, simul est negatio rei et negationis simul.“ 486. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 197–206, 215–218. 487. Wie W. Goris bemerkt, ist die Beschreibung der negatio negationis in Predigt 21 sicherlich die ausführlichste in Eckharts Werk. Vgl. W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 103. 488. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 249, 6ff.; vgl. auch Pr. 21, DW I, S. 363, 1f.: „Ein ist ein versagen des versagennes und ein verlougen des verlougennes.“
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 167
ist. Alle Kreaturen tragen eine Verneinung in sich: Die eine verneint, die andere zu sein. Bei der dritten Erwähnung verwendet Eckhart folgende Formulierung: „Gott aber hat ein Verneinen des Verneinens; er ist Eins und verneint alles andere, denn nichts ist außerhalb Gottes.“489 In diesem Satz ersetzt Eckhart die Kopula ‚ist‘ durch das Verb ‚haben‘. Durch diese Ersetzung wandelt sich ‚Verneinen des Verneinens‘ zum Etwas, das Gott nicht ist, sondern hat, so dass hier das Verneinen des Verneinens keine Wesensbestimmung Gottes darstellt. Alle Kreaturen sind in Gott und sind seine eigene Gottheit.490 Dies kennzeichnet Eckhart als die Fülle. Diese Fülle sei Vater der ganzen Gottheit, wo noch nichts ausfließe, nichts berührt oder gedacht werde. Bei der vierten und letzten Erwähnung der Verneinung der Verneinung heißt es: „Darin, daß ich Gott etwas abspreche … erfasse ich etwas, was er nicht ist; eben das nun muß hinweg. Gott ist Eins, er ist ein Verneinen des Verneinens.“491 In diesen Worten, die den ersten Hauptabschnitt der Predigt abschließen, lassen sich folgende drei Argumentationsschritte beobachten: Zunächst werden die Ergebnisse erläutert, zu denen man aufgrund der via negativa gelangt: Durch das Verneinen oder Absprechen dessen, was Gott nicht ist, erfasst man nur das, was er nicht ist. Man erhält also keine positive Antwort darauf, was Gott ist. Mit dem zweiten Schritt sagt Eckhart: Eben das muss nun hinweg. ‚Das‘ kann in dieser Aussage auf zweierlei Weise verstanden werden. Entweder so: Eben das, was ich durch das Absprechen von Gott erfasst habe, muss nun hinweg; oder so: Eben das Verfahren des Absprechens selbst muss nun hinweg. Für die letztere Interpretation spricht, dass Gott in dem darauf folgenden Satz nicht mittels einer Negation, sondern einer Affirmation definiert wird. Darauf folgt der dritte Schritt: Gott ist Eins, er ist ein Verneinen des Verneinens. Damit wird Gott auf die positive Weise gedeutet, ihm wird nichts abgesprochen, sondern sein Eins-Sein wird für ein Verneinen-des-Verneinens-Sein erklärt. In dieser Formulierung drückt Eckhart diesen Gedanken wieder mit der Kopula ‚ist‘ aus und verzichtet auf ‚haben‘, was bei der dritten Erwähnung von ‚Verneinen des Verneinens‘ vorkam.
489. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 249, 14ff.; vgl. auch Pr. 21, DW I, S. 363, 7f.: „Aber got hât ein versagen des versagennes; er ist ein und versaget alle ander, wan niht ûzer gote enist.“ 490. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 363, 8–10: „Alle crêatûren sint in gote und sint sîn selbes gotheit und meinet ein vüllede, als ich ê sprach? Er ist ein vater aller gottheit.“ 491. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 20ff.; vgl. auch Pr. 21, S. 364, 1–4: „In dem daz ich gote versage etwaz … begrîfe ich etwaz von im, daz er niht enist; daz selbe muoz abe. Got ist ein, er ist ein versagen des versagennes.“
168 Sprache und Metaphysik
In diesen Argumentationsschritten kommt Eckharts Haltung zur negativen Theologie zum Ausdruck, und zwar explizit in den Worten „eben das nun muss hinweg“: Versteht man ‚eben das‘ als einen Hinweis auf „das, was er nicht ist“, lässt sich der Satz „Gott ist Eines, er ist ein Verneinen des Verneinens“ nicht als ein Beispiel der via eminentiae auffassen, denn Verneinen des Verneinens bedeutet lauterste Affirmation, aber nicht ‚Super‘-Negation. Fasst man ‚eben das‘ als einen Hinweis auf die via negativa auf, bekommt der ganze Satz den angesprochenen kritischen Sinn in Bezug auf die negative Theologie:492 Das Verfahren, dass ich Gott etwas abspreche und dadurch etwas erfasse, was er nicht ist, muss weg. Da Eckhart das Thema nicht weiter behandelt, sondern das ganze Diktum mit einem affirmativen Satz abschließt, lässt sich sein Anliegen erst in dem darauf folgenden Predigtabschnitt erkennen, wo er das Thema der Prävalenz von Wille oder Vernunft behandelt. Eckhart beginnt die Behandlung dieses Themas mit der Untersuchung der Seelenkräfte: Gewisse Kräfte der Seele nehmen auf von draußen, wie das Auge: Wie fein das auch immer aufnehmen und das Gröbste abspalten mag, so nimmt es dennoch etwas von außen, was ein Absehen hat auf Hier und Nun. Das Erkennen und die Vernunft, die schälen alles ab und nehmen auf, was weder Hier noch Nun erkennt.493
