Zur Zukunft der externen Rechnungslegung in Deutschland. Eine kritische Analyse der Internationalisierung aus Sicht nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

Christian Borstler Zur Zukunft der externen Rechnungslegung in Deutschland

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Christian Borstler

Zur Zukunft der externen Rechnungslegung in Deutschland Eine kritische Analyse der Internationalisierung aus Sicht nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Werner Schaffer

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliotheic verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationaibibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Dissertation European Business School Oestrich-Winkel, 2005 u. d. T: Externe Rechnungslegung in Deutschland - quo vadis? - Eine kritische Analyse der Internationalisierung des deutschen Einzeljahresabschlusses aus Sicht nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

I.Auflage April 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Ingrid Walther Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Work einschlieSlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Work berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0285-6 ISBN-13 978-3-8350-0285-2

Meinen Eltern

Geleitwort Der anhaltende Prozess der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland hat zu einem Paradigmenwechsel gefuhrt. Spatestens seit der EUVerordnung 1606/2002, welche alle borsennotierten Mutterkonzeme in der EU ab dem 1.1.2005 zur Konzernrechnungslegung nacli International Financial Reporting Standards (IFRS) verpfllchtet hat, beschaftigen sich zunehmend auch mittelstandische bzw. nicht kapitalnnarktorientierte Unternehmen mit den internationalen Rechnungslegungsnormen. Obgleich die IFRS konzeptionell einem Konzernabschluss entsprechen und das HGB unverandert die bilanzielle Grundlage des Einzeljahresabschlusses in Deutschland bildet, nnehren sich in Literatur und Bilanzierungspraxis die Stimmen nach einer Ubernahme der IFRS auch in den Einzeljahresabschluss. Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang, ob diese Entwicklung den Interessen der mehrheitlich in Deutschland nicht kapitalmarktorientierten Unternehnrien entspricht. Vor diesem Hintergrund untersucht Christian Borstler die Moglichkeiten und Gefahren einer Ubernahme der IFRS in den deutschen Einzeljahresabschluss sowie die Konsequenzen fur die externe Rechnungslegung der nicht kapitalmarktorlentierten Unternehmen in Deutschland. Hierzu muss zunachst die Frage nach der grundsatzlichen Eignung der IFRS fur den deutschen Einzeljahresabschluss untersucht und bejaht werden. Borstler beleuchtet dabei en detail die Schwachstellen der in der Fachliteratur oftmals unkritisch gesehenen internationalen Rechnungslegungsnormen. Im Rahmen seiner Kompatibilitatsprufungen der beiden Systemalternativen HGB und IFRS mit den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen an deren Einzeljahresabschluss belegt er eindrucksvoll, dass die internationalen Normen zwar in der Theorie den Interessen dieser Unternehmen entsprechen konnen, ihre Praktikabilitat aber de lege lata nicht gegeben ist. Die notwendigen weiterfuhrenden Modiflkationen werden von ihm im Anschluss nicht nur erortert, sondern auch kritisch bewertet. Parallel zeigt Borstler, dass auch das Deutsche Handelsrecht aufgrund von gesetzlichen Initlativen wie MarKtzwangen vor umfangreichen Reformen steht, deren Reichweite ebenso das deutsche Gesellschafts- und Steuerrecht tangieren werden. Christian Borstler liefert insofern eine wertvolle Grundlage fur die in den nachsten Jahren zu fuhrende Diskussion um die Internationalisierungsreichweite der Rechnungslegung in Deutschland im Allgemeinen sowie der Gestaltung des Einzeljahresabschlusses im Speziellen. Seine kritlsche Distanz ist ein Gewinn fur die Wissenschaft und die Praxis. Die Arbeit wird deshalb ihre Leser finden. StB Prof. Dr. Werner Schaffer

Vorwort „Lust und Liebe sind die Fittiche zu groHen Taten." Johann Wolfgang von Goethe

Lust und Liebe sind Emotionen, die der Mensch nicht ohne Zutun anderer empfindet. Interpretiert man Lust als Motivation und Ansporn, sich einer Sache zu widmen und sie anzugehen, so wurde diese ohne Zweifel durch meinen Doktorvater geweckt. Prof. Dr. Werner Sciiaffer gab mir niciit nur die Chance, mich bereits als Student des Hauptstudiums in seinen Projekten fachlich einzubringen, sondern gleichzeitig auch die Freiheit, mich personlich weiterzuentwickeln. Er ist mir in dieser Zeit ein vaterlicher Freund geworden, mit dem ich gielchermafien viele private Eriebnisse geteilt habe. Dafur bin ich Ihm und seiner Frau in Dank verbunden. Versteht man unter Liebe Hingabe, so darf ich betonen, dass ich vorllegende Arbeit mit grofier Freunde und Hingabe verfasst habe. Es handelt sich bei dieser Feststellung weniger um das Phanomen der historischen Verklarung als um die Erkenntnis, dass ein jedes Ziel Im Beschreiten des Weges dorthin besteht. Gemeistert wurde dieser Weg gemeinsam mit zahlreichen Menschen, die mich unterstutzt, gefordert, gelobt, getadelt oder schlichtweg begleitet haben. Im Team des Lehrstuhls betrlebllche Steuerlehre an der EBS habe ich nicht nur eine Horde hubraumstarker Motorsportler, sondern auch wahre Charaktermenschen gefunden. Bei Herrn Dr. Gisbert Grasses und Herrn Dr. Christian Reif darf Ich mich In diesem Zusammenhang fur ihre stete Bereitschaft zu einer scharfzungigen Diskussion und ihrer Hilfe wahrend meiner DIsputationsvorbereitungen bedanken. Gleiches gilt fur meinen guten Freund, Herrn Dr. Alexander Blum, mit dem ich nicht nur die zahlreichen Kunstwerke Rheingauer WInzerkultur erlebt, sondern viele fachliche wie freundschaftliche Gesprache gefuhrt habe. Man stelle sich ferner die Grolistadt Frankfurt ohne die Herberge meines Freundes Dr. (In spe) Andreas Fischer oder einen Tag In der Deutschen Bibliothek ohne den stets strahlenden DIpl.-Kfm. Oliver Serg vor. Beiden mochte ich im Besonderen fur ihre Hilfsbereitschaft in der letzten Phase meiner Dissertation danken. Meinem lieben Freund Michael Beheim gebuhrt ebenfalls mein herzlicher Dank fur die schonen Stunden und wertvollen Gesprache, die wir miteinander in Frankfurt und dem Rheingau verbracht bzw. gefuhrt haben. Liebe bedeutet ebenso Vertrauen und Glaube. Beides habe ich jederzeit durch meine geliebten Eltern erfahren, ohne deren stete und kompromisslose Unterstutzung ich weder meine Ausbildung an der EBS abgeschlossen noch meine Doktor-

X

Vorwort

arbeit vollendet hatte. Ich danke meinen Eltern insbesondere fur die Kraft, die sie mir in den schweren Stunden meines Lebens gegeben haben. Diese Arbeit sei ihnen deshalb gewidmet. Die Liebe im ursprunglichen Sinne hat mich nach circa 130 Seiten erfasst, so dass ich kurzerhand die Fertigstellung der Arbeit nach Munchen verlegen musste. Die „StaBi", die Bayerische Staatsbibliothek, diente mir dort als Ersatz-Zuhause. Auch wenn meine bezaubernde Freundin Petra Horburger manches Mai die Freude an der Korrektur meiner aufregenden wie spannenden Textpassagen vermissen lied, so tragt sie einen wesentlichen Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Ich danke ihr von ganzem Herzen fur ihr grenzenloses Verstandnis mir gegenuber sowie den Mut, den sie mir immer wieder zugesprochen hat. Schliefilich mochte ich mich bei denjenigen Menschen bedanken, die „da" waren. Namen scheinen an dieser Stelle irrelevant. Die Kraft, die Ihr mir gegeben habt, hat mich wieder gesund werden lassen. Christian Borstler

Inhaltsubersicht

Geleitwort Vorwort

VII IX

Inhaltsverzelchnis

XIII

Abbildungsverzeichnis

XIX

Abkurzungsverzeichnis

XXI

1

Internationalisierung der Rechnungslegung - fur alle Untemehmen und urn jeden Preis?

2

Urspriinge und Entwicklung der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland

3

1

25

Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland

77

4

Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

97

5

Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme mit den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen.. 189

6

Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung

Literaturverzeichnis

313 323

Inhaltsverzeichnis Geleitwort

VII

Vorwort

IX

Inhaltsubersicht

XI

Abbildungsverzeichnis

XIX

Abkurzungsverzeichnis

XXI

1

Internationalisierung der Rechnungslegung - fiir alle Untemehmen und urn jeden Prels? 1.1

Zur fortschreitenden Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland: Problemstellung und Zielsetzung

1

1.2

Forschungsgrundlagen und Methodik

6

1.3

Weiterfuhrende Abgrenzung und Bedeutung des Erfahrungs-

1.4 2

1

objektes „nicht kapitalmarktorientiertes Unternehmen"

10

Gang der Untersuchung

19

Ursprijnge und Entwicklung der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland

25

2.1

Notwendigkeit vergleichbarer Rechnungslegungsdaten

25

2.2

Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

27

2.2.1 Harmonisierung der Rechnungslegung in Europa

28

2.2.2 Weltweite Harmonisierung der Rechnungslegung

33

2.2.2.1 Historische Entwicklung der International Accounting Standards

34

2.2.2.2 Bedeutung und Struktur der heutlgen International Financial Reporting Standards 2.2.2.3 Die IFRS im Wettbewerb der internationalen Harmonisierung

37 40

2.2.2.4 Bedeutung des US-amerikanischen Kapitalmarkts und seiner Rechnungslegungsvorschriften

44

2.2.2.5 Konzeption und Anwendungsbereich der US-Generally Accepted Accounting Principles

50

XIV

Inhaltsverzeichnis 2.2.2.6 US-GAAP und SEC im Spiegel der intemationalen Harmonisierung der Rechnungslegung

57

2.2.2.7 Andere politische Initiativen zur intemationalen Harmonisierung der Rechnungslegung 2.3

Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung

2.3.1 Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

60 62 62

2.3.2 Bedeutung des DRSC und seiner Standards im Rahmen der Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung 3

Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland 3.1

Die EU-Doppelstrategie im Bereich der Rechnungslegung

3.2

Die Verordnung Nr. 1606/2002 und ihre Auswirkungen auf die Unternehmen in der EU

3.3

3.4

81

84

87

Konturen der aktuellen deutschen Bilanzreform im europaischen Normenkontext

Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses 4.1

77

Vorschlage zur konzeptionellen Neugestaltung des deutschen Bilanzrechts

3.5

77

Umsetzung der Mitgliedstaatenwahlrechte und Strategic des deutschen Gesetzgebers

4

71

Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

92 97 98

4.1.1 Notwendlgkeit einer Reform

98

4.1.2 Zielsetzung der Reform

99

4.1.3 Regelungsreichweite der Vierten EG-Richtlinie

102

4.1.4 Reformierung ausgewahlter Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften 4.1.4.1 Bilanzielle Wahlrechte im Allgemeinen

106 106

4.1.4.1.1

Ansatzwahlrechte

108

4.1.4.1.2

Bewertungswahlrechte

113

4.1.4.1.3

Kritische Wurdigung steuerrechtlich induzierter Wahlrechte

120

Inhaltsverzeichnis

XV

4.1.4.2 Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermogenswerte

121

4.1.4.3 Bewertung zum beizulegenden Zeitwert

123

4.1.4.4 Einengung des Begriffs von Ruckstellungen

128

4.1.5 Notwendigkeit weiterer Pflichtangaben

130

4.1.6 Kritische Wurdigung einer konservativen Reform

133

4.2

4.1.6.1 Europaische Perspektive

133

4.1.6.2 Deutsche Perspektive

135

Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

138

4.2.1 Moglichkeiten und Grenzen der IFRS im Einzeljahresabschluss

138

4.2.2 Eignung der IFRS fur den Einzeljahresabschluss

139

4.2.2.1 Informationsfunktion 4.2.2.1.1 4.2.2.1.2

Prinnat der Informationsvermittlung

140 140

Einschrankung der Informationsqualitat durch bilanzpolitische Spielraume

142

4.2.2.1.3

Accounting Mix der IFRS-Rechnungslegung

151

4.2.2.1.4

Kritische Wurdigung

156

4.2.2.2 Kapitalerhaltung 4.2.2.2.1

159

Informationeller Glaubigerschutz der IFRS im Vergleich zur gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung nach deutschem Verstandnis

4.2.2.2.2

Glaubigerschutz nach dem Vorbild des US-amerikanischen Modells

4.2.2.2.3

4.2.2.2.4

159

163

Zahlungsbemessung unter IFRS durch Ausschuttungsbegrenzung

167

Kritische Wurdigung

172

4.2.2.3 Maligeblichkeitsprinzip

174

4.2.2.3.1

Umfang und Inhalt der Mallgeblichkeit

175

4.2.2.3.2

Durchbrechungen der Maflgeblichkeit de lege lata

177

4.2.2.3.3

Mafigeblichkeit der IFRS

179

4.2.2.3.4

Kritische Wurdigung

182

4.2.3 Zwischenfazit

184

XVI 5

Inhaltsverzeichnis Praktikabilit^t und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme mit den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen.. 189

5.1

Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

5.1.1 Rechnungslegungsfunktionen

190 191

5.1.1.1 Informationsfunktjon

192

5.1.1.2 Kapitalerhaltung

196

5.1.2 Finanzierungsfunktionen

198

5.1.2.1 Innenfinanzierung

198

5.1.2.2 Aufienfinanzierung

204

5.1.3 Offenlegungsverhalten nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

207

5.1.4 Charakteristika des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen 5.2

Deutsches IHandelsrecht de lege ferenda

209 212

5.2.1 Kompatibilitatsprufung der Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

212

5.2.1.1 Rechnungslegungs- und Finanzierungsfunktionen

213

5.2.1.2 Offenlegung

215

5.2.1.3 Zwischenfazit

218

5.2.2 Praktikabilitatskriterien des Einzeljahresabschlusses nach HGB de lege ferenda

219

5.2.2.1 Profil des HGB-Einzeljahresabschlusses de lege ferenda

219

5.2.2.2 Implikationen des sekundaren Gemeinschaftsrechts JFRS"

223

5.2.2.3 Regelungsrelchweite des privaten deutschen Standardsetzers. 226 5.3

Systemalternative IFRS

228

5.3.1 Kompatibilitatsprufung der Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen 5.3.1.1 Rechnungslegungsfunktionen 5.3.1.1.1

Informatlonsfunktion

228 229 229

Inhaltsverzeichnis 5.3.1.1.2

XVII Kapitalerhaltung

5.3.1.2 FinanzierungsfunktJonen

231 232

5.3.1.2.1

Innenfinanzierung

232

5.3.1.2.2

Aulienfinanzierung

239

5.3.1.3 Offenlegung

242

5.3.1.4 Kosten-Nutzen-Relation

244

5.3.1.5 Zwischenfazit

246

5.3.2 Djfferenzierung der originaren IFRS

251

5.3.2.1 Notwendigkeit der Vereinfachung der Rechnungslegung nachlFRS

251

5.3.2.2 Systematisierung bestehender Ansatze zur Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften

253

5.3.2.2.1

Differenzrechnungslegung in Form eines ..Little GAAP"

254

5.3.2.2.2

Differenzrechnungslegung in Form eines ..GAAP light"

259

5.3.2.2.3

Zwischenfazit

263

5.3.2.3 Inhalt und Relchwelte des lASB-Projekts zur differenzierten Rechnungslegung fur Small and Medium-sized Entities

265

5.3.2.4 Fonnale und inhaltliche Anforderungen an eine differenzierte Rechnungslegung nach IFRS 5.3.2.4.1

269

Begrundung und Vorgehensweise einer Modifizierung der IFRS

269

5.3.2.4.1.1 Position des lASB

269

5.3.2.4.1.2 Kritische Wurdigung

272

5.3.2.4.1.3 Weiterfuhrende Forderungen

275

5.3.2.4.2

Anwendungsvoraussetzungen

277

5.3.2.4.2.1 Position des lASB

277

5.3.2.4.2.2 Kritische Wurdigung

280

5.3.2.4.2.3 Weiterfuhrende Forderungen

283

5.3.2.5 Modifikation von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden

286

5.3.2.5.1

Vorschlag des lASB

286

5.3.2.5.2

Kritische Wurdigung

287

XVIII

Inhaltsverzeichnis 5.3.2.6 Reduktion von Publizitatspflichten

291

5.3.2.6.1

Vorschlag des lASB

291

5.3.2.6.2

Kritische Wurdigung

292

5.3.2.7 Weitergehende Forderungen jm Rahmen der Modifikation von Ansatz-, Bewertungs- und Offenlegungsvorschriften 5.3.2.8 Zwischenfazit

293 295

5.3.3 PraktikabilitStskriterien eines Einzeljahresabschlusses nach IFRS .. 298 5.3.3.1 Eigenstandiges Bilanzsteuerrecht

298

5.3.3.2 Gesellschaftsrechtliche Implikationen

301

5.3.3.3 Neue Erfolgsrechnung

304

5.3.3.4 Grofiere Publizitat und Kontrolle aufgrund unzureichender Objektivitat 5.3.3.5 Eigenkapitalausweis bei Personengesellschaften 6

Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung 6.1

6.2

307 309 313

Zur Zukunft der Rechnungslegung im deutschen Einzeljahresabschluss

313

Schlussbemerkung

319

Literaturverzeichnis

323

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Hochstgrenzen der Untemehmensgroden fur KMU nach international unterschiedlichen Definitlonen

12

Abbildung 1-2: DerAnteil mittelstandischer Unternehmen (Eigentumerunternehnnen) an unterschiedlichen Rechtsformen... 14 Abbildung 1-3: Von der Unternehmensgrofie abhangige Flnanzierungsinstrumente

16

Abbildung 1-4: Grundlegende Struktur der vorllegenden Arbeit

19

Abbildung 1-5: Gang der Untersuchung

23

Abbildung 2-1: Determlnanten der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland

28

Abbildung 2-2: Auspragung unterschiedlicher Rechnungslegungstraditionen in Europa

30

Abbildung 2-3: Spannungsverhaltnis der deutschen Normensetzung im Bereich der Konzernrechnungslegung

74

Abbildung 3-1: Vorschlage zur Umsetzung der lAS-VO in deutsches Recht

89

Abbildung 3-2: Kontext der aktuellen deutschen Bilanzreform

92

Abbildung 4-1: Vorgehensweise in Kapitel 4

98

Abbildung 4-2: Reform der Ansatzwahlrechte nach HGB

112

Abbildung 4-3: Reform der Bewertungswahlrechte nach HGB

119

Abbildung 4-4: Mixed-Accounting-Modell der IFRS

154

Abbildung 5-1: Vorgehensweise in Kapitel 5

190

Abbildung 5-2: Auspragungen in der Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften

264

XX

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 5-3: Geplante Anwendungsvoraussetzungen der djfferenzierten Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS

280

Abbildung 5-4: Vorschlage zur Differenzierung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nach IFRS

294

Abbildung 5-5: Vorschlage zur Differenzierung weiterer Jahresabschlussbestandteile und Anhanginformationen nach IFRS Abbildung 5-6: Erweiterte Erfolgsdarstellung nach IFRS

295 305

Abkurzungsverzeichnis a. F.

alte(r) Fassung

AARF

Australian Accounting Research Foundation

ABHR

Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft

ABIEG

Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaft

Abs.

Absatz

AcSB

Accounting Standards Board

AG

Aktiengesellschaft

AIA

American Institute of Accountants

AICPA

American Institute of Certified Public Accountants

AKEU

Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung" der SchmalenbachGesellschaft fur Betriebswirtschaft e. V., Koln

AktG

Aktiengesetz

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel

ASB

Accounting Standards Board

ASC

Accounting Standards Committee

ASR

Accounting Series Release

Aufl.

Auflage

BaFin

Bundesanstalt fur Finanzdienstleistungsaufslcht

BB

Betriebs-Berater (Fachzeitschrift)

BC

Basis for Conclusion

BdB

Bundesverband deutscher Banken

BDI

Bundesverband der deutschen Industrie e. V.

BGBI.

Bundesgesetzblatt

BIAO

Banque Internationale pour I'Afrique Occidentale SA

BilKoG

Bilanzkontrollgesetz

BilReG

Bilanzrechtsreformgesetz

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BMJ

Bundesministerium der Justiz

bspw.

beispielsweise

BT

Bundestag

bzgl.

bezuglich

bzw.

beziehungsweise

XXII

Abkij rzungsverzeich n is

CAPA

Confederation of Asian and Pacific Accountants

CAPA

Conderation of Asian and Pacific Accountants

CGU

Cash Generating Unit

CICA

Canadian Institute of Chartered Accountants

CIME

Committee on International Investment and Multinational Enterprises

CL

Comment Letter

CM

Controller Magazin (Fachzeltschrift)

CPA

Certified Public Accountant

d.

des/der

d. h.

das heidt

DAX

Deutscher Aktien Index

DB

Der Betrleb (Fachzeltschrift)

DM

Deutsche Mark

DPR

Deutsche Prufstelle fur Rechnungslegung e. V.

DRS

Deutscher Rechnungslegungs-Standard

DRSC

Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee

DStJG

Deutsche Steuerjuristlsche Gesellschaft, Koln

DStR

Deutsches Steuerrecht (Fachzeltschrift)

e.V.

eingetragener Verein

ED

Exposure Draft

EG

Europaische Gemeinschaft

ehem.

ehemals

EK

Eigenkapital

EStG

Einkommensteuergesetz

EStR

Einkommensteuerrichtlinie

etal.

et alii

etc.

et cetera

EU

Europaische Union

EuGH

Europaischer Gerichtshof

evti.

eventuell

EWG

Europaische WIrtschaftsgemeinschaft

EWGV

Grundungsvertrag der Europaischen WIrtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957, sog. Romische Vertrage

EZB

Europaische Zentralbank

f.

folgend/e

Abkijrzungsverzeichnis

XXIII

F.

Framework

FA

Finanzamt

FAF

Financial Accounting Foundation

FASB

Financial Accounting Standards Board

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeltung

FG

Finanzgericht

Fn.

Fulinote

FRR

Financial Reporting Release

FRS

Financial Reporting Standards

FRSB

Financial Reporting Standards Board

FRSSE

Financial Reporting Standards for Smaller Entities

FSAP

Financial Services Action Plan; Aktionsplan der Europaischen Kommission zur Umsetzung des Finanzmarktrahmens

GEISAR

Group of Experts on International Standards of Accounting and Reporting

gem.

gemad

GenG

Genossenschafts-Gesetz

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschrankter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschrankter Haftung

GoB

Grundsatze ordnungsgemafier Bilanzierung / Buchfuhrung

h. M.

herrschende(r) Meinung

HB

Handelsbilanz

HFA

Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprufer in Deutschland e. V.

HGB

Handelsgesetzbuch

Hrsg.

Herausgeber

i. d. F.

in der Folge

i. d. R.

in der Regel

I. H. V.

in Hohe von

I. S.

im SInne

i. V. m.

in Verbindung mit

i. W.

im Wesentlichen

IAS

International Accounting Standards

lASB

International Accounting Standards Board

XXIV

Abkurzungsverzeichnjs

lASC

International Accounting Standards Committee

lASCF

International Accounting Standards Committee Foundation

lAS-VO

lAS-Verordnung; Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des europaischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards

ICANZ

Institute of Chartered Accountants of New Zealand

IDW

Institut der Wirtschaftsprufer in Deutschland e. V.

IfM

Institut fur Mittelstandsforschung, Bonn

IFRIC

International Financial Reporting Interpretation Committee

IFRS

International Financial Reporting Standards

inkl.

inklusiv(e)

Insb.

insbesondere

InsO

Insolvenzverordnung

IOSCO

International Organisation of Securities Commissions

IRC

Internal Revenue Code

IRS

Internal Revenue Service

ISAR

Intergovernmental Working Group of Experts on International Standards on Accounting and Reporting

IWF

Internationaler Wahrungsfonds

Jg.

Jahrgang

JWG

Joint Working Group of Standard Setters

KapAEG

Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz

KapCoRiLiG

Kapitalgesellschaften- und Co. Richtliniengesetz

KG

Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

KoR

Kapitalorientierte Rechnungslegung (Fachzeitschrift)

MBCA

Model Business Corporations Act

MindestkapG Gesetz zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (derzeit Referentenentwurf) Mio.

Millionen

Mrd.

Milliarden

n. F.

neue(r) Fassung

NASDAQ

National Association of Securities Dealers Automated Quotation

No.

Number

NPAE

Non-Publicly Accountable Entities

Abkurzungsverzeichnis

XXV

Nr.

Nummer

NYSE

New York Stock Exchange

NZSA

New Zealand Standards of Accounting

o.g.

oben genannte(r)

0. Jg.

ohne Jahrgangsangabe

o.V.

ohne Verfasserangabe

OECD

Organisation for Econonnic Co-operation and Development

OEEC

Europalsche Organisation fur wirtschaftllche Zusammenarbeit

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OTC

Over-the-Counter

PAE

Publicly Accountable Entities

PubIG

Publizitatsgesetz

PUCM

Projected Unit Credit Method

PV-SME

Prelinninary Views on Accounting Standards for Small und Mediumsized Entities (Diskussionspapier des lASB vom 24.6.2004)

R

Richtlinie

RefE

Referentenentwurf (eines Gesetzesvorhabens)

RegE

Regierungsentwurf (eines Gesetzesvorhabens)

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft (Fachzeitschrift)

RMBCA

Revised Model Business Corporations Act

Rn

Randnummer

RU

Reporting Unit

s.

siehe

S.

Seite

SA

Securities Act (of 1933)

SAC

Statement of Accounting Concept

SAC

Standards Advisory Council

SEA

Securities Exchange Act (of 1934)

SEC

Securities and Exchange Commission

SFAC

Statements of Financial Accounting Concepts

SIC

Standing Interpretations Committee

SME

Small and Medium-sized Entitles/Enterprises

SMEGA

SME Guidelines on Accounting and Financial Reporting

sog.

so genannte

SOP

Statements of Position

XXVI

Abkurzungsverzeichnis

SSAP

Statements of Standard Accounting Practice

StB

Der Steuerberater (Fachzeitschrift) / Steuerberater (Berufsbezeichnung)

StEntIG

Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002

StuB

Steuern und Bilanzen (Fachzeitschrift)

StuW

Steuer und Wirtschaft (Fachzeitschrift)

SWP

Strategy Working Party

TransPuG

Transparenz- und Publizitatsgesetz

Tz

Textziffer

u. a.

und andere/n

u. a.O.

und andere Orte

u. U.

unter UmstSnden

UITF

Urgent Issues Task Force

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development, Genf

UNO

United Nations Organisation

US-GAAP

United States-Generally Accepted Accounting Principles

vgl.

vergleiche

WPg

Die Wirtschaftsprufung (Fachzeitschrift)

WPK-Mitt.

Wirtschaftsprufungskammer-Mitteilungen (Fachzeitschrift)

z. B.

zum Beispiel

z. T.

zum Tell

zfbf

Schmalenbachs Zeitschrift fur betriebswirtschaftliche Forschung (Fachzeitschrift) Zeitschrift fur handelswissenschaftliche Forschung (Fachzeitschrift, ab 1964 zfbf)

zfhf ZGR

Zeitschrift fur Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Fachzeitschrift)

ZHR

Zeitschrift fur das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Fachzeitschrift)

ZIP

Zeitschrift fur Wirtschaftsrecht (Fachzeitschrift)

zzgl.

zuzuglich

1 Internationalisierung der Rechnungslegung - fur alle Unternehmen und um jeden Preis? 1.1 Zur fortschreitenden Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland: Problemstellung und Zielsetzung Das europaische Bilanzrecht und in dessen Sogwirkung die externe Rechnungslegung in Deutschland befinden sich inmitten eines fundamentalen Strukturwandels. Mit Verabschiedung der Verordnung 1606/2002 vom 19. Juli 2002 „betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards"'' hat die Europaische Kommission neue gesetzliche Rahmenbedingungen zur Rechnungslegung in der Europaischen Union geschaffen. Die so genannte lAS-Verordnung (lAS-VO) verpflichtet borsennotierte Konzernmuttergesellschaften fur die Geschaftsjahre, die nach denn 1.1.2005 beginnen, ihre konsolidierten Abschlusse auf Grundlage der International Financial Reporting Standard (IFRS)^ aufzustellen.^ Sie gilt insofern als „[...] Meilenstein europaischer Bilanzrechtsentwicklung'"*. Gleichzeitig eroffnet diese den europaischen Mitgliedstaaten das Wahlrecht, die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsvorschriften auf die Konzernabschlusse der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie die Einzeljahresabschlusse samtlicher europaischer Kapitalgesellschaften auszudehnen. Die Verpflichtung der borsennotierten Konzerne zur IFRS-Rechnungslegung stellt nur den ersten Schritt der so genannten „EU-Doppelstrategie" im Bereich der Rechnungslegung dar, an deren Ende die Anwendung der internationalen Standards in samtlichen Einzel- und Konzernabschlussen in Europa steht.^ Die Europaische Kommission bezweckt mit der Etablierung der IFRS eine international anerkannte, vergleichbare und qualitativ hochwertige Rechnungslegung fur samtliche

Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom ABIEG L 243 vom 11.9.2002, S. 1-4. In dieser Arbeit werden die Begriffe IFRS und International Accounting Standards (IAS) als Synonyme verwendet. Im Rahmen einer Restrukturierung des Standardsetzungsprozesses werden die IAS seit April 2001 als IFRS bezeichnet. Vgl. hierzu Kapitel 2.2.2.2, S. 37. Ausnahmen bestehen lediglich fur Unternehmen, die keine Eigenkapitaltitel (Aktien) emittieren, sondern ausschliefllich zum Handel mit Schuldtltein an einem geregelten Markt zugelassen sind bzw. deren Wertpapiere in zum bffentlichen Handel in einem Nicht-Mitgliedstaat wie den USA zugelassen sind; vgl. Europaische Union (2002a) Art. 9 sowie Prinz (2003) S. 1359 f.; Zeitler (2003) S. 1529 und Buchheim/Groner (2003) S. 953. Weiterfuhrend hierzu Kapitel 3.2, S.81. Mandler (2004) S. 1. Vgl. zur Entstehung der sog. „neuen Rechnungslegungsstrategie" Kapitel 3.1, S. 77 sowie Europaische Union (2000) S. 4-6; Burger/Ulbrich (2003) S. 902 f.; Hulle (2002) S. 178-181.

1 Intemationalisierung der Rechnungslegung europaische Unternehmen.® Der Ubergang zur internationalen Rechnungslegung soil fur diejenigen Gesellschaften, die nicht unmittelbar durch die lAS-Verordnung zur Anwendung der IFRS verpfllchtet werden, anhand einer kontinuierlichen Annaherung der beiden Rechnungslegungsrichtlinien^ an Internationale Standards erfolgen. Den Mitgliedstaaten soil damit Zeit - und politischer Handlungsspielraum - fur eine schrlttweise Intemationalisierung ihrer nationalen Rechnungslegungssystenne gegeben werden. In diesem Zusammenhang gelten als bisher grofite Modiflkationen am europaischen Bllanzrecht die Fair-Value-Richtlinie®, die eine Bewertung von Finanzinstrumenten zum belzulegenden Zeltwert gestattet, sowie die Modernisierungsrichtlinie^, die eine weitere materielle AnnShemng an die IFRS vorsieht.''^ Der jungste Richtllnlen^nderungsvorschlag vom Oktober 2004, der eine Erhohung der Publizitatsanforderungen sSmtllcher Kapitalgesellschaften in Annaherung an einschlagige IFRS-Vorschriften fordert, verdeutlicht jedoch, dass der Transformationsprozess des europaischen Bilanzrechts noch nicht abgeschlossen ist. Vor dem Hintergrund der dynamischen Weiterentwicklung der IFRS wird dieser weiterhin voranschreiten. Denn „mittelfristig stehen alle Zeichen auf lAS/IFRS, so dass kunftig mit weiteren Anderungen der 4. und 7. EU-Richtlinie oder Verordnungen zu rechnen ist, welche die lAS/IFRS endgultig und verbindlich fur alle Untemehmen in der EU zementieren."'''' Den gesetzlichen Regelungen der lAS-Verordnung ist ein fundamentaler Wandel der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter (Gro(i-)Konzerne in Deutschland vorausgegangen. Die fortschreltende Globalisierung der Kapitalmarkte, ihre verstarkte Inanspruchnahme durch deutsche Unternehmen sowie deren zunehmend grenzuberschreitendes Tatigkeitsfeld haben die Notwendlgkeit der Anwendung Intemationaler Rechnungslegungsstandards und damit die Offnung der Konzern-

Die IFRS treten somit anstelle der Entwicklung eines eigenen - europaischen - Rechnungslegungssystems. Vgl. Hulle (2002) S. 178-181; Ernst (2001a) S. 823 sowie Gothel (2001) S. 2058. Als Rechnungslegungsrichtlinien werden die 4. und die 7. EG-Richtlinie bezeichnet. Wahrend Letztere die europaischen Vorschriften zur Konzernrechnungslegung enthSIt, normiert die 4. EG-Richtlinie den Einzeljahresabschluss. Richtlinie 2001/65/EG ABIEG L 283 vom 27.10.2001, S. 28. Richtlinie 2003/51/EG ABIEG L 178 vom 17.7.2003, S. 16. Weitere Anderungen ergeben sich aus der Schwellenwertrlchtlinie vom 13.5.2003, durch welche die Grofienkriterien fur kleine und mlttelgroUe Kapitalgesellschaften erhoht wurden. Vgl. Richtlinie 2003/38/EG ABIEG L 120 vom 15.5.2003, S. 22. Der in der Folge fur den deutschen Gesetzgeber entstandene Umsetzungsbedarf wird in Kapitel 3.5, S. 92. erortert. Bocklng/Herold/MCifiig (2004) S. 407.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung rechnungslegung verdeutlicht.''^ Der deutsche Gesetzgeber hat diesem Intemationalisierungsprozess der Rechnungslegung in Deutschland erstmals im Jahre 1998 entsprochen. Im Rahmen des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes^^(KapAEG) hat dieser durch die Einfuhrung der Offnungsklausel des § 292a HOB borsennotierten deutschen Mutterunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen^^ die Aufstellung eines nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsatzen befreienden Konzernabschlusses gewahrt. Durch das Kapltalgesellschaften und Co.-Richtliniengesetz''^ (KapCoRiLiG) wurde der Kreis der befreiten Konzernunternehmen auf andere kapitalmarktorientierte Unternehmen erweitertJ^ Der nunmehr durch die lAS-Verordnung verpflichtenden Rechnungslegung nach IFRS fur samtliche borsennotierten Konzernmuttergesellschaften in Europa ist der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Bilanzrechtsreformgesetzes^^ (BilReG) mit Einfuhrung des § 315a HGB nachgekommen. Samtliche Mitgliedstaatenwahlrechte der Verordnung wurden jedoch als Unternehmenswahlrechte an die betroffenen Unternehmen weitergegeben. Insofern hat der Gesetzgeber bei der Konzernrechnungslegung den Pflichtbereich der lAS-Verordnung nicht verlassen. Eine (verpflichtende) Anwendung der IFRS in samtlichen deutschen Konzernabschlussen wird „[...] zum gegenwartigen Zeitpunkt als nicht sinnvoll"^® erachtet. Damit hat der Gesetzgeber insbesondere im Rahmen des Einzeljahresabschlusses dem Wunsch zahlreicher nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen entsprochen, die Ermittlung der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften sowie die steuerliche Gewinnermittlung auf Grundlage des deutschen Handelsrechts zu belassen. Letzteres soil jedoch im Rahmen des geplanten Bilanzrechts-

Seit dem BSrsengang der (damaligen) Daimler Benz AG Im Jahre 1993 an die New York Stock Exchange (NYSE) Ist dieses Themengeblet zunehmend Ins interesse der Offentllchkeit geruckt. Zuvor haben sich lediglich wenige deutsche Tochterunternehmen auslSndlscher Muttergesellschaften mit internatlonalen Rechnungslegungsnormen auselnander gesetzt. Vgl. Keltz (2005) 8. 3 f. sowie weiterfOhrend Kapitel 2.1, 8. 25. Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmarkten und zur Erieichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen vom 20.4.1998, BGBII 1998, 8. 707-709. Eine Uberslcht der notwendigen Voraussetzungen geben KiitlngA/Veber (2003) 8. 101 f.; Grafer/Scheld (2002) 8. 33 -37. Gesetz zur DurchfCihrung der Richtllnle des Rates der Europalschen Union zur Anderung der Bllanz- und Konzernrlchtlinien hinslchtllch ihres Anwendungsberelchs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlussen und zur Anderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 24.02.2000, BGBI I 2000, 8. 154. Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 2.3.1, 8. 62. Gesetz zur Einfuhrung internatlonaler Rechnungslegungsstandards und zur SIcherung der QualltSt der Abschlussprufung (Bllanzrechtsreformgesetz - BIIReG); BGBI I 65/2004 vom 9.12.2004, 8. 3166. Zur Gesetzesbegrundung vgl. BT-Drucks. 15/3419 vom 24.6.2004 sowie BT-Drucks. 15/4054. Ernst (2003) 8. 1488.

1 Intemationalisierung der Rechnungslegung modernisierungsgesetzes weiter reformiert werden.''^ „Knapp zwei Jahrzehnte nach In-Kraft-Treten des Bilanzrichtliniengesetzes steht das deutsche Bilanzrecht damjt vor weit reichenden Veranderungen."^° Damit soil den jungsten Rlchtlinienmodifikatlonen durch die Modernisierungs- und Fair-Value-Rlchtlinie entsprochen werden. Letztlich hat der deutsche Gesetzgeber keine andere Wahl. Ohne grundlegende und umfangreiche Reform des deutschen Steuer- und Gesellschaftsrechts gestattet der funktionale Zusammenhang des deutschen Bilanzrechts keine Ubernahme internationaler Rechnungslegungsvorschrlften. Gegen einen - von der handelsrechtlichen Rechnungslegung - befreienden IFRS-Elnzeljahresabschluss sprechen die grundlegenden Systemdivergenzen zwischen deutschem Handelsrecht und internationaler Rechnungslegung: Wahrend die IFRS einzig der Vermittlung von entscheidungsrelevanten Informationen verpflichtet sind und vom „True-andFair-View" als zentralem Rechnungslegungsgrundsatz ausgehen, obliegen dem handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss in Deutschland steuer- und gesellschaftsrechtliche Bemessungsfunktionen. Der Umstellungsprozess bedeutet fur deutsche Unternehmen, die bisher nach HGB bilanzlert haben, nicht nur eine Umstellung einzelner Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, sondern stellt einen Paradigmenwechsel dar - weg von einem mehr dem Glaubigerschutz verhafteten kontinentaleuropaischen Abschlusses hin zu der vorrangig der Informationsfunktion verpflichteten angloamerikanischen Rechnungslegung. Nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers ist die Rechnungslegung nach IFRS fur die Zwecke des Einzeljahresabschlusses jedoch nicht geeignet und fur die Bedurfnisse vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen uberdimensioniert.^^ Dennoch ist dieser mit dem Wahlrecht zur Erstellung eines zusatzlichen freiwilligen - IFRS-Einzeljahresabschlusses nach § 325 Abs. 2a HGB den Belangen der kapltalmarktorientierten Gesellschaften nachgekommen. Fur diese Unternehmen ist ein handelsrechtlicher Einzeljahresabschluss nach HGB nur noch „[...] eine lastige gesetzllche Pflicht"^^ und gilt bereits heute als ..Auslaufmodell"^^. Der informatorische Einzeljahresabschluss steht allerdings auch nicht kapltalmarktorientierten Unternehmen offen, sofern diese sich von der Anwendung der IFRS Vorteile versprechen. Vor dem Hintergrund der Entwicklungstendenzen im europaischen Kontext lasst sich der traditionelle Einzeljahresabschluss nach HGB vom

Vgl. Freidank/Pottgielier (2003) S. 888; DRSC (2003b) S. 2 sowie Kapitel 1.1, S. 92. Huttemann (2004) S. 203. Vgl. BMJ (2003a). Mandler (2004) S. 2. Kuting/Zwirner (2002) S. 790.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung deutschen Gesetzgeber jedoch nicht dauerhaft gegen die fortschreitende Internationalisierung der Rechnungslegung immunisieren. Bereits heute bestehen neue Inkompatibilitaten des europaischen Bilanzrechts mit den intemationalen Rechnungslegungsstandards, die zu weiteren Riciitiinienanderungen fuhren werden.^^ Daraus ergibt sich fur den deutschen Gesetzgeber nicht nur ein anhaltender Reformbedarf, sondern gleichzeitig muss die Frage nach der Zukunft des Einzeljahresabschlusses auf Grundlage des deutschen Handelsrechts gestellt werden. Im Ergebnis steht die Rechnungslegung in Deutschland vor der „[...] moglicherweise bisher weitreichendsten Veranderung, die sich nicht nur auf die inhaltliche, sondern auch und vor allem auf die rechtssystematische Ebene auswirken kann"2^ Den Forderungen nach einer umfangreichen Ausweitung der intemationalen Rechnungslegung in Deutschland steht jedoch die Bilanzierungspraxls der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen gegenuber. Diese ist vor dem Hintergrund des (noch existenten) Madgeblichkeitsprinzlps mehrheitlich auf die steuerlichen Auswirkungen der handelsrechtlichen Rechnungslegung bedacht.^® Trotz zunehmender Aushohlung des Maflgeblichkeitsgrundsatzes durch den Gesetzgeber scheint das Streben zumindest nach einer modifizierten Einheitsbilanz aus Wirtschaftlichkeitsgrunden ungebrochen. Dem Einzeljahresabschluss nach HGB kommt in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen vor dem Hintergrund seiner Zahlungsbemessungsfunktion zudem auch Finanzierungswirkungen zu: Vor allem durch vorgeschriebene Oder bilanzpolitisch induzierte Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte besteht die Moglichkeit zur stillen Selbstfinanzierung, die bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen oftmals eine wichtige Saule der Unternehmensfinanzierung darstellt.^^ Die Bedeutung der Informationsfunktion muss in einem solchen Einzeljahresabschluss daher (nahezu zwangslaufig) in den Hintergrund treten. VerstSrkt wird diese Tendenz durch eine mangelnde Publizitatstradition In vielen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen. Im Ergebnis besteht eine

Derzeit bestehen in folgenden Bereichen Inkompatibilitaten zwischen IFRS und europaischen Rechnungslegungsrichtlinien: Bilanzierung von immateriellen Vermogenswerten mit unbestimmter Nutzungsdauer nach IAS 38, Impairment-Only-Ansatz nach IAS 36 sowie Bilanzierung eines negativen Unterschiedsbetrags aus der Kapitalkonsolidierung nach IFRS 3. Vgl. hierzu weiterfuhrend Kapitel 4.1.6.1., S. 133. Kirsch (2003d) S. 275; ahnlich hierzu Deutsche Bundesbank (2002) S. 51 f.; Fullbier/Gassen (2001) S. 180. Die Mehrzahl der bilanzierungspflichtigen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen stellt die Handelsbilanz von vomherein regelmSIiig unter Berucksichtigung der steuerlichen Konsequenzen mit dem Ziel einer Ergebnissteuerung auf; vgl. Kapitel 5.1.1.1, S. 192. Vgl. weiterfOhrend Kapitel 5.1.2.1, S. 198.

1 Internationalisierung der Rechnungslegung „[...] empirische Evidenz, dass mittelstandische Unternehmen ihren Publizitatspflichten nicht nachkommen."^® Die praktischen Anforderungen und Interessen der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen stehen in vielen Bereichen in diametralem Gegensatz zu den Zielsetzungen der IFRS. Obgleich nicht ursprunglich fur den Kapitalmarkt konzipiert, entsprechen die IFRS den hohen Informations- und Publizitatsanforderungen internationaler Kapitalmarkte. Die zentrale Bedeutung der Informationsfunktion geht mit einer Negation anderer Jahresabschlusszwecke einher und mundet in umfangreichen Offenlegungsanforderungen. Insofern werden kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland durch die Umstellung ihrer externen Rechnungslegung auf die IFRS vor besondere Probleme gestellt. Die internationalen Standards bedeuten gerade fur zahlreiche dieser Unternehmen ein fremdartiges und vor dem Hintergrund der starker gewichteten Informationsvermittlung ein aufwendiges Rechnungslegungssystem, das weder eine steuerliche Orientierung der handelsbilanziellen Rechnungslegung noch Finanzierungsfunktionen gestattet. Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, im Rahmen einer Gegenuberstellung der beiden Systemalternativen HGB und IFRS, die zuktinftige Entwicklung der externen Rechnungslegung anhand des Einzeljahresabschlusses In Deutschland darzustellen und unter besonderer Berucksichtigung der Belange nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen zu bewerten. Wenngleich am Ende dieser Entwicklung nach dem Willen der Europaischen Kommission die IFRS stehen, versteht sich diese Arbeit als Beitrag zur konzeptionellen Gestaltung des Transformationsprozesses der Rechnungslegung in Deutschland.

1.2 Forschungsgrundlagen und Methodik Die vorliegende Arbeit folgt der Einordnung in die vier Kategorlen Forschungsobjekt, Forschungsziel, Verfahren zur Erkenntnlsgewinnung (Forschungsmethodik) sowie Darstellung der Forschungsresultate.^^ Das Forschungsobjekt gibt Auskunft uber den Ausschnitt der realen Welt, der untersucht wird, sowie uber die Probleme, die innerhalb dessen behandelt werden. Es entspricht demnach der Problemstellung einer wissenschaftlichen Arbeit und wird durch das Erfahrungsobjekt sowie das Erkenntnisobjekt determiniert.^°

28 29

AKEU (2004)8.13. Vgl. Thommen (1996) S. 160 f., der den Problemlosungsprozess in der wissenschaftlichen Forschung darstellt. Vgl. Chmielewicz (1993) S. 19 f.; Sachs/Hauser (2001) S. 32.

1.2 Forschungsgrundlagen und Methodik •

Mit dem Erfahrungsobjekt geht der Bereich der Wirklichkeit einher, der den Betrachtungsgegenstand eines Forschungsprojektes beschreibt, n^mlich diejenigen gesellschaftlichen Institutionen^^ oder Wirtschaftseinheiten, die im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung betrachtet werden.^^ Erfahmngsobjekt der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sind Wirtschaftseinheiten/Betriebe, die sich wiederum in Betriebe der Fremdbedarfsdeckung (Unternehmen) und Betriebe der Eigenbedarfsdeckung (Haushalte) untergliedern lassen.^^ Erfahrungsobjekt der vorliegenden Arbeit sind diejenigen privaten Unternehmen in Deutschland, die keinen offentlich organisierten Kapitalmarkt (Aktien- oder Anleihemarkt) im In- oder Ausland in Anspruch nehmen und demnach als „nicht kapitalmarktorientierte" Unternehmen zu bezeichnen sind.^"*

•

Das Erkenntnisobjekt ergibt sich aus der gedanklichen Isolation aus dem Erfahrungsobjekt und stent damit den Bezugspunkt aller Urteile, Annahmen und Probleme einer wissenschaftlichen Arbeit dar.^^ Es prazisiert insofern den ausgewahlten Bereich des Erfahrungsobjektes, der naher untersucht werden soil. Das Erkenntnisobjekt vorliegender Arbeit ist die zunehmende Internationalisierung des deutschen Einzeljahresabschlusses, worunter insbesondere der wachsende Einfluss der IFRS auf die (Weiter-)Entwicklung deutscher Rechnungslegungsnormen verstanden wird.

Als Grundlage des Forschungsziels vorliegender Arbeit sollen zunachst die grundsatzlichen Ziele der Allgemeinen Betriebswirtschaftlehre als wissenschaftliche Disziplin beschrieben werden. Die (gesellschaftliche) Zielsetzung einer Wissenschaft - und ebenso der Betriebswirtschaftslehre - besteht darin, dass sie „[...] Hilfe zur menschlichen Daseinsbewaltigung leisten soll."^® Dabei wird in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre als Erfahrungs- oder Realwissenschaft zwischen theoretischen und praktischen Zielen unterschieden werden.^^ Theoretische Ziele stellen darauf ab, ein in der Wissenschaft selbst begrundetes Problem rein

Als gesellschaftliche Institution wird ein menschengeschaffenes Gebilde verstanden, in dem Menschen zusammenwirken, urn bestimmte Funktionen zu erfullen; vgl. Ulrich (1985) S. 1. Vgl. Thommen (1983) S. 29-31; Raffle (1974) S. 55. Beide Arten von Betrieben konnen zudem in private und Sffentliche Betriebe unterteilt werden; vgl. Schweitzer (2004) 8. 29-35; Thommen/Achleltner (2001) S. 35-37. Kritisch hierzu Wohe. der betont, dass nicht abschlieliend geklart ist, welche Einzelwirtschaften unter den Begriff des Betriebs fallen; vgl. Wohe/Doring (1996) 8. 2. Eine weitere Abgrenzung des Erfahrungsobjektes, oftmals mit dem Begriff ..Mittelstand" gleichgesetzt, wird in Kapltel 1.3, 8. 10 vorgenommen. Vgl. Wohe/Doring (1996) 8. 23. Raffee (1974) S. 15. Ebenso Ulrich, der die Funktion der Wissenschaft darin sieht, „[...] fQr Menschen nutzliches Wissen zu produzieren." Ulrich (1985) S. 4. Einen ausfOhrlichen Oberblick geben Ulrich/Hill (1979) 8.163.

8

1 Intemationalisierung der Rechnungslegung

deskriptiv und in Folge vollkommen wertfrei im Sinne der Grundlagenforschung zu untersuchen. Praktische Erkenntnisziele beabsichtjgen indes, die betriebiiche Praxis mittelbar oder unmittelbar zu beeinflussen und zu gestalten. Letztere sind deshalb weder deskriptiv noch wertfrei, sondern normativ und wertend. Teildisziplin der praktischen Zielsetzung ist die angewandte Betriebswirtsciiaftslehre, der diese Arbeit zugeordnet werden kann. Ziel der angewandten Wissenschaften ist nicht die allgemeine Gultigkeit von Theorien, sondern die Anwendbarkeit von IVIodellen und Regein in der Unternehmenspraxis.^® Ulrich betont dabei den engen Zusammenhang zwisclien Wissenscliaft und Praxis. Von letzterer konnen demnach auch „[...] eigene Impulse im Sinne einer selbstandigen Aufstellung von Hypothesen, der Anregung bestimmter Forschungsvorhaben und der Infragestellung bestehender Theorien ausgehen."^^ Das Forschungsziel vorliegender Arbeit ist die Beschreibung und Erklarung der zukunftigen Entwicklung der externen Rechnungslegung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen ausgehend vom Einzeljahresabschluss in Deutschland. Zu diesem Zweck werden die beiden Systemalternativen HGB und IFRS verglichen und im Hinblick auf die Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen bewertet. Ferner werden Praktikabilitatskriterien formuliert, die bei einer erfolgreichen praktischen Anwendung des jeweiligen Rechnungslegungssystems erfullt sein bzw. im Rahmen der Weiterentwicklung der entsprechenden Normensysteme zwingend berucksichtigt werden mussen. Mit der Formulierung dieser praktischen Implikationen soil der Forderung der angewandten Betriebswirtschaftsiehre nach einer (Weiter-) Entwicklung von anwendbaren Verfahren und Grundsatzen entsprochen werden.'*° Obgleich In Zukunft die Anwendung der IFRS im deutschen Einzeljahresabschluss unausweichlich erscheint, sollen die Empfehlungen im Rahmen dieser Arbeit einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion um den Transformationsprozess der Rechnungslegung in Deutschland aus Sicht der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen leisten. Eine Theorieentwicklung im Sinne der Grundlagenforschung mit einem daraus abzuleitenden (theoretischen) Wissenschaftsziel wird dabei nicht verfolgt. Die Forschungsmethodik einer wissenschaftlichen Arbeit hingegen beschreibt die Art und Weise der Wissensgewinnung, mit welcher die gesetzten Forschungsziele erreicht werden sollen. Dabei sind grundsatzlich zwei Verfahrenwelsen voneinander zu unterscheiden: Wahrend die Grundlagen der induktiven Vorgehens-

^^

Vgl. Ulrich (2001a) S. 56; Ulrich/Krieg/Malik (1976) S. 135 f.

^^

Ulrich (2001b) S. 33.

^°

Vgl. Schanz (2004) S. 89 f.

1.2 Forschungsgrundlagen und Methodik

9

weise in der Erfassung der Realitat liegen (Empirie), geht die deduktive Forschung von genereilen wissensciiaftliciien Aussagen (Theorie) aus.'*'' Ais Verfahren zur Erkenntnisgewinnung folgt diese Arbeit ausschiiefiiich der denklogiscii-deduktiven Vorgehensweise, die als grundlegende Form des logischen ScliJiedens vom Allgenneinen auf das Besondere umschrieben werden kann."*^ Unter Berucksichtigung der vorhandenen Literaturpositionen uber die zunehmende Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutsciiland werden dabei Annainnnen und Vermutungen einzelner Einflussfaktoren auf die Fortentwicklung des Einzeljaiiresabschiusses niciit kapitalmarktorientierter Unternehnrien getroffen und in den Bezugsrahmen der vorgenonnmenen Kompatibilitatsprufungen und Praktikabilitatskriterien integriert. Die getroffenen Annahnnen und Vermutungen konnen als Ersatz fur fehlende empirische Unterlagen angeseiien werden."*^ Bei Forschungsresultaten handelt es sich um konkrete Aussagen zum Forschungsgegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit, welche die Art der getroffenen Aussagen uber das Forscliungsobjekt beschreiben. Die Darstellung der Forschungsresultate kann indes in deskriptive, explikative, normative und teciinologische Aussagen typisiert werden."^"^ Deskriptive Aussagen sind mogliciist genaue und wertfreie Beschreibungen eines bestimmten Aussciinitts der Realitat.^^ Dieser bedient sich vorliegende Arbeit zur Beschreibung der (historischen) gesetzliclien Entwicklung der Rechnungslegung in Deutschland, welche auf europaische und Internationale Harmonisierungsbemuhungen zuruckzufuhren ist. Gleichzeitig wird im Rahmen der Auswertung von Informationen aus der deskriptiven Phase auf explikative und praskriptive Aussagen zuruckgegriffen. Wahrend letztere Handlungsempfehlungen beinhalten, ermoglichen explikative Aussagen eine theoriegestutzte Erklarung uber einen realen Sachverhalt."^^ Insbesondere um die aktuelle Entwicklung der Rechnungslegung in Deutschland erklaren zu konnen, werden bei den beiden Kompatibilitatsprufungen explikative Aussagen getatigt. Die (zuvor) im Rahmen Eignungsuntersuchung der IFRS fur den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss vorgenommenen Hypothesen besitzen ebenso primar explikativen Charakter und geben uber bestimmt Kausalzusammenhange Auskunft. Die Handlungsempfehlungen und Verbesserungsvorschlage fur die anstehende

Vgl. Ulrich/Hill (1979) S. 181-186; Thommen (1983) S. 42-47 sowie Sachs/Hauser (2001) S. 40 f. 42 43

Vgl. Wohe/Doring (1996) S. 35. Vgl. Thommen (1983)8.46. Einen Uberblick der verschiedenen Auspragungen der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnis gibt Raffee (1974) S. 29-44. Vgl. Sachs/Hauser (2001) 8. 50. Vgl. Thommen (1983) 8. 35; Sachs/Hauser (2001) 8. 50 f.

10

1 Internationalisierung der Rechnungslegung

Reform des Einzeljahresabschlusses nach HGB werden zudem in Form von praskriptiven Aussagen prasentiert. Im Bereich der zahlreichen Praktikabilitatskriterien beider Rechnungslegungssysteme werden ferner normative Aussagen getroffen, um das angestrebte Wissenschaftsziel zu erreichen.^^

1.3 Weiterfiihrende Abgrenzung und Bedeutung des Erfahrungsobjektes „nicht kapitalmarktorientiertes Unternehmen" Bei einem kapitalmarktorientierten Unternehmen i. S. der lAS-VO handelt es sich um (l\/lutter-)Unternehmen, die mit eigen- oder fremdkapitalverbriefenden Wertpapieren den offentlich organisierten Kapitaimarkt"^® (Aktien- oder Anleihemarkt) im In- oder Ausland in Anspruch nehmen. In Deutschland entspricht dies dem ..organisierten Markt" gem. § 2 Abs. 5 Wertpapierhandelsgesetz und damit dem amtlichen und geregelten Borsenhandel, wahrend der privatrechtlich organisierte Freiverkehr nicht in den Definitionsbereich der IAS-VO fallt."^^ Die IAS-VO orientiert sich dabei ausschliefilich an der Borsennotierung des Mutterunternehmens.^° Im Unterschied zum engeren Definitionsbereich der IAS-VO fallen in den Geltungsbereich eines kapitalmarktorientierten Unternehmens nach § 315a Abs. 2 HGB auch Gesellschaften, die einen Antrag auf Zulassung gestellt haben.^^ Dieser Sachverhalt wird in der IAS-VO nicht geregelt. Art. 4 bezieht sich ausschlielilich auf die tatsachliche Borsennotierung der Muttergesellschaft. Ferner gilt das Mutterunternehmen weder nach Art. 4 IAS-VO noch nach § 315a Abs. 2 HGB als kapitalmarktorientiert, wenn eine seiner Tochtergesellschaften am Kapitalmarkt notiert ist.^^

Letztlich werden bereits bei der Festlegung auf die Kategorien Forschungsobjekt, Forschungsziel und Verfahren zur Erkenntnisgewinnung Wertungen vorgenommen; vgl. Ulrich (1985) S. 11 f. Die IAS-VO verweist in diesem Zusamnnenhang auf die Definition eines ..geregelten Marktes" gem. Art. 1 Abs. 13 der Richtiinie 93/22/EWG des Rates vom 20. Mai 1993 uber Wertpapierdienstleistungen. Die Marktdefinitionen sind demnach identisch; vgl. Buchheim/Groner (2003) S. 954. Vgl. Buchheim/Graner (2003) S. 954; Prinz (2003) S. 1359 (Fn. 6); Huttemann (2004) S. 204. Nach der Regelung des alten § 292a Abs. 1 HGB gait ein Mutterunternehmen (i. S. des § 290 HGB und des § 11 PubIG) bereits als ..kapitalmarktorientiert", sofern es selbst oder eines seiner Tochterunternehmen Wertpapiere an einem organisierten Markt ausgegeben hat. Auch die geplante Borsennotierung (der Mutter- bzw. einer Tochtergesellschaft) fuhrte nach § 292a HGB zur Einstufung als kapitalmarktorientiertes Unternehmen. Kritisch hierzu der Deutsche Anwaltverein. der bei einer borsennotierten Tochtergesellschaft von einem besonderen Informationsinteresse der Anteilseigner nach konzernweit identischen Rechnungslegungsvorschriften ausgeht; vgl. Deutscher Anwaltverein (2004) S. 5.

1.3 Weiterfuhrende Abgrenzung des Erfahrungsobjektes

11

Die Rechtsform der betroffenen Untemehmen spielt indes keine Rolle. Entscheidend ist allein die Kapitalmarktorientierung der Untemehmen im Sinne einer tatsachlichen Inanspruchnahme eines Kapitalmarktes (z. B. Aktien- oder Rentenmarkte).^^ Hierbei wird es sich in der Praxis primar um Publikumsaktiengesellschaften handein, wobei aber auch grofiere nicht borsennotierte Kapitalgesellschaften bspw. aufgrund einer Anieiheemission zu den kapitalmarktorientierten Gesellschaften

zahlen, die folglich

ab

2005

(bzw.

2007)

einen

IFRS-

Konzernabschluss aufstellen mussen.^ Ein nicht kapitalmarktorientiertes Untemehmen erfullt liingegen die Bedingungen der lAS-VO nicht. Mangels einer expliziten Definition durch die lAS-VO handelt es sich hierbei um eine Negativdeflnition.^^ Wie beim kapitalmarktorientierten Untemehmen spielt auch hier die Rechtsform oder Grofie der Unternehmung keine Rolle. Ein nicht kapitalmarktorientiertes Untemehmen wird jedoch nicht per se unter dem allgemeinen Begrlff Mittelstand zu subsumieren sein. Diese vor allem in Deutschland gebrauchlichen Bezeichnung fur einen Unternehmenstypus von i. d. R. kleiner und mittlerer Untemehmensgrolie steht im intemationalen Sprachgebrauch der Begriff kleine und mittlere Untemehmen (KMU) bzw. „small und medium-sized enterprises/entities" (SME) gegenuber. Im Unterschied zum deutschen Verstandnis von Mittelstand, der als nicht ubersetzbare Bezeichnung fur deutsche Wirtschaftsstrukturen gilt^^, orientiert sich die Definition von KMU/SME ausschlielilich an grofienorientierten und somit quantitativ messbaren Untemehmensmerkmalen.^^ Diese stellen zwar einen leicht abgrenzbaren - aber rein statistischen Teil der Gesamtwirtschaft dar. Die international ubiiche rein quantitative Abgrenzung der KMU erieichtert vor allem statlstische Erhebungen und volkswirtschaftliche Zuordnungen. Demnach gehoren zu den KMU all diejenigen Untemehmen, die eine gewisse Unternehmensgrofle nicht uberschreiten. Unter den zahlreichen Moglichkeiten der Determinierung von Untemehmensgrofien haben sich auf intemationaler Ebene insbesondere die Messgrolien Anzahl der Beschaftigten, Jahresumsatz und Bilanzsumme

Der Definition der lAS-VO soli in voriiegender Arbeit gefolgt werden. Vgl.Mandler (2004)8.16. Vgl. Art. 4 f. lAS-VO. Vgl. o.V. (1998) S. 97; Grichnik (2003) 8. 78. Die von der Wissenschaft ubiicherweise hinzugezogenen Indikatoren zur Abgrenzung des Begriffs „wirtschaftlicher Mittelstand" sind vor allem Gewinn, AnlagevermSgen, Bilanzsumme, Wertschopfung, Stellung am Markt, Anzahl der Arbeitsplatze, Umsatz u. a.; vgl. Gunterberg/Wolter (2002) 8 . 1 .

1 Internationalisierung der Rechnungslegung

12

durchgesetzt. Die jeweiligen Werte unterscheiden sich im internationalen Vergleich jedoch zum Teil erheblich voneinander, wie Abbildung 1-1 zeigt: KMU-H5chstgrenzen

Anzahl der BeschSftigten

Jahresumsatz

Bilanzsumme

§267Abs.2HGB (Mittelgrofle KapGes.)

250

32,12 Mio.€

16,06 iVIio.C

Institut fur Mittelstandsforschung

499

50,0 IVIio. €

Europaische Union

249

50,0 Mio. €

"" 43,0 Mio. €

Grolibritannlen: Sektion 248, Companies Act von 1985

250

11,2Mio.Pfund

5,6 Mio. Pfund

Frankreich

500

—

—

USA

500

—

—

Abbildung 1-1: H5chstgrenzen der Unternehmensgrdllen fur KMU nach international unterschiedlichen Definitionen^'

Dem deutschen Verstandnis von „wirtschaftlichem Mittelstand" liegt indes ein uber diesen statistisch eingrenzbaren Bereich inhaltlich hinausgehendes Verstandnis zugrunde. Der deutsche Bundestag sowie die fuhrenden WirtscliaftsverbSnde verzichten seit jeher auf eine starre Festschreibung des Mittelstandsbegriffs, urn seiner Heterogenitat Rechnung zu tragen:^® „Mittelstand ist eine Frage der Geisteshaltung, der Entsciieidungsstrukturen und der Bereitsciiaft, unternehmerisches Risiko zu tragen."^° Neben der international ubiichen i. d. R. rein quantitativen Abgrenzung spriciit das deutsclie Institut fur Mittelstandsforschung (IfM) insbesondere dem qualitativen Mittelstandsbegriff eine besondere Rolle zu, der sich in Bereichen wie Eigentumsverhaltnlssen oder Fuhrungsstilen zeigt.®^ Zentral fur die qualitative Begriffsbestimmung des Mittelstands ist jedoch die Verflechtung von Betrieb und Inhaber, die idealtypisch in der •

Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung sowie Risiko, d. h. der Einheit von wirtschaftlicher Existenz des Unternehmens mit seinem Inhaber bzw. seiner Leitung®^ (Einheit von Eigentum und Leitung), und

Eigene Darstellung in Aniehnung an Gunterberg/Wolter (2002) S. 10-14. Vgl. Deutscher Bundestag (1970); Deutscher Bundestag (1976); Bundesverband der deutschen Industrie e.V. (1999) S. 31. Deutscher Industrie und Handelstag (1999) S, 5. Vgl. Wolter/Hauser (2001) S. 30. So bereits Naujoks (1975) S. 22.

1.3 Weiterfuhrende Abgrenzung des Erfahrungsobjektes •

13

verantwortlichen Mitwirkung der Untemehmensfuhrung an alien unternehmenspolitisch relevanten Entscheidungen zum Ausdruck kommt (Entscheidungsunabhangigkeit bzw. -freiheit des Eigentumers).^^

Nach diesen beiden Kriterien zeichnet sich ein idealtypisches mittelstandisches Unternehmen durch die direkte und eigenverantwortliche Fuhrung seitens seiner Eigentumer (Eigentumeruntemehmen) oder deren Familienangehorigen (Famllienunternehmen) aus. Die Leitungsorgane wie Geschaftsfuhrung oder Vorstand werden damit von den Eigentumern bzw. deren Familien dominiert. Diese Personengruppe trifft in logischer Konsequenz auch alle fur das Unternehmen strategisch relevanten Entscheidungen wie Rechtsformwahl, Finanzierungsstruktur, Produkt- und Innovatlonspolitik. „Nur so ist es zu erklaren, dass auch grode Familienbetriebe, die mehrere Tausend Mitarbeiter beschaftigen und bundeswelt flSchendeckend aktiv sind, als nriittelstandisch bezeichnet werden."^ Eine korrekte und allgenfieingultige Abgrenzung des Mittelstands kann jedoch nicht vorgenommen werden. Allein die Forderung nach einheitlicher Leitung ist kritlsch zu diskutieren. Obwohl die Unterscheidung in eigentumergefuhrtes und managennentgesteuertes Unternehmen als unproblematisches Abgrenzungsmerkmal erscheint, beschaftigen manche Eigentumeruntemehmen - insbesondere bei Oberschreitung gewisser Unternehmensgrollen - erganzend zum personlichen Beitrag des Unternehmensgrunders bzw. Inhabers weitere angestellte Manager. Die Einheit von Leitung und Eigentum muss demnach relativiert werden. Wolter/Hauser sprechen somit von einem mittelst^ndischen Unternehmen, wenn durch maximal zwei naturliche Personen (bzw. deren Familienmitglieder) mind. 50 % der Anteile gehalten werden und diese naturlichen Personen zugleich der Geschaftsfuhrung angehoren.^^ Im Ergebnis liegt dabei eine Einheit von Leitung und Eigentum im weiteren Sinne vor. Nach dieser Definition konnen mittelstandische Unternehmen in alien Rechtsformen und GroRenklassen und somit auch in Konzernstrukturen auftreten. Jedoch ist i. d. R. nur dann von einem mittelstandischen Unternehmen auszugehen, wenn dieses nicht oder nur lose in einem Konzernverbund eingebunden ist. Andernfalls wird das Kriterium der Entscheidungsunabhangigkeit des Eigentumers nicht (mehr) erfullt.®^ Obwohl die Rechtsform nicht als Kriterium fur die Zugehorigkeit zum Mittelstand dienen kann, gelten EInzelunternehmen und die grode Mehrzahl der Personengesellschaften als inhabergefuhrt und damit als typisch mittelstan®^

Vgl. Gunterberg/Wolter (2002) S. 2.

^

Grichnik (2003) S. 8 1 .

®^

Vgl. Wolter/Hauser (2001) S. 33.

^

Vgl. Brockmann (2003) S. 677.

1 Internationalisierung der Rechnungslegung

14

disch. Die auf einer Studie des IfM aus dem Jahre 2002 basierende Abbildung 1-2 verdeutlicht, dass auch deutsche Kapitalgesellschaften in nicht unwesentlichen Teilen als (primer) inhabergefuhrte und damit typische mittelstandische Unternehmensformen auftreten. Untemehmensgruppe Einzelunternehmen OHG/GbR

Anzahl der Unternehmen

KG GmbH

2.033.853 251.332 26.132 426.724

GmbH & Co. KG AG Sonstige Untem. {insgesamt

69.925 3.139 318.409 3.130.514

davon mittelstandische Unternehmen

Mittelstandische Unternehmen in Prozent

2.033.853 239.908 25.304 340.875 59.822 887 267081 2.967.730

100,00% 95.45% 96,83% 79.88% 85,55% 28.26% 83,88% 94,80%

Abbildung 1-2: Der Anteil mitteistandlscher Unternehmen (Eigentumerunternehmen) an unterschledlichen Rechtsformen^^

Beeindruckend erscheint dabei das Untersuciiungsergebnis, dass nacii den rein qualitativen Kriterien des IflVI 94,8 % der in Deutschiand ansassigen Unternehmen als Eigentumerunternehmen und damit als mittelstandische Unternehmen klassifiziert werden. Nach diesen Kriterien erstreckt sich der Mittelstand in Deutschiand uber alle Unternehmensformen und -grofien und eriangt somit eine „[...] immense Bedeutung fur die deutsche Volkswirtschaft"^®. Gegenstuck des Typus eines mittelstandischen (Familien-)Unternehmens ist die managergefuhrte, kapitalmarktorientierte Publikumsaktiengesellschaft. Die o. g. Untersuchung des IfM zeigt jedoch, dass sich das Grundproblem der Trennung von Eigentum und Leitung sowie der damit verbundenen Informationsasymmetrie auch in anderen Rechtsformen stellt. Resultat dieser Trennung ist in vielen Fallen die auftretende „Prinzipal-Agenten"-Problematik, die mit Informations- und Anreizkonflikten - namentlich zwischen Unternehmensleitung (Vorstand) und Eigentumern (Aktionaren) - einhergeht.®^ Dem externen Rechnungswesen kommt durch seine Informations-, Oberwachungs- und Kontrollfunktion im Zusammenspiel zwischen Management und Eigentumer eine entscheidende Bedeutung zu. Daher

Eigene Darstellung in Aniehnung an Wolter/Hauser (2001) 8. 71. Scherer (2003)8.144. Zur Anwendung der Prinzipal-Agenten-Theohe vor dem Hintergrund der konfliktSren Interessenlagen unterschiedlicher Bilanzadressaten vgl. Schildbach (2004) S. 32-49.

1.3 Weiterfuhrende Abgrenzung des Erfahrungsobjektes

15

gehoren zu den unverzichtbaren Rechtsinstrumenten von Aktionaren ausfuhrliche periodische Rechnungslegung, grundliche Abschlussprufungen sowie strenge Publizitatsvorschriften, urn ihre Informationsdefizite zu minimieren sowie die Leistungsfahigkeit und Eigentumerorientierung des Managements uberprufen zu konnen7° In der Folge fordern diese strenge und umfangreiche Publizitatspflichten mit qualitativ hochwertigen und damit entscheidungsrelevanten Informationen/'' Derartige Forderungen sind in eigentumergefuhrten Unternehmen irrelevant, da Leltung und Eigentum zusammenfallen und folglich die beschriebene „PrinzipalAgenten"-Problematik uberhaupt nicht auftreten kann. Ein mittelstandisches Eigentunnerunternehmen ist i. d. R. nicht (am Aktienmarkt) notiert, zumal nur ein Bruchteil der mittelstandischen Unternehmen in Deutschland (0,03 %) uberhaupt in der Rechtsform der Aktiengesellschaft firmiert/^ Die damit einhergehende Finanzlerungsmoglichkeit uber den Kapitalmarkt wird von deutschen mittelstandischen Unternehmen somit kaum wahrgenommen. Von der permanent wachsenden Zahl an Finanzierungsalternativen zeigt sich der deutsche Mittelstand (noch) unbeeindruckt. Abbildung 1-3 (Seite 16) verdeutlicht demgegenuber das Potenzial an Finanzierungsalternativen fur mittelstandische Unternehmen, das in Relation zu deren Grode zunimmt und sich den Moglichkeiten eines Grodunternehmens annahert.

^°

Vgl. Eischen (1998) 8. 557 f.

^^

Vgl. Mandler (2004)8.15. Unberucksichtigt bleiben indes diejenigen Unternehmen, die den Kapitalmarkt mit fremdkapitalverbriefenden Wertpapieren wie Anieihen o. a. in Anspruch nehmen.

1 Intemationalisierung der Rechnungslegung

16 Mittelstand Klein

Mittel

Groliunternehmen GroU Finanzierungsbedarf > 100 Mio. Euro

Primarer Fokus: Traditioneller Bankenkredit

PrimSrer Fokus: Traditioneller Bankenkredit

Klassische Alternativen zum Bankenkredit: a) Factoring und Leasing b) Lieferantenkredite

Klassische Alternativen zum Bankenkredit: a) Factoring und Leasing b) Lieferantenkredite

Grolikredit Konzernfinanzierungen (CashPooling) Anieihen Asset Backed Securities

• Innenfinanzierung a) offen (Gewinnthesauriemng und Gesellschaftereinlage) b) still (stille Reserven) - Selten: Externes Beteiligungskapital

• Privatplatzierungen von verbrieften Forderungen (wie Schuldscheindarlehen) • Externe Beteiligungsfinanzierung a) Finanzinvestor b) Strategischer Investor • Mezzanine-Kapital a) Nachrangige Darlehen b) Genussrechte c) Wandel-ZOptionsanleihen d) Stille Beteiligungen

Bdrsengang, Kapitalerhdhungen Qber den Kapitalmarkt und Dual Listing Steuerinduzierte (grenzUberschreitende) Finanzierungen • Strukturierte Finanzierung (Zins, Wahrung, Laufeeit)

Abbildung 1-3: Von der Unternehmensgr6(le abhSngige Finanzierungsinstrumente

Dieses Potenzial an Finanzierungsaltemativen wird von den deutschen nnJttelstSndischen Unternehmen in praxi jedoch nur zaghaft genutzt: Damit nehmen deutsche Unternehnnen bei ihrer Finanzierung im internationalen Vergleich eine Sonderrolie ein/^ Das Finanzierungsverhalten mittelstandischer Unternehmen wird mafigebiicii durch die enge Personenbindung des Eigentumers an „sein" Unternehmen beeinflusst. Gerade diese enge Bindung begrundet die uberwiegend ablehnende Haltung gegenuber den externen Finanzierungsquellen des Fremd- und insbesondere des Eigenl
Eigene Darstellung in Aniehnung an Winkeljohann (2003) S. 393. Vgl. o.V. (2003) S. 22. Vgl. Grichnik (2003) S. 85; Michaelas/Chittenden/Poutzlouris (1998) S. 246-260; Helfrich (2003) S. 236.

1.3 Weiterfuhrende Abgrenzung des Erfahrungsobjektes

17

und vor allem durch Bankkredite. Die Auswirkungen durch Basel iT® auf dieses Finanzlerungsverhalten bleibt abzuwarten/^ Beteiligungsfinanzierungen, offentllche Fordermittel und Insbesondere die direkte Finanzierung uber den Kapitalmarkt spielen fur die uberwiegende Mehrheit dieser Unternehmen jedoch uberhaupt keine Roiie/® Im Rahmen der Fremdfinanzierung steht bei nnittelstandlschen Unternehmen die klassische (Haus-)Bankenfinanzierung uber Kredite mit Abstand an erster Stelie/^ Die nicht zuletzt daraus resultierenden - und im internationalen Durchschnitt niedrigen - Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen dokumentieren diesen Sachverhalt eindrucksvoll.®^ Die im Gegenzug hohe Fremdkapitalquote der mittelstandischen Unternehmen ist in ihrem Kern auf steuerliche, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen zuruckzufuhren: Neben dem tradierten Hausbankensystem mit jahrelangen Kundenbeziehungen begunstigt insbesondere das deutsche Steuerrecht die Kreditfinanzierung gegenuber der Beteiligungs- und Eigenfinanzierung.®'' Abgesehen vom Vorteil der steuerlichen Anerkennung von Fremdfinanzierungskosten ist am Kapitalmarkt akquiriertes oder durch Beteiligungsfinanzierung erworbenes Eigenkapital aus Sicht mittelst^ndischer Unternehmen zudem mit hoheren Renditeen/vartungen belastet und damit oftmals teurer als ein Bankkredit.®^ Zudem firmieren die moisten mittelstandischen Unternehmen als Einzelunternehmung oder Personengesellschaft, denen per Rechtsform bestimmte Finanzierungsformen wie der Kapitalmarkt nicht zur Verfugung stehen. Trotz einer im internationalen Vergleich sehr geringen Eigenkapitalquote von im Durchschnitt ca. 18% beurteilen die betroffenen mittelstandischen Unternehmen ihre Eigenkapitalquote als unbedenklich. Mehr als 80 % empfinden diese als angemessen.®^ Selbst die grolieren mittelstandischen Unternehmen finanzieren sich mehrheitllch In erster Linie uber Kredite ihrer Hausbanken und besitzen daher kei-

Der unter der Bezeichnung ..Basel 11" bekannt gewordene ..New Basel Capital Accord" wurde als Konsultationspapier erstmais im Juni 1999 vorgesteilt. Vgl. Baseler Ausschuss fur Bankenaufsicht (2003). Alie Konsultationspapiere werden unter <www.bis.org> verSffentiicht. Vgl. hierzu weiterfuhrend Kapitei 5.3.1.2.2, S. 239. Vgl. Ahrweiier/BOrner/Grichnlk (2003) S. 384 f. Nach einer Studie von Siemens Financial Services in Kooperation mit mehreren bankwirtschaftlichen Lehrstuhien (2003). in deren Rahmen mehr als 500 Finanzmanager groderer mittelstandischer Unternehmen befragt wurden, finanzieren sich 92 % aller deutschen mittelstandischen Unternehmen u. a. uber langfristige Bankkredite; vgl. hierzu o.V. (2003) S. 22. Zur Bedeutung des Hausbankprinzips vgl. Hommel/Schneider (2004) S. 577-584. WShrend der Eigenkapitalanteil in Frankreich und den Niederlanden bei rund 30 % liegt, haben Deutschland und italien mit ca. 18 % bzw. 20 % im Vergleich zu anderen Industriestaaten die weltweit geringsten Eigenkapitalquoten; vgl. hierzu Scherer (2003) S. 157. Vgl. Ahrweiler/Borner (2003) S. 13; Helfrich (2003) S. 236 f. Vgl. Kolbeck/Wimmer (2002) S. 12. Vgl. Mind Finance (2000) S. 31 sowie Ahrweiler/Borner (2003) S. 12.

18

1 Internationalisierung der Rechnungslegung

nen direkten Kapitalmarktzugang.^ Boehm-Bezing kommt vor diesem Hintergrund zu folgendem Schluss: „Als ein zentrales finanzwirtschaftliches Kriterium fur den Mittelstand kann deshalb weiterhin der fehlende djrekte Zugang zu den Kapitalmarkten konstatiert werden."^^ Demnach ist die Gesamtheit der Unternehmen, die der Mittelstandsdefinition des IfM entsprechen, als nicht kapitalmarktorientiert zu bezeichnen. Die diese Unternehmen charakterisierende Einheit von Eigentum und Leitung ist damit ausschlaggebend fur die Finanzierungsstruktur und den folglich fehlenden Kapitalmarktzugang dieses Unternehmenstypus. Im Rahmen dieser Arbeit wird entsprechend der o. g. qualitativen Abgrenzung des IfM der Begriff „nicht kapitalmarktorientiertes Unternehmen" daher gleichgesetzt mit einem mittelstandischen Eigentunnerunternehmen, welches keinen direkten Kapitalmarktzugang bzw. kelne Ausrichtung auf Kapitalmarktgegebenheiten besitzt und damit im Sinne der lASVO als nicht kapitalmarktorientiertes Unternehmen anzusehen ist. In dieser Art und Weise wird der Begriff „nicht kapitalmarktorientiert" auch In der aktuellen Rechnungslegungsdebatte der einschlagigen Fachliteratur venA^endet.®^ Somit werden ausschliedllch diejenigen nicht kapitalmarktorlentlerten Unternehmen betrachtet, die den Merkmalen eines mittelstandischen Unternehmens im Sinne der qualitativen Mittelstandsdefinition des IfM entsprechen und demnach durch feste Eigentumer- und Finanzierungsstrukturen charakterisiert werden. Aus Sicht der Rechnungslegungspraxis wird es im EInzelfall dennoch Abweichungen zwischen den Unternehmensbegriffen ..mittelstandisch" und „nicht kapitalmarktorientiert" geben. Dies betrifft: •

einerseits kapltalmarktorientierte mittelstandische Unternehmen, die zwar aufgrund ihrer Unternehmenscharakteristika (Einheit von Eigentum und Leitung) als „Mlttelstandler" anzusehen sind, aber z. B. aufgrund einer Anieiheemission nach lAS-VO zu den kapitalmarktorientierten Gesellschaften zahlen und in Folge zur Aufstellung eines IFRS-Konzernabschluss ab 2007®^ verpflichtet sind;

•

andererseits nicht kapltalmarktorientierte Unternehmen, die zwar keinen Kapitalmarktzugang besitzen, aber aufgrund ihrer Unternehmensgrolie als Grofiun-

Vgl. Ohoven (2002) S. 7; Hommel/Schneider (2004) S. 579 f. Boehm-Bezing (2002) S. 158. Vgl.Mandler (2004)8.16. Fur Unternehmen, die einen Kapitaimarkt der EU lediglich mit fremdkapitalverbriefenden Wertpapieren (Schuldtitein) in Anspruch nehmen, besteht nach Art. 9 lAS-VO ein Mitgliedstaatenwahirecht, erst zum 1.1.2007 einen verpfiichtenden lAS/IFRS-Konzernabschluss aufzustellen; vgl. hierzu Kapitel 3.2, S. 81.

19

1.4 Gang der Untersuchung

ternehmen im Sinne des Publizitatsgesetzes®® (PubIG) Oder aufgrund der Existenz von Konzernstrukturen nicht mehr als mittelstandisches Unternehmen zu qualifizieren sind. Derartige Ausnahmen sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Ober ihre Ausmade und Grodenordnung gibt es derzeit keine Untersuchungen, jedoch ist davon auszugehen, dass die grode Mehrheit der niciit kapitalmarktorientierten Unternelimen in Deutschland der Mittelstandsdefinition des IflVI entspricht. Auf die Charakteristika und Belange aussciiliefliicii dieser Unternehmen konzentriert sich die vorliegende Arbeit.

1.4 Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit gliedert den Prozess der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland nach chronologischer Reihenfolge in drei Teilabschnitte. Abbildung 1-4 verdeutlicht die grundlegende Struktur: Teil 1 Historische Entwicklung

Teil II Aktuelle Entwicklung

Teil III Zukunftige Entwicklung

Kapitel 2

Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutscliland

Kapitel 3

Die neue Rechnungslegungsstrategie der ED und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland

Kapitel 4

Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Kapitel 5

PraktikabilitSt und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme mit den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen

Kapitel 6

Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung

Abbildung 1>4: Grundlegende Struktur der vorliegenden Arbeit

Der erste Teilabschnitt (Teil I) der Arbeit widnnet sich der historischen Entwicklung des Internationalisierungsprozesses der externen Rechnungslegung, die als Grundlage der Erklarung und Bewertung der aktuellen und zukunftigen Entwicklung der Rechnungslegung in Deutschland in den weiteren Teilabschnitten (Telle II undlll)dient.^^

Nach der rein qualitativen Abgrenzung des IfM handelt es sich hierbei infimer noch urn mittelstandlsche Unternehmen. Nach § 1 PubIG wird ein Unternehmen als „grofl" angesehen, wenn es zwei der folgenden Kriterien erfulit: Bilanzsumme > 65 Mio. €; UmsatzerlOse > 130 Mio. € Oder Mitarbeiter > 5.000. Dem geht eine Einfuhrung in die theoretischen Grundlagen in Kapitel 1, 8.1 voraus.

20

1 Internationalisierung der Rechnungslegung

Ausgehend von der grundsatzlichen Notwendigkeit der Harmonisierung von Rechnungslegungssystemen (Kapitel 2.1) sowie den fruhen europaischen Harmonisierungsbemuhungen (Kapitel 2.2.1) steht im Zentrum von Kapitel 2 der Wettlauf der IFRS gegen die US-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) „[...] im Spiel urn die World Standards of Accounting"^° (Kapitel 2.2.2) samt seiner Entwicklungsstadien. Die deutsche Diskussion urn die Internationalisierung der Rechnungslegung geht dabei bis in das Jahr 1965 zuruck, hat jedoch mit Verabschiedung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) inn Jahre 1985 deutlich an Dynamlk gewonnen. Unter Berucksichtigung der zuvor erorterten Einflusse internationaler Harmonisierungsbestrebungen beschreibt Kapitel 2.3 die Entwicklungsschube der Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung. Hierbei soil nicht nur auf die gesetzllche Entwicklung in Deutschland, sondern auch auf den Aufgabenbereich des Deutschen

Rechnungslegungs

Standard Committees

(DRSC) eingegangen werden (Kapitel 2.3.2). Durch die Verpflichtung der borsennotlerten Konzernmuttergesellschaften zur Anwendung der IFRS in ihren konsolldierten Abschlussen hat sich die Europaische Kommission berelts Im Jahr 2002 zugunsten der internatlonalen Rechnungslegungsstandards entschieden: In Kapitel 3.2 werden Umfang und Inhalt der lASVerordnung als zentraler Bestandtell der zuvor (in Kapitel 3.1) beschriebenen neuen Rechnungslegungsstrategie in der EU dargestellt, an deren Ende die Anwendung der IFRS in samtlichen europaischen Konzern- und Einzeljahresabschlussen stehen wird. Die lAS-Verordnung hat in Deutschland Diskussionen uber die Zukunft des deutschen Handelsrechts in Konzern- und Einzeljahresabschluss ausgelost (Kapitel 3.4), die der deutsche Gesetzgeber mit Ausubung der durch die lAS-Verordnung gewahrten Mitgliedstaatenwahlrechte zunachst zugunsten des HGB beendet hat (Kapitel 3.3). Im Rahmen der aktuellen ReformbemiJhungen soil das deutsche Handelsrecht vor dem Hintergrund europaischer Vorgaben jedoch grundlegend reformiert werden. Der Umfang der bereits erfolgten und noch ausstehenden Reformbemuhungen wird in Kapitel 1.1 dargestellt. Im Zentrum der Betrachtung von Tell II steht jedoch die derzeltige Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses in Deutschland. In diesem Teilabschnitt soil daher das reformierte deutsche Handelsrecht der Systemalternative IFRS gegenubergestellt werden. In Kapitel 4.1 wird zunachst das aktuelle Reformvorhaben des deutschen Gesetzgebers umfassend erortert: Neben der Eriauterung der Notwendigkeit einer welteren Reform des HGB (Kapitel 4.1.1) sollen einleitend die europaischen Rahmenbedingungen, die durch die 4. EG-Richtlinie vorgegeben

^°

Schildbach (2002c) S. 38.

1.4 Gang der Untersuchung

21

werden, detailliert beschrieben werden (Kapitel 4.1.3). Vor diesem Hintergrund werden in Kapitel 4.1.4 notwendige Reformvorschlage fur ausgewahlte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden hergeleitet, die der gewunschten Annaherung an die Internationale Rechnungslegung entsprechen. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit erweiterter Publizitatsvorschriften (Kapitel 4.1.5). Abschlieilend wird das aktuelle Reformvorhaben in Kapitel 4.1.6 einer kritischen Wurdigung aus europaischer und deutscher Perspektive unterworfen. Die Alternative zu einer weiteren Reform des deutschen Handelsrechts stellen die IFRS dar (Kapitel 4.2). Deren grundsatzliche Eignung fur den Einzeljahresabschluss in Deutschland muss jedoch zunachst uberpruft werden (Kapitel 4.2.2). Die notwendige Eignungsuntersuchung erfolgt anhand der in Deutschland ubiichen Jahresabschlusszwecke: Neben der Informationsfunktion wird daher auf die im deutschen Handelsrecht verankerten Zwecke der Zahlungs- und Steuerbemessung einzugehen sein. Die Ergebnisse der Eignungsuntersuchung werden schlielilich in Kapitel 4.2.3 zusammengefasst. Teilabschnitt III widmet sich der zukunftigen Entwicklung der Rechnungslegung aus Sicht der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland. Als Grundlage weiterfuhrender Uberlegungen werden daher deren Anforderungen an den Einzeljahresabschluss in Kapitel 5.1 formuliert und anschlieliend thesenformig zusammengefasst (Kapitel 5.1.4). Diese bilden gleichzeitig den Ausgangspunkt der beiden folgenden Kompatibilitatsprufungen. Letztere sollen ermittein, inwiefern ein reformierter Einzeljahresabschluss nach HGB (Kapitel 5.2.1) bzw. ein Jahresabschluss auf Grundlage der Systemalternative IFRS (Kapitel 5.3.1) den zuvor formulierten Anforderungen der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen entsprechen. Ebenso muss die Praktikabilitat eines Rechnungslegungssystems gegeben sein. Vor dem Hintergrund ihrer hohen Komplexitat und umfangreichen Publizitatsvorschriften stellen die IFRS in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen jedoch nur dann eine praktikable Rechnungslegungsalternative dar, wenn mit diesen Erieichterungen einhergehen. Die Differenzierung der originaren IFRS stellt insofern einen bedeutenden Reformansatz dar, auf den ausfuhrlich in Kapitel 5.3.2 eingegangen werden soil. Erst dann konnen weiterfuhrende Praktikabilitatskriterien fur die Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss formuliert werden (Kapitel 5.3.3). Ebenso muss der nach HGB de lege ferenda zu erwartende Einzeljahresabschluss in das zukunftige Rechnungslegungsumfeld eingeordnet werden und dabei auf seine Praktikabilitat uberpruft werden (Kapitel 5.2.2). Die Ergebnisse der Kompatibilitatsuntersuchungen und Praktikabilitatskriterien fliefien in die abschliedende Betrachtung in Kapitel 6 ein. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend werden in Kapitel 6.1 Prognosen uber die Zukunft der Rechnungs-

22

1 Intemationalisierung der Rechnungslegung

legung im deutschen Einzeljahresabschluss hergeleitet. Die Arbeit schliedt mit der Schlussbemerkung in Kapitel 6.2. Abbildung 1-5 (Seite 23) steilt den Gang der Untersuchung graphisch dar.

1.4 Gang der Untersuchung

Abbildung 1-5: Gang der Untersuchung

23

2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland 2.1 Notwendigkeit vergleichbarer Rechnungslegungsdaten Die verstarkte grenzuberschreitende Untemehmenstatigkeit europaischer und insbesondere deutscher Untemehmen aller Grolien sowie die Globalisierung der Kapitalmarkte stellt die externe Rechnungslegung der betroffenen Unternehmen vor die Herausforderung, ihre Daten einem zunehmend internationalen Adressatenkreis zuganglich maciien zu mussen. Dieses internationale Aniegerpublikum mochte seine Investitionsentscheidungen jedoch auf der Grundlage vergleichbarer Abschlussdaten treffen - losgelost von Verzerrungen lokaler Rechtsnormen, die primar von den jeweiligen nationalen soziookonomischen und historischen Rahmenbedingungen gepragt sind. Fehlende Vergleichbarkeit - und damit auch Verstandlichkeit - verlangen von weltweit agierenden Investoren eine tief greifende Expertise der jeweiligen nationalen Bilanzierungsgewohnheiten, die mit hohen Informationskosten einhergeht. Denn Investor entstehen weitere Kosten bei der Aufbereitung von Rechnungslegungsinformationen, well dieser Abschlussdaten aus divergierenden Rechtskreisen nachbearbeiten muss, urn sie vergleichbar zu machen.^'' Aufgrund der resultierenden Aufbereitungs- und Informationskosten fur einen Investor kann daher u. U. eine Investition unterbleiben. Investoren versuchen letztlich, grofitmogliche Markttransparenz zu erreichen, urn die Risiken ihrer Aniageentscheidungen zu minimieren.^^ Je transparenter und vergleichbarer die vorhandenen Unternehmensdaten sind, desto zielgenauer lassen sich kunftige Renditen schatzen und Risiken einer Investition eingrenzen - und umso attraktiver wird ein Unternehmen aus Sicht des Investors.^^ Kuting kommt daher folgerichtig zu dem Schluss: „lm Zuge der Globalisierung der Kapitalmarkte stellt die Financial Community immer hohere Anforderungen an die Unternehmen, bei denen sie koine nationalen Unterschiede hinsichtlich der Rechnungslegung macht."^"^ Der Druck zu einer generellen Harmonisierung der Rechnungslegung^^ aufgrund international agierender Investoren wird fur die betroffenen Unternehmen durch diverse Vorteile flankiert:

Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 21 f. Vgl. Wagenhofer (2002) S. 230 f. Vgl. Ernst (2002) S. 181 f. Kuting (2000) S. 39. Die Harmonisierung der Rechnungslegung wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert, so dass sich bisher keine einheitliche Definition durchgesetzt hat. Unter dem Begriff „Harmonisie-

26 •

2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung Eine intematjonale Harmonisierung erleichtert vielen (deutschen) Unternehmen den Zugang zu internationalen Kapitalmarkten - und insbesondere dem amerikanischen Kapitalmarkt - da aufwendige und kostentreibende Uberleitungsarbeiten in ein anderes Rechnungslegungswerk entfallen.^^

•

Fur weltweit agierende Konzerne entfallt im Rahmen der Aufbereitung und Anpassung der Einzeljahresabschlusse ihrer Tochterunternehmen (Aufstellung der HB II) eine aufwendige Anpassung an die Bilanzlerungs- und Bewertungspraktiken bzw. die Rechnungslegungsnormen der Mutter.

•

Falls Mutterunternehmen die Rechnungslegungsdaten ihrer Tochter inn Rahmen der internen Rechnungslegung fur Planungs-, Steuerungs- und Kontrollzwecke einsetzen, hilft eine harmonisierte Grundlage der Daten, mogliche Akzeptanz- und Koordinationsprobleme zu minimieren.^^

•

Prinzipiell geht mit international vergleichbaren Rechnungslegungsnormen eine Erhohung des Kommunikationswertes des Instruments Jahresabschluss" einher, die zu einer besseren Verstandlichkeit und somit Informationskostenreduktion bei auslandischen Geschaftspartnern und Verantwortlichen der einbezogenen Konzernunternehmen fiihrt.^®

•

Schulungskosten im Personalbereich konnen verrlngert werden, wenn im ganzen Unternehmen eine einheitliche Grundlage von Rechnungslegungsdaten anstelle voneinander divergierender nationaler Normen - besteht.

Von einer starkeren Angleichung der Rechnungslegungssysteme profitieren neben den betroffenen Unternehmen insbesondere Internationale Glaubiger und Ratingagenturen, die in Analogie zu internationalen Investoren vor dem Hintergrund einer harmonisierten Datenbasis relevante Rechnungslegungsinformationen bei

rung der Rechnungslegung" wird im Rahmen dieser Arbeit entsprechend der Definition von Rost ein Vorgang verstanden, „[• •] bei dem die Anzahl der Unterschiede in den Rechnungslegungspraktiken zwischen den Rechnungslegungssystemen zweier (oder mehrerer) Lender durch wechselseitige Aufgabe bzw. Ubernahme von Rechnungslegungspraktiken reduziert wIrd und so eine Konzentration auf eine reduzierte Anzahl ubereinstimmender gemeinsamer internationaler Rechnungslegungspraktiken erfolgt." Rost (1991) S. 2 1 . Dies setzt jedoch voraus, dass entsprechende harmonisierte Rechnungslegungsnormen von den jeweiligen nationalen Borsenaufsichtsbehorden auch anerkannt werden. Vgl. Pellens/Fullbier/Gassen (2004) S. 41-44. Vgl. Kuting (2000) S. 38.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

27

niedrigeren Transaktionskosten in ihrem Sinne auswerten konnen. Letztlich steigt dadurch die Qualitat der Kreditwurdigkeitsprufung. Daneben fuhrt eine Harmonisierung der Rechnungslegung auch fur Wirtschaftsprufungsgeselischaften zu einer Komplexitats- und Kostenreduktion beim Einsatz internationaler Prufungsteams.^^

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen Zur Systematisierung von Harmonisierungsbestrebungen stelien drei verschiedene Kriterien zur Verfugung: Einerseits kann nach Tragern einer Initiative zur Harmonisierung (Wer?) klassifiziert werden, andererseits aber aucli nach deren Verbindliclikeitsgrad^°° (Wie?) oder nach den konkreten lnhalten^°^ (Was?).''°^ Die folgende Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen aus deutscher Sicht basiert auf einer Differenzierung der wichtigsten Tragerinstitutionen der internationalen Harmonisierung. Auf der Grundlage der Unterscheidung nach den Institutionen einer Harmonisierung der Rechnungslegung folgt eine Beschreibung ihres jeweiligen Verbindlichkeitsgrades i. V. m. der Eriauterung und Wurdigung der fur die Internationale Harmonisierung relevanten Inhalte. Die Untersuchung beschrankt sich dabei auf diejenigen Organisationen, die auf europaischem Oder weltweitem Niveau im Bereich der Harmonisierung der Rechnungslegung von Bedeutung sind bzw. waren. Die derzeit weltweit bestehenden Harmonisierungsbestrebungen lassen sich aus deutscher Sicht vor allem in einen europaischen und einen internationalen Kontext untergliedern. Beide Entwicklungsprozesse uben gleichermafien und in Teilen unabhangig voneinander Einfluss auf die Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland aus und sind damit entscheidende Determinanten des deutschen Internationalisierungsprozesses der Rechnungslegung. Abbildung 2-1 (Seite 28) verdeutlicht diese Interdependenzen.

Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 22. Zu Bedenken gegen eine Harmonisierung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme sowie eine Betrachtung weiterer interessengruppen wie Arbeitnehmer, Kunden, staatliche institutionen u. a. vgl. Pellens (2001) S. 390-393. Hierbei wird anhand der Sanktions- und Durchsetzungsmechanisnnen einer Harmonisierung wie internationalen Gesetzen, nationalen Gesetzen, Empfetiiungen oder MarktIosungen unterschieden. Die Differenzierung nach Inhaiten erstreckt sich von Begriffen uber allgemeine Grundsatze bis zu konkreten Handlungsanweisungen. Ferner kann eine Systematisierung auch anhand des Anwendungsbereichs (Einzei-ZKonzernabschiuss oder Differenzierung nach bestimmten Unternehmensgruppen) stattfinden. Vgl. Pellens (2001)5.396 f.

2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

28

Determinanten der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland HarmonisJerung innerhalb der EU

Weltweite Harmonisierung 1973: IAS als erster Versuch eines echten internationalen Rechnungslegungssystems

1967: Erste Harmonisierungsschritte der Rechnungslegung durch EG-Bilanzrichtlinien (1978/1983)

2000: Durch Annerkennung der IOSCO wachsende weltweite Bedeutung der IFRS

43-

2002: Starkung durch verpflichtende Anwendung der IFRS fur kapitalmarktorientierte Konzerne in der EU ab 2005

ab1995: Neue Rechnungslegungsstrategie

Verpflichtende Anwendung der IFRS ab 2005 fur kapitalmarktorientierte Konzerne Modernisierung der EG-Bilanzrichtlinien, urn Kompatlbilit^t mit den IFRS zu errelchen

3

Parallel: Verbreitung der US-GAAP als weltweit dominierendes, aber nationales Rechnungslegungssystem (primar urn Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt zu erhalten)

J3. In Zukunft: M5glichkeit der gegenseitigen Anerkennung bzw. Konvergenz zwischen IFRS und US-GAAP

Fortschreitende Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland Abbildung 2-1: Determinanten der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland

2.2.1 Harmonisierung der Rechnungslegung in Europa Die Grundlagen zur Harmonisierung der verschiedenen europaischen Rechnungslegungssystenne wurden bereits Ende der 60er Jahre gelegt.''^^ Gesetzlich verankert wurde die Harmonisierung der europaischen Rechnungslegung jedoch erst-

Obwohl bei Grundung der EWG 1956 in Rom im Grundungsvertrag (EWGV) die Harmonisierung von Rechnungslegungsgrundsatzen zwar nicht ausdrijcklich verfolgt wurde, artikulierte Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g bereits die Schaffung solcher GrundsStze als Teil der Harmonisierung auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Im Jahre 1965 bildeten die Berufsvertretungen der europaischen Wirtschaftsprufer einen eigenen Ausschuss mit dem Ziel der Harmonisierung der Rechnungslegung in Europa. Dieses Gremium - aufgrund seines ersten Vorsitzenden Dr. Wilhelm Elmendorff auch als ..Groupe Elmendorff' bekannt - erarbeitete das Fundament der Vierten EG-Bilanzrichtlinie, deren erster Entwurf 1967 folgte; vgl. hierzu Niehus (2003a) 8. 966.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

29

mals im Jahre 1978 mit der Vierten EG-Richtlinie^°'*, der im Jahr 1983 die Siebte EG-Richtlinie''°^ folgte. Ziel der beiden so genannten Rechnungslegungsrichtlinien ist die Harmonisierung des Bilanzrechts in den (damaligen) Mitgliedstaaten. Durcin die Richtlinien sollten die Biianzierungsvorsciihften fur den Einzel- und Konzernabschluss von Kapitalgeselischaften innerhalb der EU angeglichen werden. Sie stellen damit den ersten Versuch auf europaischer Ebene dar, eigentlich unter nationale Hoheit fallende Rechnungslegungsnormen uber die Landesgrenzen hinweg innerhalb der EU anzugieiciien. Das Instrument der Richtlinie eriaubt den Mitgliedstaaten die notwendige Flexibilitat bei der Unrisetzung in nationales Recht. Diesen bleibt dabei selbst uberlassen, auf welchem Weg sie das neue Gemeinschaftsrecht unter Berucksichtigung des jeweiligen nationalen soziookononnischen Umfelds uberfuhren.''^® Die beiden Rechnungslegungsrichtlinien stellen letztlich das Ergebnis eines politisch geprSgten und gewollten Kompromisses dar: Es Ist innerhalb der europciischen Union der Versuch unternommen worden, ein Gleichgewicht zwischen Glaubigerschutz (kontinentaleuropaische Denkweise) und Investorinformation (angloamerikanische Denkweise) herzustellen. Dieser innerhalb Europas problematische Dualismus zwischen kontinentaleuropaischer und angloamerikanischer Rechnungslegungsphilosophie pragt gleichermaden auch den internationalen Kontext der Harmonisierung der Rechnungslegung. Den eher starren, auf romischem Recht basierenden, kontinentaleuropaischen Rechnungslegungsnormen stehen privat organisierte und vorzugsweise auf Einzelfallentscheidungen aufbauende angelsachsische Gesetzesregelungen gegenuber. Wahrend in Kontinentaleuropa der Glaubigerschutz stark verankert ist, der sich in einem dominierendem Vorsichtsprinzip mit dem unbedingten Ziel der Kapitalerhaltung manifestiert, steht auf angloamerikanischer Seite das Investorinteresse im Vordergrund. Aufgrund des - im Vergleich zu kontinentaleuropaischen Verhaltnissen stark abgeschwachten - Vorslchtsprinzips uberwiegt hier das Gebot der periodengerechten Gewinnermittlung gegenuber dem Postulat der Substanzerhaltung.''^^ Hinzu kommen In

Vierte Richtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaften uber den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78/660/EWG) vom 25.7.1978. ABIEG L 222 vom 14.8.1978, S. 11; sog. EinzeijahresabschiussrichtJinie. Siebte Richtlinie des Rates der EuropSischen Gemeinschaften aufgrund von Artikel 54 Abs. 3 Buchstabe g des Vertrages uber den konsolidierten Abschluss (83/349/EGW) vom 13.6.1983, ABIEG L 193 vom 18.7.1983, S. 1; sog. Konzernabschlussrichtlinie. Vgl. Hulle (2003) S. 969-971. Die Impiementierung in nationales Recht kann bspw. an einen privaten Standard-Setter wie den DRSC delegiert werden oder uber gesetzliche Kodifikation durch staatliche Institutionen erfolgen. Vgl. Kleekamper/Konig (2000) S. 569; einen umfangreichen Uberblick uber die unterschledlichen Entwickiungen des kontinentaleuropaischen im Vergleich zum angloamerikanischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gibt Merkt (2001) S. 142-150.

2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

30

Europa unterschiedliche Auspragungen dieser beiden Rechnungslegungstraditionen untereinander: Accounting Traditions I Anglo Saxon: Micro/Professional

Continental: Macro/Uniform

X

1

X

Business Economics Netherlands

Pragmatic Denmark UK and Ireland

Plan France Belgium Spain

I

X

Law Italy Germany Austria Switzerland

Government Economics Sweden Finland

Abblldung 2-2: Auspragung unterschiedlicher Rechnungslegungstradltionen in Europa

Die Konsequenz aus diesem Dualismus ist eine VJelzahl von entstandenen Ansatz- und Bewertungswahlrechten im Rahmen der beiden Rechnungslegungsrichtlinien, die versuchen, den national divergierenden historischen Entwicl
111 112

Vgl. Born (2002) S. 668. Vgl. Kuting (2000) 8. 38 f. Vgl. stellvertretend Ducker (2002) 8. 71; Kuting (2000) 8. 39; Kufimaul (2000) 8. 342. Ludenbach (2004) 8. 24 f. Hierunter fallen bspw. die Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen, die Bilanzierung latenter Steuern Oder die Wahrungsumrechnung.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

31

erstreckt sich die Umsetzung in nationales Recht oftmals uber Jahre.''''^ Kuting bringt es auf den Punkt: "Der Prozess der Implementierung der entsprechenden Richtlinien in nationales Recht hat dennnach seinen wirtschaftlichen Zweck verfehlt."^''^ Insbesondere aufgrund des zahen Verhandlungsprozesses zwischen den Mitgliedstaaten sowie der langjahrigen Umsetzungsphase in die nationale Rechtsprechung besteht zudem kaum die IVloglichkeit, im Rahmen einer Anpassung der EG-Richtlinlen auf aktuelle Entwicklungen zeitnah zu reagierenJ''^ Die Harmonisierungsbestrebungen der EU sind auch nach Verabschiedung und Umsetzung der Richtlinien in Mitgliedstaatenrecht fortgesetzt worden, jedoch hat sich die DIskussion um eine weitere Anpassung der verschiedenen nationalen Rechnungslegungsgrundsatze seit Anfang der 90er Jahre von der europaischen zunehmend auf die Internationale Ebene verlagert. Die treibende Kraft hinter dieser Verlagerung sind in Europa die grolien, weltwelt operlerenden Konzerne, die einerseits ein Internationales Portfolio an Tochterunternehmen aufweisen und ferner auf eine weltweite Kapitalaufbringung angewlesen sind. Insbesondere der weltwelt grodte Kapitalmarkt, der US-amerlkanische, verlangt nach mehr - und In vielen Fallen auch abweichenden - Rechnungslegungslnformationen, als diesem auf Basis der EG-Bllanzrichtlinien zur Verfugung gestellt werden konnen. Anfang der 90er Jahre ergab sich fur international tatlge europaische Konzerne die Notwendigkeit, zunehmend Konzernabschlusse nach US-GAAP oder IFRS aufzustellen, um die Informationsbedurfnisse der internatlonalen Kapltalmarkte zu stlllen.''^® Den Durchbruch fur eine an den Informationsbedurfnissen der Anieger orlentierte Rechnungslegung marklert das viel zitlerte Beisplel der Daimler-Benz AG, die als erstes deutsches Unternehmen Im Jahr 1993 einen (parallelen) Abschluss nach US-GAAP aufgestellt hat, um die Zulassungsvoraussetzungen der New York Stock Exchange (NYSE) zu erfullen.''^^ Seit dem Scheitern eines Abkommens der Europaischen Kommlsslon zur gegenseltlgen Anerkennung der Rechnungslegungsvorschriften mit den Vereinlgten Staaten im Jahr 1990 und der Erkenntnis, dass „[...] der Harmonisierungsproze(i[!]^^® keine wirklichen Fortschrltte [In den letzten Jahrzehnten] machte"''^^, ver-

Die Vierte EG-Richtlinie (1978) wurde bspw. in Italien erst 1991 in nationales Recht umgesetzt, die Siebte EG-Richtlinie (1983) in Frankreich und Deutschland im Jahr 1985, in Irland sogar erst im Jahr 1992. Kuting (2000) S. 39. Vgl. Helleman/Slomp (2002) S. 218. Vgl. Hulle (2003) S. 971 f. Vgl. Behretal. (2002)8.279. Diese Arbeit folgt der neuen Rechtschreibung. Veraltete bzw. falsche Formulierungen und Schreibweisen werden buchstablich genau ubernommen, jedoch mit [I] gekennzeichnet.

32

2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

folgt die EU eine zunehmend intemationale Rechnungslegungsstrategie. Auf der im Januar 1990 in Brussel einberufenen „Konferenz zur Zukunft der Harmonisierung der RechnungslegungsgrundsStze in der EuropSischen Gemeinschaft"''^^ wurde die Harmonisierung der Rechnungslegung der Mitgliedstaaten immer nocii als wunschenswertes Ziel artikuliert - jedocii niciit meiir durcii weitere legislative Madnahmen bzw. eine weitere Reduktion von Wahlrechten im Rahmen der EGRlchtlinien. Die Partizipation am weltweiten Harmonisierungsprozess ruckte erstmals in den Fokus der Europaischen Union.''^^ Um ihren Einfluss auf den zunehmend weltweit stattfindenden Harmonisierungsprozess nicht zu verlieren, wurde die EU folgerichtig 1990 Mitglied der Consultative Group^^^ des lASC, welches ihr auch heute noch im lASB einen Beobachterstatus garantiert. Bedeutendste Resultat auf diese neue Zusammenarbeit war die Ankundigung der Elimlnierung von Unterschieden zwischen beiden Rechnungslegungssystemen mit dem Ziel einer verstSrkten Ausrichtung der Harmonisierungsbestrebungen der EU an die lASRechnungslegung. Vor diesem Hintergrund sollten keine neuen EG-Richtlinien mehr eriassen, sondern ausschliefilich bestehende uberarbeltet werden.''^^ In der Tat hat sich die EU in der Folgezeit von dem Gedanken einer Harmonisierung der Rechnungslegung In Europa mit dem Ziel eines einheitlichen europaischen Normensystems zunehmend verabschiedet. Manifestiert wird diese Kehrtwende weg von einem uber Jahrzehnte stagnlerenden Harmonisierungsprozess mit dem Ziel einheitlicher europaischer Rechnungslegungsnormen, hin zur Ubernahme der international anerkannten Rechnungslegungsvorschriften IFRS - durch die 1995 von der Europaischen Kommission veroffentlichte Mitteilung „Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: Eine neue Strategie im Hinblick auf die Internationale Harmonisierung""*^^. Diese neue Strategie stellt zweifelsohne einen Paradigmenwechsel In den Bemuhungen der Europaischen Kommission um eine Harmonisierung der Rechnungslegung dar. Ihre Inhalte und Konsequenzen werden im dritten Kapitel ausfuhrlich diskutiert.

Hulle ( 2 0 0 3 ) 8 . 9 7 1 . Vgl. EuropSische Kommission (1990). Vgl. Helleman/Slomp (2002) S. 218. Die Consultative Group ist das Vorgangergremium des heutigen Standards Advisory Councils (SAC). Das SAC berat das lASB bei der Strategie und der Festlegung seines Arbeitsprogramms. Vertreten sind in diesem Gremium u. a. Reprasentanten der Weltbank, des IWF und der IOSCO sowie die EU und die SEC mit Beobachterstatus. Vgl. Kulimaul (2000) S. 347. Vgl. Europaische Union (1995) vom 14.11.1995.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

33

2.2.2 Weltweite Harmonisierung der Rechnungslegung Neben den Bemuhungen einer Harmonisierung der Rechnungslegung durch die EuropSische Union - auf vergleichsweise regional begrenztenn Niveau - wird das Ziel einer internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung weltweit von einer Vielzahl von Organisationen verfolgt. Dominiert werden die internationalen Harmonisierungsanstrengungen in praxi von den miteinander konkurrierenden international anerkannten Standards des lASB und den national verankerten, aber weltweit bedeutenden US-GAAP. Viele neue Entwicklungen und Tendenzen aus der Rechnungslegungspraxis finden ihren mittelbaren Eingang in die Internationale Rechnungslegung uber die USGAAP, deren Normensetzungsprozess durch eine gewisse Praxisnahe und Flexibilitat bestlmmt wird. Zum Verstandnis der Entstehung neuer Regelungen in der Praxis der internationalen Normensetzung muss zudem ein besonderer Fokus auf das politische Gewicht der am ..Standard Setting Process" direkt oder indirekt beteiligten Institutionen gelegt werden. Aus diesem Grund kann die Entwicklung der IFRS nicht nur in Relation zu den US-GAAP, sondern muss auch im Hinblick auf die bestehenden Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Organisationen gesehen werden. Insbesondere in den USA entscheidet oftmals das Machtgefuge zwischen den beteiligten Organisationen uber die Entstehung und konkrete Ausgestaltung neuer Rechnungslegungsnormen, was in der Praxis der Normensetzung oftmals zu einem „[...] Spannungsverhaltnis zwischen reinem Sachbezug und politischem Druck"""^^ fuhrt. Diese Gemengelage zwischen sachlich optimaler und politisch motivierter Normenentwicklung wird bei den folgenden Ausfuhrungen besonders berucksichtigt. Daneben haben auch eher politische Institutionen wie die United Nations Organisation (UNO) Oder die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) unterschiedliche Ansatze zur weltweiten Harmonisierung der Rechnungslegung entwickelt, denen aber vergleichsweise wenig praktische Bedeutung zukommt.''^^

'^^ Schildbach (1999c) S. 412. '^^ Vgl.Wagenhofer(2005)S. 25f.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

2.2.2.1 Historische Entwicklung der International Accounting Standards Das bereits 1973 in London^^^ als privatrechtliche Organisation gegrundete International Accounting Standards Committee (lASC) verfolgt seit seiner Grundung das - anfangs utopische - Ziel der Entwicklung von international anerkannten und befolgten Rechnungslegungsnormen sowie der Forderung ihrer weltweiten Anerkennung. Letztlich sollte ein weltweit einheitliches Rechnungslegungssystem geschaffen werden - mit der Vision eines hochwertigen Satzes globaler Rechnungslegungsvorschriften (..single set of high-quality standards").''^® Das Selbstverstandnis des lASC als ..the global standard setter"''^^ ging dabei von Beginn an uber die regional beschrankten Harmonisierungsbestrebungen der EU hinaus.''^^ Wichtiger Initiator der Grundung des lASC war Grodbritannien, das eine weltweite Durchsetzung angelsachsischer Rechnungslegungsnormen beabsichtigte. Zudem waren aus britischer Sicht die 4. und 7. EG-Richtlinie zum damaligen Zeitpunkt zu kontinentaleuropaisch gepragt, weshalb die Schaffung eines Gegengewichts forciert werden sollte.^^^ Die historische Entwicklung des lASC zu einem der heute weltweit bedeutendsten Standard-Setter lasst sich dabei in drei Phasen unterteilen, die sich an seinem stark voneinander abweichenden Tatigkeitsprofil orientieren:''^^ •

Entwicklung von Standards mit zahlreichen Wahlrechten als Ergebnis umfangreicher Kompromisse zwischen kontinentaleuropaischer und angloamerikanischer Rechnungslegungsphilosophie,

•

Ausarbeitung von Rahmenbedingungen und Reduzierung von Wahlrechten,

•

Erfullung der Anforderungen der International Organisation of Securities Commissions (lOSCO^^l^^^

Am 29.6.1973 wurde das lASC von 16 Vertretern der wirtschaftsprufenden Berufe aus neun Landern (Deutschland, Frankreich, Niederlande, Grofibritannien, USA, Kanada, Australien, Japan und Mexiko) gegrundet. Erster Vorsitzender war der Brite Lord Benson. Heute gehoren denn lASC 153 Berufsorganisationen aus 112 Landern an; erhaltlich unter <www.iasc.org.uk>. Vgl. Baetge/Thiele/Plock (2000) S. 1033 f. lASB (2004c) 8. 3. Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 28 f.; Kleekamper/Konig (2000) 8. 570. Vgl. Weifienberger et al. (2003) 8. 9 f. Eine umfangreiche Obersicht uber die Entwicklung und den Aufbau des IA8C gibt Mandler (2003c) 8. 476-484. Die I 0 8 C 0 ist die Internationale Vereinigung - und somit Dachorganisation - aller nationalen Wertpapieraufsichtsbehorden. 8ie wurde 1974 mit dem Ziel gegrundet, die Kooperation zwischen den Aufsichtsinstituten der Mitgliedstaaten zu fordern, die Entwicklung einheitlicher Standards fur Bdrsenzulassung, Wertpapiertransaktionen sowie Marktaufsicht voranzutreiben sowie die gegenseitige Unterstutzung bei der Verfolgung von Regelverstofien sicherzustellen; vgl. weiterfuhrend Kapitel 2.2.2.7, 8. 60.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

35

In den Jahren 1973-1988 entstanden die ersten 28 Rechnungslegungsstandards, die vom unuberbruckbaren Gegensatz der giaubigerschutzorientierten kontinentaleuropaischen und der angloamerikanischen kapitalnnarktorientlerten Rechnungslegungsphilosophie gepragt waren. Die auch als ..additive Harmonisierung"^^^ bezeichnete erste Phase fuhrte in der Folge zu einer Vielzahl von Wahlrechten (mehr als 200), die zum Ausdruck des Kompromisses zwischen beiden Rechnungslegungswelten wurden: Sowohl ein Jahresabschluss auf Basis der EG-Richtlinien als auch ein nach US-GAAP aufgestellter Abschluss waren mit den IAS voll vereinbar. Entsprechend gering war die praktische und politische Bedeutung des privaten Standard-Setters im Rahmen der weltweiten Harmonisierung, der keinerlei Einfluss auf die verpflichtende Implementierung seiner Rechnungslegungsnormen besafi.''^® Einen strategischen Richtungswechsel durch Beendigung des - die Weiterentwicklung der IAS und die weltweite Harmonisierung lahmenden - Dualismus zweier Normensysteme zu einer verstarkten Annaherung an nur eine Rechnungslegungsphilosophie vollzog das lASC erst im Jahre 1987 durch eine engere Zusammenarbeit mit der IOSCO. Die Jahre 1989-1993 wurden vom sog. ..Comparability Project" dominiert, welches zu einer entscheidenden Minimierung der bisher existierenden Wahlrechte fuhrte und als Ursprung der Ausrichtung der IAS an die angloamerikanische Rechnungslegungskonzeption gilt. In der Folge wurden 29 - meist kontinentaleuropaische Regelungsalternativen''^^ gestrichen und Standards strlngenter formuliert. In dieser zweiten Phase war die weltweite Vergleichbarkeit von lAS-konformen Abschlussen untereinander in den Vordergrund der Bestrebungen des lASC geruckt, um den Anforderungen internationaler Kapitalmarkte zu genugen.^^® Zudem stellte die IOSCO bei entsprechender Uberarbeitung der IAS die Einfuhrung derselben als Basisregelwerk fur die Zulassung an den natlonalen Wertpapierborsen der Mitglieder in Aussicht.""^® Theoretisches Fundament dieser Neuausrichtung stellte das 1989 vom lASC verabschiedete ..Framework"'"^° dar, welches den konzeptio-

Vgl. Kulimaul (2000) S. 348. Mandler (2003c) S. 477. Vgl. Helleman/Slomp (2002) S. 216 f. In den Bereichen, in denen Wahlrechte unumganglich erschienen, entstand die Unterteilung in ..preferred treatment" (bevorzugte Behandlung. sog. Benchmark-Methode) und ..allowed alternative" (alternativ zulassig) mit entsprechend umfangreicheren Anhangangaben als bei Anwendung der Benchmark-Methode. Vgl. Rohling (2002) S. 29; Kuting (1997) S. 287. Vgl. Raffournier (2000) S. 83 f. Das ..Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements" beschreibt die Zlele und Anforderungen der lAS-Rechnungslegung und definiert die Elemente der Rechnungslegung. Es ist gleichberechtigter Teil im dreistufigen Aufbau des IFRS-Rechnungslegungswerks (Framework/Standards/lnterpretationen) und dient zur konzeptionellen Ent-

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2 Urspriinge und Entwicklung der Intemationalisierung

nellen Bezugsrahmen der lAS-Rechnungslegung vorgibt und somit als Basis fur die Entwicklung weiterer Standards fungiert. Durch die Formulierung grundsatzlicher Anforderungen an die lAS-Rechnungslegung dient es zudem als Grundlage der deduktiven Ableitung von nicht explizit geregelten Bilanzierungs- und Bewertungsfragen. Die Orientierung an der angloamerikanischen Rechnungslegung zeigt sich auch beim Framework durch eine starke konzeptionelle Annaherung an das ..Conceptual Framework" der US-GAAP.''^'' Struktur und Inhalt unterscheiden sich im Detail nur wenig, jedoch sind gewisse Formulierungen unterschiedlich ausgestaltet worden. Nach Kieekamper wurden demnach „bereits durch die Verabschiedung dieses lASC Framework auf Basis und nach Konzeption des FASB [...] die Weichen fur eine zunehmende .Amerikanisierung' der IAS gestellt."'"'^^ Die dritte Entwicklungsphase in den Jahren 1994-2000 ist von der zunehmenden Globalisierung der internationalen Kapitalmarkte gepragt, die trotz diverser Annaherungen eine weltweite Bedeutung der IAS und der US-GAAP als zunehmend konkurrierende Rechnungslegungsnormen mit sich brachte. Die Bestrebungen des lASC konzentrierten sich vornehmlich auf den Abschluss des sog. „Core Projects". Im Rahmen dieses Vorhabens soliten der IOSCO ein umfassendes, luckenloses und in sich konsistentes Normensystem (sog. Core Standards'"^^) vorgeiegt werden - mit dem Ziel einer weltweiten Anerkennung der lAS-Rechnungslegung als qualitativ hochwertiges Rechnungslegungssystem. Samtliche Standards wurden auf Druck der IOSCO mit dem Anspruch einer welteren Einengung von Wahlrechten sowie der Beseitigung von Inkonsistenzen uberarbeitet. Zudem wurde im Jahre 1997 das Standing Interpretation Committee (SIC) gegrundet, mit der Aufgabe einer weiteren Prazisierung unklarer Sachverhalte in den bestehenden Standards.^"^"^ Jedoch ist auch in dieser Entwicklungsphase der IAS eine Ausrichtung an der angloamerikanischen Rechnungslegungsphilosophie festzustellen, die vom

scheidungshilfe bei Regelungslucken oder Strittigkeiten im Rahmen von Bilanzierungs- und Bewertungsfragen. Vgl. Janke (2003) S. 398. Kieekamper/KSnig (2000) S. 570. Die IAS „Core Standards" umfassen 33 Standards (funf der zu diesem Zeitpunkt gultigen 39 Standards wurden gestrichen und durch andere ersetzt) und 18 Interpretationen des SIC. Mit Verabschiedung des IAS 39 (Financial Instruments: Recognition und Measurement) im Dezember 1998 erfullte das lASC die Auflagen der IOSCO, ein Paket an umfassenden und in sich konsistenten Rechnungslegungsstandards zu entwickein; vgl. Raffournier (2000) S. 83 f. Das SIC als VorgSngergremium des heutigen IFRIC war mit der gleichen Aufgabenstellung gegrundet worden: besondere Auslegungsprobleme der Standards zu losen und die Klarstellungen als Interpretationen zu veroffentlichen. Die Interpretationen des SIC/IFRIC stehen dabei gleichberechtigt neben den gultigen IFRS.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

37

Streben nach Prasenz der IAS an weltweit alien KapitalmSrkten - und damit auch dem US-amerikanischen - angetrieben wurde.''^^ Die schliefllich am 17.5.2000 erfolgte Empfehlung der lOSCO^"*® an ihre Mitgliedsorganisationen, die IAS weltweit als Basisregelwerk zur Notierung an den nationalen Wertpapierborsen zuzulassen, stellt einen wichtigen Schritt zur internationalen Anerkennung und weltweiten Anwendung der IAS dar.'"^^ Obwohl die jeweiligen nationalen Borsen die IAS in Teilbereichen einschranken bzw. weitergehende Infornriationen fordern konnten, kann die Akzeptanz durch die IOSCO als weiterer Beleg fur die wachsende Qualitat und Eignung der IAS als weltweit anerkannte Rechnungslegungsstandards angesehen werden. Zudem hat der nur wenige Wochen nach der Anerkennung der IOSCO veroffentlichte EU-Verordnungsentwurf^'^® vom 13.6.2000 zur Anwendung der IAS als Teil der „neuen Rechnungslegungsstrategie"^"^^ in der Europaischen Union vor allem in Europa zu einer wesentlichen Starkung der IAS gegenuber den US-GAAP gefuhrt.''^° Dieser verpflichtet kapitalmarktorientierte Konzerne zur Aufstellung eines lAS-Abschlusses ab 2005 verpflichtet. Beide Entscheidungen stellen demnach „[...] einen wichtigen Meilenstein zu einer [internationalen] Akzeptanz der IAS

[...r^^dar.

