H.G.Francis
Band 31
Duell der Titanen Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinandersetzung zwische...
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H.G.Francis
Band 31
Duell der Titanen Im Jahre 1992 gerät die Erde in die jahrtausendealte Auseinandersetzung zwischen Orathonen und Laktonen. Unser Planet wäre vernichtet worden, wenn nicht der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Rex Corda, eingegriffen hätte. Corda verbündet sich mit den Laktonen und vertreibt mit ihrer Hilfe die Orathonen. Eigentlich ist Terra innerhalb dieser galaktischen Auseinandersetzung nur ein unwichtiger Planet am Rande der Milchstraße. Aber Rex Corda, zum Präsidenten von Terra gewählt, ahnt bereits, daß die Erde gegen einen dieser galaktischen Riesen die endgültige Entscheidung herbeiführen muß oder untergehen wird. Da erhält Rex Corda die entscheidende Hilfe: Der geniale terranische Wissenschaftler Walter Beckett erfindet einen Kunststoff mit überragenden Eigenschaften. Rex Corda nennt diesen Stoff Becon. Der unzerstörbare Stoff saugt alle Energien wie einen Schwamm in sich auf. Beängstigend ist, daß sich mit Becon auch das Hirn eines Menschen beeinflussen läßt. Ein Mensch, in den dieser Kunststoff hineinoperiert wird, ist unverwundbar. Sehr schnell haben die Orathonen und Laktonen die
Bedeutung dieses Stoffes erkannt. Die Jagd auf Becon beginnt. Dem Flottenkommandeur der Orathonen, Sigam Agelon, gelingt es sogar, sich ein Stück Becon ins Hirn einsetzen zu lassen. Zu den Becon,,Veränderten" der Erde gehört auch der Freund Rex Cordas — Ralf Griffith. Sigam Agelon will mit Hilfe seiner neuen Fähigkeiten die Herrschaft über die ganze Galaxis an sich reißen. Ihm im Wege sind die „Zeitlosen", die Wächter der galaktischen Ordnung. In ihr Reich dringt Sigam Agelon ein. Rex Corda erhält aus den Tiefen der Galaxis einen Hilferuf. Er bricht auf, um das Reich der „Zeitlosen" vor dem Untergang zu retten. Für seinen Flug benutzt er das größte Raumschiff Terras, die „Walter Beckett". Im Reich der „Zeitlosen" trifft Corda auf Sigam Agelon. Der Orathone merkt, daß der mit Becon „veränderte" Ralf Griffith bei Corda ist. Sigam Agelon weiß, daß er nur dann die Herrschaft über die gesamte Galaxis an sich reißen kann, wenn es ihm gelingt, Ralf Griffith zu vernichten. Er fordert deshalb den Terraner zum Zweikampf heraus, zum Duell der Titanen!
Die wichtigsten Personen: Rex Corde, .............. Präsident Der Erde Ralf Griffith .. Cordas Freund, der mit Becon verändert worden ist Sigam Agelon Flottenkommandant der Orathonen, gilt als unbesiegbar Tsati Mutara ...... von den Orathonen entführter Terraner Ierra Kretan ........... attraktive Agentin Laktons
Die beiden Kinder mußten vorsichtig gehen! Jede zu schnelle Bewegung konnte ihre extrem schwachen Wirbelsäulen knicken und sie in ein Chaos von Schmerz stürzen. John Jon blieb schwer atmend stehen. Er sah zurück. Der Orathone näherte sich rasch. Der grüne Teufel war viel schneller als John Jon und sein Bruder Bob. Er kam mit geschmeidigen Schritten durch das Tal. In seiner klobigen Faust hielt er die tödliche Waffe, mit der er das Urteil vollstrecken wollte. „Komm!" bettelte Bob. „Wir haben es gleich geschafft!" John Jon sah seinen Bruder traurig an. Er schüttelte den Kopf. In seinen blauen Augen spiegelte sich die Verzweiflung. „Du weißt genau, daß wir keine Chance haben! In zwei Minuten hat er uns erreicht! Und selbst wenn wir den Gleiter dort vorn erreichten, würden sie uns nicht entkommen lassen!" Er preßte die Hände gegen die schmerzenden Hüften und zwang sich zum nächsten Schritt. Ein kleiner Apparat steckte in ihren Ohren. Sie hörten die drohende Stimme des Orathonen. „Zeigt, was ihr könnt!" rief der Gefiederte. John Jon sah zurück. Der Grünhäutige hatte einen kleinen Hügel erreicht. Jetzt stand er breitbeinig darauf und starrte zu ihnen herüber. Rechts und links von ihm erhoben sich die kahlen Felswände, die unüberwindlich für die Jungen waren. „Ihr seid Mutanten! Wir wissen es! Zeigt, was ihr könnt! Seid ihr Teleporter? Dann springt! Seid ihr Telekineten? Dann haltet mich auf! Seid ihr Telepathen? Dann sagt mir, wann ich schießen werde!" „Komm!" stammelte Bob.
Er griff nach dem Arm seines Bruders und zog ihn mit sich. John Jon versuchte jetzt auch schneller zu laufen. Vor ihnen verengte sich das Tal. Kaum tausend Meter vor ihnen stand der Gleiter. Der Orathone lachte höhnisch; Sein Gelächter dröhnte in den Ohren der Brüder. Plötzlich schien es, als kämen sie schneller als zuvor voran. John Jon sah immer wieder zurück. Sie schöpften neue Hoffnung. „Der Orathone bleibt zu lange stehen!" sagte Bob hastig. „Er unterschätzt uns!" John Jon blieb stehen. Bob zerrte vergeblich an ihm. Erstaunt sah er dorthin, wohin auch sein Bruder starrte. Hinter dem Gleiter kauerte eine mächtige Raubkatze. Sie war doppelt so groß wie ein Tiger, ihr Fell war jedoch ähnlich gezeichnet. Vier handlange Dolchzähne blitzten unter den Lippen. Mit einem eleganten Satz sprang die Katze über den Gleiter weg. Sie eilte mit leichten, mühelosen Bewegungen auf die beiden Kinder zu. John Jon und Bob drehten sich um. Der Orathone stand keine zwanzig Meter mehr von ihnen entfernt. „Zeigt doch, was ihr könnt!" grinste er. „Ihr seid Mutanten! Alle Terraner, die wir bisher testeten, konnten etwas Besonderes! Was könnt ihr?" „Daddy, hilf mir!" schluchzte John Jon. Das Kind wandte sich in hilfloser Panik nach rechts. Die Bewegung war zu heftig. Das Stützkorsett hielt dem Druck nicht stand. Die Bandscheiben seiner extrem schwachen Wirbelsäule verschoben sich. Wimmernd vor Schmerz sank John Jon auf die Knie. Bob beugte sich über ihn, um ihm zu helfen. Er sah die gefährliche Raubkatze nicht mehr, die bis auf zehn Schritt herangekommen war.
Das Raubtier kauerte sich fest an den felsigen Boden. Ein wütendes Knurren rollte durch die Kehle. „Wir können nichts von dem, was Sie erwarten!" rief Bob dem Orathonen zu. „Glauben Sie es uns doch endlich!" Der Orathone hob die Waffe. Er ging langsam rückwärts. „Ich sehe, ich habe nicht mehr viel zu tun", sagte er kalt. „Rettet euch — oder die Katze wird mir die Arbeit abnehmen!" Bobs Kopf ruckte herum. Das Raubtier sprang mit einem Riesensatz auf sie zu. Die fürchterlichen Zähne stießen auf ihn und seinen Bruder herab. John Jon schrie gellend auf. „Daddy!" schrie er. * Ralf Griffith schreckte schweißgebadet auf. Seine Hand fuhr durch die Luft und knallte gegen die stahlharte Tür des niedrigen Schrankes, der neben seiner Koje stand. Krachend platzte das Material unter dem fürchterlichen Schlag auseinander. Die Plastiksplitter zischten wie Geschosse durch den Raum und nagelten sich in das weichere Material der Tür. Ralf Griffith, der Mann, der durch das ins Hirn hineinoperierte Becon zu einem unüberwindlichen Giganten gewordfen war, stand keuchend vor seinem Bett und starrte verwirrt um sich. Seine Augen schienen zu glühen. „John Jon! Bob!" keuchte er. Er hob die Hände an den Kopf und preßte die Fäuste vor die Augen. „Diese Teufel! Diese Teufel!" preßte er hervor. Er taumelte. Langsam ließ er sich auf das Bett sinken. Er stützte seinen Kopf in die Hände. „Es war nur ein Traum!" murmelte er. „Nur ein Traum!" Er griff nach der Zigarettenschachtel,
die auf dem Tisch lag, und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch biß auf der Zunge, aber er beruhigte. „Es war wirklich nur ein Traum!" wiederholte Ralf Griffith leise. Er wußte, daß er sich getäuscht hatte. Aber er war dennoch ganz fest davon überzeugt, daß seine beiden Söhne, John Jon und Bob, von den Orathonen entführt worden waren. Die Kinder litten beide unter ihrer extrem schwach ausgebildeten Wirbelsäule. Sie waren in einer Heilanstalt gewesen, wo sie wegen dieses Leidens behandelt wurden. Die Orathonen hatten alle Insassen entführt. Seitdem nagte bohrender Haß gegen die Gefiederten in Ralf Griffith. Aber jetzt hatte er die Chance, wenigstens einen Teil seiner Rache zu erfüllen. Sigam Agelon hatte ihn zum Duell herausgefordert! Griffith war entschlossen, den Orathonen so weit in die Knie zu zwingen, daß er ihm half, das Schicksal seiner Kinder aufzuklären. Ralf stand diesem Kampf innerlich gelassen gegenüber. Er war fest davon überzeugt, daß er ihn nicht verlieren konnte. Er kannte keine Furcht. Er fühlte nur diesen tödlichen Haß gegen die Orathonen in sich. Und für ihn war Sigam Agelon einer der Repräsentanten der Gefiederten. Ralf Griffith sah auf, als die Tür sich öffnete. Ein großer dunkelblonder Mann stand vor ihm. Klare, intelligente Augen sahen mitfühlend auf ihn herab. Ein unmerkliches Lächeln spielte um die Mundwinkel dieses Mannes, der sich in der schwärzesten Stunde der Menschheit nicht gescheut hatte, die Verantwortung für Terra zu übernehmen. Rex Corda ging zu dem Müllschlucker hin und warf die Zigarette, die er geraucht hatte, hinein. Mit keinem Blick beachtete er die Zerstörungen, die Ralf
Griffith mit seinem Schlag in der Kabine angerichtet hatte. „Vergiß nicht, Ralf, daß Haß blind machen kann", sagte er ruhig. „Du wirst deine Rache aber nicht erfüllen können, wenn du auch nur in einem Punkt schwächer bist als Sigam Agelon! Der Agelon ist ein ,Veränderter' wie du! Auch er trägt Becon unter seiner Schädeldecke!" Ralf Griffith schüttelte den Kopf. „Nein", sagte er grimmig. „Sigam Agelon trägt kein Becon!" Rex Corda hob fragend die Augenbrauen. „Das Material, das Sigam Agelon zu einem ,Veränderten' machte, wurde von den Laktonen produziert. Es ist nicht so vollkommen wie das, was ich trage! In dem Sinne ist es nicht Becon!" Corda lächelte. Er nickte. „Ich werde auf dich achten, Ralf!" Griffith erhob sich. Er streckte Rex Corda die Hand entgegen. In seinen Augen leuchtete es warm auf. Vorsichtig drückte er die Hand Cordas. Es gehörte sehr viel Behutsamkeit für einen Mann seiner Stärke dazu, die Hand des Oberbefehlshabers der „Walter Beckett" nicht zu zerquetschen. * „Der Kampfanzug sollte jetzt fertig sein, Ralf!" erklärte Rex Corda. Ergab dem „Veränderten" einen Wink, ihm zu folgen. Zusammen verließen sie die Kabine Ralf Griffiths. Corda drückte unauffällig die Taste an der Tür, die einen Reparaturroboter herbeirief. Die Schäden, die Ralf angerichtet hatte, mußten beseitigt werden. Im zentralen Gravoschacht glitten sie nach oben zu dem Trakt der wissenschaftlichen Laboratorien, in denen die terranischen Forscher mit den laktonischen Wissenschaftlern zusammen arbeiteten.
Dieser Trakt war durch besonders starke, mit Becon gepanzerte Schotten abgesichert. Im Sekretariat, in dem zwei terranische Offiziere arbeiteten, erwartete der laktonische Wissenschaftler Fan Kar Kont Rex Corda und Ralf Griffith. Fan Kar Kont galt als der überragende Mann unter den laktonischen Wissenschaftlern. Auf Teckan, dem laktonischen Zentrum der wissenschaftlichen Forschung, war Fan Kar Kont der Chefwissenschaftler gewesen, der die Leitung der wichtigsten Forschungsprojekte in der Hand hielt. Dennoch war er dem Ruf der Freiheit gefolgt. Er gab die Sicherheit seines Amtes gegen die ungewisse Zukunft in Freiheit bei den Terranern auf. Rex Corda fiel auf, daß Fan Kar Kont jetzt, trotz aller durchgestandenen Strapazen, einen viel aktiveren und energischeren Eindruck machte als zu der Zeit, als er von Teckan floh. Es war offensichtlich: Fan Kar Kont fühlte sich bei den Terranern wohl. Es schien ihn auch nicht übermäßig zu belasten, daß sie sich in den letzten Tagen und Wochen in ständiger Gefahr befunden hatten. Ein breites Lächeln ging über das braun und weiß gestreifte Gesicht des Wissenschaftlers. Er streckte Ralf Griffith impulsiv die Hand entgegen und gab sich Mühe, sie möglichst kräftig zu drücken. „Ich wünsche Ihnen Glück, Ralf", sagte Fan Kar Kont in einwandfreier englischer Sprache, die er erstaunlich schnell gelernt hatte. „Ich werde alles tun, um Ihnen in diesem Kampf zu helfen!" Ralf Griffith dankte mit einem Lächeln. Er und Rex Corda folgten dem Wissenschaftler in das großräumige Labor, in dem die Wissenschaftler an dem Kampfanzug für Griffith arbeiteten. Der Raumanzug stand wie eine fun-
kelnde Ritterrüstung im Raum Mehrere Wissenschaftier arbeiteten an ihm. „Der Kampfanzug ist mit allen technischen Finessen ausgerüstet, die wir Ihnen mit in den Kampf geben konnten, Ralf", erklärte Fan Kar Kont. „Er verfügt über besonders große Energiereserven. Der Sauerstoffvorrat ist extrem groß. Wir haben einen sehr starken Antigravitationsautomaten eingebaut, der es Ihnen sogar erlaubt, das Schwerefeld von ,Fatty' zu verlassen. Sie können sich mit dem Kampfanzug mühelos zu den Monden des Planeten begeben. Dafür haben wir auf alle Waffen verzichtet. Sie können einen Handstrahler mitnehmen, aber ich glaube nicht, daß Sie mit so einer Waffe den Kampf gegen Sigam Agelon gewinnen können." Ralf Griffith lächelte. Er ging zu dem blitzenden Kampfanzug und ließ seine Hand darübergleiten. „Alle Raumschiffe decken ihren Energiebedarf aus dem Reservoir der Sonnen, die sie passieren, nicht wahr?" „Natürlich", nickte Fan Kar Kont. „Warum fragen Sie?" „Ist der Kampfanzug dagegen gesichert, daß die Orathonen mir die Energie mit Hilfe der Versorgungsanlagen ihrer Raumschiffe abzapfen?" fragte Ralf. Fan Kar Kont nickte ernst. „Selbstverständlich. Ihnen kann nach meinem Ermessen nichts passieren, solange Sie sich in diesem Raumanzug befinden. Sie müßten versuchen, nahe an Sigam Agelon heranzukommen, um ihn dann mit Ihren spezifischen Mitteln zu bekämpfen. Sonst werden Sie nicht siegen können!" Ralf Griffith zündete sich eine Zigarette an. Niemand verbot es ihm, obwohl überall deutlich auf Rauchverbot hingewiesen wurde. Rex Corda lächelte. „Ich will Sigam Agelon nicht raten, faule Tricks zu wagen", sagte er mit
kalter, ruhiger Stimme. „Es könnte sonst eine Überraschung für ihn geben!" Ralf Griffith warf seine Zigarette in den Müllschlucker, obwohl er sie noch nicht aufgeraucht hatte. Er öffnete den Kampfanzug. „Bitte, helfen Sie mir, ihn anzulegen", sagte er ruhig. * Tsati Mutara war ein Terraner. Seit Monaten schon befand er sich in orathonischer Gefangenschaft. Die Orathonen zwangen ihn, sich stets in unmittelbarer Nähe von Sigam Agelon aufzuhalten. Tsati Mutara mußte sich fügen. Er befand sich in ständiger Gefahr. Jeden Augenblick konnten die Orathonen erkennen, daß er sich der scharfen Fessel entledigt hatte, die sie ihm angelegt hatten. Die Orathonen pflanzten jedem Nicht-Orathonen, den sie in ihren Dienst zwangen, eine teuflische Maschine ein, die zur einen Hälfte ein elektronisches Kontrollgerät, zur anderen ein lebendes Wesen größter Fremdartigkeit war. Der semibiotische Conductor zwang jeden Gefangenen der Orathonen in das grausame Joch, das sie ihm anlegten. Doch der semibiotische Conductor funktionierte nicht bei allen Terranern. Die terranischen Mutanten konnten den Semibioten abschütteln. Es war den Orathonen nicht gelungen, Rex Corda in ihre Gewalt zu bekommen, und es gelang ihnen auch nicht, Tsati Mutara mit dem Semibioten zu kontrollieren. Das elektromagnetische Spannungsfeld des mutierten Gehirns vertrug sich offensichtlich nicht mit dem des Semibioten. Tsati Mutara hatte die Fessel abgelegt — aber niemand von den Orathonen ahnte es. Das war die einzige Chance des Terraners. Es war seine einzige Hoffnung.
