Desiderius Sabo (Hrsg.) Vorfußchirurgie
Desiderius Sabo (Hrsg.)
Vorfußchirurgie Mit Beiträgen von: J. Dohle, Wuppe...
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Desiderius Sabo (Hrsg.) Vorfußchirurgie
Desiderius Sabo (Hrsg.)
Vorfußchirurgie Mit Beiträgen von: J. Dohle, Wuppertal C. Erdle, Ulm R. Fuhrmann, Eisenberg J. Hamel, München M. Henniger, Frankfurt S. Korn, Heidelberg S. Maibaum, Heidelberg S. Rammelt, Dresden S. Rehart, Frankfurt
D. Sabo, Heidelberg S. Sell, Bad Wildbad G. Suger, Ulm M. Thomas, Augsburg M. Thomsen, Baden-Baden M. Walther, München M. Weingart, Darmstadt F. Zeifang, Heidelberg
Mit einem Geleitwort von Daniel Frank Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie – DGOU 2010
Mit 220 Abbildungen
13
Prof. Dr. med. habil. Desiderius Sabo Orthopädie und Unfallchirurgie Rheumatologie, Kinderorthopädie Spezielle orthopädische Chirurgie Gemeinschaftspraxis Klinik St. Elisabeth Max-Reger-Straße 5–7 D - 69121 Heidelberg www.sportopaedie.de
ISBN 978-3-642-05386-3 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Springer-Verlag GmbH Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
Planung: Kathrin Nühse, Dr. Fritz Kraemer, Heidelberg Projektmanagement: Barbara Knüchel, Heidelberg Lektorat: Silvia Sabo, Neckargemünd Zeichnungen: Wolfgang Emil Hanns, Freiburg Einbandgestaltung: deblik, Berlin Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg SPIN 12608140 Gedruckt auf säurefreiem Papier
2111 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorfußchirurgie im Wandel Die Vorfußchirurgie war im letzten Jahrzehnt einem erheblichen Wandel unterworfen. Bis in die späten achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte sich die Brandes- oder HohmannOperation als Therapie für alle Fälle von Veränderungen der Groß- und Kleinzehen bewährt. Es wuchs aber zunehmend die Erkenntnis, dass ein differenziertes Vorgehen der verschiedenen Pathologien des Vorfußes notwendig ist. Ein weites Spektrum an unterschiedlichen Behandlungsverfahren ist erforderlich, um die Erkrankungen zielgerichtet und angemessen zu therapieren. Vor allem die Einsicht, dass die gelenkerhaltende Behandlung deutlich bessere Langzeitergebnisse zeigt, ist hervorzuheben. Die moderne Therapie setzt umfassende Kenntnisse über die Pathomechanik des Fußes und die bildgebende Darstellung mit Röntgen, Ultraschall, Computertomographie oder Kernspin voraus. Nicht jede Abweichung von der Norm ist therapiewürdig, schon gar nicht operationsrelevant. Die konservative Behandlung hat ihren festen Stellenwert. Wohl kaum ein Organ des menschlichen Körpers bietet eine solch hohe Vielfalt an operativen Methoden wie der Fuß. Haut, Sehnen, Knochen und Gelenke sind Strukturen, die adressiert werden. Operative Maßnahmen haben sich durch neuere Verfahren, ausgereiftere Materialien wie Schrauben, Platten oder Implantate fortentwickelt. Von den neuen Methoden profitieren die Patienten, bessere Narkosetechniken haben einen großen Anteil der Behandlungen in den ambulanten Bereich verlagert. Orthopädische Hilfsmittel und eine gezielt eingesetzte Physiotherapie verkürzen Krankheitsverlauf und postoperative Rehabilitationszeiten. Der Herausgeber Desiderius Sabo und die Autoren haben sich in diesem Buch auf Bewährtes in der Vorfußchirurgie konzentriert, seltene Diagnosen und Verfahren wurden aus Gründen der Übersicht ausgespart. Der gesammelte Erfahrungsschatz der Experten für eine zeitgemäße Vorfußchirurgie wird durch hilfreiche Tipps und Tricks ergänzt.
Daniel Frank Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie – DGOU 2010
VII
Danksagung Meinen herzlichsten Dank möchte ich aussprechen: Meiner Frau Silvia Sabo für die kritische Durchsicht, Korrektur und das Ordnen der Manuskriptberge und Abbildungen. Sie hat viel Zeit und Sachkenntnis in die Bearbeitung eingebracht. Es war dafür erheblich mehr Zeit erforderlich als wir beide veranschlagt hatten. Ich bin sehr dankbar, dass sie mir damit einen wesentlichen Teil meiner Aufgaben abgenommen hat. Herrn Dr. Fritz Kraemer, Frau Kathrin Nühse und Frau Barbara Knüchel vom SpringerVerlag Heidelberg. Ohne ihre wohlwollende und insbesondere dauerhafte Unterstützung wäre das Projekt Vorfußchirurgie wohl ein Projekt geblieben. So ist am Ende doch ein schönes Buch daraus geworden. Herrn Wolfgang Emil Hanns für die routinierte graphische Umsetzung von Sachverhalten, die durch ein Photo nicht mit ausreichender Klarheit dargestellt werden können und Herrn Tobias Schaedla, der in wirklich kurzer Zeit eine perfekte Buchgestaltung erstellt hat. Den Autoren und Freunden, die bereit waren, neben ihrer täglichen klinischen Tätigkeit zusätzlich Zeit zu opfern und ihr Know-how in die speziellen Themen einfließen zu lassen. Alle haben gerne mitgemacht und rundweg alle Kapitel sind lesenswert: Selbst alte Hasen werden in den Tipps viel Nachahmenswertes finden. Heidelberg, im März 2010 Desiderius Sabo
IX
Inhaltsverzeichnis 1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Desiderius Sabo
2
Pathoanatomie des Vorfußes . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4
Jörn Dohle Pathoanatomie des Vorfußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Hallux valgus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Hallux valgus interphalangeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Hallux rigidus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Pathoanatomie des zentralen Vorfußes . . . . . . . . . . . 12 Hammerzehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Krallenzehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Malletzehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Pathologie des Zehengrundgelenks . . . . . . . . . . . . . . 13 Pathoanatomie des 5. Strahles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Probleme im Bereich des MFK V . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Hyperextensionsfehlstellungen D V . . . . . . . . . . . . . . 16 Digitus quintus varus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Supinationsfehlstellungen D V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Zusammenhang Rückfuß Vorfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3
Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10
Jörn Dohle Gangbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Funktionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Fußstatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Bewegungsausmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Stabilitätsbeurteilung 1. Strahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Zehenfehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Pathologie der Zehengrundgelenke . . . . . . . . . . . . . . 24 Sichelfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 5. Strahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Durchblutung, Motorik und Sensibilität . . . . . . . . . . 24
4
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.2 4.2.1
Markus Walther Röntgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Intermetatarsalwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Tarsometatarsalgelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Hallux-valgus-Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Dezentrierung der Sesambeine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Distaler und proximaler Gelenkwinkel . . . . . . . . . . . . 30 Interphalangealwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Metatarsaleindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Metatarsophalangealgelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Stellung des 5. Strahles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Plantares Gapping von Mittelfußgelenken . . . . . . . . 30 Computertomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5
Stressfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Unklare postoperative Beschwerden . . . . . . . . . . . . . 31 Kernspintomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Morton-Neurom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Osteonekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Stressfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Knorpelschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Frühdiagnose einer entzündlichen Gelenkerkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.3.6 Knochenödeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.3.7 Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.3.8 Diabetische Neuroarthropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3.9 Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3.10 Erkrankungen von Sehnen, Bändern und Gelenkkapsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3.11 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.4 Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.4.1 Sehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.4.2 Bänder und Gelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.5 Szintigraphie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
5
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.3 5.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.5.6
Konservative Therapiemöglichkeiten bei orthopädischen Vorfußerkrankungen . . . .37 Stephan Maibaum, Stefan Korn, Desiderius Sabo Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Orthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Orthopädische Schuhzurichtungen . . . . . . . . . . . . . . 38 Pedobarographie (Fußdruckmessung) und Laufbandanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Lokale Applikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 »Rendez-vous-System« zwischen Arzt und Physiotherapeut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Hallux valgus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Hallux rigidus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Krallen-/Hammerzehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Sesambeinfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Stressfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Morton-Neuralgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
6
Operative Therapie – 1. Strahl . . . . . . . . . . . . . . .45
6.1 6.1.1 6.1.2
Marc Thomsen, Desiderius Sabo, Manfred Thomas, Gebhard Suger, Christina Erdle Hallux rigidus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Cheilektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Operation nach Brandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
X
Inhaltsverzeichnis
6.1.3 6.1.4 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.6.1
6.6.2 6.6.3 6.7
7
7.1 7.2 7.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3
8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4
Großzehengrundgelenkprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Arthrodese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Metaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Chevron-Osteotomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Meta-diaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Scarf-Osteotomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Proximale Osteotomien des Metatarsale I . . . . . . . . . 62 Die Arthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Minimal-invasive Osteotomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Subkapitale Osteotomie (mediale WedgeOsteotomie) des 1. Metatarsale nach Riverdin/ Isham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Basiskeilosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Metatarsale-I-Doppelosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Phalangeale Osteotomie des 1. Strahles (Akin-Osteotomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Operative Therapie – 2.–5. Strahl . . . . . . . . . . . . .85 Felix Zeifang, Renée A. Fuhrmann, Michael Weingart Resektionsarthroplastik/Arthrodese proximales Interphalangealgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Weil-Osteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Osteotomie zur Verkürzung der Metatarsalia II–V mit Anhebung der Mittelfußköpfchen . . . . . . . . . . . . 90 Sehnentransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Transfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne . . . . . . 93 Transfer der Extensor-digitorum-longus-Sehne V (Lapidus-Transfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Subligamentärer Transfer der Extensor-digitorumbrevis-Sehne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten . . . . . . . .97 Johannes Hamel Sichelfußdeformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Mediale Fußrandentflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Tarsometatarsale Osteotomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Typische Deformitäten des 1. Strahles im Wachstumsalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Iuveniles Hallux-valgus-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Hallux valgus interphalangeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Iuveniler Hallux varus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Hallux varus congenitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Dorsal bunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Klauenzehe D I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Typische Deformitäten der Kleinzehenstrahlen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 »Curly toe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Bunionette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Digitus quintus superductus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Klauenzehen D II–V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5
9
Störungen von Differenzierung und Wachstum am kindlichen Vorfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Polydaktylie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Syndaktylie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Makrodaktylie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Brachymetatarsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Synostosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Operative Interventionen am Vorfuß des Rheumatikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.5.1 9.5.2 9.6 9.7
Stefan Rehart, Stefan Sell, Martina Henniger Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Präoperative Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Spezielle Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Weichteileingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Knöcherne Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
10
Verletzungen des Vorfußes . . . . . . . . . . . . . . . . 117
10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.1.5 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.4.4
Stefan Rammelt Metatarsalefrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Epidemiologie, Ätiologie und Pathomechanik . . . 118 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Zehenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese . . . . . . 124 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Metatarsophalangeale Luxationen . . . . . . . . . . . . . . 127 Pathogenese und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Interphalangeale Luxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Pathomechanik und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . 128 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
XI
Autorenverzeichnis Dohle, Jörn, Dr. med.
Rehart, Stefan, Prof. Dr. med.
Orthopädische Gemeinschaftspraxis Alter Markt 9-13a 42275 Wuppertal
Markus Krankenhaus Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Wilhelm-Epstein-Str. 4 60431 Frankfurt
Erdle, Christina Lange Lemppen 30 89075 Ulm
Frank, Daniel, Dr. med. St. Remigius Krankenhaus Opladen An St. Remigius 26 51379 Leverkusen
Fuhrmann, Renée A., PD Dr. med. Lehrstuhl für Orthopädie der Friedrich-Schiller-Universität Jena Am Waldkrankenhaus »Rudolf-Elle« gGmbH Klosterlausnitzer Str. 81 07607 Eisenberg
Hamel, Johannes, Prof. Dr. med. Zentrum für orthopädische Fuß- und Sprunggelenkchirurgie Schützenstr. 5 80335 München
Sabo, Desiderius, Prof. Dr. med. Orthopädische Gemeinschaftspraxis Heidelberg Klinik St. Elisabeth Max-Reger-Str. 5-7 69121 Heidelberg
Sell, Stefan, Prof. Dr. med. Sana Gelenk- und Rheumazentrum Baden-Württemberg Klinik für Endoprothetik und Gelenkchirurgie König-Karl-Str. 5 75323 Bad Wildbad
Suger, Gebhard Dr. med. Praxisklinik Ulm-Söflingen Magirusstr. 35/ 4 89077 Ulm
Thomas, Manfred, Dr. med. Hessingparc-Clinic Augsburg Hessingstr. 17 86199 Augsburg
Henniger, Martina, Dr. med. Thomsen, Marc, Prof. Dr. med.
Markus Krankenhaus Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Wilhelm-Epstein-Str. 4 60431 Frankfurt
DRK Klinik Baden-Baden Lilienmattstr. 5 76530 Baden-Baden
Korn, Stefan
Walther, Markus, Prof. Dr. med.
Therasport Heidelberg Klinik St. Elisabeth Max-Reger-Str. 5-7 69121 Heidelberg
Orthopädische Klinik München Harlaching Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie Harlachinger Str. 51 81547 München
Maibaum, Stephan, Dr. med.
Weingart, Michael, Dr. med.
Orthopädische Gemeinschaftspraxis Heidelberg Klinik St. Elisabeth Max-Reger-Str. 5-7 69121 Heidelberg
Orthopädische Gemeinschaftspraxis Zentrum für Fußchirurgie, Sportmedizin und Physikalische Therapie Rheinstr. 12 c 64283 Darmstadt
Rammelt, Stefan, PD Dr. med. Klinik und Poliklinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Universitätsklinikum »Carl Gustav Carus« Fetscherstr. 74 01307 Dresden
Zeifang, Felix, PD Dr. med. Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Schlierbacher Landstr. 200 a 69118 Heidelberg
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Einführung Desiderius Sabo, Heidelberg
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Kapitel 1 · Einführung
Pathologien des Vorfußes sind natürlich nicht von der Betrachtung der Mittel- und Rückfußpathologien zu trennen. Dies gilt ebenso selbstverständlich wie die Regel, dass Fuß und Sprunggelenk nur im Kontext mit Statik und Funktion der gesamten unteren Extremität korrekt zu bewerten sind. Eine fokussierte Betrachtung des Vorfußes ist dennoch sinnvoll, da die Behandlungen am Vorfuß in Ambulatorien, Praxen und Kliniken zahlenmäßig überwiegen. Zudem haben sich die zur Verfügung stehenden chirurgischen Verfahren stetig weiter differenziert. Die Zeiten, in denen Vorfußchirurgie mit der Resektionsarthroplastik nach Brandes gleichgesetzt werden konnte, sind schon lange vorbei (Brandes 1929). Die resezierenden Verfahren haben zwar noch eine gewisse Berechtigung bei Patienten mit geringen funktionellen Ansprüchen, zu Recht sind sie aber weitgehend von moderneren Verfahren abgelöst worden (⊡ Abb. 1.1a u. b). Für den deutschsprachigen Raum hat die Deutsche Assoziation für Fuß und Sprunggelenk (DAF e.V.) mit ihrem ambitionierten Präparierkurssystem (⊡ Abb. 1.2) und die Gesellschaft für Fußchirurgie (GFFC e.V.) wesentlichen Anteil an der Etablierung guter und sicherer Fußchirurgie. Viele der Autoren dieses Buches sind erfahrene Instruktoren, die ihr Know-how für spezielle Themen zur Verfügung gestellt haben. Der Schwerpunkt der folgenden Kapitel liegt auf der Darstellung wissenschaftlich und empirisch fundierter Behandlungsstandards. Aber auch weniger bekannte Techniken und technische Kniffe, die oft nur wie gut gehütete Geheimnisse von Operateur zu Operateur weitergegeben werden, haben hier Eingang gefunden. Die Beachtung dieser in lockerer Folge eingestreuten Tipps wird den Erfolg der vorgestellten Verfahren erheblich steigern. Basis jeder orthopädischen Behandlung ist das Verständnis der relativ komplexen speziellen Pathoanatomie des Fußes. So wird beispielsweise die Korrektur einer Vorfußfehlstellung nur erfolgreich sein können, wenn der Behandler verstanden hat, wie formschlüssig die Sesambeinchen mit dem Metatarsale-I-Köpfchen artikulieren (⊡ Abb. 1.3a). Ein wesentlicher Teil der Beschwerdesymptomatik wird erklärlich, wenn sich im Rahmen der zunehmenden Vorfußdeformität eine Arthrose entwickelt oder eine Subluxation dieses Gelenkkomplexes entsteht (⊡ Abb. 1.3b). Ist die Pathologie so ausgeprägt, dass eine Luxation eingetreten ist, wird es durch eine alleinige Varisierung der Zehe (das vielzitierte »Geradebiegen« der Zehen) nicht mehr möglich sein, ein dauerhaft rezidivfreies Ergebnis zu erzielen. Eine mehrdimensionale Korrektur mit dem Ziel, den Sesambein-Metatarsaleköpfchen-Befund zu rezentrieren, ist in diesen Fällen notwendig. Jörn Dohle hat dieses Grundlagenkapitel sehr plakativ aufgearbeitet und auch gleich den Abschnitt über die praktische
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b ⊡ Abb. 1.1a, b Folgezustand nach Brandes-Resektionsarthroplastik am rechten Fuß mit resultierender Extensions-Adduktionsfehlstellung. Am linken Fuß gutes Ergebnis nach gelenkerhaltender Fehlstellungskorrektur (Scarf- und Akin-Osteotomie)
⊡ Abb. 1.2 Szene aus dem Präparierkurs der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e.V. (DAF e.V.)
3 Kapitel 1 · Einführung
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⊡ Abb. 1.3a Formschluss des Sesambeinchen-Metatarsale-I-Köpfchen-Komplexes, f dargestellt an einem Plastinationsschliffpräparat (Quelle: Prof. Köbke, Anatomie Köln). b Arthrose und Subluxation des Sesambeinchen-Metatarsale-I-Köpfchen-Komplexes, dargestellt an einem Plastinationsschliffpräparat (Quelle: Prof. Köbke, Anatomie Köln)
Durchführung des standardisierten klinischen Untersuchungsganges verfasst. Wer sich mit diesen Abschnitten befasst, dem wird klar werden, dass Kenntnis der Pathophysiologie einerseits und korrekte Bewertung des klinischen Befundes andererseits fließend ineinander übergehen (»mobile adapter«) und hier nur aus didaktischen Gründen getrennt dargestellt werden (»rigid lever«). Trotz des bekannten Zeitdrucks in der heutigen klinischen Patientenversorgung empfiehlt sich die sorgfältige Dokumentation der erhobenen klinischen Befunde sehr: zum einen, um die Behandlungsindikation klar ableiten zu können, zum anderen auch um späteren Fragen des Patienten sicher begegnen zu können. Digitale Fotos, die den Ausgangsbefund dokumentieren, sind schnell erstellt und machen oft überdeutlich, dass der Fußchirurg nur erfolgreich sein kann, wenn das unabdingbare chirurgisch-orthopädische Geschick durch ein reichliches Quantum psychologischen Einfühlungsvermögens ergänzt wird: Patienten, die sich mit derartigem Schuhwerk zur OP-Aufklärung vorstellen, müssen dosiert darauf hingewiesen werden, dass künftig die persönlichen Vorlieben für waffenscheinpflichtige Gesundheitsschuhe modifiziert werden müssen, um Rezidive zu vermeiden (⊡ Abb. 1.4). Eine schwierige ärztliche Aufgabe! Markus Walther ist einer der profiliertesten Fußchirurgen Deutschlands und beschäftigt sich bereits seit langem intensiv mit dem gezielten Einsatz bildgebender Verfahren für die Fußchirurgie. Er hat dankenswerterweise eine Synopsis über Technik, differenzierten Einsatz, Indikationen und Grenzen von konventioneller Röntgentechnik, CT, MRT, Sonographie und Szintigraphie erstellt. Die Bildgebung ist neben der klinischen Untersuchung das wichtigste Bindeglied zur Pathomorphologie (Maestro 2003). Anhand der wichtigsten Erkrankungsentitäten wird der Stellenwert des jeweiligen Verfahrens erläutert.
⊡ Abb. 1.4 Patientenvorstellung zum Aufklärungsgespräch mit typischem Gesundheitsschuhwerk
Die Behandlung von Tennislegenden, Handballbundesligisten, Rugby-Centres, Leichtathletikspezialisten und neuerdings auch Fußballprofis hat in Heidelberg einen hohen Stellenwert und ist eine sehr harte Schule für das medizinische Betreuerteam. Trotz höchster Belastung für die Gelenke und naturgemäß insbesondere für die Füße der Athleten dürfen Erwägungen über eine eventuell erforderliche operative Therapie gerade bei dieser Patientengruppe nur mit allergrößtem Bedacht formuliert werden. Denn eine Armada von Coaches, Athletik- und Rehatrainern sowie Managern wacht geradezu argwöhnisch über etwaige Ausfalls- und Rekonvaleszenzzeiten ihrer Mandanten und ist sehr schnell bereit, nationale und internationale Zweitmeinungen einzuholen. Stephan Maibaum und Stefan Korn sind ein eingespieltes Arzt/ Physiotherapeutenteam, das seit Jahren Profi- und Hob-
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Kapitel 1 · Einführung
bysportler in einem Rendez-vous-System betreut. Diese beiden Teamplayer sind geradezu prädestiniert, die Möglichkeiten konservativer Therapie für den Vorfuß kenntnisreich zu beschreiben. Das 6. Kapitel ist der Behandlung des 1. Strahles gewidmet. Von den über 150 Behandlungsverfahren zur Korrektur des Hallux valgus und Hallux rigidus, die Marc Thomsen in seiner Promotionsarbeit bereits 1988 zusammengetragen hatte (Thomsen 1988), haben sich in Deutschland einige wenige etabliert. Neben dem sicheren Verfahren der Großzehengrundgelenksarthrodese (Wülker 1996) kann in bestimmten Fällen eine gelenkerhaltende Therapie (Cheilektomie) oder eine (hemi-) endoprothetische Versorgung angewendet werden. Zur Korrektur des Hallux valgus wird bei mäßiger Ausprägung eine gelenkerhaltende Korrektur durch eine Chevron-Osteotomie möglich sein. Verschiedene technische Modifikationen insbesondere die Chevron-Osteotomie mit langem plantarem Schenkel führen sehr sicher zu guten und reproduzierbaren Ergebnissen (⊡ Abb. 1.5). Bei Fehlstellungen mit größerem Intermetatarsalewinkel kommt überwiegend die von Weil und Barouk popularisierte Technik der Scarf-Osteotomie zum Einsatz (Weil 2000; Barouk 2003; Barouk u. Weil 2007), die insbesondere den Vorteil einer größeren knöchernen Kontaktfläche aufweist. Die Verwendung moderner Osteosynthesematerialien wie die kanülierten Doppelgewindeschrauben haben zum einen die Sicherheit der Osteosynthese erhöht, andererseits aber auch zu einer Erhöhung der Verbrauchskosten beigetragen. Eine weichteilige Korrektur ist auch in Grenzfällen anzuraten und kann in verschiedenen Modifikationen durchgeführt werden (Sabo u. Buchner 2004; Waldecker 2004). Bei den weiter proximal durchgeführten Korrektureingriffen am Metatarsus I und bei der Lapidus-Arthrodese kommen sowohl konventionelle Osteosyntheseschrauben als auch moderne kanülierte Doppelgewindeschrauben und/oder winkelstabile Titanplatten zum Einsatz. Manche Kollegen riskieren nach Plattenosteosynthesen am Metatarsus I im Vertrauen auf die Stabilität der Konstruktion eine Nachbehandlung unter Vollbelastung. Das Argument dafür ist meist der Patientenkomfort, manchmal die Erfordernis einer beidseitigen Versorgung in einer Sitzung und vielleicht gelegentlich auch die Versuchung für die wählerische Patientenklientel attraktive Behandlungsangebote zu schnüren. Unser Autor Manfred Thomas ist ein schlauer Fuchs und behandelt zu Recht vorsichtiger nach: Vollbelastung sollte bei diesen beiden technisch anspruchsvollen Verfahren erst nach mehrwöchiger Teilbelastung gestattet werden. Damit wird das Risiko einer verzögerten oder gestörten Knochenheilung mit Korrekturverlust deutlich geringer.
⊡ Abb. 1.5 Schrägaufnahme einer Chevron-Osteotomie mit langem plantarem Schenkel
Zur Korrektur des oft begleitend vorliegenden Hallus valgus interphalangeus hat sich die Operation nach Akin sehr gut durchgesetzt. Die Operationstechnik ist verhältnismäßig simpel. Die Closing-wedge-Technik ist sicher und hat ein gutes zusätzliches Korrekturpotential mit Auswirkung auf die Gesamtfehlstellung. Eine mehrdimensionale Korrektur und Rotationskorrekturen können in Grenzen erreicht werden. Die Fixation mit Staples, Schrauben oder Kirschner-Drähten ist in der Regel ausreichend. Die knöcherne Heilung ist bei Osteotomie im spongiösen proximalen Anteil der Grundphalanx in der Regel problemlos. Für Anfänger sind minimal-invasive Operationstechniken generell nicht geeignet: Das gilt in der Fußchirurgie ebenso wie in anderen chirurgischen Fächern. Wenn sich aber ein so erfahrener Operateur wie Gebhard Suger mit MIS-Techniken beschäftigt, kann schnell eine Leidenschaft daraus werden. Seine Mitarbeiterin Christina Erdle hat die Fälle wissenschaftlich aufgearbeitet. Perkutan durchgeführte Achskorrekturen haben den wesentlichen Vorteil, dass die Durchblutung nicht wie bei offenen Verfahren zugangsbedingt kompromittiert wird. Das entstehende Bohr- und Fräsmehl der osteotomierten Knochen bleibt vor Ort und gewährleistet eine sehr sichere knöcherne Heilung. Die Stabilisierung erfolgt mit K-Drähten,
5 Kapitel 1 · Einführung
⊡ Abb. 1.6 Rigide Fehlstellung der Strahlen II, III und IV beidseits mit Luxation der Grundgelenke 2 und 3
⊡ Abb. 1.7 Paraartikuläres Ganglion bei Zehenfehlstellung als wichtiger Nebenbefund, der mit zu resezieren ist
Schrauben oder über die spezielle Verbandsanordnung. Operationszeiten und damit auch die primären Behandlungskosten sind verhältnismäßig gering. Subjektiv sind die kleinen Zugänge für die Patienten sehr attraktiv. Diese Vorteile werden sicher dazu führen, dass sich die minimal-invasiven Techniken in der Fußchirurgie weiter verbreiten werden. Unabdingbar ist, dass sich interessierte Operateure sorgfältig in diese verlockende Technik einarbeiten und die Indikationsgrenzen einhalten! Die suffiziente Korrektur der Strahlen II–V ist schwieriger als die des 1. Strahles. Leider kommen viele Patienten häufig erst in Spätstadien mit fixierten Fehlstellungen und Gelenkluxationen (⊡ Abb. 1.6). Die althergebrachte und bewährte Technik der Hohmann-Operation und der PIP-Arthrodese, die Felix Zeifang beschreibt, führt bei rigiden Fehlstellungen zu guten Ergebnissen. Kleine, aber wichtige Nebenbefunde, wie z.B. paraartikuläre Ganglien, müssen berücksichtigt werden (⊡ Abb. 1.7). Die knöchernen und weichteiligen Korrekturen an den Grundgelenken der Strahlen II–V werden von Renée Fuhrmann beschrieben. Die Weil-Osteotomie, die der herkömmlichen Helal-Osteotomie überlegen ist, wird bei Luxation/ Subluxation der Kleinzehengrundgelenke und mit Einschränkungen auch bei alleiniger Metatarsalgie indiziert (Jarde 2001). Während sich die Weil-Osteotomie einer großen Verbreitung erfreut, werden die diffizilen Sehnentransfers u.a. wohl wegen ihres technischen Aufwands und ihres limitierten Korrekturpotentials nicht häufig durchgeführt. Dabei ist im Wesentlichen gerade die sehnige Balance von Extensoren, Flexoren und Kollateralbändern dafür ver-
antwortlich, dass ein durch ossäre Korrekturen erreichtes Ergebnis auch dauerhaften Bestand hat. Weichteilige und knöcherne Eingriffe werden meist kombiniert. Eine pfiffige Weiterentwicklung der Weil-Osteotomie stellt Michael Weingart vor. Durch die stufenförmige Osteotomieform ist erforderlichenfalls eine ausgeprägte und recht stabile Verkürzung der Metatarsalia durchführbar. Den von streckseitig durchgeführten Verfahren ist eigen, dass postoperativ leider gerne unangenehme Vernarbungen und Kontrakturen auftreten, die sich nur durch penibelste Operationstechnik, geringe Traumatisierung und stabile Osteosynthese vermeiden lassen. Kompressionsstrümpfe, Lymphdrainage, manuelle Therapie sowie eigenständige Beübung wirken sich durchweg vorteilhaft auf den Lokalbefund aus. Der Einfluss externer Faktoren auf die Fußform von Kindern scheint bewiesen zu sein (Klein et al. 2009). Dennoch ist das Thema der korrekten Größenauswahl von Kinderschuhen auch Jahre nach dem Ende der unseligen Podoskop-Ära und nach der Einführung des Weitenmesssystems WMS immer noch wichtig genug für einen großen Beitrag in unseren besten Medien (Hamm 2010). Eine bestimmte genetische Disposition spielt ebenfalls eine unbestreitbare, bisher aber nicht scharf definierte Rolle (⊡ Abb. 1.8). Daher ist eine umfassende Erfahrung, die nur über viele Patientenkontakte und eine systematische kinderorthopädische Ausbildung erworben werden kann, notwendig, um neben der generellen Behandlungsindikation den richtigen Zeitpunkt für eine Intervention planen zu können. Kindliche Füße darf nur derjenige behandeln, der sich mit dem wachsenden Bewegungs-
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Kapitel 1 · Einführung
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⊡ Abb. 1.8 Vorfußfehlstellung mit Hallux valgus und verdrängtem 2. Strahl bei Mutter und Tochter
apparat sehr gut auskennt! In diesem Kontext ist die fundierte Zusammenstellung der wichtigsten kindlichen Vorfußdeformitäten von Johannes Hamel in dieser Form bisher einzigartig und unverzichtbar. Orthopädische Rheumatologen müssen professionelle Netzwerker sein: Die Behandlung von Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis erfordert eine ausgesprochen enge interdisziplinäre Abstimmung. Nur die ganzheitliche Betreuung der Patienten, deren Krankheitsbild meist durch multilokulären Befall, schubartigen Krankheitsverlauf und zahlreiche Co-Morbiditäten gekennzeichnet ist, verspricht Erfolg. Stefan Rehart, Stefan Sell und Martina Henniger stellen demzufolge in ihrem Beitrag die Wichtigkeit des perioperativen Managements gleichberechtigt neben die Beschreibung der spezifischen chirurgischen Techniken. Erfolgreich operierte Patienten mit rheumatoider Arthritis weisen meist einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität auf und werden in der Regel zu »treuen« Patienten. Das exzellente Kapitel über die Traumatologie des Vor- und Mittelfußes von Stefan Rammelt lebt von wissenschaftlicher Untermauerung der präzisen Behandlungsvorschläge. Seltene Luxationsverletzungen werden mit der gleichen Konsequenz klassifiziert und stadiengerecht therapiert wie Ermüdungsbrüche der Metatarsalia oder Zehenfrakturen. In glasklaren Sätzen wie »Kondylenfrakturen an der Großzehe müssen wie andere Gelenkfrakturen anatomisch reponiert und refixiert werden« wird die außergewöhnliche Qualität der Fußchirurgie die Hanns Zwipp schon seit Jahren eindrucksvoll lehrt, deutlich (Zwipp 1994).
Literatur Barouk LS (2003) Forefoot reconstruction. Springer, Paris Barouk LS, Weil L(2007) Hallux valgus: Die Scarf-Osteotomie. In: Wülker N et al. (Hrsg) Operationsatlas Fuß und Sprunggelenk. Thieme, Stuttgart Brandes M (1929) Zur operativen Therapie des Hallux valgus. Zentralbl Chir 56:2434–2440 Fuhrmann RA (2005) Die Korrekturarthrodese des ersten Tarsometatarsalgelenks zur Behandlung des fortgeschrittenen Spreizfußes mit Hallux-valgus Fehlstellung. Oper Orthop Traumatol 17:195–210 Hamm M (2010) Kleine Füße, große Sorgen. Die Zeit Nr. 8, 18.2.2010. http://www.zeit.de/2010/08/Kinderschuhe Jarde O (2001) L’ostéotomie cervico-capitale de Weil dans les métatarsalgies médianes – étude de 70 cas. Acta Orthop Belg 67:139–148 Klein C, Groll-Knapp E, Kundi M, Kinz W (2009) Increased hallux angle in children and its association with insufficient length of footwear: A community based cross-sectional study. BMC Musculoskeletal Disorders 10:159 Maestro M, Bess J, Ragusa M, Berthonnaud E (2003) Fore foot morphotype study and planning method for forefoot osteotomy. Foot Ankle Clin North Am 8,4:695–710 Sabo D, Buchner M (2004) Die Behandlung des Hallux-valgus-Syndroms mit Scarf-Osteotomie, Akin-Osteotomie und Weil Osteotomie. FussSprungg 2:76–84 Tillmann K (1977) Der rheumatische Fuß und seine Behandlung. Enke, Stuttgart Thomsen MN (1988) Therapie des Hallux Valgus. Operative Erfahrungen der letzten 15 Jahre und die Spätergebnisse. Inauguraldissertation. Medizinische Fakultät, Universität Heidelberg Waldecker U (2004) Lateral release in hallux valgus surgery: comparison of two approaches. Foot Ankle Surg 10:195–199 Weil LS (2000) Scarf Osteotomy for correction of hallux valgus. Foot Ankle Clin 5(3):559–580 Wülker N (1996) Die Arthrodese des Großzehengrundgelenks. Orthopäde 25:187–193 Zwipp H (1994) Chirurgie des Fußes. Springer, Wien New York
2
Pathoanatomie des Vorfußes Jörn Dohle, Wuppertal
2.1
Pathoanatomie des Vorfußes
– 8
2.2
Pathoanatomie des zentralen Vorfußes – 12
2.3
Pathoanatomie des 5. Strahles – 16
2.4
Zusammenhang Rückfuß Vorfuß
– 16
8
Kapitel 2 · Pathoanatomie des Vorfußes
2.1
Pathoanatomie des Vorfußes
2.1.1 Hallux valgus
2
Die Hallux-valgus-Fehlstellung stellt mit einer Prävalenz von 2–4% der Bevölkerung die häufigste klinisch relevante Deformität im Bereich des Vorfußes dar. Überwiegend ist das weibliche Geschlecht betroffen, der Altersgipfel der behandelten Fälle liegt zwischen 50 und 70 Jahren (Coughlin u. Jones 2007b). Es handelt sich um eine komplexe Fehlstellung des 1. Vorfußstrahles, die häufig mit weiteren Vorfuß- und Fußdeformitäten wie Pseudoexostose, Bursabildung, Spreizfuß, Metatarsus primus varus, Dezentrierung der Metatarsale-I-Köpfchen/Sesambeineinheit, Kleinzehendeformitäten, Schwielen- und Klavusbildungen sowie Pes plano valgus vergesellschaftet ist. Die Fehlstellung des 1. Strahles betrifft alle Ebenen des Raumes. In den klinisch relevanten mittleren und fortgeschrittenen Stadien steht die offensichtliche Fehlstellung in der Transversalebene, d.h. die Deviation des 1. Mittelfußstrahles nach medial und die Abweichung der Großzehe nach lateral im Vordergrund. Die Abweichung der Großzehe nach lateral ist letztendlich für die Bezeichnung der Deformität als »Hallux valgus« verantwortlich. Die Abweichung des 1. Mittelfußstrahles und damit auch des 1. Mittelfußköpfchens (MFK I) nach medial wird als Metatarsus primus varus bezeichnet und imponiert klinisch als Spreizfuß. Die Kombination der beiden Fehlstellungen Hallux valgus et Metatarsus primus varus tritt im klinischen Alltag sehr
häufig auf (⊡ Abb. 2.1a, b). Ein isolierter Hallux valgus ohne Metatarsus primus varus ist dagegen selten. Aufgrund der Komplexität des klinischen Erscheinungsbildes wird häufig auch der Begriff Hallux-valgus-Syndrom verwendet (Sabo u. Buchner 2004). Zu Beginn einer Hallux-valgus-Deformität steht die Fehlstellung der Großzehe in der Frontalebene im Sinne einer Pronation der Großzehe im Vordergrund (⊡ Abb. 2.2). Die Pronation der Großzehe führt zu einer Verlagerung der Sehne des Musculus abductor hallucis nach plantar. Damit verliert der kräftige Musculus adductor hallucis seinen Antagonisten (⊡ Abb. 2.3a, b). Das Überwiegen der adduzierenden Kräfte auf die Großzehen leitet die chronisch progrediente Abweichung der Großzehe nach lateral ein. Dies führt dann im weiteren Verlauf zu einer Dezentrierung der Streck- und Beugesehnen. Insbesondere der Zug der Beugesehne führt zu einer axialen Belastung des 1. Strahles, der die knöchernen Elemente zum Ausweichen zwingt (⊡ Abb. 2.4a, b). Im Röntgenbild ist die Dezentrierung der Beugesehnen an einer Verlagerung der Sesambeine des Flexor digitorum brevis nach lateral erkennbar. Das Ausmaß der Sesambeinchendislokation lässt sich nach Hardy und Clapham klassifizieren (Hardy u. Clapham 1951). Dieser Circulus vitiosus verhindert eine spontane Ausgradung des 1. Strahles im Sinne einer Selbstheilung. Klinisch ist eine kontinuierliche Verschlimmerung bzw. zunehmende Fehlstellung die Regel (⊡ Abb. 2.5). Lediglich das Tempo der Progredienz kann nicht vorausgesagt werden. In aller Regel handelt es sich aber um einen Prozess, der über Jahre bis Jahrzehnte voranschreitet.
HV > 30°
⊡ Abb. 2.1a, b Hallux valgus et Metatarsus primus varus
a
b
9 2.1 · Pathoanatomie des Vorfußes
In fortgeschrittenen Stadien kommt es zu einer zusätzlichen Destabilisierung des 1. Strahles in der Sagittalebene. Klinisch beobachtet man eine vermehrte passive Beweglichkeit im 1. Tarsometatarsalgelenk. Eine Elevation des MFK I gegenüber der physiologischen Position kann zu einer verminderten Belastung des 1. Strahles in der Abrollbewegung führen. Klinisch bedeutsam ist weniger die verminderte Belastung des MFK I und der Großzehe, sondern die damit einhergehende Überlastung
a
der Nachbarstrahlen. Im klinischen Alltag findet man zahlreiche Patienten, die über Jahrzehnte eine ausgeprägte Hallux-valgus-Fehlstellung toleriert haben, dann aber wegen einer Transfermetatarsalgie mit Überlastung des 2. Strahles ärztliche Hilfe suchen. Ursächlich für die unzureichende Stabilität des 1. Strahles ist eine Insuffizienz des sog. Windlass-Mechanismus. In der physiologischen Situation wird das Fußlängsgewölbe, und damit auch der 1. Strahl, wesentlich durch die Beugesehnen und die
⊡ Abb. 2.2 Pronation der Großzehe bei einer leichten Hallux-valgus-Deformität
b
medial
EHB
ADH
ADH
ABH
ABH
FHBM FHBL a
lateral
EHB
FHBM
FHBL
b
⊡ Abb. 2.3a, b Verlagerung der Sehnen durch die Pronation der Großzehe bei Hallux valgus
2
10
Kapitel 2 · Pathoanatomie des Vorfußes
2
b
⊡ Abb. 2.4a, b Verlagerung der Beugesehnen der Großzehe bei Hallux valgus. Dadurch Dezentrierung des Großzehengrundgelenks und der Sesambeine
a
A C
Metattarsophalan ngeal agelenk - Achse
B
D
E
Sehne des M. flexxor hallucis longus ⊡ Abb. 2.5 Sehnenkräfte bei Hallux valgus
⊡ Abb. 2.6 Aufrichtung des medialen Fußgewölbes durch Dorsalextension im Großzehengrundgelenk
11 2.1 · Pathoanatomie des Vorfußes
Plantarfaszie »verspannt«. Bei einer Dorsalextension im Großzehengrundgelenk wird die (Ver-)Spannung weiter verstärkt, was zu einer Akzentuierung des medialen Fußlängsgewölbes führt. Dieser Mechanismus wird beim sog. »Jack-Rise-Test« (Wagenhebertest) ausgenutzt. Ein (abgeflachtes) Fußlängsgewölbe kann durch Dorsalextension der Großzehen aufgerichtet werden (⊡ Abb. 2.6). Ist das MFK I im Rahmen des Metatarsus primus varus nun disloziert, fehlen den Beugesehnen und der Plantarfaszie das Widerlager, und eine Wirkung auf das Fußgewölbe kommt nicht mehr zustande. Dies entspricht dem Verlust von wichtigen Stabilisatoren des 1. Strahles. Der Zusammenhang zwischen Instabilität des 1. Strahles, Plantarfaszie und Hallux valgus wurde intensiv von Coughlin und Jones untersucht (Coughlin u. Jones 2007a). Für die rekonstruktive Fußchirurgie ergibt sich aus diesem Zusammenhang der besondere Stellenwert der Rezentrierung der Beugesehnen, die radiologisch an der Position der Sesambeine beurteilt werden kann. Während das Voranschreiten der Fehlstellung anhand der o.g. biomechanischen Zusammenhänge gut erklärt werden kann, bleiben die Ursachen, die zu der anfänglichen Fehlstellung führen, weiter unklar bzw. werden kontrovers diskutiert. Generell wird der Einfluss von Schuhwerk und genetischen Faktoren diskutiert. Schuhwerk Gemeinhin wird eine chronische Einengung des Vorfußes im Schuh als Ursache für die Entwicklung eines Hallux valgus verantwortlich gemacht. Diese These wird durch Vergleichsstudien aus Japan und China unterstützt, bei denen schuhtragende Bevölkerungsgruppen mit nichtschuhtragenden Personen verglichen wurden (SimFook u. Hodgson 1958; Kato u. Watanabe 1981). Bei den Schuhträgern lag eine signifikant höhere Inzidenz von Vorfußfehlstellungen insbesondere von Hallux-valgusDeformitäten vor. Für eine Verursachung durch das Schuhwerk spricht außerdem die klinische Beobachtung, dass in der Regel Frauen ab dem 40. Lebensjahr betroffen sind (Coughlin u. Jones 2007b) Der alleinigen mechanischen Entstehungstheorie widersprechen folgende Beobachtungen: ▬ Trotz engem Schuhwerk entwickeln nicht alle Frauen eine Hallux-valgus-Fehlstellung. ▬ Auch Männer, deren Schuhwerk im Allgemeinen keinen Druck auf den Vorfuß ausübt, können einen Hallux valgus entwickeln. ▬ Bei ca. 10–20% der Patientinnen liegt ein juveniler Hallux valgus mit ersten Symptomen in der Adoleszenz vor.
Genetische Faktoren Von anderen Autoren wird eine genetische Prädisposition mit Bevorzugung des weiblichen Geschlechts angenommen. Diskutiert wird ein autosomal dominanter Erbgang mit inkompletter Penetranz (Pique-Vidal et al. 2007). Unter morphologischen Gesichtspunkten wird insbesondere beim juvenilen Hallux valgus häufig eine valgische Fehlstellung der distalen Gelenkfläche des MFK I angenommen bzw. beobachtet. Der distale Gelenkflächenwinkel (DMAA, distal metatarsal articular angle) kann nicht exakt quantifiziert werden. Vergleichende Röntgenuntersuchungen waren zu einer hohen, also ungenauen, Intra- und Interobservervariabilität gekommen. Zudem liegt nur eine schwache und damit ebenso ungenaue Korrelation zwischen im Röntgenbild gemessenem Winkel und intraoperativem Befund vor (Amarnek et al. 1986; Chi et al. 2002; Palladino u.Towfigh 1992).
2.1.2 Hallux valgus interphalangeus
Beim Hallux valgus interphalangeus handelt es sich um eine Variante der Hallux-valgus-Deformität, bei der die Fehlstellung überwiegend in der Grundphalanx der Großzehe lokalisiert ist. Die Stellung des Großzehengrundgelenkes kann bei einem isolierten Hallux valgus interphalangeus vollständig normal sein. Unter radiologischen Kriterien lassen sich folgende 2 Subtypen identifizieren: ▬ Fehlstellungen, bei denen die Grundphalanx gegenüber der Basis des Grundgliedes nach lateral abweicht (normal: 0–8°; Palladino 1991) ▬ Fehlstellungen, bei denen das Endglied gegenüber dem Grundglied nach lateral abweicht (normal: <10°; Coughlin u. Shurnas 2003) Insgesamt ist die klinische Bedeutung eines isolierten Hallux valgus interphalangeus nicht vollständig geklärt. Möglich sind Schmerzen im Bereich eines prominenten medialen Kondylus des IP-Gelenkes. Da beim Hallux valgus interphalangeus keine Verlagerung der Sesambeine oder der kurzen Beugesehnen vorliegt, scheint der für den Hallux valgus typische Circulus vitiosus mit kontinuierlicher Verschlimmerung der Fehlstellung nicht abzulaufen. Auch gibt es keine Belege für die Entwicklung einer Hallux-valgus-Deformität durch einen anlagebedingten Hallux valgus interphalangeus. Im klinischen Alltag tritt der Hallux valgus interphalangeus vor allem als »Restdeformität der Großzehe« nach einer operativen Korrektur eines Hallux valgus auf.
2
12
Kapitel 2 · Pathoanatomie des Vorfußes
2.1.3 Hallux rigidus
2
Die Pathoanatomie der Arthrose des Großzehengrundgelenkes entspricht den generellen Prozessen degenerativer Gelenkerkrankungen. Eine initiale Schädigung des Gelenkknorpels führt zum Verlust der Gleiteigenschaften der Knorpeloberflächen. Dies hat einen weiteren Abrieb tieferer Knorpelschichten zur Folge mit Induktion einer chronischen Entzündungsreaktion und Synovialitis. Reaktive Osteophyten werden vor allem im Bereich des streckseitigen MFK I gebildet und reduzieren im weiteren Verlauf der Erkrankung die maximal mögliche Dorsalextension des Großzehengrundgelenkes. In fortgeschrittenen Fällen kann dies bis zur vollständigen Einsteifung des Gelenkes im Sinne einer Pseudoankylose führen. Das klinische Bild besteht aus ▬ schmerzhaft reduzierter Beweglichkeit des Großzehengrundgelenks und ▬ Konflikt zwischen Schuhwerk und Osteophyten. Besondere Bedeutung kommt der Unterscheidung zu, ob die Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk im mittleren Bewegungssegment schmerzhaft ist oder nur bei extremen Bewegungen, also z.B. bei maximaler Dorsalextension. Im ersten Fall muss ein gravierender Knorpelschaden angenommen werden, im letzteren ein Konflikt des Großzehengrundgliedes mit streckseitigen Osteophyten des MFK I. Die Entscheidung zu einer gelenkerhaltenden Therapie wird von vielen Autoren von dieser Frage abhängig gemacht. Ätiologie des Hallux rigidus Die Entstehung der initialen Knorpelschädigung bleibt wie bei den meisten idiopathischen Arthrosen unklar. Prädisponierende Faktoren sind Hochleistungssport (»sprinters toe«, Balletttänzer), stattgehabte Verletzungen und Stoffwechselerkrankungen (Gicht, chronische Polyarthritis).
2.2
Pathoanatomie des zentralen Vorfußes
Im Bereich der zentralen Vorfußstrahlen (MFK II– MFK IV und D II–D IV) entwickeln sich Fehlstellungen hauptsächlich in der Sagittalebene. Deviationen der Kleinzehen in der Transversalebene, also nach medial oder lateral, sind möglich, jedoch deutlich seltener als Abweichungen in der Sagittalebene. Abweichungen nach medial und lateral werden vermehrt bei Erkrankungen mit erheblicher Synovialitis der Grundgelenke wie bei primär chronischer Polyarthritis beobachtet. Die Nomenklatur der Zehenfehlstellungen ist nicht exakt definiert, differiert insbesondere im deutschen und
⊡ Abb. 2.7 Nomenklatur Hammerzehe/Krallenzehe/Klauenzehe anhand von Bildern/Skizzen (aus Engelhardt 2001)
angelsächsischen Sprachraum und wird deshalb unterschiedlich gehandhabt. Auch ist eine scharfe Abgrenzung zwischen einzelnen Fehlstellungen nicht immer möglich. Sinnvoll ist deshalb eine Orientierung an der dominierenden Komponente bzw. an dem Gelenk, das die deutlichste Fehlstellung aufweist. Grundsätzlich wird zwischen flexiblen Fehlstellungen, bei denen eine manuelle Redression noch möglich ist und kontrakten Situationen, die sich nicht mehr in die physiologische Neutralstellung redressieren lassen, unterschieden. Die häufigsten Deformitäten sind ▬ Hammerzehe ▬ Krallen- bzw. Klauenzehe ▬ Malletzehe (⊡ Abb. 2.7) 2.2.1 Hammerzehe
Im Allgemeinen wird unter einer Hammerzehe eine Zehenfehlstellung mit Beugung im proximalen Interphalangealgelenk (PIP-Gelenk) verstanden. Hierbei handelt es sich um die mit Abstand häufigste Zehenfehlstellung. Anfänglich ist die Fehlstellung im PIP-Gelenk noch flexi-
13 2.2 · Pathoanatomie des zentralen Vorfußes
bel. Später kommt es dann zu einer Kontraktur der plantaren Gelenkkapsel, sodass eine manuelle Ausgradung des PIP-Gelenks nicht mehr möglich ist. Die Beurteilung, ob es sich um eine flexible oder kontrakte Deformität handelt, ist entscheidend bei der Differentialindikation der verschiedenen operativen Korrekturverfahren. Die Zehenkuppe der Hammerzehe hat in der Regel noch Bodenkontakt. Erst wenn es zu einer Dorsalextensionskontraktur des Zehengrundgelenks kommt, verliert die Zehenkuppe ihren Bodenkontakt.
2.2.2 Krallenzehe
Bei der Krallenzehe, manchmal auch Klauenzehe genannt, steht die Dorsalextension im Metatarsophalangealgelenk bzw. Grundgelenk (MTP-Gelenk) der Zehe im Vordergrund. Im Unterschied zur Hammerzehe verliert die Zehenkuppe frühzeitig ihren Bodenkontakt. Insbesondere bei neurogenen Fußdeformitäten ist die Ausbildung von Krallenzehen zu beobachten.
2.2.3 Malletzehe
Bei dem Ausdruck Malletzehe handelt es sich eigentlich um eine Transformation des englischen Ausdrucks »mallet toe«. In der angloamerikanischen Literatur wird unter »mallet toe« eine Fehlstellung des distalen Interphalangealgelenks (DIP-Gelenks) verstanden. Es handelt sich bildlich um eine inverse (»umgedrehte«) Hammerzehe. Aus diesem Grunde wurde vermutlich auch das Wort »mallet«, ein alternativer Ausdruck für Hammer, benutzt. Einen genuinen deutschen Ausdruck für diese Fehlstellung gibt es leider nicht. Man könnte alternativ auch von einer distalen Hammerzehe sprechen. Die Malletzehe ist per se selten. Sie tritt als Kompensationsmechanismus bei rigiden Fixierungen der PIP-Gelenke oder auch als Spätfolge einer PIP-Arthrodese auf.
2.2.4 Pathologie des Zehengrundgelenks
Das »Schlüsselgelenk« der Pathoanatomie der zentralen Vorfußstrahlen ist das Zehengrundgelenk. Ein Verständnis der Kleinzehendeformitäten, insbesondere der fortgeschrittenen Deformitäten, ist ohne Kenntnisse der Biomechanik des Zehengrundgelenks nicht möglich. Zunächst soll deshalb dargestellt werden, welche Muskeln und Sehnen dabei welche Funktion auf das Zehengrundgelenk und auch die Zehenzwischengelenke haben (⊡ Abb. 2.8a, b).