2.2.2.2 Bedeutung und Struktur der heutigen International Financial Reporting Standards Vor dem Hintergrund der erhofften weltweiten Anerkennung der IAS als Borsenzulassungsstandards durch die IOSCO hat das Board des lASC bereits 1997 die sog. Strategy Working Party (SWP)''^^ ins Leben gerufen, deren Aufgabe die stra-

in der konkreten Ausgestaltung der „Core Standards" fuhrte dies dazu, dass wesentliciie Standards wie der IAS 39 (Financial Instruments: Recognition und Measurement) Oder IAS 19 (Employee Benefits) nahezu identisch mit den jeweiligen Vorschriften nach US-GAAP sind. Vgl. IOSCO (2000). Vgl. Bruns (2002) 8. 173; Helleman/Slomp (2002) S. 217; Ruhnke/Schmidt/Seidel (2000) S. 876 f. Vgl. Europaische Union (2000) vom 13.6.2000; hierbei handelt es sich um den Entwurf fur die spatere EU-Verordnung Nr. 1606/2002 des europSischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards. Vgl. hierzuKapitel3.1,S.77. Vgl. Ernst (2001 a) 8 . 8 2 3 f. Bruns (2002) 8.173. Aufbauend auf dem bereits 1998 veroffentlichten Diskussionspapier ..Shaping lASC for the Future" leitete diese Arbeltsgruppe die Reorganisation des IA8C mit dem Ziel ein, diesem Empfehlungen bzgl. der kunftigen Strategie, Struktur und Arbeitsweise des IA8C auszusprechen; vgl. hierzu Baetge/Thiele/Plock (2000) 8.1033-1038; Mandler (2003c) 8. 477-484.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

tegische Neuausrichtung und organisatorische Umstrukturierung des lASC beinhaltete. Mit der zunehmenden intemationalen Akzeptanz der IAS erhohten sich nicht nur die inhaltlichen Anforderungen an die Qualitat und Stringenz der Standards, sondern auch die organisatorischen Anspruche an das lASC selbst. In der Folge dieser Entwicklungen hat das selt 1.4.2001 als International Accounting Standards Board (lASB) bezeichnete Gremium mit einer deutlich veranderten Aufgabenstellung seine Arbeit aufgenommen.''^^ Neben der Entwicklung qualitativ hochwertiger Rechnungslegungsstandards, die seitdem International Financial Reporting Standards (IFRS) heiUen, wurde nunmehr die Konvergenz der weltweit unterschiedlichen Rechnungslegungssysteme als weiteres Ziel in die neue Satzung des lASC (bzw. seiner Foundation""^) aufgenommen. Namentlich steht hierbei die Annaherung von IFRS und US-GAAP im Vordergrund, jedoch sollen auch qualitativ hochwertige Vorschriften einzelner Lander keinesfalls ignoriert werden.""^^ Damit geht ein neues Selbstverstandnis des lASB und seiner Aufgaben einher: Wo in der Vergangenheit zwischen unterschiedlichen nationalen Rechnungslegungskulturen der Kompromiss gesucht wurde, soil nun die Entwicklung einer wahlrechtsfreien und weltweit einheitlichen Rechnungslegung treten.''^^ Organisatorisch lehnt sich das lASB seit seiner Neuausrichtung stark an der Struktur des amerikanischen FASB an - exemplarisch erwahnt sel die ahnliche Namensgebung^^^.''^® Nach der teilweisen organisatorischen Entkoppelung von den Berufsorganisationen der Wirtschaftsprufer, die in der alten Struktur uberreprasentiert waren, wurde das lASB nach US-amerikanischem Vorbild vornehmlich mit hauptberuflich tatigen und fachlich ausgewahlten Mitgliedern besetzt.''^^ Das primare Ziel der Neuausrichtung in Verfahrens- und Organisationsfragen des lASC besteht insbesondere darin, alle international relevanten Interessengruppen entweder durch unmittelbare Integration in den entsprechenden Gremien oder durch

Die neue Satzung des lASB vom 24.5.2000 ist unter <www.iasb.orq.uk> abrufbar. Die wesentlichen Forderungen des SWP wurden dabei umgesetzt. Die lASC Foundation (lASCF) uberwacht und finanziert die gesamte Organisation des lASB mit ihrem - einem Aufsichtrat vergieichbaren - 19 Trustees. Sie ist eine Stiftung privaten Rechts mit Sitz in Delaware (USA). Vgl. Bruns (2001) S. 369 f. Vgl.Bruns (2002) 3.174. Ein weiteres Beispiel ist die Umbenennung des Standing Intepretations Commitees (SIC) in International Financial Reporting Interpretation Committee (IFRIC). Auch in der formellen Ausgestaltung der Standards selbst zeigt sich die Annaherung an die U3-GAAP. Wurden in den „alten" IA3 noch gewisse Sachverhalte zur Verdeutlichung fett gedruckt, enthalten die IFRS (genau wie die US-GAAP) keine Differenzlerungen mehr. So arbeiten im (aus 14 Mitgliedern bestehenden) lASB derzeit 12 Mitarbelter hauptberuflich. 7 dieser 14 Mitglieder haben zudem eine direkte Verbindung zu den jeweiligen nationalen Standard-Settern. Vgl. hierzu Mandler (2003c) S. 477 f.; Baetge/Thlele/Plock (2000) S. 1033-1038.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

39

Gelegenheit zur Kommentierung am Entwicklungs- bzw. Entstehungsprozess der IFRS zu beteiligenJ^^ In personellen MaRstaben bedeutet dies, dass sieben Boardmitglieder formal als Verbindungsmanner zu einem oder mehreren nationalen Standard-Settem fungieren. Ihnen obliegt im Rahmen des formalisierten Entstehungsprozesses neuer Standards, dem sog. „Due Process", die intensive Koordination mit den nationalen Standard-Settem.''®'' Damit wurde die notwendige Akzeptanz fur die faktische Harmonisierung und spcitere Anwendung durch die beteiligten Interessengruppen geschaffen. Wahrend zuvor vor allem Internationale Organisationen fur Kooperationen gewonnen wurden, hat sich das Interesse des lASB seit der Neuorganisatlon auf nationale Standard-Setter verlagert''®^, mit denen eine Reihe von Liaisonen bestehen.^®^ Der kontinentaleuropaische Einfluss auf die inhaltliche Arbeit des lASB halt sich dabei in Grenzen. Die personelle Zusammensetzung des lASB ist deutlich angloamerikanisch gepragt. Allein funf der vierzehn Mitglieder stammen aus den USA, die zuvor hauptberuflich als Mitglieder im FASB bzw. in einer seiner verschiedenen Gremien wirkten. Hinzu kommen zwei britische Mitglieder, darunter auch Sir David Tweedie, der Vorsitzende des lASB.''^ Im Rahmen des „Due Process" besteht jedoch - neben den en/vahnten einschlagigen Fachgremlen - auch fur die Interessierte (Fach-)Offentlichkeit die Moglichkeit der Stellungnahme zu neuen Entwicklungen.''®^ Diese Moglichkeit der mittelbaren Einflussnahme wird von vielen international tatigen Unternehmen und Institutionen wahrgenommen. Neue IFRS entspringen damit nicht einer „black box"''®®, sondern sind im Unterschied zu den US-GAAP insbesondere durch die nationalen Standard-Setter sowie die partizipierende Fachoffentlichkeit in gewissem Made absehbar und beeinflussbar. Die starkere Integration nationaler Standard-Setter und Interessengruppen in den Entwicklungsprozess neuer Standards sowie die mit der Neuausrichtung einhergehende Professionalisierung der Arbeit des lASB stellen einen weiteren Eckpfeiler der zunehmenden internationalen Akzeptanz der IFRS

Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 29. Vgl. Baetge/Thiele/Plock (2000) S. 1035 f. Darunter fallt auch das DRSC, welches derzeit durch Dr. Hans-Georg Bruns als Mitglied im lASB vertreten wird. Der US-amerikanische FASB hingegen entsendet zwei Personen. Vgl. Wagenhofer (2002) 8. 241 f. Zur personellen Zusannmensetzung der einschlSgigen Gremien des lASC vgl. Born (2001) S. 4-7. Laut Satzung ist dabei eine Kommentierungsphase von 120 Tagen vorgesehen. U. U. kann es nach dieser zu grundlegenden Revisionen einzelner Entwurfe kommen, so dass die Entstehung eines neuen IFRS mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. In der Praxis ist dies durchaus zu beobachten. Vgl. hierzu Mandler (2003c) S. 480. Achleitner/Behr (2003) 8. 59.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

dar. In der Folge wachst die internationale Bedeutung der IFRS. Sie werden heute - mit Ausnahme von Nordamerika - in alien Regionen der Welt angewendet. Einige Lander haben ihre nationale Rechnungslegungsvorschriften bereits auf die IFRS umgestellt bzw. die Entwicklung ihrer Rechnungslegungsnormen an den Vorschriften des lASB ausgerichtet.''^^ Vor dem Hintergrund der Orientierung der europaischen Konzernrechnungslegung an den IFRS und der daraus resultierenden verpflichtenden Anwendung in den Konzernabschlussen kapitalnnarktorientierter europaischer Mutterunternehmen seit 2005 gewinnen sie zudem in Europa wesentlich an Bedeutung. Neben der EU-weiten gesetzlichen Verpfllchtung wachst die Bedeutung von IFRS-Abschlussen im Bereich der kapitalmarktorientierten Konzernabschlusse sowie (zusatzlicher) informationsorientierter Einzeljahresabschlusse auf freiwilliger Basis.

2.2.2.3 Die IFRS im Wettbewerb der internationalen IHarmonisierung Noch vor wenigen Jahren stellten die IAS ein unvollstandiges und nicht geschlossenes Rechnungslegungssystem mit unzureichender Komnrientierungsdichte dar. Neben den zahlreichen Wahlrechten existierten diverse Regelungslucken (wie aktlenbasierte Vergutungssysteme) bzw. unzureichend geregelte Rechnungslegungsfragen (bspw. bei den Finanzinstrunnenten), die Raum fur unen/viinschte Ermessenspielraume gewahrten. Zudem fehlten in vielen Bereichen branchenspezifische Regelungen (z. B. fur Verslcherungen).''^® Die derzeitigen IFRS stellen hingegen kein loses und inkonsistentes Regelwerk mehr dar.''^^ Die heute gultigen Standards sind zwar nicht in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess entstanden, sondern wurden kasuistisch - entsprechend den Bedurfnissen der Bilanzierungspraxis - entwickelt. Jedoch haben das zunehmend weltweite Interesse an international einheitlichen und harmonisierten Rechnungslegungsvorschriften sowie die permanente Uberarbeitung bestehender Defizite durch das lASC/IASB zur Entwicklung qualitativ hochwertiger Rechnungslegungsnormen gefuhrt. Die EUKommission bspw. sieht in den IFRS heute ein umfassendes und konzeptionell abgesichertes Regelwerk von Rechnungslegungsgrundsatzen, das spezlell auf die Bedurfnisse der internationalen Geschaftswelt zugeschnitten ist.^^° Ein Blick auf

Vgl. Sailer/Schurbohm (2002) S. 362. Vgl.Behretal. (2002)8.282. Zu den derzeit vorhandenen Ermessensspielraumen sowie der MOglichkeit von Bilanzpolitik in einem IFRS-Abschluss siehe Kapitel 4.2.2.1.2, 8. 142. Vgl. Europaische Union (2000) vom 13.6.2000; hierbei handelt es sich urn den Vorschlag fur die spatere EU-Verordnung Nr. 1606/2002 des europaischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungsiegungsstandards; vgl. hierzu Kapitel 3.2, 8 . 8 1 .

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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das Arbeitsprogramm des lASB^^^ und dessen zahlreiche Standardentwurfe zeigt, dass man sich den bestehenden Regelungslucken und fehlenden branchenspezifischen Vorschriften bereits angenonnmen hat respektive in naher Zukunft annehnnen wird. Dies ist Insbesondere vor dem Hintergrund des so genannten Jnnprovement Projects" vonn 18.12.2003 deutlich geworden, welches eine grundlegende Uberarbeitung von 13 Standards i. V. m. kleineren Foigeanderungen fur 18 weitere Standards vorsieht.''^^ Durch Ausschluss von noch bestehenden Redundanzen und Konflikten sowie Streichung von bilanziellen Wahlrechten fokussiert das lASB derweil insbesondere die bereits erwahnte Zielsetzung der weltweiten Konvergenz, verbunden mit einer weiteren Steigerung der Qualitat seiner Rechnungslegungsvorschriften.''^^ In diesem Zusannnnenhang ist jedoch eine rasant wachsende Anzahl von (neuen) Regelungen festzustellen, die zu einer wesentlichen Erhohung der Konnplexitat des Regelwerks IFRS gefuhrt haben. Achleitner/Behr sehen darin letztlich den „Ausdruck einer zunehmenden Normenfluf''^'^, mit deren Befolgung zudem immer hohere Anforderungen an die betroffenen Unternehmen geknupft sind. De fakto vermindert der rasante quantitative Zuwachs von Normen die Ubersichtlichkeit und Handhabbarkeit der Rechnungslegungsvorschriften und verwassert damit eine traditionelle Starke der IFRS gegenuber den US-GAAP. Dennoch stehen die IFRS aufgrund der qualitativen Ausarbeitung ihrer Vorschriften heute als einzig wirklich Internationales Rechnungslegungswerk gleichberechtigt neben den US-GAAP. Sie uberzeugen zudem durch den Vorteil, dass sie im Unterschied zu einem nationalen Rechnungslegungssystem nicht einem einzigen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeld gegenuber verpflichtet sind. Als supranationales Regelwerk sind sie nicht nur von einem spezifischen nationalen Hintergrund abgekoppelt, sondern konnen unabhangig im Rahmen ihres Normenentstehungsprozesses bestehende und als qualitativ hochwertig empfundene Rechnungslegungstraditionen berucksichtigen.''^^ Die derzeit bestehenden Defizite der IFRS beziehen sich indes weniger auf die Qualitat und Konsistenz der Standards als auf ihre mangelnde Internationale Durchsetzbarkeit. Als privater Standard-Setter haben die Vorschriften des lASB keine unmittelbare Gesetzeswirkung, sondern sind von nationalen bzw. supra-

Ersichtlich unter <www.iasc.orq.uk>. Einen abschliefienden Uberblick der Anderungen durch das ..Improvement Project" gibt Zulch (2004a) S. 692-695; Zulch (2004b) S. 737-739 und bzgl. der notwendigen Anhangangaben Diekmann/Heering (2004) S. 640-643. Vgl. Sailer/Schurbohm (2002) S. 362. Achleitner/Behr (2003) S. 60. Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 58.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

nationalen Gesetzgebern (wie der EU) zu autorisieren. Das lASB hat damit keinerlej direkte Durchsetzungsmoglichkeiten.^^® Insbesondere die jungsten Konvergenzbestrebungen seit der Neuausrichtung im Jahre 2001 durften auf der Einsicht beruhen, dass das lASB aufgrund der schwierigen Durchsetzbarkeit seiner Normen auf internationale Kooperationen angewiesen ist. Der Zusammenarbeit mit den nationalen Standard-Settern kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Die Vorreiterrolle in diesem Prozess ubernimmt der US-amerikanische FASB, der dabei mittelbaren Einfluss auf die Entwicklung neuer IFRS ausubt. Zum formellen „Hauch von US-amerikanischem Einfluss"^^^, der durch die personelle und organisatorische Neuausrichtung''^® im lASB eingezogen ist, kommt in jungster Zeit auch eine verstarkte materielle Annaherung an die US-GAAP hinzu. Behr moniert dabei, dass das lASB sich immer noch „zu stark an Anderungen der Standards in den USA orientiert, statt an einer eigenen Linie festzuhalten""*^®. Die weitere Annaherung an die angloamerikanische Rechnungslegungsphilosophie wird zudem durch das Streben des lASB nach Zulassung seiner Standards an der New York Stock Exchange (NYSE) forciert. Kleekamper bezeichnet das lASC in diesem Zusammenhang gar als das „trojanische Pferd"''®° der SEC. Trotz Anerkennung der „Core Standards" im Jahre 2000 durch die IOSCO hat die SEC bis heute kaum Kompromissbereitschaft zur Zulassung der IFRS am USamerikanischen Kapitalmarkt signalisiert und ubt damit einen mittelbaren Druck auf eine weitere Amerikanisierung der IFRS aus.^®^ Dies wirkt aus europaischer Sicht befremdiich, well sowohl das FASB uber die Prasenz im lASB als auch die SEC als einflussreichstes Mitglied der IOSCO seit Jahren in die Entscheidungsprozesse aller Gremien des lASC eingebunden sind und ihren Anforderungen in wesentlichen Teilen gefolgt wurde. Es blelbt festzuhalten, dass diese Tendenz vor dem Hintergrund der immer noch ausstehenden Anerkennung der IFRS am USamerikanischen Kapitalmarkt auch weiterhin bestehen bleibt und eine weitergehende „Amerikanisierung" der IFRS zu befurchten ist.^®^ Andererseits ist die grundsatzliche Qualitat der Rechnungslegungsnormen nach US-GAAP unbestritten und die aktive Mitwirkung des FASB im lASB allein aus Gesichtspunkten der internatlonalen Akzeptanz gewunscht. Kleekamper stellt daher zu Recht die Fra-

176 177 178 179 180

Vgl. Selchert/Erhardt (2003) S. 13. Wagenhofer (2002) S. 242. Vgl. hierzu Kapitel 2.2.2.12, S. 37. Behr et al. (2002) S. 280. Kleekamper (2000)8.481. Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 58 f. Vgl. KleekSmper/Konig (2000) S. 570-572.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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ge: „Warum also nicht .verkleidete' Normen unter der Flagge und den Bedingungen des lASC?"''®^. Dies setzt jedoch voraus, dass das lASB auch an einer eigenen Linie festhalt und nicht den Positionen und Entwicklungen aus Amerii^a folgt. In der Praxis werden diese Abhangigkeiten von der US-amerikanischen Rechtsprechung bspw. bei den neuen Regelungen zur Bilanzierung von Unternehnnenszusammenschlussen^®^ deutlich. Belm direkten Vergleich zwischen den einschlagigen Vorschriften fallt auf, dass nahezu keine Unterschiede - respektive nur im Detailbereich relevante - Differenzierungen bestehen.^®^ Bedenkenswert ist hierbei insbesondere der Sachverhalt, dass die US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften im Rahmen ihres Entstehungsprozesses einem deutlich starkeren Einfluss von Unternehmensseite aus unterliegen als die IFRS.''®^ Die fast gleich lautende Ubernahme der US-amerikanischen Vorschriften vermittelt den Eindruck, dass sich das lASB primar von Harmonisierungs-Uberlegungen hat leiten lassen, anstelle eine bilanztheoretisch fundierte und ausschlielilich an der ..Decision Usefulness" orlentierte Losung anzustreben. In diesem Kontext darf Konvergenz zwischen zwei Rechnungslegungssystemen nicht als Vasallentum des lASB verstanden werden, sondern muss die Gewinnung neuer Regelungen in einer gleichgewichtigen Veranderung beider ursprunglicher Regelwerke ausdrucken.''^^ Wenn der lASB vor dem Hintergrund internationaler Harmonisierung sowie der Konvergenz beider Rechnungslegungssysteme zukunftig weiterhin vorbehaltlos den inhaltlichen Positionen des FASB folgt, wird seine Reputation als eigenstandiger Standard-Setter erheblichen Schaden nehmen.''®® Es bleibt abzuwarten, ob dass lASB in Zukunft - vor dem Hintergrund der immer noch ausstehenden Anerkennung am US-amerikanischen Kapitalmarkt - verstarkt zu einer

Kleekamper (2000) S. 482. Nach IFRS 3 ist - in Aniehnung an die einsclilagigen Vorschriften des SPAS 142 - keine pianmaliige Goodwillabschreibung mehr vorzunehmen. An deren Steile tritt ein jahrlicher Werthaltlgkeitstest, urn einen evti. auHerplanmafligen Abschreibungsbedarf zu ermitteln. Im Gegenzug wird analog zu den US-GAAP die Pooling-of-lnterest-Methode abgeschafft; vgl. hierzu Fladt/Feige (2003) S. 249-262; Brucks/Wiederhold (2003) S. 21-29; Saelzie/Kronner (2004) S. S154-S165. Unterschiede konnen jedoch in der Abgrenzung einer CGU nach IFRS und einer RU nach US-GAAP bestehen sowie im Impairment-Verfahren, das entgegen dem ursprunglichen Vorschlag in ED-IFRS 3 doch ein - dem alten IAS 36 entsprechendes - einstufiges Verfahren ist; daneben kommt es im Rahmen einer negativen Kaufpreisdifferenz nach IFRS 3 nicht zu einer Abstockung bestimmter Aktiva; vgl. Bieker/Esser (2004) S. 449-458; Focken (2003) S. 437-444; Hommel/Benkel/Wich (2004) S. 1267-1273. Vgl. Ludenbach/Frowein (2003) S. 223; Wustemann/Duhr (2003) S. 253; Kahle (2002b) S. 905. Vgl. Wagenhofer (2002) S. 242; Behr et al. (2002) S. 280 bzw. Kapitel 2.2.2.4, S. 44. Vgl. Kahle (2002b) S. 905. Vgl. Bieker/Esser (2003) S. 84; Busse von Colbe (2001) S. 877 stellt sogar die Frage, ob „das lASC neben FASB noch existenzberechtigt ist".

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

eigenen Linie finden wird und den Erwartungen an einen vollkommen unabhangigen internationalen Standard-Setter gerecht wird.

2.2.2.4 Bedeutung des US-amerikanischen Kapitalmarkts und seiner Rechnungslegungsvorschriften Die Entstehung der heute als US-Generally Accepted Accounting Principles (USGAAP) bekannten Rechnungslegungsnornnen geht in die 30er Jahre zuruck. Ihre strukturelle und inhaltiiche Entwicklung basiert auf der Beschaffenheit des USamerikanischen Rechtssystems sowie der groden Bedeutung des Kapitalmarkts fur die Finanzierung von Unternehmen. Die Grundauffassung, die Privatsphare des Einzelnen staatlichen Eingriffen weitgehend zu entziehen, sowie die auf britlscher Vergangenheit beruhende Rechtsauffassung des ..common law" gibt im Unterschied zur kontinentaleuropaischen Denkweise lediglich einen institutionellen Rahmen vor, innerhalb dessen sich Einzelfallrecht (sog. ..case law") entwickein kann. Als zentraie Rechtsquelle dienen daher nicht grundsatzliche, vom Staat kodifizierte, Rechtsnormen, sondern die einzelfallbezogene, hochstrichterliche Rechtsprechung. Bei dem von den Briten ubernommenen Recht handelt es sich um ein Prajudiziensystem, bei dem zeitlich frijher getroffene Entscheidungen von hoheren Gerichten fur einen Richter bindend sind. Die Tradition der Induktiven Ableitung von Rechtsgrundsatzen aus zuvor eriassenen Gerichtsentscheiden fuhrte in den USA - im Gegensatz zu Kontinentaleuropa - ganzlich zum Fehlen einer einheitlichen, fur die externe Rechnungslegung relevanten, BundesgesetzgebungJ®® Stattdessen wurde im Handelsrecht die Autonomie der Gesetzgebung an die jeweiligen Bundesstaaten ubertragen, deren Gesetzgebungshoheit sich jedoch nicht uber die Bundesstaatengrenze hinaus erstreckt. Die konkrete Ausgestaltung von Rechnungslegungsnormen beruht daher Insbesondere auf von privaten Instltutionen eriassenen Vorschriften respektive auf einzelvertraglichen Gestaltungen. Demnach gibt es in den USA im Unterschied zum deutschen Handelsbilanzrecht - keine gesetzlich kodifizierten Rechnungslegungsgrundsatze. ^^^ Die wenigen auf Bundesebene kodifizierten Normen sind die Gesetze zum Schutze des Wertpapierhandels. Denn die Finanzierung der US-amerikanischen Unternehmen geschieht mafigeblich uber den Kapitalmarkt. Neben hohen Eigenkapitalquoten fuhrt dies Insbesondere zu einer breiten Streuung von Unternehmenstei-

^^® Vgl. Kroschel (2000) S. 287; Raffoumier (2000) 8. 5 f.; Haller (1990) S. 751. ^^° Vgl. Niehus/Thyll (2000) 8 . 1 , Rn. 1; Engel-Ciric (1998) 8. 775.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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len, die in betrachtlichem Made von privaten Anlegem gehalten werden. Fur die amerikanische Volkswirtschaft kommt der Funktionsfahigkeit ihres Kapitalmarkts damit elementare Bedeutung zuJ^^ Vor diesem Hintergrund hat der USamerikanische Kongress nach dem Kapitalmarktzusannmenbruch im Jahre 1929 diverse Aufsichtsgesetze zum Schutze des Wertpapierhandels und der privaten Investoren (sog. ..Securities Laws") verabschiedet. Auf Bundesebene sind dies der Securities Act^^^ (SA) von 1933, der sich mit Neuemissionen befasst, sowie der Securities Exchange Act^®^ (SEA) von 1934, der sich auf den Handel mit Wertpapieren nach der Ennission bezieht. Diese beiden Aufsichtsgesetze bilden als sog. ..primary acts"^^ das Fundament der US-amerikanischen Wertpapierhandelsgesetze.''^^ Um deren Einhaltung und Oberwachung zu kontrollieren sowie die Funktionsfahigkeit und Effizienz des amerikanischen Kapitalmarkts zu garantieren, grundete der US-amerlkanische Kongress im Jahr 1934 die Borsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) als unabhangige Bundesbehorde. Neben ihrer Funktion als Oberwachungs- und Registrierungsbeh5rde fur den nationalen Wertpapierhandel greift sie uber Verordnungen auch in den Bereich der Rechnungslegung ein. Die Machtfulle, die der SEC vom US-Kongress dabel zugestanden wurde, lasst sich nicht in das einer demokratischen Verfassung zugrunde liegende System der Gewaltenteilung einordnen. De fakto vereinlgt die SEC exekutive (Kontrolle des Wertpapierhandels nach vorgeschriebenem Reglement), legislative (Eriass von Vorschriften) sowie judikative Vollmachten (Ahndung von Verstoden gegen die von ihr eriassenen Vorschriften) in einer einzigen unabhangigen Organisation.''^® Carstens spricht daher von einer ..vierten Gewalt"^®^, die demnach nicht nur berechtigt ist, eigenstandig neue Rechnungsiegungsvorschriften zu erlassen, sondern die Einhaltung dieser Normen bel den betroffenen borsennotierten Unternehmen auch durchzusetzen bzw. Verstode dagegen zu ahnden. Jedoch

Vgl. Raffoumier (2000) S. 6. Ziel des SA ist der Schutz zukunftiger Investoren. Dies wird durch umfangreiche Angaben uber die angebotenen Wertpapiere in einem BSrsenzulassungspapier gewShrleistet. dessen Kernelement der BSrsenprospekt ist. Ziel des SEA ist die - durch ein streng reglementiertes Berichtssystem garantierte - Offenlegung von Finanzdaten. Daneben werden durch den SEA die Regelung der Wertpapiermarkte (inkl. Kreditkontrolle) sowie die Oberwachung des Insiderhandels garantiert. Zu den ..secondary acts", die sich im Unterschied zu den "primary acts" mehr mit speziellen Fragestellungen beschSftigen. gehdren: Public Utility Holding Company Act (1935). Trust Indenture Act (1939). Investment Company Act (1940), Investment Advisers Act (1940), Securities Investor Protection Act (1970). Foreign Corrupt Practices Act (1977). Insider Trading Sanctions Act (1984) sowie Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act (1988); vgl. hierzu Born (2002) 3. 241 f. Vgl. Pellens (2001) 8. 68 f.; Bay/Bruns (2000) S. 720. Vgl. Niehus/Thyll (2000) 8. 21. Rn. 58; Pellens (2001) 8. 79 f. Carstens (1954) 8. 81.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

hat sich die SEC im Rahmen ihrer wichtigsten Eriasse (der Regulations S-X und S-K''^®) sowie ihrer erganzenden Verlautbarungen auf die formelle Ausgestaltung von Gliederungs- und Ausweisfragen der bei ihr eingereichten Abschlusse beschrankt. Die Formulierung materieller Rechnungslegungsgrundsatze hat sie bereits fruhzeitig an private Organisationen ubertragen, urn den praktischen Anforderungen fur eine Funktionsfahigkeit des amerikanischen Kapitalmarkts bezijglich der Unternehnnensberichterstattung moglichst optimal zu entsprechen.''^^ Im Jahre 1973 wurde diese Aufgabe an den eigens gegrundeten Financial Accounting Standards Board (FASB) ubertragen, mit dem die SEC seither in enger Abstimmung zusammenarbeltet. Zuvor wurde diese Aufgabe vom US-amerlkanischen Institut der Wirtschaftsprufer^°° wahrgenommen.^°^ Mit Einrichtung des FASB wurde die direkte Einflussnahme des amerikanischen Berufsstandes der Wirtschaftsprufer auf den Normensetzungsprozess zwar zuruckgedrangt, dennoch sind auf zwei Gebieten nicht unwesentliche Einwirkungsmoglichkeiten verblieben. Unter die Hoheit des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) fallt einerseits die Veroffentlichung der sog. ..Statements of Position" (SOP). Die SOP behandein bilanzielle Grundsatzfragen, die bis dato weder von der SEC noch vom FASB aufgegriffen wurden. Diese ermoglichen dem AICPA somit eine direkte Einflussnahme auf das Arbeitsprogramm des FASB. In praxi ist der Board oftmals den Regelungen der SOP gefolgt bzw. hat wesentliche Teilbereiche inhaltlich ubernommen.^°^ Grofieren Einfluss im Rahmen der Normensetzung kann der Berufsstand der US-amerikanischen Wirtschaftsprufer jedoch uber die ..Emerging Issues Task Force" (EITF) ausuben. Diese wurde 1984 fur dringende Rechnungslegungsfragen aus der Praxis gegrundet, fur die keine anerkannten Rechnungslegungsgrundsatze existieren. Die EITF besteht ausschlieHlich aus Vertreten der Wirtschaftsprufungsgesellschaften sowie der rechnungslegenden Unternehmen. Die Verlautbarungen der EITF gelten als ..wichtige Handreiche fur die Praxis der Rechnungslegung"^°^. Die prinzipiell hohe Reputation angelsachsischer Rechnungslegungsstandards und insbesondere der US-GAAP ist nicht zuletzt auf die fruhzeitige Ubertragung

Wahrend die Regulation S-K die PubJizltatsvorschriften aulierhaib von Jahres- und QuartalsabschiOssen regelt, enthait die Regulation S-X Vorschriften zu Form, Inhait, Prufung und Offenlegung von Jahres- und Quartalsabschliissen. Vgl. Forschle/Holland/Kroner (2003) S. 5. Bereits im Jahr 1938 wurde diese Aufgabe vom damaligen American Institute of Accountants (AIA) wahrgenommen (bis 1957), dessen Nachfolgeorganisation das heutige American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) ist. Vgl. Raffournier (2000) 8. 6. Vgl. Born (2002) 8. 244 f. Niehus/Thyll (2000) 8. 7. Vgl. hierzu auch Born (2002) 8. 249.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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der materiellen Formulierung von Rechnungslegungsgrundsatzen an privat organisierte Gremien wie den FASB bzw. seinen Vorgangergremien zuruckzufuhren. Wahrend sich eine Normengesetzgebung durch u. U. fachfremde Ministerialbeamte Verdachtigungen des Lobbyismus und politischer Zweckentfremdung nicht vollends entziehen kann, ist von der politischen Neutralitat und dem rein informativen Charakter von Rechnungslegungsnormen auszugehen, die durch private Expertengruppen entwickelt werden.^°^ Zur Wahmng der Interessen aller durch die Rechnungslegung betroffenen Gruppen und zur gleichzeitigen Vermeidung von Abhangigkeitsverhaltnissen ist der FASB in eine aufwendige Organisation eingebunden. Getragen und finanziert wird der Board von der Financial Accounting Foundation (FAF), einer unabhangigen Stiftung, welche die Mitglieder des FASB sowie des ihn beratenden Financial Accounting Standards Advisory Council (FASAC) nominiert und einsetzt.^°^ Der FASB selbst besteht aus ausschllefilich hauptberuflichen Mitglledern, wobei die FAF auf eine ausgewogene Auswahl bezuglich ihrer beruflichen Herkunft achtet. Im Rahmen des eigentlichen Normensetzungsprozesses im Board kommt dem FASAC dennoch eine gewichtige Rolle zu. Neben der Beratung in Bezug auf die vom FASB zu setzenden Prioritaten, kann dieses auch Einfluss auf neu zu behandelnde Problemfelder und etwaige Losungsvorschlage nehmen. Seine 34 Mitglieder werden dabei von den Vertretern der rechnungslegenden Unternehmen zu uber zwei Drittel dominiert.^°^ Damit wird der Einfluss der US-amerikanischen Unternehmenspraxis auf die Entstehung von Rechnungslegungsnormen deutlich, der jedoch wiederum durch die mittelbare Einflussnahme der SEC auf die Tatigkeit des FASB begrenzt wird. Deutlich wurde die Machtposition der SEC nicht zuletzt bei der Regelung zur Bilanzierung von Aktienoptionen im Jahr 1995, als sie gegen vehementen Widerstand der Aufsteller eine erfolgsmindernde Erfassung als Personalaufwand - zumindest als Wahlrecht - durchsetzte.^°^ In diesem Machtkampf dominierte die SEC als treibende Kraft, die dem Druck der Unternehmen sowie dem US-amerikanischen Kongress stand-

Vgl. Schildbach (2002c) S. 2 1 . Daneben uberwacht die FAF die Arbeitsprozesse des FASB und kann ggf. in organisatorische Details eingreifen. Vgl. Iiierzu <www.fasb.org/fasac/fasacmem.shtml>. woraus ersichtlicli wird, dass sich unter den 34 IVIitgliedern 24 Unternehmensvertreter (ohne Wirtschaftsprufungsgesellschaften) befinden (Stand: 1. Januar 2004). Bereits bei Entwicklung des FAS 123 in den Jahren 1994, 1995 schiug der FASB die aufwandswirksame Erfassung von Aktienoptionen vor. Der Board wurde unter massiver Opposition durch die US-amerikanische Wirtschaft sowie unter Bedrohung seiner Existenz als unabhSngiger Standard-Setter vom US-amerikanlschen Kongress gezwungen, die aufwandswirksame Erfassung lediglich als bevorzugte Methode - unter Duldung der erfolgsneutralen Berucksichtung als Altemativmethode - anzuwenden; vgl. hierzu FASB (2002).

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hielt und damit die Unabhangigkeit des FASB schutzte.^°® Die SEC hat in ASR No. 150 und FRR No. 1^°^ - neben der grundsatziichen Aufgabendelegation der materiellen Erstellung von Rechnungslegungsgrundsatzen an das FASB - samtlichen seiner Standards (SFAS) und Interpretationen (FIN) bereits im Jahr 1973 iiiren ..Substantial Authoritative Support" zugesagt.^''° Durch die Aufgabendelegation an private Fachgremien wie dem FASB ist die SEC jedoch nicht von ihrer gesetzlichen Verantwortung befreit. Sle ubt gegenuber diesen Organlsationen eine wichtige KontroHfunktion aus und hat das Recht zur Erstellung von Rechnungslegungsvorschriften nicht aufgegeben. Ihr kommt neben der GbenA/achung bei der Erstellung von materiellen Rechnungslegungsgrundsatzen insbesondere bei der Identifizierung neu entstandener Problembereiche grolie (politische) Bedeutung zu.^'"'' Die SEC hat sich zudem das Recht vorbehalten, in den Normensetzungsprozess einzugreifen, sofern ihr die vom FASB bzw. dem Berufsstand der Wirtschaftsprufer entwickelten Vorschriften nicht sachgerecht Oder gesetzeskonform erscheinen. In solchen Fallen besteht fur den FASB prinzipiell die latente Gefahr des teilweisen Oder ganzlichen Entzugs des ..Substantial Authoritative Supports" fur neu entwickelte GAAP durch die SEC.^^^ Die Rolle des FASB kann daher zu einem Balanceakt werden: Einerseits ist der Board dringend auf die autoritative Unterstutzung durch die SEC angewiesen und fungiert als deren Erfullungsgehilfe, andererseits aber benotigt er die breite Akzeptanz der in der FAF zusammengeschlossenen Organlsationen (nicht zuletzt aus finanziellen Grunden) - alles vor dem Hintergrund, grundsatzlich keine spezlfischen Abhangigkeiten zu den beteiligten Interessengruppen entstehen lassen zu durfen.^^^ Daher ist die Zusammenarbeit der SEC mit dem FASB in der Praxis von einer engen Koordination und Abstimmung gepragt. Vor dem Hintergrund des Verhaltnisses von ..mutual nonsurprises"^^^ zwlschen beiden Organlsationen ist es seit Einrichtung des FASB nur in seltenen Fallen zu abweichenden Positionen gekommen.^''^ Die Vermeidung solcher Interes-

^°^ Vgl. Miller/Redding/Bahnson (1998) S. 180-183. ^°^ Sowohl das Accounting Series Release (ASR) No. 150 als auch das Financial Reporting Release (FRR) No. 1 beziehen sich ausschliefllich auf die Herausgabe (neuer) Rechnungslegungsvorschriften. Bei der SEC verbleibt dennoch die Kompetenz bzgl. der Festlegung von Publizitatsinstrunnenten wie dem Umfang und Inhalt von Proxy Statements. ^'° Vgl. Pellens/Fullbier/Gassen (2004) S. 158. ^^^ Vgl. Born (2002) S. 243; Hopt (1976) S. 207. ^^^ Vgl. Meek (2000) S . I 57. ^^^ Vgl. Meek (2000) S . I 62. ^'^ Miller/Redding/Bahnson (1998) S. 24, 68. ^^^ Die bekanntesten beiden AusnahmefSlle waren 1964 die bilanzielle Behandlung von Investltionszulagen (SFAS No. 115, .Accounting for Certain Investments in Debt and Equity Securities"), wo die SEC sich gegen die vom AICPA favorisierte MSglichkeit der sofortigen Gewinnvereinnahmung sperrte; bzw. 1977 bzgl. der Behandlung von Bohrkosten in der Ol- und Ergas-

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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senkonflikte geschieht in der Praxis jedoch im Verborgenen. Das FASB ist im Interesse seines Selbsterhaltes^^® sowie vor dem Hintergrund der beschriebenen Einflussmoglichkeiten und Erwartungshaitung der SEC gezwungen, diese in „vorauseilendem Gehorsam"^''^ in die Vorbereitung seiner Verlautbarungen und Entscheidungen zu involvieren. Dabei sind insbesondere die Interessen der Kapitalmarktteilnehmer zu berucksichtigen, urn den En/vartungen der SEC zu entsprechen.^^® Eine derartige Verfahrensweise stellt jedoch das FASB als privat gesteuertes Rechnungslegungsgremium in Frage. „Nuchtern betrachtet handelt es sich vielmehr urn ein Gremium, das auf Basis vielfaltiger, nicht zuletzt aucii finanzieller Abhangigkeiten, offentlicher Einflussnahme ebenso wie massiver Beeinflussung durcli die von der Regulierung betroffenen Rechnungsleger und Prufer ausgesetzt ist und das sicii - urn den Anschein der privaten Regulierung zu waiiren - in vorauseilendem Gehorsam urn Losungen bemuiien mufi[!], die keine der betroffenen Seiten zu massivem Widerspruch veranla(3)t[!]."^^^ Dabei ist zu beachten, dass die IVIachtfulle der SEC durch den US-amerikanischen Kongress garantiert wird, der sicii wiederum der amerikanischen Wirtschaft verpfliciitet fuiilt. Unter diesen Voraussetzungen ist anzuzweifein, dass der als unabhangig propagierte private „Standard-Setting"-Prozess unter Beteiligung divergierender Interessengruppen in Ganze einer allgemeinen - und von alien Beteiligten akzeptierten - „Fair Presentation" entsprechen kann.^^° Schildbach kommt daher zum Ergebnis, dass „die Vorstellung von den rein sachbezogenen Losungen im Rahmen der privaten Rechnungslegungsregein [...] sich spatestens auf Basis dieser Abhangigkeiten als eitlerWahn"^2^erweist.222

Industrie (SFAS No. 19 ..Financial Accounting and Reporting by Oil and Gas Producing Companies"). HIer gestattete die SEC - abweichend vom FASB - die Anwendung zweier alternativer Methoden (sog. ..full cost method" und sog. ..successful-efforts-method"); vgl. Niehus/Thyll (2000) S. 20; Miller/Redding/Bahnson (1998) 8.180-182. Bereits seine beiden Vorgangerinstitutionen, das CAP und das APB. wurden aufgrund mangelnder allgemeiner Akzeptanz bzw. andauernder inhaltlicher Konfrontationen mit dem AICPA und der SEC abgesetzt; vgl. hierzu Pellens/Fullbier/Gassen (2004) 8. 58 f.; Meek (2000) 8. 159-161. Wagenhofer (2001) 8. 29. Die gleichen Worte wahit Schildbach (1999c) 8. 414. Vgl. Meek (2000) 8.158; Pellens/Fullbier/Gassen (2004) 8. 63 f. Schildbach (1999c) 8. 414. Ahnlich wird dieser Sachverhalt auch von Meek (2000) 8. 158 gesehen. Vgl. Pellens/Fullbier/Gassen (2004) 8. 63 f. Schildbach (1999c) 8. 414. Miller stellt hierzu ferner fest: "Some also seem to think that standard-setting activity is simply a search for a 'best' answer by a cold, logical analysis of the issues from an ivory tower; in fact, by its natures standard-setting is very much of a matter of politics"; Miller/Redding (1988) 8. xi.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

Nur vor diesem Hintergrund ist die Entstehungsgeschichte der neuen Goodwillbehandlung nach SFAS 142 zu interpretieren. Im Zusammenhang mit der Abschaffung der Pooling-of-lnterest-Methode ist nach US-GAAP seit dem Geschaftsjahr 2002 aktivierter Goodwill planmafiig nicht mehr abzuschreiben.^^^ Mit der Hinwendung zum Konzept der individuellen Wertberichtigung aktivierter Geschafts- und Firmenwerte hat der FASB „[...] eine spektakulare Abkehr von den internationalen Bllanzierungskonventionen"^^"^ vollzogen. Bedenklich ist hierbei vor allem die Tatsache, dass die neue Regelung als politisch erkaufter Kompromiss gilt - jedoch nicht als Resultat bilanztheoretischer Oberlegungen. Als treibende Kraft hinter der Abschaffung der planmafiigen Goodwillabschrelbung waren insbesondere die USamerikanischen Unternehmen auszumachen, die ihre Ergebnisse nicht langer mit hohen Abschreibungen auf erworbene Firmenwerte belasten wollten.^^^ Dieses Beispiel illustriert nicht nur den starken Einfluss der amerikanischen Wirtschaft auf die Normensetzung in den USA, sondern verdeutlicht, dass oftmals das Machtgefuge zwischen den beteiligten Organisationen uber die Entstehung und konkrete Ausgestaltung neuer Rechnungslegungsnormen entscheidet. Resultat dessen ist das bereits erwahnte „Spannungsverhaltnis zwischen reinem Sachbezug und polltischem Druck"^^^.

2.2.2.5 Konzeption und Anwendungsbereich der US-Generally Accepted Accounting Principles Obwohl der Begrlff GAAP seit den 30er Jahren im US-amerikanischen Sprachgebrauch Verwendung findet, existiert bis heute keine einheitliche Definition^^^ es handelt sich demnach um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die GAAP werden von der amerikanischen Offentlichkeit sowohl historisch als auch in ihrer heutigen Form als das Spiegelbild der Rechnungslegungspraxis eines gewissen Zeitraums verstanden, welches sich in bestimmten Verfahrensweisen, Praktiken, Methoden etc. schriftlich niederschlagt und von anerkannten Institutionen autorisiert

Zum sog. "Impairment-Only Approach" des FASB vgl. Kuting/Weber/Wirth (2001) S. 185-198; Hitz/Kuhner (2002) S. 273-287; Pellens/Sellhorn (2001b) S. 713-720. Pellens/Sellhorn (2001a) S. 28; ahnlich Suliert sich auch Busse von Colbe (2001) S. 877, der „einen scharfen Bruch mit einem bisher international nicht angezweifelten Grundsatz der Rechnungslegung" sieht. Vgl. Ballwieser (2001a) S. 160 f.; Wagenhofer (2002) S. 242; Protzek (2003) S. 495. Schildbach (1999c) S. 412. In der US-amerikanischen Literatur wird hierzu lapidar festgestellt: „There is perhaps no term in accounting lexicon that is either less understood or used out of context more frequently"; McEnroe (1991) S. 157; vgl. auch Haller (1998b) S. 126.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

51

wird.^^® Der Normenentwicklungsprozess neuer GAAP findet damit laufend statt und ist durch einen hohen Praxisbezug gepragt. Die Entstehung neuer GAAP ist dabei in zwei grundsatzliche Stromungen zu unterteilen. Einerseits wird in offiziellen Verlautbarungen und Standards autorisierter Fachgrennien wie dem FASB ein breites Spektrum dieser Verfahrensweisen schriftlich fixiert (sog. ..promulgated GAAP"), andererseits finden in der Wirtschaft vorherrschende Reciinungsiegungspraktiken uber Verlautbarungen der Wirtschaftsprufer Eingang in die Rechnungslegung (sog. non promulgated GAAP).^^^ Wahrend die ..promulgated GAAP" das Ergebnis eines formalislerten Standardisierungsprozesses bestimmter Fachgremien sind, welcher durch die interessierte Offentllchkeit im Rahmen von Anhorungen und Meinungsauflerungen beeinflusst wird, handelt es sich bei den „non promulgated GAAP" hingegen um ..[...] practices that are widely recognized and prevalent either generally or in the industry"^^°. Dem Testat der Wirtschaftsprufer und damit den Entscheidungen dieses Berufsstandes - kommt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle zu. Bei den Unternehmen in der Praxis vorherrschende Formen bzw. Methoden der Rechnungslegung mutieren nicht allein aufgrund ihrer weitlaufigen Verbreitung sukzessive zu einem Teil der allgemein anerkannten GAAP, sondern erst durch uneingeschrankte Bestatigungsvermerke der Wirtschaftsprufer, die diese Praktiken trotz ihrer bestehender Haftungsrisiken im Einklang mit der Forderung nach ..fair presentation" sehen.^^'' Der genaue Umfang der US-GAAP ist damit nicht eindeutig bestimmbar, wobei die Bedeutung der „non-promulgated" GAAP aufgrund des mittlerweile generell hohen Kodifizierungsgrades durch die aktive Standardisierungsarbeit des FASB gesunken ist.^^^ Dennoch garantieren die verschiedenen Moglichkeiten der Entwicklung und Ausgestaltung von GAAP eine gewisse Flexibilitat. Gerade die aufgrund der Nahe zur Rechnungslegungspraxis starke induktive Auspragung bewirkt eine hohe Dynamik im Entstehungsprozess neuer GAAP, die sich - nicht zuletzt gemessen an der Anzahl neu entstandener SFAS - in der hohen Effektivitat des FASB zeigt.^^^ Bei den US-GAAP handelt es sich zusammenfassend um eine durch praktische Erfahrungen induzierte Standardisierung von Rechnungslegungsverfahren, welche von der SEC akzeptlert werden und in der Unternehmenspraxis allgemeine Aner-

Vgl.Haller (1994)8.57-59. Vgl. Meek (2000)8.166. Born (2002) 8. 269 bzw. Kategorie D im "House of U8-GAAP"; vgl. hierzu Pellens/Fullbier/Gassen (2004) 8. 67 f. Vgl. 8childbach (2002c) 8. 22 f.; Kuting (1997) 8. 286 f.; Haller (1990) 8. 763 f. Vgl. Born (2002) 8. 261; Meek (2000) 8.166. Vgl. Haller (1998b) 8.128.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

kennung finden (mussen).^^^ Letztere sowie der wirtschaftsprufende Berufsstand haben dabei einen deutlich hoheren Einfluss auf die Entstehung von Rechnungslegungsnormen als die entsprechenden Instanzen in Kontinentaleuropa. Im Rahnnen dieses Wechsel- (und auch Machtspiels) zwischen den wirtschaftsprufenden Verbanden, dem privaten Standard-Setter FASB, den Bilanzersteilern sowie der Borsenaufsichtsbehorde SEC entsteht auch heute noch der weitaus grofite Teil der US-amerikanischen Bilanzierungsvorschriften.^^^ Der Aufbau der heutigen US-GAAP ist dennoch - trotz der Vielzahi der am Normensetzungsprozess beteiligten Organisationen - streng hierarchisch. Das auch als „House of US-GAAP" bezeichnete Konstrukt unterschiedlicher Normen und Verlautbarungen mit steigendem Spezialisierungs- und Detailgrad basiert auf dem sog. ..Conceptual Framework". Die Zielsetzung des aus sechs Rahmengrundsatzen, den sog. ..Statements of Financial Accounting Concepts" (SFACf^^, bestehenden Fundaments der US-amerikanischen Rechnungslegung ist eine logische Begrundung und Zusammenfassung bestehender Rechnungslegungsgrundsatze und soil im Rahmen der Entwicklung zukunftiger Standards als Deduktionsbasis dienen. Im Unterschied zum Framework der IFRS wurde das ..Conceptual Framework" nicht als vollstandige Einheit zu einem einzigen Zeitpunkt, sondern sukzessive in den Jahren 1978-1985 aus mehreren logisch aufeinander aufbauenden Einzelblocken entwickelt.^^^ Das Framework wurde erst nachtraglich als das - die Rechnungslegungsziele eriauterndes und zentrale Grundsatze beschreibendes Erklarungsmodell implementiert. Sein loglscher Aufbau kann nicht dartiber hinwegtauschen, dass .,[...] sich historisch betrachtet die US-Rechnungslegungsstandards primar induktiv aus der Unternehmens- und vor allem Prufungspraxis heraus entwickelten."^^® Die US-GAAP bestehen daher aus einer Vielzahi von Standards, Interpretationen und Verlautbarungen, die - vereint unter dem Dach des ..House of US-GAAP" - ein sehr detailliertes und komplexes Regelwerk bilden. Zwar existiert aufgrund der starken Einzelfallorientlerung fiir nahezu jeden Sachverhalt eine adaquate und eindeutige Losung, jedoch stellt sich die Gesamtheit der US-GAAP aufgrund ihrer kasuistischen Veranlagung und ihrer hohen Detailfulle als nahezu undurchschaubar dar.^^® Aufgrund der kochbuchartigen Behandlung

234

Vgl. Pellens (2001) S. 126 f.; Niehus/Thyll (2000) S. 7-9.

235

Vgl. Forschle/Holland/Kroner (2003) S. 4.

236

Im Februar 2002 wurde das ..Conceptual Framework" um SFAC 7 erweitert. Die ersten sechs SASC bildeten jedoch zusammen ein Projekt, obwohl sie uber Jahre entwickelt und durchgesetzt worden waren.

237 238 239

Vgl. Niehus/Thyll (2000) S. 10-17; Pellens/Fullbier/Gassen (2004) S. 62. Raffournier (2000) S. 8 f. Vgl. Sailer/Schurbohm (2002) S. 362; Born (2001) S. 17.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

53

von Einzelfallen (sog. „Cookbook-Accounting"^'*°) - und trotz des Konstruktes ..Conceptual Framework" - ist ein deduktiver Losungsansatz auf der Basis von ubergeordneten Rechnungslegungsgrundsatzen kaum moglich.^"^^ Fur Schildbach besitzen die US-GAAP daher „keine geschlossene und tragfahige theoretische Basis, die Ihnen eine einiieitiiche, konsequente und widerspruchfreie Linie verleiht. [...] Das House of GAAP besitzt kein Fundannent."^^^ Untermauert wird seine Aussage dadurch, dass die SFAC kein verbindliciier Teil der Standards und Interpretationen des FASB darstellen.^"*^ Die Widerspruciiiiciikeit zwischen Zielvorstellung und Realitat wird somit deutlich. Dem ursprungiichen Ziel des FASB, den Inkonsistenzen inn ..Flickenteppich"^^"^ der zahlreichen bestehenden Vorschriften durch einen einheitlichen tiieoretisciien Unterbau zu begegnen, steiit die Tatsache gegenuber, dass bestehende Einzelfallregelungen keineswegs durch das „Conceptual Framework" eingeschrankt werden.^^^ Nicht zuletzt bei Erstellung dieses Rahmenkonzeptes versuchte der FASB, den divergierenden Interessen verschiedener Beteiligter zu entsprechen. Insbesondere die Anerkennung der Praxis und der SEC waren bedeutsam, um nicht eine erneute Diskusslon um die Effizienz und Qualitat eines privaten ..Standard Settings" - und somit der Existenzberechtigung des FASB - aufkommen zu iassen.^"^^ Vor diesem Hintergrund ist Millers Aussage „The conceptual framework is better understood as a political document than as a purely conceptual effort"^"*^ zu interpretieren. Die Zielsetzung eines Jahresabschlusses nach US-GAAP wird von SFAC No. 1 (..Objectives of Financial Reporting by Business Enterprises") geregelt. Der primare und einzige Zweck der gesamten Unternehmensberichterstattung -- und somit auch des Jahresabschlusses - ist nach SFAC No. 1 die Bereitstellung brauchbarer Informationen uber die Lage des Unternehmens als Basis wirtschaftlicher Entscheidungen (sog. ..decision usefullness"). Die Zielsetzung eines Jahresabschlusses nach US-GAAP orientiert sich dabei primar an den Bedurfnissen externer Abschlussadressaten, welche i. d. R. nicht die Macht besitzen, entsprechende Unternehmensinformationen als Basis ihrer Investitionsentscheidungen einzufordern.

Vgl. Glaum (2001) S. 126. Vgl. Behr et al. (2002) S. 281; KleekSmper/Konig (2000) S. 572. Schildbach (2002c) S. 34. In samtlichen FASB ..Statements of Concept" wird namlich festgestellt, dass diese nicht als Bestandteile zu den US-GAAP gehoren; vgl. stellvertretend SFAC No. 1, S. 6; SFAC No. 2, S. 8 Oder SFAC No. 3, S. 8. Schildbach (1999c) S. 414. Vgl. Kuhlewind (1997) S. 49 f.; Pellens (2001) S. 159. Vgl. Haller (1994) S. 218 f.; Miller (1985) S. 66. Miller (1985) S. 7 1 .

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2 Ursprunge und Entwicklung der IntemationalisJerung

Obwohl den Informationsbedurfnissen aller Interessenten von Unternehmensdaten entsprochen werden soil, stehen die Interessen der Anteilseigner und Kreditgeber eindeutig im Vordergrund. Dabei wird unterstellt, dass mit Befriedigung von deren Informationsbedurfnissen auch die aller anderen Interessengruppen wie Lieferanten, Arbeitnehmer, FInanzanalysten oder der breiten Offentlichkeit In ausreichendenn Mafie berucksichtigt werden.^"*® Gezielt wird dabei insbesondere auf (kleine) Publikumsaktionare und Frenndkapitalgeber mit gerlngeren bzw. gar keinen Moglichkeiten der direkten unternehmerischen Einflussnahme. Durch die Vermittlung von Unternehmensinformationen - mit dem Jahresabschluss als zentralem Informatlonselement - soil letztllch die Funktionsfahigkelt und Allokationseffizienz des fur die Unternehmensfinanzlerung wichtigen amerikanlschen Kapitalmarkts garantiert werden.^"^^ Die Beschrankung der amerikanlschen Unternehmensberichterstattung ausschliefilich auf die Funktion der Informationsvermittlung mit dem Zlel der Steigerung der Kapitalmarktefflzienz begrundet die strikte Kapitalmarktorientierung der US-GAAP. Die Anwendung der US-GAAP beschrankt sich vor diesem Hintergrund vor allem auf borsennotierte Unternehmen, da das US-amerikanische Recht - im Unterschied zum deutschen - keine gesetzllche Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung kennt.^^° Diese entsteht in den USA erst durch die Kapitalmarktorientierung eines Mutterunternehmens, d. h. durch die beabsichtigte Inanspruchnahme des US-Kapitalmarkts. Vom Mutterunternehmen ist als ..registrant" bel der SEC ein ..registration statement" einzureichen, welches als zentrales Instrument der Unternehmensberlchterstattung eine von einem Abschlussprufer geprufte Konzernrechnungslegung nach US-GAAP vorsieht.^^'' Konkret richtet sich die Pflicht zur Konzernrechnungslegung danach, ob ein Mutterunternehmen Wertpapiere emittiert bzw. seine Wertpapiere an einer der US-amerlkanlschen Borsen^^^ gehandelt

Vgl. FASB, SFAC No. 1 Par. 24-40; Pellens (2001) S. 133; Meek (2000) S. 173. Die gleiche Schlussfolgerung ist auch in das Framework der IFRS Qbernommen worden, welches ebenfalls die Befriedigung der Jnformationsinteressen von Investoren in den Vorgrund steilt. Vgl. FASB, SFAC No. 1, Einleitung. Vgl. Born (2002) S. 407. Die Verpflichtung zur Konzernrechnung ggu. SEC und den Bdrsen werden durch den SA von 1933 sowie den SEA von 1934 geregelt. Hierunter fallen Notierungen an den beiden nationalen Borsen, NYSE und American Stock Exchange (AM EX), den sechs Regionalborsen des „first markets" oder an der National Association of Securities Dealers Automated Quotation (NASDAQ), die zwar als auflerbdrsliches Bildschirmhandelssystem konzipiert ist, aber ein wichtiges und geregeltes Marktsegment des Over-the-Counter (OTC)-Marktes darstellt. Unternehmenspapiere, die an anderen US-B6rsen Oder MSrkten gehandelt werden, und damit als aufierb6rslich I. e. S. gelten, unterliegen o. g. Pflichten nur dann, wenn sie die beiden GroUenkriterien einer Bilanzsumme von mehr als 5 Mio. $ sowie einer Anzahl von weltweit mehr als 500 Aniegern (mit Wertpapieren einer Kategorie) uberschreiten. Vgl. hierzu Schildbach (1999b) S. 359; Hayn (1997) S. 314 u. 351.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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werden.^^^ Rechtskraft erhalt ein Jahresabschluss nach US-GAAP jedoch erst, wenn er von einem US-amerikanischen Wirtschaftsprufer (CPA) gepruft und testiert worden ist. Zu den Unternehmen, die aufgrund ihrer Kapitalmarktorientierung unter Aufsicht der SEC zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach US-GAAP verpflichtet sind, kommen diejenigen hinzu, die zu einer Abschlussprufung seitens ihrer Kreditgeber bzw. anderer Personen vertraglich gezwungen werden.^^ Die dritte Gruppe der (amerikanischen) US-GAAP-Anwender bilden die Unternehmen, welche aus Grunden der Public Relations einen Jahresabschluss nach US-GAAP erstellen.^^^ Dies kann jedoch nicht daruber hinwegtauschen, dass die Rechnungslegung nach US-GAAP primar an den Informationsbedurfnissen des Kapitalnriarkts ausgerichtet ist und aus dem Blickwlnkel grofier borsennotierter Unternehmen entstanden ist. Dem Einzelabschluss kommt dabei nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Aus Sicht der Investoren und Glaubiger eines Konzerns spielt ausschlieHllch die Entwicklung der gesamten (konzernweiten) Vermogens-, Finanz- und Ertragslage die entscheidende Rolle. Einzelabschlusse hingegen prasentieren lediglich Teilinformationen der jeweiligen Tochtergesellschaften, die u. U. durch konzerninterne Sachverhaltsgestaltungen verzerrt sein konnen.^^^ Die Regelungen der SEC kennen daher grundsatzlich auch keine Pflicht zur Erstellung eines Einzelabschlusses (mehr).^^^ Aus diesem Grund wird in den USA dem Konzernabschluss zur Sicherstellung der „Fair Presentation" ein deutlich hoherer Informationsgehalt zugesprochen, well nur er aufgrund seiner umfangreichen Angaben das zentrale Informatlonsinstrument uber die wirtschaftllchen Verhaltnisse eines ganzen Konzerns darstellt.^^® Dem im kontinentaleuropaischen Raum bestehenden Dualismus von Einzel- und Konzernabschluss mit unterschiedllchen Funktionen steht in der angloamerikanischen Bilanzwelt ausschlielilich ein Jahresabschluss gegenuber, dem uben/viegend eine Informationsaufgabe zukommt.^^^ Niehus bringt es auf den Punkt: „Ein Konzernabschlu(i[!] ist der ,Jahresabschlu[l'[l] schlechthin"2^°.

Vgl. Scherrer (2000) S. 331 f. Diejenigen Unternehmen, die nicht vertraglich an die Anwendung der US-GAAP durch Kreditgeber o.a. gebunden sind, informieren ihre Kapitalgeber oftmals auf privater Basis bspw. durch das Recht zur Einsichtnahme in die Bucher. Ein Teil der US-amerikanischen Kapitalgesellschaften legt folglich ausschlieHlich nach steuerrechtlichen Vorschriften Rechnung; vgl. hierzu Schildbach (1999b) S. 359. Vgl. Meek (2000) S . I 66. Vgl. Pellens (2001) S. 173 f. Vgl. Hutten/Lorson (2001) S. 133. Vgl. Baker/Lembke/King (1999) S. 127-129. Vgl. Forschle/Holland/Kroner (2003) S. 4; Born (2002) S. 336. Niehus/Thyll (2000) S. 27.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

Vor dem Hintergrund der BeschrSnkung der amerikanischen Unternehmensberichterstattung auf die Funktion der Informationsvermittlung ist ferner das ganzliche Fehlen einer Ausschuttungsbemessungsfunktion amerjkanischer JahresabschlQsse sowie die strikte Trennung von iiandeis- und steuerreciitiiclier Reciinungslegung zu interpretieren. Eine dem § 58 AktG i. V. m. § 174 AktG bzw. § 29 GmbHG entspreciiende und gesetziicli vorgeschriebene iVIindestausscliuttung zum Schutz der Anteilseigner existiert in den USA niclit. Entscheidungen uber evti. Ausscliuttungen obliegen ausschliediicli dem Board of Directors. Ferner spielen in den USA gesetzliche Hochstausscliuttungsregeiungen nur eine untergeordnete Rolle.^^^ Ausscliuttungsbegrenzungen werden niciit uber Jahresabsciiiussgrofien, sondern uber spezielle Insolvenztests Oder separate, individuell ausgestaltete Kreditvertrage vorgenommen.^^^ Der nach US-GAAP ausgewiesene Gewinn mag zwar als Ausgangspunkt dieser Berechnungen gelten, jedoch folgen danach wesentliclie Modifikationen.^®^ Die liandelsreciitiiciie bzw. finanzielle Gewinnermittlung im Jaliresabscliiuss nach US-GAAP dient damit ausschliedlich der Information der Absclilussadressaten, wahrend die steuerliche Gewinnermittlung mit der Steuer- bzw. Zahlungsbemessung ganzlich andere Ziele verfolgt - und auf anderem Wege erfolgt.^^ Ein US-amerikanischer Jahresabschluss ist damit weder Grundlage fur die Ertragsbesteuerung noch konnen aus iiim Rechtsanspruclie zur Zaiiiung einer Dividende abgeleitet werden.^®^ Obwolil die Ermittlung des steuerlich relevanten Einkommens auf Basis des Gewinns nach US-GAAP erfolgt^^^, welcher durch zahlreiche Zu- und Abschlage in den steuerpflichtigen Gewinn uber-

Im Unterschied zu Deutschland, wo insbesondere fur Aktiengesellschaften nach § 150 AktG detaillierte Ausschuttungsbegrenzungen gesetzlich kodifiziert sind, wird das Ausschuttungspotenzial in den USA dezentral durch das Gesellschaftsrecht des entsprechenden Grundungsstaates bzw. durch das Aktiensystem determiniert; vgl. hierzu WOstemann (1999) S. 52-60. Vgl. Wustemann (1996) S. 424-427; Pellens (2001) S. 135-137. Diese beruhen meist auf bewShrten MustervertrSgen oder ..Commentaries on Indentures" der American Bar Foundation, weiche den deutschen Grundsatzen der Rechnungslegung und deren inhSrenten Vorsichtsgedanken relativ nahe kommen; vgl. hierzu Schildbach (1999b) S. 360. FOr die Auslegung und Umsetzung des US-amerikanischen Steuerrecht ist der Internal Revenue Service (IRS), eine dem Finanzministerium zugeordnete Unterbehdrde, verantwortlich. Rechtsgrundlage des amerikanischen Steuerrechts ist der Internal Revenue Code (IRC), der sich aus einer Vielzahl von einzelnen Regelungen vergangener Steuerreformen zusammensetzt. Zum generellen Uberblick uber das US-Einkommensteuerrechts vgl. Kroschel (2000) S. 286-295; Schreiber (2000) S. 49-98. Vgl. Haller (2000) S. lOf. Dies gilt jedoch ausschliefllich fur Unternehmen, die US-GAAP anwenden. Die Mehrzahl der amerikanischen Unternehmen, die nicht zur Rechnungslegung nach US-GAAP verpflichtet sind, ermittein ihr steuerliches Einkommen vollstandig auf Basis der steuerrechtlichen Vorschriften; vgl. hierzu Meek (2000) S. 168.

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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fuhrt wird, beeinflusst die steuerliche Gesetzgebung i. d. R. nicht die US-GAAP.^®^ Aus diesem Grund kann in einem US-amerikanischen Jahresabschluss kein Platz fur ein Madgeblichkeitsprinzip sein. Unabhangig davon stimmen in der Praxis dennocii explizite steuerliche Vorsciiriften mit entsprechenden Regelungen des US-GAAP uberein.

2.2.2.6 US-GAAP und SEC im Spiegel der internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung Obwohl die US-GAAP heute aucii auderhalb der USA eine exzellente Reputation geniefien, scheint ihnen der Weg vom weltweit bedeutenden zum international anerkannten Standard aufgrund vieler Hindernisse versperrt zu sein. Ein wesentlicher Nachteil der US-GAAP besteht - insbesondere aus europaischer Sicht - in ihrer nationalen Ausrichtung auf (ausschliedlich) US-amerikanische Verhaltnisse und Gegebenheiten ohne jegliche Mitgestaltungsmoglichkeiten von internationaler Seite. Die heutigen US-GAAP sind aufgrund der Grolie ihres Kapitalmarkts ein weltweit anerkanntes und bedeutendes Rechnungslegungssystem, an deren Entstehung allerdings ausschlielilich Amerikaner beteiligt.^^® Allein aus psychologischen Grunden durften sich nationale Rechnungslegungsnormen eines einzigen Landes - mogen sie von noch so hoher Qualitat und Stringenz sein, sofern auf deren Entstehung und Entwicklung keine (externe) Einflussmoglichkeit besteht weltweit nicht durchsetzen lassen.^^^ Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Europaische Komnriission gegen eine generelle Anwendung der US-GAAP in Europa ausgesprochen. Neben den fehlenden Moglichkeiten zur Einflussnahnne auf die US-amerikanische Normensetzung moniert die Europaische Kommission insbesondere den mittelbaren Einfluss der SEC im Rahmen des Standard-Settings des FASB sowie die - mit der Anwendung der US-GAAP automatisch einhergehende - strenge Oberwachung durch die Borsenaufsicht SEC.^^° Schildbach kommentiert diesen Umstand mit deutlichen Worten: „Der FASB enA/eist sich als bedauernswerte Marionette und das House of GAAP als effektvolle Kulisse im Spiel um die World Standards of Accounting. Die wirkliche Macht [...] [liegt] bei der SEC. Damit sind [die] US-GAAP in Wahrheit das Produkt einer staatlichen Regu-

Einzige Ausnahme bildet die Lifo-Methode im Rahmen der Vorratsbewertung, die bei der steuerlichen Gewinnermittiung nur dann zugelassen ist, wenn sie auch im handelsrechtlichen Abschluss nach US-GAAP angewendet wurde; vgl. hierzu Schreiber (2000) 8. 82 f. Vgl. Rohling (2002) S. 29. Vgl. Kleekamper/Konig (2000) S. 572. Vgl. Hulle (2000) S. 525, der in der Zulassung von US-GAAP in Europa ein „Riesengeschenk" fur die USA sieht.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

lierungsbehorde, eines amerikanischen Aktienamts."^^^ Die Tatsache, dass es sjch bei der SEC urn eine staatliche und ausschliedlich von amerikanischen (Wirtschafts-)lnteressen gelenkte Institution handelt, verhindert im Wesentllchen die Durchsetzung der US-GAAP als international anwendbares Rechnungslegungssystem. EIn weiterer wesentlicher Nachteil der US-GAAP ist ihre hohe Komplexitat, die sich in einer Vielzahl von nahezu unuberschaubaren Standards, Interpretationen und Anwendungshilfen manifestiert. Obgleich dadurch tendenziell bilanzpolitische Spielraume einengt werden, stellt die kochbuchartige Einzelfallorlentierung der US-GAAP bzw. die damit verbundene Normentiefe und Normenfulle ein Nachteil dar. Gegenuber den IFRS gelten sie deshalb In praxi als auUerst komplex und undurchschaubar.^^^ Zudem sind die US-GAAP ausschlielilich in Englisch verfasst und in keine andere Sprache ubersetzt worden. De fakto wird es damit schwer durchsetzbar sein, internationalen Unternehmen und Kapitalanlegern zu detailllerte und zudem unubersetzte US-amerikanische Rechnungslegungsnormen aufzuoktroyleren. Aus globaler Perspektive erscheint daher „[...] ein hoherer Abstraktionsgrad von Regelungen mit der Moglichkeit deduktiver Losungsansatze in unterschiedlichem soziookonomischen Umfeld, wie sie die IAS bletet, pragmatischer und erfolgversprechender."^^^ Vor dem Hintergrund der faktisch nicht vorhandenen Moglichkeit, die US-GAAP als Welt-Standard zu platzieren, haben SEC und FASB im letzten Jahrzehnt eine Internationalisierungsstrategie verfolgt. Wahrend bis Anfang der 90er Jahre Internationale Bemuhungen zur Harmonisierung der Rechnungslegung von der SEC bzw. dem FASB noch ganzlich ignoriert wurden, hat sich diese Haltung seitdem zunehmend geandert. Beide Organisationen vertreten jedoch auch heute noch den Standpunkt, dass man uber die besten Rechnungslegungsnormen der Welt verfuge und daher kein Aniass bestehe, sich anderen - als quaiitativ minderwertig empfundenen - Rechnungslegungssystemen anzupassen bzw. anzunahern.^^"* Die strengen und restriktiven Publizitatsvorschriften^^^ in den USA fuhrten Mitte der 90er Jahre zu einer unterdurchschnittlichen Prasenz auslandischer Unternehmen an den US-amerikanischen Borsenplatzen.^^® Vor dem Hintergrund der fort-

Schildbach (2002c) 8. 38. Vgl.Kuting (1997) 3.288. Kleekamper/Konig (2000) 8. 572. Vgl. Meek (2000) S. 164; Helleman/Slomp (2002) 8. 217 f. Vgl. hierzu Bay/Bruns (2000) 8. 719-726. Meek bezeichnet die Publizitatsvorschriften der 8EC sogar als die strengsten der Welt; vgl. hierzu Meek (2000) 8. 164. Trotz umfangreicher Madnahmen seitens der NYSE verstSrkt auslandische Unternehmen an die Wall Street zu holen, betrug der Anteil auslandischer Gesellschaften an der NYSE 1999

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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schreitenden Intemationalisierung der Kapitalmarkte und des daraus erwachsenden Wettbewerbsdrucks nationaler Borsenplatze urn kapitalnachfragende Unternehmen haben auslandische Emittenten bevorzugt Marktplatze mit deutlich geringeren Anforderungen an Registrierung und Publizitat aufgesucht. Die stetig wachsende Nachfrage US-amerikanischer Investoren nach auslandischen Aktien verstarkt dabei die Relevanz dieser Frage. Obwohl die SEC in der Folge auslandischen Emittenten gewisse Erleichterungen^'^^ zugestanden hat, werden die strengen Borseneinfuhrungs- und -handelsmodalitaten bis dato als wesentliches Hindernis einer Notierung am US-amerikanischen Kapitalmarkt gesehen.^^® Insbesondere die Aufstellung eines Jahresabschlusses nach US-GAAP bzw. die zwingend erforderliche Uberleitung (Reconciliation) erweisen sich als grofle Hurde. Zur Sicherstellung der Schutz- und Informationsbedurfnisse der US-amerikanischen Investoren sowie zur Vermeidung wesentlich unterschiedlicher Publizitatsanforderungen an in- und auslandische Emittenten in den USA verfolgt die SEC seit Ende der 90er Jahre die Strategie, auf international verbesserte - und damit dem US-amerikanischen Niveau angepasste - Publizitatsbestimmungen hinzuwirken. Erklartes Ziel dabei ist, als einflussreiches Mitglied der internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehorden (IOSCO) letztlich eine Angleichung der auslandischen Normen an die US-GAAP zu erreichen.^^^ Insofern ubt die SEC - als bedeutendes Mitglied der IOSCO - uber diese auf den lASB starken Druck mit dem Ziel einer Verbesserung seiner Standards im Sinne einer Annaherung an die als qualitativ hoherwertig angesehen US-GAAP aus. Nur vor diesem Hintergrund ist durch die indirekte Einflussnahme uber die IOSCO entstandene strukturelle Anpassung der Organisationsstruktur des lASC an das FASB und die weitergehende Amerikanisierung auf inhaltlicher Ebene zu interpretieren.^®° Selbst die Bekanntgabe der geplanten personellen und organisatorischen Annaherung des alten lASC (derzeitiges lASB) an die Struktur des FASB im Jahre 1999 stiefi auf eine ablehnende Haltung des FASB und der FAF gegenuber den Reformbemuhungen des lASC. Beide Institutionen sehen einen internationalen, qualitativ hochwertigen Normensetzungsprozess erst erreicht, wenn dieser US-amerikanischen Mafista-

erst 15,6% (405 Unternehmen), wahrend er in Deutschland 8 8 , 4 % (7.974) und in der Schweiz 42,0 % (173) betrug; vgl. Deutsche Borse AG (1999) 8. 73. Dabei geht es vor allem urn Anforderungen des SEA bzgl. des Ausmades der laufenden Publizitat, der Proxy-Vorschriften und der Insiderregistrierung. Hinzu komnnen bilaterale Verhandlungen zwischen dem jeweiligen Emittenten und der SEC; vgl. SEC, International Series Release No. 653: Simplification of Registration and Reporting Requirements fur Foreign Companies; Hopt (1976) 8. 214. Vgl. Pollens (2001) 8. 90-92. Vgl. Meek (2000) 8.165. Vgl. Niehus/Thyll (2000) 8. 546; Meek (2000) 8. 165.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

ben gleiche.^®'' Niehus kommt daher zu dem Schluss, dass „bei intensiver Beschaftigung mit den Auflerungen des FASB zu einheitlichen internationalen Bilanzierungsgrundsatzen [...] es unverkennbar [sei], dafi[!] das FASB ein ebenso grofles Hindernis zur Vereinheitljchung wie die SEC jst."^®^ Auch nach der bereits im Mai 2000 erfolgten Empfehlung der IOSCO, die IFRS als Basisregelwerk an den nationalen Wertpapierborsen ihrer Mitgliedsorganisationen weltweit anzuwenden, sowie der Forderung nach einer weiteren inhaltlichen Annaherung beider Normensysteme steht die Anerkennung der IFRS als gleichwertige Rechnungslegungsgrundsatze neben den US-GAAP - als Voraussetzung fur eine Notierung an der NYSE bzw. anderen US-amerikanischen BGrsen - in den USA weiterhin aus.^®^ Die SEC begrundet die ausstehende Anerkennung der IFRS in den USA mit den - trotz aller Bemuhungen - immer noch bestehenden inhaltlichen Diskrepanzen zwischen beiden Normensystemen. Vor dem Hintergrund des im Jahre 2002 beschlossenen ..Convergence Projects"^^ zwischen lASB und FASB, dessen erklartes Zlel die Konvergenz beider Normensysteme ist, durfte der Druck zur Anerkennung der IFRS in den USA weiterhin zunehmen. Aus US-amerikanischer Sicht handelt es sich jedoch auch hierbei um eine Annaherung der IFRS an die als hochwertiger eingestuften US-GAAP.

2.2.2.7 Andere politische Initiativen zur internationalen IHarmonisierung der Rechnungslegung Zu den weiteren Tragern der internationalen Harmonislerung der Rechnungslegung, die sich mit der weltweiten Angleichung von Rechnungslegungsnormen befassen, gehoren die United Nations Organisation (UNO), die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECDf ®^ sowie die Internationale Borsenaufsichtsbehorde IOSCO.

Auszug aus einem Schreiben des FASB und der FAF vom 10. MSrz 1999 an Sir Bryan Carsberg, Secretary-General des lASC: "The FAF and the FASB believe that establishing a highquality international accounting standard-setting-structure and process (1) is necessary to achieving our objective of increasing international comparability while maintaining the highest quality accounting standards in the United States [...]." Niehus/Thyll (2000) S. 548. Tz. 1529; vgl. hierzu auch Kleekamper/KSnig (2000) S. 572, der die mangelnde Kompromissbereitschaft der SEC und des FASB bzgl. der Anerkennung der IFRS kritisiert. Vgl. Peemoller/Fischer (2000) S. 143. Im sog. „Norwalk Agreement" haben lASB und FASB vereinbart, die IFRS und die US-GAAP einanderanzugleichen; vgl. FASB/IASB (2002). Die OECD ist die Nachfolgeorganisation der europaischen Organisation fur wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), die im Dezember 1960 durch Unterzeichnung des sog. Pariser Ubereinkommens gegrundet wurde. Die 30 Mitglieder der OECD sind uberwiegend westliche

2.2 Systematisierung bestehender Harmonisierungsbestrebungen

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Bereits 1977 veroffentlichte die im Auftrag der UN eingesetzte Expertengruppe „Group of Experts on International Standards of Accounting and Reporting" (GEISAR) einen Vorschlag zur Veroffentlichung von Mindestinfornnationen, der jedoch aufgrund seiner weitreichenden Offenlegungsempfehlungen keine allgemeine Akzeptanz fand. Ihr Nachfolgegremium, die 1982 eingesetzte Jntergovernmental Working Group of Experts on International Standards on Accounting and Reporting" (ISAR) hatte ebenfalls zum Ziel, umfangreiche Publizitatspflichten auszuarbeiten.^®® Die ISAR strebt jedoch nicht die Erstellung einheitlicher Rechnungslegungsvorschriften an und ist somit nicht als Standard-Setter im eigentlichen Sinne tatig. Folglich ist der Einfluss der UN im Rahmen der internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung gering.^®^ Ihr Fokus liegt vielmehr darauf, die bedeutenden normensetzenden Institutionen durch Berichte und Studien zum Dialog zu bewegen und dadurch einen Beitrag zur weltweiten Harmonisierung der Rechnungslegung zu leisten.^®® Das von der OECD gegrundete ..Committee on International Investment and Multinational Enterprises" (CIME) veroffentlichte 1976 als Antwort auf die aus ihrer Sicht uberzogenen Forderungen der UNO die ..Guidelines fur Multinational Enterprises". Kernstuck dieser Richtlinie waren keine konkreten Bilanzierungsund Bewertungsvorgaben, sondern ausschliefilich Publizitatsanforderungen zu den angewandten Methoden.^®^ Wegen ihrer deutlich geringeren Anforderungen im Vergleich zu den umfangreichen Offenlegungspflichten der UNO wurden die OECD-Leitlinien von vielen Unternehmen freiwillig angewendet. Diese sind heute jedoch aufgrund der erfolgreichen Harmonisierungsbemuhungen durch das lASC/IASB in den meisten nationalen Normensystemen integriert, so dass ihnen Im Rahmen der internationalen Harmonisiemng nur noch wenig Bedeutung zukommt. Gleiches gilt fur die OECD selbst, die sich ebenfalls nicht als normensetzende Institution sieht. Dennoch durfte sie durch ihre Vorreiterrolle die Internationale Harmonisierung der Rechnungslegung gefordert haben.^^°

Industriestaaten. Aufgabe der OECD ist die Koordinierung der Wirtschaftspoiitik ihrer Mitgliedstaaten. Zudem ist sie auf dem Gebiet der Entwicl^iungsliilfe tatig. Vgl. Wagenliofer (2005) S. 25 f.; Achleitner/Behr (2003) S. 27. Vgl. Born (2002) S. 29 f. Die ISAR hat jedoch im Jahr 2002 auf Basis der IFRS einen Vorschlag fur gesonderte Rechnungslegungsvorschriften von i^leineren und mittleren Unternehmen vorgelegt. Dieser besitzt insofern Bedeutung, als er neben einem weiteren Vorschlag aus Neuseeland die weltweit derzeit einzige Initiative dieser Art ist; vgl. ausfuhrlich Kapitel 5.3.2.7, S. 293. Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 28. Vgl. Kudmaul (2000) S. 346 f.; Born (2002) S. 33.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

Der IOSCO als internationaler Vereinigung der (nationalen) Wertpapieraufsichtsbehorden^®'' kommt im Vergleich zu OECD und UNO fur die Internationalisierung der Rechnungslegung deutlich mehr Bedeutung zu. Als Plattform der nationalen Borsenaufsichtsbehorden formuliert sie - unter starkem Einfluss der US-amerikanischen SEC - Rechnungslegungs-, Offenlegungs- und Prufungsvorschriften fur diejenigen Unternehmen, die an einer der Mitgliedsborsen gelistet sind.^^^ Die IOSCO hat 1993 dem damaligen lASC eine Liste von notwendigen „Kernstandards" (Core Standards) ubermittelt, die als Voraussetzung einer Empfehlung der IAS als Borsenzulassungsstandards ihrer Mitglieder umgesetzt werden mussten.^^^ Unter der EInflussnahme der SEC auf die IOSCO hat Letztere schliedlich ausreichend Druck auf das lASB bzw. seine Vorgangergremien mit dem Ziel einer qualitativen Verbesserung seiner Standards ausgeubt, und somit unmittelbar einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung der Harmonisieaing der Rechnungslegung geleistet.

2.3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung 2.3.1 Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen Die gesetzlichen Regelungen zur deutschen Rechnungslegung unterlagen in der Vergangenheit keinem kontinuierlichen Entwicklungsprozess, sondern haben sich aufgrund weniger, aber grundsatzlicher Refornnen weiterentwickelt. Zwischen diesen bedeutenden Reformschritten liegen tellweise Jahrzehnte mit gerlnger regulatorischer Aktivltat seitens des Gesetzgebers.^^ Die Diskussion uber den Einzug international ubiicher Gepflogenheiten in die deutsche Rechnungslegung geht dabei in das Jahr 1965 zuruck. Bereits bei der damaligen Aktienrechtsreform wurde das Ziel einer Verstarkung des Informationsgehaltes von Jahresabschlussen (Rechenschaftslegung) - aber unter Beibehaltung der Ausschuttungsbegrenzung (Glaubigerschutz) - verfolgt. Das Festhalten am Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip zu Ungunsten der angelsachsisch gepragten Aufdeckung stiller Reserven nach dem Prinzip „der glasernen, aber verschlossenen Taschen"^^^ gait letztlich als wichtige Weichenstellung. Ob-

In der IOSCO haben sich die nationalen Wertpapieraufsichtsbehorden zusammengeschlossen mit dem Ziel des Erfahrungsaustausches sowie der weltweiten Zusammenarbeit bei Borsenzulassung und -aufsicht. Vgl. Bom (2002) S. 34. Vgl.Kapitel 2.2.2.1, 8. 34. Vgl. Pellens(2001)S. 531. Kronstein/Claussen (1960) S. 136, ahnlich auch S. 140.

2.3 Intemationalisierung der deutschen Rechnungslegung

63

wohl die Reform insgesamt als Hinwendung zum Aktionarsschutz interpretiert wurde, indem durch erweitere Informationen im Jahresabschluss verstarkt glSubigerschutzende Instrumente vom Untemehmen in die Verfugungsgewalt der Kapitalgebertransferiert wurden, verblieben nicht unerhebliche Bewertungsspielraume. Somit wurde das ursprunglich verfolgte Modell der „glasernen, aber verschlossenen Taschen" nicht ausreichend umgesetzt.^^^ Eine gewisse, wenn auch geringfugige, Zuwendung zu international langst ubiichen Bilanzierungsgepflogenheiten ist im Rahmen des neuen Aktiengesetzes (AktG) vom 6.9.1965 dennoch festzustellen. Ab diesem Zeitpunkt wurde in Deutschland erstmals ein zusatzlicher Konzernabschluss fur Aktiengesellschaften verpflichtend, in den jedoch nur deutsche Tochtemnternehmen einbezogen wurden. Im Ergebnis wurden durch die Aktienrechtsreform von 1965 die ersten detaillierten gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der Konzernrechnungslegung geschaffen. In der Folge erstellten die gro(ien deutschen Konzerne ab etwa 1970 auf freiwilliger Basis so genannte Weltbilanzen, in denen sie alle Tochterunternehmen abbildeten. Die ruckstandige deutsche Rechnungslegung zwang sie zu diesem Zeitpunkt noch zur Erstellung und Veroffentlichung von drei separaten Jahresabschlussen. Erst mit Verabschiedung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) im Jahre 1985 bestand erstmals die Moglichkeit der Einbeziehung auslandischer Tochterunternehmen und somit der Erstellung eines Weltabschlusses.^®^ Mit dem BiRiLiG vom 19.12.1985 wurden im Wesentlichen die 4., 7. und 8. EGRichtlinie^^® in deutsches Recht umgesetzt, wodurch sich das deutsche Bilanzrecht in Struktur, Umfang, Geltungsbereich und Detaillierungsgrad grundlegend anderte.^^^ Als Ursache dieser grundlegenden Reform gait die langst uberfallige Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf die entsprechenden europaischen Harmonisierungsbestrebungen zur Angleichung des Rechts fur Kapitalgesellschaften und Konzerne. Allein zur Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in deutsches Bilanzrecht benotigte der deutsche Gesetzgeber sieben Jahre.^°° Er beschrankte sich dabei

Vgi. Grund (1996) S. 1293; Kirsch (2002) S. 744. Vgl. Born (2002) S. 444. Neben der Vierten Richtlinie des Rates der EG vom 25. Juli 1978 (4. RL) uber den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (Bilanzrichtlinie), der Siebten Richtlinie des Rates der EG vom 13. Juni 1983 (7. RL) uber den konsolidierten Abschluss (Konzernbilanzrichtlinie) sowie der Achten Richtlinie des Rates der EG vom 10. April 1984 (8. RL) uber die Zulassung der mit der Pflichtprufung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (Abschlusspruferrichtlinie) wurde auch die Richtlinie des Rates der EG vom 27. November 1984 (1. Ecu-RL) zur Anderung der in Ecu ausgedruckten Betrage der 4. RL in deutsches Recht umgesetzt. Zur Ubersicht Ober die wesentlichen Neuerungen vgl. Biener (2000) 8. 26, Tz. 9. Die Grunde hierfur lagen vor allem in der Diskussion um die Anwendung einschlagiger Rechnungslegungsvorschriften, die bereits seit dem AktG (1965) fur AG und KGaA galten, aber

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

nicht auf eine reine Transformation der einschlagigen Regelungen der EG-Richtlinien, sondern nahm die Umsetzung zum Aniass fur eine grundlegende Neugestaltung des deutschen Bilanzrechts. Die bisher nur dem AktG bekannten detaillierten Vorschriften zur Rechnungslegung wurden in das HOB transferiert, wobei sie (neben Kapitalgesellschaften und Konzernen) aucii auf Nicht-Kapitalgesellschaften ausgeweitet wurden - und damit deutlich uber den ursprunglichen Anwendungsbereicii der EG-Richtlinien hinausgingen-^^"" Vor Verabsciiiedung des BiRiLiG im Jaiire 1985 waren Rechnungslegungsvorschriften in ausfuhrlicher und detaillierter Form ausschliedlich im AktG kodifiziert, wShrend Nicht-Kapitalgesellschaften die „Uraltvorschriften"^°^ der §§ 38 ff. HGB a. F. befolgen mussten.^°^ Erst die Kodifizierung von umfassenden allgemeinen Grundsatzen sowie konkreten Ansatz- und Bewertungsvorschriften durch das BiRiLiG im neu gescliaffenen Dritten Bucii des HGB (§§ 238-263 HGB) - nach dem Vorbild der eigentlich fur Kapitalgesellschaften relevanten 4. EG-Richtlinie - bedeutete weitreichende Auswirkungen auf den Einzeljahresabschluss von Nicht-Kapitalgesellschaften. Diese wurden um die (eigentlich) ausschliefllich fur Kapitalgesellschaften relevanten Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften sowie die umfassenden Angabe- und Eriauterungspflichten der §§ 264-289 HGB enA/eitert.^^"* Wesentlich starker noch anderten sich durch das BiRiLiG die Vorschriften fur die bis dahin „stiefmutterllch behandelte Konzernrechnungslegung"^°^. Neben der Einfuhrung des international langst ubiichen Weltabschlussprinzips und einer Ausweitung der Aufstellungspflichten wurde die Aussagekraft konsolidierter Abschlusse insbesondere durch den Grundsatz der EInheitlichkeit von Ansatz und Bewertung^°® als wesentliche Neuerung erhoht.^^^ Erklartes Ziel bei Umsetzung der 7. EG-Richtlinie war vor al-

nunmehr auf die typisch mittelstSndische Rechtsform GmbH anzuwenden waren. Hinzu kamen die langjahrigen Verhandlungen um das vom BMJ durchgesetzte neu geschaffene Dritte Buch des HGB, in welchem Bilanzierungsvorschriften fur alle Kaufieute geregelt werden, sowie die Diskussion um die Frage, inwiefem auch Rechtsanwaite, Steuerberater u.a. als Prtifer der damals neu prufungspflichtigen Rechtsform GmbH zugelassen waren; Biener (2000) S. 25, Tz. 8. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 25 f.; Kirsch (2002) S. 744. Helmrich (1985)8.25. Diese bestanden bereits vor dem AktG (1965) und beschrankten sich i. W. auf Fragen der Buchfuhrung und des Inventars. Ziel war, „[...] die Lage des Vermogens nach den Grundsatzen ordnungsgemaiier Buchfuhrung ersichtlich zu machen": § 38 Abs. 1 HGB a. F. Vgl. Kirsch (2002) S. 745. Kirsch (2002) S. 745. Vorher gait die Mafigeblichkeit der Einzeljahresabschlusse fur den Konzernabschluss, nach der die einbezogenen Abschlusse unver^ndert (ohne HB II) in den Konzernabschluss ubernommen werden konnten. Hinzu kamen ferner die Moglichkeit zur Quotenkonsolidierung und die erfolgswirksame Bilanzierung bestimmter Beteiligungen nach der Equity-Methode (auch oberhalb der historischen Anschaffungskosten); vgl. Biener (2000) S. 26.

2.3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung

65

lem die Erhohung der Aussagefahigkeit von Konzemabschlussen.^^® Im Unterschied zur restriktiven Umsetzung der 4. EG-Richtlinie wurden im Rahmen der Ubernahme der 7. EG-Richtlinie naiiezu alle Mitgliedstaatenwahlrechte in deutsciies Recht ubernommen, womit ein Ausgleicii zu den strengeren Regelungen im Einzeljahresabschluss geschaffen werden sollte. Durch die Kodlfizierung diverser Ansatz-, Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte in deutsches (Konzern-)Bilanzrecht wurde somit von Beginn an die nationale und internationale Vergielciibarkelt von Konzernabschlussen deutlich eingeschrankt und letztlich die mit der 7. EGRichtlinie verfolgten europaischen Harmonisierungsbestrebungen konterkariert.^°^ Eine etwaige Hinwendung zu einer international akzeptierten kapitalmarktorientierten Rechnungslegung des deutschen Bilanzrechts ist durch das BiRiLiG folglich nicht errelcht worden. Obwohl durch Einfuhrung des Weltabschlussprinzips sowie Ausweitung der Aufstellungspflicht von Konzernabschlussen die Aussagekraft und Bedeutung von Konzernabschlussen in Deutschland erheblich gewachsen ist, wurde die Informationsfunktion der (Konzern-)Rechnungslegung zwar formell, aber nicht materiell im deutschen Gesetz verankert.^''^ Grund kommt daher zu dem Schluss, dass „die Gelegenheit zur echten Reform, um - auch im Zuge der europaischen Harmonisierung - im deutschen Bilanzrecht Regein zu etablieren, die starker an der Informationsfunktion der Rechnungslegung ausgerichtet sind, [...] vom deutschen Gesetzgeber bisher nicht genutzt"^^^ wurde. Die Kritik am deutschen Bilanzrecht hielt damit auch nach Verabschiedung des Bilanzrichtliniengesetzes von 1985 an. Als treibende Kraft bei der weiteren Harmonisierung des deutschen (Konzern-) Bilanzrechts zeigten sich im Wesentlichen die grofien deutschen Konzerne, die im Rahmen der Globalisierung ihrer Geschaftstatigkeiten zunehmend auf auslandisches - und insbesondere US-amerikanisches - Kapital und die damit einhergehenden strengeren internationalen Publizitatsvorschriften angewiesen waren. Um internationale Kapitalmarkte in Anspruch nehmen zu konnen, sahen sich diese Unternehmen gezwungen, aufgrund fehlender Befreiungsmoglichkeiten von der Aufstellungspflicht zum Konzernabschluss nach HGB duale Oder parallele Konzernabschlusse nach IAS oder USGAAP aufzustellen.^''^ Bereits im Jahre 1993 veroffentlichte die Daimler-Benz AG als erstes deutsches Unternehmen einen parallelen Konzernabschluss nach USGAAP, dem 1994 mehrere duale HGB/IAS-Abschlusse u. a. der Bayer AG, der

^°^ ^^ ^^° ^^^ ^^^

Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2002) S. 16. Vgl. Kirsch (2002) S. 745; Baetge/Kirsch/Thiele (2002) S. 16. Vgl. Grund (1996)8.1293. Grund (1996) 8.1294. Vgl. Pellens (2001) S. 562; Kuting (2000) 8. 40.

2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung Hochst AG, der Schwering AG sowie der Heidelberger Zement AG folgen sollten.^''^ Die zunehmende KritJk aus den USA verstarkte zudem die Diskussion um das starre deutsche Konzernbilanzrecht.^^"^ Mit Eriass des so genannten Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes^^^ (KapAEG) reagierte der deutsche Gesetzgeber schliefllich auf die anhaltende Diskussion um die Offnung der deutschen Konzernrechnungsiegung in Richtung international anerkannter Rechnungslegungsnormen. Der Internationalisierungsprozess der Rechnungslegung in Deutschland findet damit seit 1998 seinen gesetzlichen Niedersciiiag im KapAEG, das durcli die Offnungsklausel in § 292a HGB borsennotierten deutsciien Mutteainternehmen unter bestimmten Voraussetzungen^^® die Aufstellung eines nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsatzen befreienden Konzernabschlusses gewahrt. De facto handelt es sich hierbei um Abschlusse nach USGAAP Oder IAS. Eine En/veiterung des Kreises der befrelten Unternehmen auf kapitalmarktorientierte Konzerne^^^ ist zudem durch das Kapitalgesellschaften und Co.-Richtliniengesetz^^® (KapCoRiLiG) elngetreten.^^® Mit der Befreiungsmoglichkeit von der deutschen Konzernrechnungslegung durch den § 292a HGB wurde damit insbesondere den Bedurfnissen der international operierenden deutschen (Grod-) Unternehmen entsprochen, die den deutschen Gesetzgeber zum Handein bewegt haben. Im Unterschied zum BiRiLiG 1985 hat dieser im Rahmen des KapAEG nicht aufgrund europaischer Initiativen gehandelt, sondern auf aktuelle Entwicklungen in der deutschen Rechnungslegungspraxis reagiert. Damit wurde ein erieichterter Zugang zu den internationalen Kapitalmarkten gewahrt, ohne wei-

Vgl.Kirsch (1995)8.1774. Vgl. stellvertretend o.V. (1992) S. 45; o.V. (1995) S. 16; o.V. (1996) S. 33. Gesetz zur Verbesserung der WettbewerbsfShigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmarkten und zur Erieichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen vom 20.4.1998, BGBII 1998, S. 707-709. Eine Ubersicht der Voraussetzungen des § 292a HGB gibt Biener (2000) 8. 34-37, Tz. 40-50. Neben den bereits nach § 292a iegitimierten borsennotierten Geseilschaften fallen unter den Geltungsbereich des KapCoRiLiG auch Mutterunternehmen (i. 8. des § 290 HGB und des § 11 PubIG), sofern diese selbst oder eines ihrer Tochterunternehmen Wertpapiere an einem organisierten Markt ausgegeben haben. Gesetz zur Durchfuhrung der Richtlinie des Rates der europSischen Union zur Anderung der Bilanz- und Konzernrichtlinien hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlussen und zur Anderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 24.02.2000, BGBI I 2000, 8. 154. Das KapCoRiLiG dient vor allem der Angleichung deutscher Rechnungslegungsvorschriften an die Richtlinie 90/605/EWG vom 8.11.1990 (ABIEG Nr. L 317 vom 16.11.1990, S. 60), die eine Ausweitung der Vorschriften der 4. und 7. EG-Richtlinie auf bestimmte Kapitalgesellschaften & Co. vorsieht. Im Kern werden dadurch alle OHG und KG, bei denen nicht wenigstens ein personlich haftender Gesellschafter (direkt oder indirekt) existiert, in die fur Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften einbezogen; vgl. hierzu Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 27; Scheffler (2000) S. 529-532; Herrmann (2001) S. 271-282.

2.3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung

67

terhin eine kostenintensive - und internationale Investoren verwirrende^^° - doppelte Konzemrechnungslegung verfolgen zu mussen.^^'' Mit dem § 292a HGB hat der deutsche Gesetzgeber somit der in vielen Staaten ubiichen Verfahrenweise Rechnung getragen, wo die Anwendung international akzeptierter Rechnungslegungsnormen zur Befreiung der Anwendung nationaler Vorschriften fuhrt. Die mit Verabschiedung des KapAEG einhergehenden Anderungen des HGB sind daher als „erste Schritte zur Internationalisierung der Rechnungslegung"^^^ zu bezeichnen. Die unbefriedigende rechtssystematische Einbindung dieser Ausnahnneregelung berucksichtigte der deutsche Gesetzgeber jedoch durch eine zeitliche Befristung des § 292a HGB bis zum 31. Dezember 2004.^^^ Diese sollte fur den deutschen Gesetzgeber ausrelchend Raunn schaffen, urn die deutsche Konzemrechnungslegung bis zum Jahre 2004 grundlegend zu uberarbeiten und an internationale Standards anzugleichen.^^^ Damit einher ging die Grundsatzentscheldung, die europaische und internationale Vergleichbarkeit von (deutschen) Konzemabschlussen auf Kosten der nationalen zu starken. Eine weitere Annaherung an internationale Standards - zum Teil auch uber europaische Grenzen hinaus - hat das deutsche (Konzern-)Bilanzrecht zudem durch das nur wenige Tage nach dem KapAEG verabschiedeten Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich^^^ (KonTraG) erfahren. Damit reagierte der deutsche Gesetzgeber auf verschiedene spektakulare Unternehmenskrisen in Deutschland. Primares Ziel des KonTraG ist daher die Schaffung einer grundsatzlichen Unternehmensverfassung (..Corporate Governance") zum Schutze der Anleger an den Kapitalmarkten.^^^ Als Verbundgesetzwerk zielt es zwar nicht vorrangig auf die Fortentwicklung der deutschen Rechnungslegung bzw. deren internationale Harmonisierung, jedoch wurden Elemente der externen Rechnungslegung, die aus Zeitgrunden nicht mehr im KapAEG umgesetzt werden konnten, in das KonTraG aufgenommen.^^^ Somit wurden konkrete Vorschriften im deutschen

Nicht zuletzt das Beispiel der Daimler-Benz AG, die im Jahre 1993 einen Gewinn von 615 Mio. DM nach HGB und gleichzeitig im Rahmen der Oberleitungsrechnung nach US-GAAP einen Verlust i. H. v. 1.839 Mio. DM publizierte, belegt die bestehende Irritation und das wachsende Misstrauen internationaler Investoren ggu. den deutschen RechnungsiegungsgrundsStzen; vgl. Biener (2000) S. 33, Tz. 37. Vgl. Pellens (2001) 8 . 5 6 2 f. Kirsch (2002) S. 746. Vgl. Kirsch (2002) 8. 746 f. Vgl. BT-Drucksache 13/9909, 8 . 1 0 f.; Baetge/Krumnow/Noelle (2001) 8. 769. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBI. I, 8. 786-794. Vgl. Biener (2000) 8. 39, Tz. 57. Vgl. Pellens (2001) 8. 563.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

Konzembilanzrecht, zwar jn vergleichsweise geringer Anzahl, aber dennoch von erheblicher inhaltlicher und struktureller Bedeutung, geandert. Auf inhaltlicher Ebene sieht das KonTraG durch Anpassung des § 297 Abs. 3 HGB fur den Konzernanhang borsennotierter Mutteruntemehmen die international langst ubiichen Instrumente der Kapitalflussrechnung und der Segmentberichterstattung vor.^^® Der entsprechenden Anderung des § 297 Abs. 3 HGB kommt jedoch primer Signalwirkung zu.^^^ Denn durch das Streben vieler international tStiger deutscher Groflkonzerne nach Internatlonalen Rechnungslegungsnormen hatten beide Instrumente zu diesem Zeitpunkt langst Einzug in deren Bilanzierungspraxis gehalten.^^° Den strukturellen Kern der Reformierung des HGB durch das KonTraG stent die Erganzung des deutschen Bilanzrechts urn zwei neue Vorschriften (§§ 342, 342a HGB^^^) dar, welche die Schaffung eines Standard-Setters nach angelsachsischer Pragung vorsahen. Die Grundung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e. V. (DRSC)^^^ im Marz 1998 fuhrte zu einem privatrechtlich organisierten Rechnungslegungsgremium mit Einfluss auf die Normengesetzgebung des deutschen Konzernbilanzrechts (borsennotierter Aktiengesellschaften). Diese war bisher ausschlieUlich dem Gesetzgeber und den Finanzgerichten vorbehalten.^^^ Konkret wahrgenommen werden diese Aufgaben vom Deutschen Standardisierungsrat (DSR), der daher als Rechnungslegungsgremium im engeren SInne bezeichnet werden kann. Der DSR selbst kann allerdings nicht die im HGB kodifizierten Konzernrechnungslegungsnormen verandern. Die von ihm erarbeiteten Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS), die eine moglichst Starke Annaherung an Internationale Bilanzierungspraktiken suchen, fungieren - nach Anerkennung durch das BMJ -jedoch als Konzern-GoB.^^"* Dies stellt einen weiteren und bedeutenden Schritt in RIchtung Intemationalisierung der 328

Eine weitere wesentliche Anderung im Rahmen des KonTraG stellt die nunnnehr explizite Verpflichtung zur international ubiichen Risikoberichterstattung und deren Prufung dar, die zu einer erhShten Verantwortung fur Wirtschaftsprufer gefuhrt hat; vgl. Ludewig/Olbrich (1999) S. 387 f. Vgl. Kuting ( 2 0 0 0 ) 8 . 4 1 . Vgl. Kirsch (2002) S. 746. In den beiden Paragraphen wird alternativ die Konstituierung eines „Privaten Rechnungslegungsgremiums" (§ 342 HGB) Oder eines Rechnungslegungsbeirates beim BMJ nach § 342a HGB kodifiziert; vgl. Kuting (2000) S. 4 1 , Moxter (1998) S. 1425. Als Organe des DRSC e. V. treten der Vorstand, der Verwaltungsrat und die Mitgliederversammlung in Erschelnung. Aus Sicht der Rechnungslegung bildet der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) das relevante Gremium, welches „[...] zum Zwecke der Ermittlung, Festsetzung und Auslegung der deutschen Rechnungslegung" gebildet wurde und somit als Rechnungslegungsgremium im engeren Sinne bezeichnet werden kann; vgl. DRSC, Satzung, § 9 Abs. 1, erhaltlich unter <www.drsc.de>.

333 334

Vgl. Kuting/Durr/Zwimer (2003) S. 133; Schildbach (1999a) S. 645. Zur Bedeutung und Rolle des DSRC und seiner Standards im Rahmen der Intemationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland s. Kapitel 2.3.2, S. 71.

2.3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung

69

deutschen Rechnungslegung dar, da mit dem Ruckgriff auf angelsachsische Vorbilder zur Schaffung neuer Rechnungslegungsvorschriften nicht zuletzt auch eine inhaltliche Ausrichtung auf die Bedurfnisse globaler Kapitalmarkte gewahrleistet wird.^^^ Das erste Resultat der neuerlichen Zusammenarbeit des privaten Rechnungslegungsgremiums DRSC mit dem deutschen Gesetzgeber (BMJ) stellt das im Juni 2002 verabschiedete Transparenz- und Publizitatsgesetz^^® (TransPuG) dar. Neben den Entwurfen der Regierungskommission ..Corporate Governance"^^^ basiert das TransPuG grOlitenteils auf einem als Gesetzentwurf ausformulierten Diskussionspapier^^® des DRSC. Mit dem TransPuG wurden jedoch nur einzelne Vorschlage beider Parteien umgesetzt und infolgedessen nur punktuelle Anpassungen der nationalen Konzernrechnungslegung an internationale Standards unter Wahrung der Vorschriften der 7. EG-Richtlinie vorgenommen.^^^ Trotz teilweiser Annaherung an die Konsolidierungsmethoden der IFRS kommt Busse von Colbe zu dem Schluss, dass das TransPuG „[...] ein zu begruflender, aber eben nur ein kleiner Schritt hin zu dieser groden Reform" sei, und diese „[...] kleine Reform der deutschen Konzernrechnungslegung in der Zwangsjacke der 7. EG-Richtlinie"^^° stecken bleibe. Die in DRS 4 vorgeschlagene Streichung des Anschaffungskostenprinzips im Rahmen der Kapitalkonsolidierung verdeutlicht anhand eines konkreten Beispiels das Zogern des deutschen Gesetzgebers, welcher der ausstehenden Uberarbeitung der 7. EG-Richtlinie nicht vorgreifen wollte.^"*^ Nach Abschaffung des Anschaffungskostenprinzips gemafl § 301 Abs. 1 Satz 4 HGB darf nunmehr bei Anwendung der Neubewertungsmethode der Kaufpreis fur die erworbenen Anteile (durch Auflosung stiller Reserven) - wie nach internationalen Standards langst ubiich - uberschritten werden.^"^^ Das TransPuG ist damit zu-

Vgl. Schildbach (1999a) 8. 645. Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat (Transparenz- und Publizitatsgesetz) vom 19.7.2002, BGBI. I 2002, Nr. 50 vom 25.7.2002, S. 2681 ff. Die Regierungskommission „Corporate Governance - Unternehmensfuhrung - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts" wurde am 29.5.2000 von Bundeskanzler Gerhard SchrOder ins Leben gerufen, um sicli „aufgrund der Erkenntnisse aus dem Fall Holzmann mit moglichen Defiziten des deutschen Systems der Unternehmensfuhrung und -kontrolle [zu] befassen": Baums (2001) 8. 1; vgl. zum Aufgabenbereich der Kommission auch Pfitzer/Oser/Orth (2002) S. 156 f. Der Entwurf eines Gesetzes „Zur Internationalisierung der Rechnungslegung" des DR8C ist ebenso wie der vom DR8C verfasste Entwurf einer Gesetzesbegrundung unter abrufbar. Vgl. hierzu Niehus (2002b) 8. 53-58. Vgl. Schurbohm/8treckenbach (2002) 8. 845; Busse von Colbe (2002a) 8.1583. Busse von Colbe (2002a) 8.1588. Vgl. Willeke (2002) 8. 233. Vgl. Pfitzer/Oser/Orth (2002) 8. 160; Keller (2001) 8. 1169; Niehus (2002b) 8. 55.

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2 Ursprunge und Entwicklung der Internationalisierung

mindest redaktionell inkonsequent, weil letztlich unklar bleibt, ob bei Anwendung der Buchwertmethode die Anschaffungskostenrestriktion noch gilt.^^^ Auch die vom DRSC angeregte Streichung des Konsolidierungsverbots des § 295 HGB bei abweichender Tatigkeit nach dem Vorbild der IFRS wurde aussciiiieliiich im Referentenentwurf (RefE) zum TransPuG aufgegriffen.^^^ Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde die vollstandige Neuordnung des Konsolidierungskreises^^^ jedoch vertagt, zumal die Streichung von § 295 HGB wie aucii die Abschaffung der Buchwertmethode zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit der 7. EG-Richtlinie vereinbar waren.^"^® Gleiches gilt fur die ursprunglich geplante Streichung des Kriteriums der einheitlichen Leitung. Insgesamt ist der deutsche Gesetzgeber in wesentlichen Bereichen wie Konsolidierungskreis, latente Steuern, Anteile Dritter, Firmenwerte und Equity-Methode hinter den an internationalen Standards ausgerichteten Vorschlagen des DRSC zuruckgeblieben.^^^ Demnach wurden „[...] nur besonders konsensfahige Anderungen"^^® in Angrlff genommen. Dennoch wurde mit dem TransPuG die „Konformitatslucke international [...] [allerdings bei] hartnackige[r] Remanenz von Wahlrechten"^"*® insbesondere im Bereich der Konzernrechnungslegung um einen weiteren Schritt geschlossen. Die mit dem TransPuG im deutschen Bilanzrecht einhergehenden punktuellen Anderungen sind auf die Einfuhrung des § 292a HGB im Jahre 1998 im Rahmen des KapAEG zuruckzufuhren. Bereits in der Regierungsbegrundung zum TransPuG stellt der deutsche Gesetzgeber fest, dass die vorgenommenen Gesetzesanderungen mit dem Ziel der Anpassung an international geltende Grundsatze lediglich einen ersten Schritt in diese Richtung darstellen. Ein weiterer Anspruch war indes nicht beabsichtigt.^^° Erst im Zuge der Abschaffung der rechtssystematisch unbefriedigenden Ausnahmeregelung des § 292a HGB stellt der Gesetzgeber eine umfassende Modernisierung des deutschen Bilanzrechts In Aussicht. Bei Umsetzung aller vom DRSC geforderten Reformvorschlage wSre zwar eine weitergehende

Vgl. Kirsch (2002) S. 748. Vgl. Keller (2001)8.1167 f. Im RefE zum TransPuG war femer die Umwandlung der Einbeziehungswahlrechte des § 296 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 HGB entsprechend internationaler Handhabung in Einbezleliungsverbote vorgesehen. Vgl. BR-Drucksache 109/02, Gesetzentwurf der Bundesregierung (RegE) - Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat (TransPuG), Begrundung, S. 57; Kirsch (2002) S. 748. Vgl. Willeke (2002) S. 233. Hucke/Ammann (2002) S. 696; Shnlich auch Kirsch (2002) S. 748, der „vor allem die wohl unproblematischen [...] Vorschlage" umgesetzt sieht. Niehus (2002b) S. 58. Vgl. BR-Drucksache 109/02, RegE zum TransPuG, Begrundung, Allgemeiner Teil, S. 18-20; Pfitzer/Oser/Orth (2002) S. 164.

2.3 Intemationalisierung der deutschen Rechnungslegung

71

Annaherung an internationale Standards zu erreichen gewesen, jedoch nur unter erheblichem Aufwand fur die betroffenen Unternehmen. Aus Sicht des deutschen Gesetzgebers ware vor dem Hintergrund der verpflichtenden Anwendung der IFRS ab dem Jahr 2005 fur kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen^^^ und der daraus resultierenden Unsicherheit eine teilweise, aber nicht vollstandige - und damit nicht abgeschlossene - Annaherung an die IFRS nicht sinnvoll gewesen. Daher hat sich der deutsche Gesetzgeber im Vorfeld der Verabschiedung des TransPuG entschlossen, die Entwicklungen auf europaischer Ebene abzuwarten, urn im Einklang damit das deutsche Bilanzrecht fur das Jahr 2005 grundlegend zu reformieren.^^^ Unter Berucksichtigung der aus der neuen EU-Rechnungslegungsstrategie resultierenden europaischen Vorgaben und Initiativen werden die aktuellen Entwicklungen zur Reform des deutschen Bilanzrechts in Kapitel 1.1 weiterfuhrend aufgegriffen.

2.3.2 Bedeutung des DRSC und seiner Standards im Ratimen der Intemationalisierung der deutschen Rechnungslegung Vor dem Hintergrund der fur den deutschen Gesetzgeber unbefriedigenden (und deshalb zeitlich begrenzten) Interimslosung des § 292a HGB hat dieser bereits in der Beschlussempfehlung zum KapAEG seine Absicht zum Ausdruck gebracht, die deutsche Konzernrechnungslegung in absehbarer Zukunft an international anerkannte Rechnungslegungsstandards anzupassen.^^^ Mit Grundung eines privatrechtlich organisierten Gremiums sollte an die Stelle des vergleichsweise schwerfalligen gesetzlichen Normenentstehungsprozesses ein flexibles und auf aktuelle Entwicklungen schnell reagierendes Gremium von Fachleuten treten. Durch den Ruckgriff auf „Rechnungsleger"^^ soil eine Konzentration auf Fachfragen garantiert werden, die sich sowohl unabhangig von politischer Beeinflussung als auch von den steuerlichen Rahmenbedingungen entfaltet. Ziel ist ein marktgerechter und investororientierter Umbau der deutschen Konzernrechnungslegung, die sich praxisnah und nach internationalem Vorbild entwickein soll.^^^ Die Adaption angel-

Vgl. hierzu Kapitel 3.2, S. 8 1 . Vgl. Schurbohm/Streckenbach (2002) S. 853 bzw. BR-Drucksache 109/02, RegE zum TransPuG, Begrundung, Allgemeiner Teil, S. 20. Vgl. BT-Drucksache 13/9909, S. 10 f.; Baetge/Krumnow/Noelle (2001) S. 769. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des KonTraG, BT-Drucksache 13/10038 vom 4.03.1998, S. 27. Vgl. Schildbach (1999a) S. 645.

72

2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

sachsischer Methoden und Verfahrensweisen beim Prozess des Standard Setting endet nicht bei der Namensgebung des Deutschen Rechnungslegungs Standard Committees, sondem bringt auch die gewollte inhaltliche AnnSherung an intemationale Standards zum Ausdruck. Dies unterstreicht den Versuch des deutschen Gesetzgebers, die deutsche Rechnungslegung aus dem internationalen Abseits herauszufiJhren.^^^ Die Aufgaben des DRSC umfassen daher nach § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB •

neben der Beratung des BMJ bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rechnungslegungsvorschriften

•

vor allem die Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung der Grundsatze uber die Konzernrechnungslegung, sowie

•

die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien.

Das Kernstuck des Aufgabenbereichs des DRSC stellt infolgedessen die Ausarbeitung detaillierter Standards fur die Konzernrechnungslegung dar. Die Einschrankung auf die entsprechenden §§ 290-315 HGB ergibt sich laut deutschem Gesetzgeber aus der - gewollten - engen Aniehnung an die Standardisierungsarbeit des lASB, dessen Standards jedoch nur fur Konzernabschltisse, insbesondere borsennotierter Unternehmen, zukunftig an Bedeutung gewinnen werden.^^® Einflussmoglichkeiten des privaten Rechnungslegungsgremiums in Bezug auf den Einzeljahresabschluss wurden vom deutschen Gesetzgeber vor dem Hintergrund der bestehenden Mafigeblichkeit fur die Handelsbilanz zur steuerlichen Gewinnermittlung und der grundsatzlichen steuerrechtlichen Hoheit des Gesetzgebers von Beginn an verneint.^^^ Eine weitere Beschrankung der freien Entwicklung deutscher Konzern-GoB erfahrt das DRSC zudem dadurch, dass es selbst keine kodifizierten Normen der Konzernrechnungslegung schaffen bzw. verandern kann, sondem der Anerkennung durch das BMJ unterliegt. Denn dem DSR wurde nicht die Normierung der Grundsatze und somit die Schaffung neuer Konzern-GoB ubertragen, sondern die Entwicklung entsprechender Anwendungsempfehlungen. Bei den vom DRSC eriassenen Standards handelt es sich lediglich um Empfehlungen vom Charakter einer privaten Fachnorm, die sich aufgrund des Gesetzes-

Vgl. Langenbucher/Blaum (1995) S. 2325; Zitzelsberger (1998) S. 246; Haller (1998a) S. 733. 357 358

Vgl. § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB; Breidenbach (1999) S. 643-645. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtausschusses zum Entwurf des KonTraG, BTDrucksache 13/10038 vom 4.03.1998; Moxter (1998) S. 1425. Vgl. Spanheimer (2000) S. 998.

2.3 Internatjonalisierung der deutschen Rechnungslegung

73

vorrangs zwingend den gesetzlichen Vorschriften beugen mussen.^®° Jedoch wird bei Beachtung der Empfehlungen der DRS angenommen, dass die Konzem-GoB eingehalten wurden.^®^ Vom DRSC neu entwickelte Empfehlungen, die bspw. im Rahmen der angestrebten Annaherung an international gultige Bilanzierungsgrundsatze den deutschen Gesetzesrahmen uberschreiten, durfen damit erst nach Anderung der entsprechenden Gesetzesvorschriften in Kraft treten bzw. inn Rahmen eines Standards publiziert werden. Das BMJ veroffentlicht keine Standards, die in Konflikt mit geltendem Recht stehen. Nach § 342 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verbleibt dem DSRC lediglich die Moglichkeit, flankierende legislative Maflnahmen im Rahmen seines Beratungsauftrags anzustofien und inhaltlich zu beeinflussen. Aus diesem Grund werden vom DRSC als notwendig erachtete Anderungen, die in Konflikt mit den geltenden Vorschriften des HGB stehen, zwar in einen neuen Standard aufgenommen, jedoch in einem (separaten) Anhang publiziert. Die grundsatzlichen Vorteile eines privaten Standard-Settings erfahren durch diese Handhabung eine wesentliche Begrenzung.^^^ Die Einschrankung einer freien Entwicklung deutscher Konzern-GoB wird auf der anderen Seite durch die gewollte Annaherung an Internationale Bilanzierungsgepflogenheiten aufrechterhalten. Ein privates Rechnungslegungsgremium, das In Aniehnung an angelsachsische Vorbilder eigene deutsche GAAP entwickein wurde, fuhrte die angestrebte und gewollte internationale

Harmonisierung ad absurdum. Deutschen „Zusatz"-

Standards, die den besonderen wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten In Deutschland Rechnung trugen, durften wiederum von der - durch angelsachsische Tradltionen gepragten - internatlonalen Bllanzlerungspraxis enge Grenzen gesetzt werden. Bei der Kodifizierung eigener deutscher Sonderregein drohte vor dem Hintergrund der internatlonalen Harmonisierung folglich die Gefahr einer exklusiven Benachteiligung deutscher Unternehmen im internatlonalen Wettbewerb.^^^ Der Handlungssplelraum des DRSC reduzlert sich damit auf die elnschlaglgen Internatlonalen Bllanzierungspraktiken, die „aus dem Fundus der IAS oder US-GAAP stammen"^^. Eine andere Vorgehensweise - namentlich die Entwicklung eigener deutscher Standards - wurde indes dem gewollten internatlonalen Harmonisierungsprozess schaden und macht damit keinen Sinn. Angesichts dessen bewegt sich die deutsche Normensetzung in einem engen Aktionsradius:

Vgl. Zitzelsberger (1998) S. 251, 259. Bei Nichtbeachtung der DRS durch die betroffenen Unternehmen drohen indes keine Konsequenzen; vgl. Kuting/Durr/Zwirner (2003) S. 133; Pellens (2001) S. 579. Vgl. Spanheimer (2000) S. 999; Niehus (2001) S. 55. Vgl. Schildbach (1999a) S. 646. Baliwieser(1999)S.443f.

74

2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

Gultiger deutscher Gesetzesrahmen §§ 290-315 HGB

Aktionsradius des DRSC und seiner Standards

international guitige Biianzierungsgrundsatze IFRS & US-GAAP

Abbiidung 2-3: Spannungsverhaltnis der deutschen Normensetzung im Bereich der Konzernrechnungslegung

Ais potentieiie Regeiungsobjel
^^^ Spanheimer (2000) S. 999. ^^ Vgl. Kessler/Strickmann (2002) 8. 632 sowie Kapitel 2.3.1, S. 62. 367

Vgl. Kleindiek (2001) 8.2572.

2.3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung

75

in den Kontext der Vorschriften des § 315a HGB ubernommen werden.^^® Dennoch gilt das DRSC aufgrund seiner zahlreichen Vorschlage, Entwurfe und letztlich entwickelten Standards als Katalysator der allgemeinen Reform der Rechnungslegung in Deutschland. Die DRS haben letztlich einen wesentlichen Beitrag zur Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland geleistet.^^^ Mit der wachsenden Bedeutung internationaler Bilanzierung und einer steigenden Anzahl von Unternehnnen in Deutschland, welche die Befreiungsmoglichkeit des § 315a HGB (und zuvor des § 292a HGB) von der deutschen Konzernrechnungslegungspflicht in Anspruch nehmen, schwindet der Einfluss der Standards des DRSC kontinulerlich.^^° Verstarkt wurde diese Tendenz durch die europawelt gesetzlich verpflichtende Anwendung der IFRS fur borsennotierte Unternehmen ab 2005. Angesichts dieser Entwicklungen stellte sich zunehmend die Frage nach dem kunftlgen Aufgabenprofil des deutschen Rechnungslegungsgremiums. Die im Marz 2003 erfolgte inhaltliche und organisatorische Neuausrichtung des DRSC ist vor diesem Hintergrund zu verstehen und versucht den beschriebenen Entwicklungen Rechnung zu tragen.^^'' Danach soil der Kommentierung internationaler Standards im Hinblick auf deutsche Besonderheiten sowie einer verstarkten Reprasentanz deutscher Interessen in internationalen Standardisierungsgremien und darunter insbesondere dem lASB - eine wachsende Bedeutung zukommen. Folgerichtig hat das DRSC in seiner inhaltlichen Neuausrichtung die Vertretung der Interessen der deutschen Wirtschaft in internationalen Standardisierungsgremien wie dem lASB und dem FASB als zentrale Zielsetzung beschlossen. Parallel sollen in Zusammenarbeit mit dem BMJ jedoch auch nationale Losungen - expressis verbis die DRS - weiterentwickelt werden. Mit der inhaltlichen Reform seiner kunftlgen Aufgabenschwerpunkte erfolgte zudem eine organisatorische Neuausrichtung des DRSC. Neben einer neuen Gremienstruktur - mit ausschliedlich hauptamtlichen Mitgliedern - wurden die Standardisierungsprozesse an Internationale Gepflogenheiten angepasst. Um alien Betroffenen und der interessierten Fachoffentlichkeit die Moglichkeit zur Stellungnahme einzuraumen, vollziehen sich alle Phasen der Entwicklung der Rechnungslegungsstandards nunmehr offentlich.^^^ Die Parallelen zum lASB sind nach der umfangreichen Umstrukturierung

Kuting/Durr/Zwirner sehen aufgrund der Akzeptanz dieser einschlagigen Regelungen zur Goodwillbehandlung sogar die Glaubwurdigkeit des gesamten deutschen und europaischen Bilanzrechts in Frage gestellt; vgl. hierzu Kuting/Durr/Zwirner (2003) S. 136. Vgi. Baetge/Krumnow/Noelle (2001) S. 774. Vgl. Knorr ( 2 0 0 1 ) 8 . 8 9 f. Vgl. DRSC (2003a). Vgl. DRSC (2003c).

76

2 Ursprunge und Entwicklung der Intemationalisierung

des DRSC dabei njcht zu ubersehen und waren so auch gewollt.^^^ Durch die inhaltliche und strukturelle Reformierung hat das DRSC letztlich im Jahr 2003 die Weichen fur seine Zukunft (neu) gestelit. Damit gehen seit diesem Zeitpunkt zunehmend verSnderte Aufgabengebiete und Zielsetzungen einher. An die Stelle der Weiterentwicklung und Auslegung besteliender HGB-Vorschriften treten seitlier vor allem eine sachgerechte und auf nationale Anforderungen zugeschnittene Anwendung, Auslegung und UbenA/achung international anerkannter Normen.^^^ Die neue Rolle des DRSC als (zentrales) Sprachrohr Deutschlands fur die Fortentwicklung der Rechnungslegung in internationalen Gremien setzt in der Praxis vor allem eine starkere Anerkennung und Unterstutzung seiner Arbeit auf natlonaler Ebene voraus.^^^ Urn in internationalen Gremien deutsche Interessen mit dem notwendigen Gewicht vertreten und einbringen zu konnen, bediirfen diese einer zentralen Bundelung. Die direkte Hinwendung einzelner Verbande und Unternehmen zum lASB - anstelle der zentralen Formullerung deutscher Interessen durch das DRSC - hat dessen internationalem Durchsetzungsvermogen in der Vergangenheit geschadet.^^® Verscharft wurde dieser Sachverhalt zudem durch die fehlende rechtliche Autoritat und Normensetzungsbefugnis des DRSC, welches weder die Umsetzung von (In internationalem Kontext entwickelten) Vorschlagen zur Ver^nderung deutscher Rechnungslegungsvorschriften zusichern kann, noch die Entscheidungsbefugnis besitzt, diesen neuen Vorschrlften die Vereinbarkeit mit bestehenden GoB zuzusichern.^^'^ Damit wird deutlich, dass der Internationale Einfluss des DRSC nur auf Basis der Honorierung und Unterstutzung auf nationaler Ebene geschehen kann.

373

Vgl. Kapitel 2.2.2.2, S. 37. Vgl. Kuting/Durr/Zwirner (2003) S. 138. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere der Rucktritt des Prasidenten des deutschen Standardisierungsrats, Prof. Dr. Havermann, am 23,10.2003 kritisch zu beurteilen. Dieser wurde mit der vollig unzureichenden Unterstutzung deutscher Unternehmen fur das DRSC begrundet, womit eine erfolgreiche FortfCihrung der TStigkeit des DRS in Frage gestelit war; vgl. hierzu DRSC (2002a). Vgl. DRSC (2002a). Vgl. Kuting/Durr/Zwirner (2003) S. 134.