Er hatte einen Freund, der ihm zur Seite stand und der ihm half: der Trop Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen! Rex Corda hatte dieses kleine Wesen aus den Fängen der Orathonen befreit, als die Orathonen die Erde besetzt hielten. Er hatte Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen den semibiotischen Conductor abgenommen. Seitdem war der Trop ein Freund der Terraner. Er war bereit, sich jederzeit zu opfern, wenn es notwendig werden sollte. Tsati Mutara stieß einen leisen Seufzer aus, als er die Kommandobrücke der „Lynthos" betrat. Sigam Agelon, der Gigant, stand irn Zentrum des kreisförmigen Raumes. Er starrte den Terraner wortlos an. Seine aufgeworfenen Lippen zuckten. Mutara strich sanft mit der Hand über das Fell des Trops, der auf seiner Schulter hockte. „Es sieht schlecht aus, Freund", murmelte er. „Keine Sorge", nuschelte Thali. „Aus der Geschichte meiner Ahnen väterlicherseits kann ich dir von Situationen erzählen, die..." „Still jetzt!" Der dunkelhäutige Terraner ging gelassen auf den Orathonen zu. Er wußte, daß sein Leben ständig an einem seidenen Faden hing. In der Nähe des wahnsinnigen Sigam Agelon war niemand mehr seines Lebens sicher. „Komm her, Terraner", grinste der Agelon, der bis vor wenigen Tagen noch zu den höchsten Orathonen überhaupt gezählt hatte. Tsati Mutara trat dicht an den Orathonen heran. Er lächelte. Sigam Agelon starrte ihn von unten her wuterfüllt an. Tsati Mutara war 2,12 m groß! Er überragte den Orathonen um fast fünfzig Zentimeter! Sigam Agelon stand wie ein muskelprotzender Ball unter ihm, in den Winkeln der kleinen Augen pulsierte grünes Blut. Ein
eigentümliches Leuchten strich durch die Kopffedern Sigam Agelons. „Erzähle mir von dem anderen, Terraner!" forderte der Orathone auf. Er trat zurück, ging bis an die Computerbank, die die Zentrale wie ein Ring umgab, und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Tsati Mutara zuckte die Achseln. „Ich kenne ihn kaum", sagte er ruhig. „Es dürfte nicht schwer sein, ihn zu besiegen!" Sigam Agelon verengte die Augen. „Du willst mir eine Falle stellen!" zischte er. „Ich kenne niemanden, der den großen Sigam Agelon besiegen kann", sagte Tsati Mutara mit ernster, überzeugender Stimme. Sigam Agelon richtete sich auf. Blitzschnell drehte er sich um und sah auf den großen Holografen, der eine ganze Wand vor ihm einnahm. Auf dem Bildschirm zeichnete sich ein überzeugend dreidimensionales Bild des Sonnensystems ab. Die große Sonne hatte nur einen riesigen Planeten, um den sechsundzwanzig Monde kreisten. Die Monde waren fast alle so groß wie die Erde. Aus dieser Höhe war die „Walter Beckett", das Flaggschiff der Terraner, kaum zu erkennen. Wesentlich deutlicher sah Mutara die fünf Hantelraumer, die mehrere tausend Meter über der „Walter Beckett" bewegungslos im Raum standen. Sigam Agelon wirbelte wieder herum. Seine Augen glühten in wildem Triumph. „Ich habe sie schon geschlagen, Mutara! Ist dir das klar?" rief er mit schallender Stimme. Sein muskulöser Arm zeigte auf den winzigen Punkt auf dem Holografen. „Da steht die ,Walter Beckett'! Es ist nur noch eine Frage der Zeit — dann gehört sie mir! Niemand
wird mich dann noch in die Enge treiben können — auch nicht die ,Zeitlosen'! Klar?" Mit keiner Miene verriet der großgewachsene Neger seine Gedanken. Durch nichts zeigte er, daß er ständig nach einer Möglichkeit suchte, Sigam Agelon eine entscheidende Niederlage beizubringen. „Der Kampf ist überflüssig", sagte er gelassen. Sigam Agelon fuhr auf ihn los. Er packte seine Arme und umspannte sie mit grausamer Kraft. „Wie meinst du das, Terraner?" stieß er heftig aus. „Er ist überflüssig, weil Ralf Griffith ihn schon verloren hat, bevor er begonnen hat." Sigam Agelon gab den Mutanten frei. Er lachte selbstbewußt. „So ist es!" sagte er. Er eilte zu dem großen Holografen und schaltete ihn um. Das Bild eines Diskushangars wurde sichtbar. Zahlreiche Roboter und Orathonen arbeiteten an einem Diskus. Es war selbst für Tsati Mutara deutlich zu erkennen, daß Sigam Agelon das Raumschiff mit zahlreichen zusätzlichen Waffen ausrüstete. Der Führer der Orathonen bereitete sich nicht auf ein Duell vor, sondern auf eine Vernichtungsschlacht gegen einen Mann, Ralf Grifftth! Der Orathone schritt mit dröhnenden Schritten zum Ausgangsschott. Dort blieb er stehen. Er wandte sich zum Kommandanten um. „Wenn die Gefahr bestehen sollte, daß ich den Kampf verliere — was ich für ausgeschlossen halte —, greift die gesamte Flotte meinen Gegner an! Mit allen Waffen!" befahl er grinsend. Er warf Tsati Mutara einen spöttischen Blick zu und verließ die Zentrale. *
Ralf Griffith öffnete das Zeitversteck mit einem Knopfdruck. Das geschickt getarnte Schott rollte zur Seite und gab den Blick frei auf das Bassin, in dem der weiße Delphin schwamm. Ein sommersprossiger Junge mit widerspenstigem schwarzem Haar lehnte trübsinnig an dem Bassin und spielte mit den Händen im Wasser. Er sah auf, als Ralf Griffith eintrat. „Hallo, Kim", sagte der Mann, der sich auf den Kampf mit dem orathonischen Giganten vorbereitete. „Nur noch eine Frage!" Kim Corda sah an Ralf Griffith vorbei, hirfter dem sich das Schott jetzt schloß. Er sah seinen Bruder, Rex Corda, vor dem Zeitversteck warten. Er lächelte. „Was kann ich für Sie tun, Ralf?" fragte er. Der Delphin schob seinen Kopf über die Wasseroberfläche hinaus. Die intelligenten Augen musterten Ralf. Wabash stieß einige schnatternde Laute aus. „Ich möchte nur wissen, ob es Wabash möglich sein wird, einige Gedanken von Sigam Agelon aufzufangen!" sagte Griffith. „Wenn es so ist, dann möchte ich informiert werden, falls der Orathone mich mit unsauberen Mitteln erledigen will!" Kim Corda lächelte. Seine kleine Stirn krauste sich. Er konzentrierte sich, um Wabash die Frage Ralfs zu übermitteln. Aber es war nicht notwendig. Der telepathische Delphin hatte die Gedanken, des Kämpfers längst aufgefangen. Er antwortete mit einer Serie schneller Impulse, die Kim auffing. Jetzt machte sich die mühsame Arbeit des Delphins mit Kim bemerkbar. Kim Corda entwickelte seine telepathischen Fähigkeiten immer schneller und immer mehr. Er verstand die Antwort Wabashs
mühelos. Er schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, wir sind hier so isoliert, daß wir von den gefährlichen Ausstrahlungen der ,Singenden Fäden' geschützt sind. Deshalb können wir auch keine anderen Impulse auffangen!" Ralf Griffith biß sich auf die Lippen. „Diese Kabine ist zeitlich versetzt", sagte er langsam. „Dann müßtet ihr dennoch Impulse auffangen können, die zeitlich zurück- oder vorausliegen!" Wabash schnatterte laut. Er bchüttelte seinen massigen Kopf und tauchte dann gelassen unter. „Nichts kommt durch, Ralf. Absolut nichts!" sagte Kim. Ralf Griffith nickte. Der schwere Raumhelm wechselte von der linken in die rechte Hand. „Okay, es war nur eine Frage!" Er ging zum Schott und verließ die Kabine. * Die düstere, unheilschwangere Landschaft von „Fatty" dehnte sich vor ihm, als sich das große Außenschott der „Walter Beckett" öffnete. Ralf Griffith warf keinen Blick mehr zurück zu den Männern, die in der Schleuse standen und ihm nachsahen. Er hatte den Raumhelm jetzt geschlossen. In den Helmlautsprechern war ein leises Flüstern. Sonst war Stille. Er schaltete die Außenlautsprecher ein. Erst jetzt merkte er, daß ein scharfer Wind über die weite Ebene pfiff. Das hohe trockene Gras des Planeten bog sich unter dem steifen Wind, der von Osten kam. Vereinzelt rollten verdorrte Büsche über das Land. Die riesige Sonne füllte fast den ganzen westlichen Horizont aus. Sie bot ein unwirkliches Bild, da sie einfach zu groß war für an irdische Verhältnisse gewöhnte Augen. Es half nichts, daß man sich
sagte, es sei nicht die Sonne. Es war immer wieder ein Schock, eine Sonne über dem Horizont zu sehen, die tausendfach größer war als die Sonne, die Ralf Griffith in den vergangenen vier Jahrzehnten seines Lebens gesehen hatte. Er schaltete den Antigravitationsautomaten ab. Augenblicklich setzte der harte Zug der Schwerkraft ein. Doch die erhöhte Gravitation konnte Ralf Griffith nicht zu Boden werfen. Innerhalb einer Sekunde schaltete sein „veränderter" Körper urn. Griffith reckte sich. Er atmete tief durch und spürte die erhöhte Schwerkraft nicht mehr. Er ging so leicht in seinem Raumanzug, als zerre nur die gewohnte Schwerkraft von l g an seinem Körper. Ralf Griffith ging rasch auf die Ebene hinaus. Er warf keinen Blick zurück zur „Walter Beckett", die allmählich im Dunst hinter ihm versank. Er lauschte mit allen Sinnen auf den Kraftpol, der hoch über ihm im All schwebte. Sigam Agelon bildete den Energiepol, jene Markierung der Macht, mit der er sich messen mußte. Noch bewegte sich der Energieball nicht. Aber jeden Augenblick mußte der Aufbruch kommen. Plötzlich brüllte die Stimme John Haicks in den Helmlautsprechern Ralf Griffiths auf. „Achtung, Ralf! Eine Rakete! Sie feuern eine Rakete auf dich ab!" Griffith blieb stehen. Er lehnte sich etwas zurück, um in den Himmel hinaufsehen zu können. „Bewegen Sie sich von der Stelle, Ralf!" rief Bekoval, der laktonische Kommandant der „Walter Beckett" mit schriller Stimme. Ralf Griffith schaltete den Helmlautsprecher gelassen ab. Er konnte die Rakete nicht sehen, die auf ihn herabraste. Aber er spürte sie irgendwie. Ralf rastete den Schalter des Antigravitationsautomaten ein und riß ihn
dann kurz hoch. Gleichzeitig ließ er sich nach vorn fallen und stieß sich hart vom Boden ab. Im gleichen Augenblick, als alle Schwere von ihm wich und er einen leichten Auftrieb erhielt, stieß er sich ab. Wie eine Rakete schoß er schräg in den Himmel hinauf. Sofort schaltete er den Automaten zurück. Im nächsten Moment brüllte die Hölle um ihn auf. Er hörte die Rakete für einen winzigen Augenblick herankommen. Als sie aufschlug, gab es nur noch tobende Glut und brüllende Druckwellen, von denen Ralf sich über die Ebene peitschen ließ. Er krümmte sich zusammen, als er glaubte, weit genug geschleudert zu sein, und schaltete dann den Antigravitationsautomaten wieder ein. Langsam schwebte er zu Boden. Einige Kilometer hinter ihm wuchs ein gigantischer Pilz in den roten Himmel. Er stand als häßliches schwarzes Fanal vor der glutroten untergehenden Sonne von „Fatty". Ralf Griffith lächelte sanft. Er stieß den Atem aus und überprüfte die Geräte seines Kampfanzuges sorgfältig. Dabei schaltete er das Funkgerät wieder ein. Nur die ruhige, gelassene Stimme Rex Cordas war in seinen Helmlautsprechern. „... soeben die ,Lynthos' verlassen. Sigam Agelon wird jetzt vermutlich selbst angreifen! Alles okay, Ralf?" „Natürlich, Mr. Corda", antwortete der „Veränderte". „Der Druck hat mich nur ein wenig weiter von der ,Walter Beckett' weggetragen!" Rex Corda antwortete nicht. Ralf Griffith hörte nur seinen ruhigen Atem. Es beruhigte ihn und gab ihm die Sicherheit, daß ein Mann hinter ihm stand, der ebenso gelassen und selbstsicher war wie er selbst. Er wußte, daß Rex Corda notfalls alles auf eine Karte setzen würde, um ihn zu retten. Ralf Griffith wandte sich um.
Er konnte die „Walter Beckett" jetzt kaum noch erkennen. Sie stand in einer flachen Senke. Nur die oberen Kugelrundungen waren zu erkennen. Und auch sie verhüllten sich in diesige Schleier. Rechts von der „Walter Beckett" erhob sich der häßliche Pilz der Atombombenexplosion. Wiederum rechts neben diesem Pilz tauchte jetzt ein Diskusraumer vom Typ A-Vaut-T auf. Dieser Diskus hatte einen Durchmesser von 53 Metern und verfügte über die stärkste Bewaffnung unter den Diskustypen. Griffith lächelte. Sigam Agelon traute sich offenbar keinen Sieg mit gleichen Mitteln zu. Er mußte das technische Instrumentarium eines Kampfraumschiffes zur Hilfe nehmen. Gelassen sah Ralf Griffith seinem Gegner entgegen. Die Helmlautsprecher knackten neben seinen Ohren. „Auf diesen Augenblick habe ich schon lange gewartet", schnarrte die unbeteiligte Stimme eines elektronischen Übersetzers, der die Worte Sigam Agelons ins Englische übertrug. Zwei schlanke Raketen lösten sich aus dem glitzernden Leib des Diskusraumers. Sie rasten auf Ralf Griffith zu und waren viel schneller heran, als der „Veränderte" reagieren konnte. Ralf Griffith sah etwas vor sich aufblitzen. Er fühlte einen fürchterlichen Schlag gegen seine Brust. Dann wurde es einige Sekunden dunkel vor seinen Augen. Titanische Gewalten schleuderten ihn mit maßloser Wucht auf den Boden und peitschten ihn über die Ebene. Ralf Griffith riß die Augen auf. Er stand inmitten tobender, brüllender Glut, die rot und weiß um ihn herumraste. In seinen Helmlautsprechern schrillte die geifernde Stimme Sigam Agelons.