Dennoch entnehme die Vernunft von den Sinnen. Eckhart postuliert an dieser Stelle den Primat des Willens, wenn er schreibt: „Dies tut der Wille nicht; in diesem Punkt ist der Wille edler als die Vernunft.“494 Dies scheint aber den Primat des Willens gegenüber der Vernunft nur in einem gewissen Punkt zu bedeuten, weil Eckhart die Aktivität des Willens folgendermaßen definiert: „Der Wille entnimmt nirgends als im reinen Erkennen, wo es weder Hier noch Nun gibt.“495 492. Eine andere Auffassung über diese Passage vertitt W. Goris: „Die Fassung des Einen als negatio negationis besagt den Umschlag des negativen Weges zum positiven Punkt der Erkenntnis der Fülle Gottes.“ W. Goris, Einheit als Prinzip, S. 103. Die Annahme, dass es die via negativa zum positiven Punkt der Erkenntnis der Fülle Gottes bringen kann, führt aber zu einer Überschätzung der Kompetenz des negativen Weges in der Gotteserkenntnis. 493. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 249, 30ff. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 364,8–365,1: „Etlîche krefte der sêle nement von ûzen, als daz ouge: swie kleinlîche daz in sich ziehe und abespalte daz gröbeste, nochdenne nimet ez etwaz von ûzen, daz zuoversiht hât ze hie und nû.“ 494. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 251, 1ff. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 365, 4ff.: „Des entuot der wille niht; in dem stücke ist der wille edeler dan vernünfticheit.“ 495. N. Largier, Meister Eckhart, Werke I, S. 251, 2–4. Vgl. auch Pr. 21, DW I, S. 365,5–366,1: „Wille ennimet niendert dan in lûter verstantnisse, dâ noch hie noch nû enist.“
Kapitel 5.╇ Eckharts Deutsche Werke und Thesen der Metaphysik 169
Reines Erkennen ist jedoch ein Bereich der Vernunftaktivität. Auf diese Weise ist das Wirken des Willens, ungeachtet seines Primats in einem gewissen Punkt (er empfängt nicht von den Sinnen, was diese von außen einbringen), wiederum der Vernunft untergeordnet: Der Wille entnimmt nirgends als im reinen Erkennen, das von der Vernunft – und nur von ihr – vollzogen wird. Aus diesem Unterschied zwischen der Vernunft und dem Willen folge: Der Wille erstrebe die Seligkeit, könne aber die Seele mit Gott nicht vereinigen. Soweit die Vernunft Gott so lauter nehme, wie er in Wahrheit sei, so weit schlüpfe Gott wohl in die Vernunft ein. Die Gnade vereinige dagegen die Seele nicht mit Gott; ihr Werk sei, dass sie die Seele zurück zu Gott bringe.496 Damit wird bei der Vereinigung des Menschen mit Gott die Rolle der Vernunft von Eckhart ausdrücklich betont. Im dritten und abschließenden Hauptabschnitt der Predigt werden der soteriologische und der henologische Diskurs in dem Gedanken verwoben, dass, um seinen eingeborenen Sohn zu gebären oder der Vater (daher auch unser Vater) zu sein, Gott Eines sein muss.497 Aus der Einheit Gottes folgt: Daraus, dass Gott Eines ist, schöpft er alles, was er in den Kreaturen und in der Gottheit wirkt; Einheit hat Gott allein, und Gottes Proprietät ist Einheit; daraus, dass er Eines ist, entnimmt Gott, dass er Gott ist; er wäre sonst nicht Gott; das Eine hängt von nichts ab; alles was Zahl ist, hängt vom Einen ab; Gottes Reichtum ist nicht nur Eines, er ist Einheit; Gott hat alles, was er hat, im Einen, es ist Eines in ihm; Gott hat alle Fülle als Eines; Gott hat in allen seinen Werken alle Dinge im Auge. Die Seele ist alle Dinge. Daher hat Gott in allen seinen Werken die Seele im Auge; Gott ist alles und ist Eines.498
Zusammenfassung Die Auslegung von Predigt 9 und Predigt 21 zeigt, dass sich im Eckhart’schen Werk keine Grenze zwischen der Thematik der lateinischen und derjenigen der deutschen Werke ziehen lässt. Die Themen, die ihn in seinen lateinischen Schriften beschäftigen und die er dort ausführlich behandelt, entfaltet er in seinen deutschen Predigten skizzenhaft. Dabei ist eine Gemeinsamkeit zu erkennen: der für 496. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 367, 3–5: „Ich spriche: gnâde eneiniget niht die sêle mit gote, si ist ein volbringen; daz ist ir werk, daz si die sêle wider ze gote bringet.“ 497. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 368, 5ff.: „Ich spriche: got enmöhte niemer gebern sînen einbornen sun, enwære er niht ein.“ 498. Vgl. Pr. 21, DW I, S. 368–370.