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU und ihr Einfluss auf die Internationalisierung der Reclinungslegung in Deutsciiland 3.1 Die EU-Doppelstrategie im Bereich der Rechnungslegung Der erste Ansatz einer gemeinsamen „neuen" Rechnungslegungsstrategie mit dem Ziel der Harmonisierung des europaischen Bilanzrechts geht in den November 1995 zuruck. Diese gesamteuropaische Strategie 1st allerdings erst im Jahr 2000 durch den Verordnungsentwurf zur verpfiichtenden Anwendung der lAS^^® fur kapitalmarktorientierte Unternehmen ins Bewusstsein einer breiteren Offentlichkeit geruckt. In der Mitteilung „Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: EIne neue Strategie im Hinblick auf die Internationale Harmonisieaing"^^® wurde 1995 von der Europaischen Kommission erstmals eine engere Zusammenarbeit mit dem (damaligen) lASC gefordert, um die Entwicklung eines gemeinsamen und international anerkannten Bilanzrechts - im Einklang mit der Vierten und Siebten EG-Richtllnie - voranzutreiben.^®° Der Kontaktausschuss der Kommission^®'' uberprufte in diesem Zusammenhang die Konformitat der IFRS mit den europaischen Rechnungslegungs-Richtlinien mit dem Ergebnis, dass keine wesentllchen Divergenzen zwischen beiden Rechnungslegungswerken bestunden.^®^ Die ursprunglich verfolgte - alte - Strategie der parallelen Entwicklung eines elgenen europaischen Rechnungslegungswerkes wurde aufgrund der deutlich hoheren Akzeptanz der internationalen Normen aufgegeben. Die Alternative einer Anwendung der US-GAAP war von der Europaischen Kommission dabei von Beginn an verworfen worden. Neben dem mangelnden politischen Einfluss der EU auf den Gesetzgebungsprozess sowie der deshalb fehlenden Kontrolle uber die Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen stellen die US-GAAP aus Sicht der Kommission auch heute noch als rein nationale Losung „ein jahrzehntelang gewachsenes Geflecht von Rechnungslegungsnormen [...] [dar], die weitgehend auf die okonomi-

Vgl. EuropSische Union (2000); hierbei handelt es sich um den Vorschlag fCir die spatere EUVerordnung Nr. 1606/2002 des europaischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards; vgl. hierzu Kapitel 3.2, S.81. Vgl. EuropSisclie Union (1995). Vgl. Gothel (2001) S. 2057; EuropSische Union (1995) Punkte 1.4 und 1.5. Der Kontaktausschuss ist ein beratendes Gremium, das sich aus Vertretem der Mitgliedstaaten und der Europaischen Kommission zusammensetzt. Der Ausschuss wurde von der Kommission auf Grundlage von Art. 52 der Richtlinie 78/660/EWG (4. EG-RL) gegrundet. Seine Funktionen sind die Beratung der Kommission sowie Hilfestellung in praktischen Rechnungslegungsfragen; vgl. o.V. (2005a). Vgl. Europaische Kommission (1996).

78

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

schen und rechtlichen Rahmenbedingungen der USA abstellen, welche nicht ohne weiteres auf die EU ubertragbar sind."^^^ Zudem sind die US-GAAP durch kasuistische Regelungen gepragt, wahrend die IFRS sich einer grundsatzlichen Methodik verschrieben haben und somit in begrenztem Rahmen landerspezifische Interpretationen eriauben. Dies setzt voraus, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal wie zuvor den EG-Rechnungslegungsrichtlinien widerfahrt. Deshalb wurden die IFRS von der Europalschen Kommission von Beginn an nicht als der kleinste gemeinsame Nenner definiert, sondern als weltweit verbindllche Rechnungslegungsnormen mit hohem Qualitatsanspruch angesehen, die aus diesem Grund vollstandig zu ubernehmen seien.^^ Die Notwendigkeit eines voll harmonisierten und einheitlichen Bilanzrechts ftir alle europalschen Mitgliedstaaten ergab sich aus SIcht der Kommission vor allem aus folgenden Grunden:^®^ •

Die Jahresabschlusse europaischer Unternehmen mit internationaler Ausrichtung auf Grundlage der europalschen Rechnungslegungs-Rlchtlinien waren fur Internationale Kapitalmarktzwecke - ohne Oberleltungsrechnungen Oder die Erstellung eines zweiten Abschlusses - nicht langer verwendbar.

•

Die durch die Rechnungslegungs-Rlchtlinien legitimierten zahlrelchen Wahlrechte fuhrten aufgrund unterschiedllcher nationaler Auslegungen zu einer mangelnden Verglelchbarkeit europaischer Abschlusse. Hinzu kamen generelle Schwierigkelten der Mitgliedstaaten, sich auf gemeinsame Positionen zu einigen.

•

Letztlich vermochten die bestehenden Rechnungslegungs-Rlchtlinien nicht, aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen zu folgen und diese sachgemafl abzubilden. Auf nationaler Ebene wurden daher Normungseinrichtungen geschaffen, um diesen Entwicklungen aus Sicht der Rechnungslegung mit neuen - national divergierenden - Vorschrlften zu entsprechen.

Die Umsetzung der gemeinsamen Rechnungslegungsstrategie erfolgt durch den 1999 vorgestellten Financial Services Action Plan (FSAP; Aktionsplan zur Umsetzung des Flnanzmarktrahmens).^®^ Er stellt einen wesentlichen Schritt zur Beseitlgung der durch die Rechnungslegungs-Rlchtlinien gewahrten zahlrelchen (offenen

Janke (2003) S. 397. Schildbach sieht darin eine „Gegenstrategie" der EU zur Vermeidung der US-GAAP in Europa; vgl. Schildbach (2004) S. 82 f. Vgi. Hahn (2001) S. 1268. Vgl. Europaische Union (1995) Punkte 3.3-3.5. Vgl. EuropSische Union (1999), KOM (1999) 232 vom 11.5.1999 endgOitig. Vgl. ebenso Burger/Ulbrich (2004) S. 236-238.

3.1 Die EU-Doppelstrategie

79

und verdeckten) Wahlrechte bzw. Regelungslucken sowie der daraus entstandenen nationalen Unterschiede dar. Der FSAP, welcher insgesamt mehr als 50 Einzelniafinahmen umfasst, zielt in logischer Konsequenz auf die Reform der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa. Diese sollen in die Lage versetzt werden, durch einheitliche europaische Bilanzierungsvorschriften auch internationale Kapitalnnarkte - ohne den Nachteil der Erstellung weiterer Jahresabschlusse Oder Oberleitungsrechnungen - in Anspruch nehmen zu konnen. Zu seinen Bestandteilen geiioren •

die am 19.7.2002 vom Europaischen Parlament verabschiedete „EU-Verordnung Nr. 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards"^®^ (sog. lAS-VO) sowie

•

die Richtlinie vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen (sog. Transparenz-RL)^®® in Bezug auf Informationen uber Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind.^«^

Karel van Hulle^^° sieht die IAS-VO - in strategischer Einordnung - als die erste von drei Stufen auf dem Weg zu einer neuen, reformierten europaischen Rechnungslegung. Der IAS-VO als Fundament der neuen Strategle folgen auf zweiter Stufe die Richtlinie zur Modernlslerung der bestehenden RechnungslegungsRichtlinien^^^ (mit der Zielsetzung, die Unterschiede zu den bestehenden IFRS zu minimierenf^^ sowie in der letzten Stufe die gegenseitige Anerkennung einer

387 388

Vgl. hierzuKapitel3.2, S. 8 1 . Richtlinie 2004/109/EG ABIEG L 390 vom 31.12.2004, 8. 38; vgl. Europaische Union (2004b). Durch die Transparenz-Richtlinie werden in der EU neue Mindeststandards fur die periodische Publizitat kapitalmarktorientierter Unternehmen geschaffen. Darunter fallen die Anforderungen sowie die Offenlegungsfrist des Jahresfinanzberichts (4 Monate), die Pflicht zur Erstellung eines ausfuhrlichen Halbjahresberichts (mit verkurztem Abschluss und Zwischenlagebericht) mit Offenlegungsfrist von zwei Monaten, weitere periodische Mitteilungen (Quartalsberichterstattung) sowie Sprachregelungen i. S. einer gemeinsamen In der internationalen Finanzwelt gelaufigen Sprache (i. d. R. Englisch); vgl. EuropSische Union (2004b); Buchheim (2003) S. 241-248. Die diesbezuglichen Vorschriften der nationalen Wertpapieraufsichtsbehorden sind jedoch melstens strenger gefasst; vgl. Burger/Ulbrich (2003) S. 903-906. Prof. Karel van Hulle ist Leiter des Referats fur Finanzinformationen und Gesellschaftsrecht der Generaldirektion Binnenmarkt der Europaischen Kommission. Richtlinie 2003/51/EG ABIEG L 178 vom 17.7.2003, S. 16 (sog. Modernisierungsrichtllnie vom 18.6.2003); vgl. EuropSische Union (2003e). Als Baustein der neuen Rechnungslegungsstrategie verfolgt die Modernisierungsrichtlinie das Ziel der Minimierung bestehender Divergenzen des europaischen Bilanzrechts mit den IFRS. Hieraus ergab sich die Notwendigkeit der Uberarbeitung der 4. und 7. EG-RL, die um zusatzliche Wahlrechte erganzt wurden, um eine Konvergenz mit den Vorschriften der IFRS zu erreichen. Die obligatorisch umzusetzenden Bereiche betreffen den (Konzern-)Lagebericht sowie die Bestatigungsvermerke. Vgl. Europaische Union (2003e) sowie Niehus (2002a) S. 13851390; Busse von Colbe (2002b) 8. 1530-1536; Bieker/Schmidt (2002) 8. 206-219. Kritisch zur

80

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

harmonisierten europaischen Rechnungslegung im Verhaltnis zu den USA.^^^ Erklartes Hauptziel der europaischen Bemuhungen bleibt damit die Etablierung einer international anerkannten, verglelchbaren und qualitativ hochwertigen Rechnungslegung fur kapitalmarktorientierte europaische Unternehmen, urn ein Gegengewicht zu den weltweit domlnierenden US-GAAP zu schaffen sowie den Finanzplatz Europa zu starken. Diese Mafinahmen sollen letztlich dem Aufbau eines integrierten europaischen Kapitalmarkts dienen und die Kapitalkosten fur die borsennotierten Konzerne in Europa senken, urn deren Internationale Wettbewerbsf^higkeit zu erhohen.^^ Der von der Europaischen Konnmisslon eingeschlagene Weg fuhrt zunachst per lAS-VO zu einer Harmonisierung der Rechnungslegung kapltalmarktorientlerter Unternehmen in Europa. Durch die Modernisierung der beiden Rechnungslegungsrichtlinien soil im Anschluss fur die ubrigen europaischen Unternehmen eine kontinuierliche Annaherung der nationalen Rechnungsnormen an die IFRS erreicht werden.^®^ Die Verpflichtung der kapitalmarktorientierten Konzerne zur Rechnungslegung nach IFRS stellt insofern nur den ersten Schritt der Doppelstrategie der EU dar, der in zweiter Instanz die Anglelchung der Rechnungslegungsrichtlinien an die IFRS folgt. Deshalb baut die IAS-VO auf den beiden Rechnungslegungsrichtlinlen auf, soil diese aber keinesfalls ersetzen. Sie bllden nach wie vor das grundlegende Fundament der EU-Rechnungslegungsanforderungen. Die lASVO schafft jedoch zusatzliche Verpflichtungen fur die von ihr betroffenen (primar kapitalmarktorientierten) Unternehmen. Nach den Planen der Europaischen Kommission sollen jedoch auch nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen ermutigt werden, die „hoher entwickelte Rechnungslegung"^^^ der IFRS anzuwenden, weshalb die lAS-VO auch wahlweise angewendet werden kann. Grundsatzlich empfiehlt die Kommlssion ihren MItglledstaaten - neben der erwahnten Anwendung der IFRS bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen - diese sogar als Grundlage sSmtlicher handelsrechtlicher Einzeljahresabschlusse vorzuschreiben. Die Schaffung eines grundlegenden Niveaus an Vergleichbarkeit auf Basis der IFRS fur samtliche Gesellschaften mit beschrankter Haftung in Europa avanciert somit

Erhohung der Wahirechte Huttemann (2004) S. 207, der darin einen „erheblichen Ruckschritt" sieht. Vgl. Huile (2002) S. 178-181; Ernst (2001a) S. 823. Vgl.Gothel (2001)8.2058. Vgl. Europaische Kommission (2003), IP/03/638: Vorlage von Abschlussen: Kommlssion begruRt Annahme von Richtlinie zur Modernisierung und Aktualislerung der Rechnungslegungsvorschriften vom 6.5.2003.; Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 396. Europaische Kommission (2001), KOM (2001) 80 endgultig vom 20.6.2001, Begrundung 2. sowie G6thel (2001) S. 2058.

3.2 Die Verordnung Nr. 1606/2002 und ihre Auswirkungen

81

zum zweiten Ziel der neuen (Doppel-)Strategie der Europaischen Kommission im Bereich der Rechnungslegung. Vor diesem Hintergrund erscheint die Wahl einer Verordnung als Rechtsinstrunnent der gemeinschaftlichen Gesetzgebung weniger ungewohnlich. Eine Verordnung ist nach Art. 249 Abs. 2 des EG-Vertrags grundsatzlich in sSmtlichen Teilen verbindlich und besitzt in jedem Mitgliedstaat - auch ohne nationalen Unrisetzungsakt - unmittelbare Gultigkeit.^®'' Den Ausschlag dafur scheinen die nationalen Barrieren und Umsetzungsschwierigkeiten im Rahnnen der Implementierung der beiden Reciinungsiegungsrichtlinien gegeben zu haben. Dieses Vorgeiien unterstreicht zudenn den Willen der Europaischen Konnmission, eine bedingungslose und nationalstaatlich nicht beeinflussbare Harmonisierung der Rechnungslegung auf Gmndlage der IFRS - mit dem Hauptziel eines voll integrierten europaischen Kapitalmarktes - voranzutreiben.

3.2 Die Verordnung Nr. 1606/2002 und ihre Auswirkungen auf die Unternehmen in der EU Die primare Zielsetzung der „EU-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards"^^^ (lAS-VO) als strategischer Sockel der neuen Rechnungslegungsstrategie der EU - besteht in der Gewahrleistung harmonisierter Finanzinformationen fur kapitalmarktorientierte Gesellschaften, urn Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlusse fur einen effizienten Kapitalmarkt sicherzustellen.^^^ In diesem Kontext verpflichtet Art. 4 der IAS-VO ab dem 1.1.2005 zur Anwendung der IFRS fur die Konzernabschlusse aller europaischer Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt'^^^ zugelassen sind. Daneben sieht die Verordnung Erweiterungen und Einschrankungen in Form von Mitgliedstaatenwahlrechten vor. So kann gemali Art. 9 die Pflichtanwendung der IFRS fur kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen verzogert werden. Bei entsprechender (nationaler) Wahlrechtausubung sind die internationalen Rechnungs-

Vgl. Schon (2004) S. 764; Kuting/Ranker (2004) S. 2510; Ernst (2001a) S. 823; Gothel (2001) S. 2058. Einen Oberblick der verschiedenen Rechtsakte, derer sich die Europaische Kommission bedienen kann, geben Pfitzer/Oser/Orth (2005) S. 16-18. Vgl. Verordnung 1606/2002 ABIEG L 243 vom 11.9.2002, S. 1-4. Vgl. Europaisclie Union (2002a) Art. 1. i.S. von Art. 1 Abs. 13 der Riclitlinie uber Wertpapierdienstleistungen; vgl. Richtlinie 93/22/EWG ABIEG L 141 vom 11.6.1993, S. 27. Davon nicht betroffen sind hingegen Unternehmen, deren Wertpapiere lediglich zum Handel im Freiverkehr zugelassen sind.

82

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

legungsnormen erst verpflichtend fur Geschaftsjahre anzuwenden, die ab dem 1.1.2007 beginnen, sofern Mutterunternehmen vorliegen, •

die keine Aktien, sondern lediglich zum Handel mit Schuldtitein (Bonds) in einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates der EU zugelassen sind, oder

•

deren Wertpapiere zum offentlichen Handel in einem Nicht-Mitgliedstaat zugelassen sind'*°'' und die zu diesem Zweck seit mindestens einem Geschaftsjahr nach anderen international anerkannten Standards wie den US-GAAP bilanzleren.'^^^

Um entsprechend der neuen Rechnungslegungsstrategie auch die allmahliche Annaherung der ubrigen europaischen Kapitalgesellschaften zu gewahrleisten, raumt Art. 5 ein welteres MItgliedstaatenwahlrecht ein. Demnach obliegt es dem jeweiligen Mitgliedsstaat, •

fur die konsolldierten Abschlusse nicht kapitalmarktorientierter Gesellschaften sowie

•

in den Einzeljahresabschlussen aller Unternehmen (d. h. kapitalmarktorientierter und nicht kapitalmarktorientierter)

die Anwendung der IFRS verpflichtend vorzuschreiben, zu untersagen oder dem Unternehmen selbst ein Wahlrecht einzuraumen.'*^^ Im Unterschled zur unmittelbaren Vorschrift fur kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen bedarf dieses Wahlrecht - sowie das o. g. Wahlrecht des Art. 9 - damit einer Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. Die potentielle Reichweite der Vorschriften der lAS-VO steht damIt In direktem Zusammenhang mit der Ausubung der Mitgliedstaatenwahlrechte durch die nationalen Gesetzgeber. Wahrend von der verpflichtenden Anwendung der IFRS ab 2005 fur kapitalmarktorientierte Unternehmen in jedem Falle alle ca. 7.000 in der EU borsennotierten Konzerne betroffen sind'^^^, konnten bel entsprechender Wahlrechtsausubung im SInne einer verstarkten Hinwendung zur IFRS-Rechnungslegung bis zu funf Millionen Kapitalgesellschaften in Europa unter die direkte Re-

Hlervon betroffen sind vor allem Unternehmen, die nach US-GAAP bilanzieren und an der NYSE notiert sind. Das Mitgliedstaatenwahirecht wurde fur soiche Unternehmen insbesondere auf DrSngen der deutschen Regierung eingerSumt. Vgl. Europaische Union (2002a) Art. 9 sowie Prinz (2003) 8. 1359 f.; Zeitler (2003) S. 1529 und Buchheim/Groner (2003) S. 953. Vgl. Europaische Union (2002a) Art. 5; Prinz (2003) S. 1360. Hierbei sind die jeweiligen Tochtergeselischaften nicht eingerechnet. Vgl. Hulie (2002) S. 178; Heuser/Theile (2003) S. 11.

3.2 Die Verordnung Nr. 1606/2002 und ihre Auswirkungen

83

gelungshoheit der lAS-VO fallen.'^^^ Selbst wenn die IFRS im Rahmen der ausstehenden Mitgliedstaatenwahlrechte nicht zu Grunde gelegt werden sollten, 1st diese immense Anzahl von Untemehmen dennoch von der Aktualisierung und Modemisierung der als Grundlage geltenden Rechnungslegungsrichtlinien betroffen - und damit zumindest zu einer schrittweisen Annaherung an die Gepflogenheiten der internationalen Rechnungslegung gesetzlich verpflichtet.'^°® Selbst bei einer Beschrankung seitens der Mitgliedstaaten zur verpflichtenden IFRS-Anwendung auf den Konzernabschluss borsennotierter Aktiengesellschaften durfte ein in der Folge eintretender „Rei(lverschlusseffekt"^°^ nicht zu unterschatzen sein. Dieser basiert auf der Annahme, dass es aufgrund von Praktikabilitats- und Kostengrunden wenig realistisch sein durfte, dass die Tochter- oder Gemeinschaftsunternehmen nach anderen Rechtsnormen als die Mutter Rechnung legen. Daneben durfte die Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen auch auf das Bilanzierungsverhalten von Wettbewerbern ausstrahlen. Gleichzeitig regelt die IAS-VO das Anerkennungsverfahren (..Endorsement Mechanism"), im Rahmen dessen die IFRS in europaisches Recht uberfuhrt werden. Dieses erfolgt in zwei Schritten: In erster Instanz (Regelungsebene) wird die Rahmengesetzgebung durch den Rat sowie die Europaische Kommission mittels Verordnungen und RIchtlinien wahrgenommen. Im zweiten Schritt - dem eigentlichen Komitologie-Verfahren - wird die Entscheidung uber Akzeptanz oder Ablehnung eines konkreten Standards gefallt (Sachverstandigenebene).'^°® Am Entscheidungsprozess sind neben der Kommission die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) sowie das Accounting Regulatory Committee (ARC) beteiligt.'*^^ Grundsatzlich will die Europaische Kommission keine inhaltlichen Veranderungen an zu ubernehmenden Rechnungslegungsstandards vornehmen: „Das Verfahren soil nur uberwachen; es geht nicht darum, die privaten Standards neu zu formulieren oder zu ersetzen."'^''^ Damit werden nicht nur einzelne Rechnungs

Diese Anzahl an betroffenen Gesellschaften setzt voraus, dass alle Mitgliedstaaten in den jeweiligen drel Wahlrechtsbereichen eine verpflichtende Anwendung der IFRS oder zumindest ein IFRS-Unternehmenswahlrecht - welches wiederum von den betroffenen Untemehmen auch ausgeschopft werden musste - vorsehen. Vgl. Europaische Kommission (2003), IP/03/638 vom 6.5.2003. Vgl.Zeitler (2003)8.1529. Vgl. Ernst (2001a) S. 823. Eine ausfuhrliche Ubersicht des Komitologie-Verfahrens geben Buchhelm/Grfiner/Kuhne (2004) S. 1783-1788. Wahrend die EFRAG eine privatrechtlich organisierte und finanzierte Gruppe von Rechnungslegern darstellt, sind im ARC die Vertreter der europaischen Mitgliedstaaten, die den Ausschuss gemali Art. 3 der IAS-VO bilden; vgl. Buchheim/Groner/Kuhne (2004) S. 1784. Gothel (2001) S. 2059. Ernst spricht von einem „schnellen und flexiblen Verfahren"; vgl. Ernst (2001a) S. 823.

84

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

legungsstandards, sondern samtliche mit diesen in Zusammenhang stehenden Interpretationen des lASB ubernommen. Die IFRS werden jedoch nur dann ubernommen, wenn diese den Voraussetzungen der lAS-VO entsprechen.'^''^ Durch die Annahme privater Fachnormen im Rahmen des Komitologie-Verfahrens werden diese im Ergebnis zu rechtlich verbindlichem europaischem Bilanzrecht.'^''^ Die IAS-VO erstreckt sich demnach nicht nur auf die Konzernabschlusse borsennotierter Unternehmen in Europa, sondern - durch den moglichen Einzug der investor- und kapitalmarktorientierten IFRS in den kapitalerhaltungsorientierten Elnzeljahresabschluss kontinentaleuropaischer Unternehmen - auf das gesamte europaische (und somit auch deutsche) Steuer- und Gesellschaftsrecht, welches vor weitreichenden Umwalzungen steht.

3.3 Umsetzung der Mitgliedstaatenwahlrechte und Strategie des deutschen Gesetzgebers Aus der Perspektive des deutschen Handelsbilanzrechts beendet die IAS-VO den vom Gesetzgeber in Deutschland mit dem KonTraG und KapAEG eingeschlagenen Weg der temporaren Offnung der Konzernrechnungslegung durch den alten § 292a HGB.'^''^ Ihm obllegt nunmehr - wie jedem anderen europaischen Gesetzgeber in dessen nationalem Kontext - gemaU IAS-VO die Entscheidung Ciber die Zukunft der Rechnungslegung in konsolidlerten Abschlussen nicht kapitalmarktorientierter Gesellschaften sowie in den Einzeljahresabschlussen der Gesamtheit aller betroffenen deutschen Unternehmen. Der Madnahmenkatalog von BMJ und BMF vom 25.2.2003, das sog. 10-PunkteProgramm zur Starkung der Unternehmensintegritat und des Anlegerschutzes"^^^, sieht als erste Stellungnahme des deutschen Gesetzgebers zur notwendigen Bi-

Dlese durfen nach Art. 3 Abs. 2 dem „True-and-Fair-View"-Prinzip nicht zuwiderlaufen, mussen dem europaischen offentlichen Interesse entsprechen und den Kriterien der Verstandlichkeit, Erheblichkeit, VerlSsslichkeit sowie Vergleichbarkeit genOgen; vgi. EuropSische Union (2002a). Kritisch ist in diesem Zusammenhang die nur partiejie Ubernahme von IAS 39 zu sehen; vgi. Pfitzer/Oser/Orth (2005) S. 20 f. Zu den Auswirkungen einer Ubernahme der IFRS als sekundares Gemeinschaftsrecht vgi. Kapitel 5.2.2.2, S. 223. Dieser wurde mit Inkrafttreten des BilReG zum 1.1.2005 durch § 315a HGB ersetzt. Vgi. Meyer (2004) S. 972; Pellens/Gassen (2001) S. 137. Vgi. BMJ (2003b). Zum Stand der nationalen Umsetzung vgi. Kohler/Meyer/Mauelshagen (2004)3.2623-2631.

3.3 Umsetzung der Mitgliedstaatenwahlrechte

85

lanzrechtsmodernisierung im Rahmen der Umsetzung der durch die lAS-VO eingeraumten Mitgliedstaatenwahlrechte folgende Regelungen vor:'^''^ •

Der Konzernabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen ist weiterhin nach HGB aufzustellen, jedoch besteht ein Unternehmenswahlrecht zur aiternativen Anwendung der IFRS. Ferner soil mittelfristig uberpruft werden, ob grode nicht kapitalmarktorientierte Unternehnnen kunftig einer verpflichtenden Anwendung der IFRS unterworfen werden sollen.

•

Die Einzelabschlusse der ubrigen Unternehmen (kapitalmarktorientierte und nicht kapitalmarktorientierte) sind ebenfalls weiterhin nach HGB aufzustellen, jedoch kann zusatzlich - lediglich fur Zwecke der Offenlegung nach §§ 325 bis 329 HGB n. F. - ein IFRS-Abschluss erstellt werden."^^^

Ferner ist das Mitgliedstaatenwahlrecht des Artikels 9 der IAS-VO vom deutschen Gesetzgeber in Sinne der betroffenen Unternehmen ausgelegt worden. Diese haben eine verlangerte Ubergangsfrist und mussen erst fur alle Geschaftjahre ab dem 1.1.2007 verpflichtend die IFRS anwenden. Dies Ist wenig uberraschend, da die Regelung erst auf Drangen der hiesigen Unternehmen von der Deutschen Bundesregierung Im europaischen Kontext durchgesetzt wurde. Offenbar scheint eine grundsatzlich verpflichtende Anwendung der IFRS in samtlichen deutschen Konzernabschlussen aus Sicht des deutschen Gesetzgebers zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht sinnvoll. Dennoch sollen mittelfristig auch grode nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen zur Anwendung der IFRS verpflichtet werden. Aufgrund der o. g. Ubergangsfrist fur Nicht-Aktien-Emittenten im geregelten Kapitalmarktbereich sieht der Gesetzgeber momentan keine Veranlassung fur eine verpflichtende IFRS-Anwendung bei Nicht-Kapitalmarktunternehmen. Derzeit unterliegen der Pflicht zur IFRS-Rechnungslegung - und damit uber den Kernbereich der IAS-VO hinaus - lediglich Unternehmen, die bereits einen Antrag auf Zulassung zum geregelten Kapitalmarkt gestellt haben."^^^ Kritiker monieren in diesem Zusammenhang, dass der deutsche Gesetzgeber „[...] von den gebotenen Moglichkeiten [der lAS-VO] zumindest vorerst nur wenig und zogernd Gebrauch [...r'^^^gemachthabe. Die Implementierung der auf Grundlage der lAS-VO gewahrten Mitgliedstaatenwahlrechte in deutsches Recht hat der Gesetzgeber mit Verabschiedung des Bi-

*^^ Vgl. BMJ (2003b) Punkt 4; Meyer (2003) S. 851; Kirsch (2003d) S. 278. ^^^ Vom IDW wird die Zweckmadigkeit dieser Regelung aus Grunden des Glaubiger- und Gesellschafterschutzes indes bezweifelt; vgl. IDW (2003) S. 1-3. ^^^ Vgl. BMJ (2004b) Punkt 1; Ernst (2003) S. 1488. ^^^ Busse von Colbe (2004) S. 2069.

86

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

lanzrechtsreformgesetzes (BilReG)^''® am 29.10.2004 vorgenommen, dessen thematische Schwerpunkte in den Bereichen Bilanzrecht und Abschlussprufung'*^^ Jiegen."*^^ Der Gesetzgeber ist damit dem Gmndsatz gefolgt, samtliche potenziellen Wahlrechte der lAS-VO als Unternehmenswahlrechte an die betroffenen Unternehmen weiterzugeben. Insbesondere inn Rahmen des Einzeljahresabschlusses komnnt er dem Wunsch vieler nicht kapitalmarktorientierter Unterneiimen entgegen und belasst die Ermittlung der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften sowie steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften auf Basis des deutschen Handelsrechts. Dieses soil jedoch im Rahmen weiterer Gesetzesvorhaben weiter reformiert werden.^^^ Der deutsche Gesetzgeber hat letztlich keine andere Wahi: Denn ohne umfangreiche Reform des Steuer- und Gesellschaftsrecht lasst der innere Zusammenhang des deutschen Bilanzrechts keine tief greifenden Anderungen zu.^^^ Nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers ist die Rechnungslegung nach IFRS fur die Zwecke des Einzeljahresabschlusses jedoch nicht geeignet."^^"^ Ihnen soli daher weiterhin die Moglichkeit zur Erstellung einer Einheitsbilanz - zumindest aber modifizierten Einheitsbilanz - gegeben werden, ohne die Burde einer weitaus umfangreicheren internationalen Rechnungslegung aufzuerlegen. MIt dem Wahlrecht zur Erstellung eines zusatzllchen freiwilligen IFRS-Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a HGB kommt der Gesetzgeber jedoch gleichfalls den Interessen der kapitalmarktorientlerten Unternehmen entgegen, die in den IFRS eine bessere Rechnungslegungsgrundlage sehen. Dem von Kritikern geaufierten Vorwurf einer ungenugenden systematischen Losung soil damit eIne pragmatische Antwort entgegengehalten werden, die den praktischen Bedurfnissen kapitalmarktorientierter und nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen gleichermalien gerecht wird."^^^ Durch die Umwandlung aller Mitgliedstaatenwahlrechte in Unternehmenswahlrechte eroffnet der deutsche Gesetzgeber den betroffenen Unternehmen ein maxiGesetz zur Einfuhrung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualitat der Abschlussprufung (Bilanzrechtsreformgesetz - BilReG); BGBI I 65/2004 vom 9.12.2004, S. 3166. Zur Gesetzesbegrundung vgl. BT-Drucks. 15/3419 vom 24.6.2004 sowie BT-Drucks. 15/4054. Zur Beschrankung von Beratungstatigkeiten bzw. Erweiterung von Prufungsverboten be! Abschlussprufern vgl. KShler/Meyer/Mauelshagen (2004) S. 2627 f.; Lenz (2004) S. 707-712; Peemeiler/Oehler (2004) S. 1159-1161. Einen Uberblick samtlicher Anderungen geben Meyer (2005) S. 41-43; kritisch zu Systemunzulanglichkeiten bei Umsetzung des BilReG hingegen Pfitzer/Oser/Orth (2004) S. 25932602. Vgl. Freidank/Pottgiefier (2003) S. 888; DRSC (2003b) 8. 2 sowie Kapitel 1.1, S. 92. Vgl. Mandler(2004)S. 115. Vgl. BMJ (2003a). Vgl. Ernst (2003) S. 1489, 1491.

3.4 Vorschlage zur konzeptionellen Neugestaltung des dt. Bilanzrechts

87

males Mali an Flexibilitat. Diese erfolgt jedoch auf Kosten der Vergleichbarkeit von Jahresabschlussinformationen - insbesondere von deutschen Konzernabschlussen. So besitzen Unternehmen sowohl im Bereich des Einzeljahresabschlusses als auch im Konzemabschluss das Wahlrecht der Erstellung eines zuscitzlichen informatorischen bzw. befreienden Abschlusses nach den intemationalen Madstaben der IFRS."*^^ Den Unternehmen bleibt es dabei selbst uberlassen, ob der hohere Rechnungslegungsaufwand beispielsweise im Zuge einer geplanten Borsenzulassung oder der Fremdkapitalaufnahme vertretbar erscheint.'*^^ Der konservative Schritt des deutschen Gesetzgebers, der nur im o. g. Ausnahmetatbestand den Kernbereich der lAS-VO verlasst, entspricht dabei den Wunschen vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen.'*^® Die Ausubung der IVlitgliedstaatenwahlrechte durch den deutschen Gesetzgeber auf Grundlage des BilReG stellt jedoch lediglich den ersten Schritt einer weiterfuhrenden und umfassenden Reform des deutschen Bilanzrechts dar, deren Umfang und Inhalt in Kapitel 1.1 welter erortert wird. Neben der Umsetzung der Mltgliedstaatenwahlrechte wurden dabei eine Reihe neuerer europaischer Richtlinien In deutsches Recht ubernommen.^^^ Letztere sind ebenso Tell eines in Deutschland verbindlich umzusetzenden rechtllchen Rahmenwerks.

3.4 Vorschlage zur konzeptionellen Neugestaltung des deutschen Bilanzrechts Vor dem HIntergrund der sich abzeichnenden Notwendlgkeit einer grundlegenden Reform des deutschen Bilanzrechts haben Interessenverbande und wissenschaftliche Arbeitskreise auf Grundlage der IAS-VO Vorschlage zu dessen konzeptioneller Weiterentwicklung gemacht. Abbildung 3-1 (Selte 89) zeigt die Vorschlage der maHgeblichen Institutionen im Bereich Rechnungslegung. Die Obersicht berucksichtigt das Vorhaben einlger Institutionen, den EInzeljahresabschluss nach seinen Funktionen getrenntfortzuentwickeln.

Das Wahlrecht zur Erstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach § 315a Abs. 3 HGB setzt voraus, dass hierzu nicht sowieso eine Verpflichtung nach § 315a Abs. 1 HGB besteht. Im Unterschied zum alten § 292a HGB gestattet § 315a Abs. 3 HGB samtlichen - und nicht nur borsennotierten - Mutterunternehmen die freiwillige Erstellung eines befreienden Konzernabschlusses auf Grundlage der IFRS. Vgl. Huttemann (2004) S. 207. Vgl. Pottgiefier (2004) S. 169; Ernst (2003) S. 1488; Meyer (2003) S. 851. Dazu gehSren neben der IAS-VO die Schwellenwertrichtlinie, die Fair-Value-Richtlinie sowie die Modernisierungsrichtlinie. Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 1.1, S. 92.

88

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

Die tatsdchliche Umsetzung der iVIitgiiedstaatenwaiiJrechte durch den deutschen Gesetzgeber (im Rahmen des BilReG) bzw. dessen Absichten im Kontext der weiteren Bilanzreform sind kursiv dargestellt.

3.4 Vorschlage zur konzeptionellen Neugestaltung des dt. Bilanzrechts

AKEU

[iDW

89

Einzelabschluss Information Ausschiittung

Konzemabschluss

Verpflichtende Anwendung der Pflicht zur Erstellung eines IFRS fOr Untemehmen mit wirt- "Einheitsabschlusses" fDr Zwecke der AusschOttung und der Beschaftlicher Bedeutung ab 2007 (grOlienabh^ngig) \ steuerung auf Basis modifizierter HGB und EStG-Vorschriften. Befreiung \on der Einzelab(Einziger Abschluss fur kleinere schlusserstellung nach IFRS und mittlere Untemehmen, die fur in einen Konzemabschluss keinen verpflichtenden IFRSeinbezogene Untemehmen Abschluss erstellen mussen!)

Verpflichtende Anwendung nach IFRS fijr alle Untemehmen ab 2007 (bis dahin befireiende Aufstellung als Wahlrecht)

Kurzfristig: ReMsion des HGB

Verpflichtende Anwendung nach IFRS ftjr a|le Untemehmen

Mittelfristig: Verpflichtende Anwendung der IFRS fur alle in den Anwendungsbereich der 4. EG-RL fallenden Untemehmen (nach Kianjng der Ausschuttungs- bzw. Steuerbemessungsfunktion) Langfristig: Verpflichtende Anwendung der IFRS fur alle Unternehmen in Deutschland

Befireiung \on Pflicht zur Konzemabschlusserstellung, sofem spezifische GrOlienkriterien unterschritten werden

Befireiung van Pflicht zur Konzemabschlusserstellung, sofem spezifische GrGRenkriterien unterschritten werden

1

1 1

Verpflichtende Anwendung nach IFRS fiJr alle Untemehmen

1

Langfristig: Wahlrecht der IFRS-Anwendung fur alle Untemehmen

Beft"eiung \on Pflicht zur Konzernabschlusserstellung, sofem spezifische GrOlienkriterien unterschritten werden

1 s-

[ABHR

Generelles Vertxpt der IFRS im Einzeljahresat)schluss Revision der HGB-Vorschriften

(D Wahlrecht zur Anwendung der IFRS 3 Revision der HGB-Vorschriften

[BiiReG

Wahlrecht der Erstellung eines (zusStzlichen) informatorischen IFRSAbschlusses

[DRSC

Kurzfristig: Re\^sion des HGB Mittelflistig: Verpflichtende Anwendung der IFRS fur in einen Konzemabschluss einbezogene Untemehmen (mit ggf. langerer Obergangfrist bei befl-eiendem Wahlrecht)

AKEU

Pflicht zur Erstellung eines HGB- Wahlrecht zur Anwendung der Abschlusses, jedoch Revision der IFRS HGB-Vorschriften Revision der HGB-Vorschriften

Verpflichtende Anwendung der IFRS fur Untemehmen mit wirtPflicht zur Erstellung eines schaftlicher Bedeutung "Einheitsabschlusses" fur Zwecke (grOlienabhangig) der AusschOttung und der BeBefreiung vDn der Einzelat)steuerung auf Basis modifizierter schlusserstellung nach IFRS HGB und EStG-Vorschriften. ftir in einen Konzemabschluss [einbezogene Untemehmen

[iDW

Verpflichtende Anwendung der 1FRS (nach KlSrung der Ausschuttungs- bzw. Steuerbernessungsflinktion)

[DRSC

Verpflichtende Anwendung der 1FRS (ab 2005)

[ABHR

Generelles Vert)Ot der IFRS im Einzeljahresabschluss Revision der HGB-Vorschriften

[BilReG

Wahlrecht der Erstellung \eines (zusStzlichen) linfonmatorischer) IFRSlAbschlusses

%\ Verpflichtende Anwendung der IFRS gem&a lAS-VO

Pflicht zur Erstellung eines HGBAbschlusses, jedoch Revision der HGB-Vorschriften

Abbildung 3-1: Vorschlage zur Umsetzung der lAS-VO in deutsches Recht^*

Eigene Darstellung in AnIehnung an Haller (2003) S. 417.

1 1 s

90

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

Die Gegenuberstellung der Vorschiage verdeutlicht, dass die Anwendung der IFRS nicht nur fur den Konzernjahresabschluss, sondern auch fur den Einzeljahresabschluss mehrheitlich in En/vagung gezogen wird. Grundsatzlich abgelehnt wird der Einzeljahresabschluss nach internationalen Normen lediglich vom Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (ABHR), der das Kapitalschutzprinzip unter IFRS nicht gewahrt sieht.'*^^ Daneben wird die Notwendigkeit eines eigenstandigen Steuerbilanzrechts bei Ubernahme der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresjahresabschluss betont. Der daraus resultierende Mehraufwand in der Abschlusserstellung erscheint dem ABHR fur die uberwiegende Mehrheit der nicht kapitalnriarktorientierten Unternehmen jedoch unzumutbar. Vor allem die enge gesellschaftsrechtliche Verflechtung des Kapitalschutzprlnzlps mit dem Einzeljahresabschluss in Deutschland und Europa lasst in nahezu alien Vorschlagen zunachst eine Uberarbeitung der bestehenden HGB-Vorschriften als sinnvollen ersten Schritt erscheinen - insbesondere vor dem Hintergrund des Konflikts der internationalen Rechnungslegung mit der bestehenden Ausschuttungs- und Steuerbemessungsfunktion im Einzeljahresabschluss nach HGB."^^^ Langfristiges Zlel aller Vorschiage bleibt jedoch die Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss: Wahrend das DRSC ein Wahlrecht fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen vorsieht, fordert das IDW die verpflichtende Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss fur samtliche Unternehmen in Deutschland. Jedoch sollen grofizuglge Obergangsfristen von bis zu 10 Jahren gewahrt werden, „was im Grunde auf ein mittelfristig angelegtes Unternehmenswahlrecht hinauslauft."^^^ EIne umfassende Pflichtlosung Im Kontext der Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen wird einzig vom Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung (AKEU) befurwortet.'*^'* Danach sollen samtliche Einzeljahresabschlusse schon ab 2007 verpflichtend nach den Vorschrlften der IFRS aufgestellt werden. Ausgenommen hiervon waren lediglich Unternehmen „ohne eine besondere wirtschaftliche Bedeutung", die einen Einheitsabschluss fur Ausschuttungs- und Besteuerungszwecke auf Basis modifizierter HGB- und EStGVorschriften zu erstellen hatten. Als Abgrenzungskriterien der wirtschaftlichen Be-

Vgl. ABHR (2002) S. 2372-2381. Ebenso abgelehnt wird dies von der Bundessteuerberaterkammer; vgl. Mandler (2004) S. 85, der eine weitere Obersicht von Steilungnahmen zu der lAS-VOgibt (3.185). Das DRSC hat als erster Interessenverband detaillierte Vorschiage zu weiteren Uberarbeitung und Reform des deutschen Handelsrechts vorgelegt; vgl. DRSC (2005b). Mandler (2004) S. 117. Insofern ist das DRSC starker einer Pflichtlosung zugeneigt als das IDW. Der Standardisierungsrat des DRSC fordert indes eine verpflichtende Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss fur samtliche kapitalmarktorientierte Unternehmen; vgl. DRSC (2002b) S. 3. Vgl. AKEU (2003) S. 1585-1588.

3.4 Vorschlage zur konzeptionellen Neugestaltung des dt. Bilanzrechts

91

deutung, die zur verpflichtenden Anwendung der IFRS als Informationsabschluss fuhren wurde, schlagt der AKEU die Grodenkriterien des § 267 HGB vor."*^^ Im Ergebnis soil damit ein dreigleislges Rechnungslegungssystem in Deutschland vermieden und fur die kleineren und mittleren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen die „modifizierte" Einheitsbilanz erhalten werden. Im Bereich der kapitalmarktorientierten Unternehmen zeichnet sich hingegen ein starkerer Zuspruch fur eine generelle IFRS-Anwendung ab. Mit Ausnahme des ABHR beinhalten samtliche Vorschlage - im Gegensatz zu den zahlreichen Ausnahmen fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen - eine verpflichtende Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen. Ein ahnlicher Konsens zeichnet sich im Bereich des Konzernabschlusses ab: Alle Vorschlage votieren fur eine kurz- bis mittelfristige Verpflichtung zur Anwendung der IFRS in samtlichen Konzernabschlussen."^^^ Gleichsam wird vor diesem Hintergrund die Befrelung von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung gefordert, sofern bestimmte Grofienkriterien nicht uberschritten werden. Im Ergebnis verdeutlichen die Vorschlage der Interessenverbande und wissenschaftlichen Arbeltskreise zur Umsetzung der Mitgliedstaatenwahlrechte, dass die Zukunft der deutschen Konzernrechnungslegung in entscheidendem Made von den IFRS beherrscht werden wIrd. Die internatlonalen Normen der Rechnungslegung werden - ob wahlweise Oder verpflichtend - verstarkt aber auch in den Einzeljahresabschluss Einzug halten. Solche Forderungen sind im Wesentlichen auf die Vorteile der internatlonalen Vergleichbarkeit und die Effizienz einer europaweit harmonisierten Rechnungslegungsbasis zuruckzufuhren. „Diese Uberlegung erscheint schon deshalb erforderlich, da sich aller Voraussicht nach in den nachsten Jahren weltweit eine Konvergenz der nationalen Rechnungslegungsvorschriften auf Basis der IFRS durchsetzen wird, die - bezogen auf die EU - auch dem politischen Willen der Kommission entspricht.""^^^ Vor diesem Hintergrund zeichnet sich erneut ab, dass das deutsche Bilanzrecht vor entscheidenden Reformen steht.

435

Vgl. AKEU (2003)8.1587. Lediglich der ABHR erachtet einen Konzernabschluss nach IFRS nicht als sinnvoll, solange der Einzeljahresabschluss auf Basis des HGB erfolgt und schlSgt folglich ein Untemehmenswahlrecht vor; vgl. ABHR (2002) 8. 2378. Haller(2003)S.416.

92

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

3.5 Konturen der aktuellen deutschen Bilanzreform im europaischen Normenkontext Mit dem Bilanzrechtsreformgesetz sowie dem Bilanzkontrollgesetz^^® (BilKoG) hat der deutschte Gesetzgeber begonnen, diejenigen Teile seines JVIadnahmenkatalogs zur StSrkung der Unternelimensintegritat und des Aniegerschutzes umzusetzen, die sich mit der Unternehmensberichterstattung sowie deren Kontrolle beschSftigen."*^^ Beide Gesetze sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Transparenz und Selbstkontrolle im Bereicli der externen Rechnungslegung steigern.^'^^ Insgesamt stehen BilReG und BilKoG jedoch in Zusammenliang mit derzeit sechs weiteren Gesetzen bzw. Gesetzesvorhaben, die als Konsequenz des Malinalimenkataiogs der Bundesregierung vom 25.2.2003 entstanden sind. Abbildung 3-2 verdeutJiclit, dass der Ursprung dieser grundlegenden Reform des deutschen Bilanz- und Gesellschaftsrechts nicht originar vom deutschen Gesetzgeber ausgeht, sondern vielmehr in europSischen Vorgaben sowie US-amerikanischen Initiativen und Entwicklungen zu suchen ist. Internationale Entwicklungen USA - Sarbanes-Oxley Act (2002)

s?

EU - Fair-Value-Richtlinie (2001) - lAS-Verordnung (2002) - Schwellenwertrichtlinle (2003) - Modernlslerungsrichtilnie (2003) - Marktmissbrauchsrichtlinle (2003) - Anderung 8. EU-Richtlinle (2004) - Vorschiag Transparenzrichtlinie (2004)

Si Sk ^

If If

Nationale Entwicklungen

St

Gesetzesinltlatjven - Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG, 1998) -Kapitalaufnahmeerleichtemngsgesetz (KapAEG. 1998) - Transparenz- und Publizitatsgesetz (TransPuG. 2002) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK, 2002, jahrliche OberprOfung)

%s

GHE)

BilReG: Bilanzrechtsreformgesetz

I 2004 y

BilKoG: Bilanzkontrollgesetz

I

2004 }

APAG: AbschlussprUferaufsichtsgesetz

I

2004

)

AnSVG: Aniegerschutzverbesserungsgesetz

I

2004

)

UMAG: Gesetz zur Unternehmensintegritdt und Modernisierung des Anfechtungsrechts

I

2004

)

KapMuG: Kapitalanleger-Musterverfahrengesetz

If

KaplnHaG: Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz

NJC 0(0

I

I I 2005 ? )

BilMoG: Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

Abbildung 3-2: Kontext der aktuellen deutschen Bilanzreform

Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlussen (Bilanzkontrollgesetz • BilKoG); BGBI 69/2004 vom 20.12.2004, S. 3408. Hierzu zShlen insbesondere die Fortentwicklung und Internationale Anpassung der Bilanzregeln (4.), die StSrkung des AbschlussprOfers (5.) sowie die Einrichtung eines unabhanglgen Enforcements (6.); vgl. Wendlandt/Knorr (2004) S. 45. Vgl. BMJ (2004a). Vgl. Pfitzer/Oser/Orth (2005) S. 2.

3.5 Konturen der aktuellen deutschen Bilanzreform

93

Vor dem Hintergrund der notwendigen Umsetzung zahlreicher europaischer Vorgaben in nationales Recht hat sich der deutsche Gesetzgeber fOr ein zweistufiges Verfahren der Bilanzrechtsmodernisierung entschieden.^^^ Im Zentrum des BilReG steht daher die AusQbung der iVIitgliedstaatenwahlreclite der lAS-VO betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards in deutschen Konzern- und Einzeljahresabschlussen, die zunachst als Unternehmenswahlrechte weitergegeben wurden. Daneben wurden in diesem ersten Schritt erh5hte Schwellenwerte (gemSfi Schwellenwertrichtlinie^^^) ubernommen sowie die obligatorischen Teile der IVIodernisierungs-^* und Fair-Value-Richtlinie^*^ in nationales Recht transformiert.*^^ Folgende Richtlinienbestimmungen hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des BilReG umgesetzt: •

Gemaii Schwellenwertrichtlinie wurden die in § 293 Abs. 1, 2 HGB niedergelegten Schwellenwerte fur die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts urn 16,8 % erhoht. Diese finden fur nach dem 31.12.2003 beginnende GeschSftsjahre Anwendung, wobei eine analoge Ruckwirkung auf die Schwellenwerte des § 267 HGB besteht.^^^

•

Im Rahmen der Modernisierungsrichtlinie wurden lediglich die zwingend umzusetzenden Bestimmungen ubernommen. Neben der Abschaffung des § 295 HGB^"*®, der nicht mit internationalen Rechnungslegungsvorschriften in Einklang stand, wurde die generelle Pflicht zur Erstellung einer Kapitalflussrechnung und einer EigenkapitalverSnderungsrechnung auf alle Muttemnternehmen ausgeweitet."^"^^ Daneben hat der Gesetzgeber die Befreiung von der Konzernabschlusserstellungspflicht'*^^ weiterhin eingeschr^nkt sowie eine Neuge-

Kritisch hierzu der Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, der das „an sich rechtstechnisch ungluckliche Verfahren" einer HGB-Modernisierung in zwei Schritten bedauert, aber als unvermeidlich ansleht; vgl. ABHR (2004) S. 547. ^^^ Richtlinie 2003/38/EG ABIEG L 120 vom 15.5.2003, S. 22; vgl. Europaische Union (2003d). ***

Richtlinie 2003/51/EG ABIEG L 178 vom 17.7.2003. S. 16; vgl. EuropSische Union (2003e).

*^^ Richtlinie 2001/65/EG ABIEG L 283 vom 27.10.2001, S. 28; vgl. EuropSlsche Union (2001). ^^® Vgl. BMJ (2004a) Punkt 1 sowie Meyer (2004) S. 974; PeemSller/Oehler (2004) S. 1159; Sickmann (2004) S. 600. ^^^ Vgl. Meyer (2005) S. 42 f. Dabei liegen die neuen Schwellenwerte i. H. v. 10 % uber den Richtlinienwerten; kritisch hierzu Huttemann (2004) S. 207. Der ABHR stuft dieses Vorgehen als ..nicht unbedenklich" ein; vgl. ABHR (2004) S. 547. ^^® Die Abschaffung des Verbots der Einbeziehung von Tochterunternehmen mit konzernfremder Tatigkeit wurde vom DRSC bereits im Vorfeld des TransPuG vorgeschlagen, vom Gesetzgeber aber nicht aufgegriffen; vgl. Keller (2001) S. 1167 f. sowie Kapitel 2.3.1, S. 62. ^^^ Fur Unternehmen, die nicht unter § 315a HGB fallen, stellt die Segmentberichterstattung ferner nur noch einen fakultativen Bestandtell des Konzernabschlusses dar; vgl. Pfitzer/Oser/Orth (2004) S. 2596 f. ^^

Mit dem TransPuG ist die Befreiung zur Erstellung eines Teilkonzernabschlusses untersagt worden, wenn das Mutterunternehmen Wertpapiere an einem amtlichen Handel emittiert. Die

94

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU staltung des Bestatigungsvermerks vorgenommen.'*^^ Lediglich beim Lagebericht nach § 289 bzw. § 314 HGB"^^^ hat der deutsche Gesetzgeber die obligatorischen Vorgaben der Modernisierungsrichtlinie verlassen und die Berichtspflichten mit dem Ziel einer Verbesserung des Informationsgehaltes stark erweitert."^^^

•

Die Fair-Value-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einfuhrung einer Zeitwertbewertung fur Finanzinstrumente, die jedoch auf den Konzernabschluss beschrankt werden kann. Aufgrund dessen, dass IAS 39 jederzeit uber § 315a HGB anwendbar sei, hat der deutsche Gesetzgeber auf die Umsetzung dieser Vorgabe in deutsches Handelsrecht verzichtet.'*^ Insofern beschrankt sich die Umsetzung obligatorischer Vorgaben der Fair-Value-Richtlinie in erster Linie auf Angaben uber Finanzinstrumente im Anhang und Im Lagebericht."*^^

Trotz in Teilen umfangreicher Modifikationen des deutschen Handelsrechts durch das BilReG hat sich der deutsche Gesetzgeber auf die obligatorischen Richtlinlenbestimmungen der Modernlslerungs- und Fair-Value-Richtlinie beschrankt. Erst In Einschrankung des § 291 Abs. 3 Nr. 1 wurde auf alle Wertpapiere an alien europaischen Borsen erweitert, die zum geregelten Markt zugelassen sind; vgl. Wendlandt/Knorr (2004) S. 47. § 322 HGB wurde internationalen Gepflogenheiten angepasst und vereinheitlicht. Ferner kann nunmehr auch der sog. Nichterteilungsvermerk (..disclaimer of opinion") erteilt werden. Die Neuregelungen sind auf GeschSftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2004 beginnen; vgl. Meyer (2005) S. 42; Wendlandt/Knorr (2004) S. 47. Dieser muss gemali § 289 Abs. 1 eine ..ausgewogene und umfassende [...] Analyse des Geschaftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft [...]" enthalten. Dazu gehort die Angabe der „bedeutsamsten finanziellen Leistungsindlkatoren". Grolie Kapitalgesellschaften I. S.d. § 267 Abs. 3 HGB mussen zudem nach § 289 Abs. 3 Angaben uber nicht finanzlelle Leistungsindlkatoren machen; vgl. Pfltzer/Oser/Orth (2004) S. 2596; Wendlandt/Knorr (2004) S. 47. Einen umfassenden Uberblick gibt Greinert (2004) S. 53-55. Obgleich die Modernisierungsrichtlinie nur eine Beschreibung der ..wesentllchen Risiken und Ungewlssheiten" im Lagebericht vorsieht, verlangt § 289 Abs. 1 S. 4 HGB eine Beurteilung der vorausslchtllchen Entwicklung mit ihren wesentllchen Chancen und Risiken. Im Ergebnis ist der durch das KonTraG in die Lageberichterstattung aufgenommene sog. Risikobericht in Satz 4 eingeflossen. Damit hat der Gesetzgeber den bisher in § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB a. F. geforderten Prognosebericht mit der Risikoberichterstattung zusammengefuhrt; vgl. Huttemann (2004) S. 207 f.; Pfitzer/Oser/Orth (2004) 8. 2596. Kritiker bezweifein die Notwendlgkeit der Orientlerung an Kapltalmarktbedurfnissen im Lagebericht einer Einzelgesellschaft und stellen die Umsetzung der erhohten Angabeverpflichtung in der Bilanzlerungspraxis in Frage; vgl. ABHR (2004) S. 547. Ballwieser befurwortet indes die detaillierten Regelungen, um die Veroffentlichung der Infomnationen zu gewahrleisten; vgl. Sickmann (2004) S. 600. Ebenso das DRSC, das von einer.,[...] wesentliche[n] Modernisierung und Aufwertung" des Lageberichts spricht; vgl. DRSC (2003b) S. 2. Vgl. hierzu weiterfuhrend Kapitel 5.2.1.2, 8. 215. Vgl. Wendlandt/Knorr (2004) 8. 48; Huttemann (2004) 8. 208. Nach § 285 Nr. 18 Buchst. a, b HGB sind fur jede Kategorie derivatlver Finanzinstrumente Art und Umfang, belzulegender Zeitwert und die angewandte Bewertungsmethode anzugeben. Ferner sieht § 285 Nr. 19 zusStzllche Angaben uber Finanzinstrumente des Finanzanlagevermdgens vor, die uber den Zeitwert ausgewlesen werden, wenn eine auderplanmSfllge Abschreibung unterlassen wurde. Ferner wurde § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB (Lagebericht) um besondere Berichtspflichten zu Finanzinstrumenten im Rahmen der Risikoberichterstattung ergSnzt.

3.5 Konturen der aktuellen deutschen Bilanzreform

95

zweiter Instanz will der Gesetzgeber uber die Ausubung der ubrigen Mitgliedstaatenwahlrechte befinden, die gemeinsam mit einer weiterfuhrenden Anpassung des geltenden HGB an Internationale Entwicklungen Gegenstand eines eigenstandigen weiteren Artikelgesetzes sein werden.^^® Im Rahmen des geplanten Bilanzmodernisierungsgesetzes ist demnach die umfangreiche „Durchforstung und .Entrumpelung' des HGB durch Abschaffung zahlreicher nicht mehr zeitgemader Wahlrechte [...]"^^^ geplant, die bereits im 10-Punkte-Programm der Bundesregierung angekundigt wurden. Ziel dieser Reform ist ferner die Einfuhrung der FairValue-Bewertung von Finanzinstrumenten im Konzernabschluss sowie die Prufung weiterfuhrender Anderungen von Ansatz- und Bewertungsregein vor dem Hintergrund einer starkeren Annaherung des deutschen HGB an die IFRS."^^® Anstelle einer (direkten) Obernahme der IFRS in den deutschen Einzeljahresabschluss plant der Gesetzgeber demnach eine kontinulerliche Weiterentwicklung des deutschen Handelsrechts. Den im vorherigen Kapitel dargestellten Forderungen von Interessenverbanden und wissenschaftlichen Arbeitskreisen"*^^ nach Obernahme der IFRS in den deutschen Einzeljahresabschluss will der Gesetzgeber auch in zweiter Instanz der Reform nicht nachkommen. Deutlich wird jedoch, das der Fokus des Gesetzgebers im Rahmen kunftiger Reformvorhaben starker auf den Einzeljahresabschluss ausgerichtet sein wird, wenngleich fruhere HGBReformen zunachst zu einer fortschreitenden Internationalisierung der Konzernrechnungslegung gefuhrt haben. Im Ergebnis befindet sich das deutsche Bilanzrecht derzelt inmitten eines grundlegenden Wandels. Das Reformvorhaben „Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz" reiht sich damit „[...] in die Folge der jeweils zwei Dekaden auseinander liegenden Gesetze, expressis verbis das AktG 1965 und das BiRiLiG 1985 (Bilanzrichtliniengesetz), nahtlos ein. Getreu dem Motto: alle 20 Jahre grulit die Rechnungslegung."'^®^ Die jungst verabschiedeten Gesetze werden in Verbindung mit den noch ausstehenden Vorhaben des deutschen Gesetzgebers die gesellschaftsrechtlichen, bilanzrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen verandern. Bereits mit dem Bilanzrechtsreformgesetz, das erstmals die verpflichtende Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen in deutschen Konzernab-

Vgl. Huttemann (2004) S. 203. BMJ(2003b)Punkt4. Zudem sollen die Offenlegungsfristen fur Konzern- und Jahresabschlusse kapitalmarktorientierter Untemehmen bei Offenlegung in Papierform auf sechs bzw. auf drei Monate beim Einsatz elektronischer IVIedien verkurzt werden; vgl. BMJ (2003b) Punkt 4 sowie Ernst (2003) S. 1490 f. Vgl. Kapitel 3.4. S. 87. B6cking/Herold/Wiederhold (2003) S. 394.

96

3 Die neue Rechnungslegungsstrategie der EU

schlQssen vorschreibt, „[...] wurde ein historischer Wandel im deutschen Bilanzrecht vollzogen."^®^ Daneben hat mit der Einrichtung des zweistufigen Enforcement-Prozesses durch das BilKoG eine weitere Adaption international ISngst ubllcher Verfahrensweisen stattgefunden."^^^ Vor diesem Hintergrund liat sich auf Basis des § 342b HGB am 15.4.2004 die privat organisierte ..Deutsciie Prufstelle fur Rechnungslegung e. V." (DPR) gegrundet."*®^ Beide Gesetze bilden damit den Grundstein einer umfassenden Reform des deutschen Bilanzrechts. Kritiker dieser Reform monieren in erster Linie deren niedrige Umsetzungsgeschwindigkeit, jedoch kaum inhaltliche Aspekte: Die AnnSherung der handelsrechtllchen Rechnungslegung an Internationale GrundsStze der IFRS wird demnach als „[...] erster Schritt In die richtige Richtung [...]"*^ empfunden. Doch die Dynamlk der Umsetzung wird vor dem Hintergrund des geplanten Bllanzmodernisierungsgesetzes welter anstelgen. Die Konturen dieser Bllanzreform werden sIch in einer Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland niederschlagen, deren langfristiges AusmaH derzeit nicht absehbar 1st. Der Einzug der IFRS in den deutschen Konzernabschluss hat ISngst stattgefunden. Die gesetzlichen Auswirkungen auf den Einzeijahresabschluss bleiben abzuwarten, sind jedoch auf informatorlscher Ebene bereits reallsiert worden. Jnsbesondere halten die lAS/IFRS dauerhaft Einzug in das deutsche Bllanzrecht auch nicht kapltalmarktorientierter Unternehmen."^^^ Vor diesem Hintergrund verbunden mIt der eingeschlagenen Strategic der EU-Kommlsslon scheint die vollst^ndlge Anwendung der IFRS auch Im Einzeijahresabschluss offenslchtlich nur eine Frage der Zeit zu seln.

Pfitzer/Oser/Orth (2004) S. 2593. Auf der ersten Stufe prOft die DPR, ob der zuletzt festgestellte und gebilligte Jahresabschluss sowie der dazugehfirige Lagebericht den gesetzlichen Vorschriften einschliefllich der Grundsatze ordnungsgemSfier Buchfuhrung entsprechen. Die Prufung wird gem. § 342b Abs. 2 stichprobenartig, bei konkretem Verdacht Oder auf Verlangen der BaFin aufgenommen. Verweigert das bilanzierende Unternehmen seine Mitwirkung Oder sieht sich mit dem Ergebnis der Prufung niclit einverstanden, greift in zweiter Instanz die BaFin mit hotieitlichen Mittein gemSIi § 370 WpHG ein. Von der ursprGnglich vorgesehenen Anordnung zur verpflichtenden Korrektur bei Feststellung eines Fehlers durch die BaFin wurde zu Gunsten der ausschiieUlichen Fehlerveroffentiichung (Bekanntmachung) abgesehen; vgl. Ernst (2004a) S. 936 f.; Meyer (2005) S. 43 f.; Mattheus/Schwab (2004) S. 1099-1106; KOhler/IVIeyer/Mauelshagen (2004) S. 2628 f. Einen ausfuhrlichen Oberblick der Gesetzesinhalte geben Pfitzer/Oser/Orth (2005) S. 72-79. 463 464

Vgl. DPR (2004). Pottgielier (2004) S. 172; ebenso Huttemann (2004) S. 209 und Wendlandt/Knorr (2004) S. 50. die beide von einem „wichtigen Schritt" sprechen. Wendlandt/Knorr (2004) S. 50.

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses Urn der fortschreitenden Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses in Deutschland Rechnung zu tragen, stehen zwei Systennalternativen zur Verfugung: •

eine grundlegende Refornn des deutschen Handelsrechts oder

•

die direkte Obernahme der IFRS In den EInzeljahresabschluss.

Der deutsche Gesetzgeber hat sich fur eine schrittwelse Refornalemng der bestehenden handelsrechtlichen Vorschriften unter Erhalt der Zwecke des Giaubigerschutzes, der Ausschuttungs- sowie der Steuerbemessung entschleden. Diese Reform ist Gegenstand des Kapitels 4.1. Dabei werden vor dem Hintergrund der Regelungsrelchweite der fur den EInzeljahresabschluss relevanten 4. EG-Richtlinle (Kapitel 4.1.3) inhaltliche Anforderungen an die Ausgestaltung der anstehenden Bilanzreform erhoben. Letztere erstreckt sich nicht nur auf bllanzielle Wahlrechte und einige Bllanzlerungs- und Bewertungsmethoden (Kapitel 4.1.4), sondern auch auf den Umfang weiterer Pflichtangaben (Kapitel 4.1.5). In Kapitel 4.1.6 erfolgt eine abschliefiende Wurdlgung der vom Gesetzgeber verfolgten „konservativen"*^^ Reform des deutschen Handelsrechts. Diese wird sowohl aus europaischer als auch aus deutscher Perspektive kritisch gewQrdigt. Den vielfachen Forderungen nach einer direkten Obernahme der IFRS in den EInzeljahresabschluss^^^ ist der Gesetzgeber somit nicht gefolgt. Vor dem Hintergrund der EU-Doppelstrategie im Bereich der Rechnungslegung und dem wachsenden Zuspruch der IFRS von Unternehmensseite werden die IFRS jedoch zunehmend als Systemalternative fur den deutschen EInzeljahresabschluss erachtet. Die Mfigllchkeiten und Grenzen eines (von der handelsrechtlichen Rechnungslegung) befreienden IFRS-Einzeljahresabschlusses gegenuber einer weiterfuhrenden HGB-Reform werden daher zunSchst in Kapitel 4.2.1 erortert. Aufgrund der Zieldivergenz der Rechnungslegung nach IFRS mit den multiplen Funktionen des Einzeljahresabschlusses stellt sich jedoch in erster Linie die Frage, ob sich die IFRS uberhaupt fur die Zwecke des deutschen Einzeljahresabschlusses eignen. Diese soil in Kapitel 4.2.2 im Rahmen einer Eignungsuntersuchung beantwortet werden, welche sich an den Jahresabschlusszwecken des HGB-Einzeljahresabschlusses orientlert: Informationsfunktion, Kapitalerhaltung und Mafigeblichkeitsgrundsatz. Mithin soil untersucht werden, ob sich die IFRS ceteris paribus zur Wahrnehmung der Aufgabenvielfalt des Einzeljahresabschlusses in Deutschland eignen.

^^ Vgl. Ernst (2004b) S. 35 f.

98

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Abbildung 4-1: Vorgehensweise in Kapitel 4

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses 4.1.1 Notwendigkeit einer Reform Die geplante grundlegende Reform der handelsrechtlichen Rechnungslegung ergibt sich in erster Linie aus den europaischen Vorgaben, die fur den deutschen Gesetzgeber ein verbindlich umzusetzendes Regelwerk darstellen: Im Bereich des Einzeljahresabschlusses obliegt dem deutschen Gesetzgeber die Entscheidung uber die weiteren (fakultativen) Wahlrechte der Modernisierungsrichtlinie^^®, uber weitergehende Modifikationen des HGB an internationale Entwicklungen sowie uber eine Offnung des deutschen Handelsbilanzrechts fur das Konzept der FairValue-Bewertung, das in der Falr-Value-Richtlinie"*®® und der Modernisierungsrichtllnle vorgesehen ist.'*^^ Schulze-Osterloh sieht in diesem Zusammenhang einen

Richtlinie 2003/51/EG ABIEG L 178 vom 17.7.2003, S. 16; vgl. Europaische Union (2003e). Richtlinie 2001/65/EG ABIEG L 283 vom 27.10.2001. S. 28; vgl. Europaische Union (2001). Vgl. Freldank/PottgieUer (2003) S. 887; Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 394-396; Schildbach (2003) S. 1075 f. Ferner wurde Deutschland als eines von acht Mitglledstaaten berelts von der Europaischen Kommission verwarnt, die Unnsetzung der Fair-Value-Richtlinie zu beschleunigen. Kommt der deutsche Gesetzgeber dem nicht nach, droht eine Klage vor dem EuGH; vgl. Europaische Union (2004a) S. 3.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

99

beachtlichen Reformbedarf: „Obwohl das in Deutschland geltende Handelsbilanzrecht erst knapp zwei Jahrzehnte alt ist, besteht beachtlicher Reformbedarf. Bei der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie in den Jaiiren 1978 bis 1985 ist dem Einflu(i[!] von Interessengruppen zu sehr nachgegeben worden, so da(l[!] es gegenuber modernen Bilanzvorstellungen nicht erfolgreich verteidigt werden kann.'"*^^ Insbesondere vor dem Hintergrund der Vielfalt an Bilanzierungswahlrechten und dem daraus entstandenen bilanzpolitischen Potential zur Legung stiller Reserven ist das deutsche Handelsrecht im internationalen Wettbewerb der Rechnungslegungssysteme gegenuber der (vermeintlich) wahlrechtsfreien Alternative der IFRS ins Abseits geruckt.^^^ Das HGB wird de lege lata als „[...] unmodern, ruckstandig und intransparent [...]"^^^ erachtet und von international tatigen Unternehmen als wenig attraktiv bezeichnet. Zudem hat die Europaische Kommission am 28.10.2004 einen neuen Richtlinienvorschlag zur Anderung der Vierten und Siebten EG-Richtlinie angenommen, der zu einer weiteren Annaherung des europaischen Bilanzrechts an die IFRS fuhren wird."^^"^ Nach Inkrafttreten der lAS-VO konzentrieren sich die Harmonisierungsbestrebungen der EU im Rahmen ihrer Doppelstrategie damit verstarkt auf die Uberarbeitung der beiden Rechnungslegungsrichtlinien.'^^^ Diese mussen in der Folge von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden: „Es besteht daher Anla[i[!], Uberlegungen daruber anzustellen, wie ein modernes Handelsbilanzrecht auflerhalb des Konzernbilanzrechts gestaltet werden sollte."^^®

4.1.2 Zielsetzung der Reform Im Zentrum der geplanten Reform des Einzeljahresabschlusses steht fur den Gesetzgeber eine moderate Weiterentwicklung des deutschen Handelsrechts im Sinne internationaler Rechnungslegungsvorschriften. Neben der geplanten ..Durchforstung und .Entrumpelung' des HGB durch Abschaffung zahlreicher nicht mehr

Schulze-Osterloh (2004a) S. 1129. Hennrichs betont, dass eine weitgehende Streichung von Wahlrechten die Chance bietet, dem deutsclien Handelsreclit international wieder zu mehr Anerkennung zu verheifen; vgl. Hennrichs (1999) 8. 436. Schildbach (2003) S. 1071. Ebenso Hommel/Bemdt (2002) S. 9 1 , die von der ..Provinziaiitat deutscher Rechnungslegung" sprechen. Zentrale Punkte dieses Vorschlags aus dem Bereich der Rechnungslegung sind etwaige Angaben uber nahe stehende Personen, die Offenlegung von nicht bilanzierten Geschaften sowie eine Corporate Governance Erklarung; vgl. Europaische Union (2004c) S. 8-14, Lanfermann (2004) S. 2-5 sowie Kapitel 4.1.3, S. 102. Zur Doppelstrategie der EU vgl. Kapitel 3.1, S. 77 sowie Schildbach (2003) S. 1076-1078. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1128.

100

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

zeitgem^der Wahlrechte [...]"'*^'^ soil die Annaherung des deutschen HGB an die IFRS durch weiterfuhrende Anderungen von Ansatz- und Bewertungsregeln erfolgen. Beispiele hierfur sind ein Passivierungsverbot fur Aufwandsruckstellungen und die Einschrankung von Bewertungsverelnfachungsmethoden.'*^® Obgleich das deutsche Handelsrecht starker an die intemationalen Rechnungslegungsvorschriften der IFRS angepasst werden soil, bekennt sich der Gesetzgeber zu den multlplen Funktionen des deutschen Einzeljahresabschlusses.'*^^ Die Jahresabschlusszwecke des Glaubigerschutzes, der Ausschuttungs- sowie der Steuerbemessung sollen explizit erhalten blelben.'*®^ Ferner wird vom Gesetzgeber die besondere Berucksichtigung des Maflgeblichkeitsprinzips inn Rahmen der Oberarbeitung von Ansatz- und Bewertungsmethoden betont.^®'' An der MafJgeblichkeit der Handels- fur die Steuerbllanz wird demnach weiterhin festgehalten. Ernst"^®^ sieht darin die „Obergrenze"^®^ der bevorstehenden Reform. Die gesellschaftsrechtlichen Funktionszusammenhange des deutschen Bilanzrechts sollen folglich in Ihrem Kern unangetastet bleiben: Der Aufgabenpluralismus des Einzeljahresabschlusses wird auf absehbare Zelt nicht durch einen monofunktional auf die Informationsvermlttlung ausgerichteten IFRS-Jahresabschluss ersetzt werden. Dennoch: Vor dem Hintergrund der Doppelstrategie der Europaischen Kommisslon fuhrt diese Reform zu einer zumlndest teilweisen Harmonisierung mit den materiellen Vorschriften der IFRS. Das gilt fur kunftlge Reformen umso mehr. Gleichzeitlg eroffnet sich dem deutschen Gesetzgeber die Moglichkelt, mit der von ihm vorgesehenen Reduktion von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten die Wettbewerbsfahigkeit und Praxisakzeptanz des deutschen Handelsrechts zu steigern.'*^ Die Eliminierung nicht (mehr) zeitgemafier Wahlrechte in der deutschen Rechnungslegung fuhrt zudem zu einer Starkung der Ausschuttungsbemessungsfunktlon. Denn Jnsbesondere die zahlrelchen Wahlrechte fur Ansatz und Bewertung lassen die Handelsbilanz als wenig geelgnet fur den Glaubigerschutz und fur die Bemessung der Ausschuttung an die Gesellschafter er-

BMJ(2003b)Punkt4. Vgl. Ernst (2003) S. 1490 f. sowie BMJ (2003b) Punkt 4. Ebenso das DRSC, dass zur Modernisierung des deutschen Handelsrechts im Mai 2005 umfangreiche Vorschlage unterbreitet hat; vgl. DRSC (2005b) S. 1-80. Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 3.3, S. 84. Vgl. BIVIJ (2003b) Punkt 4. Vgl. BMJ (2003b) Punkt 4. Dr. Christoph Ernst ist Referatsleiter im Bundesminlsterium der Justiz fur Rechnungslegung, Publizitat und Steuerrecht. Ernst (2003) S. 1490. Vgl. Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 406; Kessler (2003) S. 103, 105.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

101

scheinen.""*®^ Ferner wird durch Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte die Vergleichbarkeit von Jahresabschlussinformationen nachhaltig beeintrachtigt. Vor diesem Hintergrund fordert das IDW „[...] eine gezielte Fortentwicklung der handelsrechtlichen Vorschriften zur Objektivierung und Verbesserung der Aussagekraft des Jahresabschlusses [...]"'*®^, die insbesondere durch die Abschaffung der zahlreichen im HGB enthaltenen Wahlrechte zu erreichen ist. Deren Abschaffung steht folglich im Zentrum der weiterfuhrenden ReformvorschlSge. Aus Sicht vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen stellen Ansatz- und Bewertungswahlrechte jedoch eine wichtige und unverzichtbare Quelle der Selbstfinanzierung dar. Insofern bleibt abzuwarten, in welchem Umfang der Gesetzgeber bilanzielle Wahlrechte eliminieren wird. Zudem sind der anstehenden Modernisierung durch die geplante Erhaltung der Mafigeblichkeit der Handels- fur die Steuerbilanz „enge Grenzen'"^®^ gesetzt. Gleichzeitig muss im Rahmen einer HGBReform Rucksicht auf die damit verbundenen Konsequenzen fur das gesellschaftsrechtliche Schutzsystem der Kapitalerhaltung genommen werden. Ernst spricht deshalb von einer „konservativen HGB-Modernisierung, die sich darauf beschrankt, ,uberflusslgen Ballast' aus dem HGB zu entfernen.""*^® Der Einzeljahresabschluss nach HGB mit den Funktionen der Kapitalerhaltung und Steuerbemessung bleibt insofern als Systemalternative zu den IFRS erhalten, obgleich diese als Referenznorm fur eine handelsrechtliche Reform gelten. Unter Beachtung der genannten gesellschaftsrechtlichen Restriktionen sowie der politisch gewollten Annaherung an die IFRS sollen in den folgenden Kapitein Vorschlage zur inhaltlichen Umsetzung des geplanten Bilanzrechtsmodernlsierungsgesetzes gemacht werden, die auf •

eine Eliminierung von Wahlrechten zielen, sowie auf

•

die Modlfikation von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, welche nicht in Einklang mit der internationalen Rechnungslegung stehen.

Die Abschaffung von Wahlrechten wird jedoch nur dann in Erwagung gezogen, wenn sich daraus zum einen keine Zielkonflikte mit gesellschaftsrechtlichen Auf-

Schulze-Osterloh (2004b) S. 1129; und an anderer Stelle: „Mit der Ausschuttungsbennessungsfunktion sind vor allem die zahlreichen Wahlrechte unvereinbar." Schulze-Osterloh (2004a) S. 2570. Ahnlich IDW (2002b) S. 986; Freidank/Pottgieder (2003) 8. 890, die die Notwendigkeit der Streichung eines „[...] Gro(iteil[s] der Aktivierungs- und Passivierungswahlrechte" betonen. IDW (2002b) S. 986. Ahnlich AKEU (2003) S. 1588, der die Objektivierung als „maligebendes Kriterium" bezeichnet. Schildbach (2004) S. 93. 488

Ernst (2004b) S. 35 f.

102

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

gaben des Einzeljahresabschlusses ergeben und anderseits keine negativen steuerlichen Konsequenzen fur das bilanzierende Unternehmen entstehen. Mit der Erhaltung des Mafigeblichkeitsgrundsatzes wird insofern der Steuerneutralitat Prioritat vor der Anpassung an die IFRS gegeben.^®^ Daneben soil eine Neuausubung von Mitgliedstaatenwahlrechten in En^^agung gezogen werden, sofern diese zu einer Annaherung an die IFRS - unter Beachtung der genannten Restriktionen -fuhrt. Der deutsche Gesetzgeber hat anstelle der direkten Ubernahme der IFRS im Einzeljahresabschluss gemaU lAS-VO den alternativen Weg einer kontinuierlichen Modernlsierung des nationalen Handelsrechts gewahlt. Er unterliegt insofern den Vorgaben der 4. EG-Richtlinie, die den verbindlichen europarechtlichen Gesetzesrahmen im Bereich des Einzeljahresabschlusses darstellt. Ihr Regelbereich - Insbesondere vor dem Hintergrund ihrer zunehmenden Annaherung an die IFRS durch die Modernisierungsrichtlinie - wird zunachst im folgenden Kapitel dargestellt.

4.1.3 Regelungsreichweite der Vierten EG-Richtlinie Die EInzeljahresabschlussrichtlinle der EU ist vor dem Hintergrund der europaischen Doppelstrategie im Bereich Rechnungslegung seit dem Jahr 2000 durch mehrere Anderungsrichtlinien uberarbeitet und aktualisiert worden.'*^^ Gemeinsames Ziel dieser Modiflkationen ist die Beseitigung der bestehenden Konflikte mit den IFRS fur diejenlgen Unternehmen, die nicht direkt zur Anwendung der internationalen Rechnungslegung per IAS-VO verpflichtet sind.^^'' Die Europaische Kommission bezweckt, „[...] einen Rechnungslegungs-Rahmen zu schaffen, der sowohl der modernen Praxis entspricht als auch flexibel genug ist, um kunftigen Entwicklungen der IAS Rechnung zu tragen."^^^ Die jungsten Modiflkationen an der Einzeljahresabschlussrichtlinie durch die Fair-Value- und die Modernisierungsrichtlinie beinhalten jedoch nur wenige obligatorisch in nationales Handelsrecht umzusetzende Bestimmungen."*^^ Die grolie Mehrhelt dieser Anderungen wurde in

Diese Vorgehensweise entspricht einer Forderung des IDW; vgl. IDW (2002b) S. 986. Seit dem Jahr 2000 wurde die 4. EG-Richtlinie durch die Fair-Value-Richtlinie vom 27.10.2001, die Schweilenwertrichtlinie vom 13.5.2003 und die Modernisierungsrichtlinie vom 18.6.2003 Oberarbeitet; vgl. EuropSische Gemeinschaft (1978) S. 1. Damit einher geht eine Modernisierung der grundlegenden Struktur der Einzeljahresabschlussrichtlinie. Vgl. Niehus (2002a) S. 1385. Europaische Union (2002b) S. 3. Die obligatorisch umzusetzenden Vorschrlften wurden bereits im Rahmen des BilReG in deutsches Recht transformiert und sind deshalb nicht Gegenstand der welteren Betrachtung. Zu-

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

103

Form von Wahlrechten in die 4. EG-Richtlinie ubemommen, die von den Mitgliedstaaten ais Untemehmenswahlrecht weitergegeben oder als obligatorische Vorschriften ins nationale Handelsrecht ubemommen werden konnen.^^ Folgende (neue) Wahlrechte der 4. EG-Richtlinie sind von den Mitgliedstaaten auszuuben:^^^ •

Wahlweise EnA/eiterung der Bilanz oder GuV um den Grundsatz ..Substance over Form": Durch die Erweiterung wird die wirtschaftliche Betrachtungsweise starker betont. Demnach soil niciit mehr die reciitliche Gestaltung von Geschaftsvorfallen die Sachverhaltsabblldung bestimmen, sondern Ihr tatsachlicher wirtschaftlicher Gehait."^^^

•

Erganzung des Jahresabschlusses um weitere Bestandteile: Die IVIitgliedstaaten konnen den Einzeljahresabschluss um weitere Bestandteile wie eine Kapitalflussrechnung, einen Eigenkapitalspiegel oder eine Segmentberichterstattung erweitern."*®^

•

Neue Gliederungsschemen fur GuV und Bilanz: Anstelle der bisherigen starren Gllederung nach Konto- oder Staffelform darf bei vergleichbarem Informationsgehalt analog zu IAS 1.51 eine solche mit Trennung In kurz- und langfristige Posten treten.^^® Anstelle der tradierten Gliederungen in der GuV kann alternatlv eine umfangreiche Ergebnisrechnung (..Statement of Performance") treten.^9^

dem wird auf die Anderungen durch die Schweilenwertrichtlinie mangels Relevanz fur die Ansatz- und Bewertungsmethoden nicht weiter eingegangen; vgl. hierzu Kapitel 3.5, S. 92. 494

Eine umfangreiche Ubersicht der Modifil
104 •

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Zeitwertbewertung fur Finanzinstrumente durch Einfugung der Art. 42a bis 42cj;5oo Analog zu IAS 39 durfen Finanzinstrumente^^^ und Derivate altemativ zum Fair Value bewertet werden, wobei samtliche Marktwertdifferenzen erfolgswirksam zu behandein slnd.^°^ Anhand der Art. 42e, f wird die Zeitwertbewertung auf „[...] bestinnmte Arten von Vermogensgegenstanden mit Ausnahme von Finanzinstrumenten"^°^ ausgeweitet, deren Wertschwankungen wahlweise erfolgsneutral oder erfolgswirksam zu verbuchen sind.^°^ Diese Anderung soil die Anwendung der IAS 40 und 41 im europalschen Bilanzrecht ermoglichen.

•

Erweiterung der Neubewertung des Sachanlagevermogens: War die Neubewertung zunSchst nur fur Sachanlagen, Finanzlagen und Vorrate fallweise zulassig, so konnen nunmehr wahlweise nach Art. 33 Abs. 1 auch immaterielle Sachanlagen analog zu IAS 38.75-87 - und damit samtliche Gegenstande des Aniagevermogens - neu bewertet werden.^°^

•

Wahlweise Einengung des Begriffs der Ruckstellungen nach dem Vorbild der IFRS: Damit waren Aufwandsruckstellungen nicht mehr vereinbar, aber die Passivierung von Ruckstellungen fur drohende Verluste.^°®

Nach dem jungsten Vorschlag der Europalschen Kommission sollen die beiden Rechnungslegungsrichtlinien spatestens bis zum 31.12.2006 in einem nachsten

Diese Regelung erstreckt sich auf den Einzeljahres- sowie den Konzemabschluss, kann aber nach Maf^gabe der Mitgiiedstaaten auf den Konzemabschluss beschrankt werden; vgl. Helmschrott (2000) S. 943-945; Scharpf (2000) S. 630-634 sowie Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 42a Abs. 1. Explizlt ausgenommen von der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert sind gem. Art. 42a Abs. 4: Bis zur Endfailigkeit gehaltene (Heid-to-Maturity) Finanzinstrumente, selbst ausgegebene Darlehen sowie Forderungen, die nicht dem Handelsbestand zuzuordnen sind und Anteile an Tochterunternehmen, assoziierten Unternehmen und Jointventures sowie ausgegebene Eigenkapitalinstrumente; vgl. Europaische Gemeinschaft (1978). Eine erfolgsneutrale Verbuchung von Marktwertdifferenzen ist demnach nur gestattet, wenn diese aus einem Sicherungslnstrument resultleren oder auf eine Wechselkursdifferenz zuruckzufuhren sind. Die Regelung gilt auch fur den Konzemabschluss; vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 42c, Abs. l a , b sowie Busse von Colbe (2002b) S. 1533. Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 42e. Analog zu den Vorschriften der Art. 42a-d erstreckt sich diese Vorschrift auf den Einzeljahressowie den Konzemabschluss, kann aber nach Maligabe der Mitgiiedstaaten auf den Konzemabschluss beschrSnkt werden; vgl. Bcicking/Herold/Wiederhold (2003) S. 400. Gleiches gilt fur den Konzemabschluss. Die Neubewertung kann zudem alien Gesellschaften Oder nur bestimmten Gruppen von Gesellschaften vorgeschrleben oder gestattet werden; vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 33 Abs. 1 sowie Busse von Colbe (2002b) S. 1533; Niehus (2002a) S. 1387. Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 20, Abs. 1 sowie Schildbach (2004) S. 87; Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 400; Bieker/Schmidt (2002) S. 211.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

105

Schritt an die IFRS angenahert werden.^^'' Der neue Richtlinienvorschlag zur Anderung

der Vierten

und

Siebten

Gesellschaftsrechtlichen

Richtlinie vom

28.10.2004 sieht neben Vorschriften zur Kollektivhaftung^°® und einer verpflichtenden Corporate-Governance-Erklarung^°^ fur samtliche borsennotierten Gesellschaften in der EU im Bereich der Rechnungslegung folgende Neuerungen vor: •

Offenlegung von Transal
•

Offenlegung von nicht bilanzierten Geschaften: Der Richtlinienvorschlag stellt dabei insbesondere auf Zweckgesellschaften zur Finanzierung^'''' - die so genannten ..Special Purpose Entities" (SPE) - ab. Demnach sollen (nicht bllanzierte) Sachverhalte im Anhang erfasst werden, die bisher typischen/veise nicht in Bilanz oder GuV abgebildet wurden. Der Richtlinienvorschlag schliedt dabei explizlt nicht aus, das nach IFRS erforderliche Mali an Informationen zu uberschreiten. Jedoch sollen die weiterfuhrenden Angaben auf wesentliche Informationen beschranktwerden.^^^

Obgleich die geplanten Regelungen zu einer weiteren Annaherung an einzelne materielle Vorschriften der IFRS fuhren werden, geht ihr Ursprung weniger auf die Harmonisierung mit der internationalen Rechnungslegung als auf eine politische Reaktion auf die jungsten Finanzmarktskandale in der Europaischen Union zu-

Vgl. Europ^ische Union (2004c). Nach dem Richtlinienvorschlag soil eine kollektive Verantwortung und Haftung der Organmitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgans einer Kapitalgesellschaft fur in den Jahresabschlussen und Lageberlchten enthaltene finanzielle und nicht finanzlelle Angaben eingefuhrt werden. Entsprechendes gilt fur den Konzernabschluss; vgl. Europaische Union (2004c) 8. 4 f. Dem Charakter nach sieht dieser Vorschlag EU-weit ein Mindestnnali an Harmonisierung der Vorschriften zur Haftung von Organmitgliedern vor. Aus deutscher Sieht handelt es sich hierbei vielmehr urn eine Bestatigung bereits im deutschen Gesellschaftsrecht bestehender Regelungen; vgl. Lanfermann (2004) S. 1 f., 5. Ein Oberblick der bisherigen gesetzlichen Anforderungen gibt Blum (2005) S. 36-42. Diese Regelungen gelten gleichermaflen fur den Konzernabschluss; vgl. Europaische Union (2004c) S. 5. Im Richtlinienvorschlag werden diese als Spezielle Finanzierungsgesellschaften (SFG) bezeichnet; vgl. Europaische Union (2004c) S. 6. Diese Regelungen gelten gleichermaften fur den Konzernabschluss. Vgl. Europaische Union (2004c) S. 6.

106

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

ruck.^''^ Dennoch erstrecken sich die geplanten Anderungen auf samtliche Kapitalgesellschaften in Europa. Den deutschen (wie den europaischen) Unternehmen steht damit nicht nur eine Annaherung ihrer nationalen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften an die IFRS, sondern auch eine grundlegende Erhohung der Publizitatsanforderungen auf europaischem Niveau bevor. Der Umfang der bereits realisierten und weiterhin geplanten IVIodifikationen der 4. EG-Richtlinie stellt die Grundlage der folgenden weiteren Oberlegungen zur Refornn des deutschen Handeisrechts dar.

4.1.4 Reformierung ausgewahlter Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften 4.1.4.1 Bilanzielle Wahlrechte im Allgemeinen Das deutsche Handelsrecht kennt eine Vielzahl von Ansatz-, Bewertungs- und Darstellungswahlrechten.^''^ Grundsatzlich bedeutet ein Wahlrecht, dass zu einem bestimmten Sachverhalt zwei Alternativen der (bilanziellen) Beiiandlung zur Verfijgung stehen. Bilanzielle Wahlrechte erschelnen jedoch vor dem Hintergrund problematisch, dass sle den Rechenschaftspflichtigen in die Position versetzen, die wirtschaftliche Lage des bilanzierenden Unternehmens entsprechend ihren Interessen darzustellen.^^^ „Mit dem Ziel der Rechenschaft und damit den Grundsatzen ordnungsgemafier Buchfuhrung ist diese Moglichkeit nicht vereinbar."^''® Einerseits verstoden Wahlrechte gegen die Informatlonsfunktion eines Jahresabschlusses, da die Vergleichbarkeit von Jahresabschlussinformationen durch ihre unterschiedliche Ausubung leldet.^^^ Daneben kollidieren sie mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung, well bilanzielle Wahlrechte die (Hohe der) Gewinnermittlung beeinflussen und dadurch der Glaubigerschutz konterkariert werden kann.^^® Vom

Ausgangspunkt dieses Richtlinienvorschlags ist insofern der Aktionsplan der Europaischen Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance vom 21.5.2003; vgl. Maul/Lanfermann/Eggenhofer (2003) 3.1289-1295. Eine Uberslcht sSmtlicher expliziter Wahlrechte des HOB geben Streim (1998) S. 331 f.; FSrschle (2002) S. 179,184 sowie Siegel (1986) S. 418 f. Wahlrechte werden insofern als wesentliches Instrument der Bilanzpolitik genutzt; vgl. Hennrichs (1999) 8. 5; Coenenberg (2003) S. 1206; Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 105. Ebenso KSIIhofer (1994) S. 747, 750, der eine zweckorientierte Gestaltung moniert. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1129 f. Ebenso W6he (2001) S. 125 f.; Baetge/Thiele (1997) S. 11, 22; Siegel (1986)8.417, 421. Hennrichs (1999) 8. 4 f. Wohe sieht in Ansatzwahlrechten ferner einen VerstoR gegen den Vollstandigkeitsgrundsatz nach § 246 Abs. 1 HGB; Wohe (2001) 8. 9 1 . Vgl. Immenga (1970) 8. 201, der den bilanziellen Gewinn aufgrund von Wahlrechten fur manlpulierbar halt. Ebenso Hennrichs (1999) 8.13-20.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

107

Grundsatz her mussten Wahlrechte insofern abgeschafft werden.^^^ Diese Notwendigkeit ergibt sich allein aus der geplanten materiellen Angleichung an die IFRS, die grundsatzlich keine expliziten Wahlrechte vorsehen. Die Grenzen der Eliminierung von handelsrechtlichen Wahlrechten liegen jedoch im gesellschaftlichen Funktionszusammenhang des deutschen Bilanzrechts. Aufgrund der vom Gesetzgeber geplanten Erhaltung des Madgeblichkeitsgrundsatzes sind der Abschaffung von handelsrechtlichen Offnungswahlrechten^^° ferner enge Grenzen gesetzt. Sollen dem bilanzierenden Unternehmen weiterhin die Ubernahme steuerlicher Werte in die Handelsbilanz und subventionelle Vergunstigungen gewahrt werden, mussen die entsprechenden Wahlrechte bei unveranderter Beibehaltung des § 5 Abs. 1 EStG aufrechterhalten werden.^^^ Eine Abschaffung der handelsrechtlichen Offnungswahlrechte kann deshalb nur mit einer Reform der steuerlichen Gesetzgebung bzw. mit Abschaffung des Mafigeblichkeltsprinzips einhergehen. Beides ist zunachst nicht geplant.^^^ Schildbach bezeichnet allein die Abschaffung steuerrechtlich gepragter Wertansatze in der Handelsbilanz als „[...] Herkulesaufgabe, die den Rahmen einer rein handelsrechtlichen Betrachtung sprengt"^^^. Gleiches gilt fur die handelsrechtlichen Billigungswahlrechte zur Vermeidung nicht erwunschter gesellschaftsrechtlicher Wirkungen.^^"* Unabhangig davon erscheint die Abschaffung derjenigen Wahlrechte auflerst fraglich, bei denen auf eine exakte Bewertung verzlchtet werden kann, well der daraus resultierende Informationsnutzen als marginal angesehen wird.^^^ Diese Vereinfachungswahlrechte stellen in praxi oftmals eine Erieichterung fur das

Vgl. Schulze-Osterloh (2004b) 8. 1130. Ebenso Leffson (1987) S. 96 sowie Schneider (1987) S. 411, der Wahlrechte kategorisch ablehnt. Moxter (1981) 8. 456 weist dessen grundsatzliche Ablehnung jedoch als ..Rechenschaftsideologie" zuruck. Offnungs- bzw. Subventionswahlrechte sollen den Rechenschaftspflichtigen zu einem bestimmten als forderungswurdig angesehenen Verhalten bewegen. Diese sind zunachst steuerlichen Ursprungs, werden aber aufgrund der umgekehrten Mafigeblichkeit gem. § 6 Abs. 3 E8tG in das HGB uberfuhrt; vgl. Hennrichs (1999) 8. 69; 8iegel (1986) 8. 420. 423. Die Abschaffung von Offnungs- und 8ubventionswahlrechten wird zudem zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen fuhren, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann; vgl. Hennrichs (1999) 8. 437. Ebenso Leffson (1987) 8. 107 f. Kritisch hierzu jedoch Kapitel 4.1.4.1.3,8.120. 522

Aus diesem Grund sollen 8ubventions- und Offnungswahlrechte zunachst ausgeklammert werden. 8childbach(1994)8.709. Unter die Billigungswahlrechte fallt z. B. die wahlweise Aktivierung der Aufwendungen fur die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebs nach § 269 HGB, die der Verhlnderung einer vorschnellen Aufzehrung des Grund- oder 8tammkapitals dient; vgl. 8iegel (1986) 8. 420. Demnach sollte dieses Wahlrecht erhalten bleiben; vgl. 8chulze-Osterloh (2004b) 8. 1131 f. 8iegel spricht in diesem Zusammenhang von Vereinfachungswahlrechten. Typisches Beispiel ware der Ansatz eines Festwertes; vgl. Siegel (1986) 8. 420, 423. Ebenso Bauer (1981) 8. 766, 768 sowie Schildbach (1994) 8. 703.

108

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

bilanzierende Untemehmen dar und stehen i. d. R. mit dem „Materiality"Grundsatz der IFRS im Einklang.^^® Die Abschaffung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten wird sich demnach auf folgende Bereiche beschranken mussen: •

Sachverhalte, in denen mangels einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage keine eindeutige Regelung besteht (Kompromisswahlrechtef ^^, sowie

•

Wahlrechte, die zur Abschwachung von Bewertungsunsicherheiten gewahrt werden (Unsicherheitswahlrechte).^^®

Wahrend Unsicherheitswahlrechte noch vertretbar erscheinen und in IVIaflen auch in den IFRS existieren, stellt sich bei Kompromlsswahlrechten die Frage, weshalb der Gesetzgeber nicht zu einer eindeutigen Regelung finden konnte (oder wollte).^^® Deshalb sind insbesondere politische Kompromisswahlrechte abzulehnen und im Rahmen einer Annaherung an die IFRS abzuschaffen. Gleiches gilt fur Wahlrechte, die aufgmnd anderer Motivationen des Gesetzgebers gewahrt werden.^^° Sie sind strikt abzulehnen.

4.1.4.1.1

Ansatzwahlrechte

Von den im deutschen Handelsrecht gewahrten Ansatzwahlrechten fallen die folgenden beiden in die Kategorie der Offnungs- oder Billigungswahlrechte und sind daher (zunachst) unverandert zu belassen: •

Bildung eines Sonderpostens mit Rucklageanteil (§ 247 Abs. 3, § 273 HGBf ^\

Darunter failt ebenso die sofortige Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsguter, die mit den IFRS aufgrund von Wesentlichkeitsgeslchtspunkten vereinbar ist, Bei den Kompromisswahlrechten sleht der Gesetzgeber die zur Wahi stehenden Alternativen ais gieichwertig an. Dieses kann sachliche oder politische Grunde haben. Bei Letzterem unterstutzt der Gesetzgeber eine politisch gewollte Ldsung; vgl. Hennrichs (1999) S. 71 f. Zu den sachlichen Kompromisswahlrechten gehfirt die wahlweise Einbeziehung von Gemeinkosten in die Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB; vgl. Siegel (1986) 8. 421; Schulze-Osterloh (2004b) S. 1130. Zu den Unsicherheitswahlrechten gehort bspw. die Mogllchkeit, unterschiedliche Verfahren im Rahmen der planmafiigen Abschreibung anzuwenden; vgl. Siegel (1986) 8. 420 f.; Schildbach (1994)8.703. Vgl. Siegel (1986) 8. 423. Darunter fallen Vorsichtswahlrechte wie die wahlweise auderplanmafiige Abschreibung fur Vermogensgegenstande des Aniagevermogens bei nur vorubergehender Wertminderung (§ 253 Abs. 2 8 . 3 HGB) sowie das Wahlrecht zur Vorwegnahme kunftiger Wertschwankungen fur VermSgensgegenstande des Umlaufvermogens (§ 253 Abs. 3 8. 3 HGB); vgl. Hennrichs (1999) 8. 72. Ferner sind grundsatzlich samtllche Willkurwahlrechte abzulehnen. Jedoch sei kritisch angemerkt, dass der Sonderposten mit Rucklageanteil (als Folge der umgekehrten Madgeblichkeit) in der 4. EG-Richtlinie nicht vorgesehen ist, so dass seine Beibe-

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

109

•

Aktivierungswahlrechte des § 250 Abs. 1 S. 2 HGB, sowie

•

Aktivierung von Ingangsetzungs- Oder Erweiterungsaufwendungen (nur in Kapitalgesellschaften; § 269 HGB).

Obgleich nnit der Bilanzierungshilfe des § 269 HGB grundsatzlich ein Billigungswahlrecht vorliegt, das der vorzeitigen Verzehrung von Stamm- oder Grundkapital vorbeugen soil, muss dieses kritisch beleuchtet werden. Aufgrund seines gesellschaftsrechtlichen Bezugs und der damit verbundenen Ausschuttungssperre lasst sich dieses Wahlrecht (zunachst) rechtfertigen.^^^ Schulze-Osterloh schlagt jedoch eine Beschrankung des Aktivierungswahlrechts auf die Ingangsetzungskosten vor, um zum Rechtszustand vor BiRiLiG gemafl § 153 Abs. 4 AktG 1965 zuruckzukehren.^^^ Die 4. EG-Richtllnle steht dem nicht entgegen^^"*, wahrend die IFRS die Aktivierung von Ingangsetzungs- oder EnA^eiterungsaufwendungen nach IAS 38.69a (rev. 2004) grundsatzlich verbleten, well diese sich nicht als „Asset" qualifizieren.^^^ Vor dem Hintergrund der in praxi schwierigen Abgrenzung zwischen einer bloden Ausdehnung des Geschaftsbetriebs und seiner Erweiterung erscheint eine Einschrankung des Wahlrechts angebracht.^^® Von seiner ganzlichen Abschaffung sollte jedoch aufgrund der unerwunschten gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen - bspw. einer vorschnellen Aufzehrung des Stamm- oder Grundkapitals - so lange abgesehen werden, wie der handelsrechtliche Einzeljahresabschluss auch gesellschaftsrechtliche {Schutz-)Funktlonen ubernimmt.^^'^ Unter den Begriff einer Bilanzierungshilfe fallt neben dem Billigungswahlrecht des § 269 HGB auch das Aktivierungswahlrecht latenter Steuern nach § 274 Abs. 2 haltung gegen Europarecht verstOdt; vgl. Hennrichs (1999) S. 175-177, 183; JessenA/Veller (2005a) S. 490. Vgl. hierzu weiterfuhrend Kapitel 4.1.4.1.3, S. 120. Zudem ist der bilanzpolitische Spielraum von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen durch die korrespondierende Ausschuttungssperre begrenzt; vgl. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1131 f.; Harms (1998) S. 64 f. Der AKEU schiagt aus Grunden der Konvergenz mit den IFRS jedoch ein Verbot der Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen vor; vgl. AKEU (2003) 8. 1586. Vgl. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1131 f. Er bezieht sich dabei auf Bruno Kropff, den er faischlicherweise als Mitglied des AKEU bezeichnet; vgl. ABHR (2004) S. 2372; AKEU (2003) S. 1585. Sowohl Art 9 B als auch Art. 10 B sehen ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Bildung dieses Aktivpostens vor; vgl. EuropSische Gemeinschaft (1978). Vgl. Fischer/Klopfer/Sterzenbach (2004) 8. 699; Coenenberg (2003) 8. 92. Winnefeld (2000) 8. 537-539, Rn. 668-674; Adler/During/Schmaltz (1997) § 269, Rn. 12-15; Lingnau (2002) 8. 740-750 sowie Coenenberg (2003) 8. 145 f., der von ..erheblichen Problemen" bei der Abgrenzung spricht. Ebenso Hennrichs (1999) 8. 68 sowie Siegel (1986) 8. 422 f., die gegen derartige Billigungswahlrechte keine Bedenken haben. Anders das DR8C, das keine gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf die Kapitalerhaltung und damit die Ausschuttungsbemessungsfunktion befiirchtet, und deshalb eine Streichung des Wahlrechts fordert; vgl. DR8C (2002b) 8. 4. sowie DR8C (2005b) 8. 5 f.

110

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

HGB.^^® Mit dieser Bilanzierungshilfe soil der im Einzeljahresabschluss nach HGB ausgewiesene Steueraufwand mit dem handelsrechtlichen Gewinn vergleichbar gemacht werden. Vor dem Hintergrund, dass die Hohe der aktiven latenten Steuem von Unsicherheiten wie dem erwarteten Steuerbilanzergebnis und dem kunftigen Steuersatz abhangig ist, fuhrt die Unsicherheit in der Prognose zu einem gro(ien „bllanzpolltischen Gestaltungsspielraum"^^^ fur das bllanzierende Unternehmen. Von einem Bilanzansatz aktiv latenter Steuern nach kunftigem HGB sollte daher allein aufgrund des Vorsichtsprinzips abgesehen werden.^° Obgleich die 4. EG-Richtlinie alternativ auch einen wahlweisen Bilanzansatz vorsieht, geht gemall Art. 43 Abs. 1 Nr. 11 prinziplell von einem Auswels im Anhang aus.^^ Nach IFRS sind aktiv latente Steuern auf steuerliche Verlustvortrage gemali IAS 12.34 zwar zu aktivieren. Dabei handelt es sich jedoch aufgrund der grofien ErmessensspielrSume nach h. M. nahezu um ein faktisches Bilanzierungswahlrecht.^^ Zudem stellt die derzeitige Vorschrift in § 274 Abs. 2 HGB einen Richtlinienverstofi dar. Unterbleibt namlich die Aktivierung latenter Steuern, muss nach deutschem Recht kelne korrespondierende Anhangangabe erfolgen, die jedoch nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 11 obligatorisch vorgeschrieben ist.^^ Insofern sollten de lege ferenda die §§ 284, 285 HGB um eine entsprechende Angabepflicht enA/eitert und das bisherige Aktivierungswahlrecht ersatzlos gestrichen werden.^^ Kritisch erscheint ferner das Wahlrecht der Aktivierung eines DIsagios nach § 250 Abs. 3 HGB. Dieses beruht auf Unklarheiten bei der Beurteilung der Leistung eines Darlehensnehmers an den Darlehensgeber.^^ Dabei handelt es sich um ein echtes, bilanzpolitlsch frei ausubbares Aktivierungswahlrecht: Allein dem Ermessen des bilanzierenden Unternehmens ist es uberlassen, diesen Unterschiedsbetrag ganz oder nur einen Teilbetrag zu aktivieren bzw. als Aufwand in dem Ge-

Siegel betont, dass Billigungswahlrechte keinesfalls mit Bilanzierungshilfen gleichgesetzt werden durften. Im Aktivierungswahlrecht latenter Steuern sieht dieser indes keine Billigungsmadnahme; vgl. Siegel (1986) S. 420. WInnefeld (2000) S. 545, Rn. 693. Ebenso Born (2002) S. 577 f.; Ludenbach/Hoffmann (2003) § 26, Tz. 55 sowie Kirsch (2003b) S. 243. Vgl. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1131. Vgl. Jessen/Weller (2005a) 8. 493; DRSC (2005b) 8. 36. Vgl. Kapitel 4.2.2.1.2, S. 142 sowie stellvertretend Engel-Ciric (2002) S. 781; Kirsch (2003b) S. 243; Born (2002) S. 577 f. und Ludenbach/Hoffmann (2003) § 26, Tz. 55. Vgl. Adler/During/Schmaltz (1997) § 274, Rn. 4; Hennrichs (1999) 8. 239. Ebenso ABHR (2002) 8. 1586. Das DRSC hingegen fordert in Aniehnung an IA8 12 ein grundsatzliches Aktlvierungsgebot fur aktive latente Steuern bei gleichzeitiger Ausschuttungssperre; vgl. DRSC (2005b) 8. 36-38. 8o kann ein Disagio den Bearbeltungsaufwand (wie Prufung der Bonitat des Schuldners) des Darlehensgebers darstellen oder als Im Voraus gezahlter Zins quallfiziert werden; vgl. WInnefeld (2000) 8. 561. Rn. 765.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

111

schaftsjahr zu verbuchen, in dem die Verbindlichkeit erstmals zu passivieren ist.^® In praxi spielt die interne Kalkulation des Dariehensgebers keine Rolle. Aus seiner Sicht wird ein Disagio stets zusatzlichen Zins darstelien, so dass eine (zwingende) Aktivierung als Rechnungsabgrenzungsposten zu rechtfertigen ist.^^ Steuerrechtlich besteht insofern nach h. M. eine Aktivierungspflicht, als der BFH darauf abstellt, dass es sich bei einem Disagio „[...] ebenso wie bei den Zinsen regelmaflig urn Vergutungen fur die Oberlassung des Darlehenskapitals"^® handelt. Diese Vorgehensweise stimmt ferner mit den IFRS uberein.^^ Dem sollte. auch nach HGB gefolgt werden und de lege ferenda eine Aktivierungspflicht als Rechnungsabgrenzungsposten vorgeschrieben werden.^^° Dies setzt jedoch eine Anderung des Art. 41 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie voraus, die de lege lata ein Unternehmenswahlrecht fiir die Aktivierung vorsieht.^^"" Im Vergleich zu einem Disagio entsteht dem bilanzierenden Unternehmen durch das Aktivierungswahlrecht eines derivativen Geschafts- Oder Firmenwertes nach § 255 Abs. 4 HGB ein ungemein grolleres bilanzpolitisches Aktionspotential. Obwohl es sich bei einem Geschafts- oder Firmenwert weder um einen Vermogenswert noch um eine Bilanzierungshilfe Oder einen Rechnungsabgrenzungsposten handelt, durfen die Anschaffungskosten dieses „Posten[s] eigener Art"^^^ aktiviert werden.^^^ Seine Nichtaktivlerung und sofortiger erfolgswirksamer Ausweis verfalschen jedoch die Ertragslage einer Gesellschaft: Obgleich die Nutzungsdauer des Firmen- und Geschaftswerts umstritten ist „[...] ,verfluchtigt' sich [dieser] nicht

Vgl. Hennrichs (1999) 8. 412. Winnefeld moniert dabei „[...] bilanzpolitisch gesehen, eine Flexibilitat, die fur Gestaltungszwecke ausgenutzt werden kann." Winnefeld (2000) S. 562, Rn. 767. Vgl. AKEU (2003) 8.1585, 1587 sowie DR8C (2002b) 8. 4. BFH 19.1.1978, B8tBI. I! 1978, 8. 262 f. Ebenso BFH 21.4.1988, B8tBI. II 1989, S. 722, 726; Winnefeld (2000) 8. 561 f., Rn. 766. Nach IA8 39 Ist ein Disagio nach der Effektivzlnsmethode abzugrenzen und uber seine Laufzeit zu verteilen; vgl. Jessen/Weller (2005a) 8. 492 sowie Winnefeld (2000) 8. 561, Rn. 762766. Dabel muss jedoch beachtet werden, dass es sich hierbel um ein Unternehmenswahlrecht (und kein Mitgliedstaatenwahlrecht handelt), so dass ohne Divergenz mit der Regelung in Art. 4 der 4. EG-RL § 250 Abs. 3 HGB nicht unmittelbar geSndert werden kann; vgl. Jessen/Weller (2005a) 8.492. Vgl. DR8C (2005b) 8. 42 f. sowie Jessen/Weller (2005a) 8. 492. Winnefeld (2000) 8.1836, Rn. 465. Coenenberg charakterisiert den Geschafts- Oder Firmenwert als Bilanzierungshilfe, der sich weder in Zielsetzung (Periodisierung einmallger, grundsStzlich nicht aktlvierungsfahiger, Ausgaben) noch hinsichtlich der damit verbundenen GlSubigerschutzgefShrdung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen unterscheidet; Coenenberg (2003) 8.144. Das DR8C hingegen schlagt eine explizite Klarstellung in der Gesetzesbegrundung des BilMoG Oder ggf. in § 246 Abs. 1 8 . 1 HGB vor, dass es sich bei einem Geschafts- Oder Firmenwert um einen Vermogensgegenstand handle; vgl. DR8C (2005b) 8. 5.

112

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

gleich, sondern ubiicherweise erst nach langerem Zeitraum."^^ Nach Ordelheide impliziert die sofortige Ausbuchung, eine Fehlinvestition in Hohe des gesamten Firmenwertes vorgenommen zu haben.^^^ Dem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht stehen zudem Aktivierungsgebote nach IFRS und EStG gegenuber. Trotz missverstandlicher Regelung in Art. 37 Abs. 2 der 4. EG-Richtlinie ist auch dort von einem Aktivierungsgebot auszugehen.^^^ Vor diesem Hintergrund scheint ein Festhalten am handelsrechtlichen Aktivlerungswahlrecht nicht nachvollziehbar zu sein.^^^ An dessen Stelle sollte vielnnehr das Aktivierungsgebot eines derivativen Geschafts- Oder Firmenwertes treten. Im Ergebnis lassen sich zahlreiche Grunde finden, weshalb die Aufrechterhaltung vieler Ansatzwahlrechte nach HGB im Rahmen der anstehenden Reform nIcht gerechtfertigt erscheint. Abbildung 4-2 fasst die Forderungen nach Streichungen respektive Einschrankungen von handelsrechtlichen Ansatzwahlrechten zusammen. Ansatzwahlrechte im HGB (de lege lata)

Quelle

Sonderposten mit Rucklageanteil

§ 247 Abs. 3. § 273

Vorgeschlagene Vorgehensweise

(Zunachst) Beibehaltung

Ruckstellung fur unterlassene Instandhaltung

§ 249 Abs. 1

Streichung

AufwandsrGckstellungen

§ 249 Abs. 1

Streichung

Aktive Rechnungsabgrenzungsposten fur bestimmte Steuern und Zolle

§ 250 Abs. 1

(Zunachst) Beibehaltung

Aktivierung eines Disagios

§250 Abs. 3

Umwandlung in Aktivierungsgebot

§ 2 5 5 Abs. 4

Umwandlung in Aktivierungsgebot

Aktivierung des derivativen GeschSfts- Oder Firmenwerts

1 |

Aktivierung von Ingangsetzungs- uftd Erweiterungsaufwendungen

1 |

Bilanzierung aktivischer latenter Steuern

1

§269 §274 Abs. 2

Einschr^nkung des Wahlrechts streichung

Abbildung 4-2: Reform der Ansatzwahlrechte nach HGB

Hennrichs (1999)8.159. Vgl. Ordelheide (1997) 8. 579. In Art. 37 Abs. 2 wird auf die Gultigkeit der Vorschrlften des Art. 34 Abs. 1a (Ingangsetzungsund Erweiterungsaufwendungen) verwiesen. Dennoch wird in Art. 37 von einem ..Gegenstand des Aniagevermdgens" gesprochen; vgl. Hennrichs (1999) 8. 156-163. Insofern stellt Hennrichs fest, „[...] dafi[!] die Richtllnie ftir den (echten) entgeltlich erworbenen GeschSfts- Oder Firmenwert von einem Aktivierungsgebot ausgeht"; Hennrichs (1999) 8.168. Ebenso DR8C (2002b) 8. 5; DRSC (2005b) 8. 4 f. sowie AKEU (2003) 8. 1586.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

113

4.1.4.1.2 Bewertungswahlrechte Analog zur Vorgehensweise bei den Ansatzwahlrechten werden die Bewertungswahlrechte nach § 254, 279 Abs. 2 HGB fur die Absetzungen auf der Aktivseite zunachst ausgeklamnriert, da diese unter die Kategorie der Offnungswahlrechte fallen.^^® Gleichwohl kennt das deutsche Handelsrecht eine Vielzahl von Bewertungswahlrechten.^^^ In erster Linle eroffnet § 253 HGB dem bilanzlerenden Unternehmen zahlreiche Bewertungswahlrechte: •

Abschreibungswahlrecht fur Vermogensgegenstande des Aniagevermogens bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung nach § 253 Abs. 2 S. 3 HGB^^°,

•

Abschreibungswahlrecht fur Vermogensgegenstande des Umlaufvermogens wegen zu erwartender Wertschwankungen nach § 253 Abs. 3 S. 3 HGB,

•

Zusatzliche Abschreibungen im Rahmen vernunftiger kaufmannischer Buchfuhrung nach § 253 Abs. 4 HGB sowie das

•

Beibehaltungswahlrecht nach § 253 Abs. 5 HGB.

Bereits das gemilderte Niederstwertprinzip des § 253 Abs. 2 HGB im Anlagevermogen bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung eroffnet „[...] reichlich bilanzpolitische Spielraume"^^\ Nach Inkrafttreten des BilReG sind diese Spielraume jedoch nunmehr gemad § 285 Nr. 19 HGB offen zu legen, sofern eine Abschreibung unterlassen wurde.^^^ Die Zielsetzung des gemilderten Niederstwertprinzips nach § 253 Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 279 Abs. 1 S. 2 HGB (Beschrankung auf Finanzanlagen bei Kapitalgesellschaften) bestand ursprunglich darin, den bilanzlerenden Unternehmen die zwingende bilanzielle Abbildung wenig bedeutsamer kurzfristiger Marktwertschwankungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss zu ersparen.^^^ Die entsprechende Regelung wurde aus § 145 AktG 1965 in die 4. 558 559

560

Vgl. hierzu kritisch Kapitel 4.1.4.1, S. 106. Ubersichten geben Forschle (2002) S. 184; Hennrichs (1999) S. 40-45 sowie Siege! (1986) S. 418 f. Fur Kapitalgesellschaften gilt nach § 279 Abs. 1 S. 2 HGB das gemilderte Niederstwertprinzip nur fur Gegenstande des FinanzanlagevermOgens; vgl. Coenenberg (2003) S. 178. Ludenbach/Hoffmann (2004a) S. 85. Ebenso Winnefeid (2000) S. 1010 f., Rn. 1030-1033. Adier/During/Schmaltz (1995) § 253, Rn. 472 sprechen von einem „gewissen Beurteiiungsrahmen". Einzelkaufleute und Personengesellschaften haben zudem die Moglichkeit, im gesamten Anlagevermogen bei Unterlassung einer ggf. notwendigen Abschreibung „stille Lasten" zu verbergen; vgl. Hoffmann (2003) S. III. So sind nach § 285 Nr. 19 HGB bei unterlassener aufierplanmaliiger Abschreibung auf den beizulegenden (Markt-)Wert dessen Hohe sowie die Griinde, weshalb nur eine vorubergehende Wertminderung vorliegt, anzugeben. Vgl. Fey/Mujkanovic (2003) S. 212; Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 213 f. sowie Leffson (1987) S. 421-424.

114

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

EG-Richtlinie ubernommen und ist insofern voll richtlinienkonform.^^ Ludenbach/Hofmann betonen jedoch, dass die „[...] hier waltende ,Milde' des Gesetzgebers [...] aber auch vor dem Hintergrund einschlagiger lobbyistischer Einflussnahmen zu verstehen"^^^ ist. Nicht zuletzt die jungste Anderung des § 341b Abs. 2 S. 1 HGB im Jahre 2002 durch das Versicherungskapitalanlagen-Bewertungsgesetz^^^ verdeutlicht diese Entwicklung: Seitdem wurde Versicherungsuntemehmen aufgrund anhaltender Kursverfalie an den Aktienmarkten entgegen bis dato geltendem Recht das Beibehaltungswahlrecht fur Kapitalanlagen des Anlagevermogens gestattet.^^'' Schulze-Osterloh sieht darin die Schaffung eines „zusatzlichen Manipulationspotentials", wofur „[...] unter dem Gesichtspunkt der Rechenschaftslegung kein Rechtfertigungsgrund"^®® bestehe. Der Arbeitskreis ..Externe Rechnungslegung" spricht sich vor diesem Hintergrund de lege ferenda fur ein handelsrechtliches Abschreibungsverbot - im gesamten Aniagevermogen - bei nicht andauernder Wertminderung aus.^^^ Diese Vorgehensweise steht prinzipiell mit den IFRS in Einklang. Obgleich IAS 36 die Unterteilung in vorubergehende und dauerhafte Wertminderung nicht kennt, sondern von einem wesentlichen Wertminderungspotential ausgeht, ist nach h. M. davon auszugehen, dass im Aniagevermogen eine nur vorubergehende Wertminderung nach IFRS nicht zur au(ierplanmafiigen Abschreibung fuhrt.^^° Demnach sollte auch im HGB de lege ferenda vom Abschreibungswahlrecht des § 253 Abs. 2 S. 3 HGB (1. Halbsatz) Abstand genommen werden.^^'' Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften stehen ferner nach §253 Abs. 4 HGB weitere Abschrelbungen im Rahmen der vernunftigen kaufmannischen Beurteilung zu, die nach Winnefeld zu „[...] stille[n] Rucklagen in erheblichem Umfange [...]" fuhren und „[...] zum Zwecke der Ergebnisglattung"^^^ einge-

Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 35 Abs. 1 Buchst. c) aa). Ludenbach/Hoffmann (2004a) S. 85. Gesetz zur Anderung von Vorschriften uber die Bewertung von Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmen und zur Aufhebung des Diskontsatz-Oberleitungs-Gesetzes (Versicherungskapitalanlagen-Bewertungsgesetz - VersKapAG) vom 26.3.2002; BGBI. I, S. 1219. Vgl.lDW (2002a) S. 475 f. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1133 (beide Zitate). Vgl. AKEU (2003) S. 1586. Vgl. stellvertretend Scheinpflug (2004) in Beck-IFRS-HB § 4, Tz. 350; Ludenbach/Hoffmann (2003) § 11, Tz. 92 sowie Coenenberg (2003) S. 182. Das DRSC stimmt einer Einschr^nkung des § 253 Abs. 2 8. 3 (erster Halbsatz) - unter Ausnahme der Finanzanlagen - zu. Die rechtsformunabhangige Beibehaltung des gemilderten Niederstwertprinzips fCir Finanzanlagen wird mit dem Unternehmenswahlrecht nach 4. EGRichtlinie begrundet; vgl. DRSC (2005b) 8. 7 f. Winnefeld (2000) 8. 1011, Rn. 1030. Ebenso Ballwieser (2001b) in MunchKommHGB § 253, Rn. 72; Adier/During/Schmaltz (1995) § 255, Rn. 571; Veit (2003) S. 216 sowie Schuize-

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

115

setzt werden. Die stillen Reserven konnen zudem durch eine Zuschreibung nach § 253 Abs. 5 HGB in Veriustphasen wieder aufgelost werden. Insbesondere von kleineren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen wird die Moglichkeit zur Abschreibung nach vernunftiger kaufmannischer Beurteilung in praxi zahl- und umfangreich genutzt: „Sie stellt fur diese Unternehmen eine willkommene Gelegenheit zur Starkung der Innenfinanzierung und der wirtschaftlichen Substanz dar."^^^ Die Konformitat der Wahlrechte des § 253 Abs. 4 und Abs. 5 HGB mit den handelsrechtiichen GoB wird von Borner stark bezweifelt: Jst der Grund fur eine durch das Imparitatsprinzip gebotene Verlustantizipation entfallen, so spricht kein GoB fur ein Wertbeibehaltungswahlrecht; auch insoweit erweist sich § 253 Abs. 5 HGB als ein GoB-Dispens."^^"^ Kropff bezeichnet die Bewertungswahlrechte des § 253 HGB insgesamt als „[...] den Zwecken der Rechnungslegung zuwiderlaufende Instrumente der Bilanzpolitik [...]"^^^. Insofern sind das Abschreibungswahlrecht des § 253 Abs. 4 HGB sowie das Wertbeibehaltungswahlrecht des § 253 Abs. 5 HGB de lege ferenda zu streichen. Anstelle des Letzteren konnte das in Art. 35 Abs. 1 c) der 4. EG-Richtlinie vorgesehene Wertaufholungsgebot - auch fur Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften - treten. Die verpflichtende Wertaufholung ist auch nach IAS 36.110 vorgesehen. Zur Abmilderung der Folgen fur die Selbstfinanzierung nicht kapitalmarktorlentierter Unternehmen schlagt das DRSC die Prufung einer entsprechenden Ubergangfrist vor.^^^ Das Abschreibungswahlrecht fur Vermogensgegenstande des Umlaufvermogens wegen zu erwartender Wertschwankungen nach § 253 Abs. 3 S. 3 HGB ist bezuglich seiner Konformitat mit den handelsrechtlichen GoB ebenfalls kritisch zu beurteilen. Dieses eriaubt neben dem (strengen) Niederstwertprinzip des § 253 Abs. 1 Im Umlaufvermogen weiterfuhrende Abschreibungen auf Grundlage vernunftiger kaufmannischer Beurteilung, um durch Von^^egnahme zukunftiger Wertminderungen erwartete Wertschwankungen zu verhindern. Die Regelung wird nach h. M. als Auspragung des Vorsichtsprinzips angesehen.^^^ Die Bewertung derartiger

Osterloh (2004b) S. 1133, der den § 253 Abs. 4 HGB als „[...] schon immer verfehit" bezeichnet. Vom Bundesgerichtshof wird der § 253 Abs. 4 HGB zu den Ma(inahmen der Ergebnisverwendung gerechnet; vgl. Urteil vom 29.3.1996 - II ZR 263/94, BGHZ 132, S. 263, 275. Jessen/Weller (2005b) S. 533. Borner (1996) S. 161. Er fordert in diesem Zusamnnenhang de lege ferenda ein handelsrechtliches Wertaufholungsgebot schon in § 253 Abs. 5 HGB. Ebenso Schulze-Osterloh (2004b) S. 1133; Kirsch (2002) S. 753 sowie AKEU (2003) S. 1586 f. Kropff (1997)8.65. Vgl. DRSC (2005b) 8. 9. Vgl. stellvertretend Tiedchen (2003b) in MunchKommAktG § 253, Rn. 80; Winnefeld (2000) 8. 1028, Rn. 1121; Coenenberg (2003) 8. 113 sowie Biener/Berneke (1986) 8. 103. Hennrlchs hierzu kritisch: „Dem Vorsichtsgedanken entsprache es eher, die niedrigere Bewertung strikt vorzugeben, statt ein Wahlrecht zu eroffnen." Vgl. Hennrichs (1999) 8. 382.

116

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

(niedriger) Zukunftswerte ist jedoch im Steuerrecht - auf Grundlage des „starkeren Objektivierungsgedankens"^^® - unzulassig. Aufgrund des Stichtagsprinzips ist ein solches Bewertungswahlrecht auch mit den IFRS unvereinbar. Wertminderungen nach dem Abschlussstichtag losen nach IAS 10.9b lediglich eine Berichtspflicht aus, wenn sie fur die Beurteiiung des vorgeiegten Jahresabschlusses von erheblicher Bedeutung sind. Obwohl das Bewertungswahlrecht des § 253 Abs. 3 S. 3 HGB als richtlinienkonform^^^ einzustufen ist, liegt eine Verletzung gegen das Stichtagsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 vor.^®° Borner bezeichnet das Wahlrecht aus diesem Grund als unvereinbar mit den handelsrechtlichen GoB.^®^ Das Abschreibungswahlrecht Ist daher de lege ferenda nicht nnehr zu vertreten und abzuschaffen. Neben den Wahlrechten des § 253 HGB gewahrt das deutsche Handelsrecht im Rahmen der Ermittlung der Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB aufgrund der Spanne zwischen EInzel- und Gemeinkosten ein „erhebliches Manipulationspotential"^®^. Vor dem Hintergrund der Wahlmogllchkeit von Wertober- bzw. -untergrenzen „[...] eroffnen sich dem Unternehmen zahlreiche Bewertungsspielraume im Rahmen der Bilanzpolitlk"^®^. Zu den Einbeziehungswahlrechten bei der Ermittlung der Herstellungskosten zahlen insbesondere:^^ •

Materialgemelnkosten, Fertigungsgemeinkosten, Abschrelbungen des Anlagevermogens,

•

Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen fur die betriebliche Altersversorgung, freiwillige soziale Aufwendungen sowie

•

sonstige Aufwendungen, wie Arbeitnehmer-Tantiemen, Gewerbeertragsteuer, gewlsse Zinsaufwendungen.