Für einen winzigen Augenblick fühlte er sich von beängstigender Schwäche überfallen, doch dann griff sein hungriger Körper nach den jagenden Energien. Er sog sie in sich auf, und langsam erlosch die Glut. Er knickte etwas ein und stieß sich ab. Er fühlte, daß der Boden unter ihm bedrohlich nachgab, dennoch gelang es ihm, sich aus der Glut zu lösen. Griffith schaltete hastig den Antigravitationsautomaten hoch. Sich überschlagend flog er aus dem Glutball heraus. Von seinen Füßen perlte der sich verflüssigende Boden ab. Ein Wutschrei Sigam Agelons schrillte in den Helmlautsprechern. Ralf Griffith lachte leise. Er schüttelte den Kopf. „Das solltest du doch wissen, Orathone, daß du mich mit solchen Mätzchen nicht mehr beeindrucken kannst", sagte er spöttisch. Er sah auf, um sich zu orientieren. Im letzten Augenblick erkannte er den Diskus, der blitzschnell auf ihn zuschoß. Dann prallten auch schon die Schutzschirme gegen ihn. Der fürchterliche Schlag betäubte ihn. Ralf Griffith schoß wie ein Ball in die Atmosphäre des Planeten hinauf. Die Prallfelder des diskusförmigen Raumschiffes schleuderten ihn mit spielerischer Leichtigkeit hinweg. Ralf Griffith kam wieder zu sich, als der Absturz einsetzte. Er sah die Ebene weit unter sich. Ein sanfter Druck griff nach ihm und minderte seinen Sturz. Wieder brüllte die tobende Stimme Sigam Agelons neben seinen Ohren auf, doch die Worte waren offensichtlich nicht an ihn gerichtet, sondern an die „Walter Beckett". „Setzen Sie sofort den Traktorstrahl ab!" schrie der Orathone. „Die gesamte Flotte wird angreifen, um die ,Walter Beckett' zu vernichten, wenn Sie den Strahl nicht sofort absetzen! Dies ist ein
Duell, das ich allein mit diesem Teufel austrage! Halten Sie sich da 'raus, Corda!" Der Traktorstrahl, der seinen Sturz milderte, fiel weg. Ralf Griffith lachte leise. Glaubte Sigam Agelon wirklich, daß er ihn mit einem simplen Absturz besiegen konnte? Er legte seine Hand an den Antigravitationsautomaten und schaltete ihn zur Probe kurz ein. Der Automat hatte keinen Schaden davongetragen. Griffith merkte, wie die schmerzhafte Betäubung, die der Stoß bei ihm hervorgerufen hatte, von ihm wich. Immer wieder staunte er darüber, wie sehr sich sein Körper durch das Becon „verändert" hatte, das ihm die terranischen Wissenschaftler eingesetzt hatten. Von dieser kleinen Schale aus dem geheimnisvollen Stoff Becon ging eine unerhörte Kraft aus. Jeden normalen Menschen hätte der schwere Zusammenstoß mit dem Diskus zerfetzt. Ralf Griffith aber merkte jetzt, daß die Prallenergie trotz der vorübergehenden Betäubung auf ihn übergegangen war. Der Diskus flog weit unter ihm. Ein kleiner blitzender Punkt löste sich aus dem scheibenförmigen Körper. Eine Rakete! Wenn sie ihn in dieser Höhe traf, mußte sie ihn zwangsläufig weit in das All hinausschleudern. Ralf Griffith schaltete den Antigravitationsautomaten. Blitzschnell veränderte sich seine Flugbahn. Und im nächsten Augenblick raste die Rakete dicht an ihm vorbei. Der Sturz beschleunigte sich rasend schnell. Die riesige Schwerkraft des gigantischen Planeten machte sich jetzt mehr und mehr bemerkbar. „Fatty" riß den „Veränderten" mit aller Kraft an sich. Ralf Griffith schaltete den Antigravitationsautomaten ein. Er versuchte, sei-
nen Sturz so zu regulieren, daß er in die Nähe des Diskusraumers des Orathonen kam. Doch der Plan glückte nicht. Sigam Agelon zog sich zurück. Dann — als Ralf kaum noch fünfhundert Meter über der Ebene war — feuerte Sigam Agelon die schweren Bordstrahler des Diskusraumers auf ihn ab. Armdicke Energiebündel schossen gleißend hell auf Ralf zu. Sie packten ihn mitten im Sturz. * Rex Corda fuhr blitzschnell in seinem Sessel hoch. Die Entscheidung war gefallen! „Fan Kar Kont", biß seine Stimme in die beklemmende Stille. „Machen Sie einen Diskus vom Pon-Typ klar." „Sie wollen in den Kampf eingreifen, Sir?" fragte der Wissenschaftler betroffen. „Ich werde tun, was ich für richtig halte!" „Sie dürfen nicht eingreifen, Sir!" rief Percip, der aus laktonischen Diensten entlassene Agent, heftig. „Die gesamte orathonische Flotte würde sofort über Sie herfallen!" Corda preßte die Lippen zusammen. Er sah sich auf der Kommandobrücke um. Die wichtigsten Männer der Expedition, die zu den „Zeitlosen" führen sollte, hatten sich in der Befehlszentrale der „Walter Beckett" versammelt. Cordas Augen sprühten vor Kraft und Energie. Sie bewiesen, daß der Präsident der Erde nicht gewillt war, auch nur einen Schritt von seinem Entschluß abzuweichen. „Ich habe nicht vor, in den Kampf direkt einzugreifen", erklärte Corda kühl. „Aber ich werde alle Mittel ausschöpfen, um Ralf Hilfe zu leisten. Kont — machen Sie einen Diskus klar. Bemühen Sie sich um größtmöglichen Ortungsschutz. Es muß mir gelingen,
die ,Walter Beckett' zu verlassen!" John Haick, der Freund Rex Cordas, schüttelte den Kopf. „Es ist fast unmöglich, aus der Falle herauszukommen, die die Orathonen uns gestellt haben." „Eben, fast unmöglich — aber nur fast!" nickte Corda grimmig. Er ging zum Ausgangsschott der Zentrale. „Kont — ich erwarte die Vollzugsmeldung in einer Stunde! Dann können wir die Dunkelheit ausnutzen." Fan Kar Kont wischte sich mit beiden Händen über das braun und weiß gestreifte Gesicht. Er entblößte die rötlichen Zähne und zwang sich zu einem leichten Lächeln. Er nickte. „Sie sollen Ihren Diskus haben, Sir", sagte er. Rex Corda warf einen letzten Blick auf den großen Holografen über dem Pilotenstand. Das Gerät zeigte Ralf Griffith, der im Hagel mörderischen Energiefeuers auf die Oberfläche des Riesenplaneten „Fatty" hinabgetrieben wurde. * Ralf Griffith rang nach Atem. Er wünschte, er könnte nur einmal mit der Hand über das schweißüberströmte Gesicht fahren. Er konnte es nicht. Er durfte seinen Raumhelm nicht öffnen, obwohl die Atmosphäre von „Fatty" nicht unbedingt giftig für ihn war. Das mörderische Feuer, das ihn ununterbrochen traf, schleuderte ihn immer näher an die Oberfläche des Planeten heran, doch es gelang Ralf mehr und mehr, die gewaltigen Beschleunigungskräfte, die er erfuhr, aufzufangen. Vernichten konnte ihn Sigam Agelon mit diesen Mitteln nicht. Das mußte auch der Orathone wissen. Sigam Agelon konnte nur darauf hoffen, daß der Raumanzug beschädigt wurde. Dann
konnte die mangelhafte Sauerstoffversorgung allerdings zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Sigam Agelon trieb ihn auf den kochenden Krater eines Vulkans zu. Ralf Griffith konnte den stumpfen Bergkegel deutlich erkennen. Immer wieder versuchte er, sich durch weite Sprünge aus dem Zielfeuer zu entfernen, doch der Orathone war auf der Hut. Er trieb Ralf Griffith immer wieder dorthin, wohin er ihn haben wollte. Der Vulkan schleuderte glühende Lavamassen empor, doch die Kraft reichte nicht aus, sie höher als zweihundert Meter zu schleudern. Ralf Griffith hatte bis jetzt sehr ruhig auf eine Chance gewartet, näher an Sigam Agelon heranzukommen. Er wußte, daß es keine andere Möglichkeit gab, ihn zu bekämpfen. Jetzt merkte er, daß er schon zuviel Zeit verloren hatte. Wenn es Sigam Agelon gelang, ihn in den kochenden Krater zu schleudern, dann war er verloren. Er würde sich nicht aus dieser Glut retten können. Kaum tausend Meter trennten ihn noch von dem brodelnden Kessel. Ralf Griffith sah sich verbissen um. Über dem Diskus des Orathonen schwebten drei weitere Diskusraumer. Sie dienten offensichtlich dem Zweck, einen möglichen Rückschlag für Sigam Agelon zu verhindern. Ein Hagel von Raketengeschossen spritzte um die Füße Ralfs. Die gezackten Metallplastfetzen prasselten in den geheimnisvollen Schutzschirm, der jeden „Veränderten" umgab. Überall dort, wo die Metallstücke aufprallten, flimmerte die Luft kurz auf. Ralf Griffith stand in einem zuckenden, tanzenden Funkenregen. Niemand hätte diesem Trommelfeuer modernster Waffen widerstehen können, wenn er nicht Becon-Träger war. Nur diese phantastische Erfindung Walter Becketts machte Ralf Griffith
und Sigam Agelon, den Orathonen, so widerstandsfest. Immer wieder versuchte Ralf Griffith durch blitzschnelles Umschalten seines Antigravitationsautomaten aus dem Sperrfeuer zu kommen. Umsonst. Fünfhundert Meter vor dem Krater wurde der Boden scharf und kantig. Immer wieder knallte Ralf mit dem Rücken auf den Boden. Er fühlte die Schläge durchkommen. Die Muskeln auf seinem Rücken spannten sich schmerzhaft. Da machte Sigam Agelon einen Ausfall. Er stieß steil mit seinem Diskus auf Ralf Griffith herab. Der Terraner hörte das gellende Triumphgeschrei des wahnsinnigen Orathonen in seinen Helmlautsprechern. Die Schreie schmerzten in seinen Ohren. Er sah und hörte nichts mehr. Er brach in die Knie. Starrte benommen um sich. Die Glut loderte um ihn auf. Die Stimme des Feindes schrillte in seinen Ohren. Ralf Griffith schüttelte sich. Er krümmte sich zusammen und federte sich ab. Seine kräftigen Arme stießen nach oben. Er fühlte den fürchterlichen Schlag der Prallschirme, gab jedoch trotz rasender Schmerzen, die durch seine Arme tobten, nicht nach. Er stieß die Hände nach vorn. Die Prallfelder wichen unter der maßlosen Gewalt seiner stoßenden Arme. Sie teilten das glühende Metallplast des Diskusraumers. Es gelang ihm jedoch nicht, das Material zu packen. Zwischen ihm und der Glut war ein unsichtbares Feld, das ihn abtrennte — und schützte. Der Diskus stieg steil in den roten Himmel „Fattys" hinauf. Ralf Griffith prallte vom Diskus ab. Er fiel. Er breitete die Arme aus, um seinen Sturz zu stabilisieren. Doch die Prallschirme des Raumschiffes fingen
ihn dicht unter dem Diskus ab. Sie schleuderten ihn zurück und warfen ihn wuchtig gegen die Panzerung des Kampfbootes. Das helle Material splitterte kreischend. Ralf konnte seine Hände um die scharfen Kanten klammern. „Jetzt geht's los, mein Freund", sagte er mit großer Befriedigung. „Jetzt wollen wir doch einmal sehen, wie es mit dir steht, wenn wir mit gleichen Mitteln kämpfen!" Die Schreie Sigam Agelons waren verstummt. Ralf Griffith hörte nur den keuchenden Atem des Orathonen in seinen Helmlautsprechern. Dann plötzlich beschleunigte der Diskus sehr scharf. Das zur superstarken Kampfeinheit umgebaute Raumschiff verließ die Atmosphäre des Riesenplaneten „Fatty" und schoß in den Raum hinaus. Es zog Ralf Griffith mit sich. * Tsati Mutaras Hände zitterten! Der Terraner lebte wie in Trance. Für mehr als eine Stunde hatte er sich ebenfalls dazu hinreißen lassen, den Kampf der beiden Giganten auf „Fatty" zu verfolgen. Dann wurde ihm bewußt, mit welcher Faszination die Orathonen und die zahlreichen orathonischen Sklaven auf die Holografen starrten! Es war ein Schock für ihn, der ihm sekundenlang übel werden ließ! Dies war seine entscheidende Chance! Wenn er jemals eine Gelegenheit hatte, aus der Gefangenschaft der Orathonen zu fliehen, dann nur jetzt! Denn jetzt hatte keiner ein Auge für ihn. Sie alle kauerten vor dem Holografen und starrten auf die Kampfszene, die ein so unglaubliches Bild bot. Tsati Mutara löste sich von seinem Platz auf der Kommandobrücke und verließ den Raum lautlos durch das of-
fenstehende Schott. Auf dem großen Quergang zum zentralen Antigravschacht hielt sich niemand auf. Es war auch keiner der gefürchteten Bronzeroboter zu sehen, die auf den ersten Blick eine so täuschende Ähnlichkeit mit einem Menschen hatten, da ihr humanoider Körper mit einem flexiblen Metall überzogen war. Mutara ließ sich in den Schacht gleiten. Auch hier herrschte geisterhafte Stille. Aus den Seitengängen kam ab und zu der betäubende Krach einer explodierenden Raketensalve. „Was hast du vor?" fragte der Trop, der sich an seine Schulter klammerte. Sein rötliches Fell glänzte erregt. „Thali — wir werden versuchen, aus diesem Teufelskasten zu verschwinden!" flüsterte Mutara. Der Trop zitterte einige Sekunden, dann beruhigte er sich. „Meine Ahnen hätten die Stunde ebenfalls genutzt", versetzte er mit klappernden Zähnen. Mutara sah ihn überrascht an. „Du hast Angst, Thali?" Thali-Fenberth-FenBerthnyen richtete sich stolz auf. „Es hat weder in der beeindruckenden Kette meiner Ahnen väterlicherseits noch in der ehrwürdigen Reihe meiner Ahnen mütterlicherseits je jemanden gegeben, der sich gefürchtet hat! Da war allerdings einmal ein Jüngling, dessen wohlgepflegter Schnabel größer war als seine Einsatzfreudigkeit, aber er ..." „Still!" zischte Mutara. Er schwang sich mit einer geschickten Bewegung aus dem Gravitationsschacht, als zwei Schiffsetagen unter ihm zwei Bronzeroboter in den Schacht glitten. Sie schleppten ein schweres Maschinenteil mit sich. Mutara sah sich hastig um. Er stand vor den mehrfach gesicherten Hangarschleusen der Pon-Diskusraumer, die
für leichtere Einsätze vorgesehen waren. Er eilte zu dem Schott. Geschickt strichen seine Finger über den Verschluß. Doch jetzt schlüpfte Thali von seiner Schulter. „Das hätten schon meine Ahnen besser gemacht", behauptete er mit einem kecken Gackern. Die Elektronik des Schotts schaltete wispernd. Dann rollte das Schott langsam zurück. Tsati Mutara atmete schwer. Vor ihm in der Hangarschleuse stand das kleine Raumschiff, das Platz genug für ihn und Thali bot. Noch arbeiteten einige Stahlarme der elektronischen Kontrollen an dem Raumschiff, aber es war offensichtlich, daß die Arbeiten in wenigen Augenblicken abgeschlossen sein würden. Die Kontrollampen zeigten die Endphase bereits an. „Schnell! Herein!" flüsterte der Trop auf seiner Schulter. Tsati Mutara tat den entscheidenden Schritt. Er betrat die Hangarschteuse und bewegte sich hastig auf das Eingangsschott des Diskusraumers zu. In wenigen Augenblicken mußte sich entscheiden, ob er den Kampf der „Veränderten" zu seiner Flucht benutzen konnte. * Rex Corda sah nur kurz auf, als die Laktonin Ierra Kretan auf die Kommandobrücke der „Walter Beckett" kam. Sie trug einen kleinen Stapel kirschroter Synopsen in den schmalen Händen. Auf diesen Belegen waren alle Unterlagen, die über Ralf Griffith erfaßt werden konnten, übersichtlich zusammengestellt, Ierra Kretan blieb neben Rex Corda stehen. „Sir — es ist soweit alles vorbereitet!" Corda sah von der Sternenkarte, auf der das „Pentagramm der Dunkelsterne"