170 Sprache und Metaphysik
die Dominikaner charakteristische Primat der Vernunft gegenüber dem Willen, der bei ihm zu einem Kulminationspunkt gelangt, der sich so beschreiben lässt: Der Mensch wird durch die Gnade zu Gott gebracht, aber nicht mit Gott geeint. Dies vermag nur die Vernunft, die den Menschen mit Gott durch das Erkennen eint. Diese Stellung der Vernunft zwingt aber zur Revision der These von der Unerkennbarkeit Gottes, die die negative Theologie vertritt.
Schlussbetrachtung
Die vorliegende Untersuchung versteht sich als ein Beitrag zur Rezeption der Metaphysik Eckharts und rekurriert zur Deutung der Eckhart’schen Grundthesen auf wichtige Aspekte der mittelalterlichen Sprachtheorie. Die Untersuchung wird von der Fragestellung geleitet, wie Eckhart Prädikationssätze bildet, und wählt zu ihrem Ausgangspunkt die von ihm formulierte semantische Prämisse „aliter sentiendum est de ente et aliter de ente hoc et hoc“. Sie erhellt das Bezugsverhältnis von Subjekt und Prädikat im Eckhart’schen Sprachmodell, das sich, wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt, als ein inhärentielles kennzeichnen lässt. Die Studie dient dazu, den Nachweis zu erbringen, dass das Sprachmodell die Art und Weise des metaphysischen Systems bestimmt und einen neuen Interpretationshorizont für die Deutung der Grundthesen dieser Metaphysik eröffnet: Wie in der Untersuchung gezeigt, fasst Eckhart die Relation zwischen dem Subjekt und dem Prädikat als intensional auf, d.€h. er versteht das Prädikat in einer beharrenden Identität mit dem Subjekt, was zu der Auffassung führt, dass der Begriff des Subjekts für ihn den Begriff des Prädikats konsignifiziert und konnotiert. Aus diesen sprachtheoretischen Ergebnissen ergibt sich, dass sich die Eckhart’sche Metaphysik von der negativen Theologie abgrenzen lässt, der gemäß die Prädikate als bloße nomina ohne intensionales Bezugsverhältniss zum Subjekt des Satzes aufgefasst werden. In seinem Beitrag „Sein als Absolutheit (esse als abegescheidenheit)“ kennzeichnet A. Quero-Sánchez die Verknüpfung vom Subjekt und Prädikat in den Grundthesen Eckharts als „analytisch“.499 Bedenkt man, dass es für analytische Sätze im Mittelalter bereits die entsprechende Terminologie gab, empfiehlt es sich, nicht darauf zu verzichten.
499. A. Quero-Sánchez, Sein als Absolutheit (esse als abegescheidenheit), in: A. Quero-Sánchez/G. Steer, Meister Eckharts Straßburger Zeit (Meister-Eckhart-Jahrbuch 2), Stuttgart 2008, S. 189–218, hier S. 203.
Bibliographie
Hinweis zu den verwendeten deutschen Übersetzungen: Die in der Arbeit vorhandenen deutschen Zitate aus den Werken Meister Eckharts folgen in der Regel der Übersetzung der StuttgartEdition. Eine Ausnahme bildet Quaestio Parisiensis I. Die in der Arbeit verwendete Übersetzung der Quaestio ist der Parallelausgabe B. Mojsischs entnommen. Die Übersetzung der deutschen Predigten folgt der Ausgabe N. Largiers.
1.
