Stimmt's von
Christoph Drösser Entnommen von http://www.zeit.de/stimmts/ Seit Mitte 1997 beantwortet Christoph Drösser ...
73 downloads
2076 Views
675KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Stimmt's von
Christoph Drösser Entnommen von http://www.zeit.de/stimmts/ Seit Mitte 1997 beantwortet Christoph Drösser Woche für Woche eine "Stimmt's?" - Frage in der Druckausgabe der ZEIT.
Seltsamer Strudel Auf der Südhalbkugel der Erde dreht sich der Badewannenstrudel andersrum als auf der Nordhalbkugel - Stimmt's? Stimmt nicht. Die Legenden über die wundersamen Auswirkungen der Corioliskraft sind vielfältig. So berichtet ein AfrikaTourist von einem geschickten Eingeborenen eines am Äquator gelegenen Dorfes, der das folgende Kunststück vorführt: Er hält eine Schüssel mit Wasser, auf dem Blätter schwimmen. Durch ein Loch am Boden fließt das Wasser ab. Stellt er sich ein paar Meter nördlich des Äquators hin, so wirbeln die Blätter in der einen Richtung, ein paar Meter südlich des Äquators dreht sich der Strudel in der anderen Richtung. Steht der Mann genau auf dem Äquator, dann fließt das Wasser strudellos ab. Wenn die Geschichte wahr ist und nicht selber eine Legende, dann ist der Mann ein geschickter Taschenspieler, der dem Wasser durch heimliche, unmerkliche Rotationsbewegungen die jeweils richtige Drehrichtung verpaßte. Um die Corioliskraft wirksam werden zu lassen und andere Störkräfte dabei auszuschalten, hätte er (nach den Berechnungen eines Lesers einer amerikanischen Wissenschaftszeitschrift) die Schüssel auf eine Millionstel Bogensekunde genau (das sind 0,0000000003 Grad) waagerecht halten müssen. Die Corioliskraft ist eine Trägheitskraft, die in allen rotierenden Systemen wirksam wird, und auf der Erde wirkt sie sich tatsächlich auf Strudel aus: Sie sorgt zum Beispiel dafür, daß auf der Nordhalbkugel die Winde alle Hochdruckgebiete im Uhrzeigersinn umwehen und alle Tiefdruckgebiete gegen den Uhrzeigersinn - auf der Südhalbkugel ist es dann genau umgekehrt. Daß die Corioliskraft in diesem Fall sichtbar in Erscheinung tritt, liegt vor allem an der großen Ausdehnung von Hoch- und Tiefdruckgebieten: Der nördliche und der südliche Rand sind einfach weit genug voneinander entfernt, um einen Trägheitsunterschied wirksam zu machen. In der Badewanne dagegen übertrifft die Wirkung aller zufälligen Bewegungen, die durch die Wirbel beim Wassereinlas-
sen (und beim Baden) entstanden sind, die der Corioliskraft um mehrere Größenordnungen (Professor John McCalpin von der University of Delaware schätzt den Faktor auf etwa 10 000). Um die Corioliskraft zu bemerken, müßte man nach Berechnungen des Mathematikers Michael Page von der australischen Monash University die Badewanne um den Faktor 500 vergrößern und das Wasser einige Tage zur Ruhe kommen lassen.
Heiß und kalt Heißes Wasser gefriert schneller als kaltes - Stimmt's? Stimmt. Ein Gefäß mit heißem Wasser (etwa 90 Grad Celsius) und ein identisches Gefäß mit der gleichen Menge kalten Wassers (Zimmertemperatur) werden bei Frost in den Garten gestellt oder im Sommer in die Tiefkühltruhe. Dann wird das heiße Wasser schneller zu Eis als das kalte. Wie kommt das? Das heiße Wasser muß doch erst einmal auf die Temperatur des kalten abkühlen, und in der Zeit ist dieses schon wieder etwas kälter geworden! Wie kann das eine Wasser das andere beim Gefrieren überholen? Die Antwort heißt Verdunstung: Bis zu ein Viertel des heißen Wassers kann im Laufe des Prozesses verlorengehen - und das beschleunigt das Gefrieren gleich auf zweifache Weise. Einmal bleibt einfach weniger Wasser übrig, das gefrieren muß. Zum zweiten verdunsten gerade die Moleküle mit der höchsten Energie, so daß die Durchschnittsenergie und damit die Temperatur des Wassers sinkt (diesen Kühleffekt nutzen wir aus, wenn wir schwitzen). Anders gesagt: Durch die höhere Verdunstung holt das heiße Wasser das kalte tatsächlich ein - und dann ist weniger Wasser da, das noch gefrieren muß. Der Erfolg des Experiments hängt nicht nur von der Wassertemperatur, sondern auch von der Form und dem Material der Gefäße ab: Es muß sichergestellt sein, daß wirklich der größte Teil der Kühlung über die Verdunstung erfolgt. Also sollten die Wände des Behälters gut isolieren (Holz oder Kunststoff, kein Metall), und die Wasseroberfläche muß möglichst groß sein.
Mathematik per Gesetz Es gab im US-Staat Indiana einmal einen Gesetzentwurf, der den Wert von Pi auf 3,2 festsetzen sollte - Stimmt's? Stimmt. Und um ein Haar wäre der Entwurf im Jahre 1897 sogar geltendes Recht geworden - allein der Umstand, daß der Staat Indiana ein Zweikammerparlament hat, konnte seine Verabschiedung verhindern. Die Sache ging zurück auf den Hobby-Mathematiker Edwin J. Goodwin aus dem Landkreis Posey County. Goodwin glaubte, die Quadratur des Kreises gefunden zu haben. Er wandte sich an seinen Wahlkreisabgeordneten Taylor I. Record und bot ihm einen Deal an: Wenn der Staat Indiana seine Entdeckung zum Gesetz machen würde, könne die neue Wahrheit fortan in den Schulen gelehrt werden, ohne daß der Staat für diese Errungenschaft Tantiemen an Goodwin zahlen müsse. Ein faires Angebot, meinte der Abgeordnete Record, und brachte den Gesetzentwurf am 18. Januar ins Repräsentantenhaus ein. Der Text bestand aus drei Artikeln, in denen verschiedene mathematische Behauptungen als wahr festgeschrieben wurden. In Abschnitt 2 heißt es: "Das Verhältnis von Durchmesser und Umfang (eines Kreises) ist 5/4 zu 4." Da p das Verhältnis von Kreisumfang und Durchmesser ist, ergibt sich für die Kreiszahl der praktische Wert 3,2 (statt des unaufhörlichen 3,1415926536..., mit dem sich die Schüler noch heute herumplagen müssen). Der Gesetzentwurf passierte ohne Beanstandung zwei Ausschüsse des Parlaments und wurde schließlich in dritter Lesung im Repräsentantenhaus mit 67:0 Stimmen angenommen. Die Zeitungen berichteten sachlich über das neue Gesetz, nur das Indianapolis Journal fand, dies sei "das seltsamste Gesetz", das je vom Parlament beschlossen worden sei. Der Zufall wollte es, daß sich am Tag des großen Ereignisses ein richtiger Mathematiker ins Repräsentantenhaus verirrte. C. A. Waldo, so sein Name, bekam gerade noch mit, wie die ahnungs-
losen Volksvertreter ihr einstimmiges Votum abgaben. Freundlich wurde dem Fachmann Waldo angeboten, dem Entdecker Goodwin vorgestellt zu werden. Um in Kraft zu treten, hätte das Gesetz noch vom Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, bestätigt werden müssen. Waldo, der auf die Bekanntschaft des p-Vaters dankend verzichtete ("Ich kenne schon genug Verrückte"), versuchte, die Senatoren aufzuklären. Mit Erfolg. Das Oberhaus vertagte den Entwurf in der zweiten Lesung auf unbestimmte Zeit, dem Staat Indiana blieb einiger Spott erspart. Überlassen wir den Schlußkommentar Allan Adler, der in der Internet-Newsgroup sci.math schrieb: "Bevor wir allzu laut über die Legislative von Indiana lachen oder über den Bildungsstand im Jahre 1897, sollten wir einen Moment innehalten und darüber nachsinnen, welches Schicksal dem Gesetzentwurf beschieden wäre, würde er heute zur Volksabstimmung gestellt."
Starre Fenster Glas ist nicht fest, es fließt, wie alte Kirchenfenster beweisen, die unten dicker sind als oben - Stimmt's? Stimmt nicht. Vielleicht rührt die Legende daher, daß selbst Wissenschaftler Glas manchmal beschreiben als "eine Flüssigkeit, die die Fähigkeit zu fließen verloren hat" - so C. Austin Angell in einem Artikel für das Wissenschaftsblatt Science). Aber Glas gehört definitiv zu den Feststoffen. Mit den Flüssigkeiten hat es nur gemein, daß es amorph ist: Die Moleküle weisen kein regelmäßiges Muster auf. Fließen tut es dagegen nicht, wenigstens nicht bei Temperaturen unter 550 Grad. Bei Zimmertemperatur zerspringt es eher, als daß sich die Moleküle frei gegeneinander verschieben. Daß die Vorstellung vom fließenden Glas irrig ist, zeigt das Beispiel von Teleskoplinsen. Es gibt sehr große Teleskope, von denen einige schon über hundert Jahre alt sind. Wären diese auch nur um Bruchteile von Millimetern "zerflossen", so wären sie heute völlig unbrauchbar. Das ist aber nicht der Fall. Wohl kann sich Glas elastisch verbiegen - das ist der Grund, warum die Größe von Linsenteleskopen begrenzt ist. Das Glas "hängt durch", kehrt aber bei genügender Unterstützung wieder in seine ursprüngliche Form zurück. Warum aber sind dann viele alte Fenster tatsächlich unten dicker als oben? In dem Artikel "Antique windowpanes and the flow of supercooled liquids", erschienen 1989 im Journal of Chemical Education, weist Robert C. Plumb darauf hin, daß es in früheren Jahrhunderten noch nicht möglich war, so ebenmäßige Glasscheiben herzustellen wie heute. Und wenn viele Scheiben an einer Seite dicker waren als an der anderen, hätten die Glaser die Scheibe auf das dickere Ende gestellt - der Stabilität wegen. Und selbst das war nicht immer so: Auf der International Conference on Industry Education, die 1995 im englischen York abgehalten wurde, berichtete Peter Gibson von seiner langjährigen Arbeit mit mittelalterlichen Glasfenstern. Im Laufe der Zeit, sagte
Gibson, habe er Hunderte von Fenstern gesehen, die oben dicker gewesen seien als unten.
Unsichtbarer Strich Die Chinesische Mauer kann man vom Mond aus mit bloßem Auge erkennen - Stimmt's? Stimmt nicht. Das Gerücht stammt aus der Zeit der ersten Mondlandungen. Demnach hätten die Apollo-Astronauten ehrfürchtig zu ihrem Heimatplaneten aufgeschaut und mit Erstaunen nicht nur Meere und Kontinente, sondern auch - als einzige vom Menschen gemachte Struktur - die Chinesische Mauer erkennen können. Schon eine kurze Überschlagsrechnung macht die Abstrusität dieser Behauptung klar: Zwar sieht die Erdscheibe, vom Mond her betrachtet, größer aus als der Mond von der Erde her, aber sie läßt sich immer noch bequem von einer mit dem ausgestreckten Arm gehaltenen Münze abdekken. Und auf einem so kleinen Scheibchen soll man eine Mauer entdecken können, die zwar über 6000 Kilometer lang, aber nur zwölf Meter breit ist? Das geht nicht. Und der Apollo-11-Astronaut Buzz Aldrin, der 1969 als zweiter Mensch seinen Fuß auf den Mondboden setzte, hat es auch gar nicht versucht: "Der Astronaut kann nicht nach der Chinesischen Mauer Ausschau halten, ebensowenig wie er in der Lage ist, über den Sinn des Lebens zu philosophieren. Er ist auf seinen Job konzentriert und der besteht darin, nicht über das Fernsehkabel zu stolpern." Während also der Versuch zum Scheitern verurteilt ist, menschliche Bauwerke von der 384.000 Kilometer entfernten Mondoberfläche aus mit dem unbewaffneten Auge zu erspähen, können die Astronauten des Space Shuttle und der Raumstation Mir durchaus Spuren der Zivilisation erkennen. Sie umkreisen den Globus nämlich nur in wenigen hundert Kilometer Höhe und haben dabei einen prächtigen Ausblick auf die Erdoberfläche. Dabei können sie etwa städtische Ballungsräume, Straßen und Felder ausmachen. "Wir erkennen deutlich, wie die Menschen die Oberfläche des Planeten verändern", berichtet der Shuttle-Astronaut Jeffrey
Hoffman. Und wenn die Sonne aus dem richtigen Winkel einfällt, ist auch die große Mauer in China zu sehen. Nachtrag: Manchmal ist die Mauer aus dem All sogar besser zu erkennen als vom Boden aus. Am 3. Mai 1996 berichtete die Zeitschrift Science, daß es mit Hilfe eines Radarsatelliten gelungen sei, alte Reste der Chinesischen Mauer zu entdecken, die in einer Wüstenregion von Sand verschüttet worden waren. "Die Mauer ist in einem so verfallenen Zustand", wird der NasaForscher J. J. Plaut zitiert, "daß man sie nicht finden würde, wenn man nicht wüßte, wo man zu suchen hat.
Nutzt der Löffel? Ein Löffel im Flaschenhals verhindert, daß Sekt über Nacht schal wird - Stimmt's? Stimmt nicht. Die Legende ist ein Beispiel dafür, wie hartnäckig sich ein Gerücht halten kann, das doch eigentlich recht einfach zu überprüfen ist. Vielleicht liegt es, wie die niederländischen Forscher Geert Jan van Oldenborgh und Fernando L. J. Vos schreiben, an "der Unwahrscheinlichkeit, zwei halbleere Flaschen in einer relativ kleinen Region der Raumzeit zu haben". Mit anderen Worten: Man leert Champagnerflaschen nacheinander, so daß immer höchstens eine angebrochene übrigbleibt. Die beiden Physiker beschlossen 1995, die Hypothese wissenschaftlich zu testen. Da sie über keinen Forschungsetat für derartige Projekte verfügten, mußten sie ihr Experiment mit Cidre durchführen. Sie glauben aber, ihre Ergebnisse auf andere moussierende Getränke übertragen zu können. Van Oldenborgh und Vos leerten zwei Flaschen des Apfelsekts je zur Hälfte und ließen sie dann über Nacht offen im Kühlschrank stehen - eine mit Löffel, die andere ohne. Am nächsten Tag mußten zehn Freiwillige je fünf Zentiliter aus zwei Plastikbechern trinken, die mit den Ziffern 1 und 2 versehen waren. Nur die beiden Forscher wußten, welcher Cidre in welchem Becher war. Ergebnis: Die Tester konnten keinen Unterschied feststellen. Während dieser Versuch allein auf dem subjektiven Urteil der Probanden beruhte, berichtete die lothringische Zeitung Le Republicain Lorrain bereits am 17. März 1987 von härteren wissenschaftlichen Untersuchungen, durchgeführt mit einem sogenannten Aphrometer, das den Kohlensäuredruck in Flüssigkeiten feststellt. Der Veranstalter dieses Tests war das Komitee für den Wein der Champagne in Epernay - ein kompetenteres Institut ist also kaum vorstellbar. Für diesen Versuch wurden sechs Champagnerflaschen geopfert zwei wurden mit einem Korken verschlossen, zwei mit einem Teelöffel versehen, zwei einfach so in den Kühlschrank gestellt,
nachdem je ein Glas Schampus entnommen worden war. Nach 24 Stunden wurde der Gasdruck gemessen. Ergebnis: Alle sechs Flaschen hatten Druck verloren, die verkorkten Flaschen mit Abstand am wenigsten. Zwischen den offenen Flaschen und denen mit Löffel war kein signifikanter Unterschied festzustellen. Die Lehre aus diesen Experimenten: Man sollte Sekt- und Champagnerflaschen am besten leer trinken. Wenn wirklich etwas übrigbleibt, wirkt nur ein hermetischer Verschluß blasenerhaltend. Ein Löffel dagegen nutzt gar nichts. Schade eigentlich, hätte doch ein Wirksamkeitsnachweis nach den Worten der holländischen Forscher "zur Reduzierung der CO2-Emissionen beigetragen". Nachtrag (aus dem Buch "Stimmt's - Moderne Legenden im Test"): So weit, so negativ. Jetzt hat sich die Redaktion der ARDQuizsendung "Kopfball" noch einmal des Themas experimentell angenommen - und konnte tatsächlich einen Effekt messen. Die Fernsehmacher stellten zwei angebrochene Flaschen über Nacht in den Kühlschrank, je eine mit und ohne Löffel. Am nächsten Tag wurde durch Erhitzen aus beiden Sektflaschen die Kohlensäure komplett entfernt und deren Volumen gemessen. "In der Silberlöffelflasche war eindeutig mehr Kohlendioxid", berichtet der WDR-Redakteur Ranga Yogeshwar. Die naheliegendste wissenschaftliche Erklärung: Die Sache wirkt nur, wenn man die bereits warm gewordene Flasche auch tatsächlich in den Kühlschrank stellt. Der Löffel wirkt dann als ein Wärmeleiter, der die Wärme schneller aus der Flasche transportiert. So kühlt der Sekt schneller ab, und in kaltem Sekt bleibt mehr Kohlensäure gelöst. Bestätigt wird diese Theorie durch ein weiteres Ergebnis der Kölner Hobbyforscher: Nach einer Stunde im Kühlschrank war die Löffelflasche um drei Grad kälter als die andere. Aus dieser Erklärung folgt sofort, daß der Löffel aus einem Material bestehen sollte, das möglichst gut die Wärme leitet. Plastiklöffel bringen also gar nichts, es muß schon Metall sein - und da
gehört tatsächlich der oft beschworene Silberlöffel zu den besseren Leitern.
Im Gleichschritt plumps Brücken können einstürzen, wenn Soldaten im Gleichschritt darübermarschieren - Stimmt's? Stimmt nicht. Jedenfalls liegt es nicht am Gleichschritt der Soldaten. Zwar ist es immer noch üblich, daß Kompanien beim Überqueren von Brücken "ohne Tritt" marschieren, jedoch gibt es keinen dokumentierten Fall, in dem eine Brücke durch die Resonanz der Tritte der marschierenden Soldaten derart in Schwingung versetzt wurde, daß sie einstürzte. Im englischen Broughton fiel am 14. April 1831 eine Hängebrücke in sich zusammen, als eine Kompanie darübermarschierte - aber das lag wohl eher am Gewicht der Soldaten. Der vielleicht berühmteste Brückeneinsturz ist der Fall der Tacoma Narrows Bridge im US-Staat Washington. Diese Hängebrücke kollabierte am 7. November 1940, nur vier Monate nach ihrer Eröffnung. Im Volksmund war die Fehlkonstruktion schon vorher "galoppierende Gertie" genannt worden, weil sie zu unkontrollierten Schwingungen neigte. Am Einsturztag schließlich flatterte sie im Wind wie ein Papiermodell, was auch in spektakulären Filmaufnahmen festgehalten wurde. Aber war dieser Einsturz ein Fall von Resonanz - wenn auch nicht durch im Gleichschritt marschierende Menschen? Jeder feste Gegenstand hat eine Eigenfrequenz, in der er am liebsten schwingt, sei es eine Gitarrensaite oder eben eine Brücke. Resonanz entsteht, wenn der Gegenstand von außen in genau dieser Eigenfrequenz zum Schwingen angeregt wird. Im Fall der Tacoma Narrows Bridge wird dies von einigen Physiklehrbüchern tatsächlich behauptet. Demnach hätten periodische Verwirbelungen des über die Brücke streichenden Windes genau die Eigenfrequenz der Konstruktion gehabt und so die Schwingung immer weiter aufgeschaukelt - mit dem bekannten katastrophalen Ausgang. Im Februar 1991 erschien dazu ein Artikel im American Journal of Physics. Seither muß diese Ansicht als zumindest grob verein-
fachend, wenn nicht sogar komplett falsch angesehen werden. Bezeichnenderweise stammt der Artikel von einem Ingenieur, der es den angeblich stets vereinfachenden Physikern offenbar einmal zeigen wollte. Ohne hier in die Details der komplexen Materie zu gehen: Der Autor zeigt, daß es unter den gegebenen Voraussetzungen keine periodische Anregung der Brücke gegeben haben kann. Vielmehr hat der Wind nur die Energie dazu geliefert, daß die Brücke sich selbst immer mehr in Schwingung versetzte und schließlich zusammenbrach. Keine marschierenden Soldaten und kein anderer rhythmischer Anstoß von außen waren dabei im Spiel. Sollten also die Vorschriften, wie Truppen zu Fuß Brücken zu überqueren haben, gelockert werden? Wahrscheinlich sind sie wirklich unnötig. Aber man kann ja nie wissen.
Da irrt James Bond Wenn man den ganzen Körper mit Farbe einstreicht, erstickt man. Stimmt nicht. Die wohl berühmteste Inszenierung dieses Irrglaubens ist der James-Bond-Film "Goldfinger". In einer Szene, die damals sogar auf dem Titel des Magazins Time abgebildet wurde, findet 007, gespielt von Sean Connery, die Sekretärin Jill Masterson (Shirley Eaton) tot auf ihrem Bett. Deren Boß, der böse Auric Goldfinger (Gert Fröbe), hatte die untreue Lady zur Strafe "vergoldet". James Bond erklärt uns den Tod seiner Gespielin folgendermaßen: "Die Haut konnte nicht mehr atmen. Man hat von solchen Unfällen schon bei Tänzerinnen gehört. Der Goldüberzug ist nicht gefährlich, wenn man eine bestimmte Stelle am Rücken freiläßt, dann kann die Haut noch atmen." Die Macher des Films müssen von dieser Theorie ebenfalls überzeugt gewesen sein. Jedenfalls gingen sie sehr vorsichtig mit der Darstellerin Shirley Eaton um: Sie ist in der Szene nicht vollständig unbekleidet (wir befinden uns im Jahr 1964), und vorsichtshalber ließ man eine Fläche von etwa fünfzehn mal fünfzehn Zentimetern auf ihrem Rücken unvergoldet. Ein Ärzteteam überwachte die gesamte Aktion. Trotzdem hält sich hartnäckig bis heute das Gerücht, die Schauspielerin sei bei den Dreharbeiten auf eben genau dieselbe Art zu Tode gekommen wie die Figur, die sie verkörperte. Was allerdings durch die Tatsache widerlegt wird, daß Shirley Eaton noch putzmunter in acht weiteren Filmen mitwirkte, bevor sie sich ins Privatleben zurückzog. Seit den sechziger Jahren hat die Wissenschaft enorme Fortschritte gemacht. Heute wissen wir: Im Gegensatz zu niederen Tieren wie Würmern oder Schwämmen atmet der Mensch durch Mund und Nase, auch wenn manchmal immer noch Gegenteiliges behauptet wird (etwa auf einem Aushang in einer Hamburger Sauna, in dem es heißt, wir würden sechzig Prozent des lebenswichtigen Sauerstoffs über die Haut aufnehmen). Tatsächlich beträgt
der Anteil der Hautatmung lediglich ein Prozent, eine Verstopfung der Poren wäre also atemtechnisch kaum von Belang. Das heißt freilich nicht, daß Aktionen A la Goldfinger gesundheitlich völlig unbedenklich wären: Giftige Inhaltsstoffe der Farbe könnten in den Körper gelangen, und außerdem wird durch eine Versiegelung der Haut das Schwitzen verhindert, es besteht also die Gefahr einer Überhitzung. Als Mordmethode scheidet das Verfahren jedoch definitiv aus.
Die Viren sind's Vom Frieren und Nasswerden kriegt man eine Erkältung Stimmt's? Stimmt nicht. Die vielleicht hartnäckigsten Mythen sind die, die uns unsere Mütter überliefert haben. "Kind, zieh dich warm an, du holst dir ja den Tod!" Nach dem Schwimmen mit nassen Haaren in die Kälte hinauszugehen gilt als die sicherste Methode, sich eine Erkältung einzufangen, oder? Der direkte Auslöser einer Erkältung ist stets ein Virus. Kein Virus, kein Schnupfen! Deshalb erkälten sich zum Beispiel Forscher in Polarstationen eher selten; im Polareis ist es selbst für Viren zu kalt. Bleibt die These, daß Kälte und Nässe irgendwie "die Abwehrkräfte schwächen" und den Körper anfälliger machen für Infektionen. Was sagt die Wissenschaft dazu? Ein kleiner Querschnitt von Aussagen aus der deutschen Hochschulmedizin: "Es gibt eine Vielzahl resistenzmindernder Faktoren. Dazu gehören zweifellos auch Kälte und Nässe mit ihrem Einfluß auf die Durchblutung" (Edgar Muschketat vom Robert-Koch-Institut). - "Unter immunologischen Gesichtspunkten muß man sagen: Kälte beeinflußt nicht das Immunsystem" (Prof. Reinhold E. Schmidt, Medizinische Hochschule Hannover). - "Unsere Mütter waren gar nicht so dumm. Die Regel, Den Kopf halt kühl, die Füße warm, das macht den besten Doktor arm' hat durchaus ihre Berechtigung" (Prof. Peter Mitznegg, Universitätsklinikum Berlin). - "Nein" (Prof. Claus Herberhold, Universitätsklinik Bonn, auf die in der Überschrift gestellte Frage). Natürlich wissen wir inzwischen, daß diverse psychische Faktoren Einfluß auf das Immunsystem haben. Wer also friert und das ganz schlimm findet, der erkältet sich vielleicht tatsächlich schneller. "Aber hat sich schon einmal jemand Gedanken gemacht, ob man sich beim Sex erkältet?" fragt Prof. Reinhold E. Schmidt und gibt zu bedenken, schließlich komme man dabei häufig ins Schwitzen und kühle danach merklich ab.
In Amerika führte um 1958 ein gewisser H. F. Dowling eine Studie durch (veröffentlicht im American Journal of Hygiene, Vol. 68, S. 659 ff.), bei der freiwillige Schnupfenkandidaten unterschiedlichen Kältebedingungen ausgesetzt wurden. Die Infektionsrate war unter allen Bedingungen stets dieselbe. Andere amerikanische Forscher flößten 1968 Strafgefangenen den Rhinovirus direkt in die Nase ein. Auch bei diesem moralisch bedenklichen Experiment konnte kein Zusammenhang zwischen Kälte und Infektion festgestellt werden. Und warum erkälten wir uns dann im Winter öfter als im Sommer? Zum einen ist es gar nicht sicher, daß der Schnupfen in der kalten Jahreszeit wirklich so viel häufiger auftritt - es gibt kaum aussagekräftige Statistiken. Zum anderen: Wenn es wirklich so ist, könnte es einfach daran liegen, daß wir uns im Winter öfter zusammen mit anderen Menschen in warmen, geschlossenen Räumen aufhalten - ideale Verbreitungsbedingungen für Viren.
Das Zünglein an der Waage Deutsch wäre um ein Haar offizielle Sprache der Vereinigten Staaten von Amerika geworden, es unterlag bei der Abstimmung mit nur einer Stimme Unterschied - Stimmt's? Stimmt nicht. Auch wenn es immer wieder behauptet wird, zum Beispiel von der bekanntesten Ratgeberkolumnistin der Vereinigten Staaten, Ann Landers. Die schrieb noch am 4. November 1994 in ihrer Kummerecke: "Liebe Leser, morgen ist Wahltag. Wenn Sie nicht wählen gehen, haben Sie auch kein Recht, sich über den zu beklagen, der gewählt wird." Und um zu belegen, daß es auf jede einzelne Stimme ankomme, führte sie einige historische Entscheidungen an, bei denen angeblich eine Stimme den Ausschlag gegeben hatte: "1645 verschaffte eine Stimme Mehrheit Oliver Cromwell die Kontrolle über England." (Stimmt nicht, das Parlament hatte sich bei Cromwells Machtergreifung bereits aufgelöst). "1923 machte eine Stimme Hitler zum Führer der Nazipartei." (Stimmt nicht, es war bereits 1921, und das Ergebnis war 553 zu 1). Und eben auch: "1776 gab eine Stimme Mehrheit Amerika die englische Sprache anstatt der deutschen." Eine Flut von Leserbriefen brach über Ann Landers herein. Leser Lewiston aus Maine: "Liebe Ann Landers, ich bin kein Historiker, aber diese Geschichte in Ihrer Kolumne, daß uns eine einzige Stimme Mehrheit Englisch als offizielle Sprache bewahrt habe, ist ein Mythos, der nicht aussterben will." Lewiston führt aus, daß das Gerücht aus den dreißiger Jahren stamme und den Nazipropagandisten gut in ihr Konzept gepaßt habe. Der dürftige wahre Kern der Geschichte: Im Jahr 1794 gab es eine Petition von deutschstämmigen Siedlern aus Virginia an den US-Kongreß, in der gefordert wurde, daß bestimmte Bundesverordnungen ins Deutsche übersetzt und auch auf deutsch veröffentlicht werden sollten. Diese Petition wurde an einen Ausschuß verwiesen, der sie tatsächlich mit einer Mehrheit von einer Stimme ablehnte.
Die Darstellung des Lesers deckt sich mit der historischen Forschung, in der das Gerücht als die "Muhlenberg-Legende" bezeichnet wird - nach dem deutschsprachigen Pfarrer und Sprecher des Repräsentantenhauses, Fredrick Muhlenberg, der das ausschlaggebende Votum abgegeben haben soll. Beschrieben wird die Geschichte in einem Aufsatz von S. B. Heath und F. Mandabach aus dem Jahr 1983 mit dem Titel "Language status decisions and the law in the United States". Tatsächlich gibt es übrigens keine "offizielle" Sprache der USA, Englisch ist einfach der De-facto-Standard. Ann Landers hat sich selbstverständlich für ihren Irrtum entschuldigt. Sie schreibt: "Als die frühe amerikanische Geschichte in der Schule durchgenommen wurde, war ich wohl gerade zum Mittagessen."
Oll korrect "OK" (= okay) war ursprünglich die Abkürzung für den verballhornten englischen Ausdruck "oll korrect" - Stimmt's? Stimmt. Jedenfalls ist dies die von den meisten Anglisten als gültig anerkannte etymologische Ableitung. Sie geht auf Allen Walker Read zurück, einen angesehenen Professor der Columbia University, der sie am 19. Juli 1941 im Saturday Review of Literature zum erstenmal veröffentlichte. Reads Version der Geschichte des OK lautet so: Im Sommer 1838 kam in Boston eine seltsame Mode auf, die sich im folgenden Jahr auch in New York und New Orleans ausbreitete. Man benutzte bewußt Abkürzungen von absichtlich falsch geschriebenen alltäglichen Ausdrücken: "KG" für "know go" (statt "no go" "geht nicht"), "KY" für "know yuse" (statt "no use" - "zwecklos"), "NS" for "nuff said" ("enough said" - "genug gesagt") - und eben "OK" für "oll korrect" (statt "all correct"), das sich zum erstenmal 1939 in gedruckter Form dokumentiert findet. Wie es Moden eigen ist, verschwanden die meisten dieser Abkürzungen so schnell, wie sie aufgekommen waren. Allein das OK hat sich bis zum heutigen Tag erhalten. Read hat dafür folgende Erklärung: 1840 wollte der amerikanische Präsident Martin van Buren für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden. Der Spitzname des Demokraten war Old Kinderhook (nach seinem Geburtsort Kinderhook im Staat New York). Van Burens Unterstützer gründeten den OK Club und gaben der Abkürzung damit eine doppelte Bedeutung. Die politischen Gegner griffen das Spiel auf und hintertrieben es, indem sie dem OK neue Interpretationen unterlegten - "Out of Kash" ("pleite") zum Beispiel oder "Out of Kredit" ("kreditunwürdig"). Es scheint genützt zu haben: Van Buren verlor die Wahl. Allerdings gibt es auch noch alternative Erklärungen für die Herkunft der zwei Buchstaben. In seinem Buch "More of the Straight Dope" führt Cecil Adams einige von ihnen auf: das affirmative "okeh" in der Sprache der Choctaw-Indianer, "OK" als telegra-
phisches Signal für "open key" ("empfangsbereit") oder auch als Abkürzung für O. Kendall & Sons, einen Kekshersteller, der seine Produkte mit diesen Initialen kennzeichnete. Schließlich gibt es sogar eine Deutung, nach der "OK" deutscher Herkunft ist: Es soll die Abkürzung für "Oberkommando" sein, mit der ein deutscher General im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg seine Dokumente stempelte. Aber belassen wir es lieber bei der Erklärung, daß die Amerikaner den Ausdruck selbst erfunden haben, OK?
Segen vom Käpt’n Kapitäne dürfen auf hoher See Trauungen durchführen Stimmt's? Stimmt nicht. Der Kapitän ist zwar die höchste Autorität auf einem Schiff, aber an Recht und Gesetz des Landes gebunden, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Es gibt in allen Staaten Bestimmungen, die regeln, wer heiratswillige Paare trauen darf. In Deutschland zum Beispiel sagt Paragraph 11 des Gesetzes über die Eheschließung klipp und klar: "Eine Ehe kommt nur zustande, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden hat." Ein Kapitän, der eine Trauungszeremonie durchführen wollte, müßte also gleichzeitig Standesbeamter sein. Doch von einer solchen Doppelqualifikation eines deutschen Schiffsführers hat man bislang nicht gehört. Es gibt zwar ein aus dem Jahr 1950 stammendes Gesetz über die Anerkennung sogenannter Nottrauungen, aber auch bei denen muß zwingend ein Standesbeamter anwesend sein. Und es geht dabei um wirkliche Notlagen wie lebensbedrohende Krankheiten, nicht um spontane Heiratsgelüste bei einer Butterfahrt auf der Ostsee. Weil sich die Legende trotzdem hartnäckig hält, haben einige Länder sogar explizite Rechtsvorschriften erlassen, um den Trauungsunfug auf See zu unterbinden. Bei der U. S. Navy zum Beispiel heißt es eindeutig: "Der kommandierende Offizier darf an Bord seines Schiffes oder Flugzeuges keine Trauungszeremonie durchführen" (Code of Federal Regulations, 32 CFR 700 716). Ist das Schiff im Staat New York registriert, droht dem Käpt'n bei Zuwiderhandlung sogar Gefängnis. Auch die britische Handelsmarine läßt ihre Kapitäne nicht im unklaren über die Ungültigkeit von Hochseetrauungen. In einem berühmt gewordenen Fall wurde freilich nachträglich eine auf See geschlossene Ehe anerkannt. In dem Verfahren Fisher gegen Fisher erklärte im Jahr 1929 das Appellationsgericht von New York, daß die Ehe gültig sei, weil kein Gesetz ausdrücklich dagegen spreche. Dazu muß aber gesagt
werden, daß in angelsächsischen Ländern oft noch das Prinzip des common law angewandt wird; demnach kann eine Ehe auch dann rechtmäßig geschlossen sein, wenn sie nicht durch offizielle Stellen abgesegnet wird. In diesem Falle wäre aber auch nicht der Kapitän vonnöten gewesen, es hätte auch ein einfacher Schiffsjunge getan. Trotz der zumindest in Deutschland eindeutigen Rechtslage wollen sich immer mehr Paare auf schwankenden Planken das Jawort geben. Und deshalb haben findige Köpfe auch Möglichkeiten gefunden. Eine Zeitlang gab es tatsächlich vier Kapitäne mit Trauungsbefugnis. Sie waren vom schwedischen Staat ausdrücklich ermächtigt worden, auf dem Kreuzfahrtschiff Nils Holgersson Ehen zu schließen, die auch in Deutschland anerkannt wurden. Die Kapitäne waren sozusagen Standesbeamte ehrenhalber (seit 1993 ist das nicht mehr möglich, weil die Schiffahrtslinie jetzt eine rein deutsche Firma ist). In Hamburg kann man sich auf einem Alsterschiffchen trauen lassen - von einem mitfahrenden Standesbeamten. Ansonsten gelten die Hinweisschilder, die es auf einigen Vergnügungsdampfern geben soll: "Alle vom Kapitän durchgeführten Eheschließungen haben nur für die Dauer der Reise Gültigkeit."
Tierquäler Disney Lemminge begehen kollektiven Selbstmord, indem sie sich ins Meer stürzen - Stimmt's? Stimmt nicht. Der Mythos ist alt, stammt vermutlich aus Skandinavien. Richtig ist, daß die Populationen der possierlichen Nager aus der Familie der Wühlmäuse großen Schwankungen unterliegen (was seit Entdeckung der Chaostheorie nichts Verwunderliches hat). Ist die Überbevölkerung besonders groß, kommt es zu Wühlmausvölkerwanderungen. Bei diesen Massenmigrationen finden viele Tiere den Tod. Davon, daß die Lemminge dabei freiwillig oder instinktiv aus dem Leben scheiden, kann freilich keine Rede sein. "Aber da war doch dieser Film ...", wird mancher einwenden. In dem Disney-Film "White Wilderness" ("Abenteuer in der weißen Wildnis") wird tatsächlich der angebliche Massensuizid der Lemminge dargestellt. Allerdings haben die Tierfilmer nachgeholfen, um die Legende publikumswirksam ins Bild setzen zu können. Das behauptet jedenfalls der Journalist Brian Vallee, der 1983 für das kanadische Fernsehen dem "Making of" des Films auf den Grund ging. Nach Vallees Darstellung wurden die Szenen im kanadischen Bundesstaat Alberta gedreht, wo es gar keine Lemminge gibt. Die Filmemacher hatten die Tiere von Eskimokindern in Manitoba gekauft und dann zum Drehort geschafft. Um den Eindruck einer Massenwanderung zu erzeugen, wurden die Lemminge auf eine große, schneebedeckte Drehscheibe placiert, die dann in Rotation versetzt und aus allen möglichen Kamerawinkeln gefilmt wurde. Der Strom der Lemminge - nichts als eine "Schleife", bei der immer wieder dieselben Tiere zu sehen sind. Und dann kommt der böse Teil der Geschichte. "Die Lemminge erreichen den tödlichen Abgrund", raunt der Sprecher, "dies ist ihre letzte Chance zur Umkehr. Aber sie laufen weiter, stürzen sich in die Tiefe." Aus einer dank perfekter Tiefenschärfe phantastisch anmutenden Kameraperspektive sieht der Zuschauer die
Nager in die gähnende Schlucht eines Flußtales fallen, angeblich getrieben vom Todesinstinkt. Die Wirklichkeit war nach Vallees Recherchen erheblich profaner: Die Disney-Leute halfen nach, schubsten und warfen die wenig lebensmüden Lemminge in den Abgrund. In der Schlußeinstellung sieht man die sterbenden Tiere im Wasser treiben. "Langsam schwinden die Kräfte, die Willenskraft läßt nach, und der Arktische Ozean ist übersät mit den kleinen toten Leibern." Von wegen Arktischer Ozean, von wegen nachlassende Willenskraft: Ein Massenmord an Tieren im Dienste der Illusionsfabrik Hollywood.
Test the Dest? Wer destilliertes Waser trinkt, stirbt - Stimmt's? Stimmt nicht. Wohl trifft es zu, daß destilliertes Wasser keine Salze enthält, aber daß deshalb, wer es trinke, ein Opfer der Osmose werde, ist eine Legende. Und die lautet wie folgt: Die Körperzellen versuchen den Konzentrationsunterschied auszugleichen, pumpen sich immer weiter voll, bis sie schließlich platzen und der Wassertrinker jämmerlich zugrunde geht. Zum Glück ist der Körper nicht ganz so empfindlich. Den größten Teil der Salze und Mineralien nimmt er ohnehin über die feste Nahrung auf. Schon im Magen wird Festes und Flüssiges vermengt, und es tritt noch die körpereigene Säure dazu, so daß keine Zelle mit völlig salzfreiem Wasser in Berührung kommt. Der beste Gegenbeweis für die angebliche Todesgefahr sind Menschen, die seit Jahren destilliertes Wasser trinken und putzmunter durchs Leben gehen. Es gibt sogar eine Bewegung, die Aqua destillata als gesundheitsförderndes Heilwasser propagiert. Im Internet wirbt der Münsteraner Rolf Heckemann unter dem Motto "Test the Dest" für den Selbstversuch. Er will herausgefunden haben, daß destilliertes Wasser die Nierentätigkeit fördere (man muß mehr pinkeln), daß es Sodbrennen verhindere und daß es dem Genießer ganz neue Geschmackserlebnisse beschere, wenn man Kaffee oder Tee damit koche. Außerdem entferne die Destillation alle Schadstoffe aus dem Trinkwasser. Ernährungswissenschaftler stehen solchen Thesen eher skeptisch gegenüber. Ulrich Schlemmer von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung akzeptiert allenfalls die Verwendung für Tee oder Kaffee, weil weiches (also kalziumarmes) Wasser tatsächlich den Geschmack verbessere. Außerdem enthielten Teeblätter und Kaffeebohnen Salze, die sich im Wasser lösen würden. Warum aber den ganzen Aufwand treiben, wenn das, was aus deutschen Wasserhähnen fließt, "nach wissenschaftlichen Erkenntnissen unbedenklich" sei?
Jedenfalls hält es der Physiologe für groben Unfug, die Ernährung auf destilliertes Wasser umzustellen. Wenn auch keine Lebensgefahr bestehe, so entziehe das Destillat den Zellen doch Natrium- und Kaliumionen und könne so auf die Dauer den Elektrolythaushalt des Körpers durcheinanderbringen. Sein Fazit: "Es gibt keinen Grund, das zu trinken. Warnen Sie Ihre Leser davor!"
Brachliegende Zellen? Der Mensch nutzt nur zehn Prozent seiner Gehirnkapazität Stimmt's? Stimmt nicht. Vor allem in esoterischen Kreisen wird diese angebliche Tatsache gern bemüht - meist verbunden mit der Aufforderung, die brachliegenden neun Zehntel des Hirns endlich in einem teuren Kursprogramm zu aktivieren. So wirbt zum Beispiel die Scientology-Sekte mit dem Portrait von Albert Einstein, dem die Aussage zugeschrieben wird. Eine andere angebliche Quelle dieser Weisheit ist der amerikanische Psychologe und Philosoph William James. Die Anthropologin Margaret Mead gar soll der Meinung gewesen sein, wir benutzten lediglich sechs Prozent unseres Denkvermögens. Beginnen wir also mit Einstein: Hat er's nun gesagt oder nicht? Alice Calaprice von der Princeton-Universität in New Jersey, die Herausgeberin der Zitatensammlung "Einstein sagt", ist schon öfter danach gefragt worden. "Ich persönlich bezweifle, daß er das gesagt hat", erklärt Frau Calaprice, "denn bestimmt hätte jemand widersprochen, und es hätte eine Diskussion gegeben. Aber natürlich wurde auch nicht jedes Wort, das je aus seinem Munde kam, aufgeschrieben." Auch die anderen Quellen sind nicht zweifelsfrei nachweisbar. Aber selbst wenn Einstein diesen Ausspruch getan hätte: Was könnte er gemeint haben? Sollte die Aussage: "Nur zehn Prozent des Gehirns werden genutzt" wirklich als quantitative Aussage gemeint sein, dann bieten sich mehrere Interpretationen an. Erstens: Zu jedem gegebenen Zeitpunkt ist nur jede zehnte Gehirnzelle aktiv. Da kann man nur sagen: Gut, daß es nicht alle sind, denn das wäre gleichbedeutend mit einem epileptischen Anfall. Zweitens: Neunzig Prozent der Hirnzellen liegen nutzlos im Schädel herum und haben keine Funktion. Auch das ist Unsinn. Soweit die Wissenschaft es beurteilen kann, sind alle gesunden Zellen in irgendeiner Weise an den Prozessen im Gehirn beteiligt. Ein Indiz dafür ist, daß beim Ausfall einer Hirnfunktion,
beim Verlust eines Auges zum Beispiel, die zuständigen Neuronen zugrunde gehen. Eine dritte Interpretation: Wir nutzen nur einen Bruchteil unseres Erinnerungsvermögens, könnten uns also eigentlich viel mehr Dinge merken. Aber das Gehirn hat keine "Speicherzellen" wie ein Computer. Erinnerungen sind Muster, an denen viele Zellen beteiligt sind, und die Zahl dieser Muster ist unbegrenzt. Niemand weiß, wieviel Information man dem Gedächtnis maximal eintrichtern kann. Überhaupt ist die Vorstellung irrig, mehr Hirnaktivität sei gleichbedeutend mit "besserem" Denken. Detlef Linke, Hirnforscher an der Universität Bonn, weist darauf hin, daß unsere intellektuelle Leistung oft darin besteht, viele Einzelerfahrungen in einem "Superzeichen" zusammenzufassen - Abstraktion macht das Denken ökonomischer. Linke schätzt, daß die Hälfte aller Hirnfunktionen inhibitorisch sind, daß sie also die Aktivität der grauen Zellen verringern und nicht verstärken. Mehr "Flackern" im Schädel bedeutet also nicht, daß wir es mit einem klügeren Kopf zu tun haben. Bleibt noch die Erklärung, daß Einstein, wenn er es denn gesagt hat, die Sache metaphorisch gemeint hat: Wir alle würden gut daran tun, unseren Grips ein wenig mehr einzusetzen. Wer wollte ihm da widersprechen?
Falsches Komma Spinat ist gesund, weil er besonders viel Eisen enthält - Stimmt's? Stimmt nicht. Der Eisengehalt von frischem Spinat ist mit 2,6 Milligramm auf 100 Gramm eher gering. Wer bei seiner Ernährung Wert auf blutbildendes Eisen legt, der sollte sich eher an Leberwurst (5,9 mg), Schokolade (6,7 mg) und Pistazien (7,3 mg) halten. Selbst von dem bißchen Eisen, das im Spinat tatsächlich enthalten ist, darf sich der Mensch kaum Nutzen versprechen: "Der Verdauungstrakt kann nicht viel davon aufnehmen", erklärt die amerikanische Ernährungsforscherin Judi Morrill. "Spinat enthält nämlich auch sehr viel Oxalsäure, die das Eisen bindet." Der Ursprung der Legende liegt in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals soll ein Lebensmittelanalytiker bei der Untersuchung von Spinat das Komma versehentlich um eine Stelle nach rechts gerückt und dem Gemüse somit den zehnfachen Eisengehalt attestiert haben. Das jedenfalls behauptet zum Beispiel der englische Krebsspezialist T. J. Hamblin in einem Artikel, der 1982 im angesehenen British Medical Journal erschien - allerdings kann auch Hamblin die Originalquelle nicht angeben. Ist vielleicht die Geschichte vom Ursprung der Legende selbst eine Legende? Jedenfalls galt Spinat fortan als besonders gesund, zum Leidwesen von Millionen Kindern. Denen hat die grüne Pampe auch nach 1929 nicht besser geschmeckt. In diesem Jahr erfand der Zeichner Elzie Segar die Comicfigur Popeye, dem der Genuß einer Dose Spinat immer zu übermenschlichen Kräften verhalf. Angeblich soll der gezeichnete Seemann den Spinatkonsum in den USA um ein Drittel gesteigert haben - das behauptet jedenfalls die Inschrift auf dem Popeye-Denkmal in der texanischen Spinatmetropole Crystal City. Im Zweiten Weltkrieg, als das Fleisch selbst in Amerika knapp wurde, appellierte man auch an die erwachsenen Bürger, sich mit dem angeblich so eisenhaltigen Gemüse zu stählen. Die Ameri-
kaner seien, hieß eine der Parolen, "strong to finish 'cos they ate their spinach". Dabei war ausgerechnet im deutschen Feindesland bereits in den dreißiger Jahren der Meßfehler berichtigt worden. "Als Eisenquelle hätte Popeye besser die Dosen verzehrt", lautet Hamblins sarkastisches Fazit. Sind also Generationen von Kindern sinnlos dazu gezwungen worden, ihren Teller leer zu essen? Auch wenn der hohe Eisengehalt eine Legende ist: Spinat ist durchaus gesund. Er enthält zum Beispiel große Mengen der Vitamine A und C sowie BetaKarotin, dem eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs zugeschrieben wird. Aber bevor es Tränen gibt: Denselben Zweck erfüllen auch andere Gemüsesorten, zum Beispiel Brokkoli.
Auftrieb nach vorn Segelboote können schneller segeln als der Wind - Stimmt's? Stimmt. Und wir reden hier nicht von Wildwasser, sondern von ganz normalen Seen und Meeren mit relativ geringer Strömung. Allerdings wird der auf Nord- und Ostsee anzutreffende gewöhnliche Hobbysegler mit seiner Jolle wohl kaum jemals in den Genuß dieses Effektes kommen. Er läßt sich nur mit speziellen Hochgeschwindigkeitsseglern erreichen, etwa Katamaranen oder Trimaranen, auf denen die Segelpartie eher unkomfortabel ist. Ganz alltäglich ist das Phänomen dagegen bei Strand- und Eisseglern, die nicht gegen den bremsenden Widerstand des Wassers anzukämpfen haben. Auf dem Eis kann ein segelgetriebenes Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde erreichen, auch wenn der Wind nur mit Tempo 50 bläst. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, daß ein Segelschiff dann am meisten Vortrieb entwickelt, wenn der Wind von hinten kommt. In diesem Fall wird das Schiff vom Wind "geschoben" und kann tatsächlich nicht schneller fahren, als der Wind weht. Eine ganz andere Sache ist es, wenn der Wind im rechten Winkel von der Seite kommt und auf das schrägstehende Segel trifft. Dann muß man schon die hohe Schule der Aerodynamik bemühen, um die Bewegung zu erklären, und kommt zu scheinbar paradoxen Resultaten. Weil das Segel keine ebene Fläche bildet, sondern sich wölbt, wirkt es wie die Tragfläche eines Flugzeuges. Dort entsteht ja der Auftrieb, weil die Luft über dem Flügel eine höhere Geschwindigkeit und damit einen niedrigeren Druck entwickelt als die Luft an der Flügelunterseite. Dieser Druckunterschied zweier Luftströme reicht aus, um tonnenschwere Flieger aus Stahl in der Luft zu halten. Und ganz Ähnliches passiert beim Schiffssegel: Die innen vorbeiströmende Luft ist langsamer als der äußere Luftstrom, und folglich entsteht eine Art "Auftrieb" - nur daß die resultierende Kraft nicht nach oben weist, sondern schräg nach vorn. Durch den Kiel und den Bootskörper wird die seitliche
Komponente dieser Kraft "abgefangen", so daß sich insgesamt eine Bewegung nach vorn ergibt. Diese Kraft kann erheblich größer sein als der Schub des Windes. Wie schnell das Boot dann tatsächlich fährt, hängt natürlich hauptsächlich von der Form des Rumpfes ab. Der geltende Geschwindigkeitsweltrekord für Segelboote wurde übrigens 1993 von der "Yellow Pages Endeavour" in Australien aufgestellt. Er liegt bei 46,52 Knoten, das sind 86,16 Kilometer pro Stunde.
Veralteter Ratschlag Schwimmen nach dem Essen kann zu Magenkrämpfen führen Stimmt's? Stimmt nicht. Es gibt keinerlei Verbindung zwischen Schwimmen (oder Baden) und Konvulsionen in der Magengegend. Der amerikanische Sportarzt Arthur Steinhaus hat im Jahr 1961 eine empirische Untersuchung angestellt ("Evidence and Opinions Related to Swimming After Meals"), bei der er Sport- und Hobbyschwimmer nach ihren Gewohnheiten fragte. Ergebnis: Selbst Hochleistungssportler gönnen sich manchmal eine deftige Mahlzeit, bevor sie ins Becken springen, und keiner der Befragten hatte je einen Magenkrampf beim Schwimmen erlebt. Allerdings weiß jeder aus eigener Erfahrung, daß nach dem Essen der Körper müde und träge wird. "Voller Bauch studiert nicht gern", und körperliche Anstrengung liegt dem Satten auch nicht. Der Grund: Ein großer Teil des Blutes wird im Verdauungstrakt benötigt, die Durchblutung des restlichen Körpers und des Gehirns verschlechtert sich. Deshalb kommt kaum jemand auf die Idee, nach einem Dreigängemenü einen Marathonlauf zu absolvieren oder fünfzig Bahnen zu schwimmen. Gisela Fischer, Professorin für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, warnt vor übertriebener Aktivität mit vollem Magen, weil dies, besonders bei älteren Menschen, zu einem Kreislaufkollaps führen könne. Es ist also nicht ganz abwegig, wenn es in den Baderegeln der DLRG recht allgemein heißt: "Niemals mit vollem oder ganz leerem Magen baden!" Aber wann gilt der Magen als "voll"? Und wie lange soll man denn nun warten nach dem Essen? Ausführlicher sind die Ratschläge des amerikanischen Roten Kreuzes, das vor nicht allzu langer Zeit noch vor Magenkrämpfen warnte. Inzwischen hat die Organisation den Fehler beseitigt und schreibt in ihren Gesundheitstips: "Benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand, wenn es ums Schwimmen nach dem Essen geht. Im allgemeinen müssen Sie mit dem Schwimmen nicht eine
Stunde warten, nachdem Sie gegessen haben. Jedoch ist es nach einer umfangreichen Mahlzeit sinnvoll, die Verdauung in Gang kommen zu lassen, bevor man mit anstrengenden Aktivitäten wie Schwimmen beginnt."