nachträglich eingezeichnet worden war, auf. Er nickte ernst. „Bitte, beeilen Sie sich, Ierra!" sagte er. Die Laktonin schob die Synopsen in den Computer. „Versprechen Sie sich wirklich viel davon?" fragte sie ihn. Sie trug eine bequeme dunkelgrüne Kombination, wie die laktonischen Wissenschaftler sie gern tragen. An ihrer linken Hand leuchtete ein kirschroter Ring. Er war aus einem Metall, das bisher keinem Terraner bekannt geworden war. Ierra Kretan gab darüber keine Auskunft. Ein seltsames Geheimnis umgab dieses Schmuckstück an der Hand der Laktonin. Rex Corda horchte auf das Wispern des Computers, der die Daten in sich aufnahm und verarbeitete. Cordas Blicke richteten sich auf die schöne Laktonin, die in stolzer Haltung neben ihm stand. Rex Corda ahnte, daß sie große Sympathien für ihn empfand, er scheute jedoch davor zurück, sich davon durch eine empathische Auslotung zu überzeugen. Rex Corda war sich sicher, daß die Laktonin ursprünglich den Auftrag gehabt hatte, ihn an den laktonischen Geheimdienst zu verraten. Doch es schien so, als sei sie urn so mehr von ihrem Auftrag abgerückt, je besser sie die Terraner kennenlernte. Jetzt sah es so aus, als ob sie absolut loyal zu Corda stand. Corda lächelte. Ierra Kretan wirkte unsicher. Corda hatte lange mit seiner Antwort gewartet und die Laktonin dadurch irritiert. „Ob die Chancen Ralfs im Kampf gegen den Orathonen wirklich verbessert werden können?" fragte Corda sinnend. „Ich weiß es wirklich nicht, Ierra! Ralf Griffith und Sigam Agelon sind sich ziemlich gleichwertig. Es muß jedoch Unterschiede geben, weil das Material, das Agelon trägt, nicht so vollkommen
ist wie das Becon, das Ralf trägt! Der Computer wird vielleicht diesmal eine Möglichkeit für Ralf errechnen." Sie nickte. „Sie haben sicherlich recht, Mr. Corda. Wenn überhaupt eine Chance ausfindig gemacht werden kann, dann wohl nur mit Hilfe eines Computers", sagte sie in einwandfreiem Englisch. Die Funk- und Ortungsabteilung meldete sich. John Haick, der diese wichtige Abteilung leitete, war selbst im Holografen. „Ralf hat den Diskus Sigam Agelons erreicht", sagte er ruhig. „Jetzt kommt es darauf an! Der Agelon flieht von ,Fatty'. Er versucht offensichtlich, einen anderen Raumkörper zu erreichen. Ich vermute, er wird einen der Monde ,Fattys; ansteuern!" Das holografische Bild wechselte. Rex Corda konnte den Diskusraumer Sigam Agelons sehen, der mit atemberaubender Geschwindigkeit auf einen der Monde des Riesenplaneten zusteuerte. Unter dem Diskus zeichnete sich deutlich die Gestalt Ralf Griffiths ab.Die Synopsen flogen aus dem Computer, Ierra Kretan nahm sie hastig auf. Sie eilte damit zum Klartextcomputer hinüber, um die Synopsen auswerten zu lassen. Sie erkannte nur wenige Symbole auf den Synopsen. Corda schwenkte seinen Pneumosessel herum und sah ihr nach. Es dauerte nur Sekunden, bis der Klartext kam. Sie nahm ihn auf. Ihr Gesicht entspannte sich. Enttäuscht sah sie zu Rex Corda hinüber. „Was empfiehlt der Computer?" fragte Corda. Sie seufzte und kam zu ihm herüber. „Auf Grund der eingegebenen Daten läßt sich keine Überlegenheit für Ralf errechnen", berichtete sie. „Die einzige Chance für Ralf wäre, Sigam Agelon emotionell zu zermürben. Sigam
Agelon ist zwar jetzt emotionell weitaus ansprechbarer als ein geistig gesunder Orathone, dennoch aber emotionell recht stabil!" Corda nahm den Klartext entgegen. „Auf dieser Karte sind alle Möglichkeiten, Sigam Agelon zu besiegen, enthalten. Sie beziehen sich aber gleichzeitig auf Ralf Griffith! Für beide wäre es absolut tödlich, länger als sieben Minuten auf einer Methanwelt atmen zu müssen. Beide wären verloren, wenn sie in dem Krater eines Vulkans versinken. Die Möglichkeiten kennen wir bereits. Der Computer hat sie nur noch einmal zusammengefaßt!" Corda erhob sich. Er zündete sich eine Zigarette an. „Emotionelle Waffen?" überlegte er. „Was könnte das sein? Womit wäre Sigam Agelon zu treffen?" „Er hat in der letzten Zeit nur Niederlagen erlebt", warf Bekoval, der Kommandant der „Walter Beckett", ein. Der massige Laktone saß auf dem Sitz des Piloten. Schweigend hatte er das Gespräch zwischen Ierra Kretan und Rex Corda bisher verfolgt. „Die Niederlagen müßten Spuren bei ihm hinterlassen haben! Warum ist er hier? Warum jagt er die ,Zeitlosen'? Versucht er nicht, in die Vakuole der »Zeitlosen' einzudringen, weil er die ,Zeitlosen' entmachten will? Er hat unzählige Male gegen die Großen Gesetze verstoßen, die von den ,Zeitlosen' überwacht werden. Sigam Agelon ist längst verurteilt worden. Die ,Zeitlosen' könnten das Urteil in jeder Sekunde vollstrecken. Meines Erachtens will Sigam Agelon den ,Zeitlosen' zuvorkommen. Er will ihre Macht zerschlagen, damit sie ihn nicht hinrichten können!" „Hinrichten?" fragte Corda zweifelnd. Fatlo Bekoval grinste unsicher. „Niemand weiß, was die ,Zeitlosen' mit den Verurteilten machen — aber jeder hat Angst davor", sagte er. „Wir müssen
Sigam Agelon aus dieser Richtung kommen, dann helfen wir Ralf vielleicht!" „Gut", nickte Corda. „Bitte programmieren Sie den Computer entsprechend, Ierra! Vielleicht können wir Ralf wirklich helfen!" Der Holograf über Rex Corda erhellte sich. Fan Kar Kont, der Laktone mit der braun und weiß gestreiften Haut, meldete sich. Er erklärte, daß ein Diskus einsatzbereit sei. „Also schön — dann versuchen wir einmal, Ralf zu folgen", beschloß Corda. „John Haick, Percip und Ierra Kretan begleiten mich! Ierra — ich erwarte eine entsprechende Programmspule zur Unterstützung für Ralf Griffith in fünf Minuten. In fünfzehn Minuten starten wir. Sie nehmen die Programmspule mit in den Diskus. Lassen Sie eine Kopie für den Computer der ,Walter Beckett' anfertigen!" * Sigam Agelon stand keuchend vor dem ausladenden Steuerpult seines Spezialkampfschiffes, das für diesen Kampf mit dem terranischen Giganten ausgerüstet worden war. Er fühlte das Unheimliche, das sich mit fürchterlicher Geschwindigkeit durch den Boden der Raumscheibe fraß. Er fühlte das Energiepotential, das sich gierig an ihn heranarbeitete. Er hörte den fliegenden Atem des Terraners, der ebenso unbesiegbar war wie er selbst auch. Er schaltete die Bordholografen um und steuerte die Aufnahmekameras aus. Blitzschnell veränderte sich das Bild auf den Holografen. Sigam Agelon konnte Ralf Griffith sehen, der sich verbissen in den Diskus hineinarbeitete. Mit entschlossenen Händen riß er die unerhört harten Panzerplastplatten vom Leib des Diskusraumers, um sich eine Öffnung
ins Innere zu schaffen. Jetzt verschwand der Leib des Terraners im Diskus. Wieder schaltete Sigam Agelon um. Ein böses Lachen grub sich in seine scharfen Mundwinkel. Ein heimtückischer Gedanke schnitt tiefe Falten in seine grünhäutige Stirn. Auf dem Holografen konnte Sigam Agelon den Mond sehen, der rasend schnell auf den Diskus zukam. Wenige hundert Meter neben dem Raumschiff Sigam Agelons jagte ein Diskus der „Lynthos" durch den Raum. Sigam Agelon schaltete die Funkverbindung zu dem Diskus ein. Er beugte sich tief über das Mikrofon, so daß er nur zu flüstern brauchte. „Nehmen Sie mich mit Traktorstrahl auf!" befahl er. „Ich begebe mich in die Schleuse!" Der Boden unter seinen Füßen erzitterte. Der terranische Gigant kam! Wieder schaltete Sigam Agelon die Holografen um. In aller Deutlichkeit zeichnete sich die große weiße Stadt auf dem Bildschirm ab. Der Diskus raste genau auf die Stadt zu. Schon flammten die ersten Ausläufer der Atmosphäre in den Schutzschirmen des Kampfraumers auf.. Sigam Agelon steuerte das Lenksystem exakt auf die Stadt aus. Dann blockierte er die Steuerung des Raumschiffes. Die Bodenplatten glühten dunkelrot auf, bevor sie mit einem donnernden Krach auseinanderplatzten! Sigam Agelon schnellte sich mit einem weiten Satz über den aufbrechenden Boden hinweg zum Schott. Er riß es auf und verriegelte es hinter sich, als er in der kleinen Schleuse stand. Er schloß seinen Raumanzug und ließ die Außenschotten aufschwingen. Der Begleitdiskus flog nur noch zwanzig Meter neben ihm her. Sigam Agelon winkte.
Drüben flammte ein helles Licht an der Schleuse auf. Sigam Agelon knickte die Beine ein wenig ein. Hinter ihm knallten donnernde Schläge gegen die Schotten. Der Orathone lachte verzerrt. Er sprang. Er schoß wie von einer Rakete getrieben in die Atmosphäre hinaus, die ihn sofort packte und herumwirbelte. Er durchstieß die zusammenbrechenden Schutzschirme. Im nächsten Augenblick griff der Traktorstrahl entschlossen nach ihm und zog ihn zu dem Diskus hinüber. Höhnisch starrte Sigam Agelon auf die Raumscheibe zurück, die sich jetzt rasend schnell von ihm entfernte. Die Luftmassen erhitzten sich jetzt an der Außenhaut des Raumschiffes. Glühende Fetzen flogen davon. Tief unter der Raumscheibe zeichnete sich die weiße Stadt ab. Mit dem bloßen Auge konnte ein geübter Mann wie Sigam Agelon erkennen, daß die Raumscheibe genau im Zentrum der Stadt aufschlagen und explodieren würde. Von der Stadt würde nicht viel übrigbleiben. * „Sofort zur ,Lynthos'!" bellte Sigam Agelon scharf. Der orathonische Offizier, der den Diskus flog, preßte die Lippen zusammen. Blitzschnell zog er das Raumschiff aus dem Kurs. Die Antigravitationsautomaten wimmerten gequält auf — aber sie fingen die ungeheuren Beschleunigungswerte ab. Der Diskus nahm Kurs auf die „Lynthos", das Flaggschiff des Orathonen, das bis in die Nähe des Planeten gekommen war. Der Diskus benötigte nur knapp sieben Minuten bis zur Einschleusung. Sigam Agelon sprang aus dem Schott. Mehrere Bronzeroboter erwarteten
ihn im Hangar. „Ich will sofort Tsati Mutara, den Terraner, sehen!" brüllte der Orathone. Die Bronzenen gaben den Befehl sofort über Funk weiter. Noch in der gleichen Sekunde setzte die Suche auf dem Hantelraumer nach Tsati Mutara ein. * „Verdammt — es ist zu spät!" fluchte Tsati Mutara, als ihm der Befehl aus dem Holografen entgegendonnerte. Er saß im Pilotensitz der Raumscheibe. Er brauchte nur noch zu starten, um von der „Lynthos" zu fliehen. Aber jetzt war es zu spät. Die Waffenleitstände würden sofort auf den Diskus aufmerksam werden, wenn er den Hantelraumer jetzt verließ. „Warten wir auf eine andere Chance, Thali", seufzte der farbige Terraner. Er erhob sich eilig und verließ den Diskus. Thali runzelte seine rot bepelzte Stirn und strich sich langsam über den hellen Haarschopf, der seinen Kopf bedeckte. Er nickte bedächtig. „Der Neffe des vierten Mannes meiner Tante mütterlicherseits befand sich in ähnlicher Situation", erklärte er, während Tsati Mutara sich beeilte, den Plangar zu verlassen. „Er zögerte zu lange. Er ging das Risiko noch ein, als es schon längst zu spät war. Er starb wenige Sekunden nach seinem Entschluß!" Tsati Mutara schluckte. „Bitte, verschone mit jetzt", bat er. „Mir ist nicht nach Ahnenforschung zumute!" Die Schotten des Hangars flogen auf. Tsati Mutara trat auf den breiten Gang hinaus. Er wäre um ein Haar mit Sigarn Agelon zusammengeprallt, wenn der Orathone ihn nicht im letzten Augenblick gesehen hätte.
Die grünhäutige Hand spannte sich mörderisch hart um den Arm Mutaras. Sigam Agelon packte den Terraner mit der anderen Hand am Kragen seines Raumanzuges. Er zog ihn zu sich herab. Er starrte ihm mit haßerfüllten Blicken in die Augen. „Ich glaube, mein Freund, wir haben dich noch nicht sorgfältig genug in die Mangel genommen", zischte der Orathone. Er stieß ihn heftig zurück. Mutara knallte gegen das sich schließende Schott des Hangars. Sigam Agelon erkannte mit einem Blick, was der Terraner vorgehabt hatte. Die Anzeichen waren zu deutlich. „Gehirnwäsche für ihn", befahl er. „Und diesmal wird nicht dieser Trop die Programmierung des Computers vornehmen! Diesmal werde ich es selbst machen! Nur dann bin ich sicher, daß niemand Verrat übt!" Tsati Mutara taumelte wie benommen durch den Gang. Die beiden Bronzeroboter flankierten ihn. Sie hielten seine Arme. Es gab keine Möglichkeit mehr für ihn, aus dieser Falle auszubrechen. Sigam Agelon würde in wenigen Augenblicken wissen, daß Tsati Mutara frei und unabhängig war. Er würde wissen, daß es dem Mutanten gelungen war, sich von dem semibiotischen Conductor zu befreien, mit dem die Orathonen ihre Sklaven zur Treue zwangen. Im Gehirn Tsati Mutaras gab es dlese teuflische Kontrolleinheit nicht. Es war ihm schon vor langer Zeit gelungen, sich von ihr zu befreien. * Ralf Griffith griff zum Kontrollpult. Sein Atem stockte, als er erkannte, daß er mit dem Raumschiff genau auf die Stadt stürzen mußte. Seine Hände zuckten vor. Er packte die Kontrollinstrumente, um den Diskus aus dem Kurs
zu reißen. Keine Reaktion! Ralf fühlte, daß ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Wenn der Diskus in die Stadt stürzte, dann würde sie in der unabwendbaren Explosion untergehen! Der Terraner verlor keine Sekunde. Er erfaßte sofort, daß Sigarn Agelon ihn in eine Falle gelockt hatte, in der auch er umkommen mußte. Wenn er mit dem Diskus abstürzte, dann würde er zu lange in der Glut aushalten müssen, um überleben zu können. Er benötigte eine besonders gute Sauerstoffversorgung, um kampffähig zu bleiben. Im Explosionskessel aber würde jeder Sauerstoff verbrennen. Unter seinen Händen flogen die Deckplatten des Leitpultes zur Seite. Blitzschnell griff Ralf in die komplizierten Steuergeräte hinein, um die Blockierung zu lösen. Immer wieder sah er zu dem Holografen auf. Der Diskus jagte mit atemberaubender Geschwindigkeit auf die weiße Stadt hinab. Ralf konnte schon jetzt Einzelheiten erkennen. Da löste sich die Blockierung. Ralf riß den Diskus herum. Krachend zerplatzten die Antigravitationsautomaten. Gleichzeitig kamen die Verzögerungswerte voll durch. Sie trafen den Terraner so plötzlich, daß er im ersten Augenblick in die Knie sackte. Dann schaltete er um. Er sog die Energien in sich auf, stemmte sich gegen die gewaltige Last und stellte sich aufrecht. Die phantastischen Eigenschaften des Becon retteten ihn. Er zog den Diskus weiter zur Seite. Jetzt war deutlich zu erkennen, daß das Raumschiff über die Stadt hinwegkommen würde. Es würde gegen die steil aufragenden Felswände des Gebirges schlagen, das sich hinter der weißen Stadt erhob. Ralf Griffith stemmte sich herum. Der Boden zum Schott stieg schräg an.