Die Funktion der Beugesehnen des Fußes hat sich im Laufe der Evolution verändert. Während bei der Hand eine Aktivität der langen oder der kurzen Beugesehnen zu einer Beugung im Grundgelenk führt, ist dies beim Fuß nicht der Fall. Ein Aufsetzen der Zehenkuppe führt bei Anspannung der kurzen Beugesehnen zur Beugung im proximalen Interphalangealgelenk. Das Grundglied der Zehe kann dann nur durch eine Dorsalextension im Zehengrundgelenk nach dorsal ausweichen. Auch bei Anspannung der langen Beugesehne ist letztendlich mit einer Dorsalextension im Zehengrundgelenk zu rechnen. Nur die intrinsische Fußmuskulatur, bestehend aus Mm. lumbricales und Mm. interossei, hat eine plantarflektierende Wirkung auf das Zehengrundgelenk. Beim unbelasteten Fuß wäre mit einer echten Flektion im Zehengrundgelenk bei Anspannung der Beugesehnen zu rechnen, dies ist aber im Alltag selten der Fall, da der Fuß als Stand- und Fortbewegungsorgan in den Phasen, die mit einer Aktivität der genannten Beugesehnen einhergehen, Bodenkontakt hat. Die Strecksehnen haben unverändert dorsalflektierende Wirkung auf das Zehengrundgelenk. Dies gilt für den belasteten Fuß gleichermaßen wie für den unbelasteten. Ergänzend zu den aktiven Kräften, die auf das Zehengrundgelenk wirken, sind die passiven Bewegungen zu berücksichtigen. Auch hier ist überwiegend mit einer Dorsalextension im Zehengrundgelenk zu rechnen. Jede Abrollbewegung des Fußes führt zu einer Dorsalextension im Zehengrundgelenk. Postoperative Bewegungseinschränkungen der Dorsalextension im Zehengrundgelenk gehen mit der Zeit in aller Regel spontan auf ein funktionell unbedeutendes Maß zurück. Ganz anders ist die Situation bei der Plantarflektion. Eine passive Beübung der Plantarflektion findet zumindest durch die alltägliche Benutzung/Belastung des Fußes nicht statt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Zehengrundgelenk als Schlüsselgelenk der Kleinzehenpathologie sowohl aktiv als auch passiv überwiegend im Sinne der Dorsalextension bewegt wird, während die plantarflektierenden Kräfte nur schwach ausgebildet sind. Es sei an dieser Stelle ergänzend erwähnt, dass im Bereich des Großzehengrundgelenks durch die kräftigen kurzen Beugesehnen eine deutlich andere Situation vorliegt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Großzehe nur selten ihren Bodenkontakt verliert. Instabilität/Luxation des Zehengrundgelenks Wie bereits beschrieben, geht eine typische Fehlstellung einer zentralen Kleinzehe mit einer Dorsalextension im Zehengrundgelenk einher. Die ohnehin schon relativ schwachen Plantarflektoren werden durch weitere Verlagerung der Sehnen nach dorsal, u.U. bis über den Dreh-
2
14
Kapitel 2 · Pathoanatomie des Vorfußes
Sehne des M. extensor digitorum longus
Streckerhaube
2
a
Mm. interossei
Mm. lumbricales
Sehne des M. flexor digitorum g longus g Beugerhaube
M. extensor digitorum longus
⊡ Abb. 2.8 a Anatomie der Kleinzehe. b Wirkung der Sehnen auf die Gelenke einer Kleinzehe
intrinsisch
b
intrinsisch
Flexoren
dorsale Streckerhaube Sehne des M. extensor longus
Sehne der Mm. lumbricales plantare Platte ⊡ Abb. 2.9 Pathoanatomie einer Hammerzehe
M. interosseus M interosse s
punkt des Gelenks, weiter geschwächt. Die lange und die kurze Strecksehne entwickeln über die bindegewebige »extensor sling«, einem bindegewebigen Verbund zwischen dem Zehengrundglied und den Strecksehnenscheiden, einen subluxierenden Zug auf das Zehengrundglied (⊡ Abb. 2.9). Als passiver Stabilisator wirken die Kollateralbänder des Grundgelenks und die plantare Gelenkkapsel die oft auch als plantare Platte bezeichnet wird. Kommt es zu einer Überdehnung dieser plantaren Strukturen, entsteht eine Instabilität des Grundgelenks. Diese
M. lumbricalis M
kann klinisch durch ein einfaches Translationsmanöver festgestellt werden (⊡ Abb. 2.10). Bei fortschreitender Schädigung der plantaren Stabilisatoren kann es zu einer Ruptur der plantaren Platte und zu einer Luxation des Grundgliedes nach streckseitig kommen. Bei der akuten Ruptur der plantaren Platte und der neu eingetretenen Luxation handelt es sich meist um ein akut schmerzhaftes Ereignis. Nach Abklingen der akuten Phasen kommt es zu einer chronischen Dislokation der Grundgliedbasis auf dem Mittelfußköpfchen. Die Zehenkuppe verliert dabei
15 2.2 · Pathoanatomie des zentralen Vorfußes
⊡ Abb. 2.10 Durch Translation der Zehe nach dorsal kann eine Instabilität im Grundgelenk festgestellt werden
chronischen Druck atrophiert das plantare Fettgewebe, sodass auch die Pufferfunktion der Fußsohle nachlässt. Eine derartige Situation ist selbst durch eine fachgerechte Einlagenversorgung nur unzureichend abzudämpfen und für den Patienten sehr schmerzhaft. Bei anhaltender Luxation kann es durch den Druck zwischen den plantaren Anteilen der Grundgliedbasis und dem streckseitigen Mittelfußköpfchen zu sekundären Schäden in diesem Bereich kommen. Das Mittelfußköpfchen entwickelt dann ein streckseitiges Knorpelulkus (⊡ Abb. 2.11a). Die Konkavität der Grundgliedbasis kann dabei vollständig zerstört werden, sodass eine spätere operative Rezentrierung des Grundgelenks aufgrund des Containmentverlusts erheblich erschwert wird (⊡ Abb. 2.11b).
a
b
⊡ Abb. 2.11a Streckseitiger Knorpelschaden durch langjährige Luxation des Grundgelenks D II. b Basisdefekt des proximalen Grundgliedes als Folge einer chronischen Luxation
ihren Bodenkontakt. Funktionell entspricht dies einem in Extension fixierten Windlass-Mechanismus, der zu einer kräftigen Plantarisierung des betroffenen Mittelfußköpfchens führt. Pedobarographisch kann ein übermäßiger Anstieg der Belastung unter dem betroffenen Mittelfußköpfchen nachgewiesen werden. Klinisch kommt es zur Ausbildung eines schmerzhaften Klavus. Unter dem
Arthrose des Zehengrundgelenks Der Stellenwert bzw. die Häufigkeit von primären Arthrosen der Zehengrundgelenke ist unklar. In der Regel finden sich sekundäre Arthrosen im Rahmen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung oder als Spätfolge einer avaskulären Knorpel-Knochen-Nekrose (Morbus Freiberg-Köhler). Während sich die entzündlich rheumatische Erkrankung als Ursache meist gut aus dem weiteren Verlauf belegen lässt, ist dies bei avaskulären KnorpelKnochen-Nekrosen nicht der Fall. Der Morbus FreibergKöhler betrifft typischerweise jugendliche Patienten und hinterlässt eine Schädigung im apikalen, streckseitigen Sektor des betroffenen Mittelfußköpfchens. Die plantaren Segmente dagegen bleiben verschont. Dieses lokale Verteilungsmuster findet man ebenso bei Arthrosen der zentralen Mittelfußköpfchen, was für einen Zusammenhang,
2
16
2
Kapitel 2 · Pathoanatomie des Vorfußes
also eine sekundäre Arthrose des Gelenks spricht. In aller Regel liegt aber eine Verlaufsdokumentation zwischen der Ersterkrankung des Fußes im jugendlichen Alter und der Erstmanifestation der Arthrose im Erwachsenenalter nicht vor. Damit bleibt dieser Zusammenhang unsicher bzw. spekulativ.
2.3
2.3.2 Hyperextensionsfehlstellungen D V
Fehlstellungen der 5. Zehe sind in aller Regel anlagebedingt. Die 5. Zehe kann z.B. im Sinne einer Krallenzehe gekrümmt und nach dorsal fehlgestellt sein. In einer solchen Situation wird das MFK V nach plantar gedrückt. Es resultiert eine schmerzhafte Schwiele unter dem Mittelfußköpfchen.
Pathoanatomie des 5. Strahles
Auch bei den Fehlstellungen der 5. Zehe bzw. des 5. Stahles handelt es sich um komplexe pathologische Mechanismen in mehreren Ebenen. Im Einzelnen handelt es sich um Fehlstellungen ▬ im Bereich des MFK V, ▬ mit Hyperextension der 5. Zehe, ▬ mit Digitus quintus varus, ▬ mit verstärkter Supination der 5. Zehe. Misch- und Kombinationsbilder aus den einzelnen Komponenten sind relativ häufig und erschweren die Differentialindikation der verschiedenen operativen Korrekturverfahren.
2.3.3 Digitus quintus varus
Alternativ kann aber auch eine Abweichung der 5. Zehe nach dorsal und medial vorliegen. Dies wird dann als Digitus quintus varus bezeichnet. Nicht selten liegt zusätzlich eine Hypoplasie der 5. Zehe vor. Die Abweichung der 5. Zehe nach medial kann so ausgeprägt sein, dass sich die 5. Zehe über die 4. Zehe legt. Diese Konstellation wird als Digitus quintus varus et superductus bezeichnet. Diese Fehlstellung wird ebenso wie die im Folgenden beschriebene Fehlstellung häufig bereits bei Kindern und Jugendlichen auffällig und ist häufig beidseitig.
2.3.4 Supinationsfehlstellungen D V 2.3.1 Probleme im Bereich des MFK V
Bei den Problemen im Bereich des MFK V handelt es sich um die größte Untergruppe der Pathologien des 5. Vorfußstrahles. Klinisch steht ein Konflikt zwischen dem lateralen Fußrand und dem getragenen Schuhwerk im Vordergrund. Von DuVries (DuVries 1965) wurde eine Klassifikation möglicher Ursachen anhand radiologischer Parameter vorgeschlagen: ▬ Ein erhöhter Intermetatarsalwinkel zwischen MT IV und MT V ▬ Eine Kurvatur des MFK V nach lateral ▬ Eine anlagebedingte Vergrößerung des MFK V (Coughlin u. Grebing 2009) Auch wenn die Fehlstellung, insbesondere bei vergrößertem Intermetatarsalwinkel MT IV–MT V, prima vista eine gewisse Analogie zur Hallux-valgus-Fehlstellung hat, sind die Sehnenkräfte im Bereich des Fußaußenrandes deutlich geringer als am 1. Strahl. Die Progredienz der Fehlstellung ist damit erheblich geringer. Der historische Terminus Schneiderballen (»tailor’s bunion«) deutet darauf hin, dass im Falle einer dauerhaften Belastung des lateralen Fußrandes (Schneidersitz) hier lokale Probleme entstehen können. Nicht selten bildet sich eine schmerzhaft entzündete Bursa und Hornhautschwiele an typischer Stelle lateral über dem MFK V.
Anlagebedingt weisen die 4. und die 5. Zehe eine leichte Supination der gesamten Zehe auf. Im Bereich der 5. Zehe kann die physiologische Rotation so vermehrt sein, dass sich die leicht flektierte 5. Zehe unter die Nachbarzehe schiebt. Es entsteht ein Digitus infraductus D V unter D IV. Funktionell ist ein solcher Infraductus meistens unbedeutend, da die 5. Zehe nur einen minimalen Beitrag zur Abdruckkraft des Fußes in der Abrollbewegung liefert. Klinisch kommt es aber nicht selten zu einem schmerzhaften »Scheuern« des Zehennagels D V an der Außenseite der 4. Zehe. Dies kann bis zur Ausbildung eines Ulkus führen.
2.4
Zusammenhang Rückfuß Vorfuß
Abschließend sei auf den Zusammenhang zwischen Pathologien des Rückfußes, insbesondere des Pes plano valgus, und Vorfußdeformitäten hingewiesen. Unter biomechanischen Aspekten wird die Belastung des Vorfußes aus dem Rückfuß gesteuert. Die Position des unteren Sprunggelenks bestimmt maßgeblich die Lage des Vorfußes im Raum bzw. die Belastung des Vorfußes im Stand und in der Abrollbewegung des Fußes. Jede Betrachtung von Vorfußpathologien sollte deshalb eine Evaluation des Rückfußes unter Berücksichtigung von Form und Funk-
17 Literatur
tion des ganzen Fußes als einer Einheit mit einschließen. Therapeutische Ansätze, die Rückfußpathologien nicht mit einbeziehen, werden in der Regel mittelfristig frustran verlaufen und zeichnen sich durch ein hohes Rezidivrisiko aus.
Literatur Amarnek DL, Mollica A, Jacobs AM, Oloff LM (1986) A statistical analysis on the reliability of the proximal articular set angle. J Foot Surg 25:39–43 Chi TD, Davitt J, Younger A, Holt S, Sangeorzan BJ (2002) Intra- and inter-observer reliability of the distal metatarsal articular angle in adult hallux valgus. Foot Ankle Int 23:722–726 Coughlin MJ, Grebing BR (2009) Bunionettes. In: Coughlin MJ, Mann RA, Saltzman CL (eds) Surgery of the Foot and Ankle. Mosby Elsevier, Philadelphia, pp 491–530 Coughlin MJ, Jones CP (2007a) Hallux valgus and first ray mobility. A prospective study. J Bone Joint Surg Am 89:1887–1898 Coughlin MJ, Jones CP (2007b) Hallux valgus: demographics, etiology, and radiographic assessment. Foot Ankle Int 28:759–777 Coughlin MJ, Shurnas PS (2003) Hallux rigidus: demographics, etiology, and radiographic assessment. Foot Ankle Int 24:731–743 DuVries HL (1965) Surgery of the Foot, 2nd edn. Mosby, St. Louis Engelhardt P (2001) Orthopädische Fußchirurgie. Steinkopff, Darmstadt, S 134 Hardy RH, Clapham JCR (1951) Observations on halux valgus based on a controlled series. J Bone Joint Surg 33B:376–391 Kato T, Watanabe S (1981) The etiology of hallux valgus in Japan. Clin Orthop Relat Res 157:78–81 Palladino SJ (1991) Preoperative evaluation of the bunion patient: Etiology, biomechanics, clinical and radiographic assessment. In: Gerbert J (ed) Textbook of bunion surgery. Futura, Mt Kisco, NY, pp 1–88 Palladino SJ, Towfigh A (1992) Intra-evaluator variability in the measurement of proximal articular set angle. J Foot Surg 31:120–123 Pique-Vidal C, Sole MT, Antich J (2007) Hallux valgus inheritance: pedigree research in 350 patients with bunion deformity. J Foot Ankle Surg 46:149–154 Sabo D, Buchner M (2004) Die Behandlung des Hallux-valgus-Syndroms mit Scarf-Osteotomie, Akin-Osteotomie und Weil-Osteotomie. FussSprungg 2:76–84 Sim-Fook L, Hodgson AR (1958) A comparison of foot forms among the non-shoe and shoe-wearing Chinese population. J Bone Joint Surg Am 40A:1058–1062
2
3
Klinische Untersuchung Jörn Dohle, Wuppertal
3.1
Gangbild
– 20
3.2
Funktionstests
3.3
Fußstatik
3.4
Bewegungsausmaße
3.5
Stabilitätsbeurteilung 1. Strahl – 22
3.6
Zehenfehlstellungen
3.7
Pathologie der Zehengrundgelenke – 24
3.8
Sichelfuß
3.9
5. Strahl – 24
3.10
Durchblutung, Motorik und Sensibilität – 24
– 20
– 21 – 22
– 23
– 24
20
3
Kapitel 3 · Klinische Untersuchung
Nach der Erhebung einer allgemeinen und einer spezifischen Anamnese erfolgt die klinische Untersuchung des Fußes. Auch wenn die Anamnese auf einen Prozess im Bereich des Vorfußes deutet, ist eine strukturierte, vollständige Untersuchung des gesamten Fußes dringend zu empfehlen. Diese beginnt bereits mit der Betrachtung des Gangbildes, wenn der Patient den Untersuchungsraum betritt.
Die überwiegende Zahl der Patienten, die sich mit einer Vorfußproblematik in einer fußchirurgischen Sprechstunde vorstellen, wird ein unauffälliges Gangbild haben. Auf eine detaillierte Beschreibung verschiedenster Pathologien soll deshalb hier verzichtet und stattdessen auf entsprechende Spezialliteratur verwiesen werden (Perry 2003; Götz-Neumann 2003).
3.2
Gangbild
3.1
Eine 2. Beurteilung des Gangbildes erfolgt dann am halb entkleideten Patienten. Hierbei hat es sich bewährt, sich systematisch auf jedes Bein, jeden Fuß und dessen Funktion in den verschiedenen Gangphasen zu fokussieren. Zunächst wird man die Schrittgeschwindigkeit, die Schrittlänge und die Dauer der Be- und Entlastungsphasen im Vergleich zwischen rechtem und linkem Bein sowie im Zusammenspiel betrachten. Danach erfolgt eine sequentielle Betrachtung jedes einzelnen Beines. Wie verhält sich der Fuß in der Schwungphase, wie in der Standphase? Wie wird der Fuß zu Beginn der Standphase aufgesetzt, wie erfolgt die Abrollbewegung und wie verlässt der Fuß den Boden wieder? (⊡ Abb. 3.1) Bei Auffälligkeiten in einer der genannten Gangphasen sollte sich der Untersucher bei einer erneuten Betrachtung des Gangbildes auf genau diese Gangphase fokussieren. Dazu muss der Patient ggf. mehrfach im Untersuchungszimmer auf und ab gehen, bevor die funktionelle Veränderung genau erfasst und beschrieben werden kann. Gegebenenfalls ist eine vergleichende Betrachtung mit und ohne Schuhwerk sinnvoll, um zusätzliche Informationen zu erhalten. Dies gilt insbesondere beim Vorliegen einer Beinlängendifferenz.
Funktionstests
Nach der Betrachtung und Beschreibung des Gangbildes schließen sind als nächstes Funktionstests an. Sinnvoll ist die Überprüfung von ▬ Zehenspitzengang ▬ Fersengang ▬ Einbeinigem Stand auf dem Vorfußballen mit Beobachtung der Rückfußachse (Single-heel-rise-Test) Sämtliche Funktionstests überprüfen global komplexe Abläufe der Biomechanik, sodass aus einer augenscheinlichen Pathologie noch nicht auf eine spezifische Störung geschlossen werden kann. Im Bedarfsfall muss eine detaillierte Prüfung der Muskel, Sehnen und Gelenke angeschlossen werden. Der Vorteil der Funktionstests besteht darin, dass eine grobe Störung der Rückfußpathologie mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, wenn alle Tests problemlos und schmerzfrei durchgeführt werden können. Während der Zehengang und der Hackengang den Patienten in der Regel bekannt sind, empfiehlt es sich dem Patienten den Single-heel-rise-Test zu demonstrieren (⊡ Abb. 3.2a–c). Der Single-heel-rise-Test erlaubt bereits eine funktionelle Beurteilung der Rückfuß- oder Fersenachse im Stand und spiegelt verlässlich die Funktion wichtiger fußstabilisierender Sehnen wieder.
oberes Sprunggelenk
a
Zehengrundgelenke
b Winkel
⊡ Abb. 3.1 Fuß in verschiedenen Gangphasen
d
c >
Winkel
<
Winkel
>
Winkel
21 3.3 · Fußstatik
a
b
c
⊡ Abb. 3.2a–c »Too-many-toes«-Sign (a) »Single-heel-rise«-Test (b,c): auf der rechten Seite regelrechte Varisierung der Rückfußachse im Zehenspitzenstand. Auf der linken Seite persistierender Valgus der Rückfußachse im Zehenspitzenstand
3.3
⊡ Abb. 3.3 Deutlicher Valgus der Rückfußachse (normal <=7°)
Der Fersenwinkel wird gebildet aus der Unterschenkelachse und der Fersenachse, die sich in der Mitte zwischen Außenknöchel und Innenknöchel schneiden. (⊡ Abb. 3.3). Der nach lateral offene Winkel weicht in physiologischen Fällen um ca. 7° von der Geraden nach lateral ab. Liegt eine höhere Abweichung vor, spricht man von einem Knickfuß oder Rückfußvalgus, wobei Grenzwerte nicht genau definiert sind. Bei einer Reduktion des Winkels oder gar einer Abweichung der Fersenachse nach medial wird dies als Rückfußvarus bezeichnet. Neben der reinen Deskription der Rückfußachse ist ihre Veränderung im einbeinigen Zehenspitzenstand von Bedeutung. Unter funktionellen Gesichtspunkten wandelt sich der Fuß von einem elastischen Adapter (»mobile adapter«) zu einem starren Hebel (»rigid lever«; ⊡ Abb. 3.1). Gelingt die Varisierung der Ferse im einbeinigen Zehenspitzenstand nicht (Single-heel-rise-Test pathologisch), liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gravierende Rückfußpathologie vor (z.B. Tibialis-posterior-Dysfunktion).
Fußstatik
Nach der Beurteilung der Rückfußachse und der Rückfußmechanik wird das mediale Fußgewölbe im entspannten beidbeinigen Stand betrachtet. Während der laterale Fußrand auf ganzer Länge auf dem Boden anliegt, hebt sich der mediale Fußrand im mittleren Bereich vom Boden ab. Man spricht deshalb auch von medialem Fußgewölbe. Die Quantifizierung des medialen Fußgewölbes bereitet dabei erhebliche Probleme. Zur Auswahl steht eine Vermessung des Trittspurabdrucks, der letztendlich nicht die Höhe des medialen Fußgewölbes, sondern die Ausdehnung des medialen Fußgewölbes nach lateral beschreibt. Durchführbar ist auch eine Messung der Höhe des Fußrückens anhand von Röntgenaufnahmen. Im klinischen Alltag wird das mediale Fußgewölbe als physiologisch, vermindert oder vermehrt beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine höchst subjektive Einschätzung, da Normalwerte nicht zuverlässig definiert sind. Ist das mediale Fußgewölbe vermindert, handelt es sich um einen Senkfuß. Bei einem erhöhten medialen Fußgewölbe spricht man von einem Hohlfuß (⊡ Abb. 3.4). Ein Quergewölbe des Fußes existiert nur im Bereich des Mittelfußes. Wie zahlreiche pedobarographische Studien belegen, ist ein Quergewölbe auf Höhe der Mittelfußköpfchen unter physiologischen Bedingungen nicht vorhanden. Sämtliche Mittelfußköpfchen kontaktieren den Boden unter Belastung gleichermaßen. Unter einem Spreizfuß versteht man die Verbreiterung des Vorfußes auf Höhe der Mittelfußköpfchen gegenüber dem physiologischen Normalmaß. Dazu muss es zu einer Divergenz zwischen den Mittelfußknochen kommen. Während Abweichungen der zentralen Mittelfußknochen II–IV praktisch nicht vorkommen, sind Abweichungen der randständigen Mittelfußknochen häufig. Beim Hallux valgus, der mit Abstand häufigsten Vorfußdeformität,
3
22
Kapitel 3 · Klinische Untersuchung
3
⊡ Abb. 3.4 Mediales Fußgewölbe abgeflacht
kommt es regelhaft zur Abweichung des MFK I nach medial. Klinisch imponiert dieser Befund als Spreizfuß. Während Röntgenparameter, die das Ausmaß des Spreizfußes wiedergeben, gut dokumentiert sind, bleibt die klinische Beurteilung semiquantitativ. Bei der Inspektion des Fußes wird man zusätzlich auf die Beschwielung des Fußes achten. Ein pathologisch verändertes Belastungsmuster kann sich in einer atypischen Beschwielung des Fußes niederschlagen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch die Betrachtung des Schuhwerkes, insbesondere der Innensohle oder Einlage im Schuh. Der Schweißspurabdruck des Fußes zeichnet sich nach entsprechender Tragedauer der Einlage als Muster ab und erlaubt ähnlich wie ein Trittspurabdruck Rückschlüsse auf das Belastungsmuster der Fußsohle.
3.4
Bewegungsausmaße
Die Dokumentation der Bewegungsausmaße erfolgt üblicherweise nach der Neutral-Null-Methode. Aus praktischen Gründen wird man zunächst die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk, als dem wichtigsten Gelenk des Rückfußes überprüfen. Daran schließt sich die Bewegungsprüfung des unteren Sprunggelenkes an. Das untere Sprunggelenk entspricht einem heterokinetischen Kardangelenk mit 3 Teilgelenken: ▬ Subtalargelenk zwischen Talus und Kalkaneus ▬ Talonavikulargelenk ▬ Kalkaneo-Kuboid-Gelenk Jede Bewegung in einem dieser Teilgelenke hat eine Mitbewegung in den beiden anderen Gelenken zur Folge. Eine isolierte Dokumentation der Beweglichkeit in einem der Teilgelenke ist weder sinnvoll noch mit hinreichender
Genauigkeit möglich. Stattdessen wird die gekoppelte Bewegung im subtalaren Gelenkkomplex in ihrer Auswirkung auf die Stellung des Fußes dokumentiert. Die Gelenke im Mittelfußbereich sind überwiegend Amphiarthrosen. (Kapandji 2001). Eine Überprüfung der Beweglichkeit einzelner Mittelfußgelenke ist deshalb nicht möglich. Davon ausgenommen ist das Tarsometatarsale-IGelenk. Auf die gesonderte Stellung des TarsometatarsaleI-Gelenks soll weiter unten eingegangen werden, weil in diesem Zusammenhang gleichzeitig auf das Thema einer »Instabilität« des Gelenks eingegangen werden muss. Hinsichtlich einer Quantifizierung der Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode ist noch eine Untersuchung des Zehengrundgelenks und des Interphalangealgelenks der Großzehe sinnvoll. Beide Bewegungsausmaße werden z.B. für die Bestimmung der Vorfuß-Scores der AOFAS benötigt. (Kitaoka et al. 1994). Bei den übrigen Grund-, Mittel- und Endgelenken der Kleinzehen ist eine Dokumentation nach Neutral-Null zwar prinzipiell möglich aber nicht üblich.
3.5
Stabilitätsbeurteilung 1. Strahl
Die Gelenke der Lisfranc-Gelenklinie sind als Amphiarthrosen einzustufen und haben damit eine nur sehr geringe Beweglichkeit. Der Effekt der (geringen) Bewegung wird aber durch die sehr langen Mittelfußknochen nach distal verstärkt, sodass selbst eine geringe Beweglichkeit zu einer deutlichen Translation der Mittelfußköpfchen führt. Die Beweglichkeit im Tarsometatarsale-I-Gelenk kann deshalb indirekt anhand der Mobilität des Mittelfußköpfchens I gemessen werden. Im Vergleich der verschiedenen Einzelgelenke weist das Tarsometatarsalgelenk II die geringste Beweglichkeit auf. Umgekehrt formuliert hat es die größte Stabilität, weshalb das Mittelfußköpfchen II auch als »Zentralstrahl des Vorfußes« bezeichnet wird (⊡ Abb. 3.5). Im klinischen Alltag wird die relative Translationsbewegung zwischen den Mittelfußköpfchen I und II als Ausmaß für eine mögliche Instabilität des Tarsometatarsale-I-Gelenks herangezogen. Eine Instabilität des Tarsometatarsale-I-Gelenks wird nach wie vor von zahlreichen Autoren als mögliche Ursache für die Entstehung eines Hallux valgus angesehen. Dieses Thema wurde bereits im Kapitel Pathoanatomie diskutiert. Wie von Grebing und Coughlin gezeigt werden konnte, hat die Stellung des oberen Sprunggelenks einen entscheidenden Einfluss auf die Beweglichkeit im Tarsometatarsale-I-Gelenk. Eine Untersuchung sollte deshalb bei sitzenden Patienten und gleichzeitiger Neu-
23 3.6 · Zehenfehlstellungen
dorsal und plantar bewegt wird. Im Allgemeinen wird eine Beweglichkeit bis 10 mm noch als physiologisch betrachtet. Geht das mögliche Bewegungsausmaß darüber hinaus, wird von einer Instabilität des Tarsometatarsale-I-Gelenks gesprochen. Eine genauere quantitative Beurteilung der Translationsbewegung des 1. Mittelfußköpfchens ist mit speziellen Vermessungsanordnungen möglich (Klaue-Device), hat sich im klinischen Alltag aufgrund des hohen Aufwands aber nicht durchgesetzt. Damit bleibt die Stabilitätsuntersuchung des Tarsometatarsale-I-Gelenks eine semiquantitative Methode, die subjektiven Einflüssen unterliegt.
3.6
Zehenfehlstellungen
Die Untersuchung der Kleinzehen sollte unter folgenden Gesichtspunkten erfolgen: ▬ Welcher Typ einer Zehenfehlstellung liegt vor? ▬ Handelt es sich um eine kontrakte oder flexible Fehlstellung? ▬ Welche Pathologie liegt im Bereich des Zehengrundgelenks vor?
⊡ Abb. 3.5 »Verzapfung« der MFK-II-Basis in der Lisfranc-Gelenklinie
⊡ Abb. 3.6 Zur Untersuchung einer Instabilität des TMT-I-Gelenks wird bei fixiertem MFK II das MFK I angehoben und abgesenkt. Das OSG befindet sich dabei in Neutralstellung
tralstellung des oberen Sprunggelenks erfolgen (Grebing u. Coughlin 2004; ⊡ Abb. 3.6). Vom Untersucher wird mit der einen Hand der laterale Vorfuß mit dem 2. Mittelfußköpfchen fixiert, wogegen das Mittelfußköpfchen I mit der anderen Hand nach
Hinsichtlich der Nomenklatur der Zehenfehlstellungen sei auf die Ausführungen im Kapitel Pathoanatomie verwiesen. Zur Differentialindikation der operativen Behandlungsverfahren ist eine Unterscheidung in flexible und kontrakte Fehlstellung richtunggebend. Bei flexiblen Fehlstellungen ist eine manuelle Redression bis in die physiologische Neutralstellung noch möglich. Kontrakte Fehlstellungen lassen sich dagegen nicht mehr bis in die Neutralstellung redressieren. Eine vollständige Beschreibung einer Zehenfehlstellung müsste eine Beschreibung sämtlicher beteiligten Gelenke beinhalten. Von Ferdini wurde deshalb eine »Graduierung der Hammerzehenfehlstellung« mit Beschreibung der einzelnen Gelenke vorgeschlagen. Grad 0 entspricht einem unauffälligen Gelenk ohne Fehlstellung. Grad 1 entspricht einer dynamischen Fehlstellung, die manuell redressierbar ist bzw. nur bei Belastung auftritt. Grad 2 entspricht einer kontrakten Fehlstellung und Grad 3 einer Luxation. Beurteilt werden das Zehengrundgelenk, das proximale Interphalangealgelenk und das distale Interphalangealgelenk (Niezold u. Ferdini 2002). Diese Nomenklatur beschreibt die Pathologie der Kleinzehen deutlich besser als die klinisch etablierte Unterscheidung in flexible und kontrakte Hammerzehe. Auch fließt eine Beurteilung des Zehengrundgelenks mit ein. In Anbetracht der besonderen Bedeutung des Zehengrundgelenks in der Pathologie von Zehenfehlstellungen scheint eine Evaluation der Zehe ohne explizite Berücksichtigung des Zehengrundgelenks unzureichend.
3
24
Kapitel 3 · Klinische Untersuchung
3.7
3
Pathologie der Zehengrundgelenke
Bei der Beurteilung des Grundgelenks der Kleinzehen werden 2 Komponenten evaluiert: zum einen das Bewegungsausmaß des Gelenks, zum anderen sein Bandstatus. Im klinischen Alltag hat sich die Überprüfung des Bewegungsausmaßes letztendlich auf die Frage reduziert, ob eine Extensionskontraktur des Gelenks vorliegt oder nicht und ob ein Bodenkontakt der Zehenkuppe noch möglich ist. Ein Verlust des Bodenkontakts der Zehe entspricht letztendlich einem kompletten Funktionsverlust der Zehe, weil die Zehe dann weder als taktiles Organ noch als Motor in der Abrollbewegung eingesetzt werden kann. Eine schwebende Zehe demaskiert sich in aller Regel schon bei der Beurteilung der Fußstatik zu Beginn der klinischen Untersuchung. Von den Patienten wird das Funktionsdefizit aber selten subjektiv bemerkt. Durch die Extensionsfehlstellung der Zehe kommt es zu einem Konflikt zwischen Zehe und Schuh, der häufig zur Entwicklung einer schmerzhaften Schwiele über dem proximalen Interphalangealgelenk führt. Die Beurteilung des Bandstatus verbirgt sich hinter der Frage nach einer Instabilität oder Luxation des Gelenks. Die Instabilität kann sich in fortgeschrittenen Fällen zur Subluxation oder Luxation des Grundgelenks weiterentwickeln. Neben einer klinischen Bewegungsprüfung des Zehengrundgelenks sollte deshalb auch immer eine Stabilitätsuntersuchung des Zehengrundgelenks erfolgen. (⊡ Abb. 3.7). Dazu wird der Mittelfuß mit einer Hand stabilisiert, sodass mit der anderen Hand eine Translationsbewegung des Grundgliedes der Zehe nach dorsal und plantar vorgenommen werden kann. Eine pathologisch erhöhte Beweglichkeit wird man rasch im Vergleich
mit dem kontralateralen Fuß oder der entsprechenden Beweglichkeit in einem Nachbargelenk identifizieren können. Bei kontrakten Luxationen ist perkutan meist eine streckseitige Stufe tastbar, sodass die Luxation bereits vor Anfertigung eines Röntgenbildes gut erkannt werden kann.
3.8
Sichelfuß
Die beschriebenen Zehenfehlstellungen können an jeder Kleinzehe mit unterschiedlicher Ausprägung vorliegen. Häufig sind die 2. und 3. Zehe betroffen, dabei ist die mediale Zehe in der Regel stärker deformiert als die laterale. Meist finden sich Fehlstellungen in der Sagittalebene. Deutlich seltener sind dagegen Fehlstellungen in der Transversalebene. Liegen Abweichungen der Kleinzehen in der Transversalebene vor, ist eine sorgfältige Analyse des Alignements der Mittelfußknochen erforderlich. Bei einer Abweichung der Kleinzehe nach lateral muss eine Sichelfußdeformität als mögliche Ursache ausgeschlossen werden. Dies kann in aller Regel nur anhand radiologischer Parameter erfolgen.
3.9
5. Strahl
Die Beschreibung und die Nomenklatur von Fehlstellungen der Kleinzehen lässt sich ebenso bei der Untersuchung der 5. Zehe anwenden. Die 5. Zehe kann zusätzlich aber noch eine Rotationsfehlstellung entwickeln. Physiologisch ist eine geringfügige Rotation der 4. und der 5. Zehe im Sinne einer Supination. Das genaue Ausmaß ist in der Literatur aber bisher nicht definiert. Ist diese Supination verstärkt kann sich die rotierte und flektierte 5. Zehe unter die 4. Zehe schieben. Dies führt nicht selten zu einem schmerzhaften Konflikt zwischen dem Zehennagel D V und der lateralen Wange von D IV. Beschrieben wird diese Situation als Digitus quintus infraductus D V unter D IV.
3.10
Durchblutung, Motorik und Sensibilität
Abschließend erfolgt eine Untersuchung der Durchblutung, Motorik und der Sensibilität des Fußes. ⊡ Abb. 3.7 Zur Untersuchung einer Instabilität des Grundgelenks wird bei fixiertem MFK das Grundglied nach dorsal angehoben. Eine dann produzierte Subluxation des Gelenks kann als Stufe getastet werden bzw. ist u.U. sogar als Höhenunterschied sichtbar
Durchblutung Insbesondere vor operativen Eingriffen ist eine Überprüfung der Durchblutung des Fußes unerlässlich. Der Puls der A. tibialis kann hinter dem Innenknöchel getastet
25 Literatur
werden. Die A. dorsalis pedis ist auf dem medialen Fußrücken tastbar. In Zweifelsfällen wird man die Indikation zu einer Verschlussdruckmessung großzügig stellen, zumal es sich dabei um ein nicht invasives Verfahren mit relativ geringem apparativen Aufwand handelt. Motorik Veränderungen der Motorik werden in aller Regel schon bei der Betrachtung des Gangbildes auffallen oder werden bei den Funktionstesten offensichtlich. Gegebenenfalls ist die Muskelkraft einzeln zu dokumentieren. Die wichtigsten Muskeln und Sehnen des Fußes lassen sich getrennt voneinander überprüfen. Die funktionell für den Fuß wichtigen Muskeln sind mit ihrem Muskelbauch im Bereich des Unterschenkels lokalisiert. Die Fußbinnenmuskulatur entzieht sich einer differenzierten klinischen Überprüfung. Bei besonderen Fragestellungen können elektrophysiologische Untersuchungen zusätzliche Informationen liefern. Sensibilität Eine differenzierte Überprüfung der Sensibilität ist zwar technisch mit geringen Mitteln möglich, in aller Regel jedoch sehr zeitaufwändig. In spezialisierten Ambulanzen, die häufig Patienten mit Sensibilitätsstörungen behandeln (Diabetischer Fuß u.a.) hat sich deshalb die Einbindung speziell geschulter Pflegekräfte etabliert. Sind aus der Anamnese keine Risikofaktoren für die Entwicklung von Sensibilitätsstörungen bekannt, ist eine grob orientierende Sensibilitätsüberprüfung ausreichend. Diese kann mit einer einfachen Nadel oder einem Pinsel durchgeführt werden.
Literatur Götz-Neumann K. (2003) Gehen verstehen – Ganganalyse in der Physiotherapie. Thieme, Stuttgart Grebing BR, Coughlin MJ (2004) The effect of ankle position on the exam for first ray mobility. Foot Ankle Int 25:467–475 Kapandji IA (2001) Funktionelle Anatomie der Gelenke, 3. Aufl. Hippokrates, Stuttgart Kitaoka HB, Alexander IJ, Adelaar RS, Nunley JA, Myerson MS, Sanders M (1994) Clinical rating systems for the ankle-hindfoot, midfoot, hallux, and lesser toes. Foot Ankle Int 15:349–353 Niezold D, Ferdini RM (2002) Klinische Untersuchung. In: Wirth CJ (Hrsg) Fuß. Thieme, Stuttgart New York, S 9–15 Perry J (2003) Ganganalyse – Norm und Pathologie des Gehens, 1. Aufl. Urban & Fischer, München Jena
3
4
Bildgebung Markus Walther, München
4.1
Röntgen – 28
4.2
Computertomographie – 30
4.3
Kernspintomographie – 31
4.4
Sonographie – 34
4.5
Szintigraphie – 35
28
Kapitel 4 · Bildgebung
4.1
4
Röntgen
Die Standardaufnahmen des Fußes umfassen die belastete dorsoplantare Projektion, die belastete seitliche Aufnahme sowie belastete Schrägaufnahmen in 45°-Inversion und -Eversion (Coughlin et al. 2007). Unbelastete Aufnahmen spielen nur noch nach einem Trauma oder postoperativ eine Rolle. Bei der belasteten Aufnahme sollte der Patient mit dem gesamten Körpergewicht auf dem Fuß stehen. Gerade bei der Beurteilung der verschiedenen Winkel gibt es erhebliche Unterschiede zwischen belasteten und unbelasteten Aufnahmen. Für die präoperative Planung sollten stets die belasteten Aufnahmen herangezogen werden. Die zur Planung einer Vorfußkorrektur relevanten Parameter umfassen (⊡ Abb. 4.1): ▬ Intermetatarsalwinkel ▬ Tarsometatarsalgelenke ▬ Hallux-valgus-Winkel ▬ Dezentrierung der Sesambeine ▬ Distaler und proximaler Gelenkwinkel ▬ Interphalangealwinkel ▬ Metatarsaleindex ▬ Metatarsophalangealgelenke ▬ Stellung des 5. Strahles ▬ Plantares Gapping von Mittelfußgelenken
4.1.1 Intermetatarsalwinkel
Der Intermetatarsalwinkel ist der Winkel zwischen dem 1. und 2. Metatarsale. Zur Winkelmessung wird von beiden Knochen die geometrische Achse bestimmt und der Winkel beider Linien zueinander gemessen (Christman 2003). Gerade der Intermetatarsalwinkel kann zwischen belasteten und unbelasteten Aufnahmen erheblich differieren. Für die Planung der meisten Osteotomien am Metatarsale I spielt der Intermetatarsalwinkel eine zentrale Rolle, weshalb einer exakten Bestimmung eine besondere Bedeutung zukommt. Auch für die intraoperative Beurteilung der durchgeführten Korrektur ist eine Bildverstärkeraufnahme unter simulierter Belastung aussagekräftiger als die unbelastete Aufnahme. Beim »tailor’s bunion« (Schneiderballen) wird der Intermetatarsalwinkel zwischen dem 4. und 5. Metatarsale bestimmt.
4.1.2 Tarsometatarsalgelenke
Bei der Beurteilung der Tarsometatarsalgelenke sind letztlich 3 Aspekte relevant. Zunächst ist von Bedeutung, ob und in welchem Ausmaß in den Tarsometatarsalgelenken Veränderungen vorliegen und ob sich diese lediglich auf
⊡ Abb. 4.1 Röntgenaufnahme Fuß in 3 Ebenen unter Belastung: A) Plantares Gapping des Tarsometatarsale-I-Gelenks, B) Intermetatarsalwinkel, C) Hallux-valgus-Winkel und Gelenkwinkel
4
29 4.1 · Röntgen
einzelne Strahlen beziehen oder die gesamte tarsometatarsale Gelenkreihe umfassen. Der 2. wichtige Punkt betrifft die Stabilität des Tarsometatarsale-I-Gelenks. Eine Subluxationsstellung in der dorsoplantaren Aufnahme ist stets ein Hinweis auf ein mechanisch instabiles Gelenk. Gleiches gilt für eine plantare Aufweitung des Gelenksspaltes des 1. Tarsometatarsalgelenks in der belasteten seitlichen Aufnahme (plantares Gapping). Schließlich ist die Orientierung des Gelenks in der dorsoplantaren Aufnahme von Bedeutung. Sowohl eine ausgeprägte Verkippung des Tarsometatarsalgelenks zur Achse des Metatarsale I als auch akzessorische Knochen im Intermetatarsalraum legen eine Mitbeteiligung des Tarsometatarsalgelenks bei der Entstehung des Hallux valgus nahe. Postoperativ erlaubt die Aufnahme in 45°-Supination die beste Beurteilung des Tarsometatarsale-I-Gelenks, z.B. nach einer Lapidusarthrodese (⊡ Abb. 4.2).
⊡ Abb. 4.2 Röntgenaufnahme Fuß in 45°-Supination zur Beurteilung des Tarsometatarsale-I-Gelenks, hier nach TMT-I-Arthrodese mit plantarer Verplattung
0/0
1/0
1/1
⊡ Abb. 4.3 Klassifikation der Dezentrierung der Sesambeine (4)
4.1.3 Hallux-valgus-Winkel
Der Winkel zwischen Metatarsale I und der Grundphalanx der Großzehe wird als Hallux-valgus-Winkel bezeichnet. Dieser Winkel repräsentiert die Fehlstellung der Großzehe.
4.1.4 Dezentrierung der Sesambeine
Normalerweise sollten die Sesambeine exakt unter dem Metatarsale I stehen. Eine Dezentrierung der Sesambeine nach lateral ist ein Hinweis auf eine Hallux-valgusFehlstellung in Verbindung mit einer Störung der Biomechanik. Verschiedene Klassifikationssysteme werden verwendet (Christman 2003; Fuhrmann et al. 2003; Wetzel et al. 1996), um die Dezentrierung der Sesambeine einzuteilen (⊡ Abb. 4.3). Für die präoperative Planung ist die Stellung der Sesambeine insofern hilfreich, als bei der Korrektur das Metatarsale-I-Köpfchen auf die Sesambeine zurückgeschoben werden soll. Ist hierfür eine Verschiebung des Metatarsale-I-Köpfchens um mehr als die halbe Schaftbreite notwendig, können bei der Operation die Möglichkeiten der distalen Osteotomien überschritten werden. Die Sesambeinspezialaufnahme zeigt die Stellung der Sesambeine in der plantaren Gleitrinne am MetatarsaleI-Köpfchen. Die Aufnahme bietet zusätzliche Informationen bei Osteonekrosen (⊡ Abb. 4.4), Frakturen, degenerativen Veränderungen des Sesambeingleitlagers oder auch zur Beurteilung eines Schraubenüberstands bei Schmerzen nach Osteotomie.
2/1
2/2
2/3
3/3
30
Kapitel 4 · Bildgebung
4.1.8 Metatarsophalangealgelenke
⊡ Abb. 4.4 Sesambeinaufnahme mit osteonekrotischem Sesambein
Neben der Stellung der Metatarsophalangealgelenke sind sowohl degenerative Veränderungen als auch Luxations- oder Subluxationsstellungen relevant. Entzündliche Gelenkerkrankungen können sich analog zur Hand auch am Fuß primär manifestieren. Typische Zeichen sind Usuren, eine periartikuläre Osteoporose und Zysten. Am Großzehengrundgelenk finden sich regelmäßig Zeichen einer Gichtarthropathie mit ausgestanzten Defekten ohne periartikuläre Entkalkung. Eine Luxation der Metatarsophalangealgelenke der Kleinzehen ist meist vergesellschaftet mit einer Ruptur der plantaren Platte.
4.1.5 Distaler und proximaler Gelenkwinkel
4.1.9 Stellung des 5. Strahles
Die Beurteilung des distalen und proximalen Gelenkwinkels (DMAA, distal metatarsal articular angle und PMAA, proximal metatarsal articular angle) zeigt, ob eine Verkippung der Gelenkfläche zur Metatarsale-IAchse vorliegt. Hierzu werden der mediale und laterale Rand der Gelenkfläche markiert und mit einer Linie verbunden. Im Normalfall kreuzen diese Linien die Achse des Metatarsale I bzw. die Achse der Grundphalanx in einem Winkel von 90°. Ist die Gelenkfläche des Metatarsale-I-Köpfchens um mehr als 5° zur Metatarsale-I-Achse verkippt, ist unter Umständen eine zusätzliche Korrektur des Gelenkflächenwinkels angezeigt.
Analog zum 1. Strahl können sämtliche Parameter auch für den 5. Strahl erhoben werden. Zusätzlich kann beim »tailor’s bunion« eine Krümmung im Schaftbereich des Metatarsale V nach lateral vorliegen.
4
4.1.10 Plantares Gapping von
Mittelfußgelenken Der Nachweis einer Gelenkinstabilität durch die Darstellung einer asymmetrischen plantaren Gelenkspaltaufweitung im Tarsometatarsalegelenk I gelingt nur in einer technisch korrekten Aufnahme des seitlichen Fußes unter Belastung und ist häufig diskret ausgebildet.
4.1.6 Interphalangealwinkel
Der Interphalangealwinkel beschreibt die Achse zwischen der Grundphalanx der Großzehe und der Endphalanx. Achsabweichungen innerhalb der Großzehe können durch eine Akin-Osteotomie korrigiert werden.
4.1.7 Metatarsaleindex
Der Metatarsaleindex beschreibt das Längenverhältnis der einzelnen Mittelfußknochen zueinander. Hierbei ist zu beachten, dass die dorsoplantare Röntgenaufnahme eine zweidimensionale Abbildung einer dreidimensionalen Struktur ist. Stehen einzelne Metatarsalia über den von Maestro beschriebenen Bogen hinaus (Maestro et al. 2003), ist deren Einfluss auf die plantare Druckverteilung zumindest zu überprüfen. Idealerweise liegen die Metatarsophalangealgelenke auf einem harmonischen Bogen.
4.2
Computertomographie
Die Computertomographie bietet das beste Verfahren zur Darstellung von Knochenveränderungen. Ein entscheidender Vorteil ist, dass dieses Verfahren deutlich weniger von Osteosynthesematerial in der Beurteilung beeinflusst wird als die Kernspintomographie. Die Indikation zur Computertomographie ist immer dann gegeben, wenn eine exakte Beurteilung sehr diskreter knöcherner Veränderungen notwendig ist und diese durch eine konventionelle Röntgenaufnahme nicht zu erfassen sind. Indikationen im Bereich des Vorfußes sind: ▬ Frakturen ▬ Stressfrakturen ▬ Tumoren ▬ Osteomyelitis ▬ Unklare postoperative Beschwerden
31 4.3 · Kernspintomographie
4.2.1 Frakturen
Bei Frakturen im Bereich des Großzehengrundgelenks können Ausmaß der Dislokation, Knochendefektzonen und der exakte Frakturverlauf dargestellt werden. In Einzelfällen kann bei komplexen Frakturen eine präoperative Computertomographie hilfreich sein (Shereff 1990).
4.2.2 Stressfrakturen
Kleinste Fissuren im Knochen entgehen regelmäßig der konventionellen Röntgenaufnahme. Mit der Computertomographie können Stressfrakturen früher und exakter dargestellt werden als mit konventionellen Röntgenaufnahmen. Bei dieser Fragestellung ist aber abzuwägen, ob nicht eine Kernspintomographie die sinnvollere Aufnahme ist, da hier ein wesentlich breiteres Spektrum an Differentialdiagnosen in die Beurteilung einbezogen werden kann (Biedert u. Hintermann 2003).
⊡ Abb. 4.5 CT-Großzehengrundgelenk mit überstehender Schraube nach Chevron-Osteotomie
4.2.3 Tumoren
Bei allen Tumoren mit Knochenbeteiligung bietet die Computertomographie die größtmögliche Information zur Beurteilung des Ausmaßes der Läsion und der Knochenstabilität sowie zur Abschätzung bereits vorhandener Knochenbrüche.
überstand, z.B. im Sesambeingleitlager dargestellt werden (⊡ Abb. 4.5). Die Kernspintomographie ist in der frühen postoperativen Phase häufig schwer zu beurteilen, wird durch das liegende Osteosynthesematerial in der Bildqualität stark eingeschränkt und neigt tendenziell zu einer Überzeichnung der tatsächlich vorhandenen Pathologie.
4.2.4 Osteomyelitis 4.3
Bei der Beurteilung einer Osteomyelitis ist das MRT das aussagekräftigste bildgebende Verfahren. Speziell kleinere Sequester, kleinere Gaseinschlüsse, Fistelgänge wie auch komplexe knöcherne Veränderungen sind aber aufgrund der höheren Auflösung Indikationen für die Computertomographie (Glaser et al. 2000).
4.2.5 Unklare postoperative
Beschwerden Bei der Beurteilung unklarer postoperativer Schmerzzustände ist in vielen Fällen die Computertomographie der Kernspintomographie überlegen. Die Computertomographie ermöglicht eine exakte Beurteilung der knöchernen Überbauung einer Osteotomie. Mögliche Pseudoarthrosen oder eine verzögerte Knochenheilung lassen sich exakt darstellen. Weiterhin kann ein Metall-
Kernspintomographie
Der hohe Gewebekontrast in Verbindung mit einer immer besser werdenden Ortsauflösung und der multiplanaren Darstellung anatomischer Strukturen hat zu einem immer breiter werdenden Indikationsspektrum der Kernspintomographie im Bereich des Vorfußes geführt. Allerdings sind Schnittführung und Sequenzen inzwischen so vielfältig, dass die Qualität der Kernspinaufnahmen stark verbessert werden kann, wenn der Radiologe mit einer exakten Fragestellung arbeitet. Der Indikationsbereich der Kernspintomographie am Vorfuß umfasst folgende Fragestellungen: ▬ Morton-Neurom ▬ Osteonekrose ▬ Stressfrakturen ▬ Knorpelschäden ▬ Frühdiagnose einer entzündlichen Gelenkerkrankung ▬ Knochenödeme
4
32
Kapitel 4 · Bildgebung
▬ ▬ ▬ ▬
Infektionen Diabetische Neuroarthropathie Trauma Erkrankungen von Sehnen, Bändern und Gelenkkapsel ▬ Tumoren
4
4.3.1 Morton-Neurom
Es steht außer Frage, dass nicht jeder Neuromverdacht einer kernspintomographischen Abklärung bedarf. Bei klinisch unklarer Symptomatik können inzwischen mithilfe des MRT selbst diskrete Veränderungen am plantaren Nerven dargestellt werden (Williams et al. 1997). Es findet sich nicht immer eine Auftreibung des Nerven, regelmäßig besteht nur eine Fibrosierung in Verbindung mit fibrovaskulärem Reizgewebe (⊡ Abb. 4.6).
⊡ Abb. 4.6 MRT-Vorfuß mit Morton-Neurom
4.3.2 Osteonekrose
Die Kernspintomographie ist das sensitivste Verfahren zur Darstellung von Durchblutungsstörungen im Knochen (Taylor et al. 1993). Typische Manifestationen von Osteonekrosen am Vorfuß sind das Metatarsale-II-Köpfchen, die Sesambeine sowie postoperativ das MetatarsaleI-Köpfchen. Kennzeichen der Osteonekrose ist die fehlende Kontrastmittelaufnahme (⊡ Abb. 4.7).
4.3.3 Stressfrakturen
Die akute Stressfraktur entgeht regelmäßig der konventionellen Röntgenaufnahme. Vor allem bei Sportlern, aber auch bei Berufstätigen mit hoher körperlicher Belastung ist eine rasche Diagnose und rasche Behandlung notwendig. Aufgrund der umfassenden Abbildung
33 4.3 · Kernspintomographie
auch möglicher anderer Schmerzursachen sehen wir die Kernspintomographie als das überlegene diagnostische Verfahren bei der Frage Stressfrakturen an, verglichen mit der Computertomographie. Beispielsweise kann mit dem MRT bereits ein überlastungsbedingtes Knochenödem dargestellt werden, auch wenn noch keine Unterbrechung von Knochenstrukturen vorliegt (Muthukumar et al. 2005)).
4.3.4 Knorpelschäden
Knorpelschäden am Großzehengrundgelenk werden immer wieder nach Turf-toe-Verletzungen (axiales Trauma bei Hyperextensionsstellung des Großzehengrundgelenks) beobachtet. Bei anhaltenden Beschwerden im Großzehengrundgelenk nach einer Turf-toe-Verletzung zeigt das Dünnschicht-MRT das exakte Ausmaß der Weichteilverletzung (Crain et al. 2008). Aufgrund der zunehmenden therapeutischen Möglichkeiten durch die Arthroskopie des Metatarsophalangealgelenks hat diese Fragestellung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.
4.3.5 Frühdiagnose einer entzündlichen
Gelenkerkrankung Lange bevor Zeichen einer entzündlichen Gelenkerkrankung im konventionellen Röntgenbild sichtbar werden,
lassen sich diese Veränderungen durch die Kernspintomographie darstellen. Bei unklarer Symptomatik ist daher die Kernspintomographie ein hilfreiches Verfahren um die laborchemische Diagnostik zu ergänzen (Weishaupt et al. 1999).
4.3.6 Knochenödeme
Knochenödeme können Ursache anhaltender Beschwerden im Bereich des Fußes sein und sind mit keiner anderen Bildgebung darstellbar. Zu unterscheiden sind Knochenödeme aufgrund von Trauma und Überlastung, bei Ischämie, Tumor oder Entzündung beziehungsweise das Knochenmarködem als eigenständige Erkrankung (Schmid et al. 2002).