Düfte am Krankenbett Blumen im Krankenzimmer werden nachts auf den Flur gestellt, weil sie den Sauerstoff aus der Luft entfernen - Stimmt's? Stimmt nicht. Blumen sind Pflanzen und "atmen" nicht wie Tiere und Menschen, die dabei bekanntlich Sauerstoff in Kohlendioxid umwandeln. Das Gegenteil ist richtig: Pflanzen wandeln mittels Photosynthese sogar Kohlendioxid in Sauerstoff um - was erklärt, warum wir die Atemluft unseres Planeten nicht schon längst aufgebraucht haben. Allerdings dürfte die Sauerstoffmenge, die von dem Grün der Schnittblumen neben dem Krankenbett abgegeben wird, vernachlässigbar sein. Gibt es andere Gefahren, die von Blumen ausgehen könnten? Muß sich der Patient vor Parasiten fürchten? Tatsächlich sind Topfpflanzen in Kliniken meist verboten, weil sich auf ihnen und in der Erde allerlei Ungeziefer tummeln kann, wie jeder Blumenfreund aus leidvoller Erfahrung weiß. Unsere modernen Schnittblumen aber kommen meist aus keimfreien Gewächshäusern, in denen sich wohl kaum lebensbedrohliches Kleingetier aufhält. Der amerikanische Arzt Arthur B. King hat 1996 für das Guthrie Journal, eine medizinische Fachzeitschrift, einen Artikel zum Thema "Blumen in Krankenhäusern" verfaßt. Der einzige Einwand gegen das Zusammenleben von krankem Menschen und gesunder Pflanze, den King nicht sofort hinwegfegt, ist das Vorkommen des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa, das nach der Entdeckung eines Forscherkollegen gern auf Blumen siedelt. Allerdings, so erläutert King, hätten schon "klarere Köpfe erkannt, daß dieses Bakterium in einer symbiotischen Beziehung mit dem Menschen lebt, seit er sich aus dem Urschlamm erhob, und daß seine Gegenwart auf natürlichen Blüten die Anwesenheit des Menschen auf diesem Globus nicht ernsthaft gefährdet hat". Es gibt also kaum hygienische Gründe, die nahelegen, nachts die Blumen aus dem Krankenzimmer zu entfernen, es sei denn, Patienten litten unter einem extrem schwachen Immunsystem wie etwa bei einer Chemotherapie. Die Sache ist eher ein alter
Brauch, eine fürsorgliche Geste der Schwestern. Und in Zeiten knapperer Personalausstattung der Kliniken sind fürsorgliche Gesten im Aussterben begriffen: Eine völlig nichtrepräsentative Umfrage bei Hamburger Krankenhäusern ergab, daß in drei von vier Fällen die Schwestern diesen Dienst nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Patienten anbieten, etwa wenn die Blumen stark duften. Für den Menschen hat der Brauch also keinen unmittelbaren Nutzen. Für die Blumen schon: Auf dem Flur ist es kälter als im Zimmer, und folglich halten die Pflanzen länger. Nachtrag: Soweit der Originaltext. Zwei Ausgaben später musste der Autor dann leider einen kleinen Irrtum einräumen: In der "Stimmt's"-Folge zum Thema "Blumen im Krankenzimmer" (ZEIT Nr. 44/97) schrieb Christoph Drösser: "Blumen sind Pflanzen und 'atmen' nicht wie Tiere und Menschen, die dabei bekanntlich Sauerstoff in Kohlendioxid umwandeln ... Pflanzen wandeln mittels Photosynthese sogar Kohlendioxid in Sauerstoff um." Daraufhin erreichten uns viele empörte Leserbriefe, die zu Recht darauf hinweisen, daß der Autor hier doch ein wenig lax mit den naturwissenschaftlichen Tatsachen umgeht. Also: In der Nacht nützt die Photosynthese den Blumen wenig, weil sie nur bei Licht funktioniert. Und außerdem atmen Blumen sehr wohl: Um aus Traubenzucker lebenswichtige Energie zu gewinnen, wandeln sie ihn in Kohlendioxid und Wasser um. Dazu benötigen sie Sauerstoff aus der Luft. Dieser Verbrauch ist allerdings praktisch zu vernachlässigen. Nach Berechnungen unseres Lesers Carsten Richter aus Berlin verbrauchen selbst hundert Zimmerpflanzen weniger Sauerstoff "als beispielsweise der friedlich neben uns schlummernde Ehepartner". Die Antwort "Stimmt nicht" bleibt also trotzdem richtig. DZ
Tuch fürs Publikum Stiere "sehen rot" - Stimmt's? Stimmt nicht. Es ist vollkommen irrelevant, welche Farbe das Tuch hat, das der Torero vor der Nase eines Bullen schwenkt. Es ist auch nicht so, daß Rinder eher auf Menschen losgehen, die einen roten Pullover tragen. Der Grund: Wie die meisten Säugetiere haben auch Rindviecher praktisch keine Farbwahrnehmung, sie sehen sozusagen "schwarzweiß". Die rote Farbe der Tücher beim Stierkampf ist einzig und allein für die Zuschauer da. "Das Farbsehen haben innerhalb der Säuger erst die Primaten erlernt", erläutert Professor Clas Naumann vom Museum Alexander Koenig in Bonn. "Deshalb benützen sie auch sehr auffällige Farbsignale in der innerartlichen Kommunikation, einschließlich Lippenstift und Nagellack." Rot suggeriert dem Menschen Blut, und das erhöht den Nervenkitzel beim Stierkampf. Für den Bullen wäre auch ein blaues Tuch ein "rotes Tuch", wenn der Matador nur wild genug damit herumfuchteln würde. Wie findet man heraus, ob Tiere Farben sehen können oder nicht? Fragen kann man sie ja nicht. Einen Anhaltspunkt liefert die Anatomie: Die menschliche Netzhaut verfügt über drei Sorten von Farbrezeptoren - für Rot, Grün und Blau, perfekt angepaßt an die drei Farbsignale, die ein moderner Fernseher ausstrahlt. Die meisten anderen Säugetiere haben viel weniger von diesen "Zäpfchen" genannten Rezeptoren und folglich große Schwierigkeiten, Farben zu unterscheiden. Cecil Adams berichtet in seinem Buch "More of the Straight Dope", daß es Forschern gelungen ist, Ratten auf Farbsignale zu konditionieren - allerdings waren die Nager ziemlich begriffsstutzig und brauchten zwischen 1350 und 1750 Versuche, bis sie den Trick erlernt hatten. Bevor wir Menschen nun allzu überheblich gegenüber unseren Säugetier-Kollegen werden, sei noch erwähnt, daß andere Tierarten über ein erheblich besseres Sehvermögen verfügen als wir. Optisch gesehen sind wir bei weitem nicht die Krone der Schöp-
fung. Bestimmte Krabbenarten haben sechs Sorten von Farbrezeptoren - sie fänden unser Farbfernsehen wahrscheinlich eher eintönig. Die besten Seher in der Natur sind die Vögel. Sie haben nicht nur Rezeptoren für bis zu sieben verschiedene Grundfarben, sondern können auch mit einer bis zu achtmal feineren Auflösung sehen als wir - das ist der Grund, warum ein Raubvogel auch aus großer Höhe ein Mäuschen am Erdboden erspähen kann.
Je klarer, desto klarer "Bier auf Wein, das lass sein - Wein auf Bier, das rat ich dir!" Stimmt's? Stimmt nicht. Viele Sprüche ranken sich um die Verträglichkeit alkoholischer Getränke, und alle sind, wie der Alkohol selbst, mit Vorsicht zu genießen. Der Spruch mit dem Bier und dem Wein ist in anderen Ländern unbekannt. Die Franzosen zum Beispiel haben statt dessen ein Sprichwort, das sich auf das Durcheinandertrinken von Rot- und Weißwein bezieht: "Blanc sur rouge, rien ne bouge - rouge sur blanc, tout fout le camp." Was soviel bedeutet wie: Weiß auf Rot ist gesund für den Magen, während es bei der umgekehrten Reihenfolge zur Rebellion der Innereien kommt. Wissenschaftlich haltbar sei dies nicht, beteuert Herv Ç ThisBenckhard, ein französischer Wissenschaftler, der durch sein Buch "Rätsel der Kochkunst - naturwissenschaftlich erklärt" bekannt geworden ist. Auch Hans-Joachim Pieper, Professor für Gärungstechnologie an der Universität Hohenheim ("Ich bin der einzige verbeamtete Berufsalkoholiker des Landes Baden-Württemberg"), hält solche Sinnsprüche für "ziemlichen Quatsch". Er hat auch keine Bedenken dagegen, verschiedene Alkoholsorten durcheinanderzutrinken, solange es mäßig geschieht. Generell gelte: Je reiner der Alkohol, um so besser für das Wohlbefinden. Am gesündesten seien Klare wie Wodka oder Doppelkorn. Im übrigen plädiert er ausdrücklich für den Genuß alkoholischer Getränke: "Die Leute im Mittelalter haben schon gewußt, warum sie Wein statt Wasser getrunken haben!" Wein sei nämlich stets frei von schädlichen Keimen. Ein weiterer professioneller Alkoholexperte, Professor Anton Piendl vom Institut für Brauereitechnologie der TU München, glaubt ein Fünkchen Wahrheit in dem Trinkspruch entdecken zu können: Wenn man zuerst eine größere Menge Bier trinkt, das ja einen erheblich geringeren Alkoholgehalt als Wein hat, schafft man sich eine "Grundlage", ähnlich wie durch eine ausgiebige
Mahlzeit. Dadurch trifft der höherprozentige Wein nicht auf einen nüchternen Magen, und der Alkohol gerät langsamer in den Blutkreislauf. Daß umgekehrt Bier auf Wein immer schädlich sei, ist aber sicherlich falsch: Erfahrene Weinfreunde trinken nach einer ausgiebigen Weinprobe gern ein kühles Pils, ohne über besondere Nebenwirkungen zu klagen.
Eine Frage, drei Antworten Konservengläser lassen sich leichter öffnen, wenn man einmal kräftig auf den Boden schlägt - Stimmt's? Stimmt. Die Anregung für die Folge dieser Woche stammt von Leserin aus Berlin. Sie schreibt: "Ich halte das nämlich für ein Gerücht, weil ich nicht glaube, daß man damit das Vakuum ‚herausbekommt’. Allerdings bin ich gerne bereit, meinen Irrtum einzugestehen, wenn mir jemand kompetent eine plausible Erklärung liefern kann." Sie bekommen nicht nur eine, sondern gleich drei plausible Erklärungen von kompetenten Fachleuten. Erklärung Nummer eins: Die Gummidichtung des Deckels, etwa von einer Saftflasche, klebt am Rand des Glases fest. Durch den Ruck wird diese Verklebung gelöst, so daß der Deckel leichter abzudrehen ist. Das ist die Version von Tile Isensee von der Firma Schmalbach-Lubeca, Hersteller der "Wide Cap"-Drehverschlüsse. Erklärung Nummer zwei: Das Füllgut im umgedrehten Glas drückt beim Draufschlagen den Deckel nach außen, so daß Luft eindringen kann und das Vakuum zumindest teilweise aufhebt. Dadurch lastet weniger Druck von außen auf dem Deckel, und er läßt sich leichter öffnen. So erklärt es Ulrich Nehring, dessen privates Institut als Speerspitze der konserventechnischen Forschung in Deutschland gilt. Der gleichen Meinung ist Thomas Carstensen vom Deckelhersteller Pano. Erklärung Nummer drei stammt von Burkhard Lingenberg, der beim Glashersteller Gerresheimer arbeitet. Bei seiner Version wird durch den Schlag Sauerstoff frei, der zum Beispiel im Orangensaft gelöst ist. Dadurch wird der Unterdruck im Glas geringer, und der Deckel geht leichter auf. Das sei ein ähnliches Phänomen wie beim Schütteln von Mineralwasser- oder Sektflaschen - auch dabei steigt der Innendruck im Gefäß an. Die beiden letzten Erklärungen unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Bei Version zwei dringt von außen Luft ins Glas, bei Version drei nicht. Laut Lingenberg ist der Prozeß auch
wieder umkehrbar, sofern man das Glas nach dem Schlag nicht öffnet: So wie sich eine geschüttelte Sektflasche wieder beruhigt, kann sich auch das Vakuum im Konservenglas wiederherstellen. Wenn dagegen tatsächlich Luft eindringt, ist das Vakuum zumindest reduziert, und es besteht sogar die Gefahr, daß der Inhalt verdirbt. So soll es früher manchmal schon Probleme gegeben haben, wenn eine Palette mit Konservengläsern ein wenig unsanft vom Gabelstapler abgestellt wurde, berichtet Carstensen - ein Risiko, dem man heute begegnet, indem man ein höheres Vakuum im Glas erzeugt. Fazit: Alle Experten sind sich einig, daß der Trick funktioniert, aber ihre Erklärungen widersprechen sich erheblich. Die Wissenschaft ist gefordert!
Trübe Brühe Cola löst über Nacht ein Stück Fleisch auf - Stimmt's? Stimmt nicht. Aber es passiert allerlei Ekliges, wie ein eigens für diese Kolumne durchgeführter Versuch beweist: Nach 24 Stunden in der Koffeinbrause hat sich das Stückchen Rinderfilet hellbraun gefärbt, ist sehr mürbe geworden und riecht übel. Die braune Farbe der Cola ist ausgefällt und schwebt in Gestalt unappetitlicher Flocken in der trüben Brühe. Auf der Oberfläche hat sich ein brauner Schaum gebildet. In den gleichzeitig angesetzten Gläsern mit Orangensaft, Mineral- und Leitungswasser ist es zu derartigen Prozessen nicht gekommen; das Fleisch ist lediglich aufgeweicht und ausgebleicht. Um die chemischen Eigenschaften von Cola ranken sich allerlei Geschichten und Legenden. Auch wenn die exakte Zusammensetzung von den Herstellern immer noch streng geheimgehalten wird, sind die wichtigsten aktiven Substanzen doch allgemein bekannt: Kohlensäure, Phosphorsäure und Zucker. Insbesondere die Phosphorsäure kann Wundersames bewirken: Die Geschichte mit dem rostigen Nagel beispielsweise ist wahr. Der löst sich nicht auf (da liegt wohl eine Verwechslung mit der Fleischlegende vor), aber er wird von der braunen Limo entrostet und erhält sogar noch einen grauen Antikorrosionsüberzug. Der chemische Hintergrund dabei: Die Phosphorsäure löst den Rost, also Eisenoxid, auf und bildet stattdessen eine Schicht aus Eisenphosphat (FePO4). So erklärt es Jens Decker von der Universität Regensburg, der zusammen mit seinen Kollegen den Schülerwettbewerb "Chemie im Alltag" ausrichtet, bei dem die Jugendlichen auch schon einmal Nägel in Cola einlegen mußten. Eine weitere Cola-Legende: Ein Zahn, in Cola eingelegt, löst sich über Nacht auf. Auch diese Geschichte stimmt nicht, hat aber einen wahren Kern: Tatsächlich greift die Brause den Zahnschmelz an, und wieder ist dafür die Phosphorsäure verantwortlich, die ein halbes Promille der Cola ausmacht. Das bestätigte im Jahr 1950 Clive M. McCay, ein Professor der renommierten Cor-
nell-Universität, vor einem Komitee des US-Repräsentantenhauses. Er berichtete von einem Versuch, bei dem die Zähne von Ratten, die nur Cola zu trinken bekamen, innerhalb eines halben Jahres fast vollständig verschwunden waren. Nur warnen kann man vor einem Rezept, das auf einer angeblichen Wunderwirkung von Coke und Pepsi beruht: eine Vaginaldusche mit Cola als Verhütungsmittel "danach". Zwar stimmt es, daß das säurehaltige Getränk eine gewisse spermizide Wirkung hat (am besten wirkt die Light-Variante, wie Forscher der Harvarduniversität herausfanden) - doch kommt sie meist zu spät, weil die Spermien auf ihrer fruchtbaren Mission schon zu weit vorgedrungen sind.
Geisterstimmen im Kopf Manche Menschen können mit ihren Zahnplomben Radio empfangen - Stimmt's? Stimmt nicht. Oder sagen wir vorsichtig: Es ist theoretisch nicht ganz ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich. Immer wieder wird von Fällen berichtet, in denen Menschen als "lebendige Radioempfänger" fungiert hätten. So stand 1934 in der New York Times ein Artikel über einen bedauernswerten, in Brasilien lebenden Ukrainer, der sich über ständigen Radioempfang im Kopf beklagte. "In diesen harten Zeiten", so die Times, "in denen viele sich ein Radio wünschen, es sich aber nicht leisten können, sollte dieser Ukrainer eigentlich sehr froh sein" über sein kostenloses Radio. Stattdessen klage er über Schlafstörungen und wünsche sich nichts sehnlicher als einen Aus-Schalter. Auf dieser anekdotischen Ebene bewegen sich die meisten entsprechenden Berichte. Um tatsächlich Radio im Kopf zu empfangen, müßten einige Bedingungen erfüllt werden, deren Zusammentreffen eine astronomisch geringe Wahrscheinlichkeit hat. Erstens: Man braucht eine Antenne, um die elektromagnetischen Wellen zu empfangen. Körperteile oder Fremdkörper wie Zahnplomben könnten durchaus als Schwingkreise fungieren und die Energie der Strahlung aufnehmen (auch wenn Plomben dazu eigentlich ein bißchen zu klein sind). So berichtet zum Beispiel im Internet ein gewisser David Bartholomew von einem Amateurfunkertreffen, bei dem er dicht neben einem Sender stand. "Plötzlich fühlte sich einer meiner Zähne, der eine schöne Füllung hatte, so an, als würde ein Zahnarzt ohne Betäubung darin bohren." Zweitens: Um nicht nur die Energie der Welle zu empfangen, sondern auch das Radioprogramm, braucht man einen "Demodulator". Denn die Radiowellen schwingen ja in einer viel höheren Frequenz als der Schall, das Tonsignal ist ihnen lediglich aufmoduliert - mittels Frequenz- oder Amplitudenmodulation. Irgendwie müßte im Mund eine Art Diode existieren. "Sie könnte durch
die Verwendung unterschiedlicher Metalle bei Zahnfüllungen mit halbleitenden Oberflächen entstehen", mutmaßt vorsichtig Professor Olaf Dössel vom Institut für Biomedizinische Technik der Uni Karlsruhe. Aber selbst wenn das der Fall wäre - das decodierte Signal müßte über irgendeine Art von Lautsprecher wiedergegeben werden. So etwas hat man normalerweise nicht im Kopf. "Zusammengefaßt: Radioempfang mit Zahnfüllungen ist so unwahrscheinlich, daß ich nicht daran glaube", sagt Dössel. Da ist die Chance schon größer, daß durch zufällige Konstellationen von Haushaltsgeräten ein primitiver Radioempfänger entsteht. Das behauptet jedenfalls Walter von Lucadou, der in Freiburg die parapsychologische Beratungsstelle leitet. Er konnte einen Fall angeblicher "Geisterstimmen" auf elektrische Wechselwirkungen zwischen einem Topf und einer Herdplatte zurückführen.
Schrumpfende Haut Haare und Fingernägel wachsen nach dem Tod weiter Stimmt's? Stimmt nicht. Außer wenn man besonders spitzfindig sein will (siehe unten). Das Phänomen sei ein "postmortales Artefakt", erklärt uns Markus Rothschild, Rechtsmediziner an der Freien Universität Berlin. Immer wieder gebe es Vorkommnisse dieser Art: Eine Leiche wird in der Klinik oder von einem Bestattungsunternehmen fachgerecht präpariert, wozu bei männlichen Toten auch eine Rasur gehört. Anschließend wird der Verstorbene in einem trockenen, gut gelüfteten Kellerraum gelagert. Und ein oder zwei Tage später hat er dann einen Stoppelbart, und die Angehörigen beklagen sich, der Verstorbene sei nicht richtig rasiert worden. Tatsächlich sind in einem solchen Fall aber nicht die Haare gewachsen. In Wirklichkeit ist die Haut ausgetrocknet und eingeschrumpelt, und dadurch sind die vorher verborgenen Bartstoppeln sichtbar geworden. Bei diesem Vorgang handele es sich um eine Vorstufe der Mumifizierung, erklärt Rothschild, wie sie auch bei Toten zu beobachten ist, die lange in einer trockenen Wohnung gelegen haben. Von Haarwachstum kann bei Toten keine Rede sein - mit dem Tod kommen alle Lebensprozesse zu einem absoluten Stillstand. Das sollte eigentlich Basiswissen jedes Medizinstudiums sein trotzdem glaubt die Hälfte der fortgeschrittenen Medizinstudenten, die etwa im neunten Semester in die Rechtsmedizin kommen, an die Wachstumslegende. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, aber da tritt ein weiterer Berliner Wissenschaftler auf den Plan: Professor Manfred Dietel, Pathologe an der Charite. "Die Haare wachsen nach dem Tod kurze Zeit weiter", erklärt der. Denn Tod ist nicht gleich Tod: Während das Gehirn als erstes stirbt (und der Hirntod wird heute als der "offizielle" Todeszeitpunkt angesehen), leben andere Zellen im Körper weiter. Bindegewebszellen, zu denen auch die
haarproduzierenden gehören, können durchaus noch einige Stunden funktionieren. Viel Haar, da sind sich die Experten einig, können diese Zellen im Todeskampf allerdings nicht mehr produzieren. "Das sehen Sie nicht", sagt uns eine dritte Stimme der Wissenschaft, der Rechtsmediziner Professor Helmut Maxeiner von der Freien Universität. Auf jeden Fall ins Reich der Fabel gehören Geschichten, wie sie der Schriftsteller Gabriel Garca Marquez in seinem Roman "Von der Liebe und anderen Dämonen" erzählt. Dort wird berichtet, wie das Grab eines Mädchens geöffnet wird, dem noch kurz vor dem Tod die Haare geschnitten worden waren. "Der Grabstein sprang beim ersten Schlag mit der Hacke in Stücke, aus der Öffnung ergoß sich, leuchtend kupferfarben, eine lebendige Haarflut."
Funzel unter der Bettdecke Lesen bei schwacher Beleuchtung schädigt die Augen - Stimmt's? Stimmt. Die Anregung für die Folge dieser Woche stammt von den drei Aachener Physikstudenten. Sie fragen per E-Mail an: "Macht Lesen bei schlechtem Licht die Augen kaputt?" Außerdem treibe sie die Frage um, ob sie von der brummenden Neonbeleuchtung in ihrem Institut schädliche Wirkungen zu befürchten hätten. Reden wir erst einmal vom schwachen Licht. Die Studenten tippten übrigens auf "Stimmt nicht" und befinden sich damit in Übereinstimmung mit allen medizinischen Ratgebern. Dort steht, die Warnung unserer Mütter und Väter ("Kind, lies doch nicht bei diesem Schummerlicht, du verdirbst dir ja die Augen!") sei unberechtigt. Zwar könne Lesen bei schlechter Beleuchtung zu Augenbrennen, Ermüdung und Kopfschmerzen führen - eine dauerhafte Schädigung der Augen sei jedoch ausgeschlossen. Nur eine Überdosis Licht könne gefährlich sein, zuwenig Licht niemals. Aber hat das jemals jemand überprüft? Und wie überprüft man das? Man kann natürlich Fehlsichtige reiferen Alters befragen, ob sie in ihrer Kindheit viel mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen haben - sehr objektiv ist das allerdings nicht. Privatdozent Frank Schaeffel, Neuroophthalmologe an der Tübinger Uniklinik, ging einen anderen Weg: Er stellte Versuche mit Hühnern an. Die können bekanntlich nicht lesen, doch kann man studieren, ob ihre Augen schlechter werden, wenn sie längere Zeit in ständigem Dämmerlicht leben müssen. Und siehe da: "Geringe Helligkeit des Bildes auf der Netzhaut in Zusammenhang mit geringem Bildkontrast führen im Tiermodell des Huhns zu Kurzsichtigkeit." Für diese Forschungen erhielt Schaeffel 1996 sogar den mit 250.000 Mark dotierten Max-PlanckForschungspreis. Zum zweiten Teil der Frage unserer drei Leser, nämlich dem Flackern von Neonröhren, bemerkt Schaeffel, daß unser Auge zu träge ist, deren Frequenz von fünfzig Hertz überhaupt aufzulösen.
Und auch bei seinen Hühnern, die ein so schnelles Flackern sehr wohl wahrnehmen können, hätten sich nie negative Folgen gezeigt. Es ist also Zeit für eine Entschuldigung bei allen Eltern, über deren Alltagsweisheiten schon gespöttelt wurde. Diesmal, liebe Eltern, seid ihr im Recht! Und durch die Forschungsergebnisse, die an Schaeffels Hühnern gewonnen wurden, läßt sich vielleicht endlich auch erklären, warum so viele Intellektuelle eine Brille tragen: Sie haben als Kinder einfach zuviel unter der Bettdecke gelesen.
Rausch durchs Rohr Wer ein alkoholisches Getränk mit einem Strohhalm trinkt, wird schneller betrunken - Stimmt's? Stimmt. Ein vorsichtiges "Stimmt" an dieser Stelle - denn der exakte wissenschaftliche Nachweis für diese Alltagsweisheit fehlt noch. Offenbar schrecken die Forscher vor Selbstversuchen zurück, Herve This-Benckhard zum Beispiel ("Rätsel der Kochkunst - naturwissenschaftlich erklärt"), der uns in einer anderen Folge schon einmal mit seinem wissenschaftlichen Rat zur Seite gestanden hat. Zum Thema Strohhalm schreibt er: "Ich habe das gemacht, als ich jünger war, und ich werde das Experiment nicht wiederholen. Tun Sie es selbst, und sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie sich davon erholt haben." Und wer einmal im "Ballermann 6" war, der ist bestimmt davon überzeugt, daß sich die Touristen dort die Sangria nicht nur aus Geselligkeitsgründen per Trinkhalm einflößen. Unter den Ernährungswissenschaftlern gilt die Professorin Christiane Bode von der Universität Hohenheim als ausgewiesene Expertin für die Wirkung von Alkohol auf den menschlichen Körper. Sie glaubt, daß man tatsächlich mit Strohhalm schneller betrunken wird, und hat auch gleich zwei wissenschaftliche Erklärungen dafür parat. Faktor eins: Durch den Strohhalm wird das Getränk in kleineren Mengen durch den Mund befördert, die Mundschleimhaut wird besser "bespült", ein größerer Teil des Alkohols kann schon im Mund resorbiert werden und ohne den zeitraubenden Umweg über den Verdauungstrakt ins Blut gelangen (eine ähnliche Wirkung könnte man also durch Gurgeln erzielen). Die Folge: Der Rausch tritt schneller ein. Faktor zwei: Im Magen findet ein geheimnisvoller, "präsystemische Elimination" genannter Vorgang statt. Das heißt, dort wird durch ein Enzym namens Alkoholdehydrogenase (ADH) ein gewisser Anteil des Alkohols direkt abgebaut, ohne den Umweg über Blutkreislauf und Leber zu gehen.
Wenn aber schon im Mund Alkohol resorbiert worden ist, kann weniger durch diese präsystemische Elimination unschädlich gemacht werden. Es gelangt also insgesamt mehr Sprit ins Blut, der Rausch ist stärker. Aber, wie gesagt, das ist nur eine mögliche Erklärung durch eine ausgewiesene Expertin. Einen eindeutigen und quantifizierbaren Beleg für das Phänomen könnte nur ein kontrollierter, objektiver Versuch bringen. Vorschlag: Vielleicht findet sich ja eine Runde von Staatsanwälten, die bei einem ihrer obligatorischen Alkoholselbstversuche die Theorie in der Praxis überprüft.
Aufgewärmte Pilze Ein Glaubenssatz meiner Großmutter wurde mir von Köchen und anderen Experten bestätigt, aus Selbstversuchen kann ich ihn aber nicht nachvollziehen: Man wärmt keine Pilze auf, dadurch werden sie giftig. Vielleicht können Sie einmal dieser Frage nachgehen und ungezählte Pilze vor dem Gang in die Komposttonne bewahren! Es gibt giftige Pilze und ungiftige. Es gibt auch die Möglichkeit, daß sich bestimmte Inhaltsstoffe von Lebensmitteln beim Erwärmen chemisch verändern und ihre Schädlichkeit verlieren. Daß aber erst beim zweiten Erwärmen Giftstoffe entstehen sollen, dafür gibt es keine Anhaltspunkte - weder bei Pilzen noch bei Spinat, noch bei anderen Lebensmitteln. Wenn es so wäre, dürfte man keine Tiefkühlpizza mit Pilzen essen: Die sind vorher auch schon einmal gegart worden. Den Hintergrund von Großmutters Regel erläutert der "Lebensmittelführer" von Günther Vollmer, ein Standardwerk der Ernährungswissenschaft: "Da Pilze sehr leicht verderblich sind, bestanden früher Bedenken, Reste von Pilzgerichten wieder aufzuwärmen. Bei Nutzung der heutigen Kühlmöglichkeiten im Haushalt stellt dies jedoch kein Problem mehr dar." Nachtrag (aus meinem Stimmt's-Buch): Ein anderes Problem stellt sich beim Spinat. Dort besteht tatsächlich die Möglichkeit, daß sich durch mehrmaliges Erwärmen oder langes Warmhalten Nitrat in Nitrit verwandelt und schließlich das Nitrit in giftige Nitrosamine, die vor allem für Kinder gefährlich werden können. Als ich in meiner ZEIT-Kolumne das Aufwärmen von Spinat für unbedenklich erklärte, griffen einige Leserinnen und Leser empört zur Feder. Immerhin warnen sogar die Hersteller von Tiefkühlspinat auf den Packungen vorsorglich vor dem Aufwärmen. Deshalb habe ich noch einmal wissenschaftlichen Rat eingeholt. Olaf Grüß, Lebensmitteltechnologe an der Universität Bonn, schrieb mir dazu:
"Es ist zwar richtig, daß sich durch erneutes Erwärmen von Spinat das enthaltene Nitrat zu Nitrit und weiter zu krebserregenden Nitrosaminen umwandelt, jedoch ist die Angst nur sehr bedingt gerechtfertigt. Sie rührt wahrscheinlich aus der guten alten Zeit, wo sonntags ein großer Topf mit Spinat gekocht wurde, der dann die gesamte Woche über vornehmlich von Kindern verzehrt wurde. Hierfür wurde der Spinat natürlich immer wieder aufgewärmt oder auch in einem durch warmgehalten, denn schließlich hat man ja mit dem Herd auch geheizt. Das Phänomen der Blausucht trat dann teilweise bei Kindern auf, woraus bis heute geschlossen wird, daß sich Spinat beim zweiten Aufwärmprozeß ‚automatisch in Gift umwandelt’. Das Problem der Nitrosamine ist sicherlich ein ernstes, aber doch bitte da, wo es wirklich offen barist und nicht bei Gemüse. Eine gegrillte Wurst, Pökelwaren und Brot mit sehr dunkler Kruste sind Lbensmittel, bei denen das Problem eher offenkundig wird."
Über Nacht ergraut Ist es möglich, über Nacht graue Haare zu bekommen? Nein, auch wenn in der Literatur immer wieder Fälle auftauchen, in denen ein psychischer Schock solche Folgen nach sich zieht. Schon Grimmelshausen erzählte im "Simplicissimus" von einem Mann, dessen Haare und Bart eines Morgens grau waren, "wiewohl er den Abend als ein dreißigjähriger Mann mit schwarzen Haaren zu Bette gegangen sei". Solche Geschichten können nicht stimmen: Haare bestehen aus toten Zellen, ähnlich wie Fingernägel. Sind die Farbpigmente einmal drin, bleiben sie es. Graue (also farblose) Haare können nur von der Wurzel her nachwachsen, der Prozeß ist also ein allmählicher. Eine mögliche Erklärung für ein scheinbar schnelles Ergrauen: Bekanntlich übt die Psyche Einfluß auf das Immunsystem aus. Nun gibt es eine Autoimmunkrankheit mit dem Namen Alopecia areata diffusa, bei der die Kopfhaare ausfallen - teilweise recht schnell, wenn auch nicht über Nacht. Aus ungeklärten Gründen sind die pigmentierten Haare anfälliger. Die grauen Haare, die bereits vorher da waren, bleiben übrig und fallen nun mehr auf.
Sterne aus dem Brunnen Von Kindesbeinen an beschäftigt mich folgende Mär: Vom Grund eines hinreichend tiefen Brunnens aus sieht man auch am Tage Sterne. Eine persönliche Verifizierung steht noch aus, da es mir stets an Brunnen gebrach. Die "persönliche Verifizierung" können Sie sich sparen, Herr Keimling - man sieht nichts. Zwar schrieb schon Aristoteles, daß dies möglich sei, aber der behauptete ja auch, daß Männer mehr Zähne hätten als Frauen. Der britische Physiker David W. Hughes hat 1983 im Quarterly Journal of the Royal Academic Society das Ergebnis einer peniblen Untersuchung veröffentlicht. Danach hat außer den Planeten Venus, Mars und Jupiter nur der Stern Sirius eine Chance, bei Tag gesichtet zu werden. Die anderen Sterne überstrahlt das Sonnenlicht, und das läßt sich nicht ausblenden - durch die Streuwirkung der Atmosphäre ist der Himmel überall hell. Übrigens ist es selbst bei Nacht schwer, Sterne durch eine Röhre einen Kamin oder auch eine Papprolle - zu erspähen: Ist das Rohr zehnmal so lang wie sein Durchmesser, sieht man zumindest in der Stadt in zwei von drei Fällen überhaupt nichts, weil der entsprechende Ausschnitt des Himmels zu klein ist.
Sinnloses Gekratze Durchfallende Geldstücke scheuert man gern am Automaten blank - davon zeugen die Kratzspuren an unzähligen Fahrkartenund Getränkeautomaten. Fallen die "bescheuerten" Münzen tatsächlich seltener durchs System? Nein. "Das ist alles Parapsychologie", sagt dazu Nikolaus Ganske, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Warenautomatenaufsteller. Moderne Münzprüfer, wie sie in Zigaretten- oder Fahrscheinautomaten eingebaut sind, testen drei Eigenschaften der eingeworfenen Münzen: Abmessungen, Gewicht und magnetischen Anteil (Parkuhren sind primitiver, deshalb kann man sie relativ leicht täuschen). Keine dieser drei Größen wird durch das Reiben verändert. Allenfalls stark verschmutzte oder rostige Münzen, die der Automat nicht akzeptiert, kann man durch Kratzen gängig machen. Eine nicht parapsycho-, aber logische Erklärung, warum viele Zeitgenossen schaben: Nehmen wir an, die Münze ist leicht fehlerhaft, so daß sie nur mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit vom Gerät akzeptiert wird. Nun fällt sie beim ersten Mal durch. Der Mensch reibt sie am Gehäuse, wirft sie wieder ein - dann führt das Reiben in neun von zehn Fällen zum Erfolg!
Der Raucher und die Kerze Benutze man zum Anzünden einer Zigarette eine Kerzenflamme anstatt eines Feuerzeugs oder eines Streichholzes, so sei der erste Zug aus der Zigarette zehnmal so schädlich. Und zehn Seeleute, so heißt es, müßten dann sterben ... Stimmt's? Lassen wir die Sache mit den Seeleuten einmal außen vor. Was die Schädlichkeit der Kerzenflamme angeht, so kann bedenkenlos Entwarnung gegeben werden. 1994 hat eine Gruppe von Forschern den Schadstoffgehalt von Kerzen untersucht. Ergebnis: Die Emissionen der Flamme liegen "um ein Vielfaches unterhalb des Wertes, den eine brennende Zigarette verursacht". Das gilt zwar zunächst nur für die passiv eingeatmeten Verbrennungsprodukte, ist aber nach Auskunft von Professor Otto Hutzinger von der Universität Bayreuth, einem der Autoren der Studie, auch auf das Anzünden an der Kerzenflamme übertragbar. Das Schlimmste, was der Raucher von der Kerze zu befürchten hat, ist eine geschmackliche Beeinträchtigung, etwa durch unvollständig verbrannte Wachspartikel. Der Krebs kommt vom Tabak, nicht vom Paraffin.
Bare Münze Es wird immer behauptet, der Materialwert unserer Kupfermünzen (ein und zwei Pfennig) sei höher als der Nennwert. Stimmt's? (Wenn ja, wie ließe er sich realisieren? Hintergrund meiner Frage: Meine Tochter hat uferlose Mengen Münzen der genannten Art zwecks Brautschuhkauf gesammelt.) Sie werden sich wohl die Mühe machen müssen, die Münzen zu sortieren und zu rollen, um sie dann bei der Bank einzuwechseln. Beim Schrotthändler können Sie jedenfalls kein Geschäft erwarten. Unsere Ein- und Zweipfennigstücke bestehen aus einem Stahlkern, der beidseitig mit einer Kupferauflage versehen ist. Die Herstellungskosten betragen 2,5 beziehungsweise 3,5 Pfennig darin ist der Materialwert bereits enthalten. Aber wieviel kann man davon wieder erlösen? Kurze Überschlagsrechnung: 500 Pfennigstücke (Nennwert also fünf Mark) wiegen ein Kilogramm. Ein Schrotthändler zahlt für reines Kupfer je nach Sorte zwischen 1,50 und 3,20 Mark pro Kilo. Selbst wenn der Pfennig komplett aus dem edleren Metall Kupfer bestünde und die Anteile nicht wieder voneinander getrennt werden müßten, kämen Sie also auf keinen Fall auf die fünf Mark.
Rasieren nutzlos Jünglinge in der Pubertät hoffen, daß durch regelmäßige Rasur ihre Barthaare schneller wachsen und der Bart dichter wird. Frauen, die sich die Beine rasieren, fürchten, daß die ungeliebten Härchen nach der Rasur umso eifriger sprießen. Stimmt es, daß der Haarwuchs durch regelmäßiges Schneiden oder Rasieren beeinflußt werden kann? Diese Ansicht ist eine Legende, schreibt Professor Eberhard Heymann von der Universität Osnabrück in seinem Lehrbuch "Haut, Haar und Kosmetik". "Sie beruht auf der Beobachtung, daß bei jungen Männern der Bart zunächst als Flaum sprießt und in der Zeit, in der man sich üblicherweise zu rasieren beginnt, in sehr dicke Haare übergeht." Jedes einzelne Haar am Körper durchlebt einen Zyklus: Zunächst sprießt es schnell, aber allmählich kommt das Wachstum zum Stillstand. Nach einer Ruhephase fällt das Haar aus, und ein neues wächst nach. Ob es zwischendurch geschnitten wird, ist dabei völlig egal - die Wurzel "weiß" nicht, was mit dem Haar draußen passiert. Die Stoppeln etwa an den Beinen wirken nur deshalb kräftiger, weil das Haar an seiner dicksten Stelle abgeschnitten wurde und nun nicht mehr spitz zuläuft.
Licht, das die Nase kitzelt Angeblich bringt es einen zum Niesen, wenn man bei Kribbeln in der Nase in helles Licht sieht. Mich würde sehr interessieren, ob an dieser Behauptung etwas dran ist und, wenn ja, ob es sich wissenschaftlich erklären läßt. Die Tatsache, daß Sie diese Frage stellen, läßt darauf schließen, daß Sie zu der Mehrheit von etwa achtzig Prozent unserer Mitmenschen gehören, die nicht über den "photischen Niesreflex" (photic sneeze reflex) verfügen. Das restliche Fünftel wundert sich gewiß, wie man ein so alltägliches Phänomen überhaupt bezweifeln kann. Über die Ursachen dieses Reflexes hat schon der englische Philosoph Francis Bacon nachgedacht. Er schrieb im Jahr 1635, das Licht ziehe Wasser aus dem Gehirn, das dann die Augen zum Tränen bringe und auch in den Nasentrakt gelange. Heute wird das Phänomen eher auf elektrische Vorgänge zurückgeführt: Der Sehnerv und der mit der Nase verbundene Trigeminusnerv, so erklärt es N. Deshmukh in der medizinischen Zeitschrift The Guthrie Journal, kommen sich im Gehirn sehr nahe, so daß der Reiz vom einen auf den anderen überspringen kann. Regelrecht gefährlich werden kann der Reflex für Autofahrer und Piloten.
Müde macht müde Stimmt es, daß Gähnen ansteckend ist? Ja. Und die Wissenschaft vermutet, daß der Mechanismus derselbe ist wie beim Lachen, das ebenfalls auf andere überspringen kann. "Empathie" heißt die Fähigkeit des Menschen, Gefühlsregungen seiner Artgenossen nachzuempfinden. Schon Säuglinge ahmen unwillkürlich die Mimik ihrer Eltern nach, Gähnen inklusive. Wenn uns jemand etwas Trauriges erzählt, schauen wir traurig. Ist der andere gut gelaunt, blicken auch wir zuversichtlich aus der Wäsche. Wissenschaftler haben herausgefunden, daß nicht nur das Gefühl die Mimik prägt, sondern daß dies auch umgekehrt gilt: Indem wir den anderen nachahmen, beschwören wir auch die entsprechenden Gefühle in uns herauf. So erzeugt das Konservenlachen in Fernsehkomödien tatsächliche Belustigung - und das ansteckende Gähnen führt zu tatsächlicher Müdigkeit. Das läßt sich übrigens auch bei Affen beobachten, was auf eine lange evolutionäre Tradition hindeutet. Offenbar war es für unsere Vorfahren wichtig, daß die ganze Horde gleichzeitig zu Bett ging - schon allein damit keiner den Schlaf der anderen für üble Machenschaften ausnutzen konnte.
Nikolaus & Osterhase Gelegentlich wird behauptet, daß übriggebliebene Schokoladennikoläuse durch neue Verpackung oder durch Umschmelzen zu Osterhasen werden. Sie müssen nicht befürchten, daß sich in Ihrem schönen SchokoOsterhasen ein alter Nikolaus verbirgt. Jedenfalls weisen die Schokoladenhersteller solche Unterstellungen weit von sich. Hans Imhoff, Chef der Firma Stollwerck, schreibt uns, daß "in einer gut geführten Schokoladenfabrik keine Saisonartikel übrigbleiben". Der Handel müsse sehen, wie er die Ware los wird indem er sie billiger verkauft oder an Wohlfahrtsorganisationen spendet Bernd Schartmann von Lindt & Sprüngli bestätigt, daß eine Rücknahme "allein schon aus rechtlichen Gründen" ausscheidet. "Zudem ist leicht vorstellbar, daß unser Anspruch an Warenfrische ein solches Vorgehen nicht vertretbar macht." Es gibt allerdings "multifunktionale" Schokoformen, die, je nach Umwicklung, als Hase wie als Nikolaus verwendbar sind. Dabei geht es jedoch nicht um die Verwertung von Resten. Die Hersteller sparen lediglich Kosten dadurch, daß sie die Gußform mehrmals verwenden können.
Buchen bloß nicht suchen! Ich würde gern wissen, was es mit der Volksweisheit zum Verhalten bei Gewitter auf sich hat: "Vor Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen!" Recht hat der Volksmund mit den Eichen, auch: "Die Fichten wähl' mitnichten" und: "Die Weiden mußt du meiden" sind korrekte Verhaltensregeln. Fatal kann es allerdings für Buchensucher ausgehen: Baum ist Baum bei Gewitter, es gibt keine Unterschiede bei der Blitzgefahr. Das sagt jedenfalls die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: "Nach neuesten Erkenntnissen ist es nicht so, daß manche Baumarten tatsächlich seltener getroffen werden, sondern der Blitzschlag wird unterschiedlich sichtbar." Die dicke, zerklüftete Borke der Eiche saugt das Wasser wie ein Schwamm auf und wird so sehr empfänglich für die elektrische Entladung. Die glatte Buchenrinde dagegen leitet den Blitz direkt in den Boden, ohne daß sichtbare Schäden entstehen. In beiden Fällen ist jedoch die Gefahr für den Schutzsuchenden gleich groß. Empfehlung für das richtige Verhalten bei Gewitter: Sich auf dem freien Feld, möglichst in einer Mulde, hinhocken und die Füße dicht beieinander lassen!
Raumfahrt kam später Teflon ist ein Nebenprodukt der Weltraumforschung - oder? Nein. Die Geburtsstunde des Wunderkunststoffs schlug bereits am 6. April 1938. Roy Plunkett, der für die Chemiefirma DuPont nach neuen Kältemitteln forschte, hatte eine Flasche mit einer gasförmigen Fluorverbindung einige Tage auf seinem Schreibtisch stehenlassen, und die Substanz hatte sich in ein weißes Pulver verwandelt: Polytetrafluorethylen. Die Forscher hatten zunächst keinen Schimmer, was man mit dem Zeug anfangen sollte, das mit keinem bekannten chemischen Stoff reagierte. Es wurde zuerst von den Vätern der Atombombe eingesetzt, die damit Behälter für aggressive Uranverbindungen überzogen. 1954 kam der Franzose Marc Gregoire auf die Idee, Pfannen mit dem abweisenden Kunststoff zu beschichten. Erst viel später fanden die Weltraumforscher eine Verwendung für Teflon: Mehrere hundert Kilo davon hatten die Apollo-Kapseln an Bord - in Form von Kabelisolierungen, Hitzeschutzkacheln und in den Fasern der Raumanzüge. Und die Frage, wie denn nun das reaktionsfeindliche Teflon an der Pfanne haftet, klären wir ein anderes Mal.
Und sie fliegt doch! Ein Physiklehrer hat uns einmal erzählt, daß die Hummel aufgrund ihrer Aerodynamik, ihres Gewichts, ihrer Flügelfläche nach den Gesetzen der Physik gar nicht fliegen könne. Weil sie aber von besagten Gesetzen keine Ahnung hat, fliegt sie trotzdem. Stimmt's? Was Hummeln von den Naturgesetzen verstehen, kann ich nicht beurteilen. Der Mensch tappte jedenfalls bis vor kurzem bezüglich des Hummelflugs ziemlich im dunkeln. "Insekten können nicht fliegen, gemäß den konventionellen Gesetzen der Aerodynamik", begann ein Artikel von Charles Ellington und Kollegen, der im Dezember 1996 in der Zeitschrift Nature erschien. Die Forscher untersuchten das Flugverhalten von Insekten im Windkanal (wegen der größeren und langsamer schlagenden Flügel wählten sie Motten). Die anströmende Luft wurde mit Rauch versetzt, so daß mit einer Hochgeschwindigkeitskamera Photos der Strömung gemacht werden konnten. Ergebnis: Für den größten Teil des Auftriebs sorgt nicht das Flattern, sondern ein bis dahin unbekannter zylinderförmiger Wirbel an der Flügelvorderseite der Insekten. Und seitdem stimmt die Rechnung.
Kerne im Blinddarm Seit Kindheitstagen ist mir der Ratschlag in Erinnerung, beim Verzehr von Äpfeln und Apfelsinen tunlichst darauf zu achten, die Kerne derselben nicht zu verschlucken, da dies zu einer Blinddarmentzündung führen würde. Stimmt's? "Geräth ein Kirschkern in des Jüngsten Magen, / Wie leicht ist das Organ dadurch verletzt; / Hat er im Blinddarm gar sich festgesetzt, / Beschließt der Arzt, das Äußerste zu wagen" - so reimte schon die unbekannt gebliebene Poetin Alwine Maier im 19. Jahrhundert. Hatte sie recht? Jawohl, es kommt vor, daß Blinddarmentzündungen durch Fremdkörper hervorgerufen werden, die sich im Appendix festgesetzt haben. Das können theoretisch auch Apfel- oder Apfelsinenkerne sein - Kirschkerne sind schon zu groß für die etwa zwei bis drei Millimeter große Öffnung zwischen Darm und Wurmfortsatz. Das berichtet Professor Jakob-Robert Izbicki, Chirurg am Hamburger Universitätskrankenhaus. Aber die Gefahr ist vernachlässigbar klein, und sicherlich ist vor allem für Kleinkinder das Risiko, an den Kernen zu ersticken, größer. Professor Izbicki jedenfalls ißt leidenschaftlich gern Äpfel - samt Kerngehäuse.
Je langsamer, desto nasser Wenn man durch den Regen muß, dann wird man weniger naß, wenn man rennt. Stimmt das? Was tun Sie denn instinktiv, Herr Bailly? Wahrscheinlich rennen Sie. Und machen damit genau das Richtige. Das wissenschaftliche Argument, vorgetragen in der Fachzeitschrift Weather, lautet etwa so: Stellen Sie sich vor, Sie wären ein aufrecht gehender Ziegelstein. Dann werden im Regen hauptsächlich Ihre vordere und Ihre obere Seite naß. Wieviel die Frontpartie abkriegt, hängt nur von der zurückgelegten Entfernung ab Sie nehmen sozusagen alle Tropfen mit, die sich in dem durchquerten Raum befinden. Wieviel Wasser Sie von oben trifft, hängt dagegen von der Zeit und damit von der Geschwindigkeit ab - je länger Sie im Regen sind, um so nasser werden Sie. Deshalb ist es sinnvoll, sich zu beeilen. Differenzen gab es zwischen den Forschern lediglich darüber, wieviel weniger Wasser man beim Rennen abbekommt. Schließlich machten die Amerikaner Thomas Peterson und Trevor Wallis den Praxistest. Ergebnis: Der sprintende Wallis bekam vierzig Prozent weniger Tropfen ab als sein langsam schreitender Kollege.
Kein Kopf im Sand Stecken Strauße bei Gefahr den Kopf tatsächlich in den Sand? Nein. Strauße sind nicht so dumm wie die Menschen, auf die jene Redensart metaphorisch angewandt wird. Lassen wir den alten Tierfreund Bernhard Grzimek sprechen. Der schreibt in seinem mehrbändigen Standardwerk "Grzimeks Tierleben": "Wenn ein Strauß wegläuft, dann kann es geschehen, daß er auf einmal verschwunden ist, obwohl er noch gar nicht den Horizont erreicht hat. Geht man ihm nach, sieht man ihn mit lang ausgestrecktem Hals flach auf der Erde sitzen. Daher stammt wohl das Märchen von dem Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt und glaubt, nicht gesehen zu werden." Vor allem halbwüchsige Strauße, berichtet der Biologe, legten sich gern so hin. Komme man ihnen zu nahe, so würden sie jählings aufspringen und davonsausen. Die Mär vom Straußenkopf im Sand ist nach Grzimek schon uralt: Sie stammt von den alten Arabern. Die Römer und alle späteren Bücherschreiber hätten die Geschichte ungeprüft abgekupfert. Zum Glück schreiben wir nur bei Autoritäten wie Grzimek ab!
Ausschalten spart Strom In unserer WG tobt allabendlich der Kampf darum, ob das Küchenlicht ausgeschaltet werden soll. Ein Mitbewohner behauptet, kurz nach dem Einschalten verbrauche eine Lampe am meisten Strom. Es sei daher sinnvoller, sie in einem fort bis spät abends brennen zu lassen. Stimmt's? Auch für Ihren WG-Mitbewohner gilt: Grundsätzlich Licht aus! Das spart Strom, und man muß auch nicht häufiger neue Birnen kaufen. Zum Verbrauch: Der hängt bei gewöhnlichen Glühbirnen wirklich nur von der Brenndauer ab. Leuchtstoffröhren haben einen Starter, der während des Aufflackerns die fünffache Energiemenge aufnehmen kann. Weil das aber sehr schnell geht, wird dieser Zusatzverbrauch schon durch eine Sekunde "Dunkelzeit" eingespart. Die Lebensdauer einer Birne oder Röhre sinkt tatsächlich durch häufiges Ein- und Ausschalten. Diese Lebensdauer bezieht sich aber immer nur auf eine mögliche Brenndauer: Wenn die Lampe durch Ein- oder Ausschalten zehn Prozent an Lebensdauer einbüßt, die Lampe insgesamt aber zwanzig Prozent weniger brennt, eben weil sie immer wieder ausgeschaltet wurde, dann hält die Lampe insgesamt länger.