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174 Sprache und Metaphysik
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Sachregister
A Affirmation 29, 30, 33, 51, 57, 62, 77–79, 123–126, 167 siehe auch Bejahung affirmative Theologie 51, 53, 57, 63 Aktivität 97, 146, 168 Akzidens 44, 60, 67, 70, 72, 73, 75, 78, 110, 111, 128 aliquid 94 Analogie 16, 39, 54, 64, 72, 73, 89, 94, 110, 132, 133, 135–137, 143 analytisches Urteil 19 Anderes, Andersheit 76, 108, 113, 120, 122, 129, 132, 138, 142, 159 Anfang 134, 146, 162 siehe auch principium, Ursprung Antithetik 54, 150 Apophatik, apophatische Theologie 75, 79, 80 siehe auch negative Theologie äquivok 16, 81 Attribut, Attribution 60, 63, 65, 67, 68, 84 Autarkie-Prinzip 129 Axiomatik 7, 8 B Begarden 147 Beginen 147 Beiwort 162 Bejahung, bejahende Aussage 51, 62, 65, 67, 77–79, 81–83, 125, 126 siehe auch Affirmation Bekenntnis zur Wende 101 Beziehung 73, 74, 110, 132, 133, 136, 137, 139, 143 siehe auch Relation
Bibel 52, 81, 104, 109, 165 siehe auch Evangelium, Heilige Schrift Bibelauslegung, Bibelexegese 4, 5, 7–9, 149, 152 bonum 93, 145 siehe auch Gutes, Gutheit C causa 39, 40, 108, 113–115 siehe auch Ursache causa-essentialis-Theorie 38, 39, 110, 112, 129, 133 causatum 39, 40, 108, 114 siehe auch Verursachtes D Definition 13, 16, 17, 20, 27, 29–34, 36 Denken 61, 71, 138, 141, 144, 150, 160, 161, 166 siehe auch intelligere Denotatum 17–20, 24, 56, 73 Dialektik 140, 145, 146 Differenz 88, 114, 115 Ding 69, 71, 93, 107, 114, 129, 130, 136, 141, 154, 156, 159, 160, 169 dissimile 140 Dominikanertradition 150 dominikanische Doktrin 154 doppelte Negation 48, 122 siehe auch negatio negationis, Verneinung der Verneinung duplex esse 92, 117 siehe auch Sein duplex nihil 117 siehe auch Nichts Durchbruch 151
E Eigenschaft 60, 67 Eigensein 140 siehe auch Sein Eigentümlichkeit 137 Eines 57–59, 87–90, 93, 97, 117–119, 121, 122, 124, 127, 139, 143, 164, 166, 169 siehe auch unum Einheit (unitas) 33, 90, 115, 118, 119, 121, 122, 125, 130, 132, 136, 138, 145, 169 Eins-Sein 127, 139, 164, 167 siehe auch Sein ens 61, 75, 93, 94, 115, 118, 119, 133, 154 siehe auch Seiendes Epistemologie, epistemologische 95, 127 Erkennen 80, 96, 97, 99–101, 104, 105, 110, 138, 142, 163, 169, 170 siehe auch Selbsterkennen Erkennender 144, 157 Erkanntes 144 Erkenntnis 51, 75, 81, 83–85, 97, 134, 136, 141, 154, 155, 157, 158, 160–163 siehe auch Selbsterkenntnis Erleiden, Erleidendes 36, 38, 39, 137, 142 esse 30, 59, 61, 77, 92, 93, 95, 106, 112, 117–119, 121, 123, 128, 156 siehe auch Sein duplex esse 92, 117 Ethik, ethische 95, 127, 162 Etwas 59, 113–115, 122, 128, 138, 139, 160, 167 Evangelium 6, 132 siehe auch Bibel, Heilige Schrift Exklusivität 62 exklusive Attribution 61 exklusive Identität 60, 62
184 Sprache und Metaphysik
exklusive Vollkommenheiten 63 exklusives Urteil 63 F Freiheit 144 Fülle 59, 63, 64, 68, 77, 117, 124, 167, 169 siehe auch plenitudo Fünklein, Seelenfunke 138, 139, 160 siehe auch Seele G Gattung 13, 70, 71, 74–76, 137 prima genera 72–74 genera praedicamenti 65 genera significationum 70, 71 Geborenes, Gebärendes 142– 144 Geburt 131, 134, 136, 139, 141, 142, 145, 144 Gerechtigkeit 143–145 die Gerechtigkeit – der Gerechte (iustitia-iustus) 95, 144, 145 Geschaffenes 106, 111, 115, 129, 135 siehe auch Schaffen Geschöpf, geschöpfliches 