Coenenberg (2003) S. 113. So entspricht § 253 Abs. 3 S. 3 HGB dem Art. 39 Abs. 1 Buchst. c der 4. EG-Richtlinie. Hennrichs sieht darin ein (politisches) Kompromisswahlrecht; vgl. Hennrichs (1999) S. 388 f. Vgl. Bdrner (1996) S. 157 f., der insofern die Abschaffung des § 253 Abs. 3 S. 3 HGB fordert. Ebenso Tiedchen (2003b) in MunchKommAktG § 253, Rn. 82; Schuize-Osterioh (2004b) S. 1133 sowie AKEU (2003) S. 1587. Vgl. Borner (1996) S. 157 f. Die Streichung des § 253 Abs. 3 8. 3 HGB wird deshalb vom DRSC befurwortet; vgl. DRSC (2002b) S. 5. sowie DRSC (2005b) S. 8. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1133. Winnefeld (2000) S. 959 f., Rn. 699 f. sowie S. 965 f., Rn. 730. Vgl. Tiedchen (2003a) In MunchKommAktG § 255, Rn. 9, 65-68.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

117

Diese Einbeziehungswahlrechte konnen legal im Rahmen der Bilanzpolitik zu einer flexiblen Ergebnissteuerung eingesetzt werden.^®^ Bei angespannter Ertragslage ist in praxi demnach von einer Bewertung zu Vollkosten auszugehen, wahrend in besseren Zeiten der handelsrechtliche Mindestansatz zum Tragen kommt.^®^ Vom Prinzip her sind die Wahlrechte Im Rahmen der Herstellungskostenbewertung den (sachlichen) Kompromisswahlrechten zuzuordnen.^®^ Vor diesem Hintergrund ist im Interesse der Vergleichbarkeit von Jahresabschlussdaten, der manlpulationsfreien Umsetzung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes sowie einer Annaherung an Internationale Grundsatze vom Gesetzgeber im Rahmen der anstehenden Reform eine Entscheidung zu treffen.^®® Nahe liegend erscheint eine Orientierung am Vollkostenansatz, wie er von den IFRS verfolgt wird:^®^ Demnach ist das Wahlrecht des § 255 Abs. 2 S. 3 HGB (Gemelnkosten) de lege ferenda in ein Aktivierunqsqebot umzuwandeln.^^° Die 4. EG-Rlchtllnie sieht indes eine isolierte Betrachtung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe - und daher eine abweichende Regelung - vor: Nach Art. 35 Abs. 3 i. V. m. Art. 39 Abs. 2 sind die Anschaffungskosten fur Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die dem einzelnen Erzeugnis unmittelbar zurechenbaren Kosten obligatorischer Bestandteil der Herstellungskosten, wahrend fur die dem „einzelnen Erzeugnis nur mittelbar zurechenbaren Kosten"^^^ lediglich ein Aktivierungswahlrecht besteht.^^^ Vor dem Hintergrund, dass dabei ein Unternehmenswahlrecht vorliegt, scheitert ein den IFRS entsprechender produktionsbezogener Vollkostenansatz an den Vorschriften der 4. EGRichtlinie.^®^ Zudem steht die Moglichkeit, nach § 253 Abs. 2 S. 4 HGB Kosten der

Adler/During/Schmaltz (1995) § 255, Rn. 248 sprechen von einem „[...] beachtlichen bilanzpoiitischen Spielraum zwischen der Wertuntergrenze und der Wertobergrenze." Einen Uberblick geben Wohlgemuth/Stander (2003) S. 203-211. Obwohl grundsatzlich jeder Wertansatz zwischen Ober- und Untergrenze gewahit werden kann, ist dieser biianzpolitische Spielraum durcii das Stetigkeitsgebot des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB eingeschrankt; vgl. Adier/During/Sclimaltz (1995) § 255, Rn. 250; Coenenberg (2003) S. 104; Winnefeid (2000) S. 960, Rn. 701. Vgl. Hennrichs (1999) S. 71; Siegel (1986) 8. 421. Vgl. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1133. Nach IAS 2.10 ist ein Ansatz unter Einschluss der Gemeinkosten vorgesehen. Diese Vorgehensweise entsprache einer Ubernahme der R. 33 Abs. 1-3 der Einkonnmensteuerrichtlinien 2003, BStBI. 2003 I, Sondernummer 2. Vertreten wird diese Forderung ebenfalls vom AKEU (2003) S. 1585 f. sowie von Schulze-Osterloh (2004b) S. 1133 und Hennrichs (1999) S. 101, 133. Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 35 Abs. 3 Buchst. c). Demnach wird davon ausgegangen, dass die 4. EG-Richtlinie ein Aktivierungsgebot lediglich fur die Einzelkosten sowie die variablen Gemeinkosten fordert, wohingegen fur die Aktivierung der fixen Gemeinkosten nur ein Wahlrecht besteht; vgl. Egger (1994) S. 195, 201; Karrenbrock (1998) S. 3, 14 sowie Adier/During/Schmaitz (1995) § 255, Rn. 156. Nach IAS 2.10 bzw. 16.18 sind die direkt zurechenbaren Kosten sowie systematisch zugerechnete fixe und variable Produktionsgemeinkosten anzusetzen. Im Ergebnis liegt ein produk-

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4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

allgemeinen Verwaltung sowie Aufwendungen fur soziale Einrichtungen in die Herstellungskosten einzubeziehen, nach h. M. nicht mit Art. 35 Abs. 3 der 4. EGRichtlinie in Einklang.^^ Insofern ware „[...] eine weitere Objektivierung [...] damit verbunden, da(l[!] die Kosten der allgemeinen Verwaltung und der Aufwendungen fur soziale Einrichtungen des Betriebs entsprechend der 4. Richtlinie aus den Aktivierungsmoglichkeiten herausgenommen werden."^^^ Die ebenfalls in § 253 Abs. 2 S. 4 HGB en/vahnten Aufwendungen fur freiwillige soziale Leistungen und fur betriebliche Altersversorgung fallen unter die in Art. 35 Abs. 3 als Fertigungsgemeinkosten nur mittelbar zurechenbaren Kosten.^^® Insofern sollte Im Sinne der Richtlinienkonformitat de lege ferenda klargestellt werden, dass diese nur dann aktiviert werden konnen, sofern sie dem Produktionsbereich zuordenbar sind. Eine ganzliche Annaherung an die IFRS kann vor dem Hintergrund anders lautender Vorschriften in der 4. EG-Richtlinie jedoch nicht gelingen.^^^ Neben den Einbeziehungswahlrechten im Rahmen der Ermittlung der Herstellungskosten ermoglichen die Verelnfachungswahlrechte der §§ 240 Abs. 3, 4 i. V. m. 256 HGB die pauschale Ermittlung der angefallenen Kosten in denjenigen Fallen, in denen eine indlviduelle Bewertung erhebliche Schwierigkeiten bereiten wurde. Die handelsrechtlichen Verbrauchsfolgeverfahren lassen aus Grunden der Wirtschaftlichkeit bei der Vorratsbewertung „[...] in weitem Umfang vom Grundsatz der Einzelbewertung abweichende Vereinfachungen zu"^^®. Diese stehen mit Art. 40 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie in Einklang. Schulze-Osterloh bezeichnet jedoch insbesondere das Lifo-Verfahren als bedenklich, well Bewertungsvereinfachungen „[...] zwar nicht gegen das Prinzip der Einzelbewertung verstofien, wohl aber gegen das Prinzip der periodengerechten Erfassung von Ertragen und Aufwendungen."^^^ Er sieht insofern keine Vereinbarkeit mit den handelsrechtlichen GoB gegeben. „Dennoch werden bei Anwendung eines Verfahrens, das den tatsachlichen betrieblichen Ablaufen am nachsten kommt, sich selten .erhebliche' Unterschiedsbetrage im Vergleich zu den aktuellen Borsenkursen oder Marktpreisen ergeben.

tionsbezogener Vollkostenansatz vor. Vgl. Tiedchen (2003a) in MunchKommAktG § 255, Rn. 72, 82; Jacobs (1997) IAS 2, Tz. 21-23. Ebenso wird in diesem Zusammenliang die Richtlinienkonformitat des § 255 Abs. 2 S. 3 angezweifelt; vgl. Kleindiek (2002) in Grolikomm. HGB § 255, Rn. 34; Karrenbrock (1998) S. 3, 19 sowie Tiedchen (2003a) in MunchKommAktG § 255, Rn. 72. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1134. Ebenso AKEU (2003) 8. 1586. Vgl. Karrenbrock (1998) 8. 19 f.; Tiedchen (2003a) in MunchKommAktG § 255, Rn. 68. Ebenso DR8C (2005b) S. 40, das daraus eine Anderungsnotwendigkeit der 4. EG-Rlchtllnie ableitet. Coenenberg (2003) S. 213 f. Ahnllch Adler/During/8chmaltz (1995) § 256, Rn. 32. Schulze-Osterloh (2004b) 8. 1134. Ebenso Hennrichs (2003a) in MunchKommAktG §256, Rn. 10.

119

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

Typischerweise beruhen diese vielmehr auf einer Anwendung des Lifo-Verfahrens in Zeiten steigender Preise."®°° Dessen Abschaffung fuhrt zudem zu einer Annaherung an die IFRS, aber auch zu einer Divergenz mit den steuerlichen Vorschriften.^°^ Wird der Forderung nach Abschaffung des Lifo-Verfahrens gefolgt, musste analog auch die Abschaffung des Fifo-Verfahrens in Erwagung gezogen werden. Deshalb empfiehit Leffson die grundsatzliche Anwendung der gewogenen Durchschnittsbewertung, wenn die tatsachliche Entnahme - er unterstellt dies in der Mehrzahl der Falle - unbekannt ist.^°^ Aus den hier angefuhrten Einwanden gegen die Vielzahl von handelsrechtlichen Bewertungswahlrechten ergibt sich de lege ferenda die Forderung nach einer umfangreichen Reduktion dieser Wahlrechte. In Abblldung 4-3 werden die Ergebnisse zusammengefasst:

Bewertungswahlrechte nach HGB (de lege lata)

Quelle

Vorgeschlagene Vorgehensweise

[

Aufierplanmafiige Abschreibung im Aniagevermogen bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung

§ 253 Abs. 2

[

Streichung

AufterplanmaRige Abschreibung im Umlaufi/ermSgen zur Berucksichtigung kiinftiger Wertsohwankungen

§ 253 Abs. 3

[

Streichung

1 r L

Streichung

AuSerplanmafiige Abschreibung im Rahmen vemunftiger 11 o 253 Ak. 4 kaufmannischer Beurteilung (nur fur Personengesellschaften) ^ Beibehaltungswahlrecht sp^terer Wertaufholungen (nur fur Personengesellschaften) Steuerrechtliche Abschreibungen

Bewertungswahlrechte im Rahmen der Herstellungskosten

Bewertungsvereinfachungsverfahren Fur die steuerliche Anerkennung notwendige WertansStze

§ 253 Abs. 5

[

Streichung zugunsten eines Wertaufholungsgebots

§254

[

(Zunachst) Beibehaltung

§ 255 Abs. 2, 3

[

Konvergenz mit Vorschriften der 4. EGRichtlinie Reduktion von Vereinfachungsverfahren wie der Lifo-Methode und ggf. dem Fifo-Verfahren

§256 § 279 Abs. 2

[

(Zunachst) Beibehaltung

Abblldung 4-3: Reform der Bewertungswahlrechte nach HGB

Hennrichs (1999) S. 398. Dieser stellt ebenso fest, dass as sich hierbei urn „[...] kein Instrument der Bilanzpolitik" handelt; vgl. Hennrichs (2003a) in MunchKommAktG § 256, Rn. 8 f. Auch das DRSC spricht sich dafur aus, das Lifo-Verfahren nur dann zuzulassen, wenn es der tatsachlichen Verbrauchsfoige nahe kommt; vgl. DRSC (2005b) S. 29. Ursprungiich vertrat das DRSC die Auffassung, das Lifo - ebenso wie das Lofo-Verfahren - abzuschaffen, urn Konvergenz mit den IFRS herzustellen; vgl. DRSC (2002b) S. 5. Im Rahmen des „lmprovement-Projekts" wurde bei einer Oberarbeitung des IAS 2 das LifoVerfahren abgeschafft. Nach Leffson widerspricht die Lifo-Methode i. d. R. der tatsachlichen Verbrauchsfoige und fuhrt daher zu manipulierbaren Werten; vgl. Leffson (1987) S. 309; Hennrichs (2003a) in MunchKommAktG § 256, Rn. 13.

120

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

4.1.4.1.3

Kritische Wurdigung steuerrechtlich induzierter Wahlrechte

Bilanzielle Wahlrechte ergeben sich nicht nur aus dem Handelsbilanzrecht, sondern auch aus dem Steuerrecht. Aufgrund der nur einheitlich moglichen Nutzung von Wahlrechten in Handels- und Steuerbilanz nach § 5 Abs. 1 S. 2 EStG geschieht in praxi eine formale Vorverlagerung steuerbilanzieller Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen in die Handelsbllanz: „Diese Perversion des Mafigeblichkeitsgedankens fuhrt in der Realitat der externen Rechnungslegung dazu, dall[!] mit Blick auf das gewunschte steuerliche Ergebnis in der Handelsbilanz Werte angesetzt werden, die keinen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens aufweisen, sondern nur vor dem Hintergrund des Steuerrechts verstandlich werden (sog. .umgekehrte IVIaflgeblichkeit'^°^, namlich eine de-factoMaligeblichkeit der Steuerbilanz fur die Handelsbllanz)."®^^ Herzig/Dautzenberg kritisieren insofern zu Recht diese „Kehrseite der formellen Ma(igeblichkeit"®°^, denn selbst steuerrechtlich explizit eingeraumte Wahlrechte durfen in der Steuerbilanz nur in Obereinstimmung mit der Handelsbilanz ausgenutzt werden.®°® Die Glelchschaltung zwischen Steuer- und Handelsbilanz resultiert aus den •

steuerfreien Rucklagen nach § 280 Abs. 2 HGB (Sonderposten mit Rucklageantell),

• •

Aktivlerungswahlrechten nach § 250 Abs. 1 S. 2 HGB sowie den Bewertungswahlrechten nach § 254, 279 Abs. 2 HGB fur die Absetzungen auf der Aktivseite.

Insbesondere im Rahmen der Bewertungswahlrechte finden durch die genannten handelsrechtlichen Offnungsklausein rein steuerrechtlich motivierte Subventionen via Sonderabschreibungen Eingang in die Handelsbilanz, die zum wirkllchen Werteverzehr der Vermogensgegenstande in keiner Bezlehung stehen.®°^ Das Ergebnis ist eine Verfalschung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses unter Verstofi

603

Die Kodifizierung der umgekehrten Mafigeblichkeit in § 5 Abs. 1 S. 2 EStG erfoigte im Nachtrag zum Steuerreformgesetz 1990 (Gesetz zur steuerlichen Forderung des Wohnungsbaus und zur Erganzung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 22.12.1989, BGBII 89, S. 2408); vgl. Sigloch (2000) S. 162. Herzig/Dautzenberg (1998) S. 24. Ebenso Kahle (2002d) S. 179, der die Qualitat des handelsrechtlichen Jahresabschlusses durch die einfache und umgekehrte Mafigeblichkeit deutlich beeintrachtigt sieht. Wassermeyer (1991) S. 33. Vgl. Steck (2002) S. 487. Hennrlchs bezeichnet diese als ..gigantische Fremdkorper"; vgl. Hennrichs (1999) S. 2 1 , 220.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

121

gegen die Grundsatze ordnungsgemaRer Buchfuhrung.^°® „Eine solche Bilanz kann weder den Informationszwecken noch den zivilrechtlich gepragten Zwecken der Kapitalerhaltung und Ausschuttungsbemessung dienen."®°^ Die Verzerrungen der Generalnorm nacii § 264 Abs. 2 S. 1 HGB - expressiv verbis der Darstellung eines den tatsachlichen Veriiaitnissen entspreciienden Bildes der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage^^° - durch die umgekeiirte iVIafigebliclikeit haben denn deutschen Bilanzrecht insbesondere in seiner internationalen Akzeptanz nachhaltig gesciiadet.^^^ Zudem ersciieint die Richtlinienkonformitat der Vorschriften vor dem Hintergrund der unrigekehrten IViaflgebliclikeit nacii § 5 Abs. 1 S. 2 EStG zweifeliiaft.^^^ Waiirend die Regelungen der §§ 247, Abs. 3, 273 sowie § 250 Abs. 1 S. 2 HGB keinesfalls als riclitiinienkonform gelten, sind die Bewertungswahlrechte nacii § 254, 279 Abs. 2 HGB „zumindest zweifeJhar^^l Die Aufrechterhaltung der unrigekehrten Maligeblichkeit ist vor diesem Hintergrund grundsatzlich abzuielinen. Will der deutsche Gesetzgeber das HGB als Systemalternative zu den IFRS im Einzeljahresabschluss positionieren und insofern dessen Internationale Akzeptanz steigern, muss dieser sicli von den Beeintraclitigungen durch die umgekehrte l\/lafigeblichkeit losen.

4.1.4.2 Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermogenswerte Die handelsrechtliche Aktivierung der bereits 1979 von Moxter als „ewige Sorgenkinder des Bilanzrechts"^'''^ bezeichneten selbst erstellten immateriellen Vermogenswerte zahit zu den nicht ausgeschopften Mitgliedstaatenwahlrechten des deutschen Gesetzgebers im Rahmen des BiRiLiG. Vor dem Hintergrund der Annaherung an die IFRS, die nach IAS 38 (rev. 2004) grundsatzlich die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermogenswerte des Aniagevermogens vorschrei-

Vgl. Winnefeld (2000) S. 370, Rn. 636; Coenenberg (2003) S. 114; Schulze-Osterloh (2004b) S. 1134; Herzig (2002b) Kap. 3, Rz. 81 sowie Knobbe-Keuk (1993) S. 30 f., die von einem ..ungeheuerlichen Ruckgriff' spricht. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1134 f. Zudem verstofit die umgekehrte MaHgeblichkeit gegen den Grundsatz der Gleichheit, da von ihr ~ von der Sonderregelung fur Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB abgesehen - nur die Kapitalgesellschaften betroffen sind; vgl. SchulzeOsterloh (2004b) S. 1135. Vgl. hierzu ausfuhrlich Grofifeld (1986) S. 192-204; Kropp (2002) S. 857-874 sowie Beisse (1988) S. 25-44. Vgl. AKEU (2003) S. 1587. Vgl. ABHR (2002) S. 2378, der von „richtlinienwidriger [Vorgehens-]Weise" spricht. Ebenso AKEU (2003) S. 1587; Hennrichs (1999) S. 209 f., 220 f.; Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V. (1988) S. 1090 f. sowie Knobbe-Keuk (1986) S. 27. Hennrichs (1999) S. 220. Moxter (1979) S. 1102.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

ben, und dergrundsatzlich steigenden Bedeutung immaterieller Werttreiber konnte - durch Neuausubung der Mitgliedstaatenwahlrechte - eine Streichung des § 248 Abs. 2 HGB in Erwagung gezogen werden. Kritiker sehen in der Nichtaktivierung nach HGB eine tendenziell „[...] zu schlechte Darstellung der Vermogens- und Ertragslage."®^^ Der Arbeitskreis Jmmaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft fur Betriebswirtschaft e. V. halt das pauschale Ansatzverbot fur selbst erstellte immaterielle Vermogenswerte des § 248 Abs. 2 HGB vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung dieser Werte „[...] im Sinn der Generalnorm fur nicht mehr haltbar [...]"®''^ und fordert ein generelles Umdenken in der Bilanzierungspraxis.^''^ Nach h. M. erscheint die Vereinbarkeit der Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermogenswerte mit den in der deutschen Bilanzrechtskonzeption vorherrschenden Prinzipien der Vorsicht und der Objektivitat fraglich.^^® Kritiker wie das DRSC sehen im § 248 Abs. 2 HGB jedoch eine „Uberbetonung des Vorsichtsprinzips"^''^. Gleichzeitig sind allerdings die Vorschriften des IAS 38 zur Aktivierung kritisch zu sehen: Der restriktive Kriterienkatalog des IAS 38.57 fuhrt In praxi oftmals zur Unterlassung der Aktlvierung.^^° „Die Probleme der verlasslichen Bewertung, gepaart mit der Problematik der verursachungsgerechten Zuordnung ihrer WIrkungen [lassen] eine Aktivierung hochst unwahrscheinlich werden [...]"^^\ Fullbier/Honold/ Klar kommen zu dem Ergebnis: „De facto existiert somit kein wesentlicher Unterschied zur handelsrechtlichen Bilanzierungspraxis."^^^ Vor dem Hintergrund des eigentllchen Aktivierungsgebots nach IFRS fuhren die restriktiven Ansatzvoraussetzungen des IAS 38.57 jedoch nach h. M. zu einem faktischen Aktivierungswahlrecht fur selbst erstellte immaterielle Vermogenswerte.®^^ „Letztendlich liegt es im

Kuting/Durr (2003) S. 2. Ebenso Moxter (1999a) S. 29-33. Arbeitskreis "immaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft fur Betriebswirtschaft e.V. (2001) S. 995. Ahnlich DRSC (2002b) S. 5 f. Der Arbeitskreis sieht Vorsichts- und Objektivierungsgesichtspunkte beim § 248 Abs. 2 HGB durch den Gesetzgeber uberbetont und fordert das Ende der Diskriminierung selbst erstellter immaterieller Vermogenswerte im Aniagevermogen; vgl. Arbeitskreis "Immaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft fur Betriebswirtschaft e.V. (2001) S. 992. Vgl. stellvertretend Adier/During/Schmaltz (1998) § 248, Rn. 14; Coenenberg (2003) S. 141; Winnefeld (2000) S. 502, Rn. 452 f. sowie Hennrichs (2003b) in MunchKommAktG § 248, Rn. 2,15. DRSC (2005b) S. 32. Zu bilanzpolitischen Ermessensspielraumen im Rahmen der Aktivierung von selbst erstellten Immateriellen VermOgenswerten nach IAS 38 vgl. Kapitel 4.2.2.1.2., S. 142. Wehrheim (2000) S. 88. Ahnlich Coenenberg (2003) S. 142. Fullbier/Honold/Klar (2000) S. 842. Ahnlich Wehrheim (2000) S. 88. Vgl. stellvertretend Winnefeld (2000) S. 511, Rn. 479; Baetge et al. (2002) IAS 38, Rn. 49; Wagenhofer (2001) S. 154; Heuser/Theile (2003) S. 96, Rn. 295; Wagenhofer (2005) S. 210 sowie ausfCihrlich Keitz (1997) S. 190-193; Kuting/Dawo (2002) S. 1157-1163.

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subjektiven Ermessen des Bilanzierenden, selbst erstellte immaterielle Vermogenswerte in der Bilanz zu aktivieren [...]"^^^. Die Ubernahme de lege ferenda eines Aktivierungsgebots I. S. des IAS 38 ist daher aus Objektivitatsgrunden abzulehnen.®^^ Gleiches gilt de lege ferenda fur ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht.^^^ Vor dem HIntergrund des entstehenden noch groReren bilanzpolltlschen Spielraums, der daraus entstehenden mangelnden Vergleichbarkeit von Jahresabschlussinformationen und der grundsatzlich geplanten Reduktion von bilanziellen Wahlrechten ist ein neuerliches Aktivierungswahlrecht in kelnem Falle zu rechtfertigen und daher abzulehnen.^^^

4.1.4.3 Bewertung zum beizulegenden Zeitwert Die Modifikationen der 4. EG-Richtlinie durch die Modernisierungs- und FairValue-Richtlinie haben zu umfangreichen Mitgliedstaatenwahlrechten bezuglich der Marktwertbewertung gefuhrt, uber deren nationale Umsetzung vom deutschen Gesetzgeber zu entscheiden ist. Hierzu zahlen: •

Neubewertung samtlicher Vermogensgegenstande des Aniagevermogens in Aniehnung an die Neubewertungskonzeptlon der IAS 16 und 38,

•

grundsatzlich^^® erfolgswirksame Fair-Value-Bewertung von Finanzinstrumenten in Einklang mit IAS 39 sowie

•

Fair-Value-Bewertung mit erfolgswirksamer Oder erfolgsneutraler Erfassung von Marktwertschwankungen anderer Vermogensgegenstande wie Immobilien Oder Lebendbestande i. S. der IAS 40 und 41.

Im Rahmen der Bewertung zu Zeltwerten steht der deutsche Gesetzgeber vor der Entscheidung, ob er weiterhin am tradierten Anschaffungskostenprinzip des deutschen Handelsrechts festhalten oder zukunftig eine Bewertung oberhalb dieser

Engel-Ciric (2002) 8. 781. Ebenso Ludenbach (2003) S. 63. Dieses wurde zudem eine steuerrechtliche Abl^opplung und damit eine (weitere) Durchbrechung des Mafigeblichkeitgrundsatzes erfordern; vgl. DRSC (2005b) S. 32. Dieses ware aufgrund des steuerlichen Aktivierungsverbots in § 5 Abs. 2 EStG sogar als steuemeutrai einzustufen, weil der steuerliche Bewertungsvorbehalt vorherrscht; vgl. Freidank/Pottgiefler (2003) S. 892. Ebenso AKEU (2003) S. 1587 f. Ebenso Ernst (2003) S. 1490; Ernst (2004b) S. 37. Anderer Meinung ist hingegen das DRSC (2002b) S. 5 f.; DRSQ (2005b) S. 32 f. sowie IDW (2002b) S. 986. Eine Zeitwert-Ruckiage darf gemafl Art. 42c Abs. 1 dann gebiidet werden, wenn das zugrunde liegende Finanzinstrument ein Siclierungsinstrument im Rahmen einer Sicherungsbeziehung darstellt oder die Wertschwankung auf eine Wechselkursdifferenz in Zusammenhang mit einer wirtschaftiich selbstandigen auslandischen Teiieinheit beruht; vgl. Europaische Gemeinschaft (1978).

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Wertgrenze zulassen will. Vor dem Hintergrund, dass samtliche Neuerungen auf Grundlage von Mitgliedstaatenwahlrechten in die 4. EG-Richtlinle ubernommen wurden, ergibt sich de lege lata Jn Bezug auf das deutsche Handelsrecht [...] kein unmittelbarer Umsetzungsbedarf."^^^ Dennoch wird der Gesetzgeber konfrontlert mit zahlreichen Forderungen aus Wissenschaft und von Unternehmensseite nach einer umfangreichen Falr-Value-Bewertung.^^° Die Einfuhrung der Fair-Value-Bewertung von FInanzinstrumenten hat der Gesetzgeber fur den Konzernabschluss deshalb berelts im 10-Punkte-Programm in Aussicht gestellt.®^"" Soil das Konzernbilanzrecht jedoch fur die Zeltwertbilanzierung geoffnet werden, stellt sich die Forderung glelchermaflen fur den EInzeljahresabschluss. Denn „Sachverhalte im Jahresabschluss anders als inn Konzernabschluss darzustellen, lost Erklarungsbedarf aus und ist mit erheblichem Aufwand verbunden."^^^ Zudem unterliegt das Verhaltnls von Einzeljahres- und Konzernabschluss dem Grundsatz der Fiktion der rechtlichen Einheit, welcher In den konzerneinheltlichen Ansatz- und Bewertungsregelungen der §§ 298 Abs. 1, 300 und 308 HGB seinen handelsrechtlichen Niederschlag findet.^^^ „Eine solche Durchlocherung des Aquivalenzgrundsatzes sollte auf seine Berechtigung gepruft werden."^^^ Obgleich eine Beschrankung der Fair-Value-Bewertung auf den Konzernabschluss nach Art. 42a Abs. 1 der 4. EGRlchtlinie grundsatzlich mogllch ist, muss diese aus genannten Grunden kritlsch beurtellt werden. Ernst bezelchnet die Offnung des deutschen Einzeljahresabschlusses fur eine Marktwertbewertung oberhalb der historischen Anschaffungskosten als „zentrale Frage"®^^ der anstehenden Reform. Die Ausweitung auf den EInzeljahresabschluss wird von Kritikern aufgrund der befurchteten Auswirkungen auf die Ausschuttungs- und Steuerbemessungsfunktion abgelehnt: „Gegen einen Ansatz zu Zeitwerten sprechen die Probleme der Objektivierung und die Notwendigkeit, die Ausschuttung auf realislerte Gewinne zu beschranken."^^^ Denn die erfolgswirksame Marktwertbewertung und der damit ver-

Bbcking/Herold/Wiederhold (2003) S. 400. Ebenso Schulze-Osterloh (2004b) S. 1136. Vgl. Bocking/Herold/Wiederhold (2003) 8.400. Das DRSC fordert die rechtsformneutrale Einfuhrung der Fair-Value-Bewertung fur Finanzinstrumente im Einzeljahresabschluss; vgl. DRSC (2005b) S. 33 f. Der Fair-Value-Bewertung ggu. ablehnend sind die Europaische Zentralbank (2004) S. 89; Deutsche Bundesbank (2002) S. 52 f. sowie der AKEU (2003) 8.1585 f. Vgl. BMJ (2003b) sowie Ernst (2003) 8.1490. DR8C (2002b) 8. 1. Vgl. Coenenberg (2003) 8. 544-552; Hommel/Berndt (2000) 8.1189. Busse von Colbe (2004) 8. 2069. Er betont jedoch gleichzeitig, dass durch die Verhinderung einer bilanzpolitisch motivierten Wertfortfuhrung Oder alternativen Realisierung die in den entsprechenden Posltionen enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt wurden; vgl. Busse von Colbe (2004) 8. 2069. Ernst (2001b) 8. 252. 8chulze-Osterloh (2004b) 8. 1136.

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bundene Ausweis nicht realisierter Gewinne stehen im Widerspruch zu dem Grundsatz der Kapitalerhaltung. Der Gesetzgeber entgegnet diesem Einwand, dass eine Marktwertbewertung von Finanzinstrumenten nur vorgesehen ist, „[...] wenn gleichzeitig die Gewinndifferenzen in eine ausschuttungsgesperrte Rucklage eingestellt werden."^^^ Kritiker befurchten dennocii steuerliciie Konsequenzen bei einer ergebniswirksamen Marktwertbewertung: „Auf Grund des Mafigebiichkeitsprinzips besteht die Gefahr, dass der Fiskus einen Zeitwertgewinn als GoBkonform interpretiert und - ungeaciitet einer denkbaren Ausschuttungssperre besteuert."®^® Kritisch sind ferner die Objektivierungsprobleme einer de lege ferenda zugelassenen handelsrechtlichen Zeitwertbewertung zu beurteilen. Diese werden bei Bezugnahme auf die IFRS als Referenzsystem deutlich: In IAS 39 hat das Konzept der Fair-Value-Bewertung eine mangelnde Umsetzung erfahren, da insbesondere bei Fehlen eines objektiven Marktpreises umfangreiche unternehmerische Planungen und Prognosen im Rahmen der Bewertung erforderlich werden.^^^ „Wahrend im HGB die Anschaffungs- und Herstellungskosten stets die absolute Wertobergrenze bilden, wird dieser regelmadig objektiv nachprufbare Wertmaflstab bei einer Anwendung des fair-value-Prlnzips durch einen interpretations- und auslegungsbedurftigen, vagen Bewertungsmafistab ersetzt."^° Eine Obernahme der entsprechenden Regelungen des IAS 39 ist deshalb mit dem Ziel der Reduktion von (handelsrechtlichen) Ermessensspielraumen und Wahlrechten nicht vereinbar und folglich aus Objektivierungsgrunden kritisch zu beurteilen. De lege ferenda scheint eine Bewertung zum Fair Value zunachst in den Fallen sinnvoll, in denen ein objektiver Marktpreis ermittelbar ist und nicht auf alternative Bewertungsverfahren zuruckgegriffen werden muss. Diese Vorgehensweise entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers, der betont, dass „eine Obernahme auf den Einzelabschluss [...] durchaus Sinn machen [konnte], jedenfalls wenn man den Kreis der einzubeziehenden Finanzinstrumente verglelchsweise eng definiert"^\ Demnach soil eine handelsrechtliche Zeitwertbewertung auf die Finanzinstrumente des Handelsbestands (..Trading") sowie die Kategorie „Available-for-

Ernst (2004b) S. 40. Ebenso DRSC (2005b) 8. 34. Hommel/Bemdt (2002) S. 9 1 . Derartige Auswirkungen werden ebenso von Helmschrott (2000) S. 947 f. befurchtet. Vgl. Ballwieser/Kuting/Schildbach (2004) S. 531-534 sowie ausfuhrlich Kapitel 4.2.2.1.3, 8. 151. Ballwieser/Kuting/8childbach (2004) 8. 546. Ernst (2001b) S. 252. Das DRSC spricht sich ebenfalls fur eine schrittweise Einfuhrung der Fair-Value-Bewertung in deutschen Einzel- und Konzernabschlussen aus, die zunSchst auf Finanzinstrumente bescliranl
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Sale" beschrankt werden, weil bei diesen beiden Kategorien die Existenz eines aktiven Marktes i. d. R. unterstellt werden kann.^^ Nach IAS 39 unterliegt die Einstufung von Finanzinstrumenten in die entsprechende Kategorie jedoch wiederum Ermessens- und Auslegungsentscheidungen des bilanzierenden Untemehmens: Letztlich kann das bilanzierende Unternehmen nach IAS 39 starken Einfluss auf die Kategorisierung und damit auf die Folgebewertung nehmen.^^ Dies gilt umso mehr, als die Kategorie „Available-for-Sale" eine Art Auffangkategorie fur diejenigen Finanzinstrumente darstellt, die keiner anderen Kategorie eindeutig zuordenbar sind. Dennoch sieht das DRSC hierbei „[...] objektiviert feststellbare Zeitgewinne" gegeben, die dem Abschlussadressaten nicht vorenthalten werden diirften und fordert insofern eine Offnung des deutschen Handelsrechts fur derartige Marktwerte.^"^ Die erfolgswirksame Zeitwertbewertung der Kategorien ..Trading" und „Availablefor-Sale" entspricht grundsatzlich der Vorgehensweise des Art. 42a der 4. EGRichtlinie, wobei diese bei Fehlen eines aktiven Marktes die Anwendung von alternativen Bewertungsverfahren vorschreibt.^^ Die Notwendigkeit des Ruckgriffs auf alternative Bewertungsverfahren zur Zeitwertermittlung ergibt sich grundsatzlich dann, wenn fur das zugrunde liegende Finanzinstrument kein objektiver Marktpreis ermittelbar ist. Diesem Ruckgriff wird sich auch die handelsrechtliche Zeitwertbewertung de lege ferenda nicht venA/ehren konnen. Ansonsten mussten Finanzinstrumente, fur die kein objektiver Marktpreis existiert, wieder mit ihren (fortgefuhrten) Anschaffungskosten bewertet werden. Dass bei Anwendung solcher Bewertungsverfahren kein objektiver Wertmafistab gegeben ist, zeigt jedoch das Beisplel des IAS 39. Die Objektivierungsprobleme im Rahmen einer Fair-ValueBewertung erstrecken sich damit nicht nur auf die ermessensabhangige Abgrenzung der jeweiligen Bewertungskategorien, sondern auch auf die Notwendigkeit des Ruckgriffs auf alternative Bewertungsverfahren, wenn kein objektiver Marktpreis ermittelt werden kann. Letzterer wird bei wenig fungiblen Vermogensgegenstanden wie Finanzinvestitionen nach IAS 40 oder lebenden Vermogenswerten nach IAS 41 noch schwieriger zu ermittein seln.^® Die Nutzung alternativer Be-

Vgl. Ernst (2001b) S. 251. Vgl. Fischer/KIOpfer/Sterzenbach (2004) S. 702, die sogar die Gefahr von „[...] unterschiedlichen Bilanzstrukturen" betonen. Zu den Ermessensentscheidungen im Rahmen der Kategorisierung von Finanzinstrumenten nach IAS 39 vgl. Kapitel 4.2.2.1.2, S. 142. Vgl. Hommel/Berndt (2002) S. 91 sowie DRSC (2002b). Eine Ausnahme gilt nach IAS 39.55b fur ,Available-for-Sale"-Finanzinstrumente, deren Marktwertschwankungen erfolgsneutral im Eigenkapltal erfasst werden. Aus diesem Grund sehen die Vorschlage des DRSC (zunachst) eine Beschrankung auf Finanzinstrumente vor. Die Ausweitung auf bestimmte Immobilien (IAS 40) und landwirtschaftii-

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wertungsverfahren - und damit die Objektivierungsprobleme bei der Bewertung werden dort in starkerem UaQ>e auftreten. Der ..Schwachpunkt" einer jeden FairValue-Bewertung liegt demnach „[...] in den praktischen, notwendigerweise stark ermessensbehafteten Bewertungsverfahren"^^. Gleichzeitig kann der deutsche Gesetzgeber in Erwagung Ziehen, die Neubewertungskonzeption der IAS 16 bzw. IAS 36 de lege ferenda ins deutsche Handelsrecht zu ubernehmen. Im Unterschied zur Zeitwertbewertung nach IAS 39, 40 und 41 darf hier die Differenz zwischen Marktwert und Anschaffungskosten ergebnisneutral in die so genannte Neubewertungsrucklage eingestellt werden. Der neu ermittelte (Zeit-)Wert wird dann auf die restllche Nutzungsdauer des Vernnogenswertes systematisch verteilt.^® Grundsatzlich sind jedoch im Rahmen der Neubewertung nach IAS 16 bzw. IAS 38 ebenfalls alternative Bewertungsverfahren zugelassen: 1st der Fair Value in erster Instanz nicht anhand marktbasierter Begutachtungen ermittelbar, muss er unter Bezugnahme von Ertragswertverfahren oder den fortgefuhrten Wiederbeschaffungskosten geschatzt werden.^^ Die Neubewertung unterliegt demnach in gleicher Weise den o. g. Objektivierungsvorbehalten bei Anwendung von Bewertungsverfahren. Will der deutsche Gesetzgeber den Forderungen nach einer Bewertung oberhalb der historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nachkommen, geht damit eine systematisch nicht begrundbare Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips nach § 253 Abs. 1 S. 1 HGB einher. „Dem Einblick in die Vermogens-, Finanz- und Ertragslage ist aber nicht dadurch gedient, da(i[!] eine Gruppe von Vermogensgegenstanden von den sonst geltenden Bewertungsgrundsatzen ausgenommen wird."^^° Insofern kann der Gesetzgeber mit der Zeitwertbewertung lediglich eine pragmatische Antwort auf die Bedurfnisse der Bilanzierungspraxis geben. Eine rechtssystematisch befriedigende Reform des deutschen Einzeljahresabschlusses wird jedoch vor dem Hintergrund der Diskrepanz zwischen informationsorientierter Zeitwertbilanzierung und ausschuttungsorientierter Gewlnnermittlung scheitern, solange die Modlfikation der gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Funktionszusammenhange im deutschen Bilanzrecht abgelehnt werden. „Vor allem unter Berucksichtigung des Grundsatzes der (nominellen) Kapitalerhaltung, von dem die Ausschuttungs- und Steuerbemessung traditionell aus-

che Erzeugnisse (IAS 41) sollen demnach erst in einenn spSteren Schritt erfolgen; vgl. DRSC (2005b) S. 33 f. Ballwieser/Kuting/Schildbach (2004) 8. 547. Vgl. Fischer/Klopfer/Sterzenbach (2004) S. 702. Vgl. Ballwieser/Kuting/Schildbach (2004) S. 532; Hoffmann/Ludenbach (2003) S. 565 f. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1136.

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geht, bietet sich diese Bewertung im Einzelabschluss zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht an."^^^ Die umfangreichen Anderungen der 4. EG-Richtlinie zugunsten einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert werden von der Europaischen Kommission jedoch als „unerlasslich" erachtet, urn „[...] kunftigen Entwicklungen Stand [zu] halten"®^^. Nicht zuletzt hieraus wird fur den deutschen Gesetzgeber ein Anpassungsdruck in Richtung IFRS erwachsen, dem dieser sich langfristig nicht entziehen konnen wird.

4.1.4.4 Einengung des Begriffs von Ruckstellungen Im Rahmen der Anderungen durch die IVIodernisierungsrichtlinie sind die Ansatzvorschriften fur Verbindlichkeiten der 4. EG-Richtlinie an die IFRS angepasst worden.®^^ Analog zu IAS 37 umfasst die Definition von Ruckstellungen gemali Art. 21 demnach nicht mehr „genau umschriebene Verluste und Verbindlichkeiten", sondern beschrankt sich auf „genau umschriebene Verbindlichkeiten"^^. Grundsatzlich ist der Ruckstellungsbegriff nach IFRS als spezifischer anzusehen und begrenzt den Ansatz auf die zum Bilanzstichtag bestehenden Verbindlichkeiten.®^^ Der Ansatz „voraussehbarer" und damit im Grunde unsicherer Verpflichtungen soil unterbunden werden. Die Einengung des Ruckstellungsbegriffs in der 4. EG-Richtlinie fuhrt insofern zu einer Beschrankung der Ruckstellungsbildung auf Verbindlichkeitsruckstellungen und einem Verbot des Ansatzes von Verlustruckstellungen.®^® Unerwahnt bleiben in der 4. EG-Richtlinie jedoch Drohverlustruckstellungen. Nach IAS 37.66 sind fur drohende Verluste aus schwebenden Geschaften indes Ruckstellungen zu bilden, well diese als Drittverpflichtungen unter den Begriff der Verbindlichkeitsruckstellungen fallen.®^^ Insofern ist nach h. M. davon auszuge-

Freidank/Pottgiefier (2003) S. 891. Europaische Union (2002b) S. 6 (beide Zitate). Deshalb wurde in Art. 31 Abs. 1 Buchst. c) bb) die Pflicht zur Berucksichtigung alter „voraussehbaren Risiken und zu vermutenden Verluste" durch die Pflicht der BerOcksichtigung „aller Schulden" ersetzt; vgl. EuropSische Gemeinschaft (1978); Europaische Union (2002b) S. 5. Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 20 Abs. 1. Vgl. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 2 1 , Tz. 2 1 , 25, 29; Bieker/Schmidt (2002) S. 11. Vgl. Busse von Colbe (2002b) S. 1533. Nach IAS 37.66-37.69 sind fur einen drohenden Verlust aus schwebenden Geschaften, der aus einem lastigen Vertrag (onerous contracts) resultiert, Ruckstellungen anzusetzen. Nach IAS 37.68 liegt ein ..onerous contract" vor, wenn die drohenden Verluste die erwarteten ErtrSge ubersteigen; vgl. LOdenbach/Hoffmann (2003) § 2 1 , Tz. 85-87; Coenenberg (2003) S. 363 sowie Hebestreit/Dorges (2004) in Beck-IFRS-HB § 5, Rn. 181 f.

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hen, dass Drohverlustruckstellungen der alten sowie der neuen Begriffsdefinition in der 4. EG-Richtlinie entsprechen.®^® Obgleich die Absicht der Europaischen Kommission darin bestand, den „[...] Ansatz von Ruckstellungen gemafl lAS"®^^ zu ernnoglichen, bleibt den Mitgliedstaaten weiterhin die Moglichkeit erhalten, die daruber hinaus in Art. 20 Abs. 2 vorgesehenen Ruckstellungen fur Aufwendungen zuzulassen oder vorzuschreiben.^^° Die Bildung von Aufwandsruckstellungen ohne Verpflichtungscharakter ist damit weiterhin - via Mitgliedstaatenwahlrecht- richtlinienkonform. Ein unmittelbarer Anderungsbedarf fur den § 249 HGB besteht deshalb nicht.^®^ Dennoch hat sich der Gesetzgeber fur die Abschaffung von Aufwandsruckstellungen ausgesprochen.^®^ Damit wurde der Rechtszustand vor Umsetzung der 4. EG-Richtlinie rekonstruiert.^®^ Adier/During/Schmaltz sehen in Aufwandsruckstellungen - mangels Schuldcharakter - grundsatzlich ein Instrument der Selbstfinanzierung.^^ Demnach „[...] dienen sie nicht der Darstellung der Lage des Unternehmens und beruhen folglich nicht auf den Grundsatzen ordnungsgemafler Buchfuhrung."®^^ Ihre Abschaffung im Rahmen der Ubernahme der Ruckstellungsdefinition des IAS 37 ins deutsche Handelsrecht ist deshalb (zunachst) zu begruflen.®^® Gleichwohl eroffnen aber auch die IFRS ein gewisses bilanzpolitisches Aktionspotential im Rahmen des Ansatzes von Ruckstellungen nach IAS 37.®^^ Wenngleich Aufwandsruckstellungen nach IAS 37 - aufgrund fehlender Auflenverpflichtung grundsatzlich unzulassig sind, schreiben die IAS 37.70-83 Restrukturierungsruckstellungen vor, die Elemente von Aufwandsruckstellungen enthalten konnen.^^® Diese Vorgehensweise steht jedoch in keiner Relation zu den Verzerrungen in der

Vgl. stellvertretend Bdcking/Herold/Wiederhold (2003) S. 400; Busse von Colbe (2002b) S. 1533; IDW (2002b) S. 988 sowie Bieker/Schmidt (2002) S. 211. Europaische Union (2002b) S. 5. Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 20 Abs. 2 sowie Niehus (2002a) S. 1387. Vgl. Bieker/Schmidt (2002) S. 211; Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 400. Vgl. Ernst (2003) S. 1490 f. sowie BMJ (2003b) Punkt 4. Vgl. Schildbach (2003) S. 1078. Vgl. Adier/During/Schmaltz (1998) § 249, Rn. 193. Schulze-Osterloh (2004b) S. 1132. Fur Schulze-Osterloh haben Aufwandsruckstellungen die Funktion offener Rucklagen. Ebenso AKEU (2003) S. 1585 f.; DRSC (2005b) S. 3; Hennrichs (1999) S. 101 sowie Borner, der betont: Jm ubrigen muss ernsthaft Ober ein Verbot von Aufwandsruckstellungen nachgedacht werden." Borner (1996) S. 160. Vgl. ausfuhrlich Kapitel 4.2.2.1.2, S. 142. Vgl. Schildbach (2002a) S. 791. Die detaillierten Passivierungsvoraussetzungen der IAS 37.70-83 zur Bildung von Restrukturierungsruckstellungen „[...] wirken faktisch wie ein Bilanzierungswahlrecht, well es im Ermessen des Unternehmens steht, inwieweit es diese Anforderungen tatsachlich erfullt": Jessen/Weller (2005a) S. 491.

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Darstellung der Ertragslage durch die Aufwandsruckstellungen des § 249 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 HGB. Zudem sind nach IAS 16.13 f. Ausgaben fur den Ersatz Oder die Erneuerung einer Komponente im Sachanlagevermogen wie der Erwerb eines eigenstandigen Vermogenswertes zu behandeln. Im Ergebnis konnen dadurch „[...] im Hinblick auf bedeutende Inspektionen, Instandhaltungsmalinahmen und Grolireparaturen Ergebnisverlaufe erzeugt werden, die denen im Falle einer Aufwandsruckstellung entsprechen."®^^ Dabei wird deutllch, dass allein durch die vom Gesetzgeber geplante Abschaffung der Moglichkeit zur Bildung von Aufwandsruckstellungen keine Konvergenz mit den einschlagigen Vorschriften der IFRS erzielt werden kann.^^° Alternativ konnte insofern am Passivierungswahlrecht fur Aufwandsruckstellungen - bei starkerer (An-)Bindung an das Stetigkeitsgebot des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB^^^ - festgehalten werden. Nach Jessen/Weller ware „[...] eine einmal begonnene Dotierung von Aufwandsruckstellungen In den Folgejahren stetig fortzufuhren, unterlassene Aufwandsruckstellungen durften in den Folgejahren nicht nachgeholt werden und von dem Passivierungswahlrecht durfte nur einheitlich Gebrauch gemacht werden."^^^ Im Unterschied zum grundsatzlichen Passivierungsverbot von Aufwandsruckstellungen ware Insofern eine weitere Annaherung an die IFRS - bel glelchzeitlger Einschrankung der de lege lata bestehenden bilanzpolitlschen Gestaltungsspielraume - moglich. Die Existenz zweler Ruckstellungsbegriffen in der 4. EG-Richtlinie ist davon unabhangig jedoch kritisch zu beurteilen. Die Neuschaffung eines Mltgliedstaatenwahlrecht „[...] tragt sicher nicht zur Verbesserung der Qualltat der Rechnungslegung im Sinn von grolierer Vergleichbarkelt und starkerer Transparenz bei."^^^ Vor dem Hintergrund der gewollten Harmonisierung des europaischen Bllanzrechts kann die Existenz unterschiedllcher Begriffsdefinitionen von Ruckstellungen nur als bedauernswerter - politlscher Kompromiss gedeutet werden.

4.1.5 Notwendigkeit weiterer Pflichtangaben Die Notwendigkeit weiterer Pflichtangaben wIrd durch die EU-Kommission betont. Deutllch wird diese Haltung vor allem Im jungsten RIchtlinienvorschlag zur Oberarbeitung der 4. und 7. EG-Richtlinie vom 28.10.2004. Zentrale Punkte fur samtliche Jessen/Weller (2005a) S. 491. Ware die Bildung von Aufwandsruckstellungen nach HGB nicht mehr moglich, konnen ceteris paribus auch keine Restrukturierungsruckstellungen In Aniehnung an IAS 37 mehr geblldet werden. Dieses bezog sich bisher nur auf die Bewertung. Jessen/Weller (2005a) S. 491. Niehus (2002a) S. 1387.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

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Kapitalgesellschaften in Europa sind die geforderten Angaben uber Transaktionen mit nahe stehenden Personen sowie die Offenlegung nicht bilanzierter Geschafte, welche der Erhohung der Unternehmenstransparenz dienen sollen. Im Ralimen der Offenlegung von auflerbiianzielien Sacliverhalten stellt die Europaische Komnnission auf Zweckgeseiisciiaften ab, die in Zusammenhang nnit den jungsten Finanzmarktskandalen zur Verschleierung der finanziellen Lage missbraucht wurden. Die Regelung soil jedoch fur alle Kapitalgesellschaften in der Europaischen Union gelten. Dabei sind samtliche auderbilanziellen Aktivitaten aufzudecken, „[...] die unter anderem darauf ausgerichtet sind, wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen oder rechnungslegungstechnischen Zielsetzungen zu entsprechen."®^"^ Der Begriff eines nicht bilanzierten Geschafts wird vom Richtlinienvorschlag indes nicht weiter konkretisiert. Die Angaben sollen nach Ansicht der Europaischen Konnmission jedoch auf wesentliche Infornnationen respektive auf zum Verstandnis notwendige Ausfuhrungen beschrankt werden. Jn dieser Form bestande ein hoher Grad an subjektiver Entscheidungsfreiheit, solche Sachverhalte aufzunehmen. Auch der Abschlussprufer wurde hierdurch im Rahmen der Abschlussprufung grolien Unsicherheiten ausgesetzt, die Einhaltung der Vorschrift zu uberprufen."^^^ Damit ware ein Einfalltor fur Manipulationen geschaffen. Nach Ansicht des IDW bestehen „[...] Zweifel, ob zusatzliche Angaben im Anhang einen sinnvollen Weg zur Losung dieses Problems darstellen."^^® An deren Stelle muss vielmehr eine spezifische Fortentwicklung der (europaischen) Konsolidierungsvorschriften nach den internationalen Vorbildern des SIC-12 (IFRS) bzw. FIN 46 (USGAAP) treten. Beide stellen auf spezielle wirtschaftliche Gestaltungen ab, um die Konsolidierung von aufierbilanziellen Geschaften zu ermoglichen. „So besteht insbesondere in europaischen Landern weiterhin eine hohe Notwendigkeit zur Weiterentwicklung der Rechnungslegung im Bereich des konsolidierten Abschlusses."^^^ Eine Losung des Problems kann deshalb nicht in der pauschalen Ausweitung der Anhangvorschriften aller Kapitalgesellschaften stehen. Bei der Offenlegung von Transaktionen mit nahe stehenden Personen strebt die Europaische Kommission keine vollumfSngliche Ubernahme des IAS 24 an, um die nicht kapitalmarktorientierten europaischen Kapitalgesellschaften nicht uber Gebuhr zu belasten. „Unn6tige Lasten"®^® sollen demnach auf zwei Arten vermieden werden: Zum einen soil ein Mitgliedstaatenwahlrecht eingeraumt werden, um

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Europaische Union (2004c) S. 8. Lanfermann (2004) S. 4. Kustner (2004)8.318. Niehus (2002a) S. 1387 f. Europaisciie Union (2004c) 8. 5.

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kleine Gesellschaften von diesen Offenlegungsanforderungen auszunehmen, andererseits sollen sich die Angaben auf wesentliche Transaktionen beziehen, die nicht zu marktublichen Konditionen erfolgten.^^^ Nach deutschem HandeJsrecht sind de lege lata Angaben In einem derartigen Umfang nicht notwendig: Die gesetzlichen Regelungen des HGB befassen sich nicht gesondert nnit den Angehorlgen von Managem oder Gesellschaftern, sondern fordern ausschlielilich Angaben uber Mitglieder der Untemehmensorgane selbst bzw. uber die verbundenen Unternehmen einer Gesellschaft.®®° IAS 24 (rev. 1994) sieht indes die Offenlegung samtlicher Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen vor. Bei Letzteren handelt es sich nach IAS 24.3 nicht nur urn naturliche Personen, die direkt oder indirekt Antelle des bllanzlerenden Unternehmens beherrschen (konnen) bzw. einen maligeblichen EInfluss uber diese erhalten, sondern auch urn deren nahe Familienangehorige.^®'' Im Ergebnis bleibt der Standard bezuglich naher Familienangehoriger „[...] fur jede Auslegung offen"®®^, weshalb „[...] die Einbindung naher Angehoriger [...] als problematisch angesehen"®®^ wird. Nach Luck ist indes bezuglich des Umfangs der anzugebenden Geschafte sowie des relevanten Personenkreises von einer moglichst ausfuhrlichen und umfangreichen Berichtspflicht nach IAS 24 auszugehen.®^"^ Der europaische Richtlinienvorschlag hingegen bezleht sich sogar expressis verbis auf „Ehepartner von Organmitgliedern"^®^ Im Unterschied zu IAS 24 fordert der europaische Richtlinienvorschlag jedoch eine Beschrankung auf wesentliche und nicht marktubliche Transaktionen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Terminus „marktublich" abzugrenzen ist. Eine Erieichterung durch die Einschrankung wird insofern nicht gegeben sein, als „die Einschatzung der Marktublichkeit von Transaktionen In Ermangelung eines

Vgl. Lanfermann (2004) S. 3; Europaische Union (2004c) S. 5. Vgl. hierzu § 271 Abs. 2 HGB i. V. m. §§ 266, 268, 275 und 285 Nr. 3, 14 HGB; § 285 Nr. 9. 10, 11 HGB sowie §§ 313, 314 HGB. Deutlich umfangreichere Angaben fordert das AktG. Darunter fallen der sog. Abh^ngigkeitsbericht nach § 312 AktG sowie die Mitteilungspflichten der §§ 20 f.; vgl. Kuting/Weber/Gattung (2003) S. 54, 56; Niehus (2003b) S. 522. Nach IAS 24.3 (Fn. 1) sind „als nahe Familienangehorige einer naturlichen Person [..,] diejenigen anzusehen, von denen angenommen werden kann, dass sie in Bezug auf die Transaktionen mit dem Unternehnnen auf diese Person eine Einflussnahme ausuben oder von ihr beeinflusst werden." Nach Kirsch fallen in einer KG auch Kommanditisten in den von IAS 24 erfassten Personenkreis; vgl. Kirsch (2003a) S. 274. Niehus (2003b) S. 522. Schutte (2003) S. 459. E-DRS-13 bezeichnete hingegen als nahe Angehorige Ehe- oder Lebenspartner sowie Verwandte und Verschwagerte 1. und 2. Grades. Vor denri Hintergrund der Kritik am Begriff Lebenspartner, der nach LPartG ausfuhrlich definiert ist, wurde die Definition ganzlich gestrichen; vgl. Schutte (2003) 8. 459. Vgl. Luck (1997) IAS 24, Tz. 38. Vgl. Europaische Union (2004c) S. 9.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

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objektiven Vergleichsmalistabs in vielen Fallen nicht praktikabel sein durfte."^®® Das eroffnet Ermessensspielraume. Angesichts des Mafigeblichkeitsgrundsatzes ist des Weiteren von einer groilen steuerlichen Praxisrelevanz derartiger Anhangangaben auszugehen - insbesondere, wenn eine Transaktion als marktunublich einzustufen ware. Sind zudem maligeblich beteiligte Gesellschafter oder deren Familienangehorige involviert, ist eine derartige Angabe in jedem Fall „[...] steuerlich sensibel, well sie regelmallig Veranlassung bieten wird, dem Verdacht der verdeckten Gewinnausschuttung nachzugehen"®®^. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Bilanzierungspraxis den Publizitatsforderungen des IAS 24 gar nicht Oder nur sehr unzulanglich nachkommen wird, urn keinen Verdachtsmoment zu begrunden. Gleichzeitig ist die Prufung von Geschaftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen „[...] im Kern auf das Erfragen des zu prufenden Tatbestands angewiesen"^®® Die Grenzen der Pruf- und Nachvollziehbarkeit sind insofern schnell erreicht.

4.1.6 Kritische Wurdigung einer konservativen Reform 4.1.6.1 Europaische Perspektive Die Europaische Kommission hat durch die Andemngen im Rahmen der Modernislerungs- und Fair-Value-Richtlinie „[...] den Weg frei gemacht, ihre nationalen Rechnungslegungsvorschriften in dem Malie den lAS/IFRS anzunahern, wie sie es fur richtig halten, soweit sie von dem Staatenwahlrechten der EU-VO^®^ keinen Gebrauch machen"^^°. Ermoglicht wurden diese Modifikationen angesichts der Schaffung zahlreicher neuer Mitgliedstaatenwahlrechte. Den Mitgliedstaaten - und damit auch dem deutschen Gesetzgeber - eroffnet sich dadurch die Moglichkeit, das nationale Handelsrecht weitgehend an die einschlagigen Vorschriften der IFRS anzupassen. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich aufgrund der zahlreichen (neuen) Wahlrechte nicht. Demnach kann nationales Handelsrecht an die IFRS angepasst werden - es muss aber nicht! In der Folge bleiben zahlreiche (nationale) Inkompatibllitaten mit den Vorschriften der IFRS - absolut richtlinienkonform bestehen. Kritisch erscheinen insbesondere diejenigen Wahlrechte, die lediglich zu bestehenden EU-Vorschriften eine weitere (IFRS-)Alternatlve generiert haben

686

IDW(2005)S. 177. Niehus (2003b) S. 532. Niehus (2003b) S. 527. Gemeint ist damit die lAS-VO. Vgl. hierzu Kapitel 3.2, S. 81. Busse von Colbe (2004) S. 2069.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

und nicht das europaische Bilanzrecht jm Sinne einer Annaherung an die IFRS durch neue Regelungen erweitert und fortentwickelt haben. So ist etwa die Existenzberechtigung zweier Ruckstellungsbegriffe vor diesem Hintergrund kritisch zu betrachten. Bine derartige Mixtur unterschiedlicher Ansatze wird „[...] naturiicli nicht zur Klarheit und Vergleichbarkeit beitragen"®^\ Auch scheint es nicht ersichtlich, weshalb einerseits im Rahmen des jungsten Vorschlags zur Uberarbeitung der 4. und 7. EG-Richtlinie fur alle Gesellschaften die umfangreiche Offenlegung der Beziehungen zu nahe stehenden Personen sowie des Umfangs nicht bilanzierter Geschafte gefordert wird, urn deren wahren wirtschaftlichen Gehalt zu ergrunden, und andererseits das Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise („substance over form") lediglich als Mitgliedstaatenwahlrecht ins europaische Bilanzrecht ubernommen wird. Ziel der Europaischen Kommission ist „[...] eine an die jeweiligen nationalen Gegebenheiten angepasste und zeitlich flexible Transformation der einzelstaatlichen Rechnungslegungsnormen hin zu den lAS/IFRS"^^^. Die Europaische Kommission verfolgt damit eine langfristige Perspektive zur Umsetzung ihrer Doppelstrategie im Bereich der Rechnungslegung. Den Mitgliedstaaten soil ausreichend Zeit - und politischer Spielraum - gegeben werden, ihre nationale Rechnungslegung Schritt fur Schritt den internationalen Vorschriften anzupassen. Diese Transformationsphase wird jedoch aufgrund der permanenten Ausweitung von Mitgliedstaatenwahlrechten von einer temporSren Disharmonisierung des europaischen Bilanzrechts begleitet. Dennoch, die Grundsatzentscheidung zur Anwendung der IFRS in samtlichen europaischen Jahresabschlussen ist (langst) gefallen: „Mittelfristig stehen [...] alle Zeichen auf lAS/IFRS, so dass kunftig mit weiteren Anderungen der 4. und 7. EU-Richtlinie oder Verordnung zu rechnen ist, welche die lAS/IFRS endgultig und verbindlich fur alle Unternehmen in der EU zementieren."^^^ Diese Entwicklung ist derzeit - vor dem Hintergrund der neuen Wahlrechte - zwar noch nicht absehbar, zur Umsetzung der EU-Doppelstrategie jedoch unabdingbar. Die Modernisierungs- und Fair-Value-Richtlinie sowie der jungste Richtlinienvorschlag vom 28.10.2004 stellen somit nur den ersten Schritt im Rahmen einer langfristigen und grundlegenden Transformation des europaischen Bilanzrechts in Richtung internationaler Vorschriften dar. Der Status quo des europaischen Bilanzrechts nimmt damit lediglich die Stellung einer Oberganglosung ein.

NIehus (2002a) S. 1389. Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 396. BOcking/Herold/Wiederhold (2003) S. 407.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

135

Gleichzeitig ergibt sich weiterer Oberarbeitungsbedarf der europaischen Rechnungslegungsrichtlinien infolge der permanenten Fortentwicklung der IFRS. So bestehen de lege lata Inkompatibilitaten von europaischem Bilanzrecht und internationaler Rechnungslegung in den Bereichen der immateriellen Vermogenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer sowie beim Impairment-Only-Ansatz nach IAS 36. Gleiches gilt fur einen negativen Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolldierung, der nunmehr nach IFRS 3.56 vollstandig und unmittelbar als Ertrag zu verelnnahmen ist.^^ Dabei wird deutlich, dass weitere Anderungsrichtlinien folgen mussen, urn aus europaischer Sicht mit der dynamischen Entwicklung auf internatlonaler Ebene Schritt halten zu konnen, wenn die IFRS der EuropSischen Kommission weiterhin als universeller Referenzmafistab dienen sollen. Die Annaherung an die IFRS wird sich jedoch nicht nur auf bestimmte Regelungen zu Ansatz und Bewertung beschranken. Der jungste Richtlinienvorschlag macht deutlich, dass die europaischen Kapitalgesellschaften mit einer massiven Ausweitung ihrer Publizltatspflichten zu rechnen haben. Obgleich die Ursprunge dieser Entwicklung in erster Linie auf die Finanzmarktskandale der letzten Jahre zuruckzufuhren sind - und weniger als gezielte Angleichung an die IFRS zu verstehen sind ~ so fuhrt die Umsetzung dieser Vorschlage zur Obernahme einschlagiger IFRS-Regelungen. Im Ergebnis werden die Publizitatsvorschriften des Kapitaimarktes damit fur samtliche europaische - in der Mehrzahl nicht kapitalmarktorientierte - (Kapital-)Gesellschaften relevant. Dem deutschen Gesetzgeber bleibt indes keine andere Wahl, als sich auf einen andauernden Reformprozess im europaischen Bilanzrecht einzustellen. Dieser hat letztlich mittelbare Konsequenzen fur samtliche Unternehmen in Deutschland: J e fruher die Anpassung durch den Gesetzgeber erfolgt, desto schneller lassen sich fur deutsche Unternehmen nicht nur international Vorteile realisieren."^^^ Die (Internationale) Akzeptanz und Verbreitung des deutschen Handelsrechts wird von diesen Madnahmen profitieren.

4.1.6.2 Deutsche Perspektive Die Rucksichtnahme auf die steuerrecht- und gesellschaftsrechtlichen Funktionszusammenhange im deutschen Einzeljahresabschluss lassen auf ein „umsichtiges Vorgehen"^^^ des deutschen Gesetzgebers schliefien. Im Zentrum der Betrach-

Diese Regelung entspricht weder der 7. EG-Richtlinie noch § 309 HGB; vgl. Busse von Colbe (2004) S. 2069 f. Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 407. Schildbach (2003)8.1078.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

tung stehen zunSchst die umfangreichen Ansatz- und Bewertungswahlrechte, die im deutschen Handelsrecht den bilanzierenden Untemehmen gewShrt werden. Allein hieraus ergibt sicii bereits ein betrachtliclier Umfang an Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, deren Abschaffung oder IVIodifikation eine grundlegende Reform des deutschen Handelsrechts begrunden konnte.^®^ Die Mehrzahl dieser Wahlrechte kann zudem ohne Konsequenzen fur Ausschuttungs- und Steuerbemessungszwecke abgeschafft werden - mit dem Ergebnis einer nachhaltigen Reduktion von bilanzpolitischen Verzerrungen im handeisrechtiiclien Jahresabschluss. Angesichts der Existenz zaiiireicher Wahlrechte der 4. EG-Richtllnie und der fehlenden Notwendigkeit, diese In nationales Handelsrecht umzusetzen, bestehen fur den deutschen Gesetzgeber derzeit jedoch kaum Anreize noch das Erfordernis einer grundlegenden handelsrechtlichen Reform: „Die Modernisierung der Rechnungslegungsrichtlinien als zweiter Ansatz der Doppelstrategie der EU-Kommission wird den handelsrechtlichen (Einzel-)Jahresabschluss in der absehbaren Zukunft [...] nicht grundlegend verandern."^®® Eine weitergehende Internationalisierung des deutschen Einzeljahresabschlusses - wie etwa durch eine Abschaffung des steuerlichen Maflgeblichkeitsgrundsatzes - ist demnach zunachst nicht zu enA^arten. Am Ende der derzeltigen Reform steht damit „[...] weiterhin der ,alte', aber modernisierte HGB-Abschluss."®^® Eine Annaherung an die einschlagigen internationalen Rechnungslegungsvorschriften kann vor dem Hintergrund der gegebenen steuer- und gesellschaftsrechtlichen Restriktionen insofern nur auf selektiver Grundlage erfolgen. Will der deutsche Gesetzgeber bspw. den Forderungen nach der Fair-Value-Bewertung von Finanzinstrumenten im Konzernabschluss nachkommen, muss der In § 298 Abs. 1 HGB verankerte Aquivalenzgrundsatz der Relevanz von Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Einzeljahres- fur den Konzernabschluss durchbrochen werden. Gleichzeitig muss fur eine Kategorie von Verm5gensgegenstanden vom Anschaffungskostenprinzip des § 253 Abs. 1 S. 1 HGB abgewlchen werden. Gegen die erfolgswirksame Marktwertbewertung von Finanzinstrumenten im Einzeljahresabschluss sprechen zudem Bedenken aufgrund der Ausschuttungs- und Steuerbemessungsfunktion. Problematisch erscheint ferner das Fehlen einer objektlvierbaren Bewertungsgrundlage, wenn auf alternative Bewertungsverfahren zuruckgegriffen werden muss. Vor dem Hintergrund des daraus resultierenden Gestal-

Zu Umfang und Existenzberechtigung der bilanziellen Wahlrechte nach HGB vgl. Kapitel 4.1.4.1,3. 106. Schildbach (2003)8.1078. Ernst (2003) S. 1491.

4.1 Reform des HGB-Einzeljahresabschlusses

137

tungspotentials des bilanzierenden Unternehmens „[...] verbleiben zwei [vernunftige] Altemativen: Man verzichtet auf die Fair-Value-Bewertung oder man zeigt ihre Grenzen auf."^°° Letzteres fuhrt zu weiteren - selektiven - Abweichungen von den IFRS, die angesichts der europclischen Harmonisierungsbestrebungen sowie der gewollten Konvergenz mit den IFRS nicht erstrebenswert erscheinen. Deutllch wird dabei, dass der Gesetzgeber mit derartigen Annaherungen an die Vorschriften der IFRS zwar pragmatische LosungsansStze fur die Bilanzpraxis schafft, aber keinesfalls eine systematisch befriedigende - und damit langfristige - Antwort auf die jungeren Entwicklungen in der internationalen Rechnungslegung geben kann. Das Beispiel der Fair-Value-Bewertung verdeutlicht ferner die zunehmende Spaltung zwischen Einzeljahres- und Konzernabschluss. Wahrend der Konzernabschluss aufgrund seiner zentralen Ausrichtung auf die Informationsfunktion den IFRS leichter angepasst werden kann, muss auf eine umfangreiche Adaption einschlagiger Regelungen der internationalen Rechnungslegung infolge des Zweckpluralismus' des deutschen Einzeljahresabschlusses verzichtet werden/^"* Die Diskussion um die Ubernahme von international ubiichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden steht jedoch erst am Anfang. Vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung der IFRS und dem daraus resultierenden Anpassungsdruck in Europa wird sich der deutsche Gesetzgeber mittel- bis langfristig in verstarktem Mafie mit den einschlagigen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden der IFRS beschaftigen mussen7°2 Einer direkten Ubernahme einschlagiger IFRS-Vorschriften in das deutsche Handelsrecht hat der Gesetzgeber jedoch (zunachst) Grenzen durch die Bewahrung des steuer- und gesellschaftsrechtlichen Funktionszusammenhangs des Einzeljahresabschlusses in Deutschland gesetzt. Der Gesetzgeber betont, dass „zum gegenwartigen Zeitpunkt [...] die vorgeschlagene Reform das richtige Mali [...]"^°^ bedeutet. Dem kann nur soweit zugestimmt werden, als anhand der angekundigten Malinahmen eine Starkung der handelsrechtlichen Jahresabschlusszwecke de lege ferenda erreicht wird: Eine verstarkte Objektivierung in der handelsrechtlichen Bilanzierung fuhrt durch eine Einschrankung des bilanzpolitischen Aktionspotenzials nicht nur zur Verbesserung der Qualitat von handelsrechtlichen Jahresabschlussinformationen, sondern auch zu einer Starkung der Kapitalerhaltungsfunk-

^°° Ballwieser/Kuting/Schildbach (2004) S. 547. ^°^ Zu den Aufgaben des Einzeljahresabschlusses in Deutschland vgl. Kapitel 5.1, S. 190. ^^^ Die daraus entstehende Reformnotwendigkeit wird weiterfuhrend in Kapitel 5.3.3, S. 298 behandelt. ^°^ Ernst ( 2 0 0 3 ) 8 . 1 4 9 1 .

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4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

tion. „Eine Handelsbilanz, die in der besciiriebenen Weise von den ihr gegenwartig anhaftenden Mangein, insbesondere von den zahlreichen Wahlrechten unter Einschlu(l[!] des Ubels der umgekehrten Madgeblichkeit befreit ist, wurde nahe liegende Einwendungen gegen ein bilanzrechtlich fundiertes Kapitalschutzprinzip entkraften."^°^ Vor dem Hintergrund des in Europa weiterhin bestehenden bilanziellen Glaubigerschutzsystenns^^^ kann (noch) an der bilanziellen Ausschuttungsbemessung festgehalten werden.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss 4.2.1 Moglichkeiten und Grenzen der IFRS im Einzeljahresabschluss Ihrer angelsachsischen Tradition entsprechend sehen die IFRS als vorrangige Aufgabe des Jahresabschlusses die Bereltstellung von entscheldungsrelevanten Infonnatlonen fur einen brelten Adressatenkreis. Ein Jahresabschluss nach IFRS ist - Im Unterschied zum Aufgabenplurallsmus des deutschen Einzeljahresabschlusses - konzeptionell auf die Informationsfunktion beschrankt. Er dient weder der Kapitalerhaltung von Unternehmen noch besitzt er eine Ausschtittungsbemessungsfunktlon7°® Anstelle der Ermittlung eines - unter Glaubigerschutzaspekten (HGB) - unbedenklich ausschuttungsfahigen Gewinns sollen nach angelsachsischer Rechnungslegung die Jahresabschlussadressaten (i. d. R. die Kapitalgeber) umfangreiche Informationen uber die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit des Unternehmens erhalten. Mit der Anwendung der vorrangig der Informationsfunktion verpflichteten Rechnungslegung nach IFRS geht eine Neuorientierung der Grundsatze und Prinzlpien der ordnungsgemafien Rechnungslegung einher: Das nach deutschem Handelsrecht dominierende Prinzip der Vorslcht wird in einem Jahresabschluss nach IFRS zugunsten des „true-and-fair-views" als Primarzlel, also einem den tatsachlichen Verhaltnlssen entsprechenden Bild der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens, deutlich abgeschwacht (F. 9 f.)/°^ Neben der Beschrankung auf die Informatlonsvermittlung sind die IFRS zudem volllg losgelost von steuerrechtlichen Vorschriften anzuwenden, so dass eine Ubernah-

Schulze-Osterloh (2004b) S. 1137. Der von der Europaischen Kommission am 21.5.2003 vorgelegte Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance sieht ein Festhalten am bilanziellen Kapitalerhaltungssystem vor. Alternatlven wie ein Solvency-Test nach US-amerikanischem Vorblld sollen jedoch mittelfristig gepruft werden; vgl. Maul/Lanfermann/Eggenhofer (2003) S. 1294; EuropSische Gemelnschaft (2002) S. 94-96. Vgl. Raffournier (2000) S. 96 f. Vgl. F. 9 f. sowie Achleitner/Behr (2003) 8. 9-12; Glaum (2001) S. 124-126.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

139

me steuerlich beeinflusster Werte im Unterschied zur deutschen Handelsbilanz in keinem Falle zulassig ist7°® Die einem deutschen Einzeljahresabschluss inharenten Funktionen liegen damit aulierhalb der Zielsetzung der IFRS. Obwohl die IFRS sich grundsatzlich gleichermafien auf den Einzeljahres- wie den Konzemabschluss beziehen, wird ein nach IFRS aufgestellter Jahresabschluss konzeptionell vor allem einem Konzemabschluss entsprechen, dessen primarer Zweck in seiner spezifischen Informationsfunktion liegt, der aber kelne Ausschuttungsbemessungsfunktion innehat7°^ Vor dem Hintergrund, dass der deutsche Einzeljahresabschluss nach seiner gegenwartigen normativen Konzeption im Unterschied zu seinem IFRS-Pendant kein „Ein-Zweck-lnstrument" darstellt, sondern in einen umfassenden steuer- und gesellschaftsrechtlichen Zweckrahmen eingebunden ist, muss vorweg die Frage nach der generellen Eignung der IFRS fur die Zwecke des Einzeljahresabschlusses erortert werden.

4.2.2 Eignung der IFRS fur den Einzeljahresabschluss Die Uberprufung der Eignung der IFRS fur den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss wird anhand der (in Deutschland) ubiichen Funktionen und Aufgaben eines Einzeljahresabschlusses vorgenommen7''° Neben dem ursprunglichen Zweck der Informationsvermittlung werden im Folgenden die Moglichkeiten der IFRS zur Ausschuttungsbemessung sowie ihre Eignung als Basis der steuerlichen Gewinnermittlung untersucht. Dabei soil eine rein funktionale Betrachtung erfolgen/^^ Im Mittelpunkt steht die Frage, ob ein konzeptionell ausschliefilich auf die Informationsfunktion ausgerichtetes - und damit monofunktionales - Normensystem de lege lata geeignet Ist, den weiterfuhrenden Funktionen des deutschen Einzeljahresabschlusses zu entsprechen.

Vgl. Janke (2003) S. 398; Schulze-Osterloh (2003) 8. 95. Vgl. IAS1.2. Vgl. zu den handelsrechtlichen Aufgaben eines Einzeljahresabschlusses auch Kapitel 5.1, S. 190. Politische, okonomische oder andere Grunde, die fur oder gegen eine Ubemahme der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss sprechen, sollen unter Berucksichtigung der in Kapitel 3 dargelegten einheitlichen europSischen Rechnungslegungsstrategie bei dieser Betrachtung nicht beachtet werden. Im folgenden Kapitel soil ausschliedlich die Frage beantwortet werden, ob die IFRS sich rein funktional als Normen fur den deutschen Einzeljahresabschluss eignen.

140

4 Internationalisierung des Einzeijahresabschlusses

4.2.2.1 Informationsfunktion 4.2.2.1.1 Primat der Informationsvermittlung Im Rahmen des Konzeptes der ..decision usefulness" kommt einem IFRSAbschluss die zentrale Aufgabe zu, Informationen uber die Vermogens-, Flnanzund Ertragslage eines Unternehmens und deren Entwicklung im Zeitablauf zu ubermlttein, welche als Basis der dkonomischen Entscheidungen von Investoren, Kreditgebern und anderen Bilanzadressaten gelten/''^ Nach F. 15 mtissen die Informationen, die dem Abschlussadressaten ermdglichen sollen, Gkonomische Entscheidung zu treffen, vor allem einer Beurteilung der FShigkeit des bilanzierenden Unternehmens dienen, Cash Flows zu generieren/''^ Grunds^tzlich soil ein IFRSAbschluss zwar einer Vielzahl von Bilanzadressaten^^^ als nutzliche Entscheidungsgrundlage dienen, jedoch steht das Investorinteresse im Vordergrund. In diesem Zusammenhang wird in F. 10 unterstellt, dass sich das Interesse der Investoren bezuglich ihres Informationsbedurfnisses nicht von den Anforderungen anderer Adressatengruppen wie den GlSubigern unterscheidet. Als Begrundung werden die Residualanspruche der Investoren angefuhrt. Eine Rechnungslegung, die ihren AnsprQchen genugt, wird demnach auch den Belangen aller anderen Adressatengruppen gerecht. Aus diesem Grund wird weder dem GISubigerschutz noch dem Vorslchtsprinzip eine ubergeordnete Bedeutung zugesprochen/"*^ Die Reduktion des Adressatenkreises auf die Zielgruppe der Investoren - vergleichbar mit einem Jahresabschluss nach US-GAAP - ist Ausdruck des shareholderorientierten Ansatzes der Rechnungslegung, der die Kapitalmarktorientierung angelsachsischer Rechnungslegungsnormen begrundet. Der Nettoausschuttungsstrom steht dabei im Zentrum einer solchen anteilsorientierten Rechnungslegung. Der kontinentaleuropaische Bilanzierungskreis folgt indes einem Koalitionsansatz, der von einem Kompromiss bzw. Interessenausgleich der verschiedenen Adressatengruppen ausgeht, wobei dem Glaubigerschutz eine ubergeordnete Bedeutung zukommt/''^ Das folglich in einem handelsrechtlichen deutschen Jahresabschluss dominierende Postulat der Vorsichtigkelt spielt bel der Rechnungslegung nach IFRS hingegen erst auf einer nachgelagerten Ebene eine Rolle. Zur Entscheidungsnutzlichkelt von Informationen gehort, sie neutral (ohne groUe Wahlrechte und Ermessensentscheidungen) zu ermittein und bei Unvermeidbarkeit von

Vgl. F. 12. Vgl. F. 15; Ludenbach (2004) S. 44. Wie das HGB nennt das IFRS-Framework Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Lieferanten, Kunden, den Staat inkl. staatlicher BehSrden sowie die allgemelne Offentlichkeit. Vgl. F . I 0. Vgl. Wagenhofer (2005) S. 22 f.; Raffoumler (2000) S. 97.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

141

SchStzungen diese m5glichst vorsichtig vorzunehmen. Vorsicht markiert vor diesem Hintergrund lediglich die Art und Weise einer Schatzung oder Ermessensentscheidung. Sie rechtfertigt nach dem Verst^ndnis der internationalen Rechnungslegungsnormen keine bewusste Unterbewertung von Aktiva oder Ertragen bzw. Oberbewertung von Passiva. Eine derartige Bilanzierung entsprSche nicht der nach IFRS vorgesehenen neutralen und zuveriSsslgen Ermittlung von entscheidungsrelevanten informationen/^^ Die IFRS-Rechnungslegung baslert indes nach F. 12 auf nur zwei Annahmen: •

der Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermlttlung (..Accrual Basis") und

•

der Grundsatz der Unternehnnensfortfuhrung („Going-Concern"-Prinzip).

Beide Prinzipien sind zwar auch als GrundsStze ordnungsgemafier Buchfuhrung (GoB) Im deutschen Handelsrecht kodiflziert, werden jedoch im Rahmen des Konzeptes der ..Decision Usefullness" nach IFRS inhaltlich unterschiedlich interpretlert. Dies wird besonders beim Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermlttlung deutlich, der nach IFRS eine dominante Stellung einnimmt und im Vergleich zum deutschen Handelsrecht wesentlich geringeren Einschrankungen durch andere Prinzipien bzw. Grundsatze unterliegt.^^® Vor dem Hintergrund der ..Fair Presentation" sind demnach nicht nur realisierte, sondern auch realisierbare ErtrSge auszuweisen. Exemplarisch zeigt sich dies bspw. bei der langfristlgen Auftragsfertigung nach IAS 11, die eine Gewinnreallsierung entsprechend dem Leistungsfortschritt vorsieht. Die dem deutschen VerstSndnis diametral entgegenstehende Auslegung des Realisationsprinzips hat den Ausweis unreallsierter Gewinne zur Folge. Gleiches gilt fur die Fair-Value-Bewertung von bestimmten Finanzinstrumenten nach IAS 39. Auch in diesem Zusammenhang fuhrt die unterschiedliche Interpretation der periodengerechten Erfolgsermlttlung u. U. zum Ausweis von nicht realisierten Marktwertschwankungen.^"*® Um die Eignung der IFRS hinsichtlich der Informationsfunktion eines Einzeljahresabschlusses beurteilen zu konnen, ist das qualitative Niveau ihrer Jahresabschlussinformationen objektiv zu untersuchen. Die Grundsatze des Frameworks als theoretisches Fundament der internationalen Rechnungslegung - konnten bspw. zur Oberprufung der Qualitat von Informatlonen in einem IFRS-Abschluss herangezogen werden. Die gangige Behauptung, die internationalen Rechnungslegungsnormen liefern aufgrund ihrer Investor- und Kapitalmarktorientierung ein

^^^ Vgl. F. 36 f. sowie Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1. Tz. 26. ^^^ Vgl. Raffournier (2000) S. 97. ^^^ Vgl. Schulze-Osterloh (2003) S. 398 f.; Euler (2002) S. 878; Bassen (2000) S. 449.

142

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

qualitativ hochwertigeres Niveau an Jahresabschlussinformationen als das deutsche Handelsrecht mussten demnach ihren Ausdruck in relevanteren, verlasslicheren oder vergleichbareren Daten finden7^° Die im Framework als theoretisches Fundament der IFRS-Rechnungslegung kodifizierten diversen Grundsatze und Prinzipien einer ordnungsgemaHen Rechnungslegung beschranken sich jedoch auf die Beschreibung eines Soll-Zustandes und mussen daher nicht zwingend mit der Bilanzierungspraxis ubereinstimmen. Coenenberg sieht keine Moglichkeit, im statischen Abgleich von Normen zweier Rechnungslegungssysteme Rucksclilusse auf deren Informationsgehalt zu Ziehen: „[...] grundsatzliche Unterscliiede im Informationsgehalt verschiedener Rechnungslegungssysteme, auch uber lange Zeit hinweg, lassen sich so nicht erfassen"^^\ In gleicher Weise kommen Ludenbach/Hoffmann zu der Schlussfolgerung, dass die Aussage, die JAS sei[en] informations- und kapitalmarktorientiert und [das] HGB glaubigerorientiert zunachst nur ein (moglicher) Befund von Regelunterschieden [ist] und nicht notwendigerwelse eine Beschreibung der Rechnungslegungswirklichkeit"^^^ sei. Eine Oberprufung der Eignung der IFRS im Rahmen der Informationsfunktion des Einzeljahresabschlusses kann daher nicht ohne Berucksichtung der potenziellen Elnschrankungen ihrer Informationsqualitat durch bllanzpolltische MaHnahmen und Spielraume erfolgen. Dabei muss vor allem auf unechte Wahlrechte und Ermessensspielraume sowie Anreize, welche die IFRS fur stichtagsvorverlagernde Wahlrechte setzen, abgestellt werden. Die expliziten, stichtagsverlagernden Wahlrechte eines Rechnungslegungssystems sind i. d. R. fur einen sachverstandigen Bilanzleser durchaus erkennbar und stellen daher eher ein Kosten- als ein Qualitatsproblem dar. Aus Sicht des bilanzierenden Untemehmens verfehlen sie daher die gewunschte Informationswirkung. Jedoch lasst sich Insbesondere mit unechten Wahlrechten „[...] eine gerauschlose und demzufolge auch effizlente Bilanzpolitik betreiben."^^^

4.2.2.1.2 Einschrankung der Informationsqualitat durch bilanzpolitische Spielraume Im Vergleich zu den zahlreichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten des deutschen Handelsrechts kennen die IFRS beim Bilanzansatz und der Bewertung nur wenige (echte) Wahlrechte. Dennoch dulden bzw. gestatten die internationa-

^^° Vgl. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 43. ^^^ Coenenberg (2003) S. 1209. ^^^ Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1. Tz. 40. ^^^ Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 50.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

143

len Normen implizite Wahlrechte und Ermessensspielraume, die dem HGB fremd sind und im Folgenden beschrieben werden sollen/^^ Im Rahmen der wenigen expliziten Wahlrechte unterscheiden die IFRS indes zwischen Regelfall (Benchmark-Methode) und alternativer Bilanzierungs- bzw. Bewertungsmoglichkeit (Alternative Allowed Treatment). Letztere wird jedoch aufgrund erhohter Anhangangaben gegeniiber der bevorzugten Methode dlskriminiert. Dem Bilanzadressaten wird deshalb schnell ersichtlich, fur welche Methode sich der Bilanzierende entschieden hat. HIerbei handelt es sich um echte Wahlrechte, die kelnem ubergeordneten Prinzip entsprechen mit Ausnahme dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit.^^^ Die nach IFRS zulassigen Wahlrechte t>eziehen sich dabei vor allem auf Bewertungsmethoden.^^^ Explizite Ansatzwahlrechte - mit Ausnahme der Sofortabschreibung von unwesentllchen Vermogenswerten nach F. 29 f. i. V. m. IAS 1.29 aufgrund von Wesentlichkeitsgesichtspunkten sowie der Aktivierung von Fremdkapitalkosten im Rahmen der Anschaffungsbzw. Herstellungskosten nach IAS 23.11^^^ - sind den IFRS seit jeher fremd gewesen.^^® Davon abzugrenzen sind zwei Sachverhalte: •

Beim Ansatz von selbst erstellten immateriellen Verm5genswerten besteht nach h. M. aufgrund der aulierst restriktiven Ansatzkriterien des IAS 38.57 (rev. 2004) ein faktisches Aktivierungswahlrecht.'^^^ Wahrend die starke Betonung von Vorsichts- und Objektivlerungsgesichtspunkten im deutschen Handelsgesetz aufgrund mangelnder Zuverlassigkeit der Bewertung konsequenterweise zum expliziten Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB fur selbst erstellte immaterielle Verm6gensgegenstande fuhrt, besteht nach IAS 38 ein grundsatzliches Aktivienjngsgebot, sofern die der Entwicklung zuzurechnenden Aufwendungen die in IAS 38.57 n. F. formulierten sechs Ansatzkriterien kumulativ erfullen. Diese sind „wenig trennscharf"'^^^ formuliert und daher mit erheblichen Einschatzungsspielraumen verbunden. Damit bleibt es dem Ma-

Auf diese beschrankt sich das vorliegende Kapitel. Fur einen umfassenden Vergleich des Gestaltungspotenzials im Rahmen der Abschlussersteilung nach IFRS und HGB vgl. Muller/Wulf (2001) S. 2206-2213; Engei-Ciric (2002) 8. 780-784. Vgl. Ludenbach (2004) 8. 60. Vgl. Born (2002) 8. 74, der eine Ubersicht uber die verbliebenen Wahlrechte gibt. Bel qualifizierten Vermogenswerten besteht ein einmalig und einheitlich auszuubendes Wahlrecht zur Aktivierung von Fremdkapitalkosten; vgl. IA8 23.11 i. V. m. 8IC-2. Vgl. Muller/Wulf (2001) 8. 2206. Vgl. stellvertretend Baetge et al. (2002) IA8 38, Rn. 49; Wagenhofer (2001) 8. 154; Heuser/Theile (2003) 8. 96, Rn. 295 sowie ausfuhrlich Keitz (1997) 8. 190-193; Kuting/Dawo (2002) 8. 1157-1163. Ausfuhrlich dargestellt werden diese von Baetge/Hollmann (2004) 8. 352-354. Euler(2001)8.2636.

144

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses nagement des bilanzierenden Untemehmens letztlich selbst uberlassen, ob im Rahmen der entstandenen Entwicklungskosten die Ansatzkriterien erfullt sind und diese somit aktiviert werden kCnnen oder aber mit sofortiger Wirkung in den Aufwand verbucht werden/^^ Nach LQdenbach/Hofmann sind in diesem

Zusammenhang „[...] dem subjektiven Ermessen des Managements bei der Bilanzierung kaum Grenzen gesetzt [...]"^^^. Ammann/IVIuller gelangen mit Blick auf das Aktivierungsgebot des IAS 38 zu folgender Sclilussfolgerung: „So werden aus Abgrenzungskritehen letztlicli (Quasi-)Wahlreclite, die absclilusspolitisch genutzt werden kGnnen."^^^ Darunter leidet in erhebllchem IVIade die Vergleichbarkeit von IFRS-Abschlussen untereinander - zumal dieses Ansatzwahlreclit In praxi branchenbezogen oder brancheniibergrelfend vollkommen unterschiedlicli ausgeubt wird/^^ •

Gleiches gilt fur die Aktivlerung von latenten Steuern auf steuerliche Verlustvortr^ge. Nach IFRS stellen steuerliche Verlustvortrage einen verm5genswerten Vorteil dar, da zukunftige Gewinne bis zur Hohe des Verlustvortrages kelner Ertragsbesteuemng unterliegen. In Konsequenz 1st der Steuereffekt aus einem am Bilanzstichtag bestehenden Verlustvortrag nach IAS 12.34 zu aktivieren, sofern mit ausreichender SIcherheit davon ausgegangen werden kann, dass zukunftig ein steuerpflichtiger Gewinn zur Verrechnung des Verlustvortrages anfallen wird/^^ Annahmen uber die kunftige Gewinnsituation sind jedoch in jedem Falle mit Unsicherheit behaftet und unterliegen folglich dem subjektiven Ermessen des Bilanzierenden/^® Ludenbach/Hofmann kritisieren daher auch in diesem Zusammenhang eine „hohe ErmessensabhSngigkeit"'^^^ bei der Bilanzierung von Steuerlatenzen. Engel-Ciric, der weder in der hinreichenden Wahrschelnlichkelt von mehr als 50 % noch In der jahrlichen Oberprufung der Werthaltigkeit nach IAS 36 HQrden fur einen bilanzpolitisch gewollten Ansatz von aktiven Steuerlatenzen auf Verlustvortrage sieht, kommt zu folgender Schlussfolgerung: Jnsofern kann insbesondere in Verlustsltuationen die Aktl-

Vgl. FSrschle/Holland/Kroner (2003) S. 222; Muller/Wulf (2001) S. 2206 f. LOdenbach/Hoffmann (2003) § 13, Tz. 31; Shnrich auch Kuting/Dawo (2002) S. 1162, die ein „nicht unerhebliches bilanzpoiitisches Potenzial" sehen. Ammann/Muller (2003) S. 308. Vgl. Fischer/Klopfer/Sterzenbach (2004) S. 697; Ranker/Wohlgemuth/Zwirner (2001) S. 272, 278. Vgl. Born (2002) S. 577 f.; Liidenbach/Hoffmann (2003) § 26. Tz. 55. Vgl. Schulze-Osterloh (2004a) S. 1131, der feststellt: „Die Prognose 1st [...] aufierordentlich unsicher." Ludenbach/Hoffmann (2003) § 26, Tz. 55. Ahnlich sieht dies Kirsch (2003b) S. 243, der in diesem Zusammenhang von einem ..erheblichen Prognosespielraum" spricht.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

145

vierung latenter Steuern als Instrument fur eine die ungunstige Lage verschleiernde Bilanzpolitik missbraucht werden."^^® Die Vorschriften zur Aktivierung von immateriellen Verm5genswerten und aktiven latenten Steuern auf steuerliche VeriustvortrSge gehSren zu den „[...] wesentlichen verdeckten Ansatzwahlrechte[n] [...]"^^^ nach IFRS. Deutlich wird dabei, dass die IFRS weniger durch expllzite Ansatzwahlrechte als durch EinschStzungsspielraume des Bilanzierenden geprSgt sind. GrundsStzlich jedoch enthalten die IFRS im Unterschied zum HGB keine expliziten Ansatzwahlrechte. Die bestehenden Bewertungswahlrechte wurden zudem im Rahmen der Comparability- und Improvement-Projekte^^^ durch die sukzessive Abschaffung alternativer Bewertungsmethoden deutlich verringert. Damit zeichnen sich die IFRS heute nur noch durch wenige verbllebene - offen erkenntliche - Bewertungswahlrechte aus. Zu diesen gehoren insbesondere die Wahl des Verbrauchsfolgeverfahrens nach IAS 2, die durch Abschaffung des LIfo-Verfahrens weiterhin eingeschrankt wurde, sowie die Moglichkeiten zur Neubewertung im Rahmen der Folgebewertung von Sachanlagevermogen bzw. immateriellem Aniagevermogen nach IAS 16 bzw. 38. In den jungeren Standards ist indes ein erneuter Anstieg von (echten) Bewertungswahlrechten als ..Nebenprodukt" der vom lASB forcierten Fair-Value-Bewertung zu beobachten: •

So gestattet IAS 39 (rev. 2004)^"^^ - sofern vom bilanzierenden Unternehmen die neu geschaffene Kategorie ..erfolgswirksame Finanzinstrumente zu Verkehrswerten" (financial asset or liability as at fair value through profit or loss) gewahit wurde - eine Fair-Value-Bewertung samtlicher Finanzinstrumente. Durch Einfuhrung dieser neuen Bewertungskategorie wurde die Rechnungslegung zu Verkehrswerten deutlich enA/eitert. Demnach konnen samtliche Finanzinstrumente bei ihrer erstmaligen Erfassung (bzw. bei erstmaliger Anwendung des IAS 39 n. F.) als „erfolgswirksame Finanzinstrumente zu Verkehrswerten" klassifiziert werden. Somit werden die Marktwertschwankungen der betroffenen Finanzinstrumente im Rahmen der Folgebewertung unmittelbar erfolgswlrksam erfasst.^"^^ Nach dem IAS 39 a. F. wurden Finanzinstrumente

Engel-Ciric ( 2 0 0 2 ) 8 . 7 8 1 . Kirsch (2003c) S. 1116. Vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.2.1, S. 34 sowie Kapitel 2.2.2.3, S. 40. Der durch das Improvement-Projekt uberarbeitete IAS 39 n. F. tritt (ebenso wie der IAS 32) verbindlich fur Berichtsperioden in Kraft, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen. Vgl. Grunberger/Grunberger (2004) S. 120.

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4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses noch in eine von vier Kategorien eingestuft, auf deren Basis die Folgebewertung vorgenommen wurde. Mit Ausnahme der Kategorie „vom Unternehmen ausgereichte Forderungen und Kredite" wurde die Klassifizierung aller ubrigen Finanzinstrumente letztlich durch die Absichten der Unternehmensfuhrung entschieden, die diese mit dem EnA^erb bzw. dem Halten der entsprechenden Finanzinstrumente verbunden hat/^^ Einschrankungen bestehen nach altem und neuem IAS 39 dabei lediglich fur „bis zur Endfalligkeit zu haltende Wertpapiere", die zu fortgefuhrten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bewertet \Ner6en7^ Bereits nach IAS 39 a. F. bestanden daher im Rahmen der Klassifizierung von Finanzinstrumenten - vor allem wegen der damit verbundenen Behandlung von unrealisierten Kursgewinnen - Ermessensspielraume fur den Bilanzierenden, die ein „beachtliches bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial"^^^ darstellen. Durch die Moglichkeit der so genannten Neu-Designation von samtlichen Finanzinstrumenten zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung von IAS 39 (rev. 2004) sind diese Ermessensspielraume sogar gewachsen. Demnach konnen Finanzinstrumente der Kategorien „Trading", „Held-to-Maturity" sowie „Loans and Receivables" - als freie Ermessensentscheidung des Managements - entweder in die neue Kategorie ..erfolgswirksame Finanzinstrumente zu Verkehrswerten" eingeordnet oder als „Available-for-Sale" klassifiziert werden.^^^ Aufgrund der Moglichkeit zum generellen erfolgswirksamen Verkehrswertansatz ist damit bei „zur Veraufierung verfugbaren Finanzinstrumenten" auch das bisherlge Wahlrecht der erfolgswirksamen oder -unwirksamen Behandlung von Marktwertschwankungen uberflusslg geworden/^^ Die Neuregelung zeigt den Willen des lASB zur (erfolgswirksamen) Fair-ValueBewertung. So durfen samtllche Finanzinstmmente umkategorlsiert werden. Dies gilt auch fur originare Forderungen und Verbindlichkeiten sowie Eigenkapitalanteile.^"^® Die mit der Neuregelung verbundenen Ermessens- und Gestaltungsspielraume machen nach Kuhn/Scharpf „[...] einen Vergleich von IFRS-

Vgl. Kirsch (2003b) S. 244; Muller/Wulf (2001) S. 2209. Dies gilt jedoch nur, sofern nicht innerhalb der letzten zwei Jahre Verkaufe der entsprechenden Wertpapiere getatigt wurden. Auch bei Halteabsicht und FShigkeit des bilanzierenden Unternehmens, diese bis zur Endfalligkeit zu halten, sind die entsprechenden Wertpapiere In einem solchen Fall umzukategorisieren, d. h. fortan als „available-for-sale" zu klassiflzieren und damit zum Marktwert zu bewerten; vgl. IAS 39.83 f. Wagenhofer (2001) 8.182; ebenso Engel-Ciric (2002) S. 783. Dieses einmallg auszuubende Wahlrecht gilt jedoch nur bei der erstmaligen Anwendung des IAS 39 n. F. Anderungen in der Klassifizierung sind spater nicht mehr moglich. Vgl. Kuhn/Scharpf (2004) 8. 261 f. Bei Letzteren gilt jedoch als Voraussetzung, dass sle an einem aktiven Markt notiert sind, zumindest aber ihr Verkehrswert verlasslich ermittelt werden kann; vgl. Grunberger/Grunberger (2004)8.120.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

147

Abschlussen sowohl zwischen erstmaligen Anwendern mit bereits nach IFRS bilanzierenden Untemehmen, als auch zwischen Unternehmen, die zum gleichen Zeitpunkt auf IFRS umstellen, nahezu unmoglich."^^^ •

Daneben sieht der IAS 40 ein einmalig auszuubendes so genanntes Unternehmenswahlrecht vor, nicht betriebsnotwendige Grundstucke und Gebaude statt auf Basis der historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten alternativ zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Bereits bei der Einordnung, ob uberhaupt eine als Finanzinvestition gehaltene Immobilie vorliegt, bestehen Ermessensspielraume fur den Bilanzierenden. So liegt nach Kirsch „bei ,Vorratsgrundstucken' bzw. .Vorratsgebauden', Grundstucken mit einer aktuell nur geringfugigen Nutzung Oder einer kunftig noch nicht klar bestimmten Nutzung, beispielsweise bei offenen Lagerflachen oder unbefestigten Kundenparkplatze[!] sowie aktuell leer stehenden Gebauden, faktisch ein Wahlrecht zur Einordnung dieser lmmobilien"^^° vor. In Abhangigkeit von der unternehmerischen Planung konnen diese betroffenen Immobilien folglich - entsprechend ihrer Einstufung durch den Bilanzierenden - als betriebsnotwendige Vermogenswerte nach IAS 16 oder als zur Wertsteigerung gehaltene bzw. der kunftigen Einnahmeerzlelung dienende Immobilien nach IAS 40 bilanziert werden. Obwohl in beiden Fallen ein Wahlrecht zur Folgebewertung nach fortgefuhrten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder alternativ zu aktuellen Zeitwerten zum Tragen kommt, bestehen zwischen der Neubewertung nach IAS 16 und der Marktwertbewertung nach IAS 40 wesentliche Unterschelde. Aus diesem Grund hat die o. g. Einordnung, ob eine als Finanzinvestition gehaltene Immobilie vorliegt, entscheidenden Einfluss auf deren Bewertung. Der zentrale Unterschied bei beiden Verfahren liegt in der Behandlung der Zeitwertanpassungen. Wahrend die Marktwertschwankungen nach IAS 40 In jedem Geschaftsjahr grundsatzlich erfolgswirksam vorzunehmen sind, fuhrt die Neubewertung nach IAS 16.29 ledigllch zur erfolgsneutralen Bildung einer Neubewertungsrucklage. In der Folge ist die Marktwertbewertung nach IAS 40 jahrlich durchzufuhren, wahrend IAS 16.32 eine Uberprufung des angesetzten Wertes in regelmafligen Abstanden (alle 3-5 Jahre) fordert. Zudem handelt es sich bei der Fair-Value-Bewertung in IAS 40 um ein echtes (Unternehmens-)Wahlrecht und damit um eine gleichwertige Alternative, wahrend IAS 16 die Folgebewertung zu fortgefuhrten AK/HK als Benchmark-Methode auswelst und die Neubewertung mit erhohten Angabepflichten versieht.^^^ Derartige Regelungen fordern

^^^ Kuhn/Scharpf (2004) S. 264. ^^° Kirsch (2003b) S. 245. ^^^ Vgl. Hayn/Waldersee (2004) S. 78,108 f., 128; Kirsch (2003b) 8. 245.

148

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

wohl kaum die direkte Vergleichbarkeit bei einem einheitlichen System von Rechnungslegungsnormen. Lohr schlussfolgert vor diesem Hintergrund: „Die hohe Subjektivitat beim Umgang mit den genannten Aktionsparametem beeintrachtigt die Vergleichbarkeit - ohne dass dies fur den Bilanzadressaten erkennbar ist."^^^ Zudem wird hierbei die Existenz von unterschiedlichsten Bewertungskonzeptionen (Bewertung zu fortgefuhrten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, Neubewertung sowie Fair-Value-Bewertung) im Rahmen gleiciier bzw. ahniicher Sachverhaite deutlich, welche die Vergieiciibarkeit und damit auch den Informationswert eines IFRS-Jahresabschlusses zusatzlich erschweren/^^ Engel-Ciric stellt sogar die IVIarktwertbewertung von Immobllien nach IAS 40 aufgrund der hohen Ermessensspielraume grundsatzlich in Frage: „Solange eine kapitalmarktorientierte Rechnungsiegung im Sinne einer uneingeschrankten Zeitwertbilanzierung von Immobilien durch erhebliche Ermessensspielraume gekennzeichnet ist, kann nicht wirklich der Investororientierten Sorgfaltspflicht entsprochen werden. Die so verstandene Investororientierung steht auf einem fragwurdigen Fundament."^^ Die o. g. einmalig und einheitlich auszuubenden Unternehmenswahlrechte der Standards 39 und 40 wurden seitens lASB aufgrund der gewollten Hinwendung zur Fair-Value-Bewertung bewusst In Kauf genommen/^^ Wenngleich die Unternehmenspraxis wegen grundsatzlicher Bewertungsprobleme sowie des Rechtfertigungsdrucks gegenuber Dritten bei stark fluktuierenden Marktwertschwankungen wenig Gebrauch von diesen Bewertungsmoglichkeiten macht, Ist die Anzahl von expliziten Bewertungswahlrechten durch diese Lenkungsmalinahme zuletzt wieder leicht angestlegen. Dennoch gilt: „Obwohl in der jungeren Entwicklung der IAS einige nicht unerhebliche Wahlrechte bei den Finanzinstrumenten und den Finanzinvestltionen hinzugekommen sind (vgl. IAS 39.103b und IAS 40.24), trifft die Aussage der geringeren Anzahl von Wahlrechten bei IAS tendenziell zu [...]"^^®. Problematlsch fur den Informationswert und vor allem die Vergleichbarkeit eines IFRSJahresabschlusses erscheinen indes vielmehr die Ermessensspielraume im Rahmen von unternehmerischen Prognosen und Planungen. Diese stellen kein alleiniges Phanomen jungerer Standards dar. Auch zahlreiche altere Standards sInd von solchen Einschatzungsspielraumen gepragt. Neben den bereits genannten Sachverhalten gilt dies bspw. auch fur die Passivierung von Ruckstellungen.

752

Lohr (2003) S. 646.

753

Diesem Umstand soil im folgenden Kapitel Rechnung getragen werden.

754

Engel-Ciric (2002) S. 783.

755

Vgl. o.V. (2004a) S. 17; Streim/Bieker/Esser (2003) S. 457.

756

Kirsch (2003b) S. 241.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

149

Grundsatzlich unterscheidet IAS 37 Risiken anhand ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit, die hinsichtlich des Grundes und der Inanspruchnahme in drei Klassen unterteilt werden: wahrscheinliche, mogliche und unwahrscheinliche Risiken. Urn eine Ruckstellung fur voraussichtllche kunftige bkonomische Lasten zu rechtfertigen, mussen zunachst mehr Grunde fur das Bestehen einer Verpflichtung sprechen als dagegen.^^^ Eine exakte Quantifizlerung der geforderten Eintrittswahrscheinlichkelt wird indes nicht vorgenommen, wobei in praxi von mehr als 50 % auszugehen Ist.^^® Diese Unbestimmtheit des Wahrscheinllchkeitsbegriffes nach IAS 37 eroffnet nicht unwesentliche Ermessensspielraume fur das bllanzierende Unternehmen. Nach Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer stellt „der Passivierungsvorbehalt ,more likely than not' ein verdecktes Ansatzwahlrecht dar, denn es obliegt zum Grodteil der Einschatzung des Managements, ob dies zutrifft oder nicht."^^^ Als weitere Passivierungsvoraussetzung muss ferner die Wahrscheinlichkeit eines Ressourcenabflusses (Inanspruchnahme) hoher sein als deren Nichteintritt.^®° Nach IAS 37 bedarf es damit einer weiteren Einschatzung des bilanzlerenden Unternehmens daruber, wie wahrscheinlich die erwartete Verpflichtung auch zu einem Ressourcenabfluss fuhren kann. Ein potenziell „moglicher" - aber eben nicht „wahrscheinlicher" - Abfluss von Ressourcen bedingt in diesem Zusammenhang zur Klasslfizierung als Eventualschuld mit umfangreichen Anhangangaben.^^^ IAS 37 nennt jedoch keinerlei Unterscheidungsmerkmale zwischen einem „moglichen" und einem „unwahrscheinlichen" Ressourcenabfluss, so dass dem bilanzlerenden Unternehmen ein gewisser Spielraum entsteht, durch eine entsprechende Argumentation den Sachverhalt in den Bereich „unwahrscheinlich" zu verschieben, um damit den (umfangreichen) Angabepflichten einer Eventualschuld zu entgehen.^^^ Aufgrund der vergleichsweise hohen Anfordemngen an die Quantifizlerung des erwarteten Mittelabflusses kann es in praxi zu einem verspateten Ansatz von Ruckstellungen oder gar einer Unterlassung der Ruckstellungsbildung kommen.^®^

Vgl. IAS 37.15 f., die von „more likely than not" ausgehen. Vgl. Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 857; Wulf (2001) 8. 1102; Heuser/Theile (2003) S. 285, Rn. 720. Mbhlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) 8. 858. Die Autoren geben zudem auf 8. 857 eine Ubersicht uber den Anstieg der verdeckten Wahlrechte im Rahmen der Ruckstellungsbilanzierung nach IFRS im Vergleich zum HGB. Vgl. IAS 37.14b, 37.23 f. sowie Forschle/Kroner/Heddaus (1999) 8. 47 f.; Reinhart (1998) 8. 2515. Vgl. IAS 37.86. Vgl. Wulf (2001) 8. 1102 f.; Schildbach (1999b) 8. 364; Kirsch (2003c) 8. 1114 f. Bezugnehmend auf den IAS 37 folgert Moxter (1999b) 8. 525 wie folgt: „Das IA8C ware gut beraten, wenn es seine standards[l] weniger unscharf, weniger luckenhaft und weniger weitlaufigredundant gestaltete." Vgl. Theile (2003) 8. 960; Schildbach (1999b) 8. 364.

150

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Denn Ruckstellungen durfen nach IAS 37.14 nicht gebildet werden, wenn Unsicherheit hinsichtlich ihrer Hohe besteht. Die Unterlassung einer Ruckstellungsbildung ausschliefllich aus Mangel an einer zuverlassigen Schatzung des en/varteten Ressourcenabflusses wird jedoch nach der Auffassung von IAS 37.25 f. nur In seltenen Fallen zu vertreten sein. „Gleichwohl bietet in der Praxis wenigstens bel auliergewohnlichen Fallen dieses Ansatzkriterium (z. B. hohe potenzielle Schadenersatzverpfllchtungen wegen Umweltschaden, Produkthaftung) ein bilanzpolitisches Schlupfloch, welches das deutsche Recht jedenfalls systematisch nIcht berelthalt."^^ Im Ergebnis zeigen die genannten Beispiele, dass die IFRS derzeit weniger durch explizlte Wahlrechte als vermehrt durch den Einfluss unternehmerischer Planungen und Prognosen beeinflusst werden. Den daraus entstehenden Ermessensspielraumen spricht Kirsch eine derart zentrale Bedeutung zu, „[...] dass es gerechtfertigt erscheint, diese als wesentliche Einflussgroflen der internationalen Rechnungslegung zu bezeichnen"^®^. Das Management des bilanzierenden Unternehmens kann in diesem Zusammenhang aufgrund von Planungen und Prognosen den IFRS-Jahresabschluss vorgelagert bereits so gestalten, dass auf Basis seiner Ermessensentscheidungen unterschiedliche Bilanzierung- und Bewertungsansatze moglich werden. Die jeder Ermessensentscheidung innewohnende Subjektivitat erieichtert dabei die potenzielle Ausnutzung bilanzpolitlscher Spielraume - zumal dieses in vielen Fallen fur den Bilanzadressaten nicht sichtbar wird.^®^ Die IFRS sind damit potenziell „[...] geeignet, dem Ziel einer der Information verpflichteten Bilanzierung zuwider zu laufen"^®^. Selbst wenn das bilanzierende Unternehmen kelne aktive Bilanzpolltik verfolgt, schaden die o. g. Ermessensspielraume der Vergleichbarkeit sowie der Relevanz der offen gelegten Daten und truben damit den Informationswert einer solchen Bilanz. Auch wenn derartige Effekte kaum quantifizierbar und stark einzelfallabhangig sind, kommen Ammann/ Muller zu folgendem Fazit: „Eln abschlusspolitisches Potenzial, welches fur HGBAbschlusse bereits bekannt war, besteht somit ebenfalls bei Anwendung der international anerkannten Rechnungslegungssysteme IFRS und US-GAAP und wird auch vielfach genutzt. Anders als nach dem HGB ist dieses Potenzial aber uberwiegend nicht bewusst durch die Schaffung von Wahlrechten entstanden, sondern

765

767

Ludenbach/Hoffmann (2003) § 21, Tz. 75. Kirsch (2003b) S. 247. Vgl. Kirsch (2003b) S. 247; ebenso LShr (2003) S. 646. Theile (2003) S. 964.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

151

entsteht zwangslaufig aus dem Dilemma des Optimierungsproblems zwischen relevanten und zuverlassigen Informationen."'^^^

4.2.2.1.3 Accounting Mix der IFRS-Rechnungslegung Das IFRS-Normengerust besteht aus einem Nebeneinander unterschiedlicher Bewertungskonzeptionen, dem sog. „Mixed Accounting Modei"/^^ Mit Ausnahme der Moglichkeit zur Neubewertung nach IAS 16 und 38 folgen die alteren Standards aus methodischer Sicht dem in der Rechnungslegung traditionellen Bewertungskonzept der historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Die jungeren IFRS sind hingegen durch eine vom lASB Induzierte Konzentration auf die Bilanzierung zu Markt- bzw. Zeitwerten gepragt.^^° Ludenbach/Hoffmann sehen in diesem Sachverhalt eine „schleichende Umorientierung"^^'' aufierhalb des Frameworks in Richtung Fair Value. Wahrend der lASB die Ausweitung der Fair-ValueBilanzierung zunachst ausschlielilich im Bereich der Finanzinstrumente verfolgt hat, ist in jungerer Vergangenheit eine Ausweitung dieser Bewertungskonzeption auch auf nicht finanzielle Vermogenswerte und Schulden festzustellen. Bei den nicht finanziellen Bilanzpositionen diente der Fair Value bisher allenfalls als Korrekturwert im Rahmen der Folgebewertung, jedoch nicht als primarer Wertmaflstab. Die optionalen Moglichkeiten zur alternativen Fair-Value-Bewertung - bspw. des IAS 39 n. F. Oder des IAS 40 - zeigen, dass der lASB den Fair Value mittlerweile als grundlegende, primare Bewertungskonzeption fur s^mtliche Vermogenswerte und Schulden sieht.''^^ Die Einfuhrung einer umfassenden Fair-Value-Bewertung gehort zu den exponlerten Zielen des Boards. Nach seinen Planen soil letztlich die gesamte Aktiv- und Passivseite der Bilanz statt auf Basis der historischen Anschaffungskosten zu Markt- bzw. Zeitwerten bewertet werden.^^^ Nach Auffassung des lASB eignen sich Markt- bzw. Zeitwerte besser, dem Abschlussadressaten entscheidungsnutzliche Informationen uber die aus den Vermogenswerten und Schulden resultierenden kunftigen Zahlungsstrome zu liefern. Im Kern

Ammann/Muller (2003) S. 308; fast wortgleich hierzu Muller/Wulf (2001) S. 2213. Baetge/Hollmann betonen in diesem Zusammenhang, dass die „[...] Vermittlung zuverlSssiger Abscliiussinformationen i^eineswegs gewShrleistet ist", und fordern eine stSrke Ausrichtung nicht nur an relevanten, sondern auch zuverlassigen Abschiussinformationen; vgl. Baetge/Holimann (2004) S. 374 f. Vgl. L6hr (2003) S. 646; zu einem Shnlichen Ergebnis kommen auch Kuting/Dawo (2003) S. 241. Vgl. Strelm/Bieker/Esser (2003) S. 457. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 144. Vgl. Kuting/Dawo (2003) S. 241. Vgl.o.V. (2004a)S. 17.

152

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

sollen dabei die Informationsdefizite der anschaffungs- bzw. herstellungskostenorientierten Rechnungslegung durch jederzeit objektiv ermittel- und nachprufbare Markt- bzw. Zeitwerte minimiert werden. Daneben soil dem Interesse von Anlegern an zeitnahen Informationen entsprochen sowie die zunehmende Kapitalmarktorientierung der Unternehmen unterstutzt bzw. beschleunigt werden.^^"* Grundsatzlich gelten Fair Values als besonders entscheidungsrelevante Werte, sofern sie marktbezogene und damit objektive Zukunftserfolgswerte^^^ abbilden. Sie knupfen damit aufgrund ihrer vielfach vorhandenen Cash-Flow- und Zukunftsorientierung an den fur Investoren relevanten Zielgroden an.^^® Eine umfassende und konsistente Falr-Value-Bewertung stellt den Versuch einer Annaherung der Darstellung des Unternehmensgesamtwertes In der Bilanz dar, vermag dieses aber nicht zu lelsten. Denn der Unternehmensgesamtwert besteht aus der Summe von bilanzlerten und nicht bilanzlerten bzw. bilanzierbaren Werten und damit im Ergebnis aus der Summe der diskontierten ktinftig erzielbaren Zahlungsuberschusse.^^^ Eine Bilanz hingegen beruckslchtigt nur in Ausnahmefallen zukunftige Ein- und Auszahlungen. Ihr Fokus liegt ausschliefilich auf denjenigen Zahlungen, die den Kriterien eines ..assets" Oder einer ..liability" entsprechen. Zukunftige Investitionen, zukunftige Lohnzahlen u. a. bleiben jedoch vollkommen unberucksichtigt. Das Gros der in einem Jahresabschluss publizlerten Informationen ist allerdings primar vergangenheitsorlentiert und eignet sich nicht zur Darstellung von zukijnftigen Zahlungsstromen. Deutlich wird dies z. B. in der oftmals groflen Diskrepanz zwischen der Borsenkapitalisierung und dem bilanziellen Eigenkapital eines Unternehmens.^^® Eine Fair-Value-Bewertung vermag indes nur eine Annaherung an einzelne Zukunftserfolgswerte zu lelsten, zumal sie aufgrund des Einzelbewertungsgrundsatzes weder Synergien mit anderen Aktiva^^^, noch Verbundeffekte mit nicht bilanzlerten bzw. bilanzierbaren Werten berucksichtigen kann. ..Eine Bilanz ist damit ungeeignet, um den Zukunftserfolgswert auch nur zu approximieren."^®° Moxter spricht vor diesem Hintergrund vom ..Extrapolationsmythos"^®^ der internationalen Rechnungslegungsstandards. Selbst ein nach internationalen

Vgl. Kley (2001) S. 2257; o.V. (2004a) S. 17. Der Fair Value entspricht nach IFRS dem beizulegenden Zeitwert eines Aktivums; vgl. Ekkenga (2001)8.2366. Vgl. Mujkanovic (2002) S. 52. Vgl. Kley (2001)8.2258. Vgl. Busse von Colbe (2000a) 8. 652; Kahle (2003) 8. 265. Hiervon ausgenommen sind diejenigen Aktiva, die auf Basis einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit (CGU) im Rahmen des Werthaltigkeitstests nach IA8 36 bewertet werden. Lohr (2003) 8. 647; ahnlich Ballwieser/Kuting/8childbach (2004) 8. 543, 547 sowie Kahle (2003) 8. 267. Moxter (2000b) 8. 2147.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

153

Rechnungslegungsnormen aufgestellter Jahresabschluss ist demnach unzweckmadig im Sinne einer Prognosefunktion/®^ Zudem hat das Fair-Value-Konzept des lASB de lege lata noch keine einheitliche Umsetzung in den IFRS gefunden. Dies ist im Wesentlichen darauf zuruckzufuhren, dass der Fair Value nach IFRS keinen eigenstandigen Wertbegrlff sondern einen abstrakten bewertungstechnischen Oberbegriff darstellt, der im Einzelfall unter Zuhilfenahme unterschledlicher Wertmalistabe zu ermittein ist. Je nach konkreter Ausgestaltung des jeweiligen Standards kann der Fair Value als einer der folgenden Wertmafistabe auftreten/®^ •

Veraufierungs- bzw. Erfullungswert (F. 100),

•

WIederbeschaffungs- oder Abwicklungswert (F. 100),

•

Barwert(F. 100;IAS37, 39),

•

Borsen- bzw. Marktpreis (z. B. IAS 16, 38, 39,40),

•

Erzielbarer Betrag, der sich wiederum aus zwei weiteren Wertmalistaben zusammensetzt. Er ist der hohere Betrag von Nutzungswert oder Nettoverauderungspreis (IAS 36).

Die Vielfalt der anzuwendenden Wertmalistabe verdeutlicht das Nebeneinander unterschiedlicher Fair-Value-Konzeptlonen und lasst in der Folge eine konzeptionelle Deduktionsbasis fur die Entwicklung neuer Standards vermissen.^^ Streim/Bieker/Esser kommen deshalb zu dem Ergebnis, dass „[...] das Nebeneinander unterschiedlichster Wertmadstabe zur Konkretisierung des Fair Value im Einzelfall der Informationsfunktion des IFRS-Abschlusses nicht zutraglich"^®^ ist. Insbesondere die Vergleichbarkeit der Jahresabschlussdaten leidet darunter. Abbildung 4-4 (Seite 154) stellt die unterschiedlichen Bewertungskonzeptionen systematisch gegenuber:

Nach Schneider gibt es „schon aus wissenschaftslogischen Grunden keine Informationsfunl^tion des Jahresabschlusses, wenn damit entscheidungsrelevantes, zukunftsbezogenes Wissen, also die Prognosekraft irgendwelcher Zahlen gemeint ist"; Schneider (1983) 8.144. Vgl. Streim/Bieker/Esser (2003) 8. 460; Kuting/Reuter (2005) 8. 707. Einen ausfuhrlichen Uberblick der unterschiedlichen Definitionen des Fair Value geben Ballwieser/Kuting/Schildbach (2004) 8. 532 f. Streim/Bieker/Esser (2003) 8. 462.

154

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses Mixed Accounting iVIodell der IFRS

Anschaffungskostenprinzip

Fair-Value-Konzeption

r

^

Ermittlung

1 Berechnungsmodeile

Erfassung

1 Marktpreisorientierung

1 Erfolgsneutral

1

1 Erfolgswirksam

Abbildung 4-4: IVIixed-Accounting-IVIodell der IFRS

Dieses Nebeneinander von unterschiedlichen Wertmadstaben fuhrt letztlich zu einer bunten Mixtur im Eigenkapital einer IFRS-Bllanz, welciies aus Positionen, die zu liistorischen Kosten, Zeitwerten unterschiedlicher Herkunft Oder l\1iscliwerten bewertet wurden, besteht. Die Zusammensetzung eines soiciierart ermittelten bilanziellen Eigenl
L6hr (2003) S. 646. Vgl. Kuting/Dawo (2003) 8. 241. Kley (2001) 3.2257.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

155

Verscharft wird diese Objektivierungsproblematik durch die IVIoglichkeit, den Fair Value nicht uber objektive und allgemein beobachtbare Marktpreise zu ermitteln. Dieses trifft bspw. im Rahmen des Wertnninderungstests nach IAS 36 zu, bei dem der Fair Value auf Basis einer Schatzung von zukunftigen Zahlungsstromen erfolgt. Deutlich wird dies vor allem bei Anwendung des Nutzenwertes auf Ebene der zahlungsmittelgenerierenden EInheit. Neben der Loslosung vom Einzelbewertungsgrundsatz und der Hinwendung zu einer Gruppe von Vernnogenswerten, die ohnehin bilanzpolitischen Handlungsspielraum eroffnet, gewahrt die Festlegung des Nutzungswertes dem bilanzlerenden. Unternehmen beachtliche Einschatzungssplelraume. Kuting/Dawo sehen hierbei „eine Vielzahl von Stellschrauben, die in ihrer Gesamtheit ein nicht unbeachtliches bilanzpolitisches Potential eroffnen"^®^. Dieses beruht neben der Schatzung der eigentlichen Zahlungsstrome auch auf Varlablen wie einem risikoadaquaten Diskontierungssatz, der Wachstumsrate oder auf Anpassungen von internen Steuerungsgroden an die Erfolgserfordernlsse der externen Rechnungslegung. Der den Fair Value determinlerende Nutzungswert unterliegt daher - allein aufgrund der Schatzung der zukunftig erwarteten Zahlungsstrome - dem Ermessensspielraum des bilanzlerenden Unternehmens7^° Fur das Mixed-Accounting-Modell der IFRS bedeutet dies im Fazit vor allem eines: „Dieses .System' eroffnet spurbar mehr bilanzpolitische Gestaltungsspielraume als das herkommliche Anschaffungskostenmodell."'^^^ Insbesondere die Vergleichbarkeit der publizierten Abschlussinformationen leidet unter dem unubersichtlichen Nebeneinander der diversen Bewertungskonzeptionen. Daneben 1st aber auch die Verlasslichkeit einer Datenbasis in Frage zu stellen, die im Rahmen der FairValue-Bewertung nicht durch objektivierbare Marktpreise ermittelt wird, sondern in Teilen durch Bewertungsverfahren, denen weitreiche Planungen und Prognosen des Managements zugrunde liegen. Letztlich bedeutet die verstarkte Bewertung zum Fair Value de lege lata einen „weitgehende[n] Verzlcht auf Verlasslichkeit [und] ist damit der Preis fur ein hoheres Mali an Entscheldungsrelevanz."^®^

Kuting/Dawo (2003) 8. 241. Vgl. Kuhnberger (2005) S. 683; Streim/Bieker/Esser (2003) S. 473 f. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1. Tz. 95. Ebenso Ballwieser/Kuting/Schildbach (2004) S. 547, die feststelien, dass „[...] das Gestaltungspotenzial des Bilanzierenden wachst." Streim/Bieker/Esser (2003) S. 479.

156

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

4.2.2.1.4 Kritische Wurdigung Einem kapjtalmarktorientierten Rechnungslegungssystem wie den IFRS wird aufgrund seiner zentralen Zielsetzung - der Ubernnittlung von entscheidungsrelevanten Informationen fur Investoren - prinzipiell eine vergleichsweise hohere Informationsqualitat zugesprochen als dem deutschen Handelsrecht. Diese Behauptung ist jedoch unbewiesen/^^ Fur Ludenbach/Hoffmann resultiert sie aus einer teilweisen „Verwechslung von Sollen und Sein"^^"^. Diese VenA^echslung beruht vor allem auf der iehrbucliartigen Fokussierung auf echte und stichtagsnacliverlagerte Waliirechte. In der Bilanzlerungspraxis hingegen werden biianzpoiitisciie Spielraume vielmeiir im Rahmen von unechten und stichtagsvorverlagerten Gestaltungspotenzialen

ausgenutzt.