Zwei halbe Regenwürmer Beim Umgraben im Garten bemühe ich mich, möglichst keinen Regenwurm zu lädieren. Irgend jemand hat mir aber erzählt, daß auch bei einem halbierten Regenwurm die zwei Teile jeweils weiterleben. Stimmt's? Aus einem Regenwurm werden durch Zerteilung niemals zwei. Das Hauptproblem ist dabei der Kopf: Ein Wurm besteht aus bis zu 180 ringförmigen Segmenten, und wenn man davon am Kopfende mehr als fünfzehn abschneidet, so wächst dem verbliebenen Schwanz kein neuer Kopf - er muß also meistens verenden. Ein Wurm ohne Schwanz kann dagegen überleben, denn "das Hinterende ist in besonderem Maße zur Regeneration fähig", wie es in einem Standardwerk der Regenwurmforschung heißt. Aber auch diese Fähigkeit nimmt zum Kopfende hin ab. Ein kurzes Kopfstückchen kann daher keinen neuen Schwanz erzeugen. Bei niederen Würmern, etwa den Strudelwürmern, liegt die Sache anders - für sie ist die Teilung sogar eine Methode der Fortpflanzung. "So einen Wurm können Sie im Extremfall durch ein Sieb passieren und erhalten Hunderte neuer Würmer", erklärt Bernhard Ruthensteiner von der Zoologischen Staatssammlung in München.
Schlaf ist Schlaf Der Volksmund sagt: "Der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste." Schläft man tatsächlich von 22 Uhr bis 6 Uhr gesünder als von 2 Uhr bis 10 Uhr? Die Schlafforscher konnten zwar bislang nicht erklären, wieso der Mensch schläft, dafür wissen sie aber einiges darüber, wie er schläft. So ist der Schlaf in den ersten beiden Stunden (genauer gesagt: vor der ersten REM-Phase) am tiefsten und hat die erholsamste Wirkung. Wenn Sie also um zehn ins Bett zu gehen pflegen, dann ist der Schlaf vor Mitternacht am gesündesten. Und wenn Sie diesen gewohnten Rhythmus durcheinander bringen und ausnahmsweise erst um zwölf schlafen gehen, dann reagiert der Körper verstört, so daß Sie am nächsten Morgen das Gefühl haben, genau diese zwei Stunden hätten Ihnen gefehlt. Ist Ihr Körper dagegen auf einen späteren Schlafzyklus eingestellt, so liegt auch die wichtige Phase des "goldenen Schlafes" später. Unsere "innere Uhr" schert sich herzlich wenig um die tatsächliche Uhrzeit. Gewohnheitsmäßige Nachtschwärmer müssen also keine Gesundheitsschäden befürchten - jedenfalls nicht wegen des späten Zubettgehens.
Leuchtende Bretter Es heißt immer wieder: Faules Holz leuchtet im Dunkeln stimmt's? "Es gibt ein Verstummen, ein Vergessen alles Daseins, wo uns ist, als hätten wir alles verloren, eine Nacht unsrer Seele, wo kein Schimmer eines Sterns, wo nicht einmal ein faules Holz uns leuchtet", schrieb Friedrich Hölderlin düster im "Hyperion". Aber die Antwort auf Ihre Frage liegt nicht im dunkeln: Faulendes Holz kann tatsächlich leuchten. Verantwortlich für diese sogenannte Bioluminiszenz ist der Hallimasch, ein zwar eßbarer, aber nicht sonderlich delikater Pilz. Dieser Parasit siedelt sich gern auf Holz an - ein Befall, der für den Baum meist tödlich endet. Tatsächlich leuchtet nicht der Pilz, sondern sein Mycel, ein wurzelartiges Geflecht, das die Baumrinde durchdringt und so dem Holz einen grünlichen Schimmer verleiht. Eine nicht zu verifizierende Legende besagt, daß sich im Ersten Weltkrieg Soldaten leuchtende Holzstücke an die Stahlhelme geheftet haben, um in den Schützengräben nicht zusammenzustoßen. Welchen biologischen Nutzen der Pilz aus seiner Leuchtkraft zieht, ist der Wissenschaft übrigens ein Rätsel.
Kalte Platten sättigen auch Bei der Diskussion um unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten fällt oft der Satz: "Eine warme Mahlzeit pro Tag muß sein!" Hat tatsächlich die Temperatur einer Mahlzeit einen solchen Einfluß auf die Ernährung des Menschen? Nein. Es ist völlig wurst, ob Sie Ihr Essen kalt oder warm zu sich nehmen, solange Sie dem Körper die richtigen Nährstoffe in der richtigen Mischung zuführen. Unsere keulenschwingenden Vorfahren, denen wir biologisch weitgehend gleichen, haben ja vor der Erfindung des Feuers auch meist kalte Snacks zu sich genommen. Der Sinn der Regel ist ein anderer: Viele Lebensmittel, die wir in gekochten Mahlzeiten zu uns nehmen, können wir im Rohzustand gar nicht essen - etwa Kartoffeln oder Bohnen. Bei Fleisch kommt noch der hygienische Aspekt hinzu: Es wird durch Kochen oder Braten haltbarer, weil auf diese Weise Keime abgetötet werden. Darüber hinaus enthalten die klassischen warmen Mahlzeiten, die viele von uns täglich zu sich nehmen, meist eine sinnvolle Mischung aus Eiweiß, Kohlenhydraten, Fett und Vitaminen. Und schließlich: Vieles schmeckt in warmem Zustand einfach besser.
Wassertrinken schadet nicht Ein Abzählvers aus meiner Kinderzeit lautete: "Kirschen gegessen / Wasser getrunken / übel geworden / ins Krankenhaus gekommen." Ist da was dran? Bei der Beantwortung Ihrer Frage hilft uns wieder einmal Antal Bognar von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. Zwar gibt es diesmal keine eigens durchgeführte Untersuchung über Kirschenessen und Wassertrinken. Bognar kann aber "nach eigener Erfahrung" folgendes sagen: Bauchschmerzen nach Kirschengenuß entstehen durch Gärprozesse im Magen. Damit es gärt, müssen Keime vorhanden sein. Diese gibt es zuhauf auf der Obstschale, sie werden aber meist von der Magensäure abgetötet. Bei größeren Mengen von Kirschen (mehr als einem Pfund) kann es sein, daß der Magen überfordert ist und der Gärprozeß in Gang kommt - mit den erwähnten Folgen. Die Legende mit dem Wassertrinken ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß in früheren Zeiten das Trinkwasser von mangelhafter Qualität war und viele Keime enthielt - unter anderem auch die Hefepilze, die für die unangenehme Gärung im Bauch sorgen.
Weniger Haare, mehr Sex? Es wird oft behauptet, Männer mit Glatzen seien von der Natur mit überdurchschnittlicher Potenz gesegnet. Ist da etwas dran, oder handelt es sich um Wunschträume Kahlköpfiger - gleichsam als Ausgleich für die fehlende Haarpracht? Aus rein wissenschaftlicher Sicht ist die klare Antwort: Stimmt nicht. Zwar hat der Haarausfall beim Mann, der meist erblich bedingt ist, tatsächlich mit dem Sexualhormon Testosteron zu tun; das lagert sich nämlich an der Haarwurzel ab und schneidet sie allmählich von der lebenswichtigen Blutzufuhr ab. Es ist nun aber nicht so, daß die Glatzenträger unbedingt mehr Testosteron im Blut hätten. Sie verfügen einfach über eine größere Zahl der entsprechenden Rezeptoren an den Haarwurzeln. Daß die Potenz eines Mannes vom Testosteronspiegel abhänge, ist überdies ein Ammenmärchen, wie der Androloge Wolfgang Schulze von der Hamburger Uniklinik anmerkt: "Ein Auto mit 50 Litern Sprit im Tank fährt nicht schneller als eines mit 25 Litern."
Sauer bei Gewitter Stimmt es, daß Milch bei einem Gewitter schneller sauer werden kann? Wir begeben uns hier auf ein noch sehr spekulatives Gebiet der Wissenschaft, aber ich kann mit aller Vorsicht sagen: Es stimmt wohl Daß Milch beim Heraufziehen eines Gewitters sauer wird, sagt eine alte Bauernregel, die interessanterweise auch heute noch zitiert wird, da doch Milch meist in Kühlschränken aufbewahrt wird. Mit Wettergrößen wie Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit kann der Vorgang daher nicht viel zu tun haben. Professor Gerhard Ruhenstroth-Bauer vom Max-Planck-Institut für Biochemie und der Laienforscher Hans Baumer sind überzeugt, die Ursache für die biologischen Effekte von Gewitterfronten im Auftreten sogenannter Sferics gefunden zu haben. Sferics sind sehr langwellige, kurze elektromagnetische Impulse. Diese können über Entfernungen von 500 Kilometern gemessen werden - daher die prognostischen Fähigkeiten wetterfühliger Menschen. Wie die Sferics auf Organismen wirken, zum Beispiel auf Bakterien, die die Milch sauer machen, ist allerdings wissenschaftlich völlig ungeklärt.
Braune Eier, weiße Eier Ist es wahr, daß nur weiße Hühner weiße Eier legen? Was hat die Farbe der Eier mit der des Gefieders zu tun? Nichts. Die Farbe der Eier ist zwar genetisch bedingt (ein Huhn legt entweder nur braune oder nur weiße Eier), aber es gibt kein einfaches Merkmal am Huhn, an dem Sie zweifelsfrei erkennen können, wie das Ei aussehen wird. Auch die Farbe der Ohrläppchen, die manchmal als Kriterium genannt wird, stimmt nicht immer mit der Farbe der Eier überein. Das gelte jedenfalls für die frei laufenden Rassehühner auf kleineren Höfen, wo die Vielfalt der Hühnersorten sehr groß sei, erklärt Johannes Petersen von der Universität Bonn. In den großen Legebatterien dagegen werden nur wenige unterschiedliche Rassen gehalten, und die Daumenregel "braune Federn, braune Eier - weiße Federn, weiße Eier" stimmt meistens. Aber das liegt nur an den dort verwendeten Züchtungen. Auf dem deutschen Frühstückstisch hat übrigens in den letzten fünfzehn Jahren eine Farbrevolution stattgefunden: Bevorzugten die Deutschen früher weiße Eier, so ist das Verhältnis heute 60: 40 zugunsten der braunen.
Seltsame Endziffer Die letzte Ziffer des Personalausweises gibt an, wie viele Bundesbürger denselben Vor- und Nachnamen haben wie man selbst. Stimmt's oder nicht? Die maschinenlesbaren letzten zwei Zeilen des Personalausweises enthalten keine Informationen, die nicht auch im Klartext draufstehen - also auch nicht die Zahl der Menschen mit Ihrem Namen. Im einzelnen sind in dieser Zeichenkombination gemäß einem Standard der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation Icao folgende Informationen enthalten (jetzt holen bitte alle ihren Ausweis hervor): ID (für Personalausweis), D (für Deutschland), dann Ihr Zu- und Vorname, die Nummer des Ausweises, Ihr Geburtsdatum und der Tag, an dem der Ausweis abläuft. Hinter den beiden Datumsangaben und eben ganz am Schluß steht noch jeweils eine sogenannte Prüfziffer, die aufgrund einer komplizierten Regel aus den davorstehenden Zahlen und Buchstaben errechnet wird. Wenn der Computer eines dieser Zeichen falsch gelesen hat (oder wenn sich ein Fälscher, der die Regel nicht kennt, einfach eine Ziffer ausgedacht hat), dann stimmt die Prüfziffer nicht mehr, und die Maschine gibt Alarm.
Süßes Blut Meine Familie beschäftigt folgende Frage: Gibt es "süßes Blut", also eine natürliche individuelle Zutat, die Insekten - vor allem die stechenden! - magisch anzieht? Stechmücken setzen unterschiedliche Sinne ein, um sich ihre Opfer auszusuchen. Aus der Ferne folgen sie besonders den farblichen Reizen. Ist ein potentielles Opfer entdeckt, benutzen die Mückenweibchen - nur sie stechen - ihren sehr feinen Geruchssinn. Die Erkenntnisse über die olfaktorischen Präferenzen der Mücken sind noch sehr lückenhaft, aber es gibt einige Anhaltspunkte: Aus der Nähe orten die Insekten den Menschen anhand des Kohlendioxids, das er beim Atmen von sich gibt. Wen sie dann stechen und wen nicht, hängt von den individuellen Ausdünstungen ab, also vom Schweißgeruch, der aber nichts mit der Zusammensetzung des Blutes zu tun hat. Insbesondere Buttersäure scheint Mücken wild zu machen. Aber auch auf manche Parfums würden die Insekten fliegen, berichtet der Mückenexperte Michael Henn von der Uni München. Andere Gerüche wiederum stoßen Mücken ab - darauf basieren die natürlichen und künstlichen Antimückenlotionen.
Harmlose Brummer Drei Hornissenstiche töten einen Menschen, fünf Stiche töten ein Pferd. Stimmt's? Hornissen werden zu Unrecht als Horrorwesen dargestellt. Die Naturschutzverbände versuchen seit Jahren, den Ruf des größten staatenbildenden Insekts unserer Breiten zu verbessern - und da wollen wir uns gern anschließen: Hornissen sind sehr friedliebende, scheue Tiere. Sie sind weniger angriffslustig als etwa Honigbienen und ziehen die Flucht vor, wenn es brenzlig wird. Sollten sie doch einmal zustechen (etwa weil sie glauben, daß man sich an ihr Nest heranmachen will), dann ist die Wirkung nicht schlimmer als bei einer Biene oder Wespe. Allenfalls bei allergischen Reaktionen ist Vorsicht geboten. Wahrscheinlich haben die wenigsten Menschen je eine Hornisse zu sehen bekommen, denn die schwarz-gelb gestreiften Brummer sind fast ausgestorben und stehen auf der roten Liste der geschützten Tierarten. Fazit (um es in den Worten des Naturschutzbundes Nabu auszudrücken): Ein Zusammenleben von Mensch und Hornisse ist möglich. Richtig bleibt allerdings, was Robert Gernhardt einmal festgestellt hat: Ein einziger Pferdebiß reicht aus, um eine Hornisse zu töten.
Motor aus bei jedem Halt Manche Leute behaupten, man spare keinen Treibstoff, wenn man den Motor an der Ampel oder im Stau ausschalte. Stimmt's? Es ist mit dem Auto wie mit den Glühbirnen: Schon die kürzesten Ausschaltzeiten sparen Energie. Daß der Verbrauch beim Einschalten beziehungsweise Anlassen höher sei, ist eine Mär. In der ARD-Sendung Plusminus wurde das einmal mit einem eindrucksvollen Versuch demonstriert: Am Auspuff eines Autos wurde ein Ballon befestigt, der das gesamte Abgas aufnahm. Dann lief zunächst der Motor eine Minute im Leerlauf - der Ballon wurde schön prall. Im zweiten Versuch wurde der Motor innerhalb einer Minute 15mal gestartet und wieder ausgeschaltet der Ballon füllte sich nur zur Hälfte. Der Startvorgang verbraucht also nicht besonders viel Benzin und produziert auch nicht mehr Schadstoffe. Es gibt noch einige weitere einfache Tricks, mit denen man den Spritverbrauch vor allem in der Stadt um fast die Hälfte senken kann - etwa durch sehr frühes Schalten. In Stuttgart bringt eine Ökofahrschule Autofahrern bei, wie sie ihren Wagen zum Dreiliterauto machen können.
Mehr Tote als Lebende Stimmt es, daß die Zahl der jetzt lebenden Menschen größer ist als die Zahl der bereits verstorbenen? Diese "Tatsache" wird oft von Leuten verbreitet, die entsetzt sind über die heutige Bevölkerungsexplosion. Aber trotz des starken Wachstums: Die Zahl der Toten ist weit größer als die Zahl der Lebenden. Das hat jedenfalls der Bevölkerungsforscher Herwig Birg von der Universität Bielefeld im Jahr 1990 ausgerechnet. Er nahm die in der Wissenschaft gängigen Zahlen für die Entwicklung der Weltbevölkerung, multiplizierte die Zahl jedes Jahres mit der ebenfalls geschätzten Geburtenrate (die nach seiner Ansicht bis zur Erfindung der Verhütungsmittel erstaunlich konstant war). Ergebnis: Bisher wurden 81 Milliarden Menschen geboren. Davon leben rund 6 Milliarden, 75 Milliarden sind tot. Von den Toten entfallen 40 Milliarden auf die Zeit nach Christi Geburt und 35 Milliarden auf die vielen Jahrtausende davor. Den Fehler seiner Rechnung schätzt Birg auf maximal 15 Prozent. Es ist für diese Rechnung übrigens egal, wann man die Geburt des Homo sapiens ansetzt - die wenigen Tausend Menschen, die in der Steinzeit lebten, fallen kaum ins Gewicht.
Schwankende Asiaten Ich wohne zur Zeit in Japan und beobachte immer wieder, daß Japaner schon nach ein oder zwei Bieren ziemlich betrunken sind. Immer wieder höre ich, daß Japanern ein bestimmtes Enzym fehlen würde. Stimmt das Es stimmt. Das Enzym heißt Acetaldehyddehydrogenase, und weil das kaum jemand aussprechen kann, wird es mit AlDH abgekürzt. Alkohol wird in unserem Körper in zwei Stufen abgebaut: Zunächst macht das Enzym ADH aus dem Alkohol den sehr toxischen Stoff Acetaldehyd. Während der bei Kaukasiern wie Ihnen und mir relativ schnell durch AlDH in harmloses Acetat verwandelt wird, verfügen 46 Prozent der Japaner und 56 Prozent der Chinesen nicht über dieses Enzym. Die Folge: Ihr Körper akkumuliert das Gift. "Sie bekommen ein knallrotes Gesicht und beginnen zu schwitzen", erklärt die Professorin Christiane Bode, Expertin für den Abbau von Alkohol an der Uni Hohenheim. Dieses sogenannte Flush-Syndrom bringt die meisten Betroffenen dazu, schon nach ein paar Gläsern mit dem Trinken aufzuhören. "Der Rest übertrinkt die unangenehmen Symptome und betäubt sie mit Alkohol", erläutert Frau Bode.
Harmlose Grimassen Ich möchte gerne wissen, ob es stimmt, daß die Augen beim Schielen stehenbleiben können Schiel, soviel Du willst - schaden wird es Dir nicht, und wenn die Erwachsenen hundertmal das Gegenteil behaupten. Selbst auf Augenarztkongressen wird dieses Gerücht immer wieder vorgetragen. Tatsache ist aber: Es gibt keinen einzigen dokumentierten Fall, in dem übermäßiges Grimassenschneiden zum Strabismus (wie das Schielen in der Fachsprache genannt wird) geführt hätte. Auch Professor Wolfgang Haase, seit 1965 praktizierender Schielexperte an der Hamburger Uniklinik, hat noch kein solches Kind erlebt. "Es kommt vor", erzählt Haase, "daß Eltern zu mir kommen und sagen: Das Kind schielt seit der Party zu seinem dritten Geburtstag." Er habe aber in solchen Fällen immer festgestellt, daß der Strabismus schon vorher entstanden sein mußte. Er fiel den Eltern vielleicht zum ersten Mal auf, als die Kinder bei der Party um die Wette schielten - ein möglicher Hintergrund für die Mär vom Schielen, das "stehenbleiben" kann, wenn das Kind erschreckt wird.
Stumpf aus der Maschine Stimmt's, daß Messer durch das Spülmittel in Geschirrspülmaschinen stumpf werden? Ein Messerverkäufer hat mir das berichtet, ein darauf angesprochener Fachverkäufer für Spülmaschinen entschieden verneint. "Hochwertige Messer sollte man nicht in der Spülmaschine reinigen, wenn man sie liebt", sagt Bettina Thomas vom Messerhersteller Zwilling. Und nennt gleich mehrere Gründe dafür: Erstens reiben sich in der Maschine die Besteckteile aneinander - so kann auch die Schneide eines Messers in Mitleidenschaft gezogen werden. Zweitens sind auch Edelstahlmesser nicht völlig rostfrei. Durch Flugrost zum Beispiel von einer rostigen Schraube in einem Topf können sie sozusagen "infiziert" werden. Drittens sollte ein gutes Messer immer sofort nach Gebrauch gereinigt werden, besonders wenn man säurehaltige Sachen geschnitten hat, zum Beispiel Obst. Denn die Säure greift die Schneide an. In der Spülmaschine steht das Besteck oft längere Zeit schmutzig im Korb - und die Säure kann ihr zerstörerisches Werk tun. Ein Punkt für den Spülmaschinenvertreter: Mit dem Spülmittel hat das alles nichts zu tun.
Verbotene Lüste Stimmt es, daß in einigen Staaten der USA Oralverkehr (freiwilliger natürlich!) vom Gesetz verboten ist? Es stimmt tatsächlich: Die Gesetzgeber in vielen amerikanischen Bundesstaaten sorgen sich um die Sexualpraktiken ihrer Bürger. Die angegebenen Zahlen differieren je nach Quelle. Mir liegt eine Aufstellung der American Civil Liberties Union (ACLU) vor, nach der es noch in 16 Staaten auch heterosexuellen Paaren verboten ist, ihren Trieben freien Lauf zu lassen. Weitere sechs Staaten haben entsprechende Gesetze für Homosexuelle. In den einschlägigen Gesetzestexten ist meist die Rede von "Sodomie", worunter man "jeden Kontakt zwischen den Genitalien einer Person und dem Mund oder Anus einer anderen" versteht. Andere blumige Umschreibungen sind "Verbrechen gegen die Natur" oder "unnatürliche und laszive Handlungen". Zwar gehen die angedrohten Strafen bis zur lebenslänglichen Haft (im Staat Michigan), jedoch werden die Gesetze praktisch nicht angewandt. In 24 Staaten und in der Bundeshauptstadt Washington wurden sie bereits abgeschafft - zumindest von dieser Seite hat Bill Clinton also nichts zu befürchten.
Nicht alle sind blauäugig Stimmt es, daß alle Babys mit blauen Augen geboren werden? Nicht ganz. Die meisten schwarzen Babys haben bereits bei der Geburt braune Augen. Richtig ist die Behauptung aber für alle weißen Säuglinge, also auch für die meisten Kinder, die in Europa und Nordamerika geboren werden. Der Grund dieser Blauäugigkeit: Bei der Geburt ist das Auge noch nicht voll entwickelt, wie Gisbert Richard erläutert, Chef der Augenklinik an der Hamburger Universität. Die Teile des Auges, die am wenigsten wichtig sind, differenzieren sich zuletzt. Und der Farbstoff der Regenbogenhaut ist zum Sehen nicht unbedingt notwendig - der Zweck der Pigmente besteht lediglich darin, Licht zu absorbieren und so das Auge zu schützen. Deshalb haben auch Menschen in südlichen Ländern meist dunklere Augen als ihre nördlichen Artgenossen. Erst einige Monate nach der Geburt kommt beim Baby die Produktion des Pigments Melanin voll in Gang. Die endgültige Augenfarbe hängt nur von der Konzentration dieses einen Farbstoffs in der Iris ab - es gibt also keine unterschiedlichen Pigmente für braune, blaue und grüne Augen.
Kein Ton im Ton Beim Drehen von Tongefäßen auf der Scheibe übertragen sich Schallwellen auf das Werkzeug und werden so wie bei einer Schallplatte in den Ton geschrieben. So dokumentieren viele Gefäße Geräusche und sogar Sprachfetzen aus der Zeit ihrer Herstellung. Stimmt's? In der Zeitschrift bild der wissenschaft stand im Juni 1993 unter der Überschrift Ton in Ton ein Artikel, in dem die Möglichkeit solcher Schallaufzeichnungen tatsächlich behauptet wurde. Der Physiker Wolfgang Heckl von der Uni München sah in ihrer Erforschung eine denkbare Anwendung für das sogenannte Raster-Kraftmikroskop, mit dem sich sogar einzelne Moleküle sichtbar machen lassen. Nun sind seit dieser Veröffentlichung fünf Jahre ins Land gegangen - Anlaß, bei Herrn Heckl nachzufragen, wie viele antike Schallaufzeichnungen er denn nun gefunden habe. Seine Antwort: Das Prinzip des tönernen Tonträgers sei nichts weiter als "eine intellektuelle Spielerei. Es wurden tatsächlich, soweit mir bekannt ist, niemals Tongefäße untersucht." So vielversprechend, daß er selbst ihm ernsthaft nachgegangen wäre, fand der Forscher seinen Einfall demnach nicht.
Geringe Toleranz Es wird immer wieder gesagt, daß der Autotacho zehn Prozent mehr anzeigt, als die Geschwindigkeit wirklich beträgt. Stimmt das, und wer legt das fest Was der Tacho anzeigen soll und darf, hat der Gesetzgeber in einem Anhang zur Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) akribisch festgelegt. Seit 1990 hält sich Deutschland an eine Richtlinie der EU. Demnach darf der Tacho niemals zuwenig anzeigen. Ein bißchen mehr darf es sein: Wenn v1 die angezeigte und v2 die tatsächliche Geschwindigkeit ist, so muß die folgende Ungleichung erfüllt sein: Anders ausgedrückt: Die Abweichung darf 10 Prozent der tatsächlichen Geschwindigkeit plus 4 km/h betragen - bei Tempo 50 darf der Tacho also maximal 59 anzeigen, bei Tempo 100 höchstens 114. Als Autofahrer sollte man sich allerdings nicht darauf verlassen, daß die Hersteller diese Toleranz voll ausschöpfen. Moderne elektronische Tachos lassen sich sehr genau justieren, deshalb beträgt die Abweichung meist nur wenige Kilometer pro Stunde.
Tödliche Haartrockner In zahlreichen Kriminalfilmen wird ein Mensch durch einen in die Badewanne geworfenen Fön ermordet. Ist diese Tötungsart überhaupt realitätsnah? Leider ja. Deshalb der eindringliche Appell, insbesondere an alle Kinder: Nicht nachmachen! Etwa elf Prozent aller tödlichen Stromunfälle in Deutschland spielen sich in der Badewanne ab, berichtet Helmut Zürneck, der für den VDE entsprechende Statistiken erstellt. Die Ursache ist im übrigen kein Kurzschluß (der Fön kann sogar unter Wasser weiterlaufen), sondern die Tatsache, daß über das Wasser und die geerdete Wanne Strom abfließt und dabei seinen fatalen Weg durch den Körper des Badenden nimmt. Deshalb springt auch meist nicht die Sicherung heraus, und das effektvolle Blitzen und Knallen der einschlägigen Krimiszenen bleibt auch aus. Die Hersteller der Haartrockner können nichts gegen diese Unfälle oder Verbrechen tun - abdichten kann man den Fön ja schlecht. Die einzig wirksame Sicherheitsmaßnahme: ein sogenannter FISchalter, der in Neubaubädern bereits Pflicht ist. Er bemerkt den Stromverlust über die Erde und schaltet blitzschnell ab.
Verheerender Sprung Vorausgesetzt, alle Chinesen hätten einen Küchentisch - könnten sie die Erde dadurch aus ihrer Umlaufbahn werfen, daß sie ihn besteigen und gleichzeitg herunterspringen? Könnten sie nicht. "Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe Euch die Welt aus den Angeln" - mit diesem (nicht ganz korrekt übersetzten) Ausspruch wird gern Archimedes zitiert. Auf Ihre Frage angewandt: Man kann die Erde nur aus ihrer Bahn werfen, indem man "von außen" ansetzt - wenn also etwa ein entsprechend schwerer Asteroid unseren Planeten trifft. Ereignisse auf der Erde, egal wie heftig, beeinflussen deren Bahn im All nicht. Eine andere Frage ist, was für Auswirkungen der kollektive Chinesensprung auf der Erde hätte. Im Jahr 1970 soll das einmal ein Geophysiker namens Stone von der Universität von Alaska berechnet haben - jedenfalls berichtete das damals die Zeitschrift hobby. Demnach würden die Chinesen durch ihre Hüpferei ein Erdbeben von der Stärke 4,5 auf der Richter-Skala erzeugen, das zu Verwüstungen an der kalifornischen Westküste führen könnte. Und damals gab es erst 700 Millionen Chinesen - wie schlimm wäre die Katastrophe erst heute, wo es mehr als eine Milliarde sind!
Schlappe Klepper Stimmt es, daß ein Pferd nur 1 PS hat? Die Definition der Pferdestärke stammt von James Watt. Dessen Dampfmaschinen begannen um 1780 die Pferde zu ersetzen, etwa in Mühlen, und so war es ein gutes Verkaufsargument, ihre Leistung in Relation zur Pferdekraft zu setzen. Dabei ging es nicht um die maximale Anstrengung, sondern darum, wieviel ein Pferd über einen ganzen Arbeitstag hinweg leisten kann, ohne zusammenzubrechen. Seit damals ist 1 PS gleich 746 Watt. Aber hat Watt die Pferdestärke richtig berechnet? Die Biologen R. D. Stevenson und Richard Wassersug machten 1993 in der Zeitschrift Nature eine Rechnung auf: Die maximale Leistung pro Kilogramm Muskelmasse liegt bei etwa 100 Watt. Ein 600-Kilo-Pferd kann demnach (bei 180 Kilo Muskelmasse) bis zu 24 PS leisten! Aber dies ist nur die theoretische Spitzenleistung. Für die Dauerleistung muß man anders rechnen: Ein Arbeitspferd sollte über 10 Stunden in der Lage sein, 10 Prozent seines Körpergewichts mit einer Geschwindigkeit von etwa 4 km/h zu ziehen. Dieses Maß schlugen 1926 mehrere Pferdekenner vor. Wenn man das ausrechnet, kommt ziemlich genau 1 PS heraus.
Sinnlose Sammelei Immer wieder treffe ich Leute, die die Steuermarken sammeln, die auf den Zigarettenpackungen kleben. Fragt man sie nach dem Grund, antworten sie, für 10 000 Steuermarken gebe es einen Rollstuhl. Stimmt das? Nein! Immer wieder schwappt diese Legende durchs Land, und gutwillige Bürger beginnen mit der sinnlosen Sammelei der Steuerbanderolen. Von der Firma Philip Morris ist zu hören, daß dort schon einmal jemand 70 000 dieser Aufkleber abgeliefert hat. Nicht nur, daß die Geschichte völlig aus der Luft gegriffen ist die Sammelei bringt auch die Hersteller in Nöte: Die dürfen nämlich die Marken gar nicht annehmen und lassen sie deshalb unter Aufsicht des Zolls vernichten, schon um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, ein gesetzwidriges Recycling der Banderolen zu betreiben, die immerhin 3,50 Mark pro Stück kosten. Aber wer setzt solche Geschichten in die Welt? Ein Verdacht der Zigarettenhersteller: Es könnten Schmugglerringe dahinterstecken, die mit den gesammelten Banderolen illegal eingeführte Zigarettenpackungen "veredeln" wollen. Ein konkreter Fall ist freilich noch nicht bekanntgeworden.
Empfindliche Edelfedern Eine Alltagsweisheit besagt, man solle seinen Füllfederhalter nicht ausleihen, die Feder sei auf den jeweiligen Besitzer eingeschrieben. Was ist dran? Die Hersteller von Füllfederhaltern bestätigen diese These. "Eine Frau und einen Füllhalter sollte man niemals aus der Hand geben", sagt Jürgen Caesar von der Firma Montblanc. Ob frau Männer verleihen soll, sagt er leider nicht. Aber was hat es mit dem "Einschreiben" auf sich? Eine Füllfeder besteht bei edlen Modellen aus Gold, die kugelförmige Spitze aber immer aus einem sehr harten Material, meist Iridium. Dieses Kügelchen soll über lange Zeit seine Form behalten - manche Edelfedern werden ja über Generationen weitergegeben. Ein benutzerspezifisches "Abschleifen" der Kugel wäre also gar nicht erwünscht und ist auch durch mikroskopische Untersuchungen nicht nachweisbar. Was ein Fremder allerdings anrichten kann, ist eine Beschädigung der Feder durch unsachgemäße Nutzung. Wenn er zu stark aufdrückt oder die Feder ungeschickt verdreht, kann sie sich schon dauerhaft verbiegen oder spreizen. Deshalb: den Füller nur an füllergewohnte Zeitgenossen verleihen!
Käfer mit Punkten Stimmt es eigentlich, dass man an der Anzahl der Punkte auf dem Rücken der Marienkäfer deren Alter ablesen kann? Das Alter in Tagen? Monaten? Jahren? Nein, damit hat die Zahl der Punkte nichts zu tun. Ein und derselbe Marienkäfer hat nach dem Schlüpfen aus der Puppe lebenslänglich dieselbe Anzahl von Punkten. Ja, sogar innerhalb jeder Marienkäferart (von denen es weltweit etwa 4500 gibt, in Deutschland 80) ist die Punktzahl konstant. So konstant, dass viele sie im Namen tragen: Hippodamia tredecimpunctata (13 Punkte), Propylaea quatuordecimpunctata (14 Punkte), Anatis quindecimpunctata (15 Punkte), Thea vigintiduopunctata (22 Punkte), Adalia bipunctata (nur 2 Punkte) und natürlich Coccinella septempunctata, der beliebte siebenpunktige Glückskäfer. Das auffällige Punktmuster der Marienkäfer ist von der Natur wohl nur zur Abschreckung von Feinden gedacht. Eine ähnlich wirkungslose Waffe wie das harmlose gelbliche Gift, das die Käfer absondern können. So bleibt ihnen bei Gefahr nichts anderes übrig, als sich tot zu stellen.
Klug und furchtlos Stimmt es, dass Elefanten nicht vergessen und sich auch nach Jahren noch für ihnen Zugefügtes rächen Stimmt es, dass Elefanten Angst vor Mäusen haben? Heute einmal gleich zwei Legenden im Doppelpack - weil sie beide die großen Rüsseltiere betreffen und relativ knapp zu beantworten sind. Also erstens: Elefanten haben zwar die größten Gehirne von allen Landtieren und sind ganz gewiss nicht dumm, es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass sie Dinge länger im Gedächtnis behalten als andere Tiere. Auch ein Hund erinnert sich noch nach langer Zeit an seine Peiniger. Zweitens: Auch das mit den Mäusen gehört ins Reich der Fabel. Elefanten sind generell sehr zutraulich zu anderen Tieren, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Und sie haben auch keine Angst, dass ihnen kleine Tiere in den Rüssel kriechen könnten. Bernhard Grzimek hat einmal Elefanten mit Mäusen konfrontiert. Resultat: Die Dickhäuter beschnupperten die kleinen Nager neugierig mit weit geöffnetem Rüssel - und zertrampelten sie dann. Nicht gerade eine Panikreaktion. Mehr Respekt hatten sie dagegen vor Kaninchen und Dackeln.
Schaum im Magen Ist es wahr, dass bei Belastung des Körpers mit Lösungsmitteln aus Farben und Lacken das Trinken von Milch entgiftend wirkt? Nein. Weder bei Lösungsmitteln noch bei anderen Giftstoffen. Die Giftzentralen warnen davor, Vergiftungsopfern Milch einzuflößen. Die angeblich entgiftende Wirkung gibt es nicht, und die Milch kann sogar noch schädlich sein. Etwa wenn ein Kind Reinigungsmittel getrunken hat, die Tenside enthalten: Dann kann die Milch den Magen zum Überschäumen bringen, es kommt zum Erbrechen, und dabei können giftige Stoffe in die Atemwege gelangen. Es ist auch heute nicht mehr üblich, Arbeitnehmern, die einer besonderen Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, eine Sonderration Milch zu spendieren. Bei Vergiftungen gilt: Außer Wasser oder Tee sollte man den Opfern überhaupt nichts verabreichen und auch kein Erbrechen erzwingen. Die telefonischen Notdienste der Giftzentralen geben Auskunft über mögliche erste Hilfe, und ansonsten gehört der Vergiftete zum Arzt.
Zecke im Busch Zecken sitzen auf Bäumen und warten. Wenn Tier oder Mensch drunter vorbeigeht, spüren sie die Wärme und lassen sich auf das Opfer fallen. Stimmt's? Nein. Zecken zieht es gar nicht so hoch hinaus, und sie müssen auch keine komplizierten Flugbahnberechnungen anstellen. Tatsächlich sitzen sie meist in Gräsern und Büschen. Sie fallen ihre Opfer auch nicht an, sondern werden "im Vorbeigehen" mitgenommen. Eigentlich will die Zecke dem Menschen nichts Böses, sie hat es nur auf ein paar Tropfen seines Blutes abgesehen. Gefährlich wird ihr Biss, weil sie uns gleich mit zwei schweren Krankheiten infizieren kann: mit der Meningoenzephalitis, einer Viruserkrankung, und der Lyme-Borreliose, die durch ein Bakterium übertragen wird. Legenden ranken sich auch um die Art, wie man die festgebissene Zecke am besten entfernt. Falsch ist zum Beispiel der Tipp, das Tier durch einen Tropfen Öl zu betäuben. Das Spinnentier neigt nämlich dazu, sich dann regelrecht in der Wunde zu übergeben und mit seinem Mageninhalt auch die Krankheitserreger in unseren Körper zu bringen. Man sollte sie einfach herausziehen, möglichst mit einer Pinzette und möglichst ohne sie zu zerquetschen. Ob man sie dabei dreht und in welcher Richtung, ist ziemlich egal.
Zeitfrage Der Streit darüber, wie lange Tee eigentlich ziehen sollte, ist ja wahrscheinlich fast so alt wie der Tee selber. Stimmt denn das Gerücht, dass Tee, der lange zieht, eher müde macht, wohingegen Tee, der kurz zieht, eher wach macht? Und wenn ja, gilt diese goldene Regel auch für grünen Tee? Es stimmt. Verantwortlich für diese unterschiedliche Wirkung ist die Tatsache, dass die Inhaltsstoffe des Tees unterschiedlich schnell aus den Blättern herausgelöst werden. Da ist zunächst das anregende Koffein. Das löst sich schnell im Wasser - bereits nach ein bis zwei Minuten ist der überwiegende Teil des Koffeins im Tee drin. Für die beruhigende Wirkung von Tee sind die Gerbstoffe verantwortlich, so genannte Polyphenole, denen viele gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben werden (sie sind zum Beispiel auch in Rotwein enthalten). Diese Gerbstoffe wirken nicht nur wohltuend auf den Magen, sondern sie binden auch Teile des Koffeins an sich. Es scheint so zu sein, "dass der an Gerbstoffe gebundene Koffeinanteil vom Körper nicht aufgenommen werden kann", so die Ernährungswissenschaftlerin EvaMaria Schröder in einer Arbeit über die Wirkung des Koffeins im Tee. Diese Gerbstoffe werden langsamer aus den Teeblättern gelöst. Nach vier bis fünf Minuten Ziehzeit entfalten sie ihre volle beruhigende Wirkung. Als "Gegengift" zum Koffein wirkt auch die Aminosäure Theanin, die ebenfalls erst bei längerem Ziehenlassen in das Heißgetränk übergeht. Beim grünen Tee ist die Zusammensetzung der Gerbstoffe eine andere als beim schwarzen, ansonsten gelten aber die gleichen Regeln.
Saure Legende Ich bin begeisterter Fußballer. Wenn man außer Form ist und dann voll spielt, hat man am nächsten Tag Muskelkater. Viele sagen, da werde Milchsäure im Muskel abgebaut, und das schmerze. Die Theorie erscheint mir suspekt - stimmt's trotzdem? Ihr Misstrauen ist begründet. Die Legende von der Milchsäure wird in vielen Ratgebern verbreitet, zusammen mit der Empfehlung, die schmerzenden Muskelpartien weiter zu belasten, um die Säure schneller abzubauen. In Wahrheit aber sind feinste Risse in den Muskeln die Ursache des Muskelkaters. Regelrechte Verletzungen also, die man am besten heilen lässt, anstatt die Muskeln weiter zu quälen. Zwar gibt es die Milchsäure tatsächlich, und sie wird auch bei ausdauernder Kraftanstrengung im Körper produziert. Trotzdem gibt es keine Anhaltspunkte, dass sie den Muskelkater auslöst. Dieter Böning, Sportwissenschaftler an der FU Berlin, widerlegt das mit dem folgenden Argument: Der stärkste Kater entsteht, wenn der Muskel eine "exzentrische Kontraktion" durchführt, also sich gegen eine Überdehnung aktiv wehrt - etwa beim Bergabgehen im Gebirge. Just dabei ist aber die Milchsäureproduktion eher gering. Die besten Mittel gegen Muskelkater: sanfte Massage, warme Bäder, ein Saunabesuch. Und abwarten - der Schmerz verschwindet von selbst.
Pionier Adenauer Allgemein geht man davon aus, Adolf Hitler hätte die erste Autobahn bauen lassen. Ich habe jedoch etwas anderes gehört. Konrad Adenauer nämlich habe als Kölner Oberbürgermeister die erste Autobahn in Auftrag gegeben. Stimmt's? Sie haben richtig gehört. Die erste deutsche, ja sogar die erste europäische Autobahn war die zwischen Köln und Bonn (heute A 555). Das 20 Kilometer lange kreuzungsfreie Straßenstück wurde am 6. August 1932 mit einer Sternfahrt eröffnet, an der sich 2000 Kraftfahrer aus ganz Europa beteiligten. Und Konrad Adenauer war damals der Oberbürgermeister von Köln. Die Pläne zum Bau des Autobahnnetzes wurden bereits in den zwanziger Jahren entwickelt, also lange bevor Hitler an die Macht kam. Auch die Idee, den Autobahnbau als Beschäftigungsprogramm zu nutzen, kam schon damals auf. Die Hälfte der Kosten für die Köln-Bonner Autobahn wurde aus der Erwerbslosenfürsorge bestritten, und die Baufirmen waren angewiesen, alle Arbeiten in personalintensiver Handarbeit ausführen zu lassen. In der Nazizeit wurde dann der Bau von Autobahnen forciert und auch propagandistisch ausgeschlachtet. Der tatsächliche Arbeitsbeschaffungseffekt war dagegen nur gering: Es waren nie mehr als 124 000 Arbeiter beschäftigt - also nur ein Bruchteil der vier Millionen Arbeitslosen, die Hitler "von der Straße holte".
Von Natur aus links Bei einem Gespräch im Kollegenkreis kam die Frage auf, warum die Läufer im Stadion immer links herum laufen. Eine Antwort: Diese Laufrichtung sei besser geeignet, da der Mensch von Natur aus immer einen leichten "Linksdrall" habe. Stimmt das? Nicht nur die Läufer im Stadion laufen immer links herum. Auch in fast jedem Supermarkt ist der Kunden-Parcours in Linksrichtung angelegt. Auf Partys bewegt sich der Strom der Gäste links herum. Und selbst wenn gar keine Orientierung vorgegeben ist, tendieren die meisten von uns nach links - deshalb geht der einsame Wanderer in der Wüste im Kreis. Aber warum ist das so? Warum sind die meisten Menschen nicht nur Rechtshänder, sondern auch Rechtsfüßler, die mit dem rechten Bein kräftiger ausschreiten, was zu einer Linkskurve führt? Ist diese Einseitigkeit die Folge oder die Ursache des Linksdralls? Professor Onur Güntürkün von der Universität Bochum beschäftigt sich mit solchen Präferenzen. Er hat zum Beispiel herausgefunden, daß Föten schon von der 15. Woche an lieber am rechten Daumen lutschen als am linken - wahrscheinlich, weil das Herz links sitzt. "Ob das gleiche auch für die Beine zutrifft, ist unklar", sagt der Professor.
Angstfreie Indianer Stimmt's, daß Indianer schwindelfrei sind? Dies wird gerne im Zusammenhang mit dem Bau von Wolkenkratzern Anfang dieses Jahrhunderts in Nordamerika behauptet, bei dem angeblich bevorzugt amerikanische Ureinwohner zur Montage der Stahlskelette eingesetzt wurden. Tatsächlich sind viele US-Wolkenkratzer von indianischen Arbeitern errichtet worden, vor allem von Irokesen - genauer gesagt Mohawks aus dem Kahnawake-Reservat. Die Tradition geht zurück bis ins Jahr 1886, als eine kanadische Firma eine Eisenbahnbrücke über den St.-Lorenz-Strom errichtete, und noch heute arbeiten viele junge Indianer in der Hochbaubranche. Es gibt sogar ein speziell auf sie zugeschnittenes Trainingsprogramm im US-Staat Illinois, bei dem sie sich in einem 14wöchigen Kurs auf die Kletterarbeit vorbereiten können. Nichts spricht jedoch dafür, daß den amerikanischen Ureinwohnern unser Schwindelgefühl abgeht. Tatsächlich ist es wohl einfach eine Sache der Übung und eine Frage des Mutes. Zu diesem Schluß kam 1958 der Anthropologe Morris Freilich in einer Feldstudie, bei der er indianische Arbeiter befragte. Sein Fazit: Auch der Indianer kennt die Angst vorm Fallen - er schluckt sie halt mannhaft herunter.
Spät essen schadet nicht Wann immer man spät abends noch etwas essen möchte - einer ist immer dabei, der ungefragt den Hinweis gibt: "Wenn man so spät noch etwas ißt, wird man dick." Stimmt's? Die Überzeugung, daß man sich abends mit dem Essen zurückhalten sollte, ist weit verbreitet. Vielleicht ist es wirklich nicht gut, den Magen so spät noch zu strapazieren - aber dicker macht es nicht. Jedenfalls haben Ernährungswissenschaftler keinen Beleg für diesen Glauben finden können. In einem Artikel unter dem Titel Abendliches Essen und spätere Gewichtszunahme in einer nationalen Kohorte, 1997 im Fettsucht-Fachblatt International Journal of Obesity veröffentlicht, haben amerikanische Forscher die zeitliche Verteilung der Nahrungsaufnahme bei 2580 Männern und 4567 Frauen untersucht. Die Personen waren im Abstand von zehn Jahren zweimal nach ihrem Eßverhalten befragt und gewogen worden. Ergebnis: Wir nehmen im Schnitt 46 Prozent unserer Kalorien nach 17 Uhr zu uns. Es war jedoch nicht so, daß ausgesprochene Spätesser in den zehn Jahren besonders viel zugenommen hätten. Allerdings meinen die Forscher, daß die Frage noch einmal genauer untersucht werden sollte.
Schwankende Riesen Stimmt es, daß Wolkenkratzer bei Sturm an der Spitze um einige Meter hin- und herschwanken? Stimmt nicht. Es sind eher Zentimeter. Aber die "Kopfauslenkung" ist auch gar nicht das wesentliche Kriterium bei der Festlegung der Steifigkeit von Hochhäusern, erzählt uns Uwe Weitkemper, der sich an der TH Aachen mit Baustatik beschäftigt. Menschen empfinden nämlich nicht die Größe des Ausschlages als unangenehm, sondern die Beschleunigung, die der Körper beim Schwanken erfährt. Und da liegt der Grenzwert bei etwa 0,1 m/s2 - dann wird's ungemütlich. Und das heißt: Wenn das Haus aus dem Stand in einer Sekunde um fünf Zentimeter wackelt, ist uns das schon zuviel. Aber auch im allerschlimmsten Sturm wird es nicht viel schlimmer: Nach amerikanischen Bestimmungen darf sich auch bei Erdbeben und Hurrikans ein Stockwerk gegenüber dem darunterliegenden um maximal 0,5 Prozent der Stockwerkshöhe verschieben. Wenn dieser Extremwert in allen Etagen gleichzeitig erreicht wird (was nach Weitkempers Aussage extrem unwahrscheinlich ist), so schwankt ein 300-Meter-Wolkenkratzer an der Spitze um 1,50 Meter. Aber da sind wahrscheinlich schon alle Menschen in Panik aus dem Haus gestürmt.
Stabile Schienen Kann die Drehung der Erde dazu führen, daß Eisenbahnschienen, die in Nord-Süd-Richtung verlaufen, einseitig abgenutzt werden? Sie spielen auf den sogenannten Coriolis-Effekt an. Der sorgt zum Beispiel dafür, daß Hoch- und Tiefdruckgebiete auf der Nord- und der Südhalbkugel der Erde einen entgegengesetzten Drehsinn haben, und er sorgt nicht dafür, daß der Badewannenstrudel beim Überqueren des Äquators seine Richtung ändert (erste "Stimmt's"-Folge, ZEIT Nr. 26/97). Der Coriolis-Effekt ist eigentümlicherweise nicht auf Bewegungen in Nord-Süd-Richtung beschränkt - er bewirkt auf der Nordhalbkugel stets eine Abweichung nach rechts. Deshalb entfällt die von Ihnen vermutete einseitige Abnutzung schon einmal bei Gleisen, die in beiden Richtungen befahren werden. Ansonsten gilt wie beim Strudel: Die Coriolis-Kraft ist einfach zu winzig. An dieser Stelle muß ich mich bei Mark Brader aus Toronto bedanken, der auf meine ins Internet hineingeworfene Frage eine überzeugende und nachvollziehbare Berechnung anstellte: Danach beträgt bei einem mit 300 km/h dahinrasenden ICE der Coriolis-Effekt etwa ein Tausendstel des Zuggewichts - zuwenig für eine meßbare Abnutzung der Schienen.
Von wegen Baby-Boom Man hört immer wieder, daß neun Monate nach dem großen Stromausfall in den sechziger Jahren in New York ein deutlicher Anstieg der Geburtenrate zu verzeichnen gewesen sei. Stimmt's? Auch wenn diese Geschichte romantisch klingt: Sie stimmt nicht. Urheber der Legende war wohl die New York Times, die neun Monate nach dem Blackout vom 9. November 1965 von ungewöhnlich hohen Geburtenraten berichtete: 28 statt durchschnittlich 11 im Mount Sinai Hospital, 29 statt 20 im Bellevue Hospital und so weiter. Jeder Statistiker weiß, daß es solche Ausreißer immer gibt - in einer Stadt mit vielen Krankenhäusern kann man sie fast täglich finden. Bei näherer Betrachtung blieb von dem blackout boom nicht viel übrig: Richard Udry von der University of North Carolina analysierte in der Fachzeitschrift Demography die kompletten Geburtsstatistiken von New York - und schon verschwand die ungewöhnliche Häufung. Udrys Artikel schließt mit den Worten: "Viele Menschen finden offenbar Gefallen an der Vorstellung, daß Menschen, die durch ein unvorhergesehenes Ereignis von ihren gewöhnlichen Aktivitäten abgehalten werden, sich der Kopulation zuwenden."
Vollmond im Kreißsaal Bei Vollmond sind die Geburtsstationen der Kliniken immer voll stimmt's? Diese Frage hat unter meinen Arbeitskollegen schon heftige Diskussionen ausgelöst, und die Lager sind unversöhnlich gespalten. Ich weiß nicht, ob ich zur Versöhnung der beiden Lager beitragen kann - gerade in Mondfragen verstehen viele Gläubige keinen Spaß. Tatsache ist: Es gibt viele Statistiken, und sie sind fast alle negativ. Das gilt für Geburten genauso wie für Unfälle oder Verbrechen. Bei den Geburten wurde die Frage unter anderem anhand von 7842 florentinischen Babys untersucht, aber auch 5226 Geburten in Maputo (Mosambik) wurden ausgewertet. Zur Frage, ob sich Selbstmörder bevorzugt bei Vollmond das Leben nehmen, hat eine Metastudie 20 Untersuchungen ausgewertet fast alle ohne Befund, und die wenigen positiven widersprachen einander auch noch. Trotzdem glauben viele Ärzte und Krankenschwestern fest daran, daß sie bei Vollmond mehr zu tun haben (auch dieser Glaube ist wissenschaftlich untersucht worden). Woran liegt's? Einzige Erklärung: selektive Wahrnehmung. Wer einmal von der Legende überzeugt ist, der registriert nur noch die bestätigenden Ereignisse und ignoriert die Gegenbeispiele.
Zahlen! Zahlen! Zahlen! Da wartet man und hat dem Kellner schon auf tausend Arten bedeutet, daß man zahlen will - allein, er kommt und kommt nicht, und die Zeit drängt. Wenn man dreimal zu zahlen versucht hat und der Ober nicht erscheint, darf man gehen, ohne zu zahlen - stimmt's? Stimmt nicht, schon weil die Behauptung, es dreimal versucht zu haben, viel zu unbestimmt ist - da könnte man ja schnell "Zahlen! Zahlen! Zahlen!" rufen und sich aus dem Staub machen. Als Nichtjurist habe ich mir fachkundigen Rat geben lassen, in einem juristischen Internet-Forum, aber auch von Albrecht Zeuner, Juraprofessor an der Uni Hamburg. Demnach stellt sich die Rechtslage so dar: Sie haben mit dem Wirt einen Vertrag geschlossen, der Sie zur Zahlung der Rechnung verpflichtet, nachdem er seinen Teil erfüllt hat (nämlich das Essen zu liefern). Wenn der Ober nun auf Ihren Zahlungsversuch nicht reagiert, so gerät er zwar mit der Vertragserfüllung in Verzug, das ändert aber nichts an Ihrer Zahlungsverpflichtung - Sie schulden ihm weiterhin das Geld. Was heißt das praktisch? Einfach verschwinden geht nicht. Sie müssen schon Ihre Zahlungswilligkeit unter Beweis stellen. Mein Vorschlag: Am Tresen die Adresse hinterlegen und sich die Rechnung schicken lassen.