4.3.7 Infektionen
Die Kernspintomographie ermöglicht eine exakte Darstellung von Osteomyelitiden und Weichteilabszessen. Im Vergleich zu anderen Verfahren kann mit der Kernspintomographie die Ausdehnung der Entzündung bzw. deren Abgrenzung zum gesunden Gewebe sehr genau dargestellt werden. Probleme bereitet immer wieder die Abgrenzung der diabetischen Neuroarthropathie gegenüber von Infekten (Ledermann et al. 2002).
⊡ Abb. 4.7 MRT-Vorfuß bei Sesambeinnekrose mit Kontrastmittel. Das nekrotische und frakturierte Sesambein zeigt keine Kontrastmittelaufnahme
4
34
Kapitel 4 · Bildgebung
4.3.8 Diabetische Neuroarthropathie
4
Kernspintomographisch finden sich bereits im Stadium 0 (Prodromalstadium) Weichteilödeme, Gelenkerguss, Gelenksubluxationen, Infraktionen und intraossäre Ödeme. Im Stadium I nach Eichenholtz (Destruktion, Fragmentation) nehmen die Ödeme (»bone bruise«) zu. Osteonekrosen und beginnende Arthrosezeichen lassen sich darstellen. Im Stadium II (Sinterung) nimmt das Knochenödem ab, Deformierungen und Instabilitäten treten hinzu. In Stadium III (Konsolidierung) reduzieren sich Ödem und Ergussbildung weiter, Residualbefunde lassen sich aber anhaltend nachweisen. Es besteht meist eine ausgeprägte Arthrose und Deformität, schwerste Fehlstellungen erschweren die anatomische Zuordnung in den Schnittbildern (Teichmann u. Sabo 2009).
4.3.9 Trauma
Kapselbandverletzungen des Tarsometatarsale-I-Gelenks sind häufig nur mithilfe der Kernspintomographie darstellbar. Besonderes Augenmerk ist auf das Lisfranc-
Ligament zu richten sowie auf diskrete Subluxationsstellungen der Lisfranc-Gelenkreihe. Eine umfassende Darstellung ermöglicht die Kernspintomographie auch bei Kapselbandverletzungen am Großzehengrundgelenk (⊡ Abb. 4.8; Macmahon et al. 2009).
4.3.10 Erkrankungen von Sehnen, Bändern
und Gelenkkapsel Gelenkkapsel, Sehnen und Bänder sowie deren Pathologie können in der Kernspintomographie bei Einsatz hochauflösender Techniken gut visualisiert werden. Intakte Sehnen und Bänder zeigen im MRT-Bild aufgrund des weitgehenden Fehlens freier Wasserstoffprotonen eine niedrige Signalintensität in allen Untersuchungstechniken. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Abbildung der relevanten anatomischen Strukturen in verschiedenen Ebenen bei ausreichend geringer Schichtdicke sowie der Vergleich zwischen T-I- und T-II-gewichteten Sequenzen nativ und zwischen den T-I-gewichteten Sequenzen nach Kontrastmittelgabe (Lucas et al. 1997).
4.3.11 Tumoren
Auch wenn mithilfe der Kernspintomographie keine exakte Differenzierung zwischen malignen und benignen Tumoren möglich ist, bietet das Verfahren eine wertvolle Hilfestellung zur präoperativen Planung. Hinweise auf maligne Tumoren sind eine unscharfe Abgrenzung bzw. eine Infiltration des umliegenden Gewebes, die Ummauerung von Gefäßen und Nerven sowie eine Destruktion knöcherner Strukturen (Zanetti u. Weishaupt 2005). Generell sollte bei jeder nicht klar als benigne einzustufenden Weichteilraumforderung eine Biopsie unter der Annahme eines Malignoms durchgeführt werden, wobei die Aufgabe der Kernspintomographie in der Festlegung des optimalen Biopsieortes und des operativen Zugangsweges liegt.
4.4
⊡ Abb. 4.8 MRT-Großzehengrundgelenk bei Ruptur des lateralen Kapselbandapparats nach Turf-toe-Verletzung
Sonographie
Als klassisches Verfahren in der Weichteildiagnostik hat die Sonographie auch am Fuß einen festen Stellenwert. Sie ist Verfahren der Wahl zur Darstellung von Sehnen und Sehnenscheiden, von pathologischen Prozessen im Bereich der Haut und Weichteile sowie zur Bildgebung von Bursen und teilweise auch von Gelenken. Darüber hinaus kann die Sonographie sowohl zur Kontrolle und Steuerung von Punktionen eingesetzt werden als auch als Auswahlverfahren, wenn eine MRT-Untersuchung, z.B.
35 4.5 · Szintigraphie
bei liegendem Metall, nicht möglich ist. In der Regel werden am Fuß Linearschallköpfe mit einer Frequenz von 7,5 MHz oder mehr verwendet. Ist eine plane Auflage des Schallkopfes nicht möglich, empfiehlt sich der Einsatz einer Vorlaufstrecke (McNally 2008).
4.4.1 Sehnen
Sehnen besitzen eine homogene, fibrilläre Binnenstruktur und sind im Ultraschallbild in beiden Ebenen gut abgrenzbar. Auch nicht entzündlich veränderte Sehnenscheiden enthalten eine geringe Menge von Flüssigkeit, die sich als dünnes, echofreies Band um die Sehne darstellt. Bei der Peritendinitis zeigt sich eine Flüssigkeitsansammlung im Bereich der Sehnenscheide, im Querschnitt besitzt die Sehne einen echofreien Hof. Veränderungen des Sehnengewebes selbst zeigen sich durch eine Verdickung der Sehne sowie durch eine Konturunterbrechung bzw. durch eine unregelmäßige Oberflächenstruktur. Die Binnenstruktur der Sehne ist stark vom Einfallwinkel des Schalles abhängig. Bei der Interpretation von Änderungen in der Binnenstruktur ist daher größte Vorsicht geboten.
4.4.2 Bänder und Gelenke
Mit hochfrequenten Schallköpfen lassen sich Verletzungen des Kapselbandapparats am Großzehengrundgelenk oder Läsionen der plantaren Platte darstellen (⊡ Abb. 4.9).
Weiterhin ermöglicht der Ultraschall als einziges bildgebendes Verfahren die dynamische Darstellung von Gelenken, beispielsweise die Abbildung der vermehrten Translation bei einer instabilen zweiten Zehe. Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Darstellung kleinster Knorpelveränderungen der Ultraschall eine ähnliche Sensitivität besitzt wie die Kernspintomographie. Damit hat der Ultraschall einen großen Stellenwert in der Diagnostik entzündlicher Gelenkerkrankungen. Die Möglichkeit der Darstellung einer lokalen Hyperämie durch die Powerdopplersonographie ist bei Infekten ebenso hilfreich wie bei der Verlaufskontrolle von entzündlichen Gelenkerkrankungen.
4.5
Szintigraphie
Wie bei anderen orthopädischen Fragestellungen wird die Skelettszintigraphie am Vorfuß grundsätzlich als 3-Phasen-Szintigraphie durchgeführt (Delcourt et al. 2005). Hierbei wird dem Patienten ein 99mTc-markierter Diphosphonatkomplex (Technetium) als Bolus injiziert. In der 1. Phase der arteriellen Anflutung werden Bilder in schneller Sequenz mithilfe der Gammakamera angefertigt. In der 2. Phase, der venösen oder auch Weichteilphase, circa 3–15 min nach der Injektion wird die lokale Blutfülle szintigraphisch erfasst. Die 3. Phase, die Mineralisationsphase, stellt den Osteoblastenstoffwechsel ca. 2–3 h nach Injektion des Radiopharmakons dar. Der in der Mineralisationsphase abgebildete Osteoblastenstoff-
⊡ Abb. 4.9 Sonographie mit erhöhtem Blutfluss am Metatarsale-II-Köpfchen f bei gestörtem Metatarsaleindex und klinischer Metatarsalgie
4
36
Kapitel 4 · Bildgebung
wechsel zeigt die Reaktion des Knochens auf die Läsionen. Indikationen der 3-Phasen-Skelettszintigraphie am Fuß sind: ▬ Frakturen, insbesondere Stressfrakturen ▬ Arthrose und Arthritis ▬ Entzündungsdiagnostik mit der Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen Weichteilinfekten und knöcherner Beteiligung
4
Ist durch die 3-Phasen-Skelettszintigraphie keine eindeutige Unterscheidung zwischen Osteitis und nicht entzündlichen Erkrankungen möglich, kann die Aussagekraft durch eine Entzündungsszintigraphie verbessert werden (Rubello et al. 2004). Hierbei werden monoklonale Antikörper bzw. deren Fragmente eingesetzt, die sich an Granulozyten im Blut anheften (⊡ Abb. 4.10). Zusammenfassend kann aber festgehalten werden, dass die Szintigraphie in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren hat. Bei der Mehrzahl der Fragestellungen bietet die Kernspintomographie mit Kontrastmittel eine wesentlich bessere Aussagekraft, bei fehlender Strahlenbelastung und besserer Verfügbarkeit.
⊡ Abb. 4.10 Leukozytenmarkiertes Szintigramm des Vorfußes bei Infekt nach Vorfußoperation
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5
Konservative Therapiemöglichkeiten bei orthopädischen Vorfußerkrankungen Stephan Maibaum, Heidelberg Stefan Korn, Heidelberg Desiderius Sabo, Heidelberg
5.1
Hilfsmittel
– 38
5.2
Pedobarographie (Fußdruckmessung) und Laufbandanalyse – 39
5.3
Lokale Applikationen – 41
5.4
Physiotherapie
5.5
»Rendez-vous-System« zwischen Arzt und Physiotherapeut – 41
– 41
38
Kapitel 5 · Konservative Therapiemöglichkeiten bei orthopädischen Vorfußerkrankungen
5.1
Hilfsmittel
zweck muss die Zehenorthese nach Möglichkeit mehr als 12 von 24 h täglich getragen werden.
5.1.1 Einlagen Tipp
5
Orthopädische Einlagen werden nach ärztlicher Rezeptur u.a. aus Kork, Leder, thermoplastischen Kunststoffen und/oder Metall nach Maß oder Gipsabdruck in manueller Arbeit oder aus vorkonfektionierten Rohlingen angefertigt. Der Erfolg der Einlagenbehandlung ist wesentlich von der Passform und damit insbesondere von der konsequenten Nutzung abhängig. Einlagen können je nach Ausarbeitung zur Druckentlastung, zur Fehlstellungskorrektur, zum Beinlängenausgleich und/oder zur axialen Stoßdämpfung verwandt werden. Der klassische Formabdruck erfolgt heute weitgehend über einen Schaumabdruck. Aktuelle Analysemethoden wie die Pedobarographie können über eine digitale Analyse der erreichten Fußdrücke (Digitizer) ebenfalls zur Einlagenversorgung verwendet werden und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Das korrigierte Fußprofil wird dann mittels einer Computerfräse exakt ausgearbeitet. Tipp
I
I
Ideal ist es, Einlagen in alle Schuhe einpassen zu lassen, da d so das d erforderliche f d li h W Wechseln h l d der Einlagen Ei l entt fällt und damit die Verwendungshäufigkeit steigt.
Im Vorfußbereich sind Metatarsus-primus-varus-Fehlstellung, Hallux valgus, Hallux rigidus und Kleinzehendeformitäten insbesondere in den frühen Erkrankungsstadien bei noch erhaltener Flexibilität der Gelenke durch Einlagen gut zu beeinflussen. In den fortgeschrittenen Stadien mit Gelenkrigidität und teilweise vorliegenden (Sub-)Luxationen sowie den häufig begleitenden Pes-plano-valgus-Fehlstellungen dient die Einlagenversorgung im Wesentlichen der Fußbettung, um Druckstellen und ein Fortschreiten der Deformität zu vermeiden. Weitere typische Anwendungen sind Beschwerden bei MortonNeurinom, Stressreaktionen oder Stressfrakturen sowie Sesambeinentzündungen/oder -frakturen.
5.1.2 Orthesen
Orthesen für den Fuß sind orthopädieschuhtechnische Arbeiten, die verloren gegangene Funktionen erkrankter Gliedmaßen ersetzen oder korrigieren. Für den Vorfußbereich kommen im Wesentlichen Hallux-valgus-Nachtlagerungsschienen in verschiedenen Ausführungen zum Einsatz. Sie dienen auch zur postoperativen Sicherung des OP-Korrekturergebnisses. Für diesen Verwendungs-
I
I
Verfügbar sind starre Modelle mit Klettverschluss oder seit kurzer Zeit auch Gelenkorthesen, die bei guter Z ti Zentrierung ideal id l eine i frühe f üh funktionelle f kti ll postoperative t ti Nachbehandlung ermöglichen.
Zur Korrektur von Krallenzehen ist die plantare Zehenstreckorthese verfügbar, für semirigide Hammerzehen eine Hammerzehenkorrekturorthese. Vorwiegend aus Silikon und ähnlichen Weichmaterialien werden interdigitale Spreizpolster, Platzhalter und Zehenüberzieher gefertigt, die Druckschäden im Schuh vermeiden helfen, allerdings nur geringen Effekt auf die ursächliche Deformität selbst ausüben können.
5.1.3 Orthopädische Schuhzurichtungen
Zurichtungen am Konfektionsschuh können am Absatz, an der Lauf- und Brandsohle, an Vorder- und Hinterkappe sowie am Schaft durchgeführt werden. Die Beeinflussung von Pathologien am Vorfuß wird in erster Linie durch den Einbau von Abrollhilfen (Mittelfußrolle, Ballenrolle, Zehenrolle, Schmetterlingsrolle nach Marquardt, sowie Sohlen(-teil-)versteifung, Aussparungen oder Weichbettung) erreicht. Tipp
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I
Eine enge Zusammenarbeit mit dem Orthopädieschuhtechniker eröffnet meist konservative und perioperative Behandlungsoptionen, Behandlungsoptionen die die Patienten dankbar annehmen. Verantwortungsvolle Fußchirurgen werden trotz enger Zeit- und Budgetgrenzen aktiv die Kommunikation mit diesen wichtigen Kooperationspartnern t suchen h und dd damit it sicher i h auch hd den eigei nen Kenntnisstand erweitern.
Hier soll nicht auf weitere spezielle Anwendungen wie orthopädische Innenschuhversorgungen, die im Konfektionsschuh getragen werden, eingegangen werden. Diese Hilfsmittel finden ihre Anwendung im Wesentlichen bei Lähmungen, Arthrosen oder Arthrodesen des Rückfußes sowie bei Amputationen. Diabetiker und Rheumatiker bedürfen im Vollbild der Erkrankung einer regelmäßigen orthopädietechnischen Versorgung. Auch bei gering ausgeprägten klinischen Befunden ist gerade bei diesen beiden systemischen Erkrankungen die sorgfältigste Hilfs-
39 5.2 · Pedobarographie (Fußdruckmessung) und Laufbandanalyse
mittel- und Schuhversorgung unerlässlich. Als Einstieg in die umfangreiche Literatur der Orthopädieschuhtechnik sei die Zusammenfassung von Stinus und Baumgartner angegeben (Stinus u. Baumgartner 2002).
5.2
Pedobarographie (Fußdruckmessung) und Laufbandanalyse
Die Pedobarographie (oder Pedographie) ist die elektronische Belastungsmessung zur statischen und dynamischen Druckmessung des Fußes (⊡ Abb. 5.1a, b). Die Werte werden über eine Bodenplatte oder über eine
Einlegesohle ermittelt. Da die Messdaten telemetrisch übertragen werden können, ist eine sehr praxisnahe Belastungsanalyse unter Feldbedingungen möglich. Eine Laufbandanalyse erfolgt mit hochauflösenden Videokameras (ggf. mit Hilfe standardisierter Marker an prominenten Regionen von Fuß, Knie und Hüftgelenk) und untersucht die Bewegungsmuster des Fußes im Gehen oder Laufen. Es wird unterschieden zwischen der beobachteten (subjektiven) und der instrumentellen (objektiven) Ganganalyse (Jöllenbeck 2009). Je nach Ausrichtung und Aufwand sowie Zahl der platzierten Marker wird diese Untersuchung auch als Bewegungs- oder Ganganalyse durchgeführt. Die Laufgeschwindigkeit ist individuell einstellbar (⊡ Abb. 5.2).
a
b
⊡ Abb. 5.1a, b Fußdruckmessung (Pedobarographie) mit Darstellung von Belastungsspitze und -verlauf
5
40
Kapitel 5 · Konservative Therapiemöglichkeiten bei orthopädischen Vorfußerkrankungen
5
⊡ Abb. 5.2 Laufbandanalyse
2–7 Kameras nehmen den Bewegungsablauf auf und übermitteln die Daten an das Analysesystem. Zunächst läuft der Proband barfuß, anschließend mit Schuhen. Die Laufbandbewegungsanalyse gehört in die Hände von medizinisch ausgebildeten Spezialisten (Döderlein 2002). Die Auswertung des Slow-motion- oder Standbildes kann sehr deutlich Supinations- oder Hyperpronationsfehler aufzeigen. Sie hat ihren festen und originären Stellenwert in der Behandlung von Patienten mit neurologisch bedingten Fußdeformitäten und Fehlfunktionen (z.B. ICP, periphere Lähmungen etc.). In der ambitionierten Beratung von Sportlern haben beide Techniken zwischenzeitlich auch einen unverzichtbaren Stellenwert erreicht. Die Kombination von Pedobarographie und Laufbandanalyse kann dem Läufer zur Unterstützung der Laufschuhauswahl dienen (⊡ Abb. 5.3a–d). Ziel ist in der Regel eine lauftechnische
a
b
c
d
⊡ Abb. 5.3a–d Laufbandanalyse zur Unterstützung der Laufschuhauswahl
41 5.5 · »Rendez-vous-System« zwischen Arzt und Physiotherapeut
Beratung und die Einarbeitung einer stützenden Versorgung. Unterstützend wird die Laufbandanalyse eingesetzt, um den Trainingseffekt nach muskulären Defiziten, wie z.B. beim Jogger-Knie, im Verlauf zu kontrollieren oder die Rehabilitationsphase nach Verletzungen im Leistungssport zu verfolgen.
5.3
Lokale Applikationen
Bei akuten Entzündungen sind kühlende Anwendungen wie Rivanol-Umschläge, Umschläge mit basischem Badesalz, Zinkleimverbände oder leicht gekühlte Quarkwickel anzuwenden. Tipp
I
I
Der Physiotherapie stehen hierbei verschiedene Instrumente zur Verfügung. Durch krankengymnastische und trainingstherapeutische Übungen zur Muskelkräftigung sowie durch Koordinations- und Stabilisationsübungen kann der Therapeut auf statische Probleme des Patienten Einfluss nehmen. Neben dieser aktiven oder assistierten Bewegungstherapie sind auch passive Maßnahmen hilfreich. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Inhalte der Manuellen Therapie zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeiten. Ergänzend können abschwellende oder durchblutungsbzw. stoffwechselfördernde Techniken zuträglich sein und zu einer Schmerzlinderung beitragen. Maßnahmen der Physikalischen Therapie komplettieren die konservative Therapie. Tipp
Operationsbedingte Schwellungszustände sind selbstverständlich engmaschig zu kontrollieren. Gegebenenfalls sind die bekannten orthopädischen Grundsätze zur Eingrenzung einer potentiellen Infektion (Laborund d TTemperaturbestimmung, t b ti Abstrichentnahme Ab t i h t h und/ d/ oder Punktion zur Keimgewinnung) anzuwenden.
Bei chronischen Entzündungen kommen Salbenumschläge (z.B. DMSO, Voltaren, Enelbin) zur Anwendung. Funktionelle Tapeverbände und Kinesio-Taping können auch am Vorfuß gut eingesetzt werden. Zusätzliche Maßnahmen wie Röntgenentzündungsbestrahlung (z.B. bei arthrotisch-degenerativ-entzündlichen Veränderungen), Pulsierende Magnetfeldtherapie (z.B. bei Stressreaktionen), Laser- oder Stoßwellentherapie (z.B. bei Sehnenansatzreizungen) und/oder Infiltrationen an den Ort des Schmerzpunktes oder in ein Gelenk mit pflanzlichen Wirkstoffen und/oder mit Kortikosteroiden werden in zahlreichen Kombinationen angewandt. Die standardisierte Beurteilung von Behandlungsergebnissen ist bisher nicht weit verbreitet, sodass es kaum möglich ist, »wasserdichte« Darstellungen einer konservativen Behandlungspalette anzugeben. Sehr viel persönliches und empirisches Wissen ist erforderlich, um die beste lokale Therapieoption anwenden zu können.
5.4
I
I
Physiotherapiemaßnahmen werden im Idealfall im Rahmen eines engen Austausches zwischen Arzt und Physiotherapeut (»Rendez-vous-System«) (»Rendez vous System«) fest festgelegt. Der Zeitbedarf dafür ist gering. Kenntnisse über die Prognose des medizinischen Problems sind allerdings wichtig, ebenso natürlich auch die Bereitschaft sich auf einen anderen Blickwinkel bei d Betrachtung der B t ht d des medizinischen di i i h Problems P bl eini zulassen.
5.5
»Rendez-vous-System« zwischen Arzt und Physiotherapeut
5.5.1 Hallux valgus
Ärztliche Therapie Akut: Bursa-Punktion, Infiltrationen in das Grundge-
lenk und/oder Schleimbeutel, lokale Umschläge (z.B. Rivanol-Lösung), nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. Diclofenac) Chronisch: Hallux-valgus-Nachtschiene, Gelenkorthese,
Einlagenversorgung, Schuhzurichtung, Röntgenentzündungsbestrahlung
Physiotherapie Physiotherapie
In der konservativen Therapie von orthopädischen Vorfußerkrankungen sind physiotherapeutische Maßnahmen ein zentraler Bestandteil. Sie gehen im Wesentlichen auf die strukturellen Störungen bzw. Schädigungen des Gewebes ein und dienen der Regeneration und Wiederherstellung der bestmöglichen oder vollen Funktion.
Ziele: Schmerzlinderung oder -beseitigung, Korrektur
der Achsenfehlstellung der Großzehe im funktionellen Kontext des gesamten Fußes, Verbesserung der funktionellen Mobilität und Stabilisierung des Großzehengrundgelenks, Optimierung der lokalen Stoffwechselsituation, Realisierung eines physiologischen Gangbildes
5
42
Kapitel 5 · Konservative Therapiemöglichkeiten bei orthopädischen Vorfußerkrankungen
Therapieverfahren: Elektrotherapie (Iontophorese), Eis-
anwendung (Kurzzeiteis), Taping, Kinesio-Taping, bequemes Schuhwerk, Manuelle Therapie zur Verbesserung der Beweglichkeit und zur Entlastung des Knorpels und des subchondralen Bereichs (Traktion, Kompression, Mobilisation), Muskelkräftigung der Fußmuskulatur v.a. zur Stabilisierung der medialen Längswölbung und vorderen Querwölbung, Übungen der Spiraldynamik (Larsen 2006) zur Formung des Längs- und Quergewölbes, Propriozeptives Training
5
5.5.2 Hallux rigidus
zwischen Agonist und Antagonist, Tonussenkung der plantaren Muskulatur, Realisierung eines physiologischen Gangbildes Therapieverfahren: Elektrotherapie, Eisanwendung (Kurzzeiteis), Fixation und Redression durch Taping, bequemes Schuhwerk, Manuelle Therapie zur Verbesserung der Extension im proximalen Interphalangealgelenk passiv durch Traktion (Stufe I–II) mit Dehnung der Zehenflexoren, Muskelkräftigung durch Koordinatives Training, Übungen der Spiraldynamik (Larsen 2006) zur Formung des Längs- und Quergewölbes, Weichteiltechniken (z.B. Querfriktion, -dehnung) zur Tonussenkung, Verbesserung der Fußstatik durch funktionelles Beinachsentraining, Propriozeptives Training
Ärztliche Therapie Eigenständige Mobilisation, Eisbehandlung, Röntgenentzündungsbestrahlung, intraartikuläre Injektion (Supertendin Depot N 1 ml), Fußbäder mit basischem Badesalz, Zinkleimverband, Rivanol-Umschlag, Einlagenversorgung mit Hallux-rigidus-Feder, Schuhzurichtung (Abrollhilfe)
Physiotherapie Ziele: Schmerzlinderung, Verbesserung der Funktion der
Großzehe (Grundgelenk und IP-Gelenk), Verbesserung des lokalen Stoffwechsels, Gangbildverbesserung Therapieverfahren: Elektrotherapie (Iontophorese), Eis-
anwendung (Kurzzeiteis), Taping, Kinesio-Taping, bequemes Schuhwerk. Manuelle Therapie, Muskelkräftigung, Übungen der Spiraldynamik (Larsen 2006) zur Formung des Längs- und Quergewölbes, Propriozeptives Training
5.5.3 Krallen-/Hammerzehen
Ärztliche Therapie
5.5.4 Sesambeinfraktur
Ärztliche Therapie Grundvoraussetzung für die Therapie ist ein abnehmbarer Verband mit Immobilisation für 4–6 Wochen. Bei lokaler Entzündung entstauende Kältetherapie, Umschläge mit basischem Badesalz. Lokale Injektionsbehandlung mit 1 ml Bupivacain 0,25%/1 ml Traumeel, systemische Medikation (Diclofenac 50 3x1/d für 8 Tage), ggf. Lowdose-Heparinisierung, Tapeverband, Vorfußentlastungsschuh und Entlastung an Gehstützen für 3 Wochen, Einlagenversorgung mit steifer Sohle (Limitierung für Beugung der Großzehe für 4 Wochen)
Physiotherapie Ziele: Schmerzlinderung oder -beseitigung, Resorption
des Hämatoms und Ödems, Inhibition der Entzündung, Optimierung des lokalen Stoffwechsels, Thromboseprophylaxe, Erhalt und Wiederherstellung der Funktion der Fuß- bzw. Beinmuskulatur und des Bewegungsausmaßes, Realisierung eines physiologischen Gangbildes, Tonussenkung der überlasteten Strukturen
Akut: Lokale Umschläge (z.B. Rivanol), Externaanwen-
dung bei entzündetem/infiziertem Klavus, systemische Antiphlogistika Chronisch: Einlagenversorgung, plantare Zehenstreckor-
these
Physiotherapie Ziele: Schmerzlinderung oder -beseitigung, Korrektur
der Fehlstellung in den Grund-, Mittel- und Endgelenken der Zehen, Verbesserung der funktionellen Mobilität der Gelenke, Ausgleichen der muskulären Dysbalancen
Therapieverfahren
▬ In der Initialphase (Entzündungsphase) Elektrotherapie (Iontophorese), Ultraschall (Phonophorese), Eisanwendung (Kurzzeiteis), Manuelle Lymphdrainage mit ggf. Kompressionsbandagierung, Isometrische Spannungsübungen ▬ In der Proliferationsphase (Kallusbildung) zusätzlich Ultraschall (Phonophorese), passiv-assistive Bewegung im schmerzfreien Bewegungsausmaß (Manuelle Therapie), Muskelkräftigung der kontralateralen Seite, Weichteiltechniken (z.B. Querfriktion, -dehnung) zur Tonussenkung
43 5.5 · »Rendez-vous-System« zwischen Arzt und Physiotherapeut
▬ In der Konsolidierungsphase (Kallusmineralisation) zusätzlich Erarbeiten des physiologischen Gangbildes (z.B. PNF), Stabilisierungs- und Koordinationstraining, Ergometertraining (Verbesserung der allgemeinen Ausdauer) ▬ In der Organisations- und Umbauphase (Kallusreifung) zusätzlich gezielte medizinische Trainingstherapie zum Ausgleich muskulärer Dysbalancen (List 2009), spezifisches Training zur Wiederherstellung der vollen individuellen Belastbarkeit (u.a. sportartspezifisch)
5.5.5 Stressfraktur
Prinzipiell ist zwischen einer Stressfraktur und einer Stressreaktion zu unterscheiden. Wichtig ist daran zu denken, dass es diese Verletzungen gibt und frühzeitig zur Diagnosesicherung eine MRT-Untersuchung oder Szintigraphie veranlasst wird, da das Röntgenbild oft unauffällig ist. Diese Verletzungen sind häufiger als angenommen (ca. 2% aller Frakturen! [Maibaum et al. 2006]). Die Diagnose erfolgt häufig verzögert oder retrospektiv.
Therapieverfahren
▬ In der Initialphase (Entzündungsphase) Elektrotherapie (Iontophorese), Ultraschall (Phonophorese), Eisanwendung (Kurzzeiteis), Manuelle Lymphdrainage mit ggf. Kompressionsbandagierung, Isometrische Spannungsübungen ▬ In der Proliferationsphase (Kallusbildung) zusätzlich Ultraschall (Phonophorese), passiv-assistive Bewegung im schmerzfreien Bewegungsausmaß (Manuelle Therapie), Muskelkräftigung der kontralateralen Seite, Weichteiltechniken (z.B. Querfriktion, -dehnung) zur Tonussenkung ▬ In der Konsolidierungsphase (Kallusmineralisation) zusätzlich Erarbeiten des physiologischen Gangbildes (z.B. PNF), Stabilisierungs- und Koordinationstraining, Ergometertraining (Verbesserung der allgemeinen Ausdauer) ▬ In der Organisations- und Umbauphase (Kallusreifung) zusätzlich gezielte medizinische Trainingstherapie zum Ausgleich muskulärer Dysbalancen, spezifisches Training zur Wiederherstellung der vollen individuellen Belastbarkeit (u.a. sportartspezifisch)
5.5.6 Morton-Neuralgie
Ärztliche Therapie ▬ Bei Stressreaktionen Entlastung der betroffenen Region (2 UAG) für 3–6 Wochen, sportartspezifische Trainingspause je nach Lokalisation, Magnetfeldtherapie ▬ Bei Stressfrakturen Immobilisation im Brace (Kunststoffgips) oder Spezialschuh für 4–6 Wochen je nach Lokalisation, Entlastung (2 UAG) für 6–12 Wochen, Magnetfeldtherapie, ggf. auch operative Stabilisierung bei Metatarsalefrakturen, da in diesem Bereich die Durchblutungssituation ungünstig für eine konservative Behandlung ist. Begleitende Komplextherapie. Medikamente: Calcitonin-Nasenspray 2 Hübe pro Tag, Vit. D 3 1000 1x1 für 6 Wochen, Calcium 1000 Brausetabletten 1x1 für 6 Wochen, Bisphosphonat Tbl. oder Infusion, Low-dose-Heparinisierung
Ärztliche Therapie Einlagenversorgung mit Wiederherstellung des Quergewölbes, passende, bequeme Schuhe (Greitemann 2009), Infiltration mit z.B. Carbostesin 0,25% und Triamcinolon 20–40 mg bei anhaltenden Beschwerden 3x in 2-wöchentlichen Abständen in den betroffenen Zehenzwischenraum (⊡ Abb. 5.4). Ausschluss einer Stressfraktur durch MRT!
Physiotherapie Ziele: Schmerzlinderung oder -beseitigung, Resorption
des Hämatoms und Ödems, Inhibition der Entzündung, Optimierung der Stoffwechselsituation, Thromboseprophylaxe, Erhalt und Wiederherstellung der Funktion der Fuß- bzw. Beinmuskulatur und des Bewegungsausmaßes, Realisierung eines physiologischen Gangbildes, Tonussenkung der überlasteten Strukturen
⊡ Abb. 5.4 Injektion in den Interdigitalraum von streckseitig
5
44
Kapitel 5 · Konservative Therapiemöglichkeiten bei orthopädischen Vorfußerkrankungen
Physiotherapie Ziele: Schmerzlinderung oder -beseitigung, Erhalt und
Wiederherstellung der Funktion der Fuß- bzw. Beinmuskulatur und des Bewegungsausmaßes, Realisierung eines physiologischen Gangbildes Therapieverfahren: Elektrotherapie (Iontophorese), Eisan-
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wendung (Kurzzeiteis), Kinesio-Taping, bequemes Schuhwerk, Manuelle Therapie zur Mobilisierung des vorderen Quergewölbes und der Metatarsalia I–IV, gezielte medizinische Trainingstherapie im schmerzfreien Bereich (u.a. Kräftigung der Fußmuskulatur), Übungen der Spiraldynamik (Larsen 2006) zur Formung des Längs- und Quergewölbes, Weichteiltechniken (z.B. Querfriktion, -dehnung)
Literatur Döderlein L (2002) Bewegungsanalyse. In: Wirth CJ (Hrsg) Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Fuß. Thieme, Stuttgart, S 23–32 Greitemann B (2009) Sportschuhe und orthopädietechnische Versorgung. In: Valderrabano V, Engelhardt M (Hrsg) Fuß und Sprunggelenk und Sport. Deutscher Ärzte Verlag, Köln, S 381–389 Jöllenbeck T (2009) Gang- und Laufbandanalyse In: Valderrabano V, Engelhardt M (Hrsg) Fuß und Sprunggelenk und Sport. Deutscher Ärzte Verlag, Köln, S 63–75 Larsen C (2006) Füße in guten Händen. Spiraldynamik – programmierte Therapie für konkrete Resultate. Thieme, Stuttgart New York List M (2009) Physiotherapie in der Traumatologie, 5. Aufl. Springer, Heidelberg Maibaum S, Braun M, Jagomast B, Kucera K ( 2006) Therapielexikon der Sportmedizin. Springer, Heidelberg Stinus H, Baumgartner R (2002) Orthopädieschuhtechnik. In: Wirth CJ (Hrsg) Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Fuß. Thieme, Stuttgart, S 69–110
6
Operative Therapie – 1. Strahl Marc Thomsen, Baden-Baden Desiderius Sabo, Heidelberg Manfred Thomas, Augsburg Gebhard Suger, Ulm Christina Erdle, Ulm
6.1
Hallux rigidus – 46
6.2
Metaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Chevron-Osteotomie) – 52
6.3
Meta-diaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Scarf-Osteotomie) – 56
6.4
Proximale Osteotomien des Metatarsale I – 62
6.5
Die Arthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese) – 68
6.6
Minimal-invasive Osteotomien – 74
6.7
Phalangeale Osteotomie des 1. Strahles (Akin-Osteotomie) – 81
46
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
6.1
Hallux rigidus
Marc Thomsen, Baden-Baden
6
Der Hallux rigidus ist eine zunehmende Einsteifung im Großzehengrundgelenk, beginnend mit der schmerzhaften Einschränkung der Dorsalextension. In die Entscheidung, welche Operation gewählt wird, sollte immer die Beurteilung des Röntgenbildes mit eingebunden werden. Hier hat sich die Einteilung von Hattrop und Johnson (1988) in 3 Gruppen bewährt: ▬ Grad 1 zeigt radiologisch nur geringe arthrotische Veränderungen. Der Patient stellt sich hauptsächlich wegen einer eingeschränkten Dorsalextension der Großzehen vor. Die Sesambeine sind regulär, aber im Verhältnis zu normalen Sesambeinen minimal vergrößert ▬ Grad 2 ist gekennzeichnet durch eine Verschmälerung des Gelenkspaltes und Hypertrophie des subartikulären Knochens mit Sklerosierung. Der Patient kommt mit schmerzhafter Dorsalextension ▬ Grad 3 betrifft ein radiologisches Endstadium mit fast aufgehobenem Gelenkspalt und Randosteophyten, die zu einer Ummauerung führen. Der Patient hat fast keine Beweglichkeit mehr im Großzehengrundgelenk, klagt aber über Schmerzen Die operative Therapie des Hallux rigidus zielt je nach klinischem und radiologischem Stadium auf unterschiedliche Effekte ab: ▬ Vergrößerung des Bewegungsumfangs oder ▬ Optimierung des Bewegungsumfangs in Richtung eines verbesserten Abrollvorgangs sowie ▬ Reduktion der Schmerzen Sind in frühen Stadien der Erkrankung noch gelenkerhaltende operative Maßnahmen möglich, so sind in weiter fortgeschrittenen Stadien Methoden vorzuziehen, bei denen die Integrität des Großzehengrundgelenks nicht mehr erhalten werden kann. Ein Hallux rigidus Grad 1–2 mit vorwiegend schmerzhaft eingeschränkter Dorsalextension kann durch eine Cheilektomie oder in Erweitung durch eine Operation nach Valenti (Saxena 1995) wieder zu einem vollen Bewegungsausmaß gebracht werden. Wichtig ist, dass mindestens ein Teil der beweglichen Gelenkanteile noch nicht zerstört ist. Bei einem stärker veränderten Großzehengrundgelenk entsprechend einem Hallux rigidus Grad 2–3 muss mit dem Patienten im Gespräch entschieden werden, ob man unter Opferung der Gelenkbeweglichkeit eine Versteifung durchführt und damit in der Regel eine dauerhafte Schmerzfreiheit erzeugen kann. Diese Technik setzt allerdings ein funktionell gutes Großzehenendgelenk voraus.
»Nachteil« der Arthrodese ist die lange Ruhigstellungsphase. Alternativ kann die Grundgliedbasisresektion nach Keller Brandes mit kurzem Ruhigstellungsintervall oder die Implantation einer Großzehengrundgelenksprothese erwogen werden. Die operativen Eingriffe zur Behandlung des Hallux rigidus werden gleichartig in Rückenlagerung und mit Blutsperre gelagert: Zum Ausgleich der Hüftantetorsion ist eine Unterlage (Kissen) unter der lateralen Beckenhälfte erforderlich. Abwaschen und Abdecken erfolgt bis zum Unterschenkel mit Knierolle unter dem Knie. Ausnahme ist die Arthrodese: hier muss das Knie frei gebeugt werden können, um die Stellung im Großzehengrundgelenk optimal auszurichten. Der dorsomediale Zugang wird von uns bevorzugt. Vor jeder Operation wird mit einem sterilen Stift der Hautschnitt und der evtl. auszuschneidende Hautlappen eingezeichnet. Zusätzliche Längsstriche helfen später die Hautnaht optimal wieder zu adaptieren.
6.1.1 Cheilektomie
Prinzipiell werden knöcherne Osteophyten an der dorsalen Begrenzung des Metatarsaleköpfchens in Verlängerung des Metatarsalschaftes abgetragen. Damit wird das knöcherne Impingement der Grundphalanx gegen den dorsalen Anteil des Metatarsalköpfchens reduziert und eine verbesserte Beweglichkeit in Extension erzielt. Viele Autoren, z.B. Coughlin und Shurnas (2003), Hattrup und Johnson (1988) oder Mann und Clanton (1988), sehen in dieser Operationstechnik durch die Verbesserung des Bewegungsumfangs und Reduktion der Schmerzintensität ein ideales Verfahren, um in Frühstadien des Hallux rigidus eine Beschwerdebesserung zu erzielen. Gleichzeitig ist aufgrund der Progredienz der Arthrose nach erfolgter Cheilektomie (Coughlin u. Shurnas 2003) dieses Verfahren eher als Interimslösung zu sehen, da nach Cheilektomie auch alle Rückzugsmöglichkeiten uneingeschränkt gegeben sind. Wir kombinieren die Entfernung der medial und lateral angelegten Osteophyten und Entfernung von 25–35% des Metatarsale-I-Köpfchens in Verbindung mit einer Randosteophytenentfernung des Grundgliedes (Operation nach Valenti, Saxena 1995) mit dem Ziel, eine Extensionsfähigkeit von über 70° zu erreichen. Kapsel und die Sehne des Extensor hallucis longus werden nach lateral gehalten. Die medialen und lateralen Randosteophyten werden mit einer feinen oszillierenden Säge begradigt. Das Großzehengrundgelenk wird unter maximaler Flexion sorgfältig inspiziert. Nur wenn sich in den mittleren
47 6.1 · Hallux rigidus
⊡ Abb. 6.1 Hälftige Resektion des Köpfchens und ¹/₃-Grundgliedbasisresektion
⊡ Abb. 6.2 Fixierung des Vorfußes im »Kramer«-Verband
und unteren Anteilen des Gelenks gute knorpelige Flächen zeigen ist es sinnvoll, die Cheilektomie fortzusetzen. Hierzu wird etwa auf einem Drittel des Gelenkkopfes schräg nach proximal dorsal mit einer feinen Säge osteotomiert!
Ausgiebige Spülung, Eröffnen der Blutsperre und Elektrokollation kleinerer Blutung, Kapselnaht, Hautnaht, steriler Verband in Kramertechnik (Kramer 1990; ⊡ Abb. 6.2). Die Nachbehandlung bis zum 3. postoperativen Tag erfordert einen Redressionsverband. Danach folgt der Wechsel auf einen Pflasterverband und die Mobilisation im möglichst weiten bequemen Schuh, um der postoperativen Schwellung Raum zu geben. Entfernung der Fäden nach 14 Tagen. Passagere Hochlagerung des Fußes. Passive und aktive Übung (Extension/Flexion) mit Schwerpunkt auf der Dorsalextension sollte schon in der Frühphase beginnen.
Tipp
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Unseres Erachtens sollte ein Osteotom gemieden werden, da hierunter die Gefahr einer Fraktur deutlich höher ist ist. Um den Effekt der verbesserten DorsalextenDorsalexten sion zu verstärken, wird der Rand der Basis des Grundgliedes dorsalseitig ebenfalls mit dem Luer entfernt. In der etwas weitergehenden Operation nach Valenti (Saxena 1995) wird hier vergleichbar mit der ¹¹//₂–¹¹/₃R kti am M Resektion Metatarsaleköpfchen t t l kö f h auch h ¹¹//₃ der d Basis B i des Grundgliedes reseziert (⊡ Abb. 6.1).
Auf dem Operationstisch sollten passiv mindestens 70°Dorsalextension erreicht werden können, ohne dass knöcherne Infraktionen entstehen. Tipp
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Sollten 70° dorsale Extension intraoperativ nicht erreicht werden, sind auf alle Fälle die Sesambeine zu inspizieren und mit einem Raspatorium zu mobilisie mobilisieren. Sollten die Sesambeine bereits mit dem Metatarsaleköpfchen plantarseitig arthrotisch und verbacken sein, ist die Indikation zur Cheilektomie intraoperativ k iti h zu überprüfen. kritisch üb üf Gegebenenfalls G b f ll sollte llt ein i VerV fahrenswechsel erwogen werden.
6.1.2 Operation nach Brandes
Ziel der Operation ist, durch Resektion von mindestens einem Drittel des Großzehengrundgliedes und Interposition eines distal gestielten Kapselweichteillappens ein schmerzfreies und bewegliches Abrollen im Großzehengrundgelenk zu ermöglichen (Brandes 1929). Man erzielt eine Druckentlastung des Gelenks, gleichzeitig wird aber auch der Ansatz des M. flexor hallucis brevis geopfert. Dies führt zu einer Reduktion der Flexionskraft der Großzehe während des Abrollvorgangs, in Extremfällen allerdings auch zu einer Standunsicherheit. Generell ist die subjektive Zufriedenheit der Patienten mit dieser Operationstechnik aber sehr hoch und die Komplikations- und Revisionsrate auch nach langer Zeit im Vergleich zu konkurrierenden Verfahren gering (Thomsen 1988; Flamme et al. 1998). Diese Methode darf auch heute noch als ein gutes Verfahren für fortgeschrittene Stadien des Hallux rigidus angesehen werden, insbeson-
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Erwartungshaltung. Gerader oder augenförmiger Schnitt im distalen Anteil des Großzehengrundgliedes bis knapp über die Pseudoexostose am Metatarsale-I-Köpfchen. Dann Weghalten der Haut nach ventral und plantar. Darstellen der Gelenkkapsel unter Schonung der dorsal verlaufenden Gefäße. In der Originalmethode von Brandes wurde eine hälftige Resektion des Grundgliedes empfohlen. In einer späteren Variation wird die Ein-Drittel-Resektion in Zusammenhang mit einem Weichteilinterponat beschrieben. Er empfiehlt diesen nach distal gestielten Kapselweichteillappen zu präparieren. Das dicke Kapselgewebe, das über die Pseudoexostose geht, ist hierfür besonders gut geeignet. Hierzu wird ein U-förmiger Lappen direkt am Metatarsaleköpfchen frei präpariert und dann im Bereich der Grundgliedbasis vorsichtig mit dem Raspatorium abgeschoben. Am Metatarsaleköpfchen selbst ist der Kapsellappen meist mit dem scharfen Messer vom Untergrund abzutrennen. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Sauberes Darstellen der Pseudoexostose und Resektion von distal nach proximal mit der Säge. Tipp
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Wenn man von proximal auf das Metatarsale-I-Köpfchen sieht, lässt sich gut die eigentliche Gelenkfläche und eine Inzisur hin zur Pseudoexostose darstellen darstellen. Genau hier wird die Exostose abgetragen und anschließend mit dem Luer die Sägeecken gerundet. Wir würden immer die oszillierende Säge gegenüber dem Osteotom bevorzugen, weil man hier einen sauberen S h itt durchführen Schnitt d hfüh kkann und d es nicht i ht zu einer i IInfrakf k tion kommt.
Dann erfolgt ein ausgiebiges Deperiostieren der Grundgliedbasis auf der gesamten Fläche der Resektionsebene, insbesondere auch nach lateral. Hier wird der Adductor hallucis longus damit ebenfalls abgelöst. Tipp
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Wichtig ist, dass die Hohmann-Hebel sowohl den Flexor hallucis h ll i llongus als l auch hd den Extensor E t schonen h und d dieser nicht mit der Säge verletzt werden kann.
In der Regel resezieren wir gut 1 cm der Grundgliedbasis mit der oszillierenden Säge. Nachdem das Knochenfragment entfernt worden ist, schlägt man den Kapselweichteillappen um und vernäht ihn lateral an der Basis des MT-I-Köpfchens mit den Weichteilen. Zuvor modellieren wir auch hier die Sesambeinchen mit dem Raspatorium.
Möchte man in gleicher Sitzung noch die Stellung des Metatarsaleköpfchens korrigieren, wird man nach Mobilisierung der Sesambeinchen das Köpfchen nach lateral schieben und die Kapsel über dem Köpfchen schließen. Dieser Vorgang wird auch als »Cerclage fibreux« bezeichnet. Zur Stabilisierung wird vor der »Cerclage fibreux« ein Kirschner-Draht retrograd von der Basis der Osteotomie nach distal durch die Zehenspitze getrieben und retrograd wieder in das Metatarsale-I-Köpfchen eingebohrt. Tipp
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Hier sollte ein Abstand von knapp 1 cm erhalten bleib Wichtig ben. Wi hti ist, i t den d K Kapselweichteillappen l i ht ill nicht i ht auff dem Kirschner-Draht aufzurollen.
6.1.3 Großzehengrundgelenkprothese
Darunter ist der Ersatz von einem oder beiden Gelenkanteilen des Großzehengrundgelenks unter Wegnahme von arthrotischem Gewebe und unter weitgehendem Erhalt der Zehenlänge zu verstehen. Es soll versucht werden, die Funktion des Großzehengrundgelenks durch totalen oder partiellen Ersatz der Gelenkflächen bei gleichzeitiger Schmerzreduktion wiederherzustellen. Vorteil der endoprothetischen Versorgung ist die oft überraschend schnelle Rehabilitation und die Schonung des Muskelansatzes des M. flexor hallucis brevis. Indikation für diese (hemi)-prothetische Versorgung des Großzehengrundgelenks stellen höhergradige Stadien des Hallux rigidus dar. Ausgangspunkt der Prothesenentwicklung waren Silikonimplantate, die allerdings relativ viele Komplikationen mit sich brachten (Hanyu et al. 2001). Aufgrund der bisher nicht überzeugenden Datenlage bevorzugen wir die Hemiarthroplastik, in der nur eine Kappe oder ein metallischer Knopf in das Metatarsale-I-Köpfchen eingebracht wird, um die Gelenkfläche zu härten. Dieses Operationsverfahren wird im Folgenden beschrieben. Wir bevorzugen den dorsalen bzw. dorsomedialen Hautschnitt, vergleichbar mit dem Zugang für die Arthrodese. Die Kapsel wird parallel zum Extensor hallucis longus längs gespalten und dieser nach lateral weggehalten. Es erfolgt ein ausgiebiges Kapselrelease und idealerweise auch die Entfernung der Pseudoexostose. Ein laterales Kapselrelease und ein Ablösen des Adductor hallucis longus wird empfohlen. Dann wird die Zehe weit flektiert und anhand des Zieldrahtführers (⊡ Abb. 6.3), der in verschiedenen Durchmessern auf das geglättete Köpfchen aufgebracht werden kann, der richtige Durch-
49 6.1 · Hallux rigidus
a ⊡ Abb. 6.3 Aufgesetzte Mess- und Zentrierhülse
b ⊡ Abb. 6.5 a Eindrehen der Verankerungsschraube. b Aufbringen der Kappe
⊡ Abb. 6.4 Hülse und K-Draht im Bildverstärker
messer bestimmt und der zentrale Punkt für den Zieldraht definiert. Dann wird der Zieldraht durch das Führungsinstrument zentral in das Metatarsale eingebracht (⊡ Abb. 6.4). Tipp
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Es ist wichtig, den Zieldraht so zu platzieren, dass bei 12, 3, 6 und 9 Uhr ein guter Kontakt auf dem Köpfchen erfolgen kann und hier keine Defekte vorhanden sind. sind Die Achse des Drahtes ist mit dem Bildwandler zu k t lli kontrollieren, um sicher i h zu sein, i d dass di dieser iim WesentW t lichen zentral liegt.
Jetzt wird ein kanülierter Bohrer über dem Zieldraht in das Köpfchen eingebracht. Wichtig ist, dass der Bohrer bis zur Gelenkoberfläche eingeht. Dann wird mit einem Gewindeschneider der Markraum bis zur Markierung des Instruments frei gefräst. Im Anschluss daran wird über den Zieldraht die Verankerungsschraube ebenfalls bis zur markierten Tiefe in das Metatarsaleköpfchen eingeführt (⊡ Abb. 6.5a). Danach wird der Zieldraht entfernt und eine Probekappe auf die Verankerungsschraube aufgesetzt, sodass die korrekte Tiefe überprüft werden kann. Tipp
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Die Probekappe muss bündig bzw. ganz leicht vertieft mit it d der G Gelenkoberfläche l k b flä h abschließen b hli ß und d darf d f nicht i ht überstehen.
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Dann wird die Probekappe entfernt. Der Zentrierschaft wird in den Verankerungskörper eingeführt und mit einem Messstab die primär ausgemessene Kappengröße bzw. das Ausmaß der Kappe nachgemessen. Hier werden 4 Punkte abgegriffen. Bei 12, 3, 6 und 9 Uhr wird auf der Größenbestimmungskarte die endgültige artikulierende Komponente bestimmt. Dann wird wieder ein Führungsdraht eingesetzt, der Oberflächenfräser entsprechend dem zuvor ausgemessenen off-set und der Höhe aufgesetzt und dieser vorsichtig zur Präparation der Oberfläche eingesetzt. Tipp
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Achten Sie strikt darauf, dass Ihr Zieldraht in dieser Ph Phase nicht i ht verbiegt, bi t weilil di dies zu einer i ungleichmäßil i h äßi gen Präparation führen würde.
Der Zieldraht wird entfernt und der Verankerungskonus der Verankerungsschraube präzise gereinigt. Dann wird ein letztes Mal die Probekappe aufgesetzt und überprüft, dass diese genau in die vorgegebene Position und in die ideale Tiefe eintritt. Die Führungskappe sollte bündig mit den Ecken der umgebenden Knochenflächen abschließen bzw. etwas tiefer eintauchen. Dann wird das Originalimplantat mit einem Ansauggummi gehalten und in der entsprechenden Positionierung eingebracht. Mit einem Stößel (Impaktor) wird die konische Verankerung fixiert (⊡ Abb. 6.5b). Tipp
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Einige Anwender beschreiben, dass sie eine zusätzliche Teilresektion im Bereich der Grundgliedbasis und in den kranialen Anteilen des Metatarsale vergleichbar mit einer Operation nach Valenti durchführen. Dies verbessert b t di die Dorsalextensionsfähigkeit D l t i fähi k it im i G Großzeß hengrundgelenk.
Empfohlen wird zusätzlich eine Überprüfung und ggf. Mobilisierung der Sesambeine.
Vielzahl möglicher Fixationsvarianten haben sich gekreuzte Kompressionschrauben oder neuerdings Plattenosteosynthesen durchgesetzt. Wir verwenden dazu eine Kopfkonusfräse mit der aus dem MT-I-Kopf und der Grundgliedbasis konvexe und konkave Partner geformt werden, die eine 100%ige Kontaktfläche bieten. Die Großzehe kann so in die mit dem Patienten besprochene Stellung eingestellt werden. Randosteophythen werden entfernt. Der Zugang erfolgt über einen dorsalen Hautschnitt medial der Sehne des Extensor hallucis longus von der Mitte des Grundgliedes über des Metatarsale-I-Köpfchen. Die Extensorsehne ist nach lateral wegzuhalten, die Gelenkkapsel ist soweit zu resezieren, dass die Zehe gut bewegt werden kann. In der Ausrichtung sollten die Sesambeinchen wieder unter dem Metatarsale-I-Köpfchen stehen. Tipp
Dieses Verfahren stellt eine gut belastbare chirurgische Lösung fortgeschrittener Stadien des Hallux rigidus dar. Sie ist operationstechnisch anspruchsvoll und kann bei inkorrekter Einstellung der Arthrodese massive Schuhdruckprobleme verursachen. Des Weiteren ist nach Arthrodese das wechselweise Tragen flacher Schuhe und hoher Absätze meist nicht mehr möglich. Unter einer
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Eine Durchtrennung der beiden Äste des Adductor hallucis longus ist nicht notwendig bzw. eher ungünstig, da es durch die Arthrodese zu einer Stabilisierung tig d Q des Quergewölbes ölb im i Zusammenspiel Z i l mit it der d Sehne S h kommt.