Die

Ausfulirungen

in

Kapitel

4.2.2.1.2

(Einschrankung der Informationsqualitat durcli bilanzpolitische Spielraume) liaben indes ausfuhrlich dargelegt, dass die IFRS weniger durch offene als vielmehr durch implizite Wahlrechte und Ermessenspielraume gepragt sind, denen unternehmerische Planungen und Prognosen zugrunde liegen. Damit wird deutllch, dass die IFRS prinzipiell eine stichtagsvorverlagerte Gestaltung begunstigen.^^^ Fur den Abschlussadressaten resultiert daraus die Schwierigkeit, die einer Bilanz zugrunde liegenden Ermessensentscheidungen des Managements im Rahmen der vorgenommenen Planungen und Prognosen zu Identifizleren sowie deren Reichweite zu quantlfizieren. Die Grenze einer jeden Abschlusspolitik stellt jedoch die nach IFRS strong geforderte Stetigkeit aller Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie die grundsatzliche Glaubwurdigkelt der Publizitat eines Unternehmens 6arJ^^ Die Offenlegungsanforderungen werden allerdings durch den Umfang der nach IFRS geforderten Informationen und dem damit drohenden „lnformation-Overload" des Abschlusslesers relativlert.^^^ Zudem besteht fur die entscheidenden Parameter der unternehmerischen Planungen und Prognosen in vielen Fallen keine Publizitatspflicht: „Der Jahresabschlussleser sieht zumeist nurdas bilanzielle Ergebnis der unternehmerischen Planung."^^® Deren Herkunft und Zusammensetzung bleiben hingegen oftmals im Verborgenen. Die Problematik um die schwer einschatzbaren unternehmerischen Ermessensentscheidungen wiederholt sich zudem bei der Bewertung. Prinzipiell muss jedes Rechnungslegungssystem auf Bewertungsmethoden zuruckgreifen, die ein hohes

Vgl. Euler (2002) S. 878; Schon (2001) S. S75; Kahle (2003) S. 266. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 57. Vgl. Kirsch (2003b) S. 247. Vgl. Muller/Wulf (2001) S. 2213. Vgl. Kuting/Reuter (2004a) S. 232. Kirsch (2003b) S. 247.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

157

Mafi an unternehmerischer Entscheidung verlangen. Das Mixed-AccountingSystem der IFRS erschwert jedoch durch seine de lege lata nicht konsistent umgesetzte Bewertungsmethodik zum Fair Value - wie im vorhergehenden Kapltel dargelegt - zusatzlich die Vergleichbarkeit und die Verl^sslichkeit von Jahresabschlussinformatlonen. Dies gilt in besonderem MaRe fur Fair-Value-Bewertungen, die nicht anhand von Marktpreisen vorgenommen wurden und sich damit einer objektivierbaren Grundlage entziehen (konnen). Wahrend das HGB aufgrund des Anschaffungskostenprinzips immerhin noch eine Bewertungsobergrenze kennt, wird diese durch die Moglichkeiten zur Fair-Value-Bewertung durchbrochen. „Auf diese Weise ist das Intervall, in dem Bewertungsmanipulationen vorgenommen werden konnen, nicht nur nach unten (null), sondern auch nach oben (Anschaffungskosten) eingegrenzt, wahrend es im Fair-Value-Ansatz nach oben often jg^ «799 YQ|. ^g|^ Hintergrund des Mixed-Accounting-Modells sind zahlreiche Moglichkeiten gegeben, dass derartige Bewertungsspielraume auch Ruckwirkungen auf Sachentscheidungen des Managements selbst haben konnen. Deutlich wird dies beim IAS 39 n. F., der aufgrund der Fair-Value-Doktrin des lASB nunmehr die Moglichkeit eroffnet, fur samtliche (!) Finanzinstrumente eine Marktwertbewertung mit erfolgswirksamer Folgebewertung vorzunehmen.®°° Der Bundesverband Deutscher Banken hat in einer Stellungnahme zur Umsetzung der Fair-Value-Richtlinie der EU in deutsches Recht die Gefahren des Accounting-Mlxed-Modells der IFRS erkannt: „Die bisherigen Erfahrungen mit IAS 39 zeigen, dass dies zu erheblichen Ergebnisverzerrungen und damit zu Verwirrung bei den Kapitalmarktteilnehmern fuhrt. Daruber hinaus entstehen in den Unternehmen bei der Ergebnissteuerung Zielkonflikte, die die Aufgabe der Rechnungslegung, geschaftliche Aktivitaten adaquat abzubilden, in Frage stellt. Es entsteht die Gefahr, dass die dienende Funktion der Rechnungslegung in eine Gestaltungsfunktion mutiert, die selbst Realltaten schafft."®°'' Andererseits werden durch IAS 39 komplexe Sachverhalte im Bereich der Finanzinstrumente abgeblldet, die im Rahmen des HGB nicht oder nur ungenugend geregelt werden. Hinzu kommt, dass gerade im Bereich von immer komplexer werdenden Finanzprodukten die internationalen Rechnungslegungssysteme versuchen, dieser Entwicklung zu entsprechen. Die Folge sind immer umfangreichere Rechnungslegungsnormen mit dem Ziel, die neu aufgetretenen wirtschaftlichen RealitSten wahrheitsgetreu abbilden zu konnen.

^^^ Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1 Tz. 54. ®°° Vorraussetzung ist lediglich, dass diese ais „erfoigswirksame Finanzinstrumente zu Verkehrswerten" kategorisiert wurden; vgi. hierzu die AusfOhrungen in Kapitel 4.2.2.1.2, 8. 142. ^°^ Zitiert nach Hoffmann/Ludenbach (2002) S. 547.

158

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Im Ergebnis lasst sich damit festhalten, dass die IFRS deutlich starker unternehmerischen Planungen und Prognosen unterliegen und damit - im Unterschied zum HGB - aus Sicht des bilanzierenden Untemehmens grofieren subjektiven Ermessensspielraum bieten.®°^ Die offene Wahlrechtsproblematik des HGB verlagert sich bei Obergang zu den IFRS auf eher verdeckte EInflussmoglichkeiten des Managements. Dies kann - bei entsprechender Auslegung - zu einer EinschrSnkung der Informationsquaiitat eines Jahresabschlusses nach IFRS fuhren. Im Einzelnen kann dieses ermoglicht werden durch: • •

die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des ..objektiven" Fair Values, die Abgrenzungsmoglichkeiten im Rahmen des Realisationsprinzips (z. B. bei der langfrlstigen Fertigung),

•

die grundsatzllch starke Orientierung an Zukunftserfolgswerten beim Ansatz von Verm6gensm6genswerten sowie

•

das Abstellen auf Sachgesamtheiten bzw. Gruppen von Vermogenswerten bei der Bewertung von Aktlva.®°^

Die Grenzen dieser Aktionsparameter bllden jedoch die nach IFRS streng forcierte Bewertungsstetigkeit sowie die umfangreichen Publizltatspflichten. Zudem stehen insbesondere grofie kapitalmarktorientierte Unternehmen unter Beobachtung der interessierten Fachoffentlichkeit, welche eine gewisse Kontrolle gewahrleistet und hilft, die Integrltat und Zuverlassigkeit der publizierten Jahresabschlussdaten zu wahren. Verstarkt wird diese Tendenz sicherlich durch die im Rahmen des BilKoG neu geschaffene Prufstelle fur Rechnungslegung.®^'* Denn stichprobenartige Kontrollen haben stark diszipllnierende WIrkung und durften die Glaubwurdigkeit der publizierten Jahresabschlussdaten somit erhohen. Am Objektivierungskriterium gemessen mogen die IFRS im Vergleich zum HGB zwar Defizite aufgrund ihrer umfangreichen AbhSngigkeit von unternehmerischen Planungen und Prognosen aufweisen, dennoch werden im Rahmen der IFRSNormen Sachverhalte wie die Bilanzierung von Leasingkontrakten, Special Purpose Entities oder Sicherungszusammenhange bei Finanzinstrumenten (Hedging) abgebildet, die den Vorschriften des deutschen Handelsrechts i.e.S. voUig fremd sind bzw. nur abstrakt geregelt werden. Dieses erhoht wiederum die Informationsquaiitat eines Jahresabschlusses nach IFRS gegenuber dem HGB deutlich. Die Quantifizierung dieser beiden gegenlaufigen Effekte scheint indes nicht moglich.

^°^ Vgl. MOhlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 858; Theile (2003) S. 964. ®°^ Vgl. Kuting/Reuter (2004a) S. 232. *°^ Vgl. hierzu Kapitel 3.5, S. 92.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Ejnzeljahresabschluss

159

Unbestritten bleibt jedoch: „Diese Spielraume der IAS beeintrachtigen die Rechenschaftsfunktion."®°^ Die Frage, ob die o. g. Defizite und potenziellen Verzerrungen der IFRS im Bereich der Informationsvermittlung durch eindeutig umfangreichere Abbildung wirtschaftlicher Realitaten und andere korrespondierende Vorteile aufgewogen oder gar uberkompensiert werden, bleibt offen.®°® Im Vergleich zum HGB wird ein Jahresabschluss nach IFRS indes keine qualitativ schlechtere Darstellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens liefern. Zu anfallig fur Manipulationen stellt sich oftmals die deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung dar, die aufgrund des Kapitalerhaltungszwecks i. V. m. der Dominanz der vorsichtigen Gewinnermittlung sowie die Einflusse durch das steuerliche Mafigeblichkeitsprinzip die tatsachliche wirtschaftliche Lage eines bilanzierenden Unternehmens nur verzerrt darzustellen vermag. Deutlich wird dennoch eines: Die Objektivitat, die Verlasslichkeit und die Vergleichbarkeit der nach IFRS publizierten Informationen werden im Allgemeinen uberschatzt.

4.2.2.2 Kapitalerhaltung 4.2.2.2.1 Informationeller Glaubigerschutz der IFRS im Vergleich zur gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung nach deutschem Verstandnis Aufgrund ihrer zentralen Beschrankung auf die Vermittlung von entscheidungsrelevanten Informationen kennen die IFRS neben der Informationsfunktion keine weitere Rechnungslegungsfunktion der Bilanz.®°^ Eine vorsichtige Bilanzierung, die eine Gewinnermittlung nicht nur auf Basis einer reinen Darstellung der tatsachlichen Lage des Unternehmens (True-and-Fair-Presentation) vornlmmt, sondern im Sinne der Kapitalerhaltung bewusst gelegte stille Reserven duldet, ist nach dem im Framework verankerten Konzept der ..Decision Usefullness" unzulassig und nach internationalem Rechnungslegungsverstandnis schlichtweg undenkbar.^°® Diese divergierende Rechnungslegungsphilosophie schlagt sich In der Folge nicht nur in einem abweichenden Verstandnis von Aktivierungs- und Passivierungsvorschriften nieder, sondern in besonderem Malie in einer Ertragsreallsation,

Kahle (2003) S. 266; Shnlich argumentieren auch Streim/Esser (2003a) S. 839 f. Vgl. hierzu auch Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 59, die sich nicht in der Lage sehen, zu beantworten, ob die Qualitat der publizierten Informationen nach IFRS hoher ist als in einem HGB-Abschluss. Auch Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) 8. 849-858 kommen in einem Vergleich von bilanzpolitlschen Instrumenten zu dem Ergebnis, dass anstelle der offenen Wahlrechte nach HGB verdeckte Ermessensspielraume nach IFRS treten. Eine Quantifizierung vermogen sie jedoch auch nicht vorzunehmen. Vgl. Raffournier (2000) S. 96 f. Vgl. Mandler (2004) 8 . 8 7 f.

160

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

die tendenziell zu einem hoheren und fruheren Gewinnausweis fuhrt.®°^ Aufgrund des dominierenden Prinzips der „Fair Presentation", vor dessen Hintergrund gunstige wie ungunstige Untemehmensentwicklungen gieichermaflen fruhzeitig abgebildet werden, kommt es nacii IFRS aucli zum Ausweis nocli nicht realisierter Gewinne.®''° Dabei werden Ertragspotenziale abgebildet, deren Realisierung noch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind, was der Auslegung des Realisationsprinzips nach deutschem Verstandnis in diannetraler Weise entgegen steiit.®^^ Vor dem Hintergrund der in deutschen Handelsbilanzen im Sinne der Kapitaierhaltung bewusst gelegten stillen Reserven wird nacli IVIoxter deutlich, dass es „nicht prinnar urn die Information uber den wirklichen Vermogenszuwachs geht, sondern urn die Ermittlung eines unbedenklich ausschuttbaren Vermogenszuwachses. Anders lasst sich das gesetzliche Vorsiciitsprinzip nicht deuten."®''^ Im Unterschied zu internationalen Bilanzierungsgepflogenheiten sind demnach - aufgrund der vorslchtsbetonten Auslegung des Imparitats- und Realisationsprinzips in Deutschland - vorhersehbare Risiken und Verluste sofort zu antizipieren, wahrend Gewinne erst dann berucksichtigt werden, wenn sie im Rahmen eines Umsatzaktes realisiert worden sind. Das deutsche Handelsbilanzrecht fordert damit die bewusste Uberbewertung von Risiken und Unterbewertung von Chancen, um den ausschuttungsfahigen Gewinn einzugrenzen und die Vermogenssubstanz zu erhohen.®''^ Dieses - in Form von stillen Reserven - in deutschen Einzeljahresabschlussen vorhandene „[...] Kissen, das im Fall unternehmerischen Scheiterns vor hartem Aufprall bewahren soll"®'"'^ 1st der angloamerikanischen Rechnungslegungsphilosophie hingegen ganzlich fremd. Das System der gesellschaftsrechtlichen Kapitaierhaltung und der darauf aufbauenden Anforderungen an die Bilanzierung von haftungsbeschrankten Gesellschaften ist zudem als fester Bestandteil im europSischen Gemeinschaftsrecht verankert. Bereits die 1972 verabschiedete Zwelte EG-Rlchtlinie®''^ zielt ausdruckllch auf den Glaubigerschutz der Aktionare von europaischen Aktiengesellschaften. So Gleichzeitig erfolgt nach IFRS auf Grundlage diverser Einzelvorschriften aber auch eine recht weitreichende Verlustantizipation (z. B. Ansatz von Drohverlustruckstellungen oder Wertminderungstests); im Uberblick: Wagenhofer (2001) S. 110, 138-142. 196 f. und 220; Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 407 und 245-249. Vgl. Schulze-Osterloh (2003) S. 398 f.; Euler (2002) S. 878; Bassen (2000) S. 449. Vgl. Schon (2001) S. S76. Deutlich wird dies bspw. beim bilanziellen Ausweis von noch nicht realisierten Marktwertschwankungen nach IAS 39 oder der Antizipatlon nicht verbuchter Gewinne im Rahmen der langfristigen Fertigung nach IAS 11. Moxter (1984) S. 92; vgl. hierzu auch Ballwieser/Kuhner (1994) S. 65 f. Vgl. Kubler (1995) S. 552 f. Kubler (1995) S. 553. Zweite Richtlinie des Rates vom 13.12.1976 (77/91/EWG), ABIEG L 26 vom 31.1.1971, S. 1; sog. Kapitalrichtlinie.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

161

haben die betroffenen Aktiengesellschaften die Erhaltung eines Nominalkapitals zu beachten, urn die Glaubiger der Untemehmen vor einem Vermogensverlust zu schutzen. Artikel 15 und 16 der Kapitalrichtlinie legen in diesem Zusammenhang test, dass keine Gewinnausschuttungen erfolgen durfen, wenn das Nettovermogen des Unternehmens den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzuglich der gesetzlichen und satzungsgemafien Rucklagen unterschreitet.®^^ Mangels explizlter elgener Bewertungsmadstabe wird dabei auf die Vorschriften der Vierten EGRichtlinle venA/iesen. Die Ermittlung des nnaximal zulassigen Ausschuttungsbetrags unterliegt damit den jeweils ins natlonale Recht umgesetzten Ansatz- und Bewertungsvorschriften der Einzeljahresabschlussrichtlinie. Diese verbietet jedoch grundsatzlich die Ausschuttung von nicht realisierten Gewinnen, die aufgrund entsprechender nationaler Ausubung der Mitgliedstaatenwahlrechte aus Wertansatzen uber den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten entstanden sind.®'''' Ziel dieser Ausschuttungssperren ist die Verhinderung des Abflusses von aufgenommenem Fremdkapital an die Anteilseigner im Rahmen der Gewinnermittlung. Weitere Ausschuttungsrestrlktionen - wie die Forderung nach einenri Mindestkapital - kennt die Vierte EG-Richtllnie fur die von ihr betroffenen haftungsbeschrankten Untemehmen im Unterschied zum deutschen Handelsrecht nicht.®^® Deutlich wird jedoch die enge Verzahnung von Bilanzrecht und Gesellschaftsrecht: Das System des europaischen Kapitalschutzes mit seinen Instrumenten des Legalkapitals (festen gesetzlichen Kapitals) sowie den Vorschriften der Kapitalaufbringung und -erhaltung einerseits und das Bilanzrecht andererseits bedingen einander.®''^ Bilanzrecht sichert damit Kapitalschutz. Dem institutionellen Glaubigerschutz Im deutschen sowie europaischen Bilanzund Gesellschaftsrecht steht nach IFRS das Konzept des informationellen Glaubigerschutzes^^° gegenuber. Nicht durch Mindestkapitalanforderungen und Ausschuttungssperren, sondern anhand der Vermittlung von entscheidungsrelevanten Informationen uber Hohe, zeitliche Verteilung sowie Unsicherheit der zukunftigen Zahlungsstrome soil die Informationsasymmetrie zwischen Glaubiger und Schuldner minimlert werden. Im Rahmen der ..Decision Usefullness" sollen die Abschlussadressaten eines Jahresabschlusses nach IFRS in die Lage versetzt werden, die Fahigkeit des bilanzierenden Unternehmens zu beurteilen, seinen Darle-

Vgl. Zweite EG-Richtlinie Art. 15 Abs. 1 lit. a); Schon (2001) S. S77. Vgl. Vierte EG-Richtlinie Art. 33, 34, 37 sowie 59. Vgl. Niehues (2001)8.1212 f. Vgl. Kubler (1995)8.553 f. In der Literatur werden die Begriffe ..informationeller" und „informatorischer" Glaubigerschutz parallel nebeneinander verwendet. Ihnen liegt jedoch die gleiche Bedeutung zugrunde.

162

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

hen nachzukommen, seine Lieferanten und Beschaftigten zu bezahlen sowie seine Zinsverpflichtungen einzuhalten.®^^ Glaubiger werden nach diesem Ansatz „nicht als Objekt paternalistischer Fursorge, sondern als zu rationaier Entscheidung befahigte Akteure behandelt, die [...] wie die Eigenkapitalgeber primar an moglichst praziser Information uber den finanziellen Zustand des Unternehmens interessiert sind."®^^ Nach F. 15 reichen dabei die im Jahresabschluss publizierten Informationen uber Liquiditat und Solvenz aus, urn die Fahigkeit des Unternehmens einschatzen zu k5nnen, seinen falligen Verpflichtungen ausreichend nachzukommen. Um die Konsequenzen einer Ubernahme der IFRS in den deutschen handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss darzustellen, konnen verschiedene Alternativen en/vogen werden.®^^ Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass die IFRS von ihrer konzeptionellen Natur her der Ausschuttungsbegrenzung sowie dem Kapitalschutz gar nicht dienen wollen. Vor diesem Hintergrund soil im Folgenden das Erfordernis des herkommlichen Glaubigerschutzes durch die Kapitalerhaltungsvorschriften im deutschen Einzeljahresabschluss kritisch beleuchtet werden. Denn beim Ubergang zu den IFRS - mit entsprechender Fokussierung auf die Informationsfunktion und gleichzeitiger Negation weiterer Jahresabschlussfunktionen verloren die herkommlichen Kapltalerhaltungsregelungen ihre bilanzielle Grundlage. Eine erste Alternative bestiinde daher in der volligen Abkehr vom herkommlichen Kapitalschutzsystem bei gleichzeitigem Wechsel zum informatorischen Glaubigerschutz - ggf. mit begleitenden Solvenzprufungen nach US-amerikanischem Vorbild. Aus diesem Grund soil im folgenden Kapitel ein Vergleich mit den Ausschuttungsregelungen In den USA vorgenommen werden. Die zweite Alternative, die in Kapitel 4.2.2.2.3 (Zahlungsbemessung unter IFRS durch Ausschuttungsbegrenzung) er5rtert wird, besteht in einer separierten Uberleitungsrechnung fur Ausschuttungs- und Kapitalschutzzwecke bzw. einer flanklerenden Ausschuttungssperre fur gewisse Sachverhalte. Hierunter fallen insbesondere die nach IFRS ausgewiesenen, aber nicht realisierten Gewinne. Die Frage nach der Verlagerung der Zahlungsbemessungsfunktion in eine zweite Handels- Oder die Steuerbilanz soil an dieser Stelle (noch) nicht eruiert werden, da es sich hierbei um Fragen der grundsatzlichen konzeptionellen Ausrichtung des deutschen Bilanzrechts handelt. Derartige Fragestellungen sollen aus Sicht nicht

®^^ Vgl. F. 15; Kahle (2002a) S. 706. ^^^ Kubler (1995)8.555. 823

Vgl. ABHR (2002) S. 2376; Schulze-Osterloh (2003) S. 99.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

163

kapitalmarktorientierter Untemehmen erst in Kapitel 5.3.3.2 diskutiert werden. Im Folgenden steht die Problemstellung im Vordergrund, ob und - wenn ja - unter welchen Pramissen die IFRS sich fur die Zahlungsbemessungsfunktion elgnen.

4.2.2.2.2 Glaubigerschutz nach dem Vorbild des US-amerikanischen Modells Sowohl die IFRS als auch die US-GAAP sind aufgrund ihrer primaren Informatlonsorientierung prinzipiell nicht geeignet, die Funktionsanforderungen einer bilanzrechtlich gepragten und gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Kapitalerhaltung zu erfullen. Grundsatzlich existiert ein infornriationeller Glaubigerschutz durch Kapitalmarkttransparenz, d. h. auf Basis des regularen Jahresabschlusses nach USGAAP, der die Position von Glaubigern durch eine nrioglichst akkurate, umfangreiche und aktuelle Darstellung der finanziellen Situation des bilanzierenden Unternehmens zu verstarken versucht. Der kontinentaleuropaische Ansatz der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung mit einer darauf aufbauenden Ausschuttungsregelung uber den vorsichtig ermittelten Bilanzgewinn ist dem US-amerikanischen Bilanzrecht daher vollkommen fremd. Dort wird die Eignung eines Jahresabschlusses nach US-GAAP fur derartige Aufgaben bezweifelt.®^^ In der Folge hat der US-amerikanische Gesetzgeber samtliche Mindestkapitalforderungen ebenso wie die Pflicht zu (weiteren) gesetzlichen Rucklagen vollkommen beseitlgt.®^^ Dennoch bedient sich auch das US-amerikanische Bilanzrecht -- neben der bekannten Ausweitung von Informationspflichten - des Instruments der Ausschuttungssperre. Aufgrund der mangelnden bundeseinheitlichen Gesetzgebung hat sich dabei die Mehrzahl der Bundesstaaten an von der American Bar Association entwickelten Mustergesetzen orientiert.®^^ Zur Bestimmung zulassiger Ausschuttungen knupfen diese i. d. R. aber nicht an einer nach US-GAAP erstellten Bilanz an®^^, sondern an zwei alternativen, aber dennoch kumulativ durchzufuhrenden Tests. Untersucht wird dabei punktuell am Ausschuttungstag, ob die Gesellschaft in der Lage ist, ihre Verbindiichkeiten in der Reihenfolge der Falligkeit zu erfullen („equity insolvency test") und ob die Passiva die Aktiva ubersteigen (..bankruptcy

Vgl.Siegel(1996)S. 100f. Einen Uberblick uber die gesellschaftsrechtlichen Ausschuttungsregein in den USA gibt Kahie (2002c) S. 151-157. Der Model Business Corporations Act (MBCA) oder der Revised Model Business Corporations Act (RMBCA) wurden in der Folge von vielen Bundesstaaten ganz oder zumindest teilweise ubernommen; vgl. hierzu Schildbach (2002c) 8 . 1 2 . Ein nach US-GAAP aufgestellter Jahresabschluss kann - wie im Folgenden dargestellt - dennoch als Ausgangsbasis fur die weiteren Verfahren der AusschOttungsbemessung dienen. Die einzige Ausnahme bildet hierbei der California Corporation Code von 1976, dessen Ausschuttungsregelungen an die US-GAAP gebunden sind; vgl. hierzu Schildbach (2002c) 8 . 1 4 .

164

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

test"). Wahrend Letzterer die Existenz eines Nettovermogens uberpruft und damit sicherstellt, dass es durch die Ausschuttung nicht zu einer Obersciiuldung kommt, zielt der erste Test auf die Erhaltung der Zahlungsfahigkeit bei Unternehmensfortfuhrung ab.®^® Der Jahresabschluss nach US-GAAP spielt hierbei nur eine untergeordnete Rolle: Im Rahmen des „equity insolvency tests" wird die Grundlage der Uberprufung nur eine Finanzplanung des Unternehmens sein, nicht aber der handelsrechtliche Jahresabschluss. Dieser wird jedoch als eine mogliche Ausgangsbasis fur den ..bankruptcy test" angesehen.®^^ Nach Niehues zeigt ..die Darstellung der US-amerikanischen solvency tests [...], dass die jahrliche (externe) Rechnungslegung im Falle des .equity insolvency test' gar keine Rolle spielt, wahrend die fur den .balance sheet test' nur insoweit von Bedeutung ist, als ein nach USGAAP Oder auch nach anderen Standards erstellter Abschluss die Zulassigkelt von Ausschuttungen indizieren kann."®^° Die beiden ..solvency tests" stellen damit lediglich einen punktuellen Test am Ausschuttungstag dar, mit dem Ziel der Verhinderung einer ausschuttungsbedingten Unternehmensinsolvenz. Das US-amerikanische Gesellschaftsrecht kennt keine weitergreifenden Vorschriften zur Beschrankung von Ausschuttungen. Die angloamerikanische Konzeption des Glaubigerschutzes baut indes vielmehr - neben privatrechtlichen Vertragsvereinbarungen - auf einer Ex-post-Kontrolle durch gerichtliche Aufsicht des Schuldnerverhaltens im Insolvenzfall auf.®^^ Ein weitergehender Glaubigerschutz bleibt damit der privaten Initiative der betroffenen Fremdkapitalgeber uberlassen. Durch vertraglich geregelte Ausschuttungsbeschrankungen, den sog. ..Financial Covenants", soil aufgrund fehlender bundeseinheitlicher Kapitalerhaltungsregelungen sichergestellt werden, dass die kreditnehmenden Gesellschaften ein gewisses Mindestkapital erhalten und ein gesundes Eigen-/Fremdkapital-Verhaltnis bewahren.®^^ Der zentrale Vorteil dieser vertraglichen Vereinbarungen liegt in der Moglichkeit, diese individuell zu gestalten und somit dem spezifischen Risikoprofil des Kreditnehmers - besser als dies vergleichswelse eine gesetzliche Ausschuttungssperre zu gewahrleisten vermag anpassen zu konnen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde sind solche kreditbegleitenden Vertragsgestaltungen auch in Deutschland zunehmend auf dem Vormarsch.®^^ Die konkrete Gestaltung eines ..Covenants" hangt jedoch von der Ver828

Vgl. Kahle (2002a) S. 697.

829

Altemativ kann dies aber auch eine Unternehmensbewertung („fair value valuation") oder eine ..other method that is reasonable in the circumstances" sein; vgl. MBCA section 6.40 (d). Niehues (2001 ) S . 1217 f. Vgl. Watrin (2001)5.937. Vgl. Schon (2001) S.S78. Vgl. Kahle (2002a) S. 704 f.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

165

handlungsmacht des Glaubigers ab. Klein- und Deilktglaubiger werden kaum die Moglichkeit haben - aufgrund ihrer fehlenden Machtposition sowie der dannit verbundenen hohen Transaktionskosten - denn Schuldner derartige Absicherungsmechanismen aufzuerlegen. Im umgekehrten Fall konnten starke Kreditgeber mit groRer RIsikoaversion dazu neigen, den untemehmerlschen Handlungsspielraum des Schuldners durch entsprechende Vertragsgestaltungen stark elnzuschranken. Dennoch besteht in den USA ein „[...] Konsens, dafi[!] diese Instrumente den Glaubigern wesentlich mehr Sicherheit bieten als die uberlieferte Mechanik der Kapitalsicherung"®^"^ durch gesetzlich geregelte Ausschuttungssperren. Inhaltlich bauen die US-amerikanischen Kreditvertrage zwar auf dem Jahresabschluss nach US-GAAP auf, welche jedoch als zu wahlrechtsbehaftet und nicht vorsichtig genug in der Bewertung angesehen werden, so dass die Normen der US-GAAP lediglich als Ausgangsbasis der Gewinnberechnung in US-amerikanischen Kreditvertragen dienen.®^^ Letztere enthalten wiederum haufig eigene Bilanzierungsregelungen, die den kontinentaleuropaischen Grundsatzen der vorsichtigen Bilanzierung relativ nahe kommen. Nach einer Untersuchung von Leftwich werden die konkreten Vorschriften der US-GAAP u. a. in den folgenden Bereichen modifiziert:®^^ •

Aktivierungsyerbot fur Good\yill, aktive latente Steuern sowIe immaterielle Vermogensgegenstande,

•

•

Bewertung von Vermogensgegenstanden zunn Niederstwertprinzip (nnit Anschaffungskostenrestriktion), Bewertung von Beteiligungen nicht anhand der Equity-Methode, sondern alienfalls mit Anschaffungskosten (Ausschluss von vorzeitigen Gewinnausweisen),

•

Umfassendere Definition von Verbindlichkeiten als nach US-GAAP,

•

Ansatz von Eventualschulden nach vorsichtigeren Kriterien,

•

Erfassung samtlicher Aufwendungen in der GuV, auch wenn diese nach USGAAP die Kongruenz durchbrechen,

•

Elimlnierung erfolgswirksam ausgewiesener Abwertungen von negativem Goodwill,

•

Konsolidierungsverbot von auslandischen Konzernunternehmen.

834

Kubler (1995)8.559. Vgl. Merkt(2004)S. 318. Vgl. Leftwich (1983) S. 23-42 bzw. Schildbach (2002c) S. 15 f., der die Untersuchung von Leftwich aufgreift.

835 836

166

4 Intemationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Beim Vergleich der inhaltlichen Regelungen der US-amerikanischen Kreditvertrage mit dem deutschen HGB wird eines schnell ersichtlich: „Auch wenn die Regein verschiedentlich noch vorsichtiger sind als GoB und HGB, bestatigen diese von unabhangigen Parteien praktisch auf dem freien Markt vereinbarten Rechenwerke den deutschen Jahresabschluss trotzdem eindrucksvoll."®^^ Der Markt setzt somit ein - dem deutschen System der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung ahnelndes - Schutzsystem fur die Glaubiger durch, denen punktuelle Ausschuttungskontrollen durch die genannten ..insolvency tests" sowie eine gesteigerte Kapitalmarkttransparenz offenbar als ungenugend erscheinen. Damit werden in den USA durch kreditbegleitende private Vertragsgestaltungen letztlich die gleichen Ausschuttungssperren erzlelt wie die in Deutschland gesetzlich kodifizierten Restriktionen und zwar genauso, wie .,[...] dies nach unserem Vorsichts- und Imparitatsprinzip der Fall ist."®^® Die genannten Einschrankungen in amerikanischen Kreditvertragen ubertreffen in Teilen sogar noch die vorsichtige Gewinnermittlung nach deutschen GoB - so kennen die Vorschriften des deutschen Handelsgesetzes beispielsweise weder ein grundsatzliches Aktivierungsverbot fur Goodwill sowie immaterielle Vermogenswerte noch einen ganzlichen Ausschluss der AtEquity-Bewertung. Vor diesem Hintergrund sowie dem Aspekt der Vertragsabschluss- bzw. Transaktionskosten stellt sich die berechtigte Frage, weshalb ein System abgeschafft bzw. reformiert werden sollte, dessen gesetzliche Regelungen zum gleichen Ziel fuhren wie privatrechtlich vereinbarte Kreditvertrage, die immer wieder neu abgeschlossen werden mussen. Nach Schmidt sind gesetzliche Regelungen „[...] angebracht, wenn sie wie vorfabrizierte Formularvertrage einmal und mit geringeren Kosten das regein, was Private ohnehin - aber vielmals und dadurch mit hoheren Kosten - in Vertragen regein wurden."®^^ Daraus wird fur Kahle vor allem eines ersichtlich: „Ein zweckgerecht erstellter Jahresabschluss verringert die Transaktionskosten."®^° Der Vorteil der US-amerikanischen Kreditvertrage liegt dabei in der Mogllchkeit Ihrer zielgerichteten und risikospezifischen Ausgestaltung im Hinblick auf die konkreten Schuldnerverhaltnisse. Im Sinne einer kreditrisikoorientierten Ausrichtung durfte damit eine bessere Allokatlonseffizienz erreicht werden - schlechteren Schuldnern mit hoherem Bonitatsrisiko werden demnach hohere Kosten auferlegt. Ungeschutzt bleiben andererseits i. d. R. diejenigen Glaubiger, bei denen eine Verhandlung uber (privatrechtliche) Kapitalschutzmechanismen nicht in

®^^ Schildbach (2002c) S. 16; ahnlich argumentiert auch Kahle (2003) S. 269 f. ®^® Merkt (2004)8.319. *^^ Schmidt (1982)8.746. ^*° Kahle (2002a) 8. 702.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

167

Frage kommt. Dazu gehoren Glaubiger wie Arbeitnehmer und (kleinere) Lieferanten, vor allem aber Deliktsglaubiger. „Der gesetzliche Kapitalschutz behandelt demgegenuber alle gleich und beseitigt damit die Konsequenzen eines Marktversagens, das sich bei kleinen Glaubigem oder Deliktsglaubigern typischen/veise einstellt."^^ Eine Aufgabe des europaischen bzw. deutschen Kapitalschutz- bzw. Bilanzsystenns und des damit verbundenen institutionellen Glaubigerschutzes fuhrt daher nicht zum gewunschten Ziel. Watrin komnnt vor diesem Hintergrund zu einem ahnlichen Ergebnis: „\n Anbetracht eines sonnit fehlenden Nachweises der Uberlegenheit des Insolvenztests kann ein Festhalten an der eingespielten deutschen Rechnungslegungskonzeption nicht zuletzt mit den Vorteilen einer pfadabhangigen Entwicklung begrundet werden."®^^ Insbesondere vor dem Hintergrund des derzeit geringen Harmonisierungsgrades des europaischen Insolvenz- und Haftungsrechts macht de lege lata die Durchsetzung von punktuell durchzufuhrenden - und von der periodischen Rechnungslegung unabhangigen - Ausschuttungsregelungen nach dem Vorbild des US-amerikanischen Insolvenztests kaum Sinn.^^ Daher muss im Rahmen der Eignungsuntersuchung der IFRS fur den deutschen Einzeljahresabschluss erortert werden, ob dieses Normensystem unter der Pramisse der Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzfunktion des Einzeljahresabschlusses - und somit des tradierten Institutionellen Glaubigerschutzes - bei Ubernahme in diesen ein geeignetes Instrument zur Zahlungsbemessung darstellen kann.

4.2.2.2.3 Zahlungsbemessung unter IFRS durch Ausschuttungsbegrenzung Um die Auswirkungen einer Obernahme der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss auf den Abschlusszweck Zahlungsbemessung abzuschatzen, bletet sich ein Vergleich mit denjenigen europaischen Staaten an, die bereits heute angelsachsischen Gewinnermittlungsgrundsatzen folgen und gleichermafien den EU-Vorschriften zur Kapitalerhaltung unterworfen sind. In England bspw. wird die Handelsbilanz in erster Linie zu Informationszwecken nach Madgabe des „True-and-Fair-View" aufgestellt. Deshalb gehort England zu denjenigen Mitgliedslandern, die im Rahmen der nationalen Umsetzung der lAS-VO die Anwendung der IFRS auch im Einzeljahresabschluss samtlicher Unternehmen gestatten.^^

Schbn (2001) 8. S78; in gleicher Art und Weise argumentieren auch der ABHR (2002) S. 2373. 2376 sowie Schulze-Osterloh (2003) 8. 99. Watrin (2001) 8. 938. Vgl. Niehues(2001)8.1222. Vorbehaltlich derjenigen Unterneiimen, die im Bereich ..charity" agieren; vgl. EuropSische Kommission (2005).

168

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Fur Ausschuttungszwecke werden dort die bereits durch Umsatzakte realisierten Gewinne aus der Handelsbilanz in einer Nebenrechnung herausgerechnet.®^^ Demnach wird im Bereich der Bewertungsunterschiede nacii erwirtschaftetem und entziehbarem Gewinn unterschieden. Die systematische Unterscheidung zwischen erwirtschaftetem und entziehbarenn Gewinn beruht nach IFRS letztlich auf zwei Arten von niciit realisierten Ertragen, und zwar: •

auf der Zeitwertbilanzierung (Fair-Value-Bewertung bzw. Neubewertung) uber die Anschaffungskosten hinaus sowie

•

auf einem fruheren Gewinnausweis im Verhaltnis zum schuldrechtlichen Indikator des Gefahrenubergangs (z. B. bei der Langfristfertigung).®^^

Zudem erfolgt beim Obergang zu den IFRS aufgrund der dynamischeren Bilanzauffassung auch eine Ausweitung der Aktivierungsmoglichkeiten bei gleichzeitiger Einschrankung der Passlvierungsoptionen.®^^ In einem Vergleich der konkreten Ansatz- und Bewertungsvorschriften der IFRS mit den handelsrechtlichen Regelungen wird die Zahlungsbemessungsfunktion eines Einzeljahresabschlusses auf Basis der IFRS nach einer Untersuchung von Streim/Esser durch folgende Sachverhalte eingeschrankt, die unter dem Gesichtspunkt des Glaubigerschutzes als unzweckmadig einzustufen sind:®^® •

Die allgemeinen Ansatzkriterien der IFRS und insbesondere die Weiterfassung der Definition eines Vermogenswertes im Vergleich zu den handelsrechtlichen Vorschriften resultieren in einer deutlichen Erweiterung der aktivierungsfahigen Sachverhalte (z. B. die Aktivierung von Entwicklungskosten).

•

Die Einengung der Passivierungsmoglichkeiten nach IFRS im Vergleich zum HGB fuhrt u. U. zur Bildung von stillen Lasten. So diirfen nach IAS 37.14 relativ wahrscheinliche Verpflichtungen, die aber schwer quantifizierbar sind, nicht angesetzt werden. Dies fuhrt aus Glaubigersicht zu einem unvollstandigen Schuldenausweis.^^

•

Der verfruhte Ertragsrealisierungszeitpunkt im Bereich der langfristigen Fertigung (IAS 11) schadet der Zweckmafiigkeit der IFRS als Ausschuttungsbilanz.

Vgl. Cook (1997) S. 693 f.; Gower/Davis (1997) S. 281-283; eine ausfuhrliche Darstellung gibt Micheler (2004) S. 324-347. Vgl. Kumpel (2004)8.241. Vgl. Schulze-Osterloh (2003) S. 97. Vgl. Streim/Esser (2003b) S. 739, 741; Streim/Esser (2003c) S. 784, 786. Vgl. Kahle (2003) S. 269.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

169

Aus Gesichtspunkten des Glaubigerschutzes sollten Gewinne erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung und Leistung realisiert werden. Denn aus Sicht einer vemunftigen Ausschuttungsbemessung sind „Ausschuttungen zu verhindern, wenn der voraussichtliche zukunftige Zahlungsstrom aus dem laufenden Geschaftsbetrieb nichtfurdie Befriedigung der Glaubigeranspruche ausreicht."®^^ •

Gleiches gilt fur samtliche Zeitwertbewertungen nacii IFRS, da der dabei angezeigte erhohte zukunftige Einzahlungsstrom gegenuber der Bewertung zum Anschaffungskostenmodell ungewiss ist. Dieses gilt im Rahmen der Folgebewertung sowohi fur die Neubewertungen nach IAS 16 (Sachanlagen) und IAS 38 (immaterielles Sachanlagevermogen) als auch fur die Marktwertbewertung zum Fair Value nach IAS 39 (Finanzinstrumente) und IAS 40 (Finanzinvestitionen).

Offen bleibt bei diesem Vergleich, inwiefern die Vorschriften des HGB tatsachllch dem Glaublgerschutz dienen. Dem verfruhten Ausweis unrealisierter Ertrage nach IFRS kann bspw. die zu niedrige Dotierung von Pensionsruckstellungen nach HGB entgegengehalten werden.®^^ Vor dem Hintergrund der bereits festgestellten Annaherung und in wesentlichen Teilen mit den handelsrechtlichen GoB ubereinstimmenden Ausgestaltung US-amerikanischer Kreditvertrage ist diesen allerdings eine grundsatzliche Eignung zum Glaublgerschutz zu unterstellen. Die Mogllchkeit zur Bildung stiller Reserven und die daraus u. U. resultierenden Gefahren durfen jedoch nicht unterschatzt werden. Die (ubertriebene) Bildung stiller Reserven ermoglicht durch den Glaubigerschutzgedanken des HGB - kann zu einer falschen Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens fuhren. Insbesondere die unbemerkte Auflosung stiller Reserven - als unsichtbarem Puffer des Managements zur Verschleierung von Notlagen - kann in wirtschaftllch schwierigen Zeiten zu einer expllziten Gefahrdung der Glaubiger fuhren.®^^ Dennoch kommt Kahle vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis: Jnsgesamt betrachtet durften IAS dem HGB in Bezug auf die Ausschuttungsbemessung tendenziell unterlegen sein."®^^ Maligebend hierbei erscheint die funktionale und systematische Nahe der IFRS zu den US-GAAP: Beide Rechnungslegungssysteme sind ausschliefilich der zeitnahen und umfassenden Informationsvermittlung verpflichtet, weshalb die US-GAAP in den USA kaum Bedeutung fur die Ausschuttungsbemessung besitzen. Streim/Esser kommen im Rahmen ihrer Untersuchung zur Eignung der IFRS als Zahlungsbemessungsinstrument zu einem ahnlichen Fazlt:

^^° Franken (2001)8.225. ^^^ Vgl. Backing (2002) S. 926. ®^^ Vgl. Kumpel (2004) S. 241; Booking (2002) S. 925 f. '^^ Kahle (2003) S. 269.

170

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

„Die grundlegenden Ansatz- und Bewertungsvorschriften nach IAS erweisen sich im Vergleich zu den korrespondierenden Regelungen im Handels- und Steuerbilanzrecht teilweise als zweckmSliig, teilweise aber als unzweckmaHig. Die zutiefst ablehnende Haltung gegenuber den IAS zur Zahlungsbemessung scheint damit ebenso unangebracht wie eine bedingungslose Obernahme."®^ Eine derartige direkte Ubernahme der IFRS kann dannit nicht im Sinne der Abschlussadressaten llegen: „Die Jahresabschlusse waren nicht mehr geelgnet, das Ausschuttungspotential zu bestimmen und dem Glaubigerschutz zu dienen."^^^ Urn der befurchteten Abschwachung des Kapitalschutzes bei Obemahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss entgegenzutreten, mussen die bereits ausgewiesenen - aber noch nicht realisierten - Gewlnne einer gesetzlich kodifizierten Ausschuttungssperre unterliegen. Nur durch die Ermittlung des wirklich „entziehbaren" Gewinns kann auch auf Basis eines IFRS-Jahresabschlusses ein Ausschuttungsergebnis erzielt werden, das dem wahren Ausschuttungspotenzial entspricht. Dies kann nach englischem Vorbild im Rahmen einer Uberleitungsrechnung oder anhand von Ausschuttungssperren wie bei der Aktivierung von Aufwendungen fur die Ingangsetzung und EnA^eiterung des Geschaftsbetriebes nach § 269 HGB geschehen.®^^ Solche Ausschuttungssperren waren seitens des Gesellschaftsrechts in den genannten Sachverhalten zu Installieren, um eine unsachgemalie Ausschuttung wirkungsvoll zu verhindern. Eine derartige Vorgehensweise setzt voraus, dass der deutsche Gesetzgeber im dynamischen Umfeld der internationalen Rechnungslegung die permanente Oberwachung und evti. Erweiterung dieser Ausschuttungssperren ~ gemafi der Entwicklung der IFRS - gewahrlelstet. Dies durfte zu ..erheblichen gesetzgebungstechnischen Friktionen"®^^ fuhren. Zudem wird eine einmalig zu formulierende Ausschuttungssperre nicht ausreichen, um dem kumulierten Umfang nicht realisierter Gewlnne zu entsprechen. Vielmehr mussen im Rahmen einer Nebenrechnung auch Korrekturen aus den Vorjahren vorgenommen werden, die aus den genannten Ansatz- und Bewertungsdifferenzen resultieren.®^® Damit „wlrd es auderordentlich schwierig sein, derartige Ausschuttungssperren flachendeckend und uberperiodisch aufrechtzuerhalten und nachzuverfolgen."®^^ Probleme bei Implementierung einer Uberleitungsrechnung durften zudem dadurch entstehen, dass nicht nur Bewertungsun-

856 857

Streim/Esser (2003c) S. 786. Schulze-Osterloh (2003) S. 100. Vgl. Schon (2001) S. S79; Kahle (2003) 8. 271. ABHR (2002) S. 2376. Vgl. ABHR (2002) S. 2376. Schon (2001) S. 75 f.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

171

terschiede, sondern auch die o. g. Differenzen im Ansatz berucksichtigt werden mussen. In der Folge mussten im Raiimen einer soiciien Nebenrechnung samtliche Asset-Aktivierungen revidiert werden, die das Tatbestandsmerkmal eines Vermogenswertes nach HGB uberschreiten.®®° Eine Alternative zur Installation von individuellen Ausschuttungssperren ist die pauschale Erhohung gesetzlicher Rucklagen. Diese konnen an einen Prozentsatz vom Eigenkapital, der Aktiva und/oder der Passiva gekoppelt sein.®®'' Die gesetzlichen Rucklagen sollen als Puffer dienen, auf den Glaubiger im Insolvenzfall zuruckgreifen konnen. Derartige vom Gesetzgeber normierte - und daher starre Mindestkapitalregelungen dienen aber wohl kaum einem effizienten Glaubigerschutz, da sie dem individuellen Risikoprofil eines Unternehmens wenig Rechnung tragen. In einigen Fallen werden sie zu hoch, in den meisten wohl aber zu niedrig bemessen sein: „Die Mindestkapitalregel ist daher ineffizient."®^^ Vor allem erscheint es schwierig zu bestimmen, um welchen Betrag bzw. Prozentsatz die gesetzllchen Rucklagen bei Ubernahme der IFRS in den deutschen Einzeljahresabschluss erhoht werden sollten. Es gliche somit Wlllkur, einen Puffer vorzuschreiben, dessen Hohe kaum quantiflzierbar ist. Zudem ist die Erhohung des gesetzlichen Mindestkapitals vor dem Hintergrund einer sich in Europa abzeichnenden Bewegung gegen derartige starre Vorschriften zum Mindestkapital in Frage zu stellen. So spricht sich nicht zuletzt der Europaische Gerichtshof (EuGH) gegen ein grundsatzliches Mindestkapitalerfordernis aus, das als Markteintrittsbarriere bei einer Unternehmensgrundung angesehen wird.®^^ Dem entspricht der jungste Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG).®^ Ziel des EuGH ist, das Mindestkapital wieder auf diejenige Aufgabe zu reduzieren, die es erfullen kann - eben „kein Glaubigerschutz durch Haftungssubstrat, sondern Seriositatsausweis fur die Grundung."®®^

Vgl. Schulze-Osterloh (2003) 8. 100. Vgl. IDW (2002b) S. 3. Micheler (2004) S. 332. Der EuGH hat in den Urteilen zu Centres und Inspire Art die Ineffizienz von gesetzlichen Mindestkapitalziffern beklagt. Dieser Ansicht hat sich der frz. Gesetzgeber angeschlossen, in dem er in der jungsten Reform der franzOsischen GmbH das Mindestkapitalerfordernis ersatzlos abgeschafft hat; vgl. hierzu Merkt (2004) S. 317 f. Der deutsche Gesetzgeber plant Im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG) ebenfalls eine Absenkung des GmbH-Mindestkapitals auf 10.000 Euro; vgl. o.V. (2005b) S. 15; Schmidt (2005) S. 1095 sowie Seibert (2005) S. 1061 f. Der deutsche Gesetzgeber plant im Rahmen des RefE zum MindestkapG ebenfalls eine Absenkung des GmbH-Mindestkapital auf 10.000 Euro; vgl. o.V. (2005b) S. 15; Schmidt (2005) S. 1095 sowie Seibert (2005) S. 1061 f. Merkt (2001) S. 148. Diese Auffassung vertritt ebenfalls die Europaische Kommission. Demnach soil das gesetzlich vorgeschriebene Mindesteigenkapital weder abgeschafft noch ange-

172

4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Der grundsatzliche Aufwand, ein System von glaubigerschutzenden Ausschuttungssperren bzw. einer Uberleitungsrechnung aufzubauen, gliche wahrscheinlich dem einer ganzlichen Auslagerung der Zahlungsbennessungsfunktion in eine eigene Bilanz.®®^ Ein Ubergang zu den IFRS im Einzeljahresabschluss darf daher nicht als einfacher Wechsel von einem zum anderen Normengertist verstanden werden. „Ganzlich ungeeignet ware es, den Jahresabschlull[!] fur lAS/IFRS zu offnen und dabei seine Einbindung in das gesetzliche Kapitalschutzsystem beizubehalten."®^^ Damit einher ginge eine gesellschaftsrechtliche Umgestaltung des tradierten deutschen Glaubigerscinutzes. Denn unter realen Bedingungen durften die Glaubiger - analog zur beschriebenen US-amerikanischen Kreditvergabepraxis - zu einer vom Vorsiclitsprinzip gepragten Gewinnermittlung greifen.

4.2.2.2.4 Kritische Wurdigung Die aktuelle und zeitnahe Unterrichtung der Glaubiger uber die finanzielle Lage des bilanzierenden Unternehnnens ist der fundamentale Eckpfeiler eines infornnatorischen GlSubigerschutzes. Die Glaubiger des Unternehmens werden nicht mehr anhand von gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsregelungen, sondern durch (Kapital-)Markttransparenz geschutzt. Ihnen wird nach diesem Ansatz kein Interesse an einer ubervorsichtigen Bilanzierung und Bewertung zum Schutze ihres eingesetzten Kapitals unterstellt. Als rationale Marktteilnehmer, die - ebenso wie Investoren - an einer moglichst prazisen und wahrheitsgetreuen Darstellung der Finanzlage des bilanzierenden Unternehmens interessiert sind, gestalten sie ihre vertraglichen Kreditbeziehungen zu den kreditsuchenden Unternehmen auf Basis der im Jahresabschluss publizierten Informationen. Letzteren kommt damit eine hohe Bedeutung zu. Zur zentralen Voraussetzung eines funktionierenden informationellen Glaubigerschutzes zahit somit in erster Linie die Qualitat der im Jahresabschluss publizierten Informationen. Aus diesem Grund kann eine Obernahme der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss nur vor dem Hintergrund der oftmals gepriesenen Informationsfreundlichkeit dieser Normen erfolgen. Dies setzt jedoch voraus, dass die auf Basis der IFRS ubermittelten Informationen tatsachlich aktueller und entscheidungsrelevanter als vergleichbare HGB-Abschlussdaten sind. Aufgrund der feh-

hoben werden; vgl. Europaische Gemeinschaft (2002) S. 88; Europaische Union (2003c) S. 3 f. ^^^ Derartige konzeptionelle Fragen werden in Kapitel 5.3.3.2, S. 301 behandelt; vgl. Kahle (2003) S.271. ^^^ Ramnnert (2004) S. 592.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

173

lenden (Uber-)Betonung des Vorsichtsprinzips vermag ein Jahresabschluss nach IFRS die Bildung stiller Reserven starker zu unterbinden. Durch die Einschrankung von potentiellen Unterbewertungen konnte damit beim Obergang auf die Internationale Rechnungslegung eine Erhohung des Glaubigerschutzes verbunden sein. Die Eignung der IFRS als Instrument der Zahlungsbemessung hangt jedoch in erster LInie von der Zuverlasslgkeit und Aktualitat der durch dieses Normensystem ubermittelten Informationen ab. Vor dem Hintergrund der in Kapitel 4.2.2.1 (Informationsfunktion) ermittelten potenziellen Einschrankungen der Informationsqualitat von Jahresabschlussen nach IFRS aufgrund von ErmessensspielrSunnen bei unternehmerischen Planungen und Prognosen ist daher in Frage zu stellen, ob der Informationelle Glaubigerschutz unter IFRS eine ausreichende Kapitalerhaltung - ohne flankierende gesellschaftsrechtliche Malinahmen - gewahrleisten kann. Kahle verneint diese Fragestellung: „Aufgrund der angefuhrten Einwande gegen die bilanzielle Informationsvernnittlung ist auch ein Jahresabschluss auf Basis der IFRS konzeptionell unzweckmadig fur den informationellen Glaubigerschutz"®^® Zu einem ahnlichen Ergebnis kommen Streim/Esser, die Jm Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung [...] [im Jahresabschluss nach IFRS] kaum einen Beitrag zur Vermittlung entscheidungsnutzlicher Informationen an Investoren"®®® sehen. Im Kern handelt es sich hierbei um die Problematik des Ausweises der nicht realisierten Gewinne sowie die unterschiedlichen Ansatzkriterien, welche bereits im vorhergehenden Kapitel erortert wurden. Im Ergebnis besitzt ein Jahresabschluss nach IFRS im Rahmen einer direkten Ubernahme in den deutschen Einzeljahresabschluss de lege lata demnach keine ausreichende Eignung als Instrument zur Zahlungsbemessung. Unter der Voraussetzung von (kapitalerhaltenden) Modifikationen der IFRS selbst bzw. der Installation weiterfuhrender gesellschaftsrechtlicher Ausschuttungsbeschrankungen ist den internationalen Standards diese Eignung jedoch nicht abzusprechen. Konzeptionell sind die IFRS zwar nicht zur Zahlungsbemessung vorgesehen, jedoch eignen sie sich funktionell - bei entsprechender Implementierung von Ausschuttungssperren - als bilanzielle Grundlage der Zahlungsbemessung. Im Prinzip wird dabei die Notwendigkeit der Kapitalerhaltung auf die Ebene der Gewinnverwendung verlagert: Denn eine vorsichtige Ausschuttungsbemessung muss grundsatzlich nicht wie im HGB auf Ebene der Gewinnermittlung durch vorsichtige Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften erfolgen. Bei Obernahme der IFRS wird das Ausschuttungspotenzial daher nicht durch eine - die Informationsfunktion verfalschende -

Kahle (2003) S. 266. Streim/Esser (2003a) S. 840.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

(uber-)vorsichtige Gewinnermittlung determiniert, sondern mit Hilfe der vorsichtigen Verwendung eines ermessensneutral ermittelten Gewinns. Gerade bei einem weiteren Festhalten am institutionellen Glaubigerschutz ist die hierzu notwendige Trennung zwischen erwirtschaftetem und entziehbarem Gewinn dringend notwendig. Diese ist unter IFRS zwar durchaus moglich, jedoch diirfte eine direkte Obemahme in den Einzeljahresabschluss vor allem an der praktischen Implementierung von Ausschuttungsbeschrankungen scheitern. Die gesellschaftsrechtliche Verankerung sowie die Abgrenzung in Hohe und Umfang der notwendigen Aussciiuttungssperren gestalten sich als eher unpraktikabel in der Durchfuhrung. Neben dem permanenten Anpassungsdruck, die Ausschuttungssperren aktuellen Entwicklungen und intemationalen Gegebenheiten anzugleichen, stellt sich zudem die Frage, ob diese vom Gesetzgeber implementiert Oder mittels privater initiative entwickelt werden sollten. Ferner muss erortert werden, ob derartige Ausschuttungsbeschrankungen auf gesamteuropaischer oder lediglich auf nationaler Ebene zu definieren und installieren sind. Eine nationale Umsetzung im Alleingang verstofit u. U. zudem gegen den Harmonisierungsgedanken der europaischen Rechnungslegungsstrategie. Insgesamt durfte der notwendige Aufwand fur die bilanzierenden Unternehmen und den Gesetzgeber so grofi sein, dass grundsatzlich zu hinterfragen ist, ob eine Verlagerung der Zahlungsbemessungsfunktion nicht praktikabler erscheint als ein aufwendig und permanent zu modifizierender Einzeljahresabschluss auf Basis der IFRS. Dennoch gilt: Die Eignung der IFRS als Instrument der Zahlungsbemessung kann per se nicht negiert werden.

4.2.2.3 MaHgeblichkeitsprinzip Durch eine Ubernahme anderer handelsrechtlicher Vorschriften in den Einzeljahresabschluss wird das Prinzip der MaHgeblichkeit per se nicht beruhrt. De lege lata dient die Feststellung des ausschuttungsfShigen Gewinns nach HGB jedoch auch als Ausgangswert der steuerlichen Gewinnermittlung. Insofern hat die bilanzielle Grundlage des Handelsrechts in Deutschland aufgrund des Prinzips der Maflgeblichkeit entscheidenden Einfluss auf die steuerliche Bemessungsgrundlage. Um jedoch de lege lata die Eignung der IFRS zur Ubernahme in den deutschen Einzeljahresabschluss beurteilen zu konnen, muss die Madgeblichkeit nach IFRS erortert werden. Zunachst soil daher der Umfang der Mafigeblichkeit und deren Durchbrechungen in der Praxis beschrieben werden. Im Rahmen der Feststellung des Status quo sollen zudem die Einflusse der Internationalisierung der Rechnungslegung auf das Maligeblichkeitsprinzip berucksichtigt werden. Erst

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

175

dann konnen die Konsequenzen einer direl
4.2.2.3.1 Umfang und Inhalt der Mafigeblichkeit Das Madgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG bezeichnet die Mallgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsatze ordnungsgemafier Buchfuhrung fur die steuerbilanzielle Gewinnermittlung.®^° § 5 Abs. 1 S. 1 EStG erklart samtllche kodifizierten (aber auch nicht kodifizierten) abstrakten handelsrechtlichen GoB uber die Buchfuhrung und Bilanzierung als maligeblich fur die steuerrechtllche Gewinnermittlung (sog. materielle Maligeblichkeit). Die handelsrechtlichen GoB finden damit nicht nur Eingang in die Steuerbilanz, sondern werden aufgrund der Mafigeblichkeit zu einem integralen Bestandteil des Bilanzsteuerrechts. „Damit bilden das Realisationsprinzip, das Imparitatsprinzip und die Objektivierungsprinzipien des Handelsrechts auch das Kernstuck der steuerlichen Gewinnernnittlung."®'^^ Neben der materiellen Einbindung wird der Steuerpflichtige im Rahmen der fornnellen Mafigeblichkeit nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG in seiner Steuerbilanz an die in der Handelsbilanz konkret getroffenen Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen gebunden. Demnach ist in der Steuerbilanz zu aktivieren, was handelsrechtlich aktiviert wurde und zu passivieren, was handelsrechtlich passiviert wurde. Vorbehaltlich explizit abweichender steuerrechtlicher Regelungen (§ 5 Abs. 2 bis 5 EStG) erstreckt sich der Maligeblichkeitsgrundsatz damit nicht nur auf den Bereich des Ansatzes, soweit die in der Handelsbilanz gewahlten Ansatze den GoB entsprechen, sondern gilt auch fiir die Bewertung.®^^ Vor dem Hintergrund, dass Wahlrechte bei der steuerlichen Gewinnermittlung nur in Obereinstimmung mit dem handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss auszuuben sind (umgekehrte Mafigeblichkeit), geschieht in praxi eine Vorverlagerung steuerbilanzieller Bilanzierungsund Bewertungsentscheidungen in die Handelsbilanz. ..Dieser Ruckschlag allein steuerrechtlich begrundeter Wertansatze in den Jahresabschlufl[!] stellt einen gigantischen Fremdkorper in der handelsbilanziellen Rechnungslegung dar."®^^ Insofern kann die praktische Bedeutung des Steuerbilanzrechts fur die Erstellung der Handelsbilanz nicht hoch genug eingeschatzt werden. Die diversen Offnungsklauseln des HGB in den §§ 247 Abs. 3, 254, 273 Abs. 2 sowie 280 Abs. 2 ermog-

Das Maligeblichkeitsprinzip wurde in den Landern Preufien und Sachsen bereits 1984 eingefuhrt und war schon bei seiner EinfCihrung heftig umstritten; vgl. Biener (1998) S. 498 f.; Sigloch (2000) S. 159. Oestreicher (2003) S. 263. Vgl. Lauth (2000) S. 1365; Herzig (2000) 8. 1538 f. Ebenso Herzig/Dautzenberg (1998) S. 24 sowie Kahle (2002d) S. 179.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

lichen daher nach dem Prinzip der umgekehrten Mafigeblichkeit die Ubemahme ertragssteueriicher WahJrechte in die Handelsbilanz, die den GoB entgegenstehen.®^"^ Vor allem die Handelsbilanz der kleineren und mittleren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen wird in praxi unter Berucksichtigung steuerlicher Vorschriften und steuerrechtlich relevanter Sachverhalte aufgestellt.®^^ Die bei Einfuhrung des Maflgeblichkeitsgrundsatzes ursprunglich vom Gesetzgeber verfolgte Intention war Indes die Vereinfachung der steuerlichen Gewinnermittlung unter Bezugnahme auf handelsrechtlich gesicherte Erkenntnisse.®^® Im Kern sollte dabei der Aufwand einer doppelten Erstellung von Jahresabschlussen fur das Handels- und Steuerrecht vermieden werden. „Damit stellt das Maligeblichkeitsprinzip eine Klammer dar, die im Idealfall Handels- und Steuerbilanz zu einem einheitlichen, identischen Rechenwerk werden lasst."®'^^ Durch die Verknupfung von steuerlicher Gewinnermittlung und handelsrechtlicher Bilanzierung soil der handelsrechtliche Jahresabschluss gleichzeitlg die ertragssteuerliche Bemessungsgrundlage liefern und zudem die Besteuerung nach der wirtschaftllchen Leistungsfahigkeit gewahrleisten.®''® Obwohl das deutsche Handelsrecht vom Prinzip des Gl§ubigerschutzes und dem Grundsatz der vorsichtigen Gewinnermittlung domlniert wird - und damit per se nicht mit der Zielsetzung der steuerlichen Gewinnermittlung ubereinstimmt - vermag das HGB aufgrund seiner Ausschuttungsbemessungsfunktlon zu ermittein, „wie viel oder wie wenig Kapital er [der Kaufmann] der Unternehmung entziehen kann."®'^^ Nach dieser Auffassung stellt der handelsrechtliche Gewinn einen ausreichenden Maflstab fur die steuerliche Leistungsfahigkeit dar. Im Rahmen der so genannten Gleichstellungsthese wird der Fiskus damit dem ausschuttungsberechtigten Anteilseigner gleichgestellt.®®° Diese besagt, dass Gewinnanspruche des Fiskus in keiner Weise anders behandelt werden durfen als diejenigen der Gesellschafter. Der Fiskus wird als „stiller -

Durch Streichung des § 308 Abs. 3 HGB im Rahmen des TransPuG ist das Beibehaltungswahlrecht steuerrechtlicher Wertansatze der Jahresabschlusse im Konzernabschluss weggefallen. Damit wurde vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Rechnungslegung zumindest im Konzernabschluss die Beeinflussung durch steuerliche Wertansatze stark eingeschrankt; vgl. hierzu Solfrian/SiebraHe (2004) S. 111-113, 118 f.; Schurbohm/Streckenbach (2002) S. 845; Heurung (2000) S. 422-424. Vgl. Kapitel 5.1.1.1, S . I 92. Vgl. Herzig (2002a) S . I 538. Lauth (2000) S. 1365. Vgl. Tipke (2000) S. 113; Weber-Grellet (2002) S. 701; Strunk (2003) S. 399; Kahle (2002d) S. 179f. 879

Baetge(1986)S. 5. Damit soil auch die Gleichm^fiigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) gewahrleistet werden. Vgl. Herzig (2004b) S. 6 f.; Euler (1998) S. 15; Moxter (1997) S. 195, 198 f.; Soffing (1992) S. 658 f.; kritisch hierzu Steck (2002) S. 490; Weber-Grellet (2002) S. 703.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

177

wenn auch gar nicht bescheidener - Teilhaber"®®^ am Unternehmen typisiert. Die Bindung zwischen Handels- und Steuerbilanz weist zudem eine Schutzfunktion gegenuber dem Fiskus auf. Der Maligebiichkeitsgrundsatz avanciert damit zu einer Schranke vor „sozialpolitischen, ideologischen, regionalpolitischen, haushaltspolitischen Oder ahnlichen ErwSgungen."®®^ In der Realitat vermag diese Schranke jedoch nureinen schwachen Schutz vor fiskalischen Eingriffen zu gewahrleisten.

4.2.2.3.2 Durchbrechungen der Madgeblichkeit de lege lata Nach dem Prinzip der Subsidiaritat sind die handeisrechtlichen GoB nur insofern madgebend, als die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften keine abweichenden Regelungen enthalten, die als lex specialis dem Maligebiichkeitsgrundsatz vorgehen. Diese Abweichungen, die vor allem die steuerliche Bewertung betreffen, sind im Wesentllchen in § 5 Abs. 2-6 EStG enthalten.®®^ Hinzu kommen weitere Einschrankungen im § 6 EStG sowie Sonderregelungen fur Pensionsruckstellungen, die Obertragung stiller Reserven sowie Absetzungen.®®^ De fakto haben die Durchbrechungen des Maligeblichkeitsprinzips seitens des Gesetzgebers jedoch in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wahrend derartige Durchbrechungen seit jeher vor allem auf die offene Formulierung des Mafigeblichkeitsgrundsatzes®®^ sowie die zahlreichen handeisrechtlichen Wahlrechte zurijckzufuhren sind, hat sich der Gesetzgeber in den letzten Jahren ..allerdings nicht von den Grundregein der Systematik leiten lassen, sondern von den Zwangen des aktuellen Handlungsbedarfs."®®® Die Entwicklung einer eigenen steuerrechtlichen Sachgesetzlichkeit fuhrt damit - trotz Existenz des Grundsatzes der Mafigeblichkeit - zu einer ..Emanzipation der steuerlichen Gewinnermittlung von handeisrechtlichen Regelungen." Im Ergebnis wird damit „[...] die oft zitierte Schutzfunktion des Mafigeblichkeitsgrundsatzes gegen fiskalische Ubergriffe erkennbar obsolet."®®^ Neben der historisch durchaus ubiichen Abwendung vom Maligebiichkeitsgrundsatz®®® stellt die steuerliche Abschaffung von Ruckstellungen fur drohende Verlus-

Dollerer (1971)8.1334. SSffing (1992)8. 655. Wegen der zahlreichen Moglichkeiten nach deutschem Handelsrecht zur Unterbewertung aufgrund der moglichen Bildung von stillen Reserven werden diese Abweichungen der steuerlichen Bewertungsvorschriften aus Grunden der GleichmSHigkeit der Besteuerung rechtfertigt; vgl. hierzu Kudmaul/Klein (2001) 8. 546 f.; Lauth (2000) 8.1366. Diese sollen im Weiteren jedoch nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Vgl. 8chulze-Osterloh (1991) S. 285 f. Weber-Grellet (2002) 8. 700. Herzig (2001) 8.156 (beide Zitate). Vgl. hierzu 8igloch (2000) 8.160-162.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

te aus schwebenden Geschaften im Rahmen des Unternehmensreformgesetzes 1997 ®®^ den ersten zentralen Schritt zur Abkoppelung des Handels- vom Steuerrecht dar. Anstelle der ursprunglich geplanten Einschrankung wurden diese vom Gesetzgeber vollstandig abgeschafft, der „[...] damit die Maligeblichkeit in ihren Grundfesten beschadigte."®^^ Dabei hat die fortschreitende Internationalisierung der Rechnungslegung dem Gesetzgeber neue Impulse in Form von Bilanzierungsund Bewertungsmethoden gegeben, die von diesem als Vorbild zur EnA^eiterung der Bemessungsgrundlage herangezogen wurden. Die erhebliche Einschrankung des Mafigeblichkeitsgrundsatzes im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes (StEntIG) 1999/2000/2002®®^ hat der Gesetzgeber mit der Angleichung an die Gewinnermittlung internationaler Standards rechtfertigt.^®^ Die Neuerungen durch das StEntIG 1999 gleichen dabei In wesentlichen Teilen internationalen Bilanzlerungsgepflogenheiten: So existieren nahezu analoge einschlagige Vorschriften nach IFRS (sowie z. T. nach US-GAAP) zum eingefuhrten Wertaufholungsgebot, zur Beschrankung der Teilwertabschreibung auf dauerhafte Wertminderungen sowie zum Abzinsungsgebot von Ruckstellungen und Verpflichtungen.®®^ Jedoch wurden dabei insbesondere diejenigen Vorschriften In das deutsche Steuerbilanzrecht ubernommen, die augenscheinlich zu einem hoheren Steueraufkommen fuhren.®^ Vor diesem Hintergrund ist dem Gesetzgeber eine wirkliche Hinwendung zur internationalen Rechnungslegung „nur mit sehr viel gutem Wlllen"®®^ zu attestieren. Die Reichweite des so entstandenen faktischen Einflusses der internationalen Rechnungslegung auf die deutsche Steuergesetzgebung scheint eher dem aktuellen Handlungsbedarf und -spielraum des deutschen Gesetzgebers zu unterliegen als einer kontlnuierlichen Gesetzmafiigkeit. Damit einher geht eine willkurliche Durchbrechung des Prinzips der Maligeblichkeit.®®^ Nach Herzig „kann festgehal-

889

Vgl. § 5 Abs. 4a EStG gema(i Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997, BStBI. 1997 I, S. 928. Sigloch (2000)8.162. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBI. I, S. 402. Vgl. Gesetzesbegrundung zum allgemeinen Tell, BT-Drucksache 14/23 vom 9.11.1998. Vgl. hierzu auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/265 vom 13.1.1999. Dabei stellt der Gesetzgeber auf die Behinderung der Globalisierungsbemuhungen deutscher Unterneiimen durch das Vorsichtsprinzip ab, weshalb dieser durch „Objektivierung der Gewinnermittlung die Voraussetzungen fur eine international vergleichbare Bemessungsgrundlage" schafft(S. 171). Vgl. Kudmaui/Klein (2001) S. 546-548; Herzig (2000) S. 108 f. Andere - den internationalen Normen entgegenstehende - steuerliche Vorschriften wie das steueriiche Verbot von Jubilaumsruckstellungen und Drohverlustruckstellungen sowie die zu niedrige Bewertung von Pensionsruckstellungen blieben vollkommen unangetastet; vgl. hierzu Kemper/Beyschlag (1999) S. 737, 740; Strunk (2003) S. 403. Herzig (2000)8.110. Vgl. 8teck (2002) 8. 488.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

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ten werden, die Intemationalisierung der Rechnungslegung in den Konzernabschlussen hat den Steuergesetzgeber in ganz erheblichem Made inspiriert bei seinem Bestreben, die steuerliche Bemessungsgrundlage zu verbreitem. Er hat dabei die Obemahme dieser Regein in den handelsrechtlichen Einzelabschluss gar nicht abgewartet, sondern eigenstandige steuerliche Regelungen die Abkopplung der Steuerbilanz vom handelsrechtlichen Einzelabschluss vorangetrieben."®^^ Vor diesenn Hintergrund fungiert das Prinzip der Maflgeblichkeit eben nicht mehr als das viel zitierte „Bollwerk gegen Internationalisierungstendenzen"®^®. Lauth geht diesbezuglich einen Schritt weiter und bezweifelt die Sinnhaftigkeit des Ma(igeblichkeitsprinzlps, in dem er diesem de lege lata unterstellt, dass es , - obgleich formal noch existent - bis zur Unkenntlichkeit ausgehohit ist und die Erstellung einer Einheitsbilanz eher die Ausnahme als die Regel bildet."®^^ Aufgrund der massiven Durchbrechungen des Maflgeblichkeitsprinzips bei gleichzeitiger - zumindest teilweiser - Annaherung an Internationale Rechnungslegungsgepflogenheiten stellt sich daher die Frage, ob im Rahmen einer Obernahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss der Grundsatz der Madgeblichkeit nicht auf diese ubertragen werden kann. Wie erwahnt, wird die steuerliche Gewinnernnittlung durch die bilanzielle Grundlage des Handelsrechts insofern beeinflusst, als dieses den Ausgangswert zur Ermittlung des steuerllchen Einkonrimens darstellt. Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten teilweisen Adaption internationaler Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsatze in die deutsche Steuerbilanz liegt die Vermutung nahe, dass zwischen den steuerrechtlichen Vorschriften und den IFRS eine inhaltliche Nahe besteht, die eine Maflgeblichkeit der IFRS fur die deutsche Steuerbilanz erheblich erieichtern wurde.

4.2.2.3.3 Maflgeblichkeit der IFRS Vor dem Hintergrund der Harmonisierungsbemuhungen innerhalb der EU zur Schaffung einer einheitlichen konsolidierten Bemessungsgrundlage zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen^°° erscheint eine uneingeschrankte Maflgeblichkeit der IFRS fur die deutsche Steuerbilanz nahe liegend. Diese setzt jedoch neben - zumindest weitgehend ~ identischen Bilanzierungs- und Bewertungsvor-

Herzig (2001 ) S . 156 f. Selchert(1999)S.914. Lauth (2000) S. 1365 f.; ahnlich hierzu auch Hakelmacher (1999) S. 133-135. Hoffmann hingegen sieht das Maflgeblichkeitsprinzip „bereits jetzt [1999] in eine Querlage gebracht, von der es nicht wieder wird aufgerichtet werden kbnnen": Hoffmann (1999) S. I. Vgl. Europaische Kommission (2003a); Schneider (2003) S. 299-304.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

schriften vor allem eine gemeinsame Zweckausrichtung beider Systeme voraus. Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob die ausschliefllich auf die Informationsvermittlung ausgelegten IFRS-Vorsciiriften auch den Zwecken einer Steuerbilanz entsprechen.^°^ Diese erfullt ausschlielilich eine Zahlungsbemessungsfunktion, urn die Bemessungsgrundlage des zu versteuemden Einkommens zu ermitteln. Einziger Adressat dieser Reciinung ist der Fiskus, der an den Bilanzgewinn seine direkten (Aus-)Zalilungsanspruche knOpft. Aufgrund der in Kapitel 4.2.2.2 (Kapitalerhaltung) ermittelten Ergebnisse ist die Eignung der IFRS als Instrument der Zahlungsbemessung ohne weitere IVIodifikationen jedoch zu verneinen.^°^ Kritisch ersclieinen dabei vor allem die zukunftsorientierte Ausrichtung der IFRS-Rechnungslegung und die damit verbundene zentrale Frage, ob ein nach diesen Regelungen ermittelter Gewinn auch gleichzeitig einen periodengerechten und ausschuttungsfahigen Gewinn darstellt. Problematisch erscheinen hierbei in erster Linie die nach IFRS zahlreichen Moglichkeiten zur Marktwertbewertung.^^^ De lege lata erscheint daher eine Zahlungsbemessung unter IFRS fur weiterfuhrende steuerllche Zwecke nicht geeignet. „Denn im Spannungsfeid jeder Bilanzierung zwischen relevance und reliability ist die lAS-Rechnungslegung viel starker der relevance verpflichtet, wahrend fur die steuerllche Gewinnermittlung die reliability im Vordergrund steht.''^^"^ Trotz einer in Teilen weitreichenden Inhaltlichen Ubereinstimmung der materiellen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften zwischen den IFRS und deutschem Steuerbllanzrecht®°^ erscheint eine Zahlungsbemessung nach IFRS aufgrund von „gravierenden Abweichungen in zentralen Aspekten"^°® fur steuerllche Zwecke nicht sachgema(l.®°^ Vor diesem Hintergrund kommt Strunk zu folgendem Fazlt: „\n jedem Fall durfen bestimmte originare lAS/IFRS-Regelungen nicht als mafigebend fur die steuerllche Gewinnermittlung

Kritisch hierzu Zeitler (2003) S. 1531-1534, ABHR (2002) S. 2379 sowie Pellens/Gassen (2001) S. 139. Bejaht wird diese Zweckkomplementaritat prinzipieli von Boh! (2004b) S. 2382 f.; Kahle (2002d) S. 179-183 sowie Oestreicher/Spengel (2001) S. 892 f. Vgl. hierzu auch Fullbier/Gassen (1999) S. 1512, die bereits unter HGB einen Zielkonfiikt zwischen Zahlungsbemessung und Informationsvermittlung sehen sowie Herzig (2004b) S. 32 f.; Kahle (2003) S. 266; Schulze-Osterloh (2003) S. 100; Strunk (2003) S. 401. Vgl. Geiger(2001)S.297. Herzig (2004b) S. 33. Zum Vergleich von EStG mit den Vorschriften der IFRS vgl. insbesondere Herzig (2004b) S. 60-333, der im Rahmen eines Gutachtens fur das BMP eine ausfuhrliche Gegenuberstellung der materiellen Vorschriften sowie der zentralen GrundsStze beider Normen vorgenommen hat; vgl. hierzu auch Spengel (2003a) S. 29-36 und Spengel (2003b) 8. 67-72 sowie Buchholz/Weis (2002a) S. 512-517 und Buchholz/Weis (2002b) 8. 559-564. Herzig (2004b) 8. V. Anders sehen dies Buchholz/Weis (2002b) 8. 562, die eine Mafigeblichkeit der IFRS als „noch haltbarer" ansehen, well diese weniger trennende Ausnahmen und mehr verbindende Regein als eine HGB-Mafigeblichkeit vorweise. Buchholz/Weis untersuchen jedoch ausschliefilich einzelne materielle Aspekte von IFRS und EStG.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

181

angesehen werden, da sie den Prinzipien der deutschen Besteuerung in elennentaren Bereichen zuwiderlaufen."^°® Eine pauschale Ubernahme der materiellen Vorschriften der IFRS im Sinne einer Maflgeblichkeit der IFRS fur die deutsche Steuerbilanz ist daher abzulehnen. Daneben sprechen institutionelle Aspekte gegen eine direkte Maflgeblichkeit der IFRS fur die deutsche Steuerbilanz. Denn die Vorschriften der steuerlichen Gewinnermittlung - als zentralem Baustein der Steuerberechnung - unterliegen in besonderem Made dem Rechtsstaatprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG.®°® Aufgrund seines Eingriffes in die private Vermogenssphare bedarf das Steuerrecht zwingend der Legitimation der verfassungsrechtlich hierfur vorgesehenen legislativen Rechtsetzungsorgane.^''° Problematisch erscheint hierbei, dass die Bilanzierungsund Bewertungsvorschriften eines privaten Rechnungslegungsgremiums - anstelle eines (legislativen) Hoheitsrechtstragers - unmittelbare steuerrechtliche Wirksamkeit eriangen. Trotz der Anerkennung der IFRS durch das Komitologie-Verfahren ist deren verfassungsrechtliche Legitimation stark zu bezweifeln.®^'' Aus dem Rechtsstaatsprinzip leitet sich ferner der Grundsatz der Rechtsslcherheit ab.®^^ Normen, die eine Steuerpflicht begrunden, mussen vor diesem Hintergrund eindeutig und objektiv kontrollierbar sein, damit einerseits der Steuerpflichtige aufgrund der gebotenen Kontinuitat der Besteuerung seine Steuerlast vorausschauend einschatzen kann und andererseits eine effiziente judikative Kontrolle der Finanzverwaltung gewahrleistet werden kann.^^^ Rechtsslcherheit als „Zustand der Klarheit und Berechenbarkeit des Handelsbilanzrechts war und ist eine wesentliche rechtspolitische Voraussetzung fur das Festhalten am Grundsatz der so genannten Mafigeblichkeit der Handelsbilanz fur die Steuerbilanz."^'"^ Gerade der 908

Strunk (2003) S. 403; ebenso Kahle (2002d) S. 188, Herzig (2004b) 8. 56-59, 454. Neben samtlichen Bereichen der Fair-Value-Bewertung geht es hierbei im Kern urn die Aktivierung von Entwicklungskosten, die Bilanzierung der Langfristfertigung sowie urn die Bewertung von Pensionsruckstellungen. Vgl. Kirchhof (2000) S. 681-683; ABHR (2002) S. 2378 f.; Kahle (2001) S. 135 f. Im Bereich der direkten Steuern waren dies bspw. Bundestag und Badesrat. Zur Bedeutung des Rechtsnormcharakters vgl. Herzig (2000) 8 . 1 1 5 f.; Kahle (1997) S. 331. Herzig stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, dass das Komitologie-Verfahren vor dem Hintergrund der europaischen Harmonisierung der Rechnungslegung gerade einen Einfluss der nationalen Parlamente zuruckdrangen soil; vgl. Herzig (2004a) 8. 56 f.; ebenso ABHR (2002) 8. 2378 f sowie Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004a) 8. 920. Anderer Meinung ist Bohl, der feststellt, dass der deutsche Gesetzgeber in § 5 E8tG auf die GoB als Anknupfungspunkt der Besteuerung verweist, obwohl diese auch nicht durch ein demokratisches Rechtsetzungsorgan legitimiert werden; vgl. hierzu Bohl (2004a) 8. 237. Zur Kompetenz deutscher Gerichte und des EuGH bzgl. der Auslegung der IFR8 vgl. 8ch6n (2004) 8. 763-768 sowieKapitel3.2, 8. 81. Vgl. Budde/8teuber (1998) 8. 504. Vgl. Jacobs (1971) 8. 26. Beisse(1988)8. 43.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Aspekt der Rechtssicherheit ist fur Moxter entscheidend fur die Begrundung des Prinzips der Maligeblichkeit, denn ohne dieses Objel
4.2.2.3.4 Kritische Wurdigung Der mit dem Prinzip der Maligeblichkeit ursprunglich verbundene Vereinfachungseffekt im Rahmen der Erstellung von Handels- und Steuerbilanz ist heute in praxi nahezu verschwunden. Die kostensparende Einheitsbilanz kann fur viele Unternehmen de lege lata nicht mehr realisiert werden. Herzig kommentiert diesen Umstand mit deutlichen Worten: „Das deutsche Konzept der Einheitsbilanz, die unterschiedlichen Zwecken dient und daher Beeintrachtigungen aller verfolgten Zwecke

Moxter ( 1 9 7 8 ) 8 . 1 6 3 1 . Vgl. Kapitel 4.2.2.1.4, S. 156 sowie Kahle (2002d) S. 180, Moxter (1998) S. 1426; Herzig (2000) 3 . 1 1 5 f.; Wustemann (1996) S. 423. Moxter (2000a) 3.158. Herzig (2004a) 3. 58. Aufgrund der wenigen offenen Wahlrechte nach IFR3 durfte indes die nach steuerlichen Zielen zu beeinflussenden Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte in einem handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss nach IFRS deutlich geringer ausfailen.

4.2 Die IFRS als Systemaltemative fur den Einzeljahresabschluss

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akzeptiert, muss als gescheitert angesehen werden."^^° Die zahlreichen Durchbrechungen des MaHgeblichkeitsprinzips haben de fakto zur Existenz eines immer eigenstandigeren Steuerrechts gefuhrt. Jm wirtschaftlichen Sinne ist das Bilanzsteuerrecht bereits heute eigenstandig."^^^ Dieses baut zwar nach wie vor in vielen Bereichen auf den handelsrechtlichen Regelungen auf, weist aber gleichzeitig eine wachsende inhaltliche Nahe zu einschlagigen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften der intemationalen Rechnungslegung auf. Die Ruckgriffe des deutschen Gesetzgebers auf die Normen der IFRS sind jedoch nur punktueller Art. In erster Linle wurde dieser offensichtlich von aktuellen haushaltspolitischen Oberlegungen geleitet und bediente sich dabei insbesondere derjenigen Bilanzierungsund Bewertungsvorschriften, die zu einer Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage gefuhrt haben. Von einer methodisch und rechtlich uberzeugenden Adaption der intemationalen Rechnungslegung in das deutsche Steuerbilanzrecht kann indes keine Rede sein. Vor dem Hintergrund der punktuellen inhaltllchen Annaherung von IFRS und EStG sowie der steigenden faktischen Bedeutung der intemationalen Rechnungslegung fur den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss durch die Harmonisierungsbestrebungen in der EU erscheint eine MaHgeblichkeit der IFRS zunachst sinnvoll. Die punktuelle Annaherung des EStG an die IFRS-Vorschriften vermag jedoch ijber die grundsatzlich unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtung der IFRS nicht hinwegzutauschen, so dass diese de lege lata kein geeignetes Instrument zur Grundlage einer steuerlichen Gewinnermittlung darstellen. Insbesondere die Gefahr der Besteuerung von nicht realisierten Gewinnen und die damit verbundene Problematik der Gleichmadigkeit der Besteuerung sowie die genannten Verletzungen des Prinzips der Rechtssicherheit unterbinden eine direkte Mafigeblichkeit der intemationalen Rechnungslegungsnormen. Die direkte Maflgeblichkeit erscheint damit in praxi nicht durchsetzbar. Jm Ergebnis durfte eine Ubemahme der IAS in den handelsrechtlichen Einzelabschluss die endgultige Aufgabe der Maligeblichkeit zur Konsequenz haben."^^^ Umgekehrt kann - vor dem Hintergrund eines zunehmend autonomen Steuerbilanzrechts - der Grundsatz der Maligeblichkeit eine potenzielle Ubemahme der IFRS in den deutschen handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss nicht verhindern. Aufgrund der zahlreichen Durchbrechungen in der jungeren Vergangenheit hat der deutsche Gesetzgeber das Maligeblichkeitsprinzip selbst ad absurdum gefuhrt. In logischer Konsequenz wird spatestens die Ubemahme internationaler Rechnungslegungsnormen in den deutschen

®^° Herzig (2000)8.118. ^^^ Kumpel (2004) S. 241; ebenso Booking (2002) S. 926. ^^^ Kahle (2003) S. 266.

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4 Internationalisierung des Einzeljahresabschlusses

Einzeljahresabschluss damit zur langst uberfalligen (formalen) Aufgabe der Mafigeblichkeit fuhren.^^^ Die IFRS werden dann zwar nicht de lege ferenda als bilanzielle Grundlage dienen, von denen eine Madgeblichkeit fur die deutsche Steuerbilanz ausgeht, sie werden aber bei Obernahme in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss indirekt zur Verringerung der Unterschiede in der steuerlichen Gewinnermittlung innerhalb der EU beitragen. Anstelle einer Maflgeblichkeit der IFRS wird sich der deutsche Gesetzgeber mit den Impllkationen eines eigenstandigen deutschen Bilanzsteuerrechts auseinander setzen mussen.^^^ Im Rahmen der Eignungsuntersuchung der IFRS fur den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss bleibt jedoch eines festzuhalten: Das Mafigeblichkeitsprinzip stellt de lege lata kein Hindernis fur die Obernahme der internationalen Rechnungslegungsnormen in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss dar.

4.2.3 Zwischenfazit Anhand der drei untersuchten Funktionen des deutschen Einzeljahresabschlusses ist folgendes Ergebnis festzuhalten: •

Die allgemein erwartete grofle Oberlegenheit der IFRS im Rahmen der Informationsvermittlung gegenuber der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist deutlich zu relativieren. Zwar zeichnen sich die internationalen Rechnungslegungsnormen einerseits durch weniger offene Ansatz- und Bewertungswahlrechte aus, andererseits sind sie jedoch durch weitlaufige Ermessens- und Schatzungsspielraume im Rahmen von unternehmerischen Planungen und Prognosen gepragt. Letzteres trubt die Informationsqualitat des IFRS-Jahresabschlusses. Der Umfang der nach IFRS abgebildeten Bilanzierungssachverhalte ubersteigt indes das nach HGB erfasste Spektrum.^^^ Auch wenn keine pauschale Gewichtung dieser gegenlaufigen Effekte moglich ist, erfullt ein Jahresabschluss nach IFRS die Anforderungen an eine ausreichende Informati-

Alternativ zur Abschaffung der Maligeblichkeit kOnnte diese - unter der PrSmisse steuerrechtlicher Spezialnormen - beibehalten werden. Dies entsprache dem Status quo, nur die bilanzielle Grundlage des Einzeljahresabschlusses hatte sich dabei verandert; vgl. MohimannMahlau/Gerken/Grotheer (2004a) S. 920-922. Inwiefern ein eigenstSndiges Steuerrecht sich an internationalen Rechnungslegungsnormen orientiert und welche Konsequenzen dessen Einfuhrung fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen beinhaltet, wird in Kapitel 5.3.3.1, S. 298 erortert. So werden nach IFRS bspw. Special Purpose Entities oder Sicherungszusammenhange (Hedging) bilanziell erfasst - nach HGB aber nicht. Daneben gibt es in der internationalen Rechnungslegung im Allgemeinen deutlich umfangreichere Regelungen bspw. zu Leasingkontrakten oder Finanzinstrumenten.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

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onsvermittlung. Unterstrichen wird diese Eigenschaft durch - gegenuber zum HGB - deutlich umfangreichere Publizitatspflichten im Anhang. •

Aufgrund seiner monofunktionalen Ausrichtung auf die Informationsvermittlung kann ein IFRS-Jahresabschluss de lege lata keine Zahlungsbemessungsfunktion erfullen. Dagegen spricht in erster Linie der Ausweis nicht realisierter Ertrage, die entweder aus der Zeitwertbilanzlerung uber die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten Oder einem - im Verhaltnis zum schuldrechtlichen Gefahrenubergang - verfruhten Gewinnausweis (wie bei der Langfristfertigung) resultieren. Nach IFRS-Verstandnis ist der Ausweis nicht realisierter Gewinne notwendiger Bestandteil einer umfassenden und informationsorientierten Berichterstattung, sie gehoren jedoch nicht zur ausschuttungsfahigen Masse des bilanzierenden Unternehmens. Gleiches gilt ftir die en/veiterten Aktivierungsmoglichkeiten unter IFRS (wie die Aktivierung von Entwicklungskosten).^^^ Eine sinnvolle Ausschuttungsbemessung auf Basis der IFRS kann daher nur bei einer Trennung von erwirtschaftetem und entziehbarem Gewinn erfolgen. Durch Isolation des entziehbaren Gewinns wird ein Ausschuttungsergebnis erzielt, das dem wahren Ausschuttungspotenzial des zugrunde liegenden Unternehmens entspricht. Dieser Gewinn kann entweder durch individuelle Ausschuttungssperren oder pauschale gesetzliche Rucklagen abgegrenzt werden. Die Erhohung von gesetzlichen Rucklagen macht jedoch angesichts einer europaischen Entwicklung zur Abschaffung bzw. starken Dezimierung eines Mindestkapitalerfordernisses kaum Sinn. Aber auch die gesellschaftsrechtliche Verankerung von Ausschuttungsrestriktionen wirft zahlreiche Probleme auf: Neben der Frage, ob diese vom Gesetzgeber implementlert Oder mittels privater Initiative entwickelt werden sollten, mussen sie zunachst In Hohe und Umfang definiert werden. Dabei muss zwischen nationalen Bedurfnissen und europaischen Anforderungen abgewogen werden. Die Bemuhungen des lASB um eine neue Erfolgsdarstellung innerhalb der GuV bzw. der Elgenkapitalveranderungsrechnung nach IFRS machen indes deutlich, dass ein getrennter Ausweis von entziehbarem und erwirtschaftetem Gewinn angestrebt wird und auch grundsatzlich moglich ist.^^^ Daran konnen auf nationaler oder europaischer Ebene de lege ferenda zu implementierende Ausschuttungsrestriktionen angelehnt werden. Vor diesem Hintergrund kann den IFRS die Eignung als Instrument zur Zahlungsbemessung nicht abgesprochen werden. Mit der Anwendung der IFRS im handelsrechtlichen Einzeljahresab-

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Die Ausweitung des Aktivierungspotenzials wird zudem von einer Einschrankung der Passivierungsoptionen begieitet. Vgl. hierzu Kapitei 4.2.2.2.3, S. 167. Vgi. hier ausfuhriich Kapitei 5.3.3.3, S. 304.

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schluss ware ein prinzipiell begrulienswerter Ubergang auf ein informationelles Glaubigerschutzsystem verbunden. Gerade dieses bedarf einer zeitnahen und informativen Berichterstattung, welche das monofunktional auf die Informationsvermittlung ausgerichtete Normensystem der IFRS besser zu gewahrleisten vermag als eine „zu" vorsichtige Bilanzierung nacii deutschen handelsrechtlichen Vorschriften. •

Die Aushohlung des Grundsatzes der Mafigebiichkeit ist weit vorangeschritten. Die punktuelle Annaherung des Steuerbilanzrechts an einschlagige Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften der IFRS, deren Beweggrunde offenbar verstarkt auf haushaltspolitische Uberlegungen zuriickzufuhren sind, haben diesen Prozess in den letzten Jahren weiteriiin vorangetrieben. Damit bietet das Madgeblichkeitsprinzip heute in praxi keinen Schutz nnehr vor uberzogenen fiskalischen Forderungen oder vor Internationalisierungstendenzen innerhalb der Vorschriften des EStG. Der Gesetzgeber entzielit der Maligebiichkeit somit kontinuierlich die Existenzberechtigung. In Folge kann eine derart unzulanglich funktionierende Mafigeblichkeit die Obernahme der IFRS in den deutschen Einzeljahresabschluss nicht in nennenswerter Weise be- oder verhindern. Die Frage, ob sich die IFRS damit Im Rahmen der Zahlungsbemessung auch fur steuerliche Zwecke eignen, ist vor dem Hintergrund der zahlreichen Durchbrechungen der Mafigeblichkeit und eines daraus resultierenden zunehmend eigenstandigeren Bilanzsteuerrechts nahezu irrelevant. Vielmehr ist bei Obernahme der IFRS mit dem formellen Ende der Maflgeblichkeit als Grundlage des deutschen handelsrechtlichen Einzeljahresabschlusses zu rechnen. Eine direkte Mafigeblichkelt der IFRS fur die deutsche Steuerbilanz ist indes nicht zu enA^arten. Zu hoch sind die Abhanglgkeiten, in welche sich der deutsche Fiskus begeben musste. Daneben sprechen rechtsstaatliche Aspekte sowie die konzeptionelle Ausrichtung der IFRS gegen eine Maligeblichkeit auf deren Grundlage.

Unter Berucksichtigung der genannten Restriktionen und zu erwartenden Implikationen konnen diese - trotz eigentlich monofunktionaler Ausrichtung - somit auch dem Zweckpluralismus eines deutschen Einzeljahresabschlusses entsprechen. Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass sich die IFRS ledigllch bedingt zur Anwendung im deutschen handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss eignen. Dem Zweck der Kapitalerhaltung werden die IFRS de lege lata jedoch nicht in ausreichendem Made gerecht. Deshalb konnen sie nicht ohne flankierende Mafinahmen in den deutschen Einzeljahresabschluss ubernommen werden. Ihre direkte Obernahme wurde zudem die Existenz eines eigenstandigen Bilanzsteuerrechts erfordern.

4.2 Die IFRS als Systemalternative fur den Einzeljahresabschluss

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Die gesellschafts- und steuerrechtlichen Konsequenzen eines befreienden IFRSEinzeljahresabschlusses - expressis verbis eines eigenstandigen Bilanzsteuerrechts und alternativer Formen der Ausschuttungsbemessung - werden in Kapitel 5.3.3 auf ihre Praktikabilitat untersucht. Dimension und Umfang des mit der Einfuhrung der IFRS in den Einzeljahresabschluss einhergehenden Transformationsprozesses im deutschen wie europaischen Bilanzrecht sollen damit verdeutlicht werden.

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme mit den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen Die IFRS eignen sich prinzipiell zur Anwendung im deutschen Einzeljahresabschluss. Sie stellen damit - neben dem HGB - eine vollwertige Systemaltemative als Rechnungslegungsvorschriften fur den deutschen Einzeljahresabschluss dar. Fraglich erscheint indes, welche der beiden Rechnungslegungssysteme den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen besser entspricht. Aus diesem Grund werden in Kapitel 5 zwei Kompatibilitatsprufungen vorgenommen, welche die jeweilige Systemaltemative (HGB bzw. IFRS) mit den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen an ihren Einzeljahresabschluss vergleichen. Um die beiden Kompatibilitatsprufungen durchfuhren zu konnen, wird in Kapitel 5.1 zunSchst das Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen erortert, um daraus in Kapitel 5.1.4 die Charakteristika des Einzeljahresabschluss dieser Untemehmensgruppe ableiten zu konnen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden im Anschluss zwei separate Kompatibilitcltsprufungen durchgefuhrt, um festzustellen, ob die de lege ferenda Vorschriften des HGB (Kapitel 5.2.1) Oder die systemaltemativen Regelungen der IFRS (Kapitel 5.3.1) die jeweils bessere Alternative aus Sicht der nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen darstellen. Daneben sollen im Rahmen der Praktikabilitatskriterien Probleme und Implikationen bei der Umsetzung der beiden Normensysteme HGB (Kapitel 5.2.2) und IFRS (Kapitel 5.3.3) erortert werden. Gleichzeitig wird da- ^ durch ein Blick auf zukunftige Herausforderungen In der Rechnungslegung ermoglicht. In praxi scheitert die Umsetzung der IFRS oftmals an deren Umfang und Komplexitat. Die Differenzierung der originaren IFRS-Vorschriften stellt vor diesem Hintergrund einen entscheidenden Faktor in ihrer weiteren Verbreitung bei nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen dar. Die Relevanz einer erfolgreichen Differenzierung kann deshalb nicht hoch genug eingeschatzt werden. Der Umfang bestehender Ansatze sowie weiterfuhrende Forderungen zur Differenzierung der IFRS werden daher in Kapitel 5.3.2 erortert und kritisch diskutiert. Abbildung 5-1 (Seite 190) gibt einen Uberblick uber die Vorgehensweise in diesem Kapitel.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Abbildung 5-1: Vorgehensweise in Kapitel 5

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen Das Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen Unternehmenscharakteristika in wesentlichen Punkten von den Aufgabenbereichen eines Einzeljahresabschlusses kapitalmarktnaher bzw. borsennotierter (Publikums-)Gesellschaften.^^® Im Folgenden werden die spezifischen Charakteristika des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen untersucht, mit dem Ziel, die grundsatzlichen Anforderungen dieses Unternehmenstypus an seinen Einzeljahresabschluss zu formulieren (Kapitel 5.1.4). Die Beschreibung des Aufgabenspektrums von Einzeljahresabschlussen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen basiert dabei auf den einschlagigen Vorschriften des HGB, welches de lege lata von samtllchen deutschen Unternehmen im Einzeljahresabschluss obllgatorisch anzuwenden ist.^^^ Zunachst werden die grundsatzlichen Funktionen und Aufgaben (Rechnungslegungsfunktionen) des handelsrechtlichen Einzeljahresabschlusses in Deutschland

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Eine tabellarische Gbersicht hierzu gibt Mandler (2003a) S. 681. Diese bilden damit denjenigen Standard, auf dessen Grundlage die Anforderungen und Zielsetzungen von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen an ihren Einzeljahresabschluss im Welteren formuliert werden. Alle weiterfuhrenden Vergleiche der Anforderungen dieser Unternehmen an ihren Einzeljahresabschluss (im Rahmen von Kompatibilitatsprufungen) erfolgen auf Basis der hier ermittelten Ergebnisse.

5.1 Aufgabenspektrum des Ejnzeljahresabschlusses

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dargestellt, urn im Anschluss deren Auspragung und Interpretation im Einzeljahresabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen aufzuzeigen. Daneben konnmt dem Instrument Einzeljahresabschluss im nIcht kapitalmarktorientierten Unternehmen bei der Unternehmensfinanzierung - und dabei insbesondere der Selbstfinanzierung - eine vergleichsweise starkere Bedeutung als bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften zu. Im Anschluss an die Rechnungslegungsfunktionen soil deshalb gezeigt werden, durch welche Madnahmen der Einzeljahresabschluss zu Finanzierungszwecken im nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen herangezogen werden kann. Nicht zuletzt das divergierende Offenlegungsverhalten von kapitalmarktorientierten und nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen fuhrt ferner zu einer unterschiedlichen Ausgestaltung ihres jeweiligen Einzeljahresabschlusses in der Praxis.

5.1.1 Rechnungslegungsfunktionen Die mit dem Einzeljahresabschluss verfolgten Ziele des Gesetzgebers werden im deutschen Handelsrecht nicht konkretisiert. Dennoch stellen die im Dritten Buch des HGB kodifizierten Generalnormen®^° als grundsatzliche Vorschriften zur Rechnungslegung wichtige Ausgangspunkte fur die im Jahresabschluss verfolgten Zwecke dar.^^^ § 264 Abs. 2 HGB formuliert fur den Einzeljahresabschluss von Kapitalgesellschaften unter Beachtung der Grundsatze ordnungsgemader Buchfuhrung die Darstellung eines den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechenden Bildes der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage. Die Erstellung eines Jahresabschlusses setzt jedoch eine kaufmannische Buchfuhrung voraus, welche gemafi § 238 Abs. 1 S. 1 HGB durch jeden Kaufmann nach den Grundsatzen ordnungsgemalier Buchfuhrung zu erfolgen hat. Die in § 238 Abs. 1 kodifizierte Buchfuhrungspflicht verdeutlicht, dass es dem Gesetzgeber „um eine ubersichtliche, vollstandige und fur Dritte nachvollziehbare Aufzelchnung aller Geschaftsvorfalle geht, damit im Rahmen des Jahresabschlusses eine zusammenfassende Auskunft uber die wirtschaftliche Lage des Unternehmens moglich wird"^^^. Als Baslsaufgabe kann dem handelsrechtlichen Jahresabschluss daher die Dokumentation im Sinne eines zahlungsorientierten systematischen Ausweises der in einer Periode

Fur alle Kaufleute gelten als Generalnorm fiir die Buchfuhrung § 238 Abs. 1 S. 1 HGB sowie als Generalnorm fiir den Jahresabschluss § 243 Abs. 1 HGB. Hinzu kommt fur Kapitalgesellschaften und haftungsbegrenzte Personenhandelsgesellschaften als zusStzliche Generalnorm fur den Jahresabschluss der § 264 Abs. 2 S. 1 und 2 HGB; vgl. hierzu Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 81 f; Kropp (2002) S. 857-864. Vgl. Leffson (1987) S. 17 f.; Coenenberg (2003) S. 12. Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 84.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

entstandenen und verbrauchten Werte (periodengerechte Erfolgsermittlung) sowie des Wertbestandes am Periodenende (Vermogen) zugesprochen werden.^^^ Der Einzeljahresabschluss als zentrales Instrument eines Untemehmens zur Darstellung seiner Vermogens- und Ertragslage dJent daher unterschiedlichsten Interessenten als Informationsquelle. Neben der Information von Unternehmensleitung, Anteilseignern bzw. aulienstehenden Dritten muss er auch den Schutz von Glaubigern gewahrleisten.®^^ Die Basisaufgabe der Dokumentation des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird daher nach h. M. um die beiden zentralen Funktionen erganzt, die dem Jahresabschluss allgemein zugeschrieben werden.^^^ •

Informationsfunktion sowie

•

Zahlungsbemessungsfunktion/Kapitalerhaltung

Die Dokumentation bildet als primarer Buchfuhrungszweck damit die Voraussetzung fur die Erfullung der beiden anderen Abschlussfunktionen, die jedoch nicht expllzit im deutschen Handelsrecht genannt werden.^^® Busse von Colbe sleht in diesen drei Zwecken der handelsrechtlichen Rechnungslegung ein ..magisches Dreieck"^^^. Die drei Jahresabschlussfunktionen bilden einen Zielkonflikt, der aufgrund der divergierenden Interessen der Jahresabschlussadressaten entsteht.®^® Dennoch lassen die handelsrechtlichen Vorschriften in ihrer Gesamtheit keine einseitige Dominanz von einem der Jahresabschlusszwecke erkennen.^^^

5.1.1.1 Informationsfunktion Im Rahmen der Informationsfunktion des Einzeljahresabschlusses nach HOB soil den Adressaten eine nutzliche Informationsbasis zur Verfugung gestellt werden, um entsprechend der Generalnorm gemafl den §§ 243, 264 Abs. 2 HOB eine nachvollziehbare und objektive Rechenschaft uber die Vermogens-, Finanz- und

^^^ Vgl. Coenenberg (2003) S. 14. ^^ Vgl. Wdhe (2001) S. 24-26; Endriss et al. (2002) S. 17, Rn. 17 f. ^^® Vgl. stellvertretend Moxter (2003) S. 3-7; Leffson (1987) S. 38-58; Schneider (2002) S. 950956; Peilens (1998) S. 367 f. ^^® Vgl. Baetge/Klrsch/Thiele (2003) S. 92. ^^^ Busse von Colbe (2000b) S. 488. ^^® So kbnnten Gesellschafter eines Untemehmens bspw. an einer kurzfristig hoheren Ausschuttung interessiert sein als die GISublger, welche die Kapitalerhaltung gegenuber der Rechenschaft als dominant erachten; vgl. hierzu Baetge/Klrsch/Thiele (2003) 3. 92. ^^® Vgl. Baetge/Kirsch (2002) 8. 56, Rn. 47 (Kapitel 2); Dosch (1994) S. 55.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

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Ertragslage des Unternehmens zu gewahrleisten.^'^° Rechenschaft bedeutet nach Leffson ..Offenlegung der Verwendung anvertrauten Kapitals in dem Sinne, dass dem Informationsberechtigten - das kann auch der Rechenschaftslegende selbst sein - ein so vollstandiger, klarer und zutreffender Einblick in die Geschaftstatigkeit gegeben wird, dass dieser sich ein eigenes Urteil uber das verwaltete Vermogen und die damit erzielten Erfolge bilden kann."^^'' Dannit wird der Unternehmensfuhrung durch Aufstellung eines Jahresabschlusses nach § 242 HGB die Pflicht auferlegt, sich nicht nur einen (mindestens) jahrlichen Uberbiick uber die Vermogenssituation, sondern auch uber die damit verbundenen Moglichkeiten zur Schuldenvergieichung zu verschaffen. Dieser gesetzlich vorgesehene Zwang zur Selbstinformation dient nicht nur den Glaubigern, sondern alien ann Unternehmensgeschehen beteiligten Personengruppen.^"^^ Zu den potentiellen Adressaten von Jahresabschlussinformationen gehoren damit neben den Eignern vor allem die Kreditgeber, Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten sowie die allgemeine Offentlichkeit, die ein breites Spektrum an Interessenvielfalt bilden. Dennoch durften vor allem die Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber im Zentrum der Jahresabschlussinformationen stehen: Wahrend fur Anteilseigner der Jahresabschluss einen wichtigen Teil der Informationsbasis bildet, aufgrund derer sie in ihrer Organfunktion (z. B. Entlastung der Geschaftsfuhrung, Wahl des Aufsichtsrates) und als Kapitalanleger (Kauf oder Verkauf von Anteilen) agieren, fungiert der Jahresabschluss fur Glaubiger als Basis ihrer Kreditvergabeentscheidungen.^^ Aus Sicht eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmens stehen zwar auch die Eigen- und Fremdkapitalgeber als Informationsberechtigte Im Vordergrund, jedoch lassen diese sich welter konkretisieren. Aufgrund derfehlenden Kapitalmarktorientlerung bezeichnet Mandler die Gesellschafter(-familien) und deren Kreditinstitute als einzig Jegitime Informationsadressaten"^"^ des Einzeljahresabschlusses. Beide Gruppen verfugen jeweils uber einen ausrelchend grofien Einfluss auf die Unternehmensfuhrung, um auf andere - dem Einzeljahresabschluss uberlegene Informationsquellen und -instrumente zuruckzugreifen.^^^ Vor diesem Hintergrund erscheint es fragllch, ob das Instrument Jahresabschluss als entscheidende oder gar einzige Basis der Selbstinformation fur Gesellschafter eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmens dient. Gerade fur geschaftsfuhrende Gesellschafter

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Vgl. Schneider (1987)8.519. Leffson (1987)8.64. Vgl. Moxter (2002) 8. 1042; Pellens (1998) 8. 367 f. Vgl. Ordelheide(1998)8. 519. Mandler (2004) 8. 40. Vgl. Mandler (2004) 8. 40; ahnlich argumentiert auch Wohe (1997) 8. 44.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

werden die „vorwiegend vergangenheitsorientierten Informationen des Jahresabschlusses jm Vergleich zu zukunftsgerichteten Planungen nur eine begrenzte Bedeutung besitzen"^^^. Auch die nicht geschaftsfuhrenden Gesellschafter besitzen zumindest Einblicksrecht in die Buchfuhrung sowie Mitwirkungsrechte bei der Feststellung des Jahresabsciiiusses und damit eine ausreichende Machtfulle, urn tiefer gehende Informationen zu erhalten. Erst bei personeller Trennung von Unternehmensfuhrung und -eigentumern wird dem Jahresabschluss als informationsund Rechenschaftsinstrument mehr Bedeutung zukommen: bspw. im Rahmen der eingeschrankten Auskunftsrechte von Anteilseignern bei Aktiengesellschaften nach § 131 AktG. In diesem Kontext fungiert der Jahresabschluss als wichtiges Informationsinstrument, mit dem die Eigner die wirtschaftlichen Konsequenzen der Handlungen der Leitungsorgane einschatzen und uben/vachen konnen.^^^ Aufgrund des Fehlens derartiger Principal-Agent-Beziehungen in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen wird der Informationszweck ihrer Einzeljahresabschlusse in der Praxis kritisch zu uberprufen sein. Selbst die Arbeitnehmer als weiterer Jahresabschlussadressat werden aufgrund der personlichen Nahe zur Unternehmensfuhmng dem Jahresabschluss, sofern dieser fur sie zuganglich ist, weniger Bedeutung beimessen. Gerade der starkere Zusammenhalt der Belegschaft in kleineren Unternehmen sowie ein oftmals besonderes Vertrauensverhaltnis zum Firmeninhaber durften die Bedeutung des Jahresabschlusses als Informationsinstrument stark relativieren.^^® Und bei grofieren Unternehmen sind „Mangel in der Informationsgewinnung aus dem Jahresabschluss [...] fur die Arbeitnehmer weniger nachteilig [...], da die Arbeitnehmer durch das Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetz gesetzliche Informationsrechte uber die wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens haben, die z. T. weit uber die aus der Bilanz zu gewinnenden Informationen hinausgehen."^"^^ Die informatorischen Qualitaten eines Jahresabschlusses werden zudem grundsatzlich durch das Streben nach der Einheitsbilanz im mittelstandischen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen konterkarlert. Insbesondere aus Kosten- und Praktikabilitatsgrunden fur handels- und steuerrechtliche Zielsetzungen stellen viele derartiger Unternehmen bei der Erstellung ihres handelsrechtlichen Einzeljahresabschlusses stark auf dessen steuerliche Konsequenzen ab. Jn praxi wird [...] bei kleineren und mittleren Unternehmen, die die Mehrzahl der Bilanzierungspflichtigen darstellen, die Handelsbilanz regelmaflig von vornherein unter Beruck-

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Schildbach (2002b) S. 271. Vgl.Pellens (1998)8.368. Vgl. Krimphove/Tytko (2002) S. 7. W6he (1997)3. 46 f.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

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sichtigung der steuerlichen Vorschriften erstellt und ist damit zugleich Steuerbilanz."^^° Trotz aktuell steigender Zahl der gesetzgeberischen Durchbrechungen der Maflgeblichkeit ist das Streben nach einer (modifizierten) Einheitsbilanz in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ungebrochen. In logischer Konsequenz werden Gestaltungsspielraume in der Bilanzierung und Bewertung entsprechend dem Vorsichtsprinzip mit dem Ziel moglichst zahlungswirksamer Steuerstundungseffekte ausgelegt: „Es ist offenbar eine nicht selten praktizierte Ubung, dali[!] bei der Erstellung von Jahresabschlussen der Gewinn nicht die zuletzt ermittelte, sondern die zuerst festgelegte Grofie ist, nach der dann die ubrigen Konnponenten des Jahresabschlusses bestimnnt werden."®^'' In praxi steht die Darstellung der tatsachlichen Verhaltnisse im Zweifel zuruck. „Ein nachhaltiges Interesse an einer entscheldungsrelevanten Gewinnermlttlungskonzeption haben unter diesen Rahmenbedingungen vermutllch weder die Eigentumer, noch die den Mittelstand betreuenden Kreditinstitute."^^^ Grundsatzlich sind die Kreditinstitute zwar nach § 18 Kreditwesengesetz (KWG) verpflichtet, sich die wirtschaftlichen Verhaltnisse offen legen zu lassen, wobei dem handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss eine wesentliche Bedeutung zukommt. Jedoch dominieren aus Sicht der Kreditinstitute ohnehin die Glaubiger gegenuber den Informationsinteressen: Dem Informationsbedurfnis der Banken steht eine weniger entscheidungsrelevante Gewinnermittlung zugunsten einer glaubigerschutzorientierten vorsichtigen Bilanzierung und Bewertung nicht entgegen.®^^ Bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sind diese aufgrund ihrer Machtstellung zudem auf informationsorientierte Abschlusse im Rahmen der Unternehmensfinanzierung weniger angewiesen. Allein 75 % der gesamten Verschuldung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen konzentrleren sich auf Banken, zumal mehr als 40 % dieser Unternehmen in Deutschland samtliche Kreditgeschafte mit nur einer Hausbank abwickeln.^^ Aufgrund der starken Glaubigerkonzentratlon bzw. der Monopolstellung einiger Hausbanken sowie der langfristigen Geschaftsbeziehungen erwachst eine Vertrauensbasis, welche die Informationsasymmetrie zwischen Glaubiger und Schuldner stark vermindert. „Die Hausbankbeziehung ist durch Langfrlstigkelt und Stabilitat gekennzeichnet und ermoglicht den Kreditlnstituten, einen guten Einblick in die Unternehmenslage, die finanziellen Verhaltnisse des Unternehmens und die Qualitaten des Managements zu erhal-

^^° ^^^ ®" ^^^

Herzig (2002a) S. 1538. Hennrichs (1999)8.23. Mandler (2004)8.41. Vgl. Kuffner/Hock (1998) 8. 62.

^^ Vgl. Stark (2002) 8. 38 f.; Ahrweiler/Borner (2003) 8.14.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

ten."®^^ Die Probleme ejner evti. asymmetrischen Informationsverteilung werden in der Praxis eher aufgrund der oftmals jahrelangen und dauerhaften KreditkundeBank-Beziehungen als durch die informatorische Qualitat eines Einzeijahresabschlusses gelost. Bestehen indes Zweifel am Informationsgehalt eines Einzeljahresabschlusses, besitzen sie leicht die IVIoglichkeit, sich ..Kreditsiciierheiten einraumen zu lassen und fur die Kreditvergabe relevante Informationen von der kreditsuchenden Unternehmung abzufordern."®^^ Daneben besitzen die von Kieinglaubigern wie Lieferanten gewahrten Kredite i. d. R. ohnehin derart kurze Laufzeiten, dass diese auf aktuellere Informationen angewiesen sind, als ihnen ein Jahresabschluss liefern kann.^^^ Letztlich gleichen sich damit die Interessen von Eigentumern und Glaublgern im nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen an: Beide Gruppen werden eine vorslchtige Bilanzierung und Bewertung auf Kosten der informatorischen Qualitat des Einzeljahresabschlusses vorziehen. Im Ergebnis besitzt der Jahresabschluss bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen kaum eine Bedeutung als Informationsinstrument. Die wesentlichen Bilanzadressaten - also die Gesellschafter und die kreditgebenden Finanzinstitute verfugen I. d. R. uber Informationen aus dem internen Rechnungswesen und sind folglich nicht auf den Einzeljahresabschluss angewiesen.^^® Entscheldungsrelevante Informationen stehen ihnen fruher und detaillierter zur Verfijgung, als sie durch einen vergangenheitsbezogenen Jahresabschluss geliefert werden konnen.

5.1.1.2 Kapitalerhaltung Als Tell der Rechenschaftsaufgabe eines Jahresabschlusses gegenuber den Bilanzadressaten bildet die Ermittlung des Periodenerfoigs die Voraussetzung fur den zweiten Rechnungslegungszweck des handelsrechtlichen Einzeljahresabschlusses: die Ermittlung des ausschiittbaren Gewinns an die Anteilseigner.®^® Der Ausschuttungsbemessungsfunktion^^° des Einzeljahresabschlusses - unter Erhaltung des nomlnellen Kapitals - wird in Deutschland schon seit dem preufiischen

Ahrweiler/Borner (2003) S. 15. Streim/Kugel(1985)S. 113. Vgl. Streim/Kugel (1985) S. 113. Vgl.Ducker ( 2 0 0 3 ) 8 . 4 5 1 . Dieser wird dann auch aufgrund der Mafigeblichkeit der Handelsbilanz fur die Steuerbilanz nach § 5 Abs. 1 EStG zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zugrunde gelegt. Die Begriffe Zahlungs- und Ausschuttungsbemessung werden hier als Synonyme verwendet.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

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Allgemeinen Landrecht von 1794 ein hoher Stellenwert eingeraumt.^^'' MJtunter wird die Gewinnermittlung sogar als vorrangige Aufgabe des Jahresabschlusses angesehen.^®^ Leffson betont dabei die Notwendigkeit der Kapitalerhaltung, „[...] damit Untemehmungen ihre Aufgaben auf die Dauer erfullen und damit Eigentumern und Arbeitnehmern als nachhaltige Einkommensquelle dienen konnen."^^^ Gesetzlich kodifiziert ist die Ausschuttungsbemessungsfunktion des Einzeljahresabschlusses fur Personengesellschaften In § 120 HGB bzw. § 167 Abs. 1 HGB und fur Kapitalgesellschaften in § 58 AktG bzw. § 29 Abs. 1 GmbHG. Jedoch wird der Jahresabschlusszweck der Kapitalerhaltung vom Gesetzgeber nnit unterschiedlichem Nachdruck verfolgt. Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird inn Rahmen der so genannten ..Kapitalerhaltung aufgrund von Informationen"^^ mit dem Instrument Einzeljahresabschluss angezeigt, ab welchem Zeitpunkt eine gesetzlich unreglementierte und damit unzulassige Entnahme des Kapitals - und damit der betrieblichen Haftungsmasse - uber den vorsichtig ermittelten Jahreserfolg hinaus beginnt. Fur Kapitalgesellschaften sieht der deutsche Gesetzgeber aufgrund ihrer Haftungsbeschrankung indes zusatzliche Ausschuttungsregelungen vor.^®^ Ihre Gewinnven/vendung ist im Unterschied zu Einzelunternehmen Oder Personenhandelsgesellschaften diversen, rechtsformspezifischen Ausschuttungsrestriktionen untenA/orfen.®®® Ihre Ausschuttungen sind damit an den mit dem Jahresabschluss ermittelten Bilanzgewinn gebunden. Grundsatzlich gewahrleistet die (nominelle) Kapitalerhaltung des deutschen Handelsrechts einen standardisierten Interessenausgleich von Glaubigern und Anteilseignern: Wahrend die Interessen der ersteren Gruppe durch eine Hochstausschuttung aufgrund von bilanziellen Ansatzverboten sowie Bewertungsobergrenzen (bei Aktiva) gewahrt bleiben, werden die Anteilseigner vor dem Hintergrund einer gesetzlichen Mindestausschuttung basierend auf Bilanzansatzpflichten und Bewertungsuntergrenzen bei Aktiva (sowie -obergrenzen bei Passiva) berucksichtigt.^®^ Dem Prinzip des Glaubigerschutzes wird in Deutschland jedoch hohe Prioritat beigemessen, dem durch das Vorsichtsprinzip entsprochen wird. Der Grundsatz der Vorsicht erfordert eine vorsichtige Bestimmung des verteilungsfahigen und ausschuttbaren

Vgl. Schneider (2002) S. 954 f. Vgl. Moxter(1984)S. 158. Leffson (1987)8.93. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2002) S. 32-34; bzw. Leffson (1987) S. 98-107, der von ..Kapitalverminderungskontrolle" spricht. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 89. Zu den gesetzlichen Ausschuttungssperren - insbesondere fur Aktiengesellschaften - vgl. Coenenberg (2003) S. 15. Vgl. Pellens (1998)8.367.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Gewinns. Insbesondere im Rahmen der allgemeinen Bewertungsgrundsatze des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB fordert der deutsche Gesetzgeber die Beachtung des Vorsichtsprinzips und kodifiziert dabei das Imparitatsprinzip. Wahrend im Jahresabschluss alle Gefahren durch Risiken berucksichtigt werden sollen, sofern sie erkennbar sind, durfen Gewinnchancen erst verbuciit werden, wenn die entsprechenden Umsatze realisiert sind.®^® Damit wird in Deutschland vor allem „[...] das Vorsichtsprinzip zur stillen Legung stiller Rucklagen benutzt, etwa durch uberhohte Abschreibungen und Bildung von Ruckstellungen."^^® Diese Moglichkeit zur Bildung stiller Reserven Im deutschen Einzeljahresabschluss ist die Grundlage der (stillen) Selbstfinanzierung. Diese Finanzierungsmoglichkeit wird zwar grolienund rechtsformunabhangig von alien Unternehmenstypen genutzt, nimmt aber bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen im Vergleich zu anderen Finanzlerungsformen eine dominante Stellung ein.^^° Die Finanzierungswirkungen, die durch bilanzpolitische Mafinahmen im Einzeljahresabschluss bzw. durch gesetzlich induzierte einschlagige Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen erreicht werden konnen, werden daher separat im folgenden Kapitel beschrieben.

5.1.2 Finanzierungsfunktionen 5.1.2.1 Innenfinanzierung Durch die Innenfinanzierung fliefien der Unternehmung finanzielle Mittel aus der betrieblichen Geschaftstatigkeit zu. In deutschsprachigen Raum ist ublichenA^eise eine Aufgllederung dieser Finanzierung aus dem Umsatzuberschuss^''^ in Selbstfinanzierung, Finanzierung durch Abschreibungen Oder durch Ruckstellungsbildung vorzufinden.®^^ Im Rahmen der Selbstfinanzierung erfolgt eine Finanzierung aus Gewinnen, die im Unternehmen zuruckbehalten werden. Wahrend bei der offenen Selbstfinanzierung Telle des Bilanzgewinns thesauriert werden und damit in der Bilanz als Rucklage sichtbar werden, fuhrt die stille Selbstfinanzierung aufgrund der Bildung stiller Reserven zu einer Erhohung des Realkapltals, die jedoch nicht mit einem Anstieg des bilanziellen Eigenkapitals verbunden ist und damit fur Au-

Vgl. Busse von Colbe (2000b) S. 490 f.; Baetge/Kirsch/Thiele (2003) S. 89. Busse von Colbe (2000b) S. 491. Vgl. Gunther/Schittenhelm (2003) S. 78; Ahrweiler/Borner/Grichnik (2003) S. 373-412. Alternativ kann der Zufluss liquider Mittel auch uber Rationalisierungsmafinahmen bzw. einen VermSgensumschichtungsprozess wie „Sale-and-Lease-back"-Verfahren oder die Aufldsung stiller Reserven erfolgen; vgl. Woltje (2003) 8. 265 f. Diese Trennung ist primar gedanklicher Natur und kann in der betrieblichen Praxis aufgrund der teilweise flieflenden Ubergange nicht aufrechterhalten werden.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

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fienstehende nicht einsehbar ist.^'^^ Die stille Selbstfinanzierung erfolgt aus noch unversteuertem Gewinn^^"^, weil die gebildeten stillen Rucklagen erst bei ihrer Auflosung der Ertrag- bzw. Korperschaftsteuer unterliegen. Der daraus resultierende Steuerstundungseffekt fuhrt aufgrund der erst spater anstehenden Steuerzahlungen fur das Unternehmen zu einer vorubergehenden Liquiditatsverbesserung.^^^ Bin derartiger Steuerstundungseffekt kann im Rahmen der offenen Selbstfinanzierung indes nicht erzlelt werden, weil diese im Unterschled zur stillen Selbstfinanzierung mit bereits versteuerten Gewinnen durchgefuhrt wlrd.^^® Beide Formen bieten dennoch - im Vergleich zur Audenfinanzierung - dem anwendenden Unternehmen weitere Vorteile: die Unabhanglgkeit von Kreditgebern, die fehlende Fristigkelt der Finanzierung, keine Zinsaufwendung bzw. Kapitalbeschaffungskosten sowie die Starkung der Elgenkapltalbasls.^^'^ Unternehmensexterne haben zudem aufgrund von Informationsproblemen kaum eine Moglichkeit, das wirkliche Innenfinanzierungspotenzlal eines Unternehmens einzuschatzen. Aus diesen Grunden bezelchnet Boehm-Benzig die Innen- und insbesondere Selbstfinanzierung als das „zentrale Instrument"^^^ fur die Finanzierung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen. Sie tragt mithin zur Unabhanglgkeit der Unternehmung vor neuen Gesellschaftern und Fremdkapitalgebern bei und ist daher die bevorzugte Finanzierungsform insbesondere der kleineren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen.^^^ „Eine groRe Zahl von [nicht kapitalmarktorlentlerten] Unternehmen ziehe es demnach vor, sich vorrangig im Zuge der Innenfinanzierung aus einbehaltenen Gewinnen selbst zu finanzieren [...]."^®° Kuffner/Hock kommen gar zu dem Schluss, dass „fur Unternehmen ohne Zugang zum organisierten Kapitalmarkt [...] die Selbstfinanzierung haufig die einzige Moglichkeit zur Erhohung des Eigenkapitals [ist] und [...] neben der Fremdkapltalfinanzlerung durch Hausbanken die wesentlichste Finanzierungsform [darstellt]"^®\ Aus Sicht eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmens stellt besonders die Moglichkeit der stillen Selbstfinanzierung - vor allem durch nach deutschem Han-

Vgl. Perridon/Steiner (2003) S. 465. Dies setzt voraus, dass die zur Bildung stiller Reserven erfolgten handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmalinahmen auch steuerrechtlich akzeptlert sind. Vgi. Lachnit (2004) S. 118 f.; Perridon/Steiner (2003) 8.468. Bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen erfolgt diese durch Verzicht auf Entnahme und Gutschrift auf dem Kapitalkonto, bei Kapitalgesellschaften durch EInstellung der Gewinne in die Rucklagen. Vgl. Boehm-Bezing (2002) 8 . 1 6 1 . Boehm-Bezing (2002) 8 . 1 6 1 . Vgl. o.V. (2004d) 8. 269. Grichnik (2003) S. 85. Kuffner/Hock (1998) 8. 60.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilit§t beider Rechnungslegungssysteme

delsrecht vorgeschriebene Oder bilanzpolitisch induzierte Bilanzierungs- und Bewertungsmafinahmen - eine wichtige und leicht praktizierbare SSule in der Unternehmensfinanzierung dar. Die im Einzeijahresabschluss anzuwendenden Rechnungslegungsnormen stehen deslialb in direktem Zusammenhang mit dem Potenzial an stiller Selbstfinanzierung in einem Untemehmen. Besonders das deutsche Handelsrecht, das sich dem Glaubigerschutz durch eine starke Ausgestaltung des Vorsichtsprinzips verpflichtet sieht, begunstigt die Bildung stiller Reserven und damit Im Endeffekt diverse potenzielle Quellen der stillen Selbstfinanzierung. Neben dem gesetzlich zulassigen Bewertungsspielraum fur einzelne Bllanzposltionen ist das AusmaH der stillen Selbstfinanzierung dabei in Abhangigkeit von der Bilanzpolltik des betroffenen Unternehmens zu sehen. Die starke Betonung des Vorsichtsprinzips im HGB ermoglicht dem bilanzierenden Untemehmen die Legung von zahlreichen Dispositions- und Ermessensreserven.^®^ Die Wahlrechte im Rahmen von Bilanzierung, Bewertungsverfahren und Wertansatzen erlelchtem die Bildung von Dispositionsreserven, wahrend Ermessensreserven vor dem Hintergrund ungewisser Schatzungen gelegt werden konnen. Als Beispiele fur die zahlreichen handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte, die bei entsprechender Auslegung zu Dispositions- bzw. Wahlrechtsreserven fuhren konnen, sind die unterschiedllchen Verfahren der Vorratsbewertung, Abschrelbung auf den niedrigeren Zukunftswert, das gemilderte Niederstwertprinzip im Finanzanlagevermogen, aktive Bilanzierungshllfen, die Goodwillbllanzierung sowie die Bildung von Aufwandsruckstellungen. Schatzungsunsicherheiten, die zu Ermessensreserven fuhren konnen, sind bspw. Im Rahmen der Schatzung der Nutzungsdauer von abnutzbaren Aniagegutern, der Bemessung von Betelllgungsabschreibungen oder der Bemessung von Ruckstellungen gegeben.^®^ Die zur stillen Selbstfinanzierung notwendige Bildung stiller Reserven Ist jedoch in der Steuerbllanz nur In begrenztem Umfang moglich.®^ Gezlelte Madnahmen der Ausnutzung von miteinander im Einklang stehenden handels- und steuerrechtlichen Bewertungsspielraumen erstrecken sich entweder auf die Unterbewertung von Aktiva oder die Uberbewertung von Passlva. Bei der Unterbewertung von Aktiva stehen folgende Moglichkeiten zur Verfugung:®®^ •

Unterlassung von Aktivierungen: So besteht einerseits das Aktlvlerungswahlrecht fur derivative Geschafts- oder Firmenwerte nach § 255 Abs. 4 HGB oder

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Zur Abgrenzung und Kategorisierung der verschiedenen Arten von stillen Reserven vgl. Wulf (2001)8.1097-1099.