Wenn der Hahn kräht Es heißt, die Vorhersagegenauigkeit des Fernseh-Wetterberichts sei so schlecht, daß man ebensogut behaupten könne, das Wetter werde morgen so sein wie heute - angeblich sind die Wahrscheinlichkeiten gleich groß. Stimmt's Sie tun den Meteorologen unrecht - die Wetterfrösche sind besser als ihr Ruf. Das jedenfalls versichert uns der Fernsehmeteorologe Uwe Wesp, der auch Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes ist. Nach seiner Auskunft beträgt die "Erhaltungsneigung" - also die Wahrscheinlichkeit, daß das Wetter morgen genauso ist wie heute etwa 55 Prozent. Man liegt mit einer konservativen Prognose also tatsächlich meistens richtig. Die professionellen Wetterpropheten dagegen schaffen heute mit ihren Vorhersagen eine Trefferquote von 90 Prozent. Darauf kann man sich fast schon verlassen. Das Vorurteil mag also vor ein paar Jahrzehnten noch gestimmt haben. Heute dagegen können die Meteorologen mit modernen Verfahren und rechengewaltigen Supercomputern das Wetter in fünf Tagen genauso gut vorhersagen wie 1968 das Wetter des nächsten Tages. Und die Frage, wie gut Frösche (also die Tiere) das Wetter vorhersagen können, klären wir in einer anderen Folge.
Fingernagels Weißheit Ich bin immer froh, wenn keine weißen Flecken auf meinen Fingernägeln zu sehen sind, da mir dann niemand in meiner Umgebung mit der Weisheit kommen kann, diese Flecken seien auf Kalziummangel zurückzuführen. Ist an der Weisheit was dran? Wenig bis gar nichts. Wenn schon Mangel, dann Mangel an Zink: Bei einer Recherche im Internet findet man einige Seiten, auf denen die Flecken auf zuwenig Zink zurückgeführt werden - und das entsprechende Präparat, das dem Mangel abhelfen soll, wird gleich mit angeboten. Fragt man jedoch nach harten wissenschaftlichen Fakten, dann bleibt auch von der Zinkgeschichte nicht mehr viel übrig. Über Mangelerscheinungen als Ursache von Leukonychia puctata sei nichts bekannt, sagt uns Hansotto Zaun, der als Dermatologe an der Uni Saarbrücken gelehrt hat und so etwas wie der deutsche Fingernagelpapst ist. Nach Auskunft von Professor Zaun sind meist mechanische Verletzungen des Nagels die Ursache für die weißen Flecken, etwa bei der Maniküre. Das könnte auch erklären, warum die Flecken häufiger an der linken als an der rechten Hand auftreten und warum die Fußnägel praktisch fleckenfrei sind. Die Anfälligkeit für die Verfärbung scheint im übrigen erblich zu sein.
Schockierte Tröpfchen Eine Flasche guten Rotweins soll man ein paar Stunden vor dem Genuß öffnen. Dies wird mitunter damit begründet, daß "sich der Wein mit Luft vermischen soll". Stimmt's? Eins vorab: Die Chemie des Weins, insbesondere seiner Geschmacksstoffe, ist sehr komplex und längst nicht vollständig verstanden - sonst könnte man die feinen Tropfen ja auch synthetisch herstellen. Zum Dekantieren: Das Umgießen des Weins in eine Karaffe dient hauptsächlich dazu, die abgelagerten Feststoffe, die man ungern zwischen den Zähnen hat, vom Wein zu trennen. Mit der Luft dagegen ist es so eine Sache: Bei Weißweinen, insbesondere bei frischen Sorten wie dem Riesling, führt die Oxidation zu einer Geschmacksveränderung in Richtung Sherry, "und wenn ich einen Sherry trinken will, dann kaufe ich mir einen", sagt der Gärungstechnologe Hans-Joachim Pieper von der Universität Hohenheim. Also: schnell servieren. Bei Rotwein kann eine leichte Oxidation sowie das Entweichen von flüchtigen Stoffen durchaus angenehm sein. Vorsicht ist allerdings bei alten Weinen geboten: Die haben meist schon bei der Lagerung durch den Korken "geatmet" und können durch einen Sauerstoffschock regelrecht umkippen.
Sholes' Vermächtnis Stimmt's, daß die Buchstabenanordnung auf der Tastatur von Schreibmaschinen (und Computern) seit ihrer Erfindung dieselbe geblieben ist und so gewählt wurde, daß der Schreiber nicht schneller schrieb, als es die damalige Technik umsetzen konnte? Die Anordnung "Qwerty" (benannt nach den ersten sechs Tasten auf der englischen Tastatur) wird oft als Paradebeispiel für die These angeführt, daß sich in der Technik schlechte Lösungen durchsetzen, wenn die Marktmacht groß genug ist. Bei näherem Hinschauen bleibt von der Legende allerdings nicht sehr viel übrig. Christopher Latham Sholes entwickelte 1868 die Schreibmaschinentastatur, die wir heute noch benutzen. Sollte damit das Schreiben künstlich verlangsamt werden? Die Wirtschaftswissenschaftler Stan Liebowitz und Stephen Margolis wälzten historische Berichte über die damals sehr beliebten Schnellschreibwettbewerbe. Ergebnis: Mal gewann Qwerty, mal ein anderes System. Noch bis in die zwanziger Jahre konnte man wählen zwischen Geräten mit ganz verschiedenen Tastenanordnungen, dann setzte sich das System des Marktführers durch. Fazit: Die Qwerty-Welt ist nicht die beste aller Welten, aber sie ist wohl auch nicht merklich langsamer als andere.
Lies mich! Lies mich! Angeblich hat man in einen Kinofilm einmal alle paar Bilder das Foto einer Colaflasche eingeschnitten. Das Publikum konnte die Werbung nicht bewußt sehen, kaufte aber nach dem Film vermehrt Cola. Stimmt's? Stimmt nicht. Zwar kann die unbewußte, unterschwellige Wahrnehmung diffus die Stimmung des Menschen beeinflussen, eine konkrete Werbebotschaft läßt sich so aber kaum vermitteln. Vermutlich sind es die Versuche, die der Amerikaner James Vicary 1957 angestellt hat, von denen Sie gehört haben. In einem sechswöchigen Experiment wurden in einem Kino in New Jersey alle fünf Sekunden die Werbebotschaften "Iß Popcorn" und "Trink Coke" so kurz eingeblendet, daß sie bewußt nicht wahrnehmbar waren. Angeblich stieg in dem Kino der Konsum von Cola um 18, der Popcornverbrauch sogar um 58 Prozent. Die Nachricht löste in den USA eine Hysterie aus und führte unter anderem zum freiwilligen Verzicht der Sender auf "subliminale" Werbung. Vicary hat einige Jahre später zugegeben, daß seine Daten nicht sehr hart waren. Er wollte wohl das Geschäft seiner Firma Subliminal Projection Co. ankurbeln - vergeblich. Heute wird sogar bezweifelt, daß die Versuche je stattgefunden haben.
Einmal kahl, immer kahl Stimmt es, daß sich die menschlichen Körperzellen (mit Ausnahme der Gehirnzellen) alle sieben Jahre komplett erneuern Nein. "Viele Zellen, aber nicht alle, unterliegen einem fortwährenden Umsatz", sagt Professor Werner Ulbricht, emeritierter Physiologe an der Uni Kiel. "Die Periodik ist aber ganz unterschiedlich, die sieben Jahre sind wohl Zahlenmystik." Ein paar Beispiele für die extrem unterschiedliche Lebensdauer unserer Zellen: Die weißen Blutkörperchen werden zum Teil nur wenige Stunden alt, während die roten immerhin 120 Tage durchhalten. Die Hautzellen an den Fußsohlen leben etwa 19 Tage. Knochenzellen sind extrem langlebig: Sie halten 25 bis 30 Jahre. Und wie Sie schon richtig erwähnt haben, erneuern sich die kleinen grauen Zellen im Gehirn nicht. Dasselbe gilt übrigens für die Eizellen sowie für die Haarfollikel auf dem Kopf - einmal kahl, immer kahl. Alle diese Angaben betreffen die Zelle als ein lebendes (und sterbendes) System. Aber natürlich hat auch eine langlebige Zelle einen Stoffwechsel und tauscht ständig Substanzen mit der Umwelt aus. Wie lange etwa ein einzelnes Molekül in Ihrem Körper bleibt, ist daher viel schwieriger zu beantworten.
Sparsam veranlagt Vom Stammtisch bis in den Hörsaal wird mit der Behauptung, Astrid Lindgren hätte in den siebziger Jahren über 100 Prozent Steuern an den schwedischen Staat entrichten sollen, gegen den Sozialstaat agitiert. Mein Legendenfrühwarnsystem schlägt Alarm. Stimmt's? Ihr Legendendetektor in allen Ehren - aber an der Geschichte ist tatsächlich etwas dran. Die überzeugte Sozialdemokratin Astrid Lindgren rechnete 1976 aus, daß sie für ihr Einkommen von 2 Millionen Kronen Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 2 002 000 Kronen zu zahlen hätte - also 100,1 Prozent. Sie schrieb daraufhin ein Märchen (Pomperipossa in Monismanien), in dem sie die schwedischen Zustände karikierte, und rief zur Abwahl der Regierung von Olof Palme auf. Tatsächlich hatte sich die Kinderbuchautorin verrechnet, wie ihr der damalige Finanzminister Gunnar Sträng genüßlich vorhielt: Da sie - damals 68 Jahre alt - sich bereits im Rentenalter befinde, sei sie von den Sozialabgaben befreit und müsse nur die Steuern in Höhe von 85 Prozent zahlen. Von dem Rest könne sie aufgrund ihrer "sparsamen Veranlagung" wohl ihre laufenden Kosten decken. Die Wahlen haben die Sozialdemokraten übrigens verloren.
Die Zeit vor der Welt Stimmt's, daß "Zeit" das am häufigsten benutzte Substantiv der deutschen Sprache ist? Sosehr es dieser Zeitung schmeichelt: Es kommt darauf an, wer da was zählt. Tatsächlich hat ein Hobbylinguist namens Helmut Meier 1967 eine Deutsche Sprachstatistik veröffentlicht, in der auf Platz 90 der Liste der meistbenutzten deutschen Wörter und als erstes Substantiv das Wort Zeit steht - als nächste Hauptwörter folgen Herr, Jahre, Mann und Paragraph. Fragt man dagegen beim Mannheimer Institut für deutsche Sprache nach, so erhält man eine ganz andere Liste, die aus einem 400 Millionen Wörter umfassenden Textkorpus ermittelt wurde: Die Top ten darin sind Jahr, Mark, Uhr, Prozent, Frau, Land, Million, Mensch, Tag und Stadt. Paragraph und Prozent lassen stutzen und darauf schließen, was für Texte die Sprachforscher in ihre Untersuchungen einbezogen haben mögen. Bei Herrn Meier findet man Gott und die Welt, Glaube und Gesetz ziemlich weit vorne - ein Hinweis auf juristische und theologische Quellen, wahrscheinlich hat der Mann die Bibel ausgezählt. Die Mannheimer Forscher haben vor allem Zeitungstexte ausgewertet. Was dagegen der Mann auf der Straße sagt, protokolliert zum Glück niemand.
Grummeln im Bauch Stimmt es, daß es in alten Orgeln Pfeifen gibt, die einen sehr tiefen Ton erzeugen, der für den Menschen nicht mehr hörbar ist, aber ein schummriges Gefühl hervorruft (die sogenannten "Demutspfeifen")? Die größten (und damit im Ton tiefsten) Orgelpfeifen sind 64 Fuß, also gut 19 Meter, lang und erzeugen das sogenannte Subkontra-C - einen Ton mit einer Frequenz von etwa 16 Hertz, der damit ziemlich genau an der menschlichen Hörschwelle liegt. Aber auch unhörbar tiefe Töne können wir wahrnehmen. Dieser sogenannte Infraschall wirkt auf die gasgefüllten Hohlräume unseres Körpers. Bei entsprechenden Pegeln kann er ein mulmiges Gefühl im Bauch auslösen - ob man das nun Demut oder Seekrankheit nennt, kommt vielleicht auf den Anlaß an. Die Militärs haben schon über Infraschallwaffen nachgedacht, mit deren lautlosen Wellen sie ganze Regimenter lahmlegen wollten. Zurück zur Musik und zur Demut. "Ich kenne Anekdoten", schreibt mir der Orgelexperte Reiner Jank, "wonach Organisten diesen Ton während der Wandlung des Abendmahles spielen, um ein ‚demutsvolles’ Gefühl bei den Gläubigen zu erreichen." Das Wort "Demutspfeifen" ist allerdings den meisten von mir befragten Orgelbauern unbekannt.
Kein Rezept für Mord Die Bäume in Nachbars Garten bereiten nicht immer nur Freude, so zum Beispiel eine hohe Fichte, die uns viel Schatten beschert. Der gute Tip von Freunden lautet: Schlagt doch einen Kupfernagel in den Stamm, dann geht der Baum ein. Stimmt das? Stimmt nicht. Zwar ist Kupfer in hohen Konzentrationen giftig für Pflanze, Mensch und Tier. So kann man etwa Bakterien im Blumenwasser damit bekämpfen, daß man einen Kupferpfennig in die Vase gibt. Bäume aber haben die Fähigkeit, lokale Verletzungen regelrecht abzuschotten, so daß Gift nicht in den "Kreislauf" der Pflanze gerät. In der Staatsschule für Gartenbau an der Uni Hohenheim ist im Jahr 1976 ein Versuch gestartet worden, die Legende zu überprüfen. Fichten, Birken, Ulmen, Zierkirschen und Eschen wurden mit jeweils fünf bis acht dicken Kupfernägeln beschlagen. Zur Kontrolle machte man auch noch Versuche mit Nägeln aus Messing, Blei und Eisen. Alle so malträtierten Bäume haben die Tortur überlebt, die meisten erfreuen sich heute noch blühender Gesundheit. Einige wurden zur Kontrolle gefällt, und man fand bei ihnen eine braune Verfärbung rings um den Nagel. Das war's dann aber schon. Vielleicht sollten Sie einmal mit Ihrem Nachbarn reden.
Langes Gelb im Norden Des öfteren hörte ich, daß in Norddeutschland die Gelbphase bei Verkehrsampeln deutlich länger sei als in süddeutschen Bundesländern. Eine Vereinheitlichung sei von letzteren abgelehnt worden wegen der einträglichen Rotlichtfotos von norddeutschen Autofahrern. Daß tatsächlich in Hamburg die Ampeln länger Gelb zeigen als anderswo, bestätigen viele zugereiste Autofahrer. Aber es sind nicht etwa die süddeutschen Gelbphasen zu kurz, sondern die norddeutschen zu lang. Es gibt nämlch bundesweite "Richtlinien für Lichtsignalanlagen" (RiLSA), und darin steht im Abschnitt 2.4 klipp und klar, daß das Gelb vor Rot bei Straßen mit einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h drei Sekunden dauern soll. Soll, denn die Richtlinie geht davon aus, "daß Fachleute aufgrund ihrer Sachkenntnis und Erfahrung bereit und in der Lage sind, falls erforderlich, in Eigenverantwortung von den fixierten Grundlagen und Grundsätzen abzuweichen". Eine deutsche Bestimmung, die auf Eigenverantwortung setzt, man höre und staune! Und so gibt es in Hamburg an vielen Kreuzungen Ampeln mit einer luxuriösen Gelbphase von vier Sekunden, wie eigens für diese Kolumne durchgeführte Messungen ergaben. Bei einer Stichprobe in Berlin dagegen hielten sich alle Ampeln an die 3-Sekunden-Richtlinie. Zugegeben, nicht gerade ein repräsentatives Experiment. Aber weitergehende Nachforschungen verbietet leider das Zeitbudget des ZEIT-Redakteurs. Zum Glück haben wir ja Leserinnen und Leser in allen Teilen der Republik, viele mit Digitalstoppuhr, die jetzt überall die Gelbphasen ausstoppen werden, oder?
Weiße Vielfalt Mir ist schon öfter zu Ohren gekommen, daß die Eskimos mehr als 20 Ausdrücke für Schnee haben. Andererseits habe ich es ebensooft bestritten gehört. Wie verhält es sich nun damit? Ein schönes Beispiel für die inflationäre Verbreitung einer Legende: Der Anthropologe Franz Boas erwähnte Anfang des Jahrhunderts, die Eskimos hätten vier Wortstämme für Schnee - als Beleg für die Komplexität angeblich "primitiver" Sprachen. Ein Schüler von Boas war Edward Sapir, und bei dem studierte wiederum Benjamin Lee Whorf, auf den die sogenannte SapirWhorf-Hypothese zurückgeht, nach der unser Denken von der Sprache bestimmt (und begrenzt) wird. Bei Whorf waren es schon sieben Wörter, und dann nahmen die Dinge ihren Lauf: Manchmal hört man, daß die Eskimos Hunderte von Schneearten unterscheiden. Tatsächlich sind es aber erstaunlich wenige. Die Zählung ist schwierig, weil die Eskimosprachen agglutinierend sind, das heißt, sie verschmelzen viele Satzteile zu Riesenwörtern. Zählt man nur die Wortstämme, so kommt man kaum auf zehn. Und wenn man überlegt, daß wir auch in unseren Breiten von einer ganzen Palette verschiedener Schneearten reden, dann ist das nicht gerade ungewöhnlich. So kennen die Bergler in den Alpen rund zwanzig Ausdrücke für das kühle Naß. Da findet sich Locker- und Wild-, Neu- und Pappschnee. Da kennt man filzigen Schnee und Oberflächenreif, fachsimpelt über Harsch, Firn und Sulz. Der Skifahrer schwingt sich durch Pulver- und Faulschnee, oder er gerät in eine auf Schwimmschnee zu Tal donnernde Schneebrettlawine.
Wer peilt denn da? Stimmt´s, daß die GEZ mit einem Radarwagen durch die Straßen fährt, um diejenigen aufzuspüren, die ihre Radio- und Fernsehgebühren nicht bezahlt haben? Genau, wir kennen sie doch alle, die Peilwagen mit der kreisförmigen Antenne. Aber die sind für andere Zwecke da. Es ist wohl das schlechte Gewissen der Schwarzseher, das dem Gerücht ein so langes Leben beschert. Die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) hat überhaupt keine technischen Mittel, um Schwarzseher aufzuspüren - sie setzt auf die bekannten freundlichen Mitarbeiter des Außendienstes, die an der Wohnungstür gerne so hartnäckige Fragen stellen. Vor 1976 war der Briefträger für die Eintreibung der Rundfunkgebühren zuständig, und die Post kümmerte sich auch um die Vergabe von Sendefrequenzen. Die zweite Aufgabe ist nun auf die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) übergegangen. Und die schickt auch wirklich die besagten Wagen durch die Straßen - aber nicht, um Empfangsgeräte aufzuspüren, sondern um Sender ausfindig zu machen, die oft ohne Wissen der Betreiber den Funkverkehr stören. "Wir sind keine Schnüffler", beteuert Harald Dörr, Sprecher der RegTP, "aber selbst in der Bundesregierung hält sich das Gerücht, daß wir die Schwarzseher jagen."
Tödliche Stiche Stimmt es, dass Bienen sterben müssen, wenn sie Warmblüter stechen? Es stimmt tatsächlich: Die Arbeitsbienen (nur sie verfügen über die Verteidigungswaffe) müssen sterben, wenn sie ein Säugetier oder einen Menschen gestochen haben. Ihr Stachel ist mit Widerhaken versehen, die in unserer dicken, flexiblen Haut stecken bleiben. Bei dem Versuch, sich zu befreien, reißt sich die verzweifelte Biene fast immer den gesamten Hinterleib heraus und geht dann an der entstehenden Wunde zugrunde. Wenn sich eine Biene gegen andere Insekten, aber auch gegen Vögel verteidigt, kann sie ihren Stachel dagegen mehrmals verwenden. Anders liegt die Sache bei Wespen, die viele Menschen nur allzu leicht mit Bienen verwechseln. Deren Mehrwegstachel verfügt zwar ebenfalls über Widerhaken, aber Wespen besitzen eine stärkere Hinterleibsmuskulatur als die Biene, erzählt Hermann Geffcken vom Niedersächsischen Landesinstitut für Bienenkunde in Celle. Dass die friedfertigen Bienen überhaupt den Menschen piksen, ist in aller Regel die fatale Folge eines Missverständnisses. Beispielsweise kann schon der Blütenduft des Haarshampoos die Immen in die Irre führen und die Kamikaze-Reaktion auslösen. Indes bleibt sensiblen Gemütern immerhin ein Trost: Offenbar spüren die Bienen keinen Schmerz, wenn sie mit ihrem Stachel irgendwo hängen bleiben. Zumindest haben Wissenschaftler bisher noch keine Hinweise darauf gefunden. Die giftgefüllte Blase der Biene kann übrigens noch weiterpumpen, wenn sie samt Stachel aus dem Insekt gerissen wurde. Deshalb sollte man vermeiden, vor dem Entfernen des Stachels aus der Haut die Giftblase zu drücken.
Gefährliche Bratwurst Meine Mutter sagte mir als Kind immer, ich solle nicht die verkohlten Ränder auf Pizzas oder die verbrannten Stellen bei Grillfleisch essen, weil dies Krebs errege. Diesen Tipp habe ich auch bis heute treu befolgt - aber stimmt das eigentlich? Es stimmt tatsächlich: Wenn man Lebensmittel bis zum Verkohlen erhitzt, entstehen bestimmte krebserregende Kohlenwasserstoffe - das gilt für Ihre Pizza genauso wie für verbranntes Fett und dunkel gebratenes Fleisch. Vor allem das in diesen Wochen so beliebte Grillen ist den Krebsexperten ein Dorn im Auge. Wenn Fett aus Fleisch oder Wurst in die Glut tropft, steigen Rauchschwaden auf und schlagen sich auf dem Grillgut nieder. Darin findet sich "alles Mögliche, was der liebe Gott verboten hat", sagt Malte Wittwer von der Deutschen Krebshilfe. Besonders gefährlich: das Benzpyren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung berichtet, dass auf der Oberfläche eines über Holzkohle gegrillten Steaks eine Benzpyrenkonzentration gemessen wurde, die dem Gehalt des Rauchs von 600 Zigaretten entsprach. Wieviele schwarze Würste muss man essen, um Krebs zu bekommen? Einen solchen linearen Zusammenhang gibt es nicht, erklärt Wittwer. Krebs sei ein "multifaktorielles Ereignis" - man sollte halt versuchen, insgesamt ein vernünftiges Verhalten an den Tag zu legen. "Sich im Sommer mit einer Zigarette im Mund und einem Schnaps in der Hand an den Grill zu stellen, noch dazu in die pralle Sonne - das ist sicherlich ein riskantes Verhalten", sagt der Krebsexperte.
Schlaffes Gebräu Überall in geselliger Runde geistert der Begriff des SiebenMinuten-Pils herum. Da ich aber eher den Eindruck habe, dass sich die Gastronomen hiermit ein kleines Zeitpolster beim Service verschaffen wollen, bitte ich Sie um Klärung der Nationalen Biertrinker-Frage: Stimmt's, dass ein gutes Pils sieben Minuten braucht? Nein! "Wer sein Bier sieben Minuten lang zapft, der serviert den Gästen ein schlaffes Getränk, das müde auf der Zunge liegt", sagt Erich Dederichs vom Deutschen Brauer-Bund. In die gleiche Kerbe schlägt auch Annette Heinemann, Pressesprecherin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes: Die SiebenMinuten-Regel sei auf die früher üblichen Zapfanlagen zurückzuführen. "Heutzutage gibt es fast ausschließlich komfortable Edelstahlfässer und drei gängige Zapfhähne, den Kükenhahn, den Kolbenhahn und den Kompensatorhahn", erklärt Frau Heinemann. "Diese Hähne in Kombination mit einer heute üblichen Zapfanlage ermöglichen ein schnelles Zapfen des Bieres." Ein gutes Pils ist heutzutage in knapp drei Minuten servierfertig: Das frisch gespülte Glas wird schräg gehalten, sodass das Bier an der Innenseite entlang fließt. Ist das Glas halb voll, stellt man es für eine Minute ab und füllt es dann auf. Nach einer weiteren Minute erhält das Bier noch die letzte Schaumkrone. "Das Ergebnis: ein Glas mit einem frischen, spritzigen Pils mit grobporigem festem Schaum, das man zehn bis fünfzehn Minuten trinken kann, ohne dass das Prickeln verloren geht", schwärmt Erich Dederichs. "Wenn Ihr Gastwirt das nicht kann oder will, dann gibt es nur einen Tipp: Wechseln Sie die Gaststätte!"
Stecker raus! Stimmt es, dass man bei Gewitter den Netzstecker des Fernsehers herausziehen sollte? Und wie ist es mit dem Antennenkabel? Tatsächlich kann ein Fernseher, ebenso wie Computer und andere elektronische Geräte, durch sogenannte Überspannungen beschädigt werden. Dazu braucht der Blitz nicht einmal in Ihr Haus einzuschlagen - auch ein Gewitter in einem Kilometer Entfernung kann per Induktion zu so hohen Spannungen führen. Der sogenannte äußere Blitzschutz über den Blitzableiter allein gewährt also keine Sicherheit. Grundsätzlich kann die zerstörerische Energie durch alle Leitungen in das Gerät gelangen, also sowohl übers Stromnetz als auch über das Antennenkabel. Dabei ist es egal, ob Sie Ihr Fernsehbild über eine Hausantenne, per Satelliten oder per Kabel empfangen. Bei Computern ist auch die Telefon- oder Datenleitung eine Gefahrenquelle. Deshalb ist es wirklich ratsam, bei Gewitter alle Stecker aus Fernseher und Computer herauszuziehen. Und auch vor der Urlaubsreise ist das eine gute Vorsichtsmaßnahme. Wem das zu mühselig ist oder wer auch bei Blitz und Donner nicht auf die Flimmerkiste verzichten will, für den gibt es Überspannungsschutzgeräte, die sich direkt vor das Gerät schalten lassen und die gefährlichen Spannungsspitzen verhindern.
Dosen unter Druck Rrrrums. Die Cola-Dose rauscht aus dem kühlen Dunkel des Verkaufsautomaten in die große weite Welt. Abrupt wird das Getränk von der Auffangschale gestoppt, die braune Brause gerät in Aufruhr. Der Kenner klopft jedoch ein paar Mal mit dem Zeigefinger auf den Deckel, bevor er gierig das kühle Nass verschlingt. Das "beruhigt die Kohlensäure" und vermeidet wohlbekannte Sauereien. Stimmt's? Seit zwei Jahren wird mir diese Frage immer wieder von Lesern gestellt. Und obwohl das Phänomen sehr populär ist, ist die wissenschaftliche Datenlage sehr dünn. Bei den Herstellern von Getränken und Dosen gibt man sich unwissend. Die Dame vom Informationszentrum Weißblech will noch nie etwas davon gehört haben. Nach einer halben Stunde ruft sie aufgeregt zurück: "Es stimmt, es stimmt!" Von wissenschaftlich kontrollierten Versuchen zu dem Phänomen ist mir nichts bekannt. Also habe ich selbst mit ein paar geschüttelten Dosen Bier und Cola einen Versuch durchgeführt, jeweils mit Klopfen und ohne - Ergebnis: null. In einer Diskussionsgruppe im Internet, wo die Frage (wie üblich) länglich diskutiert wurde, waren die Berichte ähnlich. Es ist also davon auszugehen, dass der Effekt nicht existiert, es also auch nichts zu erklären gibt. Was passiert überhaupt beim Schütteln von Getränkedosen? In der Zuckerbrause ist Kohlensäure unter Druck gelöst. Beim Schütteln ändert sich der Innendruck der Dosen nicht, aber es bilden sich kleine Bläschen. Wird die Dose dann geöffnet, sinkt der Druck, die Bläschen fungieren als eine Oberfläche, an der das Kohlendioxid austreten kann, sie steigen nach oben, reißen die Flüssigkeit mit sich, und die Katastrophe ist da. Was soll das Klopfen in diesem Fall bewirken? Schließlich ist es auch nur eine weitere Erschütterung - und "woher weiß die Dose, dass menschliches Klopfen weniger, unbeabsichtigtes Rütteln mehr Schaum ergeben soll?", wie ein Diskutant im "Stimmt's?"Forum fragte. Der einzige Weg, die Kohlensäure nach dem Schütteln zu "beruhigen", ist Abwarten. Dann löst sich das über-
schüssige CO2 wieder auf, und das Gleichgewicht ist wieder hergestellt. Das Pochen auf die Dose ist wohl doch nur eine Marotte - ähnlich wie das Klopfen einer Zigarette vor dem Anzünden.
Kleiner Stolperer Stimmt es, dass die ersten Worte Neil Armstrongs beim Betreten des Mondes nicht eindeutig überliefert sind? Tatsächlich gibt es einige Verwirrung über die berühmten Worte, die Armstrong vor genau 30 Jahren gesprochen hat. Der Astronaut hatte während des gesamten Fluges darüber nachgedacht, was denn wohl ein angemessener Ausspruch sei, wenn man als erster Mensch einen anderen Himmelskörper betritt. Dabei war er schließlich auf den schönen Satz gekommen: "Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit." ("That's one small step for a man, one giant leap for mankind.") In der verständlichen Aufregung verdarb er sich dann aber seine Pointe und sagte "one small step for man" - auf Deutsch "ein kleiner Schritt für den Menschen". Ich habe mir den Tonmitschnitt noch einmal angehört - ein Zweifel ist unmöglich. Die Nasa-Oberen wollten den historischen Spruch wohl retten und bestanden auch nach drängenden Fragen von Journalisten darauf, dass Armstrong "a" gesagt habe. Erst Jahre später gab man zu, dass man den Mondpionier behutsam korrigiert hatte. Und bevor noch jemand fragt - den Satz "Viel Glück, Mr. Gorsky" hat Neil Armstrong während der gesamten Mondmission nie gesagt.
Bleichgesichter hinter Glas Stimmt es, dass man hinter Glasscheiben nicht braun wird? Stimmt. Jedenfalls gilt das für Fensterglas und das Verbundglas der Autofenster. Doch es gibt durchaus Spezialgläser, die ultraviolettes Licht durchlassen - sonst wäre die Herstellung von Neonröhren für Solarien verlorene Liebesmüh. Braunwerden ist ein komplizierter Vorgang, wie mir Günther Mattes vom Glashersteller Vegla erklärt hat. Die gefährlichsten UV-Strahlen sind die kurzwelligen UVC-Strahlen, vor denen uns die Ozonschicht in der Atmosphäre schützt. Die UVB-Strahlen (Wellenlänge 280 bis 315 Nanometer) stimulieren an der Hautoberfläche die Produktion von Pigmenten. Die längerwelligen UVA-Strahlen (315 bis 380 Nanometer) dringen tiefer ein und können die unteren Hautschichten schädigen, ohne dass ein Effekt sichtbar wird. Um braun zu werden, braucht der Mitteleuropäer allerdings beide UV-Typen. Fensterglas blockt UVB-Strahlen fast komplett ab, lässt aber UVA-Strahlen durch. Deshalb wird man hinter der Glasscheibe nicht braun, eine vorzeitige Alterung der Haut oder eine Sonnenallergie sind dennoch möglich. Auto-Windschutzscheiben bestehen dagegen heute meist aus Verbundglas. Die darin verarbeiteten Folien sorgen dafür, dass praktisch das gesamte UVSpektrum absorbiert wird.
Pfropf im Darm Stimmt es, dass ein verschluckter Kaugummi mehrere Jahre im Magen bleibt, sich mit anderem Verschluckten verklumpt und einen Teil des Magens wegnimmt Natürlich ist das mit den Jahren (meistens ist von sieben die Rede) eine Legende. Aber trotzdem sollten insbesondere kleine Kinder Kaugummi nicht verschlucken. Die Grundsubstanz des Kaugummis ist tatsächlich unverdaulich, aber der Magen verfährt mit ihr genauso wie mit anderen Stoffen, mit denen er nichts anfangen kann - er leitet sie weiter durch den Verdauungstrakt, und irgendwann gelangen sie auf dem natürlichen Weg ins Freie. Normalerweise dauert dieser Prozess höchstens ein paar Tage. Normalerweise. Der mögliche Engpass liegt nicht im Magen, sondern eine Etage tiefer: Wenn ein Kind regelmäßig große Mengen Kaugummi schluckt, kann sich ein Gummipfropf im Dickdarm festsetzen. David Milov von der Nemours Kinderklinik in Orlando (Florida) beschrieb im August 1998 in der Zeitschrift Pediatrics mehrere Fälle kleiner Patienten, die unter schwerer Verstopfung aufgrund massiven Kaugummikonsums litten. In recht drastischen Worten beschreibt der Arzt, wie er manuell den Verschluss beseitigte. Es ist die Rede von einer toffeeartigen Substanz, die er zutage förderte. Aber genug davon. Die Lehre daraus: Kleinkindern sollte man keinen Kaugummi geben, wenn sie dessen sachgemäßen Gebrauch noch nicht verstehen. Ansonsten ist es aber völlig ungefährlich, ab und zu einmal einen Kaugummi zu verschlucken.
Das ewige Licht Stimmt es eigentlich, dass die Glühbirnenhersteller längst schon Glühbirnen mit nahezu unbegrenzter Lebensdauer herstellen könnten, es aber nicht wollen, um weiterhin im Geschäft zu bleiben? Über die Motive der Glühbirnenhersteller möchte ich hier gar nicht spekulieren, sondern nur ein paar Fakten aufzählen. 1. Jede Glühlampe (so heißt es richtig) hat eine begrenzte Lebensdauer, weil ständig Wolframatome vom Glühdraht verdampfen und der Draht irgendwann bricht. 2. Wie lange der Draht hält, lässt sich "einstellen", etwa indem man ihn dicker oder dünner macht. Wenn man ihn allerdings schwächer glimmen lässt und so die Lebensdauer erhöht, sinkt der ohnehin schon armselige Wirkungsgrad noch weiter - eine handelsübliche Glühbirne wandelt nur vier Prozent der elektrischen Energie in Licht um. 3. Es gab tatsächlich seit dem 24.12.1924 ein internationales "Glühlampenkartell", das wesentlich von den Firmen General Electric (USA), Osram/Siemens (Deutschland) und Associated Electrical Industries (Großbritannien) gesteuert wurde. Dieses Kartell teilte nicht nur die Weltmärkte unter sich auf, sondern traf auch Absprachen darüber, wie lange eine Glühbirne halten soll seit dem Zweiten Weltkrieg sind das 1000 Stunden. In der Sowjetunion und Ungarn gab es immer Birnen mit längerer Lebensdauer, die chinesische Birne brennt heute noch 5000 Stunden. 4. Der Erfinder Dieter Binninger entwickelte eine Glühbirne mit erheblich längerer Lebenserwartung, die er sich auch patentieren ließ. Seine drei Verbesserungen: eine neue Form des Glühfadens, ein edelgasgefüllter Glaskolben sowie eine Diode als "Dimmer". Die Binninger-Birne hielt 150.000 Stunden und verbrauchte für dieselbe Lichtleistung nur etwa 50 Prozent mehr Energie als eine gewöhnliche Birne. Binninger stellte die Glühlampen in Eigenproduktion her, verhandelte dann aber mit der Treuhand über die Übernahme der DDR-Firma Narva. Kurz nachdem er sein Angebot abgegeben hatte, stürzte der Glühbirnen-Revoluzzer 1991 mit einem Privatflugzeug ab.
5. In den neuen Bundesländern werden heute keine Glühlampen mehr hergestellt. Die Glühbirnen der westlichen Welt haben weiterhin eine Lebensdauer von 1000 Stunden.
Köpfchen statt Zähnchen Stimmt es, dass Piloten keine Plomben haben dürfen? Stimmt nicht. Es ist nicht so und war auch nie so, erklärt Renate Hocke von der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen. Körperlich müssen angehende Piloten folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie sind zwischen 1,65 und 1,95 groß - wohl damit sie überhaupt aus dem Cockpit schauen können beziehungsweise nicht an die Decke stoßen. Zudem müssen sie einen medizinischen Test über sich ergehen lassen. Einschränkungen gibt es auch für Fehlsichtige: Nach den Vorschriften des Luftfahrtbundesamtes darf die Brillenstärke nicht größer als +/- 3 Dioptrien sein. Die Lufthansa legt an ihre Jetpiloten noch schärfere Maßstäbe an: "in der Regel" nicht mehr als +/- 1 Dioptrie, sonst gibt es eine Sonderuntersuchung. Wer heute für die Firma mit dem Kranich fliegen will, bei dem kommt es weniger auf die Zähne an als aufs Köpfchen: Abitur ist Voraussetzung, und außerdem werden in einem Test Fertigkeiten wie Rechenleistung und logisches Denken abgefragt. Auf ein intaktes Gebiss sollte der Pilot trotzdem achten. Jedenfalls habe ich in einem Fliegerforum im Internet den Hinweis gefunden, dass lose Plomben, unter denen sich ein Hohlraum gebildet hat, beim Fliegen zu höllischen Schmerzen führen können.
Schock fürs Ei Stimmt es, dass man Frühstückseier nach dem Kochen abschrecken sollte, damit sie sich dann besser pellen lassen? Wenn ja, wieso lässt sich mein Frühstücksei trotzdem manchmal schlecht pellen? Weil das Ei zu frisch war. Die Schälbarkeit des Eis hat nämlich nichts mit dem Abschrecken zu tun. Ich habe wieder einmal einen wissenschaftlich völlig unzureichenden Selbstversuch gemacht: zwei Eier aus derselben Packung fünf Minuten gekocht, eines von beiden abgeschreckt - und beide ließen sich gleich gut pellen. Die wissenschaftliche Begründung liefert Johannes Petersen von der Universität Bonn, der uns schon einmal bei der Frage der braunen und weißen Eier weiterhelfen konnte (ZEIT Nr. 34/98): Die Schälbarkeit des Eis hängt vom pH-Wert des Eiklars ab. Und der steigt nach dem Legen dadurch, dass Kohlendioxid aus dem Ei entweicht, von etwa 7 auf 9. Wenn das Ei ganz frisch ist, "pellt man sich tot", sagt Petersen - mit und ohne Abschrecken. Wer also die Herstellung eines größeren Eiersalats plane, der solle die Eier im Kühlschrank etwa vier Tage lagern. Das Einzige, was das Abschrecken bewirkt: Es stoppt den Garvorgang des Eis schneller, als wenn man es abkühlen lässt. Wer sein weiches Ei also präzise "auf den Punkt" kochen will, der sollte es abschrecken.
Druck im Kopf Stimmt es, dass Oboespielen die Gehirnzellen schädigt, oder ist das nur ein bösartiges Musikergerücht? Oboisten müssen sich oft das Vorurteil anhören, das Spielen dieses schönen Instrumentes mache "verrückt" oder "blöd". Das ist aber ein Vorurteil. Einer Oboe einen Ton zu entlocken, ist gar nicht so leicht. Zunächst muss der Spieler sich nämlich sein Doppelrohrblatt selbst zurecht schnitzen. Und dann heißt es ganz schön pressen, um Luft zwischen die beiden Blättchen zu bekommen. Zwar ist der Druck im Mund dabei nicht so groß wie etwa beim Trompetespielen, aber der Oboist wird seine Luft nicht so schnell los: Bei ihm fließen nur 150 Milliter Luft pro Sekunde durchs Instrument, im Vergleich zu etwa 470 Milliliter beim Trompeter, wie eine physiologische Untersuchung ergeben hat, die 1964 im Journal of Applied Physiology veröffentlicht wurde. Dieser Luftstau kann, etwa bei einem längeren Solo, schon einmal dazu führen, dass der Kreislauf des Künstlers schlapp macht und ihm schwarz vor Augen wird, erzählt Hansjörg Schellenberger, Oboenvirtuose bei den Berliner Philharmonikern. Über ernsthaftere Schäden gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Eckart Altenmüller, Professor für Musiker-Medizin an der Musikhochschule Hannover, schließt nicht aus, dass der ständige Druck über längere Zeit zu minimalen Gefäßschädigungen führen könnte, "die für die Kognition nicht gerade förderlich sind". Schließlich sei noch erwähnt, dass noch niemand eine Studie über den Intelligenzquotienten von Oboisten im Vergleich mit anderen Musikern durchgeführt hat. Hansjörg Schellenberger jedenfalls meint: "Wer Oboe lernt, der ist von Haus aus schon verrückt."
Ab ins Kühlfach! Stimmt es, dass Nahrungsmittel nicht zweimal tiefgefroren werden dürfen? Stimmt nicht. Ein typisches Beispiel dafür, dass ein gut gemeinter und sinnvoller Ratschlag, wenn er zu wörtlich genommen wird, zu absurdem Verhalten führen kann. Wer ein aufgetautes Stück Fleisch lieber zwei Tage im Kühlschrank aufbewahrt, weil es durchs Wiedereinfrieren ja "giftig" werden könnte, der gefährdet sogar seine Gesundheit. Die entsprechenden Hinweise, die man auf allen europäischen Tiefkühlpackungen findet, sind nur als Warnung gedacht - und sollen vielleicht auch die Hersteller vor Schadenersatzforderungen bewahren. Denn anders als beim Kochen werden beim Einfrieren die Mikroorganismen in der Nahrung nicht getötet - sie fallen bei minus 18 Grad nur in Tiefschlaf und können nach dem Auftauen ihr übles Werk weiter tun. Essen, das schon "Antauschäden" hat (so heißt das in der Fachsprache), wird also durchs Einfrieren nicht wieder genießbar. Außerdem macht das mehrfache Auf- und Abtauen die Nahrungsmittel weder ansehnlicher noch vitaminreicher. Deshalb ist es sinnvoll, nur so viel aufzutauen, wie man wirklich essen will. Für den Fall, dass man dann doch etwas ein zweites Mal einfrieren will, gibt der AID-Verbraucherdienst ein plausibles Kriterium: "Das Wiedereinfrieren ist aus hygienischer Sicht immer dann möglich, wenn die Frage: ,Könnte das Lebensmittel jetzt zubereitet und/oder verzehrt werden?' mit einem uneingeschränkten Ja beantwortet werden kann."
Was lange kocht ... Kann man auf dem Mount Everest ein hart gekochtes Frühstücksei zubereiten? Wir sind uns einig, dass mit der Höhe der Siedepunkt des Wassers sinkt. Unschlüssig sind wir uns jedoch, ob die niedrigere Kochtemperatur noch ausreicht, das Eiweiß fest werden zu lassen, und für den Praxistest haben wir leider keine Zeit. Auf dem Mount Everest siedet Wasser bei etwa 70 Grad. Das ist ein rein physikalisches Phänomen: Weil der Luftdruck dort oben geringer ist als auf Meereshöhe (nämlich nur etwa 0,3 Bar), brauchen die Wassermoleküle nicht so viel "Schwung", um in die Luft zu entweichen. Weniger Schwung heißt aber geringere Temperatur. Das Gerinnen des Eiklars (und auch des Eigelbs) dagegen ist ein chemisches Phänomen, nämlich die so genannte Denaturierung der langen Eiweißmoleküle. Und inwiefern ist diese Reaktion vom Druck abhängig? Ich habe mir einen Experten gesucht, der ziemlich gut weiß, was mit Eiweiß unter Druck geschieht. Horst Ludwig von der Uni Heidelberg experimentiert nämlich mit Verfahren, bei denen man Lebensmittel unter sehr hohem Druck schon bei Kühlschranktemperaturen schonend garen kann. Aber dazu braucht man riesige Drücke von mehreren tausend Bar. Für unsere Zwecke kann man sagen: Der Druck spielt für die Eiweißgerinnung keine Rolle. Es passiert also nichts anderes, als wenn man zu Hause das Eierwasser nur auf 70 Grad erhitzt. Zwar kriegt man das Ei gar, aber "dieser Vorgang dürfte die Geduld eines Bergsteigers auf dem Mount Everest überfordern", sagt Horst Ludwig. "Nach einer Stunde erhält er ein sehr, sehr weich gekochtes Ei. Nach anderthalb Stunden wird das Eiklar einem weich gekochten Ei vergleichbar, das Eigelb ist vergleichsweise fester." So richtig hart wird das Ei wahrscheinlich nie.
Musikalisches Vieh Stimmt es, dass Kühe mehr Milch geben, wenn sie Musik von Mozart hören? Die Kuh ist ein empfindsames Tier. Fühlt sie sich nicht wohl, so gibt sie weniger Milch. Sie mag Zuwendung vom Menschen, auch das Ambiente im Stall ist wichtig. Rinderzüchter und -halter beschäftigten sich in den vergangenen Jahren zunehmend mit dem "Kuhkomfort". So konnte die Hülsenberg-Versuchsanstalt in Schleswig-Holstein den Ertrag steigern, indem sie die Rindviecher auf Wasserbetten liegen ließ und sie mit angenehmer Musik beschallte. Welche Musik besonders milchträchtig ist, darüber gibt es keine wissenschaftlich harten Resultate. Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen führte 1998 mit 180 Kühen einen Versuch durch, bei dem die Tiere jeweils einen Tag mit vier verschiedenen Liedern beschallt wurden, und verglich den Milchertrag mit einem Kontrolltag, an dem es still blieb im Stall. Das (statistisch nicht signifikante) Ergebnis: Tatsächlich gaben die Kühe bei Mozarts Kleiner Nachtmusik 0,6 Prozent mehr Milch, und auch Guildo Horns Schlager regte die Drüsen an. Bei der Punkmusik der Toten Hosen (Hier kommt Alex) verringerte sich der Milchfluss. Auf Volksmusik standen die Rinder überhaupt nicht: Hörten sie Herzilein von den Wildecker Herzbuben, gaben sie 2,5 Prozent weniger Milch als am Kontrolltag.
Gorbis Warnung Immer wieder lese ich Gorbatschows berühmten Spruch, mit dem er 1989 Honecker vor dem offenbar bedrohlichen Reformstau gewarnt haben soll: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Nun habe ich gehört, Gorbatschow habe etwas ganz anderes gesagt. Stimmt das? Bei Jubiläen wie dem zehnten Jahrestag des Mauerfalls erinnert man sich gern an die berühmten Sprüche - und muss oft feststellen, dass sie so nicht gefallen sind, wie etwa bei der Mondlandung (ZEIT Nr. 29/99). Auch Gorbatschows Zitat wurde im Nachhinein wohl "begradigt". Ein Mitschnitt der Aktuellen Kamera des DDR-Fernsehens vom 5. Oktober 1989 zeigt, wie Gorbatschow auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld von Erich Honecker zur 40-Jahr-Feier der DDR empfangen wird. Bei dieser Gelegenheit sagte er den Satz: "Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren." So weit die etwas holprige, aber immerhin öffentlich dokumentierte Redewendung. In seinen Memoiren schreibt Gorbatschow, er habe zwei Tage später Honecker in einem Vieraugengespräch gesagt: "Das Leben verlangt mutige Entscheidungen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Vielleicht hat er tatsächlich zwei Tage an dem Spruch gefeilt, bis er schließlich griffig genug war. Nachprüfen kann man's nicht. Übrigens: Ein Mitarbeiter des Deutschlandfunks, der gerade die Ereignisse von 1989 aufarbeitet, sucht noch nach einem Beleg für den Spruch von Willy Brandt, nach dem zusammenwächst, was zusammengehört.
Intelligente Brillenträger Neulich hörte ich, dass Menschen mit einem höheren IQ öfter kurzsichtig sind als der Durchschnitt. Stimmt's? Wir Brillenträger wissen es natürlich aus der täglichen Erfahrung, und seit über 100 Jahren haben viele statistische Untersuchungen den Zusammenhang zwischen Kurzsichtigkeit und Intelligenz belegt. Die wohl umfangreichste Datensammlung umfasste 157 748 israelische Rekruten. Ergebnis: In der Gruppe mit dem niedrigsten IQ waren 8 Prozent kurzsichtig, in der mit dem höchsten IQ dagegen 27,3 Prozent. Man kann den Zusammenhang auch anders ausdrücken: Im Schnitt schaffen Kurzsichtige etwa 7 bis 9 Punkte mehr beim IQ-Test. Doch so überwältigend die statistischen Belege sind, so dürftig sind die Erklärungen. Kurz gesagt: Keiner weiß, worauf dieser Zusammenhang beruht. Was die Wissenschaftler nicht davon abhält, wild zu spekulieren. Die älteste Erklärung: Intelligente Kinder lesen mehr und verderben sich dadurch die Augen. Nun ist es aber höchst umstritten, inwieweit man durch Lesen überhaupt seine Augen schädigen kann. Ebenso wackelig ist die umgekehrte Erklärung: Kinder mit schlechten Augen gehen nicht so gern nach draußen, sondern beschäftigen sich mit "Nah-Aktivitäten" wie Lesen und schärfen so ihren IQ. Aber aller Erfahrung nach lässt sich der Intelligenzquotient nur sehr bedingt auf diese Weise verbessern. Bleibt die Genetik. Gibt es ein Gen (oder mehrere), das auf geheimnisvolle Weise gleichzeitig für hohe Intelligenz und für schlechte Augen sorgt? Auf diese These haben in den letzten Jahren einige Forscher ihr Augenmerk gerichtet, etwa indem sie die Geschwister von hochintelligenten Kurzsichtigen untersucht haben. Mit einer überraschend simplen Erklärung wartet Edward Miller von der Universität von New Orleans auf: Es gibt eine Korrelation zwischen Intelligenz und Gehirngröße und ebenso eine zwischen der Kurzsichtigkeit und der Größe des Augapfels. Wenn es ein Gen gibt, das Auge und Hirn überdurchschnittlich wachsen lässt, dann könnte dort der Zusammenhang liegen. Aber das ist bislang nur eine hübsche Spekulation.
Grüner Sonnenblitz Stimmt es, dass kurz vor Sonnenuntergang noch ein grüner Fleck aufleuchtet? Wir haben jetzt in zwei Wochen allabendlich dem Sonnenuntergang im Meer zugeschaut, aber kein einziges Mal diesen Fleck beobachtet. Sie müssen auch ziemliches Glück haben, um dieses Naturphänomen zu erleben, dem schon Jules Verne einen ganzen Roman (Le Rayon vert) gewidmet hat. Es kommt nämlich nur sehr selten vor, und noch seltener hat jemand im entsprechenden Sekundenbruchteil eine Kamera zur Hand. Trotzdem ist der grüne Blitz ein reales physikalisches Phänomen und nicht etwa ein physiologisches Nachbild auf der Netzhaut. Das beweisen die Fotos, die es davon gibt. Die physikalische Ursache: Weil die Atmosphäre nicht gleichmäßig dicht ist, sondern nach oben immer dünner wird, werden die Lichtstrahlen in ihr "verbogen". Deshalb ist zum Beispiel die Sonnenscheibe kurz vor dem Untergang meist etwas "platt gedrückt". Die verschiedenen Farben werden zudem unterschiedlich stark gebrochen - so gibt es unten an der Sonne einen roten Rand und oben einen grünblauen. Unter normalen Bedingungen ist diese feine Linie aber zu schmal, um mit bloßem Auge wahrgenommen zu werden. Bei bestimmten Schichtungen von warmer und kalter Luft kommt es aber nicht nur zu Brechungen, sondern auch zu Spiegelungen. Dann erscheint die Sonnenscheibe über dem Horizont eingekerbt und verzerrt. Unter diesen Bedingungen kann der grüne Rand im Moment des Sonnenuntergangs für kurze Zeit optisch in die Breite gezogen werden und wird für Sekundenbruchteile wie ein Blitz sichtbar.