Das Grundgelenk wird maximal flektiert und zunächst der Führungsdraht für den Kopffräser eingebracht. Dieser kann standardmäßig zentral in das Metatarsaleköpfchen gesetzt werden. Eine leichte Valgusstellung und Dorsalextension kann schon durch den Zieldraht vorgegeben werden. Dann wird eine halbkugelförmige Fräsung über den Draht auf das Metatarsale vorgenommen. Im Anschluss daran wird ein zentraler Draht in das Grundglied (Ph I) eingebracht und hier mit dem korrespondierenden Fräser in gleicher Größe gefräst. Die meisten Anbieter stellen die Größen S und M zur Verfügung. Danach stellt man die beiden korrespondierenden Gelenkflächen so ein, wie es mit dem Patienten besprochen wurde. Tipp
6.1.4 Arthrodese
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Um eine leichte Dorsalextension im Großzehengrundgelenk zu erreichen, empfehlen wir ein leeres Instrumentensieb von 1 oder 2 cm Höhe unter die Ferse zu stellen und so die Großzehe in 10–20° Dorsalextension einzustellen. Die Valgusstellung kann vom klinischen Bild abhängig eingestellt werden. D Danach h erfolgt f l t di die Fi Fixation ti dieser di St Stellung ll mit it eii nem K-Draht.
51 6.1 · Hallux rigidus
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⊡ Abb. 6.6 a Großzehengrundgelenkarthrose. b Arthrodese mit gekreuzten kanülierten Schrauben
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Wir verwenden zur Stabilisierung 2 Schrauben (meist mit Doppelgewinde), die gekreuzt eingebracht werden. Hierzu wird der zu den Schrauben gehörige Zieldraht eingebracht. Die Schraubenlänge kann daran gemessen werden und nach Überbohrung mit dem zugehörigen Schraubenfräser werden die entsprechenden Schrauben eingebracht. Danach erfolgt eine ausgiebige Spülung und das Eröffnen der Blutsperre. Elektrokoagulation kleinerer Blutungen, Hautnaht, steriler Verband. Wir legen einen redressierenden elastischen Verband an. Er wird am 1. postoperativen Tag routinemäßig gewechselt. Der Patient bekommt für die 1. Woche eine Unterschenkelprotheraschale, die bei guter Knochenqualität ab der 2. Woche in einen Vorfußentlastungsschuh gewechselt wird. Bei mäßiger Knochenqualität belassen wir die Unterschenkelprotheraschale für 3 Wochen und gehen dann für weitere 3 Wochen auf den Vorfußentlastungsschuh über. Röntgenkontrolle erfolgt nach 6 Wochen. Je nach Röntgenergebnis ist volle Belastung gestattet (⊡ Abb. 6.6a,b). Alternativ, bei Defektsituationen oder bei osteopenischem Knochen kann die Großzehengrundgelenkarthrodese auch mit einer Drittelrohrplatte oder besser mit einer winkelstabilen Platte fixiert werden.
Literatur Brandes M (1929) Zur operativen Therapie des Hallux valgus. Zentralbl Chir 56:2434–2440 Coughlin MJ (1990) Arthrodesis of the first metatarsophalangeal joint with mini fragment plate fixation. Orthopedics 13:1037–1044 Coughlin MJ, Shurnas PS (2003) Hallux rigidus. Grading and longterm results of operative treatment. J Bone Joint Surg Am 85A(11):2072–2088 Flamme CH, Wülker N, Kuckerts K, Rühmann O (1998) Langzeitergebnisse nach Arthroplastik im Großzehengrundgelenk. Z Orthop Ihre Grenzgeb 136:250–254 Hanyu T, Yamazaki H, Ishikawa H et al. (2001) Flexible hinge toe implant arthroplasty for rheumatoid arthritis of the first metatarsophalangeal joint: long term results. J Orthop Sci 6 (2):141–147 Hattrup SJ, Johnson KA (1988) Subjective results of hallux rigidus following treatment with cheilectomy. Clin Orthop Relat Res 226:182–191 Kramer J (1990) Die Kramer-Osteotomie zur Behandlung des Hallux valgus und des Digitus quintus varus. Oper Orthop Traumatol 2:29–38 Mann RA, Clanton TO (1988) Hallux rigidus: treatment by cheilectomy. J Bone Joint Surg 70:400–406 Mann RA, Coughin MJ, DuVries HL. (1979) Hallux rigidus: a review of the literature and a method of treatment. Clin Orthop Relat Res 142:57–63 Saxena A (1995) The Valenti procedure for halllux limitus/rigidus. J Foot Ankle Surg 34:485-488 Thomsen M. (1988) Therapie des Hallux valgus. Operative Erfahrungen der letzten 15 Jahre und die Spätergebnisse. Inauguraldissertation, Universität Heidelberg
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
6.2
Metaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Chevron-Osteotomie)
eigentliche Winkel zwischen Metatarsus I und II wird durch die Korrektur nicht unmittelbar verändert.
Desiderius Sabo, Heidelberg Operationstechnik
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Die ersten Beschreibungen der distalen Osteotomietechnik zur Korrektur der milden bis mäßigen Hallux-valgus-Deformität datieren aus den 70er und 80er Jahren (Corless 1976; Austin 1981). Bei verschiedenen Kongressen wurde die Chevron-Osteotomie als Modifikation der lange bekannten Mitchell-Osteotomie mit gutem Korrekturpotential, verbesserter Knochenkontaktfläche und anteilig selbst-stabilisierender Osteotomieform vorgestellt. Die Namensgebung stammt von der Bezeichnung der chevronförmigen Militärabzeichen ab (Wülker 2002). Der Eingriff wird über einen kleinen Zugang möglich und lässt sich typischerweise gut mit Eingriffen an den Strahlen II–V kombinieren. Er wird bedarfsweise auch zusätzlich zur Vorfußkorrektur nach basisnahen Korrekturen oder Mittelfußkorrekturen wie der Lapidus-Arthrodese eingesetzt. Aufgrund ihrer verhältnismäßig leichten technischen Durchführbarkeit und ihres guten Korrekturpotentiales hat sich die Chevron-Osteotomie zu einer der am häufigsten praktizierten Vorfußkorrekturtechniken entwickelt. Zahlreiche technische Modifikationen, insbesondere die Modifikation unter Verwendung eines langen plantaren Osteotomieschenkels zur Schonung der von plantar in das Köpfchen einstrahlenden Gefäßversorgung (Shereff 1987), haben zu geringeren Komplikationsraten und meist guten klinischen Ergebnissen geführt.
Die Operation erfolgt typischerweise in Rückenlagerung und Blutsperre oder Blutleere. Unter die ipsilaterale Beckenhälfte sollte ein Kissen zum Ausgleich der Hüftantetorsion platziert werden. Alternativ erfolgt die Lagerung im »legholder« mit flach aufgestelltem Fuß.
Weichteileingriff Nach Markieren des Zugangs mit dem Filzstift ovaläre Exzision der häufig geröteten oder derb verhornten Pseudoexostose über 4–5 cm. Vorsichtige Bursektomie ohne die Kutis zu weit zu unterminieren, da sonst Hautnekrosen auftreten können. Subkutan nach Möglichkeit Präparation von feinen Gefäßen und Nerven, die zwar einen erheblichen Variantenreichtum besitzen, aber doch meist in der Region der geplanten Inzision verlaufen. L-förmige Kapselinzision und Ablösen der verdickten Kapsellappen von der Pseudoexostose oder spindelförmige Kapselexzision (⊡ Abb. 6.7a).
Operationsindikation Hallux valgus mit Pseudoexostose ohne gravierende Arthrose des Grundgelenks. Die Operation ist durchführbar bei gering pathologischem Metatarsus primus varus. Die indikatorischen Abgrenzungen zu anderen Korrekturosteotomien im Bereich des Metatarsus sind fließend.
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Operationsprinzip Der Eingriff ist technisch leichter und das Rezidivrisiko geringer, wenn der knöchernen Korrektur eine weichteilige Korrektur vorangestellt wird. Durch Abtragung der Pseudoexostose, chevronförmiger diaphysärer Osteotomie des Metatarsus I und Verschiebung des Köpfchens soll die Ebene der Gelenkfläche (DMAA, distal metatarsal articular angle) korrigiert und die Position des Köpfchens über den Sesambeinchen durch Ad-latus-Verschiebung rezentriert werden. Über den Kapselverschluss erfolgt die Varisierung der Zehe selbst. Der
b ⊡ Abb. 6.7a, b L-förmige Kapsulotomie oder spindelförmige Kapselexzision. Sparsames Abtragen der Pseudoexostose mit der oszillierenden Säge
53 6.2 · Metaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Chevron-Osteotomie)
Sorgsames Entfernen der entzündeten Synovitis. In leichteren Fällen unter axialem Zug an der Zehe vorsichtiges intraartikuläres Eingehen mit dem Stilett und Durchführung einer lateralen Kapsulotomie. In ausgeprägteren Fällen Präparation streckseitig über die Kapsel, Durchführung einer lateralen Kapsulotomie und Tenotomie des Adduktorensehnenkomplexes (s. auch Beschreibung des Weichteileingriffs bei der Scarf-Osteotomie). Manuelles »brisement forcée« zum Aufdehnen verbliebener kontrakter Stränge.
des Sägeblattes oder durch einen feinen Meißelschlag getrennt werden. Ist eine ausgeprägtere Verkürzung erforderlich als durch den Sägedefekt selbst entsteht, kann auch eine feine Knochenscheibe durch Parallelosteotomie reseziert werden. Wird nur am streckseitigen Flügel der ChevronOsteotomie eine Knochenscheibe reseziert, kommt es zur Absenkung des Köpfchens. Entsprechend kommt es zur Anhebung, wenn das Knochenscheibchen am beugeseitigen Flügel reseziert wird. Tipp
Osteotomie und Osteosynthese in korrigierter Stellung Abtragen der Pseudoexostose mit einer feinen oszillierenden Säge (⊡ Abb. 6.7b) und Asservieren von tauglichem Knochenmaterial für eine etwaige autologe Spongiosaplastik. Die Pseudoexostosenabtragung soll medial des Sulcus erfolgen und die Verlängerung der medialen Kortikalis der Schaftdiaphyse nicht überschreiten. Die Osteotomie der Pseudoexostose mit einem Meißelschlag ist gefährlich, da beispielsweise bei versteckten intraossären Zysten auch eine intraartikuläre Fraktur resultieren kann. Tipp
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Die Resektion der Pseudoexostose ist ein wichtiger Schritt bei der Chevron-Osteotomie, da die Patienten sich oft mehr durch die Ausbeulung des medialen Fuß Fußrandes als durch die Hallux-valgus-Deformität gestört fühlen. Dennoch sollte die alleinige Exostosenresektion allenfalls in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Die früher häufig praktizierte Schede-Operation (S h d 1927) h (Schede hatte tt zum großen ß TTeilil mittelfristig itt lf i ti kkeine i guten Ergebnisse aufzuweisen.
Zur Markierung des Scheitelpunktes der Chevron-Osteotomie erfolgt die Einbringung eines feinen KirschnerDrahtes nach plantar und proximal zentral in das Metatarsaleköpfchen (⊡ Abb. 6.8). Die chevronförmige Osteotomie wird mit einer feinen oszillierenden Säge mit einem 10-mm-Sägeblatt entlang der K-Draht-Markierung durchgeführt. Während in der ursprünglichen Technik die Osteotomien zueinander einen Winkel von ca. 60° aufwiesen, wird bei der in jüngerer Zeit meistens verwendeten Technik mit langem plantarem Schenkel eher ein Winkel von 90° der Osteotomieebenen zueinander bevorzugt. Vorsicht ist geboten, um nicht durch den Hub des Sägeblattes Weichteile zu verletzen (⊡ Abb. 6.9a, b). Letzte Kortikalisbrücken können bei stillstehender Säge meist durch Verschränken
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Bei geplanter Verkürzung ist es einfacher vor Komplettierung der 1. Osteotomie die 2. Osteotomie durchzuführen, da die exakte Platzierung der Säge durchzuführen ansonsten durch Übertragung der Vibrationen auf di b die bereits it getrennten t t K Knochenfragmente h f t schwierig h i i sein kann.
Das distale Fragment wird nun soweit wie geplant ad latus verschoben (sinnvoll ist eine Verschiebung um etwa ⅓ des Köpfchendurchmessers), rotiert und manuell eingestaucht. Mit einem feinen Führungs-Kirschner-Draht aus dem Osteosyntheseschraubenset wird das Köpfchenfragment von streckseitig-medial nach beugeseitig-lateral fixiert und das damit erreichte Alignement kritisch überprüft (⊡ Abb. 6.9c). Die Länge des Drahtüberstands wird zur Längenbestimmung der Osteosyntheseschraube verwendet. Mit dem Zweistufenbohrer wird die Kortikalis von streckseitig aufgebohrt. Bei den meisten Systemen stehen kurze und lange Zweistufenbohrer zur Verfügung (⊡ Abb. 6.9d).
⊡ Abb. 6.8 Mit einem Kirschner-Draht wird der Scheitelpunkt der Osteotomie und auch die Richtung der Ad-latus-Verschiebung des distalen Fragments festgelegt
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
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Wenn es nach Platzierung des Führungsdrahtes zu einer unbeabsichtigten Verschiebung der Fragmente gegeneinander kommt oder wenn sich der Führungs Führungsdraht an der beugeseitigen Kortikalis unbemerkt verb bogen hat, h t kann k d der D Draht ht durch d h den d ZweistufenbohZ it f b h rer leicht abgeschert werden.
Heute werden zur Osteosynthese im Wesentlichen kanülierte Schrauben mit 2 Gewindesteigungen eingesetzt (⊡ Abb. 6.9e). In der Regel werden bei Osteosynthesen nach dem hier beschriebenen Muster Schrauben von 14–20 mm Länge zum Einsatz kommen. Die Schrauben der verschiedenen Hersteller sind durchaus unterschiedlich: Scharfe oder abgestumpfte Gewinde, geringe oder ausgeprägte Kompressionseffekte, längere oder kürzere
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⊡ Abb. 6.9a, b Intraoperatives Photo der chevronförmigen Osteotomie. Die Osteotomieflanken sollen in 60–90° aufeinander treffen. Der lange plantare Schenkel der inferioren Osteotomie hat zum einen den Sinn, eine lange Kontaktfläche zu erzeugen und zum anderen bietet diese Osteotomieausdehnung die Gewähr, dass die plantare Gefäßeinstrahlung in das Köpfchen nicht verletzt wird. c, d Nach manueller Reposition, Achskorrektur und Ad-latus-Verschiebung Positionierung des Kirschner-Drahtes und Überbohren mit dem kurzen oder allenfalls mit dem mittellangen Zweistufenbohrer. e, f Osteosynthese mit der kanülierten Titanschraube mit 2 Gewindesteigungen (»Barouk-Screw«). In jedem Fall Überprüfung der Festigkeit der Osteosynthese mit dem Raspatorium, da die direkte Schraubenlage nicht eindeutig gesehen werden kann. In allen Zweifelsfällen ist eine intraoperative Röntgenkontrolle anzuraten
55 6.2 · Metaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Chevron-Osteotomie)
Schraubenköpfchenlängen können je nach Vorliebe des Operateurs mit vergleichbaren Ergebnissen verwendet werden. Tipp
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Die Schraube sollte bis knapp vor die streckseitige Kortikalis eingedreht werden und nicht unter die Kortikalisebene eintauchen. eintauchen Im Falle einer erforderlichen Me Met ll tf tallentfernung kkann eine i Überknöcherung Üb k ö h der d zu ti tieff eingedrehten Schraube Schwierigkeiten verursachen.
insgesamt 4 Wochen mit einem Vorfußentlastungsschuh (⊡ Abb. 6.12). Während junge Patienten damit meist gut zu Recht kommen, ist gerade bei älteren Patienten ein Gehtraining oder auch die Verwendung von Unterarmgehstützen unumgänglich. Aktiv assistive Beübung des Großzehengrundgelenks ist sinnvollerweise unmittelbar
Die Stabilität der Osteosynthese sollte in jedem Fall mit einem Raspatorium geprüft werden (⊡ Abb. 6.9f ). Tipp
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Viele Operateure verwenden statt der aufwändigen und teuren Osteosyntheseschrauben lieber kostengünstigere Gewinde Gewinde-Kirschner-Drähte, Kirschner Drähte die dann kno knochenbündig abgezwickt werden. Die Stabilität ist bei ausreichend i h d schräger hä Ei Einbringung bi des d Drahtes D ht iin den d meisten Fällen gegeben. gegeben Es bereitet allerdings nicht viel Vergnügen, wenn später einer dieser abgezwickten Gewinde-KirschnerD äht wieder Drähte i d entfernt tf t werden d muss!! Kostengünstiger K t ü ti ist nicht immer besser!
Eine intraoperative Röntgenkontrolle ist bei den meist sehr übersichtlichen Eingriffen nicht zwingend erforderlich, aber in allen Fällen mit jedweder intraoperativer Unsicherheit, Osteopenie oder nicht vollständig freier Mobilisation des Köpfchenfragments anzuraten. Okkulte Kalottenfrakturen, abgescherte Führungsdrähte oder Schraubenüberstände nach plantar lassen sich durch intraoperative röntgenologische Identifikation meist noch mit geringem Aufwand beseitigen. Bedarfsweise kann Spongiosa aus der resezierten Pseudoexostose zur zusätzlichen Spongiosaplastik verwandt werden. Eine Redondrainage ist meist nicht erforderlich. Der Kapselverschluss erfolgt mit einem resorbierbaren 2,0-Vicryl-Faden in Rückstichtechnik (⊡ Abb. 6.10). Die korrekte Zugrichtung des Extensor hallucis in Projektion auf das Zentrum des MT-I-Köpfchens muss überprüft werden.
⊡ Abb. 6.10 Kapselverschluss in korrigierter Position mit 2,0 Vicryl
⊡ Abb. 6.11 Typischer postoperativer Redressionsverband in Kornährentechnik
Nachbehandlung Zum Abschluss der Operation werden ein Redressionsverband (⊡ Abb. 6.11) und eine kompressive Wickelung des Unterschenkels angelegt. Die Mobilisierung erfolgt in der Regel ab dem 1. postoperativen Tag für
⊡ Abb. 6.12 Mobilisierung mit Vorfußentlastungsschuh
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
nach der Operation möglich. Durchgeblutete Verbände sind zu wechseln, am 2. postoperativen Tag ist meist der Verbandswechsel auf einen Pflasterverband möglich. Die Anlage einer vorkonfektionierten Hallux-valgus-Redressionsschiene kann in der Regel nach 2 Tagen erfolgen. Deren Anwendung muss allerdings vorsichtig gehandhabt werden, um keine Wundheilungsstörungen oder Lymphödeme zu verursachen. Verschiedene Redressionsmodelle sind derzeit auf dem Markt. Orthesen mit einem Scharniergelenk in Höhe des Großzehengrundgelenks sind zwar erheblich teurer, der erhöhte Tragekomfort verbessert aber die Patientencompliance für dieses wichtige Nachbehandlungstool erheblich. Eine typische Standardmedikation postoperativ lautet: Diclofenac 75 1-0-1, Metamizol-Tropfen 10-0-10, Pantoprazol 1-0-0 und eine Low-dose-Heparinisierung. Die in jedem Fall erforderliche engmaschige klinische Kontrolle, die häufigen Verbandswechsel, das Gehtraining, die Redressionsmaßnahmen sowie die postoperative Schmerzmedikation lassen es nur in Ausnahmefällen zu, die Patienten ambulant zu führen. Ein stationärer Aufenthalt von ca. 2 Tagen führt durchweg zu sichereren Ergebnissen.
Literatur Austin DW, Leventeen EO (1981) A new osteotomy for hallux valgus. Clin Orthop 157:25 Corless JR (1976) A modification of the Mitchell procedure. J Bone Joint Surg 55 B:138 Engelhardt P (2001) Orthopädische Fußchirurgie. Steinkopf, Darmstadt, S 103–131 Schede F (1927) Hallux valgus, Hallux flexus und Fußsenkung. Z Orthop 48:564 Shereff MJ (1987) Extraosseous and intraosseous arterial supply to the first metatarsal and metatarsophalangeal joint. Foot Ankle 8:81 Wülker N (2002) Zehendeformitäten. In: Wirth CJ (Hrsg) Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Fuß. Thieme, Stuttgart, S 174–196
6.3
Meta-diaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Scarf-Osteotomie)
Desiderius Sabo, Heidelberg Die Form der Scarf-Osteotomie geht auf die Idee von Meyer (Meyer 1926) und Burutaran (Burutaran 1976) zurück. Die Technik wurde von Weil (Borelli u. Weil 1991; Weil 2000) in Amerika und von Barouk (Barouk 1992; 2003) in Europa popularisiert. Die meta- bis diaphysären Osteotomieformen sind der Technik der Chevron-Osteotomie vergleichbar (Dereymaeker 2000). Vorteile sind die größeren ossären Kontaktflächen und
damit die sichere knöcherne Heilung sowie das dreidimensionale Korrekturpotential. Zudem gelingt es verlässlicher, die von plantar her in das MT-I-Köpfchen einstrahlende Gefäßversorgung zu schonen und das Risiko einer Köpfchennekrose zu minimieren (Berg et al. 2007). Nachteilig ist die Größe des erforderlichen Zugangs.
Operationsindikation Die Scarf-Osteotomie bewährt sich gut bei Metatarsus primus varus mit vergrößertem Intermetatarsalewinkel, mittlerer bis schwerer Hallux-valgus-Fehlstellung und Sesambeinchendislokation (⊡ Abb. 6.13). Intermetatarsalewinkel zwischen Metatarsus I und II zwischen 12° und 20° können gut korrigiert werden (Berg et al. 2007; Crevoisier et al. 2001). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Indikationen nicht alleine an den absoluten Winkelgraden selbst festzumachen sind, da insbesondere der Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit der Röntgenaufnahmen am belasteten Fuß Grenzen gesetzt sind. Das Korrekturpotential ist größer als bei der Chevron-Osteotomie. Die schwere Großzehengrundgelenksarthrose ist generell als Kontraindikation für gelenkerhaltende Eingriffe anzusehen, dagegen ist die leichtere Arthrose mit noch erhaltenem Bewegungsausmaß durchaus noch günstig zu beeinflussen, wenn die Scarf-Osteotomie mit leichter Verkürzung des Metatarsus vorgenommen wird.
Operationsprinzip Dem Eingriff geht als 1. Schritt immer ein Weichteileingriff voraus (Sabo u. Buchner 2004). Der 2. Schritt, die Z-förmige meta- und diaphysäre Osteotomie des Metatarsus I, erfolgt mit dem Ziel des Gelenkerhalts und der Alignementverbesserung des Vorfußes (Jones et al. 2004). Es ist möglich, den Intermetatarsalewinkel IMA (intermetatarsal angle), den Hallux-valgus-Winkel (HV-Winkel) und in gewisser Ausprägung auch den DMAA (distal metatarsal articular angle) zu korrigieren (Coughlin 1997) sowie eine Reposition der subluxiert oder luxiert stehenden Sesambeinchen zu erreichen. Durch die Wahl der Osteotomieebene oder durch additive oder subtraktive Maßnahmen kann zudem das distale Fragment mit dem MT-I-Köpfchen im Verhältnis zu den benachbarten Metatarsalia verkürzt, abgesenkt oder eleviert werden. Die Rotation der Fragmente gegeneinander ist technisch schwer zu erreichen. Der Eingriff wird oft in Kombination mit Korrektureingriffen an der Phalanx D I und an den Strahlen II–V durchgeführt.
57 6.3 · Meta-diaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Scarf-Osteotomie)
⊡ Abb. 6.13 Präoperativer Aspekt bei mittelgradigem Hallux valgus mit deutlich prominenter Pseudoexostose
Operationstechnik Lagerung Der Eingriff erfolgt in Rückenlagerung und Blutsperre oder Blutleere. Es ist sinnvoll, die ipsilaterale Beckenhälfte zum Ausgleich der Hüftantetorsion zu unterlagern. Alternativ kann die Lagerung im »legholder« mit flach aufgestelltem Fuß durchgeführt werden. Intraoperative Röntgenbildwandlerkontrolle ist empfehlenswert.
Weichteileingriff Der Weichteileingriff ist bei ausgeprägten Fehlstellungen mit Metatarsus primus varus sowie bei dem oft begleitenden Pes plano valgus ein wesentlicher und wahrscheinlich der schwierigste Teil des OP-Konzeptes. Es ist zu empfehlen, die Weichteilkorrektur auch in Grenzfällen durchzuführen. Das laterale Release im Standardeingriff erfolgt über einen Zugang im Intermetatarsalraum MT I und MT II. Dieser Standardzugang ist technisch sicher, führt zu guter Übersicht und ist insbesondere in kontrakten Situationen zu empfehlen. Nachteilig sind häufig postoperativ harte Narbenstränge. Der Adductor-hallucis-Sehnenkomplex und die kapsuläre Verbindung zwischen Metatarsus I und den Sesambeinen wird identifiziert. Nach Unterfahren mit einer Kocherrinne wird zunächst das Sesambein durch eine Tenotomie mit einem Stilett released und im Bedarfsfall der gesamte Adduktorensehnenkomplex tenotomiert (⊡ Abb. 6.14). Das plantar darunter liegende Ligamentum transversum plantare muss in kontrakten Situationen ebenfalls tenotomiert werden. Mit längsverlaufenden Schnitten erfolgt eine laterale Kapsulotomie des MTP-I-Gelenks und anschließend eine manuelle Überkorrektur unter Redressement des Metatarsophalangealgelenks (»brisement forcée«).
⊡ Abb. 6.14 Exposition und Tenotomie der markierten Sehne des Adductor hallucis mit dem Stilett
Tipp
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I
Einen guten Indikator für ein ausreichend weites manuelles ll Redressement R d t stellt t llt die di tastbare t tb Reposition R iti d des Metatarsaleköpfchens I über die Sesambeine dar.
Eine weitere, technisch allerdings aufwändige Modifikation ist es, den Adduktorensehnenkomplex nicht nur zu tenotomieren, sondern zu armieren und von seinem Ansatz am lateralen Sesambein und seiner Zugrichtung zur Basis der Phalanx nach proximal zum Köpfchen des Metatarsus I umzuleiten und am MT-I-Köpfchen mittels periostaler Nähte oder mittels Knochenanker in proximalisierter Stellung zu fixieren. Bei Tonisierung des Adduktorensehnenkomplexes nach der Transposition erfolgt so ein zusätzliches adduzierendes Moment auf das MT-I-Köpfchen. Um die postoperativ leider häufig zu verzeichnende narbige Induration im Intermetatarsaleraum zu vermeiden, stehen 3 geringer invasive Möglichkeiten zur Verfügung: ▬ Zum einen können perkutan gedeckt durchgeführte Tenotomien in der Hand des Geübten ein vergleichbares Release ergeben ▬ Eine weitere Alternative stellt die Präparation vom medialen Zugang aus dar. Sie ist bei Patienten mit guter Durchblutungssituation unkritisch. Dabei erfolgt die Präparation von medial aus auf der ventralen Kapsel bis zum Ansatz der Adduktorensehne. Die Übersicht ist eingeschränkt und die Position des Tenotoms kann oft mehr gefühlt als sicher gesehen werden (Waldecker 2004) ▬ Schließlich kann auch ein von medial durchgeführtes transartikuläres Release der Gelenkkapsel bei geringer ausgeprägten Befunden ausreichen und zu vergleichbaren klinischen Ergebnissen führen
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Osteotomie Über einen medialen Hautschnitt entlang des medialen Aspekts des MT I über der Pseudoexostose erfolgt die Präparation der Kapsel und ggf. eine Bursektomie. Je nach Ausmaß der Fehlstellung kann eine längsverlaufende ovaläre Kapselexzision oder eine L-förmige Kapselinzision vorgenommen werden. Tipp
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I
Die L-förmige Kapselinzision bietet ein höheres Korrekturpotential. Es ist empfehlenswert, die endgültige Resektion der Kapsellappen erst nach erfolgter ossärer K Korrektur kt durchzuführen, d h füh um nicht i ht durch d h übergroßen üb ß Zug eine Varusüberkorrektur zu erzeugen.
Unter leichtem axialem Zug wird der Gelenkbinnenraum inspiziert. Bedarfsweise ist eine Synovialektomie durchzuführen. Mit der oszillierenden Säge wird die Pseudoexostose abgetragen und für die Verwendung im Rahmen einer eventuell notwendigen Spongiosaplastik asserviert. Ein Abtragen der Pseudoexostose mit einem Meißelschlag ist nicht ausreichend präzise. Tipp
I
I
Bei Präparation des MT-I-Köpfchens ist der plantare und laterale Übergang zur Metaphyse zu schonen, da die Gefäßversorgung des Köpfchens über den media medialen und lateralen Ast der intermetatarsal verlaufenden Arterie und der medialen plantaren Arterie erfolgt. Die Präparation entlang der Diaphyse streckseitig und plantarseitig l t iti ist i t von SSeiten it d der G Gefäßversorgung fäß nicht i ht kritisch.
Zur Markierung der Scarf-Osteotomie erfolgt die Einbringung von zwei parallelen 1,4-mm-Kirschner-Drähten in die Diaphyse des Metatarsus. Der distale Draht soll in der Sagittalebene ein Drittel des Metatarsaledurchmessers von der Streckseite aus markieren und der proximale Kirschner-Draht ein Drittel des Metatarsaledurchmessers von plantar aus. Tipp
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I
Die Positionierung der Markierungs-Kirschner-Drähte ist entscheidend, um Eckpunkte für die gewünschte Korrektur vorgeben zu können: Die Drähte sollen in der dorsoplantaren Ebene rechtwinklig zur Ausrichtung des Metatarsus II in den 1. Strahl eingebracht werden. Die Plantarisierung des distalen MT-I▼
Fragments kann durch eine nach plantar gerichtete Kirschner-Draht-Markierung erreicht werden. Eine Elevation wird nur in den seltensten Fällen erforderlich sein. Die Verkürzung erfolgt durch die zum lateralen Fußrand gerichtete Position der KirschnerDraht-Spitzen. (»The mystery of this surgical procedure is i th the shortening h t i and d th the llowering i off th the fi firstt ray« [Barouk 2006]).
Unter fortlaufender, sparsamer Spülung wird mit einer feinen oszillierenden Säge mit 10-mm-Sägeblatt die Zförmige Osteotomie entlang der K-Draht-Markierung durchgeführt. Insbesondere proximal ist auf eine vollständige Kortikotomie der lateralen MT-Kortikalis zu achten. Mit einem feinen Lambotte-Meißel sollte nachgearbeitet werden, auch um das laterale Periost aufdehnen zu können. Tipp
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Die Länge der Osteotomie beträgt ¾ der gesamten Länge des Metatarsus I. Damit können nach Verschiebung stabile kortikale und spongiöse Flächen aufeinander gestellt werden. Die ausreichend lange Osteotomie ist ein gutes Präventiv gegen das Risiko des sog. »troughing«, des unerwünschten Eintauchens der harten kortikalen Kanten in die weiche S Spongiosa i und dd des damit d it einhergehenden i h h d KorrekK k turverlusts.
Mit den nun vorliegenden Fragmenten sind weitestgehend alle Korrekturen durchführbar (⊡ Abb. 6.15a–c). In Abhängigkeit von der präoperativ durchzuführenden Analyse der Deformität können folgende Verschiebungen durchgeführt werden: ▬ Bei milden Fehlstellungen ist die Lateralisation des Fragments ausreichend. In ausgeprägten Fällen wird das Ausmaß der Verschiebung lediglich von der mindestens noch erforderlichen Kontaktfläche der beiden Metatarsalefragmente limitiert. ▬ Das Schwenken des distalen Fragments zum Ausgleich eines pathologischen DMAA erfolgt durch eine Lateralschwenkung des proximalen Schenkels des gelenktragenden Metatarsalefragments und ist bis zu einer Korrektur von ca. 20° möglich. Dabei ist zu beachten, dass Rotationskorrektur und Lateralisationskorrektur sich gegenseitig beeinflussen. ▬ Die Plantarisierung des distalen Fragments ergibt sich zum einen durch die Richtung der horizontalen Sägeschnittführung. Oft ist die so erreichbare Plantari-
59 6.3 · Meta-diaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Scarf-Osteotomie)
45-60° 45-60° a
b
c
d
e ⊡ Abb. 6.15 a Typische Z-förmige Osteotomieform der Scarf-Osteotomie mit Angulation der Osteotomieebenen um ca. 45° zueinander. b Absenkung des Metatarsaleköpfchens durch die gewählte Osteotomieebene. c Ad-latus-Verschiebung und Schwenken des distalen Fragments. d Typischer intraoperativer Aspekt der Scarf-Osteotomie. e Osteosynthese mit 2 kanülierten Bold-Schrauben (Schrauben mit differenten Gewindesteigungen zur Erhöhung der intraossären Kompression). f Intraoperativer Situs mit Fixation mittels Versatzzange und Osteosynthese mit kanülierten Doppelgewindeschrauben. (a–c und e: aus Engelhardt 2001)
sierung ausreichend, um eine begleitende Metatarsalgie ausreichend behandeln zu können (⊡ Abb. 6.15b). Alternativ kann durch additives Einbringen eines Knochenkeilchens im Sinne einer autologen Spongiosaplastik, das aus der initial abgetragenen Exostose gewonnen werden kann, eine zusätzliche Plantarisierung erreicht werden.
f
▬ Eine Elevation wird nur ausnahmsweise bei einer gleichzeitig bestehenden Hohlfußfehlstellung erforderlich sein. ▬ Die Verkürzung des 1. Strahles wird durch die Richtung der schrägen transversen Osteotomien oder durch Resektion entsprechender Knochenscheiben erreicht, sollte aber nur moderat durchgeführt werden (⊡ Abb. 6.15d).
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60
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Die korrigierende Verschiebung des distalen MT-I-Fragments erfolgt dosiert manuell oder mit der in den meisten Osteosynthesesets enthaltenen Spezialosteosynthesezange mit bereits eingestelltem Versatz (⊡ Abb. 6.15f ). Die Osteosynthese erfolgt idealerweise mittels kanülierten Schrauben mit 2 Gewindesteigungen, die eine sehr stabile Osteosynthese ermöglichen (⊡ Abb. 6.15e u. ⊡ Abb. 6.15f ). Zwischenzeitlich sind auch selbstschneidende Schrauben auf dem Markt, bei denen nur noch das Gewindeköpfchen selbst eingesenkt werden muss und die Schraubenspitze ihren Weg auch ohne Vorbohren findet. Damit wird das Risiko, den intraossären Anteil des Führungsdrahtes abzubohren, vermindert.
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⊡ Abb. 6.16 Befund bei Abschluss der Operation
⊡ Abb. 6.17 Klinisches Ergebnis 1 Jahr nach Korrektur einer milden Hallux-valgus-Deformität rechts. Präoperativer Befund wie auf der noch nicht korrigierten linken Seite
Tipp
I
I
Andere Osteosyntheseformen wie Gewinde-KirschnerDraht-Fixationen, Fadenosteosynthesen oder Osteosynthesen mit resorbierbaren Implantaten sind in der Hand des Geübten möglich, es liegen jedoch keine eindeutig i d ti reproduzierbaren d i b EErgebnisse b i zu di diesen weniger sicheren Osteosyntheseverfahren vor.
Der medial bestehende knöcherne Überstand wird mit der oszillierenden Säge geglättet. Im Bedarfsfall kann Spongiosa aus der resezierten Pseudoexostose zur zusätzlichen Spongiosaplastik verwandt werden.
61 6.3 · Meta-diaphysäre Osteotomie des 1. Strahles (Scarf-Osteotomie)
Die Kapsulodese erfolgt in Korrekturposition mit einem resorbierbaren 2,0-Faden in Rückstichtechnik (⊡ Abb. 6.16). Die korrekte Zugrichtung des M. abductor hallucis muss überprüft werden, ggf. ist eine zusätzliche Raffung erforderlich. Bei der Weichteilversorgung ist peinlichst darauf zu achten, den im streckseitigen Aspekt der Wunde verlaufenden sensiblen Nervenast nicht zu schädigen oder mit der Naht zu fassen.
Nachbehandlung Zum Abschluss der Operation wird ein Redressionsverband angelegt. In Abhängigkeit von der Compliancefähigkeit des Patienten kann eine Unterschenkelschale oder eine vorkonfektionierte Lagerungsschiene verwendet
a
werden. Am 2. postoperativen Tag erfolgt der Verbandswechsel auf einen Pflasterverband und die Anlage der Hallux-valgus-Nachtlagerungsschiene. Die Mobilisation wird konsequent mit Vorfußentlastungsschuh und Hallux-valgus-Schiene für 4 Wochen durchgeführt. Physiotherapie erfolgt geführt aktiv-assistiv zur Mobilisierung des Großzehengrundgelenks ab dem 2. postoperativen Tag. Lymphdrainage wird von den Patienten durchweg als angenehm empfunden. Postoperativ erfolgt eine antiphlogistische und analgetische Standardtherapie und in Abhängigkeit von der Risikogruppe eine Low-dose-Heparinisierung für die ersten postoperativen Tage. Eine klinische und röntgenologische Kontrolle ist 6 Wochen, 6 Monate und 1 Jahr postoperativ anzuraten (⊡ Abb. 6.17, 6.18, 6.19).
b
⊡ Abb. 6.18 Radiologisches Ergebnis präoperativ und 1 Jahr postoperativ. Korrektur eines ausgeprägten Befunds durch Scarf-Osteotomie an MTT I
a
b
⊡ Abb. 6.19 Korrektur des DMAA durch Schwenken des distalen Fragments
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62
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Literatur
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Barouk LS (1992) Notre experience de l’osteotomie scarf des premier et cinquième metatarsiens. Med Chir Pied 8.2:67–84 Barouk LS (2003) Forefoot reconstruction. Springer, Paris Barouk LS (2006) Persönliche Mitteilung anlässlich des DAF Kongresses 2006, Heidelberg Barouk LS (2007) The Scarf first metatarsal osteotomy in the correction of hallux valgus deformity. Interact Surg 2:2–12 Berg RP, Olsthoorn PG, Pöll R (2007) Scarf osteotomy in hallux valgus: a review of 72 cases. Acta Orthop Belg: 73 Borrelli AH, Weil LS (1991) Modified scarf bunionectomy: our experience in more than one thousand cases. J Foot Surg 30:609–622 Burutaran JM (1976) Hallux valgus y cortedad anatomica del primer matatarsano. Act Med Chir Pied XIII: 262–266 Coughlin MJ (1997) Hallux valgus in men: Effect of the distal articular angle on hallux valgus correction. Foot Ankle Int 18:463–470 Crevoisier X, Mouhsine E, Ortolano V, Udin B, Dutoit M (2001) The scarf osteotomy for the treatment of hallux valgus deformity: a review of 84 cases. Foot Ankle Int 22:970–976 Dereymaeker G (2000). Scarf osteotomy for correction of hallux valgus. Surgical technique and results as compared to distal chevron osteotomy. Foot Ankle Clin 5:513–524 Engelhardt P (2001) Orthopädische Fußchirurgie, Steinkopff, Darmstadt Jones S, Al Hussainy HA, Ali F, Betts RP, Flowers MJ (2004) Scarf osteotomy for hallux valgus. J Bone Joint Surg 86B:830–836 Meyer M (1926) Eine neue Modifikation der Hallux-valgus-Operation. Zbl Chir 53:3215–3268 Sabo D, Buchner M (2004) Die Behandlung des Hallux-valgus-Syndroms mit Scarf-Osteotomie, Akin-Osteotomie und Weil-Osteotomie. FussSprungg 2:76–84 Waldecker U (2004) Lateral release in hallux valgus surgery: comparison of two approaches. Foot Ankle Surg 10:195–199 Weil LS (2000) Scarf osteotomy for correction of hallux valgus. Historical perspective, surgical technique, and results. Foot Ankle Clin 5:559–580
6.4
Proximale Osteotomien des Metatarsale I
Manfred Thomas, Augsburg Die proximale Korrekturosteotomie des Metatarsale I wird bei schwerer Hallux-valgus-Deformität mit Inkongruenz des Großzehengrundgelenks empfohlen. In der Regel wird die knöcherne Korrektur dann mit einem distalen Weichteilrelease des MTP-I-Gelenks kombiniert. Der Weichteileingriff wird entweder durch einen zusätzlichen lateralen Zugang zum Gelenk oder über einen von medial durchgeführten Gelenkzugang transartikulär vorgenommen. Die ursprünglich von McBride beschriebene Technik der distalen Weichteilpräparation umfasste eine Lockerung der lateralen MTP-I-Gelenkkapsel, einen Transfer der Adductor-hallucis-Sehne in den MT-I-Kopf lateral, eine Exzision des lateralen Sesambeines, eine Resektion der medialen Eminenz des MT I sowie eine Raffung der
MTP-I-Gelenkkapsel medial. Erst durch Roger Mann wurde diese Technik erheblich modifiziert und »distales Soft-tissue-Realignment« genannt (Mann et al. 1992). Verschiedene proximale Osteotomien werden in der Literatur behandelt (Easley et al. 1996; Lee u. Kim 2007; Thomas 2009; Trnka et al. 2009; Walther et al. 2008). Die gängigsten Verfahren werden in diesem Kapitel beschrieben (⊡ Abb. 6.20a-c): ▬ Die proximale aufklappende Korrekturosteotomie des MT I (»opening wedge«) ▬ Die proximale Verschiebeosteotomie des MT I ▬ Die proximale Crescentic-Osteotomie des MT I ▬ Die proximale Chevron-Osteotomie des MT I ▬ Die proximale zuklappende Osteotomie des MT I (»closing wedge«) Da die proximalen Osteotomien regelhaft mit einem Weichteileingriff am MTP I kombiniert sind, muss ein 2. Zugang zur Eröffnung des MTP-I-Gelenks vorgenommen werden. Durch die rasanten Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere die winkelstabilen Implantate, sind auch proximale Osteotomien heute frühzeitig belastbar (Gallentine 2007; Thordarson u. Leventen 1992; Walther et al. 2008). Für die Korrektur hoher Intermetatarsalewinkel konkurriert diese Methode mit der Lapidus-Arthrodese (Coughlin u. Smith 2008; Coughlin u. Jones 2007).
Operationsindikation Die proximale Korrekturosteotomie in Verbindung mit einem distalen Weichteileingriff findet ihre Indikation bei moderater und schwerer Hallux-valgus-Deformität mit inkongruentem MTP-I-Gelenk sowie bei schwerer Hallux-valgus-Deformität mit schmalem Metatarsale-I-Schaft (IM-Winkel I/II >17°, HAV-Winkel >35°; ⊡ Abb. 6.21). Da es sich um eine »gelenkerhaltende Operation« handelt, muss der Knorpelüberzug im Großzehengrundgelenk in ausreichender Qualität erhalten sein (Coughlin u. Carroll 2007; Myerson 2000; Okuda et al. 2008).
Operationsprinzip Der Eingriff ist in der Regel in ein weichteiliges Vorgehen und ein knöchernes Vorgehen aufgeteilt. Das distale Weichteilrelease stellt mit der Eröffnung des Großzehengrundgelenks inkl. Adduktorentenotomie, Synovektomie und Lockerung der Sesambeinaufhängung den 1. Schritt dar. Danach folgt die proximale Korrekturosteotomie des MT I in der jeweils gewählten Technik.
63 6.4 · Proximale Osteotomien des Metatarsale I
a
b
c
⊡ Abb. 6.20 a Closing-wedge-Osteotomie. b Opening-wedge-Osteotomie. c Crescentic-Osteotomie
⊡ Abb. 6.21 Prä- und postoperativer Aspekt mit guter Verbesserung des Intermetatarsalewinkels und des Hallux-valgus-Winkels
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64
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Entscheidend für das Ergebnis ist die Korrektur in der Transversal- und der Frontalebene sowie die Wiederherstellung eines weichteilig und knöchern kongruenten Großzehengrundgelenks. Folgende Richtgrößen sollten korrigiert werden: ▬ Sesambeinposition ▬ Kongruenz des MTP-Gelenks ▬ Hallux-valgus-Winkel ▬ Intermetatarsale Winkel I/II ▬ Distaler metatarsaler Gelenkflächenwinkel (DMAA) ▬ Eventuelle Elevatus- oder Flexionsposition des MT I
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Kontraindikationen Das Spektrum der Kontraindikationen umfasst: ▬ Osteopenie ▬ Fortgeschrittene Arthrose des MTP-I-Gelenks ▬ pAVK mit mangelhafter Durchblutung des betroffenen Fußes ▬ Florider Infekt ▬ Spastik (z.B. infantile Zerebralparese, Apoplex) ▬ Hyperlaxitätssyndrome (z.B. Ehlers-Danlos, Marfan etc.) ▬ Rheumatoide Polyarthritis mit Destruktion des MTP I ▬ Offene Epiphysenfuge der MT-I-Basis ▬ Hypermobilität des TMT I ▬ Insulinpflichtiger Diabetes mellitus im Endstadium
Operationstechnik Lagerung Rückenlage und Blutleere (wahlweise Unterschenkel- oder Oberschenkelblutleere). Unterlagern der ipsilateralen Beckenhälfte durch Trochanterkissen. Hierdurch Ausgleich der Hüftaußenrotation. Alternative: Lagerung auf einer Unterschenkelbank oder in einem Beinhalter.
b ⊡ Abb. 6.22a, b Prinzip des lateralen Release
Die transartikuläre Technik ist wegen der schlechteren Übersicht nur für den Geübten geeignet, bietet jedoch den Vorteil der geringeren lokalen Schwellneigung. Bei kontrakten Gelenken ist in der Regel eine weitreichende Lockerung des Adduktorensehnenkomplexes erforderlich (⊡ Abb. 6.23). Falls eine manuelle Überkorrektur im MTP-I-Gelenk nach den oben beschriebenen Techniken noch nicht möglich ist, wird die restliche Gelenklockerung durch eine laterale Kapselspaltung des Gelenks erzielt.
Weichteileingriff Unterschieden werden die »intermetatarsale« Technik mit einer eigenen Inzision im Zehenzwischenraum I/II sowie die »transartikuläre« mediale Technik. Beide Techniken verfolgen das gleiche Ziel, nämlich die Lockerung des Sesambeinkomplexes und der Adduktorenaufhängung an der Basis des D I. Nur in Ausnahmefällen wird heute noch die Technik der Adduktorensehnenverlagerung in den MT-I-Kopf von lateral vorgenommen (⊡ Abb. 6.22a, b). Die intermetatarsale Technik bietet eine bessere Übersicht, allerdings treten im Zugangsweg gehäuft Hämatome auf, die später zu narbigen Verhärtungen führen können.
Tipp
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Eine passive, manuelle Überkorrektur von 30–40° sollte zum Ende des Weichteilrelease möglich sein, andernfalls ist das Risiko für ein Rezidiv erhöht. erhöht Je geringer die D f Deformität, ität d desto t weniger i aggressiv i sollte llt d das WeichW i h teilrelease sein!
Knöcherner Eingriff Vor Beginn der Basisosteotomie wird über einen bogenförmigen Hautschnitt unter Schonung von Gefäßen und
65 6.4 · Proximale Osteotomien des Metatarsale I
⊡ Abb. 6.23 Transartikuläres Weichteilrelease
Nerven das Großzehengrundgelenk eröffnet. Dann kann nach Kapselinzision (L-förmig oder T-förmig) das Gelenk dargestellt werden. Der Knorpelzustand kann jetzt inspiziert werden, anschließend wird die Pseudoexostose von distal nach proximal abgetragen, danach das »Weichteilrelease wie oben beschrieben durchgeführt. Tipp
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I
Die Pseudoexostose immer von Gelenkseite in Richtung Schaft resezieren, um auf keinen Fall das Gelenk zu beschädigen. b hädi Die Di Gleitrinne Gl it i sollte llt auff jeden j d Fall F ll erhalten werden.
Über der Basis des Metatarsale I wird ein dorsomedialer Hautschnitt angelegt, der von Schaftmitte bis zum TMTI-Gelenk verläuft. Dieser Hautschnitt erfolgt entweder in Verlängerung des medialen Gelenkzugangs zum MTP I oder wird als separater Schnitt zusätzlich zum medialen Gelenkzugang gewählt. Nach Schonung der subkutanen Gefäß- und Nervenstrukturen wird dann die Extensorhallucis-Sehne beiseite gehalten und das Metatarsale knöchern im proximalen Drittel freigelegt. Die Osteotomie liegt idealerweise auf Höhe des Übergangs von Metaphyse zu Diaphyse oder streng diaphysär. Der Autor bevorzugt eine bikortikale Osteotomie mit Verschiebung des distalen Fragments nach lateral und zusätzlicher lateraler Keilentnahme, um die präoperativ anhand der Röntgenaufnahme unter Belastung ausgemessene Korrektur zu erzielen (⊡ Abb. 6.24). Die Osteotomiehöhe wird bei allen proximalen Osteotomien unter Bildwandlerkontrolle festgelegt. Unter Bildwandler sollte unbedingt auch eine mögliche Elevatusstellung des MT I im seitlichen Strahlengang dar-
⊡ Abb. 6.24 Proximale quere Schaftosteotomie
gestellt werden (⊡ Abb. 6.25). Nun werden Rotationsmarkierungen (2x K-Draht) gesetzt, dann erfolgt die Osteotomie des Schaftes. Bei der Chevron-Osteotomie (Gallentine et al. 2007; Lee et al. 2008), Crescentic-Osteotomie (Jones et al. 2005; McCarthy et al. 2008) oder auch der Lateralverschiebeosteotomie (Thomas 2009) werden jeweils die laterale und mediale Kortikalis durchtrennt. Hierdurch entsteht ein höheres Korrekturpotential, die Osteotomie ist jedoch instabil und erfordert eine entsprechende Osteosynthese. Durch die Verwendung winkelstabiler Implantate, ggf. in Kombination mit Zugschrauben, können die Patienten heute frühzeitig teilbelasten (⊡ Abb. 6.26). Anders verhält es sich bei der aufklappenden oder zuklappenden Osteotomie (Saragas 2009; Shurnas et al. 2009; Thordarson u. Leventen 1992). Das Grundprinzip dieser beiden Osteotomietypen ist das Erhalten einer Kortikalis. Das heißt, die zuklappende Osteotomie mit lateraler Keilentnahme schont die mediale Kortikalis, die aufklappende Osteotomie wird unter Schonung der lateralen Kortikalis durchgeführt. Besonderheit der aufklappenden Osteotomie ist eine milde Verlängerung des Metatarsale I, die zuklappende Osteotomie ist durch eine milde Verkürzung des MT I gekennzeichnet. Durch das laterale Zuklappen bzw. das mediale Aufklappen der Basisosteotomie besteht das Risiko für eine Erhöhung des distalen Gelenkflächenwinkels des MT I (distal metatarsal articular angle, DMAA).
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Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
6 ⊡ Abb. 6.25 Plantarisierung des Metatarsale I durch Basisosteotomie
⊡ Abb. 6.26 Belastungsstabile Osteosynthese
Sofern dieser Fall eintritt, ist es erforderlich, DMAA durch eine modifizierte Chevron-Osteotomie mit medialer Keilentnahme zu korrigieren (⊡ Abb. 6.27a-c). Der Gelenkflächenwinkel sollte senkrecht zur Schaftachse MT I <=8° betragen. Sämtliche Osteotomien können mit verschiedenen Osteosynthesematerialien stabilisiert werden. Kirschner-Draht-Osteosynthesen sind in diversen biomecha-
nischen Untersuchungen den Plattenosteosynthesen unterlegen. In den neuesten Untersuchungen zeigen die Verwendung von winkelstabilen Systemen in Verbindung mit Zug- oder Kompressionsschrauben die höchste Stabilität. Bei Verwendung von Standardschrauben oder Kirschner-Drähten muss ggf. eine längerdauernde postoperative Entlastungsphase eingehalten werden. (⊡ Abb. 6.28).
67 6.4 · Proximale Osteotomien des Metatarsale I
a
b
DMAA Wi k l DMAA-Winkel
c
zuklappende Osteotomie
distale Gelenkflächenkorrektur
⊡ Abb. 6.27 a Präoperativer DMAA. b Beeinflussung des DMAA durch die Closing-wedge-Osteotomie. c Korrektur der distalen Gelenkfläche durch mediale Keilentnahme
Nachbehandlung
⊡ Abb. 6.28 Übungsstabile Osteosynthese
Nach Kapselplastik und Wundverschluss wird ein Redressionsverband (⊡ Abb. 6.29) angelegt. Eine Gipsschiene wird nur in Fällen einer »nichtbelastungsstabilen« Osteosynthese angelegt. Alle anderen Patienten erhalten am 2. Tag nach Operation einen kurzen Walker mit steifer Sohle und Abrollhilfe, um mit der Teilbelastung des operierten Fußes zu beginnen. In Abhängigkeit von der jeweiligen Patientencompliance sollte spätestens 14 Tage nach OP das krückenfreie Gehen möglich sein. Eine Hallux-valgus-Redressionsbandage wird nach Abschluss der 2. postoperativen Woche bis Abschluss der 6. postoperativen Woche getragen. Ab der 7. Woche nach OP ist die Vollbelastung im zugerichteten Straßenschuhwerk mit Abrollhilfe und Sohlenversteifung möglich. Lymphdrainage und Physiotherapie werden ab dem 1. postoperativen Tag durchgeführt. Eine analgetische und antiphlogistische Standardtherapie erfolgt innerhalb der 1. Woche nach operativem Eingriff. Bis zur ausreichenden Belastung erfolgt die risikoangepasste Heparinisierung. Falls durchführbar, ist die postoperative distale Ischiadicusblockierung in der Hand des Geübten eine hervorragende Möglichkeit zur primären postoperativen Analgesie.