108, 105, 112, 140 siehe auch Kreatur Gleichartigkeit 137 siehe auch univok, Univozität Gnade 137, 164, 169, 170 Gnoseologie, gnoseologische 136, 161, 162 Gott 30, 59, 74, 76, 77, 79, 90, 94–97, 99, 100, 105, 107, 109, 110, 112–118, 120–123, 125, 129, 130, 132, 136, 138–145, 154, 155, 157, 159–164, 166, 167, 169, 170 leidender Gott 143 Gottesnamen 59, 64, 67, 68, 75, 109 Gottheit 90, 117, 129, 134, 139, 146, 165, 167, 169 grunt âne grunt 121 Gutes, Gutheit, Güte 80, 87–89, 91, 95, 106, 118, 119, 127, 130, 143, 145, 156, 159, 161, 162, 166 siehe auch bonum
H Habitus 32, 83 Hauptwort 50, 118, 130 Heiliger Geist 59, 121, 130, 139, 165, 166 Heilige Schrift 51, 131, 149, 152 siehe auch Bibel, Evangelium Henologie 34, 59, 121, 127, 164, 166, 169 Hervorbringen 136 Hervorbringendes 90, 132–134, 136 Hervorgebrachtes 132–134, 136 Hierarchie 58, 136 homo divinus 143 Hyperbolismus 150 hypokeimenon 70 Hypostasen 121, 130 siehe auch Person I Idee 13, 80, 87, 132, 133, 135, 136, 140 Identität 20, 32, 45, 58, 77, 85, 88, 96, 99, 114, 120, 171 Identitätstheorie 19, 20, 40 identité exclusive 60 identité inclusive 60, 62 indistinctum 117 siehe auch Ununterschiedenheit inhaerentia-Theorie 18, 20, 41, 68, 75, 85, 98, 129 Inhärenz 19, 45, 120 Inklusion, Inklusivität 62, 63 inklusive Vollkommenheit 63 Innerstes 138, 139 Intellekt 80, 100, 103–107, 110–112, 123, 141 siehe auch Vernunft intelligere 98, 106, 112 siehe auch Denken K kataphatische Theologie siehe affirmative Theologie Kategorema 46, 47, 50 Kategorie 61, 69–72, 75, 76, 84, 87, 158
Kausalität, Kausalitätsprinzip 36, 37, 39, 41, 53, 133 siehe auch Ursächlichkeit Konjungieren 22–24 Konkordanz 6 Konnotation 56 Konvertibilität 94, 121, 125, 127 Kopula 18, 20–24, 47, 118–120, 130, 167 Kreatur 95, 115, 117, 138, 144, 154, 159, 162, 164, 165, 167, 169 siehe auch Geschöpf, Mensch L Laienpublikum 147 Lauterkeit 165 Leben 138, 143 Liebe 143, 162 locutio emphatica 149, 150 Logica nova 15 logica vetus 15, 17 Logos 47, 135, 151 M Materie 137 Mensch 138, 140–144, 156, 162, 163, 169, 170 siehe auch Geschöpf, Kreatur Metaphysik 5, 6, 9, 65, 72, 87, 90, 106 modi essendi 70, 71 modi praedicandi 70, 71 siehe auch Prädikation, Prädikamente modus significandi 79, 80 Mystik, Mystiker 2, 109, 148, 149, 151, 152 N Namenlosigkeit 151, 157 Natur 13, 38, 39, 43, 53, 133, 134, 136, 137, 140, 142, 144 der Materie 90 des Akzidentellen 67 Negation, Negieren 48, 51, 54, 55, 57, 62, 77, 88, 115, 116, 122–124, 126, 152 siehe auch Verneinen, Privation negatio negationis 27, 47–50, 59, 60, 62, 63, 85, 122, 125, 126, 146, 164, 166 siehe auch
Verneinen des Verneinens, privatio privationis negative Theologie 34, 52, 53, 56, 57, 61, 63, 64, 67, 68, 75, 77, 79, 81, 82, 103, 151–153, 168, 170, 171 siehe auch apophatische Theologie Negativität 123, 126, 127, 139 Neuplatonismus, neuplatonische 17, 24, 25, 33, 34, 55, 57, 103 Nichts 57, 90, 105, 114–117, 123, 125, 126, 129, 164 siehe auch duplex nihil Nichtsein 113, 116, 124, 134, 156, 160 „nomen super omne nomen“ 68, 69 siehe auch Name, omninominabile O Offenbarung 161 omninominabile 69 Ontologie, ontologische 15, 16, 73, 87, 95, 121, 127, 136, 161, 162 „Operator“ der Attribution 31, 49, 50, 62 oppositio oppositorum sine oppositione 127 ortloser „Ort“ 139 P Partizipation 135, 137 perfectiones 79, 80, 95, 119 siehe auch Vollkommenheit Person 90, 91, 121, 130, 134, 138–140 siehe auch Hypostasen plenitudo 60, 62, 63 siehe auch Fülle Positivität 139, 151 principium 114 siehe auch Anfang, Ursprung Privation 32, 54, 55, 83 siehe auch Negation privatio privationis 3–33 siehe auch negatio negationis Prozessualität 145, 146, 157 Prädikamente 69, 72, 159 Prädikat 14, 15, 17, 19, 20, 36, 38, 40, 55, 56, 60, 63, 67, 68,