Fiktion und Wirklichkeit Stimmt es, dass Fernsehzuschauer sich um eine frei werdende Wohnung in der "Lindenstraße" bewerben und einen Schauspieler, der in einer Fernsehserie umgebracht wird, tatsächlich für tot halten? Zum Glück können die meisten, ja fast alle Zuschauer zwischen Wirklichkeit und Fiktion unterscheiden. Selbst kleine Kinder wissen schon, dass die Zeichentrickfigur keinen richtigen Schmerz fühlt - doch diese Diskussion wollen wir jetzt nicht anfangen. Aber es stimmt tatsächlich, dass einige Zeitgenossen wohl die Lindenstraße für einen Dokumentarfilm (oder modisch: eine Doku-Soap) halten. Das bestätigt jedenfalls die Pressesprecherin Ilonka von Wisotzky. Harmlos ist es noch, wenn Leute bei einer Führung durch das potemkinsche Lindenstraßen-Dorf in Köln-Bocklemünd ihre Post in die Briefkästen werfen, in der Annahme, die würden regelmäßig geleert. Die Bewerbungen für eine frei werdende Wohnung hat es vor zehn Jahren tatsächlich gegeben. Stirbt eine Serienfigur, hagelt es regelmäßig Beileidsbriefe. Als die Figur Hubert Koch an Alzheimer erkrankte, fragten Zuschauer an, ob nicht eine Pflegerstelle frei sei. Und der Schauspieler Martin Rickelt, der den Altnazi Franz Wittig spielt, wird in der Öffentlichkeit immer wieder angefeindet, ebenso wie Darsteller, die einen Schwulen gespielt haben. Aber das sind alles Anekdoten, die nicht gerade häufig vorkommen. Und wie ernst die Bewerbungen tatsächlich gemeint waren, weiß natürlich auch das Lindenstraßen-Team nicht.
Resistentes Krabbelvieh Bei uns kursiert das Gerücht, dass Kakerlaken, die ja sehr widerstandsfähig sind, die einzigen Tiere sein sollen, die selbst einen Atomangriff überleben - nach einem atomaren Vernichtungsschlag wären die Kakerlaken anschließend die Herrscher der Erde. Stimmt's? Insekten können tatsächlich radioaktive Strahlen besser vertragen als wir Säuger. Während für einen Menschen eine Strahlendosis von fünf bis zehn Gray (diese Einheit hat das alte Rad abgelöst) in einem Zeitraum von wenigen Wochen tödlich ist, halten die chitingepanzerten Krabbeltiere ohne weiteres die zehnfache Menge aus, wie ich dem Standardwerk The Compleat Cockroach von David George Gordon entnehme. Andere Insekten sind da aber auch nicht zimperlicher. Die Bomben von Hiroshima und Nagasaki hätten die Kerbtiere damit überleben können. Heute beträgt die Vernichtungskraft der Atomwaffen allerdings ein Vielfaches, und es wäre schlecht um ihre Überlebenschancen bestellt. Man muss davon ausgehen, dass durch einen weltweiten Atomkrieg alle Wirbeltiere und Insekten ausgelöscht würden. Im Reich der Bakterien gibt es allerdings ein paar Winzlinge, die auch extreme Strahlendosen überleben - etwa die Mikrobe Deinococcus radiodurans, die im Guinness-Buch der Rekorde als widerstandsfähigstes Lebewesen geführt wird: Das Bakterium, das eine rosa Farbe hat und nach verfaultem Kohl riecht, überlebt auch ein Strahlenbombardement von 15 000 Gray - also 150-mal so viel wie der Mensch.
Welt über Kopf Das Bild der Welt steht bekanntlich auf der Netzhaut verkehrt herum und wird erst im Gehirn umgedreht. Diese Fähigkeit lernt der Mensch angeblich während der ersten Lebensmonate. Wenn man nun eine Brille aufsetzt, die das Bild auf den Kopf stellt, so soll sich nach einiger Zeit das Gehirn auf die neue Situation einstellen und das Bild wiederum korrigieren. Stimmt das? Es funktioniert tatsächlich. Sehen ist eben nicht nur eine "objektive" Projektion der Außenwelt ins Hirn - unser Denkapparat verarbeitet das Bild auf vielfältige Weise und kann sich auch erstaunlich flexibel an Veränderungen anpassen. Die ersten Versuche mit Umkehrbrillen unternahm der Psychologe George Stratton schon im Jahr 1896. Er trug an drei aufeinander folgenden Tagen eine recht sperrige Konstruktion mit zwei Röhren, nachts waren die Augen total verbunden. So erlebte er seine Umgebung insgesamt 21,5 Stunden lang Kopf stehend. Seine Erfahrungen: zuerst vollständige Verwirrung. Dann schaffte er es, die verkehrten Bilder sozusagen zu "übersetzen", dachte aber noch "richtig herum". Erst in der dritten Phase schließlich stimmten visuelles Erleben und körperliches Empfinden völlig überein. In den fünfziger Jahren haben vor allem die Psychologen Ivo Kohler und Theodor Erismann an der Universität Innsbruck ausgedehnte Versuche mit Umkehrbrillen gemacht. Sie stellten fest, dass ihre Testpersonen nach sechs Tagen das Bild im Kopf vollständig umgedreht hatten und ganz normal sehen konnten. Wenn man die Brille dann abnahm, dauerte die Umgewöhnung übrigens nur wenige Minuten. Die Forscher probierten auch Brillen aus, die rechts und links vertauschten. Nach einigen Wochen mit einer solchen Brille konnten die Probanden sogar mit dem Motorrad durch Innsbruck rasen.
Schön wär's Petersilie soll angeblich Minuskalorien besitzen. Das heißt, dass darin weniger Kalorien gespeichert sind, als man zum Kauen und Verdauen verbraucht. Stimmt das? Könnte man sich mit Hilfe unglaublicher Mengen Petersilie dünn essen? Petersilie ist mal was Neues - bisher kannte ich nur Geschichten, in denen Sellerie, Ananas, Äpfeln und hart gekochten Eiern die "negativen Kalorien" nachgesagt wurden. Eine tolle Diät, wenn es denn wahr wäre. Aber alle seriösen Ernährungswissenschaftler winken ab. Die Verdauung von 100 Kalorien (der volkstümliche Ausdruck für die mit kcal abgekürzte Kilokalorie) schlägt etwa mit 10 Kalorien zu Buche. "Leichtere" Nahrung hat zwar einen geringeren Brennwert, dafür muss der Körper aber auch nicht so viel tun, um sie zu verdauen. Trotzdem gibt es immer wieder Geschäftemacher, die von den "Minuskalorien" profitieren wollen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnt vor einem 50 Mark teuren Bändchen mit dem Titel Nahrungsmittel, die schlank machen - oder die negativen Kalorien. Während in der Werbung für das Buch noch davon die Rede ist, dass man weder seine Lebensweise ändern noch Diät halten müsse, um mit diesen Nahrungsmitteln abzunehmen, entpuppt sich das Buch selbst als eine Sammlung von Rezepten, die viel Obst und Gemüse und wenig Fett enthalten. Wie viel Energie der Körper denn nun verbraucht, um die mageren sechs Kalorien einer Selleriestange zu verwerten, konnte mir allerdings auch kein Experte sagen. Anders als etwa beim Gehirn, bei dem eine "Leitung" hinein- und eine wieder herausführt, ist eine solche Bilanz beim Verdauungsapparat offenbar sehr schwierig. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass das einzige "Nahrungsmittel", das wirklich Energie verbraucht, kaltes Wasser ist: Um einen Liter Eiswasser - das keinen Brennwert hat - auf eine Temperatur von 37 Grad zu bringen, benötigt der Körper 37 Kalorien.
Brisante Versuche Unsere gasförmigen Ausscheidungen bestehen hauptsächlich aus Stickstoff, Kohlendioxid, Methan und Wasserstoff - und die beiden Letzteren brennen sehr gut, wobei Methan für die blaue Farbe sorgt. Die prozentuale Zusammensetzung hängt von Umständen wie der Ernährung und der persönlichen Darmflora ab, sodass man darüber kaum generelle Aussagen machen kann. Alle genannten Gase sind übrigens geruchlos, die peinlichen Duftmarken entstehen durch Spuren meist schwefelhaltiger Substanzen. Bei allen Selbstversuchen ist höchste Vorsicht geboten - man kann sich bös verbrennen. Ein Tip des langjährigen ZEIT-Autors Burkhard S.: In der Badewanne ist es weniger gefährlich ...
Trügerische Sicherheit Stimmt es eigentlich, dass ABS den Bremsweg eines Autos verkürzt? Nein. Es ist auch gar nicht der Sinn des Antiblockiersystems, den Bremsweg zu verkürzen - vielmehr geht es darum, den Wagen beim Bremsen in der Spur zu halten und weiter lenkbar zu machen. ABS verhindert das Blockieren der Räder, indem es mehrmals pro Sekunde automatisch die Bremse löst, wenn das Rad stillzustehen droht. Der Wagen rollt dann für einen kurzen Moment ungebremst. Trotzdem ist der Bremsweg auf trockener Fahrbahn mit ABS meist ein wenig kürzer als ohne. Das liegt daran, dass die Reibung zwischen Reifen und Straße am größten ist, wenn der "Schlupf" des Rades zwischen 10 und 30 Prozent liegt - das heißt: Das Rad dreht sich ein bisschen weniger als beim ungebremsten Rollen, aber es steht nicht still. Und just auf diesen Bereich ist die ABS-Elektronik eingestellt (im Gegensatz zu 100 Prozent Schlupf bei einer Vollbremsung mit blockierten Rädern). Auf nasser oder eisiger Straße ist der Bremswegvorteil von ABS noch größer. Ein blockiertes Rad neigt nämlich viel eher zum "Aufschwimmen" (Aquaplaning) als ein drehendes. Und dann geht es nicht mehr um die Reibung zwischen Gummi und Asphalt, sondern zwischen Gummi und Wasser - und die ist sehr gering. Auf lockerem Untergrund wie Schnee, Sand oder Kies dagegen kann der ABS-Bremsweg länger sein. Die blockierenden Räder schieben dann nämlich einen immer größer werdenden Keil vor sich her, der das Auto abbremst, während der ABSgebremste Wagen weiter über die rutschige Oberfläche rollt. Fazit: Zwar ist der ABS-Bremsweg in der überwältigenden Zahl der Fälle kürzer, aber halt nicht immer.
Läusecocktail In unserem Freundeskreis wurde über die Frage diskutiert, worauf denn die rote Färbung von Campari zurückzuführen sei. Ein Beteiligter behauptete, sie stamme von einer bestimmten Art von Läusen, die ausschließlich auf einer Insel im Mittelmeer vorkommen. Stimmt's? Ihr Bekannter hat Recht: Der rote Farbstoff heißt Karmin, und er wird tatsächlich aus Mehlkäfern der Art Coccus cactus gewonnen, die auf Kakteen hausen und deren Saft schlürfen. Die Tierchen werden gesammelt, in der Sonne getrocknet und dann gemahlen. Prost! Das mit der Herkunft stimmt nicht ganz: Die Firma Campari bezieht ihr Läusepulver von den Kanarischen Inseln, insbesondere aus Lanzarote. Dort stammen die Tiere aber ursprünglich nicht her - sie wurden aus Mexiko auf die Inselgruppe im Atlantik importiert. Karmin, das als Lebensmittelfarbstoff das Kürzel E 120 hat, wird ansonsten vor allem für Lippenstifte verwendet.
Rot-weißer Standard Ist eigentlich an dem Gerücht etwas Wahres dran, dass der Weihnachtsmann im vertrauten Rot-Weiß ein Werbegag von Coca-Cola war? Nein. Auch wenn sich die Limonadenfirma selbst gern damit brüstet. Die Figur des Weihnachtsmanns hat sich ganz allmählich zu dem heutigen Stereotyp entwickelt. Der heilige Nikolaus wurde schon in vergangenen Jahrhunderten in Europa als Geschenkebringer verehrt, allerdings immer als hoch gewachsene, ernste Bischofsfigur, mit Gewändern in ganz unterschiedlichen Farben. Als holländischer Sinter Klaas gelangte er nach Amerika, und dort beschrieb ihn 1821 der Dichter Clement C. Moore in seinem Gedicht A Visit from St. Nicholas erstmals als kleines, fröhliches Dickerchen - allerdings in Elfengröße. Illustratoren wie Thomas Nast zeichneten "Santa Claus" dann schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Gestalt, die wir heute kennen, allerdings meist in Schwarzweiß. Erst in den zwanziger Jahren schließlich begann der heute übliche rot-weiße Weihnachtsmanndress über die anderen Farben zu dominieren. Am 27. November 1927 schrieb die New York Times: "Ein standardisierter Santa Claus erscheint den New Yorker Kindern. Größe, Gewicht, Statur sind ebenso vereinheitlicht wie das rote Gewand, die Mütze und der weiße Bart." Erst 1931 erschien die erste Coca-Cola-Anzeige mit dem rot-weißen Weihnachtsmann, entworfen von dem Grafiker Haddon Sundblom. Aber sicherlich haben die alljährlichen Werbefeldzüge zur Verbreitung des Einheitsweihnachtsmanns beigetragen.
Unendliche Variation Keine Schneeflocke gleicht der anderen 1922 schrieb der als "Schneeflocken-Mann" bekannt gewordene amerikanische Fotograf Wilson Bentley in der Zeitschrift Popular Mechanics: "Jede Schneeflocke ist von unendlicher Schönheit, die noch vergrößert wird durch das Wissen, dass der Forscher höchstwahrscheinlich niemals eine andere exakt gleiche finden wird." Bentley ist dadurch bekannt geworden, dass er etwa 5.000 Schneeflocken unter dem Mikroskop studierte und ihre Bilder auf fotografische Platten bannte. Und tatsächlich - es waren keine zwei gleiche dabei. Andererseits: Der Zeitschrift "Canadian Geographic" entnehme ich die Schätzung, dass seit Anbeginn der Zeiten eine Sextillion Schneeflocken auf die Erde gefallen sind, eine 1 mit 36 Nullen. Je nach den Umweltbedingungen in der Atmosphäre können drei Sorten von Schneekristallen entstehen: sechseckige Plättchen, prismenförmige Stäbchen und die so genannten Dendriten - das sind die bekannten verzweigten Sternchen. Daneben gibt es die vielfältigsten Mischformen, etwa wenn aus einem Stäbchen noch kleine Bäumchen wachsen. Bei Stäbchen und Plättchen ist die Formenvielfalt sehr beschränkt, und man würde durchaus manche Exemplare als gleich bezeichnen. Beschränken wir uns also auf die dritte Sorte, die "klassische" Schneeflocke. Sie entsteht bei Temperaturen zwischen -17 und -12 Grad, wenn sich Wassermoleküle aus der Dampfphase direkt an einen so genannten Kondensationskeim anlagern. Die stets sechsstrahlige Symmetrie rührt von den Dipoleigenschaften des Wassers her. Und neue Moleküle lagern sich bevorzugt an den Ecken der Struktur ab, weil dort "die latente Umwandlungswärme am effektivsten abgegeben werden kann", wie die Atmosphärenforscherin Sabine Wurzler von der Uni Mainz erklärt. Es entsteht etwas, das die Mathematiker ein Fraktal nennen: An jeder Ecke wächst ein Röhrchen, an dessen Ecken wiederum bilden sich kleinere Röhrchen - und so weiter, bis auf die Ebene der Moleküle. Die Geschwindigkeit und die Richtung des Wachstums hängen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ab. So dokumentiert jeder Kristall sozusagen die "Ge-
schichte" seiner Umweltbedingungen. Und weil zwei Flöckchen niemals zusammenbleiben, sind diese Bedingungen immer verschieden. Die Folge ist die immense Formenvielfalt. Canadian Geographic berichtet auch, dass eine Wissenschaftlerin des National Center for Atmospheric Research 1986 zwei "sehr ähnliche" Schneeflocken entdeckt habe. "Bei näherem Hinsehen wurden jedoch winzige Variationen in Struktur und Form entdeckt." Die zwei gleichen Schneeflocken müssen also noch gefunden werden. Letztlich steckt dahinter natürlich die fast schon philosophische Frage, wie ähnlich zwei Dinge sein müssen, damit wir sie als gleich bezeichnen. Geht man hinunter bis zur Ebene der Atome, so gibt es wohl keine zwei gleichen Dinge auf dieser Welt - seien es zwei Rosen, zwei Fliegen, zwei Sandkörner oder eben zwei Schneeflocken.
Grünes Gift Bei Tomaten schneide ich immer den Teil, wo der Stängel angewachsen war, raus, weil ich irgendwann gelernt habe, dass der giftig ist. Stimmt das? Ja, die grünen Stellen an der Tomatenfrucht enthalten ein giftiges Alkaloid, Solanin genannt. Aber man muss schon Unmengen davon verdrücken, damit die toxische Wirkung eintritt. Solanin ist in Nachtschattengewächsen enthalten, die in der Gestalt von Kartoffeln und Tomaten auf unserem Teller landen. Zu den Symptomen einer Solaninvergiftung gehören Kopfschmerzen, Brechreiz, Durchfall und Sehstörungen. Das Alkaloid in der Tomate ist recht robust und übersteht auch den Kochvorgang. Bei der Reifung geht es dagegen fast komplett verloren und wird unter anderem in den Farbstoff umgewandelt, der das Gemüse so schön rot macht. Nun zur quantitativen Seite: Ab etwa 25 Milligramm ist der Verzehr von Solanin toxisch, ab 400 Milligramm tödlich, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Bei unreifen grünen Tomaten wurde ein Solaningehalt zwischen 9 und 32 Milligramm auf 100 Gramm gemessen. Nehmen wir einmal an, ein Zehntel jeder Tomate sei noch grün, dan müsste man zwischen 800 Gramm und 2,8 Kilogramm Tomaten essen, damit das Gift wirkt. Schneller erreicht man diese Menge natürlich, wenn man eingelegte grüne Tomaten isst.
Magenfreund, Magenfeind Ist das "Verdauungsschnäpschen" wirklich hilfreich für unseren Verdauungsapparat? Der Hersteller eines berühmten Magenschnapses (der in den kleinen, mit Packpapier umwickelten Fläschchen) versendet auf solche Anfragen prompt ein "Gutachten" eines in der Schweiz ansässigen Instituts für Zeitgemässe Ernährung. Darin wird eine "verdauungsfördernde und beruhigende Wirkung" des Schnapses attestiert. Die Wirkung sei sogar in klinischen Studien nachgewiesen, heißt es. Die entsprechenden bibliografischen Angaben stellen sich jedoch als reines Fantasieprodukt heraus. Also greift man besser auf eine unabhängigere Quelle zurück. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt, dass Alkohol in geringen Konzentrationen und Mengen tatsächlich die Verdauung fördert, indem er die Produktion der Magensäure mäßig stimuliert. Der genaue Mechanismus dieser Wirkung sei noch nicht geklärt. Doch wie gesagt, die Menge macht's. Hohe Prozente und große Mengen sind Feinde des Magens. Der Alkohol kann dann die Magenschleimhaut schädigen und steht im Verdacht, die Entstehung von Magengeschwüren und Magenkrebs zu fördern.
Die Mär von den drei Buchstaben Stimmt's, dass der Name des Bordcomputers HAL aus "2001 Odyssee im Weltraum" bewusst von IBM abgeleitet ist, indem jeweils der vorhergehende Buchstabe des Alphabets verwendet wurde? ",Stimmt es, Dr. Chandra, dass Sie den Namen HAL gewählt haben, um IBM einen Schritt voraus zu sein?' - ,Völliger Unsinn! Die Hälfte von uns kommt ja von IBM, und wir versuchen seit Jahren, diese Geschichte aus der Welt zu schaffen. Ich dachte, inzwischen wüsste jeder intelligente Mensch, dass H-A-L von Heuristischer ALgorithmus abgeleitet ist.'" Ein Zitat aus dem Roman 2010 - das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen, der Fortsetzung von 2001. Der Autor Arthur C. Clarke war es satt, immer auf diese Legende angesprochen zu werden, und verewigte seine Stellungnahme in literarischer Form. "Glauben Sie mir, es ist reiner Zufall, auch wenn die Chancen dagegen 263 zu 1 sind", schreibt Clarke an anderer Stelle (und lässt uns rätseln, wie er auf diese Primzahl gekommen ist). In seinen ersten Entwürfen sei der Computer noch weiblich gewesen und habe auf den Namen Athena gehört. Erst auf Drängen des Regisseurs Stanley Kubrick sei der schlaue Rechner vermännlicht worden. Das Gerücht kam bereits kurz nach dem Start des Films im Jahr 1969 auf. Die damals marktbeherrschende IBM trug viel zur Ausstattung des Films bei. Anfangs sollen sogar IBM-Logos auf vielen Kulissenstücken geprangt haben - aber weil sich HAL letztlich als Mörder erweist, hat die Firma angeblich aus Furcht um ihr Image die Schriftzüge entfernen lassen. Natürlich könnte es auch sein, dass Clarke und Kubrick das für IBM nicht schmeichelhafte Buchstabenspiel im Nachhinein peinlich war und sie sich deshalb eine holprige Alternative aus den Fingern gesogen haben. Das werden wir wohl nie erfahren. IBM jedenfalls ist den beiden nicht böse und lebt nach Clarkes Auskunft inzwischen ganz gut mit der Legende.
Habemus Mamam Ist die "Päpstin Johanna" aus dem 9. Jahrhundert ein antikatholisches Konstrukt, oder spricht wirklich etwas für ihre geschichtliche Existenz? Mit dieser Frage begebe ich mich auf gefährliches Terrain. Seit über 700 Jahren dient die Päpstin als Waffe im ideologischen Grabenkrieg, wie die Theologin Elisabeth Gössmann in dem knapp 1000-seitigen Wälzer Mulier Papa - Der Skandal eines weiblichen Papstes von 1994 beschreibt. Für die Katholiken konnte nicht sein, was nicht sein durfte, also bekämpften sie die Legende. Für die Reformatoren war sie der Beweis für die Fehlbarkeit der Kirche - also glaubten sie daran. In neuerer Zeit haben Feministinnen sich der Päpstinnenlegende bemächtigt, weil sie so schön ins Konzept passt, zuletzt Donna W. Cross mit ihrem Historienroman Die Päpstin. Johanna von Ingelheim soll angeblich ab 955 als Nachfolgerin von Leo IV. gut zwei Jahre unerkannt das Oberhaupt der christlichen Kirche gewesen sein. Der Schwindel flog auf, als die Päpstin bei einer Prozession zu Pferde ein Kind gebar. Sie wurde auf der Stelle gesteinigt, und die Kirche säuberte ihre Geschichtsbücher - sagt die Legende. Auf das wichtigste Argument gegen die Existenz der Päpstin weist die Theologin Ines Gora von der Universität Tübingen hin: Es gibt keinerlei schriftliche Überlieferungen aus der Zeit selbst. Die ersten Geschichten kamen im 13. Jahrhundert auf, fast gleichzeitig mit dem Erscheinen eines Romans von Martinus Polonus. Deshalb wage ich an dieser Stelle das Urteil "Stimmt nicht". Auch wenn Ines Gora schreibt: "Das Ausräumen aller Zweifel ist bis heute nicht gelungen."
Wind von Westen Stimmt es, dass ein Flugzeug schneller seinen Zielort erreicht, wenn es gegen die Erddrehung fliegt (Richtung Westen), als wenn es mit der Erddrehung fliegt? Nein! Es ist sogar umgekehrt: Von Frankfurt nach New York, also gegen die Erddrehung, braucht man mehr als eine Stunde länger als in die umgekehrte Richtung. Die Vorstellung, dass sich "die Erde unter dem Flugzeug wegdreht", ist also irrig. Der Grund für die unterschiedlichen Flugzeiten sind die starken Westwinde, die in unseren Breiten im Schnitt mit etwa 100 Kilometern pro Stunde wehen. Trotzdem spielt die Erdrotation eine Rolle bei diesem Phänomen, und zwar wegen des legendären Corioliseffekts. Der ist zwar zu klein, um sich auf Badewannenstrudel und Eisenbahnschienen auszuwirken (das wurde an dieser Stelle schon behandelt), auf große meteorologische Phänomene hat er aber einen Einfluss. In diesem Fall ist es so: Von den tropischen Breiten strömt warme Luft nach Norden. Jeder Punkt am Äquator dreht sich mit 1.667 Kilometern pro Stunde von West nach Ost. Je weiter man nach Norden kommt, desto geringer ist diese Geschwindigkeit, bis hin zum stillstehenden Nordpol. Die äquatorialen Luftmassen haben also mehr "Schwung" als die nördlichen Gebiete, in die sie gelangen, und werden deshalb nach rechts abgelenkt - ein Westwind ist die Folge. Wie man sich leicht vorstellen kann, sorgt der Corioliseffekt auf der Südhalbkugel für eine Ablenkung nach links, was ebenfalls zu einem westlichen Wind führt.
Von Loch zu Loch Eine Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt: Ich habe gehört, dass der Mensch nur mit einem Nasenloch atmet und dieses alle 20 Minuten wechselt. Stimmt's? Dieser so genannte "nasale Zyklus" ist seit 1895 bekannt. Damals erwähnte ihn ein gewisser R. Kayser in einem Artikel unter der Überschrift Die exacte Messung der Luftdurchgängigkeit der Nase. Seitdem gilt es unter Atemwegsexperten als erwiesen, dass 80 Prozent der gesunden Bevölkerung vorwiegend (nicht ausschließlich) durch ein Nasenloch atmen. Die Periode, mit der sich die beiden Löcher abwechseln, ist allerdings länger als 20 Minuten - die Rede ist von einer bis mehreren Stunden. Allerdings wird in neuerer Zeit die Existenz des Nasenzyklus auch bestritten. Da offenbar bis heute keine Technik existiert, mit der man den Luftfluss in der Nase kontinuierlich messen kann, sind die Daten zu diesem Phänomen recht dünn gesät. Eine 1997 an 52 Versuchspersonen durchgeführte Studie an der University of Wales fand nur bei 21 Prozent der Getesteten eine ausgeprägte Periodizität. Bei anderen Probanden war entweder gar kein Zyklus festzustellen, oder er trat nur bei einem Nasenloch auf. Es gab sogar Fälle, in denen beide Löcher parallel schwangen - sie waren gleichzeitig zu beziehungsweise offen. Auch über den Sinn dieses rhythmischen Hin und Her weiß man bis heute wenig. Den Nasenzyklus mit anderen periodischen Vorgängen vor allem im Gehirn in Verbindung zu bringen ist höchst spekulativ. Eine profane, aber plausible Erklärung: Die Nasenlöcher haben Schwerarbeit zu leisten bei der Reinigung der Atemluft und der Abwehr von Erregern. Und da ist es gut, wenn sich der eine Kanal ausruhen kann, während der andere arbeitet.
Prüfungsdruck macht Diebe Immer wieder hört man die (meist süffisant vorgetragene) Behauptung, an Universitäten würden die meisten Bücher im juristischen und theologischen Fachbereich gestohlen. Stimmt das? Fast jeder Bibliothekar ist mit diesem Spruch schon einmal konfrontiert worden. Aus Ihrer E-Mail geht nicht hervor, ob Sie vielleicht selbst an einer der beiden Fakultäten in Oxford arbeiten und Ihre Gesprächspartner deshalb so süffisant sind. Mir liegen keine repräsentativen Zahlen über den Bücherschwund an Bibliotheken vor. Solche Statistiken werden nämlich nicht geführt. Auch der Deutsche Bibliotheksverband kann da nicht weiterhelfen - die großen Universitätsbibliotheken, in deren Magazinen Millionen von Bänden lagern, machen keine Totalrevisionen. Trotzdem bin ich nach langer Suche zumindest auf ein paar Zahlen gestoßen, die den Schluss zulassen: Schuldspruch für die Juristen, Absolution für die Theologen. Die Zahlen stammen aus dem Lesesaal der Unibibliothek in Münster. Dort steht zwar nur ein Bruchteil des Gesamtbestandes zum Ausleihen bereit, aber doch immerhin einige zehntausend Bücher. Und es werden tatsächlich regelmäßig alle fehlenden Bücher nach Fachbereichen registriert, im Schnitt alle zehn Jahre. Ergebnis: Während für die meisten Fachbereiche der Schwund im Bereich von einem Prozent liegt, kamen in einigen Fächern besonders viele Bücher abhanden: Informatik 4,6 Prozent, Wirtschaftswissenschaften 3,9 Prozent und eben Jura 3,3 Prozent. Bei den Theologen waren es nur 0,1 Prozent. Den Grund für diese Unterschiede sollte man nun aber nicht darin suchen, dass die Juristen die schlechteren Menschen wären. Es hat schlicht mit der Studiensituation zu tun: In den Rechtswissenschaften bekommen bei Klausuren und Examen alle Studenten dieselbe Aufgabe und müssen in kürzester Zeit alle auf dieselben Gesetzestexte und Kommentare zugreifen. Da liegt die Versuchung nahe, ein Buch zu entwenden oder es auch nur im Regal zu verstellen. In diesem Fall macht also nicht Gelegenheit Diebe, sondern der Prüfungsdruck.
Abschlecken erlaubt Da ertappte mich doch letztens ein Kollege dabei, wie ich genüsslich den Aluverschluss meines Lieblingsjogurts ableckte. "Solltest du besser bleiben lassen, die sind mit Antibiotika behandelt", riet er mir. Meine Frage nun: Darf ich gefahrlos weiter lecken? Dürfen Sie. Antibiotika, Konservierungsstoffe, lösliches Gift aus dem Aludeckel - vor all diesen Substanzen müssen Sie beim Genuss Ihres Jogurts keine Angst haben. Es ist nämlich ein Irrglaube, dass die Hersteller eine Substanz, die sie dem Lebensmittel selbst nicht hinzufügen dürfen, über die Verpackung einschleusen könnten. Verpackungen, die direkt mit dem Lebensmittel in Berührung kommen, sind so genannte Bedarfsgegenstände und fallen damit unter das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG). Im Paragrafen 31 dieses Gesetzes heißt es (ich kürze ein wenig): "Es ist verboten, Gegenstände als Bedarfsgegenstände so zu verwenden, dass von ihnen Stoffe auf Lebensmittel oder deren Oberfläche übergehen, ausgenommen gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche Anteile, die technisch unvermeidbar sind." In der Bedarfsgegenständeverordnung werden dann noch für einige Stoffe Grenzwerte festgelegt. Klar ist jedoch: Eine Beschichtung mit Antibiotika wäre gesundheitlich höchst bedenklich. Und technisch unvermeidbar wäre sie schon gar nicht.
Heiße Frage Stimmt es, dass man bei über 42 Grad Fieber stirbt? Stimmt. Die medizinischen Fachbücher geben die maximale Körpertemperatur, die ein Mensch überleben kann, mit 42,3 Grad an. Es sollen aber auch schon Menschen eine kurzfristige Erwärmung auf 43 Grad überlebt haben. Der Grund für diese Temperaturempfindlichkeit sind die Proteine, also Eiweiße, aus denen unser Körper aufgebaut ist. So wie das Eiweiß im Hühnerei schon bei relativ mäßigen Temperaturen gerinnt, "denaturieren" auch die menschlichen Proteine. Besonders im Hirn treten dann irreparable Schäden auf. Sie brauchen aber in den meisten Fällen bei zunehmendem Fieber keine Angst zu haben, dass die Temperatur über alle Maßen steigt. Fieber wird ausgelöst durch eine "Sollwertverstellung" des biologischen Thermostaten, der im Gehirn sitzt, genauer gesagt im Hypothalamus. Der dreht die Temperatur hoch, wenn das körpereigene Abwehrsystem viel zu tun hat, aber er weiß eigentlich auch recht genau, wann es zu heiß wird. Gefährlich wird es, wenn dieser Thermostat selber gestört ist, etwa durch eine Hirnverletzung. Ein ganz anderer Fall ist die so genannte Hyperthermie. Von der spricht man, wenn der Körper immer wärmer wird, weil das Kühlsystem die Hitze nicht mehr abführen kann (Beispiel: Bösewicht sperrt James Bond in der Sauna ein). Gelangt der Mensch dann nicht bald in eine kühlere Umgebung, kommt es zum Hitzschlag und schließlich zum Tod.
Vertraute Prüfung Lenin wird oft mit dem Ausspruch zitiert: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Nun habe ich gehört, dieses Zitat laute in Wirklichkeit: "Misstrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Welche Version ist die richtige? Weder noch. Nach den mir vorliegenden Quellen ist der Ausspruch in Lenins hinterlassenen Werken nicht zu finden. Reclams Zitaten-Lexikon schreibt, der Satz sei "die schlagworthafte Verkürzung einer Überzeugung, wie sie Lenin mehrfach geäußert hat", und zitiert aus dem 1914 verfassten Aufsatz Über Abenteurertum: "Nicht aufs Wort glauben, aufs strengste prüfen - das ist die Losung der marxistischen Arbeiter." Büchmanns Geflügelte Worte kommen der Sache schon näher. Sie verweisen auf eine alte russische Redewendung, die zu Lenins Lieblingssätzen gezählt haben soll: Dowjerjaj, no prowjerjaj: "Vertraue, aber prüfe nach." Woran man mal wieder sieht: Die schönsten Zitate sind von den Autoren, denen sie zugeschrieben werden, so nie erfunden worden.
Rauchverzehrer Raucher behaupten, dass brennende Kerzen den Zigarettenrauch "auffressen". Stimmt's? Nein. Kerzen und Zigaretten machen nämlich etwas sehr Ähnliches: Sie verbrennen organische Substanzen. Die unvollständig verbrannten Reste, die in die Luft gelangen, nennt man Ruß, und auch der Zigarettenrauch besteht im Wesentlichen daraus. Walter Schütz vom Verband Deutscher Kerzenhersteller hat zwei Erklärungen für die angenehme Wirkung von Kerzen in einer Raucherrunde: Da sind zum einen Duftkerzen, die mit ihrem Aroma den Rauch "übertönen" (ein Effekt, mit dem einige Hersteller auch werben). Und zum anderen sorgen Kerzen, die auf dem Tisch stehen, für eine Umwälzung der Raumluft. Durch diese so genannte Konvektion wird der Rauch besser von den Rauchern wegtransportiert und im Raum verteilt. Die Gesamtmenge bleibt aber gleich. Die einzigen wirklichen Rauchverzehrer sind die Menschen im Zimmer.
Häufige Unglückszahl Stimmt es, dass der 13. eines Monats öfter auf einen Freitag fällt als auf jeden anderen Wochentag? So unglaublich es klingen mag: Es stimmt. Die spontane mathematische Intuition sagt dem aufgeklärten Mitteleuropäer: Es gibt sieben Wochentage, und weder 365 noch 366 sind durch 7 teilbar, deshalb verschiebt sich der 1. Januar (und mit ihm alle Daten) jährlich um einen oder zwei Tage, sodass sich zumindest auf lange Sicht die Dreizehnten gleichmäßig auf alle Wochentage verteilen müssten. Dass dies nicht so ist, liegt am Gregorianischen Kalender. Nach dem ist nämlich nicht alle vier Jahre ein Schaltjahr. Glatte Hunderter, die nicht durch 400 teilbar sind, fallen aus diesem Schema heraus (also etwa 1700, 1800 und 1900. Dieses Jahr hatte dagegen einen 29. Februar). Das Schema wiederholt sich also alle 400 Jahre, und wenn man nachrechnet, stellt man fest, dass diese 400 Jahre genau 146 097 Tage haben, eine durch 7 teilbare Zahl! Das bedeutet aber: Der 1.1.2000 fiel auf denselben Wochentag wie der 1.1.1600, und so geht es alle 400 Jahre, bis irgendwann ein weiterer Schalttag eingefügt werden muss, um den Kalender mit dem Lauf der Erde in Einklang zu bringen. In 400 Jahren gibt es nun aber genau 4800-mal den 13. eines Monats. Weil diese Zahl nicht durch 7 teilbar ist, kann es keine Gleichverteilung auf die Wochentage geben. Der Durchschnitt ist 685,71, und tatsächlich fällt der 13. am häufigsten auf einen Freitag, nämlich 688-mal in 400 Jahren. Das heißt, es gibt in vier Jahrhunderten etwa zwei schwarze Freitage "zu viel". Wie viel Unglück diese Abweichung über die Welt bringt, können wir an dieser Stelle nicht ermessen.
Wenn das Baby schreit Im Zusammenhang mit Bauchweh und Blähungen beim Säugling hört und liest man oft den Hinweis, dass das an der Ernährung der Mutter liege. Alles, was bei der Mutter zu Blähungen führt, würde über die Muttermilch auch den Säugling zum Pupsen bringen. Stimmt's? Viele Generationen von geplagten Müttern haben schon die eigene Ernährung für die Darmkoliken ihres Säuglings verantwortlich gemacht und sich fast nur noch von Wasser und Brot ernährt. Doch meistens hat das nichts geholfen. Das Kind schrie weiter. Die meisten Mütter müssten sich solche Selbstbeschränkungen nicht auferlegen. Ein Autor der Fachzeitschrift tägliche praxis jedenfalls fand kaum wissenschaftliche Belege dafür, dass die Ernährung der Mutter für Blähungen beim gestillten Kind sorgt. Es sei oft noch nicht einmal sicher, dass der Grund für das Geschrei der Babys überhaupt Blähungen sind. Vor allem aber entstünden beim Erwachsenen die Darmwinde entweder durch verschluckte Luft oder durch den bakteriellen Abbau unverdauter Ballaststoffe, etwa aus Hülsenfrüchten - und was nicht verdaut wird, gelangt ebenso wenig in die mütterliche Milch wie irgendwelche Gase. Die Zeitschrift führt dann noch eine Untersuchung an, bei der 272 stillende Mütter über den Zusammenhang von Ernährung und Koliken befragt wurden. Dabei ergab sich nur bei Kuhmilch, Zwiebeln und Kohl eine schwache Korrelation - wobei das Ergebnis sicherlich auch von der Erwartung der Mütter geprägt war. In einem Fall kann es aber tatsächlich zu Komplikationen kommen, nämlich wenn der Säugling gegen Kuhmilch-Eiweiß allergisch ist. Dann sollte die Mutter tunlichst auf Milchprodukte verzichten.
Klebriger Sommer Allen Autofahrern ist er leidig bekannt: der klebrige Schmierfilm auf dem Lack, wenn der Wagen unter einem Baum geparkt war. Stimmt es, dass es sich dabei nicht um Absonderungen der Blüten handelt, sondern um Läusekot? Es stimmt tatsächlich: Bald klebt wieder auf vielen Autos "die Scheiße der Blattläuse", wie es Wohlert Wohlers, Pressesprecher der Biologischen Bundesanstalt und davor Aphidologe (Läuseforscher), drastisch ausdrückt. Deshalb haben wir unter diesem Übel auch nicht nur während der Blütezeit der Bäume zu leiden, sondern praktisch den ganzen Sommer über. Die kleinen Krabbelviecher sitzen auf den Bäumen und saugen aus dem so genannten Phloem, dem Gefäßsystem der Pflanzen, den Saft in sich hinein. Dieser Saft enthält vor allem Kohlenhydrate in Form von Zucker - besonders viel etwa beim Ahornbaum. Die Läuse dagegen sind besonders scharf auf nahrhafte Proteine, und die sind im Phloem nicht in sehr hoher Konzentration vorhanden. Also müssen die Tierchen saugen, saugen, saugen. Den überschüssigen Zucker scheiden sie wieder aus. Daher der feuchte Film, der auch den schmeichelhaften Namen "Honigtau" trägt. Trost für genervte Autobesitzer: Der wasserlösliche Läusekot greift den Lack nicht an. Wer das alles nun ziemlich eklig findet, der sollte nicht nur den Campari vorsichtig genießen (ZEIT Nr. 51/99), sondern auch beim nächsten Honigkauf genau aufs Etikett schauen: Bienen finden den Honigtau nämlich sehr köstlich und schlecken ihn gern von Bäumen und vom Waldboden auf. Alles, was unter "Waldhonig" oder "Tannenhonig" firmiert, hat den Weg durch den Läusedarm genommen, bevor die Biene es geschluckt und wieder ausgespuckt hat.
Freier Fall Galilei hat die Fallgesetze entdeckt, indem er vom Schiefen Turm von Pisa Steine heruntergeworfen hat. Stimmt's? Stimmt nicht. Die Frage hat zwei Komponenten. Erstens: Hat Galilei Dinge vom Schiefen Turm geworfen? Die Anekdote stammt von seinem ersten Biografen Vincenzio Viviani, dem sie der greise Forscher erzählt haben soll, wird von den meisten Historikern aber bezweifelt, da es dafür keine weitere Quelle gibt. Zweitens: Hat er mit solchen Experimenten die Fallgesetze entdeckt? Das konnte er gar nicht, denn die Uhren waren in der damaligen Zeit viel zu ungenau, um derart schnelle Bewegungen exakt zu messen. Galilei benutzte dafür schiefe Ebenen, auf denen er Kugeln rollen ließ. In Galileis Frühwerk De Motu, das um 1590 entstand, schrieb der Forscher aber tatsächlich einmal von Türmen und Würfen. In der Arbeit versuchte er, die falsche These von Aristoteles zu widerlegen, dass die Fallgeschwindigkeit eines Körpers von seinem Gewicht abhängt. Der junge Galilei entwickelte eine komplizierte, leider ebenfalls falsche Theorie, nach der nicht das Gewicht, sondern die Dichte eines Körpers die Fallgeschwindigkeit bestimmt. Aber er war offen für Experimente und sah ein, dass die Wirklichkeit seiner Theorie offenbar Hohn sprach: "Denn wenn man zwei unterschiedliche Körper nimmt, die solche Eigenschaften haben, dass der erste zweimal so schnell fallen sollte wie der zweite, und lässt sie von einem Turm fallen, dann erreicht der erste den Boden nicht wesentlich schneller als der zweite." Eine schmerzliche Einsicht, die ihn nicht ruhen ließ, bis er Jahre später das tatsächliche Fallgesetz entdeckte, nach dem zumindest im Vakuum alle Körper gleich schnell fallen.
Wie die Schlange Stimmt es, dass man einen Menschen ohne dessen Einwilligung, nur durch intensiven Blickkontakt, hypnotisieren kann? Nein. Denn auch der beste Hypnotiseur hilft nur dem zu Hypnotisierenden dabei, sich selbst in Trance zu versetzen. Und wer das nicht will, bei dem klappt es nicht. Die suggestiven Fähigkeiten der Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch sind also reine Fiktion. Hypnose ist bis heute ein wenig verstandenes Phänomen, und so gibt es viele unterschiedliche Schulen, die diesen seltsamen Zustand der Konzentration auf die innere Wahrnehmung auch unterschiedlich einsetzen. Umstritten ist zum Beispiel, ob man eine Person, die (mit ihrem Einverständnis) hypnotisiert worden ist, zu Dingen verleiten kann, die mit ihrer Moral nicht vereinbar sind. Die meisten Experten sagen: Nein. Die oft erstaunlichen Effekte, die Show-Hypnotiseure erzielen können, beruhen vor allem darauf, dass sie sehr schnell herausfinden, wer zu den zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung gehört, die sich besonders leicht hypnotisieren lassen.
Lange Kerls jetzt auch im Osten Es wird oft behauptet, dass die Menschen früher kleiner gewesen seien als heute und von Generation zu Generation größer würden. Oft wird dabei auf die Größe von Ritterrüstugen verwiesen und darauf, dass auch heute die meisten Kinder größer würden als ihre Eltern. Ist da was dran? Es stimmt. Und wir reden hier nicht von Millimetern: John Komlos, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität München, berichtet zum Beispiel, dass die Einwohner der ostdeutschen Bundesländer in den vergangenen zehn Jahren um zwei Zentimeter gewachsen sind (genauer gesagt: der durchschnittliche 18-Jährige). Dabei werden vor allem die Beine der Menschen länger. Die Körpergröße hat also viel mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun. Auxologie nennt sich die interdisziplinäre Forschungsrichtung, die solchen Zusammenhängen nachspürt. Und die Auxologen gehen davon aus, dass die Körpergröße ein viel besserer Indikator für das allgemeine Wohlergehen der Menschen ist als nackte Wirtschaftsdaten wie etwa das Bruttosozialprodukt. Der kontinuierliche Wachstumstrend hält in Europa seit etwa 150 Jahren an - davor gab es auch Schrumpfprozesse, etwa mit dem Beginn der industriellen Revolution. Am meisten zugelegt haben die Niederländer: Einst ein eher kleinwüchsiges Volk, sind sie heute die größten in Europa. Die Auxologen machen Faktoren wie die vorgeburtliche Betreuung, die Ernährung und das Sozialsystem dafür verantwortlich. Seit der europäischen Einigung holen aber die Mittelmeerländer kräftig auf. Nicht nur in Europa geht der Trend nach oben: Auch die Japaner sind in den vergangenen 70 Jahren um zehn Zentimeter in die Höhe geschossen. Dagegen stagniert die Körpergröße der USAmerikaner - die wachsen eher in die Breite als in die Höhe. Wo soll das alles enden? Sicher wird der Mensch so schnell nicht zur Giraffe - die Veränderung ist ja keine genetische, sondern beruht nur auf Umweltfaktoren. Zurzeit wächst der Durchschnittseuropäer immer weiter, einen halben bis einen Millimeter
pro Jahr. John Komlos geht davon aus, dass der Trend noch über mehrere Generationen anhalten wird.
Saurer Tropfen In meiner Kindheit wurde ich von meinen Eltern und auch anderen Erwachsenen immer wieder vor dem Genuss von Essig gewarnt. Essig sei sehr "zehrend". Ich erinnere mich noch genau an den Spruch "Ein Tropfen Essig - zehn Tropfen Blut". Stimmte diese Warnung? Nein. Essigsäure (die im Essig in etwa fünfprozentiger Konzentration enthalten ist) wird im Körper ständig auf- und abgebaut, und zwar in einer Größenordnung von 50 bis 100 Gramm pro Tag. Da macht die durch den Essiggenuss aufgenommene Säure nicht viel aus und kann das Blut nicht "verdünnen", wie es auch heißt. Und selbst wenn man sehr viel Essig zu sich nimmt, verfügt der Körper über mehrere Mechanismen, den pH-Wert des Blutes sehr konstant zu halten - überschüssige Säure kann über die Atmung kompensiert werden oder wird einfach von den Nieren ausgeschieden. Inzwischen wird ja auch weniger vor dem Essigverzehr gewarnt, sondern Apfel- oder Weinessig, oft im Zusammenwirken mit Honig, als Allheilmittel für alle möglichen Zipperlein angepriesen. Wer's glaubt ... Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) jedenfalls kann außer einer gewissen antibakteriellen Wirkung keine Belege für die Heilkraft des Essigs finden. "Essig und Honig werden im Stoffwechsel letztlich zu Wasser und Kohlendioxyd abgebaut, ohne besondere Effekte im Körper auszulösen", heißt es in einer DGE-Broschüre.
Spatenförmig Meine Mutter hat mich immer davor gewarnt, Fußnägel so rund abzuschneiden wie Fingernägel, denn ansonsten könnten sie in die Zehen einwachsen. Die Warnung gehört zum Fußnägelschneiden wie Daktari zum samstäglichen Bad, weshalb ich das auch nie von fachkundiger Seite habe klarstellen lassen. Also: Stimmt das? Die optimale Fußnagelform ist nach Auskunft von Oliver Mainusch, Fußnagelexperte am Klinikum Wuppertal, "spatenförmig", also recht gerade mit einer leichten Wölbung. So passt sich der Nagel im Übrigen auch der Form der Zehen an, die ja vorne längst nicht so rund sind wie die Finger. Letztlich geht es dabei gar nicht um die Form der Kante, sondern um die Position der Ecken: Die sollten immer ein Stückchen über den Nagelrand hinausstehen. Sonst kann tatsächlich das passieren, wovor Ihre Mutter Sie immer gewarnt hat: Insbesondere durch den seitlichen Druck enger Schuhe auf die Zehen können die spitzen Ecken regelrecht ins Nagelbett hineingepikst werden und einwachsen. Da hilft dann nur noch das Skalpell beziehungsweise die so genannte "Chemochirurgie". Ganz falsch ist es, den eingewachsenen Nagel komplett herauszureißen. "Das ist Mord am Nagel", sagt Mainusch.
Bittere Wahrheit Was ist dran an dem Gerücht, dass der Verzehr von drei bitteren Mandeln bereits tödlich sein kann? Na ja, drei ist ein bisschen übertrieben. Aber die Bittermandeln haben es tatsächlich in sich. Der Stoff, der die Mandeln so gefährlich macht, heißt Amygdalin und ist in der bitteren Variante mit einem Anteil von drei bis fünf Prozent enthalten. Im Magen wird diese Substanz umgewandelt, und dabei entsteht die hochgiftige Blausäure, von der schon etwa 50 Milligramm für einen Erwachsenen tödlich sind. Aus dem Amygdalin einer einzigen Bittermandel bildet sich etwa ein Milligramm Blausäure. Also wird sich wohl kaum ein Erwachsener, nachdem er vielleicht aus Versehen in die falsche Tüte gelangt hat, mit Bittermandeln vergiften. Wirklich gefährlich werden können der Verzehr dagegen für Kleinkinder: Bei denen können drei bittere Mandeln bereits zu schweren Vergiftungserscheinungen führen, sieben bis zehn können tödlich sein. Die Packungen sollten also immer für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden! Mit Bittermandeln zubereitete gekochte oder gebackene Speisen kann man übrigens bedenkenlos genießen: Die Blausäureverbindungen sind sehr flüchtig und werden durch Erhitzen vernichtet es bleibt nur das angenehme Aroma.
Künstliche Sprache Angeblich sprechen die Hannoveraner das reinste - sprich dialektfreieste - Deutsch und kommen dem Hochdeutschen am nächsten. Stimmt's? Stimmt. Allerdings nicht "von Natur aus" - sie haben es sich mühsam vor etwa 200 Jahren antrainiert. Das, was wir heute als Hochdeutsch bezeichnen, ist nämlich eine Kunstsprache, die aus keinem der deutschen Dialekte hervorgegangen ist, erzählt Herbert Blume, Sprachwissenschaftler an der TU Braunschweig. Hochdeutsch ist nichts weiter als der Versuch, das seit dem späten Mittelalter einigermaßen vereinheitlichte geschriebene Deutsch auszusprechen. Noch bis Ende des 18. Jahrhunderts galt das "Meißnische" als das Nonplusultra der deutschen Hochsprache, was vor allem auf die literarische Blüte Sachsens zurückzuführen ist. Aber irgendwann merkte das Bürgertum in den großen Städten, dass die Sachsen doch ihre phonetischen Schwierigkeiten hatten, vor allem bei der Differenzierung zwischen b und p, g und k, d und t. Der imagemäßige Abstieg des sächsischen Dialekts begann. Und es stellte sich heraus, dass das Plattdeutsche der Niedersachsen (deren kulturelles Zentrum damals noch Braunschweig war und nicht Hannover) über den besten Vorrat an Lauten verfügte, um das Schriftdeutsch wiederzugeben. In den norddeutschen Städten schaffte es das neue Hochdeutsch schnell, den Dialekt fast völlig zu verdrängen. Um 1790 riet schließlich der Schriftstellers Karl Philipp Moritz den Berliner Damen, denen er das feine Sprechen beibringen sollte, sich die Braunschweiger und Hannoveraner zum Vorbild zu nehmen So ganz perfekt sind aber auch die Niedersachsen nicht: Wenn sie "Fluch" sagen, kann durchaus der "Pflug" gemeint sein.
Schumi kopfüber an der Decke Stimmt es, dass ein Formel-1-Rennwagen ab einer bestimmten Geschwindigkeit durch die vorbeiströmende Luft so viel Anpressdruck entwickelt, dass er theoretisch kopfüber an einer Decke fahren könnte, ohne herunterzufallen? Kaum zu glauben, aber es stimmt! Die genauen Zahlen über die Aerodynamik wollen die Autobauer nicht verraten, aber sie bestätigen die grundsätzliche Möglichkeit, so etwa Wolfgang Schattling, Pressesprecher der Motorsportabteilung von Daimler Chrysler. Und zumindest die Größenordnung der Kräfte ist bekannt: Ein moderner Rennwagen wiegt inklusive Fahrer etwa 600 Kilo. Der Anpressdruck (auch Abtrieb genannt) lässt sich durch den Anstellwinkel der "Flügel" variieren. Auf kurvenreichen Strecken braucht man besonders viel Abtrieb, da nehmen die Techniker auch eine geringere Windschlüpfrigkeit in Kauf und stellen die Spoiler sehr steil ein. Und dann können bei Tempo 200 durchaus noch einmal zusätzliche anderthalb Tonnen den Wagen auf die Straße drücken. Ein Drittel des Abtriebs wird übrigens durch den so genannten Venturi-Effekt erzielt - das ist der Sog, den die unter dem Wagen herströmende Luft erzeugt. Rechnerisch funktioniert die Überkopffahrt also. Fragt sich nur, wie man den Boliden unter die Decke bekommt. Gemacht hat das wohl noch niemand. McLaren veröffentlichte im vergangenen Jahr in seiner Hauszeitschrift Racingline das Bild eines verkehrt herum fahrenden Silberpfeils - aber das war nur ein Aprilscherz.