6
68
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Thomas M (2009) Die proximale Verschiebeosteotomie mit winkelstabiler Plattenosteosynthese zur Korrektur der fortgeschrittenen Hallux valgus Deformität. FussSprungg 7:14–21 Thordarson DB, Leventen EO (1992) Hallux valgus correction with proximal metatarsal osteotomy: two year follow up. Foot Ankle Int 13:321–326 Trnka H-J, Hofstaetter SG ,Easley ME (2009) Intermediate-Term Results of the Ludloff Osteotomy in One Hundred and Eleven Feet. JBJS 91-A, Suppl 2:156–168 Walther M, Menzinger F, Dreyer F, Mayer B (2008) Die proximale OpenWedge-Osteotomie mit winkelstabiler Plattenosteosynthese zur Korrektur der Spreizfußdeformität mit Hallux valgus. Oper Orthop Traumatol 20:452–462 ⊡ Abb. 6.29 Postoperativer Redressionsverband
6.5
6 Literatur Coughlin MJ, Carroll PJ (2007) Hallux valgus: Demographics, Etiology and Radiographic Assessment. Foot Ankle Int 28:759–777 Coughlin MJ, Jones CP (2007) Hallux Valgus and First Ray Mobility – A Prospective Study. JBJS 89-A:1887–1898 Coughlin MJ, Smith BW (2008) Hallux Valgus and First Ray MobilitySurgical Technique. JBJS 90-A, Suppl 2:153–170 Easley ME, Kiebzak GM, Davis WH, Anderson RB (1996) Prospective, randomized comparison of proximal crescentic and proximal chevron osteotomies for correction of Hallux valgus. Foot Ankle Int 17:307–316 Gallentine JW, DeOrio JK, DeOrio MJ (2007) Bunion Surgery Using Locking-Plate Fixation of Proximal Metatarsal Chevron Osteotomies. Foot Ankle Int 28:361–368 Jones C, Coughlin MJ, Villadot R, Golano P (2005) Proximal Crescentic Metatarsal Osteotomy: The Effect of Saw Blade Orientation on First Ray Elevation. Foot Ankle Int 26:152–165 Lee K-B, Seo C-Y, Hur C-I, Moon E-S, Lee J-J (2008) Outcome of Proximal Chevron Osteotomy for Hallux Valgus With and Without Transverse Kirschner Wire Fixation. Foot Ankle Int 29:1101–1110 Lee W-C, Kim Y-M (2007) Correction of Hallux Valgus Using Lateral Soft- Tissue Release and Proximal Chevron Osteotomy Through a Medial Incision. JBJS 89-A, Suppl. 3:82–89 Mann RA, Rudicel S, Graves SC (1992) Repair of hallux valgus with a distal soft tissue procedure and proximal metatarsal osteotomy. JBJS 74-A:124–129 McCarthy AD, Davies MB, Wembridge KR, Blundell C (2008) Three- Dimensional Analysis of Different First Metatarsal Osteotomies in a Hallux Valgus Model. Foot Ankle Int 29:606–612 Myerson MS (2000) Hallux valgus. In: Myerson MS (ed) Foot and Ankle Disorders, Vol 2. Saunders, Philadelphia, pp 213–288 Okuda R, Kinoshita M, Yasuda T, Jotoku T, Shima H (2008) Proximal Metatarsal Osteotomy for Hallux Valgus: Comparison of Outcome for Moderate and Severe Deformities. Foot Ankle Int 29: 64–670 Saragas NP (2009) Proximal Opening-Wedge Osteotomy of the First Metatarsal for Hallux Valgus Using a Low Profile Plate. Foot Ankle In. 30:976–980 Shurnas PS, Watson TS, Crislip TW (2009) Proximal First Metatarsal Opening Wedge Osteotomy with a Low Profile Plate. Foot Ankle Int 30:865–872 Tanaka Y, Takakura Y, Kumai T, Sugimoto K, Taniguchi A, Hattori K (2008) Proximal Spherical Metatarsal Osteotomy for the Foot with Severe Hallux Valgus. Foot Ankle Int 29:1025–1030
Die Arthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese)
Manfred Thomas, Augsburg Paul Lapidus war im Jahre 1934 der Erstbeschreiber einer Operationsmethode zur Korrektur des Hallux valgus bei Metatarsus primus adductus (Coughlin u. Jones 2007)). Die zugrunde liegende Vorstellung war, dass sich die Metatarsus-primus-varus-Deformität als Resultat einer Instabilität des TMT-I-Gelenks ausbildete. In der Anfangszeit war diese Operationstechnik durch hohe Komplikationsraten, insbesondere Pseudarthrosen, gekennzeichnet. Heute haben sich insbesondere im Bereich der Fixationstechniken wesentliche Verbesserungen ergeben, sodass je nach Fixationsmethode die Pseudarthroseraten zwischen 1 und 10% liegen. Für die Korrektur hoher Intermetatarsalewinkel konkurriert diese Methode mit den basisnahen Korrekturosteotomien des MT I.
Operationsprinzip und Operationsindikation Die klassischen Indikationen für die TMT-I-Korrekturarthrodese nach Lapidus bestehen in der Korrektur von Hallux-valgus-Rezidiven, in der Korrektur der TMT-I-Instabilität mit assoziiertem Metatarsus primus varus (Lapidus 1934; Lapidus 1960) oder elevatus sowie bei schmerzhafter primärer oder sekundärer Arthrose des TMT-IGelenks. Die Instabilitäten des TMT I können sowohl in der sagittalen als auch der frontalen Ebene auftreten. Bei chronischer Instabilität des Gelenks kann es zu einer Beteiligung der angrenzenden TMT-Gelenke kommen, typischerweise ist dann auch das TMT-II-Gelenk wegen chronischer Überbelastung betroffen. In diesen Fällen sollte die erweiterte Lapidus-Arthrodese mit Fusion des TMT-II-Gelenks und interkuneiformer Fusion angewendet werden (Myerson et al. 1992).
69 6.5 · Die Arthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese)
Die Lapidus-Arthrodese erzielt eine exzellente Korrektur des Intermetatarsalewinkels und des Hallux valgus, allerdings ist zur kompletten Korrektur der Deformität immer auch ein distaler Weichteileingriff am MTP-IGelenk, evtl. auch eine Korrektur des distalen Gelenkflächenwinkels am Metatarsus I erforderlich. Die beschriebenen Komplikationsraten sind bei der Lapidus-Arthrodese höher als bei der distalen Korrekturosteotomie des Metatarsale I.
Kontraindikationen ▬ Unbehandelte Rückfußdeformitäten, z.B. Knickplattfuß mit fixiertem Rückfußvalgus ▬ Offene Wachstumsfugen ▬ Gestörte Perfusion des Vorfußes ▬ Spreizfußdeformität mit IM-Winkel I/II <17° und stabilem TMT-I-Gelenk ▬ Vorliegen einer schweren degenerativen Veränderung des Großzehengrundgelenks oder Z.n. Resektionsplastik des MTP I ▬ Relative Kontraindikation: Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit peripherer Polyneuropathie
Operationstechnik Lagerung
a
Rückenlagerung und Blutleere (vorzugsweise Oberschenkel) mit Unterpolsterung der Kniegelenke. Gegenseitiges Bein etwas abgesenkt. Abdeckung des OP-Gebiets bis Unterschenkelmitte mit frei beweglichem Fuß und Sprunggelenk.
Weichteileingriff Bei isolierter Deformität des TMT-I-Gelenks kann auf einen distalen Weichteileingriff am Großzehengrundgelenk verzichtet werden. In allen anderen Fällen sollte zusätzlich zur Korrekturarthrodese des TMT I auch ein Weichteilrelease des Großzehengrundgelenks erfolgen. Über einen medialen, nach plantar gewölbten Hautschnitt über dem MTP-I-Gelenk wird die Gelenkkapsel eröffnet. Bei kleiner Deformität wird eine ovaläre Kapselverjüngung vorgenommen, bei moderaten und schweren Deformitäten wird die proximal gestielte L-förmige oder V-förmige Kapseleröffnung durchgeführt. (Die Kapsel wird am Ende der Operation mit mildem medialem Zug verschlossen. Durch Kapselexzision bei der V- oder L-Schnittführung kann ein zusätzlicher korrigierender Weichteilzug ausgeübt werden). Nach Inspektion des Gelenks wird bei Synovialitis eine offene Synovektomie angeschlossen. Danach erfolgt
b ⊡ Abb. 6.30a,b Zugang zum »lateral release« über den intermetatarsalen Schnitt (a) oder über den medialen Gelenkzugang (b)
das »lateral release« (Coetzee u. Wickum 2004; Fuhrmann 2005; Lapidus 1934; Lapidus 1960). Dieses wird entweder über die Zweischnitttechnik mit intermetatarsalem Schnitt zwischen MT I und II (⊡ Abb. 6.30a) oder über den medialen Zugang zum MTP-I-Gelenk in Einschnitttechnik durchgeführt. (⊡ Abb. 6.30b). Zur Durchführung des lateralen Release Kap. 6.3.
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70
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Tipp
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I
I
Vorteil der Zweischnitttechnik ist die bessere Übersicht. Die Versetzung der Adduktorensehne ist nur über diese Technik möglich möglich. Nachteil dieser Technik sind die häufig auftretenden ft t d Hä Hämatome t iim IInterspatium t ti I/II und d das d zusätzliche Risiko von hypertrophen Narbenzügeln Narbenzügeln. Die Einschnitttechnik über den medialen Kapselzugang ist für den Anfänger nicht geeignet. Durch die oft schlechte visuelle Darstellung der lateralen Kapsel i td ist das llaterale t l R Release l b beii dieser di Technik T h ik hä häufig fi eine i Operation »im Dunkeln« ((⊡ Abb. Abb 6 6.31). 31) Vorteile sind die deutlich geringere Hämatombildung sowie i d das V Vermeiden id eines i zusätzlichen ät li h ZugangsweZ ges zum Gelenk.
⊡ Abb. 6.31 »Lateral release« über den medialen Zugang
Bei sauberer Ausführung des »lateral release« sind die Ergebnisse der beiden oben beschriebenen Techniken vergleichbar.
Arthrodese des TMT-I-Gelenks Lokalisation des TMT-I-Gelenks durch Palpation oder unter Bildwandlerkontrolle. Setzen einer dorsomedialen Inzision im Verlauf der Extensor-hallucis-longus-Sehne. Spalten der Extensor-hallucis-Aponeurose und subperiostales Darstellen des TMT-I-Gelenks. Eröffnung der Gelenkkapsel und sparsame Abtragung des Knorpels, Aufbrechen der subchondralen Sklerose. Um später die Rotationsebenen des Gelenks zu erhalten, werden jetzt am Knochen Rotationsmarkierungen gesetzt. Entnahme eines lateralbasigen Knochenkeiles subchondral aus dem Os cuneiforme mediale (Coetzee et al. 2004; Coetzee u. Wickum 2004; Fuhrmann 2005; Sangeorzan u. Hansen 1989). Hierbei muss die Wölbung der Gelenkflächen des TMT-IGelenks beachtet werden. Die Keilgröße sollte bereits bei der präoperativen Planung an Hand der belasteten Röntgenaufnahme festgelegt werden (⊡ Abb. 6.32a, b). Tipp
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I
a
Die Präparation der Gelenkflächen muss auch plantar/ kaudal komplett durchgeführt werden, um Repositionshindernisse zu vermeiden vermeiden. Bei der Resektion der kaudalen/plantaren Gelenkflächenanteile muss der S h Sehnenansatz t d der P Peroneus-longus-Sehne l S h geschont h t werden.
Die Reposition des TMT I sollte unter Bildwandlerkontrolle erfolgen, um alle Ebenen exakt einzustellen. Bei MT-I-Minusvarianten muss evtl. die Länge des 1. Strahles durch autologe Spongiosaplastik oder Einsetzen eines
b ⊡ Abb. 6.32a, b Resektion der Gelenkflächen für die TMT-I-Arthrodese. Entnahme eines Knochenkeiles aus der MT-I-Basis und dem Os cuneiforme mediale
71 6.5 · Die Arthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese)
a
⊡ Abb. 6.33a, b Lapidus-Arthrodese mit gekreuzten Kleinfragmentschrauben
b
kleinen Knochenspanes wiederhergestellt werden (Sangeorzan u. Hansen 1989). Die Gelenkstellung wird zunächst durch K-Drähte in der gewünschten Position gehalten, dann erfolgt die Arthrodese (⊡ Abb. 6.33a, b). Diese kann entweder in der Standardtechnik durch 2 gekreuzte Kleinfragmentschrauben oder mit der biomechanisch stabileren Osteosynthese mit winkelstabiler Platte mit (⊡ Abb. 6.34a, b) oder ohne zusätzliche Zugschraube erfolgen (Fuhrmann 2005; Gruber et al. 2008; Scranton et al. 2009).
Nachteil der Plattenosteosynthese ist, dass aufgrund der auftragenden Platte oft 2-zeitig eine Metallentfernung erforderlich wird. Der große Vorteil ist jedoch die frühzeitige Belastbarkeit der Arthrodese. Im Falle einer zusätzlichen Instabilität oder auch Arthrose des TMT-II-Gelenks und/oder Cuneiforme I/ II-Gelenks sollten diese Gelenke in die Fusion mit einbezogen werden (⊡ Abb. 6.35a). Die Erweiterung der TMTI-Arthrodese wird in diesem Fall als »Corner-Fusion« bezeichnet (Sangeorzan u. Hansen 1989). Tipp
Tipp
I
I
Die Breite des Os cuneiforme beträgt nur 15 mm, dafür misst i td das C Cuneiforme if mediale di l und d die di MT MT-I-Basis I B i von kranial nach kaudal ca. 30 mm!
Es werden auch Arthrodesetechniken mit zusätzlichem Einbringen einer temporären Stellschraube vom MT I in den Schaft des MT II beschrieben (Coughlin u. Jones 2007; Coetzee et al. 2004; Fuhrmann 2005; Sangeorzan u. Hansen 1989; Wanivenhaus 1998).
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I
Bei der Schraubenpositionierung und Präparation müssen die im Interspatium I/II verlaufenden Strukt turen geschont h t werden. d Dies Di sind i d u.a. di die A A. dorsalis d li pedis und der N. peroneus profundus.
Nach korrekter Arthrodese muss nun die Neigung der distalen Gelenkfläche des MT I inspiziert werden (⊡ Abb. 6.35b). Beträgt dieser Winkel (PASA) mehr als 10° sollte die Gelenkflächenstellung durch eine subkapitale Osteotomie mit medialer Keilentnahme (z.B. nach
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72
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
a
6
⊡ Abb. 6.34 a Lapidus-Arthrodese mit Zugschraube und winkelstabiler Plattenosteosynthese. b Röntgenologischer Verlauf: präoperativer Befund und unmittelbar postoperative Kontrolle mit Lapidus-Arthrodese mit Zugschraube, winkelstabiler Platte, distalem »lateral release«, Akin-Osteotomie und Korrektur der Strahlen I und V
b
73 6.5 · Die Arthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese)
Chevron) korrigiert werden (Coughlin u. Jones 2007; Fuhrmann 2005; Rink-Brüne 2004). Vor Verschluss der Kapsel am MTP-I-Gelenk wird noch die Pseudoexostose eingeglättet. Dann kann die Gelenkkapsel wie oben beschrieben mit subtilem Weichteilbalancing verschlossen werden (Coughlin u. Jones 2007; Coetzee et al. 2004; Fuhrmann 2005; Lapidus 1934; Lapidus 1960).
Risiken ▬ Pseudarthrose ▬ Übermäßige Plantarisation des 1. Strahles mit Überlastung des MT-I-Köpfchens ▬ Elevationsfehlstellung des 1. Strahles mit sekundärer Transfermetatarsalgie auf MT II und MT III ▬ Materiallockerung oder Implantatbruch (in der Regel kombiniert mit Pseudarthrose des TMT I) ▬ Sensibilitätsstörung durch Irritation des Nervus peroneus profundus oder Äste des Nervus cutaneus dorsalis ▬ Chronisches regionales Schmerzsyndrom (SudeckDystrophie)
Nachbehandlung Die Nachbehandlung erfolgt in Abhängigkeit der Compliance des Patienten und der jeweils gewählten Operationstechnik. Nach Wundverschluss wird allen Patienten ein steriler Redressionsverband mit elasto-kompressiver Wickelung angelegt. Die primäre Ruhigstellung erfolgt mittels einer im OP angepassten Unterschenkel-Baycast-Schiene. Ab dem 1. postoperativen Tag wird zunächst täglich, ab der 2. postoperativen Woche noch 2- bis 3-mal wöchentlich Lymphdrainage und geführte passive KG angewendet. Patienten mit Schraubenarthrodesen dürfen für 6 Wochen keinen Bodenkontakt aufnehmen, Patienten mit winkelstabilen Platten dürfen ab dem 5. postoperativen Tag mit 20 kg Fersenbelastung im kurzen Walker beginnen. Die Vollbelastung im Walker wird nach Abschluss der 6. postoperativen Woche bei winkelstabiler Platte (Röntgenkontrolle!) erlaubt, in den anderen Fällen erst nach Abschluss der 8. postoperativen Woche. Anschließend ist das Tragen von Straßenschuhwerk mit Abrollhilfe und Sohlenversteifung bis Abschluss des 3. Monats angeraten. Sportverbot besteht bis zum Abschluss des 3. Monats nach der Operation.
PASAGelenkflächenwinkel
a
b
⊡ Abb. 6.35 a »Corner-Fusion« unter Einbeziehung von TMT II und/oder Os cuneiforme II. b Bei PASA-Winkel >10° ist eine zusätzliche distale Korrektur indiziert
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74
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Literatur
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6.6
Minimal-invasive Osteotomien
Gebhard Suger, Ulm Christina Erdle, Ulm In vielen Bereichen der Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie haben in den letzten Jahren minimal-invasive Techniken einen festen Stellenwert im Spektrum operativer Vorgehensweisen erlangt. Neben den schon länger etablierten endoskopischen Verfahren werden auch zunehmend rein perkutane Vorgehensweisen ohne direkte Sicht angewandt. Als Beispiel für den Bereich der Unfallchirurgie sei die Verwendung eingeschobener Implantate nach indirekter Frakturreposition und für den Bereich der Orthopädie die minimal-invasive
Bandscheibenchirurgie erwähnt. Der Grund für die zunehmende Anwendung minimal-invasiver Techniken ist das Streben nach einer Reduktion der Belastung für den Patienten durch ausgedehnte operative Zugangswege (Schmerzen, Infekte etc.). Für den Bereich der Fußchirurgie kam der Durchbruch mit der Einführung motorgetriebener Fräsen, sodass es ab Ende der 80iger Jahre möglich wurde, die überwiegende Anzahl von Fehlbildungen am Fuß durch minimal-invasive Techniken zu korrigieren. In diese Zeit fallen die Veröffentlichungen von Stephen A. Isham (Isham 1997–2007) zu seiner Methode der Korrektur von Fußfehlstellungen mittels einer Hochfrequenzfräse. Nahezu gleichzeitig erfolgte in Spanien durch M. de Prado und P.L. Ripoll die wissenschaftliche Aufarbeitung der chirurgisch-anatomischen Grundlagen und Ergebnisse dieser Verfahren (De Prado et al. 2003).
Instrumentarium In der minimal-invasiven Vorfußchirurgie finden feine Fräsaufsätze auf speziellen Antriebsmaschinen Verwendung, wie sie u.a. auch aus der Zahnmedizin bekannt sind. Diese Fräsen schneiden sowohl an der Spitze als auch seitlich (»side cutting burrs«). Für die Durchführung der Exostosektomie am Metatarsale I wird eine Fräse mit 3,1 mm verwendet. Osteotomien des 1. Metatarsale und der proximalen Phalanx der Großzehe erfolgen unter Anwendung der langen 2,3 mm Fräse. Für die Phalangen steht eine entsprechend kürzere Fräse dieses Durchmessers zur Verfügung (⊡ Abb. 36a, b). Der Antrieb erfolgt über Aggregate, deren Durchzugskraft ausreichend sein muss, um auch bei niedrigen Drehzahlen ein Blockieren der Fräsen im Knocheninneren zu verhindern. Aus diesem Grund müssen die Antriebsmaschinen in der perkutanen Vorfußchirurgie für die Arbeit am Knochen auf 5000–8000 Umdrehungen pro Minute gedrosselt werden. Höhere Drehzahlen bergen die Gefahr von Weichteilverletzungen durch Überwärmung und Kontrollverlust über die chirurgischen Handgriffe. Solche Maschinen sind zwischenzeitlich von verschiedenen Firmen erhältlich. Daneben sind die aus der offenen Technik für Hand und Fuß bekannten Instrumente wie Elevatorien und Raspatorien ausreichend (⊡ Abb. 6.37). Aufgrund der speziellen OP-Technik sind Instrumentarien zur Exposition der Weichteile und des Knochens (Haken und Hebel) nicht nötig. Falls erforderlich, werden zur Stabilisation der Osteotomien im Bereich der Mittelfußknochen kanülierte Schrauben der Stärke 3,5–4 mm verwendet. Platten oder Drähte kommen als Implantate nicht zur
75 6.6 · Minimal-invasive Osteotomien
Anwendung. Die meisten Osteotomien bedürfen keiner internen Stabilisierung.
Indikation und technische Durchführung
a
Die Indikation zur Durchführung der verschiedenen Korrekturverfahren am 1. Strahl unterscheidet sich nicht von der bei offenen Verfahren. Hauptkorrekturziele sind die Beseitigung des Spreizfußes, die Korrektur einer Valgusfehlstellung der Gelenkebene des Grundgelenks sowie eventueller Fehlbildungen des Grundgliedes der Großzehe.
6.6.1 Subkapitale Osteotomie
(mediale Wedge-Osteotomie) des 1. Metatarsale nach Riverdin/Isham
⊡ Abb. 6.36 a Handgriff mit eingespanntem 2,3-mm-Fräser. b Fräsen für die Exostosenabtragung und Osteotomien
Es erfolgt eine Inzision über 3 mm ca. einen Querfinger retrokapital und plantar-medial der Exostose am Übergang zur Plantarhaut des MT-I-Köpfchens. Der Einschnitt sollte das subkutane Gewebe bis zur MTPGelenkkapsel durchdringen. Diese wird dorsomedial semizirkulär inzidiert und die Weichteile vom Knochen und der Exostose mit dem kleinen Raspatorium abgehoben. Über diesen Zugang wird nun zunächst mit der 3,1 mm Fräse unter Kontrolle des tastenden Fingers die Exostose abgetragen (⊡ Abb. 6.38). Falls erforderlich, kann zu jedem Zeitpunkt der Operation eine radiologische Kontrolle durch Bildwandler erfolgen. Dies ist in
⊡ Abb. 6.37 Komplettes Sieb für die minimal-invasive OP-Technik
⊡ Abb. 6.38 Zugang für die Exostosenabtragung, die subkapitale mediale Wedge-Osteotomie und die Einbringung der Schrauben zur Stabilisation der Basisosteotomie
b
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76
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
proximal der Sesambeine. Durch den Knochenverbrauch der Fräse und das Belassen der lateralen Kortikalis entsteht ein medialbasiges Dreieck. Nach Einstauchen der Osteotomie und Schließen des Spaltes wird die Gelenkebene im Varussinne korrigiert. Bei ausgeprägteren Fehlstellungen des Grundgelenks wird medial entsprechend mehr Knochen reseziert. Eine interne Stabilisation ist nicht erforderlich und erfolgt lediglich extern durch Tape-Verbände (⊡ Abb. 6.39a–c und ⊡ Abb. 6.41).
6.6.2 Basiskeilosteotomie
6
a
b
c ⊡ Abb. 6.39a–c OP-Skizze für die distale Osteotomie
der Lernphase sicherlich sinnvoll, wird aber mit zunehmender Erfahrung nicht mehr erforderlich sein. Es folgt das Ausdrücken des Knochenmehls und eine ausgiebige Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung. Der Vorgang wird so oft wiederholt, bis die Exostose vollständig abgetragen ist. Über den identischen Zugang wird jetzt die 2-mmShannon-Fräse für die Osteotomie eingeführt. Die Fräse wird in einem Winkel von 40° angesetzt, wobei die distale Begrenzung der Osteotomieebene etwas proximal des Knochen-Knorpel-Übergangs des dorsalen Metatarsale-IKöpfchens unmittelbar unterhalb der Gelenkfläche liegt. Die proximale Begrenzung der Osteotomie liegt plantar-
Die Basiskeilosteotomie wird als subtraktive Closingwedge-Osteotomie durchgeführt. Hierzu wird zunächst unter Bildwandlerkontrolle die Höhe am lateralen Kortex des MT-I-Schaftes festgelegt. Von intermetatarsal im proximalen Drittel der Diaphyse verläuft sie schräg in Richtung mediale metaphysäre MT-I-Basis. Über einen 3 mm langen Hautschnitt wird von lateral auf die distale Diaphyse des 1. Mittelfußknochens eingegangen. Es folgt ein stumpfes Spreizen der Weichteile mit einem Moskitoklemmchen unter Schonung des dorsalen Venenbogens am Fußrücken direkt bis auf das Periost. Die lange 2-mm-Fräse wird nun in gleicher Richtung durch stumpfes Präparieren von distal-dorsal nach plantar-proximal platziert. Zunächst Eingehen in den Markraum über ein sog. »sicheres Bohrloch«. Von dort wird als 1. Schritt die dorsale und laterale Kortikalis und zuletzt die plantarseitige Kortikalis durchtrennt. Die mediale Kortikalis wird geschwächt, sollte aber erhalten bleiben. Unter Bildverstärker wird nun überprüft, ob sich der Spalt lateral schließen lässt. Unter manueller Kompression von medial wird bei verschmälertem Vorfuß die Osteotomie mit 1 oder 2 kanülierten Schrauben von medial-distal nach lateral-proximal in einer valgisierten und evtl. plantarisierten Position stabilisiert. Die Einbringung der Schrauben erfolgt über den 3-mm-Zugang der Exosektomie/ subkapitalen Osteotomie am medialen distalen MT-IKöpfchen.
6.6.3 Metatarsale-I-Doppelosteotomie
In Situationen, in denen gleichzeitig eine Fehlstellung der Gelenkebene des Grundgelenks in Verbindung mit einem manifesten Spreizfuß vorliegt, sind beide Korrekturverfahren für sich genommen nicht ausreichend zur Korrektur der Gesamtfehlstellung. Die alleinige distale MT-IOsteotomie würde zwar die Gelenkfehlstellung korrigieren, den Spreizfuß aber nur minimal verbessern. Durch die alleinige Durchführung einer Valgisation des MT I an
77 6.6 · Minimal-invasive Osteotomien
a
c
der Basis würde sich der Vorfuß verschmälern lassen, die Valgusfehlstellung des Großzehengrundgelenks würde sich aber durch die Valgisation des MT I eher verschlechtern. In diesen Fällen empfiehlt sich eine kombinierte proximale und distale Korrektur am 1. Mittelfußknochen. Hierbei wird durch die laterale Wedge-Osteotomie der Basis der Schaft valgisiert und die Gelenkstellung
b
⊡ Abb. 6.40a–c OP-Skizze für die proximale Basisosteotomie
durch eine gegenläufige subkapitale Osteotomie (mediale Wedge-Osteotomie) varisiert. Auch in diesem Falle erfolgt eine interne Stabilisierung lediglich im Bereich der Basisosteotomie mit 1–2 kanülierten Schrauben (wie oben beschrieben). Die distale Osteotomie ist nach medialer Einstauchung stabil und wird nur über die Tapes im Verband gesichert (⊡ Abb. 6.40a–c und ⊡ Abb. 6.41).
6
78
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
Nachbehandlung
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Alle Korrekturen werden postoperativ mit einem komprimierenden Verband mit Zwischenzehenkeil und Tapezügel gesichert (⊡ Abb. 6.41). Bei nicht intern stabilisierten Osteotomien verbleibt dieser redressierende Verband für mindestens 4–6 Wochen, wobei die Bewegung im Großzehengrundgelenk nach 2 Wochen freigegeben wird. Diese Art der postoperativen Verbandstechnik ist bei den nicht stabilisierten Osteotomien von entscheidender Bedeutung zur Aufrechterhaltung des Korrekturergebnisses. Mit Ausnahme der Basisosteotomie genügt zur Versorgung ein langsohliger flacher Verbandsschuh. Die Patienten können auch bei der distalen intern nicht stabilisierten Osteotomie nach kurzer Zeit voll belasten. Durch die Ebene der Osteotomie entsteht bei Belastung eine Kompression auf den Osteotomiespalt. Bei der Basiskeilosteotomie ist trotz der Schraubenfixation eine Belastung nicht erwünscht, da je nach Knochenqualität die Haltekraft der Schrauben nicht ausreicht um das Korrekturergebnis zu sichern. Bei Instabilität droht hier Verlust des Korrekturergebnisses mit der Ausbildung eines Metatarsus elevatus mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die benachbarten Metatarsalköpfchen (Transfermetatarsalgie). Deshalb wird zur Mobilisation für 6 Wochen ein langsohliger Vorfußentlastungsschuh getragen. Der Patient sollte bis zum Fa-
⊡ Abb. 6.41 Postoperative Verbandstechnik
denzug das korrekte Anlegen des Verbands selbst erlernen. Deshalb werden der Patient oder Angehörige in der redressierenden Verbands- und Tapetechnik angeleitet. Damit können in der Regel die Verbände bis Abschluss der 6. postoperativen Woche in häuslicher Umgebung angelegt werden, wodurch die Einhaltung der Fußhygiene gewährleistet ist. Sollten nach Abschwellen die Schrauben im Bereich der medialen Kortikalis nach Basiskeilosteotomie stören, können diese nach sicherer Konsolidierung der Osteotomie entfernt werden. Dies kann in Lokalanästhesie erfolgen. Alternativ kann eine Doppelgewindeschraube verwendet werden, die in die mediale Kortikalis versenkt wird und nicht entfernt werden muss.
Zusammenfassung Die perkutane Technik der Vorfußkorrektur stellt eine Option für den erfahrenen Vorfußoperateur dar, mittels der die überwiegende Zahl an Korrekturverfahren am 1. Strahl, den Mittelfußknochen und auch den Kleinzehen über deutlich kleinere Zugänge erfolgen kann. Diese Operationstechnik ist nicht für den Einstieg in die Vorfußchirurgie und für operativ unerfahrene Kollegen zu empfehlen. Es setzt eine gewisse Routine bei Vorfußkorrekturen voraus, die vorher am offenen Situs erworben werden sollten. Die Arbeit an den Weichteilen und am Knochen ohne direkte Sicht erfordert ein hohes Maß an Feingefühl für die erforderliche Kraft, die über den Handgriff auf den Knochen ausgeübt wird. Gerade weil bei diesem Verfahren nur kleine Zugänge durchgeführt werden, ist die genaue Kenntnis der Pathologie, der Fehlstellungen und der Topografischen Anatomie entscheidend, um nicht bei einem Vorgehen ohne direkte Sichtkontrolle wesentliche Strukturen zu verletzen. Richtungsweisende Untersuchungen wurden hierzu von M. de Prado und Mitarbeitern durchgeführt (De Prado et al. 2003), die neben dem indikatorischen Aspekt die spezielle OP-Technik auf dem Hintergrund topografischanatomischer Untersuchungen aufgezeigt und dokumentiert haben. Eigene klinische Nachuntersuchungen von 100 konsekutiv mit diesen Verfahren operierten Patienten zeigen nach 18 Monaten bei gleicher Indikation vergleichbar gute Ergebnisse zu den offenen Verfahren (Magnan et al. 2006; Pehlivan et al. 2004; Robinson et al. 2006; Thordarson et al. 2005; Trnka et al. 2000). Die mittlere Punktzahl im A.O.F.A.S-Score lag im eigenen, nach der o.g. Technik operierten Patienten inkollektiv bei 89,4 Punkten (Erdle 2009). Herausragend in dieser Studie ist jedoch die sehr hohe subjektive Zufriedenheit der Patienten bei nur als gering empfundenen postoperativen Schmerzen (⊡ Abb. 6.42–6.45).
79 6.6 · Minimal-invasive Osteotomien
a
c
b
d
⊡ Abb. 6.42a–d Beispiel einer distalen MT-I-Osteotomie und simultaner Akin-Osteotomie
6
80
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
6
⊡ Abb. 6.43a–d Beispiel einer Doppel-Osteotomie am MT I, Akin-Osteotomie der Grundphalanx D I und subkapitaler Osteotomie MT II–IV
a
b
c
d
81 6.7 · Phalangeale Osteotomie des 1. Strahles (Akin-Osteotomie)
Thordarson D, Ebramzadeh E, Moorthy M, Lee J, Rudicel S (2005) Correlation of hallux valgus surgical outcome with AOFAS forefoot score and radiological parameters. Foot Ankle Int 26:122–127. Erratum in: Foot Ankle Int (26. April 2005) Table of Contents Trnka HJ, Zembsch A, Easley ME, Salzer M, Ritschl P, Myerson MS (2000) The chevron osteotomy for correction of hallux valgus. Comparison of findings after two and five years of follow-up. J Bone Joint Surg Am 82-A:1373–1378
6.7
Phalangeale Osteotomie des 1. Strahles (Akin-Osteotomie)
Desiderius Sabo, Heidelberg ⊡ Abb. 6.44 Perkutane Zugänge
⊡ Abb. 6.45 Klinisches Bild nach Korrektur
Literatur De Prado M, Ripoll PL, Golanó P (2003) Introducción. In: De Prado M, Ripoll PL, Golanó P (Hrsg). Cirugía percutánea del pie. Técnicas quirúrgicas. Indicaciones. Bases anatómicas. Masson Erdle Ch (2009) Ergebnisse nach perkutaner minimal-invasiver Vorfußkorrektur bei Hallux valgus. Inauguraldissertation der Universität Um Isham SA (1997–2007) Minimal invasive foot and ankle surgery. In: Isham SA & Associates. Site content: Coeur d’Alene Foot and Ankle Clinic, http://www.drisham.com Magnan B, Bortolazzi R, Samaila E, Pezzè L, Rossi N, Bartolozzi P (2006) Percutaneous distal metatarsal osteotomy for correction of hallux valgus. Surgical technique. J Bone Joint Surg Am 88, Suppl 1 Pt 1:135–148 Pehlivan O, Akmaz I, Solakoglu C, Kiral A, Kaplan H (2004) Proximal oblique crescentic osteotomy in hallux valgus. J Am Podiatr Med Assoc 94:43–46 Robinson AH, Cullen NP, Chhaya NC, Sri-Ram K, Lynch A (2006) Variation of the distal metatarsal articular angle with axial rotation and inclination of the first metatarsal. Foot Ankle Int 27:1036–1040
Bereits 1925 wurde die Osteotomie der Phalanx zur Korrektur des Hallux valgus interphalangeus beschrieben (Akin 1925). Seitdem sind zahlreiche technische Modifikationen und insbesondere die Kombination mit Metatarsale-I-Osteotomien gebräuchlich (Jarde et al. 1999; Basile et al. 2000; Sabo u. Buchner 2004; ⊡ Abb. 6.46 u. ⊡ Abb. 6.47). Da die Akin-Osteotomie meist als Ergänzung zu den Osteotomien des Mittelfußes oder des Mittelund Rückfußes durchgeführt wird, sind wissenschaftliche Analysen der alleinigen Akin-Osteotomie in der Literatur spärlich (Goldberg et al. 1987; Steinböck u. Leder 1988; Plattner u. Van Manen 1990; Frey et al. 1991; Barouk et al. 2005). Der Operateur wird die Akin-Osteotomie in der Regel am Ende der Operation, d.h. nach weichteiliger und knöcherner Korrektur der Hauptdeformität vornehmen, weil gerade die Rotationskomponente des Halluxvalgus-Syndroms mit metatarsalen Umstellungen alleine oft ungenügend adressiert wird und mittels phalangealer Osteotomie noch eine gewisse Nachkorrektur möglich ist (Tollison u. Baxter 1997). Verschiedene Osteosynthesemethoden wie Fixation mit Fäden, Kirschner-Drähten, resorbierbaren Pins, Staples, Thermostaples oder Schrauben werden in Abhängigkeit von der Osteotomieform- und position eingesetzt.
Operationsprinzip Typischerweise wird die Akin-Osteotomie zur Korrektur einer Varus- oder Extensionsfehlstellung und zur Längen- oder Rotationskorrektur der Phalanx verwandt. Diese Osteotomieform kann auch sinnvoll sein, wenn nach Weichteilkorrektur, nach Korrektur des intermetatarsalen Winkels und des DMAA die interphalangeale Komponente des Hallux-valgus-Fehlstellungskomplexes persistiert. Wenn die proximale und distale Gelenkflächenebene der Grundphalanx mehr als 10° zueinander konvergieren, entwickelt die lange Streckersehne ein erhebliches
6
82
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
6
⊡ Abb. 6.46 Schwere Vorfußdeformität beidseits mit Hallux valgus, Hallux valgus interphalangeus und Dislokation des MT-I-Köpfchen-Sesambein-Komplexes
valgisierendes Moment. Diese pathologische Zugrichtung ist ideal mittels Akin-Osteotomie korrigierbar (Sabo 2007). In Fällen, in denen der 1. Strahl relativ kurz ist (Griechischer Fuß), sollte die phalangeale Korrektur durch eine medial schließende Osteotomie (»closing wedge«) an der Basis der Phalanx durchgeführt werden (Barouk et al. 2005). Die Position der Osteotomie am proximalen Anteil der Phalanx hat ein großes Korrekturpotential, auch wenn nur ein schmaler Knochenkeil reseziert wird. Zudem gewährleisten die Osteotomie im breiten spongiösen Bereich der Phalanx sowie der Erhalt der lateralen Kortikalis als Scharnier (»lateral hinge«) meist eine sichere knöcherne Heilung. Wenn die Phalanx gekürzt werden muss (z.B. bei relativer Überlänge beim Ägyptischen Fuß), multidirektionale Korrekturen (z.B. bei Hallux rigidus sive limitus) oder Rotationskorrekturen erforderlich sind und die laterale Kortikalis nicht erhalten werden kann, muss eine sehr stabile Osteosynthese (in der Regel kanülierte BoldSchraube) gewählt werden (Diebold 2000). In den Fällen, in denen in der Diaphyse osteotomiert werden muss, ist das Risiko einer verzögerten Knochenheilung deutlich höher als bei Osteotomien in der breiten und spongiosareichen Metaphyse. Revisionspflichtige Pseudarthrosen sind allerdings selten.
⊡ Abb. 6.47 Gutes Realignement durch Weichteileingriff, Scarf-, Akin- und Weil-Osteotomie
Operationstechnik Es ist hilfreich während der Operation die Lastaufnahme des Fußes zu simulieren, indem der Fuß auf den OP-Tisch oder eine andere ausreichend große Unterlage (z.B. flacher Deckel des Instrumentensiebes) gesetzt wird. Die nach erfolgter Osteosynthese der metatarsalen oder tarsometatarsalen Hauptoperation verbleibende Restfehlstellung an der Phalanx kann durch diese Belastungssimulation sicherer beurteilt werden als durch die alleinige Bewertung des Röntgenbildes. Die Basis der Phalanx wird durch einen zusätzlichen Hautschnitt über 3–4 cm von medial dargestellt oder der Hautschnitt der metatarsalen Osteotomie wird nach distal erweitert. Die Deperiostierung der Phalanx sollte auf ein Minimum reduziert werden. Es ist ausreichend und schonender die sparsam abgelösten Weichteile mit kleinen scharfen Haken anzuheben (»tenting«) als den Knochen mit Hohmann-Hebeln komplett zu exponieren. Die 1. Osteotomie sollte 5–10 mm distal und in 90°Position zur Gelenkebene des metatarsophalangealen Gelenks gesetzt werden. Um einen medialbasigen und dorsal- oder plantarbasigen Keil zu entnehmen, wird der Ansatz des Sägeblattes ca. 3–5 mm nach distal versetzt und keilförmig osteotomiert. Ein feines Sägeblatt ist dazu unabdingbar (⊡ Abb. 6.48).
83 6.7 · Phalangeale Osteotomie des 1. Strahles (Akin-Osteotomie)
a ⊡ Abb. 6.48 Standard Akin-Osteotomie mit Resektion eines Knochenkeiles mit medialseitiger Basis. Osteosynthese mit Staple oder BoldSchraube von proximal-medial nach distal-lateral
Wenn nur eine geringe Achskorrektur erforderlich ist, können auch Sägeblätter mit rauer seitlicher Beschichtung eingesetzt werden. Mit dieser Technik ist nur eine Osteotomie erforderlich. Der erforderliche Defekt wird gut dosierbar durch die raue seitliche Fläche des Sägeblattes erzeugt (⊡ Abb. 6.49a-c). Vorteilhaft ist dabei, dass das entstehende Knochenmehl vor Ort bleibt und die knöcherne Heilung schneller zu erwarten ist. Nach der Knochenresektion wird die Osteotomie durch vorsichtige Manipulation geschlossen, nach Möglichkeit ohne die laterale Kortikalis zu brechen. Die Fixation mit Osteosynthesedrähten oder mit Fadenosteosynthese scheint bei erhaltener lateraler Kortikalis ausreichend zu sein (Shelfman 1999; Engelhardt 2001). Die Osteosynthese mittels Staples ist deutlich stabiler. Proximal im Bereich der Metaphyse wird der Arm des Staple in der Regel leicht den Knochen penetrieren. Für den distalen Arm des Staple sollte die Kortikalis der Diaphyse 1 mm distal der Eintrittsstelle mittels feinem KirschnerDraht vorgebohrt werden, um einen dosierten Kompressionseffekt erzielen zu können. Schräge Staples sind sicherer und das Risiko, unbeabsichtigt den Gelenkspalt zu penetrieren wird dadurch verringert (Barouk 1998). Bei akzidenteller Verletzung der lateralen Kortikalis oder bei Entnahme einer Knochenscheibe bei einer verkürzenden Osteotomie ist eine Schraubenosteosynthese erforderlich. Es ist zu beachten, dass die KirschnerDrahtführung für die schräg einzubringende Schraube leicht an der Gegenkortikalis abgleiten, verbogen und dann durch den Zweistufenbohrer abgeschert werden kann. In allen Zweifelsfällen sollte sorgfältig intraoperativ geröntgt werden, da die proximale Phalanx nicht viel
b
c ⊡ Abb. 6.49a–c Fallbeispiel einer Akin-Osteotomie mit seitlich beschichtetem Sägeblatt (LEXA-Blade, Fa. Darco/Wright)
Raum für den zweiten Versuch einer stabilen Osteosynthese bietet. Die Schraubenspitze darf die Gegenkortikalis um 1–2 mm penetrieren. In osteoporotischem Knochen oder wenn die Phalanx sehr dünn und tailliert ausgebildet ist kann eine ObliqueOsteotomie (⊡ Abb. 6.50) mit längerer Knochenkontaktfläche für die Heilung geeigneter sein (Boberg et al. 1991;
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84
6
Kapitel 6 · Operative Therapie – 1. Strahl
⊡ Abb. 6.50 Oblique Akin-Osteotomie. Schrauben-Osteosynthese von distal-medial nach proximal-lateral
Cohen 2003). Mit dieser Technik muss die Basis des resezierten Knochenkeiles größer sein, da der geometrische Effekt der Auslenkung des distalen Fragments geringer ist.
Nachbehandlung Üblicherweise wird ein Vorfußentlastungsschuh für 4 Wochen empfohlen, die Nachbehandlung orientiert sich aber vorwiegend an den Erfordernissen der Hauptprozedur (metatarsale oder tarsometatarsale Osteotomie).
Literatur Akin OF (1925) The treatment of hallux valgus: a new operative procedure and its results. Med Sentinel 33:678–679 Barouk LS (1998) Hallux valgus: Osteotomie der proximalen Phalanx. In: Wülker N, Stephens M, Cracchiolo A (Hrsg) Operationsatlas Fuß und Sprunggelenk. Enke, Stuttgart, S 1–6 Barouk LS (2003) The great toe first phalanx osteotomy. In: Barouk LS (ed) Forefoot Reconstruction. Springer, Paris, S 78–88 Barouk LS, Barouk P, Baudet B, Toullec E (2005) The great toe proximal phalanx osteotomy: the final step of the bunionectomy. Foot Ankle Clin 10:141-155 Basile A, Battaglia A, Campi A (2000) Comparison of Chevron-Akin osteotomy and distal soft tissue reconstruction-Akin osteotomy for correction of mild hallux valgus. Foot Ankle Surg:155–163 Boberg JS, Menn JJ, Brown WL(1991) The distal akin osteotomy: a new approach. J Foot Surg 30:431–436 Cohen MM (2003) The oblique proximal phalangeal osteotomy in the correction of hallux valgus. J Foot Ankle Surg 42:282–289 Diebold PF (2000) Chevron Akin double osteotomy for correction of hallux valgus after the age of 60 years. Proceeding of the 30th annual meeting AOFAS, Orlando Engelhardt P (2001) Orthopädische Fußchirurgie. Steinkopff, Darmstadt, S 101–102, 129–130
Frey C, Jahss M, Kummer FJ (1991) The Akin procedure: an analysis of results. Foot Ankle 12:1–6 Goldberg I, Bahar A, Yosipovitch Z(1987) Late results after correction of hallux valgus deformity by basilar phalangeal osteotomy. J Bone Joint Surg Am 69:64–67 Jarde O, Trinquier-Lautard JL, Gabrion A, Ruzic JC, Vives P (1999) Hallux valgus treated by first metatarsal scarf osteotomy. A series of 50 cases with a minimum follow up of two years. Rev Chir Orthop Reparatrice Appar Mot 85:374–380 Plattner PF, Van Manen JW(1990) Results of Akin type proximal phalangeal osteotomy for correction of hallux valgus deformity. Orthopedics 13:989–996 Sabo D (2007) Correction osteotomy of the first phalanx of the great toe (Akin osteotomy) Interact Surg 1:66–70 Sabo D, Buchner M (2004) Die Behandlung des Hallux-valgus-Syndromes mit Scarf-Osteotomie, Akin-Osteotomie und Weil-Osteotomie. FussSprungg 2:76–84 Shelfman BS (1999) Akin osteotomy with horizontal interosseous wireloop fixation. J Am Podiatr Med Assoc 89:194–198 Steinböck G, Leder K (1988) The Akin-Osteotomy. A new method for surgery of hallux valgus. 1-year results of a covered surgical method. Z Orthop Ihre Grenzgeb 126:420–424 Tollison ME, Baxter DE (1997) Combination chevron plus Akin osteotomy for hallux valgus: should age be a limiting factor? Foot Ankle Int 18:477–481
7
Operative Therapie – 2.–5. Strahl Felix Zeifang, Heidelberg Renée A. Fuhrmann, Jena Michael Weingart, Darmstadt
7.1
Resektionsarthroplastik/Arthrodese proximales Interphalangealgelenk – 86
7.2
Weil-Osteotomie
7.3
Osteotomie zur Verkürzung der Metatarsalia II–V mit Anhebung der Mittelfußköpfchen – 90
7.4
Sehnentransfers – 93
– 87
86
Kapitel 7 · Operative Therapie – 2.–5. Strahl
7.1
Resektionsarthroplastik/Arthrodese proximales Interphalangealgelenk
Felix Zeifang, Heidelberg
7
Für die operative Behandlung der Krallen- und Hammerzehen steht eine Vielzahl verschiedener operativer Maßnahmen zur Verfügung. Dabei zählen die OP nach Hohmann und die PIP-Arthrodese (Arthrodese des proximalen Interphalangealgelenks) zu den etabliertesten und am häufigsten angewendeten OP-Verfahren. Sie sind technisch vergleichsweise einfach durchführbar und für die Behandlung der kontrakten, passiv nicht korrigierbaren Krallen- und Hammerzehe geeignet. Andere operative Korrekturmaßnahmen wie die Verkürzungsosteotomie am Mittelfußknochen nach Weil ( Kap. 7.2) oder korrigierende Sehnentransfers, z.B. nach Girdlestone-Taylor ( Kap. 7.4), sollten der Behandlung flexibler, passiv korrigierbarer Krallen- und Hammerzehen vorbehalten bleiben (Arnold 2005).
a
Zugang
Sehne des M. extensor digitorum longus
Operationstechniken Beide OP-Techniken unterscheiden sich nicht im operativen Zugang, der Präparation oder der prinzipiellen Resektionstechnik, sondern im Ausmaß der Resektion und in der Form der anschließenden Fixation. Die Versorgung mehrerer Zehen eines Fußes im Rahmen einer Operation ist gut praktikabel. Dagegen sollte die operative Therapie beider Füße in einer Sitzung aufgrund der erforderlichen Nachbehandlung nur Einzelfällen vorbehalten bleiben. Die Inzision erfolgt längs über einen ca. 3 cm langen Zugang direkt dorsal über dem jeweiligen PIP-Gelenk. Eine vorhandene Schwiele (Klavus) wird gleichzeitig mit exzidiert (⊡ Abb. 7.1a). Einzelne Autoren bevorzugen aus kosmetischen Gründen einen queren, direkt in der Hautfalte verlaufenden Hautschnitt. Bei gleichzeitiger Korrektur im DIP-Gelenk (distales Interphalangealgelenk) sollte eine S-förmige Hautschnittführung gewählt werden. Die Haut wird mit kleinen scharfen Haken oder Haltefäden aufgehalten. Die Sehne des M. extensor digitorum longus wird in der Mitte geteilt und die Streckerhaube vorsichtig gelöst, die Kapsel längs eröffnet und die Zehe maximal flektiert. Der seitliche Band- und Kapselapparat wird unter Schonung des benachbarten Gefäß-NervenBündels schrittweise mit einem Skalpell durchtrennt. Im Anschluss werden 2 kleine Hohmann-Haken dicht periostal um das Köpfchen der Grundphalanx gelegt. Unter maximaler Beugung des Mittel- und Endgelenks der Zehe kann das Köpfchen des Grundgliedes exponiert werden (⊡ Abb. 7.1b).
b
c
⊡ Abb. 7.1 a Längs- oder querverlaufende Schnittführung über dem PIP-Gelenk bei kontrakter Krallenzehe D II. b Trans-oder paratendinöser Zugang zum PIP-Gelenk. Die Osteotomieebene für die HohmannOperation liegt 1–2 cm proximal der Gelenkfläche des PIP-Gelenks und für die PIP-Arthrodese knapp subchondral mit Entnahme eines mäßig plantarbasigen Keiles. c Transartikuläre perkutane K-DrahtOsteosynthese des PIP-Gelenks bis in Basis des Grundgliedes. Eine transartikuläre Fixation des Grundgliedes ist nur in Ausnahmefällen erforderlich (aus Engelhardt 2001)
Bei der Operation nach Hohmann erfolgt eine Resektion des Grundgliedköpfchens unter Belassung der Basis des interphalangealen Schaftanteils. Die Resektion wird mit einer oszillierenden Säge, einer Liston-Zange oder einem feinen Luer knapp proximal der Kondylen und senkrecht zur Schaftachse durchgeführt. Eine Resektion von mehr als einem Drittel der Grund- oder Mittelphalanx ist zu vermeiden, um keine grobe Instabilität zu produzieren. Eine zu geringere Resektion birgt dagegen die
87 7.2 · Weil-Osteotomie
Gefahr einer schmerzhaften Arthrofibrose und erneuter Schwielenbildung (Wülker et al. 2007). Bei der Operation nach Hohmann erfolgt keine Anfrischung der angrenzenden Knorpeloberfläche der betroffenen Mittelphalanx, sodass mittelfristig eine straffe Ankylosierung resultiert. Bei der OP nach Hohmann ist ein zusätzlicher Transfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne hilfreich. Dabei wird die Sehne distal abgelöst, durch das resezierte Gelenk geführt und am Streckapparat fixiert. Bei ausgeprägteren und hochkontrakten Fehlstellungen ist die Arthrodese des PIP-Gelenks zu bevorzugen. Hier ist ein geringerer Anteil des Köpfchens der Grundgliedphalanx zu resezieren als bei der OP nach Hohmann, sodass auch der Längenverlust geringer ist. Bei der Arthrodese ist sorgfältig auf eine achsgerechte Osteotomieebene in der frontalen Ebene und auf die Osteotomie der Gelenkfläche mit Entnahme eines plantarbasigen Keiles zu achten, um die natürliche geringgradige Flektion der Zehe nachbilden zu können. An der distalen Gelenkfläche ist mindestens die Knorpeloberfläche des Gelenks zu entfernen; bei Deformierungen ist eine gelenknahe Osteotomie zu bevorzugen. Die Fixation des Strahles erfolgt in aller Regel mit einem retrograd, d.h. von proximal nach distal durch die Mittel- und Endphalanx und dann von distal in die Grundphalanx, eingebrachten Kirschner-Draht (K-Draht Stärke zwischen 1,4–1,6 mm [⊡ Abb. 7.1c]). Eine Transfixation des Grundgelenks selbst ist nicht erforderlich, wird aber aus pragmatischen Gründen bei oft multifokal begründeten und häufig komplexen Fehlstellungen nicht zu vermeiden sein. Die K-Draht-Entfernung erfolgt bei der OP nach Hohmann üblicherweise nach 2–4 Wochen, bei einer PIP-Arthrodese sollte der K-Draht für mindestens 4 Wochen belassen werden. Alternative Osteosyntheseverfahren sind die Arthrodese mittels Minischraubeneinbringung, die Verwendung resorbierbarer intramedullärer Pins (Pietrzak et al. 2006; Konkel et al. 2007) oder von Implantaten aus Formgedächtnislegierungen (Memory-Metall wie Smart Toe TM, Memometal Inc, USA), die in der Regel nicht entfernt werden müssen. Es liegen vereinzelte Berichte über diese Verfahren vor. Langzeituntersuchungen zu diesen neuen Fixationsmaterialien sind bisher nicht publiziert.
Nachbehandlung Regelmäßige Wundkontrolle und Verbandswechsel einschließlich der sorgfältigen Inspektion der K-Draht-Eintrittsstelle sind in 2-tägigen Abständen sicherzustellen. Für die gesamte Zeit der K-Draht-Ruhigstellung sollte ein Vorfußentlastungsschuh getragen werden. Der perkutane Draht kann ohne Narkose entfernt werden.