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Vgl. Coenenberg (2003) S. 297 f.

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Vgl. GOnther/Schittenhelm (2003) S. 78. Vgl. WQItje (2003) S. 266.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

201

das Wahlrecht der Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgutern im Jahr ihrer Anschaffung nach § 6 Abs. 2 EStG. •

Unterbewertung von Vermogensgegenstanden: Diese kann vor dem Hintergrund der Bewertungsvorschriften des HGB/EStG erfolgen, die als Wertobergrenze maximal die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gestatten, wobei die tats^chlichen Werte - dies tritt bspw. bei Immobilien haufig auf - deutlich holier sein konnen. Auch Bewertungswahlrechte wie die steuerlich zulassige Lifo-Methode konnen im Rahmen der Vorratsbewertung zu einem Ansatz von zu niedrlgen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten fuhren.

•

Unterlassung oder Unmoglichkeit (Zwangsreserven) der Zuschreibung bei Wertsteigerungen von Vermogensteilen: Zwangsreserven entstehen nach deutschem Handelsrecht etwa durch das Aktivierungsverbot fur selbst erstellte immaterielle Vermogenswerte nach § 249 Abs. 2 HGB oder durch die bereits 0. g. Wertobergrenze i.H. der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bei der Folgebewertung. Hierbei werden aufgrund gesetzlicher Bewertungsrestriktionen insbesondere bei langfristigen Investitionen wie Grundstucken, Beteiligungen oder Wertpapieren des Aniagevermogens absichtllch stille Zwangsreserven gelegt, weil etwaige Wertsteigerungen uber die historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht berucksichtigt werden durfen. Bei der Unterlassung der Zuschreibung bei Wertsteigerungen sind Kapitalgesellschaften indes aufgrund § 279 HGB in der Legung von so genannten rechtsformspezifischen Disposltionsreserven beschrankt. So ist es ausschliefilich NichtKapitalgesellschaften nach § 253 Abs. 4 HGB gestattet, vor dem Hintergrund vernunftiger kaufmannischer Beurteilung stille Reserven durch Unterbewertungen von Vermogensgegenstanden zu legen.^®®

Im Rahmen der Uberbewertung von Passiva steht insbesondere die erhohte Bewertung von Ruckstellungen im Vordergrund. Diese gelten zwar als bilanzielles Fremdkapital und sind somit der innerbetrieblichen Fremdfinanzierung zuzuordnen. Wegen der grundsatzlichen Ermessensspielraume bei der Bildung von Ruckstellungen konnen diese jedoch bei zu hohem Ansatz auch zu einem Instrument der stillen Selbstfinanzierung im weiteren Sinne werden.^®^ Im internationalen Vergleich begunstigt das deutsche Handelsrecht die Bildung von Ruckstellungen. Neben der zulassigen Bildung von Aufwandsruckstellungen sieht das HGB mehrere

Vgl. Coenenberg (2003) S. 297 f. Vgl. Perridon/Steiner (2003) S. 477.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Ansatzwahlrechte fur Ruckstellungen vor.^®® Nach deutschem Handelsrecht besteht demnach nicht nur im Ansatz, sondern auch in der Bewertung von Ruckstellungen ein grolierer Ermessensspielraum als bei vergleichbaren intemationalen Regelungen.^®® Dannit werden die Moglichkeiten der Innenfinanzlerung durch Ruckstellungen nach HGB prinzipiell begunstigt. Voraussetzung bleibt jedoch, dass die gebildeten Ruckstellungen auch steuerrechtlich anerkannt sind und zu abzugsfahigem Aufwand werden, urn durch sie eine Liquiditatsverbesserung aufgrund eines Steuerstundungseffektes^^° zu erzielen. Die Fristigkelt der jeweiligen Ruckstellungen entscheidet dabei uber deren Finanzierungseffekt: Je langfristlger der Zeitraum zwischen Bildung und Auflosung bzw. Inanspruchnahnrie der Ruckstellung, umso langer stehen dem Unternehmen die gebundenen finanziellen Mittel zinslos zur Verfugung.^^^ Die meisten Ruckstellungsarten sind allerdings als kurzfristig^®^ einzustufen, wodurch deren Finanzierungseffekt relativ begrenzt ist. Ein nahezu dauerhafter Finanzierungseffekt kann aber bei permanenter Qahrlicher) Neubildung aufgrund der Entstehung eines so genannten Bodensatzes an Ruckstellungen erzielt werden. Unter diesen Bedingungen konnen auch kurzfristige Ruckstellungen zur Finanzierung langfristlger Investitionsvorhaben genutzt werden. Geeigneter zur Erzielung eines dauerhaften Finanzierungseffektes sind jedoch mittel- und insbesondere langfristige Ruckstellungen. In diesem Zusammenhang komnnt in erster Linie den Pensionsruckstellungen besondere Bedeutung zu. Wenn ihrer Bildung in der Bilanz noch keine Pensionszahlungen gegenuberstehen, besitzen sie einen umso hoheren Finanzierungseffekt.®^^ In der Praxis nicht kapitalnnarktorientierter Unternehmen zeigt sich die Hohe der Innenfinanzlerung uber Pensionszusagen in Abhangigkelt von der Grofle des betroffenen Unternehmens. Wahrend bei kleineren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen eigene unmittelbare Pensionszusagen nur eine untergeordnete Rolle spielen,

Vgl. § 249 Abs. 1 und Abs. 2 HGB; Hayn/Waldersee (2004) S. 177, 179. Da das Stetigkeitsgebot nicht fur den Ansatz von Ruckstellungen gilt, bietet sich hier ein hohes Mad an Gestaltungsspielraum; vgl. hierzu Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 854. Vgl. Hebestreit/Dorges (2004) in Beck-IFRS-HB § 5, Rn. 157; Coenenberg (2003) 8. 350-354; 370 f. Wegen der Vorverlagerung von Betriebsausgaben aufgrund von Ruckstellungen werden die Ertragsteuern bis zur Auflosung der Ruckstellungen zinslos durch das Finanzamt gestundet. Vgl. Woltje (2003) S. 273 f. Hierzu zahlen vor allem Ruckstellungen fur Steuerzahlungen, BeitrSge an Berufsgenossenschaften, Uriaubsruckstellungen, unterlassene Instandhaltung und Abraumbeseitigung sowie Drohverlust- und Prozessriickstellungen. Vgl. Perridon/Steiner (2003) S. 478 f.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

203

bringen grodere nicht kapitalmarktorientjerte Unternehmen ca. 25-30 % ihres Kapitalbedarfs uber Ruckstellungen auf.^^ Vergleichbar mit der Uberbewertung von Ruckstellungen fuhren auch uberhohte Abschreibungen zu einer stillen Seibstfinanzierung. Durch den uberhohten Abschreibungsbetrag, der eine stille Reserve darstellt, ergibt sich ein direkter Finanzierungseffekt (i. V. m. einem Steuerstundungseffekt), da Abschreibungen - analog zu den Ruckstellungen - den Periodengewinn und damjt letztljch das zu versteuernde Einkommen verringern. Die stille Seibstfinanzierung aus Abschreibungsgegenwerten hangt nicht unerheblich vom angewandten Abschreibungsverfahren ab, wobel auch hier ais Voraussetzung der FInanzierungswirkung die steuerliche Anerkennung vorliegen muss.^^^ Insbesondere die geometrisch-degressive Abschreibung sowie die kombinierte degressiv-lineare Methode nach § 7 Abs. 3 EStG durften in den ersten Jahren zu einem hoheren Abschreibungsaufwand als der tatsachlichen Wertminderung fuhren. Bei Letzterer wird der Finanzierungseffekt sogar noch verstarkt, well der Obergang in dem Jahr erfolgt, in denn der lineare Abschreibungsbetrag erstnnals hoher ist als der Betrag bei degressiver Abschreibung.^®^ Grundsatzlich wird die Innenfinanzlerung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen laut einer Umfrage uber neue Finanzierungswege^®^ zu 63 % als wichtigste Quelle zur Deckung des Kapitalbedarfs eingeordnet, wahrend weitere 19 % der befragten nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sie als uberdurchschnittlich bedeutsam einordnen. Trotz des vorhandenen Bewusstseins, bei der Finanzierung In Zukunft erschwerte Rahmenbedingungen vorzufinden, wird alternativen Flnanzierungsformen von diesen Unternehmen kaum Bedeutung beigemessen. Die Innenfinanzlerung wird von den nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen auch in Zukunft zu 57 % als wichtlgstes und zu 25 % als wichtiges Finanzierungsinstrument angesehen. Nur dem Bankkredit wird in der zukunftigen Finanzierung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen eine ahnlich hohe Bedeutung bescheinigt:

Sie liegen damit nahe an den kapitalmarktorientierten (Gro(l-)Unternehmen in Deutschland, die eine durchschnittliche Ruckstellungsquote von ca. 35 % aufweisen; vgl. hierzu Stark (2002) S. 39 f. Vgl. Woltje (2003) S. 268 f. Vgl. Perridon/Steiner (2003) S. 472 f. Die von Ahrweiler/Borner/Grichnik in 2003 durchgefuhrte Studie untersucht 136 mittelstandische Unternehmen mit durchschnittlich ca. 400 Mitarbeitern. Die ausgewahlten Unternehmen entsprechen der qualitativen Mittelstandsdefinition des IfM und sind daher gemafi Kapitel 1.3, S. 10 ausnahmslos in die Kategorie nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen einzustufen; vgl. hierzu Ahrweiler/Borner/Grichnik (2003) S. 373-412.

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5 PraktikabilitSt und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

WShrend 26 % der befragten Unternehmen ihn als wichtig einstufen, wird er bei 31 % zukunftig als wichtigstes Finanzierungsinstrumentfungieren.^®®

5.1.2.2 Aullenfinanzierung Die Aulienfinanzierung bezeichnet die Zufuhrung finanzieller Mittel durcli Einlagen der Unternehmenseigner bzw. Beteiligung (neuer) Gesellschafter oder durch Kredltkapital von Giaubigerseite. Nicht kapitalmarktorientierte Unternelinnen konnen jedocli per Definition niclit auf alle Moglichkeiten der Auflenfinanzierung wie einer Kapitalmarkt- oder Anleiinefinanzierung zuruckgreifen und mussen sich alternativer Formen bedlenen. Im Ralimen der Aulienflnanzierung dominiert bei diesem UnterneJimenstypus die Kredit- bzw. Fremdfinanzierung, wSiirend die Beteiligungsfinanzlerung (Eigenfinanzierung) nahezu bedeutungslos erscheint.®®® Neben einem starken Autonomiebedurfnis in Bezug auf die Unternehmensfuiirung liegen die Hauptgrunde der geringen Akzeptanz vor allem in unen/vunscliten iVIitspracherecliten, einer vergleichsweise hohen en/varteten Kapitalverzinsung sowie der Schwierigkelten bei der Beliandiung und Rechtfertigung von gelegten stillen Reserven gegenuber fremden DrittenJ^^^ Angesiclits der steuerlichen Bevorzugung der Fremdfinanzierung im Vergleich zur Eigenkapital- bzw. Beteiligungsfinanzierung erscheint diesen Unternehmen eine Kreditfinanzierung vorteilhafter.''°°'' Die Passivseite der Handels- und Steuerbilanzen deutsclier nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen ist in Konsequenz durch Bankverblndlichkeiten gekennzelchnet, wobei die UnternehmensgrGfle mit dem Anteil der Bankkredite an der Bilanzsumme korreliert. Bei kleineren nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen liegt der Anteil der Bankverblndlichkeiten an der Bilanzsumme mit 39,4 % nahezu doppelt so hoch wie bei mittelgroUen Unternehmen (23,5 %).''°°^ Bei der Kreditvergabe kommt dem handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss dabei entscheidende Bedeutung zu, da dieser als Grundlage der Vergabeentscheidung dient. Trotz der zahlreichen Moglichkeiten zur Bildung stiller Reserven gibt dieser „wesentliche Anhaltspunkte fur das Schuldendeckungspotential und ist [zudem] im Rahmen der Offenlegung nach § 18 KWG durch Zusatzinformationen uber stille Reserven und

^^^ Vgl. Ahrweiler/BGmer/Grichnik (2003) S. 384 f. ^^^ Vgl. Paul/Stein (2003) S. 419-421; Egbers (2003) S. 459. '°°° Vgl. Kolbeck/Wimmer (2002) S. 12 f.; Boehm-Bezing (2002) S. 158-160. ^°°^ Vgl. hierzu Kapitel 1.3, S. 10, welches im Rahmen der Abgrenzung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen auch auf deren Finanzierungsstruktur eingeht; sowie Scherer (2003) S. 157; Kolbeck/Wimmer (2002) S. 12; Hommel/Schneider (2004) S. 577 f. ^°°^ Vgl. Boehm-Bezing (2002) S. 160, der bei kleineren Unternehmen einen Jahresumsatz bis 2,5 Mio. € und bei mittleren zwischen 25 und 50 Mio. € zugrunde legt.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

205

Lasten zu ergSnzen."^°°^ Wie bereits - vor dem Hintergrund der Auslegung der handelsrechtlichen Informationsfunktion im nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen - in Kapitel 5.1.1.1 beschrieben, steht die starke Betonung des Vorsichtsprinzips im deutsclien Handelsrecht dem Informationsbedurfnis der Kreditinstitute prinzipieil nicht entgegen, da aus Bankensicht die Gl^ubigerschutzinteressen im Vordergrund stelien.''°°^ Fur GlSubiger ist mit der Bildung stiller Reserven in einem angemessenen und beschrSinkten Umfang zudem eine gewisse Sicherheit verbunden, well diese einem Unternehmen finanzlelle WIderstandskraft verleihen, die der Substanzerhaltung dient.''°°^ Neben dem tradierten (Haus-)Bankkredit hat insbesondere der Lieferantenkredit eine Bedeutung bei der Finanzierung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland. Im Durchschnitt werden knapp 20 % des Finanzierungsbedarfs nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen uber Lieferantenkredite erbracht. Diese werden wegen der Schnelligkeit der Kreditgewahrung, der formlosen Moglichkeit der Inanspruchnahme sowie der i. d. R. fehlenden Kreditwurdigkeitsprufung bevorzugt. Neben den im Vergleich zu Kontokorrentzinsen deutlich h6heren Kosten besteht bei einem Lieferantenkredit bel hoher Verschuldung jedoch die Gefahr der Abhangigkeit von einzelnen Lieferanten.''°°^ Dem handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss kommt im Rahmen der Finanzierung durch Lieferantenkredite lediglich eine Ausweisfunktion zu, die als Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu erfolgen hat. Durch elnschlSgige Bilanzlerungs- Oder Bewertungsmalinahmen - ob gesetzlichen oder bilanzpolitischen Ursprungs - kann der Finanzierungseffekt derartiger Verbindlichkeiten jedoch nicht erhGht bzw. verSndert werden. Die zugrunde liegenden Rechnungslegungsnormen haben damit keinen Einfluss auf die Finanzierungswirkungen durch Lieferantenkredite. Daneben ersetzen neuere Formen der Aufienfinanzierung, und zwar durch Kreditsubstltute wie Factoring bzw. Forfaitierung sowie Leasing, auch in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in zunehmendem Umfang die traditionelle Bankfinanzierung. Wahrend 19% der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen die Finanzierung uber Leasing als wichtig einordnen, wird es von 14 % dieser Unternehmen sogar als sehr wichtiges Finanzierungsinstrument angesehen. Grunds^tzlich wird im Rahmen der langfristigen Fremdkapitalfinanzierung von nahezu 40 % der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland Leasing als Finan-

^°°^ ^°°^ ^°°^ '°°^

Kuffner/Hock (1998)8.62. So auch Krumnow (1994) S. 693. Vgl. Coenenberg (2003) 8. 299. Vgl. Boehm-Bezing (2002) 8.160 f.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

zierungsalternative eingesetzt.''°°^ Urn den leasingtypischen Finanzierungseffekt zu erreichen, darf die Nutzung neuer Kapazitaten - im Unterschied zum Kauf sich nicht in einer entsprechenden Verandemng der Aktiv- und Passivseite der Bilanz niederschlagen. Das bilanzpolitische Ziel einer Leasingtransaktion besteht darin, ein Investitionsgut fur eine begrenzte Zeit gegen eine Benutzungsgebuhr zu gebrauchen, oline aber das zivilrechtliche Eigentum en/verben zu mussen und damit Bilanzneutralitat bzw. -entlastung zu erreichen.""^^^ Die Trennung von wirtschaftlichem und rechtlichem Eigentum ist aus Sicht des Leasingnelimers gegluckt, wenn das Leasingobjekt bilanziell dem Leasinggeber zuzuordnen ist. Mangels expliziter Zurechnungskriterien im HGB orientiert sicii die handeisreclitiiche Bilanzierungspraxis an den sog. ..LeasingerJassen" des Bundesflnanzliofs.''°°^ Die Frage der Zurechnung des Leasingobjekts wird anhand der Einstufung in ein Operating- Oder Finanzierungsleasing entschieden. Handelt es sich beim Leasingvertrag um ein regulares, jederzeit kundbares Mietverhaltnis, so iiegt ein OperatingLeasing vor, und das Leasingobjekt wird beim Leasinggeber bilanzlert. Liegt jedoch eher ein Finanzierungsgeschaft in der Art eines Ratenkaufs unter Eigentumsvorbehalt vor, wird die Transaktion bilanziell als Finanzierungsleasing angesehen. In diesem Fall ist das wirtschaftliche Eigentum ubergegangen und folglich der Leasinggegenstand vom Leasingnehmer zu aktivieren sowie gleichzeitig eine Leaslngverbindllchkeit zu passlvieren.^°^° Um dennoch das Ziel der Bilanzneutralitat zu erreichen, haben die Leasinggesellschaften in Deutschland ihre Praktiken bei der Vertragsgestaltung an den Leasingerlassen des Bundesfinanzhofs ausgerichtet. Hierbei wird deutlich, dass die zugrunde liegenden Rechnungslegungsnormen des Steuerrechts und deren konkrete Bilanzierungsvorschrlften Einfluss auf das Finanzierungsverhalten von Unternehmen nehmen. Coenenberg sieht in diesem Zusammenhang „deutliche Effekte aus Anderungen von Bilanzierungsvorschrlften fur Leasing [...] auf Finanzierungsentscheldungen"''^''''. Den konkreten Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften des Handels- bzw. Steuerrechts im Einzeljahresabschluss kommen daher auch im Rahmen der Leasingfinanzierung entscheidende Bedeutung zu.

^°°^ Vgl. Ahrweiler/BOrner/Grichnik (2003) S. 387; Grichnik (2003) S. 98. '°°* Vgl. Helfrich ( 2 0 0 3 ) 8 . 2 4 1 . '°°^ Vgl. Findeisen (1998) S. 464. ^°^° Vgl. Ahrweiler/Bdrner (2003) S. 39 f. ^°^^ Coenenberg (2003) S. 1210.

5.1 Aufgabenspektmm des Einzeljahresabschlusses

207

Ferner spielen Asset-Backed-Securities-Gestaltungen^°^^ (ABS) sowie Factoring insbesondere bei den grolieren nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen eine immer wichtigere Rolle. Bei beiden Finanzierungsalternativen fuhrt die ForderungsverauRerung zunachst zu einem Zufluss liquider Mittel (Aktivtausch), welche zur direkten Ruckfuhrung von Verbindlichkeiten genutzt werden konnen. In der Folge verbessern sich wiciitige Kennzahlen der Vermogens- und Finanziage.''^''^ Im Unterschied zu ABS-Gestaitungen sind beim Factoring das erforderliche Forderungsvolumen sowie die Durchfuhrungskosten deutlich geringer.''^''^ Deshalb stellt Factoring auch eine Finanzierungsalternative fur kleinere und mittlere nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen dar. Beide Finanzierungsformen sind indes abhangig von den angewandten Rechnungslegungsnormen. Insbesondere belm Factoring ist darauf zu achten, dass ein „echtes" Factoring vorliegt, d. h. dass ein vollstandiger Obergang des Ausfallrisikos an den Factor stattgefunden hat.''°''^

5.1.3 Offenlegungsverhalten nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen Grundsatzlich ist In Deutschland die Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen nach § 325 HGB grolienunabhangig fur alle Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften i. S. des § 264a HGB^°^^ verpflichtend. Fur Kapitalgesellschaften gleich welcher Grofte besteht bereits seit 1985 im Rahmen der Umsetzung der EG-Bilanzrichtlinlen in deutsches Recht die Pflicht zur Offenlegung ihrer Jahresabschlusse im Handelsreglster bzw. Bundesanzeiger. Die Veroffentlichung der erforderlichen Jahresabschlussinformationen im Zuge des BIRiLiG hat sich jedoch - insbesondere bei den kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften - aufgrund von schwachen Sanktionierungsmoglichkeiten seitens des Gesetzgebers als faktisches Wahlrecht erwiesen.''^''^ Diese Untemehmen haben die fur Kapitalgesellschaften eingefuhrten europaischen Bilanz- und Offenlegungspfllchten als „so bedruckend [angesehen], dass die Pflicht zur Registeroffenlegung der Abschlussun-

^°^^ Im Rahmen von ABS-Gestaltungen werden Aktiva wie Forderungen aus LuL eines Untemehmens an eine Zweckgesellschaft verSuflert, welche diese sammelt und In borsengehandelten Wertpapieren verbrieft; vgl. hierzu Bigus (2000) 8. 465-468. ^°^^ Vgl. Winkeljohann (2003) S. 391. ^°^^ So lohnt sich nach OhI eine ABS-Gestaltung erst bei einem Forderungsvolumen ab ca. 20 Mio. Euro; vgl. OhI (1994) S. 262-272. ^°'^ Vgl. BItz (1999) S. 66 f.; Bigus (2000) S. 466. ^°^® Im Kern handelt es sich hierbel um alle Personengesellschaften, bei denen nicht wenlgstens ein personlich haftender Gesellschafter (direkt Oder indirekt) existiert. ^°'^ Vgl. HSger (1993) 3.202.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

terlagen auf breiter Front unerfullt blieb."''^^® Neben einer grundsStzlich fehlenden Publizitatstraditlon sowie der seltenen Oberprufung durch die Registergerichte sind die zalilreichen IVIaflnahmen der Pubiizitatsvermeidung deutscher nicht kapitalmarktorientlerter Unternehmen vorrangig auf die Furciit vor negativen Konkurrenzwirkungen bei erweiterter Offenlegung zuruckzufuhren. Mandler spricht in diesem Zusammenliang gar von einer „PublizitatsvenA^eigerung"^°^^ der niclit kapitalmarktorientierten Unternehmen. Selbst die durch das KapCoRiLiG eingefuhrten enveiterten Sanktionsmechanismen bei unterlassener Offenlegung sowie die Ausweitung der obligatorischen JahresabschlusspublizitSt auf Personengesellschaften i. S. des § 262a HGB haben trotz erhfihter Anzahl an VerOffentlichungen insbesondere bei den kleinen und mittleren Gesellschaften zu keiner grundsatzlichen Anderung ihres Offenlegungsverhaltens gefuhrt. Marx/Dallmann resumieren daher wie folgt: „Der mit dem KapCoRiLiG eingefuhrten Pfllcht zur Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen kommt tatsSchiich nur ein Bruchteil der Gesellschaften nach."^°^° Begleitet wird dieser Umstand zudem durch eine konservative Anhanggestaltung bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen. Neben einer konsequenten Inanspruchnahme der gesetzlichen Offenlegungserleichterungen fur kleine und groBe Kapitalgesellschaften wird zudem die Art und Welse der Verdffentlichung von Informatlonen Im Anhang sehr restriktiv vorgenommen.''^^'' Das Defizlt in der Erfullung der kodiflzierten PublizitStsfunktion wird indes von einem mangelnden Interesse seitens der Abschlussadressaten begleitet. Wederdas Ordnungsgeldverfahren noch der unbeschrSnkte Antragstellerkreis haben auf Seiten der schutzwQrdigen Informationsadressaten zu einer wesentlich erhohten Inanspruchnahme des gesetzlich eingerSumten Antragsrechts auf Offenlegung gefuhrt.''°^^ Nach Noak gibt es damit „wohl keinen Rechtsbereich, der einen so hohen Prozentsatz an Nichtbefolgung der fur ihn geltenden Normen aufweist."^°^^ Aufgrund der laxen Sanktionsmechanismen sowie der gefurchteten negativen Konkurrenzwirkungen tritt bei der Mehrzahl der betroffenen Unternehmen anstelle der gesetzlichen Zwangspublizitat eine private Informationsverbreitung. Die starke Stellung von Kreditinstituten im Rahmen der Finanzierung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie deren Interesse an gunstigen Flnanzierungsmoglichkeiten ermoglicht dem betroffenen Unternehmen in direktem Kontakt mit dem

'°'^ ^°'^ ^°^° ^°^^ ^°^^ ^°^^

Strobel{1999)S. 1056. Mandler (2004) S. 39. Marx/Dallmann (2004) S. 933. Vgl. Mandler (2004) S. 40. Vgl. Gernoth (2004) S. 842 f.; Streim (1994) S. 1116. Noack (2002) Rn. 88.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

209

Kreditgeber eine private Bereitstellung adressatenrelevanter Informationen ohne Gefahr einer negativen Konkurrenzwirkung. Vor diesem Hintergrund erscheint aus Sicht von nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen eine kodifizierte breite Offenlegung von Untemehmensdaten entbehrlich, da der Bedarf an verGffentlichten Jahresabschlussen in einem derartigen Insidersystem nicht zwangslSufig gegeben \sV^^^ Die Einsicht in eine Nutzen stiftende Informationsoffenlegung wird olineliin durch eine waciisende inansprucinnahme von Eigenkapitalmarkten gefordert, wenn die Anforderungen an die Quaiitat der PubiizitSt sowie die damit verbundene Durchsetzung von IVIarktseite her steigen.''°^^

5.1.4 Charakteristika des Einzeljahresabschlusses nicht kapltalmarktorlentierter Unternehmen Die Charakteristika des externen Rechnungswesens nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen differieren von den in borsennotierten Gesellschaften verfolgten Zwecken. Aus Sicht der Rechnungslegungsfunktionen ergeben sich folgende Zielsetzungen bzw. Anforderungen: •

Aufgrund der im Vergleich zu kapitalmarktorientierten Unternehmen unterschiedlichen Gesellschafterstruktur avancieren Fiskus und Glaubiger zu den domlnanten Bilanzadressaten gegenuber den (im Unternehmen i. d. R. bekannten) Eigenkapitalgeber.

•

Der Rechtfertigung gegenuber den anonymen Investoren vom Kapitalmarkt kommt im Vergleich zu borsennotierten Publlkumsgesellschaften keine Bedeutung zu, da diese nicht vorhanden sind. Daraus resultiert eine geringe Publizitatsneigung, die mit einer restriktiven Anhanggestaltung einhergeht. Die Informationsfunktlon eines Einzeljahresabschlusses spielt daher eine untergeordnete Rolle fur ein nicht kapitalmarktorientlertes Unternehmen.

•

Aufgrund der Fiskus- und Glaubigerorientiemng kommt dem Einzeljahresabschluss mit seiner Kapitalerhaltungs- und Steuerbemessungsfunktion eine zentrale Bedeutung zu. Diese wird unterstrichen durch die vorherrschende Neigung zur Erstellung einer Einheitsbilanz bzw. einer schmalen Oberleitung von der Handels- auf die Steuerbilanz (modifizierte Einheitsbilanz) bei den

^°^^ Vgl. Rudolph (2003) S. 2053. '°^^ Vgl. Marx/Dallmann (2004) S. 933 f.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme meisten nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen.''^^® Daraus ergibt sich die

Ausnutzung steuerpolitischer Gestaltungsraume i. d. R. als primares Ziel der Bilanzpolitik. •

Nicht zuletzt deshalb konnen die informatorischen Qualitaten des Einzeljahresabschlusses im nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen stark zugunsten einer vorsichtigen und an steuerrechtlichen Gegebenheiten orientierten Bilanzierung verzerrt sein. Mandler kommt in diesem Zusammenhang zu dem Schluss: „Eine der wichtigsten Funktionen des handelsrechtlichen Abschlusses, namlich Unternehmensfremde uber die wirtschaftliche Lage zu Informieren (Informationsfunktion), lauft damit in diesem Unternehmenssegment ins

•

Den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen wird daher alieln aus pragmatischen Grunden eher das in Deutschland durch das Maflgeblichkeitsprinzip verbundene handelsrechtliche und steuerliche Bilanzrecht''°^® entsprechen als eine vollkommene Entkoppelung der handelsrechtlichen von der steuerrechtlichen Rechnungslegung. Ebenso durfte eine Ausrichtung der Rechnungslegung auf die Informationsbedurfnisse (fremder) Dritter sowie eine umfangreiche Offenlegung bel der Mehrzahl dieser Unternehmen nur eine ungeordnete Rolle spielen.

Neben diese vorsichtige und an steuerrechtlichen Gegebenheiten orlentierte Bilanzierung tritt im nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zudem eine auf die Finanzierungswirkungen einzelner Bilanzierungs- und Bewertungsmadnahmen ausgerichtete Abschlusserstellung. Dieses setzt voraus, dass der zugrunde liegende Jahresabschluss der Zahlungsbemessung dient. Aus Sicht der Finanzierungsfunktion eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmens ergeben sich folgende Zlelsetzungen bzw. Anforderungen: •

An erster Stelle steht die fur diesen Unternehmenstypus wichtigste Finanzierungsform, die stille Selbstflnanzlerung, die erst durch gesetzllch vorgeschriebene bzw. bllanzpolitisch induzierte Bilanzierungs- und Bewertungsmalinahmen im Einzeljahresabschluss nach HGB ermoglicht bzw. geduldet wird. Damit stehen Ausmali und Effektivitat der stillen Selbstfinanzierung in direk-

^°^^ Vgl. Buchholz (2002) 8.1280; Mandler (2003b) 3.146; Kuffner/Hock (1998) 8. 65. ^°^^ Mandler (2004) 8. 96. ^°^® Vgl. zu den steigenden Durchbrechungen der Maflgeblichkeit zwischen Handels- und 8teuerbilanz Kapitel 4.2.2.3.2, S. 177.

5.1 Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses

211

tern Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechnungslegungsnormen im Einzeljahresabschluss. •

Dieses gilt grundsatzlich fur die gesamte Innenfinanzierung. Die starke Dominanz des Glaubigerschutzgedankens im deutschen Handelsrecht, die zur Billigung der bereits genannten Dispositions- und Ermessensreserven im Rahmen der Bilanzierung und Bewertung fuhrt, legt dabei den Grundstein fur die zahlreichen Moglichkeiten zur Innenfinanzierung uber den Einzeljahresabschluss nach HGB. Aufgrund der beschrankten Finanzierungsautonomie und im internationalen Vergleich besonders diinnen Eigenkapitaldecke''°^® deutscher nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen spitzt sich die Bedeutung der Innenfinanzierung und damit die Relevanz der im Einzeljahresabschluss zugrunde liegenden konkreten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden fur die Unternehmensfinanzierung weiterhin zu. Fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen stellt die Innenfinanzierung nach wie vor die zentrale - aber zum Teil auch die einzige - Moglichkeit zur Erhohung des bilanziellen Eigenkapitals dar^^^o

•

Stille Reserven bilden vor diesem Hintergrund einen Risikopuffer, welcher nicht nur der chronisch dunnen Eigenkapitaldecke entgegenwirkt, sondern einen wesentlichen Eckpfeiler in der Finanzierung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen darstellt.

•

Ebenso ist in praxi die Anwendung von Instrumenten der Audenfinanzierung wie Leasing oder ABS als Finanzierungsalternativen in Relation zu den jeweils zugrunde liegenden Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften und den durch diese gewahrten bilanzpolitischen Gestaltungsspielraum zu sehen.

•

Im Ergebnis werden in diesem Unternehmenssegment Finanzierungsentscheidungen madgeblich aufgrund der im Einzeljahresabschluss geltenden Rechnungslegungsnormen getroffen.^°^^ Aus Mangel an Zugang zu bestlmmten Finanzierungsformen wie dem Kapitalmarkt kommt dem Einzeljahresabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen dabei eine bedeutende Finanzie-

Diese liegt bei deutschen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen bei ca. 18 % im Vergleich zu ca. 30 % in Schweden, Frankreich oder den Niederlanden und sogar nahezu 40 % in den USA oder Spanien. Im Durchschnitt macht das biianzielie Eigenkapital der Unternehmen mit bis zu 50 Mio. € Jahresumsatz sogar nur 7 % aus; vgl. hierzu Scherer (2003) S. 157; Ahrweiier/Borner (2003) S. 12. Vgl. Boehm-Bezing (2002) S. 161; Kuffner/Hock (1998) S. 60; o.V. (2004d) S. 269. Vgl. hierzu Coenenberg (2003) S. 1210, der einen klaren Zusammenhang zwischen anzuwendenden Bilanzierungs- und Bewertungsnormen sowie den realwirtschaftlichen Unternehmensentscheidungen sieht. Dieser Zusammenhang wurde im deutschsprachigen Raum bereits von Moxter (1962) S. 607-611 untersucht.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme rungsfunktion zu. Seine bilanzielle Grundlage entscheidet damit auch uberdas konkrete Ausmafi der Innen- sowie der Aufienfinanzierung. Daraus leitet sich fur nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen die Anforderung nach Rechnungslegungsnormen ab, die ihren Finanzierungsbedurfnissen und -modalitaten entsprechen.

Demnach ist zu uberprufen, ob die geplanten reformerischen Malinahmen des Gesetzgebers Oder die Obernahme internationaler Rechnungslegungsnormen in den deutschen Einzeljahresabschluss den Interessen nicht kapitaimarktorientierter Unternehmen entsprechen. Angesichts der Finanzierungswirkungen des Einzeljahresabschlusses in Deutschland fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen ist eine weitere Einengung der Finanzierungsmoglichkeiten durch reformierte oder neue Rechnungslegungsnormen zu hinterfragen.

5.2 Deutsches Handelsrecht de lege ferenda 5.2.1 Kompatibilitatsprufung der Anforderungen nicht kapitaimarktorientierter Unternehmen Trotz zahlrelcher Forderungen zur Obernahme der IFRS in den Jahresabschluss ist das deutsche Handelsrecht nach wie vor die gesetzliche Grundlage der Rechnungslegung im deutschen EinzeljahresabschlussJ^^^ Insofern sind die materiellen Vorschriften des deutschen Handelsrechts fur samtliche zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen in Deutschland von zentraler Bedeutung. Die hier durchgefuhrte Kompatibilitatsprufung soil demnach feststellen, inwiefern die de lege ferenda erwarteten handelsrechtlichen Vorschriften den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen (weiterhin) entsprechen. Ausgangspunkt dieser Prufung stellen die In Kapitel 5.1.4 zusammengefassten Anforderungen nicht kapitaimarktorientierter Unternehmen an ihren Einzeljahresabschluss dar. Die Prufung erfolgt dabei analog zur Herleitung in Kapitel 5.1, die sich zunachst an den Rechnungslegungs- und Finanzierungsfunktionen (Kapitel 5.2.1.1) eines Einzeljahresabschlusses orientiert. Daneben sollen die Anforderungen an die Unternehmenspublizltat (Kapitel 5.2.1.2) untersucht werden.

^°^^ Ausgenommen hiervon ist ein (zusatzlicher) informatorischer Einzeljahresabschluss nach IFRS gemali § 325a HGB.

5.2 Deutsches Handelsrecht de lege ferenda

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5.2.1.1 Rechnungslegungs- und Finanzierungsfunktionen Mit der aktuellen Reform zielt der Gesetzgeber im Rahmen der Annaherung an die intemationalen Rechnungslegungsvorschriften auf eine grodere Objektivierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Die geplante ..Entrumpeiung" des Handelsreciits anhand der Eliminierung von bilanziellen Wahlrechten ginge nicht nur mit einer Starkung der Informationsfunktion im HGB, sondern aucii des Grundsatzes der Kapitalerhaltung einiier: Denn „mlt der Ausschuttungsbemessungsfunktion sind vor allem die zahlreichen Wahlrechte unvereinbar [...]"''°^^. Gleiches gilt fur die Informationsfunktion: „Betont man [...] die Rechenschaftslegungsfunktion [...] der Rechnungslegung, so erscheinen Wahlrechte suspekt.''^^^"^ Gerade die zahlreichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte im deutschen Handelsrecht bilden jedoch den Grundstock der stillen Selbstfinanzierung bei vielen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen: Als zentrale Beispiele fur die zahlreichen handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte, die bei entsprechender Auslegung zu stillen Reserven (der Selbstfinanzierung) fuhren, gelten die unterschiedlichen Verfahren der Vorratsbewertung, die Abschreibung auf den niedrigeren Zukunftswert, das gemilderte Niederstwertprinzip im Finanzanlagevermogen, aktive Bilanzierungshilfen, die Goodwillbilanzierung sowie die Bildung von AufwandsruckstellungenJ^^^ Eben diese stehen im Zentrum der Reformbemuhungen des deutschen Gesetzgebers. Insofern ist zu befurchten, dass die bevorstehende handelsrechtliche Reform mit den Interessen und Bedurfnissen der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland kollidiert und diese Unternehmen ihrer Moglichkeiten zur stillen Selbstfinanzierung beraubt werden. Eine umfangrelche Streichung - insbesondere der Bewertungswahlrechte - „[...] wurde daher einen spurbaren Eingriff in die Bilanzierungspraxis dieser Unternehmen bedeuten. Genau das wollte der Gesetzgeber 1985 vermeiden."''^^^ Gleiches gilt, wenn ein weiterer Reformansatz darin bestehen sollte, die umgekehrte Mafigeblichkeit abzuschaffen. Letztere wird namlich damit rechtfertigt, dass sie den bilanzierenden Unternehmen Liquiditatspolster durch steuerliche Abschreibungsvergunstigungen und unversteuerte Rucklagen gewahrt, die durch ihre Anerkennung in der Handelsbilanz nicht fur andere Ausschuttungszwecke zur Verfugung stehen:

^°^^ Schulze-Osterloh (2004a) S. 2570. ^°^^ Hennrichs (1999)8.435. ^°^^ Zur Selbstfinanzierungsfunktion des HGB-Einzeljahresabschlusses vgl. Kapitel 5.1.2.1, S. 198. '°^^ Jessen/Weller (2005b) S. 533.

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Xlquiditatsvorteile, die der Staat den Unternehmen gewahrt, sollen nicht durch Ausschuttungen an die Gesellschafter weitergeleitet werden l<6nnen."''°^^ Dem befurchteten Verlust des Innenfinanzierungspotentials eines HGB-Einzeljahresabschlusses steht jedoch aufgrund einer verstarkten Objektivierung eine hohere Glaubwurdigkeit der Jahresabschlussinformationen gegenuber. Denn „[...] Bilanzpolitik gegenuber Eigentumern und Glaubigern verstolit [...] gegen die okonomischen und gesetzlichen Zwecke der Rechnungslegung"''^^^. Im Ergebnis bietet „[-..] eine weitgehende Streichung der Wahlrechte die Chance, dem deutschen Bilanzrecht international wieder zu meiir Anerkennung zu verhelfen."''°^^ Jedoch muss bezweifelt werden, dass die Starkung der Informationsfunktion in einem Unternehmenssegment, in dem die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen nur untergeordnete Bedeutung besitzt, von grofier praktischer Relevanz ist. Ein zunehmend objektivierter - und damit glaubwurdigerer - Einzeljahresabschluss nach HGB konnte allerdings im Rahmen der Auftenfinanzierung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen insofern an Bedeutung gewinnen, als die Ubermittlung glaubwurdiger Jahresabschlussinformationen auf Basis eines reformierten HGB-Einzeljahresabschlusses die Fremdkapitalbeschaffung erieichtern wurde. Unterstutzt wird dieser Effekt durch eine ceteris paribus potentiell hohere Eigenkapitalquote nach HGB, welche aus den - durch die Eliminierung von Wahlrechten - eingeschrankten Moglichkeiten zur Bildung stiller Reserven resultieren kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers soil de lege ferenda nicht nur am Kapitalschutzsystem sondern auch am Mafigeblichkeitsprinzip auf Grundlage des HGBEinzeljahresabschlusses festgehalten werden: „Die Ausschiittungs- und Steuerbemessungsfunktion werden nicht angetastet, Einzelabschluss und Steuerbilanz bewegen sich sogar wieder aufeinander zu."''°'^° Gelingt durch die Reform eine bestimmte Annaherung an die steuerliche Gewinnermittlung, konnte die Praxisrelevanz der Einheitsbilanz in Deutschland wieder zunehmen: „Die inzwischen nicht mehr realisierbare Einheitsbilanz konnte zum Segen der Praxis wieder belebt werden.''^^"^^ Von dieser Entwicklung werden in besonderem Made die nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland profitieren, deren Rechnungslegungspraxis traditlonell durch eine starke Ausrichtung auf die Steuerbilanz bzw.

^°^^ Schulze-Osterloh (2004b) S. 1135, der jedoch gleichzeitig bezweifelt, dass dieser Zusammenhang in praxi wirkiich besteht. ^^^ Leffson (1987) S. 83. Ahniich Schneider (1987) S. 231. '°'^ Hennrichs (1999) 3.436. ^°*° Freidank/Pottgiefier (2003) S. 893. '°^' Schulze-Osterloh (2004b) S. 1137.

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die Steuerbilanzergebnisse gepragt ist. „Die praktische Bedeutung des Steuerrechts fur das Handelsrecht kann kaum uberschatzt werden."^^^^ Die mogliche Wiederbelebung der Einheitsbllanz durfte insbesondere bel kleinen und mittleren nicht kapitalmarktorlentierten Unternehmen vor dem Hintergrund der faktischen Dominanz des Steuerrechts in deren Rechnungslegung auf positive Resonanz sto(ien.''°^^ Die Wirtschaftlichkeit ihrer Rechnungslegung wird durch die Vermeldung eines separaten Steuerrechts (zunachst) sichergestellt.

5.2.1.2 Offenlegung Die Internationalislerung des europaischen Bilanzrechts beschrankt sich nicht nur auf einschlagige Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, sondern fuhrt ebenso zu einer umfangreichen EnA/eiterung der Publizitatsanforderungen im deutschen Handelsrecht. Bereits die Neuerungen im Rahmen des BilReG haben zu einer Erhohung der Lageberichterstattungspflichten fur samtliche Kapitalgesellschaften in Europa gefuhrt. Der deutsche Gesetzgeber ist dabei sogar uber die Vorgaben der Modernisierungsrichtlinie hinausgegangen: Wahrend diese lediglich eine Beschreibung der „wesentlichen Risiken und Ungewissheiten" im Lagebericht fordert, sieht § 289 Abs. 1 S. 4 HOB eine Beurteilung der voraussichtlichen Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken vor.''°'*^ Fur grofle Kapitalgesellschaften i. S. des § 267 Abs. 3 HGB ist die Berichtspflicht in § 289 Abs. 3 HGB sogar urn wesentllche nicht finanzielle Leistungsindikatoren en/veitert worden. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollen die uber die Richtlinie hinausgehenden Angaben starker entscheldungsrelevante Informatlonen liefern, die vom Kapitalmarkt gefordert werden.^°^^ Die umfangreiche Ausweitung der Lageberichterstattungspflichten durfte jedoch mit dem Offenlegungsverhalten der Mehrzahl der nicht kapitalmarktorlentierten Unternehmen im Widerspruch stehen. Aufgrund mangelnder Publizltatstradition und befurchteten negativen Konkurrenzwirkungen ist deren Praxis der Offenle-

'°*^ Hennrichs (1999) 8.436. ^°^^ Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich dabei nur um einen vorubergehenden Effekt handelt; vgi. Kapitel 5.2.2.1, 8. 219. ^^^^ Zudem werden Angaben uber die zugrunde gelegten Annahmen gefordert; vgl. Pfitzer/Oser/Orth (2004) 8. 2596 sowie B6cl
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gung von grolier Zuruckhaltung gepragt.''^'^^ Nicht nur vor diesem Hintergrund erscheint fragwurdig, dass zur Rechtfertigung der Ausweitung der Lageberjchterstattungspflichten fur alle - auch nicht kapitalmarktorientierte - Kapitalgesellschaften Kapitalmarktbedurfnisse herangezogen werden. Insbesondere „[...] bei Unternehmen mit einem weniger auspragten Planungs-, Steuerungs- und Berichtswesen [werden] fur die entsprechenden EnA/eiterungen und Anpassungen der Systeme zus^tzliche Kosten anfallen."^^'*^ Diese ergeben sich in erster Linie aus der notwendigen Einfuhrung eines Risikomanagementsystems, in das nunmehr auch die Berichterstattung uber zukunftige ..Chancen" sowie die zugrunde liegenden Annahmen einfliefien werden. Kritiker sehen darin ~ insbesondere bei fehlenden Minderheitsgesellschaftern - uberzogene Forderungen des Gesetzgebers: „Es ist nicht anzunehmen, dass die Praxis - jedenfalls die der mitteigrofien Gesellschaften mit einem Alleingesellschafter oder wenigen Anteilseignern - die anspruchsvollen Vorgaben [...] umsetzen wird. Das in diesem Bereich ohnehin zu beobachtende Auseinanderfallen von Recht und Rechtswirklichkeit ist fur das Rechtsbewusstsein problematisch."''^^® Angesichts des Fehlens eines detaillierten Anforderungskatalogs im Gesetzestext „[...] wird den Bilanzierenden ein erheblicher Ermessensspielraum gewahrt [...]"''°^^. Gleichzeitig besteht hierdurch die Gefahr von stereotypen Standard-Lageberichten. Es ist davon auszugehen, dass derartige Ermessensspielraume in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in praxi auch wahrgenommen werden. Dementsprechend erscheint es zweckmafiig, Inhalt und Umfang von Lageberichten nach borsennotierten oder nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zu differenzieren.''°^° Ferner wurde im Rahmen der IVIodernisierungsrichtlinie der Trend zur Berucksichtigung nicht finanzieller Leistungsindikatoren aufgegriffen. Obgleich gemali § 289 Abs. 3 HGB expressis verbis Umwelt- und Arbeitnehmerbelange angesprochen werden, soil sich die Berichterstattung auch auf andere Bereiche erstrecken.^°^^ Im Kern ist eine Ausweitung der traditionellen Finanzberichterstattung um zukunftsorientierte, nicht-monetare und wert-/risikoorientierte Jahresabschlussinformationen vorgesehen. „Von herausragender Bedeutung in diesem Zusammenhang sind nicht bilanzierte Werte und Lasten. DIese wichtlgen nicht-finan-

^°^® Mandler spricht in diesem Zusammenhang von einer ..Pubiizitatsverweigerung"; vgl. Mandler (2004) S. 39. Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 5.1.3, S. 207. ^^^ Kaiser (2005) S. 353. ^°^® ABHR (2004) S. 547. ^°^^ Kirsch/Scheele (2004) S. 10. Ebenso Wolf (2005) S. 442, der darin „Rechtsunsicherheit" sieht, die wiederum zu Ermessensspieiraumen fuhrt. ^°^° Vgl. Greinert (2004) S. 60. '°^^ Vgl. Wendlandt/Knorr (2004) S. 47; Kirsch/Scheele (2004) 8 . 1 0 .

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ziellen Leistungsindikatoren sind Vermogenswerte und Lasten, die in den Bilanzen (nacii deutschem Recht) nur unzureichend abgebildet sind."^°^^ Aufgegriffen wird die Forderung nach Abbildung solcher auderbiianzieiier Saciiverhaite des Weiteren durch den jijngsten RIchtlinienvorschlag der europaischen Komnnission vom 28.10.2004, der die Angabe von Art und Geschaftszweck nicht biianzierter Geschafte sowie deren Auswirkungen auf das biianzierende Unternehmen vorsieht.''^^^ Im Zentrum der Betrachtung stehen nicht bilanzierte Zweckgesellschaften, die im Raiimen der jungsten Finanzmarktskandale zur absichtlichen Verschleierung der Ertragslage herangezogen wurden.^°^ Dementsprechend werden auch hier - von den Kapitalmarktinteressen ausgehend - die Publizitatsanforderungen von samtlichen Kapitaigeseiisciiaften - borsennotierten wie nicht kapitalmarktorientierten - in Europa verscharft. Gleiches gilt fur die geplante Offenlegung von Transaktionen mit nahe stehenden Personen wie Familienangehorigen. Vor dem Hintergrund der starken steuerlichen Ausrichtung der handelsrechtllchen Bilanzierungspraxis von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ist die steuerliche Sensibilitat derartiger Angaben kaum zu unterschatzen. „Bewusst verallgemeinernd lasst sich sagen, dass ,nahe Angehorige von Mehrheitsgesellschaftern' immer im Visier einer verdeckten Gewinnausschuttung stehen."^°^^ Soil die Offenlegung - entsprechend dem RIchtlinienvorschlag - zudem auf ..marktuntibliche" Transaktionen beschrankt werden, stellt dies „[...] geradezu eine Einladung an den Betriebspruferdar[...], sich dieses Umstandes besonders anzunehmen."''°^® Durch die Beschrankung auf bestimmte „unubliche" Transaktionen wird insofern keine Entlastung der bilanzierenden Unternehmen erreicht. Aufgrund der schwierigen (Uber-)Prufbarkeit der Angaben uber nahe stehende Personen (durch den Abschlussprufer) ist davon auszugehen, dass nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen vor dem Hintergrund der ungeheuren steuerlichen Dimension und Relevanz dieser Publizitatsforderung nicht nachkommen werden. Das IDW spricht von „[...] erhebliche[n] Zweifel[n], ob es sachgerecht ist, alle Kapitalgesellschaften, d. h. auch eine VIelzahl kleiner und mittelstandischer Unternehmen, einer Berichterstattungspflicht zu untenA/erfen, die sich grundsatzlich an dem Vorbild von IAS 24 und damit am Transparenzniveau kapitalmarktorientierter Unternehmen orientiert."''°^^ Insbesondere aufgrund der durch

^°^^ Wolf (2005) S. 439. ^°^^ Vgl. Europaische Union (2004c) sowie Kapitel 4.1.5, S. 130. ^°^ Vgl. Lanfermann (2004) S. 4. ^°^^ Niehus (2003b) S. 530. ^°^^ Niehus (2003b) S. 530. 1057 IDW (2005) S. 177.

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das Maligeblichkeitsprinzip entstehenden steuerlichen Relevanz der geforderten Anhangangaben wird deutlich, dass der IAS 24 nicht unmittelbar vom Konzernauf den Einzeljahresabschluss ausgedehnt werden kann.

5.2.1.3 Zwischenfazit Im Rahmen der anstehenden handelsrechtlichen Reform halt die Internationale Rechnungslegung nunmehr auch mittelbaren Einzug in den Einzeljahresabschluss der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland. Vor dem Hintergrund einer nur selektiven Adaption durch den Gesetzgeber sollen im Einzeljahresabschluss nach HGB auch de lege ferenda die Kapitalerhaltungs- und die Steuerbemessungsfunktion aufrechterhalten werden. Dieses Ergebnis entspricht den Bedurfnissen der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland, deren handelsrechtliche Bilanzierungspraxis vor dem Hintergrund der Madgeblichkelt in vielen Fallen auf steuerliche Ertragsoptimierung ausgerichtet wird. Gelingt dem Gesetzgeber wieder eine verstarkte Annaherung von Handels- und Steuerbilanz, ist sogar vom Erstarken der Einheitsbilanz auszugehen. Kritisch erscheint im Rahmen der anstehenden Reform die geplante Eliminierung der umfangreichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte im HGB. Diese stellen die Grundlage der stillen Selbstfinanzierung vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen dar. Ob die dadurch erhohte Glaubwurdigkeit der nach HGB publizierten Jahresabschlussinformationen im Gegenzug zu einer erieichterten Fremdkapitalaufnahme fuhren wird, muss bezweifelt werden. Aus Sicht der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen, deren finanzielle und personelle Ressourcen beschrankt sind, bleibt im Ergebnis festzuhalten: „0b die angestrebte HGB-Reform letztlich ,grofi' oder ,klein' wird, bleibt abzuwarten; fur die Praxis sollten die ,Umbruchstellen' aber nicht zu tief und dadurch bewaltigbar sein."^°^® Gleichzeitig ist mit einer deutlichen Erhohung der Publizitatsanforderungen zu rechnen. Durch die inhaltlichen EnA/eiterungen im Bereich der Lageberichterstattung verfolgt die Europaische Kommisslon eine eigene Linie, die in Teilen sogar uber die Anforderungen der IFRS hinausgeht. Betroffen sind samtliche Kapitalgesellschaften in Europa - unabhangig davon, ob diese borsennotiert oder nicht kapitalmarktorientiert sind. In Zusammenhang mit den jungsten Finanzmarktskandalen werden in Zukunft zahlreiche nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen im Bereich der Offenlegung mit den Bedurfnissen des Kapitalmarkts konfrontiert und wahrscheinlich auch uberfordert - werden. Die Anforderungen an nicht kapi-

^°^* Prinz(2003)S. 1364.

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talmarktorientierte Untemehmen werden durch die Vorschlage zur Offenlegung von nicht bilanzierten Geschaften und von Beziehungen zu nahe stehenden Personen weiterhin steigen. Im Ergebnis werden hierdurch kapitalmarktinduzierte Regelungen aus dem bisherigen Anwendungsbereich von Konzernabschlussen unmittelbar auf den Einzeljahresabschluss von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ausgeweitet. Diese Entwicklung steht nicht nur in einem diametralen Gegensatz zur mangelnden Offenlegungstraditlon der betroffenen Unternehmen, sondern wirft auch Fragen nach der Wirtschaftlichkeit von deren Rechnungslegung auf. Es muss in diesem Zusammenhang kritisch uberpruft werden, ob die Verhaltnismadigkeit der eingesetzten Mittel noch gewahrt ist. Vor dem Hintergrund der im deutschen Einzeljahresabschluss geltenden Mafigeblichkeit kann die steuerliche Brisanz solcher Informationen indes nicht hoch genug eingeschatzt werden. Insofern ist bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen von einer unzureichenden Praktikabilitat der geforderten Publizitatserhohungen durch die EUKommisslon auszugehen.

5.2.2 Praktikabilitatskriterien des Einzeljahresabschlusses nach HGB de lege ferenda 5.2.2.1 Profil des HGB-Einzeljahresabschlusses de lege ferenda Die Modifikationen der 4. EG-Richtlinie durch die Modernisierungs- und die FairValue-Richtlinie zwingen den deutschen Gesetzgeber nicht zur umfangreichen Anpassung des deutschen Einzeljahresabschlusses an die IFRS. Trotz zahlrelcher Forderungen zur Abschaffung des Madgeblichkeitsgrundsatzes und gleichzeitlger umfangreicher Ausrichtung auf Internationale Rechnungslegung wird dieser am tradierten bilanziellen Glaubigerschutzsystem sowie der Maftgeblichkeit der Handels- fur die Steuerbilanz festhalten. Auf Grundlage der derzeit geplanten Beibehaltung der Madgeblichkeit bei eventueller Annaherung an die steuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften konnte der Gesetzgeber mittelfristig dem Vorschlag des Arbeitskreises „Externe Unternehmensrechnung" (AKEU) folgen. Dieser fordert einen ..Einheitsabschluss fur unter anderem steuerliche Zwecke"''^^^: Zwar soil dabei auf den informationsorientierten Einzeljahresabschluss nach IFRS nicht verzichtet werden, um zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit und Parallelitat zum Konzernabschluss herzustellen. Kleine und mittlere Unternehmen waren jedoch zugunsten einer befreienden (HGB-)Einheitsbilanz fur Steuer- und Ausschuttungszwecke von der Rechnungs'°^® Vgl. AKEU (2003) S. 1585-1588.

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iegung nach IFRS entbunden. Den Vorteil dieses Modells sieht der AKEU in der Wahrung einer jahrzehntelangen Rechtstradition und in der Vermeidung einer Dreiteilung der Rechnungslegung."'^®^ Folgende Pramisse muss bei Existenz eines steuerlich gepragten Einheitsabschlusses jedoch erfullt sein: „Die Regein, denen dieser Einheitsabschluss zu folgen hat, sind aus Sicht des Arbeitskreises gemeinsam vonri Finanz-, Justiz- und Wirtschaftsministerium festzulegen, wobei entweder das HGB durch die Ubernahme von steuerlichen Regein oder vice versa das EStG durch die Berucksichtigung handelsrechtlicher Grundsatze zu andern ist [...]"''°^''. Insofem soil weiterhin der Grundsatz der IVlaflgeblichkeit sowie der umgekehrten Maflgebiichkeit verfolgt werden.''^®^ Ob die (handelsrechtliche) Adaption steuerlicher Vorschriften jedoch die geforderte Objektivierung in der Handelsbilanz fordert, muss anhand d e r - auf die umgekehrte Madgeblichkeit zuruckzufuhrenden de lege lata bestehenden Ergebnisverzerrungen In der Handelsbilanz stark bezweifelt werden. Die Existenz der umgekehrten Mafigeblichkeit dient damit weder der Informationsfunktion eines Jahresabschlusses noch den Kapitalerhaltungsund Steuerbemessungszwecken.''°^^ Gleichzeitig ist die Ruckkehr zu einer wieder starkeren Mallgeblichkeit aufgrund des Verhaltens des Steuergesetzgebers in der Vergangenheit kritisch zu beurteilen: Dieser hat selt einigen Jahren im Rahmen einseltiger Durchbrechungen der Madgeblichkeit „[...] entgegen der ursprunglichen Intention eine fortschreitende Abkopplung des Steuerrechts [...]"^°^ vorangetrieben.''^^^ Im Ergebnis hat sich das Steuerbilanzrecht zwar der internationalen Rechnungslegung materiell angenahert, jedoch nur „[...] in den Fallen, in denen dies temporarzu einem hoheren Steueraufkommen [...]"''°^^ gefuhrt hat. Dennoch fordert auch Kuting in seinen Saarbrucker Thesen eine „[...] engere Verzahnung von Handels- und Steuerbilanz"^^®^. Damit sollen nicht kapitaimarktorientlerte Unternehmen aus Wirtschaftlichkeitsgrunden von der Rechnungslegungspflicht nach IFRS ausgenommen werden. Ziel beider Vorschlage ist jedoch eine Ausrichtung der handelsrechtlichen GoB an den steuerrechtllchen Normen der Gewinnermittlung: „Angestrebt wird somit eine im MIttelstand durchgehend prakti-

^°®° Zur Gefahr der Dreiteilung der Rechnungslegung (Steuer-, Kapitalerhaltungs- und Informationsbllanz) bei Einfuhrung des IFRS-Einzeljahresabschlusses vgl. Kapitel 5.3.3.2, S. 301. '°®^ AKEU (2003)8.1588. ^°®^ Der AKEU spricht von einer „Zementierung der Maflgeblichkeit"; vgl. Pellens (2003) S. 5. ^°®^ Vgl. Schulze-Osterloh (2004b) 8. 1135 sowie ausfuhrlich Kapitel 4.1.4.1.3, 8.120. ^°®^ Herzig(2005)8.212. ^°^^ Zu den systematischen Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips vgl. Kapitel 4.2.2.3.2, 8.177. ^°^^ Hahn(2001)8. 1270. '°^^ Kuting (2004b) 8.1.

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zierte steuerlich gepragte Einheitsbilanz."^°^® Aus Praktikabilitatsgrunden soil insbesondere nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen die Ausrichtung an steuerlichen Zielsetzungen auch weiterhin ermoglicht werden. Die ganzliche Verlagerung der Zahlungsbemessungsfunktion in die Steuerbilanz konnte jedoch daran scheitern, „[•••] dass durch die Anbindung der Rechtsfolgen an das steuerrechtliche Ergebnis unweigerlich eine - ggf. nicht gewunschte - Publizitat des Steuerergebnisses oder gar des gesamten Steuerabschlusses erfolgt."''°^^ Zudem besteht nach Moxter „[...] zwischen Ausschuttung und Steuerbemessung keine Interessenhonnogenitat"''°^°. Die Beschrankung des deutschen Einzeljahresabschlusses auf die Ausschuttungs- und Steuerbennessungsfunktion mag zwar den Interessen vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen entsprechen. Jedoch bedeutet ein steuerlich dominierter Jahresabschluss die Negation eines weiteren Rechnungslegungszwecks: „Diese Amputation des Einzeljahresabschlusses um die Informationsfunktion erscheint bedenklich."''^^'' Dies gilt umso mehr, wenn dem Vorschlag des AKEU gefolgt werden soil, wonach Personengesellschaften sowie kleinen und mittleren Kapltalgesellschaften die ganzliche Befreiung von der Rechnungslegung nach IFRS zugebilligt werden sollJ^^^ Von diesen Unternehmen soil aus Vereinfachungsgrunden de lege ferenda lediglich ein stark steuerlich gepragter Einzeljahresabschluss veroffentlicht werden, wahrend ein spezifischer handelsrechtlicher Jahresabschluss entfallt.^°^^ Insbesondere bei den kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften erscheint es Moxter auflerst fragwurdig, weshalb man diesen „[...] eine die Informationsaufgabe behindernde Rechnungslegung gestatten"''°^'* will. Denn bei Kapltalgesellschaften ist anzuzweifein, ob diese Vorgehenswelse in Einklang mit der 4. EG-Richtlinie steht. Diese geht grundsatzlich von einer Informationsfunktion des Einzeljahresabschlusses aus, wie die Betonung des „Trueand-Fair-View" in Art. 2 Abs. 3 der Einzeljahresabschlussrichtllnie bestatigt.''^^^ „Der deutsche Gesetzgeber hat also moglichen^^eise gar nicht die Kompetenz,

^°^® Kuting (2004a) S. 686. Kuting beabsichtigt insofern, den Mittelstand vom Grundsatz her von der internationalen Rechnungslegung freizuhalten. ^°^^ Pellens/Gassen (2001) S. 140. ^°^° Moxter (2001)8.606. ^°^^ Herzig (2001)8.155. '^^^ Vgl. AKEU (2001) 8. 1587. ^°^^ Vgl. Kuting (2004b) 8 . 1 . ^°^^ Moxter (2001) 8. 607. 8einer Ansicht nach „[...] kann der Arbeitskreis seine Vorschlage [unmoglich] hinreichend durchdacht haben"; vgl. Moxter (2001) 8. 606. ^°^^ Vgl. Europaische Gemeinschaft (1978) Art. 2 Abs. 3. Zudem wurde in Entscheidungen des EuGH „[...] mit grofiem Nachdruck auf diese Generalklausel abgestelit"; vgl. Herzig (2001) 8. 155.

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dem Einzelabschluss von Kapitalgesellschaften die Informationsfunktion abzusprechen [...]"^°^^. Das Modell der befreienden Einheitsbilanz fur Ausschuttungsund Steuerzwecke st5flt - zumindest bei Kapitalgesellschaften - vor dem Hintergrund der immer starkeren informationsorientierten Ausrichtung des europaischen Bilanzrechts auf enge GrenzenJ^^^ Daher stellt sich die Frage, ob auf die Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss zugunsten einer weiterfuhrenden Reform der handelsrechtlichen Rechnungslegungsgrundsatze verzichtet werden kann. Eine Alternative stellt insofern eine materielle Annaherung an die internationalen Rechnungslegungsvorschriften unter Wahrung der tradierten Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung dar. Die weitere Anwendung des HGB eroffnet - im Unterschied zu den Vorschlagen des AKEU und den Saarbrucker Thesen - die Moglichkeit „[...] eine[r] Gleichbehandlung der Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften mit der aufierhalb des Normbereichs Europaischer Richtlinien und Verordnungen stehenden Rechnungslegung von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften [...]"''°^®. Gelingt dem deutschen Gesetzgeber die angekundigte umfangreiche Abschaffung bilanzieller Wahlrechte, so geht damit nicht nur eine verstarkte Objektivierung im handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss einher.''°^® Gleichfalls werden damit „[...] nahe liegende Einwendungen gegen ein bilanzrechtlich fundiertes Kapitalschutzprinzip entkrafte[t]."^°®° Um der Zielsetzung einer grofieren Objektivierung zu entsprechen, mussen zudem steuerliche Verzerrungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss eliminiert werden: „Ein unabdingbarer weiterer Reformansatz besteht darin, die umgekehrte Maflgeblichkeit zu beseitigen."^°®^ Dies starkt nicht nur die Glaubwurdigkeit der nach HGB ubermittelten Daten, sondern auch deren Akzeptanz in der Praxis. Zunachst durfte hierdurch auch der Madgeblichkeitsgrundsatz gefordert werden. Eine Annaherung an steuerliche Vorschriften, die de lege ferenda zu einer Starkung der materiellen Mafigeblichkeit zwischen Handels- und Steuerbilanz fuhren, ware jedenfalls nicht ausgeschlossen. „Es ist weiterhin zu konstatieren, dass eine Annaherung an die steuerliche Gewinnermittlung stattfindet, wodurch die Einheitsbilanzierung wieder neue Bedeutung gewinnen konn-

^°^^ Herzig (2001)8.155. ^°^^ Nach Herzig ist die Mafigebiiclikeit und kunftige Bedeutung der Kapitaierhaltung deutscher Pragung ..hochst ungewiss"; vgl. Herzig (2005) S. 213. ^°^® ABHR (2002) S. 2381. Aucli der Arbeitskreis Bilanzreclit der Hochschuilehrer Reciitswissenschaft (ABHR) spricht sich weiterhin fur die Bilanzierung nach HGB aus; vgl. ABHR (2002) S. 2380. ^°^® Der AKEU bezeichnet die Objektivierung im Rahmen der Reform von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden als „[...] madgebendes Kriterium"; vgl. AKEU (2003) S. 1588. ^°®° Schulze-Osterloh (2004b) S. 1137. '°®^ Schulze-Osterloh (2004b) S. 1137. Ebenso Kahle (2002d) 8.179.

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^Q «1082 QjQ bgrejts bestehende Eigenstandigkeit des deutschen Steuerrechts spricht jedoch dagegen. Vor dem Hintergrund weiterer Anpassungsnotwendigkeiten an die intemationale Rechnungslegung wjrd dieser Effekt ohnehin nur vorubergehend zu konstatieren sein.''^®^ Im Ergebnis durften die tradierten deutschen Rechnungslegungsprinzipien im Rahmen der geplanten Reform vorerst kaum angetastet, sondern eher gestarkt werden. Es zeigt sich, dass „[...] die erforderliche Modemisierung des Handelsbilanzrechts nicht in einer Ubernahme der lAS/IFRS bestehen kann, sondern in der Oberwindung seiner gegenwartigen Schwachen, und zwar auch derjenigen, die nur auf einer unrichtigen Anwendung des geltenden Rechts beruhen."''^^ Das reformierte Handelsrecht bleibt damit nicht nur bllanzlelle Grundlage samtlicher Einzeljahresabschlusse in Deutschland, sondern bildet de lege ferenda eine Systemalternative zum Konzept einer direkten Obernahme der IFRS in den handelsrechtllchen Jahresabschluss. Eine welterfuhrende Adaption einschlaglger IFRS-Vorschriften verbietet de lege lata der (noch) bestehende steuer- und gesellschaftsrechtliche Gesetzesrahmen. Die zukunftig immer starker in den Einzeljahresabschluss vordrlngenden IFRS stehen jedoch dem Zweckpluralismus des deutschen EInzeljahresabschlusses entgegen. Jm Ergebnis wird sich die Rechnungslegung vermutlich starker informationsorientlert ausrichten und die kunftlge Bedeutung der Kapitalerhaltung deutscher Pragung 1st hochst ungewiss."''^®^ DamIt verbunden ist die Frage nach der Zukunft des Mafigeblichkeitsprinzips. „Bei einer Neuausrichtung der handelsbllanzlellen Bilanzlerungs- und Bewertungsregein in Aniehnung an IAS stellt sich die Frage, ob das Madgeblichkeitsprinzip belzubehalten lst."''°®^ Das Ergebnis der jetzigen Reform stellt damit gleichzeitig den Ausgangspunkt von weiteren - in absehbarer Zeit folgenden - Reformen dar und kann insofern ledigllch einer Ubergangslosung entsprechen.

5.2.2.2 Implikationen des sekundaren Gemeinschaftsrechts „IFRS" Auf Grundlage der lAS-VO sind die IFRS im Rahmen ihrer Obernahme in europaisches Bilanzrecht unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht geworden: Obglelch die „endorsed" IFRS - im Unterschied zum deutschen Handelsgesetzbuch, das ^°*^ Freidank/Pottgielier (2003) S. 890. ^°^^ Vgl. hierzu weiterfuhrend Kapitel 5.3.3.1, S. 298. Schulze-Osterloh (2004a) S. 2569. Herzig (2005)8.213. Hahn (2001)8.1270.

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dem offentlichen Recht zuzuordnen ist - Fachnormen privaten Ursprungs sind, gelten sie kraft Verordnung unmittelbar, besitzen verpflichtenden Charakter und sind folglich als (sekundares) Gemeinschaftsrecht einzustufen J°®^ Ihre Auslegung und Interpretation in Zweifelsfragen wurde bis dato ausschliefilich durch den lASB bzw. das IFRIC wahrgenommen. Sofern dem EuGH nach Art. 220 EG die Auslegung des Rechts der Europaischen Gemeinschaften obllegt - und damit auch die des sekundaren Gemelnschaftsrechts - ist die Zustandigkeit in Bezug auf die Auslegung und Interpretation der IFRS Innerhalb der ED urn den EuGH und die nationalen Gerlchte angewachsen.''^®® In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Folgen die EnA^eiterung des europaischen Gemelnschaftsrechts durch die Obernahme der IFRS auf andere Rechtsgebiete - expressis verbis das Handels- und Steuerrecht - nach sich Ziehen wird. Ausgangspunkt stellt dabei das so genannte BIAO-UrteiP°^^ des Finanzgerichts (FG) Hamburg dar, in dessen Vorfeld der EuGH eine richtungsweisende Grundsatzentscheidung getroffen hat. Demnach erstreckt sich dessen Vorabentscheidungszustandigkeit „[...] auch auf Sachverhalte [...], die fur die steuerliche Gewinnermittlung relevant sind, sofern - wie in Deutschland fur Zwecke der Besteuerung uber das Maligeblichkeitsprinzip - mittelbar auf die Bllanzrichtlinie verwiesen wird."''°^° Dabei spielt es keine Rolle, ob die Steuerbilanz einer Gesellschaft betroffen ist, die vom Anwendungsbereich der Elnzeljahresabschlussrichtlinle erfasst wird Oder nicht.''^^'' Infolgedessen Ist davon auszugehen, dass der EuGH zukunftig seine Zustandigkeit in Fragen der steuerlichen Gewinnermittlung erklart, sofern das Ausgangsverfahren In Zusammenhang mit der 4. EG-Richtlinie

^°®^ Vgl. Art. 249 Abs. 2 des EG-Vertrags sowie Kuting/Ranker (2004) S. 2510; Sch5n (2004) 3. 764. ^°^® Die Auslegung europaischen Gemeinschaftsrechts basiert dabei grundsatzlich auf einer Arbeitsteilung zwischen nationalen Gerichten und dem EuGH. Nacli Art. 234 Abs. 1 EG rufen diese den EuGH im Rahmen von sog. Vorabentscheidungsgesuchen an, wobei der EuGH in letzter Instanz Ober die Gultigkeit und die Auslegung der ihn vertretenden (nationalen) Organe entscheidet; vgl. SchOn (2004) 8. 764; Scheffler (2004) S. 777; Broer (2001) S. 756 und Dauses(1995)S. 55, 59. ^°®^ Im Verfahren der Banque Internationale pour TAfrique Occidentale SA (BIAO) gegen das Finanzamt (FA) fur Grofiunternehmen Hamburg hat das Finanzgericht (FG) Hamburg vor dem Hintergrund einer gewerbesteuerlichen Rechtsstreitlgkeit im Rahmen des Vorabentscheldungsverfahrens zahlreiche Fragen an den EuGH adressiert; vgl. FG Hamburg, 28.11.2003 III 1/01 (Revision anhangig beim BFH unter I R 5/04) sowie Berndt (2004) 8. 1220; Vater (2005) 8. 67 f. ^°^° EuGH vom 7.1.2003 - Rs. C-306/99, BIAO, 8lg. 2003,1-1, Tz. 88-95 sowie Scheffler (2004) 8. 777; Kufimaul/Tcherveniachki (2005) 8. 617. ^°®^ Das FG Hamburg verwies in seinem Vorlagebeschluss darauf, dass die 4. EG-Richtlinie kraft Willens des deutschen Gesetzgebers auf alle Kaufleute und nicht allein auf Kapitalgesellschaften anzuwenden sei; vgl. Vater (2005) 8. 67.

5.2 Deutsches Handelsrecht de lege ferenda

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steht.''^^^ Daruber hinaus stellt das FG Hamburg in Aniehnung an den EuGH test, dass mangels Detailregelungen^°^^ die Auslegung und Interpretation der 4. EGRichtlinle unter Bezugnahme auf die (zum Zeitpunkt des fur die Beurteilung zutreffenden Sachverhalts geltenden) IFRS zu erfolgen hat.^^^"^ Vor dem Hintergrund des in Deutschland existierenden Maligeblichkeitsprinzips sind nach Ansicht des EuGH demnach nicht nur die handelsrechtlichen Vorschriften zur Beurteilung der steuerlichen Gewinnermittlung heranzuziehen, sondern aufgrund des mittelbaren VenA^eises auf die 4. EG-Richtlinie gleichermalien die IFRS. Im Ergebnis steht „[...] ein Einzug der IFRS durch die Hintertur des deutschen Bilanzsteuerrechts."^°^^ Setzt sich diese Auffassung durch, besitzen die privat entwickelten Fachnormen des lASB in Zukunft zumindest eine mittelbaren Einfluss auf die Vorgabe und Interpretation des steuerrechtlichen Gewinnbegriffs.''°^® Die Rechtsprechung des EuGH wird insofern die Diskussion um eine Abschaffung des Maflgeblichkeitsgrundsatzes in Deutschland neu beleben. Zunachst ist „dle Diskussion um die Gultigkeit der lAS/IFRS fur die steuerliche Gewinnermittlung [...] also durch das EuGH-Urteil vom 7.1.2003 dem Grunde nach entschieden: Die IAS/IFRS sind fur die Steuerbilanz maflgebend."''^®^ Der deutsche Gesetzgeber wird zukijnftig beachten mussen, dass der EuGH in steuerrechtlichen (Zweifels-) Fragen eine Vorabentscheidungszustandigkeit besitzt und seine Entscheidungen auf Grundlage der 4. EG-Richtlinie unter erganzender Zuhilfenahme der IFRS fallen wird. Dabei muss berucksichtigt werden, dass die jungsten Modifikationen der Einzeljahresabschlussrichtlinie vor dem Hintergrund einer umfangreichen Annaherung an die IFRS erfolgt sind. Insofern durfte die erganzende Zuhilfenahme der IFRS durch den EuGH in Zukunft verstarkt einer direkten Interpretation der internationalen Rechnungslegungsvorschriften weichen. Die Internationalisierung des europaischen Steuerrechts steht deshalb unmittelbar bevor. Will der deutsche Gesetzgeber diesem judikativen Eingriff in die steuerrechtliche Gesetzgebung vorbeugen, muss erdas Mafigeblichkeitsprinzip abschaffen.

^°^^ Vgl. Scheffler (2004) S. 777; Berndt (2004) S. 1220. Kritisch hierzu Schulze-Osterloh (2004a) S.2568. ^°®^ Zu den Mehrdeutigkeiten in der 4. EG-Richtlinie vgl. Ballwieser/Zimmermann (2004) 3. S77 f. ^°^^ Vgl. EuGH vom 7.1.2003 - Rs. C-306/99, BIAO, SIg. 2003, 1-1, Tz. 118 sowie Berndt (2004) S. 1220. ^°^^ Vater (2005) S. 69. ^°®® Vgl. KuHmaul/Tcherveniachki (2005) S. 617, die eine mittelbare Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie(n) fur die steuerliche Gewinnermittlung ablehnen. '°^^ Scheffler (2004) S. 778.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

5.2.2.3 Regelungsreichweite des privaten deutschen Standardsetzers Im Rahmen der EU-Doppelstrategie und der damit einhergehenden Intemationalisierung des europaischen Bilanzrechts dringen die IFRS mittlerweile tief in den Bereich der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden des deutsciien Einzeljahresabschlusses ein. Die Modernisierungs- und die Fair-Value-Richtlinie stellen in diesem Zusammenhang die bis dato grofiten - jedoch zukunftig nicht die letzten materiellen Anpassungen deutsciien Bilanzrechts an die intemationale Rechnungslegung dar. Aufgrund der permanent steigenden Relevanz der IFRS-Vorschriften fur den deutschen Einzeljahresabschluss stellt sich insofern die Frage, ob die Regelungsreichweite der Standardisierungstatigkeit des DRSC zu erweitern ist. Seit seiner strategischen Neuausrichtung im Jahr 2003 vertritt das DRSC in verstarktem Made die Belange deutscher Unternehmen in den einschlagigen europaischen und internationalen Standardisierungsgremien.''°^® „Der Einbezug von deutschem Sachverstand in Internationale Gremien durch den DSR erhalt zunehmendes Gewlcht, da die lAS/IFRS nun fur eine viel groflere Zahl von Unternehmen Anwendung finden und neben dem lASB vor allem auch noch EFRAG als einflussreiches Gremium tritt."''°®^ Angesichts der Tatsache, dass die zukunftig in Deutschland relevanten Rechnungslegungsvorschriften in zunehmenden Mafie durch die Internationale Rechnungslegung determiniert werden, kann die Bedeutung der Reprasentanz deutscher Interessen in diesen Gremien kaum unterschatzt werden. Nur dadurch konnen deutsche Besonderheiten auf europaischer bzw. internationaler Ebene beruckslchtigt werden. Durch die Zusammenarbeit mit dem lASB und EFRAG hat das DRSC im Ergebnis bereits heute mittelbaren Einfluss auf die Einzeljahresabschlusse in Deutschland, well die IFRS in ihrer Eigenschaft als sekundares Gemeinschaftsrecht zur Interpretation des Handelsrechts verstarkt heranzuziehen sind.^^°° Insofern hat eine Verlagerung seines Aufgabenprofils stattgefunden: Nicht mehr die Weiterentwicklung und Auslegung bestehender HGB-Grundsatze steht im Vordergrund, „[...] sondern eine sachgerechte und auf nationale Bedurfnisse zugeschnittene Anwendung, Auslegung und Uberwachung Internationaler Normen, sowohl im Konzern- als auch im Einzelabschluss."''^°^ Bocking/Herold/Wiederhold fordern aus diesem Grund: „Der Gesetz-

^°^® Zur Neuausrichtung des DRSC vgl. DRSC (2002a); DRSC (2003c); DRSC (2003a) sowie ausfuhrlich Kapitel 2.3.2, 8. 71. ^°^^ Bocking/Herold/Wiederhold (2003) 8.406. ^^°° Vgl. Booking (2004) 8. 126. Zur Eigenschaft der IFRS als sekundares Gemeinschaftsrecht vgl. Kapitel 5.2.2.2, 8. 223. ^^°^ Kuting/Durr/Zwirner (2003) 8. 138.

5.2 Deutsches Handelsrecht de lege ferenda

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geber sollte diese Aufgabe nun auch in § 342 HGB erganzen."^^°^ Auch die Satzung des DRSC spricht vollkommen „abschlussneutral" von der „[...] Ermittlung, Festsetzung und Auslegung der deutschen Standards der Rechnungslegung."^^°^ Das zukunftige Aufgabenprofil des DRSC in Bezug auf den Einzeljahresabschluss kann jedoch nicht die Dimension einer Beratungsaufgabe uberschreiten. Denn das DRSC besitzt nicht die Kompetenz zum Eriass von Rechtsverordnungen, solange die Normsetzungsbefugnis in Deutschland beim Gesetzgeber verbleibt. „Eine Delegation auf die Exekutive, wie sie in dem engen verfassungsrechtlichen Rahmen des Art. 80 Abs. 1 GO zulassig ist, findet [durch den § 342 HGB] nicht statt."''^°'^ Vor dem HIntergrund einer geplanten Ausweitung des Aufgabenprofils auf den Einzeljahresabschluss erscheint dies auch nicht sinnvoll: „Der DSR wurde demnach gleichermaflen fur den Konzernabschluss, den Einzelabschluss und - kraft des Maligeblichkeitsprinzips (sofern weiterhin gultig) - die Steuerbilanz Maflstabe setzen."''^°^ Das DRSC ist - und wird - demnach kein Standard-Setter nach angloamerikanischem Vorbild, der rechtlich verbindliche Fachnormen eriassen kann. Gleichzeitig muss angesichts des steigenden Einflusses des DRSC auf den Einzeljahresabschluss in Deutschland dessen personelle Zusammensetzung berucksichtigt werden. Um seiner ursprunglichen Aufgabe - der Entwicklung von Grundsatzen fur die Konzernrechnungslegung - nachzukommen, werden die Mitglieder des Standardisierungsgremiums in erster Linie von borsennotierten Konzerngesellschaften und grolien Prufungsunternehmen gestellt.''''^® Das DRSC spiegelt damit „[...] wohl nicht reprasentativ die Meinungsvielfalt der deutschen Wirtschaft wider und kann daher nicht autorlsiert sein, generell fur alle deutschen Unternehmen, respektive dem deutschen Mittelstand, die Grundsatze ordnungsgemafier Bilanzierung [...] vorzugeben."^^°^ Insofern muss uber eine Beschrankung der Interessenvertretung des DSRC auf die Einzel- und Konzernabschliisse von kapitalmarktorientierten Unternehmen nachgedacht werden. Alternativ konnte ein Gremium geschaffen werden, welches - unter dem Dach des DRSC - auf eu-

^^°^ Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 406. ^^°^ Satzung des DRSC § 9 Abs. 1 S. 1 (vom 21.3.2000). Erhaitlich unter <www.drsc.de>. ^^°^ Spanheimer (2000) S. 1004. ^^°^ Spanheimer (2000) S. 1001. Ebenso SchOn (1997) S. I. ^^°® Vgl. hierzu DRSC (2003c), woraus die Zusammensetzung des Vorstands ersichtlich wird. Vgl. zudem weiterfuhrend <www.standardsetter.de>. ^'°^ Hahn (2001) S. 1272.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

ropaischer und internationaler Ebene die Interessen der nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen vertritt.''''^® Im Ergebnis wird sich die aktive Beratungstatigkeit des DRSC zukunftig in verstarktem IVIade auf den Einzeljahresabschluss konzentrieren. Gleichzeitig wird vor dem Hintergrund immer starker verbreiteter IFRS-Konzernabschlusse - die Bedeutung seiner nationalen Standardisierungstatigkeit im Bereich des Konzernabsciiiusses (weiter) sinken. Der Tatigkeitsbereich des DRSC hat sich mit Festlegung der IFRS als EU-Referenzstandard verschoben: „Nie zuvor war die aktive IVIitarbeit und Vertretung in internationalen Gremien so wichtig wie heute."''''^® Zweifel an dessen Existenzberechtigung erubrigen sich insofern. Die Vertretung der Interessen und Belange der nicht kapitalnnarktorientierten Unternehnnen wird durch den DRSC jedoch nicht wahrgenomnnen, obgleich die IFRS auch fur diese Untemehmen in Zukunft - direkt oder indirekt - an Bedeutung gewinnen werden. Dieser Entwicklung muss der deutsche Gesetzgeber Rechnung tragen.

5.3 Systemalternative IFRS 5.3.1 Kompatibilitatsprufung der Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen Nach der Feststellung der (bedingten) Eignung der IFRS fur die Zwecke des Einzeljahresabschlusses soil im Folgenden eine Kompatibilitatsprufung der Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen mit den Funktionen eines Einzeljahresabschlusses nach IFRS durchgefuhrt werden. Damit wird (analog zu Kapitel 5.2.1 fur das HGB) uberpruft, ob eine Ubernahme internationaler Rechnungslegungsnormen in den deutschen Einzeljahresabschluss den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen entspricht und in der Folge die Anwendung der internationalen Normen fur dieses Unternehmenssegment zu empfehlen ist.^^^° Auch diese Prufung orientiert sich an dem in Kapitel 5.1 identifizierten Aufgabenspektrum des Einzeljahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen: Auf die Rechnungslegungsfunktionen (Kapitel 5.3.1.1) folgen die Finanzle-

^^°® Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Differenzierung der originaren IFRS und der damit einhergehenden Entwicklung eines eigenstandigen Regelsets fur nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen kOnnte sich auf internationaler Ebene derzeit Gleiches ereignen. ^^°^ Bocking/Herold/Wiederhold (2003) S. 407. ^^^° Dabei wird von einer direkten Anwendung bzw. Ubernahme der IFRS in den deutschen Einzeljahresabschluss ausgegangen. Die Vor- und Nachteile eines zusatzlichen informatorischen Einzeljahresabschlusses werden nicht betrachtet.

5.3 Systemaltemative IFRS

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rungsfunktionen eines Einzeljahresabschlusses (Kapitel 5.3.1.2) sowie der Aspekt der Offenlegung (Kapitel 5.3.1.3).''^^^ Die getroffenen Aussagen aus Sicht der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen konnen jedoch erst auf Grundlage einer Kosten-Nutzen-Relation (Kapitel 5.3.1.4) bewertet werden.

5.3.1.1 Rechnungslegungsfunktionen 5.3.1.1.1 Informationsfunktion Die Informationsfunktion eines Einzeljahresabschlusses spielt fur nicht kapitalmarktorlentierte Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle.^''''^ Der aus Unternehmenssicht relevante Adressatenkreis beschrankt sich dabel i. d. R. nur auf eine uberschaubare Anzahl von Gesellschaftern sowie ein oder mehrere kreditgebende Finanzinstitute. Letztere stehen aufgrund langwieriger und Intensiver Beziehungen zum Kredltnehmer oftnrials In derart engem Kontakt mit diesem, dass sie uber umfangreichere Informationen verfugen, als diese ein vergangenheitsorientierter Jahresabschluss zu vermlttein vermag. Daneben 1st die informatorische Qualitat eines Einzeljahresabschlusses stark anzuzweifein, der unter dem Einfluss des Maligeblichkeltsprinzips de lege lata gezielt auf seine steuerllchen Wirkungen hin erstellt wird und somit von bilanzpolitlschen Erwagungen dominiert wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein ausschliedlich auf die Informationsfunktion ausgerichtetes Normensystem mit seiner zentralen Forderung nach der „Fair Presentation" uberhaupt mit den Zielsetzungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen an ihren Einzeljahresabschluss zu vereinbaren ist. Die IFRS als kapitalmarktorientiertes Rechnungslegungssystem dienen der Dokumentation und Rechtfertigung gegenuber einer Vielzahl von anonymen Investoren des internationalen Kapitalmarktes, die ihre Entscheidungen auf Basis der vom bilanzierenden Unternehmen veroffentlichten Informationen treffen mussen. In logischer Konsequenz konzentriert sich ein nach diesen Normen aufgestellter Jahresabschluss in erster Linle auf die Vermittlung von entscheidungsrelevanten und zeitnahen Informationen, welche mit einer dynamischeren Bilanzauffassung einhergeht. Aufgrund der geforderten „Fair Presentation" stellt die Rechnungslegung nach IFRS folglich verstarkt auf Zukunftserfolgswerte ab. Deutlich wird dieses insbesondere in der Bewertung zum Fair Value, einer okonomisch richtigeren Be-

^^^^ Die Vorgehensweise der Kompatibilitatsprufung erfolgt insofern vollkommen analog zu derjenigen in Kapitel 5.2.1, S. 212. ^^^2 Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 5.1.1.1, S. 192.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

trachtung bei der Langfristfertigung^^^^ sowie einer vollstandigeren Erfassung der Risiken aus (Pensions-)RuckstellungenJ^^^ Derartige Zukunftserfolgswerte sollen dem Bilanzleser eine Einschatzung der Fahigkeit des bilanzierenden Unternehmens, Cash Flows zu generieren, ermoglichen.^^^^ Trotz der beschriebenen Ermessensspielraume im Rahmen der Bewertung gelten insbesondere Fair Values unter der Voraussetzung, dass sie marktbezogen ermittelt wurden - als objektive Zukunftserfolgswerte.^^^^ Solche aktuellen Zeitwerte verleihen einem Jahresabschluss zwar keine Prognosefunktion, zumal der GroUteil dessen Berichterstattung grundsatzlich auf vergangenheitsorientiertem Datenmaterial basiert. Dennoch findet unter IFRS eine aktuellere Darstellung der VermOgens- und Ertragslage des bilanzierenden Unternehmens statt. Folglich kann bel ihrer Anwendung eine Annaherung von internem und externem Berichtswesen erzielt werden, da Zeitwerte fur die interne Beurtellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens von Relevanz sind. Auch wenn vielen nicht kapltalnnarktorlentlerten Unternehmen ein Internes Berichtswesen fehit und die Steuerung auf Basis von handels- und steuerrechtlichen Daten erfolgt, vermag die Rechnungslegung nach IFRS aufgrund ihrer potenziell grolieren Marktbezogenheit und Aktualitat eine bessere Grundlage fur die interne Steuerung schaffenJ'"''^ Die Selbstinformation des (bilanzierenden) Kaufmanns kann damit auf Grundlage eines Jahresabschlusses nach IFRS deutlich steigen. Vor diesem HIntergrund kommt Booking zu dem Ergebnis: „Ein Elnzelabschluss nach lAS/IFRS kann somit gleichzeltig als Steuerungslnstrument fur den Kaufmann dienen und eine wertorientierte Unternehmensfuhmng unterstut-

Dieses muss jedoch vom bilanzierenden Unternehmen bzw. dessen Leitung gewollt sein. In einem Unternehmenssegment, In welchem die Informationsfunktion zur Rechenschaft und Unternehmenssteuerung nur eine untergeordnete Rolle

^^^^ IAS 11 schreibt grundsatzlich die verblndliche Anwendung einer Umsatzreallslerung nach dem Leistungsfortschritt vor; vgl. IAS 11.22. '''^ Vgl. Schulze-Osterloh (2004a) 8. 2569. ^^^^ Moxter spricht vom „Extrapolatlonsmythos" der Internationalen Rechnungslegung; vgl. Moxter (2000b) 8. 2147 sowie ausfuhrlich Kapltel 4.2.2.1.3, 8 . 1 5 1 . ^^^® Bei einem nach kaufmSnnischen GrundsStzen gefuhrten Unternehmen ist indes auch bei Rechnungslegung nach HGB anzunehmen, dass entsprechende Daten regelmSRig ermittelt werden. 8o mussen bei Kapltalgesellschaften im Rahmen der Uberschuldungsbllanz nach § 1 9 l n s O unter AuflQsung der stillen Reserven die Zeitwerte ermittelt werden; vgl. hierzu Schulze-Osterloh (2004a) 8. 2569. ^^^^ Coenenberg verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ohnehin viele nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen aufgrund Ihrer steuerlich geprSgten Buchhaltung fOr Zwecke der internen 8teuerung ein zweites Rechensystem fuhren, das den IFRS nahe kommen durfte; vgl. Coenenberg (2004) 8. 22. ^^^® Booking (2001) 8. 1437; ebenso Wagenhofer (2005) 8 . 1 2 f.

5.3 Systemalternative IFRS

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spielt, wird auch ein Jahresabschluss nach IFRS nicht zu einer nennenswerten Verbesserung der informatorischen Qualitat des Einzeljahresabschlusses fuhren. Hoffmann/Ludenbach verweisen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, „[...] dass nicht das System, sondern die Manager - im mittelstandischen Bereich auch noch die Eigentumer - diese Information liefem und das betreffende Rechnungslegungssystem, genauer dessen bilanzpolitische Spielraume, anwenden und ausnutzen."^''''^ Die Qualitat des Rechnungslegungssystems IFRS wird allerdings aufgrund mangelnder Berucksichtigung der zahlreichen verdeckten Ermessensspielraume Im Rahmen untemehmerischer Planungen und Prognosen im Allgemeinen uberschatzt.^^^° So treten belm Ubergang auf die Rechnungslegung nach IFRS anstelle der offenen Wahlrechte des HGB - zahlreiche verdeckte Ermessensspielraume, die gleichsam ein nicht zu unterschatzendes bilanzpolitisches Instrumentarium eroffnen. Dennoch wird ein IFRS-Jahresabschluss nicht weniger informatorische Qualitaten besitzen als sein Pendant nach HGB, der unter Einfluss des Kapitalerhaltungszwecks i. V. m. der Dominanz einer vorsichtigen Gewlnnermittlung sowie dem Madgeblichkeitsprinzip die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens oftmals nur verzerrt darzustellen vermag. Aus Sicht der betroffenen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen selbst durften die Ermessenssplelraume bzw. impliziten Wahlrechte In der Rechnungslegung nach IFRS jedoch einen willkommenen „Nahrboden" fur deren bilanzpolitischen Aktionsradius darstellen.

5.3.1.1.2 Kapitalerhaltung Nach IFRS spielt der Grundsatz der Vorsicht eine andere und im Vergleich zu den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften nur eine untergeordnete Rolle. Gerade aber das Vorsichtsprinzip wird in Deutschland in praxi vor allem von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zur Legung von stillen Reserven benutzt. Diese bilden die Grundlage der stillen Selbstfinanzierung, deren Umfang in direkter Abhanglgkeit von den im Einzeljahresabschluss anzuwendenden Bilanzlerungs- und Bewertungsvorschriften stehen. Daher sind beim Ubergang auf die Internationale Rechnungslegung insbesondere die Auswirkungen auf die Finanzierungsfunktionen zu erortern, um eine abschlie(iende Aussage daruber treffen zu konnen, ob das IFRS-Normengerust den Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen insgesamt entspricht. Dieses geschieht im folgenden Kapitel.

^^^^ Hoffmann/Ludenbach (2002) 8. 543. ^^^° Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 4.2.2.1, S. 140.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

5.3.1.2 Finanzierungsfunktionen 5.3.1.2.1 Innenfinanzierung Ein direkter Vergleich zwischen den Vorschriften der IFRS und des HGB in Bezug auf deren Finanzierungswirkungen im Rahmen der Innenfinanzierung kann nicht ohne weiteres vorgenommen werden: Dieser setzt voraus, dass an den zugrunde liegenden IFRS-Abschluss Ausschuttungsfolgen geknupft werden, weil die Selbstfinanzierung auf Grundlage der im Jahresabschluss ermittelten Gewinne bzw. stillen Reserven basiert.'"''^'' Werden die handelsreciitlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmafinaiimen auch steuerrechtlich akzeptiert, so wird im Rahmen der stillen Selbstfinanzierung bei Bildung stiller Reserven zusatzlich ein Steuerstundungseffekt erzieltJ^^^ Vor dem Hintergrund einer gewunschten Innenfinanzierung konnen die in einem rein informatorischen IFRS-Einzeljahresabschluss gesetzlich vorgeschriebenen oder bilanzpolitisch induzierten Bilanzierungs- und BewertungsmaHnahmen keine FInanzierungs-, sondern nureine Signalwirkung entfalten. Die im Folgenden ermittelten Ergebnisse besitzen deshalb nur Relevanz, wenn der zugrunde liegende Jahresabschluss derZahlungsbemessung dient.''^^^ Die Innenfinanzierung stellt mit Abstand die wichtigste Finanzierungsform vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen 6arV^^ Im Rahmen der offenen Innenfinanzierung stellt sich insofern die Frage, ob diese auf Basis eines Jahresabschlusses nach IFRS besser durchgefuhrt werden kann. Sie wird auf Grundlage von thesaurierten Bilanzgewinnen vorgenommen, die durch Rucklagenbildung zu einer Erhohung des bilanziellen Eigenkapitals fuhren. Die Umstellung auf IFRS fuhrt zwar i. d. R. zu eInem hoheren Eigenkapitalausweis^^^^, der jedoch in erster Linie auf den verstarkten Ansatz von tatsachlichen Zeitwerten zuruckzufuhren ist.''''^^ „Der grodte Teil des bei einer Umstellung auf die IFRS aufgedeckten Mehr-

^""^^ Wahrend die offene Selbstfinanzierung auf Grundlage von thesauriertem Bilanzgewinn erfolgt, erhoht die stille Selbstfinanzierung durch Bildung von stillen Reserven das Realkapital. ^^^^ In diesem Fall kann die stille Selbstfinanzierung ihre maximale Finanzierungswirkung erreichen, weil sie auf Grundlage von noch unversteuertem Gewinn erfolgt. Erst bei Aufl6sung der stillen Reserven fuhren diese zu Steuerzahlungen. ^^^^ Die beim Ubergang auf die IFRS veranderten Erfoigs- und Renditekennzahlen konnen dem bilanzierenden Unternehmen jedoch im Rahmen der Audenflnanzierung (s. Kapitel 5.3.1.2.2, S. 239) ggf. einen erieichterten Zugang zu Fremdkapital verschaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob an den zugrunde liegenden Jahresabschluss Ausschuttungsfolgen geknupft sind. ^^^^ Vgl. hierzu Kapitel 5.1.2.1, S. 198. ^^^^ Nach einer Studie des DRSC (2003) geht mit erstmaliger Anwendung der IFRS eine durchschnittliche Erhohung des bilanziellen Eigenkapitals im Jahr der Umstellung von ca. 34 % einher; vgl. Ducker (2003) S. 450. Einen Uberblick der Auswirkungen einzelner Bilanzpositionen auf die Veranderung des Eigenkapitals bei Umstellung gibt Schmid (2005) S. 83 f. ^^^ Vgl. Kuting/Durr/Zwirner (2002) S. 1, 9; BOcking/Herold/Muliig (2004) S. 669.

5.3 Systemalternative IFRS

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vermogens ist verkehrswertnah."''''^^ Ausgewiesene, aber unrealisierte Gewinne konnen allerdings keine Finanzierungswirkung entfalten. Ein wesentlicher Ertragssprung ist beim Obergang auf die IFRS indes nicht festzustellen, so dass diese auch im Vergleich zum HGB keinen wesentlich grolieren Spielraum bei der offenen Selbstfinanzierung ermoglichen.''''^® Die dominante Rolle im Rahmen der Innenfinanzierung spielt bei nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen indes die stille Selbstfinanzierung. Fraglich erscheint daher, ob das Weniger an expliziten Wahlrechten in der Rechnungslegung nach IFRS durch ein Mehr an Ernnessens- und Schatzungsspielraumen im Rahmen unternehmerischer Planungen und Prognosen kompensiert wird und damit die Bildung stiller (Ermessens-)Reserven''''^^ begunstig, um die stille Selbstfinanzierung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen auch unter IFRS zu gewahrleisten.''''^^ Aus diesem Grund sollen die in Kapitel 5.1.2.1 (Innenfinanzierung) auf Grundlage des HGB beschriebenen Madnahmen der stillen Selbstfinanzierung mit den korrespondierenden Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS verglichen werden. Die Reichweite der stillen Selbstfinanzierung erstreckt sich grundsatzlich auf die Unterbewertung von Aktiva oder die Uberbewertung von Passiva. Vergleich der Moglichkeiten Im Rahmen der Unterbewertung von Aktiva: •

Unterlassung von Aktivierungen: Dem Aktivierungswahlrecht fur derivative Geschafts- Oder Firmenwerte nach § 255 Abs. 4 HGB steht das Aktivlerungsgebot des IFRS 3 gegenuber. Folglich kann zwar der Ansatz eines Goodwills nach IFRS nicht unterlassen werden, im Rahmen des Impairment-Only-Ansatzes bestehen beim Werthaltigkeitstest nach IAS 36 jedoch zahlreiche Ermessensentscheidungen.'"''^^ Diese entstehen durch den Ruckgriff auf Bewertungsverfahren wie die Discounted-Cash-Flow-Methode'"''^^ im Rahmen der Ermittlung des erzielbaren Betrages nach IAS 36. Die damit verbundenen „[...]

"^' Jebens (2003) S. 2345. ^^^^ Vgl. Jebens (2003) S. 2348 f. In praxi wurde bei Umstellungen allenfalls eine kurzfristige Erhohung des Jahresuberschusses beobachtet, in Einzelfailen sogar eine Verminderung desselbigen; vgl. Kuting/Ranker/Wohlgemuth (2004) S. 100. Burger/Frohlich/Ulbrich (2004) S. 366 sprechen zwar von einem Ergebniszuwachs, betonen aber, dass dieser nur unternehmensindividuell festzustellen ist. ^^^^ Schatzungs- bzw. Ermessensrucklagen/Reserven liegen dann vor, wenn keine expliziten Ansatzverbote oder -wahlrechte existieren, sondern lediglich Ansatzkriterien genannt werden, die nicht hinreichend konkretisiert werden; vgl. Coenenberg (2003) S. 297 f.; Wulf (2001) 8. 1101. ^^^° Vgl. Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 858, die wie Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 59, ebenso nicht vermogen, diesen Effekt zu quantifizieren. ^'^' Vgl. hierzu Kapitel 4.2.2.1.3, S . I 5 1 . ^^^^ Alternativ gestattet IAS 36 auch andere Bewertungsverfahren wie Multlplikatorverfahren.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme Schatzungen und Annahmen sind kaum prufbar, sondern konnen in der Regel allenfalls plausibilisiert werden."^^^^ Umfang und Hohe der vorzunehmenden Abschreibungen nach IFRS unterliegen damit zu einem wesentlichen Teil dem Ermessensspielraum des bilanzierenden Unternehmens. Das Wahlrecht der Sofortabschreibung von geringwertigen beweglichen Wirtschaftsgutern im Jahr ihrer Anschaffung nach § 6 Abs. 2 EStG bzw. R 44 Abs. 2 EStR besteht nach IFRS aufgrund des Grundsatzes der Wesentlichkeit (F. 29, 44 i. V. m. IAS 1.29 f.) prinzipiell in gleichem Mafie. Nach IFRS existieren zwar keine konkreten quantitativen Grenzen, aus Kosten-Nutzen-Erwagungen und Vereinfachungsgrunden wird die entsprechende steuerliche Regelung in praxi jedoch haufig direkt ubernommen. Grundsatzlich konnen jedoch auch hohere Nichtaktivierungsgrenzen gewahit werden. Deren Festsetzung unterliegt der Ernnessensentscheidung des bilanzierenden Unternehmens.^^^^ Die Grolienordnung dieser Sofortabschreibungen wird gemessen zu den vergleichsweisen immensen Betragen bei aulierplannnafiigen Abschreibungen von Geschafts- oder Firmenwerten indes zu vernachlassigen sein. Daneben bestehen nach IFRS faktische Aktivierungswahlrechte fur Entwicklungskosten sowie fur aktive latente Steuern auf steuerliche Verlustvortrage.""^^^ In belden Fallen besitzt das bilanzierende Unternehmen weitgehende Ermessensspielraume, die - vor allem im Bereich der Entwicklungskosten - zu erheblichen abschlusspolitischen Mafinahmen eingesetzt werden konnen. Gerade das Aktivierungswahlrecht fur die in bestimmen Branchen sehr hohen Entwicklungskosten fuhrt nach Liidenbach/Hofmann dazu, „dass ein Vergleich der Jahresabschlusse insoweit praktisch nicht moglich ist."^^^^ Obwohl fur Entwicklungskosten nach IAS 38 grundsatzlich ein Ansatzgebot besteht, konnen diese bei Nichterfullung der strengen Ansatzkriterien - analog zum HGB in Ganze als Periodenaufwand verbucht werden.

•

Unterbewertung von Vermogensgegenstanden: Aufgrund ihrer zentralen Fokussierung auf Zukunftserfolgswerte gestatten die IFRS mittlerweile in vielen

Saelzle/Kronner (2004) S. S163. Vgl. Scheinpflug (2004) in Beck-IFRS-HB § 4, Tz. 214, 320; Heuser/Theile (2003) S. 105, Rn. 323. Vgl. Kapitel 4.2.2.1.2, S. 142. Zum Aktivierungswahlrecht fur Entwicklungskosten nach IAS 38.47 vgl. Heuser/Theile (2003) S. 96, Rn. 295; Keitz (1997) S. 190-193; Kuting/Dawo (2002) S. 1157-1163 sowie Wagenhofer (2001) S. 154. Zum Aktivierungswahlrecht fur aktive latente Steuern vgl. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 26, Tz. 55; Kirsch (2003b) 8. 243 sowie EngelCiric ( 2 0 0 2 ) 8 . 7 8 1 . Ludenbach/Hoffmann (2003) § 13, Tz. 45.

5.3 Systemalternative IFRS

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Bereichen eine alternative Bewertung zum Fair Valued^^"^ Im Unterscliied zu den handelsrechtlichen Bewertungsvorschrlften in Deutschland, die der Anschaffungskosten- bzw. Hersteliungskostenrestriktion unterliegen, konnen in einem Jahresabschluss nach IFRS die tatsachlichen (bzw. geschatzten) Marktwerte wiedergegeben werden. Derzeit verpflichten die IFRS jedoch in keinem Falle ausschliefilich zur Marktbewertung, sondern eriauben diese i. d. R. in Form eines Wahlrechts als alternatives Bewertungsverfahren.''''^® Die IFRS damit fordern zwar grundsatzlich die Darstellung aktueller Zeitwerte und wirken somit der potenziellen Unterbewertung von Vermogensgegenstanden entgegen - die Anwendung der alternativen Verfahren zur Fair-Value-Bewertung unterliegen jedoch ausschliefillch dem Entscheidungssplelraum des bllanzierenden Unternehmens. Letzteres besltzt zudem Ernnessensspielraume im Rahmen von Schatzungen bel der Marktwertbewertung, wenn ein Fair Value nicht im Sinne eines Marktpreises objektiv ermittelbar ist. Im Ergebnis kann es - analog zum HGB - auch zu Unterbewertungen von Vermogenswerten nach IFRS kommen, obgleich diese zunehmend die Marktwertbewertung favorisleren. Insbesondere bel langfrlstigen Vermogenswerten wie Grundstucken Oder Beteiligungen konnen dadurch analog zum HGB wesentliche stille Reserven gelegt werden. Im Rahmen der Vorratsbewertung konnen durch die Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren Wahlrechtsrucklagen entstehen. Die Moglichkeiten der Unterbewertung nach den Vorschriften der IFRS sind durch das Verbot der Lifo-Methode indes starker eingeschrankt als nach HGB.'"''^^ •

Unterlassung der Zuschreibung bei Wertsteigerungen: Grundsatzlich besteht nach IAS 36.114 und 36.117 ein Wertaufholungsgebot, sofern die Grunde einer vorgenommenen auflerplanmalilgen Abschreibung entfallen sind.'''"^° Das Wahlrecht zur Wertaufholung fur Nicht-Kapitalgesellschaften nach § 253 Abs. 4 HGB ist den IFRS insofern fremd. Die Legung von entsprechenden Ermessensreserven durch Unterbewertung von Vermogenswerten ist nach IFRS im

^^^^ Zu den Moglichkeiten der Fair-Value-Bewertung nach IFRS im Einzelnen sowie zu dem daraus resultierenden „Accounting-Mix" nach IFRS vgl. Kapitel 4.2.2.1.3, S. 151. ^^^® Ausgenommen hiervon ist der IAS 39, der in den Kategorien ..Trading" und ..erfoigswirksame Finanzinstrumente zu Verkehrswerten" zur erfolgswirksamen Marktwertbewertung verpflichtet. Die Kategorisierung selbst stellt jedoch eine Ermessensentscheidung des bilanzierenden Unternehmens dar. ^^^^ Insbesondere bei Prelssteigerungen fuhrt die Anwendung der Lifo-Methode zur Legung von Wahlrechtsrucklagen; vgl. Wulf (2001) S. 1101. ^^40 Wurde eine Neubewertung gem. IAS 16 bzw. IAS 38 durchgefuhrt. so darf die Zuschreibung nur i. H. des zuvor vorgenommenen erfolgswirksamen Wertminderungsverlustes erfolgen; vgl. Hayn/Waldersee (2004) S. 83, 95.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Vergleich zu den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften indes nur starker eingeschrankt, sofern es sich beim bilanzierenden Unternehmen urn NichtKapitalgesellschaften handeit. Lediglich fur einen abgeschriebenen Goodwill besteht nach IAS 36.124 - analog zu den neuen Regelungen des SFAS 142 ein Zuschreibungsverbot. Dies begunstigt die Bildung von Zwangsreserven. Vergleich der Moglichkeiten im Rahnnen der Oberbewertung von Passiva: •

Im Rahmen der stillen Selbstfinanzierung konzentriert sich eine gewollte Oberwertung von Passiva nach HGB in erster Linie auf Ruckstellungen. Die Ansatzmoglichkeiten von Ruckstellungen nach IFRS sind indes kleiner als nach HGB. Als Passivierungsvoraussetzung nach IAS 37.20 muss einerseits die der Ruckstellung zugrunde liegende Verpflichtung gegenuber einer (fremden) Drittpartei bestehen, d. h. eine Auflenverpflichtung hat vorzuliegen. Insofern kommt im Unterschied zum HGB ein Ansatz von Aufwandsruckstellungen nicht in Betracht.''^^^ Andererseits kennen die IFRS im Vergleich zum HGB keine Ansatzwahlrechte bei der Ruckstellungsbildung.^'''*^ Aufgrund der Unbestimmtheit des Wahrscheinlichkeitsbegriffs „more likely than not"^'"'^^ ist dem IAS 37 dennoch ein „verdecktes Ansatzwahlrecht"'"''^^ zu attestieren. Ludenbach/Hofmann sehen eine weitgehende materielle Ubereinstimmung der einschlagigen Vorschriften der beiden Rechnungslegungssysteme und kommen vor diesem Hintergrund zu folgendem Ergebnis: „Die Ermessensabhangigkeit des Bilanzansatzes und/oder der Bewertung lasst sich weder durch die handelsrechtliche

Kommentierung

einschliedlich

der

Myrladen

von BFH-

Entscheidungen, die das HGB auslegen, noch durch die im Obrigen weitaus unbestimmteren Regein der IAS entscheidend bekampfen."^^"*^ Im Ergebnis eroffnet gerade die Unbestimmtheit der Vorschriften des IAS 37 bilanzpolitische Spielraume. Neben der Unbestimmtheit des Wahrscheinlichkeitsbegriffs sind dabei insbesondere auf die hohen Anforderungen an die Quantifizierbarkeit beim Ansatz einer Ruckstellungsverpflichtung zu berucksichtigen. Wulf

1141

1142

Gleiches gilt bei Ruckstellungen fur unterlassene Instandhaltung und fur unterlassene Abraumbeseitigung; vgl. Heuser/Theile (2003) S. 282, Rn. 716; Hebestreit/DOrges (2004) in Beck-IFRS-HB § 5, Rn. 133; FOrschle/Holland/Kroner (2003) S. 193. Eine Ausnahme gilt fOr Restrukturierungsruckstellungen, fur die HGB und IFRS eine weitestgehend gleiche Bilanzierung vorschreiben; vgl. hierzu Ludenbach/Hoffmann (2003) § 2 1 , Tz. 100-109. Vgl. § 249 Abs. 1 u. 2 HGB sowie Hayn/Waldersee (2004) S. 177,179.

^'^^^ Vgl. IAS 37.15. Diese Definition entspricht i. W. dem vom BFH formulierten Grundsatz, es mussen „mehr Grunde fur als gegen das Be- Oder Entstehen einer Verbindlichkeit und eine kunftige Inanspruchnahme sprechen." Vgl. BFH vom 1.8.1984, I R 88/80 (v), BFHE 142, 229, BStBI. II 1985,8.44. 1144

Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 858.

^^^^ Ludenbach/Hoffmann (2003) § 2 1 , Tz. 201; ebenso Moxter (1999b) 8. 524 f.

5.3 Systemaltemative IFRS

237

sieht vor diesem Hintergrund die Gefahr eines verspateten Ansatzes von Ruckstellungen oder sogar die gSnzliche Unterlassung einer Ruckstellungsbildung: „Der Mangel an einer konkreten Vorstellung des Wahrscheinlichkeitswerts bletet einen nicht unerhebiichen Einsch^tzungssplelraum zur Bildung stiller Reserven bzw. Lasten, wenn eine tendenziell fruhere bzw. spatere Passivierung von Ruckstellungen erfolgt."^^"*^ Insgesamt vermogen die IFRS - aufgrund des Passlvierungsverbots von Innenverpflichtungen wie Aufwandsriickstellungen - zwar den Umfang von Ruckstellungen starker einzuschr^nken, jedoch verbleibt im Ergebnis auch nach den Vorschriften der IFRS ein „erhebllcher subjektiver Ermessenssplelraum, der allerdlngs nach IAS 37 enger gefasstistalsnachHGB"''^'^^ •

Pensionsruckstellungen kommt aufgrund ihrer Langfristigkeit im Rahmen der stillen Selbstfinanzierung grolie Bedeutung zu. WShrend im HGB i. d. R. nach dem Teilwertverfahren gemad § 6a EStG bllanziert wird, folgt IAS 19 im Rahmen eines leistungsorientierten Pensionsplans^^^® als Bewertungsverfahren dem sog. Anwartschaftsbarwertverfahren („projected unit credit method" bzw. PUCM). Im Unterschied zum Teilwertverfahren werden In der dynamischen Bewertung nach PUCM auch die kunftigen wahrscheinlichen und nicht nur die rechtsverbindlich zugesagten Erhohungen der Pensionsanspruche eingehen: „Je ,dynamischer' Pensionszusagen sind [...], umso deutlicher liegt die Pensionsruckstellung nach IAS uber der nach HGB." Im Vergleich zum HGB enthalt der IAS 19 indes kaum offene Wahlrechte, „allerdings bleten die zahlreichen Pramissen, die der PUCM zugrunde liegen, einen grolien Ermessenssplelraum, der von hoher praktischer Relevanz sein durfte."^^^^ Einer der wesentlichen Parameter 1st hierbei der Diskontierungszinssatz fur die Berechnung der Verpflichtungshohe, „womit ein nicht unerheblicher Einschatzungsspielraum verbunden ist."''^^° Eine Pensionsruckstellung nach IFRS wird zwar tendenziell

Wulf (2001) S. 1102. Sie verweist jedoch auch darauf, dass eine unterlassene Ruckstellungsbildung durch umfangreiche Anhangangaben kompensiert wird, sofern eine Eventualschuld voriiegt. ^^^^ Hebestreit/DOrges (2004) in Beck-IFRS-HB § 5. Rn. 157; ebenso Kahle (2003) S. 266, der im Rahmen der Bilanzierung von ROckstellungen insbesondere die ZuruckdrSngung des Vorsichtsprinzips nach IAS 37.23 beklagt. Moxter (1999b) S. 525 hierzu: „[...] von Rechtsklarhelt und Rechtssicherheit ist der IAS 37 meilenweit entfernt." ^^^® Alternativ kann ein beitragsorientierter Pensionsplan vorliegen. In diesem Fall wurde jedoch das Haftungsrisiko auf einen externen TrSger (Versicherungsgesellschaft) ubertragen, so dass die Zahlungen an diese lediglich laufender Betriebsaufwand darstellen. Dieser ist nach IAS 19.46 im Anhang anzugeben; vgl. Heuser/Theile (2003) S. 268-279; Seemann (2004) In BeckIFRS-HB § 20, Rn. 17-21. ^^^^ Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 856. ^^^° Wulf (2001) S. 1103. Sie fuhrt dies darauf zuruck, dass eine Senkung des Zinssatzes um einen Prozentpunkt eine Steigerung der Pensionsruckstellung von bis zu 15 % bewirken kann.

238

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme immer hoher anzusetzen sein als nach HGB. OrJentJert sich der zugrunde liegende Zinssatz jedoch am unteren Rand der als moglich erachteten und im Ermessensspielraum liegenden Bandbreite, wird damit die Bildung von Schatzungsrucklagen ermdglichtJ^^^

Die Ausfuhmngen verdeutlichen erneut, dass beim Obergang auf die IFRS dem bilanzlerenden Unternehmen zahlrelche Ermessensspielraume im Rahmen seiner unternehmerischen Planungen und Prognosen en^/achsen: Jnsofern treten verdeckte Wahlrechte an die Steile offener Wahlrechte."^^^^ Der Umfang der beschriebenen Ermessensspielraume zeigt, dass es in einem Jahresabschluss nach IFRS durchaus zu einer verstarkten Bildung von Schatzungs- bzw. Ermessensrucklagen kommen kann. DIese stellen die Basis der stillen Selbstfinanzierung in einem Jahresabschluss nach IFRS dar. Umfang und Ausmad stiller Reserven sind jedoch immer abhSngig von der Intensitat der Bllanzpolitik, der Erfolgskraft sowie dem Alter des Unternehmens.'"''^^ Vor diesem Hintergrund kann nicht abschlieflend beantwortet werden, ob die stille Selbstfinanzierung in einem Jahresabschluss nach IFRS in gleichem, starkerem oder schwacheren Made betrieben werden kann als nach deutschem Handelsrecht. Deutlich wird jedoch eines: Nach IFRS „[...] bestehen dennoch zahlrelche Moglichkeiten zur Legung stiller Reserven."^^^ Im Ergebnis werden die genannten impliziten Wahlrechte nach IFRS in praxi dazu anregen, stille Reserven zu legen Oder virtuelles VermGgen auszuweisen. „Die ehemals als .System der glasernen Taschen' angepriesene Internationale Rechnungslegung kann also grundsatzlich stille Reserven und Bilanzpolitik nicht ausschalten, bringt aber eine Entobjektivlerung der Bilanz mit sich."''''^^ Sofern die IFRS als Instrument der Zahlungsbemessung dienen und folglich Finanzierungswirkungen entfalten konnen, wird dem bilanzlerenden Unternehmen damit grundsatzlich die Moglichkeit zur stillen Selbstfinanzierung gegeben. Damit ist die Behauptung relativiert, das deutsche Handelsrecht begunstige im Vergleich zu den IFRS In besonderem Made die Bildung stiller Reserven aufgrund der verstarkten Betonung des Vorsichtsgedankens. Auch die IFRS stehen einer stillen Selbstfinanzierung nicht im Wege.

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass nach IAS 19.78 auf die VerhSiltnisse am Abschlussstichtag abzustellen ist und der Grundsatz der Stetigkeit insofern keine Anwendung findet. MOhlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004b) S. 858. Vgl. Lachnit (2000) S. 778. Wulf (2001)8.1106. Kuting/Reuter (2005) S. 713. Beide gehen indes davon aus, dass die MOgliclikeiten zur Bildung von stillen Reserven nach IFRS ungemein umfangreicher sind als nach HGB.

5.3 Systemaltemative IFRS

239

5.3.1.2.2 AuRenfinanzierung Die AuBenfinanzierung nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen wird von der Kredit- bzw. Fremdfinanzierung dominiert.''^^^ Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, ob der aus den IFRS resultierende hohere Eigenkapitalausweis, der in erster Linle auf eine verbesserte Darstellung von tatsachlichen Zeitwerten in der Bilanz zuruckzufuhren ist, zu einer erieicliterten Kreditaufnahme fiihrt.''^^^ Der nach IFRS hohere Eigenkapitalausweis wirkt sich dabei auf die kapitalbasierten Rentabilitaten aus, ohne dass damit die suggerierte positive Wirkung auf die Ertragskraft des bilanzierenden Unternehmens einhergeht."'"'^® Obgleich die Auswlrkungen einer Umstellung auf die IFRS grundsatzlich einzelfallorlentiert betrachtet werden mussen, findet dabei i. d. R. eine verbesserte Darstellung der Finanz- und Ertragslage statt - jedoch vollkommen ohne realwirtschaftliche Veranderung der Situation des bilanzierenden Unternehmens.^''^^ Ungewiss erscheint in diesenn Zusammenhang, inwiefern die bevorstehenden Regein iiber die Voraussetzung der Kreditgewahrung durch Kreditinstitute (Basel 11)''^®° deren Vergabeentscheidung beeinflussen werden.'*''^'' „Es ist davon auszugehen, dass aus Basel II ein verstarkter Druck hin zu einer IFRS-Rechnungslegung ausgeht und die IFRSAnwender die Kosten der Fremdkapitalbeschaffung senken konnen."''''^^ Neben der besseren Selbstinformation nehmen Bocking/Herold/Mufiig dabei insbesondere Bezug auf den hoheren Eigenkapitalausweis sowie die umfangreicheren Publizitatsvorschriften im Jahresabschluss nach IFRS, welche das Ratingergebnis im Sinne des kreditsuchenden Unternehmens beeinflussen und in der Folge eine Senkung der Kreditkosten bewirken werden. Diese Argumentation vernachlassigt jedoch, dass eine Eigenkapitalquote, die auf der Grundlage der starkeren Beruck-

^^^® Vgl. Kapitel 1.3, S. 10 sowie ausfuhrlich Kapitel 5.1.2.2, S. 204. ^^^^ Vgl. Bc)cking/Herold/Mu(iig (2004) S. 669; Kuting/Durr/Zwimer (2002) S. 1, 9. ^^^® Kirsch fordert in diesem Zusammenhang Korrekturen insbesondere der erfolgsneutralen Eigenkapitalveranderungen zur (Wieder-)Herstellung aussagekraftiger kapitalbasierter Rentabilitatskennzahlen; vgl. Kirsch (2004) S. 266. ^'^^ Vgl. Keitz/Stibi (2004) S. 426 f.; Schulze-Osterloh (2004a) S. 2569. ^^^ Der unter der Bezeichnung „Basel N" bekannt gewordene „New Basel Capital Accord" wurde als Konsultationspapier erstmals im Juni 1999 vorgestellt. Vgl. Baseler Ausschuss fur Bankenaufsicht (2003). Alle Konsultationspapiere werden unter <www.bis.org> verSffentlicht. ^^®^ Basel II verfolgt das Ziel, die beim Kreditinstitut obligatorische Eigenkapitalunterlegung an die Bonitat des jeweiligen Kreditnehmers zu koppein, um damit eine sachgerechte Rislkodifferenzierung zur erreichen. Voraussetzung hierfur ist ein Rating des kredltnehmenden Unternehmens, welches vom Kreditgeber selbst oder einer externen Ratingagentur durchgefiihrt werden kann. Damit finden zwingend Rechnungslegungsinformationen Eingang in die Kreditkosten. Vgl. Kuting/Ranker/Wohlgemuth (2004) S. 94-97; Volkenner/Walter (2004) S. 1399-1404 sowie Egbers (2003) S. 457-459. Zum externen Rating fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen vgl. Hartmann-Wendels et al. (2004) S. 145-150. ^^^^ Bocking/Herold/Mufiig (2004) S. 669; ebenso Keitz/Stibi (2004) S. 427; Ducker (2003) S. 450.

240

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

sichtigung positiver zukunftiger Erwartungen und der Zuruckdrangung von Risiken entstanden ist, grundsatzlich „nicht aussagekraftiger als das im HGB-Abschlu(l[!] dargestellte Eigenkapital"^^^^ sein kann. So durften „[...] angesichts der optinriistischen Konzeption der IFRS"^^^ bei Anwendung dieser Normen ohnehin zusStzliche Infornnationen gefordert werden: Bedeutend fur die Kreditvergabe werden hierbei Angaben uber den tatsachlich realisierten Gewinn sein sowie Informationen zu Risiken, deren Ansatz als Ruckstellung unterblieben ist. Daher kann „der Aussage, dass mit der Umstellung auf IFRS unmittelbar positive Auswirkungen auf das Ratingergebnis verbunden sind, [...] nicht gefolgt werden."^^^^ Grundsatzlich wird ein Rating sich nicht auf rein quantitative Informationen aus denn Jahresabschluss beschranken, sondern in wesentlichen Teilen auch qualitative Sachverhalte der betrieblichen Tatigkelt und des Unternehmensumfelds bewerten.'"''®^ Im Rahmen der Kreditwurdigkeitsprufung werden vorgelegte Jahresabschlusse zwar nicht bedeutungslos, sie stellen jedoch nur einen (von mehreren) Teilaspekten in der Entscheidungsfindung des Kreditgebers dar. Das blofle Vorlegen eines Jahresabschlusses wird auch nach IFRS - und insofern analog zum HGB - als einzige Grundlage einer Kreditentscheidung nicht ausreichen. „Nach Ansicht des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) bringt eine Bilanzierung nach IAS den mittelstandischen Unternehmen vor dem Hintergrund von Basel II keine Vorteile."^''®^ Zudem bestehen fur kleinere und mittlere nicht kapitalmarktorientierte Unternehnnen angesichts der geplanten Erieichterungen fur kleinere Kreditvolumen wenig Anreize, ihre Rechnungslegung aufgrund von Basel II unnzustellen. So beabsichtigt der Baseler Ausschuss, Unternehmenskredite von weniger als 1 Mio. Euro bei einem Unternehnnensumsatz von weniger als 50 Mio. Euro dem Retailgeschaft der Geschaftsbanken zuzuordnen. Aufgrund der besseren Risikostreuung ist deshalb eine Absenkung der Risikogewichtung von 100 % auf 75 % vorgesehen.''''®® Be-

^^^^ Schulze-Osterloh (2004a) S. 2569. ^^^ ABHR (2002) S. 2377. ^^®^ Kuting/Ranker/Wohlgemuth (2004) S. 100. Schildbach bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die Reclinungsiegung nach IFRS „[...] kein Indiz fur eine hohe BOnitat" sein muss; vgl. Schildbach (2004)8.1078. ^^®^ Vgl. Winkeljohann (2003) S. 390; Schulze-Osterloh (2003) 8.100. Der Arbeitskrels Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft verweist vor diesem Hintergrund auf die Existenzberechtigung eines HGB-Einzeljahresabschlusses; vgl. ABHR (2002) 8. 2377. ^^^^ Mandler (2003a) 8. 684 zitiert nach Borsenzeitung vom 17.12.2002, 8. 20. ^^®® Fur das Retailgeschaft bedeutet dies eine „[...] deutliche Entlastung auch im Vergleich zum Status quo": 8chmeisser/8chmeisser (2005) 8. 348. Zudem ist ein Abschlag zwischen 10 % und 20 % fur Unternehmenskredite kleiner und mittlerer Unternehmen uber 1 Mio. Euro vorgesehen, die nicht dem Retailgeschaft zugeordnet sind; vgl. Winkeljohann/Solfrian (2003) 8. 90; Egbers (2003) 8. 460. Nach SchStzungen der BaFin konnen damit mehr als 90 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Deutschland diese Erieichterungen beanspruchen; vgl. Paul/8tein (2003) 8. 422.