Vager Schwur Stimmt es, dass angehende Ärzte heute noch auf den Eid des Hippokrates verpflichtet werden? Zum Glück nicht. Denn dann müssten sie ihren Professor wie einen Vater behandeln, ihn im Alter versorgen und die Medizinerkunst kostenlos an dessen männliche Nachkommen weitergeben. Und auf keinen Fall dürfte der Arzt Patienten operieren, die unter Blasensteinen leiden - das müsste er nämlich den "Handwerkschirurgen" überlassen. Der hippokratische Eid ist ein über 2.000 Jahre alter historischer Text (nicht einmal die Autorenschaft des Hippokrates ist belegt). Damals stellte er nicht nur einen ethischen Code dar, sondern auch eine Standesordnung. Sich heute darauf zu berufen wäre purer Anachronismus. "Das suggeriert eine Einheitlichkeit des medizinischen Ethos, die nicht gegeben ist", sagt der Heidelberger Medizinhistoriker Axel Bauer. Mit dem Fortschritt der Medizin haben sich auch die ethischen Probleme verändert - man denke an Abtreibung oder Sterbehilfe -, und da kann Hippokrates wenig helfen. Jeder Arzt, der in Deutschland approbiert wird, ist aber durch seine Zwangsmitgliedschaft in der Ärztekammer auf die Berufsordnung verpflichtet, in die unter anderem das Genfer Gelöbnis Eingang gefunden hat, eine modernisierte Fassung des alten Schwures, das "in seiner vieldeutigen Beliebigkeit ein würdiger Nachfolger des hippokratischen Eides" ist, wie der Freiburger Medizinhistoriker Karl-Heinz Leven urteilt. Die Unzulänglichkeiten ihrer Ordnungsschrift korrigieren die Ärztekammern mit Ergänzungen zu aktuellen ethischen Streitfragen, etwa mit Empfehlungen zur Sterbebegleitung.
Light wie schwer Ich habe eine Frage, die mich als Raucher schon seit langem "brennend" interessiert: Stimmt es denn, dass so genannte LightZigaretten tatsächlich leichter, also weniger schädlich sind als normale Zigaretten? Es stimmt nicht. Und das gleich aus mehreren Gründen. Erstens: Die niedrigeren Nikotin- und Kondensatwerte kommen dadurch zustande, dass die Filter der Light-Zigaretten kleine Löcher enthalten. Dadurch wird von den Rauchautomaten, mit denen die Werte ermittelt werden, mehr Luft angesaugt. Der menschliche Raucher hält aber oft die Löcher zu und zieht stärker an der Zigarette, sodass er mehr Nikotin und Teer aus der Zigarette holt als die Maschine. Zweitens: Die Light-Zigarette enthält keinen "leichteren" Tabak als die normale, sondern nur weniger. Tatsächlich ist der Nikotingehalt pro Gramm Tabak meist höher, wie ein Fernsehteam des SWR ermittelt hat. Die Hersteller verwenden die "vollaromatischen Tabake", wie sie sie nennen, um trotz der erwähnten Löcher noch für genügend Geschmack zu sorgen. Und drittens: Der süchtige Raucher raucht, um seinen Nikotinspiegel aufrechtzuerhalten - wenn er aus einer Zigarette tatsächlich weniger von dem Nervengift holt, dann wird er im Zweifelsfall mehr Zigaretten konsumieren. Fazit: Light-Zigaretten kann man rauchen, wenn sie einem besser schmecken. "Gesünder" sind sie nicht. Sagt Ihnen ein ehemaliger Light-Raucher.
Standhafte Bläser Wenn man vor einem Blasorchester in eine Zitrone beißt, können die Musiker nicht mehr weiterspielen. Stimmt's? Seit über zwei Jahren steht diese schon mehrfach von Lesern gestellte Frage auf meiner Liste. Jetzt habe ich endlich das entsprechende Experiment durchgeführt. Ort des Versuchs: Hamburg. Datum: 6. Juli 2000. Versuchsobjekte: Musiker des Orchesters Tuten und Blasen (9 Bläser, 2 Perkussionisten), die vorher nicht über den Zweck des Experiments unterrichtet waren. Die Instruktion: Spielen Sie ein Stück, und sehen Sie den Versuchsleiter dabei an! Während die Band einen schmissigen Samba-Song spielte, holte ich zunächst ein Messer aus der Tasche (leichte Irritation auf einigen Gesichtern), dann eine Zitrone (ungespritzt), schnitt die Zitrone in zwei Teile und biss genüsslich erst in die eine, dann in die andere Hälfte. Das Ganze durchaus theatralisch begleitet von Grimassen und Schlürfgeräuschen. Das Ergebnis: Die Bläser spielten völlig unbeeindruckt ihr Stück zu Ende. Danach berichtete kein einziger der Musiker von verstärktem Speichelfluss - unabhängig davon, ob er vorher die Legende gekannt hatte oder nicht. Einzige Ausnahme: Die Schlagzeugerin sagte, ihr sei das Wasser im Mund zusammengelaufen. Aber um die ging es ja eigentlich gar nicht. Übrigens: In eine Zitrone zu beißen ist weniger schlimm, als man denkt.
Angst um Muttis Zähne Jedes Kind kostet die Mutter einen Zahn. Stimmt's? Zumindest in der Vergangenheit ging das Kinderkriegen tatsächlich mit Zahnverlusten einher. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer statistischen Studie, die Forscher von der dänischen Universität von Odense und vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock gemeinsam durchgeführt haben. Grundlage waren die Daten von über 1100 dänischen SeniorenZwillingspaaren ab 73 Jahren. Bei den Frauen gab es eine eindeutige Korrelation: Mütter aus den unteren sozialen Schichten verloren tatsächlich pro Kind einen Zahn mehr als die Kinderlosen. In den höheren Schichten betrug der Unterschied nur einen halben Zahn pro Kind. Bei den Männern dagegen gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Vätern und Kinderlosen. Auch bei Zwillingsschwestern waren die Daten eindeutig: In 28 von 34 Fällen hatte diejenige weniger Zähne, die mehr Kinder geboren hatte. Doch was ist die Ursache für diesen Zahnverlust? Die Wissenschaft tappt da auch noch weitgehend im Dunkeln. Sicher ist die naive Vorstellung falsch, das heranwachsende Baby raube sich das Kalzium für den Aufbau der Knochen aus Muttis Zähnen. Peter Ehrl, der ein Fortbildungsinstitut der Berliner Zahnärztekammer leitet, führt die dänischen Daten auf die schlechtere Mundhygiene früherer Jahrzehnte zurück. Gerade in der Schwangerschaft sei die richtige Zahnpflege wichtig, weil dann die Schleimhäute zum Anschwellen neigen und auch das Zahnfleisch anfälliger ist. Werdende Mütter sollten also auf ihre Zähne achten!
Alte Lettern Ist es richtig, dass der Druck mit beweglichen Lettern bereits vor Gutenberg erfunden wurde? Das stimmt. Wieder einmal hatten die Chinesen die Nase vorn, wie schon beim Papier und beim Schießpulver. Und der chinesische Gutenberg hat sogar einen Namen: Bi Sheng hieß er, und er machte seine Erfindung um das Jahr 1040 - etwa 400 Jahre vor dem Mainzer. Die Chinesen waren schon lange große Meister der Druckkunst. Den Holztafeldruck, bei dem jede Seite spiegelverkehrt in einen hölzernen Block geschnitten wurde, beherrschten sie bereits seit dem 7. Jahrhundert. Bi Sheng experimentierte dann mit "Lettern" aus Ton, die mit Wachs in einer Eisenform fixiert wurden. Allerdings konnte sich diese Art des Buchdrucks in China lange Zeit nicht durchsetzen. Der Hauptgrund: Es gibt im Chinesischen einfach zu viele Schriftzeichen, die im Setzkasten vorrätig zu halten wären. Deshalb ist es auch unwahrscheinlich, dass Johannes Gensfleisch zum Gutenberg von der chinesischen Druckerkunst wusste, als er 1455 seine berühmte Bibel druckte.
Farbenlehre Neulich im Zoo wollte mir meine Freundin den Bären aufbinden, dass Flamingos deshalb so schön pink sind, weil sie sich von Krabben ernähren. Stimmt das etwa? Die rosa Farbe des Flamingos kommt von dem Farbstoff Canthaxanthin, einer Substanz aus der Gruppe der Karotinoide. Und um diese Farbe zu bilden, braucht der Vogel karotinhaltige Nahrung. Sonst ist bei der nächsten Mauser die Pracht dahin. Das ist nicht nur schlecht für die Optik - offenbar sind weiße Flamingomänner für Weibchen nicht sonderlich attraktiv, deshalb hat es in Zoos schon des Öfteren nicht mit der Fortpflanzung geklappt. In der freien Natur decken die Flamingos ihren Karotinbedarf mit Krebsen und Algen. In den Zoos müssen die Karotinoide der Nahrung zugesetzt werden. Früher gab man den Vögeln Karotten und Rote Bete, heute wird dem Flamingofutter das Canthaxanthin einfach zugesetzt. Übrigens lässt auch ein goldorangefarbener Eidotter auf karotinhaltiges Hühnerfutter schließen, und dass der Lachs im Supermarkt so eine appetitliche Farbe hat, liegt auch nur am Futter in den Zuchtfarmen - sonst wäre er nämlich gräulich-weiß.
Abgestandener Pflanzenschutz Blumenfreunde behaupten oft, man solle Pflanzen nur mit abgestandenem Wasser gießen. Deshalb ist bei ihnen die Gießkanne immer voll. Die meisten Zimmerpflanzen vertragen durchaus Wasser, das direkt aus der Leitung kommt. Es gibt aber dennoch zwei Gründe, das frische Leitungswasser eine Weile stehen zu lassen: Erstens die Temperatur. Auch Pflanzen sind sensible Wesen, und eiskaltes Wasser an ihren Wurzeln kann vor allem tropische Gewächse durchaus schocken. Deshalb ist Wasser, das sich auf Zimmertemperatur erwärmt hat, für die meisten Pflanzen besser. Der zweite Grund ist die Hoffnung, dass Stoffe aus dem Wasser verschwinden, die nicht gut für die Pflanzen sind. Manchmal ist von Chlor die Rede, aber das Trinkwasser in Deutschland ist kaum noch gechlort. Da ist das Argument mit dem Kalk schon triftiger. In manchen Gegenden ist das Wasser so "hart", also kalkhaltig, dass es die Blumenerde zu alkalisch machen kann. Das sieht man dann auch an den weißen Kalkablagerungen. Einige Pflanzen sind besonders kalkempfindlich - etwa Azaleen und Hortensien. Und tatsächlich lagert sich beim Abstehenlassen ein Teil des Kalks in der Gießkanne ab. Besser ist es aber, von vornherein "weiches" Wasser zu benutzen, etwa aus der Regentonne.
Nadelprobe "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." Stimmt es, dass es sich bei diesem Bibelspruch um eine Fehlübersetzung handelt und im Original das griechische Wort für "Seil" und nicht "Kamel" benutzt wurde? Tatsächlich unterscheidet sich das griechische Wort für Kamel (NDPKOR9) nur durch einen Vokal von dem Wort NDPLOR9, das ein Schiffstau bezeichnet. Und "Seil durchs Nadelöhr" klingt doch plausibler als "Kamel durchs Nadelöhr"? Trotzdem gehen fast alle Bibelforscher davon aus, dass in der Urfassung des Matthäus- und des Lukasevangeliums das Wort Kamel steht. Erstens ist schon im altjüdischen Talmud die Rede von der Unmöglichkeit, einen Elefanten durch ein Nadelöhr zu bugsieren. Und da ist es zum Kamel nicht weit, zumal das Tier in Palästina sicherlich häufig vorkommt. Zweitens gibt es eine recht lückenlose Kette von Bibelmanuskripten - und das Seil taucht nur in wenigen Übersetzungen aus späterer Zeit auf, vornehmlich in georgischen und armenischen Texten. Und schließlich werten die Historiker bei einander widersprechenden Quellen eher die ungewöhnlichere Variante als korrekt - es passiert viel leichter, dass ein Mönch beim Abschreiben das Kamel zu einem Seil korrigiert als umgekehrt. Eine weitere Erklärung für das seltsame Bild ist übrigens, dass es in Jerusalem ein niedriges Stadttor mit dem Namen "Nadelöhr" gegeben haben soll, das Kamele nur auf den Knien hätten passieren können. Aber auch dafür gibt es keine historischen Belege.
Schlange und Kaninchen Worauf bezieht sich der Ausdruck, man "starrt auf etwas wie das Kaninchen auf die Schlange" - also gebannt, gelähmt, starr und bewegungslos? Starren Kaninchen wirklich regungslos auf Schlangen? Betrachten wir das Problem zunächst von der Schlangenseite: Die Reptilien haben keine hypnotischen Fähigkeiten, da kann die Schlange Kaa im Dschungelbuch noch so oft ihre spiraligen Augen rollen und Mowgli in Trance säuseln. Ein Grund, warum man ihnen das unterstellt, ist vielleicht, dass sie keine Augenlider haben - das lässt den Blick eigentümlich starr erscheinen. Und wie schaut es mit dem Kaninchen aus? Wenn das Tier tatsächlich regungslos sitzen bleibt, dann ist das zunächst einmal gar keine so schlechte Strategie. Denn wie bei vielen anderen Tieren, so reagiert auch bei Schlangen der Sehsinn besonders empfindlich auf Bewegungen - es besteht also die Chance, durch die Starre unentdeckt zu bleiben. Der wichtigste Sinn der Schlange ist jedoch der Geruchssinn, der interessanterweise auf der Zunge sitzt. Auch winzige Temperaturschwankungen können die Reptilien wahrnehmen. Und dagegen hilft kein Stillhalten. Wenn die Schlange das Kaninchen gewittert hat, sollte dieses schleunigst das Hasenpanier ergreifen. Und das tut es auch.
Bissige Bestatter Von Piranhas heißt es immer wieder, dass ein Schwarm dieser putzigen Tierchen ein Rind binnen Minuten skelettieren könne. Stimmt's? Hat mal jemand eine Kuh in den Amazonas geworfen und mitgestoppt? "Als mein Vater erst fünfzehn Jahre alt war, floh er vor angreifenden Indianern in einem kleinen, gebrechlichen Kanu. Das Boot kippte um, und er entkam schwimmend, als er aber dem Wasser entstieg, war er nur noch ein Skelett; später konnte ihm das nicht mehr passieren." Mit diesen Worten zitiert Bernhard Grzimek den Südamerikakenner Harald Schultz, auch "IndianerSchultz" genannt. In den USA hat der Präsident Theodore Roosevelt mit weniger ironischen Schauergeschichten von skelettierten Soldaten zum schlechten Ruf der Fische beigetragen. Die meisten Piranha-Arten sind Vegetarier, nur wenige fressen Fleisch. Es ist kein Fall dokumentiert, in dem Piranhas Menschen zu Tode gebracht haben. In Wirklichkeit sind die Tiere eher scheu und ernähren sich von kleinen Fischen. Allenfalls hat einmal der eine oder andere Fischer beim Einholen der Netze eine Fingerkuppe eingebüßt. Amazonaskenner warnen davor, in Trockenzeiten in den geschrumpften Lagunen zu baden - Hunger und räumliche Enge können die Piranhas aggressiver machen als gewöhnlich. Zurück zur Kuh: Ja, die Piranhas werden sie abknabbern - wenn man sie tot in den Fluss wirft. Aber nicht in ein paar Minuten, sondern eher in Stunden oder Tagen. Am Rio Orinoco werden in Überschwemmungszeiten auch schon einmal Menschen "bestattet", indem man den Leichnam ins Wasser wirft, von Piranhas abnagen lässt und das Gebein nach dem Rückgang der Flut bestattet.
Grüne Lunge Regenwald In einem Leserbrief im "Spiegel" wurde behauptet, der Amazonas sei nicht die "grüne Lunge" des Erdballs, sondern der gesamte produzierte Sauerstoff würde bei der Verrottung der Biomasse wieder verbraucht. Stimmt das? Tatsächlich gibt das Amazonasbecken als ganzes in manchen Jahren mehr Kohlendioxid ab, als es produziert - es "verbraucht" also Sauerstoff. Das ergaben jedenfalls Modellrechnungen von Klimaforschern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena. In den so genannten El-Niño-Jahren, in denen im Regenwald weniger Niederschlag fällt, ist die CO2-Bilanz positiv, es geht mehr raus als rein. Das gilt wohlgemerkt für das Amazonasgebiet als ganzes - und das besteht nicht nur aus unberührtem Regenwald, sondern auch aus trockenen Savannen und den vom Menschen gerodeten Flächen. Der unberührte Urwald ist immer eine Kohlenstoffsenke. Und im langjährigen Mittel gilt das auch für die gesamte Region. Aber selbst wenn die Bilanz einigermaßen ausgeglichen wäre, hieße das natürlich nicht, dass man nun sorglos weiter Regenwaldflächen roden könnte. Denn jede neue Rodung verschlechtert die Bilanz gleich auf doppelte Weise: Die Verbrennung der Bäume bläst eine Kohlenstoffmenge in die Luft, die erst in etwa 100 Jahren wieder angesammelt wird. Zudem sind die gerodeten Flächen aufgrund der veränderten Flora und Fauna für lange Zeit eine Quelle von CO2.
Kriminelle Vögel Stimmt's, dass Elstern Silberbestecke und anderes vom Terrassentisch "klauen"? Die "diebische Elster" ist eine sprichwörtliche Legende, aber in den einschlägigen Tierlexika findet man erstaunlich wenig dazu. Nun habe ich endlich einen wirklichen Experten aufgetan: Der Biopsychologe Helmut Prior, der an der Universität Bochum das Verhalten von Elstern studiert. Alle Rabenvögel horten Futter. Bei Elstern ist diese Tugend besonders stark ausgeprägt. Elstern können schon als Jungvögel gezielt nach einem Gegenstand suchen, den man vor ihnen versteckt. Sie entwickeln dabei offenbar auch ein großes Interesse an glänzenden Gegenständen, obwohl die gar nicht essbar sind. "Wenn sie handlich (schnabelig) genug sind, tragen sie sie auch umher und verstecken sie", sagt Prior. Der Forscher hat eine Erklärung dafür, warum die Frage so lange als ungeklärt galt: Die Elster bringt nämlich das "Diebesgut" nicht einfach nach Hause in ihr Nest, sondern sie legt viele einzelne Verstecke an, vermutlich um das Risiko der Plünderung möglichst klein zu halten. Die Bochumer Verhaltensforscher haben in ihren Experimenten herausgefunden, dass die Vögel sich erstaunlich viele dieser Verstecke merken können. Sie sind dabei fast so gut wie Menschen, Menschenaffen und Hunde. "Man wird nie eine kleine ,Schatzkammer' mit mehreren Schmuckstücken finden, sondern allenfalls einzelne Münzen oder Glanzstücke, von denen dann schwer zu sagen ist, ob eine Elster sie versteckt oder ein Mensch sie verloren hat", berichtet Helmut Prior.
Test zum Fest Alle Jahre wieder frage ich mich, ob es stimmt, dass die Beigabe von Glyzerin in den Christbaumständer den Weihnachtsbaum länger frisch hält. Stimmt's? Zunächst einmal: Den Christbaum in irgendeine Flüssigkeit zu stellen ergibt nur dann einen Sinn, wenn er gerade frisch geschlagen ist. Hat er schon eine Weile auf dem Weihnachtsmarkt zugebracht, dringt Luft in die feinen Kanäle des Baums ein, und er kann nichts mehr aufsaugen. Er trocknet aus, Fichten übrigens schneller als Tannen. Nach dem Glyzerin befragt, zuckten sämtliche Forstbiologen mit den Schultern und hielten die Sache für eine Legende. Aber dann ist da noch Gottfried Stelzer, der im SWR-Radio Gartentipps gibt und seinen Hörern auch zum Glyzerin rät. Seine Erklärung: Das Glyzerin hat eine harzlösende Wirkung und hält die Kanäle des Baums frei. Allerdings gibt Stelzer zu, dass er das Rezept von seinen schlesischen Großeltern hat und eine wissenschaftliche Überprüfung aussteht. Also machen wir nun den Test: Die ZEIT hat zwei Bäumchen aufgestellt, der eine steht in Wasser, der andere in Wasser und Glyzerin Die Auflösung stand dann in der ZEIT Nr. 3/01: Das Ergebnis des (völlig unrepräsentativen) ZEIT-Experiments liegt nun vor: Zwei Bäumchen, am selben Tag geschlagen, haben drei Wochen nebeneinander gestanden. Der eine in Wasser, der andere in einer Mischung, die zu gleichen Teilen Wasser und Glyzerin enthält. Das Ergebnis ist eindeutig: Nach genau drei Wochen war das Glyzerin-Bäumchen so vertrocknet, dass man es durch bloßes Schütteln von fast allen Restnadeln befreien konnte. Der andere Tannenbaum trug dagegen noch ein üppiges Nadelkleid von frischer grüner Farbe. Fazit: Das Glyzerin nützt überhaupt nichts.
Tönende Säule "Wenn du die Muschel dicht an dein Ohr hältst, kannst du das Meer rauschen hören" - das wurde mir als Kind erzählt, und ich war fasziniert. Später bekam ich zu hören: "Was da so rauscht, ist das Blut, welches in deinem Ohr zirkuliert." Aber irgendwie bin ich auch bei dieser Erklärung skeptisch geblieben. Das akustische Phänomen ist weder auf das Meer noch auf das "Rauschen des Blutes" zurückzuführen. Tatsächlich handelt es sich um Resonanz: In der Schnecke (richtige Muscheln, die aus zwei Teilen bestehen, rauschen nicht) befindet sich eine so genannte Luftsäule - wie in jedem musikalischen Blasinstrument. Diese Säule hat eine Eigenfrequenz. Durch normalerweise kaum wahrgenommene Umweltgeräusche wird sie zum Schwingen angeregt und verstärkt die Töne, die in der Nähe dieser Eigenfrequenz liegen. Deshalb hat auch jede Muschel ihr charakteristisches Rauschen. Das Phänomen, das mit beliebigen Hohlkörpern funktioniert, kann man auch mit einem Mikrofon aufnehmen und in dem zirkuliert ja bekanntlich kein Blut.
Pferdefußangel Stimmt es, dass man an der Fußstellung des Pferdes bei einem Reiterdenkmal erkennt, wie der Reiter umgekommen ist? Die angebliche Regel lautet: Steht das Pferd auf allen vieren, ist der Reiter unverletzt aus der Schlacht hervorgegangen. Bei einem erhobenen Bein ist er verwundet worden, bei zwei Beinen im Kampf gefallen. Abgesehen davon, dass die Künstler die Statik von Pferden, die nur auf zwei Beinen stehen, noch gar nicht so lange beherrschen, welchen Sinn sollte ein solcher "Geheimcode" unter Bildhauern haben? Der Bielefelder Historiker Reinhart Koselleck, ein Experte für Reiterstandbilder der jüngeren Geschichte, verweist darauf, dass es vor dem 19. Jahrhundert nicht üblich war, Könige oder Feldherren sterbend in Skulpturen abzubilden - von daher wäre es vielleicht plausibel, dass der Künstler durch ein solches Zeichen auf den heldenhaften Tod des Abgebildeten hingewiesen hätte. Aber gehört hat er von einer solchen Regel noch nie. Und was nützt ein Code, wenn nicht einmal die Fachleute ihn verstehen? Aber kommen wir zur praktischen Überprüfung der Behauptung: Die konnte ich mir sparen, weil Kollege Cecil Adams, berühmter Legendenwiderleger beim Chicago Reader, schon einmal eine globale Stichprobe von 18 Reiterstandbildern von Feldherren wie Napoleon und Washington untersucht hat. Sein Ergebnis: Achtmal stimmte die Fußstellung des Pferdes mit der Regel überein, achtmal nicht (bei zwei Generälen hatte er nicht genügend Informationen). Also kann die Frage guten Gewissens mit "Stimmt nicht" beantwortet werden.
Hundejahre Stimmt die Daumenregel: Ein Hundejahr entspricht sieben Menschenjahren? Diese Regel ist doch ein bisschen pauschal. Schauen wir zuerst einmal, wie alt ein Hund wird: Das variiert stark von Rasse zu Rasse. Während die durchschnittliche Dogge nur etwa 7 Jahre alt wird, können kleine Hunderassen durchaus 15 oder mehr Jahre leben. Stellt man das etwa 75 Menschenjahren gegenüber, so ergibt sich ein Faktor, der zwischen 5 und 11 liegen kann. Der wichtigste Fehler in dieser Rechnung liegt aber darin, dass ein Hund anders altert als ein Mensch. Er wird, selbst wenn man einen solchen Faktor in Rechnung stellt, viel schneller erwachsen als unsereins. Nach einem Jahr ist er im Teenageralter, also in seiner Entwicklung so weit wie ein 14-jähriger Jugendlicher, und nach 18 Monaten sind die meisten Hunde voll ausgewachsen, entsprechend einem 18- bis 20-jährigen Menschen. Danach gibt es kaum noch markante Punkte im Leben von Mensch und Hund, der Alterungsprozess fordert seinen Tribut. Ich habe verschiedene Tabellen gefunden, die verschiedene Jahreszahlen von Mensch und Hund gegenüberstellen. Einig sind sie sich alle darin: Am Anfang entspricht ein Menschenjahr etwa 14 Hundejahren, am Ende sind es nur noch 5.
Ausgepowert Stimmt es, dass Muscheln nur in Monaten gegessen werden dürfen, die ein "r" enthalten (also nicht im Sommer)? Angeblich sollen die Muscheln sich dann mit Schadstoffen anreichern und schwer verdaulich oder sogar giftig sein. Nach Auskunft von Friedrich Buchholz von der Biologischen Anstalt Helgoland/AWI gibt es mehrere Gründe, warum man in den Monaten Mai bis August (das sind genau die ohne "r") nicht unbedingt frische Muscheln essen sollte. Kaum noch gültig ist das Argument der Frische: Während früher die Muscheln bei warmem Wetter leicht verdarben, kann das bei der heutigen Kühltechnik kaum noch vorkommen. Der Hauptgrund ist ein geschmacklicher: Die Tiere laichen im Mai, und danach fehlen ihnen erstens die Geschlechtszellen (was sich offenbar auf den Geschmack auswirkt), und außerdem sind sie sowieso ziemlich abgemagert - die Fortpflanzung fordert ihren Tribut. "Die sind ausgepowert", formuliert es Professor Buchholz. Der zweite Grund ist ein ökologischer: Muscheln sind lebendige Filter. Bis zu 50 Liter Wasser saugt eine Miesmuschel pro Stunde durch sich durch, in drei Wochen wird das gesamte Wattenmeer einmal von Muscheln gefiltert. Da bleiben natürlich auch Schadstoffe zurück - nicht nur die vom Menschen eingebrachten, also etwa Schwermetalle, sondern auch natürliche, etwa in Algen enthaltene Giftstoffe. Und die Algen blühen in den Sommermonaten besonders stark. Das geht ebenfalls auf den Geschmack, und außerdem ist es nicht gerade gesund. Trotzdem braucht man kaum Angst vor einer Muschelvergiftung zu haben. In den Sommermonaten werden ohnehin kaum Muscheln "geerntet", und das Muschelfleisch gehört zu den am besten überwachten und kontrollierten Lebensmitteln.
Zahlenschwindel Häufig, wenn Statistiken unsere Vorurteile konterkarieren, wird ein vermeintliches Zitat von Winston Churchill bemüht, für das ich aber nie einen Beweis gefunden habe. Sinngemäß soll es lauten: "Ich glaube nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe." Stimmt's? Ich glaube an kein Zitat, das ich nicht selbst erfunden habe, möchte ich fast sagen. Hier haben wir jedenfalls mal wieder eines, das mit großer Wahrscheinlichkeit falsch ist, sich jedenfalls nicht belegen lässt. In diesem Fall kann man noch nicht einmal sagen, dass es "gut erfunden" wäre. Werner Barke, ein Mitarbeiter des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg, forscht seit Jahren dem angeblichen ChurchillZitat hinterher, wohl auch, weil es an der Berufsehre der Statistiker kratzt. Und er hat einiges herausgefunden: Während der Ausspruch bei uns häufig und gern zitiert wird (leider auch in diesem Blatt), ist er den Engländern gänzlich unbekannt. Wen Barke auch fragte: das Statistische Amt von Großbritannien, die Redaktion der Times - niemand kannte ihn. Das ist natürlich seltsam und deutet auf eine deutsche Quelle hin. Barke macht sie im Reichspropagandaministerium der Nazizeit aus. Denn im Zweiten Weltkrieg fand neben der realen auch eine publizistische Schlacht zwischen Deutschland und England statt, und die wurde auch mit Zahlenangaben ausgetragen. Joseph Goebbels wies die Zeitungen mehrmals an, die englische Presse und insbesondere Churchill als Lügner hinzustellen, die mit falschen Zahlen über Bomben und Opfer Propaganda machten. So befahl Goebbels der Presse am 7. Oktober 1940: "Jeden Tag ... soll sie die hoffnungslose Lage Englands schildern und zeigen, wie sich in jeder aus England kommenden Meldung die Bluff-Politik Churchills offenbart." Die gleichgeschalteten Medien folgten diesen Anweisungen brav. Der Völkische Beobachter brachte fast täglich entsprechende Schlagzeilen: Zahlenakrobat Churchill, Churchills Zweckstatistik, Jede britische Bombe fünf-
zehnfach vergolten - Amtliche Zahlen widerlegen Illusionsschwindel. Unklar ist weiterhin, wo das angebliche Zitat zum ersten Mal auftauchte. Der englische Premier war jedenfalls kein Feind der Statistik - im Gegenteil, er richtete sogar in der Admiralität eine eigene Statistische Sektion ein, die ihn ständig mit Zahlenmaterial versorgte. Denn Winston Churchill glaubte an die Wichtigkeit objektiver Informationen. "Du musst die Tatsachen anschauen, denn sie schauen dich an!", sagte er 1925 - belegbar.
Lübke und die Neger Im Geschichtsstudium hatte ich gehört, der ehemalige Bundespräsident Heinrich Lübke habe bei einem Staatsbesuch in Afrika eine Rede so begonnen: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger!" So seltsam Lübke war - ich konnte nie ganz glauben, dass das wirklich stattgefunden hat. Ich habe das Bundespräsidialamt angerufen, mit Heinrich Lübkes Biografen gesprochen, mehrere Rundfunkarchive durchforsten lassen und Afrikaexperten befragt. Ergebnis: Jeder kennt das Zitat, die meisten hätten es Lübke auch zugetraut, es wird sogar genau datiert auf einen Staatsbesuch in Liberia im Jahr 1962 aber es gibt keinen Beleg dafür! Das berühmte Zitat findet sich weder auf der Schallplatte ... redet für Deutschland noch in dem Bändchen Worte des Vorsitzenden Heinrich. Wolfgang Koßmann vom Bundespresseamt, der selbst seit Jahren nach einer Quelle forscht, hält den Ausspruch denn auch für "gut erfunden". Schließlich hat das Exstaatsoberhaupt gerade in Entwicklungsländern kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen, etwa als er in der madagassischen Hauptstadt Tananarive eine Rede mit den Worten "Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive!" begann und später über das Land sagte: "Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden." Muss man Lübke demnach als üblen Rassisten einstufen? Da widerspricht der Filmemacher Martin Baer, Autor der Dokumentation Befreien Sie Afrika!, vehement: "Mit seinen Afrikareisen wollte er die Hilfe für die damals nach Unabhängigkeit strebenden oder gerade unabhängig werdenden Länder fördern." Wenn Lübke also zu mauretanischen Abgesandten sagte: "Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten", dann klingt das für unsere Ohren vielleicht unerträglich paternalistisch, aber es kam gewiss von Herzen. Trotz vieler Reisen blieben die fernen Länder Lübke immer fremd. So war er im April 1967 froh, in die Heimat zurückzukeh-
ren: "Nach meiner Asienreise hat mich die frische, raue Luft des Sauerlands umgeschmissen."
Rechts und links Stimmt es, dass Napoleon in Europa den Rechtsverkehr nur eingeführt hat, um auf einer anderen Straßenseite zu fahren als die Engländer? Sowohl der Rechts- als auch der Linksverkehr haben uralte Wurzeln, erklärt Hans Straßl, Oberkurator beim Deutschen Museum in München. Interessanterweise gehen beide darauf zurück, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind. Rechtsverkehr kommt aus der Schifffahrt. "Wenn sich ein Mensch auf einen Baumstamm setzt, dann paddelt er meist auf der rechten Seite", sagt Straßl. Daher auch das Wort "Steuerbord". Begegnen sich zwei Paddler, dann ist es sinnvoll, nach rechts auszuweichen. Man kann sich auch gut am rechten Ufer abstoßen. Auf allen Wasserstraßen der Welt herrscht Rechtsverkehr. Den Linksverkehr prägten Pferdefuhrwerke: Rechtshänder führen das Pferd mit der rechten Hand und gehen am liebsten am Straßenrand, wegen des Gegenverkehrs. Der Rechtsverkehr setzte sich in Ländern mit starker Binnenschifffahrt wie Deutschland und Frankreich durch. In England und einigen anderen Ländern siegte der Linksverkehr. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden dann die Fahrregeln gesetzlich fixiert. Napoleon schrieb nur fest, was in Frankreich längst Brauch war. Er führte die Regel übrigens auch in Linksfahrländern wie Österreich und Ungarn ein. Sofort nach Abzug der französischen Truppen schwenkten diese Länder wieder nach links. Bis zur Besetzung durch die Nazis im Jahr 1938.
Von Brecht? Unvorstellbar "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin ..." War dieser Satz von Brecht wirklich so pazifistisch gemeint, oder hängt da nicht noch ein "dickes Ende" dran? Meiner Erinnerung nach klagt das dazugehörige Gedicht die mangelnde Courage an, gegen das Unrecht zu kämpfen. Anfang der achtziger Jahre, als die Friedensbewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss auf die Straße ging, wurde dieser Slogan sehr populär, und irgendjemand hat ihn wohl auch Bertolt Brecht zugeschrieben. Der kämpferische Revolutionär als radikaler Pazifist? Da konnte doch etwas nicht stimmen. Gegner der Friedensbewegung wiesen damals gern darauf hin, dass das Zitat unvollständig sei. Im Original heiße es weiter: "... dann kommt der Krieg zu euch / Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt / Und läßt andere kämpfen für seine Sache / Der muß sich vorsehen; denn / Wer den Kampf nicht geteilt hat / Der wird teilen die Niederlage. / Nicht einmal den Kampf vermeidet / Wer den Kampf vermeiden will; denn / Es wird kämpfen für die Sache des Feinds / Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat." Der Moderator eines politischen Fernsehmagazins hielt sogar einen Band mit Brecht-Gedichten in die Kamera, als er das zitierte. Er hätte besser einmal in das Buch hineingeschaut; denn die ganze Geschichte stimmt hinten und vorne nicht. Tatsächlich ist das berühmte Zitat wohl amerikanischen Ursprungs: Sometime they'll give a war and nobody will come - diesen von den Friedensfreunden aufgegriffenen Satz schrieb der Dichter Carl Sandburg 1936 in seinem Gedichtband The People, Yes. Um die Aussage in ihr Gegenteil zu verkehren, dichtete ein anonymer Autor die Zeile "... dann kommt der Krieg zu euch" dazu und montierte das Ganze vor eine Passage aus Brechts Koloman Wallisch Kantate. In der geht es aber überhaupt nicht um einen Krieg - sie ist dem österreichischen Revolutionär Koloman Wallisch gewidmet, der 1934 bei den Arbeiteraufständen ums Leben kam. Erst ab der
Zeile "Wer zu Hause bleibt ..." handelt es sich also um ein Brecht-Zitat. Die Vorstellung, man könnte dem Krieg entgehen, indem man zu Hause bleibt, hätte aber tatsächlich nicht der Gedankenwelt Brechts entsprochen, betont der Herausgeber des gerade erschienenen Brecht-Handbuchs, Jan Knopf. Vielmehr habe der Dichter stets darauf hingewiesen, dass der moderne Krieg mit seinen Massenvernichtungswaffen es immer schaffen werde, zum Volk zu kommen.
Noble Eifersucht Stimmt es, dass es einen Mathematik-Nobelpreis deshalb nicht gibt, weil die Ehefrau von Alfred Nobel eine Affäre mit einem Mathematiker hatte? Gleich vorweg: Alfred Nobel war nie verheiratet. Also gab es auch keine Ehefrau, die ihn hätte betrügen können. Aber war da vielleicht eine Geliebte, die nebenbei noch etwas mit einem Mathematiker hatte? Nobel war lange Zeit liiert mit der Wienerin Sophie Hess. Für die Rolle des Mathematikers wird immer wieder der Schwede Gösta Mittag-Leffler ins Spiel gebracht. Allerdings gibt es keinerlei Belege dafür, dass dieser Sophie Hess gekannt hätte. Nobel und Mittag-Leffler kannten sich wohl aus Stockholms Gelehrtenszene, jedoch waren sie weder befreundet noch verfeindet. Und selbst wenn der Preisstifter den Mathematiker nicht gemocht hätte - Mittag-Leffler, wiewohl ein solider Gelehrter, wäre wohl kaum der Kandidat für einen Mathematik-Nobelpreis gewesen in einer Zeit, in der große Geister wie Hilbert oder Poincaré noch aktiv waren. Also alles haltlose Legenden. Aber wieso gibt es dann keinen Nobelpreis für Mathematik? Die Antwort ist wohl banal: Der Praktiker Alfred Nobel (siehe auch Zeitläufte in dieser Ausgabe) hatte für die "Hilfswissenschaft" Mathematik nie viel übrig - sie gehörte für ihn einfach nicht zu den Disziplinen, die die Menschheit voranbringen.
Königliche Wünsche "Die Entfernung für den Marathonlauf war nicht immer 42,195 Kilometer. Sie wurde erst 1908 auf Wunsch des britischen Königshauses auf diesen Wert vergrößert. Stimmt's? Der Marathonlauf war eine Erfindung von Michel Bréal, einem Freund von Pierre de Coubertin, dem Vater der Olympischen Spiele der Neuzeit. Die Legende vom Läufer Pheidippides, der in der Antike die Kunde vom Sieg in der Schlacht von Marathon überbrachte und dazu die etwa 40 Kilometer lange Strecke nach Athen laufen musste, war ein schöner Aufhänger für einen Langstreckenlauf, und bei den ersten Spielen 1896 in Athen wurde auch tatsächlich diese klassische Strecke gelaufen. In den ersten Jahren scherte man sich kaum um die exakte Länge des Marathonlaufs. Die Strecke wurde halt so angelegt, dass es etwa 40 Kilometer waren. Bei den Spielen in London 1908 sollte der Parcours zunächst auf 26 Meilen (knapp 42 Kilometer) verlängert werden, damit er vom Schloss Windsor, wo die königlichen Sprösslinge den Start beobachten konnten, bis ins WhiteCity-Stadion reichte. Die Ziellinie im Stadion hätte dann aber gegenüber der königlichen Loge gelegen. Queen Alexandra soll dagegen protestiert haben - jedenfalls wurde noch eine Dreiviertelrunde draufgelegt, genau 385 Yards, und so kam die "krumme" Distanz von 42 Kilometern und 195 Metern zustande. Diese Anekdote ist auch die Ursache für einen Brauch unter angelsächsischen Marathonläufern, sich kurz vor dem Ziel mit einem herzhaften "God save the Queen!" bei der Königin für die harten zusätzlichen Yards zu bedanken. Bei den folgenden Spielen wurden wieder ganz andere Strecken gelaufen. Erst im Jahr 1921 legte der internationale Leichtathletikverband IAAF die heute noch verbindliche Marathondistanz fest, und seit 1924 geht auch das olympische Rennen über diese Entfernung.
Fleischloser Führer Adolf Hitler war Vegetarier. Stimmt's? Kommt drauf an, wie man Vegetarier definiert. Tatsächlich hat der Diktator zumindest nach 1930 kaum noch Fleisch gegessen. Das hatte wohl vor allem mit seinen chronischen Verdauungsbeschwerden zu tun. Das Medical Casebook of Adolf Hitler von Leonard und Renate Heston beschreibt drastisch, dass Hitler oft nach dem Essen von Krämpfen geplagt wurde und nach der Versuch-und-Irrtum-Methode nach und nach "eine exzentrische Diät" entwickelte, "die fast vegetarisch war". Müsli und Rohkost waren seine Hauptnahrung. Auch wenn andere Quellen von dem einen oder anderen Würstchen oder Täubchen berichten, kann man wohl sagen, dass Hitler sich vegetarisch ernährte. Die andere Frage ist, ob diese Ernährung neben den praktischen Gründen auch einen weltanschaulichen Hintergrund hatte. Der Hitler-Biograf Robert Payne hält das Bild vom vegetarischen, nicht rauchenden und auch sonst asketisch lebenden Führer für ein Propagandakonstrukt, das vor allem von Goebbels gepflegt wurde. Tatsächlich hat es in der Nazizeit nie öffentliche Aktionen gegen den Fleischkonsum gegeben (im Gegensatz etwa zu massiven Antiraucherkampagnen). Andererseits wäre Hitler nicht Hitler gewesen, hätte er nicht auch noch seine Ernährungsweise mit einer kruden, selbst gestrickten Theorie ideologisch überhöht. In seiner "medizinischen Biografie" Patient Hitler zitiert Ernst Günther Schenck Passagen aus Hitlers Monologen im Führerhauptquartier, zum Beispiel diese: "Ich glaube, dass der Mensch zum Fleisch gekommen ist, weil die Eiszeit ihn in Not gebracht hat. Zugleich kam er zum Kochen, was sich heute schädlich auswirkt." Die Vegetarierorganisationen wehren sich natürlich vehement gegen den Vorwurf, dass einer wie Hitler einer den ihren gewesen sei. Sie sollten es gelassen sehen wie der Vegetarier und radikale Tierschützer Peter Singer, der lapidar kontert: "Die Tatsache,
dass Hitler eine Nase hatte, bedeutet ja auch nicht, dass wir uns die Nase abschneiden müssen."
Anrüchiges Zitat Vielleicht hätte ich da was für Ihre Gerüchteküche: "Was rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmacket?" - LutherZitat oder nicht? Eine Menge Sprüche sind angeblich vom Reformator überliefert. Doch die meisten wurden ihm erst nachträglich zugeschrieben. So ist es mit den Worten "Hier stehe ich und kann nicht anders!", die er angeblich auf dem Reichstag zu Worms ausgerufen haben soll, als er sich weigerte, seine Thesen zu widerrufen. So ist es mit dem Ausspruch "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen", der erst seit dem vergangenen Jahrhundert kursiert. Und so ist es mit dem deftigen Tischspruch. Damit wollten offenbar "manche Kreise ihren Lebensstil mit Luther-Zitaten belegen", sagt Helmar Junghans, emeritierter Luther-Experte von der Universität Leipzig. Wer nach einem deftigen Luther-Spruch sucht, der tatsächlich belegbar ist, der findet vielleicht an diesem Gefallen: "Wenn ich hier einen Furz lasse, dann riecht man das in Rom."
Einsames Genie Immer wieder liest man über Einstein, dass er ein schlechter Schüler gewesen sei. Andere behaupten das Gegenteil. Was stimmt? Auch wenn viele Schüler mit dieser Legende ihre schlechten Schulleistungen zu entschuldigen versuchen - Albert Einstein war keineswegs ein schlechter Schüler. Eher ein unkonventioneller und eigenbrötlerischer. Er hasste den fast militärischen Drill des Münchner Gymnasiums, das er besuchte, und schaffte es 1894, mithilfe eines ärztlichen Attests schon in der 11. Klasse diese Anstalt zu verlassen. Der 16-jährige Einstein versuchte, mit einer Ausnahmegenehmigung ins Zürcher Polytechnikum aufgenommen zu werden, scheiterte aber trotz hervorragender mathematisch-physikalischer Leistungen an der Aufnahmeprüfung. Daraufhin holte er das Abitur an der Alten Kantonsschule in Aarau nach - ein Jahr, das er sehr genoss. In seiner Abschlussarbeit schrieb er über seine weiteren Pläne: "Ich habe die Vorstellung, Hochschullehrer zu werden, auf dem Gebiet der theoretischen Naturwissenschaften. Die Gründe dafür sind meine individuelle Neigung zu abstraktem und mathematischem Denken und mein Mangel an Phantasie."
Tödlicher Schock Angeblich dürfen laut Genfer Konvention Projektile von Feuerwaffen eine bestimmte Geschwindigkeit nicht überschreiten, weil sonst schon ein Streifschuss am kleinen Finger zum Tod durch "Gewebeschock" (was auch immer das sein soll) führt. Sucht man im Internet nach dem Stichwort "Gewebeschock", so findet man grausige Seiten von Waffennarren, die sich mit Akribie an der Wirkung von Projektilen auf menschliche Körper delektieren und die Legende verbreiten, superschnelle Geschosse könnten allein durch ihre Schockwirkung töten. Fragen wir also lieber Beat Kneubuehl, der wissenschaftlich nüchtern im Auftrag der Eidgenössischen Regierung die Wirkung von Schusswaffen untersucht. Er ist auch der Hauptautor des Standardwerks Wundballistik. Zunächst zur Genfer Konvention: Dieses internationale Abkommen verbietet Waffen, die dem feindlichen Soldaten überflüssige Verletzungen und unnötiges Leiden zufügen. Vor allem die Dumdum-Geschosse sollten damit geächtet werden. Als in den sechziger Jahren das amerikanische Sturmgewehr M 16 eingeführt wurde, dessen Munition besonders grausame Wunden schlägt, führten manche das irrtümlich auf die hohe Mündungsgeschwindigkeit zurück, und es gab Bestrebungen, ein "Tempolimit" von 800 Metern pro Sekunde vorzuschreiben. Tatsache ist, dass das Abkommen bis heute keine speziellen Vorschriften über die Eigenschaften der Munition enthält. Zur zweiten Frage: Gibt es den legendären "Gewebeschock" also den Fall, dass ein Mensch an einem Schuss stirbt, obwohl er keine unmittelbar tödliche Verletzung davongetragen hat? "Wir haben 20 Jahre weltweit nach solchen Fällen gesucht", sagt Beat Kneubuehl, "aber keinen einzigen gefunden." Wohl seien Hasen und Rehe schon an Schrotschüssen gestorben, obwohl alle Organe intakt geblieben waren. Der menschliche Schocktod durch Streifschuss, Geschwindigkeit hin oder her, gehört aber wohl ins Reich der Fabel.
Tatwaffe: Gemahlenes Glas Stimmt es, dass fein zermahlenes Glas, unbemerkt in Flüssigkeit oder unter Speisen gemischt eingenommen, unweigerlich zum Tod führt ? "Wenn ich jemanden umbringen wollte", sagt der Rechtsmediziner Alfred Du Chesne von der Universität Münster, "dann würde ich mir etwas anderes überlegen." Vorab: Natürlich sind größere Glassplitter gefährlich, wenn man sie verschluckt. Sie können die Speiseröhre oder die Verdauungsorgane verletzen und zu inneren Blutungen führen, die unter Umständen tödlich enden. Die Rede ist hier aber von "fein gemahlenem Glas". Irgendwie hat sich die Legende verbreitet, dass dieses Glasmehl, über längere Zeit eingenommen, wie ein Gift wirkt und Menschen töten kann. Meist wird dann noch hinzugefügt, dass ein solcher heimtückischer Anschlag im Nachhinein nicht nachweisbar sei. Glas hat aber keine solchen geheimnisvollen Wirkungen. Im wirklich fein gemahlenen Zustand ist es völlig ungefährlich. Der amerikanische Arzt August A. Thomen berichtete schon im Jahr 1941, dass im Auftrag des US-Landwirtschaftsministeriums Fütterungsversuche mit Ratten durchgeführt worden seien. Das Ergebnis der damaligen Studien: Die Nager hätten sogar eine Diät mit grob gemahlenem Glas überlebt. Generell kann man sagen: Was das Opfer beim Essen nicht bemerkt, das richtet auch keine inneren Schäden an. Und wenn einmal jemand tatsächlich scharfkantige Glassplitter verschluckt, dann sind sie nach Du Chesnes Worten auch im Inhalt von Magen oder Darm nachweisbar - also kein Rezept für einen "perfekten Mord".
Krank durch Milch Stimmt es, dass Asiaten keine Kuhmilch vertragen und sich auch aus diesem Grund vor abendländischem Käse ekeln? Der Ekel ist sicherlich auch kulturell bedingt - dass verschimmelte Milch eine Delikatesse sein kann, ist ja nicht für alle Menschen selbstverständlich. Zur Unverträglichkeit: 75 Prozent der erwachsenen Menschen auf der Erde können Milchzucker (Laktose) nicht richtig verarbeiten, weil sie nach der Kindheit das entsprechende Enzym (Laktase) verloren haben. Dieses spaltet im Dünndarm den Doppelzucker aus der Milch in einfache Zucker. Fehlt es, gelangt unverdaute Laktose in den Enddarm und wird dort ein gefundenes Fressen für Bakterien - Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall sind die Folge. Entwicklungsgeschichtlich gesehen, ist das nicht weiter schlimm - die Frühmenschen verzehrten nach der Kindheit keine Milchprodukte mehr, das Enzym war also überflüssig. Erst mit der Einführung der Landwirtschaft vor etwa 12 000 Jahren begannen auch Erwachsene regelmäßig Milch zu trinken. Dass sich die genetisch bedingte Laktase-Persistenz, also die Fähigkeit, auch im Erwachsenenalter Milch zu verdauen, vor allem in Nordeuropa durchsetzte, liegt wohl daran, dass wir besonders auf Milch als Kalziumlieferant angewiesen sind. Während in unseren Breiten nur etwa 10 Prozent der Menschen Laktose nicht vertragen, sind es im Süden Europas 60 Prozent, in Schwarzafrika 95 Prozent und in Ländern wie Thailand fast 100 Prozent. Die genetische Ursache der Laktose-Unverträglichkeit ist soeben weitgehend geklärt worden: In dieser Woche berichten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Genetics von zwei dafür verantwortlichen genetischen Varianten, die sie in einer Reihenuntersuchung von finnischen Familien ausgemacht haben.
Untrennbar Oft hört man Schauergeschichten von Pärchen, die beim Geschlechtsverkehr überrascht oder erschreckt wurden und nur noch mit ärztlicher Hilfe getrennt werden konnten. Was ist dran? Erzählungen von solchen Missgeschicken gibt es zuhauf in der medizinischen, aber auch in der populären Literatur. So sang in den Siebzigern Hannes Wader in seiner Ballade vom Tankerkönig über das Paar, das im Auto aufgeschreckt wurde: "Meine Bekannte hatte 'nen Krampf, und jetzt hängen wir fest!" Während im Lied noch eine Stecknadel als "Gegenschock" Abhilfe schafft, ist der penis captivus in den medizinischen Berichten meist nur dadurch zu befreien, dass der Krampf der Frau durch eine Narkose gelöst wird. Starke Scheidenkrämpfe, auch Vaginismus genannt, sind ein verbreitetes Phänomen. Aber sie treten meist vor einem beabsichtigten Geschlechtsverkehr auf, sodass es gar nicht erst zum Vollzug kommt. Dass die Krämpfe während des Akts eintreten und dann noch so stark, dass der Mann wie ein kopulierender Hund festgeklemmt wird - dafür ist die empirische Basis bestenfalls dünn. Die meisten Fachpublikationen beziehen sich auf einen Artikel, der 1884 in den Philadelphia Medical News erschien. Dort berichtete ein gewisser Egerton Y. Davis, angeblich Arzt in Montreal, von einem dramatischen Fall, der sich in England abgespielt habe. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass Davis ein Pseudonym des bekannten Mediziners Sir William Osler war, einem Mitherausgeber der Medical News. Der wollte seinem Kollegen Theophilus Parvin, der kurz zuvor in dem Blatt einen Artikel über Vaginismus veröffentlich hatte, einen Streich spielen - was ihm auch bestens gelang, mit weit reichenden Folgen. Die angeblichen Fälle von penis captivus sind fast immer mit außerehelichem Sex verbunden. Und seit der nicht mehr so skandalös ist, gibt es auch weniger entsprechende Berichte. In den letzten 50 Jahren wird kaum noch davon erzählt, medizinisch dokumentierte Fälle gibt es überhaupt nicht. Deshalb kann man
getrost davon ausgehen, dass die Geschichte vom untrennbar vereinigten Pärchen ins Reich der Fantasie gehört.