Literatur Arnold H (2005) Kleinzehendeformitäten. Definition, Pathogenese und operative Korrekturmöglichkeiten. Orthopäde 34:758–766 Engelhardt P (2001) Orthopädische Fußchirurgie. Steinkopff, Darmstadt Konkel KF, Menger AG, Retzlaff SA (2007) Hammer toe correction using an absorbable intramedullary pin. Foot Ankle Int 28(8):916–920 Pietrzak WS, Lessek TP, Perns SV (2006) A bioabsorbable fixation implant for use in proximal interphalangeal joint (hammer toe) arthrodesis: biomechanical testing in a synthetic bone substrate. J Foot Ankle Surg 45(5):288–294 Wülker N, Stephens M, Cracchiolo A III (2007) Operationsatlas Fußund Sprunggelenk, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart
7.2
Weil-Osteotomie
Renée A. Fuhrmann, Jena Die Verkürzungsosteotomie der zentralen Mittelfußstrahlen kann grundsätzlich in der retrokapitalen, der diaphysären oder der proximalen Mittelfußregion durchgeführt werden. Die retrokapitale Schrägosteotomie, die von Lowell Weil propagiert wurde, hat den Vorteil, dass der distale Zugang gleichzeitig den periartikulären Weichteileingriff am Kleinzehengrundgelenk ermöglicht. Weiterhin kann im Gegensatz zur Helal-Osteotomie eine exakte Längeneinstellung und stabile Osteosynthese erfolgen (Barouk 1996; Barouk 2003). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Art der Verkürzungsosteotomie das Rotationszentrum des Kleinzehengrundgelenks nach plantar verlagert und der Windlass-Mechanismus dadurch kompromittiert wird. Dieser Effekt wirkt sich ungünstig auf die Plantarflexion der Kleinzehe aus, sodass ein mangelnder Bodenkontakt (»floating toe«) resultieren kann (Jarde et al. 2001; Perez et al. 2008). Dies gilt besonders, wenn zusätzlich eine Arthrodese des Kleinzehenmittelgelenks durchgeführt wird (Migues et al. 2004). Bei korrekter Indikationsstellung stellt die Weil-Osteotomie ein verlässliches Behandlungsverfahren der Metatarsalgie dar (⊡ Abb. 7.2a–d), wobei mittelfristig mit bis zu 12% dorsalen Reluxationen gerechnet werden muss (Hofstätter et al. 2005).
Operationsprinzip und Operationsindikation Das Prinzip der Weil-Osteotomie besteht darin, über eine langstreckige retrokapitale Schrägosteotomie des Mittelfußstrahles eine dosierte metatarsale Verkürzung zu erzielen. Zusätzlich ist eine geringe Stellungskorrektur des Mittelfußkopfes in transversaler Ebene möglich. Durch die weitgehend parallel zur Auftrittsebene des Fußes ausgerichtete Osteotomie und eine Schraubenosteosynthese wird eine ausreichende Stabilität zur funktionellen Nachbehandlung gewährleistet.
7
88
Kapitel 7 · Operative Therapie – 2.–5. Strahl
7
⊡ Abb. 7.2 a Präoperatives Röntgenbild in posteroanteriorer Projektion: Neben dem vergrößerten 1. intermetatarsalen Winkel und der Hallux-valgus-Deformität ist die Subluxation in den Kleinzehengrundgelenken II und III zu erkennen. Es liegt ein metatarsaler Minusindex vor (IIII>IV). b Postoperatives Röntgenbild in posteroanteriorer Projektion: Korrektur des 1. intermetatarsalen Winkels durch eine diaphysäre Scarf-Osteotomie des 1. Mittelfußstrahles. Knöchern konsolidierte metatarsale Verkürzungsosteotomien II–IV mit regelrechter Darstellung der Kleinzehengrundgelenke und Ausgleich des metatarsalen Längenverhältnisses (I>II>III>IV). c Präoperatives klinisches Bild mit Darstellung des ausgeprägten Spreizfußes. Die 2. Zehe ist nach dorsal luxiert und hat keinen Bodenkontakt. d Postoperatives klinisches Bild nach dem rekonstruktiven Eingriff
a
b
c
d
Die Weil-Osteotomie ist indiziert bei kontrakter Klauenzehendeformität mit dorsaler Luxation der Grundphalanx. Eine relative Indikation stellen Metatarsalgien auf dem Boden einer metatarsalen Überlänge ohne begleitende Kleinzehendeformität dar.
Operationstechnik Der Hautschnitt richtet sich nach dem individuellen Befund, wobei meist 2 oder 3 der zentralen Mittelfuß-
strahlen behandelt werden müssen. Möglich ist ein Soder Y-förmiger dorsaler Zugang bzw. ein transversaler Hautschnitt (Dalal u. Mahajan 2009). Die lateral liegende Extensor-digitorum-brevis-Sehne wird durchtrennt und die Extensor-digitorum-longus-Sehne Z-förmig tenotomiert. Anschließend erfolgen eine quere Kapselinzision und eine schrittweise Durchtrennung der Seitenbänder. Bei kompletter dorsaler Luxation kann es erforderlich sein, auch die Grundphalanxbasis zirkumferent darzustellen,
89 7.2 · Weil-Osteotomie
Knochenschuppe Dorsale Kortikalis
Sägeblatt
Löffelförmig ges Elevatorium m
a
b
Kleinfragmentschraube Liston-Zange Verschiebung nach prroximal
c
d
⊡ Abb. 7.3 a Die Osteotomie beginnt im dorsalen Bereich des Mittelfußkopfes und verläuft an den Mittelfußknochen II und III mit einer plantaren Neigung von etwa 10–20° zur Belastungsebene des Fußes. Es ist hilfreich, sich am Verlauf der dorsalen Kortikalis des Os metatarsale zu orientieren. An den Mittelfußknochen IV und V muss die Osteotomieebene wegen der vorhandenen plantaren Inklination ca. 20–30° nach plantar verlaufen. b Schematische Darstellung der Entnahme eines planparallelen Knochensegments aus dem Mittelfußknochen bei dessen Verkürzung um >4 mm. Dieser Schritt ist erforderlich, um bei der Verschiebung des Mittelfußkopfes nach proximal eine Verlagerung des distalen Fragments nach plantar zu vermeiden. Es empfiehlt sich, die 1. Osteotomie nur inkomplett bis zur diaphysären Kortikalis anzulegen, dann das Knochensegment nach der 2. Osteotomie zu entnehmen und die 1. Osteotomie anschließend zu vervollständigen. c Schematische Darstellung der Verschiebung des Mittelfußkopfes nach proximal. d Nach Kontrolle der korrekten Längeneinstellung werden die Fragmente je nach Größe mit 1 oder 2 Kleinfragmentschrauben (Durchmesser 1,7 mm) stabilisiert. Der dorsale Knochenüberstand wird vorsichtig mit einer Liston-Zange abgetragen (aus Fuhrmann 2004)
um durch anschließenden Längszug an der Zehe und Einsatz eines Elevatoriums eine Gelenkreposition und Plantarflexion der Grundphalanx zu erreichen. Mit einem Raspatorium oder einem McGlamry-Elevatorium können dann plantare Adhäsionen am Mittelfußkopf gelöst werden. Nach Umfahren des distalen Metatarsale mit Hohmann-Hebeln wird die Osteotomie durchgeführt. Hierzu ist ein langes (25–35 mm) schmales Sägeblatt erforderlich. Die Osteotomie beginnt im dorsalen Viertel des Knorpelüberzugs und verläuft langstreckig und möglichst parallel zur Auftrittsebene des Fußes. Wegen der unterschiedli-
chen Orientierung der Metatarsalia beträgt der Winkel an den Mittelfußstrahlen II und III ca. 20° zur metatarsalen Längsachse, am Mittelfußstrahl IV ca. 30°. Wenn eine Verkürzung von mehr als 4 mm geplant ist, sollte zur Vermeidung einer plantaren Verschiebung des Mittelfußkopfes ein Knochensegment (ca. 2 mm) entnommen werden, wenngleich dieser Effekt biomechanisch umstritten ist (Lau et al. 2004). Es empfiehlt sich, die 1. Osteotomie nur inkomplett durchzuführen, dann das Knochensegment über eine weitere parallele Osteotomie zu entnehmen und danach erst die primäre Osteotomie zu komplettieren (⊡ Abb. 7.3a–d).
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90
Kapitel 7 · Operative Therapie – 2.–5. Strahl
Die gewünschte Verkürzung des Mittelfußstrahles kann dann unter Berücksichtigung des Alignments der angrenzenden Mittelfußstrahlen eingestellt werden. Die Reposition kann entweder manuell durch plantaren Druck auf den Mittelfußkopf oder mit entsprechenden Repositionszangen so gesichert werden, dass die Osteosynthese (Gewinde-Kirschner-Draht, Schraube ca. 1,5 mm) durchgeführt werden kann (Jex et al. 2006). Abschließend wird der dorsal überstehende Knochenanteil entfernt und der Form des Mittelfußkopfs angeglichen. Beim Push-up-Test muss sich jetzt eine spontane Reposition des Kleinzehengrundgelenks einstellen. Ist dies nicht der Fall, sollte ein Transfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne angeschlossen werden, um den späteren Bodenkontakt der Kleinzehen zu gewährleisten.
7
Nachbehandlung Die nahezu parallel zur Belastungsebene verlaufende Osteotomie sowie die stabile Osteosynthese ermöglicht eine funktionelle Nachbehandlung im Vorfußentlastungsschuh oder einem Schuh mit starrer Sohle zur Teilbelastung. Wichtig ist es, die Verbandsanordnung regelmäßig zu überprüfen und die betreffenden Zehen nach plantar zu zügeln (Fuhrmann 2004). Dies kann nach abgeschlossener Wundheilung mit Tapeverbänden oder einer konfektionierten Bandage erfolgen. Weiterhin muss der Patient in die Mobilisierung seiner Kleinzehengrundgelenke eingewiesen werden.
Literatur Barouk LS (1996) Weil’s metatarsal osteotomy in the treatment of metatarsalgia. Orthopäde 25:338–344 Barouk LS (2003) Forefoot Reconstruction. Springer, Paris, S 109–132 Dalal R, Mahajan RH (2009) Single transverse, dorsal incision for lesser metatarsophalangeal exposure. Foot Ankle Int 30:226–228 Fuhrmann R (2004) Kontrakte Klauenzehe und metatarsale Verkürzungsosteotomie nach Weil. Oper Orthop Traumatol 16:320–337 Hofstätter SG, Hofstaetter JG, Petroutsas JA, Gruber F, Ritschl P, Trnka HJ (2005) The Weil osteotomy. A seven-year follow-up. J Bone Joint Surg 87B:1507–1511 Jarde O et al. (2001) L’ostéotomie cervico-capitale de Weil dans les métatarsalgies médianes – étude de 70 cas. Acta Orthop Belg 67:139–148 Jex CT, Wan CJ, Rundell S, Haut RC, McDonald B, Wertheimer SJ (2006) Analysis of three types of fixation of the Weil osteotomy. J Foot Ankle Surg 45:13–19 Lau JTC, Stamatis ED, Parks BG, Schon LC (2004) Modifications of the Weil Osteotomy Have No Effect on Plantar Pressure. Clin Orthop Rel Res 421:194–198 Migues A, Sullitel G, Bilbao F, Carrasco M, Solari G (2004) Floating-toe deformity as a complication of the Weil osteotomy. Foot Ankle Int 25:609–613 Perez HR, Reber LK, Christensen JC (2008) The Role of Passive Plantar Flexion in Floating Toes Following Weil Osteotomy. J Foot Ankle Surg 47:520–525
Osteotomie zur Verkürzung der Metatarsalia II–V mit Anhebung der Mittelfußköpfchen
7.3
Michael Weingart, Darmstadt Nicht in allen Fällen gelingt es aufgrund des intraartikulären Zugangs bei Weil-Osteotomien eine Arthrofibrose zu vermeiden. Zudem ist es bei ausgeprägten und rigiden Subluxationen und Luxationen der Kleinzehengrundgelenke gelegentlich schwierig eine ausreichende Verkürzung und Anhebung zu erreichen.
Operationsprinzip und Operationsindikation Die Indikation ist gegeben bei subluxiert oder luxiert stehenden Grundgelenken und einer Metatarsalgie bei relativer Überlänge, Dysharmonie oder Fehlstellung der Metatarsalia. Die OP-Indikation deckt sich damit im Wesentlichen mit der Weil-Osteotomie. Durch die Verlagerung der Osteotomie in den metadiaphysären Übergang wird die Traumatisierung des Gelenks durch den Zugang selbst vermindert. Durch die Form der Osteotomie ist eine weitestgehende Rotationsstabilität und Belastbarkeit gewährleistet.
Operationstechnik Nach Darstellung des meta-diaphysären Übergangs wird mit einer feinen oszillierenden Säge ein 1. Sägeschnitt etwa 1 cm proximal der Gelenkebene retrokapital von dorsal nach plantar rechtwinklig zur Schaftachse durchgeführt. Das Sägeblatt wird vor der plantaren Kortikalis gestoppt, sodass diese distale Osteotomie inkomplett bleibt. Der 2. Sägeschnitt wird je nach geplanter Verkürzung etwa 2–5 mm proximal des 1. Sägeschnittes komplett durchgeführt (⊡ Abb. 7.4a, b). Die so entstandene Knochenscheibe wird mit einem feinen Luer so reseziert, dass plantar eine kleine Stufe bestehen bleibt. Die plantare Platte am Metatarsusschaft wird mit einem feinen Lambotte-Meisel oder Raspatorium nach proximal abgeschoben. Am Metatarsaleschaft wird plantar mit der oszillierenden Säge oder dem Luer eine kleine korrespondierende Stufe geschaffen (⊡ Abb. 7.5a, b). Tipp
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Die Ausprägung der Stufe beeinflusst direkt das Ausmaß der Verkürzung und das Ausmaß der Köpfchenanhebung. Durch Verkippen der beiden Osteoto chenanhebung Osteotomieebenen gegeneinander in der Frontalebene sind ▼
91 7.3 · Osteotomie zur Verkürzung der Metatarsalia II–V mit Anhebung der Mittelfußköpfchen
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b b ⊡ Abb. 7.4a, b Darstellung der inkompletten distalen und der kompletten proximalen Osteotomie am Modell und im Situs
⊡ Abb. 7.5 a Resektion der entstandenen Knochenscheibe mit dem feinen Luer. b Schaffen der korrespondierenden Stufe durch Resektion plantar mit dem feinen Luer oder einer feinen oszillierenden Säge
Tipp
varisierende oder valgisierende Korrekturen möglich. Die Position der Sägeebenen in der Sagittalebene ermöglicht in gewissem Ausmaß die Gelenkebene des Kö f h Köpfchens zu extendieren t di oder d zu flektieren. fl kti A Auch h AdAd latus-Verschiebungen sind einfach zu realisieren.
Die Osteosynthese erfolgt mittels Twist-off-Schraube oder einem feinen Gewinde-Kirschner-Draht (⊡ Abb. 7.6a, b). Bei schweren Fehlstellungen und rigider Deformität der Zehe selbst kann diese Osteotomieform ideal mit einer zusätzlichen Hohmann-OP oder PIP-Arthrodese kombiniert werden.
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Auf eine spannungsfreie Einstellung der osteotomierten Metatarsalia ist in jedem Fall zu achten, um die St bilität der Stabilität d Osteosynthese Ot th nicht i ht d durch h zu große ß Weichteilspannung zu überfordern.
Die Osteosynthese ist in diesen Fällen mittels retrograd eingebrachtem Kirschner-Draht verhältnismäßig einfach und kostengünstig möglich. Die Nachbehandlung erfolgt typischerweise mit einem Vorfußentlastungsschuh. Die Zeitdauer richtet sich dabei auch nach den Prozeduren, die am 1. Strahl durchgeführt wurden (⊡ Abb. 7.7a, b u. Abb. 7.8a, b).
7
92
Kapitel 7 · Operative Therapie – 2.–5. Strahl
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b ⊡ Abb. 7.6a, b Darstellung der Korrektur am Modell und Darstellung der Osteosynthese, in diesem klinischen Beispiel mittels Schraubenosteosynthese
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b b
⊡ Abb. 7.7a, b Schemazeichnung der Kombination der Weingart-Osteotomie mit einer PIP-Arthrodese und Osteosynthese mittels retrograd eingebrachtem Kirschner-Draht
⊡ Abb. 7.8a, b Röntgenologisches Ergebnis nach Korrektur einer schweren Vorfußdeformität (Metatarsus primus varus, Hallux valgus, Hallux valgus interphalangeus, Luxation der Grundgelenke D II und D III sowie rigide Fehlstellung in den PIP-Gelenken). Korrektur mittels Lapidus-Arthrodese, Akin-Osteotomie, Weingart-Verkürzungsosteotomie und PIP-Arthrodese an D II und D III
93 7.4 · Sehnentransfers
7.4
Sehnentransfers
Renée A. Fuhrmann, Jena Sehnentransfers an den Kleinzehen sind als alleiniges Operationsverfahren flexiblen Deformitäten vorbehalten, können jedoch additiv auch im Rahmen knöcherner Korrekturen durchgeführt werden. Grundsätzlich gilt, dass das Korrekturpotenzial von Sehnentransfers an den Kleinzehen begrenzt ist, sodass deren Indikationsstellung kritisch abgewogen werden muss.
7.4.1 Transfer der Flexor-digitorum-
longus-Sehne Operationsprinzip und Operationsindikation Der Transfer der Flexor-digitorum-longus-Sehne (FDLTransfer) zur Streckseite der Kleinzehe (GirdlestoneTaylor-Operation) ist eine häufige Sehnentransposition, die bei flexibler Beugefehlstellung im Kleinzehenmittelgelenk mit geringer Hyperextension im Kleinzehengrundgelenk oder Insuffizienz der plantaren Platte indiziert ist (Bauer u. Mutschler 1993; Bouché u. Heit 2008). Oft wird sie auch als Begleiteingriff nach metatarsaler Verkürzungsosteotomie durchgeführt, wenn sich beim Push-up-Test keine ausreichende Streckung der Kleinzehe im Grundgelenk einstellt. Eine seltene Indikation zum Flexor-digitorum-longus-Transfer stellt die transversale Achsenabweichung der Kleinzehe (Splay-toe-Deformität) dar. Hierbei soll die Fehlstellung durch unterschiedliche Anspannung der beiden transponierten Sehnenzügel ausgeglichen werden. Ziel der Operation ist es, durch die Ablösung der Flexor-digitorum-longus-Sehne die Beugefehlstellung der Kleinzehe im Mittelgelenk zu reduzieren und durch ihre Verlagerung zur Streckseite gleichzeitig die Überstreckung im Grundgelenk auszugleichen. Werden die beiden Sehnenzügel auf der Extensoraponeurose fixiert, resultiert postoperativ eine Bewegungseinschränkung, über die der Patient präoperativ genau informiert werden muss (Myerson u. Jung 2005). Die Indikation des FDL-Transfers sollte auf flexible Deformitäten beschränkt werden, um unbefriedigende Resultate (bis 50%) zu vermeiden (Steinlechner et al. 2003).
Operationstechnik In Rückenlage und Blutleere/Blutsperre wird in Höhe der Beugefalte des Endgelenks eine Stichinzision angelegt, über die die Flexor-digitorum-longus-Sehne ansatznah
tenotomiert wird. Eine weitere quere Hautinzision wird unmittelbar proximal der Beugefalte des Kleinzehengrundgelenks angelegt. Nach Auseinanderdrängen der Weichteile kann die Beugesehnenscheide dargestellt werden. Dabei ist es oft hilfreich, die Kleinzehe im Grundgelenk zu überstrecken. Nach längsgestellter Eröffnung der Beugesehnenscheide wird die FDL-Sehne zwischen den beiden Zügeln der Flexor-digitorum-brevis-Sehne identifiziert und hervorluxiert. Die Sehne kann nur in Längsrichtung entlang ihrer präformierten Raphe in 2 Sehnenzügel aufgespalten und mit jeweils einem Haltefaden armiert werden. Dabei empfiehlt es sich, die Aufspaltung mindestens bis 1 cm proximal der Hautinzision durchzuführen. Die Inzision auf der Streckseite der Kleinzehe kann quer oder geschwungen vorgenommen werden. Bei vorausgegangenen oder zusätzlich geplanten knöchernen Korrekturen (z.B. Arthrodese des Kleinzehenmittelgelenks) kann dieser Zugang zur Sehnentransposition erweitert werden. Die Strecksehnenaponeurose wird nun über dem Grundglied dargestellt. Dann wird eine gebogene Moskitoklemme von dorsal nach plantar zur proximalen Hautinzision geführt. Dabei ist es wichtig, die Branchen der Klemme unmittelbar am knöchernen Grundglied entlang zu führen, um keine Nerven- oder Gefäßverletzung hervorzurufen. Jeweils ein Sehnenzügel wird dann medial und lateral des Grundgliedes zur Streckseite geführt. Unter passivem Ausgleich der Zehenfehlstellung (dabei ist eine geringe Überkorrektur anzustreben!) werden die beiden Sehnenzügel nun in der vorgegebenen Spannung auf sich selbst oder auf die Streckaponeurose genäht. Je weiter distal die Naht durchgeführt wird, umso größer ist der zu erwartende Korrektureffekt. Soll gleichzeitig eine transversale Kleinzehenfehlstellung ausgeglichen werden, so kann die Vorspannung eines Sehnenzügels erhöht werden. Abschließend erfolgt der Hautverschluss und das Anlegen eines redressierenden Verbands (⊡ Abb. 7.9a–c).
7.4.2 Transfer der Extensor-digitorum-
longus-Sehne V (Lapidus-Transfer) Operationsprinzip und Operationsindikation Der Transfer der Extensor-digitorum-longus-Sehne V auf die Aponeurose des M. abductor digiti quinti (Lapidus-Operation) ist indiziert bei einer flexiblen Digitusquintus-varus-Deformität. Das Ziel der Operation besteht darin, die Adduktions- und Supinationsfehlstellung der 5. Zehe durch den Sehnentransfer zu beheben (Liepold et al. 2005).
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Kapitel 7 · Operative Therapie – 2.–5. Strahl
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c
b
⊡ Abb. 7.9 a Klinisches Bild mit deutlicher Valgusstellung der Großzehe und dorsaler Verlagerung der Kleinzehe. Im Stand fehlender Bodenkontakt der Zehe II. b Intraoperatives Fluoroscan-Bild nach Chevron-Osteotomie, distalem Weichteileingriff und FDL-Transfer an der Zehe II. c Postoperatives klinisches Bild mit guter sagittaler Einstellung der Zehe II
Operationstechnik In Rückenlage und Blutsperre/Blutleere wird über dem Kleinzehengrundgelenk der 5. Zehe eine S-förmige Hautinzision angelegt, die medial an der Grundphalanx beginnt, das Grundgelenk überkreuzt und nach lateral proximal ausläuft. Nach Auseinanderdrängen des Subkutangewebes wird dann ein dorsomediales Kapselrelease am Grundgelenk durchgeführt und die Ausgleichbarkeit der Fehlstellung intraoperativ überprüft. Über einen kleinen Querschnitt in Höhe des proximalen Metatarsale V kann jetzt die Extensor-digitorum-longus-Sehne der 5. Zehe quer tenotomiert und durch den distalen Zugang hervorluxiert werden. Durch bindegewebige Verbindungen ist dieser Vorgang oft erschwert, sodass die Sehne innerhalb ihres Gleitlagers durch vorsichtiges Einführen und Spreizen mit einer Moskitoklemme gelöst werden muss. Die distal gestielte Strecksehne wird dann bis zum mittleren Drittel des Grundgliedes aus der Extensoraponeurose gelöst und mit einem Faden armiert. Mit Hilfe einer kleinen Overholt-Klemme wird sie dann entlang der medialen Begrenzung der Grundphalanx plantarseitig um die Zehe zur lateralen Seite geführt. Durch vorsichtiges Anspan-
nen der Sehen kann der Korrektureffekt (Abduktion und Pronation) abgeschätzt werden. Lateralseitig wird nun proximal des Kleinzehengrundgelenks die Aponeurose des M. abductor digiti quinti dargestellt. Die Vorspannung der Extensor digitorum longus wird so gewählt, dass die Deformität ausgeglichen ist. Von einer Überkorrektur ist abzuraten. Das freie Sehnenende wird nun auf die Aponeurose genäht. Durch eine mehr dorsale oder plantare Position lässt sich in begrenztem Umfang auch die sagittale Einstellung der 5. Zehe (Extension/Flexion) beeinflussen. Nach Blutstillung erfolgt der schichtweise Wundverschluss und das Anlegen eines redressierenden Verbands.
7.4.3 Subligamentärer Transfer der
Extensor-digitorum-brevis-Sehne Operationsprinzip und Operationsindikation Der subligamentäre Transfer der Extensor-digitorumbrevis-Sehne kann zum Ausgleich einer flexiblen medi-
95 7.4 · Sehnentransfers
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⊡ Abb. 7.10 a Identifikation der lateral verlaufenden Extensor-digitorum-brevis-Sehne, die von der Extensor-digitorum-longus-Sehne im distalen Grundgliedbereich scharf gelöst und durchtrennt wird. b Armierung des Sehnenendes mit einem monofilen Faden. Von distal Unterfahren des Ligamentum intermetatarsale transversum mit einem Dechamp oder einer Overholt-Klemme und subligamentäres Durchziehen der Extensordigitorum-brevis-Sehne von proximal nach distal. c In orthograder Kleinzehenposition bzw. geringer Überkorrektur zunächst provisorische Fixation des Sehnenstumpfes über eine Naht am Periost bzw. der Extensor-digitorum-longus-Sehne. Aufstellen des Fußes auf dem Operationstisch zur Überprüfung der Kleinzehenstellung unter Belastung. Bei befriedigender Stellungskorrektur Durchführung der definitiven Sehnenfixation – über eine transossäre Naht (alternativ einen Knochenanker), die suprabasal am Grundglied angelegt wird, – über einen quer zur Grundgliedachse verlaufenden Bohrkanal, durch den die Extensor-digitorum-brevis-Sehne gezogen wird. Optional: Transfixation der Kleinzehe bis in den Mittelfußstrahl mit einem Kirschner-Draht (1,2 mm). Eröffnen der Blutleere und Blutstillung. Subkutannähte und Hautnähte (aus Fuhrmann 2009)
alen Achsenabweichung der Zehen II–IV durchgeführt werden. Die hierdurch zu erzielenden Korrekturmöglichkeiten sind allerdings begrenzt, sodass oft knöcherne Begleiteingriffe (z.B. suprabasale Closing-wedge-Osteotomie) erforderlich sind (Haddad et al. 1999).
mit einer Dechamps-Klemme von distal nach proximal unterfahren (⊡ Abb. 7.10a–c). Der Armierungsfaden der Sehne wird anschließend durch das Öhr geführt, um das freie Sehnenende der Extensor-digitorum-brevisSehne subligamentär nach distal zu verlagern (Fuhrmann 2009; ⊡ Abb. 7.11a, b).
Operationstechnik In Rückenlage und Blutsperre/Blutleere wird ein S-förmiger Zugang über dem Kleinzehengrundgelenk angelegt, der nach lateral und proximal ausläuft. Nach Auseinanderdrängen der Weichteile wird ein dorsomediales Kapselrelease durchgeführt. Hiernach kann die Ausgleichbarkeit der Fehlstellung manuell überprüft werden. Nun wird die lateral verlaufende Extensor-digitorum-brevisSehne identifiziert, aus der Extensoraponeurose gelöst und distal in Höhe des Grundgliedes tenotomiert. Das freie Sehnenende wird mit einem Faden armiert. Nun wird nach Einsetzen und dosiertem Aufspreizen eines Metatarsalspreizers das Lig. intermetatarsale des lateral angrenzenden Intermetatarsalraumes identifiziert und
Nachbehandlung Nach allen Sehnentransfers an den Kleinzehen ist die postoperative Mobilisation im Vorfußentlastungsschuh oder Verbandsschuh möglich. Die Tragedauer wird von den knöchernen Begleiteingriffen bestimmt, umfasst jedoch meist 4 Wochen. Entscheidend für den Erfolg der Operation ist eine redressierende Verbandstechnik, in die der Patient detailliert eingewiesen werden muss. Auch die Verwendung von konfektionierten Lagerungsbandagen oder Zehenspreizern nach Korrektur einer sagittalen Zehenfehlstellung ist möglich. Grundsätzlich ist ein Redressionsverband über die Dauer von 12 Wochen empfehlenswert.
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Kapitel 7 · Operative Therapie – 2.–5. Strahl
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⊡ Abb. 7.11 a 68-jährige Frau mit schmerzhaftem Zehenkonflikt durch die mediale Achsenabweichung der 2. und 3. Zehe. Beginnende dorsale Subluxation im 2. Zehengrundgelenk und Subduktion der 3. Zehe. Vorausgegangen war eine Strecksehnenverlängerung im Bereich des 2. Zehenstrahles. b Postoperatives klinisches Bild 14 Monate nach Durchführung eines subligamentären Transfers der Extensor-digitorum-brevisSehne an den Zehen II und III
Literatur Bauer G, Mutschler W (1993) Der sogenannte Flexor-Extensor-Transfer zur Behandlung der nicht kontrakten Hammerzehenfehlstellung. Oper Orthop Traumatol 5:34–39 Bouché RT, Heit EJ (2008) Combined Plantar Plate and Hammertoe Repair with Flexor Digitorum Longus Tendon Transfer for Chronic, Severe Sagittal Plane Instability of the Lesser Metatarsophalangeal Joints: Preliminary Observations. J Foot Ankle Surg 47:125–137 Engelhardt P (2001) Orthopädische Fußchirurgie, Steinkopff, Darmstadt, S 135 Fuhrmann RA (2009) Der subligamentäre Transfer der Extensor-digitorum-brevis-Sehne zur Behandlung der medialen Achsenabweichung der Kleinzehen. Oper Orthop Traumatol 21:88–96 Haddad SL, Sabbagh RC, Resch S, Myerson B, Myerson MS (1999) Results of flexor-to-extensor and extensor brevis tendon transfer for correction of the crossover second toe deformity. Foot Ankle Int 20:780–788 Liepold K, Fuhrmann R, Venbrocks R (2005) Tailor’s bunion und Digitus quintus varus. FussSprungg 2:84–92 Myerson MS, Jung HG (2005) The role of toe flexor-to-extensor transfer in correcting metatarsophalangeal joint instability of the second toe. Foot Ankle Int 26:675–679 Steinlechner CBW, Beer M, Cobb AG (2003) Girdlestone’s flexor to extensor tendon transfer for the correction of lesser toe deformities in adults. Foot Ankle Surg 9:31–34
8
Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten Johannes Hamel, München
8.1
Sichelfußdeformität
– 98
8.2
Typische Deformitäten des 1. Strahles im Wachstumsalter – 99
8.3
Typische Deformitäten der Kleinzehenstrahlen im Kindesalter – 104
8.4
Störungen von Differenzierung und Wachstum am kindlichen Vorfuß – 105
98
8
Kapitel 8 · Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten
Operative Behandlungen im Mittel-Vorfuß-Bereich während des Wachstums stellen oft besondere Anforderungen in Bezug auf die Indikationsstellung, die Festlegung des Operationszeitpunkts und das altersgerechte Korrekturverfahren. Viele der angeborenen Deformitäten werden bevorzugt im frühen Kleinkindalter korrigiert, andere im Schulkindalter auftretende Fehlstellungen wie das iuvenile Hallux-valgus-Syndrom dagegen oft bewusst erst nach Wachstumsabschluss. Häufig stellt der Leidensdruck des Patienten den entscheidenden Parameter dar, wobei dieser nicht selten ganz überwiegend in der Inkompatibilität mit dem altersgemäßen Konfektionsschuhwerk besteht. Langfristig ist insbesondere eine ungestörte Vorfußfunktion oberstes Behandlungsziel. Kosmetische Aspekte haben – aus Sicht des Betroffenen (und der Eltern) – eine erhebliche Bedeutung, die vom Therapeuten mitberücksichtigt werden sollte. Bei den selteneren Deformitäten beschränken sich die Ausführungen auf die Korrekturprinzipien.
8.1
Sichelfußdeformität
Der angeborene Sichelfuß, die Adduktionskontraktur in Höhe der Lisfranc-Linie (⊡ Abb. 8.1), ist therapeutisch eine Domäne der redressierenden Behandlung im Säuglings- und frühen Kleinkindalter (Thompson u. Simons 1992). Vereinzelt werden aber auch operationswürdige Fälle im späteren Kleinkind- oder frühen Schulkindalter beobachtet.
⊡ Abb. 8.1a, b Vor und nach Metatarsale II–V-Basisosteotomien mit medialer Fußrandentflechtung
a
Eine OP-Indikation ist gegeben bei persistierenden Adduktusdeformitäten im Klein- und Schulkindalter ohne ausreichende Besserungstendenz im Verlauf trotz wachstumslenkender Maßnahmen (Redressionsgipsverbände im Säuglingsalter, später z.B. Nachtschienen, Dreibackeneinlagen). Im Vorschulalter ist ein Calcaneo-Metatarsale-IIWinkel von ca. über 25°–30° (Normalwert bis etwa 10°) im a.p.-Bild als Grenze zur Operationsindikation zu sehen.
8.1.1 Mediale Fußrandentflechtung
Operationsindikation und Operationsprinzip Operative Release-Maßnahmen im Alter zwischen 2. und 6. Lebensjahr im Sinne einer »medialen Fußrandentflechtung« werden in der Literatur empfohlen (Asirvatham u. Stevens 1997; Ghali et al. 1984; Thompson u. Simons 1992). Hierbei werden neben einer intramuskulären Verlängerung des M. abductor hallucis die Kapseln insbesondere des TMT-I-Gelenks und des Naviculo-Cuneiforme-Gelenks inzidiert, mit nachfolgender Retention im Gipsverband und späterer Schienung. In vielen Fällen erscheint allerdings eine frühe forcierte Redressionsbehandlung sinnvoller oder alternativ eine spätere knöcherne Korrektur ohne Gelenkeröffnung.
Operationstechnik und Nachbehandlung Der Eingriff wird über einen Längsschnitt über dem medialen Fußrand durchgeführt mit Darstellung des
b
99 8.2 · Typische Deformitäten des 1. Strahles im Wachstumsalter
Muskel-Sehnen-Übergangs des M. abductor hallucis. Der sehnige Anteil wird nach Erfordernis an 1 oder 2 Stellen zur intramuskulären Verlängerung diszidiert. Der Tibialis-anterior-Sehnenansatz wird dargestellt und überprüft (ggf. ist bei weit distaler Insertion die Rückversetzung sinnvoll). Nach der sorgfältigen Darstellung des TMT-IGelenks (und des Naviculo-Cuneiforme-I-Gelenks) erfolgt eine semizirkuläre Kapsulotomie ggf. beider Gelenke dorsal, medial und plantar nach Bedarf bis die Gelenke deutlich aufklaffen. Eine Fixation mit einem dünnen K-Draht perkutan in Korrekturstellung ist für etwa 4 Wochen sinnvoll. In Fällen ausgeprägter muskulärer Kontraktur mit Verkürzung auch der plantaren Strukturen (Kavuskomponente) kann ein proximales Release des M.-abductorhallucis-Ursprungs mit Ablösung der kurzen Fußmuskulatur und eine Plantarfaszienspaltung indiziert sein. Eine redressierende Behandlung im Oberschenkelgipsverband (Weißgips) für 6–8 Wochen und eine nachfolgende sorgfältige Schienung in einer dynamischen Unterschenkel- oder Oberschenkelorthese ist anzuraten. Im weiteren Verlauf erfolgt eine Dreibackeneinlagen- oder Antivarusschuhversorgung.
8.1.2 Tarsometatarsale Osteotomien
Operationsindikation und Operationsprinzip Etwa ab dem 4. Lebensjahr kann eine verbliebene erhebliche tarsometatarsale Fehlstellung am besten durch knöcherne Korrektur (⊡ Abb. 8.1) behoben werden (Thompson u. Simons 1992). Die alternativ in der Literatur angegebene Lösung der Tarsometatarsalgelenke (»Heyman-Herndon-Prozedur«) ist zumindest am 2.–5. Strahl traumatisierend und nicht zu empfehlen.
Metatarsalebasen II–V durch Längsspaltung der Weichteilstrukturen dargestellt, subperiostal umfahren und unter Entnahme eines kleinen lateralbasigen Knochenkeiles mit Verwendung eines kleinen Sägeblattes osteotomiert. Nach Erfassung aller 5 Tarsometatarsalstrahlen ist eine Korrektur gut möglich (⊡ Abb. 8.1). Die Osteosynthese erfolgt mit dünnen K-Drähten (je nach Alter 1,0–1,4 mm). Diese werden perkutan eingebracht, die Osteotomien unter Sicht gestellt und durch Vortreiben der Drähte gegen Seitversetzung geschützt. Das Halten der Korrektur in der gewünschten Stellung erfolgt im Gipsverband. Die perkutane Platzierung der K-Drähte wird wesentlich erleichtert durch Vorbohren des K-Draht-Eintritts im distalen Fragment von der OP-Inzision aus. Statt in Höhe des Os cuneiforme mediale kann der 1. Strahl auch im Bereich der Metatarsalbasis durch Osteotomie außerhalb der Wachstumsfuge oder weichteilig am Tarsometatarsalegelenk I (Cahuzac et al. 1993) korrigiert werden. Alternativ zu den Metatarsalebasisosteotomien kommt auch eine Kombination einer Keilentnahme am Os cuboideum mit einer Opening-wedge-Osteotomie am Os cuneiforme mediale wie beim Residualklumpfuß in Betracht. In den meisten Fällen ist allerdings die Fehlstellung eindeutig auf Höhe der Metatarsalebasen lokalisiert. Postoperativ wird im Gipsverband für 4–6 Wochen retiniert, wobei noch leichte Stellungskorrekturen möglich sind. Die K-Drahtentfernung erfolgt in Kurznarkose etwa 3–4 Wochen postoperativ mit Übergang auf einen Unterschenkelgehgips. Später kommen Nachtlagerungsschienen (OS/US-Schienen, dynamisch/statisch) und Dreibackeneinlagen zur Retention zum Einsatz.
8.2
Typische Deformitäten des 1. Strahles im Wachstumsalter
Operationstechnik und Nachbehandlung
8.2.1 Iuveniles Hallux-valgus-Syndrom
Der Eingriff beginnt mit einem kleinen Längsschnitt medial in Höhe des Os cuneiforme mediale. Nach intramuskulärer Verlängerung des M. abductor hallucis wird das Os cuneiforme mediale unter Schonung des Tibialisanterior-Ansatzes dargestellt. Es erfolgt eine quere Osteotomie des Os cuneiforme mediale in Höhe des 2. Tarsometatarsalgelenks (Bildwandler) im Sinne einer Openingwedge-Osteotomie (beim kleineren Kind mit dem Messer möglich, beim älteren Kind mit der oszillierenden Säge). Das Einbringen von Spongiosa ist nur beim älteren Kind empfehlenswert. Eine 2. Hautinzision wird schräg über die Metatarsalebasen II–V angelegt. Durch Verziehen der Haut kann dieser Zugang auf eine Hautschnittlänge von etwa 3 cm begrenzt werden. Sukzessive werden nun die
Bereits im frühen Schulalter tritt – bevorzugt bei Mädchen – nicht selten eine kombinierte Fehlstellung des 1. Strahles auf, die der adulten Form in den meisten Aspekten sehr ähnelt bzw. häufig die Vorstufe zu einem typischen Hallux valgus im Erwachsenenalter darstellt. Ätiologisch sind hier offenbar eine genetische Disposition sowie der Konstitutionstyp des Bindegewebes (bes. z.B. Marfan-Syndrom, Trisomie 21) bedeutsam; die Rolle beengenden Schuhwerkes bereits im Kindesalter ist nicht abschließend geklärt. Ein radiomorphologisches Kennzeichen der iuvenilen Form ist in einem Teil der Fälle die veränderte Kontur der Metatarsale-I-Gelenkfläche mit einer lateralen Eindellung und die meist eher mäßige
8
100
Kapitel 8 · Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten
⊡ Abb. 8.2 a Iuveniler Hallux valgus beiderseits bei einer 13-jährigen Patientin. b Das laterale Sesambein ist auf der rechten Seite dysplastisch, links fehlend, das mediale dezentriert
8
a
Ausprägung der medialen Pseudoexostose. Folgende Aspekte bedürfen besonderer Beachtung beim iuvenilen Hallux-valgus-Syndrom: ▬ Die Dezentrierung des Metatarsophalangealgelenks im Wachstumsalter kann zu einer knöchernen Fehlentwicklung der Gelenkpartner beitragen (form follows function), so z.B. zu einer ausbleibenden Ausbildung der plantaren Führungsleiste des Metatarsale-I-Köpfchens. Dys- und Aplasien der Sesamoidea werden im Rahmen des iuvenilen Hallux-valgus-Syndroms beobachtet (⊡ Abb. 8.2a, b). ▬ Erhebliche Fehlstellungen können eine negative wachstumslenkende Wirkung auf die Nachbarstrahlen ausüben. ▬ Alle operativen Maßnahmen müssen das Wachstumsund Entwicklungspotential, insbesondere im Bereich der Epiphysenfugen, berücksichtigen.
b
Operationsindikation und Operationsprinzip Das operative Vorgehen mit lateralem Grundgelenksrelease, Osteotomien des Metatarsale I und des Grundgliedes und einer medialen Kapselplastik entspricht weitgehend dem am Erwachsenenfuß. Die Wachstumsfugen am proximalen Metatarsale I und Grundglied sind jedoch zu beachten. Eine TMT-I-Arthrodese in schweren Fällen sollte erst nach Wachstumsabschluss erfolgen. Die Transposition der Sehne des M. adductor hallucis auf das Metatarsale I (McBride 1960) kann eine wachstumslenkende Wirkung entfalten (⊡ Abb. 8.3a-d) und ist, im Unterschied zum Erwachsenenfuß, beim iuvenilen Hallux valgus daher mit zu erwägen, nach Tachdjian (Tachdjian 1985) insbesondere auch beim Hallux valgus im Rahmen einer spastischen Lähmung.
Operationstechnik und Nachbehandlung Die Indikationsgrenzen sind wie auch im Erwachsenenalter nicht scharf zu definieren. Folgende Aspekte sind im Kindesalter zu bedenken: ▬ Leichte Deformitäten sollten nicht im Wachstumsalter operativ korrigiert werden, u.a. auch wegen der prinzipiell erhöhten Rezidiv- aber auch Überkorrekturgefahr vor Wachstumsabschluss. ▬ Vorsicht bei Mädchen der peripubertären Altersgruppe. Hier erschweren eine inadäquate Erwartungshaltung von Kind (und Eltern) sowie eine manchmal unzureichende Compliance nicht selten die Nachbehandlung. ▬ Die Verwendung von redressierenden (Nacht-) Schienen zur Wachstumslenkung und zur Vermeidung einer Progredienz kann in das Behandlungskonzept integriert werden und einen operativen Eingriff hinauszögern.
Alle am Erwachsenenfuß üblichen Osteotomien sind prinzipiell in ähnlicher Weise auch im Schulkind- und Jugendlichenalter möglich (s. entsprechende Kapitel dieses Buches). Bei iuvenilen Fällen kann eine Versetzung der Sehne des M. adductor hallucis zur Lenkung des weiteren Wachstums erwogen werden. Allerdings sind rein weichteilige Korrekturen ähnlich wie im Erwachsenenalter nicht empfehlenswert (Lynch 1992). Die Kombination mit einer proximalen Metatarsale-I-Osteotomie (⊡ Abb. 8.3) stellt eine bewährte knöchern-weichteilige Korrekturmaßnahme des Metatarsus primus varus dar und wird im Folgenden beschrieben. Von einer intermetatarsalen Inzision aus wird die Sehne des M. adductor hallucis von der Grundgliedbasis und dem lateralen Sesambein komplett abgelöst, endständig angeschlungen und bis zum Muskel-Sehnen-Übergang mobilisiert. Ein 3,2–4,5 mm großes transversales Bohr-
101 8.2 · Typische Deformitäten des 1. Strahles im Wachstumsalter
a
b
c
d
⊡ Abb. 8.3 a Vor, b 6 Wochen nach, c, d 1 Jahr nach knöchern-weichteiliger Korrektur der linksseitigen Hallux-valgus-Deformität bei einem 12jährigen Mädchen (Metatarsale-I-Basisosteotomie, Weichteileingriff mit M.-adductor-hallucis-Transfer auf das Metatarsale I und Grundgliedosteotomie). Beachte die vollständige Ausgradung im postoperativen Verlauf durch den dynamischen Effekt des Sehnentransfers
loch wird in der Retrokapitalregion des Metatarsale I angelegt und die Sehne in das Bohrloch hineingezogen. Die Fäden können mit medialen Kapselanteilen unter Spannung vernäht werden. Je nach Festigkeit der Naht ist eine mehrwöchige Teilbelastung zu empfehlen, im Alter unter etwa 12 Jahren unter Berücksichtigung der Compliance u.U. auch eine Ruhigstellung im zirkulären Hartverband. Rezidive, aber auch Überkorrekturen stellen bekannte Komplikationen dar.
8.2.2 Hallux valgus interphalangeus
ren und ist einer rein angulär wirksamen Closing-wedgeOsteotomie vorzuziehen. Bei zusätzlicher Beugekontraktur des IP-Gelenks kann zusätzlich in der Sagittalebene korrigiert werden.
Operationstechnik Von einem medialen Zugang aus wird das Grundglied distal quer komplett osteotomiert. Im proximalen Fragment wird eine Nut angelegt, in die das distale Fragment unter Rotation und Versetzung nach fibular eingepasst wird (⊡ Abb. 8.4). Die Fixation erfolgt mit 2 K-Drähten.
Es handelt sich um eine häufig symmetrisch auftretende Wachstumsstörung des Großzehen-Grundgliedes, die sich meist im frühen Schulalter deutlich manifestiert und Beschwerden im Sinne eines Schuhkonflikts oder chronisch rezidivierende Paronychien hervorrufen kann. Die Valgusabweichung mit Krümmungsscheitel im distalen Grundgliedbereich ist nicht selten mit einer Beugekontraktur des Interphalangealgelenks (IP-Gelenk) kombiniert.
Operationsindikation und Operationsprinzip Da keine Wachstumszonen im distalen Grundgliedbereich lokalisiert sind, kann die Deformität in jedem Alter bei entsprechendem Ausmaß und/oder lokalen Beschwerden korrigiert werden. Eine distale Grundgliedosteotomie mit vollständiger Durchtrennung unter Beachtung der Prinzipien der CORA (Center of Rotation and Angulation) vermag in der Regel alle Komponenten der Deformität zu korrigie-
a
b
⊡ Abb. 8.4 a Distale Grundgliedosteotomie bei Hallux valgus interphalangeus. Im proximalen Fragment wird eine Nut angelegt für das distale Fragment. b Röntgenbefund einer typischen Versorgung präund postoperativ
8
102
Kapitel 8 · Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten
8.2.3 Iuveniler Hallux varus
Die im Schulalter auftretende Deformität ist selten und ätiologisch ungeklärt. Pathogenetisch liegt eine muskuläre Dysbalance der das Grundgelenk führenden Muskulatur vor. Meistens besteht zusätzlich eine Varusstellung der Kleinzehen (⊡ Abb. 8.5). Differentialdiagnostisch ist die Sichelfußdeformität abzugrenzen sowie auch Zustände kompensatorischer Hyperaktivität der langen Zehenflektoren bei Gastrocnemiusschwäche, wie sie etwa bei Klumpfußresiduen beobachtet werden.
Operationsindikation und Operationsprinzip
8
Leichtere Fehlstellungen können belassen werden, da sie keine wesentliche Funktionseinschränkung darstellen. Neben einer intramuskulären Verlängerung des M. abductor hallucis und einem medialen Weichteilrelease kann z.B. eine Bandplastik an der lateralen Grundgelenkkapsel unter Verwendung einer distal gestielten EHB-Sehne dienen (⊡ Abb. 8.6). Auch knöcherne Korrekturen (»reversed Chevron«) sind Bestandteil des rezentrierenden Eingriffs.
Operationstechnik
unter dem intermetatarsalen Band hindurchgeführt und auf das Periost der Metatarsale-I-Metaphyse fixiert werden (auch Bohrloch oder Knochenanker möglich). Eine temporäre K-Draht-Fixierung des Grundgelenks oder redressierende Verbände sind wegen der nicht geringen Rezidivgefahr empfehlenswert.
8.2.4 Hallux varus congenitus
Eine skelettäre Fehlanlage, insbesondere des im Sinne einer Duplikatur (vgl. Kapitel Polydaktylie) stark verbreiterten und verkürzten Metatarsale I mit weit nach medial ausgezogener Wachstumszone liegt dem Hallux varus congenitus zu Grunde (Bader et al. 1999).
Operationsindikation und Operationsprinzip Wegen ausgeprägter Progredienz ist bereits im Übergang vom Säuglings- zum Kleinkindalter eine operative Korrektur anzustreben, die die sonst drohende extreme Längenwachstumsstörung unterbricht. Günstige Ergebnisse wurden insbesondere mit der kompletten Durchtrennung des Metatarsale I und einzeitigen Verlängerung durch Einfügung eines kortikospongiösen Spanes, z.B. aus der Fibula, erzielt (⊡ Abb. 8.7).
Neben weiteren kapselplastischen und knöchernen Korrekturmaßnahmen, wie sie auch bei der iatrogenen Überkorrektur nach Hallux-valgus-Chirurgie empfohlen werden, kann die Extensor-hallucis-brevis-Sehne am Muskelsehnenübergang abgesetzt, mit einer Dechamps-Ahle
Lig. metatarseum transversum profundum Sehne des M. extensor hallucis brevis
a ⊡ Abb. 8.5a, b Kindlicher Hallux varus
b ⊡ Abb. 8.6 Laterale Bandplastik des Großzehengrundgelenks mit Verwendung der distal gestielten Extensor-hallucis-brevis-Sehne
103 8.2 · Typische Deformitäten des 1. Strahles im Wachstumsalter
a
b
c
⊡ Abb. 8.7a–c Radiologischer Verlauf einer Hallux-varus-Korrektur durch Interposition eines Fibulaspanes (die Aufnahmen wurden freundlicherweise von Frau Dr. E. Lamprecht, Winterthur, zur Verfügung gestellt)
Hierdurch wird die rezidivfreudige mediale Brückenbildung aufgesprengt. Aufwändige weichteilige Rezentrierungsmaßnahmen am Grundgelenk und Hautplastiken sind zusätzlich erforderlich, nicht selten auch spätere Folgeeingriffe.
8.2.5 Dorsal bunion
Diese mit einer schweren Funktionsstörung des Vorfußes einhergehende Fehlstellung wird im Zusammenhang mit angeborenen Deformitäten, insbesondere dem idiopathischen Klumpfuß, beobachtet. Offenbar durch Dysbalance des Tibialis anterior–Peroneus longus-Antagonismus im Verbund mit (kompensatorischer) Hyperaktivität des M. flexor hallucis longus (z.B. bei Gastrocnemius-Soleus-Schwäche) stemmt sich die Großzehe in ausgeprägten Fällen auf die Unterstützungsfläche und hebt das nahezu unbelastete, elevierte Metatarsale I vom Boden ab.
a
Operationsindikation und Operationsprinzip Die Deformität ist nur bei frühzeitiger Korrektur durch nichtversteifende Maßnahmen reversibel. Durch Rückverlagerung des Flexor hallucis longus auf die Retrokapitalregion (Bohrlochtechnik) wird eine plantarflektierende Kraft auf das Metatarsale I generiert, die im Verbund mit einer plantarisierenden Basisosteotomie die schwer gestörte Lastverteilung am 1. Strahl rekompensieren kann (⊡ Abb. 8.8). Gegebenenfalls kann
b ⊡ Abb. 8.8 a Dorsal bunion im Rahmen einer operativ behandelten Klumpfußdeformität. b Operative Korrektur durch plantarisierende Metatarsale-I-Basis-Osteotomie und Flexor-hallucis-longus-Verlagerung auf die Retrokapitalregion des Metatarsale I
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104
Kapitel 8 · Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten
eine plantare Tenodese des IP-Gelenks mit dem distalen FHL-Stumpf (Flexor hallucis longus) eine spätere Hyperextension verhindern. Die Kraft des M. flexor hallucis brevis ist für die Kontrolle des Grundgelenks erfahrungsgemäß ausreichend.
8.2.6 Klauenzehe D I
8
Durch muskuläre Dysbalance und Extensorensubstitution (EHL) bei Fußheberschwäche mit Gastrocnemius-SoleusVerkürzung kommt es besonders bei den Pes-cavovarusDeformitäten zu einer progredienten Hyperextension im Grundgelenk mit IP-Beugestellung (Schwäche des Flexor hallucis brevis [FHB], Hyperaktivität des Flexor hallucis longus [FHL]). Die Hyperextension im Grundgelenk trägt ihrerseits zu einer Plantarisierung des Metatarsus I (MT I) und damit zu einer Verstärkung der Pes-cavovarus-Deformität bei.
zumindest bis ins frühe Schulalter nie ein funktionelles Problem dar und kann beobachtet werden, zumal Spontanbesserungen häufig sind. Konservative Redressionsbemühungen (Tape) scheitern nach eigener Erfahrung regelmäßig (Fixsen u. Lloyd-Roberts 1988). Allerdings wird vereinzelt über günstige Ergebnisse bei Behandlungsbeginn (Redression mit Klebestreifen) direkt nach Geburt berichtet (de Prado, pers. Mitteilung 2009).
Operationsindikation und Operationsprinzip Die Indikation zur operativen Korrektur ist bei erheblicher Deformität und/oder funktionellen Beschwerden (Druckstellen, rezidivierende Paronychie) nicht vor dem späteren Schulalter gegeben. Am ehesten ist eine Tenotomie der langen Beugesehne in DIP-Gelenkhöhe mit Mittelgliedköpfchenresektion geeignet, je nach Ausprägung kann aber auch eine Resektionsarthroplastik des PIP-Gelenks erforderlich werden (K-Draht-Fixation).