Jetzt, da die Antigravitationsautomaten ausgefallen waren, wurde jeder Schritt zur Qual, mußte jeder Zentimeter erkämpft werden. Der Diskus rüttelte hart. Der Boden schwankte. Ralf Griffith sah nur eine Möglichkeit, sich rechtzeitig zu retten. Er mußte springen! Die Antigravitationsautomaten seines Kampfanzuges halfen ihm jetzt überhaupt nichts. Wenn er sie einschaltete, würde er wie eine Feder herumgeschleudert werden, da ihm zuviel Gewicht fehlte. Er krümmte sich zusammen und stieß sich wuchtig vom Pult ab. Er flog mit vorgestreckten Armen auf das Schott zu. Es gelang ihm, es zu packen. Blitzschnell schaltete er die Steuerelektronik. Das Schott flog auf. Ralf kroch hinein. Ein letzter Blick zurück galt dem Holografen. Der Diskus raste über die Stadt hinweg. Ralf schwang sich durch die Schleuse. Das Außenschott öffnete sich. Der Terraner stieß sich von der Kante des Schotts ab. Er wirbelte hinaus und stürzte wie ein Stein über der Stadt ab. Er sah dem Diskus nach. Rote und gelbe Flammen zuckten aus dem Boden des Raumschiffes. Der Diskus überschlug sich jetzt langsam, um dann mit der Oberseite flach gegen die Felswand zu klatschen. Im nächsten Augenblick ging eine strahlend weiße Sonne über den Bergen auf. Ein glühend heißer Sturm peitschte über die Stadt hinweg. Er schleuderte Ralf Griffith in das Zentrum der Stadt. * Eine winzige Nadel tastete sich schmerzhaft durch das Gehirn Tsati Mutaras. Sigam Agelon stand geduckt vor dem Elektrogehirn, das den Terraner ver-
schluckt hatte. Seine Augen weiteten sich. Die Farbmuster auf seinen grünen Augenlidern gerieten in heftige Bewegung. Maßlose Überraschung ließ seine Lippen beben. Ungläubig starrte er auf die Oszillografen, deren Schwingungen ihm ganz eindeutig bewiesen, daß Tsati Mutara keinen semibiotischen Conductor mehr in seinem Kopf trug. Tsati Mutara hatte sich von diesem Gerät befreit. Seit Monaten lebte ein Gefangener in unmittelbarer Umgebung Sigam Agelons, ohne daß jemand bemerkt hatte, daß der Terraner sich befreit hatte! Sigam Agelon kannte nur ein einziges intelligentes Wesen in der Galaxis, das sich zuvor von einem semibiotischen Conductor befreien konnte — Rex Corda! Tsati Mutara war der zweite Terraner, der die Fessel aus halblebender Substanz abschütteln konnte. Sigam Agelon richtete sich auf. Wie benommen schüttelte er den Kopf. Er hatte jetzt keine Zeit, sich mit diesem Phänomen zu beschäftigen. Er riß das Mikrofon an seine Lippen. Es erlaubte ihm, direkt mit dem Gehirn des Terraners in Verbindung zu treten. Umfangreiche elektronische Einrichtungen stellten die Verbindung her. „Wer ist Griffith?" forschte Sigam Agelon keuchend. Es gab keine Möglichkeit für den Terraner, einer Antwort auszuweichen. „Er war amerikanischer Geheimdienstoffizier, bevor die Laktonen und Orathonen auf die Erde kamen", wisperte der Lautsprecher des elektronischen Verhörgeräts. „Was er heute ist, weiß ich nicht. Ich bin zu lange von der Erde fort." „Er haßt mich!" sagte Sigam Agelon heftig. „Warum?" Es dauerte mehrere Minuten, bis das Gehirn des Terraners die verlangten Antworten ausstrahlte. „Ralf Griffith vermutet, daß die Ora-
thonen seine beiden Söhne von der Erde entführt haben. Sie sind Mutanten." Sigam Agelon zuckte wie unter einem elektrischen Schlag zusammen. Seine Augen blitzten. Ein zynisches Lächeln grub sich in seine Mundwinkel. „Seine Söhne!" knurrte er. Er richtete sich hoch auf. Die Hand streckte sich nach dem Hebel aus, der das Verhör abbrechen konnte. Sigam Agelon zögerte. „Wieso hast du keinen semibiotischen Conductor?" fragte er hart. „Die Ausstrahlung des Semibioten verträgt sich nicht mit der meines Hirns", antwortete Mutara prompt. „Ich habe ihn ausgestoßen." „Du hattest keine Hilfe dabei?" Die Fragestellung war es, die dem Trop Thali das Leben rettete. Sigam Agelon hätte seine Frage nur ein wenig anders formulieren können, um Mutara zu einer anderen Antwort zu zwingen, die das Ende des Trops bedeutet hätte. „Keine Hilfe." „Dann würdest du jeden Semibioten ausstoßen?" „Semibioten vertragen sich nicht mit meinem Hirn. Ich müßte jeden ausstoßen. Es geht nicht anders", wisperte der Lautsprecher. Sigam Agelons Hand zuckte hoch. Er legte den Hebel herum. Das Verhör war beendet. Der Agelon verließ den Raum mit eiligen Schritten. Er hastete zur nahen Kommandobrücke hinüber. „Vorrangiger Spruch an Khara! Ich benötige sofortige Auskunft über die Söhne von Ralf Griffith. Sie sollen Mutanten sein. Es ist sofort nachzuforschen, ob sie sich in unserem Bereich befinden. Ein Film ist zur ,Lynthos' zu übermitteln. Gezeichnet Sigam Agelon. Siegel!" befahl Sigam Agelon. Die wilde Freude zeichnete sein hartes Gesicht. Die grüne Haut glänzte schweißig.
„Das wird Ralf Griffith in die Knie zwingen!" lachte er grausam. Er fuhr herum und verließ die Kommandobrücke. „Der Kampf geht weiter!" rief er den ihm folgenden Offizieren zu. „Diskus fertigmachen zum Ausschleusen!" * Ralf Griffith justierte den Antigravitationsautomaten. Langsamer glitt er auf den großen Platz im Zentrum der weißen Stadt herab. Er erkannte zahlreiche Gestalten, die sich angsterfüllt an die Häuser preßten, um sich gegen den Glutsturm behaupten zu können. Langsam begannen sie sich zu regen, da nach den ersten Feuerböen allmählich wieder Ruhe eintrat. Über der Felswand stand ein riesiger Atompilz, der bis in die Ausläufer der Atmosphäre hinaufreichte. Ralf Griffith erreichte den Boden. Seine Füße setzten auf. Er schaltete den Antigravitationsautomaten auf Normalwert. Das Gerät paßte sich sofort den für diesen Mond geltenden Schwerkraftwerten an. Ralf Griffith fühlte einen angenehmen geringen Druck. Er sah sich um, wrährend sich sein Körper langsam entspannte. Die Bewohner der Stadt starrten ihn an wie einen Geist. Sie schwiegen. Sie standen reglos vor den weißen Häusern und sahen zu ihm hinüber. - Sie waren von humanoider Gestalt. Kraftvolle Gestalten mit dunkelbraunen Gesichtern umstanden die zahlreichen Geräte und Waren, die auf diesem Platz gestapelt waren. Ralf Griffith bot sich die bunte Szenerie eines Handelsplatzes. Die Bewohner dieses Mondes hatten kurzes strähniges Haar, das rot oder violett war. Es leuchtete kräftig in dem trüben Licht der Riesensonne. Ralf überflog die Anzeigen der Mikromeßgeräte, die an den Seiten seines
Raumhelms angebracht waren. Die Meßwerte wurden in die Sichtscheibe seines Helms eingespiegelt, so daß er sie gut ablesen konnte. Er befand sich auf einer Sauerstoffwelt. Die Situation erlaubte es ihm, den Helm zu öffnen. Er schlug den Helm in den Nacken zurück. Die Luft war kalt und frisch. Ein fremder, schwermütiger Geruch lag über dem Platz. Griffith schaltete die elektronischen Übersetzer seines Kampfanzuges ein. Langsam ging er auf die Gruppe der Männer zu, die ihm am nächsten stand. Die Männer standen um ein flaches vierrädriges Fahrzeug. Unter dem eleganten Transparentdach konnte Ralf Griffith Sitze in harmonisch kombinierten Farben erkennen. Die Männer trugen kurze hemdartige Röcke, die ihnen bis an die Oberschenkel reichten. Darunter trugen sie Hosen, die sich zu den Füßen hin beträchtlich erweiterten. Auf den Schuhen — die aus einem lederähnlichen Material bestanden — schwankten zierliche, bunte Bällchen, die auf nadelfeinen Stäben steckten. Ein breiter Gurt spannte sich um die Hüfte der Männer. In einer Schlinge hing eine Handwaffe. Ralf Griffith vermutete, daß es eine Schockwaffe war. Ralf Griffith spreizte seine Arme leicht vom Körper ab und hielt die offenen Hände nach vorn, so daß die Männer sofort erkennen konnten, daß er keine Waffe in den Händen trug. Zwei Meter vor der Gruppe blieb er stehen. Einer der dunkelhäutigen Männer trat ihm entgegen. Ralf musterte das scharfgeschnittene Gesicht. Unter äußerst dichten Augenbrauen glänzten zwei ruhige blaue Augen. Als die Lippen sich trennten, sah er die flachen Zähne, die ihn sofort vermuten ließen, daß die Bewohner dieses Mondes nur
pflanzliche Nahrung zu sich nahmen. Ralf atmete auf, als der andere sprach. Ohne Gespräch konnte die Elektronik seines Dolmetschers nicht arbeiten. „Ihr seid in großer Gefahr!" sagte Ralf, obwohl er wußte, daß sie ihn nicht verstehen konnten. Er zeigte zu dem Diskus hinüber. Der Rauchpilz stand deutlich sichtbar über den Bergen. Dann wies er auf den gegenüberliegenden Horizont, deutete mit flachen Händen eine fliegende Raumscheibe an und ließ sie an den Männern vorbeisausen. Die anderen sprachen erregt durcheinander. Sie drängten sich näher zu ihm. Ralf sah sich kurz um. Von allen Seiten kamen jetzt die Fremden heran. Bald standen mehrere hundert Männer und Frauen um ihn herum und hörten zu. Ralf freute sich über jedes Wort, das in seiner Nähe fiel. Er wußte, daß die empfindlichen Sensoren die Worte aufnahmen und verarbeiteten. Jeden Augenblick mußte das Klarzeichen des Gerätes kommen. Da gellte ein Schrei hinter ihm auf. Er fuhr herum. Er sah den Diskus, der sich klar gegen die riesige Sonne abhob. Die RaumScheibe jagte mit hoher Geschwindigkeit heran. „Ralf Griffith!" schrie die Stimme Sigam Agelons aus seinen Helmlautsprechern. „Wo bist du? Ralf Griffith — melde dich!" Die Männer und Frauen, die ihn umstanden, verstummten. Mit einem leisen Knacken schaltete sich der elektronische Dolmetscher ein. Er wiederholte die Worte Sigam Agelons in der Sprache der Fremden. Ralf Griffith wartete gespannt auf eine Reaktion, aber sie kam nicht so, wie er angenommen hatte. Die Fremden reagierten ruhig und gelassen. Sie waren durchaus nicht überrascht.