Rollen lernen Vor 20 Jahren hat man uns in Biologie beigebracht, dass die Fähigkeit, die Zunge an den Rändern aufzurollen (eine Art U zu formen), keine Frage der Übung sei, sondern genetisch bedingt. Die Menschheit lasse sich also in zwei Gruppen teilen: Roller und Nichtroller. Hat man tatsächlich ein Roller-Gen gefunden, oder handelt es sich hierbei nur um eine gewagte Theorie unserer Lehrer? Die Fähigkeit des Zungenrollens ist ein schönes Beispiel, mit dem man im Biologieunterricht die Vererbung von Eigenschaften nach den Mendelschen Gesetzen untersuchen kann: Sie ist leicht zu überprüfen, außerdem macht es den Schülern viel Spaß, ihre Verwandtschaft daraufhin zu testen. Nur: Das Beispiel ist zu schön, um wahr zu sein. Alfred Sturtevant, der im Jahr 1940 zu den Ersten gehörte, die ein dominantes Gen für diese Eigenschaft verantwortlich machten, schrieb schon 1965 in seinem Buch A History of Genetics über "eine unglückliche Tendenz", manche Merkmale als Beispiel für die Mendelsche Vererbung zu akzeptieren, obwohl die Beweislage sehr dürftig ist. Im Fall des Zungenrollens kam der Todesstoß bereits 1952, als ein gewisser Philip Matlock eineiige Zwillinge untersuchte. Deren Fähigkeit müsste ja aufgrund ihrer identischen Erbanlagen immer gleich sein - bei 21 Prozent der von Matlock untersuchten Paare war aber jeweils ein Zwilling ein "Roller" und einer ein "Nichtroller". Zwingender Schluss: Es gibt zumindest noch weitere Faktoren, die die Zungenrollfähigkeit beeinflussen. Und offenbar können manche "geborenen" Nichtroller das Rollen sogar lernen. "Es ist mir immer noch peinlich", schrieb Sturtevant, "wenn ich das Beispiel in aktuellen Arbeiten zitiert sehe." Und daran hat sich nichts geändert.
Gefräßiges Hirn Ich habe irgendwo gehört, dass unser Gehirn fast die Hälfte der durch die Nahrung zugeführten Energie verbraucht. Das scheint mir, verglichen mit der Muskelmasse unseres Körpers, sehr viel stimmt es also? Für erwachsene Menschen stimmt das nicht. Deren Gehirn ist zwar auch ein Energiefresser, aber es braucht "nur" 20 Prozent der Energie, die wir uns über Nahrung und Atmung zuführen. Das ist jedoch immer noch eine ganze Menge, wenn man berücksichtigt, dass der Denkklumpen in unserem Kopf nur etwa zwei Prozent der Körpermasse ausmacht. Babys dagegen benötigen tatsächlich die Hälfte ihrer Energiezufuhr für die Entwicklung ihres Gehirns. In dieser frühen Lebensphase wächst der Kopf rapide, und im Hirn werden viele Synapsen gebildet, also die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen. Nach dem 5. Lebensjahr lernen wir nur noch, indem wir einen Teil der Synapsen wieder entfernen, das Gehirn arbeitet dann insgesamt "ökonomischer". Was den Energielieferanten Glukose (vulgo Traubenzucker) angeht, so braucht auch das erwachsene Gehirn nicht nur die Hälfte, sondern sogar 60 Prozent des Gesamtzuckerhaushalts. Und weil es insgesamt nur 33 Gramm des süßen Treibstoffs zwischenspeichern kann, ist eine stetige Glukosezufuhr über das Blut äußerst wichtig. Die denkfördernde Wirkung eines Stückchens Traubenzucker vor der Mathearbeit ist also keine Einbildung.
Messlatte Auch auf die Gefahr hin, dass diese Frage schon tausendmal an Sie gerichtet wurde und von Ihnen schon lange als "nicht beantwortenswürdig" betrachtet wird: Nun mal Hand aufs Herz - "So wie die Nase des Mannes, so auch sein ... Johannes"?! Die ZEIT sieht keinen Grund, sich nicht mit einer Frage wie der Ihren zu beschäftigen, solange es auf sachliche und geschmackvolle Weise geschieht. Also: Das männliche Geschlechtsorgan ist schon auf vielfältige Weise vermessen worden, etwa um herauszubekommen, ob sich seine Länge im Alter verändert (ZEIT Nr. 46/01). Über Korrelationen mit den Maßen anderer Körperteile gibt es dagegen wenig Material. Mir liegt ein Bericht vor, nach dem ein koreanisches Forscherteam an 655 erwachsene Männer die Messlatte anlegte und die Werte mit den Dimensionen anderer Körperteile verglich. Das Ergebnis: Es gab geringe Korrelationen mit der Körpergröße, dem Gewicht und der Länge gewisser Zehen, aber das war es auch schon. Die Zahl dieser Probanden verblasst gegen die Stichprobe, die eine Internet-Seite mit dem Titel The Definitive Penis Size Survey inzwischen gesammelt hat: Über 3.000 Surfer haben für diese Umfrage bereits ihr bestes Stück selbst vermessen und zusätzlich auch Werte wie Nasenlänge und Schuhgröße angegeben. Richard Edwards, der diese Seite betreibt, schreibt mir: "Ich habe inzwischen genügend Daten gesammelt, um zu sagen, dass es keine Korrelation zwischen Nasenlänge oder -breite und der Penisgröße gibt. Variablen, die ganz schön damit korrelieren, sind Rasse, Körpergröße und die Körperfettmasse." Fazit also: Die Größe des Riechkolbens lässt keine Schlüsse auf die verborgenen Quantitäten eines Mannes zu. Natürlich ist diese Untersuchung wissenschaftlich weniger stringent, weil die Testpersonen eigenhändig Maß nehmen und man ihren Angaben vertrauen muss. Deshalb ist auch Edwards dazu übergegangen, selber im Dienst der Wissenschaft zu messen - seit dem letzten Jahr hat er schon 165 Penisse erfasst.
Faktor Schatten Stimmt es, dass man auch im Schatten braun wird? Die Antwort ist in etwa dieselbe wie auf die Frage: Stimmt es, dass man auch im Schatten etwas sehen kann? Auf dem Mond ist es im Schatten tatsächlich pechschwarz, weil der keine Atmosphäre hat. Bei uns streut die Luftschicht das Licht, sodass ein Teil auch dahin kommt, wo die Sonne nicht direkt hinscheint. Und das gilt für das ultraviolette Licht, das für Bräunung, Sonnenbrand und Hautkrebs verantwortlich ist, im Prinzip genauso wie für das sichtbare. Ein paar Besonderheiten gibt es: So lassen manche undurchsichtigen Textilien UV-Strahlen durch, sodass man unter einem entsprechenden Sonnenschirm verbrennt. Umgekehrt blocken manche Glassorten das UV-Licht fast völlig ab (ZEIT Nr. 31/99). Wie viel bräunende Strahlen man im Schatten nun wirklich abbekommt, ist leider nicht so pauschal zu beziffern, erklärt Rüdiger Matthes vom Bundesamt für Strahlenschutz. Das kommt nämlich ganz auf die Umgebung an - Sand und Wasser reflektieren die Strahlen sehr gut, sodass am Strand der Wert sehr hoch sein kann. Man kann davon ausgehen, dass dort im Schatten 25 bis 50 Prozent der Strahlung an den Körper gelangen. Der Schatten hat also ungefähr denselben Sonnenschutzfaktor wie eine Creme mit dem Faktor zwei bis vier.
Der Knochenbaufaktor Mich beschäftigt das Gerücht, dass manche Menschen schwerere Knochen als der Durchschnitt haben. Diese These würde ich sehr gern für mich selbst in Anspruch nehmen. Volker Zapf, München Eine schöne Entschuldigung fürs Übergewicht haben Sie da - die klingt doch viel gesünder als die sonst gern zitierten "Hormonstörungen". Und da man sich die Knochen ja kaum weghungern kann, ist sie ein perfekter Vorwand, um weiter den schmackhaften Dingen des Lebens zu frönen. Nur: Es ist halt ein Vorwand. Zwar haben wirklich manche Menschen ein stabileres und damit auch schwereres Skelett als andere, aber damit kann man kein Übergewicht von zehn Kilo oder mehr erklären. Das Knochengerüst eines erwachsenen Menschen wiegt nämlich selbst nur um die zehn Kilogramm. Gestehen wir einem besonders Stämmigen einen 30 Prozent schwereren Knochenbau zu - dann sind das immer noch nur drei Kilo mehr. Die seien ihm gegönnt, alles darüber ist ein ganz gewöhnliches Übergewicht. Das Maß dafür ist der Body Mass Index: Gewicht geteilt durch das Quadrat der Körpergröße. Mit einem BMI über 26 gilt man als zu dick. Und nur von ganz peniblen Rechnern muss dieser Index um einen Knochenbaufaktor bereinigt werden.
Glatt auf Zeit Die Indianer rasieren sich nie und haben doch keine Bärte. Sie haben sich alle Barthaare so lange ausgerissen, bis keine mehr nachwachsen. Stimmt's? "Sollte dieser Apanatschka, aller Indianerart entgegen, einen so dichten Bart besitzen, dass er sich rasieren musste? Wo nahm er die Seife her? Bekanntlich rasieren sich die Indianer nicht, sondern sie reißen sich die wenigen Barthaare, die sie haben, so lange aus, bis sie nicht wiederwachsen", schreibt Karl May in Old Surehand. Der sächsische Abenteuerdichter hat wohl für die Verbreitung der Legende vom indianischen Bartausreißen bei uns gesorgt. Tatsächlich hat schon Charles Darwin berichtet, dass die meisten Indianer praktisch bartlos sind, und auch bei ihm findet sich die Sache mit dem endgültigen Ausreißen der Barthaare in der Pubertät. Aus schmerzhafter Erfahrung weiß aber jede Frau, die sich einmal die Beine mit Wachs enthaart hat (und jeder Mann, der sich die Nasenhaare ausrupft): Die störenden Borsten kommen wieder. Zwar dauert das länger als bei einer Rasur. Das Ausreißen zerstört aber nicht den Haarfollikel, sodass der bald ein neues Haar hervorbringt. Um eine Haarwurzel dauerhaft zu veröden, sind andere technische Hilfsmittel nötig, etwa Laserstrahlen, über die die Indianer zu Mays Zeiten sicher nicht verfügt haben.
Kitzeln im Kernspin Stimmt es, dass man sich nicht selbst kitzeln kann? Richtig, man kann sich nicht selbst kitzeln. Das wissen die meisten aus Erfahrung. Aber wieso geht das nicht? Es hat damit zu tun, dass unser Gehirn "erwartete" Sinneseindrücke zum größten Teil ausblendet. Wenn man sich überlegt, was allein unser Tastsinn ständig an Reizen liefert: Beim Gehen müssten bei jedem Schritt die Fußsohlen jucken; wenn wir auf einem Stuhl sitzen, meldet die Gesäßmuskulatur permanent, dass auf sie Druck ausgeübt wird. Gäbe es nicht einen Filter, der das Ungewöhnliche vom Erwarteten separiert, könnte das Hirn unter dem Schwall von Eindrücken die wichtigen Informationen nicht mehr herausfinden. Hirnforscher vom University College in London haben nun versucht, das am Beispiel des Kitzelns nachzuweisen. Die Doktorandin Sarah-Jayne Blakemore ersann das Experiment, bei dem Versuchspersonen in einen Kernspintomografen geschoben wurden, der ihre Hirnaktivitäten aufzeichnete. Mit einem an einer Stange befestigten Stück Schaumgummi sollten sie sich nun mal selbst kitzeln, mal wurden sie von einer anderen Person traktiert. Das Ergebnis: Die Hirnregionen, die Berührung und Belustigung registrieren, waren im Fall des Selbstkitzelns weniger aktiv. Und das lag nicht etwa daran, dass die Fremdkitzelei völlig überraschend gewesen wäre - der Reiz kam sehr regelmäßig und vorhersagbar. Er war nur nicht mit einer Eigenbewegung des Körpers gekoppelt. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Cerebellum daran beteiligt ist, die sensorischen Folgen einer Bewegung vorherzusagen", heißt es in einer Arbeit der Londoner Forscher. Das Cerebellum scheint also den anderen Hirnregionen zu signalisieren: "Regt euch nicht auf, das sind nur wir selbst."
Dirigent im Kopf Stimmt es, dass Menschen, die ohne Uhr und Tageslicht leben, unwissentlich jeweils eine Stunde später ins Bett gehen, dass wir also eigentlich einen 25-Stunden-Rhythmus haben? Stimmt. Der Mensch hat eine "innere Uhr", und die tickt durchaus in einem anderen Rhythmus als die Erdumdrehung. Herausgefunden wurde das seit den sechziger Jahren in Versuchen am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Andechs, bei denen Probanden Wochen, manchmal Monate in Versuchslabors ohne Tageslicht und ohne Uhren verbrachten. Tatsächlich stellten sie sich im Schnitt auf einen 25-Stunden-Tag ein. In neueren Versuchen liegt diese Periode wieder näher an 24 Stunden, berichtet der Schlafforscher Jürgen Zulley vom Universitätsklinikum Regensburg. Sie ist aber immer noch deutlich länger als ein Tag. Jede Einzelne unserer Zellen verfügt über eine Art Uhr, koordiniert werden diese Billionen von Taktgebern durch einen "Dirigenten" im Gehirn. Suprachiasmatischer Kern nennt sich dieses winzige Gebiet im sogenannten Hypothalamus. Durch den Einfluss von Licht wird diese Zentraluhr täglich neu justiert. Wieso die menschliche Uhr auf mehr als 24 Stunden eingestellt ist, weiß niemand. Bei anderen Lebewesen ist es anders - so hat etwa der innere Tag bei manchen Vögeln nur 23 Stunden.
Starke Strahlen Stimmt es, dass die Strahlenbelastung, der Passagiere während eines Interkontinentalflugs ausgesetzt sind, deutlich größer ist als etwa bei einer Thorax-Aufnahme mit einem modernen Röntgengerät? Diese Behauptung brachte meine Tochter aus dem Physikunterricht mit. Der Physiklehrer hat Recht. Die Erde ist einem Dauerbeschuss von geladenen Teilchen aus dem Weltall ausgesetzt, der kosmischen Strahlung. Auf der Erdoberfläche kommt nicht viel davon an, weil das Magnetfeld der Erde den größten Teil ablenkt. Gefährlicher wird die Strahlung in großer Höhe sowie in der Nähe der Pole - dort münden die Magnetfeldlinien in den Globus, und die Strahlung gelangt in tiefere Luftschichten. Die amerikanische Luftaufsichtsbehörde hat berechnet, dass die Strahlenbelastung bei einem Flug von Frankfurt nach New York etwa zwei ThoraxAufnahmen entspricht, bei einem Flug über die Polarroute nach San Francisco sogar drei. Das klingt zunächst nach sehr viel. Tatsächlich relevant wird diese Strahlung allerdings erst für Menschen, die sehr viel fliegen, vor allem für Flugbegleiter und Piloten. Die PhysikalischTechnische Bundesanstalt hat ausgerechnet, dass für diese Personengruppe die durchschnittliche jährliche Strahlenbelastung fünf Millisievert beträgt - ein Viertel mehr, als der Durchschnittsbürger abbekommt. Sollte man wegen der Strahlenbelastung auf Langstreckenflüge verzichten? Wer dieses Risiko scheut, sollte auch anderen Strahlenquellen aus dem Weg gehen und zum Beispiel nicht mehr ins Gebirge fahren oder gar dort wohnen. Gegenüber der Zusatzdosis, die er dort bekommt, sind die Strahlen im Flugzeug vergleichsweise gering.
Schnäuz-Gefahr Amerikanische Ärzte, so wurde mir berichtet, empfehlen, die Nase im Bedarfsfalle (entgegen den Geboten der guten Kinderstube) hochzuziehen, anstatt ins Taschentuch zu schnäuzen. Letzteres sei für die Nebenhöhlen schädlich. Stimmt's? Auf einer internationalen Medizinerkonferenz erregte der HalsNasen-Ohren-Arzt Jack M. Gwaltney von der University of Virginia vor drei Jahren Aufsehen, als er in einem Vortrag tatsächlich davon abriet, die Nase zu schnäuzen. Ein konsternierter Arzt im Publikum fragte: "Sagen Sie also Ihren Patienten, sie sollen schnüffeln und schlucken?" Und ein anderer soll das Volkslied Greensleeves gesummt haben. Gwaltney und seine Kollegen hatten in einer klinischen Studie den Innendruck in der Nase beim Schnäuzen gemessen. Der ist zehnmal so hoch wie beim Niesen und reicht tatsächlich aus, den mit Krankheitserregern durchsetzten Nasenschleim in die Nebenhöhlen zu treiben, wo er einen gefährlichen Infektionsherd darstellt. Das wurde auch durch computertomografische Untersuchungen nach Verabreichung eines ungefährlichen Ersatzschleims bestätigt. Wohlgemerkt: Es geht um das starke, trompetende Schnäuzen der Nase. Gegen ein vorsichtiges Ausschnauben werden auch die amerikanischen Experten nichts einzuwenden haben. Mit ihrer Empfehlung, das Sekret im Zweifelsfall hochzuziehen, sind sie im Übrigen nicht allein: Auch der deutsche Arzt Wolfgang Elies, Chef der Bielefelder HNO-Klinik, empfiehlt diese nicht von jedermann als appetitlich empfundene Methode. Das übermäßige Schnäuzen sei eine "mitteleuropäische Unsitte".
Augentraining Ich trage seit kurzem eine Brille und habe nun von vielen Leuten gehört, dass meine Augen durch das Tragen einer Brille immer schlechter würden. Ist das wahr? Der Gedanke hinter dieser Vermutung ist, dass durch eine Brille die Augenmuskulatur zu "faul" werde und man sie deshalb nicht genügend trainiere. Das ist aber eine irrige Vorstellung, betonen die Verbände der deutschen Augenärzte und Augenoptiker. Ein Mensch hat eine Fehlsichtigkeit, wenn die Geometrie seines Augapfels so verzerrt ist, dass der Fokus des Bildes, das durch die Linse gebündelt wird, vor oder hinter der Netzhaut liegt - und nicht genau darauf, wie es eigentlich sein sollte. Das wird durch die "vorgeschaltete" Linse der Brille korrigiert. Dadurch hat der Brillenträger etwa die gleichen Voraussetzungen wie ein Normalsichtiger. Und dessen Augen werden ja auch nicht schlechter, weil er zu faul wäre. Die Muskeln haben immer noch genug damit zu tun, die Linse auf nahe oder weiter entfernte Objekte "scharf zu stellen". Wenn die Augen im Lauf der Jahre altersbedingt schlechter werden, dann liegt das nicht an schlaffen Muskeln, sondern an der nachlassenden Flexibilität der Linse. Die Mär, dass man Fehlsichtigkeit durch "Augengymnastik" korrigieren könne, ist vor allem auf ein Buch von William Bates zurückzuführen, das 1920 erschien. Dessen Sehübungen haben aber ihre Wirksamkeit nie in wissenschaftlichen Studien unter Beweis stellen können. Die Augen können allerdings leiden, wenn ihnen die falsche Brille verpasst wird. Die deutschen Augenärzte warnen insbesondere vor so genannten Prismenbrillen, die bei Kindern zu irreparablen Schäden führen können.
Tödliche Werbung Starb der erste Marlboro-Mann tasächlich an Lungenkrebs? Den "Marlboro-Mann" gibt es seit 1955 - der Tabakkonzern Philip Morris wollte mit der Kampagne gegen das "weibische" Image antreten, das die Filterzigaretten damals noch hatten. Erst seit den Sechzigern ist der kernige Mann ein Cowboy, und auch diese Figur wurde von sehr vielen Schauspielern dargestellt. Und von denen sind tatsächlich zwei an Lungenkrebs gestorben. Der erste war der ehemalige Rodeoreiter Warren McLaren, der 1992 im Alter von 51 Jahren starb. McLaren war nur kurz in einer Marlboro-Kampagne im Jahr 1976 aufgetreten und setzte sich in den zwei Jahren, die er nach der Diagnose noch lebte, für Nichtraucherorganisationen ein. Der bekanntere Fall ist aber der von David McLean, ein Marlboro-Mann aus den frühen sechziger Jahren. Er wurde 73 Jahre alt und starb 1995. Seine Witwe strengte einen Aufsehen erregenden Prozess gegen Philip Morris an, in dem sie unter anderem behauptete, McLean habe während einer Fotosession für die Anzeigenmotive bis zu fünf Packungen Zigaretten rauchen müssen. Der Rechtsstreit ist noch nicht entschieden. Beide Darsteller waren übrigens seit ihrer Jugend starke Raucher - sie mussten nicht für die Aufnahmen zum Qualmen gezwungen werden.
Wandersplitter Splitter oder Dornspitzen, die nicht gezogen werden und einwachsen, können bis ins Herz wandern (was sich gefährlich anhört). Stimmt's? Sie müssen keine Angst haben, dass ein kleiner Holzsplitter, den Sie sich in den Finger ziehen, in ein paar Jahren in Ihrem Herzen landet und Sie dann tot umfallen. Fremde Partikel, die in unseren Körper eindringen, werden im allgemeinen eingekapselt. Es bildet sich also festes Gewebe um sie herum, diese Verhärtung bleibt dann meist an Ort und Stelle und kann dort Jahrzehnte verbringen. Manchmal beginnt der Fremdkörper allerdings wirklich zu wandern. "Dabei geht es aber nicht um Meter, sondern allenfalls um Zentimeter", erläutert Professor Jakob-Robert Izbicki, Chirurg an der Hamburger Universitätsklinik. Oberflächliche Verletzungen wie Splitter pflegen auch eher nach außen zu wandern als nach innen. So kann es zum Beispiel passieren, dass Schrotkugeln nach längerer Zeit aus der Wunde herauseitern. Gefährlich kann es dann werden, wenn ein Fremdkörper, etwa ein Granatsplitter, tief in den Körper eingedrungen ist. Der kann dann in der Körperhöhle umherwandern und tatsächlich irgendwann lebenswichtige Organe oder Blutgefäße bedrohen. Izbicki hat selbst einen Fall erlebt, in dem ein aus einer Kriegsverletzung stammender wandernder Granatsplitter das Herz eines Patienten verletzt hat - mit tödlichem Ausgang.
Harmloses Rotztuch Was besorgte Mütter nicht müde werden zu behaupten: dass man sich "an seinem eigenen Schnupfen" anstecken kann, wenn man sein Taschentuch nicht häufig genug wechselt. Stimmt's? Der Gebrauch von Stofftaschentüchern ist ja in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen, und so laufen heute wohl kaum noch verschnupfte Zeitgenossen mit triefenden Tüchern in der Tasche herum. Das ist sicherlich aus ästhetischen Gründen zu begrüßen mit dem Risiko der Selbstansteckung hat es jedoch nichts zu tun. Wenn der Körper den Schnupfen bekämpft, erklärt Susanne Polywka von der Hamburger Universitätsklinik, dann baut er Antikörper gegen die Viren auf. Sind alle Viren besiegt, ist der Schnupfen vorbei, und das gleiche Virus kann dem Menschen auch für lange Zeit nichts mehr anhaben. Auch das Risiko einer zusätzlichen Infektion durch Bakterien, die sich auf dem Rotzlappen vermehren, hält die Ärztin für vernachlässigbar. Allenfalls bei einer echten Influenza bestünde die Gefahr einer solchen zusätzlichen Infektion. Wirkliche Selbstansteckung gibt es bei lokal begrenzten Virusinfektionen, etwa bei Warzen.
Heilsamer Dreck Als ich einmal eine Erdbeere mit etwas Erde daran nicht essen wollte, sagte meine Oma: "Macht nichts, denn Dreck reinigt den Magen". Das ist eine typische Redensart hier. Stimmt das? Die Sache hat zwei Aspekte: Erstens gibt es tatsächlich bestimmte Arten von Erde, die gut für den Magen sind. Die Griechen entdeckten vor über 2000 Jahren, dass etwa Magenkranke, die auf der Insel Lemnos lebten, ihre Beschwerden lindern konnten, wenn sie die Inselerde zu sich nahmen. Damals entdeckte man Hunderte von Heilerden, die gegen die verschiedensten Krankheiten wirken sollten. Auch wenn vieles davon Folklore ist - was den Magen angeht, ist sogar etwas dran: Viele Erden enthalten Aluminium- und Magnesiumverbindungen, die auch in modernen Medikamenten zu finden sind und überschüssige Magensäure neutralisieren. Der zweite Aspekt: Es ist gar nicht so sinnvoll, Kinder vor der Aufnahme von "Dreck" jeglicher Art zu schützen. Die vielen Mikroben und Keime, die sich in der Erde tummeln, trainieren nämlich unser Immunsystem. Ein britischer Forscher hat aus toten Bodenmikroben sogar einen Asthma-Impfstoff hergestellt. Inzwischen führen viele Wissenschaftler den steilen Anstieg an allergischen Erkrankungen unter anderem auch auf übertriebene Hygiene zurück. In Maßen aufgenommen, kann Dreck tatsächlich eine heilsame Wirkung haben - nicht nur auf den Magen.
Alkoholfrei mit Alkohol Mit schönster Regelmäßigkeit werde ich beim Genuss eines alkoholfreien Bieres von Freunden und Bekannten darauf aufmerksam gemacht, dass alkoholfreies Bier Alkohol enthalte. Stimmt das? Kommt drauf an, welche Marke Sie trinken. Es gibt alkoholfreie Biere, die tatsächlich überhaupt keinen Alkohol enthalten, aber in den meisten ist ein bisschen drin. Beim Marktführer ("... aber immer öfter") sind es 0,35 Prozent. Der Gesetzgeber hat festgelegt: Bier mit weniger als 0,5 Prozent Alkohol darf sich "alkoholfrei" nennen. Dieser Alkoholgehalt ist vergleichbar mit dem von Fruchtsaft und Malzbier. Hat dieser Restalkohol eine physiologische Wirkung im Körper? Die Experten sagen: nein. Man müsste nicht nur riesige Mengen trinken, um rechnerisch auf einen bedenklichen Wert zu kommen. Alkohol wird auch ganz routinemäßig von den Mikroorganismen in unserem Darm produziert, sodass die geringe Konzentration im alkoholfreien Bier da nicht viel ändert. Selbst für Leberkranke geht von dem Getränk keine Gefahr aus. Trockenen Alkoholikern raten die Brauer indes von alkoholfreiem Bier ab. Aber das hat vor allem psychologische Gründe: Gemäß dem Werbeslogan "Alles, was ein Bier braucht" sei das Trinkerlebnis zu nahe an "richtigem" Bier, sodass die Gefahr eines Rückfalls bestehe.
Scharf und blöd? Können Sie herausfinden, was an dem Spruch dran ist, dass "Senf dumm macht"? Was den Senf so scharf macht, sind die in ihm enthaltenen so genannten Isothiozyanate, auch Senföle genannt. Die sind in höheren Dosen durchaus als Gift zu bezeichnen. In der Konzentration, in der sie in Senf, Meerrettich und Kresse vorliegen, ist ihre Wirkung dagegen eher positiv. Sie können zum Beispiel bei Harnwegsinfektionen antibiotisch wirken. Auch die äußere Anwendung von Senf wird gegen allerlei Zipperlein empfohlen, und die heilsame Wirkung der ätherischen Öle ist teilweise auch durch wissenschaftliche Studien belegt worden. Es gibt auch die so genannten cyanogenen Senföle, die der Körper zu Blausäure abbaut. Deren Verzehr kann tatsächlich zu Gehirnschädigungen führen. Aber anders, als der Name vermuten lässt, sind diese Senföle im Senf gar nicht enthalten, sie kommen in Naturprodukten wie Bittermandeln und Bambussprossen vor. Ob der Volksmund jedoch so viel von Chemie versteht, dass ihm diese Verwechslung unterlaufen konnte? "Unsere Großmütter und -väter kannten diesen sachlichen Hintergrund nicht", sagt Roswitha Behland vom Senfhersteller Kühne. Sie glaubt, dass der Spruch nur dazu diente, Kinder vom Griff in den Topf mit (süßem) Senf abzuschrecken.
Blechgeschmack Es gibt ja nach wie vor jede Menge Essen aus der Dose. Wenn ich aber nur die Hälfte brauche, kann ich dann die andere Hälfte in der Dose lassen? Freunde sagen nein, ich soll das Zeug umfüllen. Wegen der Ionen. Was machen denn die Ionen? Dieser Tipp ist eine Überlieferung aus grauer Vorzeit, sagt KlausDieter Feldmann vom Dosenhersteller Züchner Verpackungen. Damals, vor mehr als 30 Jahren, war das Stahlblech der Konservendose innen nur mit einer Zinnschicht vor Korrosion geschützt. War der Doseninhalt stark sauer, dann konnte es nach dem Öffnen zu chemischen Reaktionen kommen. Das meinen Ihre Freunde wahrscheinlich mit den "Ionen". Bei importierten Billigkonserven kann das auch heute noch der Fall sein. Die deutsche Konservendose dagegen ist schon lange mit Kunststoff ausgekleidet. Diese Schicht ist robust und so elastisch, dass zum Beispiel Verbeulungen der Dose ihr nichts anhaben können. Der Büchseninhalt lässt sich also normalerweise in der Dose genauso gut ein paar Tage aufheben wie in einem anderen Gefäß. Vorstellbar ist allenfalls, dass man die Schutzschicht mit einem scharfen Messer oder einer Gabel verletzt hat. Dann hat man ein kleines Loch, durch das der Inhalt direkt mit dem Weißblech in Kontakt kommt. Das Schlimmste, was dabei entstehen kann, ist gewöhnlicher Rost - der mag unappetitlich sein, aber schädlich ist er auch nicht.
Psycho-Nuss Stimmt es, dass ein übermäßiger Verzehr von Muskatnuss für den Menschen tödlich sein kann? Der Genuss von Muskat "öffnet das Herz des Menschen und läutert sein Gefühl", sagte schon im Mittelalter Hildegard von Bingen, die sich intensiv mit der Heilkraft von Kräutern und Gewürzen beschäftigte. Weniger vornehm ausgedrückt: Muskat ist, in entsprechenden Mengen genossen, eine Rauschdroge. Verantwortlich für die halluzinogene Wirkung ist der Inhaltsstoff Myristicin, der in der Leber in ein Amphetamin umgewandelt wird. In der Hippie-Zeit wurden die alten Weisheiten wieder entdeckt, und die Muskatnuss wurde für viele zu einer billigen und legalen Ersatzdroge für psychoaktive Substanzen wie LSD und Mescalin. Allerdings muss man dazu schon ein bis zwei Nüsse mit mindestens fünf Gramm Muskat zu sich nehmen, und einschlägigen Internet-Seiten entnehme ich, dass die "Genießer" danach eine Aversion schon gegen die kleinsten Mengen von Muskat entwickeln, also etwa am vorweihnachtlichen Glühwein keine Freude mehr haben. Und natürlich besteht auch die Gefahr der Überdosierung. So ist der Fall eines achtjährigen Jungen dokumentiert, der nach dem Verzehr von zwei Muskatnüssen starb. Für Erwachsene wird der Muskat-Trip ab drei Nüssen lebensgefährlich.
Geheime Brause Ist die Zusammensetzung von Coca-Cola noch immer ein Geheimnis? Es muss ja weltweit ein paar Leute geben, die die Tütchen in die Fässer schmeißen? Die Geschichte mit dem streng geheimen Coca-Cola-Rezept ist vor allem eine Mediengeschichte, die der Limonadenhersteller seit Jahrzehnten pflegt. Und die als Legende weitergesponnen wurde: So macht das Gerücht die Runde, dass nur zwei Mitarbeiter jeweils die Hälfte der "Formel" kennen würden - klingt fast wie ein Spionagekrimi. Tatsächlich gibt es nach offizieller Darstellung von Coca-Cola nur ein einziges Exemplar des Rezepts, das in einem Tresor der Trust Company of Georgia in Atlanta liegt. Und nur zwei (nicht genannte) Manager sind offizielle "Geheimnisträger" und dürfen auch nicht zusammen in einem Flugzeug fliegen. In der Praxis muss man aber davon ausgehen, dass es an den verschiedenen Produktionsstandorten einige Mitarbeiter gibt, die in das Geheimnis eingeweiht sind. Wenn in dem Tresor in Atlanta tatsächlich der Urzettel mit der Formel liegt, dann wird er mit einer Menge Korrekturen versehen sein - denn das Rezept wurde im Verlauf der Firmengeschichte mehrfach geändert. Ursprünglich enthielt Coca-Cola ja sogar Kokain. Immer wieder tauchen in Büchern und Artikeln angebliche Originalrezepte auf, die von der Firma ebenso regelmäßig für falsch erklärt werden. Aber selbst wenn jemand die Zusammensetzung exakt kopieren würde, so wäre das keine Garantie für ein gutes Geschäft - zum Kult wird das Getränk erst durch den Namen und das berühmte Logo.
Ein Hauch von Wodka Stimmt es, dass Alkoholiker Wodka trinken, wenn Sie nicht als solche erkannt werden wollen, weil Wodka der einzige (trinkbare) Alkohol ist, den man nicht riechen kann? Die "Alkoholfahne", die man nach mancher durchzechten Nacht hat, besteht nur zum Teil aus Alkohol. Und dessen Geruch wird auch gar nicht als unangenehm empfunden. Hans-Joachim Pieper, emeritierter Gärungstechnologe von der Universität Hohenheim, erzählt, dass viele Menschen erstaunt sind, wenn sie zum ersten Mal an reinem Ethylalkohol schnuppern. "Der riecht richtig angenehm, manche denken sogar, dass da Zucker drin ist." Es sind andere Stoffe, die jedem alkoholischen Getränk sein charakteristisches Aroma geben - und deren Abbauprodukte auch für die weniger angenehmen Noten im Atem sorgen. Dabei geht es vor allem um Fuselöle (so heißen höherwertige Alkohole tatsächlich) oder gar schwefelhaltige Komponenten, die richtig faulig riechen können. Pieper berichtet von persönlichen Erfahrungen mit Rum: "Da hat man eine irre Fahne, die mehrere Tage halten kann." Die "Fahne" ist umso weniger unangenehm, je reiner das konsumierte Getränk ist - im Idealfall sollte es nur aus Wasser und Ethylalkohol bestehen. Und Wodka ist der Schnaps, der diesem Ideal am nächsten kommt. Auch der Korn ist ein ziemlich "sauberes" Getränk. Aber selbstverständlich verrät auch der Atem eines Wodkatrinkers dessen Alkoholkonsum. Der Polizist bei der Alkoholkontrolle mag weniger angewidert sein von seinem Gegenüber - das Pusteröhrchen misst aber denselben Wert.
Haare im Brötchen Stimmt es, dass das typische Aroma eines Brötchens ursprünglich aus dem Haar von Chinesen gewonnen wurde? Es klingt unglaublich, aber bis vor einigen Jahren musste der deutsche Verbraucher tatsächlich befürchten, dass sein knuspriges Frühstücksbrötchen Stoffe enthielt, die aus asiatischem Menschenhaar gewonnen wurden (eine Boulevardzeitung überhöhte das einmal zu den "Schamhaaren thailändischer Prostituierter"). Genauer gesagt, ging es um das so genannte Cystein, eine Aminosäure, die den Teig geschmeidiger macht - es hat also nichts mit dem Aroma zu tun. Etwa ein Gramm Cystein ist in 100 Kilogramm Mehl enthalten. Chemisch ist dagegen nichts einzuwenden. Cystein kann man auf natürliche und synthetische Weise herstellen, es ist immer der gleiche Stoff. Aber unappetitlich klingt es schon - man will ja auch kein Wasser trinken, das aus Urin destilliert wurde, auch wenn es chemisch rein ist (um ein drastisches Beispiel zu nennen). Als die Sache mit den Haaren bekannt wurde, verpflichteten sich daher die deutschen Backmittelhersteller, auf den Import von Menschenhaar zu verzichten. Ganz sicher können die europäischen Brot-, Brötchen- und Keksesser seit dem 1. April dieses Jahres sein: Da trat nämlich eine EU-Richtlinie in Kraft, in der es zum Cystein ausdrücklich heißt: "Menschliches Haar darf nicht als Ausgangsmaterial für diese Substanz verwendet werden." Jetzt kann die Backzutat allenfalls noch aus Schweineborsten stammen.
Unheimliche Gerüche Nach einem Spargelessen nimmt der Urin bei vielen Menschen einen unangenehmen, charakteristischen Geruch an. Ich habe gehört, dieser Geruch sei aber allgemein verbreitet, nur könnten ihn (genetisch bedingt) viele Leute nicht wahrnehmen. Stimmt das? Wir müssen zwei Dinge unterscheiden: die Produktion der unangenehm riechenden Substanzen und deren Wahrnehmung. Bis 1980 galt es als gesichert, dass nur bei einem Teil der Bevölkerung nach dem Spargelessen der Urin "nach gekochtem, vergammeltem Kohl" riecht, wie der Biochemiker Stephen Mitchell vom Londoner University College das Odeur beschreibt. Je nachdem, in welcher Population man misst, sind es etwa 40 bis 50 Prozent. Diese "Fähigkeit" vererbt sich dominant gemäß den Mendelschen Gesetzen. Allerdings ist die Wissenschaft weit davon entfernt, ein Gen dafür zu kennen. 1980 erschien dann im British Medical Journal eine Studie, die dieser Erkenntnis zu widersprechen schien: Die Autoren behaupteten, alle Menschen würden den Stinkurin produzieren, aber nur ein Teil sei für den Geruch empfänglich. Diese sensible Minderheit von zehn Prozent könne den Gestank auch im Urin anderer wahrnehmen, die selbst davon gar nichts merke. Man will sich die Versuchsanordnung gar nicht ausmalen. Es mag diese hypersensiblen Riecher geben, aber dass die eine Hälfte der Menschheit den Spargel tatsächlich anders verdaut als die andere, ist mittlerweile experimentell bestätigt worden. Mitchell und seine Kollegen haben 1987 in einer Arbeit für die Zeitschrift Xenobiotica sechs schwefelhaltige Substanzen identifizieren können, die für den Geruch verantwortlich sind. Allerdings weiß man nicht einmal, welche Inhaltsstoffe im Spargel zu diesen Substanzen abgebaut werden. Es bleibt also noch ein weites Feld für weitere Forschungen.
Reine Natur Stimmt es, dass das Fruchtfleisch in Orangensaft gar nicht das Fleisch der Organgenfrucht, sondern das der Baumwollpflanze ist? Das hat mir ein Freund erzählt, und ich möchte endlich Klarheit darüber haben. Baumwolle - eine interessante Variante. Andere Leser kennen das Gerücht mit kleingehäckselten Hühnerfedern oder Sägemehl. Offenbar traut man den Lebensmittelherstellern inzwischen viel Fantasie zu. Die Wahrheit zum Orangensaft: Was da reindarf, regelt die so genannte Fruchsaftverordnung, und die sagt, einfach ausgedrückt, dass im O-Saft außer Wasser nichts drin sein darf, was nicht schon in der Orange war. Insbesondere darf das "bei der Konzentrierung des urspünglichen Fruchtsaftes ... dem Erzeugnis bis zu der im ursprünglichen Saft enthaltenen Menge wieder zugeführt werden." Die Praxis sieht so aus: Die Orangen werden im Herkunftsland (das ist meist Brasilien) gepresst, das Fruchtfleisch wird herausgesiebt und eingefroren. Den Saft konzentriert man auf etwa ein Fünftel der ursprünglichen Menge und friert ihn ebenfalls ein. Dann wird alles nach Europa verschifft, das Konzentrat wird mit Wasser auf sein ursprüngliches Volumen gestreckt, und in die Sorten "mit Fruchtfleisch" kommt noch etwas von der gefrorenen "Pulpe". Also keine Baumwolle. Saft gehört damit tatsächlich zu den "natürlichsten" Dingen, die wir im Laden kaufen können.
Fette Tafeln Macht Schokolade süchtig? Enthält sie Stoffe, die Gier nach mehr auslösen? Der Begriff Sucht wird heute weit gefasst. Und sicherlich haben viele Menschen auch bei Schokolade großes Verlangen, ganze Tafeln zu verschlingen. Es gibt sogar schon die Anonymen Schokoholiker. Aber ist das Sucht? Besser: Gibt es Substanzen in der Schokolade, die auf die Psyche wirken und eine Sucht erzeugen? Chemiker haben in Schokolade etliche Stoffe nachgewiesen, die als Drogen einzustufen sind - darunter Theobromin und Methylxanthin (beides Koffeinverwandte). Oder auch Anandamid, ein Transmitter, der ähnlich wie der Cannabis-Wirkstoff THC wirken soll. Die Drogenmengen in der Schokolade sind jedoch so gering, dass man die Süßigkeit kiloweise essen müsste, um eine Wirkung zu spüren. Außerdem wurde nachgewiesen: Obwohl all diese Stoffe aus der Kakaobohne stammen, lässt sich das körperliche Verlangen mit brauner wie mit weißer Schokolade stillen, reiner Kakao dagegen befriedigt es nicht. Gibt man ferner "Schokosüchtigen" immer Schokolade, wenn sie Hunger haben, dann steigt das Verlangen. "Füttert" man sie stets in sattem Zustand, können sie bald keine Schokolade mehr sehen. Ernährungswissenschaftler schließen daraus: Wir finden Schokolade toll, weil sie angenehm Hunger stillt - sie ist eine Kalorienbombe aus Fett und Zucker. Vergrößert wird das Suchtgefühl noch durch das schlechte Gewissen nach dem Fressanfall.
Kalter Kaffee Stimmt's, dass der zu heiße Kaffee in der Tasse schneller trinkbar wird, wenn man erst die Milch dazutut und dann eine Weile wartet? Oder soll man zuerst warten und dann die Milch hinzufügen? Machen wir es uns an einem Zahlenbeispiel klar: Der Kaffee sei 80 Grad heiß, die Milch habe ebenso wie die Umgebung 20 Grad, die gewünschte Trinktemperatur betrage 40 Grad. Und die Milchmenge sei der Einfachheit halber gleich der Kaffeemenge. Schüttet man die Milch gleich hinein, dann hat die Mischung eine Temperatur von 50 Grad, muss also nur noch um 10 Grad abkühlen. Im anderen Fall lässt man den Kaffee alleine auf 60 Grad abkühlen und mischt ihn dann mit der Milch. Was geht schneller? Isaac Newton hat als Erster eine Formel für das Abkühlen von Flüssigkeiten aufgestellt. Eine Exponentialfunktion, in die neben der Flüssigkeits- und Umgebungstemperatur auch die Masse der Flüssigkeit eingeht. Grob gesagt: Je größer der Temperaturunterschied, desto schneller kühlt die Flüssigkeit. Deshalb ist es sinnvoll, den hohen Temperaturunterschied zu Beginn auszunutzen und erst nachher die Milch dazuzugeben. Wer das alles auch quantitativ nachvollziehen will: Unter www.zeit.de/2001/1/milch wird alles säuberlich vorgerechnet.
Harmlose Versuchung Meine Mutter, die oft und gerne Brot gebacken hat, hat uns immer gewarnt: Von warmem Brot bekommt man Bauchschmerzen und hat uns deshalb nie probieren lassen. Stimmt's? Eine alte Mär. Es kann zwar zu Magenverstimmungen führen, wenn man Brotteig isst - dann gären die Mikroorganismen (also etwa die Hefepilze) im Bauch weiter und entwickeln blähende Gase. Diese Mikroflora, erklärt Peter Schropp vom Bund deutscher Lebensmittelmeister, wird aber beim Backen fast vollständig getötet, und deshalb werden nur sehr empfindliche Mägen darauf irritiert reagieren. Für die meisten Menschen ist frisches Brot einfach nur sehr lecker (sorry, Herr Siebeck). Und gerade da könnte die Ursache für die Legende liegen, sagt Jürgen-Michael Brümmer von der Bundesanstalt für Getreideforschung. In den dreißiger und vierziger Jahren gab es nämlich tatsächlich eine Bestimmung im Brotgesetz, nach der Brot erst am Tag nach der Herstellung verkauft werden durfte. Brümmer vermutet, der Reichsnährstand (in dem damals alle Nahrungsproduzenten zusammengeschlossen waren) wollte damit verhindern, dass die Bevölkerung sich den hungrigen Bauch mit dem frischen, weichen Brot vollschlug. Einen Tag später war es härter, man musste mehr kauen, und die knappen Rationen reichten länger.
Legendäre Saftbremse Man sollte Fleisch scharf anbraten, damit sich die Poren schnell schließen und das Fleisch saftig und zart bleibt. Stimmt's? Eine alte Küchenlegende, die gern in der Werbung für Frittierfett verbreitet wird und ihren Weg auch in viele Kochbücher gefunden hat. Aber erstens hat Fleisch keine "Poren", wie Wolfgang Lutz vom Institut für Fleischforschung bestätigt, es gibt also keine Löcher, die es zu schließen gälte. Fleisch besteht aus Muskelzellen. Beim Anbraten werden die Oberflächenproteine der äußeren Zellen karamellisiert, diese so genannte Maillard-Reaktion sorgt für die wohlschmeckende Kruste. Es gibt aber keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Kruste wasserdicht ist. Hervé This-Benckhard, Autor des populärwissenschaftlichen Buches Rätsel der Kochkunst, führt ein paar simple Indizien dagegen an: Der Fond, der sich in der Pfanne sammelt, ist nichts weiter als eingedampfter Fleischsaft. Und wenn man ein gebratenes Steak auf den Teller legt, sammelt sich sofort eine kleine Saftlache. Auch der Amerikaner Harold McGee hat in seinem Buch On Food and Cooking die weit verbreitete Porenlegende widerlegt. Die Experten raten im Gegenteil zum Garen bei niedrigen Temperaturen, wenn das Fleisch saftig bleiben soll. Der einzige Vorteil des scharfen Anbratens liegt in der kurzen Garzeit - der Saft hat dann nicht genügend Zeit, das Fleisch zu verlassen. Und zwei Sachen sollte man beim Braten unbedingt unterlassen: erstens, das Fleisch anzustechen - so schafft man erst die legendären Poren. Und man sollte es vorher nicht salzen, denn so zieht man durch Osmose die Flüssigkeit aus dem Steak.
Haxenwampe Stimmt es, dass für den Bierbauch weder der Alkohol noch die Glukose im Bier verantwortlich ist, sondern weibliche Hormone, die im Hopfen enthalten sind? Die weiblichen Hopfenblüten, die dem Bier zugefügt werden, enthalten tatsächlich Stoffe, die mit den weiblichen Hormonen verwandt sind. Es gibt Anekdoten, nach denen die Hopfenzupferinnen früher unter Störungen der Monatsblutung zu leiden hatten. Fragt sich nur: Wie viel von diesen Substanzen gelangt ins Bier? Eine Studie an der TU München, Abteilung Weihenstephan (Achtung: Brauindustrie!) untersuchte 19 Biersorten auf den Gehalt an östrogenwirksamen Stoffen (das sind solche, die sich an die entsprechenden Rezeptoren in unserem Körper binden). Ergebnis: In elf Proben fanden die Forscher überhaupt nichts, und in den anderen waren nur Spuren nachweisbar. Demnach müsste man 1000 Liter Bier pro Tag trinken, um einen spürbaren Effekt zu erzielen. Wie entsteht also die Wampe? "Multifaktoriell", sagen die Experten. Da ist zunächst der Kaloriengehalt des Bieres - der Liter enthält etwa 450. Schwerer wiegt aber wohl die appetitanregende Wirkung des Gerstensafts. Der idealtypische Biertrinker greift halt neben der Maß gern zur Haxe. Ist das bei Weintrinkern anders? Gemäß dem herrschenden Klischee sind sie eher Genießer, die allenfalls ein paar Nouvelle-Cuisine-Gemüsestangen knabbern. Die Brauwirtschaft hat dagegen Bier- und Weintrinker auf die Waage gestellt und behauptet nun: Der mäßige Biertrinker ist sogar ein bisschen schlanker als der Weinfreund.
Kraftvoll zubeißen Ein Apfel soll im Notfall das Zähneputzen ersetzen. Stimmt's? So so, im Notfall. Was ist denn das für ein Notfall, den Sie da im Auge haben? In den meisten Situationen hat der moderne Mensch doch eine Zahnbürste in Reichweite. Und die ist bei der Zahnreinigung dem knackigsten Apfel vorzuziehen. "Die Kenntnis über die Entstehung von Karies und seine Vermeidung sind in der Bevölkerung nach wie vor eher lückenhaft", schreibt ein medizinischer Informationsdienst im Internet unfreiwillig komisch. Also tragen wir zur lückenlosen Aufklärung bei: Äpfel enthalten erstens Zucker und zweitens Säure. Ersterer ist eine Brutstätte für Karies erzeugende Bakterien, Letztere greift den Zahnschmelz an. Und das Apfelkauen kann zwar oberflächliche Beläge von den Zähnen entfernen, aber an die wirklich gefährlichen Stellen am Zahnsaum und in den Zwischenräumen kommt man damit nicht heran. Aber wenn Sie mal auf einer einsamen Insel stranden und einen Apfelbaum finden, dann dürfen Sie einmal aufs Zähneputzen verzichten.
Eine bombige Legende In Artikeln über die Geschichte des Internet liest man immer wieder, dass es von amerikanischen Militärkreisen entwickelt wurde. Diese hätten die dezentrale Struktur des Netzes so entworfen, dass es im Fall eines Atomkriegs möglichst lange funktioniert, auch wenn einzelne Knoten schon zerbombt sind. Stimmt das? Ich hatte vergangene Woche die Gelegenheit, den Vater des Internet zu dieser alten Legende zu befragen. Oder sagen wir: einen der Väter, denn diese Vaterschaft beanspruchen ja viele für sich, sogar Al Gore. Leonard Kleinrock ersann an der University of California in Los Angeles (UCLA) das geniale Verfahren, die Daten in kleinen Paketen über Leitungen durch die Welt zu schicken. Zwar wurden die ersten Internet-Knoten von der Advanced Research Projects Agency (Arpa) finanziert, die damals für das Verteidigungsministerium Forschungsprojekte förderte. Die Agentur suchte nach einer Methode, die damals knappen Rechenkapazitäten der einzelnen Hochschulen durch den Austausch von Daten besser auszunutzen. Aber es waren in der Mehrzahl zivile Projekte, die damals gefördert wurden. Und auch Kleinrock dachte bei seinen Forschungen nicht an nukleare Auseinandersetzungen. "Das ist ein Mythos", sagt er. Während die ersten Worte, die über das Telefon oder den Fernschreiber geschickt wurden, legendär sind, weiß kaum jemand etwas über die erste Kommunikation im Internet, das damals noch Arpanet hieß. Die fand am 29. Oktober 1969 statt, zwischen einem UCLA-Computer und einem Rechner am Stanford Research Institute. Es sollten die Buchstaben LOG (für "Login") übermittelt werden. Parallel sprachen die Techniker übers Telefon. "Hast du das L?" - "Ja!" - "Hast du das O?" - "Ja!" - "Hast du das G?" Dann stürzte der Rechner ab.
Reibereien im ewigen Eis Stimmt es, dass sich die Eskimos küssen, indem sie ihre Nasen aneinander reiben? Auch wenn fast jedes Kind die Geschichte von den Nasenküssen der Eskimos kennt, ist doch in der ethnologischen Fachliteratur erstaunlich wenig darüber zu finden, sagt der Inuit-Experte JeanLoup Rousselot. Aber er bestätigt, dass er die Nasenreib-Rituale schon auf seinen Reisen in die Arktis beobachtet hat. Eine besondere rituelle Funktion scheint der Nasenkuss bei den Eskimos jedoch nicht zu haben, anders als etwa bei den neuseeländischen Maori. Es ist eher eine flüchtige Geste, am ehesten vergleichbar mit unseren tatsächlichen oder angedeuteten Wangenküssen. Ein möglicher Ursprung: Wenn in der Kälte der Arktis fast das gesamte Gesicht vermummt ist, dann bleibt für den Körperkontakt fast nur noch die vorstehende Nase. Das Nasenreiben "ersetzt" also nur den Begrüßungskuss und hat keine besondere erotische Komponente. Welche Liebesbeweise Eskimomann und -frau in der Abgeschiedenheit ihres Iglus austauschen, darüber sagen uns die Völkerkundler nichts.