Operationsindikation und Operationsprinzip Die Indikation zur operativen Vorfußkorrektur muss unter Einschätzung der Gesamtdeformität und ihrer Progredienz erfolgen. Ein Eingriff bereits im Schulkindalter bietet einerseits den grundsätzlichen Vorteil durch Umverteilung der muskulären Kräfte auf die weitere Fußentwicklung Einfluss zu nehmen, andererseits kann ein frühes Einschreiten spätere Optionen einschränken. Die Rückverlagerung einer FHL-Sehnenhälfte auf das Grundglied (Bohrlochtechnik) erscheint der früher empfohlenen Jones-Prozedur (Rückverlagerung des EHL auf den Mittelfuß [Döderlein et al. 2000]) überlegen. Die dynamischen Kräfte können auf diese Weise rebalanciert werden ohne Verlust der aktiven Großzehenhebung.
8.3
Typische Deformitäten der Kleinzehenstrahlen im Kindesalter
Die Deformitäten der Kleinzehenstrahlen werden bevorzugt erst etwa ab dem Schulalter operativ korrigiert. In Südeuropa werden überwiegend minimalinvasive Techniken (perkutane Tenotomien und Osteotomien) angewendet.
8.3.2 Bunionette
Eine Verbreiterung des lateralen Vorfußabschnitts mit erhöhtem Intermetatarsal-Winkel IV/V und Varusstellung der Kleinzehe bewirkt einen Schuhkonflikt lateral über dem Metatarsale-V-Köpfchen, das in Entsprechung zum Hallux-valgus-Syndrom eine Pseudoexostose aufweisen kann. 3 morphologische Typen der Metatarsale-V-Fehlform werden unterschieden.
Operationsindikation und Operationsprinzip Die Indikation ist gegeben bei rezidivierenden Druckstellen trotz Tragens von adäquatem Schuhwerk. In Analogie zum Hallux-valgus-Syndrom ist, je nach Morphotyp, eine Metatarsalosteotomie basisnah, diaphysär oder retrokapital mit einem Weichteileingriff am Metatarsophalangealgelenk V (MTPG V) zu verbinden (tibialseitiges Release, fibularseitige Raffung). Die distal gelegene Wachstumsfuge ist zu respektieren bzw. sind Chevron- oder Scarf-ähnliche Osteotomien erst nach Wachstumsabschluss durchzuführen.
8.3.3 Digitus quintus superductus 8.3.1 »Curly toe«
Häufig wird, bevorzugt an der 4. Zehe, eine leichte Beugekontraktur im PIP- und DIP-Gelenk mit Supination der oft leicht überlangen Zehe beobachtet. Dies stellt
Eine kontrakte Hyperextension des Grundgelenks D V mit oder ohne Superduktusstellung der 5. Zehe durch zusätzliche Varuskomponente ist meist schon im Kleinkindalter erkennbar. Im Säuglingsalter wird über Erfolge
105 8.4 · Störungen von Differenzierung und Wachstum am kindlichen Vorfuß
sehr konsequenter Redressionsbehandlung (Steristrip) berichtet.
Operationsindikation und Operationsprinzip Die Deformität führt langfristig regelmäßig zu Druckstellen über dem PIP-Gelenk der Kleinzehe. Der Korrekturzeitpunkt kann hinausgeschoben werden bis sich der Schuhkonflikt manifestiert. Das operative Vorgehen ist schweregradabhängig. In leichteren Fällen kann eine Strecksehnenverlängerung mit MTPG-Release und Z-Plastik der Haut ausreichend sein, in ausgeprägteren Fällen empfiehlt sich das Verfahren nach Lapidus (Tenodese mit der distal gestielten Extensorsehne, die um das Grundglied herumgeführt und an den Abductor digiti minimi fixiert wird) oder das Verfahren nach Butler (Cocking 1968), bei dem durch zirkuläre Umschneidung die Kleinzehe weiter plantar im Weichteilmantel reimplantiert wird.
8.3.4 Klauenzehen D II–V
In Verbindung mit Kavusdeformitäten, aber auch kompensatorisch als Extensorsubstitution oder idiopathisch wird eine Hyperextension im Grundgelenk mit PIP-Beugekontraktur und zunehmendem Verlust des Bodenkontakts beobachtet.
Operationsindikation und Operationsprinzip In Abhängigkeit vom Ausmaß des Schuhkonflikts und der Gesamtsituation des Fußes ist eine Korrektur in der Regel nicht vor dem späten Schulalter erforderlich. Erhöhung des Wirkungsgrades der langen Zehenbeuger durch PIP-Arthrodese oder Flexor/Extensor-Transfer im Verbund mit streckwärtigem MTPG-Release und Strecksehnenverlängerung. Auch eine Rückverlagerung der Strecksehnen auf den Mittelfuß (Hibbs-Prozedur) kommt in besonders ausgeprägten Fällen in Betracht (Döderlein et al. 2000).
Operationstechnik (Butler-Release) Tennisschlägerartige Inzision über dem Kleinzehengrundgelenk mit zirkulärer Schnittführung, die sich plantar zu einer kurzen Längsinzision vereinigt. Unter sorgfältiger Schonung der neurovaskulären Strukturen werden Strecksehnen (Resektion) und dorsale Kapsel soweit mobilisiert, dass die Zehe zwanglos weiter plantar im Weichteilmantel reimplantiert werden kann. Hierdurch wird der nach Korrektur plantar bestehende Haut-Weichteil-Überschuss nach dorsal verlagert, wo er benötigt wird. Eine Nekrose der Zehe ist möglich, im Kindesalter bei vorsichtiger Präparation aber in aller Regel vermeidbar.
8.4
Störungen von Differenzierung und Wachstum am kindlichen Vorfuß
8.4.1 Polydaktylie
Die Erscheinungsformen zusätzlicher Strahlenanlagen sind äußerst vielfältig (Bader et al. 1999). Mediale (präaxiale, ⊡ Abb. 8.9 u. 8.10), zentrale und, am häufigsten, laterale (postaxiale) Ausprägungen in unterschiedlicher Höhe (Zehentyp, Mittelfußtyp; Einteilung nach VennWatson [Venn-Watson 1976] oder Blauth und Olason
⊡ Abb. 8.9 Reduktion einer Großzehenduplikatur mit zentraler Verschmälerung des Endgliedes und Nagelteilresektion
8
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8
Kapitel 8 · Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten
⊡ Abb. 8.10 Präaxiale Polydaktylie vom Mittelfußtyp. Eine nicht ganz vollständige Cheilotomie des Metatarsale-I-Kopfes mit Kapselplastik und Transfer der M.-abductor-hallucis-Sehne auf den verbleibenden Strahl wurden durchgeführt
[Blauth u. Olason 1988]) und in Kombination mit Syndaktylien werden beobachtet.
Operationsindikation und Operationsprinzip Verbreiterung von Vorfußabschnitten mit (absehbarem) Schuhkonflikt und kosmetische Aspekte geben meist den Ausschlag zur operativen Korrektur. Einige Grundregeln für die sehr differenziert zu stellende Verfahrenswahl sind z.B.: ▬ Entfernung jeweils des hypoplastischen Strahles (Entscheidung manchmal schwierig) ▬ Erhaltung der Randstrahlen I und V bietet Vorteile ▬ Besondere Beachtung des Grundgelenks (Cheilotomie des Metatarsalköpfchens, Sehnentransfer, Bandplastik) Die Ausführung erfolgt unter plastisch-rekonstruktiven Gesichtspunkten und geht oft über die reine »Amputation« weit hinaus.
8.4.2 Syndaktylie
Partielle oder komplette Syndaktylien werden – am häufigsten den 2./3. Strahl betreffend – im Zehenbereich beobachtet, nicht selten in Verbindung mit anderen Missbildungen (⊡ Abb. 8.11). Eine klinische Problematik ist in der Regel nicht gegeben.
a
b
⊡ Abb. 8.11a, b Trennung einer Syndaktylie im Rahmen einer Stellungskorrektur bei zusätzlicher Zehendeformität
Operationsindikation und Operationsprinzip Anders als an der Hand ist die Indikation zur Trennung der Syndaktylie nur selten gegeben, z.B. im Zusammenhang mit zusätzlichen Deformitäten.
107 8.4 · Störungen von Differenzierung und Wachstum am kindlichen Vorfuß
a
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⊡ Abb. 8.12a–d Reduktion einer Makrodaktylie durch Weichteilreduktion in Verbindung mit Verkürzungsosteotomie und phalangealer Epiphyseodese. Alternativ wäre eine Strahlresektion einschließlich des Metatarsale II zu diskutieren
a
b
Die Syndaktylietrennung erfolgt nach den handchirurgischen Regeln mit Z-förmiger Hautmobilisierung und Deckung durch Vollhauttransplantate (⊡ Abb. 8.11).
⊡ Abb. 8.13a, b Korrektur einer multiplen Brachymetatarsie durch Verlängerungsosteotomie des Metatarsale I und Verkürzungen am 2. Strahl. Die Strahlen III–V wurden in diesem Fall belassen
lamputation oder Strahlenresektion sind im Einzelfall zu erwägen.
8.4.4 Brachymetatarsie 8.4.3 Makrodaktylie
Das übermäßige Knochen- und Weichteilwachstum im Zehen- oder auch Mittelfußbereich einzelner Strahlen (⊡ Abb. 8.12) kommt im Zusammenhang mit übergeordneten Syndromen, aber auch singulär vor. Es stellt in der Regel ein ausgesprochen schwieriges fußchirurgisches Problem dar.
Operationsindikation und Operationsprinzip Ausmaß, Lokalisation und prognostische Aspekte bestimmen die Indikationsstellung und den Zeitpunkt des oft mehrfach erforderlichen Eingriffs. Weichteilreduktion, knöcherne Verkürzung oder Epiphyseodese, Tei-
Die Längenwachstumsstörung einzelner Metatarsalia – besonders häufig am 4. Strahl – mit Funktionseinschränkung und Deformität der zugehörigen Zehe stellt in vielen Fällen vor allem ein kosmetisches Problem dar. Die meistens hyperextendierte oder auf dem Mittelfuß »reitende« und funktionslose Zehe kann einen Schuhkonflikt bewirken. In anderen Fällen besteht eine erhebliche Funktionsstörung des Vorfußes mit Überlastung einzelner Metatarsalstrahlen (⊡ Abb. 8.13).
Operationsindikation und Operationsprinzip Da die Korrektur besonders bei den Metatarsalverlängerungen nicht einfach und oft langwierig ist, die Ergebnisse
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8
Kapitel 8 · Kindliche Mittel-Vorfuß-Deformitäten
nicht immer befriedigend sind und die Beeinträchtigung häufig eher eine kosmetische darstellt, muss die Aufklärung von Kind und Eltern sehr ausführlich erfolgen. Besonders im peripubertären Alter, indem das Empfinden einer »Missbildung« sehr ausgeprägt, das Durchhaltevermögen des Patienten für einen langwierigen Ausheilungsprozess aber begrenzt ist, sollte bei fehlender Funktionsstörung eher Zurückhaltung geübt werden. Anders ist es in Fällen wie dem in ⊡ Abb. 8.12 dargestellten mit erheblicher Überlastung einzelner Metatarsalstrahlen. Die einzeitige oder kontinuierliche Verlängerung (Klauser u. Mellerowicz 2009; Ruffer et al. 2006) verkürzter Metatarsalstrahlen (Interposition oder Kallusdistraktion) ist mit Weichteil-Release-Maßnahmen zu verbinden. Erschwerend ist häufig, dass die benachbarten Zehen den Zehenzwischenraum der betroffenen Zehe ausfüllen. Die Wiedererlangung einer Lastübernahme des betroffenen Mittelfußköpfchens und einer echten aktiven Zehenfunktion ist nahezu unerreichbar.
8.4.5 Synostosen
Synostosierungen einzelner Mittelfußknochen können Deformitäten und Fehlbelastungen im Vorfußbereich hervorrufen. Dies ist insbesondere bei den mobilen lateralen Metatarsalstrahlen beschwerdeauslösend (⊡ Abb. 8.14).
Operationsindikation und Operationsprinzip Die Indikationsstellung für operative Korrekturen ist für jeden Einzelfall individuell zu erwägen.
a
b
⊡ Abb. 8.14a, b Korrektur einer Synostosierung der Metatarsalbasen IV und V mit starker Mittelfußverbreiterung und Überlastung des nach plantar flektierten 5. Mittelfußknochens
Durch Osteotomien und/oder Lösung von Synostosierungen ist eine möglichst physiologische Lastverteilung des Vorfußes anzustreben.
Literatur Asirvatham R, Stevens PM (1997) Idiopathic forefoot-adduction deformity: medial capsulotomy and abductor hallucis lengthening for resistant and severe deformities. J Pediatr Orthop 17:496–500 Bader B, Grill F, Lamprecht E (1999) Die Polydactylie des Fußes. Orthopäde 28:125–132 Blauth W, Olason AT (1988) Classification of polydactyly of the hand and feet. Arch Orthop Trauma Surg 107:334–344 Cahuzac JP, Laville JM, Sales de Gauzy J, Lebarbier P (1993) Surgical correction of metatarsus adductus. J Pediatr Orthop Part B2:176–181 Cocking J (1968): Butler’s operation for an overriding fifth toe. JBJS 50-B:78–81 De Prado M (2009) Persönliche Mitteilung Döderlein L, Wenz W, Schneider U (2000) Der Hohlfuß. Springer, Berlin Fixsen J, Lloyd-Roberts G (1988) The foot in childhood. Churchill Livingstone, New York Ghali NN, Abberton MJ, Silk FF (1984) The management of metatarsus adductus et supinatus. JBJS 66-B:376ff Klauser H, Mellerowicz H (2009) Die Korrektur der Brachymetatarsie mittels Minifixateur interne – ein neues Therapiekonzept. FussSprungg 7:22–30 Lynch FR (1992) Juvenile hallux abducto valgus. In: McGlamry D et al. (ed) Comprehensive textbook of foot surgery. Williams and Wilkins, Baltimore McBride (1960) The McBride bunion hallux valgus operation. Refinements in the successive surgical steps of the operation. JBJS 42-A:965ff Ruffer M, Heijens E, Pfeil J (2006): Kalluxdistraktion mit intramedullärer Schienung zur Verlängerung des vierten Strahles bei Brachymetatarsie. FussSprungg 4:234–239 Tachdjian MO (1985) The childs foot. W.B.Saunders, Philadelphia Thompson GH, Simons GW (1992) Congenital talipes equinovarus and metatarsus adductus. In: Drennan JC (ed) The child’s foot and ankle. Raven, New York Venn-Watson E (1976) Problems in polydactyly of the foot. Orthop Clin North Am 7:909–927
9
Operative Interventionen am Vorfuß des Rheumatikers Stefan Rehart, Frankfurt Stefan Sell, Bad Wildbad Martina Henniger, Frankfurt
9.1
Pathophysiologie – 110
9.2
Konservative Therapie
9.3
Indikation
9.4
Präoperative Vorbereitung
9.5
Spezielle Operationstechnik
9.6
Komplikationen
9.7
Nachbehandlung
– 111
– 112
– 114 – 114
– 112 – 113
110
9
Kapitel 9 · Operative Interventionen am Vorfuß des Rheumatikers
Die chronisch verlaufenden entzündlichen Systemerkrankungen des rheumatischen Formenkreises weisen Besonderheiten auf, die sie deutlich von den degenerativen oder den posttraumatischen unterscheiden. So sind der multilokuläre Befall aller Strukturen, die regelhaft zu unterstellende Osteoporose (Entzündung und Kortison), die Notwendigkeit der Einnahme besonderer Medikamente (DMARDs [disease modifying antirheumatic drugs], NSAR [nichtsteroidale Antirheumatika], Kortison, Biologika), aber auch die Minderbelastbarkeit der Haut (z.B. durch kontinuierliche Kortisoneinnahme) zu berücksichtigen (Rehart u. Henniger 2006). Der Krankheitsverlauf gestaltet sich chronisch progredient, schubartig und ist im Individualfall (noch) nicht vorhersehbar. Es bestehen vielfach erhebliche Komorbiditäten an Herz, Niere, Leber und Lunge. Der Befall der Temporo-Mandibular-Gelenke beeinflusst operative Vorgehen durch anästhesiologische Bedürfnisse. Die Hauptvertreter dieser Erkrankungen bestehen in der rheumatoiden Arthritis (r. A.), den Spondyloarthritiden (z.B. M. Bechterew) oder der Psoriasis (vielfach mit peripherem Gelenkbefall). Die Inzidenz der rheumatischen Krankheiten beträgt ca. 2,5% in der Bevölkerung. Im Folgenden beschränken wir uns exemplarisch auf die Darstellung der Vorfußdeformitäten bei der r.A. So kommt es im Verlauf bei 85–100% aller Patienten zu Affektionen von Strukturen an den Füßen, dabei sind diese bei 20% bereits bei Ausbruch der Erkrankung betroffen (Jaakkola u. Mann 2004). Am häufigsten befallen sind die Metatarsophalangealgelenke (MTP, 80–95%), gefolgt von den Mittelfußgelenken (40–60%) und dem oberen Sprunggelenk sowie dem Subtalargelenk (30–50%) (Fuhrmann 2002). Gelegentlich ist die Differenzierung entzündeter synovialitischer Strukturen von infektiösen Geschehen schwierig und erfordert neben der Klinik den Einsatz bildgebender (Röntgen, MRT) und laborchemischer (CRP, BSG) Verfahren, aber auch der Punktion (unter strikter Beachtung von sterilen Kautelen mit Synoviaanalyse und Abstrich). Der Verlust der sozialen Mobilität durch Fußaffektionen ist für die Betroffenen durch die Einschränkung der Gehstrecke und die Notwendigkeit des Kaufes besonderen Schuhwerkes oft dramatisch. Die Entwicklung der rheumatischen Fußdeformitäten folgt meist charakteristischen Mustern und auch die Therapie wird in ein Grundkonzept orthopädisch-rheumatologischer Vorgehen eingefügt (ARO 2004). Dabei ist es wichtig, die Veränderungen im Frühstadium zu diagnostizieren und einer adäquaten, möglichst »präventiven« Behandlung zuzuführen, da im weiteren Verlauf ansonsten nur noch rekonstruktive Interventionen zur Verfügung stehen. Das Verständnis für die speziellen pathophysiologischen Vorgänge an der Gliederkette der unteren Extremität
ermöglicht zuletzt das Einleiten erfolgversprechender Therapieformen. Dabei können die einzelnen Stadien der Destruktionen auch am Vorfuß besonders geeigneten konservativen und/oder operativen therapeutischen Maßnahmen zugeführt werden. Das spezielle perioperative Management kann z. B. auch über den Erwerb der Zusatzbezeichnung »Orthopädische Rheumatologie« erlernt werden.
9.1
Pathophysiologie
Zu unterscheiden sind lokal entzündliche Prozesse (intrinsisch) an den Gelenken und Sehnen selbst von Einflüssen, die sekundär zusätzlich durch Veränderungen an angrenzenden Strukturen (extrinsisch) auftreten und die sich gegenseitig in ihrer Wirkung potenzieren. Lokal kennt man eine entzündlich induzierte KapselBand-Destruktion mit nachfolgender Instabilität (»loose type«) und die knorpelzerstörende Gelenkdestruktion mit Bewegungseinschränkung (»stiff type«). Als distanten Einfluss betrachtet man die typische Valgusdeformität am Knie, die die valgische Einstellung des Rückfußes begünstigt (Rehart u. Henniger 2006). Der Verlust der Fußlängswölbung durch die Valgisierung des Kalkaneus und das mediale Niedertreten des Os naviculare bedeuten eine reaktive Aufbiegung der Mittelfußknochen an D I (varisierend und supinierend) und D V (valgisierend und pronierend). Dadurch ergeben sich veränderte Zugwirkungen der in- und extrinsischen Sehnen am Fuß mit der nachfolgenden Hallux-valgus-Positionierung der Großzehe und der Varisierung der Kleinzehe als Digitus quintus varus (jeweils möglicherweise noch mit einer gegenläufigen Rotation). An den Kleinzehen führt die Sehnendysbalance zu einer Hyperextension im MTP-Gelenk und der später kontrakten Krallenzehendeformität (⊡ Abb. 9.1a–c). Im stadienhaften Verlauf der Erkrankung kommt es dann zu der typischen Deformität des rheumatischen Knick-Platt- und Spreizfußes. Das Aufbiegen des Mittelfußes ergibt eine Überlastung der Mittelfußköpfchen II–IV, die zuletzt über einen Verlust des plantaren Fettpolsters praktisch direkt unter der schwer schwielenbesetzten Haut tastbar werden und hochschmerzhaft sind. Zusätzlich kommt es zu lokalen Entzündungen und Synovialitiden, die diese Prozesse noch weiter beschleunigen und durch Erosionen zu Knorpeldestruktionen führen. Konsequenterweise üben alle diese Veränderungen auch retrograd einen ungünstigen Einfluss auf proximal liegende Strukturen aus. Meist bestehen mehrere Deformitäten nebeneinander, z. B. an Knie-, Rück- und Vorfuß. Zuletzt resultiert am Vorfuß der »pied rond rhumatismale« mit dem Voll-
111 9.2 · Konservative Therapie
a
c
b
⊡ Abb. 9.1 a Klinische Darstellung der Destruktionen am Vorfuß in einem noch relativ frühen Stadium. Es besteht ein Hallux valgus, Krallenzehen flexibel D II–V. Klavi mit Bursitiden PIP D II bds., Tibialdeviation der D II–IV, Dig. quintus varus. b Radiologische a.-p.-Darstellung der in Abb. 9.1a klinisch vorgestellten Patientin. An den MTP-Gelenken I–V besteht ein Larsen-Stadium 2 bei ansonsten klinisch beschriebenen Fehlstellungen. c Radiologische seitliche Darstellung der in Abb. 9.1a klinisch vorgestellten Patientin. Deutliche Krallenzehenfehlstellungen im seitlichen Strahlengang bei ansonsten klinisch beschriebenen Fehlstellungen
bild aller beschriebenen Veränderungen. Die Patienten klagen über eine Verminderung der Gehstrecke, Instabilitätsgefühl und erhebliche Schwierigkeiten bei der Schuhversorgung.
9.2
Konservative Therapie
Die konservativen Therapiemöglichkeiten bei der rheumatischen Vorfußdeformität sind begrenzt, sollten aber frühzeitig genutzt werden (ARO 2004; Tillmann 1977). Neben der Optimierung der medikamentösen Therapie zur Dämpfung der entzündlichen Aktivität kommen die Einlagenversorgung nach Maß mit Weichbettung der Metatarsaleköpfchen und retrokapitaler Abstützung und/oder eine Abrollhilfe zum Einsatz. Orthopädische Schuhe nach Maß sind nur bei Kontraindikationen zu
operativer Sanierung oder in Ausnahmefällen indiziert. Lokale Kortisoninstillationen können Synovialitiden zum Sistieren bringen. Eine lokale radiosynoviorthetische Injektion kann bei isolierter Synovialitis ohne anderen Versorgungsbedarf oder Kontraindikationen zu chirurgischer Sanierung versucht werden. Eine Gewichtsregulation ist anzustreben ebenso wie sportliche Betätigung ohne Belastung des Vorfußes (z.B. Schwimmen und Radfahren). Hochhackige Schuhe sind selbstverständlich zu vermeiden, die Pflege von Haut und Nägeln am Fuß in Verbindung mit einer eigenständigen Beübung der Fußmuskulatur sollten regelmäßig praktiziert werden. Alle diese Maßnahmen können jedoch das Fortschreiten der Fußdeformität meist nicht aufhalten bzw. die bestehende Deformität nicht dauerhaft korrigieren, sodass in den meisten Fällen doch eine operative Versorgung notwendig wird.
9
112
Kapitel 9 · Operative Interventionen am Vorfuß des Rheumatikers
9.3
9
Indikation
Ziele der operativen Therapie bestehen in der Schmerzreduktion, der Schuhversorgbarkeit des Fußes, der möglichst totalen Ausräumung der Synovialitis, dem Erhalt bzw. der Wiederherstellung von Gelenkfunktion und Sehnen sowie der Verhinderung schnell progredienter Gelenkdestruktionen. Der Erhalt der sozialen Mobilität für die »activities of daily life« ist für die Betroffenen von essentieller Bedeutung (Tillmann 1999). Die differenzierte Operationsplanung richtet sich nach dem klinischen, sonographischen und radiologischen Befund und erfolgt sinnvollerweise stadienabhängig (Böhme u. Rehart 2006). Die radiologische Einteilung kann bei den Patienten des rheumatischen Formenkreises vorteilhaft nach Larsen, Dale und Eek (LDE) entsprechend des Schweregrades der knöchernen Gelenkveränderungen in 6 Stadien (0–5) erfolgen. Eine isolierte Synovektomie/Tenosynovektomie als reiner Weichteileingriff, die an anderen Gelenken in den frühen Stadien (LDE 0–2/3) bei persistierenden Synovialitiden, aber noch intakten Gelenkflächen indiziert ist, wird am Vorfuß allenfalls gelegentlich an den MTPGelenken und am IP-Gelenk durchgeführt und eignet sich besonders in den Frühstadien bei isoliertem Befall. Die Detektion einer Artikulosynovialitis ist Domäne der Sonographie, die in den Frühstadien parallel zum Röntgen angezeigt ist. Insbesondere an den MTPGelenken V (»Wetterecke«) und IV ist Aufmerksamkeit erforderlich, dann können auch lokale Infiltrationen den entzündlichen Prozess günstig beeinflussen. Leider kommen Patienten nur selten in diesem frühen Stadium zur Vorstellung. In der Regel bestehen schon Zehenfehlstellungen, sodass die Weichteilsanierung mit rekonstruktiven knöchernen Eingriffen kombiniert werden muss. Bei begrenzten Knorpelschäden, aber starker Deformität (LDE 0–2/3) kommen gelenkflächenkorrigierende Eingriffe (Umstellungsosteotomien) zum Einsatz. Bei stark destruierten Gelenkflächen (LDE 4/5) bleibt in Abhängigkeit von dem betroffenen Gelenk nur der Gelenkersatz (MTP-Gelenk I), die Resektionsarthroplastik (MTPGelenk I bzw. II–V) oder die Arthrodese (MTP-Gelenk I bzw. PIP-Gelenke). Insgesamt sollten die verschiedenen Anteile des Vorfußes immer im Kontext des Rückfußes (Schill et al. 2006) und der Gliederkette der unteren Extremität betrachtet werden. Dabei empfiehlt sich für die Planung operativer Interventionen die Beachtung eines der Leitgedanken der orthopädischen Rheumatologie: »proximal vor distal«. Der Vorfuß des Rheumatikers verdient eine Sanierung aller operationsbedürftigen Aspekte in einer Sitzung im Sinne einer vollständigen Vorfußrekonstruktion.
9.4
Präoperative Vorbereitung
Neben der üblichen präoperativen Diagnostik (klinische und radiologische Untersuchung) ergeben sich beim Rheumatiker Besonderheiten. Auf die Wichtigkeit bei der Berücksichtigung weiterer Deformitäten bzw. Funktionseinschränkungen wurde bereits hingewiesen. Von großer Bedeutung ist der perioperative Umgang mit den besonderen Medikamenten zur Reduktion der Entzündungsvorgänge (Bridges u. Moreland 1997; Delank et al. 2002). Die Studienlage hierzu ist begrenzt (Rehart et al. 2005). Aufgrund der immunsuppressiven Wirkung der DMARDs (disease modifying antirheumatic drugs) ist ein erhöhtes postoperatives Infektrisiko zu vermuten. Ein Absetzen dieser Medikamente erhöht jedoch das Risiko eines Schubes der Erkrankung mit negativen Auswirkungen auf das allgemeine Krankheitsgeschehen und damit ggf. auch eine verzögerte Mobilisierung postoperativ (Bridges u. Moreland 1997). Die meisten Studien liegen zu Methotrexat (MTX) vor (Jain et al. 2002; Perhala et al. 1991; Sany et al. 1993). Erhöhte Infektraten haben sich nicht bestätigt, sodass wir heute eine durchgehende Weitergabe von MTX empfehlen. Auch für D-Penicillamin, Auranofin und Chloroquin konnte kein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen und Wundinfekte nachgewiesen werden. Ein perioperatives Absetzen dieser Medikamente erscheint deshalb nicht notwendig. Leflunomid, insbesondere wenn es in Kombination mit MTX gegeben wird, sollte vor infektionsanfälligen knochenchirurgischen Eingriffen pausiert werden (Delank et al. 2002). Dabei scheinen die Eingriffe am Fuß unter dieser Medikation besonders anfällig für Wundheilungsstörungen oder ernsthafte Infektionen. In vielen Kliniken erfolgt das präoperative Auswaschen mit Cholestyramin 10 Tage vor dem Eingriff. Aufgrund der langen Halbwertszeit wäre ein elektives Absetzen präoperativ mindestens 12 Wochen vor der Operation und 2 Wochen im Anschluss erforderlich. Die sog. »biological DMARDs« (TNF-alpha-Inhibitoren) spielen mittlerweile eine große Rolle in der medikamentösen Behandlung der rheumatoiden Arthritis, wenn das Ansprechen auf MTX unzureichend ist. Gesicherte Empfehlungen über den perioperativen Umgang mit den Substanzen liegen noch nicht vor, sodass ein Absetzen in Anlehnung an die Halbwertszeit ratsam erscheint, was auch den Empfehlungen der DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) entspricht. Dies gilt umso mehr, als ausgedehnte Eingriffe erforderlich sind, eine lange Krankheitsdauer bei dem Patienten vorliegt, erhebliche Komorbiditäten bestehen und bei höherem Alter (Rehart u. Petak 2007).
113 9.5 · Spezielle Operationstechnik
Kortikosteroide erhöhen das Risiko für Wundheilungsstörungen und Wundinfekte sowie Thrombosen, sodass präoperativ die Kortisonmedikation auf eine möglichst niedrige Dosis reduziert werden sollte. Die systemische Kortikosteroidtherapie über 7,5 mg Prednisolonäquivalent täglich führt zur Nebennierenrindeninsuffizienz. Deshalb sollten Patienten, die mehr als diese Dosis seit mindestens 1 Monat einnehmen, perioperativ einen Kortisonstoß erhalten. Besonderheiten ergeben sich auch z. B. bei dem Bedarf an einer fiberoptischen nasotrachealen Intubation, wenn eine Beteiligung des Temporomandibulargelenks zur verminderten Mundöffnung oder eine Beteiligung der Cricoarytenoidgelenke zur Verengung der Glottis geführt haben. In diesem Fall ist eine anästhesiologische Vorstellung ausreichend lange vor dem geplanten Eingriff sinnvoll. Wenn möglich, sollte einer regionalen Anästhesieform der Vorzug gegeben werden. Instabilitäten der oberen HWS kommen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis nach mehr als 10-jährigem Verlauf in bis zu 100% der Fälle vor, häufig völlig ohne klinische Symptomatik. Wir empfehlen regelhaft das präoperative Anfertigen einer seitlichen Röntgenaufnahme der HWS in Anteversion des Kaputs, zentriert auf C I, mit Darstellung des harten Gaumens, um eine wesentliche Instabilität des Atlas gegen den Axis nachzuweisen (anterior [AADI]: <4–6 mm; posterior [PADI]: >12 mm). Liegt eine über dieses konsentierte Maß hinausgehende Distanz vor, mit möglicher Instabilität, empfehlen wir in Abhängigkeit von der Dringlichkeit und dem Ausmaß des ursprünglich vorgesehenen Eingriffs und der geplanten Anästhesieform die weitere Abklärung (Röntgen/MRT/CT) und eventuell sogar die atlantoaxiale Spondylodese vor der eigentlich vorgesehenen Operation am Fuß.
9.5
Spezielle Operationstechnik
Lagerung Bei der unmittelbaren Vorbereitung des Patienten mit rheumatoider Arthritis im OP ist besondere Sorgfalt bei der Positionierung auf dem OP-Tisch angezeigt. Die Patienten weisen häufig an das OP-Gebiet angrenzende Deformitäten oder Gelenkkontrakturen auf, die berücksichtigt werden müssen. Aufgrund der langjährigen Glukokortikoidtherapie besteht vielfach eine Minderbelastbarkeit der Haut. Die intraoperative Schonung der Haut ist insbesondere beim Anlegen von Blutleeremanschetten, Esmarch-Binden und beim Entfernen von Klebetüchern zu beachten, da es leicht zu Einblutungen oder sogar Ablederungen der Haut kommt.
Zugang Etabliert ist der dorsomediale Zugang zum MTP D I. Den MTP-Gelenken D II–V kann alternativ von dorsal oder von plantar zugegangen werden. Beide letztgenannten Schnittführungen haben Vor- und Nachteile. Von plantar werden die Köpfchen direkt erreicht, die schwielenbesetzte Haut kann reseziert werden und eine Dermodese erfolgen. Nachteilig erscheinen das postoperative Laufen direkt auf der Wunde, die nicht mögliche Strecksehnenbalancierung und die Gefahr der Verletzung der Gefäß-Nerven-Strukturen sowie der Beugesehnen. Von dorsal können die Köpfchen bezüglich des Alignements perfekt reguliert werden, die Entflechtung der Weichteile ist einwandfrei ausführbar und die Strecksehnenbalance ist minutiös einstellbar. Problematisch ist gelegentlich die Heilung bei Wundrandspannungen (präoperatives Anfertigen einer Gipsschale in 0°-Stellung des OSG, die für 2 Wochen als Lagerungshilfe im Bett dient). Eine Korrektur der PIP-Gelenke der Kleinzehen (perkutane oder offene Arthrodese) empfiehlt sich über den queren Zugang direkt über dem Gelenk.
9.5.1 Weichteileingriffe
Diese betreffen vor allem therapieresistente, persistierende Schleimhautentzündungen der MTP-Gelenke (aber auch des IP-Gelenks von D I) in den LDE-Stadien 0–2/3, Tenosynovialitiden an Beuge- und Strecksehnen oder Zehenfehlstellungen in den Frühstadien. Auch störende bzw. zu perforieren drohende Rheumaknoten sind zu resezieren, ebenso wie plantare Bursen über den Mittelfußköpfchen. Bei Bedarf sollten eine Arthrolyse und das Weichteilbalancing (z.B. Seitenbänder) an den MTP-Gelenken ausgeführt werden. Ein typischer, umfassender Eingriff besteht beispielsweise aus Synovektomie der MTP-Gelenke I–V mit Tenotomie der kurzen Strecksehnen und fibularer Arthrolyse der Streckhaube, ggf. der Strecksehnenverlängerung (EDC longus) und der temporären perkutanen Arthrodese der PIP-Gelenke (bei flexibler Deformität) oder der offenen PIP-Gelenkarthrodese bei kontrakter Deformität (ebenfalls mit K-Draht). Am Großzehengrundgelenk erfolgt dabei auch eine Durchtrennung des M. adductor hallucis (»lateral release«) und zuletzt eine medial raffende Cerclage fibreux (sofern die knöcherne MT-Umstellung [distal/proximal] noch nicht erforderlich ist).
9.5.2 Knöcherne Eingriffe
Alle knöchernen Eingriffe werden von den angezeigten dazugehörigen Weichteileingriffen begleitet: Synovektomie,
9
114
Kapitel 9 · Operative Interventionen am Vorfuß des Rheumatikers
Weichteilbalancierung, Cerclage fibreux, »lateral release«, Rheumaknotenexstirpation, Tenosynovektomie etc.
1. Strahl
9
Ausgeprägtere Hallux-valgus-Fehlstellungen mit erhaltenen Gelenkflächen (Stadium LDE 0–3/4) werden bevorzugt über eine proximale oder distale Osteotomie im Bereich des MT I korrigiert. Dabei bevorzugen wir die ChevronOsteotomie mit Schraubenfixierung oder, bei IM-Winkeln >20°, die basisnahe Umstellung (winkelstabile Platte). Bei Bedarf kann eine Akin-Osteotomie der Grundphalanx ergänzend erfolgen. Einer Scarf-Osteotomie stehen wir bei Patienten des rheumatischen Formenkreises aufgrund der Osteoporose und der Markraumveränderung (später evtl. erforderliche TEP-Versorgung) reserviert gegenüber. Die OP nach Brandes ist aus unserer Sicht obsolet und eine Hüter-Mayo-Resektion am 1. Strahl verkürzt vielfach den 1. Strahl zu stark. Ist die Destruktion der Gelenkflächen weit fortgeschritten (LDE 4–5) bevorzugen wir beim Rheumatiker die Implantation eines Swanson-Spacers am Großzehengrundgelenk (⊡ Abb. 9.2a–d). Die damit anteilig erhaltene Beweglichkeit wirkt sich günstig auf die überlasteten angrenzenden Gelenke aus (insbesondere talonavikular). Zusätzlich sind die betroffenen Patienten bei reduziertem Gesamtzustand nicht in der Lage, diese so exzessiv zu nutzen, dass es zu frühzeitigen Destruktionen käme (auch könnte dann relativ problemlos ein Austausch erfolgen). Alternativ käme die Arthrodese in Betracht.
Strahlen II–V An den MTP-Gelenken II–V sind bei erhaltungswürdigen Knorpeloberflächen (LDE 0–3/4) ohne subchondrale Zysten Weil-Osteotomien unter strikter Beachtung des Alignements zu empfehlen. Dabei erfolgen bei Bedarf auch die orthograde Einstellung im MTP-Gelenk (z.B. über eine Strecksehnenverlängerung) und die Synovektomie (⊡ Abb. 9.2e–h). Sind die Köpfchen irreversibel destruiert, erscheint die etablierte Vorgehensweise nach Hoffmann sinnvoll, bei der diese vorsichtig (!) unter Opferung der Gelenkflächen gekürzt und distal zugerichtet werden. Ziel ist in jedem Fall die Entlastung der plantaren Schwielen und Bursen (die sich z.B. beim dorsalen Zugang innerhalb weniger Wochen oder Monate komplett zurückbilden). Eine unnötig ausgedehnte Resektion führt zu einer funktionellen Vorfußamputation und ist zu vermeiden. Flexible Krallenzehen versorgen wir über die perkutane Arthrodese in gewünschter Position (z.B. PIP und DIP in 0°-Extension). Kontrakte Flexionsfehlstellungen der Kleinzehen im PIP-Gelenk erhalten bevorzugt eine offene Arthrodese mit 6-wöchiger perkutaner K-Drahtschienung.
Das Ziel ist das Vermeiden rezidivierender Klavi über dem PIP-Gelenk und schmerzender Kallusbildung über der Zehenbeere. Beides führt zu klinisch sehr schmerzhaften Beschwerden und Schuhversorgungsproblemen. Im Endstadium der Destruktion umfasst ein typischer Eingriff am rheumatischen Vorfuß die Versorgung mit TEP MTP D I mit Synovektomie und »lateral release« und Cerclage fibreux, Köpfchenresektion nach Hoffmann MT II–V und Arthrodesen der PIP-Gelenke II–V (⊡ Abb. 9.3a, b).
9.6
Komplikationen
Die häufigsten Komplikationen der Vorfußchirurgie beim Rheumatiker bestehen in Wundheilungsstörungen und Infektionen mit Angaben in der Literatur von bis zu 10%. Ursächlich hierfür sind u.a. die Medikation (DMARDs, Kortison, Biologicals, Leflunomid etc.), die Minderbelastbarkeit der Haut, mangelnde Körperhygiene, Klavi, Druckulzera, Mykosen, zirkulatorische Störungen und die chronische systemische Entzündung. Das ThromboEmbolie-Risiko ist unter Kortisonmedikation erhöht. Das Rezidivrisiko bei Fehlstellungen ist zu beachten.
9.7
Nachbehandlung
Bereits im OP wird bei sämtlichen Operationsverfahren ein redressierender Kompressionsverband angelegt, der in den meisten Fällen in den ersten 4 Tagen belassen werden kann, bevor er gewechselt wird (⊡ Abb. 9.3c). Bei komplexen Vorfußrekonstruktionen über den dorsalen Zugang empfehlen wir für die ersten 2 Wochen die Anlage einer dorsalen Unterschenkelgipsschiene in 0°-Stellung des OSG zur Entspannung der Wunde am Fußrücken im Liegen (Spitzfuß). Zur Sicherung der Weichteilkorrekturen am 1. Strahl erfolgt anschließend eine Schienenversorgung für 3 Monate postoperativ im Sinne einer Tagesund Nachtschiene. Eine mehrtägige antibiotische Abschirmung ist nur bei erhöhtem Risiko oder dem Eintritt von Komplikationen erforderlich. Generell ist postoperativ eine zügige Mobilisation anzustreben, die aufgrund weiterer Deformitäten oder des reduzierten Allgemeinzustands erschwert sein kann. Eine Thromboseprophylaxe sollte konsequent für die Dauer der (relativen) Immobilisation durchgeführt werden. Außer bei basisnahen oder distalen MT-I-Osteotomien (Vorfußentlastungsschuh für 6 Wochen) raten wir zu einer 6-wöchigen Verbandsschuhversorgung. Temporär eingebrachte K-Drähte (z.B. nach PIP-Arthrodesen) werden 6 Wochen belassen. Bei der postoperativen Schmerztherapie ist zu beachten, dass
115 9.7 · Nachbehandlung
e
a
b
f
c
g
d ⊡ Plantare Ansicht der Beschwielung einer rheumatischen Vorfußdestruktion. b Radiologische Darstellung der rheumatischen Vorfußdestruktion aus Abb. 9.2a. c Anzeichnen der Schnittführung beim dorsalen Zugang für die Korrektur des rheumatischen Vorfußes. d Intraoperative Darstellung der Platzierung der Swanson-TEP am MTP D I. e Darstellung der Strecksehnen von dorsal. Fibular die zu tenotomierende kurze Strecksehne, tibial Unterfahren der langen Strecksehne. f Intraoperative Aufsicht auf die noch völlig intakten Mittelfußköpfchen II–V, die bei dieser Situation über eine Weil-Osteotomie erhalten werden. g Intraoperative Aufsicht auf die nach Weil osteotomierten MFK II und III, die unter Beachtung des Alignements verschoben werden. h Direkt postoperative Ansicht des rekonstruierten Vorfußes
h
9
116
Kapitel 9 · Operative Interventionen am Vorfuß des Rheumatikers
Patienten mit rheumatoider Arthritis etwa sechsmal häufiger an Ulzera des Magens und Duodenums leiden und die Medikation mit NSAR stets in Verbindung mit einem Magenschutz gegeben werden sollte.
Fazit Die Versorgung des rheumatischen Vorfußes erfolgt stadienadaptiert unter Beachtung der Situation an den Weichteilen und den knöchernen Komponenten. Dabei sind die angrenzenden Gelenke, die Medikation und die Gesamtsituation der Patienten einzubeziehen. Die Ergebnisse sind für die Patienten subjektiv vielfach sehr günstig und erfüllen häufig auch die Erwartungen des Operateurs. a
Literatur
9
b
c ⊡ Abb. 9.3 a Klinische Darstellung nach beidseitiger Vorfußrekonstruktion bei rheumatischem Vorfuß im Endstadium in einer Sitzung. b Radiologische Darstellung der Versorgung eines rheumatischen Vorfußes im Endstadium mit TEP MTP D I und Köpfchenresektion MT II–V nach Hoffmann und der Arthrodese (K-Drähte) PIP II–V. c Verbandsanordnung nach beidseitiger Vorfußrekonstruktion in einer Sitzung
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10
Verletzungen des Vorfußes Stefan Rammelt, Dresden
10.1
Metatarsalefrakturen
– 118
10.2
Zehenfrakturen
10.3
Metatarsophalangeale Luxationen
10.4
Interphalangeale Luxationen
– 124 – 127
– 128
118
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
10.1
Metatarsalefrakturen
10.1.1 Epidemiologie, Ätiologie
und Pathomechanik
10
Metatarsalefrakturen machen etwa die Hälfte aller Frakturen am Fuß aus und haben bei exakter Diagnostik und adäquater Behandlung generell eine sehr gute Prognose. Die Inzidenz der Metatarsalefrakturen liegt etwa um das Zehnfache höher als diejenige von Luxationsfrakturen des Lisfranc-Gelenks (Vuori u. Aro 1993). Dennoch sollte beim Vorliegen vermeintlich »isolierter« Frakturen von einer oder mehreren Metatarsalebasen das Vorliegen eines Luxationsmechanismus im Lisfranc-Gelenk ausgeschlossen werden. Bei Kindern machen Metatarsalefrakturen sogar 61% aller Fußfrakturen aus, wobei der 5. Strahl mit 41% am häufigsten, der 1. Strahl mit 19% am zweithäufigsten frakturiert ist. Beim Erwachsenen war das Os metatarsale V in einer Serie von 684 Metatarsalefrakturen in mehr als der Hälfte der Fälle betroffen. Zwei Drittel der Verletzungen entstehen durch Niedrigenergietraumata, offene Frakturen liegen in nur etwa 1% der Fälle vor (Vuori u. Aro 1993). Prinzipiell lassen sich 3 charakteristische und ätiologisch verschiedene Formen von Metatarsalefrakturen unterscheiden: 1. direkte Quetschverletzungen, 2. indirekte Torsions- und Avulsionsfrakturen sowie 3. chronische Überlastungsschäden. ▬ Frakturen an den Mittelfußbasen sind relativ selten isoliert und sollten immer den Verdacht auf das Vorliegen einer zusätzlichen ligamentären Komponente, d.h. eines Luxationsmechanismus im Lisfranc-Gelenk nahelegen. Gelegentlich entstehen Trümmerfrakturen der Metatarsale-I-Basis durch direkte Gewalteinwirkung. ▬ Schaftfrakturen der äußeren Strahlen sind meist auf einen Torsionsmechanismus, d.h. indirekte Gewalt zurückzuführen. Serienfrakturen des 2.–4. Strahles resultieren dagegen häufiger aus direkter Kompression im Rahmen eines Komplextraumas. ▬ Frakturen an Hals und Kopf entstehen oft als Serienbrüche, sowohl durch direkte als auch durch indirekte Gewalteinwirkung. Kombinierte Serienfrakturen an den Basen der medialen Strahlen und dem distalen Schaft der lateralen Strahlen sind hoch instabile Verletzungen, die durch forcierte Abduktion oder Adduktion des gesamten Vorfußes gegen den Mittfuß entstehen (Lisfranc-Äquivalent). Frakturen des Os metatarsale V am Übergang von der gut fixierten Basis zum relativ beweglichen Schaft (JonesFrakturen) entstehen durch eine forcierte Adduktion des Fußes bei plantarflektiertem Sprunggelenk, z.B. beim
Fehltritt an einer Bordsteinkante (Jones 1902). Diese Frakturen verlaufen typischerweise quer auf Höhe des 4. Intermetatarsalgelenks und weisen gelegentlich eine mediale Trümmerzone auf (Lawrence u. Botte 1993). Auf dieser Höhe, im meta-diaphysären Übergang, befindet sich eine Gefäßscheide, weshalb Frakturen in diesem Bezirk eine Tendenz zu längeren Knochenheilungszeiten aufweisen (Torg et al. 1984). Die weit verbreitete Annahme, dass die Abrissfraktur der Basis des Os metatarsale V (»tennis fracture«) einem knöchernem Ausriss der Sehne des M. peroneus brevis entspricht, konnte in experimentellen Untersuchungen nicht bestätigt werden. Vielmehr setzt an der Spitze der Tuberositas ossis metatarsalis V der laterale Anteil der Plantaraponeurose an, die ursächlich für deren Avulsion bei forcierter Inversion verantwortlich gemacht wird (Richli u. Rosenthal 1984). Die eher flächenhaft und lateral ansetzende Peroneusbrevis-Sehne kann jedoch eine weitere Dislokation des ausgerissenen Fragments verursachen (Dameron 1975). Von allen menschlichen Knochen sind die Ossa metatarsalia am häufigsten von Stressfrakturen betroffen. Die Ursache hierfür ist die wiederholte, gleichförmige Überlastung des Vorfußes, wie sie beispielhaft bei Militärrekruten, Sportlern und Balletttänzern zu beobachten ist. Am häufigsten sind die Basen und das proximale Schaftdrittel des Os metatarsale II, III und V betroffen (Torg et al 1984). Ermüdungsbrüche treten jedoch auch durch chronische Überlastung einzelner Strahlen aufgrund einer Fußdeformität, wie dem Pes equino varus und Pes cavus, oder einer Fehlstellung der unteren Extremität (Genu varum) mit Überlastung insbesondere des 5. Mittelfußknochens auf (Manoli u. Graham 2005). Systemische prädisponierende Faktoren für das Auftreten einer Metatarsalestressfraktur bei Frauen sind die Anorexia nervosa, Amenorrhoe und prolongierter Östrogenmangel.
10.1.2 Diagnostik
Die Klinik frischer Frakturen ist aufgrund des dünnen Weichteilmantels am Dorsum pedis durch direkte Schmerzangabe auf Frakturhöhe, Schwellung und Hämatom wegweisend. Meist besteht ein deutlicher Belastungsschmerz. Bei erheblichem direktem Quetschtrauma kann es rasch zur Ausbildung von Hautnekrosen kommen. Tipp
I
I
Bei gespannten Weichteilen mit Aufhebung der Hautfältelung muss beim bewusstlosen Patienten ein K Kompartmentsyndrom t t d ggf.f durch d h direkte, di kt wiederholte i d h lt Druckmessungen ausgeschlossen werden.
119 10.1 · Metatarsalefrakturen
Die apparative Diagnostik beinhaltet Standardröntgenaufnahmen des Fußes in dorsoplantarer, exakt seitlicher und 45°-Schrägprojektion. Bei seriellen Frakturen der Metatarsalebasen oder isolierten Metatarsale-II-Basisfrakturen sollte das Vorliegen einer relevanten Instabilität im Lisfranc-Gelenk durch gehaltene Aufnahmen in Abduktion und Adduktion des Vorfußes unter Leitungsanästhesie ausgeschlossen werden. Die MRT bietet hierzu eine Alternative mit hoher Sensibilität. Bei kindlichen Verletzungen ist zu beachten, dass die Apophyse an der Basis des Os metatarsale V bei Mädchen zwischen dem 9. und 11., bei Jungen zwischen dem 11. und 14. Lebensjahr sichtbar ist. Stressfrakturen werden erst nach 10–14 Tagen im Anschluss an das Auftreten eines diffusen Schmerzes über dem Mittelfuß durch einen diskreten Resorptionssaum entlang der Frakturlinie im Röntgenbild sichtbar. Noch vor dem radiologischen Nachweis gelingt meist die Diagnose mittels Szintigraphie oder MRT.
Prinzipiell ist am Os metatarsale V zwischen akuten Frakturen und chronischen Stressreaktionen zu unterscheiden (⊡ Tab. 10.1). Die akuten Frakturen der Tuberositas weisen ein gutes Heilungspotenzial auf (Heineck et al. 2001), während Frakturen im meta-diaphysären Übergang zu prolongierten Heilverläufen neigen (Dameron 1975). Lawrence und Botte (1993) differenzierten weiter in (⊡ Abb. 10.1): ▬ Zone 1: Abrissfraktur der Tuberositas ▬ Zone 2: Fraktur im Übergang Metaphyse – Diaphyse (Jones-Fraktur) ▬ Zone 3: Stressfraktur des proximalen Schaftes Die Jones-Fraktur ist hierbei definiert als akuter Querbruch am Übergang von der Metaphyse zur Diaphyse, typischerweise ca. 1,5 cm distal der Basis, mit Beteiligung des 4. Intermetatarsalgelenks (Stewart 1960). Häufig ist jedoch eine exakte Abgrenzung zwischen protrahiert heilenden JonesFrakturen und chronischen Stressreaktionen des proximalen Schaftes schwierig, sodass viele Autoren lediglich die therapierelevante Unterscheidung nach Dameron (1975) zwischen Frakturen der Tuberositas und Frakturen des meta-diaphysären Übergangs distal der Tuberositas treffen, da sich die Therapie von Frakturen distal der Tuberositas mehr nach ihrer Heilungspotenz als nach der exakten Lokalisation richtet (Torg et al. 1984; Chuckpaiwong et al. 2008). Torg et al. (1984) teilten die Frakturen und Stressreaktionen am proximalen Schaft des Os metatarsale V nach ihrem Heilungspotenzial wie folgt ein: ▬ Typ I: akute Frakturen ▬ Typ II: verzögerte Frakturheilung mit erweitertem radiologischen Frakturspalt und intramedullärer Sklerose
10.1.3 Klassifikation
Nach topographischen Gesichtspunkten werden Frakturen der Metatarsaleköpfchen, subkapitale, Schaft- und Basisfrakturen unterschieden. Für die häufigen Metatarsale-V-Basisfrakturen ist eine differenziertere Einteilung nach pathomechanischen und morphologischen Gesichtspunkten erforderlich, um die Frakturen entsprechend ihres Heilungspotenzials einschätzen und therapieren zu können.
⊡ Tab. 10.1 Die wichtigsten Charakteristika der Frakturen am proximalen Os metatarsale V Zone (nach Lawrence u. Botte 1993)
1
2
3
Frakturtyp
Fraktur der Tuberositas
Jones-Fraktur im metadiaphysären Übergang
Stressfraktur der proximalen Diaphyse
Mechanismus
Supinationstrauma entlang der Hellpap’schen Linie, Avulsion der Plantarfaszie, ggf. Dislokation durch Peroneus-brevis-Sehne
Vorfußadduktion bei plantarflektiertem Fuß
Repetitive Belastung, Bein- oder Fußdeformität, metabolische Prädisposition
Verlauf
Akut
Akut
Subakut bis chronisch
Heilungspotenzial
Gut
Prolongiert
Prolongiert
Therapie
Funktionell (Orthese oder Lopresti-Slipper mit Teilbelastung) Bei Dislokation im Gelenk (>2 mm) Osteosynthese, Protektion für 4–5 Wochen
Protektion, Entlastung für 6–8 Wochen Osteosynthese bei hohem Funktionsanspruch bzw. verzögerter Frakturheilung
Protektion, Entlastung für 7–10 (20) Wochen Osteosynthese bei hohem Funktionsanspruch bzw. verzögerter Frakturheilung, Markraumbohrung und Knochenplastik bei Pseudarthrose
10
120
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
Sehne des M. peroneu us brevis ⊡ Abb. 10.1 Einteilung der Frakturzonen am proximalen Os metatarsale V nach Lawrence u. Botte (1983). Viele Autoren differenzieren nicht zwischen Zone 2 und 3, da die Frakturmorphologie und das Heilungspotenzial sehr ähnlich sind. Die Blockpfeile zeigen die Zugrichtung von Plantaraponeurose und Peroneusbrevis-Sehne an der Tuberositas
PlantarAponeurose Zone 1: Fraktur der Tuberositas (Tennis-Fraktur) Zone 2: Akute Fraktur des meta-diaphysären Übergangs (Jones-Fraktur) Zone 3: Stressfraktur des proximalen Schaftes
▬ Typ III: Pseudarthrosen mit kompletter Obliteration des Markraumes Die Autoren beobachteten jedoch bei einer Vielzahl der Typ-I-Frakturen ebenfalls eine knöcherne Reaktion an der Kortikalis, sodass es sich hier in einigen Fällen mutmaßlich um frühe Stressfrakturen handelte.