5.3 Systemalternative IFRS

241

sondere Bedeutung fur die tendenziell langfristig angelegte Finanzierung von nicht kapitalmarktorientierten Untemehmen kommt jedoch der Aufhebung der Laufzeitenzuschlage zu, die fur langfrlstige Kreditvereinbarungen eine hohere Eigenkapitalunterlegung vorgesehen habenJ^^^ Im Ergebnis wird die Anwendung der IFRS fur nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen per se nicht zu einer Verbesserung ihrer Kreditkonditionen fuhren: „Von einer allein ratinginduzierten Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS ist somit abzuraten."^^^° Fur nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen stellt sich davon unabhangig die Frage, inwiefern ein Obergang auf die Rechnungslegung nach IFRS vor dem Hintergrund der Ausweisvorschriften des IAS 32 uberhaupt moglich ist.''^^^ So darf nach IAS 32.16 (rev. 2003) i. V. m. IAS 32.19 kein Eigenkapital ausgewiesen werden, sofern eine Ruckforderungsmoglichkelt seitens des Kapitalgebers besteht.''^^^ Folglich mussten grofie Bestandteile des bis dato nach HGB ausgewiesenen Eigenkapitals von Personenhandelsgesellschaften, Genossenschaften und Einzeluntemehmen in einem IFRS-Jahresabschluss als Fremdkapital deklariert werden.''"'^^ Die Folgen fur die kapitalbasierten Rentabilitatskennzahlen waren immens und kaum abzuschatzen. Die Anwendung des IAS 32 auf die genannten deutschen Rechtsformen ist jedoch anzuzweifein; sollte IAS 32 dennoch im ursprunglichen Sinne anzuwenden sein, waren die einschlagigen Ratingverfahren entsprechend anzupassen.''''^^

^^®® Die Hohe der Laufzeitenzuschiage soil kunftig von nationalen AufsichtsbehSrden festgelegt werden; vgl. Winkeljohann (2003) S. 386. Die Befurchtungen einer generellen Kreditverteuerung insbesondere fur nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen erscheinen vor dem Hintergrund der angekundigten Erieichterungen fOr kleine und mittlere Untemehmen indes weitgehend unbegrundet; vgl. Paul/Stein (2003) S. 422. ^^^° Kuting/Ranker/Wohlgemuth (2004) S. 104; sie verweisen zudem darauf, dass Basel II selbst kein Rechnungslegungssystem pr^feriert. ^^^^ Die Folgen der Neuregelung des IAS 32 (rev. 2003) werden ausfuhrlich in Kapitel 5.3.3.5, S. 309 dargestellt. ^^^^ Demnach liegt Eigenkapital nur insoweit vor, als ein Untemehmen keine bedingte Oder unbedingte vertragliche Verpflichtung zur Lleferung von Geld Oder anderen Vermogenswerten hat; vgl. IDW (2004) S. 86 f. Das IDW schlagt dem lASB in diesem Zusammenhang eine modifizierte Definition des Eigenkapitals vor. ^^^^ Diese Befurchtung grundet sich darauf, dass bei den genannten Unternehmensformen den Mitgliedem bzw. Gesellschaftem einerseits ein Kundigungsrecht zusteht und andererseits die Ausubung dieses Rechts einen Abfindungsanspruch begrundet; vgl. LCidenbach/Hoffmann (2004c) S. 1042 f. ^^''^ Vgl. Bocking/Herold/Mufiig (2004) Ludenbach/Hoffmann (2004c) 8.1047.

8.

669

sowie

die

Gegenargumente

von

242

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

5.3.1.3 Offenlegung Die IFRS stellen als kapitalmarktorientierte Rechnungslegungsnormen umfangreiche PublizitStspflichten an das bilanzierende Unternehmen.''''^^ Bei borsennotierten Unternehmen leitet sich die Notwendigkeit einer umfassenden Publizitatspflicht aus dem mangelnden Zugang der anonymen Gesellschafter (Aktionare) zu anderen Informationsquellen als dem extemen Rechnungswesen abJ''^® Grundsatzlich zlelt ein Jahresabschluss einer borsennotierten Gesellschaft zwar auf die gleichen Adressaten wie derjenige eines nicht kapitaimarktorientierten Unternehmens; deren Stakeholder haben indes andere Infornnationsbedurfnisse als die

des

anonymen

Kapitalmarkts.^'"'^^ Angesichts

der fehlenden

Agency-

Problematik im nicht kapitaimarktorientierten Unternehmen stellt sich die Frage, ob ein fur den anonymen Kapitalmarkt entwickeltes Rechnungslegungssystem mit umfangreichen Publizitatspfllchten die Anforderungen dieses Unternehmenssegments nicht weit uberschreitet. In erster Linie werden die auderst umfangreichen Anhangangaben eines IFRSJahresabschlusses, welche die Anforderungen des deutschen Handelsrechts deutlich ubersteigen, von nicht kapitaimarktorientierten Unternehmen als zu hohe Belastung empfunden.^^^® Die Veroffentlichung qualitativ hochwertiger Informationen setzt eine aufwendige Datensammlung, -erfassung und -aufbereitung auf betrieblicher Ebene voraus, welche die personellen und finanziellen Ressourcen eines nicht kapitaimarktorientierten Unternehmens uberfordern kann. Dem internen Berichtswesen - sofern vorhanden - kommt hierbei wesentliche Bedeutung zu. Die Beschaffung der fur den Jahresabschluss relevanten Daten geht jedoch uber die Funktion des Rechnungswesens hinaus, zumal diese nicht erst bei der (physischen) Abschlusserstellung zur Verfugung stehen durfen, sondern bereits bei Eintritt des Sachverhalts erfasst werden mussen.''^^® Neben der Buchhaltung mussen hierfur auch andere Abteilungen sensibilisiert werden. So braucht ein Unternehmen bei Anwendung des IAS 11 beispielsweise ein funktionierendes Projektcontrolling, um den wirklichen Leistungsfortschritt festhalten zu konnen. Daneben kommt es nach IFRS zur Abbildung von Sachverhalten, die zuvor unter HGB nicht

Einen Oberblick zur Ausgestaltung des daraus notwendigen Informationsmanagements, das die erforderlichen Angaben kreiert, gibt Kirsch (2005) S. 1155-1160. Vgl.Ducker ( 2 0 0 3 ) 8 . 4 5 1 . Hier dient der Jahresabschluss nicht als primares Informationsinstrument. Vgl. MohlmannMahlau/Gerken/Grotheer (2004a) 8. 923; Huttche (2002) 8. 1804; Lohr (2003) 8. 650 sowie ausfuhrlich Kapitel 5.1.1.1, 8.192. Coenenberg (2004) 8. 22 spricht von ..zentnerschweren Abschlussen", die nicht kapitaimarktorientierten Unternehmen zugemutet werden. Vgl. ferner Mandler (2003a) 8. 680. Vgl. Winkeljohann/UII (2004) 8. 431; Ducker (2003) 8. 452.

5.3 Systemaltemative IFRS

243

erfasst wurden. Deutlich wird dies am Beispiel von Dauerschuldverhaltnissen: Im Bereich Leasing wird es unter IFRS zu einer verstarkten Bilanzierung beim Leasingnehmer kommen, da diesem aus wirtschaftlicher Sicht die Mehrheit der Gefahren und Chancen am Leasingobjekt zugefallen sind. „Die Rechnungslegung ist bei der Umstellung auf IFRS somit auch auf solche Sachverhalte zu durchforsten, die bisher keine Abbildung in der Bilanz gefunden haben."''''®° Fur das bilanzierende Unternehmen bedeutet dies ein deutliches Mehr an zeitlichem, personellem und letztendlich finanziellem Aufwand. Die unter IFRS erhohte Publizitat ftihrt indes zu einer begrufienswerten Transparenzsteigerung gegenuber den Stakeholdern eines Unternehmens. „Gleichsam konnte sich eine zu weitgehende Transparenz fur diese Unternehmen auch als schadlich erweisen"''''®\ Die realistischere und umfangreichere Darstellung der wirtschaftlichen Situation des bilanzierenden Unternehmens konnte bspw. zu Forderungen bei Arbeitnehmern oder Lieferanten fuhren. Problematisch erscheint dies insbesondere, wenn das betroffene Unternehmen abhangig von einem grofien Oder einigen wenigen Zulieferern bzw. Kunden ist. Zudem kann die erhohte Publizitatspflicht auch einen aus Unternehmenssicht negativen Einfluss auf steuerliche Zusammenhange ausuben: „So besteht die .Gefahr', dass die AuRenprufung bei der steuerrechtlichen Wurdlgung bestimmter Sachverhalte auf die IFRS-lnformationen zuruckgreift, etwa hinsichtlich bestimmter Wertberichtigungen oder auch Daten der Segmentberichterstattung."'"''®^ Gefahrlicher erscheinen vielen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen die unvorhersehbaren Wirkungen auf ihre Wettbewerbssituation. Gerade bei denjenigen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen, die sich gegen wenige, aber starke Wettbewerber behaupten mussen Oder deren Unternehmenskonzept auf einem bzw. wenigen homogenen Produkten bzw. Kunden basiert, konnte eine Offenlegung wesentlicher Unternehmensdaten im Bereich der qualitativen Anhangangaben schaden. Ferner mussen bei sachgerechter Anwendung der IFRS nach IAS 1.14 samtliche Standards angewendet werden. Der Umfang eines Jahresabschlusses nach IFRS ist indes deutlich grofier als der eines HGB-Einzeljahresabschlusses. Da die IFRS im Unterschied zum HGB keine groHenabhangigen Erieichterungen gewahren, mussten nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen folglich zusatzliche Rechenwerke wie eine Cash-Flow-Rechnung oder eine Eigenkapitalveranderungsrech-

^^^° Ducker (2003) S. 452. Haller (2003)8.415. ^^^^ Keitz/Stibi (2004) S. 427. ^ Vgl. ferner Haaker/Paarz (2004) S. 686-691, die gar eine Ubernahme von IFRS-Vorschriften in die Steuerbilanzfurchten.

244

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

nung aufstellen.''^®^ Diese Jahresabschlussbestandteile ..burden dem Mittelstand Lasten auf, die nach dem Geist des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes den Global Players nichtzumutbar erscheinen."''^^

5.3.1.4 Kosten-Nutzen-Relation Die Kosten der Umstellung treffen nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen in besonderem Malie. Gerade fur die kleineren und mittleren Unternehmen werden die Umstellungskosten aufgrund deren i. d. R. schmaler Personaldecke sowie flnanzieller Restriktionen bei der Beauftragung von externem Wissen im Vergleich zum Periodenaufwand von grofieren Unternehmen relativ hoher ausfallen.'"''®^ Schlldbach bezeichnet die Umstellungskosten fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen deshalb als ..prohlbitiv hoch"^''®^. Wahrend bei borsennotierten Konzernen die Umstellungskosten durch Synergieeffekte und Kostenersparnisse aufgrund einer konzernwelten einheitlichen Rechnungslegung relativlert werden, „wird man bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in der Regel davon ausgehen mussen, dass in der Summe die Kosten der Rechnungslegung gegenuber dem Status Quo ansteigen werden."''''®^ Dabei ergibt sich jedoch eine betrachtllche Lucke zwischen den von Unternehmensselte enA/arteten und den tatsachlichen Aufwendungen fur die Umstellung. Letztere werden in praxi oftmals um ein Vielfaches uberschatzt.''''®® Die exakten Kosten einer Umstellung sind im Allgemeinen schwierig zu quantiflzieren, stehen aber in direktem Zusammenhang mit dem erforderlichen Zeitaufwand.''''®® Die Kostentreiber einer Umstellung sind vor allem der Einkauf von externem Know-how, Schulungen fur Mitarbeiter sowie die Anpassung

^^^^ Vgl. Mandler (2003a) S. 680. ^^^^ Schildbach (2002b) S. 272. ^^^^ Vgl. Mandler (2003a) S. 685. Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004a) S. 923 monieren zudem, dass fur die betroffenen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zunachst kein Zusatznutzen erkennbar ist. ^^^^ Schildbach (2002b) S. 270; vgl. ferner Peemdller/Spanier/Weller (2002) S. 1799-1801. ^^®^ Kahle (2003) S. 273; ebenso Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004a) S. 923, die feststellen, dass bei der Umstellung auf die IFRS fur die betroffenen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zunSchst kein Zusatznutzen erkennbar ist. ^^®® Vgl. Haller (2003) 8. 424, der von einem ..Missverstandnis" spricht. ^^^^ Wahrend die Mehrzahl der betroffenen Unternehmen von Kosten unter 150.000 € ausgeht, liegen diese in der Realitat zwischen 100.000 € und 1 Mio. €; vgl. Mandler (2003a) S. 685 (basierend auf einer Pressemitteilung von Ernst & Young vom 21.1.2003). Die Wirtschaftsprufungsgesellschaft RodI & Partner geht bei mittelstandischen Unternehmen von ca. 300.000 € aus; vgl. Luckmann (2005) S. 20. Einer KPMG-Umfrage unter den deutschen CDAXUnternehmen aus dem September 2004 zufolge haben 90 % der betroffenen Unternehmen weniger als 500.000 € aufwenden mussen; Hannich (2004) S. 801 f.

5.3 Systemaltemative IFRS

245

von betrieblicher Software.''^^° Daneben treffen die Folgekosten einer Umstellung die kleineren und mittleren Untemehmen in besonderem Malie: Wahrend sich die IFRS inn Vergieich zum HGB deutlich komplexer und umfangreicher in iiirer Anwendung darsteilen, feiilen diesem Unterneiinnenssegment in vielen Fallen zugleich die Ressourcen fur eine standige Beobachtung der rasanten Fortentwicklung der IFRSJ''^'' Oftmals unterhalten die kleinen Unternehmen kein eigenes Rechnungswesen und uberlassen die Erstellung ihrer handelsrechtllchen und steuerlichen Rechenwerke externen BeraternJ''^^ Diese verfugen im Bereich der internationalen Rechnungslegung „zwar uber Grundwissen, nur ausnahmsweise aber uber Expertenwissen."''''^^ Vor diesem Hintergrund scheint es offensichtlich, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in besonderem Made von der Rechnungslegung nach IFRS uberfordert werden.''^^ Daher kommt Kahle zu folgendem Ergebnis: „Fur Unternehmen, die Internationale Finanzmarkte nicht in Anspruch nehmen wollen, ist eine Rechnungslegung nach HGB einfacher und kostengijnstiger."^^®^ Jedoch mussen die Vorteile der neuen Rechnungslegung ihrem „Preis" gegenubergestellt werden. Jedes bilanzierende Unternehmen muss indivlduell abwagen, mit welchen Vorteilen die Rechnungslegung nach internationalen Normen verbunden ist und ob die erwarteten Kosten eine Umstellung rechtfertigen.'"''^^ Vorteile - und damit die Moglichkeit zur schnellen Amortisation der anfallenden Kosten - werden derzeit in erster Linie diejenigen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen realisieren, welche die IFRS als Schnittstelle zu auslandischen (Konzern-)Unternehmen, Kunden oder Lieferanten einsetzen konnen. Die Erwartungshaltung ihrer Stakeholder ubt dabei einen nicht zu unterschatzenden Einfluss aus.""^®^ Die europaweite und Internationale Vergleichbarkeit von Jahresabschlussen ist fur diese Unternehmen von besonderer Relevanz. Nach Studien von Ernst & Young sowie KPMG sind bereits 31 % aller nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen entweder durch Betriebsstatten oder Tochterunternehmen im

^^^° Vgl. Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004a) S. 923 f.; Hannich (2004) S. 801. ^^^^ Vgl. Wulf/Klein/Azaiz (2005a) S. 261; Keitz/Stibi (2004) S. 427. ^^^^ So obliegt dem Steuerberater in praxi oftmals nicht nur die Erstellung der Steuerbilanz, sondern auch die Verantwortung fCir die Handelsbilanz und weiterfuhrende betriebswirtschaftliche Beratungen und Auswertungen; vgl. o.V. (2004e) S. I. ^^^^ Schildbach (2002b) S. 270. So schStzen von den bereits nach IFRS bilanzierenden Unternehmen lediglich 39 % ihre Fachkenntnisse als hoch ein; vgl. Keitz/Stibi (2004) S. 429. ^'^^ Vgl. Kuting (2004b) S. 1; o.V. (2004f) S. 18. '''^ Kahle (2003) S. 273. ^^®® Wulf/Klein/Aziaz sehen in der Umstellung der Rechnungslegung eine betriebswirtschaftliche Investition, deren Amortisierung individuell zu untersuchen ist; vgl. Wulf/Klein/Azaiz (2005b) S. 304. ^'^^ Vgl. Luckmann (2005) S. 20.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Ausland vertretenJ^^® Hierbei handelt es sich vorzugsweise urn die groderen und leistungsfahigeren Unternehmen. Konnen die IFRS-Zahlen zudem zur internen Steuerung eingesetzt werden, so kdnnten die angefallenen Umstellungskosten auch in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen kompensiert werden. Die Konvergenz von internem und externem Rechnungswesen wird indes nur fiir die gro(ieren Unterneiimen ein Beweggrund zur Umstellung sein, da eine am Rechnungswesen orientierte interne Steuerung in kleineren Unternehmen weniger erforderlich ist als in komplexeren OrganisationenJ^®^ Andere Beweggrunde zur Anwendung der IFRS treten dabei in den Hintergrund, weil diese entweder eine Umstellung nicht notwendig erfordern (wie eine erieichterte Fremdkapitalaufnahme) Oder nicht im Interesse von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen liegen (wie eine erhohte Transparenz gegeniiber Abschlussadressaten). Neben der Unternehmensgrofie ist der entscheidende Treiber zur Umstellung der Rechnungslegung bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zum gegenwartigen Zeitpunkt somit die Internationalisierung der Geschaftstatigkeit: ..Zusammenfassend beurteilt, fuhren die IFRS bei international tatigen Mittelstandlern zu erheblichen Effizienzvorteilen im internen und externen Rechnungswesen."''^°° Vor diesem Hintergrund und angesichts der zu en/vartenden Erieichterungen fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen sind Aussagen uber grundsatzlich zu hohe Kosten der Umstellung daher neu zu uberdenken.''^^^

5.3.1.5 Zwischenfazit Die Kompatlbilitatsprufung der Anfordemngen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen mit dem Einzeljahresabschluss nach IFRS kommt zu folgenden Ergebnlssen: •

Obwohl die IFRS zentral auf die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen ausgerichtet sind, gehen mit ihrer Anwendung zahlreiche Ermessensund Schatzungsspielraume einher. Diese entstehen aus dem Optimierungsdilemma zwischen einer zuverlassigen und einer relevanten Datenbasis: Wahrend der Jahresabschluss nach HGB starker von Objektivierungserfordernissen gekennzeichnet ist, bedingen der groliere Zukunftsbezug und die wirtschaftliche Sichtweise der IFRS zahlreiche Ermessensentscheidungen. Dieses

^^^^ Vgl. Ernst & Young (2004). ^^^^ Vgl. Mandler (2003a) S. 683. ^^°° Bocking/Herold/Mufiig (2004) S. 672. ^^°^ Zu den geplanten Vereinfachungen fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen vgl. Kapitel 5.3.2,8.251.

5.3 Systemalternative IFRS

247

widerspricht jedoch nicht per se einer investor- und informationsorientierten Berichterstattung. Gerade durch den Einzug von zukunftsbezogenen und aktuellen Wertansatzen In die Bilanz kann es unter IFRS zu einer Annaherung von internem und externem Rechnungswesen kommen. In der Folge steigt die Selbstinformation des bilanzierenden Unternehmens. Andererseits eroffnet die mit dem grofleren Ermessensspielraum einhergehende Entobjektivlerung ein nicht unwesentliches bilanzpolitisches Aktionspotenzial, das von vielen Unternehmen in praxi auch genutzt wird. Insofern kann das bilanzierende Unternehmen auch unter IFRS aktive Bilanzpolitik betreiben: „Die Bilanzierung nach IAS erfordert auflerst weit gehende Schatzungen und Prognosen, so dass verglichen mit einer GoB-Rechnungslegung - wesentlich groliere Risiken des ,Sich-Reich-Rechnens' bestehen."^^°^ Die Informationsqualitat eines Jahresabschlusses nach IFRS kann daher bei entsprechender Ausnutzung bilanzpolitischer Aktionsparameter beeintrSchtigt werden. Dies durfte den Interessen vieler informationsscheuer nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen entgegenkommen. •

Angesichts konkreter Gestaltungsmafinahmen sind die Moglichkeiten zur Unterbewertung von Passiva im Vergleich zum HGB eher eingeschrankt. Bel der Unterlassung von Aktivierungen bzw. der Unterbewertung von Aktiva bestehen nach IFRS indes zahlreiche Moglichkeiten zur Bildung stiller Ermessensreserven: Die unzureichenden Konkretisierungen im Rahmen der Aktivierung von Entwicklungskosten sowie der aktiven latenten Steuern fuhren zur Existenz von faktischen Ansatzwahlrechten, auf deren Grundlage Ermessensrucklagen gebildet werden konnen. Diese konnen auch entstehen, wenn Im Rahmen des IAS 36 auf Bewertungsverfahren zuruckgegriffen wird und erhohte Abschreibungswerte angesetzt werden. Ferner konnen die Begriffsunbestimmtheiten bei Ansatz und Bewertung von Ruckstellungen nach IAS 37 zu Ermessensrucklagen fuhren. Im Ergebnis stellen die Ermessens- und Schatzungsspielraume der IFRS vor dem Hintergrund der stillen Selbstfinanzierung durchaus eine Alternative zu den zahlreichen Wahlrechten des HGB dar. Wahlrechtsrucklagen, die durch Ausnutzung zulassiger expliziter Wahlrechte entstehen, konnen nach IFRS jedoch auch aufgrund der inkonsistenten Umsetzung der Marktwertbewertung entstehen. Der Accounting-Mix der IFRSRechnungslegung ermoglicht zahlreiche offene Bewertungswahlrechte.''^^^

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Euler (2002) S. 880. So kfinnen bspw. Immobilien im Rahmen der Neubewertung nach IAS 16 Oder der Fair-ValueBewertung nach IAS 40 zu ihrem Zeitwert angesetzt werden - sie mussen aber nicht. Gleiches gilt fiir das immaterielle SachanlagevermOgen nach IAS 38.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme Zwar liegen in Teilen so genannte Untemehmenswahlrechte wie beim IAS 40 vor, die nur einmalig ausgeubt werden durfen; wenn sich das bilanzierende Unternehmen jedoch zum Ansatz fortgefuhrter Anschaffungswerte entsclieidet, konnen Walilrechtsrucklagen gelegt werden. MIt Ausnahme von IAS 39 verpflichtet derzeit kein Standard zur obligatorischen Marktwertbewertung, wobel dieser im Rahmen der vorgelagerten Kategorlsierung von Flnanzlnstrumenten ebenfalls gewisse SpielrSume zulasst.''^^^ Im Ergebnis eroffnet auch die Internationale Rechnungslegung ein umfangreiches Ermessenspotenzial zur Durchfuhrung einer stillen Selbstfinanzierung. Die IFRS stellen damit eine Alternative zu den Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften des deutschen Handelsrechts dar. Voraussetzung hierfur ist jedoch, dass der nach IFRS aufzustellende Jahresabschluss als Grundlage der Zahlungsbemessung dient. Von einem rein informatorischen Einzeljahresabschluss konnen indes keine Finanzierungswirkungen ausgehen.

•

Der Obergang auf die Rechnungslegung nach IFRS geht fur das bilanzierende Unternehmen I. d. R. mit einem hoheren Eigenkapitalausweis einher. Dieser ist im Wesentlichen auf eine umfangreichere Darstellung von Zeitwerten sowie eine Ausweitung der Asset-Definition zuruckzufuhren. Von in einer IFRSBllanz ausgewlesenen, aber nicht reallsierten Gewinnen kann indes keine Flnanzierungswirkung ausgehen. Die Moglichkeiten der offenen Selbstfinanzierung werden unter IFRS im Verglelch zum HOB deshalb nicht erweitert.

•

Der nach IFRS h5here Eigenkapitalausweis fuhrt auch bei der im Rahmen der Aufienflnanzierung dominanten Fremdkapitalfinanzierung nicht zu einer erlelchterten Kreditaufnahme. Obgleich In der einschlagigen Literatur oftmals davon ausgegangen wird, dass ein Jahresabschluss nach IFRS die erhohten Informationsbedurfnisse der Kreditnehmer starker befriedigt, Ist nicht zu vernachlassigen, dass die auf Gmndlage der IFRS ausgewlesenen Gewinne einem anderem Periodisierungsverstandnis entspringen. Dem erhohten Elgenkapital steht namlich keine Veranderung der realwirtschaftlichen Situation des bilanzierenden Unternehmens gegenuber. Geandert haben sich lediglich die Vorschriften zur Abbildung der Unternehmensrealitat - die RealltSt selbst ist identisch geblieben. Die Annahme, durch einen Jahresabschluss nach IFRS bessere Ratingergebnisse erzlelen zu konnen, unterschatzt den Umfang der kunftigen Transparenzanforderungen der Kredltgeber an ihre Kunden. Im

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Urn die Volatilitat der erfolgswirksamen Marktwertbewertung einzuschranken durfen beim Obergang auf IAS 39 (rev. 2003) nahezu sSmtliche Kategorisierungen neu durchgefuhrt werden. Dem bilanzierenden Unternehmen wird damit das Wahlrecht eroffnet, nur eine erfolgsneutrale Marktwertbewertung durchzufuhren; vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 4,2.2.1.2, 8.142.

5.3 Systemalternative IFRS

249

Rahmen eines Ratings werden in Zukunft verstSrkt qualitative Zusatzinfornfiationen gefordert, denen weder ein IFRS- noch ein HGB-Jahresabschluss entsprechen. Vor dem Hintergrund umfangreicher Erleichterungen fur kleinere und nnittlere Unternehmen bestehen fur diese ferner kaum Anreize, ihren Jahresabschluss aufgrund von Basel II umzustellen. Die pauschale Absenkung des Bonitatsgewichts bel kleinerenn Kreditvolumen auf 75 % wird entgegen der weitlaufigen Meinung die Finanzierungskonditionen fur die Mehrheit der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen senken.^^°^ Dabei wird es kelne Rolle spielen, nach welchen Vorschriften das kreditsuchende Unternehmen bilanziert. Von einer Umstellung - einzig vor dem Hintergrund von Basel II - ist deshalb abzuraten. Das erhoffte Kosteneinsparungspotenzial einer derart motivierten Umstellung sollte zudem unternehmensindividuell den erwarteten Kosten gegenubergestellt werden. Unbestritten ist jedoch, dass Basel II mit deutlich erhohten Transparenzanforderungen der Banken an ihre Kreditnehmer einhergeht, um diese detaillierter und umfangreicher als zuvor analysieren zu konnen.^^°^ Derartige Forderungen stehen der mangelnden Informationsbereitschaft vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen diametral entgegen. Ein Jahresabschluss nach IFRS kann in diesem Zusammenhang sicherlich einen ersten Schritt in Richtung einer Informationsfreundlichen Jahresabschlusserstellung sowie einer offeneren Kommunikation zwischen Kreditgeber und -nehmer darstellen. Insbesondere fur international tatige Unternehmen kann dieser auch die Fremdkapitalaufnahme im Ausland erieichtern. •

Die umfangreichen Pflichtangaben in einem Jahresabschluss nach IFRS ubersteigen die in einem HGB-Einzeljahresabschluss geforderten Informationen um ein Vielfaches. Dieses steht in ekiatantem Widerspruch zur Publizitatsverweigerung vieler nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen in praxi. Bereits die nach HGB geforderten Pflichtangaben erscheinen vielen Unternehmen uberdimensioniert.''^^^ Eine erweiterte Offenlegungspflicht ist zwar grundsatzlich begrufienswert, well sie Informationskosten auf Seiten des Abschlussadressaten senkt. Die erhohte Transparenz kann Unternehmen, die von wenigen starken Lieferanten Oder Kunden abhangig sind, jedoch auch schaden. Das Offenlegen von sensiblen Daten wird auch vor dem Hintergrund eines befurchteten Anstiegs des Wettbewerbsdrucks vermieden. Angesichts des oftmals starken Insiderwissens bei den Abschlussadressaten von nicht kapitalmarktorientierten

^^°^ Durch diese Absenkung reduziert sich die Eigenkapitalunterlegungsanforderung der Geschaftsbanken gegenuber dem Status quo von 8 % auf 6 %; vgl. Paul/Stein (2003) S. 422. ' ' ° ' Vgl. Offeriiaus (2003) S. 91 f. ^^°^ Vgl. Kapitel 5.1.3, 3.207.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme Unternehmen ist der Bedarf an ejner derart umfangreichen Offenlegung wie nach IFRS in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen nicht gegeben.

•

Die Umstellungs- und Folgekosten einer IFRS-Anwendung werden ex ante deutlich hoher eingeschatzt, als sie tatsachlich sind. Kostentreiber bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sind insbesondere die (permanente) Schulung von Personal, der Einkauf von Beratungsleistungen sowie die Umstellung von EDV-Software. Der Nutzen einer Umstellung wird insbesondere von den groden nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen gesehen, die sich aufgrund der Internationalisierung ihrer Geschaftstatigkeit Erieichterungen in diversen Bereichen erhoffen. Kleinere Unternehmen konnten indes vom Umfang der Umstellung, den kontinuierlichen Anforderungen der IFRS-Rechnungslegung sowie der Verfolgung von deren dynamischer Entwicklung uberfordert werden. Gerade fur diese Gruppe bleibt abzuwarten, inwiefern die geplanten Erieichterungen des lASB fur kleinere Unternehmen Abhilfe schaffen werden.

Die Kompatibilitatsprufung der Anfordemngen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen mit den Zielsetzungen der Rechnungslegung nach IFRS hat gezeigt, dass die IFRS in wesentlichen Teilbereichen den Interessen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen entsprechen. Die ermittelten Ergebnisse werden im Folgenden thesenformig zusammengefasst: •

Die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen muss auch den Jahresabschluss nach IFRS nicht dominieren. Die mit den IFRS einhergehende Entobjektivierung eroffnet dem bilanzierenden Unternehmen einen umfangreichen bilanzpolitischen Spielraum.

•

Vor diesem Hintergrund bieten die IFRS zahlreiche Moglichkeiten zur Bildung stiller Reserven. Dient der Jahresabschluss der Ausschuttungsbemessung, konnen diese im Rahmen einer stillen Selbstfinanzierung auch Finanzierungswirkung entfalten.

•

Die IFRS suggerleren einen zukunfts- und realitatsbezogenen Vermogensausweis, der sich in einer erhohten Eigenkapitalquote widerspiegelt. Die Finanz- und Vermogenslage wird dadurch nach aufien besser dargestellt.

•

Die wirtschaftlich gepragte Sichtweise der IFRS ermoglicht die Annaherung von internem und externem Rechnungswesen. Fehlten bisher interne Steuerungsmoglichkeiten, so kann die IFRS-Rechnungslegung zumindest eine Grundlage hierfur schaffen.

5.3 Systemalternative IFRS •

251

Die Kosten sowie der Aufwand der Umstellung werden in praxi oftmals uberschatzt, der Nutzen der neuen Rechnungslegung wird indes unterschatzt. Insbesondere bei groderen nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ist eine relativ zugige Amortisierung der Umstellungskosten anzunehmen.

•

Der primare Treiber zur Umstellung auf die IFRS ist neben der Unternehmensgrofle die Internationalisierung der Geschaftstatigkelt. Der hohere Informationsgehalt des Jahresabschlusses nach IFRS sowie die erwarteten Erleichterungen in der Kapitalaufnahme spielen nur eine untergeordnete Rolle.

•

Die auflerordentlich hohen Publizitatspflichten sowie der Umfang der im IFRSJahresabschluss abgebildeten Sachverhalte erfordern Erieichterungen fur kleinere und mittlere Unternehmen im Rahmen der Abschlusserstellung.''^°®

5.3.2 Differenzierung der originaren IFRS 5.3.2.1 Notwendigkeit der Vereinfachung der Rechnungslegung nach IFRS Obwohl die Bilanzierungsvorschriften des lASB zwar konzeptionell nicht auf borsennotierte Unternehmen beschrankt sind, haben sich die IFRS seit jeher anhand der Bedurfnisse des internationalen Kapitalmarkts entwickelt.''^°^ Der Komplexitat wirtschaftlicher Sachverhalte auf internationalem Niveau sowie den hohen Anforderungen nationaler Borsenaufsichtsbehorden wurde mit der Entwicklung umfassender Standards begegnet. Die kapitalmarktorientierte Rechnungslegung der IFRS hat sich damit vor allem an den Informationsinteressen der Abschlussadressaten von international operierenden Konzernen orientiert.''^"'^ Aufgrund des Umfangs der komplexen Vorschriften, dem grundsatzlichen Offenlegungsumfang sowie den daraus entstehenden Kosten schrecken folglich viele (kleinere) nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, fur die keine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung besteht, vor der Rechnungslegung nach IFRS zuruck. Grofi/Steiner umschreiben diesen Sachverhalt pragnant: „Die IFRS sind kompliziert und ihre Anwendung fur SME^^^^ unattraktiv."^^^^ Dem Stufenkonzept des

^^°® Basierend auf dieser Forderung beschaftigt sich das folgende Kapitel mit der Notwendigkeit von Erieichterungen bei der Bilanzierung nach IFRS fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen. ^^°^ Vgi. lASB (2004a) S. 10, IN 2; LCidenbach/Hoffmann (2004b) 8. 601; Broser/Hoffjan/Strauch (2004) S. 452. ^^'° Vgl. CAPA (2003) S. 5. ^^^^ Der Begriff „SME" greift inhaltlich weiter als die rein grofienorientierte Abgrenzung eines „KMU" in Deutschland. Der lASB bspw. spricht von einem SME, obwohl er keine quantitative Abgrenzung (Size-Test) vornimmt, wenn Unternehmen ohne Offentliche Rechnungslegungspflicht (..public accountability") vorliegen. Der Begriff SME entspricht insofern vielmehr einem in

252

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

HGB^^^^ stehen nach IFRS zudem keine grofien- Oder rechtsformabhangigen Befreiungen gegenuber. Ebenso unterscheiden die Normen der IFRS - mit wenigen Ausnahmen - nicht zwischen Einzel- und Konzernabschluss. In der Rechnungslegung nach IFRS bestehen lediglich im Rahmen vereinzelter Standards Unterschiede zwischen notierten und nicht borsennotlerten Unternehmen, woraus sich jedoch keine wesentlichen Erieichterungen in der Abschlusserstellung fur Letztere ergeben.''^''^ Daneben eriauben die IFRS branchenspezifische Losungen wie den IAS 30 (Banken) oder den IAS 41 (Landwirtschaft). Obgleich sich in zunehmendem Made auch nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen der Rechnungslegung nach IFRS zuwenden, stellt sich diese in der praktischen Anwendung haufig als zu aufwendig darJ^^^ Vor dem Hintergrund umfangreicher Vorschriften i. V. m. fehlenden Erieichterungen wird deutlich, dass die IFRS in ihrer gegenwartigen Auspragung fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht zweckadaquat sind und eine weiterfuhrende Vereinfachung bestehender Vorschriften erforderlich ist.''^''^ Infolge dieses ..accounting standards overloads"^^^^ haben bereits weltweit einige Standard-Setter Erieichterungen bzw. Ausnahmen in ihren nationalen Rechnungslegungsvorschriften fur die so genannten Small und Medium-sized Enterprises/Entities (SME) vorgesehen. Erst durch die zunehmende internationale Verbreitung der IFRS, verbunden mit der Absicht vieler nationaler Standard-Setter, diese fur die Unternehmen in ihrem Hoheitsbereich als verpflichtendes Regelwerk vorzuschreiben, ist die Entwicklung gesonderter Vorschriften fur SME in den Fokus des Boards geruckt. Die Entwick-

Deutschland als nicht kapitalmarktorientiert einzustufenden Unternehmen. Urn dieser qualitativen Abgrenzung zu entsprechen, spricht der lASB seit Februar 2005 von Non-Publicly Accountable Entities (NPAEs). Vgl. lASB (2004a) PV-SME 3 sowie S. 10, IN 1; lASB (2005a) S. 1,14-18. Zur genauen Begriffsabgrenzung vgl. Kapitel 5.3.2.4.2, S. 277. ^^^^ Gross/Steiner (2004) S. 878. ^^^^ Die erste Stufe (§§ 238 - 263 HGB) regelt die Vorschriften fur alle Kaufleute, welche im Rahmen der zweiten Stufe des HGB (ab § 264) um Regelungen fur Kapitalgesellschaften und bestimmte offene Handelsgesellschaften sowie Kommanditgesellschaften erganzt werden. Weitere Stufen fur Genossenschaften, Unternehmen bestimmter GeschSftszweige Oder Konzerne folgen. Ferner unterteilt § 267 HGB Kapitalgesellschaften in drei Grolienklassen, die jeweils unterschiedlichen Offenlegungs- und Prufungspflichten unterliegen; vgl. Gross/Steiner (2004) S. 875. ^^^* So durfen nicht borsennotierte Unternehmen nach IAS 14 auf die Segmentberichterstattung und nach IAS 33 auf das Ergebnis pro Aktie (Earning per Share) verzlchten. Des Weiteren kann u. U. eine Befreiung von der Teilkonzernabschlusserstellung nach IAS 27, 28 Oder 31 erzielt werden, wenn das Mutterunternehmen nicht bOrsennotiert ist; vgl. lASB (2004a) S. 16, Rn.9. ^^^^ Vgl. Kapitel 5.3.1.4, S. 244. ^^^^ Vgl. stellvertretend Peemoller/Spanier/Weller (2002) S. 1799 f.; Dallmann/UII (2004) S. 321; Haller(2003)S.415. ^^^^ CAPA (2003) S. 5; Dallmann/UII (2004) S. 322.

5.3 Systemaltemative IFRS

253

lung einer differenzierten Rechnungslegung, die alien GroBen und Arten von Anwendern gerecht wird, ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil auf dem Weg zu weltweit standardisierten Rechnungsvorschriften.^^^® Sie liegt jedoch nicht nur im Interesse der betroffenen Unternehmen, sondern tragt ebenso zur Festlgung des lASB als einzigem und zentralem intemationalen Standard-Setter bei. Der Entwicklung von speziellen Rechnungslegungsstandards fur kleine und nnjttlere Unternehmen seitens des lASB gehen weltweit diverse Referenzmodelle voraus. Diese sollen im folgenden Kapitel erortert werden.

5.3.2.2 Systematisierung bestehender Ansatze zur Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften Weltweit existieren bereits unterschiedlichste AnsStze zur Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften, die das gemeinsame Ziel der Vereinfachung der Rechnungslegung fur kleine und mittlere Unternehmen verfolgen. Neben den nationalen Standard-Settern in Neuseeland, Grolibritannien, Kanada und Australien haben sich in der Vergangenheit auch supranational Organlsationen wie die UN damit beschaftigt.''^^® Letztere hat im Rahmen der UN-Arbeitsgruppe ISAR^^^° mit den ..Guidelines on Accounting and Financial Reporting for Small and Mediumsized Enterprises" (SMEGA)^^^^ im Jahr 2002 ein konkretes Regelwerk zur Rechnungslegung von kleinen und mittleren Unternehmen auf Basis der IFRS vorgelegt. Weltweit haben zwei unterschiedliche Auspragungen einer differenzierten Rechnungslegung verbreitet: •

Im Rahmen des so genannten Jntegral approach" (integrierter Ansatz) sind die Sonderregelungen fur SME in die regularen Standards integriert. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass der zustandige Standard-Setter die Bedurfnlsse der kleineren und mittleren Unternehmen fur jeden Sachverhalt neu bewerten muss und die differenzierten Vorschriften sich im Rahmen der originaren Rechnungslegung permanent weiterentwickeln.''^^^ Die differenzierten Vor-

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Vgl. Dallmann/UII (2004) S. 331. Ubersichten hierzu geben Haller/Eierle (2004) S. 1839 sowie ausfOhrlich Mandler (2004) S. 155-161. Zu Aufgabenbereich und Bedeutung der ISAR vgl. Kapitel 2.2.2.7, S. 60. Vgl. UNCTAD (2000). Erhaltlich unter <www.unctad.ora>. Eine Ubersicht geben Meyer/Teitler (2004) S. 716 sowie Mandler (2004) S. 161. Zu den Nationen, die einen integrierten Ansatz verfolgen, gehdren Kanada, Neuseeland, Malaysia und Hong Kong; vgl. CAPA (2003) 8 . 1 3 f.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme schriften werden dabei i. d. R. in Rahmen eines „Top-Down"-Ansatzes aus den origin^ren Vorschriften entwickelt. Ihr Ausgangspunkt bilden damit die - auf die Beduffnisse groHer borsennotierter Gesellsciiaften - ausgerichteten kapitalmarktorientierten Regelungen.""^^^ Die differenzierten Vorschriften bilden beim integrierten Ansatz jedoch kein eigenstandiges Regelwerk, sondern blelben - wenn auch in vereinfachter Form („GAAP Light") - Bestandteil der originaren Vorschriften.

•

Beim ..separate" Oder ..comprehensive approach" (separierter Ansatz) liegen die Rechnungslegungsvorschriften fur kleinere und mittlere Unternehmen als separates Regelwerk vor. Oftmals wurden diese zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Entwicklung aus den originaren Vorschriften ausgegliedert.''^^'* Ergebnis ist i. d. R. ein vollstandiger Satz vereinfachter Standards speziell fur die Bedurfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen (sog. ..Little GAAP"), die uberschaubarer und weniger komplex als die „Big GAAP" sind.^^^^ Jedoch kann das neue Regelwerk durchaus von den originar anzuwendenden Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden abweichen. Im Unterschied zur permanenten Fortentwicklung beim integrierten Ansatz werden die eigenstandigen ..Little GAAP" in praxi oftmals in regelmafiigen Abstanden, aber mit zeitlichen Verz5gerungen an die originaren Vorschriften angepasst.^^^^

Das primare Unterscheidungsmerkmal beider Differenzierungskonzepte stellt damit ihre (inhaltliche) Eigenstandigkeit gegenuber den originaren Normen dar. Diese zeigt sich zudem in einer jeweils unterschiedlichen konzeptionellen Ausgestaltung: Wahrend ..Little GAAP" i. d. R. als eigenstandiges und separates Regelwerk publiziert werden, sind ..GAAP light" integrierter Bestandteil der groflen Vorschriften. Die Auspragungen beider Ansatze In praxi werden in den beiden folgenden Kapitein erortert.

5.3.2.2.1 Differenzrechnungslegung in Form eines „Little GAAP" Im Hinblick auf die Entwicklung eines eigenstandigen Standards existieren zwei Vorbilder: Neben den SMEGA, die mangels originarem Regelwerk den separierten

^^^^ Vgl. Huttche (2002) S. 1805. ^^^^ Den Ansatz eines ausgegliederten eigenen Regelwerks fur kleinere und mittleren Unternehmen wird insbesondere in Grolibritannlen (FRSSE) sowie von der UN (SMEGA) - mangels Existenz von originaren Vorsciiriften - verfolgt. Vgl. CAPA (2003) 3. 14. Auch der lASB verfolgt - obgleich ursprunglich anders geplant - die Entwicklung eines eigenstandigen Regelwerks. ^^^^ Vgl. Huttche (2002) S. 1804. ^^^^ Vgl. Eierle (2004b) S. 990.

5.3 Systemaltemative IFRS

255

Ansatz verfolgen mussen, wurden vom britischen Accounting Standards Board (ASB) im November 1997 der Financial Reporting Standards for Smaller Entities (FRSSE)verabschiedet.''22^ Der FRSSE stellt eine vereinfachte Zusammenfassung der wesentlichen Rechnungslegungsvorschriften in Grodbritannien und Irland dar, der in einem einzigen Standard die Berichterstattung fur kleine Unternehmen regelt.''^^® Die Anwendung des FRSSE beschrankt sich grundsatzlich auf diejenigen Unternehmen, welche von diesem als kleine Gesellschaften definlert werden.^^^^ Seine quantitativen Grolienkriterien ergeben sich aus den europarechtlichen Vorgaben der 4. EG-RL und entsprechen somit § 267 Abs. 1 HGB. Der inhaltliche Umfang des FRSSE beschrankt sich dabei nicht nur auf Erieichterungen der Offenlegungspflichten im Anhang, sondern sieht auch vereinzelt Modifikationen im Bereich der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vorJ^^^ Diejenigen Unternehmen, die sich fur die Anwendung des FRSSE quallfizieren, haben indes die Wahlmogllchkeit zwischen einer Abschlusserstellung auf Basis des FRSSE oder der Befolgung samtllcher ubriger Rechnungslegungsvorschriften.''^^'' Entscheldet sich das bilanzierende Unternehmen fur die Anwendung des FRSSE, ist es gleichzeitig von der Anwendung der ubrigen Standards und Interpretationen befreit. Diese sind nur zu berucksichtigen, wenn ein bestimmter Sachverhalt durch den FRSSE nicht abgebildet wird.^^^^ Im Ergebnis steht damit eine umfangreiche Orientierungshilfe zur Verfugung, ohne den kleinen Gesellschaften die vollumfangliche Anwendung samtlicher FRS,

^^^^ Der FRSSE wurde seit seinem Bestehen bereits drei Mai uberarbeitet (zuletzt im Juni 2002); vgl. ASB (2001b) sowie Powling/Pryde/Sharp (2002) S. 12. '^^® Vgl. ASB (1997) sowie Elerle (2004a) S. 345 f. ^^^ Kleine Gesellschaften werden wie folgt quantifiziert: Umsatzerlose ^ 2,8 Mio. £, Bilanzsumme ^ 1,4 Mio. £ und Mitarbeiter ^ 50 (bel Konzernen entsprechen diese Zahlen der Nettomethode). Der FRSSE darf in Anspruch genommen werden, wenn zwei Oder mehr der genannten Kriterien an zwei aufeinander folgenden Geschaftsjahren erftillt werden. Grundsatzlich ausgenommen sind Aktiengesellschaften (Public Companies), Bausparkassen, Finanz- und Kreditinstitute sowie Konzernunternehmen, deren Konzernverbund einem der genannten Unternehmen angehort. Vgl. ASB (2001a) S. 213 i. V. m. Appendix I sowie Powling/Pryde/Sharp (2002) S. 24-28 (3.6-3.27). ^^^° Einen umfassenden Uberblick uber Konzeption und Regelungsinhalt der FRSSE gibt Eierle (2004b) S. 987-995; ebenso Mandler (2004) S. 158, der die Befrelungen den origlnaren Vorschriften gegenuberstellt. ^^^^ Diese umfassen die regulSren Standards, die Financial Reporting Standards (FRS), die vom VorgSngergremium Accounting Standards Committee (ASC) herausgegebenen Statements of Standard Accounting Practice ([SSAP] sofern nicht durch FRS ersetzt) sowie die von der Urgent Issues Task Force (UITF) entwickelten UITF Abstracts; vgl. ASB (2001a), Status of the FRSSE, Scope. ^^^^ Die FRS, SSAP und UITF Abstracts entfalten zwar keine unmlttelbare Verpflichtungswirkung, stellen aber dennoch die allgemein akzeptierte Rechnungslegungspraxis dar; vgl. ASB (2001a) Status of FRSSE, General sowie Appendix I, Abschnitt 9 (iv) und Appendix IV, Abschnitt 27 sowie Powling/Pryde/Sharp (2002) S. 48-50 (5.11-5.17).

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

SSAP und UITF Abstracts auferlegen zu mussen. Zudem wird eine divergierende Entwicklung von zwei parallelen Regelwerken mit unterschiedlichen Bilanzierungsund Bewertungsmethoden unterbunden. Muss in praxi jedoch auf die originaren Vorschriften zuruckgegriffen werden, so wird die ursprungliche Intention der Vereinfachung von Rechnungslegungsanforderungen an kleine Unternehmen jedoch schnell unterlaufen.''^^^ Gerade der u. U. notwendige Ruckgriff auf die Gesamtheit der originaren Vorschriften, mit dem erhohte Kosten und Schulungsaufwendungen einhergehen, steht im Zentrum der Kritik der betroffenen Unternehmen.""^^^ Zwar wenden ca. 50-60 % der kleinen Unternehmen in Grofibritannien und Irland die differenzierten Vorschriften an, eine grofle Erieichterung bzw. Kostenersparnis wird indes von vielen nicht gesehen.''^^^ Denn die umfangreichen kapitalmarktorientierten Rechnungslegungsvorschriften bleiben durch den Ruckgriff indirekt doch relevant und erfordern damit eine grundlegende Sachkenntnis der gesamten Materie. Gefordert wird von den Betroffenen stattdessen ein eigenes, auf kleine Unternehmen abgestelltes Rechenwerk, das ausschliefllich deren Bedurfnisse berijcksichtigt (sog. Simple Short Report) und eben nicht allein den Umfang eines kapitalmarktorientierten Rechnungslegungssystems versucht zu reduzieren: „Dle .Gretchenfrage', ob namlich ein auf Konzernunternehmen zugeschnittener Inhalt auch fur mittelstandische Unternehmen .decision useful' ist, bleibt dabei unbeantwortet."''236 Vor dem Hintergrund der relativ hohen Anwenderrate hat sich das FRSSEKonzept dennoch bewShrt. Derzeit arbeitet der ASB an einer so genannten „OneStop-Shop"-Losung.^^^^ Bisher hat der FRSSE immer noch auf den Companies Act (CA) von 1985 ven^/iesen, der - obgleich dieser ein Gesetz uber Kapitalgesellschaften darstellt - die grundsatzlichen Rechnungslegungsvorschriften enthalt.''^^® Sie sollen kunftig in den FRSSE integriert werden, um diesen als eigenstandiges Regelwerk fur die Rechnungslegung klelner Gesellschaften weitergehend zu etab-

^^^^ Vgl. Elerle (2004b) S. 990. ^^^ Vgl. Mandler (2004) S. 159, der zudem den stetig wachsenden Umfang des FRSSE beklagt. ^^^^ Vgl. Institute of Chartered Accountants of Scotland (2002) S. 9, die „no significant reductions in disclosures and therefore time and fees" feststellen kSnnen. ^^^® Huttche (2002) S. 1805. ^^^^ Vgl. ASB (2004). ^^^® Dazu gehdren Ausweisfragen, Gliederungsvorschriften, Grundsatze der Rechnungslegung und Mindestanforderungen; vgl. Powling/Pryde/Sharp (2002) S. 13-15 (2.2-2.8).

5.3 Systemaltemative IFRS

257

lieren. Inhaltliche Abweichungen von der derzeitigen Konzeption des FRSSE sind indes nicht geplant.^^^^ Sein Umfang wird somit weiterhin wachsen. Die ISAR hat mit den SMEGA im Jahr 2002 ebenfalls ein eigenstandiges Regelwerk fur kleine und mittlere Untemehmen vorgelegt, dessen Erleichterungen sich ausschlielilich auf die IFRS beziehen.''^^^ Im Unterschied zum FRSSE folgt die ISAR einem so genannten .Jhink-Small-First-Ansatz"''^'^'': Ausgehend von den Bedurfnissen der kleinsten Untemehmen werden Qualitat und Umfang der Rechnungslegungsanforderungen weiterentwickelt. Die SMEGA beschranken sich dabei nicht nur auf kleine Untemehmen, sondern schlagen eine stufenweise Differenzierung der Rechnungslegung nach IFRS vor. Die Kriterien zur Unterscheidung der verschiedenen Regelungsebenen sind die Anzahl der Mitarbeiter sowie die Einheit von Eigentum und Leitung:''^^^ •

Level I: Ein Eigentumeruntemehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern soil zur Aufstellung eines Jahresabschlusses - nur bestehend aus Bilanz, GuV sowie einem verkurzten Anhang - verpflichtet werden. Ferner sollen diesem weitreichende Erleichterungen in Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften gewahrt werden.

•

Level II: Untemehmen zwischen 50 und 250 Mitarbeitern (ohne Konzemstruktur) mussen zwar vollstandig nach IFRS Rechnung legen, jedoch sollen auf diesem Level noch in Teilen modifizierte Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften nach IFRS gelten.

•

Level III: Hierunter fallen Publlkumsaktiengesellschaften sowie sonstige kapitalmarktorientierte Untemehmen, Grofiuntemehmen, Konzemuntemehmen, Kredit- und Finanzdienstleister sowie andere Untemehmen, an denen ein of-

Vom FRSSE ausgenommen sein, soil kunftig die Erstellung von Konzernabschlussen, da Untersuchungen gezeigt haben, dass kleine Untemehmen kaum freiwillige Konzernabschlusse publizieren; vgl. Morris (2005); ASB (2004). Der Beschluss eines umfassenden Richtlinienwerks erfolgte bereits auf der 17. Jahrestagung der Untited Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) im Jahr 2000; vgl. UNCTAD (2000); UNCTAD (2002) Nr. 5-14. Als Ergebnis dessen wurden die SMEGA im August 2002 abgeschlossen; vgl. UNCTAD (2003); UNCTAD (2004a). ErhSltlich unter <www.unctad.org>. Vgl. Huttche (2002) S . I 805. Der Jahresumsatz sowie die Bilanzsumme wurden von der ISAR verworfen, well diese vor dem Hintergrund, dass auch Entwicklungslander berucksichtigt wurden, kaum vergleichbar seien. Nach einer Untersuchung der OECD werden jedoch in 95 % der weltweit vorhandenen SME weniger als 100 Mitarbeiter beschaftigt. Insofern stelle die Orientierung an den Mitarbeiterzahlen ein international vergleichbares Charakteristikum von SME dar. Vgl. hierzu UNCTAD (2000) S. 5. Einen umfassenden Uberblick gibt ferner Mandler (2004) S. 161.

258

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

fentliches Interesse besteht. Diese Unternehmen sollen vollumfSnglich die IFRS - ohne weitere Erleichterungen - anwenden.^^^^ Die ISAR verfolgt dabei insbesondere fur die kleinen Level-I-Unternehmen einen radikalen Vereinfachungseinsatz. Deren Rechnungslegung sol! anhand eines einfachen Regelwerks ausschliedlich auf Basis von fortgefuhrten Anschaffungs/Herstellungskosten erfolgen.''^^ Auf dieser Ebene sollen lediglich funf (!) IFRS relevant sein - selbst vonn Grundsatz der „Fair Presentation" wird Abstand genommen.''^^^ Im Unterschied zum FRSSE nimmt die ISAR damit auf den ersten beiden Ebenen des SMEGA-Konzeptes bewusst starke Unterschiede in den anzuwendenden Bilanzlerungs- und Bewertungsvorschriften in Kauf. Ferner fordert diese die Vereinbarkeit der anzuwendenden Regein mit den nationalen Steuervorschriften des jeweiligen Unternehmens.''^'^^ Die zum Teil aufierst radikalen Forderungen nach Vereinfachung der Rechnungslegungsanforderungen mussen jedoch vor dem Hintergrund bewertet werden, dass die ISAR weltweit den „Mittelstand aus der Vogelperspektive"^^^^ beobachtet und insofern auch die Gegebenheiten in Entwicklungs- und Schwellenlandern berucksichtigt werden. Level II des SMEGA-Konzeptes baut indes auf den IFRS als zugrunde liegender Vorlage auf. Im Ergebnis handelt es sich dabei um ein eigenstandiges und abschliefiendes Rechnungslegungssystem fur mittlere Unternehmen, welches sich jedoch aus modifizierten Ansatz, Bewertungs- und Offenlegungsvorschriften der IFRS ableitet. Level II besteht aus 15 Guidelines, die in Art und Aufbau den IFRS entsprechen und thematisch nummeriert sind.''^^® „Wenngleich das Konzept der ISAR sicher noch nicht das Ende der Oberlegungen darstellt, bietet es doch eine gute Grundlage fur die Konkretisierung von Offenlegungserleichterungen im Rahmen der lAS/IFRS."^^"*^ Aus diesem Grund soil auf das SMEGA-Konzept im Rahmen der weiteren Oberlegungen zuruckgegriffen werden.

^^^^ Vgl. UNCTAD (2003) S. IV sowie Meyer/Teitler (2004) S. 716. ^^^^ Die ISAR sieht ein Regelwerk auf fortgefuhrter Anschaffungs-ZHersteilungskostenbasis als konform mit den IFRS an; vgl. UNCTAD (2000) S. 19, Nr. 76. 1245 Geregelt werden sollen nur die Bereiche Abschlussdarstellung (IAS 1), Sachanlagen (IAS 16),

Leasing (IAS 17), ErtrSge (IAS 18) sowie Ruckstellungen (IAS 37); vgl. UNCTAD (2003). Neben der „tax compatibility" fordert die ISAR eine weltwelte ..uniformity" von Rechnungslegungsdaten sowie eine ..management utility". Dem Management sollen - neben den externen Abschlussadressaten - ebenso verwertbare Daten geliefert werden; vgl. UNCTAD (2000) S. 18-20, Nr. 69-80. Huttche (2002)3. 1806. So behandelt bspw. Guideline 1 ebenso wie IAS 1 die ..Presentation of Financial Standards", wShrend Guideline 2 ein Kompendium von IAS 7 (Kapitalflussrechnung) darstellt. Einen ausfuhrlichen Uberblick gibt UNCTAD (2004b) S. 32-83. Mandler (2004) S. 160.

5.3 Systemalternative IFRS

259

5.3.2.2.2 Differenzrechnungslegung in Form eines „GAAP light'' Der Ansatz des „System[s] im System"^^^° ist von den L^ndern Australien, Neuseeland und insbesondere von Kanada gepragt worden.''^^^ Bereits 1990 wurde von der Australian Accounting Research Foundation (AARF) der Begriff der ..Reporting Entity" eingefuhrt.''^^^ Diese liegt vor, wenn die Struktur eines Unternehmens darauf schliefien lasst, dass externe Jahresabschlussadressaten vorhanden sein konnten. Nach dem ..Australian Corporations Law" werden Unternehmen erst dann zur Rechnungslegung verpflichtet, wenn mindestens funf Prozent des stimmberechtigten Kapitals hierfur stimmen oder das Unternehmen von einer auslandischen Gesellschaft beherrscht wird.''^^^ Da kleine Unternehmen nach dem Differenzierungskonzept in Australien ganzlich von der Rechnungslegungspflicht ausgenommen werden^^^, beinhaltet dieses Modell keine Befreiungs- Oder Vereinfachungsvorschriften.''^^^ Das neuseelandische Institute of Chartered Accountants (ICANZ) verfolgt mit seinen differenzierten Rechnungslegungslegungsvorschriften (Framework for Differential Reporting)''^^® seit 1994 indes ein dreistufiges Modell: •

Ein als ..Reporting Entity"""^^^ identifiziertes Unternehmen unterliegt den originar kapitalmarktorientierten Vorschriften, den New Zealand Accounting Standards (NZSA).

•

Eine ..Qualifying Entity" hingegen qualifiziert sich fur eine differenzierte Rechnungslegung, im Rahmen derer das Unternehmen partiell bzw. vollstandig von der Anwendung der originaren Rechnungslegungsvorschriften befreit wird. Die differenzierten Vorschriften mussen dabei nicht in Ganze ubernommen wer-

'^^ Huttche (2002) 8. 1805. ^^^^ Ferner werden derzeit ahnliche Projekte, die den integrjerten Ansatz verfolgen, von den Standard-Settern der Lender Malaysia, Hongl . ^^^^ Die ..Reporting Entitity" entspricht dabei der in Australien gepragten Abgrenzung; vgl. Deloitte (2004a) 8. 3.

260

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme den, sondern konnen pro Sachverhalt selektiv gewahit werden.^^^® Das Argument fur die ..selective option" ist die Flexibilitat, den Bedurfnissen von Bilanzierenden und Bilanzlesern in geeigneter Form nachkommen zu konnen.

•

Die ubrigen Unternehmen (..Exempt Companies"), die keinem der beiden genannten Typen entsprechen, haben keine gesetzliche Verpflichtung zur (originaren) Rechnungslegung.''^^^

Um sich in Neuseeland als bilanzierendes Unternehmen fur die differenzierten Rechnungsiegungsvorsciiriften zu qualifizieren, darf dieses keine offentliche Rechnungslegungspflicht (..Public Accountability") haben. Diese besteht, wenn ein Unternehmen borsennotiert ist, offentliche Ponds verwaltet bzw. aufsetzt oder treuhanderische Punktionen austibt. Zudem darf beim bilanzierenden Unternehmen keine Trennung von Eigentum und Leitung voriiegen und es muss als kleines Unternehmen eingestuft werden.''^®° Die Grofle stellt beim neuseelandischen Dlfferenzierungsansatz als Abgrenzungskriterium insofern nur eine unter vielen Determinanten dar. Vielmehr mussen sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien erfullt sein, um das neuseelandische ..Pramework for Differential Reporting" anwenden zu durfen. Richtungsweisend fur die vom lASB geplanten gesonderten Vorschriften fur SME konnte indes der im Dezember 2004 veroffentlichte Entwurf ED-98 des neuseelandischen Financial Reporting Standards Board (PRSB) sein.''^^'' Im Rahmen der in Neuseeland fur ..Reporting Entitles" mittlerweile verpflichtend anzuwenden IPRS^^®^ hat der PRSB explizite Vorschlage fur ein neues differenziertes Rechnungslegungskonzept auf Basis samtlicher derzeit giJltiger IAS und IPRS erarbeiteV^^^ Diese erstrecken sich von der partiellen bzw. vollstandigen Befreiung ein-

Die Abweichungen sollten aber im Anhang angegeben werden, da unbegrCindete Intransparenz aufierst kritisch vom Markt aufgenommen wird; vgl. Alvarez/Fink (2003) S. 287 f.; Haller (2003) S. 423; Mersereau (2002) S. 32. ^^^^ Diese mussen dennoch im Rahmen der steuerlichen Gesetzgebung sowie aufgrund der Financial Reporting Order von 1994 vereinfachte Jahresabschiusse vorlegen; vgl. CAPA (2003) S.9. ^^®° Kleine und mittlere Unternehmen werden wie folgt quantifiziert: Umsatzeriose ^ 5 Mio. NZ-$, Bilanzsumme ^ 2,5 Mio. NZ-$ und Mitarbeiter ^ 20. Dabei mQssen zwei Kriterien uberschritten werden, um aisgrofl eingestuft zu werden; vgl.; CAPA (2003) 8. 30. ^^^^ Vgl. ED-98 Framework for Differential Reporting for Entities applying the New Zealand Equivalents to International Financial Reporting Standards Reporting Regime; erhaltlich unter <www.icanz.co.nz>. ^^®^ Um die IFRS in geltendes neuseelandisches Recht zu uberfuhren, hat man diese als New Zealand Equivalents to IFRS (NZ-IFRS bzw. NZ-IAS) ubernommen. Abweichungen zu den eigentlichen IFRS sind dabei nur in „rare and exceptional circumstances" geboten; vgl. Hagen/ZijI (2002). '^^' Vgl. FRSB (2004); Appendix 1, S. 12-27.

5.3 Systemalternative IFRS

261

zelner Standards bis zur vollumfSnglichen Anwendung anderer StandardsJ^^ Vom FRSB werden indes nicht nur Offenlegungserleichterungen, sondern auch In wesentlichen Teilen Vereinfachungen bei den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vorgeschlagen. Im Unterschied zum SMEGA-Konzept (Level-ll) wurde jedoch auf die Formulierung eigener Rechnungslegungsvorschriften verzichtet, sondern ausschliedlich eine (konkrete) Beschreibung der geplanten Erleichterungen in Bezug auf die entsprechende Vorschrift nach IFRS vorgenommen. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss dieser konkrete Entwurf eines ..Differential Reporting Frameworks" auf Basis der IFRS auf das eigentliche Projekt des Boards haben wird. Als drifter Standard-Setter hat der kanadische Accounting Standards Board (AcSB) mit Wirkung zum 1.1.2002 differenzlerte Regelungen im Rahmen seiner originaren Rechnungslegungsvorschriften vorgesehen. Der Abschnitt (Section) 1300 des CICA-Handbook^^^^ enthalt die zusammengefassten differenzierten Rechnungslegungsvorschriften und eriaubt Unternehmen, von einzelnen Standards abzuweichen bzw. die dort kodifizierten Wahlrechte zu nutzen.''^^^ Insgesamt konnen die zum ..Differential Reporting" berechtigten Unternehmen sieben Optionen von differenzierten Vorschriften ausnutzen.''^®^ Vom AcSB wird dabei ebenso wie in Neuseeland - ein selektiver Ansatz verfolgt, d. h. die differenzierten Vorschriften konnen vom qualifizierten Unternehmen bei jedem Sachverhalt neu ausgeubt werden. Diesem soil damit die Moglichkeit gegeben werden, die Jahresabschlusse individuell an die Bedurfnisse der Abschlussadressaten anzupassen. Zwar wird vom AcSB die Gefahr diversifizierter und damit nicht vergleichbarer Jahresabschlusse erkannt, diese wird jedoch mit dem Verweis auf die Seltenheit von Jahresabschlussvergleichen bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen relativlert.''^^^ Vor dem Hintergrund einer retrospektiven Umstellung beim Methodenwechsel sollen zudem die Moglichkeiten aktiver Bilanzpolitik bei Ausubung der Wahloptionen minimiert werden. Der AcSB geht davon aus, dass ein bilanzpolitisch induzierter Wechsel der Bilanzierungs- und Bewertungsvereinfachungen im

^^^ WShrend nach dem Willen des FRSB der NZ-IAS 14 sowie der NZ-SIC-29 nicht angewendet werden sollen, besteht nach diesem Vorschlag fur die NZ-IAS 7,10, 20, 26, 27, 29, 30, 3 1 , 33, 34 sowIe 39, die NZ-IFRS 1-3, die NZ-SIC 7,10, 12, 13, 15, 2 1 , 25 sowie 31 und den NZIFRIC-1 vollumfangliche Anwendungspflicht. FQr alle anderen Standards und Interpretationen werden Erleichterungen vorgesehen; vgl. FRSB (2004), Appendix 1, S. 12 sowie 25-27. ^^^^ Die Section 1300 ist die komprimierte Zusammenfassung sSmtlicher Erleichterungsvorschriften der originaren kanadischen Standards. Sie wird vom Canadian institute of Chartered Accountants (CICA) herausgegeben; vgl. CICA (2002a). ^^^^ Vgl. Huttche (2002) S. 1805. ^^^^ Eine Ubersicht geben Budlong (2002) 8. 2f. sowie CICA (2002b) S. 3. ^^^ Vgl. CICA (2002a) S. 23, Tz. 59 f.

262

5 PraktikabilitSt und KompatibilitSt beider Rechnungslegungssysteme

Rahmen des ..Differential Reporting" durch die ruckwirkende Erfassung samtlicher resultierender Anderungen nahezu ausgeschlossen istJ^^^ Im Unterschied zu alien anderen DIfferenzlerungskonzepten splelt im kanadlschen Modell die GrCde des betroffenen Unternehmens als Abgrenzungskriterium keine Rolle. Die Optlonen des ..Differential Reporting" konnen vielmehr von jedem Unternehmen in Anspruch genommen werden, sofern •

keine offentliche Rechnungslegungspfllcht besteht, und

•

vorausgesetzt sSmtliche Gesellschafter zugestlmmt haben.^^'^^

Die Definition der ..Public Accountability" entspricht dabei im Wesentllchen derjenigen des neuseelandischen Institute of Chartered Accountants (ICANZ). So werden Unternehmen vom ..Differential Reporting" ausgeschlossen, die offentlich notiert sind, als Finanzdienstleister agieren, einen offentlichen Versorgungsauftrag innehaben bzw. bei denen eine Mehrheit der Anteilseigner auf die Informationen des externen Berichtswesens angewiesen ist.^^^^ Im Hinblick auf den Minderheitenschutz ist zudem die einstimme Zustlmmung Sclmtlicher Gesellschafter einzuholen.^^^^ Von der Berucksichtigung quantitativer Merkmale wie der Unternehmensgrolie hat der AcSB indes abgesehen. Neben der Gefahr einer subjektiven Grenzziehung sowie der Notwendigkelt periodischer Aktualisierungen liegt der primare Grund des Einbezugs mittlerer und grollerer Unternehmen ohne offentliche Rechnungslegungspfllcht In das ..Differential Reporting" in deren zentraler Gemeinsamkeit. ..Regardless of their size, all non-publicly accountable enterprises share a common feature that distinguishes them from publicly accountable entities: they have a much narrower range of users of their financial statements."''^^^ Die Begrundung einer vereinfachten Rechnungslegung basiert insofern auf der Annahme, dass die Abschlussadressaten eines nicht kapitalmarktorientlerten Unternehmens ohne weiteres Zugrlff auf weiterfuhrende Informationen besitzen.''^^^ Die Einheit von Leitung und Eigentum stellt deshalb keine Voraussetzung dar.

Vgl. CICA (2002a) S. 24. Tz. 62. Vgl. PWC (2002b); Mersereau (2002) S. 31 f. Vgl. CICA (2002a) S. 15 f.. Tz. 40-42. Im Unterschied zum australischen Differenzierungsmodell miissen demnach 100 % der Gesellschafter zugestlmmt haben. Darunter fallen auch nicht stimmberechtigte Kapitalanteile (wie Vorzugsaktien); vgl. PWC (2002a). Dabei gilt die Zustlmmung der Gesellschafter solange, bis ein EigentOmerwechsel eintritt Oder andere Wahloptlonen im Rahmen des ..Differential Reporting" ausgeubt werden. Eine jShrliche Zustlmmung - wie ursprunglich im ED vorgesehen - ist indes nicht notwendig; vgl. CICA (2002a) 8 . 1 9 , Tz. 49. CICA (2002a) S. 20, Tz. 52. Vgl. Mersereau (2002) S. 30; Edwards (2001).

5.3 Systemalternative IFRS

263

Die inhaltliche Dimension des kanadischen ..Differential Reporting" 1st in praxi jedoch kritisiert worden. Kritikern gehen die gewahrten Erleichterungen nicht weit genug. Sofern diese primar Offeniegungserieichterungen darstellen, wird vielmehr ein eigenstandiges Regelwerk gefordert, dessen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften die speziellen Bedurfnisse der betroffenen Unternehmen berucksichtlgen.^^''^ Erschwert wird diese Forderung vor dem Hintergrund der vom AcSB verfolgten dualen Strategie einer Harmonisierung mit den US-GAAP einerseits und einer Konvergenz mIt den IFRS andererseits. Belde Standard-Setter verfolgen in ihren Rechnungslegungsvorschriften jedoch seit Jahren eine Politik der Minimierung von offenen WahlrechtenJ^^^ Gerade auf diesen jedoch baut das kanadische ..Differential Reporting" im Wesentlichen auf. So durfen die qualiflzierenden Unternehmen im Rahmen der differenzierten Vorschriften Wahlrechte in Anspruch nehmen, die ihnen Erleichterungen bei der Rechnungslegung gewahren.""^^^ ..Werden diese [Wahlrechte] aus dem Referenzwerk elimlniert, blelbt fur ein konslstentes und auch qualitativ unterschiedliches Differential Reporting kein Raum. Sollen inhaltliche Aspekte weiterhin Berucksichtigung finden, bleibt nur der Weg eines eigenstandigen Ansatzes (.little GAAP')."''^^® Es bleibt also abzuwarten, inwiefern das integrlerte kanadische Modell weiterhin den Bedurfnissen von Unternehmen ohne offentliche Rechnungslegungspflicht entsprechen kann.

5.3.2.2.3 Zwischenfazit Die Systematisierung unterschiedlicher Modelle in der Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften hat gezeigt, dass ein einziges dominantes Konzept nicht existiert. Sowohl der integrierte („GAAP light") als auch der separierte Ansatz („little GAAP") haben weltwelt unterschledliche Auspragungen erfahren. Abblldung 5-2 (Seite 264) soil dies im Vergleich zu den europaischen Vorschriften verdeutlichen:

^^^^ Vgl. Mathieu/Feltham (2000) S. 48 f; HOttche (2002) S. 1805. ^2^® Vgl. Edwards (2001). ^^^^ Vgl. Ginsberg Gluzman Page & Levitz (2003) S. 2 f.; Mersereau (2002) S. 30. ^^^® Huttche (2002) 3.1805.

264

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Abbildung 5-2: Auspragungen in der Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften^^^®

Die Abbildung zeigt, dass sich weder der differenzierte noch der integrierte Ansatz als weltweiter Standard in der differenzierten Rechnungslegung durchgesetzt hat. In der Frage der Abgrenzung donriiniert in den dargestellten ..Differential Frameworks" indes eine Mischung aus quantltativen und qualitativen Kriterien.''^®^ Es zeigt sich, dass sowohl die qualitativen als auch die quantltativen Abgrenzungsmerkmale in ahnlicher Art bzw. Umfang imnner wieder vorkonrimen. Insbesondere die Einheit zwischen Eigentum und Leitung sowie das Kriterium der offentlichen Rechnungslegungspflicht dominieren die qualitativen Abgrenzungsmerkmale. Da-

^^^^ Eigene Darstellung in Aniehnung an Dallmann/UII (2004) S. 322. ^^®° Mit Ausnahmen von Kanada bzw. Grofibritannien, die jeweils ausschiiefllich qualitative bzw. quantitative Abgrenzungsmerkmale zum ..Differential Reporting" heranziehen.

5.3 Systemalternative IFRS

265

neben wird die Mehrheit der vorgestellten ..Differential Reporting"-Konzepte mit einer unbefriedigenden Kosten-Nutzen-Relation fur kleinere und mittlere Unternehmen im Rahmen der originaren Rechnungslegung begrundet. Im Ergebnis existieren zahlreiche in praxi erprobte Referenzmodelle, die ein Repertoire an Differenzierungsalternativen darstellen, auf das sich der lASB bei der Entwicklung einer differenzierten Rechnungslegung nach IFRS berufen kann.

5.3.2.3 Inhalt und Reichweite des lASB-Projekts zur differenzierten Rechnungslegung fur Small and Medium-sized Entities Der lASB hat erstnnals am 24.6.2004 seine grundlegenden Vorstellungen im Diskussionspapier ..Preliminary Views on Accounting Standards for Small und Medium-sized Entities"''^®'' (PV-SME) prasentiert. Dieses beinhaltet acht Grundpositionen, welche der Board im Rahmen der geplanten Entwicklung eines Differenzkonzepts fur kleine und mittlere Unternehmen verfolgt.''^®^ Der Board selbst rechnet jedoch nicht mit der endgultigen Umsetzung des neuen Regelwerks vor 2008.''^®^ Obgleich sich der lASB mit dem Vorhaben gesonderter Rechnungslegungsvorschriften fur SME schon seit 2001 beschaftigt, ist dieses erst im Juli 2003 in den Status eines ..agenda projects" gehoben worden.''^®'^ Auf Drangen internationaler Organisationen wie des International Monetary Funds und der Weltbank sowie vor dem Hintergrund der konkreten Gefahr einer Entwicklung gesonderter Standards fur kleine und mittlere Unternehmen durch einen anderen Standard-Setter wie der ISAR hat sich dieser der Thematik verstarkt angenommen.""^®^ Aus den Erlauterungen im Anhang der ..Preliminary Views" wird ersichtlich, dass der Board sich bei Entwicklung seines Differenzierungskonzepts in den bestehenden Referenzmodellen orientiert hat. Explizit enA/ahnt werden indes die Modelle aus Kanada und Grofibritannien. Die Vorschlage der ISAR finden keine Beachtung, obwohl diese mit den SMEGA ein eigenstandiges Regelwerk fur kleine und mittlere Unternehmen auf Basis der IFRS vorgelegt hat.''^®® Deutlich wird hierbei, dass der

1281

Vgl. lASB (2004a); erhaltlich unter <www.iasb.orq.uk> (siehe unter lASB activities). Geplant war darauf aufbauend die Vorlage eines Exposure Drafts (ED) bis zum 30. Juni 2005. Vgl. Deloitte (2005) lASB Meeting July 2004. Ursprunglich war dieser bereits Anfang 2005 geplant; vig. Winkeljohann/UII (2004) 8. 431. Vgl. o.V. (2004b) S. 16. Vgl. lASB Update July 2003, S. 11; Mandler (2004) S. 154; Haller (2003) S. 418. Ausgeschlossen wurde indes die Berucksichtigung der Bedurfnisse von Schwellen- und Entwicklungslandern. Diese war im ursprunglichen ..active research project" noch vorgesehen; vgl. Haller/Eierle (2004) S. 1838. Die Konzepte der ISAR werden deshalb im Rahmen der Vorschlage fur notwendige Erleichterungen und Vereinfachungen in den folgenden Kapitein berCicksichtigt.

266

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Board „die Autoritat hinsichtlich der Entwicklung von globalen Rechnungslegungsstandards fur SME fur sich allein in Anspruch nehmen will und sich diesbezuglich gewissermaden in Konkurrenz zur ISAR-Arbeitsgruppe sieht."''^®^ Das ursprungliche Zogern des lASB ist indes nicht auf eine gewollte vorrangige Entwicklung der hohenA^ertigen originaren Rechnungslegungsstandards zuruckzufijhren, sondern auf die befurchteten Konsequenzen bei Entstehung eines zweiten Regelwerks. Kritiker eines Differential Reporting wenden ein, dass man fur die gleiche Transaktion nicht ohne Informationsverlust auf verschiedene Arten offen legen bzw. bilanzieren kann und ven^^eisen auf eine 200-jahrige Tradition dieses Gedankens.""^^® Problematisch erscheint daher insbesondere die Frage, weshalb bestimmte Bilanzierungs- oder Bewertungsmethoden fur eine Gruppe von Unternehmen irrelevant sein sollen, wahrend sie im Rahmen der originaren IFRS anzuwenden sind. Damit einher geht letztlich eine Wertung der betroffenen Sachverhalte durch den Board, denn Art und Umfang der geplanten Vereinfachungen obliegen. Dieser befindet sich folglich auf einer schmalen Gratwanderung, einerseits nicht die Glaubwurdigkeit des uber Jahrzehnte hinweg entwickelten originaren Regelwerks zu untergraben und andererseits Vereinfachungen fur SME zu schaffen, die den Anspruchen dieser Anwendergruppe auch entsprechenJ^®^ Vor diesem Hintergrund mussen durch die Entwicklung einer differenzierten Rechnungslegung nach Anslcht des Boards folgende - teils divergierende - Zielsetzungen erreicht werden:''^®° •

Entwicklung eines verstandlichen und durchsetzbaren Regelwerks von hoher Qualitat, welches fur kleine und mittlere Unternehmen weltweit geeignet Ist;

•

Befriedigung der speziellen Bedurfnisse von Jahresabschlussadressaten dieses Unternehmenssegments;

•

basierend auf dem glelchen Framework wie die originaren IFRS;

•

Kostenreduktion sowie

•

Moglichkeit des einfachen Wechsels zu den originaren IFRS.

Neben dieser Zielsetzung enthalten die ..Preliminary Views" weiterfuhrende Absichten des Boards, das geplante neue Regelwerk entsprechend umzusetzen. An-

^^®^ Haller/Eierle (2004) S. 1839. Die ISAR betont die Zuruckhaltung des Boards gegenuber ihren Vorschiagen; vgl. UNCTAD (2002) S. 16. ^^®* Vgl. UNCTAD (2000) S. 9. Nr. 27-29; Anderson (1999) S. 14; Walton (1992) S. 46. der die Akzeptanz des Marktes gegenuber Sonderregelungen in Frage gestellt. ^^®® Dallmann/UII sehen dabei ein ..grolieres Konfliktpotenzial"; vgl. Dallmann/UII (2004) S. 331. '^'° Vgl. lASB (2004a) PV-SME 2 sowie Gross/Steiner (2004) S. 876.

5.3 Systemaltemative IFRS

267

gesichts des genannten Spannungsfelds hat sich der Board mit konkreten Formulierungen in Bezug auf zukunftige Vereinfachungen jedoch zuruckgehalten. In einem ersten Schritt hat dieser zunachst Rahmengrundsatze formuliert, derer er sich in einer dreimonatigen Kommentierungsphase ruckversichert hat:''^®'' •

Aufgrund der finanziellen und inhaltlichen Uberforderung vieler kleinerer und mittlerer Unternehmen in der vollumfanglichen Anwendung der originaren IFRS sieht der Board die Nachfrage nach eigenstandigen und global anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften fur SME gegeben. Die betroffenen Unternehmen sollen qualitativ abgegrenzt werden, ihre Grolie spielt dabei zunachst keine Rolle.''^^^

•

Dennoch soil es den nationalen Gesetzgebern vorbehalten bleiben, den exakten Anwenderkrels festzulegen bzw. die Anwendung der differenzierten Vorschriften zu eriauben respektive zu untersagen.^^^^

•

Die Notwendigkeit einer differenzierten Rechnungslegung fur SME leitet sich aus den unterschiedlichen Anforderungen der Jahresabschlussadressaten nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen ab. Aus Sicht des Boards benotigen diese andere - nicht unbedingt weniger - Informationen.''^^'^ Vor diesem Hintergrund sollen die notwendigen Vereinfachungen der originaren IFRSRegelungen aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen sowie anhand der gesonderten Bedurfnisse der Jahresabschlussadressaten von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ausgesucht werden. Welches diese gesonderten Bedurfnisse sind, erwahnt der Board indes nicht.

•

Die differenzierten Vorschriften fur SME werden aus dem IFRS-Framework sowie samtlichen Standards abgeleitet, welche die Grundlage der neuen Regelungen bilden sollen.""^^^ Wird ein Sachverhalt durch die differenzierten Vorschriften nicht erortert, ist insofern auf das originare Regelwerk der IFRS - inklusive der Interpretationen des SIC/IFRIC - zuruckzugreifen (sog. ..mandatory fallback"^^^^). Detailfragen sollen demnach durch die differenzierten Regelun-

1291

Einen kompakten Uberblick der wesentlichen Kemaussagen geben Meyer/Teitler (2004) S. 716. Vgl. lASB (2004a) S. 11, IN 3-5 und 7 i. V. m. PV-SME 3.1. Vgl. lASB (2004a) PV-SME 3.1. Der Board betont: „0n the other hand, users of financial statements of SMEs may need some information that is not ordinarily presented in the financial statements of listed and larger companies." lASB (2004a) S. 14 f., Rn. 6. Und an anderer Stelle: "[.••] 'different' does not always equate to .less' information." lASB (2004a) S. 37, Rn. 73. Vgl. lASB (2004a) PV-SME 6. Vgl. lASB (2004a) PV-SME 4.

268

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme gen nicht aufgegriffen werden. Der Ruckgriff auf die originaren IFRS ist indes obligatorisch, urn eine konsistente Rechnungslegung zu gewahrleisten.

•

Grundsatzlich stellt die Anwendung der differenzierten Rechnungslegung jedoch eine frelwiliige Erleichterung - und keine Verpflichtung - dar.

•

In erster Linie sollen die Anforderungen an die Offenlegung den Bedurfnissen der SME angepasst werden. Anderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden wurden zunachst ausgeschlossen. Dennoch betont der Board: „[...] it will be necessary to 'relax' some recognition and measurement requirements in IFRSs."^^^^ Eine Anderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden soil jedoch ausschliefillch auf der Grundlage von ausfuhrlichen KostenNutzen-Analysen erfolgenJ^^® Insofern bleibt abzuwarten, in welchem Umfang Vereinfachungen bel den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden im Rahmen differenzierter Vorschriften zugelassen werden J^^^

•

Die neuen Vorschriften fur SME sollen In einem separaten Format veroffentlicht werden, das nicht der numerischen Reihenfolge der originaren IFRS entspricht.^^°° Vielmehr soil sich an der Anordnung der Bilanz- bzw. GuVPositionen orientlert werden.

Die grofie Bedeutung dieses Projektes zelgt nicht nur die rege Beteiligung''^^'' der Fachoffentlichkeit wahrend der Kommentierungsphase.^^°^ Von zentraler Bedeutung ist der Ausgang des Vorhabens vor allem fur viele Lander Sud-Ost-Europas, die bereits heute auf Drangen der Weltbank samtlichen Unternehmen die Pflicht auferlegt haben, sowohl im Einzel- als auch im Konzernabschluss nach IFRS Rechnung zu legen.''^°^ Die Etablierung eines differenzierten Regelwerks fur kleinere und mittlere Unternehmen durfte langfrlstig auch die Ausubung der Mitglied-

lASB (2004a) S. 38, Rn. 76. Vgl. Meyer/Schill/Butler (2004) S. 1108. Aufgrund des allgemeinen Widerspruchs in der Kommentierungsphase der PV-SME, Vereinfachungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden von den SME-IFRS auszuklammern, hat der Board sich im Februar 2005 entschlossen, derartige Vereinfachungen dffentlich zu diskutieren. Vgl. lASB (2005b) S. 1-11. Vgl. lASB (2005b) S. 5. So wurden insgesamt 120 Comment Letters (CL) beim lASB eingereicht. Eine derart hohe Teilnahme hat in keiner anderen Kommentierungsphase jemals zuvor stattgefunden. Ersichtiich unter <www.iasb.org.uk> (siehe unter lASB activities). Zur vorlaufigen Zusammenfassung der Ergebnisse vgl. lASB (2005c) S. 6-17. Die in der Kommentierungsphase geauderten Meinungen und Ansichten werden im Rahmen der Erorterung der Anforderungen an eine differenzierte Rechnungslegung unter IFRS in den folgenden Kapitein berucksichtigt. Darunter fallen Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Bulgarien; vgl. Hailer/Eierle (2004)5.1838.

5.3 Systemaltemative IFRS

269

staatenwahlrechte im Rahmen der lAS-VO zugunsten der IFRS erieichtern. Dieser Problematik hat sich auch der deutsche Gesetzgeber zu stellen. Zwar wird angesichts des anstehenden Bilanzmodernisierungsgesetzes noch keine Neuausubung der Mitgliedstaatenwahlrechte zugunsten einer verpflichtenden Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss zu erwarten sein.''^^'* Unter der Voraussetzung, dass die neuen Vorschriften zu wesentlichen Erieichterungen fur kleine und mittlere Unternehmen fuhren und dort Akzeptanz finden, wird sich der deutsche Gesetzgeber auf mittelfristige Sicht jedoch verstarkt mit der Frage der Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss beschaftigen mussen. Inwiefern dieses durch europaische Vorgaben beschleunigt wird, bleibt abzuwarten. Ferner kann die Entwlcklung eines neuen Regelwerks auf Basis der bestehenden Standards auch zu hoherwertigen originaren IFRS fuhren - immerhin konnte diesen ein Konkurrenzprodukt aus dem eigenen Haus erwachsen. Bei entsprechender Akzeptanz des neuen Regelwerks In der Unternehmenspraxls scheinen dessen Auswirkungen auf die Internationale Verbreitung der IFRS als Ganzes jedoch von nachhaltiger Bedeutung zu sein. Angesichts der groflen Relevanz eines Differenzierungskonzepts nach IFRS sollen in den folgenden Kapitein die formalen und inhaltlichen Anforderungen an ein solches Regelwerk erortert werden. Zugleich werden weiterfuhrende Forderungen gestellt, die fur eine in praxi erfolgreiche Differenzierung der IFRS-Rechnungslegung unerlasslich erscheinen.

5.3.2.4 Formale und inhaltliche Anforderungen an eine differenzierte Rechnungslegung nach IFRS 5.3.2.4.1 Begriindung und Vorgehensweise einer IVIodifizierung der IFRS 5.3.2.4.1.1 Position des lASB Obgleich der Board grundsatzlich die vollumfanglichen IFRS fur samtliche Unternehmen als anwendbar („suitable"''^°^) erachtet, erkennt dieser gleichzeitig die Notwendigkeit gesonderter Vorschriften fur Unternehmen, die keiner offentlichen Rechnungslegungspflicht^^°® unterliegenJ^^^ Dies basiert auf der Erkenntnis, dass der Board aus Praktikabilitats- und Akzeptanzgrunden seiner originaren Rech-

^^^'^ Vgl. Kapitel1.1,S. 92. ^^°^ lASB (2004a) PV-SME 1.1 i. V. m. S. 14, Rn. 4. ^^°® Eine Begriffsabgrenzung wird in Kapitel 5.3.2.4.2, S. 277 vorgenommen. ^^^'^ Diese Meinung bestatigt das Ergebnis der KompatibilitStsprufung in Kapitel 5.3.1.5, S. 246.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

nungslegungsvorschriften nicht nur die abweichenden Interessen der Bilanzadressaten von kleinen und mittleren Unternehmen zu berucksichtigen hat, sondern auch deren Grenzen hinsichtlich personeller und finanzieller Ausstattung gerecht werden muss.''^^® Der zentrale Unterschied zwjschen Unternehmen mit und denjenigen ohne offentliche Rechnungslegungspflicht resultiert nach Ansicht des Boards aus der unterschiedlichen Interessenlage der jeweiligen Abschlussadressaten.''^^® Demnach existieren bei kleineren und mjttleren Unternehmen grundsatzlich die gleichen Adressaten wie bei grofien Gesellschaften, diese unterscheiden sich jedoch durch ihre Informationsbedurfnisse: Wahrend fur Kapitalgeber eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen Indikatoren wie kurzfristige Cashflows, Liquiditat, Bilanzrelationen und deren Ex-Post-Entwicklung in erster Linie relevant sind, rucken fur Aktionare einer borsennotierten Gesellschaft Vorhersagen uber Langzeit-Cashflows, Gewinnprognosen und Wertentwicklungen verstarkt in den Vordergrund.''^''^ Dabei spielt es dem Board zufolge bei kleinen und mittleren Unternehmen keine Rolle, ob die Anteilselgner der Unternehmensleitung angehoren Oder nicht. Aufgrund des bedeutend kleineren Gesellschafterkreises im nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ist davon auszugehen, dass auch nicht geschaftsfuhrende Anteilselgner uber weiterfuhrende - als die durch den Jahresabschluss generierten - Informationen aus dem Unternehmen verfugen.''^'''' Sie stellen gegenuber dem anonymen Aktionar einer borsennotierten Gesellschaft, der im Rahmen seiner Investitionsentscheidung auf den veroffentlichten Jahresabschluss als primare Informationsquelle angewiesen ist, ein System von Insidern dar, denen Informationen frijher und detaillierter zur Verfugung stehenJ^''^ Der Umfang samtlicher Modifikationen im Rahmen der differenzlerten Vorschriften soil ausschliedllch aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen oder anhand der identifizierten Bedurfnisse der Jahresabschlussadressaten nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen ermittelt werden.''^^^ Die Entwicklung neuer Standards wird, da die IFRS grundsatzlich fur samtllche Unternehmen anwendbar seien, als unnotig er-

^^°* Vgl. Dallmann/UII (2004) S. 324. Zu den Restriktionen Kleiner und mittlerer Unternehmen vgl. ausfuhrlich Kapitel 5.3.1.4, S. 244. ^^^ Vgl. lASB (2004a) S. 14, Rn. 6. ^^^° Vgl. Gross/Steiner (2004) S. 876 sowie lASB (2004a) S. 14, Rn. 6. ^^^^ Vgl. lASB (2004a) S. 37, Rn. 70. ^^^^ So stent der Board fest: „The main groups of users of the financial statements of most SMEs are likely to be owners who have access to Internal information and outsiders who have the power to demand additional information": lASB (2004a) S. 37, Rn 72 sowie Kahle (2003) S. 273; Ducker (2003) S. 451. ^^^^ Zur Methodik, wie der Board die unterschiedlichen Bedurfnisse Identifizieren mochte, gibt er indes keine Auskunft. Vgl. lASB (2004a) S. 15, Rn. 6; lASB (2005c) S. 15.

5.3 Systemalternative IFRS

271

achtet. Stattdessen sollen auf Basis der bestehenden Grundsatze und Prinzipien Vereinfachungen fur kleine und mittlere Unternehmen abgeleitet werden. Werden bestimmte Sachverhalte im Rahmen der SME-IFRS nicht behandelt, so sieht der Board einen Ruckgriff auf die originaren Vorschriften vor.''^^'^ Konkret soil dabei im Rahmen des ..Mandatory Fallback" auf den jeweils hierfur geeigneten Standard in Ganze zuruckgegriffen werden. Die Adaption vereinzelter Prinzipien Oder Methoden - im Rahmen der allgemein akzeptierten Rechnungslegungspraxis und nach Ermessen des bllanzierenden Unternehmens - wird vom Board ausgeschlossen.^^^^ Aus Grunden der zwischenbetrieblichen Verglelchbarkeit sowie der Konsistenz zwischen den differenzierten und den originaren Rechnungslegungsvorschriften kommt nur ein einzelfallbestimmter Ruckgriff auf den relevanten Standard In Betracht. Die gleiche Regelung grelft Im Falle eines ..Optional Fallback".''^^^ Mochte ein fur die differenzierten Vorschriften qualifizlertes Unternehmen zur Abblldung eines bestlmmten Sachverhalts frelwilllg die vollumfangllchen IFRS anwenden, steht es dem bllanzierenden Unternehmen im Rahmen des „Standard-toStandard"-Ansatzes offen, auf diese zuruckgreifen.''^''^ Analog zum ..Mandatory Fallback" lost die frelwillige Inanspruchnahme eines bestlmmten Tells eines Standards dessen vollumfangliche inhaltliche Anwendung aus. Mit dem selektiven Ruckgriff auf die originaren Vorschriften folgt der Board erneut dem kanadischen Referenzmodell.^^^® EIne bilanzpolitlsch induzlerte, differenzierte Auswahl elnzelner Bilanzierungs- oder Bewertungsmethoden - das sog. ..cherry-picking" - soil allerdlngs durch die Beruckslchtigung des gesamten Inhalts eines Standards bzw. einer Interpretation vermieden werden.''^''^ Diese Vorgehensweise erscheint angesichts der konzeptionellen Nahe beider Regelwerke sowie des gemeinsam zugrunde liegenden Frameworks als zweckmafilg. Dem bllanzierenden Unternehmen soil dadurch die Moglichkeit gegeben werden, individuell auf die Informationsbedurfnisse spezieller Abschlussadressaten wie Banken eingehen zu konnen.''^^° Die mangelnde zwischenbetriebliche Verglelchbarkeit wird nach Ansicht des Boards durch die Nutzeneffekte aus der Anwendung der originaren Vorschrif-

'^'^ Vgl. lASB (2004a) PV-SME 4 i. V. m. S. 28, Rn. 46. ^^^^ Der Board folgt damit dem kanadischen ..Differential Reporting"; vgl. lASB (2004a) S. 27 f., Rn. 42 f. sowie Haller/Eierle (2004) S. 1842. ^^^® Vgl. lASB (2004a) PV-SME 5 i. V. m. S. 3 1 . Rn. 52. '^^^ Vgl. lASB (2004a) 8. 32, Rn. 57. '^^^ Vgl. Kapitel 5.3.2.2.2. S. 259. ^^^® Ob diese Anderung retrospektiv vorzunehmen ist, wird indes nicht erlautert. Vgl. Dallmann/UII (2004) 8. 328 f.; IA8B (2005c) 8. 12. '^^° Vgl. lASB (2004a) 8. 8. 33, Rn. 58.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

ten kompensiert.^^^^ Wegen der in der Kommentierungsphase starken Opposition gegen einen freiwilligen Ruckgriff auf die originaren IFRS, ist indes abzuwarten, ob der Board weiterhin an seinen Planen fur einen ..Optional Fallback" festhalt.''^^^

5.3.2.4.1.2 Kritische Wurdigung Die dargestellten Positionen verdeutlichen die Ausgangssituation, in der sich der Board befindet. Einerseits sollen spurbare Erieichterungen fur kleine und mittlere Unternehmen geschaffen werden, die sich uber Detailfragen hinwegsetzen und fur diese Unternehnnen relevante Sachverhalte regeln. Andererseits stellen Framework, samtliche Standards und die Interpretationen des SIC/IFRIC die Grundlage der neuen Vorschriften dar. Zudem soil auf diese zuruckgegriffen werden, wenn bestimmte Sachverhalte durch einen SME-IFRS nicht abgedeckt werden. Damit geht die Gefahr einher, dass die IFRS-Vorschriften nicht nur in Einzelfallen anzuwenden sind, sondern Kenntnisse uber die gesamte Materie erforderlich werden und die originaren IFRS als Grundvoraussetzung somit ganzlich relevant bleiben. Ludenbach/Hoffmann folgern daher: „Nach dieser Vorstellung mu(i[!] also auch ein SME sich mit dem Inhalt der regularen Standards vertraut machen. Ein Vereinfachungseffekt Ist damit also eindeutig nicht verbunden."^^^^ Diese Vorgehensweise widersprlcht somit dem Argument einer Kostenersparnis bei Anwendung der differenzierten Vorschriften und untergrabt folglich deren Glaubwurdigkeit. Begrufienswert erscheint daher zunachst die Ablehnung des freiwilligen Ruckgriffs auf die originaren Vorschriften im Rahmen der Kommentierungsphase.^^^"* Zum einen bestande hierdurch die Gefahr, dass machtige Glaubiger bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen wie (Haus-) Banken die Erstellung eines Abschlusses nach vollumfanglichen Vorschriften erzwingen konnten.''^^^ Es stellt sich jedoch die Frage, ob diesen aufgrund ihrer Machtposition im Rahmen der Kreditvergabepraxis diese Moglichkeit - auch ohne Existenz eines ..Optional Fallback" - nicht ohnehin often steht.''^^® Andererseits drohten die SME-IFRS gegenuber den originaren Vorschriften zu einer nunmehr zweitklassigen Alternative herabzusinken,

Konkretisiert werden diese Nutzeneffekte jedoch nicht. Vgl. lASB (2004a) S. 32, Rn. 56. Mehr als 60 % der Teilnehmer haben sich vor allem aus Grunden der mangelnden Vergleichbarkeit sowie der Gefahr bilanzpolitisch motivierter Ausnutzung gegen den ..Optional Fallback" ausgesprochen; vgl. lASB (2005c) S. 12,16. Ludenbach/Hoffmann (2004b) S. 613 f.; ebenso Gross/Steiner (2004) S. 877. Vgl. lASB (2005c) S. 12, 16. Ebenso Dallmann/UII (2004) S. 329. So konnten Banken auf ihre Geschaftspolitik verweisen, die zur Vergabe eines Kredits die Vorlage eines Jahresabschlusses auf Basis der vollumfanglichen IFRS vorsehen.

5.3 Systemalternative IFRS

273

solange die Moglichkeit existiert, sich jederzeit auf die qualitativ hoherwertigen weil vollumfanglichen - IFRS zu beziehen bzw. zu diesen zuruckzukehren.''^^^ Letztlich erscheint die Systematik eines freiwilligen Ruckgriffs auf die originaren Vorschriften nur dann sinnvoil, wenn die differenzierten Regelungen wesentliche Vereinfachungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden - und damit einen eigenstandigen Charakter- enthalten."*^^® Inn Ergebnis bewegt sich der Board in einem Spannungsverhaltnis: Wahrend einerseits auf der bestehenden Grundlage aufgebaut werden muss, ist dennoch ein eigenstandiges Regelwerk zu entwickeln. Formal ist aus diesem Grund ein von den originaren Standards physisch separiertes Regelwerk vorgesehen.^^^^ Inhaltlich erschwert wird dieses Vorhaben jedoch durch die Einschrankung des Boards, nur wenige Veranderungen an den originaren Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vornehmen zu wollen. Insofern rucken etwaige Erieichterungen bei den Offenlegungspflichten ins Zentrum der Betrachtung. Ob es dem Board vor diesem Hintergrund uberhaupt gelingt, nennenswerte Vereinfachungen zu formulieren, bleibt abzuwarten: Jnsgesamt betrachtet hat sich das [!] Board einer Aufgabe unterzogen, die der Suche nach der Quadratur des Kreises gleicht."''^^° Die Vorteile eines separaten Regelwerks auf Basis der gleichen Grundprinzipien liegen in der Sicherstellung eines schnellen und unkomplizierten Wechsels zu den originaren Vorschriften sowie der Wahrung eines Insgesamt konslstenten Rechnungslegungssystems. Dem steht jedoch der zentrale Nachteil gegenuber, dass auf die Spezifika der kleinen und mittleren Unternehmen sowie die besonderen Informationsbedurfnisse ihrer Abschlussadressaten nur soweit eingegangen werden kann, wie dies den originaren Vorschriften und dem Conceptual Framework entspricht.^^^^ Diese Restriktionen werden bereits bei Bestimmung der Jahresabschlussadressaten deutlich. So konzentrlert sich die Argumentation des Boards ausschliefilich auf die unterschiedlichen Informationsbedurfnisse der Jahresabschlussadressaten von kleinen Unternehmen, unterstellt aber einen grundsatzlich identischen Adressatenkreis. Vor dem Hintergrund des in § 9 des Frameworks definierten breiten Adressatenkreises schlieflt der Board das Unternehmensmanagement sowie den FIskus als (dominlerende) Abschlussadressaten von differen-

''^^ Vgl. lASB (2005c) S. 12. '^^^ Ebenso lASB (2005c) S. 12. ^^^^ Der Board folgt hierbei dem englischen Referenzmodell des FRSSE; vgl. Kapitel 5.3.2.2.1, S. 254. ^^^° Ludenbach/Hoffmann (2004b) S. 614, die ferner bezweifein, ob vom Board .jemals ein fertiger Output zu erwarten ist". ^^^^ Vgl. Haller/Eierle (2004) S. 1840.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

zierten Standards indes explizjt aus.""^^^ Der Board verkennt jedoch, dass eine der Motivationen zur Rechnungslegung nach IFRS die u. U. gesteigerte Selbstinformation der Gesellschafter sein kann.''^^^ Haller/Eierle kommen deshalb zu folgender Schlussfolgerung: „Mit dieser Einschrankung der zu beachtenden spezifischen Informationsanforderungen lauft das [!] lASB Gefahr, ein Ziel der Erreichung hochwertiger und auf die Abschlussnutzer abgestellter Standards zu verfeiiien, da in der Praxis gerade das Unternehmensmanagement und der Fiskus bei SME als zentrale Rechnungslegungsadressaten gelten."''^^^ Die Haltung des Boards steht zudem in diametralem Gegensatz zum SMEGA-Konzept. Die ISAR hat sowoiij die Eigentumer als auch die Steuerbehorden als zentrale Jahresabschlussadressaten identifiziert, auf deren Bedurfnisse ein Rechnungslegungssystem fur kleine und mittlere Unternehmen ausgerichtet sein muss.''^^^ Bestatigt wird die Zielsetzung der SMEGA durch die Anforderungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen an ihren Jahresabschluss, welcher in Deutschland in bedeutendem Mafie mit Hinblick auf dessen steuerliche Wirkungen erstellt wird.""^^^ Wenngleich die primaren Adressaten des Jahresabschlusses nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen umstrltten sein mogen, besteht Einigkeit uber die geringere bzw. anders auszulegende Bedeutung der Informationsfunktion im Einzeljahresabschluss kleiner und mittlerer Unternehmen. Aufgrund der Einheit von Eigentum und Leitung geht der lASB zu Recht davon aus, dass diese Unternehmen ebenso wie deren (Haus-)Banken - kaum auf die Informationen des Jahresabschlusses angewlesen sind, well ihnen ohne weiteres weiterfuhrende Informationen aus dem Unternehmen zur Verfugung stehen.""^^^ Die Auffassung des Boards wird in Kapltel 5.1.1.1 bestatigt, welches die untergeordnete Bedeutung der Informationsfunktion im Einzeljahresabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen naher erortert. Die unterschledlichen Informationsbedurfnisse der Jahresabschlussadressaten von SME nennt der Board im Rahmen der ..Preliminary Views"

^^^^ Vgl. lASB (2004a) S. 19, Rn. 18 f. So betont der Board: ..Standards for management information are not an objective of the lASB [..]" (Rn. 18) und an anderer Stelle (Rn. 19): "lASB standards are not intended to meet the needs of tax authorities." ^^^^ Dies setzt voraus, dass das bilanzierende Unternehmen auf die biianzpolitische Ausnutzung der unter IFRS gewShrten Ermessens- und SchatzungsspieirSume im Sinne einer ..Fair Presentation" verzichtet; vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 4.2.2.1, S. 140. ^^^ Haller/Eierle (2004) 8. 1840. ^^^^ Neben der weltweiten ..Uniformity" werden die ..Management Utility" sowie die ..Tax Compability" als zentrale Zielsetzungen des SMEGA-Konzeptes definiert; vgl. UNCTAD (2000) 3.18-20, Nr. 69-80; UNCTAD (2003) 8. 2 f., Nr. 7 f. ^^^^ Vgl. Mandler (2003a) 8. 680 sowie ausfuhrlich Kapitel 5.1.1.1, 8.192. ^^^^ Dieses wird durch die Untersuchung der Bedeutung der Informationsfunktion im Einzeljahresabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen bestatigt; vgl. Kapitel 5.1.1.1, 8. 192 sowie IA8B (2004a) 8. 19, Rn. 18.

5.3 Systemalternative IFRS

275

lediglich in einer beispielhaften Aufzahlung. Eine abschliedende Abgrenzung wjrd jedoch nicht vorgenommen. Obgleich der Board diese Interessendivergenz als wesentlichen Madstab^^^® zur Rechtfertigung der Erstellung differenzierter Vorschriften heranzieht, bleibt im Ergebnis vollig offen, worin die Unterschiede konkret bestehen bzw. nach welcher Methodik diese ermittelt werden sollen.''^^^

5.3.2.4.1.3 Weiterfuhrende Forderungen Die Anteilseigner eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmens sind nach Ansicht des Boards in erster Linie an verlasslichen Informationen uber die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit des bilanzierenden Unternehmens in der vergangenen Berichtsperiode interessiert.''^'^^ Langfristige Ertragswert- und Gewinnprognosen spielen im Rahmen des Jahresabschlusses keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle. Gleiches gilt nach Meinung des Boards fur die Glaubiger. Hier stehen die (kurzfristige) Zahlungsfahigkeit und Liquiditatsfragen im Vordergrund, zumal viele Glaubiger die Macht besitzen, weiterfuhrende Informationen von der Geschaftsfuhrung selbst zu erhalten.^^'*'' Die Fokussierung auf eine Darstellung der wirtschaftlichen Lage in der vergangenen Periode widerspricht jedoch der Philosophie der originaren IFRS-Rechnungslegung, die sich in den letzten Jahren verstarkt in Richtung einer Gesamtunternehmensbewertung entwickelt hat.""^"*^ Zentrale Ansatzpunkte dieser Entwicklung bestehen vor allem in der starkeren Bezugnahme auf Bewertungseinheiten sowie einer vermehrten Zeitwertbilanzierung, die zum Ausweis noch nicht realisierter Gewinne fuhrt. Damit sollen dem Abschlussadressaten im Rahmen der originaren Vorschriften nach IFRS prognoserelevante Daten uber das langfristige Ertragspotenzial des bilanzierenden Unternehmens geliefert werden, auf deren Basis er eine Investitionsentscheidung fallen kann. Der Versuch der Annaherung an den Gesamtunternehmenswert vermag aus Sicht eines Aktionars bzw. Investors sinnvoll erscheinen, der im Rahmen seiner Aniageentscheidung auf umfangreiche und prognoserelevante Jahresabschlussinformationen angewiesen ist, Auf-

^^^^ Neben den identifizierten unterschiedlichen Informationsbedurfnissen der Jahresabschlussadressaten soil der Umfang samtlicher Modifikationen auf Basis von Kosten-Nutzen-Analysen erfolgen; vgl. lASB (2004a) S. 15, Rn. 6; lASB (2005c) S. 15. ^^^^ Gleiches gilt fur die Bemessung einer verhaltnismadigen Kosten-Nutzen-Relation, das zweite Argument, welches differenzierte Vorschriften begrunden kann. ^^° Vgl. lASB (2004a) S. 38, Rn. 74; ebenso Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004a) S. 921; Mandler (2003a) S. 680 f. ^^^ Vgl. lASB (2004a) S. 37, Rn. 71. ^^''^ Vgl. Ludenbach/Hoffmann (2003) § 1, Tz. 92, die von einer ..schleichenden Umorientierung" sprechen. Vgl. hierzu kritlsch Kapltel 4.2.2.1.3, S. 151.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

grund der weitaus geringeren Fungibilitat der Anteile nicht kapitalmarktorientierter Untemehmen sowie des kleineren Gesellschafterkreises wird hier im seltenen Fall eines Eigentumerwechsels jedoch von der Durchfuhrung einer eigenen Unternehmensbewertung auszugehen sein. Demnach besitzt dort die Darstellung zukunftiger Zahlungsstrome und potenzieller (Ertrags-)Entwicklungen im regularen Jahresabschluss keine Relevanz.''^'^^ Will man der Fokussierung auf die Zahlungsfahigkeit sowIe auf kurzfristige Liquiditats- und Gewinnkennziffem in kleinen und mittleren Untemehmen entsprechen, so ist der mit der Zeitwertbilanzierung verbundene Ausweis von unrealisierten Gewinnen kritisch zu beurteilen. Das SMEGA-Konzept (Level 3) sieht aus diesem Grund ein ausschlielllich auf historischen Kosten basierendes Regelwerk fur kleine und mittlere Untemehmen vor, wahrend von einer Zeitwertbilanzierung grundsatzlich abgesehen wird.''^^^ Der ganzliche Ausschluss der Fair-Value-Bewertung im Rahmen der differenzierten IFRS-Vorschriften erscheint aus Grunden der hohen Objektivitat und Verlasslichkeit (Reliability) dieses Wertmafistabs jedoch nicht sinnvoll.''^'^^ Zudem widersprache ein rein auf historischen Kosten basierendes Differenzkonzept der Zielsetzung des einfachen Wechsels zu den originaren IFRS. Der Ausschluss konkreter Bewertungsvorschriften scheint vielmehr dort angebracht, wo ein Fair Value - mangels objektiver Marktpreise - nur unter Zuhilfenahme von i. d. R. umfangreichen Berechnungs- und Annaherungsmodellen ermittelt werden kann. Letztere erfordern oftmals nicht nur umfassende untemehmerische Planungen und Prognosen, sondern fuhren zu einer Komplexitat in der praktischen Anwendung, welche kleine und mittlere Untemehmen uberfordem kann. Damit wird zudem das Argument einer unverhaltnismaliigen Kosten-Nutzen-Relation an Bedeutung gewinnen, das allein schon eine Differenzierung der originaren IFRS rechtfertigt. Im Ergebnis entspricht der Ausweis unrealisierter Gewinne, die auf umfangreichen Berechnungsmodellen basieren, nicht den primaren Informationsbedurfnissen der Jahresabschlussadressaten von kleinen und mittleren Untemehmen und konnte zudem aus Grunden einer unverhaltnismafiigen Kosten-Nutzen-Relation im Rahmen der differenzierten Vorschriften ausgeschlossen werden. Aus dieser Argumentation ergeben sich fur die Differenzierung der vollumfanglichen IFRS folgende konzeptionelle (Mindest-)Anforderungen:

^^^^ Ebenso Dallmann/UII (2004) S. 331, die mangels fehlenden Informationsinteresses eine ganzliche Abkehr von der Fair-Value-Bewertung fordern. 1344 Ailerdings geht die ISAR davon aus, dass dieses Vorgelnen grundsatzlich mit den IFRS in Einklang steht; vgl. UNCTAD (2000) S. 19, Nr. 76. ^^"^^ Handelt es sich dabei um Marktpreise, so stellt deren Beschaffung i. d. R. zudem keinen hohen Aufwand dar und kann nicht mit dem Kosten-Nutzen-Argument begrundet werden.

5.3 Systemaltemative IFRS •

277

Reduktion des Ausweises nicht realisierter Ertrage aus der Zeitwertbilanzierung (Fair-Value-Bewertung), sofern diese unter Zuhilfenahme von Bewertungsverfahren durchgefuhrt wurde und nicht auf einem objektiv ermittelbaren Marktpreis basiert;

• •

Mininnierung des Ruckgriffs auf Bewertungseinheiten sowie Reduktion des Ausweises nicht realisierter Ertrage, die einem anderen Periodisierungsprinzip entspringen, sofern damit (umfangreiche) Bewertungsverfahren verbunden sind.

Die Unnsetzung der hier vertretenen Anforderungen an ein Differenzierungskonzept nach IFRS wird zu einem eigenstandigen Regelwerk fuhren, das wesentliche Vereinfachungen und Abweichungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden im Vergleich von den vollumfanglichen Vorschriften beinhaltet. Werden die vereinfachten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden der bilanziell abzubildenden Unternehmensrealitat allerdings nicht gerecht, muss das bilanzlerende Unternehmen zu den originaren IFRS zuruckzukehren. Eine freiwillige Anwendung der originaren Vorschriften kann einem bilanzierenden Unternehmen aus Sicht des (privat organisierten) Boards grundsatzlich nicht untersagt werden. Der sog. „Optional Fallback" erscheint jedoch nur sinnvoll, wenn zwischen differenziertem und originarem Regelwerk wesentliche Unterschiede bestehen. Eine Ruckkehr auf „Standard-to-Standard"-Basis erscheint bereits aus Grunden der Vergleichbarkeit und der Gefahr einer bilanzpolitisch induzierten Anwendung vereinzelter IFRS problematisch.''^'^^ Das Verbot eines einzelfallorientierten Ruckgriffs auf origlnare Vorschriften wahrt insofern die Konsistenz beider Regelwerke unabhangig voneinander.

5.3.2.4.2 Anwendungsvoraussetzungen 5.3.2.4.2.1 Position des lASB Bei der Abgrenzung der zur Anwendung der SME-IFRS berechtigten Unternehmen verzichtet der lASB sowohl auf die Vorgabe spezifischer Schwellenwerte als auch auf die Definition von konkreten grofienbezogenen Unternehmensmerkmalen. Die Festlegung quantitativer Merkmale soil dabei den nationalen Gesetzge-

^^^^ Auch der britische FRSSE kann nur als Ganzes Oder gar nicht angewendet werden. Vgl. Powling/Pryde/Sharp (2002) S. 48-51 (5.11-5.17).

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

bern uberlassen bleibenJ^'^'' Aus diesem Grund bezeichnet der Board derartige Untemehmen seit Februar 2005 nicht mehr als SME sondern als „Non-publicly accountable entities" (NPAEs).^^^® Anstelle der quantitativen Abgrenzungskriterien eines SIVIE wird vom Board das starker qualitative Kriterlum der „Public Accountability" als Anwendungsvoraussetzung der geplanten differenzierten Rechnungslegungsstandards favorisiert. Demnach unterliegt ein Unternehnnen der offentlichen Rechnungslegungspflicht, wenn •

in hohem Mafie (nicht geschaftsfuhrende) Investoren Oder andere Stakeholder wirtschaftliches Interesse an dem bilanzierenden Untemehmen besitzen und diese bezuglich der ihnen zur Verfugung stehenden Finanzinformationen in erster Linie auf das externe Berichtswesen des Untemehmens angewiesen sind; oder

•

dem bilanzierenden Untemehmen aufgrund der Art und Weise seiner Geschaftstatigkeit eine wesentliche gesellschaftliche Bedeutung zukommt (z. B. Versorger).^^^^

Diese vagen Untemehmenscharakteristiken werden vom Board allerdings weiter konkretisiert. Indizien fur eine offentliche Rechnungslegungspflicht liegen bei folgenden Kategorien von Untemehmen vor:^^^° (a) Zulassung (auch beantragte) von Eigen- oder Fremdkapitalinstrumenten zum offentlichen Handel; (b) Treuhanderische Ven^^altung von Vermogenswerten fur einen breiten Anwenderkreis wie bei Banken, Versicherungen, Wertpapierhandlern, Pensionsfonds, u.a.; (c) Versorgungsuntemehmen, die wesentliche Bereiche der Offentlichkeit versorgen (wie Lieferung bzw. Bereitstellung von Gas, Wasser, Elektrizitat u.a.); (d) Untemehmen, die in ihrem jeweillgen Heimatland gemessen an Bilanzsumme, Jahresuberschuss, Mitarbeiterzahl, Marktstellung oder Art und Umfang (exter-

1347

Die Begrundung liegt neben der Unmoglichkeit einer weltweiten Vergleichbarkeit von quantitativen Unternehmensmerkmalen vor aiiem im „general principles-based approach to standardsetting" des Boards; vgi. lASB (2004a) S. 2 1 , Rn. 26 f. Vgl. lASB (2005a) S. 1. Der Begriff NPAE wird vom lASB jedoch nicht einheitilch verwendet; vgi. lASB (2005b) S. 1-11. In vorliegender Arbeit soil deshalb die weltwelt dominierende Bezeichnung „SME" beibehalten werden. Vgl. lASB (2004a) PV-SME 3.2 i. V. m. S. 22, Rn. 28-30 sowie die Ubersetzungen von Winkeljohann/UII (2004) S. 326 f.; Haller/Eierle (2004) S. 1840. Vgl. lASB (2004a) S. 22 f., Rn. 31 f. sowie die Obersetzung von LGdenbach/Hoffmann (2004b) S. 599.

5.3 Systemaltemative IFRS

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ner) Verpflichtungen eine bedeutende okonomische Stellung (..economically significant") einnehmen. Unabhangig von der offentlichen Rechnungslegungspflicht des bilanzierenden Unternehmens darf die Anwendung der SME-IFRS nur mit der Elnverstandniserkl^rung samtlicher Gesellschafter erfolgen.''^^^ Dabei spielt es keine Rolle, ob diese stimmberechtigt sind oder nicht. Der Board orientiert sich hierbei an den Anwendungsvoraussetzungen des kanadischen ..Differential Reporting". Aus den ..Preliminary Views" geht indes nicht hervor, ob (wie in Kanada) eine aktive Zustimmung samtlicher Gesellschafter vorliegen muss und ob diese bei einem Gesellschafterwechsel erneut ausgesprochen werden muss.''^^^ Da die Gesellschafter nach den Planen des lASB jedoch zunachst nur informiert werden mussen, ist davon auszugehen. dass deren Einverstandnis solange vorliegt, bis ein Widerspruch erhoben wird. Im Ergebnis kann dennoch jeder Gesellschafter eines Unternehmens dieses in die offentliche Rechnungslegungspflicht zwingen mit der Folge einer Anwendungspflicht der originaren IFRS. Dieses Widerspruchsrecht bestatigt eindrucksvoll die primare Investor- bzw. Eigentumerorientierung im Rahmen der Rechnungslegungsphilosophie des lASB.^^^^ Die Anwendung der originaren Rechnungslegungsvorschriften ist zudem fur samtliche Tochter- oder Beteiligungsunternehmen sowie assoziierten Gesellschaften obligatorisch, die im Rahmen der Konsolidlerung ohnehin die vollumfanglichen IFRS anwenden mussen, um den Vorgaben der Mutter- oder Beteiligungsgesellschaft bzw. dem Finanzinvestor zu genugen. Der Board begrundet das Verbot der Anwendung der SME-IFRS mit dem Argument, dass hierbei Informationen zuruckgehalten wurden, die in anderem Zusammenhang bereits generiert wurden.''^^'^ Vor diesem Hintergrund greift zudem das Argument der Kostenersparnis bei Anwendung der SME-IFRS bzw. der unverhaltnismaHig hohen Kosten bei Anwendung der originaren IFRS nicht. Mit dieser Regelung hat sich der Board erneut am kanadischen ..Differential Reporting" orientiert.''^^^ Die geplanten Anwendungsvoraussetzungen werden in Abblldung 5-3 (Seite 280) im Rahmen eines Entscheidungsbaums zusammengefasst:

Diese sind zunachst zu informieren; vgl. lASB (2004a) PV-SME 3.4. Vgl. CICA (2002a) S. 18 f., Tz. 47-49. Vgl. Haller/Eierle (2004) S. 1841. Vgl. lASB (2004a) S. 25. Rn. 38 f. So werden nach § 1300.11 Tochter- oder Beteiligungsunternehmen sowie Joint Ventures von den Optionen des ..Differential Reporting" ausgeschlossen, sofern diese fur ihre Mutter- bzw. Partnerunternehmen oder Investoren nach originaren kanadischem GAAP berichten mussen; vgl. CICA (2002a) S. 17 f.. Tz. 45.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Abbildung 5-3: Geplante Anwendungsvoraussetzungen der differenzierten Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS^^*®

5.3.2.4.2.2 Kritische Wurdigung Mit seiner vorgeschlagenen Abgrenzung ist der lASB weit von der international ubiichen - rein groflenorientierten - Definition einer „Small and Medium-sized Entity" abgewichen.^^^^ Obgleich sich der Board ausdrucklich gegen einen „Sizejgg^«i358 ausgesprochen hat, eroffnet er durch das Kriterium ..economically significant" bei der offentlichen Rechnungslegungspflicht dennoch die Moglichkeit der Berucksichtigung quantitativer Unternehmensmerkmale. Die international in der Rechnungslegung ubiichen Messgrofien wie Bilanzsumme, Jahresuberschuss Oder Mitarbeiterzahl werden zudem ausdrucklich zur Feststellung dieser Unternehmenskategorie empfohlen. Die Kategorie (d) „Unternehmen mit signiflkanter natlonaler okonomischer Bedeutung" mutiert vor diesem Hintergrund zu einem .Auffangbecken"''^^^, in deren Rahmen ausschliefilich auf quantitative Unterneh-

Eigene Darstellung in Aniehnung an Ludenbach/Hoffmann (2004b) S. 600. Vor diesem Hintergrund soil auch nach einem neuen Begriff fur die qualifizierenden Unternehmen gesucht werden; vgl. lASB (2005c) S. 15; lASB (2004b) S. 5. HalJer/Eierle verweisen in diesem Zusammenhang auf die bereits bestehenden Begriffe ..publicly accountable entities" (PAE) bzw. ..non- publicly accountable entities" (NPAE); vgl. Haller/Eierle (2004) S. 1840. Vgl. hierzu lASB (2004a) PV-SME 3.1. Winkeljohann/UII (2004) S. 327.