Sachregister 185
75, 77, 78, 85, 118–120, 129, 130, 171 Prädikation, Prädizieren 14, 15, 18–20, 22–24, 36, 40, 41, 45, 47, 61, 62, 64, 68, 76, 85, 171 Prädikatsnomen 18, 24, 61 puritas 59, 60, 62, 63 siehe auch Reinheit Q Qualität, qualitatives 110, 111 Quantität, quantitatives 110, 111 quiditas 154, 157, 160 siehe auch Washeit R Reinheit (puritas) 59, 60, 62, 63, 80, 108, 109, 122, 165 Relation, Relationalität 73, 75, 84, 122, 134, 133, 138, 142, 158, 165 siehe auch Beziehung S Schaffen 114, 124, 145 siehe auch Geschaffenes Schöpfung 109, 156 Seele 107, 141–143, 160, 161, 163, 168, 169 Seelenfunke 138, 139 Seelengrund 139, 141, 143, 144, 165 Seiendes, Seiendheit 31, 39, 59, 61, 69–72, 87–89, 92, 99, 100, 105, 107, 108, 110, 111, 114, 115, 117–119, 121, 122, 124, 125, 127, 129, 130, 133, 135, 140, 161, 166 Sein 32, 33, 59, 64, 71, 73, 74, 76, 78, 79, 90, 92, 95–100, 103–105, 108, 110–116, 118–123, 125–130, 138, 139, 142, 143, 150, 154, 156, 158–161, 163 siehe auch esse Seinslosigkeit Gottes 101, 103, 105, 112, 156, 157, 160 Seinsmitteilung 114, 124 Sich-Mitteilen 159 Selbsterkennen, Selbsterkenntnis 146, 155, 160 siehe auch Erkennen, Erkenntnis Selbstreflexivität 97, 104
Selbstrelation, Selbstrelationalität 76, 104 Seligkeit 162–164, 169 Semantik 118 Signifikation 74 simile, similitudo 140 Sohn 59, 91, 121, 122, 130, 134, 136, 138–140, 142, 144, 145, 163, 165, 166, 169 siehe auch Geburt Soteriologie 164, 169 Sprache, Sprachmodell 13–18, 40–43, 45, 48, 56, 57, 70, 71, 80, 85, 147–149, 151–153, 171 Stoiker, stoische 15, 17 Subjekt 14, 15, 17, 19, 20, 36, 38, 40, 60, 63, 68, 70, 74, 75, 77, 78, 85, 98, 119, 120, 129, 171 Substanz, Substantialität 66, 67, 70, 72, 75, 76, 85, 98, 99, 106, 110, 158, 159 symbolische Theologie 52, 53, 57 Synkategorema 46, 47, 49, 50 synthetisches Urteil 19, 20 T Tempel Gottes 154, 155, 162 Terminus, termini generales 2, 41–47, 49, 60, 61, 84, 93, 127, 130 Transzendentalien, Transzendentalienlehre 44, 45, 49, 60, 127, 145, 166 Transzendenz 151 Trinität, Triplizität 59, 76, 90, 91, 121, 122, 130, 136, 139, 140, 165 U Unaussprechbarkeit Gottes 151 Unerkennbarkeit Gottes 170 ungeschaffen 111, 129 und unerschaffbar 138, 139, 141, 165 Universalien 60 Univok, univoke Relation 16, 37, 72, 132–134, 136, 137, 143, 144, 146 Univokation, Univozität 16, 39, 133, 135, 145
186 Sprache und Metaphysik
Unterschiedenheit 58, 124, 132, 140, 165 unum 30, 31, 48, 59, 72, 122, 123, 125 sehe auch Eines Ununterschiedenheit 138, 140 siehe auch indistinctum Ursache, Ursächlichkeit 39, 51, 98, 105–108, 110, 111, 113, 114, 124, 128, 129, 133, 135 siehe auch causa, Kausalität Ursprung 132, 133, 136 siehe auch principium, Anfang V Vater 59, 76, 90, 121, 122, 130, 136, 138–140, 142, 144, 145, 165, 167, 169 Verleugnen des Verleugnens (verlougen des verlougennes) 27, 166 siehe auch Verneinen des Verneinens, Negation der Negation, negatio negationis Verneinen 48, 51, 65, 79, 81, 83, 116, 125, 126, 140, 167 siehe auch Negation Verneinen des Verneinens (versagen des versagennes) 27, 48, 78, 124, 125, 127, 140, 164, 166, 167