Er schaltete das Helmsprechgerät ein und meldete sich. „Hier bin ich, Orathone! Warum schreist du so?" Sigam Agelon lachte kreischend. Der Diskus hatte die Stadt erreicht. In langsamer Fahrt strich er dicht über die Dächer hinweg. „Aha — mein Freund! Jetzt habe ich dich gefunden!" lachte der Orathone. „Geht! Schnell! Geht!" rief Ralf Griffith den Männern und Frauen zu, die ihn umstanden. „Schnell — geht so weit weg von mir wie möglich! Er wird auf mich schießen!" Die Elektronik übersetzte zuverlässig — aber die Dunkelhäutigen reagierten nicht. Sie sahen ihn nur stumm an und wichen um keinen Zentimeter. „So geht doch!" rief der „Veränderte". Sie blieben! „Warum schickst du sie weg, Griffith?" höhnte er Orathone. „Fühlst du dich in ihrer Nähe nicht ganz wohl?" Griffith antwortete nicht. Die anderen starrten ihn an. Der Mann, mit dem Ralf zuerst gesprochen hatte, legte ihm die flache Hand auf die Brust. Er zeigte mit der anderen Hand zu dem Diskus hinauf. „Ist das dein Feind?" übersetzte das Gerät auf der Brust Ralf Griffiths. „Er will mich töten!" bestätigte Ralf. „Leg den Raumanzug ab!" brüllte Sigam Agelon. Ralf Griffith zuckte zusammen. Er durfte alles tun — nur nicht den Kampfanzug ablegen. Ohne Raumanzug war er verloren. Sigam Agelon konnte ihn mit einem Traktorstrahl in den Raum hinausschleudern. Dort mußte der sofortige Tod eintreten. „Nun beeile dich schon, Terraner! 'runter mit dem Zeug!" forderte der Orathone. Die Fremden zogen sich nicht zurück. Sie sahen ihn schweigend an. Ralf
begriff nicht, weshalb sie so reagierten. Er erwartete von ihnen, daß sie aus seiner gefährlichen Nähe flohen, aber das taten sie nicht. Sie standen ihm praktisch auf den Füßen, obwohl jeden Augenblick der Tod über sie kommen konnte. „Ich gebe dir eine letzte Chance, Griffith!" rief Sigam Agelon erregt. „Lege sofort den Raumanzug ab, sonst werde ich die ganze Stadt in Schutt und Asche legen. Ich werde sie mit Raketen beschießen. Du weißt genau, wie lange ich benötige, um sie zu zerstören. Nur du wirst dann noch überleben. Willst du den Tod aller auf dem Gewissen haben?" „Du wirst die Stadt schonen, Orathone!" knirschte Ralf Griffith. „Dann zieh endlich deinen Raumanzug aus!" Ralf Griffith schaltete das Funkgerät ab. „Ich werde fliehen müssen!" sagte er hastig. Der elektronische Übersetzer machte seine Worte verständlich. „Laßt mich durch! Ich muß sofort verschwinden, sonst tötet er uns alle!" Langsam begann er, den Raumanzug zu öffnen. Dabei schaltete er das Funkgerät wieder ein. Nur der harte Atem Sigam Agelons war zu hören. Ralf Griffith konnte sich sehr gut vorstellen, wie es jetzt in dem Diskus aussah. Sigam Agelon würde seine grüne Hand schon auf dem Steuergerät des Traktorstrahlers haben. Der Orathone hatte ihn mit Sicherheit im Ziel. Jeden Augenblick konnte er zuschlagen. Ralf sah die Fremden an. In ihren Augen lag ein geheimnisvolles Funkeln. Würden sie ihm helfen? Wie eine Mauer umgaben sie ihn. Es sah nicht so aus, als könne er diese Menge durchstoßen. Zwanzig Meter über ihnen schwebte der Diskus. Er lauerte wie eine gierige Raubkatze über seinem Opfer. Der
Atem Ralfs wurde schneller. Seine Muskeln spannten sich. Die nächsten Sekunden mußten die Entscheidung bringen. * Rex Corda verließ die Kommandobrücke und eilte zu den Hangars hinunter, in denen der Diskus auf ihn wartete. Sein Freund John Haick, Percip und Ierra Kretan waren bereits in dem Raumschiff, als Corda eintraf. Ierra Kretan hielt eine kleine Spule in der Hand. Die Laktonin wirkte unsicher. „Geben Sie die Spule in den Computer!" befahl Corda. „Sobald wir in die Nähe Ralfs kommen, übermitteln Sie ihm die Information. Wir müssen vorsichtig sein, damit die Orathonen nichts davon merken." Er ging zu den großen Ortungsschirmen hinüber. Die Hoiografen waren mit einem Spezialfilter versehen, der die Hantelraumer der Orathonen sichtbar machte. Vier Hantelraumer waren es jetzt, die über ihnen im All schwebten. Sie waren da — aber wachten sie auch? Die vier sahen sich schweigend an. Jeder von ihnen wußte, wie gefährlich ihr Unterfangen war. Sie mußten einfach damit rechnen, daß die Orathonen auf der Hut waren. Wenn ein Roboter an den Ortungsgeräten saß, dann hatten sie nicht die geringste Chance. Der Angriff der Hantelraumer mußte dann sofort kommen. Rex Corda lächelte. „Nun — jemand aussteigen?" fragte er. John Haick, der Atomphysiker, gab das Lächeln zurück. In seinen Augen leuchtete es warm auf. Er schüttelte den Kopf, offensichtlich amüsiert über den Gedanken, er könne in einer Gefahrensituation von der Seite seines Freundes weichen. Der Gedanke war
absurd für ihn. Percip, der Laktone, fuhr sich mit der Zungenspitze blitzschnell über die rote Kerbe auf seiner Oberlippe. Er preßte die Lippen zusammen. „Wir haben überhaupt keine Chance", sagte er trocken. Gleichzeitig ging er zum Pilotensessel und ließ sich hineinfallen. Ierra Kretan, die schöne Laktonin, strich sich unsicher über das kurzgeschnittene Haar, das sich eng an ihren Kopf legte. Sie schob die Spule in den Computer. „Wir müssen uns beeilen", sagte sie ruhig. „Ralf Griffith braucht die Information dringend!" „Starten Sie!" befahl Rex Corda. Percip schob den roten Hebel nach vorn. Die Schotten der Hangarschleuse flogen auf. Der Diskus hob sich vom Boden und glitt sanft in die Schleuse. Corda setzte sich in den Sessel neben Percip. Seine Blicke ruhten auf den Zielgeräten der Bordwaffen. Seine Hände lagen so, daß er blitzschnell alle Bordwaffen einsetzen konnte. Die Außenschotten öffneten sich. Die Dunkelheit brach herein. Percip beschleunigte den Diskus mit Grenzwerten. Gedankenschnell jagte das Raumschiff, über die Oberfläche des Riesenplaneten, der von den Terranern den Namen „Fatty" bekommen hatte. Rex Corda behielt die Ortungsgeräte scharf im Auge. Er fühlte, wie seine Nackenmuskeln sich spannten. Jeden Augenblick konnten die gewaltigen Schiffsgeschütze der orathonischen Hantelraumer aufblitzen. Cordas Blick glitt zu den Anzeigen auf dem Instrumentenpult vor Percip. Er erschrak. Der Diskus flog ohne schützende Energieschirme! Wenn die Orathonen auf sie feuerten, dann mußten sie sie mit dem ersten Schuß erledigen. Ohne Schutzschirme
gab es nicht die geringste Chance für sie! „Percip — die Schutzschirme!" preßte er hervor. Der Laktone sah nicht zur Seite. Er wandte die Blicke nicht von den Geräten. „Ich weiß", sagte er ruhig. „Unsere Chance, durchzukommen, ist größer! Wenn wir die Schutzschirme einschalten, erfassen sie uns sofort. So haben sie es wenigstens ein bißchen schwerer!" John Haick fuhr auf. Seine Augen verengten sich. Rex Corda lächelte flüchtig. Percip war eiskalt. Der Agent schien keine Nerven zu besitzen. Und Corda mußte ihm recht geben. Ihre Chancen waren minimal, aber wenn sie sie verbessern konnten, dann sollten sie es auch tun. Langsam sanken die Hantelraumer der grünhäutigen Feinde an die Krümmung des Riesenplaneten heran. Mit jeder Sekunde stiegen ihre Aussichten. Corda atmete bereits auf. Ein erlösendes Lächeln huschte um die Lippen Percips. Da blitzte es bei den Orathonen auf. Gedankenschnell schaltete Percip die Schutzschirme ein. Im nächsten Augenblick schon krachte es ohrenbetäubend. Ein Teil der von den Orathonen herabgeschleuderten Energien kam durch. Der Diskus richtete sich bedrohlich auf. Rex Corda hörte es gefährlich unter sich krachen. Sein Sessel rüttelte ihn hart. Über ihm heulte die Alarmsirene auf. Percip fluchte. Er schaltete fieberhaft. Die Hantelraumer versackten unter dem Horizont. Der Diskus aber jagte mit atemberaubender Geschwindigkeit auf eine flache Hügelkette zu. Er mußte an ihr zerschellen, wenn Percip ihn nicht noch im letzten Augenblick hochreißen konnte. Die Antigravitationsautomaten stotterten. Sie waren der schwache Punkt sowohl der laktonischen als auch der orathonischen Raumfahrzeuge. Schon
geringe Erschütterungen konnten die Automaten außerordentlich gefährden. Wenn sie jetzt ganz versagten, waren alle Chancen verspielt! * Ralf Griffith schleuderte den Raumanzug herunter. Gleichzeitig schnellte er sich ab. Er sprang einfach auf die Mauer aus Männern zu, die sich vor ihm erhob. „Macht Platz!" schrie er. Der elektronische Übersetzer des Raumanzuges, den er zurückließ, machte seine Worte verständlich. Doch sie wichen schon zur Seite, bevor er noch etwas gesagt hatte. Eine Gasse öffnete sich vor ihm, die genau auf eine Kellertür zuführte. Doch da griff der Traktorstrahl nach ihm. Pfeifend schoß der Raumanzug nach oben. Ralf wurde nur von den Randfeldern erfaßt. Das reichte, um ihn von den Füßen zu reißen. Im letzten Augenblick gelang es ihm, die emporzuckende Hand eines der Männer zu packen. Er fühlte sich herumgerissen, verließ das Kraftfeld und fiel schwer zu Boden. Schneller, als das Auge verfolgen konnte, kam er hoch und rannte weiter. Sigam Agelon kam zu spät. Ralf Griffith sprang durch die sich plötzlich öffnende Tür. Doch der Orathone gab nicht auf. Während der Terraner in rasender Eile über Kistenstapel und Stoffballen hinweghastete, schaltete er den Traktorstrahl um. Ralf Griffith hörte es im Gebälk des Hauses laut krachen. Ganz offensichtlich wollte der Orathone das Haus abreißen, nur um Ralf Griffith in den Traktorstrahl zu bekommen. Ralf hörte laute Schreie. Er sah sich erregt um. Wenige Meter neben ihm öffnete sich eine Tür. Eine zierliche Frauengestalt stand darin. Die Frau
streckte die Hand nach ihm aus. Ralf sah, daß sie seinen elektronischen Dolmetscher in der anderen Hand trug. Sie mußte ihn unerhört schnell vom Raumanzug gelöst haben, als Sigam Agelon ihn hochzog. Ralf sprang zu ihr hinüber. Er ergriff die kleine Hand und lächelte. Über ihnen spaltete sich das Haus, Ralf umfing die Frau und schützte sie mit seinem Leib vor schweren Steinbrocken, die auf sie herabfielen. Sie zitterte. Sie zeigte nach vorn. Er drückte sie noch fester an sich und sprang durch die fallenden Trümmer hindurch. Er lief durch die Tür, auf die sie gezeigt hatte. Sie zersplitterte unter dem Druck des zusammenbrechenden Hauses. Ralf Griffith sprengte die Trümmer mit den Schultern auseinander. Er taumelte auf eine schmale Gasse hinaus, auf der zahlreiche Fremde über ihren fremdartigen Arbeitsgeräten standen. Sie alle starrten zu dem Diskus hinauf, der das Haus systematisch zerfetzte. „Lassen Sie mich herunter!" rief die Frau. Ralf lächelte. Er ließ die Frau auf den Boden hinab. Ihre Hand legte sich auf seinen Arm. „Sie sind sehr stark!" sagte sie. Er lachte. Sie eilte voran. Sie hasteten durch die Gasse. Die zahlreichen Handwerker machten ihnen sofort Platz. Ralf Griffith atmete auf, als sie unter die Sonnendächer kamen, die sie gegen direkte Sicht von oben schützten. Überall arbeiteten athletische Männer an einfachen handwerklichen Geräten. Das Leben schien sich hier hauptsächlich auf offener Straße abzuspielen, obwohl es nicht übermäßig warm war. Vor einem sauberen kleinen Haus blieben sie stehen. Über ihnen spannten sich gelbe und rote Tücher, die sie vor direktem Sonnenlicht schützten.
Die dunkelhäutige Frau zeigte auf das Haus. Dann ging sie die drei Stufen hinauf, die zur Tür führten, und trat, ein. Ralf Griffith folgte ihr zögernd. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Fieberhaft suchte er nach einer Möglichkeit, den Diskus Sigam Agelons anzugreifen. Er wußte, daß er sich hier nicht lange verstecken konnte. Sigam Agelon würde ihn bald aufgespürt haben. Sobald die erste Erregung nachließ, würde er ruhiger und systematischer suchen. Dann mußte er ihn finden, da er ihn als Kraftpol mit seinen durch Becon „veränderten" Sinnen orten konnte. Die Frau führte ihn in einen überraschend hellen Raum. Die Wände schienen aus sich selbst heraus zu leuchten. Zierliche Möbel, deren Zweck leicht zu erkennen war, standen darin. „Ich kann hier nicht bleiben!" sagte Ralf. Sie lächelte. „Du sollst hier nicht bleiben. Von hier aus führt ein Tunnel zu den Bergen. Wenn der andere mit dir kämpfen will, muß er das Raumschiff verlassen, denn sonst kann er dir nicht folgen!" Ralf Griffith atmete auf. Die Frau ging zu einem Schrank und nahm ein kleines Gefäß heraus, das mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. Sie bot es ihm an. Er hob es vorsichtig an die Lippen. Ein erfrischender Duft stieg ihm in die Nase. Er trank einige Schlucke, bis sie ihm anzeigte, daß er alles trinken sollte. Eine donnernde Explosion schreckte ihn auf. Die Frau eilte zu einer Tür am anderen Ende des länglichen Raumes. Sie stieß sie auf und trat in das Sonnenlicht hinaus. Ralf folgte ihr. Der Diskus flog in etwa zweihundert Meter Höhe über die Stadt hinweg. Sigam Agelon hatte gemerkt, daß ihm sein Gegner entkommen war. Er schoß auf die Stadt. Immer wieder
zuckten die grellen Blitze herunter. Sie schlugen donnernd in die Häuser ein. Überall loderten Feuer auf. Ralf Griffith hielt entsetzt den Atem an. Er sprang an der Frau vorbei und rannte in weiten Sätzen über die breite Straße, die direkt auf einen üppig wuchernden Urwald zuführte. Sie schrie. Er hörte ihre leichten Schritte, die ihm folgten. Er sah zurück. Der Diskus war hinter den Häusern verschwunden. Ralf Griffith lief weiter. Er wollte die Stadt so schnell wie möglich verlassen. Er konnte nicht zulassen, daß der Orathone die unschuldigen Bewohner dieses Mondes dahinmetzelte, nur um seinen Gegner aufzuscheuchen. Er mußte sich so schnell wie möglich zeigen, damit Sigam Agelon zum Angriff auf ihn überging. Die Frau schrie. Ralf konnte sich nicht darum kümmern. Er erreichte den Stadtrand. Der grüne Dschungel erhob sich vor ihm. Er sah sich um. Der Diskus Sigam Agelons schoß blitzschnell in die Höhe. Jetzt mußte der Orathone ihn gesehen haben! Ralf verließ die Straße. Die Frau hatte ihn erreicht, weil er etwas langsamer lief. „Bleiben Sie hier!" rief sie immer wieder. Sie preßte den elektronischen Übersetzer krampfhaft an sich. „Gehen Sie nicht dorthin!" Er blieb stehen. Er sah zurück. Sie schloß zu ihm auf. „Warum soll ich nicht dahingehen?" fragte er ernst. „Ich kann nicht in der Stadt bleiben!" „Sie werden den Kampf verlieren!" rief die Frau atemlos. „Sie können nicht gegen ein Raumschiff kämpfen!" Er drehte sich verbittert um. Er wußte, daß er keine Chancen hatte, wenn er
sich dem Diskus stellte. Er sah auf. Ein Schrei des Entsetzens brach über seine Lippen! * Percip beugte sich in eiskalter Konzentration über das Leitpult des Diskusraumers. Er setzte die letzten Reserven ein, um das Raumschiff vor der drohenden Vernichtung zu retten. Er schaltete die Antriebsaggregate hoch. Rex Corda fühlte, wie sich ein Titanengigant auf seine Schultern senkte. Die Macht des Auftriebs preßte ihn tief in die pneumatischen Polster seines Andrucksessels. Vor sich sah er die Holografen, auf denen die Hügelkette immer größer und drohender wurde. Noch immer flogen sie zu niedrig. Die Energieschüsse des Hantelraumers hatten sie zu tief herabgedrückt. Percip hob den Diskus noch mehr an, obwohl er offensichtlich an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen war. Immer mehr Sicherheitselemente flogen krachend aus den Halterungen. Die Antigravitationsautomaten wimmerten. Immer härtere Stöße kamen durch. Dann rasten sie dicht über die Hügel hinweg. Percip, der eiskalt rechnende Laktone, schaltete im letzten Augenblick die Sicherheitsschirme aus. Damit verhinderte er daß die Energiefelder mit den Hügeln zusammenprallten. Im nächsten Augenblick verschwand der teuflische Druck. Rex Corda konnte wieder frei atmen. Ein kleiner Holograf, der auf einer extremen Störfrequenz lief, so daß kein klares Bild zustande kam, erhellte sich. Rex Corda erkannte das gestreifte Gesicht Fan Kar Konts.
Die Stimme des Laktonen zitterte unter den Störungen. Sie war kaum zu verstehen. Doch daran störte sich niemand. Sie konnten auf dieser Frequenz ziemlich sicher vor Abhörversuchen der Orathonen sein. Zusätzlich durchlief die Sendung einen Zerhacker. Die Orathonen würden zu lange benötigen, den Zerhackerschlüssel ausfindig zu machen, um das Gespräch dann noch abhören zu können. „Sigam Agelon hat Ralf Griffith gezwungen, den Kampfanzug abzulegen", berichtete Fan Kar Kont hastig. „Er jagt Ralf jetzt mit dem Diskus. Ralf ist mitten in einer Stadt gelandet. Er muß Rücksicht auf die Bewohner dieser Stadt nehmen. Sigam Agelon nutzt das aus!" „Lassen Sie das Band ablaufen!" befahl Rex Corda. Fan Kar Kont bestätigte. Rex Corda schaltete auf eine andere Frequenz um. Sekunden später schon zeigte der Holograf an, daß die „Walter Beckett" den Orathonen Sigam Agelon rief. Corda konnte die vorgefertigte Sendung mithören. Als Sigam Agelon sich meldete, erschien das Gesicht Rex Cordas auf dem Holografen vor Rex Corda im Diskus. Gleichzeitig erschien es auch auf dem Holografen vor Sigam Agelon. Die Sendung war vorfabriziert worden, weil Sigam Agelon nicht merken durfte, daß Corda die „Walter Beckett" verlassen hatte. „Sigam Agelon! Wir protestieren auf das schärfste gegen die Methode, mit der Sie unseren Mann zu besiegen suchen!" Rex Corda lächelte bitter, als er diese seine Worte hörte, die von einem Magnetband stammten. Er wußte, daß sie sinnlos waren. Aber sie würden Sigam Agelon davon überzeugen, daß er noch immer in der „Walter Beckett" war. Sigam Agelon lachte höhnisch.