5.3 Systemaltemative IFRS

281

mensmerkmale abgestellt wird. Diese sollen allerdings von den nationalen Gesetzgebern erhoben werden. Urn der ursprunglichen Intention von ..economically significant" auf nationaler bzw. europaischer Ebene zu entsprechen, sind dannit weniger die Groflenkriterien aus europarechtlichen Vorgaben der 4. EG-RL bzw. § 267 Abs. 1 HGB^^^° heranzuziehen, als diejenigen im Sinne des Publizitatsgesetzes''^®^ Denn das Ziel des Vorstofies des lASB liegt im Ausschluss von Untemehmen, die aufgrund ihrer Grofie zunehmend den Eigenschaften von kapitalmarktorientierten Gesellschaften gleichen.^^®^ In jedem Fall hat die Abgrenzung anhand quantitativer Untemehmensmerkmale den zentralen Vorteil, dass diese sei sie auch umstritten - leicht anzuwenden ist. Obgleich die Hohe der Kategorie (d) „Untemehmen mit signifikanter nationaler okonomischer Bedeutung" ausschliefilich durch die nationalen Gesetzgeber definiert werden soil, hat der lASB anhand der ubrigen qualitativen Kriterien (a-c) weitreichende Einschrankungen in der Anwendung der SME-IFRS vorgenommen. So stent sich bspw. die Frage, ob und weshalb kleine, regional tatige Versorgungsoder Entsorgungsunternehmen grundsatzlich von der differenzierten Rechnungslegung nach IFRS ausgeschlossen werden sollten.''^®^ Deutlich wird hierbei, dass in den ubrigen drei Kategorlen - mangels eindeutiger Konkretisierung - „noch grofle Interpretationsspielraume offen"''^^ stehen. So werden vom Board die vom Ausschluss betroffenen Unternehmen nur beispielhaft aufgezahit, wahrend eine abschliefiende und konkrete Ausgrenzung bestimmter Unternehmenssegmente unterbleibt. In jedem Fall sollen hingegen die kapltalmarktorientierten Unternehmen der Kategorie (a) von der differenzierten Rechnungslegung nach IFRS ausgeschlossen werden - selbst wenn dieses anhand nationaler Bestimmungen zulassig ware."*^^^ Der Board scheint sich mit dieser Aussage uber nationales Recht stellen zu wollen. Hierbei liegt jedoch vielmehr eine politische Phrase vor, als „eine in der Realitat umsetzbare Aussage [...], da die Normensetzungskompetenz des lASB grund-

, Europaische Union (2003a) S. 2. '^^^ Vgl. § 1 PublG. ^^®^ Bei diesen Unternehmen ist davon auszugehen, dass im Unterschied zu kleinen Unternehmen externe Bilanzadressaten - weder Geseilschafter noch Glaubiger - existieren, welche auf die externe Berichterstattung des bilanzierenden Unternehmens angewiesen sind; vgl. lASB (2004a) S. 24, Tz. 32 (d). ^^^^ Vgl. lASB (2005c) S. 10. ^^^ Haller/Eierle (2004) S. 1841. Im Zentrum der Kritik stehen dabei die Kategorien (b) „Verm6genswerte treuhanderisch verwaltende Untemehmen" sowie die (c) ..Versorgungsuntemehmen". ^^^^ Vgl. lASB (2004a) S. 14, Rn. 4 sowie S. 17, Rn. 13.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

satzlich jener nationaler Normierungsinstitutionen untergeordnet ist."''^^^ Vor diesem Hintergrund scheint es nicht uberraschend, dass nahezu die Halfte der Teilnehmer in der Kommentierungsphase Bedenken gegen die vom Board vorgeschlagenen Indikatoren der offentlichen Rechnungslegungspflicht vorgebracht haben^^^^ Einen grolieren Widerstand hat die geplante Einverstandniserklarung samtlicher Eigentumer hervorgerufen. Ober 82 % der an der Kommentierungsphase beteiligten Unternehmen und Institutionen haben sich gegen eine entsprechende Regelung ausgesprochen.^^®® So erscheint es unverhaltnismaHig, dass bereits ein einziger Gesellschafter, selbst wenn dieser nicht stimmberechtigt ist, die Anwendung der originaren IFRS erzwingen kann. Im Ergebnis wurde die Abgrenzung eines SME und die damit verbundene Anwendung der differenzierten Vorschriften nicht anhand objektiver Kriterien ermittelt, sondern bliebe durch die Widerspruchsfreiheit mit den Gesellschaftern gewahrt. Letzteren kann daraus ein nicht zu unterschatzendes Drohpotenzial gegenuber dem bilanzierenden Unternehmen erwachsen. Eine derartige „ubertriebene Auspragung des IVIinderheitenschutzes"^^®® stellt zudem einen tiefen Eingriff eines privaten Standard-Setters in nationales Gesellschaftsrecht dar. Vor dem Hintergrund des jungsten europaischen Vorstofies gegen „rauberische Minderheitsaktionare"''^^° und deren Squeeze out erscheint es zweifelhaft, dass der (deutsche) Gesetzgeber einer solchen Vorgabe folgen wird.^^^^ Ferner ist der Ausschluss bestimmter Konzernunternehmen von den differenzierten Vorschriften, sofern deren Mutter-, Beteiligungs- bzw. Partnerunternehmen die originaren IFRS anwenden, nur bedingt nachvollziehbar. EInem Tochterunternehmen, dessen (oberste) IVIuttergesellschaft einen Konzernabschluss nach IFRS

^^^ Haller/Eierle ( 2 0 0 4 ) 8 . 1 8 4 1 . ^^^^ Mehr als 45 % der Teilnehmer monieren insbesondere die Unbestimmtheit der Begriffe und die daraus resultierenden Praktikabiiitatsprobleme in der Anwendung. Zudem wird die Prufung der „Public Accountability" generell als zu aufwendig empfunden. Vgl. lASB (2005c) S. 10 f. ^^^^ Neben der Unangemessenheit, dass nur ein einziger Gesellschafter die Rechnungslegung nach originaren IFRS erzwingen kann, sollten nach Meinung der Teilnehmer derartige Regelungen den nationalen Gesetzgebern uberlassen werden; vgl. lASB (2005c) S. 11. ^^^ Haller/Eierle (2004) S. 1841. ^^^° Ludenbach/Hoffmann (2004b) S. 599 f. ^^^^ Der von der Europaischen Kommission am 29.10.2004 vorlegte Richtlinienanderungsvorschlag betreffend die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie schlSgt die EinfiJhrung europaweit einheitilcher Regelungen zur Einfuhrung von Squeeze out und Sell out vor. Demnach soil es zukunftig mOglich sein, dass Aktionare, die 90 bis 95 % des Grundkapitals einer borsennotierten Kapitalgesellschaft halten, die ubrigen Minderheitsaktionare gegen eine angemessene Abfindung ausschlieflen kOnnen; vgl. EuropSische Kommission (2004). Eine Ubersicht geben Maul/Eggenhofer/Lanfermann (2004) S. 5-8.

5.3 Systemalternative IFRS

283

aufstellt, bleibt auf der Konsolidierungsvorstufe oftmals keine Wahl, als zumindest im Rahmen der Handelsbilanz II die originaren IFRS anzuwenden. Bei diesen (Konzern-)Unternehmen ist die Bilanzierung nach IFRS daher auch bei kleinen und mittleren Unternehmenseinheiten weit verbreitet.''^''^ Weitere Abschlusse - ob nach den Regein der SME-IFRS oder des HGB aufgestellt - bedeuten fur solche Konzerngesellschaften daher i. d. R. einen Mehraufwand. Die Argumentation des Boards kann insofern nicht analog in gleicher Weise auf Beteiligungsunternehmen Oder assoziierte Gesellschaften ausgeweitet werden. In praxi besteht hier aus Sicht eines Finanzlnvestors oftmals gar nicht die Moglichkeit, das Management seiner Beteiligung zur Anwendung der originaren Rechnungslegungsvorschriften zu bewegen. Vor dem Hintergrund, dass der beteiligte Gesellschafter in seiner Funktion als Eigentumer ohnehin im Rahmen der Widerspruchsregelung die originaren IFRS durchsetzen kann, erscheint der zwingende Ausschluss bestimmter Unternehmen in konzernartigen Strukturen uberflusslg. Im Ergebnis wird deutllch, dass die vom lASB vorgeschlagenen Anwendungsvoraussetzungen zur differenzierten Rechnungslegung nach IFRS zu eng gefasst sind. Der Board hat sich im Rahmen seiner Vorschlage im Wesentlichen am kanadischen Referenzmodell des ..Differential Reporting" orientiert. Eine derartige Auslegung wird der internationalen Diversifizierung von kleinen und mittleren bzw. nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen jedoch in keiner Weise gerecht. Zudem uberschreitet der Board in Teilen seine Kompetenz als privater StandardSetter, indem er in nationales Gesellschaftsrecht durch eine zu starke Abgrenzung und den geplanten Eigentumervorbehalt eingreift. Eine Uberarbeitung der vom lASB vorgeschlagenen Anwendungsvoraussetzungen ist derzeit allerdings nicht geplant.''^'^^

5.3.2.4.2.3 Weiterfuhrende Forderungen Angesichts der dargestellten Problematik ist eine Beschrankung der zahlreichen und zudem unprazisen - Abgrenzungskriterien zur differenzierten Rechnungslegung nach IFRS angebracht. Sinnvoll erscheint eine starkere Orientierung (und Ausrichtung) an den Identifizierten Beweggrunden zur Erstellung einer differenzierten Rechnungslegung - namentlich den unterschiedlichen Informationsbedurfnissen des Adressatenkreises. Letztere resultieren aus den besonderen Charakteristika nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen, die im Unterschied zu borsenno^^^^ Vgl. Ludenbach/Hoffmann (2004b) 8. 601, die zudem einen ..Abfarbeeffekt" auf die anderen Unternehmen - und damit ein UnterJaufen der SME-IFRS - befurchten. ^^^^ lASB (2005c) 3 . 1 5 .

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

tierten Publikumsgesellschaften keiner Vielzahl von anonymen Aktionaren gegenuberstehen, welche auf die externe Berichterstattung angewiesenen sind. Die einzige Anwendungsvoraussetzung der SME-IFRS bestunde folglich in der Kiassifizierung eines Untemehmens als „nicht kapitalmarktorientiert".''^^^ Inn Ergebnis bedeutete eine Klassifizierung als „kapitalmarkt- bzw. borsennotiert" die Anwendung der orlglnaren IFRS, wahrend die „nicht kapitalmarktorientierten" Untemehmen nach den differenzierten SME-IFRS bilanzieren durften. Da die Begriffsabgrenzung „nicht kapitalmarktohentiertes Untemehmen" lediglich eine vage Formulierung liefert, muss im Rahmen von neu zu definierenden Anwendungsvoraussetzungen auf die zentralen Charakteristika des Begrlffs abgestellt werden: Neben der Einhelt von Eigentum und Leitung geht es dabel um die Entscheidungsunabhangigkeit des Eigentumers.''^^^ Mit Letzterem waren samtliche Konzernunternehmen von den differenzierten Vorschriften nach IFRS ausgeschlossen. Will man ferner den Gegebenheiten der Praxis Rechnung tragen und berucksichtigen, dass auch in kleineren und mittleren Unternehmen Fremdmanagement beschaftigt sein kann, wird man von einer Einheit aus Eigentum und Leitung im erweiterten Sinne nach Wolter/Hauser ausgehen mussen.''^^^ Insofern ware auch assoziierten Unternehmen Oder Betelligungsunternehmen die Anwendung der differenzierten Vorschriften nicht per se verwehrt. Eine weiterfuhrende Einschrankung in der Anwendung der SME-IFRS durch nationale Gesetzgeber - anhand quantitativer Unternehmensmerkmale - bleibt hiervon unberuhrt. Gleiches gilt fur die Einverstandniserklarung der Gesellschafter, die vorllegen muss, um die differenzierten IFRS-Vorschriften anwenden zu durfen. Diese sollte jedoch nicht an eine aktive Zustimmung gekoppelt sein, sondern im Rahmen eines WIderspruchrechts der Eigentumer verstanden werden. Ein Ausbleiben des Widerspruchs gilt damit als stille Zustimmung. Um Missbrauch vorzubeugen, ist eine Beschrankung der Widerspruchsregelung auf einen Mindestkapitalantell sinnvoll.''^^^ Vor dem HIntergrund unterschledlicher gesellschaftsrechtllcher Auffassungen hieruber scheint die Regelungshoheit derartiger Vorschriften bel den nationalen Gesetzgebern am besten aufgehoben zu sein.''^^^

Das entspricht dem Kriterium (a) der ..Public Accountability" gemafi PV-SME; vgl. lASB (2004a)S.22, Rn. 31. Vgl. hierzu die umfangreichen Ausfuhrungen in Kapitel 1.3, S. 10. Demnach liegt die Einheit von Eigentum und Leitung i. w. S. vor, wenn durch maximal zwei naturliche Personen (bzw. deren Familienmitglieder) mind. 50 % der Anteile gehalten werden und diese naturlichen Personen zugleich der GeschSftsfuhrung angehdren; vgl. Wolter/Hauser (2001)8.33. Um einen Widerspruch zu erheben, mussen bspw. in Australien nach dem Corporations Act 2001, Section 293, mindestens 5 % der Gesellschafter hierfur votieren; vgl. CAPA (2003) S. 9. Ebenso Haller/Eierle (2004) S. 1841.

5.3 Systemaltemative IFRS

285

Aus deutscher Sicht empfiehlt sich eine Orientierung am Funktionsmechanismus der Befreiungsvorschrift des § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB. Diese untersagt eine Befreiung vom Teilkonzemabschluss, wenn die Gesellschafter des zu befreienden (Mutter-)Unternehmens, denen bei einer AG bzw. KGaA mindestens 10 % und bei einer GmbH mindestens 20 % der Anteile gehoren, spatestens sechs Monate nach Ablaut des Geschaftsjahres die Aufstellung eines Teilkonzemabschlusses beantragen.''^^^ Analog konnte diese Regelung auf die Befreiung von der Rechnungslegung nach originaren IFRS zugunsten der Anwendung der differenzierten IFRS ausgelegt werden. Analog zur Position des lASB ist davon auszugehen, dass auch nach § 291 Abs. 3 S. 2 HGB die ausdruckliche Zustimmung eines jeden einzelnen Minderheitsgesellschafters vorliegen muss.^^®° Die Forderung nach der Zustimmung samtlicher Gesellschafter verliert jedoch spatestens dann ihren Sinn, „[...] wenn die zu schutzenden Gesellschafter ihre Rechte nicht ausuben konnen Oder wollen."''^®'' Insofern sollte der dem deutschen HGB entsprechende Schutzmechanlsmus ebenso ubernommen werden, dass auf die Zustimmung der Gesellschafter verzichtet werden kann, wenn das bilanzierende Unternehmen „[...] alles Zumutbare - beispielsweise einen offentlichen Aufruf - unternommen hat."^^®^ In diesem Fall wird die Zustimmung der nicht antwortenden Gesellschafter unterstellt. Im Ergebnis beschrankt sich eine auf den genannten Forderungen basierende Anwendungsvoraussetzung der geplanten SME-IFRS auf folgende drei Unternehmenskategorien:^^®^ •

Nicht kapitalmarktorlentierte Unternehmen, die keiner offentlichen Rechnungslegungspflicht^^^ unterliegen - wobei die konkreten Kriterien der Einheit von Eigentum und Leitung im weiteren Sinne sowie der Entscheidungsunabhangigkeit des Eigentumers gewahrleistet sein mussen.

^^^^ Analog kann eine Befreiung von der Ersteilung eines Teilkonzemabschluss nach § 291 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 HGB unterbleiben, wenn bei einer Beteiiigung des ubergeordneten Mutterunternehmens an dem zu befreienden Mutterunternehmen von mindestens 90 % die anderen Gesellschafter der Befreiung nicht zugestimmt haben; vgl. KutingA/Veber (2003) S. 97 f. ^^^° Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2002) S. 103. ^^^^ Wysocki (1987)8.280. ^^®^ Baetge/Kirsch/Thiele (2002) S. 103. Sie verweisen im Ubrigen darauf, dass nach § 291 Abs. 3 kleinere Minderheiten (> 10 %) besser geschutzt sind als groRere, fur die lediglich § 291 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 HGB gilt. Gleichzeitlg besteht fOr Minderheitsgesellschafter in einer GmbH uberhaupt kein Schutz, wenn der Mehrheitsgesellschafter mehr als 80 % der Anteile halt; vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2002) S. 103. ^^^^ Eine vergleichbare dreigliedrige Kategorisierung (Public Accountability - Separation of Owners and Governing Body - Size) schlagt auch die CAPA vor; vgl. CAPA (2003) S. 12. ^^^^ Das Vorliegen einer offentlichen Rechnungslegungspflicht kSnnte bspw. fur bestimmte Branchen wie Banken o.S. automatisch unterstellt werden.

286 •

5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme Unternehmen, bei denen ein (national zu bestimmender) Prozentsatz der (stimmberechtigten Oder njcht stimmberechtigten) Eigentumer aktiven Widerspruch gegen die Anwendung der SME-IFRS anmeldet.

•

Unternehmen, die aufgmnd (national zu bestimmender) Groftenkriterien nicht mehr als klelne Oder mittlere Unternehmen anzusehen sind und deshalb quasi einer 5ffentlichen Rechnungslegungspfllcht unterllegen.

Ein vergleichbarer Vorschlag wurde indes vom neuseelandischen FRSB Im Rahmen des ED-98 unterbreltet.''^®^ Neben dem Ausschluss der ..Public Accountability" wird ferner die Einheit von Eigentum und Leitung gefordert. Diese ist nach § 3.6 selbst dann nicht auszuschliefien, wenn der Inhaber in Form einer juristischen Person auftrltt. Ein Minderheitenschutz In Form einer Einverstandniserklarung der Gesellschafter ist dort nicht vorgesehen.

5.3.2.5 Modifikation von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden 5.3.2.5.1 Vorschlag des lASB Im Rahmen der ..Preliminary Views" wurden vom Board zunachst Andemngen In den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden kategorisch ausgeschlossen.''^®^ Die geplanten Modifikationen sollten sich deshalb vornehmlich auf die Reduktion der Offenlegungspflichten konzentrierenJ^®'' Vor dem Hintergrund starken Widerspruchs In der Kommentierungsphase hat der Board seine Ansichten revidiert:''^®® ..The Board should consider recognition and measurement simplifications for SMEs, as well as disclosure and presentation simplifications [...]"''^^®. Gleichzeitig hat dieser jedoch klargestellt, dass neben dem Framework der IFRS auch die Grundregein des Ansatzes von Vermogenswerten und Schulden sowie Ertragen und Aufwendungen in gleichem Malie Gultigkeit fur die differenzierten und die originaren Vorschriften besitzen.''^®° Etwaige Vereinfachungen werden damit aus-

^^^ Vgl. ED-98 Framework for Differential Reporting for Entities applying the New Zealand Equivalents to International Financial Reporting Standards Reporting Regime; erhaitlich unter <www.icanz.co.nz>. ^^^ Vgl. lASB (2004a) PV-SME 7.3, wo der Board von der ..rebuttable presumption of no recognition and measurement modifications" ausgeht. ^^^ Diese werden in Kapitel 5.3.2.6, S. 291 erOrtert. ^^^ So wurde noch im Jahr 2003 die Meinung vertreten, Modifikationen an den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden seien nicht notwendig: „The Board is currently not disposed to change the recognition and measurement requirements of individual lASB standards." lASB (2003). ^^^ lASB (2004b) 8. 5. ^^^° Vgl. lASB (2004a) S. 15, Rn. 7.

5.3 Systemalternative IFRS

287

schliefilich auf die Bewertungsmethoden beschranktJ^®^ Der Board hat ferner angekundigt, diese in einem moderaten Rahmen vornehmen zu wollen.''^^^ Konkrete Vorschlage wurden indes noch nicht unterbreitet, sondern ausschlielilicii beispielhafte Aufzahlungen vorgenommen. Folgende Bewertungsvereinfachungen werden beispielhaft in En^/agung gezogen:^^^^ (a) Bewertung zu fortgefuhrten Anschaffungs-ZHersteliungskosten anstelle zum Fair Value; (b) Vereinfachte Abschreibungsmetiioden sowie (c) Bewertungsvereinfachungen bei Mitarbeitergratifikationen (IAS 19 und IFRS 2). Letztlich jedoch sind der Umfang der beabsichtigten Modifikationen sowie deren konkrete Ausgestaltung derzeit vollig offen. Dennoch hat der Board seine Bereitschaft, Erieichterungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu berucksichtigen, in einer zweiten Unnfrage^^^'^ im April 2005 bestatigt. Konkrete Modifikationen werden auch dort nicht vorgeschlagen, jedoch beispielhaft Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden aufgezahit, zu denen die Fachoffentlichkeit Stellung nehmen kann."*^®^ Dabei wird deutlich, dass sich die vom Board vorgesehen Modifikationen offensichtlich lediglich auf punktuelle Bewertungsvorschriften beschranken sollen. Die Ausklammerung ganzer Standards oder Teilbereiche derer scheint insofern nicht vorgesehen.

5.3.2.5.2 Kritische Wurdigung Obgleich der Board einerseits Vereinfachungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden in Erwagung zieht, werden an anderer Stelle Unterschiede im Bilanzansatz ganzlich ausgeschlossen. Diese Argumentation uberzeugt insofern, als der gleiche Sachverhalt in einem nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen grundsatzlich nicht anders bilanziert werden kann als in einer borsennotierten Gesellschaft. Dieses fuhrte zu inkonsistenten und damit irrefuhrenden Darstel-

Unterschiede in Ansatzkriterien der differenzierten und originaren Vorschriften werden von diesem als „[...] troublesome and illogical" bezeichnet; vgl. lASB (2004a) S. 40, Rn. 82. Vgl. lASB (2004a) S. 38, Rn. 76. Vgl. lASB (2004a) S. 40, Rn. 84. Vgl. Staff Questionnaire on Possible Recognition and Measurement Modifications for Small and Medium-sized Entities (SMEs) vom 5.4.2005; vgl. lASB (2005b). Vgl. lASB (2005b), Attachment A, S. 8 f. Der BDI hat auf Basis dieser Vorlage einen umfangreichen Fragebogen erstellt, um die Notwendigkeit moglicher Ansatz- und Bewertungserleichterungen empirisch identifizieren zu konnen; vgl. Bundesverband der deutschen Industrie e.V. (2005) S. 1-9.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

lungen.^^^® Ferner wurde hierdurch ein Ubergang zu den originaren IFRS erschwert. Vereinfachungen in den Bewertungsmethoden rucken damit ins Zentrum der Betrachtung. Der Board begrundet die Notwendigkeit von Bewertungsvereinfachungen mit dem Argument, dass die Zuverl^ssigkeit in der Wertermittiung (..measurement reliability") bei kleineren Unternehmen aufgrund deren beschrankter Ressourcenkapazitaten schwanken kann bzw. die Kosten zur Eriangung einer mit groden Unternehmen vergleichbaren Bewertungsqualitat ungerechtfertigt erscheinenJ^^^ Die Argumentation des Boards kann jedoch vor dem Hintergrund, dass die Zuverlassigkeit der Bewertung nach § 83 des Frameworks ein zentrales Kriterium fur den Ansatz von Vermogenswerten und Schulden darstellt, nicht uberzeugen. Insofern lassen sich Modlfikationen im Bilanzansatz ohne einen Verstofi gegen die Grundprinzipien des Frameworks rechtfertigen.^^^® Haller/Eierle erscheint die Beschrankung von Vereinfachungen auf den Bereich der Bewertung - bei gleichzeitigem Ausschluss von Modifikatlonen Im Bilanzansatz - „[...] inkonsequent und wenig logisch"''^^®. In Einzelfallen sollte deshalb durchaus in Erwagung gezogen werden, auf Basis von Kosten-Nutzen-Analysen Abweichungen von der grundsatzlichen Gleichbehandlung im Bilanzansatz zu akzeptieren.''^°° Dieses kann jedoch nur fur spezielle Ansatzvorschrlften, nicht aber fur die allgemeinen Ansatzkriterien (des Frameworks) gelten. Etwalge Modifikatlonen im Ansatz bestimmter Sachverhalte sollten aus Grunden der Konsistenz beider Regelwerke sowie im Rahmen eines einfachen Obergangs jedoch nur in Ausnahmefallen gewahrt werden. Neben dem Auswahlkriterium einer komplexen Wertermittiung konnte zudem auf Sachverhalte abgestellt werden, die vom Prinzip her in den originaren Vorschriften als strittig zu bezeichnen sindJ'*^^ Die bestehenden faktischen Ansatzwahlrechte im Bereich der Entwicklungskosten^'^^^ und aktiven laten-

^^^^ Bereits Leffson lehnt aus diesem Grund eine rechtsformbezogene Differenzierung der GrundsStze ordnungsgemafler Buchfijhrung ab; vgl. Leffson (1987) S. 152. Ebenso Dallmann/UII (2004) S. 330, die betonen, dass ein Vermogenswert nicht unternehmenstypenabhangig vorliegen kann. Sowie lASB (2004a) S. 15, Rn. 7. ^^^^ Vgl. lASB (2004a) S. 40, Rn. 83. Diese Vorgehensweise entspringt dem „Cost-BenefitApproach" nach F. 44; vgl. Ludenbach/Hoffmann (2004b) 8. 607. ^^^^ Vgl. Haller/Elerle (2004) S. 1844. '^^^ Haller/Eierle (2004) S. 1844. ^*°° Diese Vorgehensweise entspricht dem britischen FRSSE, der zwar grundsatzlich identischen Ansatzvorschrlften wie den (originSren) FRS unterliegt, in Ausnahmefallen wie dem Ansatzverbot von selbst erstelltem immateriellem Aniagevermogen aber abwelcht; vgl. Eierle (2004b) S. 993; Powling/Pryde/Sharp (2002) S. 56 (6.6). '^°' Vgl. hierzu Kapitel 5.3.2.4.1.3, S. 275. ^^°^ In einer Untersuchung uber die Bilanzierungspraxis von Entwicklungskosten stellen Leibfried/Pfanzelt ein branchenspezifisches Aktivierungsverhalten fest, dass weder durch die H5he der absoluten Entwicklungskosten noch durch die F&E-lntensitat der bilanzierenden Unternehmen zu erklaren ist. Von einer konsistenten Anwendung dieser Vorschrift kann insofern keine Rede sein. Ferner sehen die Verfasser GestaltungsspielrSume, die „[...] hier sicherlich

5.3 Systemalternative IFRS

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ten Steuern boten bspw. einen Ausgangspunkt fur die Modifikation spezieller Ansatzvorschriften. Gerade bei latenten Steuern konnte zudem die generell aufwendige Wertermittlung und die damit einhergehende Beeintrachtigung der Zuverlassigkeit der ermittelten Werte zu weiterfuhrenden Vereinfachungen in deren Ansatz fuliren.'''*^^ Derartige Ausnahmen stunden einer grundsatziiciien Ubereinstimnnung der allgemeinen Ansatzkriterien von differenzierten und originaren IFRS nicht entgegen. Im Rahmen der Modifikationen von Bewertungsverfahren gibt der Board zwar eine beispielhafte Aufzahlung von drei Vereinfachungsvorschlagen vor, die aber eine konzeptionelle Grundlage vermissen lassen, auf der zukunftige Erieicliterungen systematiscii aufbauen sollen. Allerdings werden vom Board in Punkt (a) die konzeptionellen Forderungen des Kapitels 5.3.2.4.1.3 bestatigt, die vor dem Hintergrund einer aufwendigen Wertermittlung (bei fehlenden Marktpreisen) ein Abweichen vom Fair Value zugunsten einer Bewertung zu fortgefuhrten Anschaffungsbzw. Herstellungskosten vorsehen.'"^°'* So erscheint „angesichts des vermuteten fehlenden Informationsinteresses des Adressatenkreises an prognoseorientierten Rechnungslegungsdaten [...] eine partielle Abkehr von der Kategorisierung der Finanzinstrumente gem. IAS 39.69 (revised 2003) und damit einhergehend der Verpflichtung der Bewertung zum Fair Value sachgerecht."^'^^^ Gerade der in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen als oftmals sehr komplex und aufwendig erachtete IAS 39 durfte im Rahmen potenzieller Bewertungsvereinfachungen einer der zentralen Diskussionspunkte darstellen.^'^^^ Hiervon geht nach Dallmann/UII zugleich die nicht zu unterschatzende Gefahr aus, dass „[...] der Bewertungsmadstab Fair Value auch vor dem Hintergrund teilweise massiver Kritiken fur die originaren IFRS wieder in Frage gestellt wurde."^'*^^ Deutlich wird dabei zudem die Brisanz, die von einem differenzierten IFRS-Regelwerk ausgehen kann. Ob die

Ober GebCihr genutzt [...]" werden; vgl. Leibfried/Pflanzelt (2004) S. 497. Zu den Moglichkeiten der Bilanzpolitik nnit Entwicklungskosten vgl. Kapitel 4.2.2.1.2, S. 142. Die beiden einzigen auf IFRS basierenden Differenzierungskonzepte bestatigen diese Auffassung. So sollen nach ED-98 Entwicklungskosten als Aufwand verbucht werden, wahrend die ISAR deren Aktivierung nach ahnlichen Kriterien wie IAS 38 vorschreibt (die sofortige Abschreibung aber empfiehit); vgl. FRSB (2004) S. 22; UNCTAD (2004a) Guideline 5.6. Im Bereich der latenten Steuern besteht grofiere Einigkeit: Beide Konzepte gewahren dem bilanzierenden Unternehmen zumindest ein Wahlrecht, aktive latente Steuern zu bilanzieren; vgl. UNCTAD (2004a) Guideline 11.4; FRSB (2004) S. 15. Vgl. Kapitel 5.3.2.4.1.3, S. 275. Dallmann/UII (2004) S. 331. So werden Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten im SMEGA-Konzept (Level-ll) ganzlich ausgeklammert; vgl. UNCTAD (2004b) S. 32-66. Zu den Anwendungsproblemen des IAS 39 in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen vgl. Heintges/Harle (2005) S. 173-181. Dallmann/UII (2004) S. 331.

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5 Praktikabiljtat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

unter (b) geforderte Modifikation der Abschreibungsmethoden zu vergleichbaren Vereinfachungseffekten fuhrt, ist indes anzuzweifeln. Im Ergebnis wird hier lediglich eine verstarkte Anwendung der linearen Abschreibungsmethode zu erwarten sein. Auch im Rahmen etwaiger Bewertungsvereinfachungen bei Mitarbeitergratifikationen (c) erscheinen wesentliche Erleichterungen fragwurdig. Hier stellt sich ferner die Frage, ob derartige Standards uberhaupt mangels Existenz solcher Sachverhalte in kleinen und mittleren Unternehmen Anwendung finden.'''*^® Insofern scheint die ganzliche Ausklammerung vergleichbarer Standards aus den differenzierten Vorschrlften durchaus angebracht. Der Ausschluss eines originaren IFRS von den differenzierten Vorschriften wird vom Board derzeit nur in Erwagung gezogen, wenn dieser sich ausschliefllich auf borsennotierte Unternehmen bezieht. Der Board hat in diesem Zusammenhang bereits zwei Standards benannt, die aus seiner Sicht nur den Informationsbedurfnissen von Abschlussadressaten borsennotierter Unternehmen entsprechen.^'*^^ Die Notwendlgkeit des Ausschiusses ganzer Standards wird von Kritikern oftmals in Frage gestellt, da die weniger komplexen und vor allem nicht auf den Kapitalmarkt ausgerichteten Begebenheiten in kleinen und mittleren Unternehmen ohnehln nicht zur Anwendung entsprechender Bllanzierungsvorschriften fuhre.'"^''° Ludenbach/Hoffmann gehen davon aus, dass sich der Kosten-Nutzen-Gedanke im Bereich von kleinen und mittleren Unternehmen quasi von selbst verwirkliche.^^^^ Dieser Argumentation kann jedoch nur bedlngt gefolgt werden. Exemplarisch kann hier erneut der IAS 39 herangezogen werden. Dieser regelt die Bilanzierung und Bewertung von einfachen Forderungen bis zu komplexen Sicherungsbeziehungen und Derivaten. Wahrend davon auszugehen ist, dass Letztere in kleinen und mittleren Unternehmen nur selten vorllegen, muss sich das bilanzlerende Unternehmen aufgrund seiner bestehenden Forderungen dennoch mit dem komplexen IAS 39 als Ganzes auselnander setzen.'''^''^ Insofern bleibt abzuwarten, inwiefern vom lASB bestehende Vorschriften ganzlich ausgeklammert werden mussen, um nennenswerte Erleichterungen zu erzielen.

^^°® So kann zumindest die Ausgabe von Aktienoptionen in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen grundsatzlich ausgeschlossen werden. ^*°® Dazu geheren IAS 14 (Segmentberichterstattung), IAS 33 (Earnings per Share); vgi. lASB (2004a)S. 16, Rn.9. ^^^^ Mit dieser Begrundung hat der neuseelandische FRSB im Rahmen des ED-98 bspw, den IAS 33 (Earnings per Share) unverandert in sein Differenzierungskonzept ubernommen; vgl. FRSB (2004) S. 26. 1411

Vgl. Ludenbach/Hoffmann (2004b) S. 607.

^^^^ Die ISAR hat vor diesem Hintergrund die Vorschriften fur Finanzinstrumente ganzlich ausgeklammert; vgl. UNCTAD (2004b) S. VI. Der FRSB zieht eine Uberarbeitung der komplizierten Regelungen in Erwagung; vgl. FRSB (2004) S. 26 f.

5.3 Systemaltemative IFRS

291

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die beispielhaften Aufzahlungen des Boards nur den Beginn weiterfuhrender Bewertungsvereinfachungen darstellen konnen wenngleich der Board derzeit keine umfangrelchen Vereinfachungen in Erwagung zieht. Die Schwierigkeiten liegen hierbei insbesondere in der Systematisierung und der daraus resultierenden Quantifizierung notwendiger Vereinfachungen. Der Board nnuss eine nachvollziehbare Grundlage schaffen, weshalb er aufgrund von Wesentlichkeitsuberlegungen (Materiality) und Kosten-Nutzen-Erwagungen Vereinfachungen bei bestimmten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden fur vertretbar erachtet und bei anderen nicht. Ludenbach/Hoffmann bezeichnen die Anwendung von Wesentlichkeitsuberlegungen auf Ansatz- und Bewertungsvereinfachungen als auderst problennatisch: „Denn einer quantifizierenden Konkretisierung der Materiality auf diesem Gebiet haben sich Standardsetzer, Berufsgremien und Gesetzgeber bis zum heutigen Tag erfolgreich widersetzt, aber nicht aus bosem Willen, sondern eben aus der praktischen Unmoglichkeit."^'*^^ Das zentrale Problem besteht dabei in der Frage, wann genau der Punkt erreicht ist, an dem die Kosten einer Bewertungsmethode deren Nutzen uberschreiten bzw. wann diese als wesentlich zu erachten ist. Eine objektive Quantifizierung erscheint daher unmoglich. Jeder Vereinfachung liegt demnach eine subjektive Entscheidung des Standard-Setters zugrunde.'''^''^ Dieser Wertung wird sich der lASB nicht auf Dauer entziehen konnen.

5.3.2.6 Reduktion von Publizitatspflichten 5.3.2.6.1 Vorschlag des lASB Die Reduktion von Offenlegungsanforderungen stellt fur den Board derzeit den zentralen Ansatzpunkt in der Differenzierung der originaren IFRS dar. Hier sieht dieser in erster Linie die Moglichkeit gegeben, anhand der Interessendivergenz der Jahresabschlussadressaten sowie aufgrund von Kosten-Nutzen-Uberlegungen etwaige Vereinfachungen zu identifizieren und zu rechtfertigen.""^^^ Analog zu den Bewertungsverfahren wurden konkrete Vorschlage jedoch noch nicht unterbreitet, sondern ausschlielilich beispielhafte Aufzahlungen vorgenommen. So will der

LOdenbach/Hoffmann (2004b) S. 611. Schildbach bemerkt hierzu, dass die Frage, „[...] welche Rechnungslegungsregein den Jahresabschluss am besten zur Erfuilung seiner Aufgaben befahigen, Generationen von Forschem zu den unterschiedlichsten Ergebnissen gefuhrt hat und auch in Zukunft nicht eindeutig beantwortbar sein wird [...]": Schildbach (2003) S. 1071. Dieser ..arbitrariness" setzen bestimmte Standard-Setter, wie der neuseelandische FRSB, Erklarungen entgegen, urn die getroffene Entscheidung zumlndest nachvoilziehen zu kdnnen; vgi. CAPA (2003) 8. 14; FRSB (2004). Vgl. lASB (2004a) PV-SME 7.2.

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5 PraktikabJIitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Board bspw. in den Bereichen Ertragssteuern und Leasing auf spezifische Informationsanforderungen verzichten."''*^® Gleichzeitig sieht der Board jedocli keine Moglichkeit zur Reduktion von Offenlegungsanforderungen gegeben, wenn entsprechende Daten sowieso im Rahmen der zugrunde liegenden Bewertungsmethoden geschaffen wurden. Schreibt ein Standard bspw. die Bilanzierung zum Fair Value vor, wird es keinen besonderen Mehraufwand darstellen, die im Rahmen dieser Bewertung ermittelten Daten und Erkenntnisse auch offen zu legen. Vor diesem Hintergrund sieht der Board in den vielen Fallen den Schlussel zur Reduktion von Publizitatspflichten bereits in einer vorgelagerten Vereinfachung von Bewertungsmethoden.^'*''^ Wird also auf fortgefuhrter Kostenbasis bewertet, kann demnach nicht die Offenlegung des Zeitwerts enA/artet werden. Grundsatzlich stellt der Board daruber hinaus klar: „[...] 'different' does not always equate to ,less' information."^^^® Demnach benotigen die Jahresabschlussadressaten nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen zwar andere, allerdings nicht unbedingt weniger Informationen. Im Zusammenhang mit etwaigen Kapltaltransfers zwischen Unternehmen und Eignern, Management oder Lieferanten sowie der Moglichkeit von Sacheinlagen sieht der Board sogar die Notwendigkeit einer erweiterten Berichterstattung uber nahe stehende Personen.'"^''^

5.3.2.6.2 Kritische Wurdigung Der Umfang der Offenlegungsanforderungen unter IFRS stellt fur viele Unternehmen einen Hinderungsgrund dar, diese anzuwenden.'''^^^ Insofern stellt die Fokussierung des Board auf dieses Problem eInen begrulienswerten Ansatz dar. Angesichts des mangelnden Interesses der Jahresabschlussadressaten nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen an zukunftsbezogenen Ertragswertschatzungen scheinen die prognoserelevanten Angabeverpflichtungen im Anhang der jeweiligen Standards entbehrlich. Dallmann/UII stellen in diesem Zusammenhang am Beispiel des IAS 39 die umfangreichen Eriauterungen zu Markt-, Kreditausfall-, Liquiditats- oder Cashflow-Risiken ganzlich in Frage.'"'*^^ Analog zur Modifikation

Vgl. lASB (2004a) S. 40, Rn. 84. An gleicher Stelle betont der lASB jedoch, dass dieser moderate Anderungen an den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden fur ausreichend erachtet. Vgl. lASB (2004a) S. 38, Rn. 76. lASB (2004a) S. 37, Rn. 73. Vgl. lASB (2004a) S. 15, Rn. 6, wo der Board betont: ..Consequently, there may be need for expanded related party disclosure [...]". Vgl. hierzu Dallmann/UII (2004) S. 323 f. Vgl. ferner Kapitel 4.1.5, S. 130. Vgl. hierzu Kapitel 5.3.1.4, S. 244. Vgl. Dallmann/UII (2004) S. 330.

5.3 Systemaltemative IFRS

293

von Bewertungsmethoden will der Board uber die Reduktion von Offenlegungsanforderungen anhand von Kosten-Nutzen-Uberlegungen entscheiden.""^^^ Insofem gilt auch in diesenri Zusamnrienhang, dass eine objektive Grenze, ab wann der Nutzen durch die Offenlegung einer Information deren Beschaffungskosten ubersteigt, nicht ohne weiteres gefunden werden kann. Deutlich wird indes, dass der Umfang bestimmter offen zu legender Informationen in bestimmten Fallen nnit den zugrunde liegenden Ansatz- und Bewertungsnnethoden zusammenhangt. Eine sinnvolle Differenzierung der originaren IFRS wird demnach mit der Vereinfachung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beginnen mussen.

5.3.2.7 Weitergehende Forderungen im Rahmen der Modifikation von An satz-, Bewertungs- und Offenlegungsvorschriften Obgleich die ISAR mit den SMEGA auf Level-ll zwar eigenstandige Rechnungslegungsvorschriften geschaffen hat, beziehen sich diese jedoch ebenso wie das neuseelandlsche ..Differential Reporting" (ED-98) auf die originaren IFRS. Beide Konzepte erstrecken sich dabei auf Ansatz-, Bewertungs- und Offenlegungsvorschriften. Wahrend der lASB derzeit lediglich vereinzelte Modifikationen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vorsieht''^^^, zeichnen die Konzepte der ISAR und des FRSB durch (in Teilen) umfangreiche Ausnahmen von den originaren IFRS sowie den Ausschluss ganzer Standards aus. Obwohl die Vereinfachungen in beiden Konzepten anhand des Kosten-NutzenKriteriums ermittelt wurden, betonen sowohl die ISAR als auch der FRSB, dass eine Objektivierung dieses Kriteriums nicht moglich sei, sondern stets mit subjektiven Wertungen einhergehe. Im Rahmen der Vereinfachung von Bilanzlerungsund Bewertungsmethoden ,.[...] there are no objective criteria [...y^^^"^. Insofern obliegt es dem jeweiligen Standard-Setter, die differenzierten Vorschriften im Vergleich zum originaren Regelwerk ausreichend umfangreich - aber dennoch notwendig kompakt - zu gestalten. Dm die getroffenen Werturteile zumindest nachvollziehbar zu gestalten, liefert der neuseelandlsche Board in seiner ..Rationale for Exemption" Erklarungsansatze, weshalb bestimmte Sachverhalte ausgeschlossen

Vgl. lASB (2004a) S. 38, Rn. 76. Vom lASB wurden bisher vereinzelte Bewertungsnnethoden genannt, zu denen die (allgemeine) Fachoffentlichkeit zur Stellungnahme aufgefordert wurde; vgl. lASB (2005b) S. 2. In seiner Stellungnahme vom 7.6.2005 schiagt das DRSC ebenfalls vor, die Mehrheit der bestehenden IFRS im Rahmen einer differenzierten Lcisung (nahezu) unverandert zu ubernehmen; vgl. DRSC (2005a) S. 3-6. UNCTAD (2004a) S. IV.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

werden oder nicht.^"^^^ Dennoch bleibt die Differenzierung von Rechnungslegungsvorschriften „[...] largely a matter of judgement which standards are included and which excluded."''^^^ In Abbildung 5-4 werden ausgewahlte Vereinfachungen in den Bilanzlerungs- und Bewertungsmethoden beider Differenzierungskonzepte synoptisch gegenijbergestellt: Bereich

Neuseelandlsches Differential Reporting (ED-98)

SMEGA (Level-ll)

Entwicklungskosten (IAS 38)

Wahlrecht, samtliche F&E-Kosten als sofbrtigen Aulwand zu verbuchen

Guideline 5 entsprlcht i.w. dem IAS 38; Offenlegungserleichtemngen

Sachanlagen (IAS 16)

Neubewertung zugelassen; Obemahme steuerlicher Abschreibungsvorschiiften; Offieniegungserleichterungen

Neubewertung zugelassen; Vereinfiachte Abschreibung (keine Abschreibung nach IAS 36); Offenlegungserleichtemngen

Langfristlge Fertigung (IAS 11)

Wahlrecht, die Completed-ContractMethode anzuwenden; Offenlegungserleichterungen

Ausschluss won IAS 11

Leasing |(IAS 17)

Offieniegungseileichterungen

Offenlegungserleichterungen

FInanzinstrumente (IAS 39)

Derzeit M3lie Anwendung des IAS 39 (mangels korrespondierendem NZStandard); Offenlegungserleichterungen werden diskutiert

Ausschluss VDn IAS 39

Latente Steuem (IAS 12)

Wahlrecht, IAS 12 nicht anzuwenden.

Ausschluss der Bilanzierung latenter Steuem; IAS 12 gilt nur fur Ertragssteuem

Mitarbeitergratlfikationen (IAS 19)

Volte Anwendung, wird aber in praxi als in^elevant erachtet (De-fiakto-Ausschluss); Ausschluss \A3n IAS 19 Offenlegungserleichterungen

Pensionsplane (IAS 26)

Voile Anwendung, wird aber in praxi als Ausschluss von IAS 26 in-elevant erachtet (De-fakto-Ausschluss)

Abbildung 5-4: Vorschlage zur Differenzierung von Bilanzlerungs- und Bewertungsmethoden nach IFRS

Obgleich beide Differenzierungskonzepte unabhangig voneinander entwickelt wurden, gleichen sie sich in den Jewells zahlreichen Erieichterungen bei den Offenlegungsanforderungen. Diese Gemeinsamkeit wird von in Teilen weitreichenden Vereinfachungen im Bereich der Bilanzierung- und Bewertungsmethoden begleltet. Letztere uberschreiten den vom Board derzeit geplanten Umfang etwaiger Modlfikatlonen bei weitem. Dabei wird deutlich, dass beide Standard-Setter zahl-

Vgl. FRSB (2004), Appendix I, S. 12. Auch die ISAR sleht die Notwendigkeit, „[...] to provide sufficient explanation": UNCTAD (2004a) S.IV. UNCTAD (2004a) 8. IV.

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5.3 Systemalternative IFRS

und umfangreiche Modifikationen an den originaren IFRS fur notwendig erachten, urn den Interessen der kleinen und mittleren Untemehmen zu entsprechen. Diese werden den betroffenen Untemehmen jedoch haufig in Form von Wahlrechten ermoglicht. Eine derartige Vorgehensweise durfte jedoch nicht die Vergleichbarkeit von Abschlussen nach differenzierten Vorschriften untereinanderfordern. Die Diskrepanz zwischen vom lASB geplanten und im Rahmen dieser beiden Konzepte realisierten Modifikationen bestatigt sich beim synoptischen Vergleich der weiteren Jahresabschlussbestandteile sowie der Anhangangaben zu bestimmten Sachverhalten in Abbildung 5-5. Bereich

Neuseeldndisches

SMEGA

Differential Reporting (ED-98)

(Level-ll)

Segmentberichterstattung (IAS 14)

Ausschluss des IAS 14

Ausschluss des IAS 14

Kapitalflussrechnung (IAS 7)

Voile Anwendung des IAS 7

SelektivB Anwendung der Gmndprinziplen des IAS 7

Earning per Share (IAS 33)

Nur fur bCrsennotierte Untemehmen (De-fakto-Ausschluss)

Ausschluss des IAS 33

Angaben zu FInanzinstrumenten (IAS 32)

Grolie OfFenlegungserleichterungen

Ausschluss des IAS 32

Angaben zu nahe stehenden Personen (IAS 24)

Ausschluss von Angaben zur Managemententlohnung

Selektive Anwendung der Grundprinzipien des IAS 24

Abbildung 5-5: Vorschlage zur Differenzierung weiterer Jahresabschlussbestandteile und Anhanginformationen nach IFRS

Im Ergebnis steht der grolie Umfang an IVIodifikationen der beiden StandardSetter in diametralen Gegensatz zu den vom lASB geplanten moderaten Vereinfachungen der originaren IFRS. Dies verdeutlicht die Bandbreite der Envartungen und Forderungen, die weltweit an Entwicklung von SME-IFRS gestellt werden. Es bleibt die Aufgabe des lASB, diesen zu entsprechen.

5.3.2.8 Zwischenfazit Die geplante Differenzierung der originaren IFRS stellt ein Vorhaben mit grodem Konfliktpotenzial dar. Solange der Board die vollumfanglichen Vorschriften als qualitativ hochwertiges und in sich konsistentes Rechnungslegungssystem bezeichnet, besteht wenig Spielraum fur Modifikationen. Letzteren kann zudem grundsatzlich unterstellt werden, auf Gmndlage subjektiver Wertungen und Kompromisse entstanden zu sein. Gleichzeitig enA^achst dadurch ein Rechtfertigungsdruck, weshalb bestimmte Sachverhalte fur die eine Gruppe von Untemehmen relevant erscheinen, fur andere aber nicht. Der Board sieht aus diesem Grund nur Raum fur moderate Modifikationen am originaren Regelwerk gegeben und will sich

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

deshalb im Wesentlichen auf die Reduktion von Offenlegungsanforderungen beschranken. Ein ausreichend groBer Anreiz fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, die differenzierten IFRS anzuwenden, besteht jedoch nur dann, wenn diese im Vergleicli zu den originSren Vorscliriften einen eigenstSndigen Charakter aufweisen. Insofem werden die SME-IFRS nur dann auf eine breite Akzeptanz in der Unternehmenspraxis stolien, wenn es dem Board gelingt, wesentiiciie Vereinfachungen im Raiimen der differenzierten Rechnungslegungsvorschriften durclizusetzenJ^^^ Ob die ursprungliche Besclirankung allein auf eine Reduktion der Offenlegungspflichten ausreicht, ein eigenstandiges Regelwerk zu schaffen, ist jedoch stark anzuzweifeln. Derartige Erieichterungen stellen eine notwendige, aber niclit liinreichende Bedingung darJ^^® Beschrankte sich der Board allein auf Erieichterungen der Offenlegungsanforderungen, bestunden zudem begrundete Zweifel an der Existenzberechtigung eines separaten Regelwerks. Diese besteht jedoch nur, wenn auch Vereinfachungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden in Betracht gezogen werden. Zudem erwachst dem Board zunehmend Konkurrenz durch andere Standard-Setter, die mit konkreten Vorschlagen die Diskussion um Art und Weise der Vereinfachungen bei den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden intensivieren werden. Die bestehenden Konzepte der ISAR und des neuseelandischen FRSB bestatigen die Forderung nach umfangreichen Modifikationen fur kleine und mittlere Unternehmen eindrucksvoll. Gleichzeitlg wird zudem deutlich, dass uber deren Inhalt und Reichwelte gestritten werden kann - und wird. Beide Regelwerke mussen allerdings auf den gleichen allgemeinen Ansatzkriterien (des Conceptual Frameworks) beruhen, da Vermogenswerte oder Schulden nicht unternehmenstypenabhangig vorliegen dtirfen.''^^^ Modifikationen im Bereich des Ansatzes mussen sich daher auf Einzelfalle im Bereich der speziellen Ansatzvorschriften beschranken. Da die Zuverlassigkeit der Bewertung uber den Ansatz (mit)entscheidet, sind im Rahmen etwaiger Modifikationen in erster Linie diejenigen Sachverhalte in Betracht zu Ziehen, deren Bewertungsqualitat eher fraglich ist.

Vgl. Ludenbach/Hoffmann (2004b) S. 613 f., die vorerst zu keinem positiven Urteil uber das Projekt der SME-IFRS kommen; ebenso Gross/Steiner (2004) S. 879. So bestatigen nahezu 96 % der Teilnehmer in der Kommentierungsphase, dass Erieichterungen in den Offenlegungspflichten notwendig sind. Mit der Absicht des Boards, keine Anderungen an den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vorzunehmen, erklSren sich indes zwei Drittel (67 %) nicht einverstanden; vgl. lASB (2005c) S. 13 f.; o.V. (2004c) S. 8. Das gilt ebenso fCir Aufwendungen und Ertrage.

5.3 Systemalternative IFRS

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Die Komplexitat der Wertermittlung bzw. der damit einhergehende Aufwand stellen zugleich den zentralen Ausgangspunkt bei der Differenzierung von Bewertungsmethoden dar. Angesichts des fehlenden Interesses an prognoserelevanten Rechnungslegungsinformationen bei den Adressaten nicht kapitalmarktorientierter Untemeiinnen werden sicii etwaige Bewertungsvereinfachungen in erster Linie auf die Zeitwertbilanzierung konzentrieren, insbesondere wenn der Fair Value nicht aniiand objektiver Marktpreise ermittelbar ist. Zudem bleibt abzuwarten, welchen Verlauf eine etwaige Diskussion urn die generelle Aussagefahigkeit der FairValue-Bilanzlerung nehmen wird, und ob weitere Auswirkungen auf die originciren IFRS damit einhergehen.'"^^° Ausgestaltung und Umfang samtlicher Modifikationen an den originaren IFRS sind derzeit jedoch noch vollkommen offen.''^^'' Allein vor denn Hintergrund der als zentral angesehenen Reduktion von Offenlegungsanforderungen mussen auf vorgelagerter Ebene besonders aufwendlge Bewertungsmethoden vereinfacht werden.""^^^ Auch wenn der Board nur moderate Vereinfachungen an den qualitativ hochwertigen IFRS als ausreichend bezeichnet, ist derzeit fraglich, inwieweit dieser kunftig von seiner Ausgangsposition noch abwelchen wird: Obgleich der lASB ursprunglich keinerlei Modifikationen an den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vornehmen wollte, wird dieses mittlerweile als notwendig zugestanden. Grund hierfur Ist der starke Widerspruch in der Kommentierungsphase gegen eine ausschlieflliche Beschrankung auf Offenlegungserleichterungen.'''*^^ Dabei gilt: „Das[!] Board arbeitet stark auf Zuruf."''^^'* Insofern bleibt abzuwarten, welchen Verlauf das Projekt differenzierter Rechnungslegungsvorschriften fur SME nehmen wird. Die Beteiligung der betroffenen Unternehmen im Rahmen der weiteren Fortentwicklung ist derzeit jedoch noch nicht gegeben: Diese haben sich weder an der Kommentierungsphase der PV-SME beteiligt, noch sind Unternehmensreprasentanten der kleinen und mittleren Unternehmen in den entsprechenden Gremien

^^^° So aufierst etwa die EZB „[...] ernsthafte Zweifel an der ZuverlSssigkeit der Zeitwertschatzungen bei Instrumenten, die nicht auf einem aktiven und liquiden Markt gehandelt werden [...]"; Europaische Zentralbank (2004) S. 89. ^^^^ Bis dato wurde noch kein Entwurf (Exposure Draft) vorgelegt; vgl. Kapitel 5.3.2.3, S. 265. ^^^^ So macht es nach Ansicht des Boards keinen Sinn, Erieichterungen in der Offenlegung zu gewahren, wenn die entsprechenden Informationen im Rahmen der Bewertung ohnehin generiert wurden. Insofern mussen etwaige Vereinfachungsbemuhungen bereits auf Ebene der Bewertung ansetzen; vgl. lASB (2004a) S. 38, Rn. 76. ^^^^ Nahezu 67 % haben sich gegen eine ausschiiefiliche Beschrankung auf Offenlegungserleichterungen und fur IVIodifikationen in den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ausgesprochen. Auch in anderen Bereichen wie dem Mandatory-Fallback Oder der Nummerierung der SME-IFRS hat der Board den Mehrheitsansichten in der Kommentierungsphase entsprochen und sein weiteres Vorgehen dementsprechend ausgerichtet; vgl. lASB (2005c) S. 14-16. ^^^ Ballwieser (2004) S. 22, der ferner feststellt, dass auf den Board Druck auszuuben sei, der vom (deutschen) Mittelstand derzeit nicht ausgehe.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

des lASB vertreten. Die derzeitige organisatorische Struktur des lASC fSrdert somit nicht die Weiterentwicklung von Rechnungsiegungsvorschriften, die den Bedurfnissen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen entsprechen. Im Ergebnis wird deutlich, dass die Entwicklung differenzierter Vorschriften auf Basis der IFRS nicht nur in ihrem inhaltlichen Umfang erst am Beginn steht. Daneben mussen organisatorische Strukturen geschaffen werden, urn eine qualitativ hochwertige Weiterentwicklung differenzierter IFRS durch Beteiligte und Betroffene gewahrleisten zu konnen. Denn die Entwicklung von differenzierten IFRS stellt kein Einmal-Projekt, sondern den Beginn eines grundlegenden Wandels der Standard-Setting-Tatigkeit des Boards in Reichwelte und Inhalt dar. Vor dem HIntergrund der neuen Rechnungslegungsstrategie der EU, die Unternehmensberichterstattung auf Basis der IFRS - auch fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen - auf mittlere Sicht zur vereinheitlichen, besitzt die Entwicklung differenzierter IFRS insbesondere fur die Unternehmen in den Mitgliedstaaten hohe Relevanz. Mit der Vorlage anwendbarer und in praxi durchsetzbarer Normen wird jedoch erst mittelfristig zu rechnen sein. Insofern werden die SME-IFRS zunachst keine grofie Rolle bel der (Neu-)Ausubung der Mitgliedstaatenwahlrechte im Rahmen der lAS-VO spielen.

5.3.3 Praktikabilitatskriterien eines Einzeljahresabschlusses nach IFRS 5.3.3.1 Eigenstandiges Bilanzsteuerrecht Die in Deutschland traditionelle Maligeblichkeit der Handels- fur die Steuerbilanz ist mit einem befreienden IFRS-Einzeljahresabschluss nicht mehr aufrechtzuerhalten. In der Folge wird bei Ubernahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss die steuerllche Gewinnermlttlung unter Aufhebung des Maflgeblichkeltsgrundsatzes vom Handelsrecht vollstandig losgelost.""^^^ Dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Jahresabschluss nach IFRS in erster Instanz als Ausgangspunkt fur neue und selbstandige steuerllche Gewinnermittlungsnormen dient und in einem zwelten Schritt nach steuerlichen Maligaben und Zlelsetzungen modifiziert werden kann. Aufgrund der massiven Durchbrechungen des Mafigebllchkeitsgrundsatzes de lege lata bei gleichzeitiger punktueller Annaherung an die materiellen IFRS-

^^^^ Herzig bezeichnet diese Entwicklung als das „Trennungs- oder Abkopplungsmodell"; vgl. Herzig (2004a) S. 61-68.

5.3 Systemaltemative IFRS

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Vorschriften^^^® stellen diese schon heute einen bilanziellen Orientierungspunkt in der Weiterentwicklung des deutschen Steuerbilanzrechts dar: „Damit bietet sich als zukunftweisende Losung die Entwicklung eines eigenstandigen Bilanzsteuerrechts an [...]", fur das „[...] die sich zum Weltstandard entwickelnden lAS/IFRS als starting point herangezogen werden."^^^^ Ein Ruckgriff auf die internationalen Rechnungslegungsnormen bei der Formulierung eigenstSndiger steuerlicher Gewinnermittlungsvorsciiriften ist schon angesichts der derzeitigen Harmonisierungsbestrebungen bezuglich einer europaweiten Steuerbemessungsgrundlage sowie des politisch gewollten Vordringens der IFRS bis in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss im Rahmen der EU-Doppelstrategie in Erwagung zu Ziehen. „Die IAS sind fur ein[en] Mafigeblichkeltsgrundsatz zwar nicht geeignet, sie konnen aber dazu beitragen, Unterschiede der steuerlichen Gewinnermittlung zwischen den europaischen Staaten einzuebnen."''^^® Aus Sicht der Bilanzierungspraxis konnte zudem die Idee der (nnodifizierten) „Einheitsbilanz" auf Grundlage der IFRS systematlsch wieder belebt werden: Anstelle eines gesetzlich verankerten Mafigeblichkeitsprinzips trate de lege ferenda eine faktische Maligeblichkeitsbeziehung, im Rahmen derer die Handelsbilanz den Ausgangspunkt einer abweichenden Steuerbilanz darstellt.''^^^ Zentrale Unterschiede zwischen der informationsorientierten Rechnungslegung nach IFRS und den steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften bestehen bei den - im Steuerbilanzrecht starker gewichteten - Objektivierungskriterien. Konkret auHern sich diese bspw. in der Zulassigkeit des Ausweises nicht realisierter Gewinne, in unterschiedlichen Definitionen von Wirtschaftsgutern und Vermogenswerten oder einer divergierenden Auslegung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise.'"^'*° Das Konzept einer IFRS-Einheitsbilanz wird demnach de lege ferenda nicht praktikabel sein, obgleich die internationalen Rechnungslegungsvorschriften grundsatzlich als bi1436

Zur Durchbrechung des Maligeblichkeitsgrundsatzes de lege lata vgl. Kapitel 4.2.2.3.2, S. 177. Herzig (2005) S. 214 (beide Zitate). Kahle(2002d)S. 188. Dieser Ansatz entspricht im Ergebnis dem angloamerikanischen Modell USA. So dient in angelsachsischen Staaten (wie den USA, Grofibritannien, Irland, Niederlande, Danemark) der handelsrechtliche Jahresabschluss als Ausgangspunkt fur weiterfuhrende steuerliche Modifikationen; vgl. Lauth (2000) S. 1369; Sigloch (2000) S. 157, 163. Herzig hingegen spricht von einer „subsidierenden Madgeblichkeit", im Rahmen derer ersatzwelse auf die Vorschriften der IFRS bzw. anderer Rechenwerke zuruckgegriffen wird; vgl. Herzig (2004a) S. 70. Dieser Vorschlag ist jedoch vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung der IFRS und der damit einhergehenden Notwendigkeit einer fortlaufenden Uberprufung der steuerrechtlichen Gesetzgebung kritisch zu beurteilen. Gleichzeitig wird bei jeder Art von MaRgeblichkeit das Bilanzierungsverhalten der Abschlussersteller durch steuerliche Zielsetzungen beeinflusst; vgl. Haller (2003) S. 415. Vgl. Kudmaul/Klein (2001) S. 548; Bohl (2004a) S. 238 sowie ausfuhrlich Herzig (2005) S. 222-231; Herzig (2004b) S. 456-462.

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lanzielle Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung herangezogen werden konnen. Alternativ zu einem eigenstandigen Bilanzsteuerrecht, dem ein funktionsspezifisches Rechnungslegungssystem zugrunde liegt, kann aus Vereinfachungsaspekten eine konsumorientierte Cashflow-Besteuerung in Erwagung gezogen werden, die beim Zahlungsmitteluberschuss auf Untemehmensebene ansetzt. Von einer rein zahlungsstromorientierten Gewinnermittiungsmethode muss allerdings aufgrund gravierender Nachteile wie einer ungenugenden Verlustberucksichtigung Oder der Sofortabschreibung samtlicher Wirtschaftsgijter zum Zaiiiungszeitpunkt abgesehen werden.'"'*^'' Diese konnen jedoch durch die zusatzliche Aufnahme periodisierender Elemente kompensiert werden.""^^^ Insofern wird „[...] zu diskutieren sein, inwieweit die nach bisherigenn Recht geltende Uberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 § EStG) durch die Einbezieiiung weiterer periodisierender und pauschalierender Elemente zweckmafiig modifiziert werden kann."""^^^ Unabhangig davon, welche der beiden steuerlichen Gewinnermittlungskonzeptionen sich de lege ferenda durchsetzen wird, steht eine Spaltung der Rechnungslegung im Einzeljahresabschluss bevor: Neben die Informationsbilanz nach IFRS tritt eine separate steuerliche Gewinnermittlung sowie eine (erganzende) Ausschuttungsbilanz. Die befurchtete ..Zersplitterung der handelsrechtlichen Rechnungslegung"''^^^ muss jedoch aufgrund der zunehmenden Obereinstimmung in zahlreichen konkreten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden der einzelnen Rechenwerke relativiert werden. So ist eine weitgehende Obereinstimmung (zumindest) von IFRS und steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften durchaus moglich, „[...] wenn man nicht strikt an uberkommenen deutschen steuerlichen Regein fur Ansatz und Bewertung im Einzelfall festhalt, sondern eine offenere Betrachtung wahit und dabei das Ziel und die Tendenz verfolgt, moglichst weitgehend die IFRS-Bilanz fur steuerliche Zwecke zu nutzen, wie das nach den Erhebungen des lASB viele Staaten tun."^^^^ Dieses setzt allerdings voraus, dass der Steuerge-

^^^'^ Zudem fuhrt die reine Cash-Flow-Rechnung zu einer verstSrkt volatilen steuerlichen Bemessungsgrundlage; vgl. Kuting/Reuter (2004b) S. 313 f.; Herzig (2005) S. 232 f.; Herzig/Bar (2003) S. 6. 1442

Vgl. Lauth (2000) S. 1371. Vorschlage dazu werden von Herzig (2005) S. 232-234 unterbreitet. Kritisch hingegen Buchholz/Weis (2002b) S. 562. Herzig (2004a) S. 68. Dieser befurwortet in diesem Zusammenhang de lege ferenda die Schaffung eines Unternehmenswahlrechts bzgl. der favorisierten Gewinnermittlungskonzeption: Betriebsvermogensvergleich oder Einnahmen-Uberschussrechnung. Geiger (2001) S, 297. Ebenso Herzig (2001) S. 157, der von einem ..gespaltenen Rechnungslegungsrecht" spricht. Bohl (2004b) S. 2383.

5.3 Systemalternative IFRS

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setzgeber de lege ferenda zu einer „verteilungsgerechten Besteuerung"^^^^ auf Grundlage der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit - unter Abstraktion seines aktuellen (finanziellen) Handlungsbedarfs - zuruckkehrt. Die zahlreichen Durchbrechungen des Mallgeblichkeitsgrundsatzes de lege lata zeugen davon nur bedingt. 5.3.3.2 Gesellschaftsrechtliche Implikationen Mit der de lege ferenda zu erwartenden Moglichkeit, den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss auf Basis der IFRS aufstellen zu konnen und damit eine funktionsspezifische Rechnungslegung einzufuhren, geht eine Neudefinition des bisherigen Bezlehungsgeflechts zwischen Handels- und Steuerbilanz einher. Deshalb muss die Frage beantwortet werden, wie ein Jahresabschluss auf Grundlage der IFRS in den steuer- und gesellschaftsrechtlichen Funktionszusammenhang des Einzeljahresabschlusses in Deutschland eingebettet werden soil. Einerseits ist eine (uneingeschrankte) Maligeblichkeit unter IFRS weder sachgemaft noch realisierbar, so dass bei Obernahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss mit einem eigenstandigen Bilanzsteuerrecht zu rechnen ist. Andererseits eignen sich die IFRS - mangels bilanzieller Trennung von (wirtschaftlich) erwirtschaftetem und entzlehbarem Gewinn - de lege lata nicht zum Instrument der Zahlungsbemessung. Auch die Implementierung von Ausschuttungssperren scheltert In einem befreienden Jahresabschluss nach IFRS an deren dynamischen (Weiter-)Entwicklung und der daraus resultierenden permanenten Uberwachungsnotwendigkeit.'"^'^^ Daher muss eine Verlagerung der Zahlungsbemessungsfunktion bei Obernahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss in Erw^gung gezogen werden: Folglich durfte das Vordringen der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss zu einer Aufspaltung der bisherigen handelsbllanziellen Funktlonen in eine Informatlonsbllanz nach IFRS und eine Ausschuttungsbilanz (nach HGB) fuhren. Bei gleichzeitig drohender Abspaltung des Bilanzsteuerrechts wird dadurch in Deutschland kunftig ein dreigleisiges Rechnungslegungssystem geschaffen, das aus Informations-, Steuer- und Kapitalerhaltungsbilanz besteht. Daraus erwachst die Notwendigkeit, die mit der Einfuhrung einer funktionsspezifischen Rechnungslegung drohende Komplexitat (von drei unterschiedlichen Rechenwerken) zu reduzieren. Insbesondere bei kleinen und mittleren Untemehmen

^^^^ Vgl. hierzu Schneider (2003) S. 300; Weber-Grellet (2002) S. 701 f. ^^^"^ Vor dem Hintergrund der verstarkten wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach IFRS durften Ausschuttungssperren nicht nur Bewertungsmethoden tangieren, sondern auch die Ansatzvorschriften nach IFRS einschranken. Gleichzeitig sind Umfang und H6he derartiger Ausschuttungssperren sowie deren Umsetzung in nationalem oder europSischem Kontext strittig; vgl. Kapitel4.2.2.2.3, 8. 167.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

wird sich die Frage stellen, wie die Wirtschaftlichkeit ihrer Rectinungsiegung weiterhin zu gewShrleisten sei. Eine aus Vereinfachungsgrunden ganzliche Verlagerung der Zahlungsbemessung in die Steuerbilanz wird jedoch mangels Zuspruch in der Bilanzierungspraxis scheitern.''^® Solange sich ein Einzeljahresabschluss nach IFRS demnach nicht fur steuerliche Zwecke, Gewinnausscliuttungen Oder zur Uberschuldungsfeststellung eignet, werden sich zukunftige Erieichterungen fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen lediglich auf eine Einschrankung der IFRS-Anwendung beziehen konnen: „Erwagenswert erscheint es, nur kapitalmarktorientierten Unternehmen die Verpflichtung aufzuerlegen, informationsorientierte Bilanzen zu erstellgi^ .«1449 Qjgsen Grundsatz verfolgt auch der jungste Vorschlag des AKEU, der zwar prinzipiell die Anwendung der IFRS fordert, jedoch „Unternehmen ohne eine besondere wirtschaftliche Bedeutung"^^^^ von der internationalen Rechnungslegung ausklammert. Mangelnde wirtschaftliche Signifikanz wird dabei mit den Gro(lenkriterien des § 267 HGB gleichgesetzt und - obgleich expressis verbis nicht envahnt - fur samtliche Personengesellschaften vermutetJ^^'' Der Ruckgriff auf die Grodenkriterien des HGB erscheint zunachst zwar sinnvoll, um den Kreis der mIt drei Jahresabschlussen belasteten Unternehmen zu minimieren, muss jedoch vor dem Hintergrund der EU-Doppelstrategie kritisch hinterfragt werden: Denn grunds^tzlich sollen nach dem Willen der Europaischen Kommission langfristig alle Unternehmen in Europa zur Rechnungslegung nach IFRS verpflichtet werden. De lege ferenda ist deshalb davon auszugehen, dass die Vorschriften der 4. EGRichtllnie materiell den IFRS entsprechen werden. Die Richtlinie belnhaltet jedoch keine Ausnahme in der grundsatzlichen Rechnungslegungspflicht fur kleine und mittlere Unternehmen.^^^^ Die Trennlinie zwischen (langfristig) IFRS-pfllchtigen Gesellschaften und Unternehmen, die nationalem Handelsrecht unterliegen, stellt damit die 4. EG-Rlchtlinle dar. Insofern werden bei Vollendung der Doppelstrategie in Zukunft samtliche europaischen Kapltalgesellschaften der verpfllchtenden Rechnungslegung nach IFRS in ihrem Einzeljahresabschluss unterworfen sein. Demnach konnen In einem drelglledrigen Rechnungslegungssystem mIt funktions-

^^^® Dies sieht eIn Vorschlag des AKEU vor; vgl. AKEU (2003) S. 1585-1588. Ahnlich die Saarbriicker Thesen von Kuting (2004b) S. 1. Kritisch hierzu Moxter (2001) S. 605. ^**^ Herzig (2001)8.159. ^*^° Der AKEU fordert grundsatzlich die Anwendung der IFRS in EInzel- und Konzernabschluss unter der PrSmisse eines Einheitsabschiusses fur unter anderem steuerliche Zwecke; vgl. AKEU (2003) S. 1585-1588 sowie ausfuhrlich Kapitel 5.2.2.1, S. 219. ^^^^ Vgl. AKEU (2003) S. 1587. ^^^^ Die Grefienkriterien des § 267 HGB erstrecken sich ausschlieUlich auf bestimmte Jahresabschlussbestandteile und die Prufungspflicht, nicht aber auf vereinzelte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, von denen kleine und mittlere Unternehmen ausgenommen sind.

5.3 Systemalternative IFRS

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spezifischen Jahresabschlussen nur die Personengesellschaften von der zusatzlichen Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses nach IFRS befreit werden. Die Kapitalgesellschaften unterliegen kraft Rechtsform den Vorsciiriften der 4. EGRichtlinie und damit nach dem Willen der Europaisclien Kommission - bei entsprechender Umsetzung durcii den deutschen Gesetzgeber - den intemationalen Rechnungslegungsnormen der IFRS. Eine Komplexitatsreduktion in der externen Rechnungslegung von kleineren und mittleren Kapitalgesellschaften kann deshalb nur durch die Anwendung spezieller - auf die Bedurfnisse dieses Unternehmenssegments zugeschnittener - IFRS erreicht werden. Die Differenzierung der origlnaren IFRS steht jedoch noch am Beginn ihrer Entwicklung.''^^^ De lege lata existieren keine gesonderten Vorschrlften fur kleine und mittlere Unternehmen, so dass diese lediglich die vollumfanglichen IFRS (oder nationales Handelsrecht) anwenden konnen. Gleichzeitig sollen die zukunftig differenzierten IFRS nach dem Willen des lASB weder gesellschaftsrechtliche noch steuerliche Aspekte berucksichtigen: Obgleich der FIskus als einer der zentralen Jahresabschlussadressaten in nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen gilt, sollen die differenzierten IFRS ebenso wie die originaren - ausschlielilich der Informationsvermittlung verpflichtet werden.""^^ Die bei Ubernahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss drohende Dreigleisigkeit der Rechnungslegung fur Kapitalgesellschaften kann insofern nur bedingt abgemlldert werden: Durch eine Differenzierung der originaren IFRS-Vorschriften kann deren Komplexitat und Umfang zukunftig zwar reduziert werden, die grundsatzliche Notwendigkeit zur Rechnungslegung nach IFRS entfallt dadurch jedoch nicht. Die Moglichkeiten zur Vereinfachung der Rechnungslegung bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sind demnach anhand von deren Rechtsform zu differenzieren: Wahrend Personengesellschaften de lege ferenda ganzlich von der Rechnungslegung nach IFRS befreit werden konnten, verbleibt fur (kleine und mittlere) Kapitalgesellschaften lediglich die Mogllchkeit zur Anwendung der - derzeit noch absolut ungewissen - differenzierten IFRS. Denn die Rechnungslegungsstrategie der Europaischen Union sieht eine weitgehende Anpassung des - fur die (deutschen) Kapitalgesellschaften relevanten - europaischen Bilanzrechts an die IFRS vor. Insofern wird zukunftig nicht ausschlaggebend sein, ob eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft vorliegt oder nicht, sondern - wie bisher in welcher Rechtsform das Unternehmen firmiert.

^^^^ Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 5.3.2, S. 251. ^^^ Kritisch hierzu Haller/Eierle (2004) S. 1840, die die Interessenlage der kleinen und mittleren Unterneiimen nicht beruckslchtigt sehen. Ebenso die ISAR, deren Konzept eine explizite Berucksichtigung der steuerlichen Anforderungen vorsieht; vgl. U N C I AD (2000) S.I 8-20, Nr. 6980; UNCTAD (2003) S. 2 f., Nr. 7 f. Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 5.3.2.3, S. 265.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass bei Qbergang zu einer funktionsspezifischen Rechnungslegung auf Grundlage eines IFRS-Einzeljahresabschlusses die Dreiteilung der extemen Rechnungslegung in Deutschland zunachst nicht zu vermeiden ist. Die notwendige Aufgabe der iVIaligeblichkeit und die Verlagerung der Zahlungsbemessungsfunktion werden zu weiteren Jahresabschlussen neben der Informationsbilanz nach IFRS fuhren: Solange an den bestehenden Glaubigerschutzvorschriften festgehalten werden soil und die IFRS weder als haftungsrechtliche Vorschriften noch zur Uberschuldungsfeststellung herangezogen werden konnen, wird das - reformierte - deutsche Handelsrecht auch kunftig Bestand haben. Die Koexistenz beider Rechnungslegungsnormen wird zugunsten der IFRS auf absehbare Zeit nicht aufgegeben werden konnen. Vor dem HIntergrund neuer Entwicklungen stellt sich jedoch die Frage, ob von einer Verlagerung der Zahlungsbemessungsfunktion in eine Kapitalerhaltungsbilanz zugunsten einer Ausschuttungsbemessung auf Basis der IFRS abgesehen werden kann. Diese Alternative wird im folgenden Kapitel erortert.

5.3.3.3 Neue Erfolgsrechnung Bereits seit Juni 2002 beschaftigen sich lASB und FASB im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts ..Reporting Comprehensive Income" mit der Neuregelung der ErtragsrealisationJ^^^ De lege ferenda sollen durch eine neue matrixformige Erfolgsdarstellung samtliche Eigenkapitalveranderungen nach IFRS erfasst und entsprechend ihrer Art sowie ihres Ursprungs dargestellt werden. In der Vertikalachse (Zeilen) der neuen Matrixform werden die Eigenkapitalveranderungen anhand ihres sachlichen Ursprungs ausgewiesen, wahrend die Horizontale (Spalten) die Zusammensetzung der Nettovermogensanderung der Berichtsperiode widerspiegelt. Diese ergibt sich aus der Addition des ursprungllchen Buchwerts mit vorgenommenen Wertanpassungen, die aufgrund revldierter Zukunftserwartungen entstanden sind (vgl. Abbildung 5-6).'''^^® Aus der de lege ferenda geplanten Erfolgsdarstellung erwachst jedoch gleichzeitig eine weitere Option: ..Die Spaltenform und explizite Trennung von Eigenkapitalveranderungen nach spezifischen Qualitaten wurde die Moglichkeit schaffen, die Erfolgsrechnung um eine Ausschuttungsrechnung zu erweWern"^^^^ Haller sieht in diesem Zusammenhang die Erweiterung der geplanten Erfolgsdarstellung um eine

^^^^ Eine Obersicht geben ZOIch/Willms (2004) S. 2001-2006. ^^^ Ausgenommen hiervon sind die Eigenl
5.3 Systemalternative IFRS

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so genannte Ausschuttungsspalte vor, anhand derer der entziehbare - und damit ausschuttungsfahige - Gewinn (..distributable income") als Bestandteil der gesamten Nettovermogensanderung (..comprehensive income") ausgewiesen werden konnte.^^^® Abbildung 5-6 illustriert die En^/eiterung der Matrixdarstellung um den Ausweis des entziehbaren Gewinns (grau iiinterlegt):

Abbildung 5-6: Erweiterte Erfolgsdarstellung nach IFRS

Die Erwelterung der Erfolgsdarstellung um eine Ausschuttungsspalte bletet glelchzeitig den Vorteil, den entziehbaren Gewinn anhand seiner einzelnen sachlichen Quellen zu gliedern. Obgleich ein derart detaillierter (Herkunfts-)Ausweis im Rahmen der Ermittlung des (insgesamt) ausschuttungsfahigen Ergebnisses keine Notwendigkeit darstellt, kann hierdurch der Informationsnutzen der Erfolgsrechnung de lege ferenda deutlich erhoht werden.'"^^^ Um die Zahlungsbemessung auf der Grundlage der dargestellten Erfolgsrechnung durchzufuhren, musste der entziehbare Gewinn - sofern nicht fur Ausschuttungszwecke verwendet - jahrllch fortgeschrieben werden.''^^'' Gleichzeitig erscheint die EnA/eiterung des neuen Erfolgsausweises um eine Ausschuttungsrechnung nur sinnvoll, wenn der deutsche Gesetzgeber sich dieser Vorlage anschliefit: „Die be-

^^^^ Vgl. Haller(2003)S.421. Eigene Darstellung in Aniehnung an Eierle (2004a) 8. 492. Ein detaillierter Ausweis nach Herkunft zeigt, welche der unter ..Remeasurement" gezeigten Eigenkapitalveranderungen bereits realisiert Oder (noch) unrealisiert sind; vgl. Haller (2003) S. 421. Hierzu eignet sich entweder ein gesonderter Posten innerhalb der Gewinnrucklagen Oder ein „Davon-Vermerk". Alternativ kann eine Anhangangabe vorgesehen werden; vgl. Haller (2003) S. 421; Eierle (2004a) 8. 492.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

teiligten Ministerien mussten alle bestehenden sowie neu verabschiedeten IFRS darauf hin analysieren, welche der darin festgelegten Eigenkapitalveranderungen als realisiert (i. S. von ausschuttungsfahig) betrachtet [werden] und welche nicht."''^^^ Gelingt dem deutschen Gesetzgeber die Abgrenzung des ausschuttbaren Ergebnisses auf Basis eines nach IFRS ausgewiesenen - entziehbaren - Gewlnns (..distributable income"), kann de lege ferenda ein bisher nicht umsetzbarer Vorschlag realisiert werden: Die Implementlemng von Ausschuttungssperren zum Zweck des Glaubigerschutzes innerhalb eines IFRS-Einzeljahresabschlusses.^"^®^ Dieser Pramisse folgend sieht Eierle dadurch sogar gleichzeitig die Grundlage der steuerlichen Bemessung gegeben: „Eine Zweckkomplementaritat von Ausschuttungsbemessung und steuerlicher Gewinnermittlung kann grundsatzllch unterstellt werden." Und welter: „Die Vorteile einer solchen, auf den lAS/IFRS basierenden Zahlungsbemessungsrechnung, die fur Ausschuttungs- und Steuerbemessungszwecke gleichermalien verwendet werden konnte, liegen vor allem darin, dass einerseits die lAS/IFRS uneingeschrankt Anwendung und andererseits gleichzeitig nationale Begebenheiten hinsichtlich der ZahlungsbemessungsfunktIon Berucksichtigung finden konnten."""^^ Dieser Argumentation ist jedoch nur eingeschrankt zuzustimmen. Zweifelsohne kann durch die Zahlungsbemessung auf Gmndlage eines IFRS-Abschlusses die de lege ferenda drohende Dreigleisigkeit der Rechnungslegung vermleden werden. Allerdings erscheint es aufierst fraglich, ob sich der deutsche Gesetzgeber an einer derartigen Vorlage orientieren wird. Denn damit geht im Ergebnis eine mittelbare Obernahme der Gewinnermittlungsvorschriften und Rechnungslegungsgrundsatze der IFRS einher: Obgleich die Marktwertbewertung durch den isollerten Ausweis nIcht realisierter Gewinne in der neuen Erfolgsdarstellung prinzipiell eingeschrankt wurde, wird im Bereich des Bilanzansatzes keine Differenzierung vorgenommen. Damit wurden die allgemeinen Ansatzkriterien der IFRS - und darunter insbesondere die Weiterfassung der Definition eines Vermogenswertes im Vergleich zu den handelsrechtlichen Vorschriften - ubernommen, die zu einer deutlichen EnA/eiterung der aktivlerungsfahigen Sachverhalte fuhren.^^®^ Diese mussten revidiert werden, solange im Rahmen des Bilanzansatzes an den handelsrechtlichen GoB festgehalten werden soil. Zudem wurden weltere bilanzielle

'^^^ Haller (2003) 8. 422. ^^^^ Vgl. hierzu Pellens/Gassen (2001) S. 140; Niehues (2001) 8. 1212 f. sowie Kahle (2002a) 8. 699-701. ^^^ Eierle (2004a) 8. 493 f. (beide Zitate). ^^^^ Gleichzeitig ist von einer EinschrSnkung des Passivierungspotenzials von Verbindlichkeiten und Ruckstellungen auszugehen; vgl. 8treim/Esser (2003b) 8. 739, 741 sowie ausfuhrlich Kapitei4.2.2.2.3. 8. 167.

5.3 Systemalternative IFRS

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Ermessens- und Schatzungsspielraume adaptiert, die den Objektiviemngsanforderungen des Steuerrechts entgegenstehen.'''^®® Angesichts der erforderlichen Wirtschaftllchkeit der Rechnungslegung erscheint es insofern fraglich, ob die Kosten der dadurch notwendigen weiteren (nationalen) Korrekturen diejenigen der Erstellung einer Informations- sowie einer separaten Ausschuttungsbilanz nicht ubersteigen werden."*^®^

5.3.3.4 Grodere Publizitat und Kontrolle aufgrund unzureichender Objektivitat Die IFRS bieten aufgrund der notwendigen unternehmerischen Planungen und Prognosen ein umfangreiches bilanzpolitisches Manipulationspotenzial.''^^® Vor dem HIntergrund fehlender Kapitalmarkttransparenz und -kontrolle besteht gerade be! einem nicht kapitaJmarktorientierten Unternehmen die Gefahr, dass diese eigentumergefuhrten Unternehmen, die sich keinen anonymen Gesellschaftern gegenuber zur Rechenschaft verpflichtet sehen, das bilanzpolitische Potenzial der Rechnungslegung nach IFRS voll ausschopfen werden. Euler sieht in diesem Zusammenhang insbesondere bei nicht prufungspflichtigen Unternehmen ein „Glaubwurdigkeitsproblem"'"'*^^ bei Anwendung der IFRS. Sollen solche Unternehmen zunachst keiner Prufungspflicht^'*^^ unterworfen werden, kann dieser Entwicklung in erster Linie mit der Notwendigkeit qualifizierter Zusatzinformationen im Anhang entgegengewirkt werden. „Der lAS-Einzelabschluss, der Kreditgebern oder Mitgesellschaftern nutzllche Informationen zur Entscheidungsfindung bereitstellen soil, ist ohne einen differenzierten Anhang nicht vorstellbar."'"^^^ Um Bewertungsverfahren, Schatz- und Prognosegrundlagen sowie etwaige Durchbrechungen der Stetigkeit von Bilanz und GuV nach IFRS als Bilanzleser richtig interpretieren zu konnen, bedarf es detaillierter Eriauterungen und Zusatzangaben. Ein informa-

^^^ Vgl. ABHR (2002) S. 2379. ^^^^ Davon gehen zumindest der ABHR (2002) S. 2379 sowie Herzig/Bar (2003) S. 5-7 aus. ^^^ Zu den Einschrankungen der Informationsfunktion unter IFRS vgl. Kapitel 4.2.2.1.2, 8.142. ^^^^ Euler (2002) S. 880. Er sieht zudem die Gefahr, dass bei Anwendung der IFRS im Einzeljahresabschluss bisher nicht prufungspflichtige Unternehmen der Prufungspflicht zu unterwerfen waren. ^^'^^ Von der Prufungspflicht des Jahresabschlusses und des Lageberichts gem. § 316 HGB befreit sind kleine Kapitalgesellschaften i. S.d. § 267 Abs. 1 HGB sowie grundsStzlich Personengesellschaften und Einzelunternehmen. Damit unterliegt die Mehrzahl der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen keiner Prufungspflicht. ^^^^ Euler (2002) 8. 880. Bereits der 1994 verOffentlichte ,.Jenkins Report", eine Studie zur Weiterentwicklung der externen Rechnungslegung Im Auftrag des AICPA, verweist auf den Zusammenhang zwischen umfangreichen nicht-finanziellen Eriauterungen und der Glaubwurdigkeit eines Jahresabschlusses. In der Folge werden von diesem umfangreiche Anhangangaben fur einen informationsorientierten Jahresabschluss gefordert; vgl. Lehner (2004) 8 . 1 8 f.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

tionsorientierter Einzeljahresabschluss (nach IFRS) fordert somit einen differenzierten und in Folge aufwendig zu erstellenden Anhang, urn der mit den Planungen und Prognosen einhergehenden Entobjektivierung entgegenzuwirken. Das gilt umso mehr, wenn mit diesem Jahresabschluss Ausschuttungsfragen verknupft werden sollten. Diese Entwicklung steht allerdings In dlametralen Gegensatz zur Forderung nach wesentllchen Erieichterungen fur nicht kapltaimarktorlentierte Unternelimen bzw. KMU im Rahmen der umfangreich offen zulegenden Pflichtangaben bei Erstellung eines Jahresabschlusses nach IFRS.''^^^ Der lASB betont jedoch, dass im Rahmen der Entwicklung von differenzierten IFRS fur nicht kapltaimarktorlentierte Unternehmen andere - aber nicht unbedingt wenlger - Informationen benotigt werden: „[...] .different' does not always equate to ,less' information"'''*^^. Damit einher geht die zentrale Forderung, die Publlzitatsangaben im Rahmen des IAS 24 auszuweiten. Gegen die Anwendung des IAS 24 Im Einzeljahresabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen sprechen jedoch diverse Grunde:^'*'^'* Neben der steuerllchen Relevanz derartiger Angaben, oftmals mangelnder (Uber-)Prufbarkeit und einer generell niedrigen Publizitatsneigung dieses Unternehmenssegments dringt IAS 24 „[...] in das deutsche Arbeitsrecht und tief in das deutsche Famillenrecht ein."''*^^ Dennoch will der Board an einer Ausweltung der Publizitatspflichten - auch fur nicht kapltaimarktorlentierte Unternehmen - festhalten. Im Ergebnis wird die Anwendung der IFRS Im Einzeljahresabschluss nicht kapltalmarktorlentlerter Unternehmen de lege ferenda zu umfangrelchen Publlzltatsforderungen fuhren.''^^® Die stelgenden Anforderungen an die Unternehmenspubllzltat werden sich dabei nicht ausschlielilich auf einen IFRS-Elnzeljahresabschluss beschranken. Vor dem HIntergrund der schrittweisen Annaherung an die Internationale Rechnungslegung fordert der jungste RIchtllnienvorschlag der Europaischen Kommlssion ebenso eine Envelterung der offen zu legenden Anhanginformatlonen im nationalen Handelsrecht. Glelchzeitig stellt sich die Frage, wie die Qualitat und Vollstandigkelt stetig stelgender Publizitatsanforderungen sichergestellt werden

^^^^ Vgl. stellvertretend Winkeljohann/UII (2004) S. 431; Kahle (2003) S. 274; Ludenbach/Hoffmann (2003) S. 54 f.; Haller (2003) S. 424; Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer (2004a) S. 923 f.; Keitz/Stibi (2004) S. 425 sowie ausfuhrlich Haller/Eierle (2004) S. 1838-1845. '^^^ lASB (2004a) S. 37, Rn. 73. '^^^ Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 4.1.5, S. 130. ^'^^ Niehus (2003b) S. 532. ^^^^ Die Forderungen nach umfangrelchen Offenlegungserleichterungen fur nicht kapitalmarktorientierte bzw. KMU bei der Jahresabschlusserstellung nach IFRS stehen deshalb vor einenn Dilemma, well die weitlSufigen Ermessens- und SchStzungsspielraume nach IFRS eine Entobjektivierungstendenz ausldsen, deren EntkrSftung zu einem Mehr an Publizitat fuhren musste. Dieser Fragestellung widmet sich Kapitel 5.3.3.4. S. 307.

5.3 Systemalternative IFRS

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kann. Insofern bleibt abzuwarten, ob die Einfuhrung eines (befreienden) IFRSEinzeljahresabschlusses neben steigenden Publizitatserfordernissen zu weiterfuhrenden Kontrollmechanismen wie einer generellen Prufungspflicht fuhren kann, urn die Authentizitat und Vollstandigkeit der veroffentlichten Jahresabschlussinformationen zu gewShrleisten. Ferner stellt sicii die Frage, weshalb der vorgelegte IFRS-Jahresabschluss einer borsennotierten Kapitalgesellschaft einenn Enforcement zu unterziehen ist, der (befreiende) IFRS-Absciiiuss eines nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen hingegen nicht. Der Obergang zur verpflichtenden Rechnungslegung nacii IFRS Im Einzeljahresabschluss konnte insofern nriit einer Kontrolle iiirer ordnungsgemalien Anwendung im Raiimen eines Enforcements einhergehen. Dem Argument der Sicherstellung eines gieiciimafiig hoiien und vergleichbaren Qualitatsniveaus an Jahresabsciiiussinformationen werden sicii die nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen kaum entziehen konnen. Obwohl die vermeintlich weitlaufigen Ermessens- und Schatzungsspielraume eines Jahresabschlusses nach IFRS zunachst den Zielsetzungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen zu entsprechen scheinen, stellen die damit verbundenen regulatorischen Folgen dieses Unternehmenssegment vor stetig steigende Publizitatsforderungen, die nicht im Sinne dieser Unternehmen stehen.

5.3.3.5 Eigenkapitalausweis bei Personengesellschaften Grundsatzlich sind die IFRS aufgrund ihrer rechtsformneutralen Formulierung fur samtliche Unternehmen anwendbar und nicht auf kapitalmarktorlentierte Unternehmen beschrankt. Dennoch ergeben sich bei Anwendung der IFRS durch Personengesellschaften Besonderheiten in Bezug auf das Eigenkapital und dessen Ausweis, welche auf die Unternehmenscharakteristika zuruckzufijhren sind und von den IFRS de lege lata nicht geregelt bzw. unterschiedlich ausgelegt werden. Kritisch erscheint in diesem Zusammenhang die Neuregelung der Eigenkapitaldefinition in IAS 32 (rev. 2003). Im Rahmen der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital liegt nach IAS 32.17 f. bei Bestehen einer rechtlichen oder faktischen^"^^^ Ruckzahlungsverpflichtung - sei sie auch langfristig einzustufen - eine finanzielle Verbindlichkeit und demnach kein Eigenkapital vor. Insofern ist davon auszugehen, dass das Recht von Antellseignern an Personengesellschaften zur Kundigung ihrer Mitgliedschaft gegen Abfindungsanspruche nunmehr nach IAS 32.18b nicht mehr zum Ausweis von (bisher verstandenem) Eigenkapital fuhrt,

^^^'' Gemali ED IAS 32.19 und 22 sollen faktische Ruckzahlungsverpflichtungen kunftig nicht mehr zur Umqualifizierung in Fremdkapital fuhren; vgl. Broser/Hoffjan/Strauch (2004) S. 452.

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5 Praktikabilitat und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

sondern als Verbindlichkeit zu erfolgen hat.'''*^® Obgleich die alte Regelung nach IAS 32.20 (rev. 1998) ebenfalls eine Einstufung von Kapitalanteilen als Fremdkapital vorsah, sofern eine gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur Kapitalruckzahlung vorlag, konnte der Unnkategorisierung durch SIC 5 entgegengewirkt werden. Nach SIC 5.6 ist ein Finanzinstrunnent weiterhin als Eigenkapital auszuweisen, sofern die Wahrscheinlichkeit des Abflusses liquider MIttel bzw. die Herausgabe anderer Finanzaktiva als vernachlassigbar gering einzustufen ist.''^^® Die Neuregelung des IAS 32, die fur Geschaftsjahre ab dem 1.1.2005 anzuwenden ist, orientiert sich jedoch an der Definition des „Puttable Instruments".''^®^ Dieses liegt nach IAS 32.18 n. F. vor, wenn dem Halter eines Finanzinstruments das Recht auf dessen jederzeitige Ruckgabe gegen Zahlungsmittel oder Zahlungsmittelaquivalente eingeraumt wird. „Eine bei Kundigung der Gesellschaft durch den Gesellschafter oder dessen Tod vorgesehene Abflndung fuhrt nach IFRS gem. der h. M. nicht erst durch Ausubung des Kundigungsrechts, sondern sofort zum Schuldausweis. Die Schuld ist nach allgemeinen Bewertungsregein zum Fair Value anzusetzen."''^®^ Die Folgen einer solchen Ausweisanderung sind zunachst abhangig von Ihrer Akzeptanz durch die Jahresabschlussadressaten zu beurteilen. Wird den Gesellschaftern einer Personengesellschaft die Moglichkeit des Ausweises der Kapitaleinlage als Eigenkapital genommen, durfte die Eigenkapitalquote ceteris paribus bedenklich absinken und das Eigenkapital Im Extremfall sogar gegen null tendieren."*^®^ Die Kreditwurdigkeit einer Personengesellschaft ist jedoch erst dann betroffen, wenn die Umkategorisierung von den Glaubigern des Unternehmens nicht entsprechend berucksichtigt und toleriert wird. Damit wurde unterstellt, dass die Eigenkapitalquote im Rahmen der Kreditvergabe dann keine Rolle mehr splelen darf.^^«3 Angesichts der Inkonsistenz der Neuregelung hat das IDW dem lASB eine alternative Eigendefinition vorgeschlagen: Hiernach sollen die einem Unternehmen uberlassenen Mittel als Eigenkapital klassifiziert werden durfen, wenn sie als Verlustdeckungspotential zur Verfugung stehen.'''*^ Die Kundlgungsmoglichkeiten oder

^^^^ Vgl. IDW (2004) S. 86 f. sowie Hoffmann/Ludenbach (2005) S. 405. ^*^® Vgl. Broser/HofQan/Strauch (2004) 8.454. ^^^° Vgl. Leuschner/Weller (2005) S. 261 f. ^*®^ Hoffmann/LOdenbach (2005) S. 405. ^^^^ Vgl. Broser/HofTjan/Strauch (2004) S. 456. ^*" Vgl. Bocking/Herold/MOUig (2004) 8. 669; Broser/Hoffjan/Strauch (2004) S. 456. ^**^ Nach dem IDW-Vorschlag liegt Eigenkapital vor, wenn zukOnftige Verluste mit diesen MItteIn bis zur vollen H6he zu verrechnen sind und im Insolvenzfall eine Insolvenzforderung nicht geltend gemacht werden kann; vgl. IDW (2004) S. 86 f.

5.3 Systemaltemative IFRS

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-fristen spielen demnach keine Rolle. Dieser Vorschlag ist in der Endfassung von IFRIC 2 (..Members' Shares in Co-operative Entities and Similar Instruments") jedoch unberucksichtigt gebliebenJ^®^ Folglich ist davon auszugehen, dass IAS 32 (rev. 2003) fur Geschaftsjahre ab dem 1.1.2005 unverandert anzuwenden ist. Aus wirtschaftlicher Sichtweise kann das Neuregelung des IAS 32 indes nicht uberzeugen. Wird das Eigenkapital von Personengesellschaften als Fremdkapital zum Zeitwert ausgewiesen, ergibt sich eine paradoxe Situation: ,.Je positiver sich der anteilige Unternehmenswert entwickein wurde, je besser es also dem Unternehmen ginge, desto schlechter fiele die Abbildung der wirtschaftlichen Situation in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung aus."^*®® Ob die Neuregelung insofern mit dem Grundsatz ..substance over form" in Einklang steht, ist stark anzuzweifeln. Die Umkategorisierung ehemaligen Eigenkapitals wirft gleichzeitig weitere Folgeprobleme auf: Demnach stellt sich die Frage, wie bei erfolgsneutralen Eigenkapitalerhohungen, die in IAS 39 bei ..Available-for-Sale"-Finanzinstrumenten oder bei einer Neubewertung nach IAS 16 bzw. IAS 38 vorgesehen sind, kunftig zu verfahren ist. Weil das um die Marktwertsteigerung erhohte - vormalige - Eigenkapital insgesamt Objekt der potenziellen Abfindungsanspruche der Anteilseigner darstellt, musste eine positive Marktwert-ZEigenkapitalerhohung konsequenten/veise unmittelbar dem Fremdkapital zugerechnet werden.''^®^ Fur Ludenbach/Hofmann ist damit die ,.[...] Grenze [zur] Absurditat erreicht."''^®® Mit der Neuregelung des IAS 32 wird der zentralen Forderung nach einer Abbildung eines realistischen Bildes der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage im IFRS-Abschluss sicherlich nicht entsprochen. ,.IAS 32 schafft weder rechtsformubergreifende Informationen noch einen aus Sicht der Investoren hinreichenden Einblick in die Finanz- und Ertragslage."""^®^ Ein Ansatz zur Losung des Dilemmas ist den IFRS selbst zu entnehmen: In den Fallen, in denen das bilanzierende Unternehmen zu der Erkenntnis gelangt, dass die Befolgung einer Vorschrift zu irrefuhrenden Ergebnissen fuhrt und nicht dem geforderten ..True and Fair View" entspricht, sieht IAS 1.13 ein Abweichen von der entsprechenden Regelung vor, die (eigentlich) voll im Einklang mit den IFRS steht. Es bleibt abzuwarten, ob zukunftig ^^^^ Vom lASB wurde dieser Sachverhalt als ..aparently anomalous accounting" (Bewertungsanomalie) bezeichnet; vgl. Hoffmann/LiJdenbach (2005) S. 405. ^*^^ Ludenbach/Hoffmann (2004c) S. 1047. ^^®^ Eine positive und erfolgsneutral verbuchte MarktwerterhShung kann buchungstechnisch jedoch nicht direkt dem Fremdkapital zugerechnet werden. Insofern musste es zur Bildung eines systemfremden Ausgleichs-ZHilfspostens kommen. Ludenbach/Hoffmann sprechen In diesem Zusammenhang von einem ..technischen Eigenkapital"; vgl. Hoffmann/LOdenbach (2005) S. 406 f. ^^®® Hoffmann/Ludenbach (2005) S. 408. ^^^^ Leuschner/Weller (2005) S. 269.

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5 Praktikabilit^t und Kompatibilitat beider Rechnungslegungssysteme

ein Untemehmen zu dieser Malinahme greifen und einen Jahresabschluss vorlegen wird, der nicht samtlichen Standards entspricht und damit als nicht IFRSkonform einzustufen jst. Deutlich wird indes, dass die IFRS - entgegen der Versicherung des lASB - eben nicht „[...] suitable for all entities"^^^° sind. Insofern hat der Board, das inn Rahmen der Verabschiedung von IFRS 1 proklamierte Ziel, „[...] to find solutions that will be appropriate for any entity in any part of the world"^'^®\ nicht erreicht. Aus Sicht deutscher Personengesellschaften stellt die Neuregelung im Ergebnis ein wesentliches Hindernis fur die Anwendung der IFRS dar. „Eine Umstellung auf lAS/IFRS wurde das in vielen Gesellschaftsvertragen von Personengesellschaften niedergelegte Gleichgewicht zwischen den Finanzierungslnteressen der Gesellschaft und den Ausschuttungslnteressen der Gesellschafter empfindlich storen und die In den Verelnbarungen der Gesellschafter angeordneten, bilanzrechtlich unterlegten Rucklagenbildungen neu prajudizieren."^"^^^ Von einer unreflektierten Obernahme dieser Regelung in europaisches Gemeinschaftsrecht ist insofern abzuraten. Die Praktikabilitat der IFRS fur den Einzeljahresabschluss von Personengesellschaften ist vor dem Hintergrund dieser Regelung jedenfalls de lege lata nicht gegeben.

^^®° lASB (2004a) PV-SME 1.1. S. 4. ^^^^ IASB(2004a)S. 15. Rn. 6f. ^^^^ ABHR (2002) S. 2378. Vor diesem Hintergrund spricht sich der ABHR grundsStzlich gegen eine Anwendung der IFRS in Personengesellschaften aus; vgl. ABHR (2002) 8. 2373. 2378.

6 Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung 6.1 Zur Zukunft der Rechnungslegung im deutschen Einzeljahresabschluss Im Rahmen der anstehenden Reform plant der Gesetzgeber eine moderate Reform des deutschen Handelsrechts unter Aufrechterhaltung des steuer- und gesellschaftsrechtlichen Funktionszusammenhangs des Einzeljahresabschlusses in Deutschland. Zum Schutze des Mafigeblichkeitsprinzips sowie der bilanziellen Kapitalerhaltung hat der Gesetzgeber damit auf die europarechtlich vorgesehene Offnung des Einzeljahresabschlusses in Richtung internationaler Rechnungslegung verzichtet. Der Zweckpluralismus des deutschen Einzeljahresabschlusses soil damit im Kern unangetastet bleiben. Die bisherigen Modifikationen der Rechnungslegungsrlchtllnien durch Modernisierungs- und Fair-Value-Richtlinle verlangen aufgrund der Existenz zahlreicher Mitgliedstaatenwahlrechte zum momentanen Zeitpunkt (noch) keine grundlegende Reform in Richtung internationaler Rechnungslegung. Gellngt dem deutschen Gesetzgeber im Rahmen des anstehenden Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes eine umfangreiche Eliminierung von bilanziellen Wahlrechten sowie eine Abschaffung der umgekehrten Mafigeblichkeit, geht damit eine Ruckkehr zu einer grofleren Objektivierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung einher. Ergebnis dessen ware nicht nur eine Starkung der Informationsfunktion, sondern gleichzeitig auch des Grundsatzes der Kapitalerhaltung: Denn zur Zahlungsbemessungsfunktion stehen insbesondere die zahlreichen bilanziellen Wahlrechte des HGB In diametralem Widerspruch.'''*^^ Insofern kann am eingeschlagenen Weg des Gesetzgebers zunachst festgehalten werden, „[...] das HGB unter Beibehaltung des Kapitalerhaltungsgedankens auf die IAS zuzubewegen und damit eine Vergleichbarkeit zumindest in bestimmten Mafie zu erreichen."^'*^'^ Das deutsche Handelsrecht ist - und bleibt - damit eine Systemalternative zur Ubernahme der IFRS in den Einzeljahresabschluss in Deutschland. Vorerst gilt: Jrotz des revolutionaren Umbruchs hin zur angelsachsischen Bilanzkultur wird der handelsrechtliche Jahresabschluss nach traditionellen GoB und HGB seine Bedeutung in Deutschland zumindest auf absehbare Zeit weitestgehend erhal-

^^^^ Vgl. Schulze-Osterloh (2004a) S. 2570. ^^^^ Kirsch (2003d) S. 277. ^^^^ Schildbach (2003) S. 1077.

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6 Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung

Dennoch beweist der neue Richtlinienanderungsvorschlag''^^^, dem aufgrund bestehender InkompatibilitSten zwischen IFRS und europaischem Bilanzrecht weitere Vorschlage folgen werden, dass sich Letzteres inmitten eines Transformationsprozesses in Richtung jnternationaler Rechnungslegung befindet. Dies entspricht den Zielen der Europaischen Kommission, die bei Vollendung ihrer Doppelstrategie Im Bereich der Rechnungslegung die Anwendung der IFRS fur samtliche (Kapital-)Gesellschaften in der EU vorsieht. Die schon durchgefuhrten Modifikationen der Rechnungslegungsrichtlinien mit dem Ziel der Angleichung an die internationalen Rechnungslegungsvorschriften zeigen bereits jetzt den Reformbedarf auf. So wurde im Rahmen der Fair-Value-Richtlinie - unter Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips - fur den Konzernabschluss die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert verbindlich vorgeschrieben. Ob diese Vorschriften in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss ubernommen werden, bleibt indes abzuwarten. Die Harmonisierung der europaischen Rechnungslegung fuhrt jedoch durch die Anknupfung an die IFRS zu Normen, die „[...] informationsorientiert ausgerlchtet sind und nicht dem Gedanken des Glaubigerschutzes folgen."^"^^^ Die weitere Annaherung europaischen Bilanzrechts an die wirtschaftlich gepragte und zeitnahe Berichterstattung der IFRS fuhrt demnach zu einem kontinuierlichen Obergang weg von gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsregelungen bei zunehmender Hinwendung zu einem informationellen GlaubigerschutzJ^^® Im Ergebnis werden ..zukunftig [...] Informations- und Ausschuttungsbemessungszwecke starker als bislang zu unterscheiden sein."'"'*®^ Vor diesem Hintergrund ist der Vorstofl der Europaischen Kommission zur Uberarbeitung des bisherigen Kapltalschutzes bei gleichzeltiger Untersuchung der Realisierbarkelt einer Alternative zum tradlerten gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungssystem zu verstehen.''^°° Zwar bleibt das bisherige bilanzielle Kapitalschutzsystem erhalten, dennoch soil mittelfristig die Durchfuhrbarkeit einer auf einem Solvabilitatstest beruhenden Alternativlosung untersucht werden.""^^^ Gleichzeitig bestehen bereits heute Ansatze auf Grundlage

^^^^ Vgl. hierzu Kapitel 4.1.3, S. 102, ^*^'' Herzig (2005)8.213. 1498

Vgl. hierzu ausfuhrlich Kapitel 4.2.2.2, S. 159.

'^^^ Prinz (2003)8.1364. ^^°° Auf europaischer Ebene beschSftigt sich derzeit die sog. High-Level-Group mit der Reform des Glaubigerschutzes. Diese Projektgruppe hat auf Basis der 8LIM-lnitiative (8impler Legislation for the Internal Market), die der Verschlankung der Binnenmarktverfassung diente, Vorschlage zur Modernisierung des Europaischen Gesellschafts- und Unternehmensrecht erarbeitet; vgl. Merkt (2004) 8. 306 f; Merkt (2001) 8. 148; Europaische Gemeinschaft (2002) sowie Europaische Kommission (2003b) 8. 20 f. ^^^ Ziel der geplanten Studie ist die Realisierbarkelt einer Alternative zum bilanziellen Kapitalerhaltungssystem. Damit soil ermittelt werden, welchen genauen Nutzen ein alternatives 8ystem gegenuber den kurzfristig geanderten Bestimmungen der Zweiten Richtllnie bletet. Die

6.1 Zur Zukunft der Rechnungslegung im deutschen Einzeljahresabschluss

315

der neuen Erfolgsrechnung nach IFRS, nicht realisierte Gewinne zu isolieren, urn letztlich den Ausweis des entziehbaren Gewinns - und somit ausschuttungsfahigen Ergebnisses - gewahrleisten zu konnen. Die de lege lata mangelnde Eignung der IFRS zur Zahlungsbemessung ware dadurch kompensiert. Ihrer Anwendung im Einzeljahresabschluss stunden dann keine Glaubigerschutzbedenken mehr entgegen. Gleichzeltig schreitet die Erosion des MaHgeblichkeitsprinzips der Handels- fur die Steuerbilanz in Deutschland voran. „Der Gesetzgeber halt [...] zwar in Worten am Maligeblichkeitsgrundsatz test, in Taten entfernt er sich aber immer weiter da^Q^ ..1502 Qjgggp i^at durch zahlreiche Gesetzesanderungen in den letzten Jahren den Grundsatz der Madgeblichkeit systematisch durchbrochen und damit sukzessive steuerspezifische Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften eingefuhrt, so dass ein nahezu eigenstandiges Steuerrecht de fakto bereits existiertJ^^^ Ein weiteres materielles Vordringen der IFRS-Vorschriften in den deutschen Einzeljahresabschluss wird diese Tendenz in Zukunft verstarken. Wenngleich zwischen beiden Bilanzsystemen materielle Ubereinstimmungen bestehen, divergleren ihre grundsatzlichen Zlelsetzungen. Das Streben nach zeitnahen und (vermeintlich) entscheidungsrelevanten Zeitwerten im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der internationalen Rechnungslegung ist mit den Objektivierungserfordernissen des Steuerrechts schwer zu vereinbaren. Daneben wird die deutsche Steuergesetzgebung zunehmend durch den aktuellen Handlungsbedarf bestlmmt. Schliedlich sind die Implikationen der Anerkennung der IFRS als sekundares Gemeinschaftsrecht auf die Auslegung steuerlicher Sachverhalte abzuwarten.^^^"^ Weil insofern von einer (formellen) Maligeblichkeit auf Gmndlage der IFRS nicht ausgegangen werden kann, ergibt sich die Notwendigkeit eines eigenstandigen Steuerrechts.''^°^ DamIt einher ginge die - uberfallige ~ Abschaffung des Mafigeblichkeitsprinzips. Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungstendenzen wird der traditionelle Einzeljahresabschluss nach HGB vom deutschen Gesetzgeber nicht dauerhaft gegen die fortschreitende Internatlonalisierung der Rechnungslegung immunisiert werden konnen. Damit steht der Zweckpluralismus des deutschen Einzeljahres-

Studie soil mittelfristig (2006-2008) in Auftrag gegeben werden; vgl. EuropSische Gemeinschaft (2002) S. 94-96; EuropSische Union (2003c) 8. 3 f. Am bestehenden bilanziellen Glaubigerschutzsystem soil jedoch festgehalten werden; vgl. Maul/Lanfermann/Eggenhofer (2003) S. 1294; Europaische Gemeinschaft (2002) 8. 94. ^^°^ 8teck (2002) 8. 488. Ebenso Herzig (2005) 8. 212; Kufimaul/Klein (2001) 8. 546. ^^°^ Vgl. zu den Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips Kapitel 4.2.2.3.2, 8.177. ^^* Die Folgen der IFR8 als sekundares Gemeinschaftsrecht erortert Kapitel 5.2.2.2, 8. 223. ^^^ Vgl. zur Notwendigkeit eines separaten 8teuerrechts Kapitel 5.3.3.1, 8. 298.

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6 Zukunftsperspektiven der extemen Rechnungslegung

abschlusses auf dem Prufstand. „Bei dieser Ausgangslage erscheint das Festhalten an einer Maligeblichkeit der Kapitalerhaltungsbilanz allenfalls fur einen Obergangszeitraum vertretbar."^^°^ Eine weitere Offnung des deutschen Bilanz- und Gesellschaftsrechts sowie in der Folge die Aufgabe des IVlaflgeblichkeitsprinzips werden insofern mittelfristig nicht unterbleiben konnen. Bei einer direkten Obernahme der IFRS im Sinne eines befreienden Einzeljahresabschlusses darf jedoch nicht ubersehen werden, dass die IFRS nicht nur Vorteile bieten, sondern auch durch zahlreiche Unzulanglichkeiten gepragt sind. Das „Sich-Reich-Rechnen" in schlechten Zeiten ist in einem Jahresabschluss nach IFRS genauso moglich wie das „Sich-Arm-Rechnen" in besseren Unternehmenszeiten.''^^^ Entgegen der einschlagigen Meinung, die IFRS verpflichteten sich ausschliefilich der Vermittlung von entscheidungsrelevanten und zeitnahen Informationen, eroffnen diese dem bilanzierenden Unternehmen aufgrund einer grolien Anzahl von Ermessens- und Schatzungsspielraumen ein umfangreiches bilanzpolitlsches Aktionspotential. „Der Von^/urf, das deutsche Recht eroffne zu viele Wahlrechte, mag zwar zutreffen; in der Praxis sind aber die Bilanzspielraume der angloamerikanischen Methoden keineswegs gerlnger."^^°® Letztere konnen - dient der Abschluss der Ausschuttungsbemessung - einerseits zur Legung stiller Reserven genutzt werden und anderseits zu einer deutlich verbesserten Darstellung der wirklichen Finanz- und Ertragslage des bilanzierenden Unternehmens fuhren. Im Ergebnis gewahren die internationalen Standards „[...] sehr viele Wahlrechte und grofite Ermessensspielraume, bauen auf Prinzipienorientierung vor dem Hintergrund eines Wirrwarrs heterogenster Prinzipien, fuhren nach empirischen Untersuchungen nicht zu besonders informativen Jahresabschlussen, werden lax umgesetzt und durch die Obernahme als Europalsches Recht ihrem eigenen Ideal der reinen Fachnorm privater Experten entfremdet."''^^^ Ihre unmittelbare und direkte Anwendung Im deutschen Einzeljahresabschluss muss insofern kritisch beurteilt werden. Dennoch ist die (polltische) Entscheidung langst zugunsten der IFRS gefallen: Zumindest fur samtliche Kapitalgesellschaften In der ED steht am Ende der europaischen Doppelstrategie zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen die verpflichtende Rechnungslegung nach IFRS Im Einzeljahresabschluss. Gleichzeitig werden die IFRS In absehbarer Zeit die Konzernabschlusse europaischer

^^°® Herzig (2005) S. 213. Prinz sieht darin eine Notwendigkeit, an der „kein Weg vorbei fuhrt". Vgl. Phnz (2003)8.1364. ^^^ Vgl. Euler (2002) S. 880. '^^ Zeitler (2003)8.1530. ^^°^ 8childbach (2004) 8. 1077.

6.1 Zur Zukunft der Rechnungslegung im deutschen Einzeljahresabschluss

317

Untemehmen dominieren. Die Weiterentwicklung eines deutschen Konzernbilanzrechts scheint vor dem Hintergrund von dessen immer grolierer AnnSherung an die internationale Rechnungslegung obsoletJ^^^ Zudem haben die Erfahrungen vergangener Reformen gezelgt, dass Neuerungen In der Rechnungslegung auch auf andere Berelche und Unternehmen ausstrahlen.""^^^ Insofem blelbt abzuwarten, ob auch die deutschen Personengesellschaften zukunftig starker mit der internationalen Rechnungslegung konfrontiert werden. Fur den deutschen Gesetzgeber wird damit langfrlstig nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob die IFRS in den Einzeljahresabschluss ubernommen werden sollen, sondern in welchem Urnfang. Er hat (zunachst) den Weg einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Annaherung der handelsrechtlichen Vorschriften - unter Erhalt des MaHgeblichkeitgrundsatzes sowie des bilanziellen Kapitalschutzsystems - an die Internationale Rechnungslegung gewahlt. „Diese Entscheidung durfte allerdings insofem aufschiebenden Charakter haben, als das Nebeneinander von HGB im Jahresabschlu(l[!] und lAS/IFRS im Konzernabschlufi[!] wenig Stabilitat verspricht und sich der deutsche Gesetzgeber der breiten Unterstutzung der Einfuhrung von IAS/IFRS [...] kaum auf Dauer wird verschlieflen konnen."''^^^ In jedem Fall muss bei Obernahme der IFRS die drohende Drelteilung der Rechnungslegung in Steuer-, (HGB-)Kapitalerhaltungs- und (IFRS-)lnformationsbilanz aus Wirtschaftllchkeitsgrunden vermieden werden. Denn die Parallelitat von handelsrechtlichem Einzelabschluss und IFRS-Jahresabschluss birgt ein nicht zu unterschatzendes „Konfliktpotential"''^^^. Eine doppelgleisige Rechnungslegung wird immer die Frage nach dem „richtigen" Ergebnis aufwerfen und zu weiterem Rechtfertigungsdruck fuhren.''^^'* Streim/Esser, die In einem IFRS-Jahresabschluss „[...] kaum einen Beitrag zur Vermittlung entscheidungsnutzlicher Informatlonen"''^^^ sehen, deuten die

^^^° Die parallele Existenz von HGB- und IFRS-Konzernabschlussen schadet der Vergleichbarkeit von Jahresabschlussinformationen in Deutschland und Europa und zeugt von einer ,Zweiklassengesellschaff. Der AKEU stellt insofem bereits heute die Notwendigkeit und MOglichkeit der Weiterentwicklung eines deutschen Konzernbilanzrechts in Frage; vgl. Hutten (2003) S. 3. ^^^^ So galten nacli der Neukonzeption des AktG 1965 die ursprungiich nur fur Aktiengeseilschaften vorgeselienen Bewertungsvorschriften schon nacli kurzer Zeit als allgemein verbindllche GoB. Auch im Rahmen des BiRiLiG konnte sich die Teilung der Vorschriften fur Kapitalgesellschaften und Nicht-Kapitalgesellschaften nur bedingt durchsetzen, well die strengen Vorschriften auf freiwilliger Basis von alien Unternehmen ubernommen wurden; vgl. KQting (2004a) S. 683; Kudmaul/Tcherveniachki (2005) S. 616. ^^'^ Rammert ( 2 0 0 4 ) 8 . 5 9 1 . ^^^^ Vgl. Huttche (2004) S. 1192. Dieses gilt bereits fur den informatorischen IFRS-Einzeljahresabschluss nach § 325 HGB, den Huttche einen ..Papiertiger" nennt. Im Ergebnis kann dies wiederum zur Notwendigkeit einer Uberleitungsrechnung zwischen beiden Jahresabschlussen fuhren. ^^^^ Streim/Esser (2003a) S. 840 (beide Zitate).

318

6 Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung

parallele Aufstellung einer Informationsbilanz nach IFRS und einer HGB-Ausschuttungsbilanz gar als „Ressourcenverschwendung". Urn die notwendige Wirtschaftljchkeit der Rechnungslegung zu wahren, liegt die Zukunft des deutschen Einzeljahresabschlusses insofern in einer weiteren Reform des HGB. Dessen vorsichtige Annaherung an die verstSrkt informationsorientierte Berichterstattung der IFRS stellt angeslchts der bestehenden Unzulanglichkeiten der internationalen Rechnungslegung und der mangelnden Existenz differenzierter Vorschriften fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen insofern eine Alternative zur direkten Anwendung der internationalen Vorschriften dar. Neben ein eigenstandiges Steuerrecht wird deshalb mittelfristig ein weiterhin reformiertes Handelsrecht treten, das sich unter Berucksichtigung des Kapitalerhaltungszwecks materiell der internationalen Rechnungslegung annahern wird. Dies entspricht der logischen Fortentwicklung der derzeitigen Ausgangslage. Der informatorische Einzeljahresabschluss nach IFRS wird dabei als Oberbrtickungselement dienen, bis der langfristige Transformationsprozess des deutschen Handelsrechts in Richtung internationaler Rechnungslegung abgeschlossen ist. Parallel wird nach Alternativen der Ausschuttungsbemessung zu suchen sein. Die materlellen Oberschneidungen der jeweiligen Rechnungslegungssysteme durften dabei die kunftigen Transformationsphasen erieichtern und die Spaltung der Rechnungslegung (zumindest ansatzweise) entkraften. Im Ergebnis stellt das zunehmend reformierte deutsche Handelsrecht in keinem Fall ein Auslaufmodell gegenuber einem (befreienden) IFRS-Einzeljahresabschluss dar. Der de lege lata bestehende Funktionszusammenhang des deutschen Gesellschafts-, Handels- und Steuerrechts entspricht in seiner momentanen Auspragung dabei nur einer Obergangslosung. Am Ende dieses langfrlstigen Transformationsprozesses steht in Einzel- und Konzernabschluss die Rechnungslegung auf Grundlage der IFRS. Die zunehmende Globalisierung der Geschaftstatigkeit von Unternehmen fuhrt in logischer Konsequenz zu einer steigenden Internationalisierung und Harmonisierung ihrer Rechnungslegung. Dies entspricht dem Willen der Europaischen Kommission. Die Verbreitung der internationalen Rechnungslegung bis in den Einzeljahresabschluss samtlicher europaischer Unternehmen wird dabei durch die Existenz und Praxisakzeptanz von differenzierten IFRS-Vorschriften entscheldend beeinflusst. Nur so werden die Bedurfnisse der grolien Mehrheit der nicht kapitalmarktorlentierten Unternehmen beruckslchtigt und die Wirtschaftllchkeit der Rechnungslegung aufrechterhalten. Dennoch werden die nicht kapitalmarktorlentierten Unternehmen zukunftig mit hoheren Anforderungen an ihre externe Berichterstattung konfrontiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Unternehmen (noch) nach HGB oder (bereits) auf

6.2 Schlussbemerkung

319

Grundlage der IFRS Rechnung legen. Der Umfang hoherer Anforderungen wird sich dabei nicht auf einschlSgige Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beschranken, sondern auch die Publizitatsvorschriften umfassen. Kapitalmarktinduzierte Vorschriften werden insofern auch nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen erfassen. Die zunehmende Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung lasst dabei die Grenzen zwischen kapital- und nicht kapitaimarktorientierten Unternehmen schwinden. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen durch regulative Madnahmen vor (zu) weit gehenden Rechnungslegungsanforderungen der internationalen Rechnungslegung geschutzt werden konnen ~ oder wollen.''^^^ Denn die Strategie der Europaischen Kommission im Bereich der Rechnungslegung sieht die Anwendung der IFRS gleichermaden fur samtliche Unternehmen in Europa vor. Wann die Strategie umgesetzt sein wird, ist letztlich eine Frage der Zeit.

6.2 Schlussbemerkung Die Ausfuhrungen dieser Arbeit haben gezeigt, dass nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen und die internationalen Rechnungslegungsstandards zwar gegensatzliche, aber nicht ganzlich unvereinbare Positionen darstellen. Die Einfuhrung eines befreienden Einzeljahresabschlusses auf Grundlage der IFRS erscheint jedoch verfruht. Eine direkte Ubernahme der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss kann nur im Rahmen einer grundlegenden Reform des deutschen Gesellschafts- und Steuerrechts erfolgen, an deren Ende ein eigenstandiges Steuerbilanzrecht und eine aus dem Einzeljahresabschluss ausgelagerte oder auf Basis der IFRS modifizierte Zahlungsbemessung steht. Zwar liegen erste Ansatze fur eine Zahlungsbemessung auf Grundlage der geplanten neuen Erfolgsdarstellung nach IFRS vor, deren Praktikabilitat derzeit allerdings noch nicht gegeben. Gleichzeitig existieren noch keine uberzeugenden Ansatze, um die Wirtschaftlichkeit der Rechnungslegung von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen bei direkter Ubernahme der IFRS in den handelsrechtlichen Einzeljahresabschluss zu garantieren. Eine langfristige Losung kann indes nicht in der Koexistenz nationaler und internationaler Rechnungslegungssysteme bestehen. Die derzeitige Spaltung zwischen Konzern- und Einzeljahresabschlussen kann nur vermieden werden, wenn die gleichen Grundsatze in der Rechnungslegung fur alle Unternehmen re-

^^^^ Als primare Malinahme zum regulatorischen Schutz von nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ggu. hohen Rechnungslegungsanforderungen sieht der AKEU eine effizlente Differenzierung der originSren IFRS; vgl. AKEU (2004) S. 12.

320

6 Zukunftsperspektiven der externen Rechnungslegung

spektive Rechtsformen in Deutschland gelten. Dies setzt ebenso die Praktikabilitat der IFRS fur den Einzeljahresabschluss von Personengesellschaften voraus. Grofie Hoffnungen ruhen dabei auf einer Differenzierung der originaren IFRS-Vorschriften. Erieicliterungen im Bereich der Publizitatsforderungen werden indes nicht ausreichen, urn eine spurbare Entlastung fur kleine und mittlere Unternehmen von den komplexen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften der IFRS zu erzlelen. Die Praxisakzeptanz der Vorschriften fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen wird umso grofler sein, je stSrker diese einen eigenstandigen Charakter aufweisen und sich in der Folge von den originaren Regelungen distanzleren konnen. Der Ausgang des Projektes 1st Insofern von elementarer Bedeutung fur die weitere Internationale Verbreitung der IFRS. Die Grenze der Einschrankung von Offenlegungsanforderungen liegt jedoch in der Glaubwurdlgkeit und Authentizitat der ubermittelten Jahresabschlussinformationen. Gerade die umfangrelchen unternehmerlschen Planungen und Prognosen, die in einem IFRS-Abschluss zu zahlreichen Schatzungs- und Ermessensspielraumen fuhren, bewelsen die Notwendlgkeit detailllerter Anhangangaben. Ein Informationsorientierter Einzeljahresabschluss wird daher stets umfangreicher qualltatlver Eriauterungen - wie diese nach IFRS gefordert werden - bedurfen. Gleichzeitig werden auch nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zukunftig verstarkt mit den Publizitatsanforderungen der (internationalen) Kapitalmarkte konfrontiert werden und sich diesen nur schwerlich entzlehen konnen: Denn eine informationsorientierte Rechnungslegung stiftet samtlichen Unternehmen einen hoheren Nutzen. Im Ergebnis steht - auch fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen in Zukunft kein Weniger, sondern ein Mehr an Informationen. Diese erstrecken sich zunehmend auf eine qualitative und zukunftsorientierte Berichterstattung. Die Anforderungen an die externe Rechnungslegung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen werden vor diesem Hintergrund welter steigen. Ihre Bilanzierungspraxis muss diesen Veranderungen deshalb entsprechen. Denn der Obergang zur internationalen Rechnungslegung stellt fur nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zweifelsohne eine besondere Herausforderung dar: Neben dem Einzug einer grundsatzlich anderen Rechnungslegungsphilosophie wird deren steuerbezogene handelsrechtliche Rechnungslegungspraxis ein Ende finden. Mit dem Obergang zu einer informationsorientierten Berichterstattung geht zudem ein anderes Publizitatsverstandnis einher. Die IFRS stellen in diesem Sinne eine Chance dar, den organischen Entwicklungsprozess einer Unternehmung voranzutreiben. Durch den Einzug von zukunftsbezogenen und aktuellen Wertansatzen In die Bilanz kann es unter IFRS zu einer Annaherung von internem und externem Rechnungswesen kommen. Damit gehen neue Moglichkeiten der Prozesssteuerung einher. Eine

6.2 Schlussbemerkung

321

einheitliche Sprache in der Rechnungslegung wird gleichzeitig die Erschliedung neuer Marktpotenziale erieichtern und KompatibilitSt in der Komnnunikation mit Unternehmenspartnem weltweit gewahrleisten. Der Paradignnenwechsel in der Rechnungslegung muss mithin von einem Mentalitatswechsel inn Unternehmensmanagement begleltet werden. Dabei stellt der Status Quo der internationalen Rechnungslegungsstandards kein abgeschlossenes Entwicklungsstadiunn dar. Obgleich die IFRS mittlen/veile eine zunehmend hohere Regelungs- und Konnmentierungsdichte aufweisen, befinden sle sich noch imnner inmitten eines dynamischen Weiter- und Fortentwicklungsprozesses. In dessen Zentrum standen bisher die Anforderungen des Kapitalmarkts. Der Interessenvertretung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen konnnnt in diesem nneinungsbildenden Verfahren demnach entscheidende Bedeutung zu. Die besonderen Anforderungen dieser Unternehnnen an ihre Rechnungslegung konnen nur dann berucksichtigt werden, wenn sie in den entsprechenden Gremien zum Ausdruck gebracht werden. Damit wird erneut die Notwendigkeit einer erfolgreichen Differenzierung der originaren IFRS bestatlgt. Die Diskussion urn die Internatlonalisierung der externen Rechnungslegung in Deutschland wird angesichts des notwendigen Transformationsprozesses des Steuer-, Handels- und Gesellschaftsrechts auf absehbare Zeit nicht abgeschlossen sein. Sie wird dabei von der nationalen verstarkt auf die europaische Ebene verlagert werden. Die Berucksichtigung deutscher (Unternehnnens-)lnteressen stellt dabei einen wichtigen, aber keinen zentralen Aspekt dar. Zukunftige Diskussionen werden zudem maflgeblich von der dynamischen Weiterentwicklung der internationalen Rechnungslegungsstandards gepragt sein. Insofern handelt es sich bei der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland um einen offenen Prozess. Weitere Forschungsvorhaben mussen bei den angefuhrten Inkompatibilitaten und Inkonsistenzen ansetzen.

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