Vernunft 135, 144, 154, 155, 157, 160–164, 168–170 siehe auch Intellekt Vernünftigkeit 155, 162 Verschiedenheit 122 Verstand 135, 136 Vertauschbarkeit siehe Konvertibilität verum 93, 145 siehe auch Wahres Verursachtes 133 siehe auch causatum via eminentiae 64, 156, 168 via negativa 64, 67, 69, 83, 85, 167, 168 siehe auch Negative Theologie Vielheit 58, 66, 115, 124, 130 Vollkommenheit 79, 80, 133, 136 siehe auch perfectiones
Welt 145 Werden 104 Werk 163, 169 Wesen 97, 117, 137, 141, 158 göttliches Wesen 117, 122, 123, 130, 162 Wesenheit 74–76, 90, 93, 98, 121, 138 Wesensgleichheit 144 Wille 161, 162, 164, 168–170 Wirken, Wirkung 108, 133, 137, 138, 161, 163, 169 Wirkendes 36, 38, 39, 137, 143 siehe auch causa, Ursache Wirklichkeit 15, 18, 32, 111, 120, 129, 137, 151, 153 Wort 132–136, 151, 152, 162, 163, 165 Wüste 139
W Wahres, Wahrheit 80, 87–89, 91, 94, 104, 106, 118, 119, 127, 130, 145, 162, 166 Wandel 164 Washeit 154, 158, 160, 162 siehe auch quiditas Weise ohne Weise 158 Weisheit 104, 156
Z Zeit, Zeitlichkeit 143, 155 Zeitlosigkeit 134 Zeugen 145 siehe auch Vater Ziel 98 Zwang 143 Zweiheit 132
Namenregister
A Abaelardâ•… 22–24 De dictionibus definitisâ•… 22 De divisionibus et definitionibusâ•… 22, 23 Logica ingredientibusâ•… 23 Aertsen, J. A.â•… 93, 120, 121 Albert, K.â•… 2, 7, 61, 92, 116, 122 Anselmus Cantuariensisâ•… 24 De grammaticoâ•… 24 Aristotelesâ•…7, 14–16, 18, 21, 25, 32, 41, 47, 60, 63, 69, 70, 87, 88, 90, 106, 111 Analytica posterioraâ•… 60 Analytica prioraâ•… 63 Categorieaâ•… 70 De animaâ•… 111 De generarione et corruptioneâ•… 111 De interpretationeâ•… 14, 41 Ethica Nicomacheaâ•… 87 Metaphysicaâ•… 32, 87, 88, 106 Topicaâ•… 15, 70 Asmuth, Chr.â•… 139, 141 Augustinusâ•…75, 81, 156, 157 De trinitateâ•… 156, 157 Averroismusâ•… 103 Avicennaâ•… 65 B Bange, W.â•… 82, 96, 100, 106 Bartholomai, R.â•… 58 Baumgartner, M.â•…70 Beccarisi, A.â•… 100, 109 Beierwaltes, W.â•… 57 Binder, G.â•… 141 Boethiusâ•…7, 8, 18, 21, 41, 65, 70, 71, 164 De hebdomadibusâ•… 8 In librum Aristotelis Peri hermeneias comentariisâ•… 21
De interpretatione priora analytica Aristotelisâ•… 63 In Categorias Aristotelis libri Quatuorâ•… 70, 71 Braakhuis, H. A. G.â•… 13 Brunner, F.â•… 46 Büchner, Chr.â•… 92 D Degenhardt, I.â•… 147 Denifle, H. S.â•… 147 de Rijk, L. M.â•… 13, 14, 20–25, 47 Dietrich von Freibergâ•… 6, 36, 100, 106, 129, 145 De accidentibusâ•… 36 Diogenes Laertiusâ•… 17 Vitae philosophorumâ•… 17 E Ebeling, H.â•… 117 Effe, B.â•… 141 Eisler, R.â•… 47 Euklidâ•… 8 F Fetz, R. L.â•… 123 Fischer, H.â•… 61, 82 Flasch, K.â•… 6, 7, 127, 129, 143 Frege, G.â•… 48 G Georgesâ•… 102 Gerhardt, G.â•…70 Gigon, O.â•… 14, 60, 63 Glei, R. F.â•… 141 Gonsalvus Hispanusâ•… 103, 104, 161 Goris, W.â•… 4, 9, 31, 49, 50, 60–64, 82, 89, 141, 143, 164, 166, 168 Gottschall, D.â•… 152, 153
Grabmann, M.â•… 96, 98, 100, 103–107, 109–111 Grübmüller, K.â•… 157 Gründer, K.â•… 19, 70 Guerizoli, R.â•… 139 H Haas, A. M.â•… 108, 116, 143 Hagenbüchle, R.â•… 123 Hasebrink, B.â•… 148–151 Haug, W.â•… 48, 141, 142 Hedwig, K.â•… 116, 117, 122 Heil, G.â•… 51, 53, 54, 79 Heinrich von Gentâ•… 166 Summa quaestionum ordinariumâ•… 166 Hengelbrock, J.â•… 145 Hochstaffl, J.â•… 57 I Imbach, R.â•… 158 J Jacobi, Kl.â•… 9, 102, 142, 150, 156 Jakob von Metzâ•… 122 K Kahn, Ch. H.â•… 15 Kampmann, I.â•… 96, 136 Kandler, K.-H.â•… 36 Kant, I.â•… 1, 19, 20 Kritik der reinen Vernunftâ•… 19, 20 Karrer, O.â•… 103 Kobusch, Th.â•… 56, 57, 89, 117, 143–145 Koch, J.â•… 3, 4, 131, 150, 159 Konhardt, K.â•…70 Koslowski, P.â•…7 Kramm, E.â•… 147