„Ich bekämpfe Ralf Griffith so, wie es mir paßt!" sagte er. „Es steht ihm frei, mich gleichfalls mit einem Diskus anzugreifen! Es ist sein Fehler, daß er keinen Diskus hat — nicht meiner!" „Wir werden unserem Mann helfen", antwortete Rex Corda. Seine Worte kamen unmittelbar nach denen Sigam Agelons. Fan Kar Kont steuerte die Sendung mit überragender Exaktheit aus. „Wir werden unserem Mann Hilfsmittel in die Hände spielen, die die Nachteile für ihn aufheben werden!" „Wenn Sie das tun, Corda, dann werden wir die ,Walter Beckett' zu Staub zerblasen!" schrie Sigam Agelon. Er schaltete das Gerät zornig ab. Rex Corda lächelte versonnen. Er hatte bereits einen winzigen Vorteil herausgeschlagen. Sigam Agelon glaubte daran, daß er noch an Bord der „Walter Beckett" war. Der Diskus jagte im Schatten des Riesenplaneten zu einem der sechsundzwanzig Monde hinauf. Als ein Hantelraumer langsam über der Krümmung von „Fatty" aufstieg, war der Diskus bereits im Ortungsschatten eines der Monde. Langsam trieb der Hantelraumer über die Oberfläche von „Fatty", um dann zu seiner vorherigen Position über der „Walter Beckett" zurückzukehren. Die Orathonen schienen zu glauben, daß sie den Diskus abgeschossen hatten. Percip landete den Diskus auf dem Mond. Die Messungen ergaben, daß sie sich auf einer Sauerstoffwelt befanden. Auf den Holografen zeichnete sich eine tropisch wuchernde Pflanzenwelt ab, deren Blätter von grünlich-blauer Farbe waren. Eine eigentümliche Drohung ging von dem Dschungel aus. Feuerrote Lianen und grellgelbe Blüten hoben sich aus dem Grün-Blau hervor. „Mir gefällt das hier nicht", sagte John Haick leise. „Mir ist kalt, wenn ich diese Bäume sehe."
Rex Corda lächelte. Er stand auf und stellte sich hinter den Sessel seines Freundes. Er legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nur nicht die Ruhe verlieren, John", sagte er gelassen. Plötzlich wölbte sich der Dschungel vor ihnen auf. Percip hatte den Diskus auf einer kleinen Lichtung gelandet. Jetzt platzten zahlreiche Bäume auseinander. Dichte Blütenbüsche wirbelten durch die Luft. Rex Corda beugte sich erregt vor. Auf dem Holografen sah es so aus, als sei unmittelbar vor ihnen eine mächtige Bombe explodiert, die den Wald aufgerissen habe. „Da!" rief John Haick. Seine Hand zuckte zum Holografen. Rex Corda hielt unwillkürlich den Atem an. Der Dschungel hob sich mehr und mehr. Jetzt plötzlich wurde erkennbar, daß eine riesige überwucherte Scholle auf einem feuerroten Sockel lag, der sich langsam in die Höhe schob. Vor ihnen schien sich ein Pilz zu erheben, dessen Stiel einen Durchmesser von etwa dreißig Meter hatte. Zahlreiche Öffnungen zeigten sich in dem roten Sockel. Immer mehr Pflanzen stürzten über die Kanten in die Tiefe, je höher sich das Gebilde erhob. Percip überprüfte die Anzeigen für die Schutzschirme. Mit einem Blick erkannte er, daß die Antigravitationsautomaten sich weitgehend regeneriert hatten. Rex Corda stürzte zu dem Leitstand für die Bordgeschütze, doch Ierra Kretan, die Laktonin, saß bereits dort. „Wäre es vielleicht nicht vernünftiger, wenn wir starten?" fragte John Haick. „Wir warten!" entschied Rex Corda. „Wenn dieses Ding da auf uns schießen sollte, werden die Orathonen auf uns aufmerksam!" sagte John.
Rex Corda schüttelte den Kopf. „Ich bin überzeugt, daß wir vor einer wichtigen Entdeckung stehen! Wir nehmen das Risiko auf uns!" erklärte er. „Wir befinden uns im Ortungsschatten des Mondes. Die Orathonen können uns nicht so leicht orten!" Percip lächelte unmerklich. „Woher nehmen Sie die Überzeugung, daß wir einen Angriff ohne Schaden überstehen werden?" fragte er. Rex Corda lächelte. Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. In diesem Augenblick blitzte es drüben auf. Die Blitze kamen von der Oberkante des roten Sockels. Sie schienen direkt aus dem Gewirr der Dschungelpflanzen zu kommen. Krachend schlug es in den Schutzschirmen des Diskusraumers ein. Der Effekt blieb gering. Sie fühlten nur eine unwesentliche Erschütterung. Doch dann blitzte es wieder und wieder auf. Ein wahres Trommelfeuer setzte ein. Die Erschütterungen wurden stärker. Rex Corda biß die Lippen hart zusammen. Er mußte nach der Lehne seines Sessels greifen, um seinen sicheren Stand nicht zu verlieren. Die Erschütterungen stiegen progressiv. Schon jetzt ließ sich sehr einfach errechnen, wann es zu spät für einen Start sein würde. „Sir — wir müssen starten!" keuchte Percip. „Ierra — schießen Sie dem Ding die Pflanzenkrone vom Kopf", befahl Rex Corda kalt. Zwölf kleine Raketen schossen auf langen Flammenbahnen aus dem Diskus. Sie heulten auf das seltsame Gebilde im Dschungel zu. * Ralf Griffith fuhr entsetzt zurück. Die
dunkelhäutige Frau klammerte sich an seinen Arm. Über eine Bergkuppe schob sich ein rotes Monster gigantischen Ausmaßes heran. Das Wesen glich einer ins Riesenhafte vergrößerten Spinne. Nur die Freßwerkzeuge hatte nichts Insektenhaftes an sich. Die acht langen Beinen schienen direkt von dem gewaltigen Kopf auszugehen. Unter den stampfenden Beinen zersplitterten zwanzig Meter hohe Bäume. Die Frau zerrte an Ralfs Arm. „Kommen Sie! Schnell!" rief sie. Ralf Griffith legte den Arm um sie. Schritt für Schritt wichen sie zurück. Die großen Augen der Giga-Spinne verfolgten jede ihrer Bewegungen. Ralf sah zur Stadt zurück. Über den Dächern erschien der Diskus Sigam Agelons. Die Spinne bäumte sich hoch empor. Die langen Beine wirbelten zornig durch die Luft. Fauchend stieß der Atem durch die zahlreichen Atemlöcher an der Seite des Kopfes. Ralf Griffith riß die Frau an sich und zog sie mit sich. Es half alles nichts. Sie mußten in die Stadt zurück. Sigam Agelon jagte mit seinem Diskus heran. Die kräftigen Motoren des Raumschiffes donnerten auf. Eine Sirene heulte. Die dunkelhäutigen Bewohner der Stadt stürzten aus ihren Häusern. Ralf Griffith lief so schnell, wie er konnte. Als die Frau Mühe hatte, ihm zu folgen, riß er sie auf seine Arme. Immer wieder sah Ralf über die Schulter zurück. Die riesige Spinne kauerte auf der breiten Straße, die zur Stadt führte. Ihm schien es so, als wollte sich das Monster in jedem Augenblick auf sie stürzen. Da erreichten sie die ersten Häuser. Ralf ließ die Frau von seinen Armen gleiten. Er schob sie in einen Hausein-
gang. Er wollte sich umdrehen und wieder aus der Stadt fliehen, um zu verhindern, daß Sigam Agelon sie vernichtete. Da sprangen mehrere Männer auf ihn zu und hielten ihn fest. Sie zerrten ihn in das Haus. Ralf Griffith hätte sie abschütteln können, aber an ihren freundlichen Blicken merkte er, daß sie ihm helfen wollten. Er ließ sich mitziehen. Donnernd brauste der Diskus über ihre Köpfe hinweg. Deutlich fühlte Ralf Griffith die energetische Spannung Sigam Agelons, die durch das Becon in seinem Schädel hervorgerufen wurde. Da brüllten die Energiestrahler des Raumschiffes auf. Ralf hörte die krachenden Einschläge. Plötzlich senkte sich Totenstille über die Stadt. Jaulend verstummten die Sirenen. Nur noch das drohende Sirren des auf der Stelle schwebenden Raumschiffes war zu hören. Die dunkelhäutigen Männer taumelten. Sie wichen bleich bis an die Wand zurück. Ihre Lippen zuckten. Ralf Griffith löste sich aus ihrer Mitte. Er ging mit langsamen Schritten zum Ausgang und sah hinaus. Er konnte direkt auf die Straße sehen, auf der die gigantische Spinne lag. Sigam Agelon hatte sie mit einigen Schüssen aus den Strahlkanonen seines Diskusraumers erledigt. Sie bot einen entsetzlichen Anblick. Der Geruch des Todes strich über die Stadt. Dicht über der Spinne schwebte der Diskus. Das Außenschott war offen. Sigam Agelon, Ralfs Todfeind, stand in der Öffnung. Der rote Umhang flatterte um seine Schultern. Ein unheilvolles Leuchten schien über seinen Augen zu liegen. Eine sanfte Hand legte sich auf Ralfs Schulter. Er drehte sich um. Die Frau, die ihn gerettet hatte, stand hinter ihm.
„Komm", sagte sie. Die Elektronik übersetzte das Wort. Er folgte ihr, ohne zu zögern. Die Männer, die in dem Raum gewesen waren, schlossen sich ihnen an. Sie stiegen über eine schmale, feuchte Treppe in einen Keller hinab. Ein enger Gang öffnete sich vor ihnen. Ralf bemerkte zahlreiche Kisten, die auf dem Boden standen. An den Wänden klebten kleine, violette Schalen, die aussahen wie Schwalbennester. Er warf einen kurzen Blick hinein und fuhr erschrocken zurück. In jedem Nest hockten faustgroße tief rote Spinnen, die dem von Sigam Agelon vernichteten Giganten ähnlich sahen. Plötzlich begriff er. Es war keineswegs die Rettung für die Stadt gewesen, daß Sigam Agelon die Spinne tötete. Wenn er gehofft hatte, die Einwohner durch diese Tat für sich zu gewinnen, dann hatte er sich gründlich getäuscht. Sigam Agelon hatte im Gegenteil einen schweren Fehler gemacht! Die Bewohner dieser Stadt fürchteten sich nicht vor den Spinnen, denn sie lebten mit ihnen zusammen! Sigam Agelon hatte keinen Feind der Stadt vernichtet, sondern einen Freund! Ralf Griffith konnte ein gewisses Gefühl des Triumphes nicht unterdrücken. Er wußte, daß er die Bewohner der Stadt endgültig für sich gewonnen hatte. Er legte seine Hand auf die Schulter der dunkelhäutigen Frau vor ihm. Sie blieb stehen. Sie sah ihn lächelnd an. Das Licht aus hellen, leuchtenden Steinstreifen unter der Decke hob ihr schönes Gesicht aus dem Dunkel. „Wie heißt du?" fragte er. „Ela vom Volke der Simlars", antwortete sie. „Ela?" Er lächelte. Er wollte noch mehr sagen, doch in diesen Sekunden griff Sigam Agelon mit aller Härte und Entschlossenheit ein.
Ralf Griffith fühlte einen stechenden Schmerz über seinem Herzen. Eine glühende Zange schien sein Rückgrat zu packen. Er taumelte! Der Unbesiegbare Ralf Griffith taumelte! Er fühlte, daß seine Knie zitterten. Dichter Schweiß schoß ihm aus den Poren und verklebte sein Gesicht. Ralf Griffith mußte sich mit der Hand an der Wand stützen! Das Rettungsangebot der Simlars war zu spät gekommen! Sigam Agelon hatte die Waffe gefunden, mit der er den Terraner besiegen konnte. Ralf Griffith hatte sich für unbesiegbar gehalten. Aber das war ein Irrtum gewesen! Er fühlte die lähmende Schwäche, die ihn überfiel! * Die Raketen schlugen mit verheerender Wucht in dem Pflanzenwust ein, der den roten Sockel bedeckte. Im nächsten Augenblick versank das Gebilde in Explosionswolken und pechschwarzem Rauch. Sekunden später erfolgte der letzte Einschlag in den Energiefeldern des Diskusraumers. „Beschuß abbrechen!" rief Corda. Ierra Kretan lehnte sich zurück. Ihr Gesicht entspannte sich. Sie warf Corda einen kurzen Blick zu. Sie nickte. Damit zeigte sie ihm an, daß sie seine Entscheidung für allein richtig angesehen hatte. Langsam verzogen sich die Rauchwolken. Der rote Sockel schälte sich aus dem Dunst. Er war von fast allen Pflanzenresten befreit. Ein breiter Riß zeigte sich in seiner Front. Die Energiegeschütze schwiegen. Eine zähflüssige Masse floß
aus den Öffnungen der Abstrahlrohre. „Die sind erledigt", bemerkte Percip trocken. „Dann wollen wir uns das Ding einmal näher ansehen", sagte Rex Corda. „Haben wir dafür Zeit?" fragte John Haick. „Ralf Griffith braucht unsere Hilfe dringend!" Rex Corda stieg in seinen Raumanzug. „Vielleicht können wir Ralf mehr damit helfen, daß wir uns diese Anlage genau ansehen", versetzte er. „Die Anlage muß einen Sinn haben. Sie dürfte — wie alles in diesem System — von den ,Zeitlosen' errichtet worden sein. Sie wird eine wichtige Funktion in dem Abwehrsystem der ,Zeitlosen' haben. Deshalb ist es wichtig, daß wir uns diese Anlage ansehen. Percip und Ierra — Sie bleiben an Bord des Schiffes. John und ich gehen allein." John Haick erhob sich kommentarlos. Er streifte sich seinen leichten Raumanzug über und kam zu Rex Corda, der an der Schleuse wartete. „Alles klar?" fragte Corda. Percip hielt die Faust hoch. Er zeigte mit dem Daumen nach oben. Er grinste, als er die Überraschung Cordas bemerkte. „Ich habe ein wenig in den geschichtlichen Aufzeichnungen nachgeforscht, die es an Bord der ,Walter Beckett' gibt", erklärte er. „Es ist wirklich erstaunlich, in welch kurzer Zeit Terra sich hochgearbeitet hat." Corda lächelte ein wenig spöttisch. „Wenn ich Lithalon mal besuchen sollte, dann werde ich mal in den dortigen Geschichtsbüchern nachschlagen, wie lange man dort gebraucht hat!" Percip schüttelte den Kopf. „Lithalon ist eine laktonische Kolonie", erklärte er. „Dort gibt es nicht viel zu erforschen, Lithalon ist erst seit dreihundert Jahren besiedelt. Es ist eine rauhe Welt, die den Kolonisten viel ab-
fordert. Nicht umsonst kommen die meisten laktonischen Agenten von Lithalon." „Kommen Sie auch von Lithalon, Ierra?" fragte Corda schnell. Sie fuhr empört auf. Heftige Röte überzog ihr schönes Gesicht. „Ich bin keine Agentin, Mr. Corda!" sagte sie scharf. Rex Corda lächelte unmerklich. In seinen Augen blitzte es amüsiert auf. Ierra Kretan biß sich heftig auf die Lippen. Sie ließ sich langsam in den Sessel zurücksinken. Ärgerlich drehte sie den kirschroten Ring, der am Ringfinger ihrer linken Hand saß. Rex Corda und John Haick stiegen in die Schleuse. „Warum hast du das gesagt?" fragte John Haick, als das Innenschott sich geschlossen hatte. „Sie ist die einzige Wissenschaftlerin, die Teckan nicht so ganz freiwillig verlassen hat", sagte Corda ernst. „Manchmal habe ich das Gefühl, daß sie sich noch immer nicht ganz für uns entschieden hat!" Er klappte den Helm hoch und schnitt John Haick damit alle weiteren Fragen ab. Es verbot sich von selbst, jetzt noch über die Laktonin zu sprechen, da ihre Worte über die Bordholografen des Raumschiffes mitgehört werden konnten, sobald sie die Helme geschlossen hatten. Das Außenschott rollte auf. Die beiden Männer traten in eine Atmosphäre hinaus, deren Sauerstoffgehalt besonders hoch war. Wenig später gab Ierra Kretan mit kühler Stimme einige Messungen bekannt. Die beiden Männer gingen über den weichen, federnden Boden auf die rote Festung zu, die sich aus dem Urwaldboden erhoben hatte. Drohend gähnte der schwarze Riß in der glatten Wand. Rex Corda beobachtete, daß die zähe Flüssigkeit, die aus den Abstrahlrohren
kam, die Pflanzen auf dem Boden verbrannte. Alle organische Materie löste sich sehr schnell unter dem Einfluß der Flüssigkeit auf. Er wies John darauf hin. Sie machten einen vorsichtigen Bogen um das Material. Immer wieder sah Corda zu den Abstrahlrohren hinauf. Doch die Waffen schwiegen. Er schaltete seinen Helmscheinwerfer ein, als sie unmittelbar vor dem Riß standen. Das Licht enthüllte einige Einzelheiten, die sie bisher nicht erkennen konnten. Direkt hinter der Mauer befand sich ein Computer. Er war von den terranischen Raketen förmlich zerrissen worden. Durch das Gewrirr der elektronischen Teile hindurch konnte Rex Corda in einen schwach beleuchteten Raum sehen. Er schaltete seinen Antigravitationsautomaten vorsichtig hoch, bis sich sein Gewicht so weit verringert hatte, daß er mühelos in den Spalt hinaufspringen konnte. Er zog sich vorsichtig in den Riß hinein. Mit den Händen trennte er das Gewirr der Kabel auseinander. Er zog sich hindurch und glitt in den kleinen Raum, in dem der Computer stand. John Haick folgte ihm sofort. Rex Corda justierte den Antigravitationsautomaten neu und ging dann auf die Tür zu, die dem Riß gegenüberlag. Er stieß sie auf. Licht schaltete sich ein. Corda betrat einen kreisrunden Raum, an dessen Wänden sich mannshohe Holografen erhoben. Langsam drehte Corda sich um sich selbst. Er zählte genau siebenundzwanzig Holografen. „He — wieso siebenundzwanzig?" murmelte John Haick. ,,,Fatty' und seine sechsundzwanzig Monde!" vermutete Rex Corda. John Haick schloß die Tür hinter ihnen. Rex Corda ging zu dem Holografen, der ihm am nächsten war, und
schaltete ihn mit einem kurzen Druck auf der Leiste an der Unterseite des Gerätes ein. Das Bild erschien sofort. Es war absolut wirklichkeitsgetreu. Die „Zeitlosen" verwendeten genau das gleiche Prinzip der Holografie wie die Orathonen und die Laktonen auch. Es schien, daß dieses Prinzip bereits die optimalen Möglichkeiten zur Darstellung dreidimensionaler Bilder darstellte. John Haick ging an der Reihe der Holografen entlang. Er schaltete ein Gerät nach dem anderen ein. „Dies könnte so eine Art zentrale Überwachungsstation für das gesamte System sein", vermutete er. Rex Corda fand ein halbkugelförmiges Justierglied. Er berührte es mit den Fingern. Sofort veränderte sich das Bild. Corda hatte den Eindruck, mit einem Diskus über die Landschaft zu fliegen, die sich seinen Augen bot. Es war eine kalte, abweisende Landschaft, die in violettem Licht lag. Am Horizont zeigte sich die gewaltige Wölbung der Riesensonne. Corda ging zum nächsten Holografen, den John Haick bereits eingeschaltet hatte. Heftige Erregung überfiel ihn, als er die weiße Stadt sah. Ein Diskus schwebte über der Stadt. Und vor den weißen Häusern lag eine gigantische Spinne, die offensichtlich mit Energiegeschützen erledigt worden war. „Ich habe ihn gefunden, John!" sagte Corda. John Haick, der Atomphysiker, kam mit schnellen Schritten zu ihm. Der schwere Raumanzug ließ seine Bewegungen etwas unbeholfen aussehen. John Haick zeigte auf den Bildschirm des Holografen. „Eigenartig, dieses helle Flimmern an den Seiten des Raumschiffes", bemerkte er. „Das habe ich noch nie beobachtet!"