Schwielige Buchstaben Können Chinesen wirklich kein R aussprechen Sowohl Chinesen als auch Japaner haben Probleme mit unseren Konsonanten R und L - auf unterschiedliche Art. Im fonetischen Repertoire der Chinesen gibt es unseren Laut L. Außerdem existiert ein weiterer, der in der Umschrift mit R notiert wird, aber eher wie eine Mischung aus dem amerikanischen R und dem G in "genieren" klingt. Deshalb klingt es oft seltsam, wenn ein im Deutschen ungeübter Chinese Wörter mit R ausspricht. Richtige Probleme haben aber die Japaner. Denn im Japanischen gibt es weder ein richtiges L noch ein richtiges R, sondern nur einen Laut, der dazwischen liegt - etwa so, als wenn man ein Zungen-R nur einmal anstößt. Japaner verwechseln daher ständig das L und das R in europäischen Sprachen. Das führt zu allerlei lustigen Ergebnissen: So erschien tatsächlich einmal in Japan ein germanistisches Fachbuch mit dem Titel Deutsche Riteratur. Ins Reich der Legenden gehört wahrscheinlich die Geschichte von dem Plakat, das während der amerikanischen Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg in Tokyo zu sehen gewesen sein soll. 1952 wurde General Douglas MacArthur als möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner ins Spiel gebracht. Auf dem Plakat soll gestanden haben: "We play for MacArthur's erection!"
Geborgte Metapher Die Bezeichnung "Eiserner Vorhang" wurde nach 1945 auf die Teilung von Ost und West angewandt. Sogar in Lexika findet sich die Behauptung, Winston Churchill habe sie 1946 erfunden. Meine Schwieger-Großmutter schrieb aber in einem Brief vom 31. 6. 1945 aus Leipzig: "Mir ist es ein furchtbarer Gedanke, hinter dem eisernen Vorhang der Russen zu sitzen und womöglich nie mehr zu Euch zu gelangen." Offensichtlich wurde diese Bezeichnung also schon damals verwendet. Vielleicht hat Ihre Schwieger-Großmutter die Wochenzeitung Das Reich vom 25. Februar 1945 gelesen. Dort prophezeite nämlich kein anderer als der Propagandaminister Joseph Goebbels, dass die Sowjetunion im Falle einer Kapitulation Deutschlands große Teile Ost- und Südosteuropas und auch Deutschlands besetzen würde - und ein "eiserner Vorhang" sich über Europa senken werde. Der Text erschien auch in der Londoner Times (mit der falschen Übersetzung iron screen statt iron curtain). Churchill hat ihn ganz gewiss gelesen und den Begriff spätestens zu diesem Zeitpunkt in seinen Wortschatz aufgenommen. Schon im Mai oder Juni 1945 benutzte er ihn in einem Telegramm an den amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman - nicht erst in seiner Rede vom März 1946, die in vielen Lexika zitiert wird. Aber auch Goebbels ist nicht der Schöpfer dieser Metapher. Der Begriff stammt aus dem Theater, er bezeichnet einen Feuerschutzvorhang, der hinter dem Hauptvorhang heruntergelassen wird, wenn die Vorstellung zu Ende ist. Und er wurde schon im Jahr 1918 von dem russischen Autor Wassilij Rosanow benutzt, um die Isolation der Sowjetunion vom Rest Europas zu beschreiben. Rosanow schrieb damals in seinem Buch Die Apokalypse unserer Zeit: "Unter Rasseln, Knarren und Kreischen senkt sich ein eiserner Vorhang auf die russische Geschichte herab. Die Vorstellung geht zu Ende."
Antarktischer Mythos Stimmt es, dass Pinguine umfallen, wenn man sie mit einem Flugzeug oder Hubschrauber überfliegt? Die Meldung ging im vergangenen November um die Welt: Ein britisches Wissenschaftlerteam untersucht in der Antarktis die Frage, ob die Pinguine tatsächlich ihren Kopf in den Nacken legen und dann nach hinten umkippen, wenn sie überflogen werden. Und die Tatsache, dass Forscher etwas untersuchen, war offenbar für viele Medien schon ein hinreichender Grund, an die Existenz dieses Phänomens zu glauben. Hier sind die Fakten: Die Legende existiert schon mindestens seit dem Falklandkrieg, aus dem britische Piloten sie mit nach Hause brachten. Durch das Internet wurde sie als "erstaunliche Tatsache" über die ganze Welt verbreitet. Die Expedition des British Antarctic Survey unter der Leitung von Richard Stone zu der Falklandinsel South Georgia hatte auch nicht den alleinigen Zweck, die Umfallfrage zu klären, vielmehr ging es um die ökologischen Auswirkungen militärischer Flüge auf die Vögel. Aber die Forscher konnten die Frage eindeutig beantworten: "Nicht ein einziger Pinguin fiel um, wenn die Hubschrauber darüberflogen", berichtet Stone Anfang Februar. Stattdessen hätten die Tiere verstört reagiert und Fluchtreflexe gezeigt. Aber die Meldung über dieses unspektakuläre Ergebnis machte natürlich erheblich weniger Schlagzeilen als die über kippende Pinguine.
Echter Jubel Was ist dran an dem Gerücht, CNN habe nach dem New Yorker Anschlag Bilder von jubelnden Palästinensern gezeigt, die tatsächlich aus der Zeit des Golfkriegs von 1991 stammten? Brauchten früher solche "urbanen Legenden" noch ein paar Tage, um sich zu verbreiten, so infizieren sie heute innerhalb von Stunden die ganze Welt. In diesem Fall ist die Entstehung sehr gut dokumentiert: Der brasilianische Student Márcio Carvalho erzählte am 12. September in einer Internet-Mailingliste, eine Professorin habe in einer Vorlesung diese Behauptung aufgestellt; als Beweis habe sie eine Videokassette. Als der gewissenhafte Student die Professorin um die Kassette bat, konnte sie diese nicht liefern. Daraufhin stellte Carvalho am 14. September ein Dementi ins Netz. Sogar seine Universität veröffentlichte eine entsprechende Erklärung - zu spät, Gerüchte lassen sich nicht zurückholen. Tatsächlich wurden die Aufnahmen, die etwa 15 jubelnde Menschen zeigen, am 11. September von einem Reuters-Kamerateam aufgenommen. Auf den Bildern ist auch ein Lieferwagen zu sehen, der erst seit 1995 hergestellt wird. Sie können also gar nicht zehn Jahre alt sein. Wie die Aufnahmen zu interpretieren sind und ob sie möglicherweise repräsentativ für die Stimmung in Palästina sind, ist selbstverständlich eine ganz andere Frage.
Fürs Leben? "Non scholae, sed vitae discimus" - "Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir". Stimmt es, dass das Zitat eigentlich genau umgekehrt lautet: "Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir"? Stimmt. Das Zitat stammt von dem römischen Schriftsteller und Philosophen Seneca (4 vor Christus bis 65 nach Christus.) und steht im 106. der Briefe an Lucilius über Ethik (Epistulae morales ad Lucilium). Dort heißt es tatsächlich: Non vitae, sed scholae discimus. Schon Seneca beklagte also, dass die Erziehung in der Schule kaum dazu geeignet sei, die jungen Menschen auf das Leben vorzubereiten - eine Klage, die sich im Lauf der Jahrhunderte kaum verändert hat. Irgendjemand meinte dann wohl, die Sache vom Pessimistischen ins Programmatische wenden zu müssen und hat das Zitat kurzerhand umgedreht. Und weil es so schön ist, wird es seitdem in dieser Form weitergegeben.
Kabelwickel gegen Kalk Mehrmals habe ich jetzt schon von der angeblich erfolgreichen Methode gehört, die einem hohen Kalkgehalt im Trinkwasser mittels Magnetfeldern auf den Leib rückt. Funktioniert das? Zuerst die gute Nachricht: Es scheint tatsächlich wirksame Methoden der Wasserenthärtung zu geben, die nur mit physikalischen Mitteln arbeiten und nicht mit chemischen Substanzen. Das Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe, das der jeder esoterischen Schieflage unverdächtigen Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW) untersteht, hat bereits einer Hand voll Geräten bescheinigt, dass sie die Kalkablagerungen um mindestens 80 Prozent reduzieren. Allerdings handelte es sich dabei nicht um "Manschetten", die man nur äußerlich an die Wasserrohre anlegt. In allen wirksamen Apparaten wird das Wasser an unterschiedlichen stromführenden Elektroden vorbeigeführt. Wie funktioniert diese Entkalkung? Ivo Wagner, der seit 1980 für die DVGW angebliche Wunder-Entkalker testet, erklärt das so: Die Maschinen sorgen dafür, dass sich im Wasser sehr kleine Kalkkristalle bilden, die dann mit weggespült werden. Dadurch wird die unerwünschte Kristallisierung des Kalks an den Rohrwänden verringert. Die schlechte Nachricht: Die weitaus meisten MagnetfeldEntkalker, die es auf dem Markt gibt, bewirken überhaupt nichts. Und auch die wirksamen Apparate sind völlig überteuert. Die Stiftung Warentest zog nach einer Untersuchung, bei der 10 von 13 Wasserbehandlern das Prädikat "mangelhaft" erhielten, das Fazit: "In der Werbung als Kalkkiller angetreten, im Test als Blindgänger entlarvt.
Ultrasauber Seit Jahren behaupten viele meiner Freunde, es gebe Waschmaschinen, die Wäsche mittels Ultraschall sauber waschen. Ganz ohne Waschmittel. Allerdings werde jedes Patent sofort von der allmächtigen Waschmittelmafia aufgekauft, um den Fortbestand der Weißen Riesen nicht zu gefährden. Stimmt das? Die böse Industrie, die sich angeblich gegen innovative Produkte verschworen hat, kam an dieser Stelle schon zweimal vor: Bei der ewigen Glühbirne (ZEIT Nr. 33/99) und beim reißfesten Damenstrumpf (Nr. 16/01). Die Antwort zur Ultraschallwaschmaschine ist einfach: Es gibt sie. Seit dem vergangenen Herbst können zumindest japanische Verbraucher eine Sanyo-Waschmaschine kaufen, die man mit und ohne Waschmittel betreiben kann. Dabei wird Ultraschall als Schmutzlöser eingesetzt - ähnlich wie beim Optiker, der mit diesen unhörbaren Vibrationen Brillengestelle reinigt. Zusätzlich werden durch Elektrolyse aus dem Leitungswasser und den darin vorhandenen Chlor-Ionen aktiver Sauerstoff und unterchlorige Säure erzeugt, zur Beseitigung von organischen Verschmutzungen und zur Desinfizierung. Den Ultraschallwaschgang empfiehlt der Hersteller vor allem für Wäsche, die nicht "richtig" verschmutzt ist - Pyjamas, Unterwäsche, Sportkleidung. Die Verkaufszahlen sind sehr gut, die Verbraucher zufrieden. An einen Verkauf außerhalb Japans denkt Sanyo aber noch nicht.
Rührei in der Hand Stimmt es, dass man ein Ei nicht in der Hand beziehungsweise in der Faust zerdrücken kann? Muss man hier eigentlich alles selber machen? Also erstens: Nehmen Sie doch einfach ein Ei in die Faust und drücken Sie - es zerplatzt im Nu. Die legendäre Stabilität der Eier bezieht sich nämlich nur auf Druck, der in Längsrichtung ausgeübt wird! Zweitens: Versuch mit zwei rohen Eiern (von frei laufenden Hühnern). Das Ei wird zwischen Daumen und Zeigefinger oder zwischen Mittelfinger und Handballen so eingelegt, dass es nur in Längsrichtung gedrückt werden kann. Ergebnis: Kind (10 Jahre) schafft es nicht, das Ei zum Platzen zu bringen. Erwachsener (43) schafft es, muss sich aber anstrengen. Die Eier wurden übrigens anschließend zu Rührei verarbeitet. Es gibt auch Zahlen dazu. Über die Stabilität von Eiern erzählt Johannes Petersen, hier schon mehrfach zitierter Eierexperte von der Universität Bonn, dass ein Hühnerei, senkrecht zwischen zwei Platten gespannt, im Durchschnitt eine Kraft von 3,7 Kilogramm aushält. Weil das Ei ein Naturprodukt ist, variiert dieser Wert natürlich - und Perlhuhneier halten bis zu 8 Kilo aus. Und wie viel kann ein Mensch drücken? Bei der Ermittlung dieses Werts half uns Lars Janshen vom Sportwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität in Berlin. Er ließ für die ZEIT einige seiner Studenten (keine Hochleistungssportler!) ein Dynamometer zwischen Daumen und Zeigefinger drücken. Ergebnis: Die männlichen Studenten schafften im Mittel 8,3, die weiblichen 6,3 Kilogramm. Also, das Experiment ist bestätigt: Es geht, aber man muss sich schon anstrengen. Mit der ganzen Hand hat man übrigens ungefähr die zehnfache Kraft.
Grausige Fantasie Legende oder grausige Wahrheit: Gibt es nachgewiesenermaßen Videos, in denen Menschen gefoltert und getötet werden? Und kursieren sie tatsächlich zu kommerziellen Zwecken? Ich habe davon ein paarmal gelesen, zuletzt in Houellebecqs "Elementarteilchen". Diese so genannten Snuff-Filme haben die Fantasie vieler Autoren beflügelt. Auch Donna Leon erzählt in ihrem Krimi Vendetta von einem Ring perverser Geschäftemacher, die systematisch junge Frauen entführen, vergewaltigen und töten und die Videoaufnahmen dieser Taten zu Geld machen. Auch der Kinofilm 8 mm handelt von solchen Untergrundgeschäften. Aber bislang sind das glücklicherweise alles Produkte der Fantasie. Tatsache ist, dass noch nie die Existenz eines einzigen SnuffVideos nachgewiesen werden konnte. Es gibt Grenzfälle wie etwa makabre Sammlungen von zufällig dokumentierten Todesfällen oder Filmaufnahmen von Hinrichtungen. Besonders perverse Gewalttäter haben auch schon Videoaufnahmen ihrer Opfer vor oder nach der Tat gemacht. Aber das systematische Filmen von Morden und vor allem der dazugehörige Schwarzmarkt sind nach Ansicht aller Experten Hirngespinste. Seinen Namen hat das nichtexistente Genre von dem Film Snuff, einem billigen argentinischen Horrorstreifen, der 1976 in den USA auf den Markt kam, angereichert mit einer zusätzlich gedrehten Szene, in der angeblich die Macher des Films eine der Darstellerinnen brutal umbringen. Ein bewusst gestreutes Gerücht, um den Film besser vermarkten zu können - sogar die Frauenrechtlerinnen, die vor den Kinos protestierten, waren vom Produzenten eigens informiert worden. 1991 geriet dem Schauspieler Charlie Sheen ein angeblicher japanischer Snuff-Film in die Hände, den er prompt dem FBI übergab. Aber auch dieser Film mit dem Titel Flower of Flesh and Blood konnte zweifelsfrei als Fiktion entlarvt werden, ebenso wie alle späteren, angeblich authentischen Machwerke aus diesem geschmacklosen Genre.
Ein fast schon beruhigender Gedanke: Nicht jede Monstrosität, die man sich vorstellen kann, wird auch in die Tat umgesetzt.
Nutzloses Schwänzchen Manche Autofahrer bringen am Heck ihrer Fahrzeuge Riemen an, die beim Fahren über den Boden schleifen. Auf einigen habe ich ein Blitzsymbol gesehen, also vermute ich, dass damit Spannungen abgeleitet werden sollen. Man sieht sie immer seltener, die "Schwänzchen", die zu einer besseren Erdung des Autos beitragen sollen. Die aus leitendem Material bestehenden Bänder führen angeblich elektrostatische Aufladungen des Autos zur Straße ab. So soll zum Beispiel vermieden werden, dass der (dann ebenfalls aufgeladene) Fahrer einen elektrischen Schlag bekommt, wenn er aus dem Auto langt und einen metallischen Gegenstand berührt. Der Nutzen dieser Bänder wurde von Experten immer bezweifelt, aus zwei Gründen: Erstens sind die meisten Autos überhaupt nicht isoliert gegenüber der Straße. Denn die Reifen enthalten genügend Kohlenstoff und Stahleinlagen, sodass sie Strom leiten. Zweitens entstehen die meisten unangenehmen Entladungen nicht, weil das ganze Fahrzeug elektrisch geladen wäre, sondern weil die Insassen auf den Sitzen herumrutschen. Besonders Kleidung aus synthetischen Textilien führt zu Ladungstrennungen zwischen Mensch und Fahrzeug. Und weil moderne Autos innen fast vollständig mit nichtleitenden Materialien ausgekleidet sind, kann diese Ladung während der Fahrt nicht abfließen. Wenn man zudem Schuhe mit isolierender Sohle trägt, ist man auch nach dem Aussteigen noch geladen. Erst beim Griff an die Tür kann die Ladung plötzlich fließen - es funkt. Der ADAC und die Dekra empfehlen dagegen Sitzauflagen aus natürlichen Materialien. Außerdem sollte man schon beim Aussteigen mit festem Griff den metallischen Teil der Tür anfassen und erst wieder loslassen, wenn man mit beiden Beinen fest auf der Erde steht.
Spülmittel In unserer WG gibt es Streit darüber, ob man Geschirr nach dem Spülen noch mal unter klares Wasser halten muss, damit der Rest Spülmittel abgeht. Stimmt's, dass man sich sonst "vergiften" kann? Spülmittel enthalten Tenside. Die setzen die Oberflächenspannung des Wassers herunter, was für die Reinigung wichtig ist, aber auch noch einen schönen Nebeneffekt hat: Wenn man das gespülte Geschirr abtropfen lässt, so bilden sich bei Wasser mit Spülmittel keine dicken Tropfen, sondern ein dünner Film, der im Idealfall praktisch rückstandsfrei abfließt. Während man also Gläser, die mit klarem Wasser nachgespült wurden, abtrocknen muss, um hässliche Wasserflecken zu vermeiden, kann man sich das bei der Spülmittellauge sparen. Was aber heißt "praktisch rückstandsfrei"? Spuren von den Tensiden bleiben immer zurück. Manchmal kann man das zum Beispiel daran erkennen, dass der Schaum eines frisch eingeschenkten Bieres in sich zusammenfällt (das ist aber schon ein Hinweis auf zu viel Spülmittel). 1973 sind diese Spuren einmal im Auftrag der Industrie sehr gründlich untersucht worden. Das Ergebnis damals: Wenn man alle Tensidrückstände zu sich nähme, die im Laufe eines Jahres auf den Tellern, Tassen, Gläsern und Bestecken zurückbleiben, dann käme man auf eine Menge von 100 bis 150 Milligramm pro Person. Aber dazu müsste man schon alle Teller gründlich ablecken. Bei einer solchen Menge gehen selbst Umweltschützer nicht von schädlichen Wirkungen aus, zumal sich Tenside nicht im Körper anreichern. "Giftig" sind die Spülmittelrückstände also nicht, und bei richtiger Dosierung wird man sie auch nicht schmecken. Wem der Gedanke trotzdem ein Graus ist, der muss halt nachspülen - und abtrocknen.
Mal so, mal so Als Sophie Essex, die Frau des britischen Prinzen Edward, beim Rennen in Ascot in einem quer gestreiften Kostüm auftauchte, schrieb die "Times", Sophie hätte wissen müssen, dass Frauen "jenseits von 50 Kilogramm" auf Querstreifen verzichten sollten. In seinem Buch "Illusionen" behauptet Edi Lanners: "Eine Fläche mit senkrecht verlaufenden Streifen erscheint breit, eine horizontale Gliederung steigert die Höhe." Was stimmt nun? Herr Göttke hat dankenswerterweise gleich eine Kopie aus dem erwähnten Buch mitgeschickt. Und tatsächlich kann man zum Beispiel eindeutig feststellen: Ein quer gestreiftes Quadrat sieht schlanker aus als ein längs gestreiftes. Auch wirkt ein Stapel von Münzen, der genauso hoch wie breit ist, optisch höher. Anders ist es aber bei perspektivischen Streifen: Ein Flur, in dem die Dielen längs verlaufen, sieht schmaler und länger aus als einer mit quer liegenden Bodenbrettern. So eindeutig ist die Wirkung von Streifen also nicht. Und wie ist es nun bei der Kleidung? Machen die Querstreifen am Leib dick? "Stimmt nicht", sagt Elke Drengwitz vom Fachbereich Modedesign der Fachhochschule Hamburg. Sie habe mit ihren Studenten schon die seltsamsten Dinge erlebt - etwa, dass eine gestreifte Bluse mal so und mal so wirke, je nach der Farbe der Streifen. Und auch die Streifenbreite und der Schnitt des Kleidungsstücks würden die optische Wirkung beeinflussen. Eine allgemeine Regel aufzustellen sei in der Mode unmöglich.
Schnittmuster Es heißt, dass Stoffscheren stumpf werden, wenn man mit ihnen Papier schneidet. Stimmt das? Die Scherenhersteller sagen übereinstimmend: Es stimmt. Durch das Schneiden von Papier kann eine Schneiderschere unbrauchbar werden. Reinhild Mohaupt von der Solinger Firma Robuso erklärt, dass diese Regel allerdings in der Vergangenheit stärker galt als heute. Im 19. Jahrhundert waren die Stähle, aus denen Scheren hergestellt wurden, weicher als heute. Und das Papier war noch nicht so fein, sondern enthielt viele harte Fasern. Die konnten die Schneide rasch stumpf machen. Oder ihr winzige Kerben zufügen, die zwar beim Papierschneiden nicht stören, aber bei einem feinen Seidenstoff Fäden ziehen können - damit ist dann kein sauberer Schnitt mehr möglich. Heute stellt sich die Situation in mehrfacher Hinsicht anders dar: Der Stahl ist härter, das Papier ist feiner. Und vor allem gibt es nicht nur Naturfaserstoffe, sondern eine Vielfalt von Textilien mit teilweise sehr robusten Kunststoff-, Kohle- oder Keramikfasern. "Papier ist harmlos dagegen", sagt Reinhild Mohaupt. Deshalb sei es wichtig, für spezielle Zwecke auch immer Spezialscheren zu verwenden. Und wie sieht es aus, wenn man Papierscheren zum Schneiden von Stoff benutzt? Das ist zwar nicht schädlich, aber ein ziemlich mühseliges Unterfangen, wie jeder weiß, der es einmal probiert hat. Die Schneiden einer Papierschere sind zu leicht und zu dünn, um ein dickes Stück Stoff zu schneiden. Wenn es zu dick ist, gehen die Schneiden einfach auseinander, und die Schere schneidet überhaupt nicht.
Komprimierte Botschaft Ich habe bei den Werbepausen im Fernsehen den Eindruck, dass die Lautstärke hochgedreht wird. Handelt es sich dabei um eine akustische Täuschung, oder gibt es irgendeinen technischen Trick? Die Spots, die von den Werbetreibenden an die Sender gegeben werden, müssen technisch in Ordnung sein, und dazu gehört, dass sie einen bestimmten Lautstärkepegel nicht überschreiten dürfen. So gesehen ist also alles in bester Ordnung. Nur hat der absolute Spitzenpegel nicht viel mit der empfundenen Lautstärke zu tun: Ein Spielfilm, in dem ein Schuss fällt und ansonsten geschwiegen wird, hat den gleichen Spitzenpegel wie ein Werbespot, in dem die ganze Zeit ein Musik-Jingle im gerade noch erlaubten Dezibel-Bereich dudelt. Der wichtigste Trick der Werbeleute ist die so genannte Kompression: Dabei werden die lauten Passagen eines Spots gedämpft und die leisen angehoben, was subjektiv lauter wirkt. Die Zeitschrift Hörzu hat vor einem Jahr einmal bei den größten Sendern nicht die Spitzenwerte, sondern die durchschnittlichen Pegel von Werbung und Programm verglichen. Ergebnis: Die Werbung war um bis zu 140 Prozent lauter, und zwischen den Sendern gab es erhebliche Unterschiede. Bei RTL zum Beispiel hob sich die Werbung kaum vom Programm ab. Das mag am Programm liegen - aber vielleicht gibt es bei RTL auch menschenfreundliche Tontechniker, die die Werbung einfach leiser drehen.
Der Lauf der Maschen Stimmt es, dass seit vielen Jahren bereits Nylonstrümpfe, die nicht zerreißen, in den Industrieschubladen verstauben? Dass die Industrie dieses Wunder versteckt, um tagtäglich Ersatz für schnell zerrissene, mit Laufmaschen übersäte Nylonstrümpfe und -strumpfhosen zu verkaufen? Dass Damenstrümpfe leicht reißen, liegt an der Physik - und da sind Wunder selten. Die Kundinnen legen Wert darauf, dass das Gewebe quasi unsichtbar ist. Bei einer Fadenstärke von 20 Denier - das ist die Einheit für die Fadenstärke - wiegt der Kilometer Garn gerade noch zwei Gramm. Da reißt der Faden schnell, auch wenn die heutigen Kunststoffe in ihrer Festigkeit mit Stahl vergleichbar sind. Also: je dünner, desto reißfreudiger. Bleibt die Frage der Laufmaschen. Tatsächlich werden immer mal wieder so genannte maschenfeste Strümpfe angeboten. Sie werden auf andere Art gestrickt als die normalen. Wenn der Faden an einer Stelle reißt, dann läuft die Masche nicht weiter, sondern es bildet sich ein Loch von mehreren Millimetern Durchmesser. Der Nachteil: Das Maschenbild dieser Strümpfe ist nicht so ebenmäßig. Und mit Löchern möchte auch nicht jede Kundin herumlaufen. Ganz ohne Verschwörung der Hersteller hat also der Wunsch der Kundschaft nach "unsichtbaren" Strümpfen dafür gesorgt, dass die stabileren Varianten sich nicht durchsetzen konnten.
Auf dem Siedepunkt Wenn man Wasser erhitzen möchte, um darin zum Beispiel Nudeln zu kochen, dann soll man das Salz erst hinterher hineintun, weil das Wasser dann schneller kocht. Stimmt das? Ich war selbst überrascht, wie kompliziert die Antwort ist. Und natürlich hat diese wichtige Frage wieder einmal kein Wissenschaftler so richtig systematisch untersucht. Eins vorweg: Für alle praktischen Zwecke ist es im Grunde egal, wann man das Salz ins Wasser schüttet. Wenn es Unterschiede gibt, sind sie minimal. Allenfalls schonen Sie den Topf, wenn er nicht so lange dem Salzwasser ausgesetzt ist. Aber es gibt Unterschiede. Wenn man Wasser salzt, dann sinkt die so genannte spezifische Wärmekapazität. Das bedeutet, dass man pro Gramm weniger Energie braucht, um die Lösung aufzuheizen. Und das Interessante ist: Auch wenn man berücksichtigt, dass die Flüssigkeit ja durch die Zugabe von Salz mehr wiegt, wird unterm Strich immer noch etwa ein Prozent weniger Energie gebraucht, um das Gemisch auf 100 Grad zu bringen. Das ist zwar schwer vorstellbar, aber die harten Zahlen beweisen es. Moment, ließe sich jetzt noch einwenden, Salzwasser hat aber einen höheren Siedepunkt als ungesalzenes. Das stimmt, es kocht erst bei 101 oder 102 Grad. Aber auf diese Temperatur muss man ja auch das kochende Süßwasser noch bringen, nachdem das Salz zugefügt wurde. Insgesamt bleibt daher immer noch ein winziger energetischer Vorteil, wenn das Salz gleich am Anfang zugegeben wird; jedenfalls für alle Salzkonzentrationen, bei denen die Nudeln nachher noch genießbar sind. Nachtrag: Vor lauter Rechnerei mit spezifischen Wärmekapazitäten hat unser Autor ein einfach zu formulierendes, aber wichtiges physikalisches Gesetz außer Acht gelassen: Den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik. Und der besagt: Man hat in beiden Fällen vorher kaltes Wasser und trockenes Salz und nachher kochendes
Salzwasser. Und die Energie, die man benötigt, um von einem Zustand zum anderen zu kommen, ist immer gleich, unabhängig davon, auf welchem Weg das geschieht. Im praktischen Versuch kochte übrigens dennoch das gesalzene Wasser schneller ...
Streifenfrei in einem Zug Es heißt, dass man die Fenster nicht putzen soll, solange die Sonne drauf scheint, weil die Scheiben sonst Schlieren bekommen. Stimmt's? "Bei den Hausfrauen ja, bei uns nicht", sagt Detlef Benthien von der Gebäudereinigungsfirma Mr. Clean in Dollerup. Das liege daran, dass professionelle Fensterputzer eine andere Technik verwendeten. Hausfrauen und Hausmänner putzen meistens so, dass sie die Fenster mit Spüllauge und einem nassen Lappen wischen und dann mit klarem Wasser und einem Fensterleder nachwischen. Mit dem Leder wird die "Reinigungsflotte" (so nennt sich das Gemisch aus Wasser, Reinigungsmittel und Schmutz) nicht vollständig entfernt. Wenn dann die Sonne direkt auf die möglicherweise gar noch aufgeheizte Scheibe knallt, entstehen die Streifen. Professionelle Fensterputzer dagegen wischen nur einmal mit einem Gemisch, das nur wenig Spülmittel enthält, und ziehen dann die Scheibe kunstvoll mit einem Gummi ab. Der Trick besteht darin, das in einem Zug so zu tun, dass nirgends ein Wasserrest auf der Scheibe bleibt. Detlef Benthien hat nach eigener Angabe eineinhalb Jahre gebraucht, um diese Technik zu perfektionieren. "Das zeigt, dass man auch dafür Experten braucht", sagt er stolz.
Heizen mit Gewinn Ich habe eine Fussbodenheizung. Da ich nur am Wochenende tagsüber zu Hause bin, habe ich die Heizung veranlasst, nur von 5 bis 9 Uhr und von 15.30 Uhr bis 23 Uhr zu laufen. Das ist doch energietechnisch günstiger, als sie tagsüber durchlaufen zu lassen, oder? Was den Energieverbrauch angeht, ist die Rechnung recht einfach: Jedes Herunterdrehen der Heizung spart Energie, weil das Haus bei niedrigerer Temperatur weniger Wärme an die Umgebung abgibt. Die Frage ist nur, ob es praktikabel und komfortabel ist. Herkömmlich gebaute Häuser reagieren nämlich sehr langsam auf eine Heizung, und die Fußbodenheizung ist besonders träge. Der Physiker Christian Lehmann vom Forschungszentrum Jülich machte nach einem Skiurlaub einmal eine bittere Erfahrung: Während man in einer völlig ausgekühlten Skihütte, die sicherlich nicht sehr gut isoliert ist, in kurzer Zeit mit dem Ofen eine behagliche Temperatur erzeugen kann, brauchte er zu Hause drei Tage, um sein massives Steinhaus wieder auf eine angenehme Temperatur zu bringen. Zwar erwärmt sich die Luft recht schnell auf Temperaturen über 20 Grad, aber die kalten Wände und Böden machen es ungemütlich. Sein Schluss daraus: Man sollte nicht nur auf den k-Wert starren, der die Qualität der Isolierung misst, sondern auch auf die so genannte "Wärmeeindringzahl". Je kleiner die ist, umso schneller lässt sich eine Wand wieder aufheizen, ohne dass die Wärme gleich in die tieferen Schichten abfließt. Holz hat eine kleine Wärmeeindringzahl, Stein eine große. Aber schon eine dünne, gut isolierte Holzverkleidung auf einer Steinwand wirkt Wunder. Dann kann der Bewohner ohne großen Komfortverlust vom "stationären Heizen" (Heizung läuft durch) auf das "instationäre" umsteigen, möglichst mit einer zeitgesteuerten Zentralheizung.
Saures auf den Haufen Beim Weihnachtsfamilientreffen wurde - mal wieder - die Frage ventiliert, ob man Orangenschalen nicht auf den Kompost geben sollte. Stimmt's?? Den Tipp kann man immer wieder in Broschüren lesen, auch mit Bezug auf Zitronen- und Bananenschalen. Manche Zeitgenossen verbinden damit die Vorstellung, dass die Obstsorten, die bei uns nicht heimisch sind, unseren Mikroorganismen und Würmern nicht schmecken und daher in unseren Gefilden nicht verrotten. Tatsache ist: Obst und Gemüse bestehen überall auf der Welt aus den gleichen Grundsubstanzen, und die Mikroben sind da nicht sehr wählerisch. Wir Menschen vertragen die exotischen Pflanzen ja auch. Sie brauchen zum Verrotten allenfalls ein bisschen länger. Auch die Säure der Zitrusfrüchte bringt das Kompost-Biotop nicht aus dem Gleichgewicht. Der einzige triftige Grund, diese Obstabfälle nicht auf den Komposthaufen zu werfen: Gerade die Früchte, deren Schale nicht zum Verzehr gedacht ist, sind oft stark mit Schädlingsbekämpfungsmitteln und Konservierungsstoffen behandelt worden. Ist das Obst unbehandelt oder stammt es aus biologischem Anbau, so ist gegen eine Kompostierung nichts einzuwenden.
Zwergenaufstand Berichte über kuriose Streitfälle vor Gericht füllen die Vermischten Seiten der Zeitungen. Vor allem die Deutschen scheinen sich über Gartenzwerge und Parkplatzbenutzung, zu viel Sand am Urlaubsstrand und Bananenessen am Arbeitsplatz besonders gern in die Haare zu geraten. Stimmt es eigentlich, wie oft zu lesen, dass wir Prozessweltmeister sind? Trotz TV-Richterin Barbara Salesch: Die Klagefreudigkeit der Deutschen ist eher mittelmäßig. Auf 100.000 Einwohner kamen im Jahr 2000 knapp 2.300 Zivilprozesse. In England zum Beispiel sind es viel mehr, etwa 3.600. Wenn man nach dem Weltmeister sucht, geraten natürlich sofort die USA ins Visier: Glaubt man doch zu wissen, dass dort jeder Verbraucher, der sein Kätzchen irrtümlich in der Mikrowelle grillt, sofort den Hersteller des Ofens verklagt. Und die vielen Anwälte - allein in West-LosAngeles sind es mehr als in ganz Japan - wollen ja auch beschäftigt sein. Und tatsächlich: Über 5.200 Zivilverfahren kommen dort auf 100.000 Einwohner. Und kaum glaubt der Autor, die Prozessweltmeister dingfest gemacht zu haben, fällt sein Blick auf das Statistische Jahrbuch Österreichs. Die Bewohner der Alpenrepublik haben einander im vorletzten Jahr mit 777.000 Prozessen überzogen - und das ergibt die stolze Zahl von 9.600 Verfahren pro 100.000 Einwohner! Wer bietet mehr?
Gemischte Münzen Die Euro-Münzen tragen bekanntlich auf ihrer Rückseite länderspezifisch verschiedene Motive. Ein Bekannter erzählte mir neulich, dass die Münzen, sobald sie bei einer Bank eingezahlt wurden, wieder fein säuberlich nach Ländern sortiert werden. Dann geht's per Lkw ins Ursprungsland zurück. Stimmt das? Viele Deutsche finden in diesen Tagen die ersten fremdländischen Euro- und Cent-Münzen in ihren Portemonnaies: griechische Münzen mit fremdartiger Schrift, die Könige auf den Rückseiten der belgischen und spanischen Münzen, die irische Harfe. Ganz besonders Glück hat jemand, der einen Euro aus San Marino oder einen Cent aus dem Vatikan sein Eigen nennen kann. Die will man doch gar nicht wieder los werden! Es wäre also eine recht sinnlose Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Hunderte von Hilfskräften, die in den Banken Münzen und Scheine (auch die sind von Land zu Land verschieden*) säuberlich auseinander sortieren und für jedes Land ein separates Päckchen schnüren. Und es stimmt auch nicht. Die Sprecherin der Bundesbank sagt jedenfalls definitiv: Das Geld wird nicht wieder getrennt. Das wäre viel zu aufwändig und würde keinen wirtschaftlichen Sinn ergeben. Tatsächlich werden aber in Zukunft Geldtransporter von Euroland zu Euroland fahren. Das liegt daran, dass der Geldfluss nicht ausgeglichen ist. Vor allem die Touristen sorgen dafür, dass in den südlichen Urlaubsländern allmählich ein Bargeldüberschuss entsteht. Und so wird es manchmal nötig sein, Banknoten wieder von Süden nach Norden zu bringen. Aber wie gesagt, sortiert werden sie dabei nicht. Der Mathematiker Dietrich Stoyan von der Bergakademie Freiberg prophezeit übrigens, dass sich der Euro-Bestand in den Mitgliedsländern auf lange Sicht ausgleichen wird - das heißt, dass die Menschen in allen beteiligten Ländern dieselbe Münzverteilung im Portemonnaie haben werden, entsprechend der jeweils ausgegebenen Geldmenge (die deutschen Münzen machen zum
Beispiel 34 Prozent aus). Nur durch Neuemissionen wird sich dieses Gleichgewicht immer wieder ein bisschen verschieben. Diese These überprüft er nun mit einem praktischen Experiment, bei dem die Teilnehmer in regelmäßigem Abstand ihren Münzbestand zählen. Wer sich dafür interessiert: Die Internet-Adresse ist www.euro.tu-freiberg.de. * Einige Leser der gedruckten Stimmt's-Folge haben protestiert: Die Scheine seien doch in allen Ländern gleich. Vielleicht war die Formulierung auch etwas missverständlich - aber tatsächlich kann man zumindest bei der ersten Lieferung der Scheine feststellen, aus welchem Land eine Banknote stammt. Nämlich anhand der Seriennummer. Auskunft der Bundesbank: Bei der Erstausgabe der Banknoten bekam jedes Land einen Kennbuchstaben, der der Seriennummer vorausgeht. Z.B. ist ein Schein, dessen Nummer mit X beginnt, aus Deutschland. In Zukunft will die EZB den Banknotendruck aber auf ein "dezentrales Poolingsystem" umstellen, so dass dann in einem Land nur noch die 10-Euro-Scheine gedruckt werden, in einem anderen die Fünfziger usw. Dann kann man von der Nummer nur noch auf die Druckerei, aber nicht mehr auf das Ausgabeland schließen.
Wochenende Stimmt's, dass die Bundesregierung Anfang der Siebziger den für Juden und Christen ersten Tag der Woche, den Sonntag, zum letzten Wochentag gemacht hat? Nach christlicher Tradition ist der Sonntag der erste Tag der Woche. Eigentlich erstaunlich, denn Gott ruhte am siebenten Tag. Doch der "Tag des Herrn" ist von der Auferstehung hergeleitet, und die ist ja eher Anfang als Schlusspunkt. Allerdings sah jahrhundertelang niemand eine Notwendigkeit, diese Konvention auch weltlich festzuschreiben. Im Jahr 1943 legte dann die Norm DIN 1355 fest: "Eine Woche beginnt am Sonntag 0 h." Damit befand sich Deutschland im Widerspruch zu vielen Ländern, in denen der Sonntag zum Wochenende gehörte. Bei den Fluglinien wurde schon immer der Montag mit 1 bezeichnet und der Sonntag mit 7. Und so trat 1976 eine Änderung der DIN 1355 in Kraft, seitdem beginnt die Woche montags. Inzwischen fängt weltweit die Woche am Montag an. Die Normwächter betonten aber in der Neufassung von 1976: "Davon unberührt bleibt, dass nach christlicher und jüdischer Zählung der Sonntag der erste Tag der Woche ist."
Auf und ab Stimmt es, dass der Blitz von unten nach oben geht? So ein Blitz ist eine ganz schön komplizierte Sache und auch längst noch nicht vollständig verstanden. Es beginnt damit, dass in einer Gewitterwolke geladene Teilchen voneinander getrennt werden - die positiven wandern nach oben, die negativen sammeln sich im unteren Teil der Wolke an. So entsteht eine Spannung innerhalb der Wolke, zwischen einzelnen Wolken, aber auch zwischen Wolke und dem nicht geladenen Boden. Irgendwann wird die Spannung so groß, dass es zur Entladung kommt. Dabei entsteht zuerst ein so genannter Vorblitz, der sich von der Wolke auf einem Zickzackkurs einen Weg zum Boden sucht. Der schafft den Blitzkanal, in dem dann später die eigentliche Entladung stattfindet. Kommt die Spitze des Vorblitzes in die Nähe eines Baumes, einer Antenne oder eines Kirchturms, so wächst ihm von dort ein kleines Blitzchen entgegen. Sobald die beiden Äste sich getroffen haben, ist die "Leitung" zwischen Boden und Wolke geschlossen, und der eigentliche Blitz kann sich entladen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100.000 Kilometern pro Sekunde, also einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Im Blitzkanal herrscht dabei eine Temperatur von 30.000 Grad. Die Entladung pflanzt sich tatsächlich von unten nach oben fort. Die Ladungsträger fließen aber selbstverständlich immer vom negativen Pol zum positiven, also von der Wolkenunterseite zur Erde. Mit einem Hauptblitz ist es meistens nicht getan. Nach dem ersten Hauptblitz folgt ein kleinerer von oben nach unten und dann wieder ein großer von unten nach oben. Die mehrfachen Entladungen nehmen wir manchmal als Flackern wahr, das gesamte Spektakel dauert wenige Zehntelsekunden. Fazit: Wenn man mit "Blitz" die sichtbare Hauptentladung meint, dann geht der Blitz tatsächlich von unten nach oben.
Mit dem Handy zum Mond Stimmt es, dass in einem Handy mehr Rechenleistung steckt, als für die erste Mondlandung verfügbar war? "Auch wenn diese Dinge schwer zu vergleichen sind, so kann man doch mit Sicherheit sagen, dass ein typisches Mobiltelefon mehr Rechenleistung hat als der Apollo Guidance Computer", sagt der Amerikaner Dag Spicer. Er ist Experte für jene Computer, die in den sechziger Jahren für das Apollo-Mondlandungsprogramm entwickelt wurden. Schwer zu vergleichen, weil die beiden Gerätetypen doch sehr unterschiedliche Zwecke verfolgen. Während der ApolloBordcomputer ballistische Bahnen zu berechnen hatte, muss ein Handy vor allem digitale Signale in hörbare Sprache umwandeln und umgekehrt. Aber man kann ein paar rohe Daten vergleichen: Der Apollo-Computer verfügte über einen Arbeitsspeicher von etwa vier Kilobyte und schaffte etwa 40.000 Additionen pro Sekunde. Seine Taktrate lag bei 100 Kilohertz. Ein heutiger Chip ist zehntausendmal schneller. Nun ist ein Handy kein PC, aber auch in den kleinen Telefonen stecken sehr leistungsfähige Chips. Die werden gebraucht, weil die Verarbeitung von Sprachsignalen in Echtzeit sehr rechenaufwändig ist. Ein typischer Prozessor in einem modernen Mobiltelefon schafft eine Taktrate von etwa 100 Megahertz. Also ein richtig kräftiger Rechenknecht, der allerdings speziell für seine Aufgabe konstruiert worden ist. Aber bei der Landung auf dem Mond waren ja auch alle Flugbahnen vorausberechnet, die Astronauten gaben ein paar Korrekturen mithilfe einer einfachen Programmiersprache ein. Gar nicht zu vergleichen mit der Rechenaufgabe, die etwa das Handy von James Bond zu bewältigen hat. In dem Film Der Morgen stirbt nie steuert der Agent vom Rücksitz aus sein Auto per Handy durch eine Hamburger Tiefgarage. Doch das ist wirklich ScienceFiction!
Fatale Freude Bei einem Freudengeballer werden viele Patronen in die Luft geschossen. Die kommen ja nach dem Gesetz der Schwerkraft irgendwo wieder herunter. Ist eigentlich bekannt, ob Menschen durch herabfallende Geschosse zu Tode kamen oder verletzt wurden? Vor über zwei Jahren (ZEIT Nr. 5/99) habe ich mich an dieser Stelle mit der Frage beschäftigt, ob eine von einem Hochhaus geworfene Münze lebensgefährlich werden könnte. Die Antwort damals: Eher nicht, die Fallgeschwindigkeit des trudelnden Geldstücks ist mit etwa 40 km/h zu gering. Gewehr- und Pistolenmunition ist aber aerodynamisch "günstiger" geformt. Und das macht einen tragischen Unterschied aus: Am 4. Juli 1999 kam ein 9-jähriger Junge in Los Angeles im "Kugelhagel" der Feiern zum amerikanischen Unabhängigkeitstag zu Tode, und er war beileibe kein Einzelfall: 38 Menschen starben allein im Großraum Los Angeles zwischen 1985 und 1992 durch herabfallende Gewehrkugeln, meist bei ausgelassenen Feiern zum Unabhängigkeitstag oder an Silvester. Die Physik dahinter: Die Kugel verlässt die Mündung mit einer Geschwindigkeit von etwa 3.000 Kilometern pro Stunde und kann bis zu drei Kilometer hoch in die Luft steigen. Die Austrittsgeschwindigkeit ist aber für die Wirkung letztlich nicht relevant. Denn beim Herunterfallen beschleunigt das Projektil so, als hätte man es aus dieser Höhe fallen lassen. Der Luftwiderstand sorgt dafür, dass die Kugel nach einiger Zeit nicht mehr schneller wird und eine konstante Endgeschwindigkeit erreicht. Nach Berechnung der amerikanischen Schusswaffenlobby NRA (und die kennt sich wohl aus) beträgt diese Geschwindigkeit zwischen 300 und 500 km/h. Schon ab 200 km/h kann ein Geschoss die menschliche Schädeldecke durchschlagen. Da kann man nur froh sein, dass bei uns die Verbreitung von Handfeuerwaffen etwas rigider gehandhabt wird.
Sand und Sterne Oftmals sagen Menschen bezaubert, es gebe mehr Sterne im Universum als Sand am Meer. Nun scheint es von beidem recht viel zu geben. Stimmt die Behauptung also? Schon in der Bibel werden die Zahl der Sterne und die Zahl der Sandkörner gleichbedeutend mit "sehr viel" verwendet, allerdings nicht miteinander verglichen. Die Behauptung, es gebe mehr Sterne als Sandkörner, wurde unter anderem von dem Astrophysiker und Fernsehmoderator Carl Sagan vorgebracht, der in seiner Sendung Cosmos einmal an einem Strand saß, eine Hand voll Sand durch seine Finger rinnen ließ und sinngemäß sagte, die Zahl der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne sei etwa so groß wie die der Körner in seiner Hand, insgesamt gebe es aber mehr Sterne als Sandkörner an allen Stränden der Erde. Und wahrscheinlich hatte Carl Sagan Recht. Wobei es interessant ist, dass die beiden Werte recht nahe beieinander liegen. Und weil man sie nur sehr grob abschätzen kann, gibt es gewiss auch jemanden, der mit den Schätzungen genau andersherum argumentiert. Fangen wir mit den Sternen an: Eine Galaxie wie unsere Milchstraße enthält etwa 100 Milliarden Sterne. Aber wie viele Galaxien gibt es im All? Vor ein paar Jahren sagten die Astonomen noch: eine Milliarde. Doch seit den Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop schätzt man eher: 100 Milliarden. Macht zusammen 10 Trilliarden oder 10 hoch 22 Sterne. Ungefähr. Nun zum Sand. Da gibt es zum Beispiel die Rechnung, die der 11-jährige Schüler William Stewart aus dem US-Staat North Carolina für einen Kinderwissenschaftskongress aufgestellt hat. Er ist ganz einfach an seinen Heimatstrand gegangen, den Topsail Beach, und hat Sandkörner gezählt. Nach seiner Rechnung passen etwa 27 000 Körner in einen Kubikzentimeter (das kommt mir sehr viel vor, aber vielleicht ist der Sand dort sehr fein). Der ge-
samte Strand enthielte dann auf einer Länge von 42 Kilometern schätzungsweise 6 x 10 hoch 16 Sandkörner. Um auf die Zahl der Sterne zu kommen, bräuchte man demnach etwa 7 Millionen Kilometer Sandstrand - und so viel gibt es auf der Erde bestimmt nicht, es sind wohl eher um die 200 000 Kilometer. Aber wer weiß, zu welchem Ergebnis man käme, würde man die Wüsten dazunehmen? Vielleicht hat der Herrgott es ja tatsächlich so eingerichtet, dass es genauso viele Sandkörner auf der Erde gibt wie Sterne am Himmel.
Je tiefer, desto ruhiger Stille Wasser sind tief - stimmt's? Sind tiefe Seen stiller als flache? Nein. Die Wassertiefe kann zwar mit dem Verhalten der Wellen zu tun haben - das sieht man, wenn Wellen sich am Strand brechen. Das ist aber nur der Fall, wenn die Welle etwa so hoch ist wie das Wasser tief. Auf einem 20 Meter tiefen See kräuselt sich dagegen die Oberfläche genauso wie auf einem 100 Meter tiefen, und das Sprichwort hat wohl kaum einen realen Hintergrund. Es gibt aber einen Fall, wo es tatsächlich stimmen kann, nämlich bei fließenden Gewässern - eine Idee, auf die mich Dirk Ditschke gebracht hat, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strömungsmechanik der Universität Hannover. Wenn ein Fluss an einer Stelle plötzlich tiefer wird, dann vergrößert sich der Querschnitt, den das Wasser durchfließt. Und damit verringert sich die Fließgeschwindigkeit. Langsameres Wasser hat aber auch eine ruhigere Oberfläche. An der stilleren Stelle ist der Fluss also tatsächlich tiefer.
Kunst des Knalls Stimmt es, dass eine Peitsche knallt, weil ihre Spitze die Schallmauer durchbricht? Tatsächlich war wohl eine Peitsche das erste Objekt, das von Menschenhand auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt wurde. Die Physik, die hinter dem Phänomen steckt, ist erstaunlich kompliziert. Der aus Ungarn stammende Physiker István Szabó, der nach dem 2. Weltkrieg an der Technischen Universität Berlin Mechanik lehrte, trat gern mit einer reich verzierten ungarischen Hirtenpeitsche vor seine erstaunten Studenten, ließ die Peitsche "zur Überprüfung der Lagrangeschen Bewegungsgleichungen" kunstvoll knallen und schrieb dann die Tafel mit Gleichungen voll. Unterm Strich kam heraus, dass die Welle, die durch die Peitschenschnur läuft, das Ende theoretisch auf eine beliebig hohe Geschwindigkeit beschleunigen kann - und wenn sie die Schallmauer durchbricht, knallt's. In der Praxis funktioniert das besonders gut mit Peitschen, deren Schnur zum Ende hin immer dünner wird. Dann wird die Masse nämlich immer kleiner und die Geschwindigkeit der Welle immer größer. Und zum guten Knall gehört immer auch ein bisschen Training: Generationen von Studenten und Assistenten scheiterten bei dem Versuch, Szabós Kunststücke nachzumachen.
Westliches Unwetter "Abendrot, Schönwetterbot - Morgenrot, schlecht Wetter droht." Gibt es einen meteorologischen Zusammenhang zwischen Abendrot, Morgenrot und dem Wetter? Auch wenn Bauern- und anderen Wetterregeln mit Vorsicht zu begegnen ist - diese stimmt, zumindest in unseren Breiten. Und der Bote kündet keine absolute Wahrheit, sondern Wahrscheinlichkeit. Die Erklärung liefert Hartmut Graßl, Direktor des Max-PlanckInstituts für Meteorologie: Wenn der Abendhimmel flammend rot leuchtet, dann bedeutet das zunächst einmal, dass wir freie Sicht zum westlichen Horizont haben. Dort bringt die Sonne Partikel in der Luft zum Leuchten. Da bei uns meist der Westwind vorherrscht, heißt das: Es ziehen von Westen keine Wolken herauf, die schlechtes Wetter mit sich bringen. Wenn das rote Sonnenlicht außerdem noch ein paar Wolken direkt über oder östlich vom Betrachter beleuchtet, dann sind das allenfalls abziehende Regengebiete, die mit dem Wetter von morgen nichts zu tun haben. Umgekehrt ist es beim Morgenrot: Ein wolkenfreier Osten spielt für die Wetterentwicklung keine große Rolle. Wenn morgens der ganze Himmel flammend rot erleuchtet ist, dann strahlt die Sonne schon die ersten Zirruswolken im Westen an, die Vorboten einer Regenfront. Das alles gilt, wie gesagt, nur bei Westwind. Der herrscht aber bei uns längst nicht das ganze Jahr vor. Im Mai ist es sogar umgekehrt - dann nämlich weht der Wind vorwiegend aus Osten, und das Abendrot kann durchaus ein Schlechtwetterbot sein.