188 Sprache und Metaphysik
Köbele, S.â•…71, 152–154, 157, 159, 163 Köhler, W.â•… 103 L Langer, O.â•… 3, 7, 8, 48, 142 Largier, N.â•… 6, 92, 123, 140–142, 146, 148, 150–152, 156, 159–168 Leppin, V.â•… 3, 7, 92, 100, 101, 107, 108 Lloyd, A. C.â•… 17 Liber de causisâ•… 8, 34, 65, 68, 104, 121 Lindemann, U.â•… 139 Lossky, V.â•… 60, 63 Lotz, J. B.â•… 87, 89 M Maimonidesâ•… 65–68, 79, 81, 82, 84 Manstetten, R.â•… 59, 115, 116, 120, 127, 150 Margetts, J.â•… 149, 150 McGinn, B.â•… 46 Mieth, D.â•… 148 Mojsisch, B.â•… 6, 13, 17, 36, 38, 90, 97, 99–101, 103, 107, 110, 111, 113, 114, 116–118, 122, 123, 127–129, 133, 135, 141, 144, 145, 158 Moreau, J.â•… 46 Müller, M.â•… 87 N Niewöhner, Fr.â•… 56, 57 Nikolaus von Kuesâ•… 127 Nikolaus von Lyraâ•… 131 O O’Meara, D.â•… 46 Ortmann, Chr.â•… 157 P Panzig, E. A.â•… 101 Paradisus anime intelligentisâ•… 154, 157 Patzig, G.â•… 48 Perger, M.â•… 101, 102, 156, 157, 161 Philipp der Kanzlerâ•… 88, 89 Summa de bonoâ•… 88, 89
Pickavé, M.â•… 90, 122 Pinborg, J.â•… 15–18, 42, 95 Platonâ•… 13, 14, 24, 80, 87 Parmenidesâ•… 13 Sophistesâ•… 13 Pluta, O.â•…7, 127 Pouillon, D. H.â•… 88 Proclusâ•… 34, 54, 57–59, 103, 121 Kommentar zu Platons Parmenidesâ•… 58 Pseudo-Dionysius Areopagitaâ•… 49, 51–59, 61, 63, 67, 78, 79 De coelesti hierarchiaâ•… 55, 79 De divinis nominibusâ•… 51, 53–56, 58, 59 De mystica theologiaâ•… 51, 56 De symbolica theologiaâ•… 51, 52, 56 De theologicis hypotyposibusâ•… 51 Pseudo-Hermes Trismegistusâ•… 154 Liber 24 philosophorumâ•… 154, 156 Q Quero-Sánchez, A.â•… 101, 102, 171 Quint, J.â•… 1, 143, 149, 150, 156, 166 R Ritter, A. M.â•… 51, 53, 54, 79 Ritter, J.â•… 19, 70 Roretz, K.â•… 47 Ruh, K.â•… 2, 113, 144, 145, 148, 149 S Schelling, F. W. J.â•… 17 Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und damit zusammenhängenden Gegenständeâ•… 17 Schiewer, H. J.â•… 3, 7, 92, 100, 101 Schirpenbach, M. P.â•… 8, 35, 38, 42–44, 46, 47, 71, 83, 92 Schmitz-Emans, M.â•… 139 Schneider, J. H. J.â•… 41 Schneider-Lastin, W.â•… 48, 141, 142
Schrimpf, G.â•… 8 Schulz, P.â•… 123 Schäfer, Chr.â•… 52, 54, 55 Schönberger, R.â•… 117, 123 Schönfeld, A.â•… 34 Schönrich, G.â•…70 Sheldon-Williams, I. P.â•… 52 Siger von Brabantâ•… 103 Speer, A.â•… 2, 5, 89, 100, 109, 121, 142, 152, 153 Steer, G.â•… 101, 141, 171 Stephan von Tempierâ•… 103 Stirnimann, H.â•… 40, 116 Sturlese, L.â•… 4, 5, 100–102, 106, 109, 152, 157 Suarez-Nani, T.â•… 40, 116, 144 Suchla, B. R.â•… 53, 55, 56, 58, 59 T Thomas von Aquinâ•… 64, 70, 71, 93, 94, 96–99, 105, 111, 112, 127, 155, 166 Summa theologiaeâ•… 2, 93, 94, 96, 98, 105, 155 Summa contra gentilesâ•… 96– 98 Quodlibetâ•… 166 Théry, G.â•… 103, 143 Tobin, F.â•… 149 Tugendhat, E.â•… 14, 15, 20, 48 V Völker, W.â•… 54, 57 W Wackerzapp, H.â•… 93 Waldschütz, E.â•…7, 9, 108, 140 Wegener, L.â•… 2, 89, 100, 109, 121, 142, 152, 153 Weidemann, H.â•… 19 Weiß, K.â•… 3 Wenin, Chr.â•… 141 Winkler, E.â•… 9 Winkler, N.â•… 16, 17, 122 Wolf, U.â•… 14, 20, 48 Z Zedania, G.â•… 51–54, 56 Zimmermann, A.â•… 20, 70