10 10.1.4 Therapie
Konservative Therapie Nicht dislozierte Metatarsalefrakturen inklusive der Stressfrakturen sowie Frakturen des Os metatarsale II–IV mit geringer Dislokation in der Frontal- und Horizontalebene ohne relevante Verkürzung können grundsätzlich konservativ behandelt werden (Zwipp u. Rammelt 2002). Das korrekte Längenverhältnis der Ossa metatarsalia lässt sich in der dorsoplantaren Ansicht durch die harmonische Ausrichtung der Metatarsaleköpfchen auf einer Linie (Maestro-Kurve) feststellen. Je nach Anzahl der betroffenen Strahlen wird eine Protektion der Ossa metatarsalia für 3–5 Wochen empfohlen (Armagan u. Shereff 2001). Bei starker Weichteilschwellung wird zunächst ein Unterschenkelspaltgipsverband für 3–5 Tage angelegt. Anschließend wird der betroffene Fuß unter Erhalt der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk im gut an das Fußgewölbe anmodellierten Cast-Schuh (Lopresti-Slipper bzw. Geisha-Schuh) für 3–5 Wochen ruhig gestellt, bei Schmerzfreiheit unter Vollbelastung (Rammelt et al. 2004). Stressfrakturen des 1.–4. Strahles werden unter Einschränkung der sportlichen Aktivitäten funktionell unter Vollbelastung in Konfektionsschuhen mit einer harten Sohle für 4–6 Wochen behandelt.
Tipp
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Das Behandlungsregime bei Frakturen des proximalen Os metarsale t l V iistt abhängig bhä i von d der FFrakturlokalisation kt l k li ti und d -genese sowie dem Funktionsanspruch des Patienten.
Frakturen der Tuberositas des Os metatarsale V können bei fehlender oder minimaler Dislokation der Gelenkfläche (≤2 mm) zum Os cuboideum mit gutem Erfolg konservativ-funktionell behandelt werden. Nach eventuell erforderlicher Abschwellung im Unterschenkelspaltgips für 3–5 Tage wird der Fuß in einer supinationshemmenden Orthese (z.B. Caligamed®-Schiene) für 6 Wochen, alternativ im LoprestiSlipper, mit 20 kp belastet (Heineck et al. 2001). Frakturen des meta-diaphysären Übergangs am Os metatarsale V (Jones-Frakturen) benötigen aufgrund des schlechteren Heilungspotenzials eine längere Ruhigstellung unter Teilbelastung für 6–8 Wochen (Lawrence u. Botte 1993; Quill 1995). Die Jones-Frakturen durchbauen typischerweise von medial nach lateral, die vollständige radiologische Knochenheilung kann der klinischen Konsolidierung um Wochen nachfolgen. Bei Patienten mit hohem Funktionsanspruch, insbesondere professionellen Tänzern und Leistungssportlern, sowie einer verzögerten Knochenheilung von mehr als 10–12 Wochen ist die operative Stabilisierung zu erwägen (Lawrence u. Botte 1993; Quill 1995; Torg et al. 1984). Stressfrakturen am proximalen Os metatarsale V ohne Zeichen einer intramedullären Sklerose (Typ Torg I) erfordern eine Ruhigstellung und partielle Entlastung von 7–10 Wochen. Die Wiederaufnahme der Belastung sollte von der klinischen und radiologischen Konsolidierung abhängig gemacht werden, in Einzelfällen wurden Entlastungszeiten von bis zu 20 Wochen beschrieben (Torg et al. 1984; Lawrence u. Botte 1993). Auch dies ist für aktive
121 10.1 · Metatarsalefrakturen
Patienten nicht akzeptabel, sodass hier die operative Stabilisierung individuell erwogen werden muss, zumal – wie auch bei den Jones-Frakturen – bei erneuter Belastung das Risiko einer Refraktur besteht (Torg et al. 1984; Quill 1995).
Operative Therapie Metatarsalefrakturen mit Dislokation in der Sagittalebene führen bei erheblicher plantarer Dislokation zu einer Überlastung des betreffenden Metatarsale-Köpfchens sowie bei dorsaler Dislokation zu einer relativen Überlastung der benachbarten Strahlen. Wie viel Fehlstellung noch toleriert werden kann, ist anhand der vorliegenden Literatur nicht gesichert. Die Indikation zur Reposition besteht nach allgemeinen Empfehlungen bei einer Dislokation von mehr als 3 mm bzw. einer Achsenabweichung von mehr als 10° (Shereff 1990). An den Randstrahlen stellen auch Achsenabweichungen in der Horizontalebene eine Operationsindikation dar, um die Entwicklung eines posttraumatischen Hallux valgus oder Digitus quintus varus zu verhindern (Zwipp u. Rammelt 2002). Erhebliche Abweichungen in der Horizontalebene können im Extremfall auch an den Zentralstrahlen bei mechanischer Irritation der Intermetatarsalnerven zu einer Neurombildung führen.
und funktionelle Probleme zu vermeiden (Armagan u. Shereff 2001). Zur Erlangung einer ausreichenden Stabilität ist prinzipiell die Plattenosteosynthese über einen medialen Zugang indiziert. Hierbei kommen Implantate aus dem Kleinfragmentinstrumentarium (2,7–3,5 mm Schraubendurchmesser) zum Einsatz. Eine leicht plantare Plattenlage ist biomechanisch günstig, stabil weichteilgedeckt und irritiert lokal nicht durch inneren Druck im Schuhwerk (⊡ Abb. 10.2a–d). Bei einfachen Schaftfrakturen und kompromittierten Weichteilen kann die Retention alternativ mittels zweier perkutan eingebrachter, gekreuzter Kirschner-Drähte von 1,8–2,0 mm Durchmesser erfolgen.
Notfalleingriffe Offene Frakturen und direkte Quetschverletzungen mit erheblichem Weichteiltrauma bis hin zum Kompartmentsyndrom erfordern eine sofortige operative Revision und ggf. Dekompression. Die Entlastung der Fußkompartimente erfolgt über 1–2 longitudinale dorsale Inzisionen, die auch für die Frakturstabilisierung genutzt werden können. Bei ausgedehnten Hautablederungen (»degloving injuries«) müssen alle avitalen und stark kontaminierten Anteile debridiert werden. Idealerweise kann mit dem Dermatom die oberflächliche Schicht für spätere Spalthauttransplantationen asserviert werden. Die primäre Frakturstabilisierung erfolgt minimal-invasiv mittels Kirschner-Drähten oder an den Randstrahlen vorzugsweise mit Minifixateur unter Wiederherstellung von Länge, Achse und Rotation. Die definitive Weichteildeckung und Osteosynthese erfolgt in geplanten Revisionseingriffen, die Art des Wundverschlusses (Sekundärnaht, Spalthautdeckung oder Lappenplastik) sollte im Rahmen der 1. Revision (48–72 h nach der Erstversorgung) festgelegt werden.
1. Strahl Der 1. Strahl nimmt während des Abstoßvorgangs unter den Metatarsalia die meiste Last auf und muss daher anatomisch rekonstruiert werden, um spätere mechanische
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d ⊡ Abb. 10.2a–d Versorgung einer dislozierten Metatarsale-I-Schaftfraktur mittels 2,7-mm-Plattenosteosynthese
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122
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
Abscherfrakturen am Metatarsale-I-Köpfchen werden optional mit Minischraubenosteosynthese oder Minikondylenplättchen stabilisiert (Heim u. Pfeiffer 1988).
2.–4. Strahl Therapie der Wahl für dislozierte Basis-, Schaft- und subkapitale Frakturen am 2.–4. Strahl ist die geschlossene Reposition und perkutane ante- oder retrograde Fixation mit einem 1,8–2,0-mm-Spickdraht (⊡ Abb. 10.3a–e). Die Reposition kann durch axialen Zug mit einer quer gesetzten Backhaus-Klemme in die Endgliedbasis der korrespondierenden Zehe erleichtert werden. Bei erheblicher Dislokation oder Weichteilinterposition sowie fehlgeschlagener geschlossener Reposition wird eine offene Reposition über 1–2 dorsale Zugänge erforderlich (Heim u. Pfeiffer 1988). Tipp
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Die Reposition und das Einbringen des Spickdrahtes erfolgt unter Bildwandlerkontrolle in 2 Ebenen. Bei retrograder Technik wird die Zehe mäßig plantarflektiert und der volare Anteil der Grundgliedbasis erfasst, bevor zentral in das Metatarsaleköpfchen eingegangen wird. Damit wird eine plantare Achsendeviation des betreffenden Mittelfußknochens mit zwanghafter Überstreckung der Zehengrundgliedbasis vermieden. Alternativ kann bei distal gelegenen Schaft- oder subkapitalen Frakturen eine antegrade elastische Spickdrahtschienung über einen basisnah gesetzten Kortikalisdefekt nach leichtem Vorbiegen des Drahtendes erfolgen. Dieses Verfahren V f h hat h td den V Vorteil t il einer i ffreien i B Beweglichkeit li hk it der Zehen für die Dauer der Drahtfixation.
Dislozierte Frakturen der Metatarsaleköpfchen und distale Mehrfragment- bzw. Trümmerfrakturen erfordern aufgrund der schlechten perkutanen Manipulationsmöglichkeiten des kurzen distalen Fragments meist die offene Reposition (Zwipp u. Rammelt 2002). Die Rekonstruktion erfolgt in Abhängigkeit von der Frakturmorphologie mit einfachen oder Kondylenplättchen aus dem MiniInstrumentarium (1,9–2,7 mm).
5. Strahl Dislozierte Frakturen der Tuberositas mit einer Gelenkbeteiligung von über 30% oder einer Gelenkstufe von mehr als 2 mm zum Os cuboideum sollten offen reponiert werden, um eine Arthrose im lateralen LisfrancGelenkkomplex zu vermeiden (Heineck et al. 2001). Der Zugang zum proximalen Ende des Os metatarsale V erfolgt über eine laterale Inzision von etwa 3 cm Länge. Der
N. suralis verläuft dorsal der Tuberositas und wird im Verbund mit der Subkutis nach dorsal weggehalten. Die Gelenkfläche des Os metatarsale V zum Os cuboideum wird unter Sicht reponiert. Die Fraktur wird mit einer Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese stabilisiert, bei Trümmerfrakturen können auch hier Minifragmentplättchen eingesetzt werden. Akute Frakturen des meta-diaphysären Übergangs (Jones-Frakturen) und akut aufgetretene Stressreaktionen des proximalen Schaftes sind typischer Weise nicht disloziert, neigen jedoch aus den o.g. Gründen zu protrahierten Heilungsverläufen. Ist nach 10(–12) Wochen konservativer Therapie mit Teilbelastung des betroffenen Fußes im CastSchuh nicht zumindest eine partielle knöcherne Konsolidierung zu erkennen, so ist die operative Therapie mittels einer antegrad über die Tuberositas eingebrachten Markschraube indiziert (Quill 1995). Ein primär operatives Vorgehen ist bei Patienten mit hohem Funktionsanspruch, insbesondere professionellen Sportlern oder Tänzern, unter dem Aspekt der schnelleren Wiedereingliederung durch eine raschere Konsolidierung und die Möglichkeit der funktionellen Nachbehandlung zu erwägen (Dameron 1975; Lawrence u. Botte 1993; Torg et al. 1984; Mologne et al. 2005). Tipp
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Die Einbringung der Schraube kann unter Schonung des N. suralis und der Peroneus-brevis-Sehne perkutan erfolgen. Der optimale Eintrittspunkt liegt 5 mm proximal der gen palpablen Spitze und 10 mm dorsal des plantaren Aspekts der Tuberositas. Die Schraube wird parallel zur Fußsohle eingebracht, der Schraubendurchmesser liegt je nach individueller Größe des Markraumes zwischen 4,5 und 6 5 mm. Der 6,5 D Schraubenkopf S h b k f wird i d mittels itt l Kopfraumfräse K f fä versenkt, um Weichteilirritationen zu vermeiden.
Ist bereits eine verzögerte Frakturheilung mit Markraumsklerose und einem erweiterten Frakturspalt (Typ Torg II) eingetreten, kann beim inaktiven Patienten unter prolongierter Protektion zugewartet werden. Die adjuvante Therapie mit gepulstem Magnetfeld oder Ultraschall kann die Fraktur konservativ zur Ausheilung bringen. Die Mehrzahl der Patienten mit Stressfrakturen sind jedoch aktive Freizeit- oder Profisportler. Bei diesen erfolgt nach Kürettage des Markraumes das perkutane Einbringen einer Zugschraube (Quill 1995). Der empfohlene Schraubendurchmesser reicht wie bei akuten Frakturen von 4,5–6,5 mm, je nach Größe und Aktivitätsgrad des Patienten. Liegt eine Pseudarthrose mit kompletter Obliteration des Markraumes und fehlender randständiger Kallusbildung vor (Typ Torg III), so ist nach Resektion der Pseudarthrose die Implantation eines trikortikalen Knochenspanes
123 10.1 · Metatarsalefrakturen
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von der distalen Tibia oder dem Beckenkamm erforderlich (Torg et al. 1984). Dies erfolgt über einen geraden lateralen Zugang. Der Knochenspan wird in Pressfittechnik eingebracht und mittels Markraumschraube oder Klein- bis Minifragmentplatte gesichert, um eine sekundäre Dislokation zu vermeiden (Lawrence u. Botte 1993). Dislozierte Frakturen des Metatarsale-V-Schaftes sollten aufgrund der exponierten Lage und größeren Beweglichkeit des Randstrahles eher mit Plattenosteosynthese als mit gekreuzten Kirschner-Drähten versorgt werden (Rammelt et al. 2004).
Nachbehandlung Die postoperative Protektion erfolgt nach KirschnerDraht- oder Plattenosteosynthese im gut anmodellier-
⊡ Abb. 10.3a–e Serienfraktur der Ossa metatarsalia II–IV. Unter Bildwandlerkontrolle erfolgt die antegrade Schienung des 2. und 3. Strahles sowie die retrograde Spickung des 4. und 5. Strahles unter Erfassung der frakturierten Kopffragmente
ten Cast-Schuh für 5–6 Wochen unter Teilbelastung des betroffenen Fußes mit 20 kp. Kirschner-Drähte werden nach dieser Zeit über Stichinzisionen in Lokalanästhesie entfernt. Anschließend erfolgt die Belastungssteigerung in Abhängigkeit vom Durchbau der Fraktur. Nach Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese an der Metatarsale-V-Basis wird die Teilbelastung in einer supinationshemmenden Orthese für 6 Wochen empfohlen (Heineck et al. 2001), da die bei Vollbelastung wirksame Kraft des M. peroneus brevis Werte erreicht, die in biomechanischen Versuchen ein Osteosyntheseversagen verursachen können. Nach Einbringen einer Markraumschraube am Os metatarsale V kann im Cast-Schuh innerhalb von 1–2 Wochen auf Vollbelastung gesteigert werden (DeLee et al. 1983). Längere Protektionszeiten von bis zu 12 Wochen sind nach Einbringung eines au-
10
124
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
tologen Knochenspanes erforderlich (Lawrence u. Botte 1993). Prinzipiell sollten die Protektions- und Entlastungszeiten in Abhängigkeit von der radiologischen Konsolidierung und dem Beschwerdebild unter Lastaufnahme dem individuellen Heilverlauf angepasst werden. Bei erheblicher Schädigung der Fußbinnenmuskulatur ist eine passive Durchbewegung der Zehen zur Prophylaxe von kontrakten Hammerzehenfehlstellungen indiziert.
10.1.5 Komplikationen
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Die Frakturen der Tuberositas des Os metatarsale V weisen nach Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese in über 80% gute bis exzellente Ergebnisse auf, wobei keine schwerwiegenden Komplikationen beschrieben sind (Heineck et al. 2001). Die Rate der Pseudarthrosen nach Jones-Frakturen und Stressreaktionen am proximalen Metatarsale-VSchaft schwankt in den vorliegenden Studien erheblich und liegt je nach Behandlungsregime, Beobachtungszeitraum und Klassifikation zwischen 0 und 67%. (Torg et al. 1984; Dameron 1975; Quill 1995). Die Gefahr der Pseudarthrosenentstehung ist erhöht bei Stressfrakturen mit sichtbarer Markraumsklerose (Torg II) und in einigen Studien auch bei konservativ-immobilisierender Behandlung (Josefsson u. Karlsson 1994; Mologne et al. 2005). Chuckpaiwong et al. (2008) sahen allerdings in der bislang größten Serie einer Normalpopulation mit Ausnahme der Wiedererlangung der Sportfähigkeit keine Unterschiede zwischen operativer und konservativer Therapie bei 60 Jones- und akuten Stressfrakturen in Bezug auf Behandlungsergebnis und Pseudarthrosenrate. Darüber hinaus fanden die Autoren keine Unterschiede zwischen klassischen Jones-Frakturen (Zone 2 nach Lawrence u. Botte) und proximalen diaphysären Frakturen (Zone 3), weshalb sie empfahlen, auf diese Differenzierung zu verzichten. Eine lokale Weichteilirritation am Schraubenkopf tritt bei knapp einem Drittel der Patienten nach Osteosynthese auf (DeLee et al. 1983; Mologne et al. 2005). Bei entsprechender Beschwerdesymptomatik erfolgt die Schraubenentfernung in Lokalanästhesie. Quill (1995) stellte in einer ausgiebigen Literaturanalyse fest, dass etwa ein Drittel aller Patienten nach Metatarsale-V-Frakturen im meta-diaphysären Übergang eine Refraktur erleidet, wenn man die Patienten nur lange genug nachbeobachtet. Auch nach operativer Therapie von Jones-Frakturen mittels intramedullärer Schraube bei professionellen Sportlern wurden Refrakturen beobachtet. In diesen Fällen wird die Reosteosynthese mit einer großkalibrigen Schraube, die Verwendung von Orthesen für die 1. Trainingsphase sowie die sorgfältige Dokumen-
tation der knöchernen Heilung vor der Wiederaufnahme des Leistungssports empfohlen.
10.2
Zehenfrakturen
10.2.1 Epidemiologie, Ätiologie und
Pathogenese Zehenfrakturen sind häufige Verletzungen mit einer Inzidenz von bis zu 140 auf 100.000 Einwohner pro Jahr. Das Verhältnis von Männern zu Frauen beträgt 1,6:1 (Armagan u. Shereff 2001; Mittlmeier u. Haar 2004). Ein typischer Unfallmechanismus ist das Anstoßen des ungeschützten Fußes an eine harte Kante bzw. das Hängenbleiben an einem Hindernis mit den resultierenden klassischen »Nachtwandlerfrakturen«. Die Frakturen betreffen in erster Linie die Grundphalangen, sodass von einem indirekten Verletzungsmechanismus ausgegangen werden muss. Ein weiterer häufiger Unfallmechanismus ist die direkte Quetschverletzung durch herabfallende schwere Gegenstände. Die überwiegende Mehrzahl der Zehenfrakturen sind harmlose Verletzungen. Allerdings können Probleme aus Gelenkfrakturen der Großzehe, Verletzungen der Epiphysenfuge und Stressfrakturen der Sesambeine resultieren. Offene Frakturen und Komplexverletzungen mit schwerem Weichteilschaden entstehen durch Hochrasanztraumen beim Verkehrsunfall oder durch maschinelle Einwirkung (z.B. Rasenmäher). Stressfrakturen am Großzehengrundglied finden sich in seltenen Fällen bei jugendlichen Sportlern mit zugrunde liegender Halluxvalgus-Deformität (Yokoe u. Kameyama 2004), Stressfrakturen der Großzehenendphalanx oder der Kleinzehen wurden bislang nur fallweise berichtet. Akute Frakturen der Sesambeine entstehen durch einen Hyperextensionsstress auf das 1. Metatarsophalangealgelenk zumeist im Rahmen von Luxationen, seltener durch direktes Trauma, wie die Landung beim Sprung. Häufiger sind Stressfrakturen durch repetitive Überlastung entweder beim (Leistungs-) Sportler und bei Balletttänzerinnen oder durch eine zugrunde liegende Fußdeformität. Die Differentialdiagnose schließt entzündliche Veränderungen (Sesamoiditis, Bursitis, Tenosynovitis der Flexor-hallucislongus-Sehne), die avaskuläre Nekrose, Osteochondrose und lokale Hyperkeratose ein (Richardson 1999).
10.2.2 Diagnostik
Klinisch imponieren in unterschiedlicher Ausprägung Schwellung, Hämatom, Berührungs- und Bewegungsschmerz, Fehlstellung, Krepitation oder ein subunguales
125 10.2 · Zehenfrakturen
Hämatom bei Nagelbettverletzung mit oder ohne Endgliedfraktur. Schmerzen beim Auftreten bzw. die Unmöglichkeit des Abrollens und Abstoßens sind vor allem typisch für eine Verletzung der Großzehe. Stressfrakturen der Sesambeine werden klinisch durch zunehmende, belastungsabhängige Schmerzen sowie eine lokale Schwellung unter dem Metatarsale-I-Köpfchen klinisch apparent. Die forcierte Extension der Großzehe oder das Aufsetzen einer vibrierenden Stimmgabel verstärken die Beschwerden (Richardson 1999). Nach klinischen Anzeichen einer zugrunde liegenden Fußdeformität, insbesondere einem subtilen Pes cavus mit Überlastung des 1. Strahles muss bei jeder chronischen Pathologie der Sesambeine gesucht werden (Manoli u. Graham 2005). Die radiologische Standarddiagnostik besteht in a.-p.- und 45°-Schrägaufnahmen, wobei ausgeblendete Aufnahmen das Erkennen feiner Infraktionen ermöglichen. Die seitliche Einstellung lässt bei Luxationen und Luxationsfrakturen die Dislokation erkennen und bietet eine gute Darstellung der Sesambeine. Weiterführende Untersuchungen sind nur bei chronischen Beschwerden, insbesondere im Bereich der Sesambeine, indiziert. Sie beinhalten tangentiale und dorsoplantare Belastungsaufnahmen im Seitenvergleich, Skelettszintigraphie und ggf. MRT.
10.2.3 Therapie
Konservative Therapie Undislozierte Kleinzehenfrakturen können zur Schmerzerleichterung und Frakturschienung mittels Pflasterzügelverband an eine benachbarte, unverletzte Zehe (»buddy taping«) für 3–4 Wochen fixiert werden. Der Zwischenzehenraum wird zur Vermeidung von Mazerationen mit einer Kompresse gepolstert. Die Großzehe wird in einem funktionellen Pflasterzügel- oder Minitapeverband ruhig gestellt. Bei starken Schmerzen ist im Einzelfall ein Gipsschuh mit Verstärkung des Großzehenraumes empfehlenswert. Stressfrakturen der Großzehengrundphalanx heilen in den wenigen beschriebenen Fällen unter Reduktion der sportlichen Aktivitäten innerhalb von 1–2 Monaten folgenlos aus. Eine zugrunde liegende höhergradige Hallux-valgus-Deformität sollte korrigiert werden (Yokoe u. Kameyama 2004). Dislozierte Kleinzehenfrakturen werden in Oberst’scher Leitungsanästhesie über Längszug und forcierte Abduktion oder Adduktion reponiert und im Pflasterzügelverband zum benachbarten Strahl funktionell behandelt. Schmerzadaptiert wird die frühe Vollbelastung in festem Schuhwerk mit weitem Zehenraum und fester Sohle bei allen genannten Verfahren angestrebt. Eine regelmäßige
Erneuerung des Verbands verhindert das Auslockern und die Mazeration der Haut. Bei Stressfrakturen an den Sesambeinen muss nach einer zugrunde liegenden Fußfehlstellung (v.a. subtiler Pes cavus anterior mit Tiefertreten des 1. Metatarsalestrahles) gesucht werden, um eine adäquate Therapie der auslösenden Deformität einleiten zu können (Manoli u. Graham 2005). Akute Frakturen oder erste Manifestationen einer Stressfraktur an den Sesambeinen können prinzipiell einer konservativen Behandlung zugeführt werden. Allerdings werden aufgrund der schlechteren Durchblutung Ruhigstellungszeiten von 6–8 Wochen empfohlen. Die spezielle Form der Therapie ist jedoch kontrovers und reicht von einer Einstellung sportlicher Aktivitäten oder der Teilbelastung des betroffenen Fußes im eigenen Schuh bis hin zur Ruhigstellung in einem speziell ausgeformten Gehgips oder einer entlastenden Einlage (»dancer’s pad«, Richardson 1999), die auch im eigenen Vorgehen präferiert wird.
Operative Therapie Dislozierte Schaftfrakturen der Großzehengrund- und Endphalanx können in Regionalanästhesie reponiert werden, benötigen aufgrund der starken Redislokationstendenz jedoch meist eine Retention mit gekreuzten 1,4–1,6mm-Kirschner-Drähten, was unter steriler Kautelen- und Bildwandlerkontrolle geschieht. Die Drähte werden jenseits des Hautniveaus umgebogen und in Abhängigkeit von der Frakturanatomie nach 4–6 Wochen entfernt. Tipp
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Kondylenfrakturen an der Großzehe müssen wie andere Gelenkfrakturen anatomisch reponiert und refixiert werden. Unikondyläre Frakturen werden mittels Mini werden Minifragmentschrauben (1,7–2,3 mm), bikondyläre Frakturen stabil t bil mittels itt l K Kondylenplättchen d l lätt h zum Schaft S h ft hi hin stabilisiert (⊡ Abb. 10.4a–d).
Bei hoher Instabilität mit Luxationstendenz kann gelegentlich auch an der 5. Zehe eine Osteosynthese mit entsprechend dimensionierten Implantaten (bis 1,0 mm Schraubendurchmesser) erforderlich werden. An den Mittelstrahlen ist eine operative Versorgung nur bei den seltenen irreponiblen Luxationen oder Luxationsfrakturen indiziert ( Kap. 10.3). Offene Frakturen erfordern ein notfallmäßiges Débridement und ausgiebige Lavage. Die Osteosynthese orientiert sich an der Frakturmorphologie. In der Mehrzahl der Fälle, auch bei nicht dislozierten Frakturen, ist die Kirschner-Draht-Transfixation indiziert, da sie mit ei-
10
126
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
ner minimalen Gewebetraumatisierung einhergeht und gleichzeitig durch die Transfixation benachbarter Gelenke eine adäquate Ruhigstellung bis zur Konsolidierung der Wundverhältnisse bietet. Tipp
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Subunguale gespannte Hämatome, die eine Trepanation erfordern, oder Lazerationen des Nagelwalles sind b i gleichzeitiger bei l i h iti Endgliedfraktur E d li df kt ebenfalls b f ll als l offene ff Frakturen anzusehen und entsprechend zu behandeln.
Sesambeinfrakturen stellen beim Versagen der konservativen Therapie, gelegentlich auch bei Leistungssportlern, für die eine prolongierte Ruhigstellung inakzeptabel ist, eine OP-Indikation dar. Die offene Reposition und Osteosynthese mit kleinstkalibrigen Schrauben (Durchmesser 1,0 mm) ist die Therapie der Wahl (Mittlmeier u. Haar 2004). Blundell et al. (2002) berichteten über gute
bis sehr gute Ergebnisse nach perkutaner Schraubenfixation frischer und pseudarthrotisch verheilter Sesambeinfrakturen unter intraoperativer Hyperextension der Großzehe mit einem speziellen Tapeverband.
10.2.4 Komplikationen
Frakturen der Kleinzehen heilen in der Mehrzahl folgenlos und zuweilen sogar unbemerkt aus, selbst wenn residuelle Fehlstellungen verbleiben (Armagan u. Shereff 2001). Lediglich größere Achsenabweichungen nach Grundphalanxfrakturen können zu einer schmerzhaften Mehrbelastung am Fußballen führen. Gelenkfrakturen der Großzehenphalangen können zu einer erheblichen posttraumatischen Arthrose und Bewegungseinschränkung bis hin zum Vollbild des Hallux rigidus führen, insbesondere wenn bikondyläre Frakturen lediglich mit einer Schraubenosteosynthese versorgt wer-
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⊡ Abb. 10.4 a, b Minischraubenosteosynthese einer monokondylären Fraktur der Grundphalanx der Großzehe. c, d Eine bikondyläre Fraktur erfordert die Fixation mit Miniplättchen
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127 10.3 · Metatarsophalangeale Luxationen
den (Mittlmeier u. Haar 2004). Auch eine rein posttraumatische Hallux-valgus-Deformität nach Großzehenfraktur wurde beschrieben (Zwipp 1994). Okkulte Frakturen der Großzehe nach Anpralltrauma mit Nagelbettverletzung haben in mehreren dokumentierten Fällen zu einer Osteomyelitis der Großzehe geführt, was die Notwendigkeit der Einstufung und Behandlung dieser Verletzungen als offene Frakturen unterstreicht (Pinckney et al. 1981).
10.3
Metatarsophalangeale Luxationen
10.3.1 Pathogenese und Klassifikation
Luxationen der Metatarsophalangealgelenke betreffen aufgrund ihrer Exposition und vermehrten Lastaufnahme vor allem den 1. Strahl. Sie entstehen durch axiale Gewalteinwirkung auf die maximal dorsal-extendierte Großzehe. Aufgrund des kräftigen Kapselbandapparats ist für die Luxation eine hohe Gewalteinwirkung erforderlich, weshalb diese Luxationen selten vorkommen und zum Großteil mit Begleitverletzungen am Fuß assoziiert sind (Brunet 1996). Ein typischer Unfallhergang ist
Typ I
Typ IIa
die sog. »turf toe« beim American Football (Sammarco 1993). Bei Balletttänzerinnen entsteht eine Verletzung der Gelenkkapsel des 1. Metatarsophalangealgelenks mit chronischer repetetiver Subluxation als Folge der Sur-lepoint-Position (Sammarco 1993). Das Großzehengrundglied luxiert in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nach dorsal. Luxationen nach plantar bzw. nach lateral wurden bislang nur fallweise beschrieben. Jahss (1981a) klassifizierte die Luxationen im 1. Metatarsophalangealgelenk in Abhängigkeit von der Verletzung der Sesambeine und des Ligamentum intersesamoideum (⊡ Abb. 10.5). ▬ Typ I: Ligamentum intersesamoideum intakt und eingeschlagen ▬ Typ IIa: Ligamentum intersesamoideum rupturiert ▬ Typ IIb: Fraktur eines Sesambeines (meist medial) ▬ Typ IIc: Ligamentum intersesamoideum rupturiert und Fraktur eines Sesambeines Beim Typ I ist das Lig. intersesamoideum regelhaft in den Gelenkspalt eingeschlagen bzw. der gesamte Fibrocartilago-Sesamoid-Komplex nach dorsal über den MetatarsaleI-Hals im Sinne einer Knopflochdeformität disloziert,
Ty yp IIb
⊡ Abb. 10.5 Einteilung der Luxationen im 1. Metatarsophalangealgelenk nach Jahss (1981). Beim Typ I sind Lig. intersesamoideum und Sesambeine intakt, was häufig eine geschlossen irreponible Luxation zur Folge hat. Beim Typ II ist entweder das Lig. intersesamoideum gerissen (Typ IIa) oder ein Sesambein frakturiert (Typ IIb). Typ IIc bezeichnet eine Kombination aus diesen Verletzungen
10
128
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
sodass eine offene Reposition erforderlich wird. Bei einer Ruptur des Bandes (wie beim Typ IIa) ist meist eine geschlossene Reposition möglich. Ein seltener Sonderfall ist die Kombination aus Luxation im 1. Metatarsophalangealgelenk und begleitender Luxation im 1. Tarsometatarsalgelenk (»luxation bipolaire« nach Trinquier et al. 1995 bzw. »floating metatarsal«). Eine serielle bipolare Luxation muss immer den Verdacht auf eine Lisfranc-Luxationsfraktur nahe legen. Bei chronischen Luxationen und Subluxationen ist nach zugrunde liegenden Deformitäten degenerativer, rheumatischer bzw. postischämischer Genese (inkl. abgelaufenes Kompartmentsyndrom) zu suchen.
10.3.2 Diagnostik
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Typische klinische Merkmale für metatarsophalangeale Luxationen sind eine federnde Fehlstellung und schmerzhafte Funktionseinschränkung. Luxationen des Großzehengrundgelenks sind inspektorisch bei vorbestehenden Deformitäten oder eingeschlagenen Kapsel-/Bandanteilen nicht immer evident. Wegweisend in diesen Fällen sind die federnde und schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Die Röntgendiagnostik umfasst neben der anteroposterioren und seitlichen Aufnahme eine 45°-Schrägaufnahme des Vorfußes, da sich begleitende Frakturen in der seitlichen Aufnahme aufgrund der sich überlagernden Knochenstrukturen in der Regel nicht darstellen. Eine Luxation im Grundglied einer der Kleinzehen kann auch auf eine begleitende Dislokation im LisfrancGelenk (»linked toe dislocation«) hinweisen. Diese muss in den genannten Röntgenprojektionen ausgeschlossen werden.
10.3.3 Therapie
Zur Vermeidung trophischer Schäden muss die Reposition von akuten Luxationen der Zehengrundglieder so früh wie möglich erfolgen. Geschlossen nichtreponible Luxationen bzw. Luxationen mit deutlicher Reluxationstendenz sollten einer offenen Exploration zugeführt werden. Offene Luxationen werden entsprechend der allgemein gültigen Richtlinien einer frühzeitigen operativen Therapie unterzogen. Frische Luxationen der Zehengrundgelenke werden sofort nach Diagnosestellung in Lokalanästhesie durch Längszug und forcierte Plantarflexion reponiert. Nach müheloser Reposition und fehlender Reluxationstendenz kann die Nachbehandlung konservativ-funktionell mittels Pflasterzügelverband erfolgen.
Tipp
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Bei frischen, irreponiblen dorsalen Verrenkungen der Großzehe erfolgt ein dorsaler, längs verlaufender Zugang zum Großzehengrundgliedgelenk. Großzehengrundgliedgelenk Die inkarzerierte plantare Platte sowie ein ggf. interponiertes Sesambein werden reponiert. Die Kontinuität des Kapselbandapparats wird mittels adaptierender Naht wiederhergestellt. Verbleibt danach eine höhergradige Instabilität, so wird das Großzehengrundglied mit retrograder 1,8-mm-Spickdrahttransfixation exakt zum Kopf des Os metatarsale I eingestellt i t llt und d fü für 3–4 3 4 Wochen W h ttemporär ä transfixiert. t fi i t SoS weit möglich erfolgt die direkte Naht der dorsalen Kapsel.
Komplexe Instabilitäten des 1. Strahles mit begleitender Luxation im 1. Tarsometatarsalgelenk (bipolare Luxationen bzw. »floating metatarsal«) lassen sich in den wenigen dokumentierten Fällen geschlossen reponieren und erfordern regelhaft eine Kirschner-Drahtfixation für 6 Wochen (Brunet 1996). Zunächst erfolgt die Reposition des Metatarsophalangealgelenks zur Entlastung der Plantarfaszie, wonach sich das Tarsometatarsalgelenk leichter reponieren lässt (Trinquier et al. 1995).
10.3.4 Komplikationen
Aufgrund von Weichteilinterposition und -schwellung übersehene Luxationen und Luxationsfrakturen der Metatarsophalangealgelenke können zu einer schmerzhaften Krallen- oder Hammerzehenbildung führen. Auch bei veralteten Luxationen sollte eine Rekonstruktion des Kapselbandapparats unter Erhalt des Gelenks angestrebt werden, was am 1. Strahl ggf. eine Verkürzungsosteotomie erfordert (Zwipp 1994). Die verkürzte dorsale Kapsel wird durchtrennt. Die plantare Platte wird mobilisiert und die verkürzte Extensor-digitorum-longus-Sehne Z-förmig verlängert. An der Großzehe erfolgt bei manifester Krallenzehenstellung (»Cock-up«) der Transfer der Extensor-hallucis-longus-Sehne vom Endglied auf das streckseitige Grundglied. Eine temporäre Spickdrahttransfixation für 6 Wochen erlaubt die sichere Heilung des Kapselbandapparats und der Sehnen.
10.4
Interphalangeale Luxationen
10.4.1 Pathomechanik und Klassifikation
Interphalangeale Luxationen sind noch seltener als metatarsophalangeale Luxationen. Sie resultieren aus einer Kombination von forcierter Dorsalextension und axialem
129 10.4 · Interphalangeale Luxationen
Anprall. Sie sind daher am ehesten in Kombination mit weiteren Fußverletzungen zu erwarten. Ähnlich wie bei den Luxationen im Metatarsophalangealgelenk ist die Großzehe aufgrund ihrer Exposition und vermehrten Lastaufnahme beim Abstoßvorgang am häufigsten betroffen (Jahss 1981a). Die schwächere dorsale Kapsel gibt zuerst nach, für eine komplette Luxation ist jedoch auch eine Ruptur der kräftigen plantaren Platte erforderlich. Beim Durchtreten des Grundgliedköpfchens durch den rupturierten zentralen Anteil der Strecksehnenhaube entsteht in Analogie zu den Langfingern – allerdings viel seltener – eine Knopflochdeformität (Rau u. Manoli 1991). Miki et al. (1988) beobachteten 2 Typen von geschlossen irreponiblen interphalangealen Luxationen der Groß-
Sesambein
Typ I
Fibrocartilago g
Sesambein Fibrocartilago
Sehne des M. flexor hallucis longus
Sehhne des M. flexor f halllucis lon longus
Sesambein
Seehne des M. flexor haallucis longus
Typ II
zehe (⊡ Abb. 10.6). Beim Typ I ist ein auf dieser Höhe inkonstant vorkommendes Sesambein, beim Typ II die plantare Platte in den Gelenkspalt eingeschlagen. Die zweithäufigste interphalangeale Dislokation betrifft das proximale Interphalangealgelenk der 5. Zehe. Hier liegt zumeist ein Abduktionsmechanismus vor (Hängenbleiben an einem Hindernis), sodass die Dislokation eher in dorsolateraler Richtung erfolgt (Jahss 1981b).
10.4.2 Diagnostik
Klinisch imponieren die meisten Verrenkungen der Zehengelenke mit einer schmerzhaften Deformität und Bewegungseinschränkung (⊡ Abb. 10.7a). Dennoch werden sie bei mäßiger Beschwerdesymptomatik gerade an den Kleinzehen nicht selten übersehen (Jahss 1981b). Die Knopflochdeformität an einer Kleinzehe manifestiert sich analog zum Finger mit einer Überstreckung im distalen Interphalangealgelenk und einer fixierten Beugefehlstellung im proximalen Interphalangealgelenk (Rau u. Manoli 1991). Tipp
I
I
Erschwert ist die Diagnose beim Vorliegen eines Interponates im Interphalangealgelenk der Großzehe. Beim Typ I (interponiertes Sesambein) wirkt die Zehe lediglich im Seitenvergleich verlängert, ohne dass eine axiale Fehlstellung vorliegt. Beim Typ II (interponierte plantare Platte) ist eine Hyperextension mit eingezogener dorsaler Haut zu beobachten. In der gezielten U t Untersuchung h wird i d eine i schmerzhafte h h ft B Bewegungseini schränkung deutlich.
Die Luxation wird in a.-p.- und seitlichen bzw. Schrägaufnahmen des Vorfußes verifiziert und das Vorliegen von begleitenden Frakturen ausgeschlossen (⊡ Abb. 10.7b–c). Falls ein Sesambein interponiert ist, projiziert es sich in der seitlichen Ansicht in den Gelenkspalt. Bei eingeschlagener plantarer Platte projiziert es sich dorsal vom Köpfchen der Grundphalanx, der radiologische Gelenkspalt ist erweitert (Miki et al. 1988).
10.4.3 Therapie
Fibrocartilago ⊡ Abb. 10.6 Formen der irreponiblen Luxation im Interphalangealgelenk der Großzehe nach Miki et al. (1988). Beim Typ I ist das Sesambein (S), beim Typ II die Fibrocartilago (FC) in den Gelenkspalt eingeschlagen. Letztere kann auch eine geschlossene Luxation an den Interphalangealgelenken der Kleinzehen unmöglich machen
Die geschlossene Reposition in Oberst’scher Leitungsanästhesie gelingt in der Mehrzahl der interphalangealen Luxationen mühelos, wobei meist ein axialer Längszug mit forcierter Plantarflexion ausreicht (⊡ Abb. 10.8). Gegebenenfalls wird zusätzlich ein manueller Druck auf das
10
130
Kapitel 10 · Verletzungen des Vorfußes
⊡ Abb. 10.7 a, b Klinisches und radiologisches Bild einer typischen dorsalen Luxation im Interphalangealgelenk der Großzehe. c Die Reposition erfolgte geschlossen
a
b
Tipp
c
I
I
Mit einem vorsichtig eingeführten Elevatorium wird die eingeschlagene plantare Platte zurückgeschlagen. Nach Reposition des Interphalangealgelenks wird die dorsale Gelenkkapsel readaptiert. Liegt eine Knopflochdeformität vor, so wird nach offener Reposition die Strecksehnenhaube genäht. Lässt sich hierdurch keine sichere Stabilität erreichen, so ist die Transfixation mit einem Kirschner-Draht für 3–4 Wochen zu erwägen. In den übrigen Fällen erfolgt die Nachbehandlung mit einer i EExtensionsschiene t i hi oder d iim Pfl Pflasterzügelverband t ü l b d mit rigider Sohle.
10
Interpositionshindernisse an den Kleinzehen können neben der plantaren Platte die Flexor-digitorum-longusSehne bzw. das mediale Kollateralband darstellen (Zwipp u. Rammelt 2002). Auch in diesen Fällen ist die offene Reposition über einen dorsalen Zugang indiziert. ⊡ Abb. 10.8 Geschlossene Reposition einer Luxation im Interphalangealgelenk der 5. Zehe
10.4.4 Komplikationen
Köpfchen der Grundphalanx ausgeübt. Die Ruhigstellung erfolgt im Pflasterzügelverband zur benachbarten, unverletzten Zehe. Ist die geschlossene Reposition der Großzehe unmöglich, oder wird beim Versuch der geschlossenen Reposition eine Typ-II-Luxation in eine Typ-I-Luxation überführt, so ist die offene Reposition, vorzugsweise über einen dorsolateralen Zugang, indiziert. In Analogie wird bei geschlossen irreponiblen Kleinzehenluxationen zugegangen.
Übersehene Luxationen der Interphalangealgelenke können insbesondere an der Großzehe zu schmerzhaften Fehlstellungen mit einem gestörten Abrollvorgang führen. Liegt zum Zeitpunkt der Vorstellung bereits eine höhergradige Knorpelläsion oder knöcherne Deformität vor, so ist die Arthrodese des 1. Interphalangealgelenks indiziert. Chronische Abduktionsfehlstellungen der 5. Zehe im proximalen Interphalangealgelenk wurden in einer Serie von Jahss (1981b) erfolgreich mit einer Resektion des Grundphalanxköpfchens, in 7 von 10 Fällen mit einer zusätzlichen Syndaktylie zur 4. Zehe, therapiert.
131 Literatur
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10
Stichwortverzeichnis
A Abrollbewegung 20 Abrollhilfe 38, 73 Ad-latus-Verschiebung 53, 59 Arteria dorsalis pedis 25, 71 Ägyptischer Fuß 82 Akin-Osteotomie 81 Amphiarthrosen 22 Antivarusschuhversorgung 99 A.O.F.A.S-Score 78 Arthrodese 50, 51, 112 Arthrodese TMT-I-Gelenks 70
B Ballenrolle 38 Barouk-Screw 54 Basiskeilosteotomie 76, 78 Bikortikale Osteotomie 65 biological DMARD 112 Bisphosphonat 43 Bold-Schrauben 59 bone bruise 34 Brachymetatarsie 107 brisement forcée 53, 57
Bunionette 104 Butler-Release 105
C Calcitonin 43 Cerclage fi fibreux 48, 113 Cheilektomie 46 Chevron-Osteotomie 52, 114 Closing-wedge-Osteotomie 63, 76. 82 Computertomographie 30 CORA 101 Corner-Fusion 71 Crescentic-Osteotomie 63 Cricoarytenoidgelenk 113 Curly toe 104
D Dale und Eek 112 dancer’s pad 125 Dezentrierung der Sesambeine 29 Diabetische Neuroarthropathie 33, 34 Digitus quintus infraductus 24 Digitus quintus superductus 104
Digitus quintus varus 16, 111 Distale Grundgliedosteotomie 101 DMAA 11, 30, 52, 56, 58, 65, 66 DMARD 110 Doppelosteotomie 76 Dorsal bunion 103 Dreibackeneinlagen 98
E Einlagen 38 Einschnitttechnik 70 Endgliedfraktur 125 Entzündungsphase 43 Epiphyseodese 107 Exostosektomie 74 Extensionskontraktur 24 Extensor-digitorum-brevis-Sehne 88, 95 Extensor-digitorum-longus-Sehne 88
F Fersengang 20 Flexor-digitorum-longus-Transfer 93
134
Stichwortverzeichnis
fl floating metatarsal 128 floating toe 87 fl Fraktur Endglied 125 Fraktur nach Jones 119, 120, 122 Fraktur Metatarsale 118, 119 Fraktur Zehen 124
G Ganganalyse 39 Gangbild 20 Geisha-Schuh 120 Gelenkflächenwinkel fl 66 Gichtarthropathie 30 Girdlestone-Taylor-Operation 93 Gleitrinne 65 Griechischer Fuß 82 Großzehengrundgelenkarthrodese 51 Großzehengrundgelenkprothese 48
H Hallux rigidus 12, 42, 46, 50 Hallux valgus 8, 41 Hallux valgus interphalangeus 11, 82, 101 Hallux valgus iuvenilis 100 Hallux-valgus-Nachtlagerungsschiene 38, 56, 61 Hallux-valgus-Syndrom 8, 81, 98 Hallux-valgus-Winkel 28, 29, 56 Hallux varus congenitus 102 Hammerzehe 12 Helal-Osteotomie 87 Hemiarthroplastik 48 Heyman-Herndon-Prozedur 99 Hibbs-Prozedur 105 Hohlfuß 21
I Infektionen 33 Infektrisiko 112 Initialphase 42
Intermetatarsalewinkel 28, 56, 63 Interphalangeale Luxationen 128 Iontophorese 42
J Jack-Rise-Test 11 Jones-Fraktur 119, 120, 122 Jones-Prozedur 104
linked toe dislocation 128 Lisfranc-Gelenklinie 22 Lisfranc-Ligament 34 Lisfranc-Luxationsfraktur 128 Lopresti-Slipper 119 luxation bipolaire 128 Luxationen nach Jahss 127, 128 Luxationsfraktur Metatarsophalangealgelenk 128
M K Kallusbildung 43 Kallusmineralisation 43 Kallusreifung 43 Kapsulodese 61 Kernspintomographie 31 Klaue-Device 23 Klauenzehen 12, 88, 104, 105 Kleinkindalter 98 Klumpfußdeformität 103 Knochenödem 33 Knopflochdeformität fl 129 Knorpelschaden 33 Kondylenfrakturen 125 Konsolidierungsphase 43 Kortikosteroide 113 Krallenzehen 13 Kramer-Verband 47
L Lapidusarthrodese 29, 68, 69, 72 Lapidus-Transfer 93 Larsen 112 Laterale Wedge-Osteotomie 77 lateral release 57, 69, 113 Lateralverschiebeosteotomie 65 Laufbandanalyse 39 Laufschuhauswahl 40 Leflunomid fl 112 LEXA-Blade 83 L-förmige Kapselinzision 58 Ligamentum intersesamoideum 127 Ligamentum transversum plantare 57
Maestro-Kurve 120 Magnetfeldtherapie 41 Makrodaktylie 107 Malletzehe 12, 13 Markraumsklerose 124 McGlamry-Elevatorium 89 Mediale Fußrandentflechtung fl 98 Mediale Wedge-Osteotomie 75, 77 Metatarsalefrakturen 118, 119 Metatarsaleindex 28, 30 Metatarsalgie 87, 88, 90 Metatarsophalangeale Luxationen 127 Metatarsus primus varus 52, 68 Methotrexat 112 Minimal-invasive Osteotomien 74 Miniplättchen 126 Mitchell-Osteotomie 52 Mittelfußrolle 38 Morbus Bechterew 110 Morbus Freiberg-Köhler 15 Morton-Neuralgie 43 Morton-Neurom 32 Motorik 25 MTPG-Release 105 Musculus abductor hallucis 8, 61 Musculus adductor hallucis 100 Musculus extensor digitorum longus 86 Muskelkräftigung 41
N Nachtwandlerfrakturen 124 Nagelbettverletzung 125 Nervus cutaneus dorsalis 73
135 Stichwortverzeichnis
Nervus peroneus profundus 71, 73 Neutral-Null-Methode 22 Notfalleingriffe ff 121 NSAR 110
O Oblique Akin-Osteotomie 84 Oblique-Osteotomie 83 Offene ff Frakturen 118, 121, 125 Opening-wedge-Osteotomie 63, 99 Operation – nach Akin 81, 84 – nach Brandes 47 – nach Hoffmann ff 114 – nach Hohmann 86, 87 – nach McBride 62 – nach Schede 53 – nach Valenti 46, 47 – nach Weil 87 – nach Weingart 92 Orthesen 38 Orthopädieschuhtechniker 38 Os cuneiforme 71 Os cuneiforme mediale 99 Os metatarsale V 118 Osteomyelitis 31 Osteonekrose 29, 32
P Paronychien 101 PASA 71 Pedobarographie 38, 39 3-Phasen-Skelettszintigraphie 36 Physiotherapie 41, 43 pied rond rhumatismale 110 PIP-Arthrodese 86, 113 Plantares Fettpolster 110 Plantare Platte 14, 130 Plantares Gapping 28, 29, 30 Plantarfaszienspaltung 99 Plantarisierung 58 Plattenosteosynthese 121 PMAA 30 Polydaktylie 105 Proliferationsphase 42 Proximale Basisosteotomie 77
Proximale Korrekturosteotomie 62 Pseudarthrose 122 Pseudoexostose 53, 65 Psoriasis 110 Push-up-Test 90
Q Quergewölbe 21 Quetschverletzungen 118, 121
R Radiosynoviorthese 111 Redressionsverband 55, 61, 67, 68 Repetitive Überlastung 124 Resektionsarthroplastik 112 reversed Chevron 102 Rheumatoide Arthritis 110 Röntgen 28 Rückfußvalgus 21
S Scarf-Osteotomie 56, 58 Schaftfrakturen 121 Schmetterlingsrolle 38 Schrägaufnahmen 28 Schulkindalter 98 Schwebende Zehe 24 Schweißspurabdruck 22 Schwungphase 20 Sehnentransfer 93 Senkfuß 21 Sensibilität 25 Sesambeine 125 Sesambeine, Dezentrierung 29 Sesambeine, Dislokation 8 Sesambeinfraktur 42, 126 Sesambeinspezialaufnahme 29 Shannon-Fräse 76 Sichelfuß 24, 98 Sicheres Bohrloch 76 side cutting burrs 74 Single-heel-rise-Test 20, 21 Smart Toe 87
Soft-tissue-Realignment 62 Sonographie 34 Spalthautdeckung 121 Spiraldynamik 42 Splay-toe-Deformität 93 Sportler 122 Spreizfuß 8, 21, 76 Standphase 20 Staples 83 Stressfraktur 31, 32, 43, 120 Stressreaktion 43 Subunguales Hämatom 126 Sur-le-point-Position 127 Swanson-Spacer 114, 115 Syndaktylie 106 Synostosen 108 Synovektomie 58, 112, 113, 114 Szintigraphie 35
T tailor’s bunion 16, 28, 30 Tänzer 122 Tapeverbände 41, 42 Tarsometatarsale Osteotomien 99 Tarsometatarsalgelenke 22, 28 tennis fracture 118, 120 Tenosynovektomie 112 tenting 82 Thermostaples 81 Thromboseprophylaxe 43 Tibialis-posterior-Dysfunktion 21 Titanschraube 54 TNF-alpha-Inhibitoren 112 too-many-toes-Sign 21 Transartikuläres Release 57 Transfermetatarsalgie 9 Trittspurabdruck 21 troughing 58 Trümmerfrakturen 122 Tumoren 31, 34 turf toe 127 Twist-off-Schraube ff 91
U Ultraschall 35 Unfallmechanismus 124
136
Stichwortverzeichnis
V Veraltete Luxationen 128 Verkehrsunfall 124 Verkürzung 53, 89, 90 Verschlussdruckmessung 25 Vorfußentlastungsschuh 42, 55
W Wachstumsfugen 100 Wachstumslenkung 100 Weichbettung 38 Weichteileingriff ff 56, 64 Weichteilinterponat 48 Weil-Osteotomie 87 Weingart-Osteotomie 92 Windlass-Mechanismus 15, 87 Winkelstabile Platte 71, 72
Z Zehenfrakturen 124 Zehengrundgelenk 13 Zehenrolle 38 Zehenspitzengang 20 Zweischnitttechnik 70 Zweistufenbohrer 53