Ein zuckender Lichtkranz wogte um den Diskus Sigam Agelons. „Es erinnert mich an Erscheinungen, die auftreten, wenn ein Raumschiff seinen Energiebedarf aus dem Reservoir einer Sonne deckt", murmelte Rex Corda. John Haick fuhr sichtlich zusammen. „Um Himmels willen!" stieß er heftig aus. „Rex, jetzt begreife ich erst, was da geschieht! Sigam Agelon entreißt Ralf Griffith alle Energien und führt sie dem Antrieb seines Raumschiffes zu!" Rex Corda taumelte unter der Erkenntnis. „Er hat die einzig mögliche Methode gefunden, Ralf zu vernichten!" keuchte er. Ein heller Entsetzensschrei kam aus seinen Helmlautsprechern. Ierra Kretan hatte jedes Wort mitgehört. * Die dunkelhäutige Frau, die sich Ela nannte, starrte Ralf aus weiten Augen an. Ihre Lippen bebten vor Schrecken. Nur zu deutlich sah sie dem Mann, der sie so mühelos getragen hatte, den Verfall seiner Kräfte an. Ralf Griffith kämpfte mit sich, aber es zog ihn unerbittlich zu Boden. Die Frau schluchzte. Dann schob sie sich an dem zusammengebrochenen Terraner vorbei und eilte den Gang zurück. Sie schrie den Männern etwas zu, aber Ralf Griffith war schon viel zu sehr geschwächt. Er hörte es nicht mehr. Die dunkelhäutigen Simlars beugten sich über den sterbenden Terraner. Sie hoben ihn auf und eilten mit ihm durch die matt erhellten Gänge. Plötzlich fühlte Ralf Griffith einen Ruck. Der Verfall stoppte. Die saugende Geißel fiel von ihm ab. Es gelang ihm wieder, tiefer zu atmen. Doch es kostete
ihn unglaubliche Kraft, die Augen aufzuschlagen. Sein erschöpfter Geist erfaßte die Situation kaum noch. Er fühlte, daß seine Gedanken sich zu verwirren begannen. „John Jon ... Bob .. .", murmelte er erschöpft. „Ich kann euch nicht mehr helfen!" Er sah die flehenden Augen seiner Kinder vor sich im Räume schweben. Es war, als tauchten ihre bleichen, verängstigten Gesichter aus den Tiefen der Dunkelheit auf. Er sah, daß John Jon und Bob Tränen in den Augen hatten. Es war kein Vorwurf in ihren Blicken, nur tiefe Trauer. Das Herz krampfte sich ihm zusammen. Ralf bäumte sich wild in den Armen der Simlars auf. Er wollte nicht sterben. Die Simlars ließen ihn auf den Boden hinab. Sie lehnten ihn mit dem Rücken gegen einen kühlen Sockel. Das Kinn sank ihm auf die Brust. Seine Hände zitterten vor Schwäche, als er sich den kalten Schweiß von der Stirn wischte. Eine milde Hand reichte ihm etwas zu trinken. Brennend rann ihm die Flüssigkeit durch die Kehle. Ralf Griffith hustete krampfhaft. Jede Erschütterung stach sich ihm schmerzhaft in die Brust. Das Getränk stärkte ihn so weit, daß er den Kopf heben konnte. Er war allein in einem halbkugelförmigen Raum, dessen Wände ringsum von kreisrunden Öffnungen durchbrochen wurden. Rotes Licht fiel durch die Fenster in den Raum. Die Sonnenstrahlen der Riesensonne spielten mit dem Staub, der um seine zitternden Füße wirbelte. Warum hatten die Simlars ihn verlassen? Ralf Griffith riß die Augen auf. Wild starrte er um sich. Hatten sie ihn zum Sterben in diesen
Raum gebracht? „So schwach bin ich noch nicht!" krächzte er. Er versuchte aufzustehen, doch die Schwäche warf ihn nieder. Er stürzte in abgrundtiefe Bewußtlosigkeit. Ein warmes Gefühl des Wohlseins ließ ihn die ungeheure Gefahr vergessen, in der er schwebte. * Ela vom Volke der Simlars hastete durch die Gänge. Immer wieder schrie sie die Männer an, die ihr im Wege standen. Sie starrten sie schweigend an, lächelten — und folgten ihr. Zuerst war sie allein. Doch dann folgten ihr mehr und mehr Männer und Frauen. Sie schlossen sich ihr an, schrien auf die anderen ein und schleppten sie mit sich. Ein Strom erregter Simlars ergoß sich aus den weißen Häusern auf die Straßen. Die dunkelhäutigen, menschenähnlichen Simlars starrten zu dem Diskus hinauf, der suchend über die Dächer der Stadt hinwegglitt. Es war offensichtlich, daß Sigam Agelon die Spur Ralf Griffiths verloren hatte. Sigam Agelon kümmerte sich nicht um die Gruppe der Simlars, die durch die Straßen der Stadt eilte. Sie strebten dem Stadtrand zu. Immer wieder sah sich Ela nach dem Raumschiff um. Und immer wieder atmete sie erleichtert auf, wenn sie merkte, daß es ihnen nicht folgte. Sie erreichte den Stadtrand. Keuchend floh der Atem über ihre Lippen. Das violette Haar fiel ihr immer wieder in die verschwitzte Stirn und nahm ihr die Sicht. Doch sie ruhte sich nicht aus. Sie lief so schnell, wie sie nur konnte. Sie wollte nicht, daß der fremde Mann, der die Stadt vor der Vernichtung gerettet hatte, starb. Sie wollte und sie mußte ihn retten.
Immer wieder schrie sie den ihr folgenden Männern Anfeuerungsrufe zu. Sie liefen durch den Dschungel, der die Stadt wie eine tödliche Klammer umgab. Ela kümmerte sich nicht um die zahlreichen Gefahren, die hier auf sie lauerten. Sie lief, als gelte es ihr eigenes Leben. Mehr als einmal entging sie dem tödlichen Überfall eines der vielen Dschungelbewohner durch kaum mehr als einen Zufall. Die Männer waren vorsichtiger. Sie benutzten immer wieder ihre Waffen, um die heimtückischen Angreifer, die sich unvermittelt aus dem dichten Grün hervorstürzten, zu vernichten. Sie folgten Ela dennoch in höchster Eile, um sie zu beschützen. Ela rannte einen Hügel hinauf. Hier wucherte der Urwald weniger dicht. Doch oben auf der Kuppe erhoben sich gigantische Baumriesen. Furchtlos schleuderte sie die klebrigen Lianen zur Seite und stürzte sich durch das Dickicht. Da erhob sich unmittelbar vor ihr der gigantische Kopf einer roten Riesenspinne. Krachend öffneten sich die gewaltigen Freßwerkzeuge. Ein urweltliches Brüllen fauchte aus den Atemlöchern des Giganten. Ela vom Volke der Simlars stieß einen gellenden Schrei aus. * Sigam Agelon kauerte wie eine blutgierige Spinne in dem weiten, undurchdringlichen Netz, das er gewoben hatte. Er wußte, daß Ralf Griffith ihm nicht mehr entkommen konnte, gleichgültig, ob er schon tot war oder noch lebte. Ralf Griffith mußte ihm in den nächsten Minuten schon in die Hände fallen. Sigam Agelon, der Featherhead, hatte zwanzig Spezialkameras ausgeschleust. Er benutzte die sogenannten „Augen", Kameras, die mit Hilfe von Schwer-
kraftfeldern gesteuert wurden. Diese Kameras bewegten sich geisterhaft still durch die Stadt. Sie spähten als unerbittliche Spione in jeden Winkel. Sie drangen in jedes nur mögliche Versteck ein. Nicht Sigam Agelon steuerte die Kameras, deren Bilder im Diskus immer wieder auf den Holografen erschienen. Der Bordcomputer lenkte die Aufnahmeholografen mit eiskalter Logik und Berechnung. Dem System, das der Computer eigenständig aufgestellt hatte, konnte kein Flüchtling entgehen, und wenn er sich noch so geschickt versteckte. Deshalb hatte Sigam Agelon es auch gar nicht nötig, den Diskus von der Stelle zu bewegen, als er die Gruppe der Dunkelhäutigen aus der Stadt fliehen sah. Der Computer sandte ein „Auge" zu der Gruppe, ohne daß es dieser auffiel. Das „Auge" übermittelte holografische Aufnahmen eines jeden einzelnen Simlars zum Bordcomputer des Diskusraumers. Der Computer analysierte die Holografien und gab schon nach wenigen Sekunden bekannt, daß sich Ralf Griffith nicht in der Gruppe der Flüchtlinge verbarg. Also suchte Sigam Agelon weiter. Die Stadt war bereits zu dreiundneunzig Prozent durchsucht. Die „Augen" waren auf ganz erstaunliche Verstecke tief unter der Erde gestoßen. Bis jetzt hatten sie Ralf Griffith nicht gefunden. Aber es konnte jetzt nur noch Minuten dauern. Sigam Agelon beendete die kurze Mahlzeit, die er zu sich genommen hatte, und bereitete sich auf den tödlichen Abschluß des ungleichen Duells vor. Wenn Ralf Griffith noch nicht tot war, dann mußte er in den nächsten Minuten sterben. Es gab überhaupt keinen Zweifel für Sigam Agelon.
* Ralf Griffith fühlte sich etwas frischer, als er aus der Ohnmacht emportauchte. Sein Körper hatte neue Kräfte gewonnen. Er hatte die Energiequellen genutzt, die ihm zur Verfügung standen. Dennoch war das Kraftpotential immer noch so niedrig, daß Sigam Agelon es mit seinen Sinnen nicht erfassen konnte. Ralf Griffith schaffte es, sieh auf die Knie zu erheben. Auf die Füße kam er trotz mehrerer Versuche nicht. Er sackte immer wieder in sich zusammen. „Ich muß in das direkte Sonnenlicht", keuchte er. „Nur dort kann ich neue Kraft gewinnen!" Er wollte auf eines der runden Fenster zukriechen, als er das Gerät sah, das hinter ihm auf einem Sockel stand. Er zuckte zusammen. Das Ding sah aus wie eine primitive Kanone. „Haben die Simlars mich deshalb hierhergebracht?" fragte er sich leise. Er klammerte sich an den Sockel. Und jetzt gelang es ihm, sich daran aufzurichten. Es gab keinen Zweifel. Er stand vor einer einfachen Kanone. Jetzt sah er auch die Geschosse, die die Simlars verwendeten. Sie hatten eine glatte, ärodynamische Form. Ralf vermutete, daß sie eine Sprengladung enthielten. Er lächelte. Natürlich hatten die Simlars es nicht gewagt, mit diesem Ding auf den Diskus zu schießen. Sie konnten nicht wissen, welche Erfolgsaussichten sie hatten. Und sie hatten sich zurückgezogen, weil sie nicht in dem Feuerorkan untergehen wollten, der sich über diese Geschützstellung ergießen mußte, wenn es nicht gelang, den Diskus abzuschießen. Ralf Griffith sah sich suchend um. Irgendwo mußte das Raumschiff Sigam Agelons sein. Langsam drehte er
sich im Kreise. Verblüfft bemerkte er, daß das Geschütz jeder seiner Bewegungen folgte. Verwundert schüttelte er den Kopf. Er stand vor einer höchst seltsamen Einrichtung. Mit dem Geschütz konnte er nur die Straßen der Stadt beschießen. Und auch diese nur auf einem ganz bestimmten Abschnitt, der von Straße zu Straße unterschiedlich war. Gegen welchen Feind war diese Waffe errichtet? Der Feind mußte auf jeden Fall erdgebunden sein. Er mußte über die Straße kommen. Sigam Agelon schwebte jedoch in seinem Diskus! Ralf Griffith biß die Zähne zusammen. Eine kurze Schwäche wollte ihn zur Erde werfen. Im letzten Augenblick hielt er sich an dem Kanonenrohr fest. Das Herz blieb ihm fast stehen, als er den Diskus Sigam Agelons langsam an den Fenstern vorbeitreiben sah. Der Diskus war keine zehn Meter entfernt. Aufgeregt riß Ralf Griffith die Kanone herum. Wie von selbst fand er die Reißschnur, mit der er die Waffe auslösen konnte. War sie überhaupt geladen? Egal — er hatte nur diese eine Chance! Er riß mit letzter Kraft an der Schnur. Mit einem ohrenbetäubenden Krach raste das Geschoß aus dem Rohr. Der meterlange Zündblitz brandete bis an die runden Öffnungen. Ralf Griffith klammerte sich keuchend an den Sockel. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er in den Rauch. Er raffte sich auf und schleppte sich bis an die Öffnungen. Er hustete, weil der Rauch ihm in die Lungen biß. Mit den Händen versuchte er, die Qualmwolke zu teilen, doch nur allmählich wurde die Sicht besser. Ralf schob den Kopf durch das Fenster und sah hinaus.
Der Diskus war auf der Straße gelandet. Unmittelbar neben dem Außenschott klaffte ein großes Loch in dem Raumschiff. Ralf lachte leise. Sigam Agelon hatte in seiner maßlosen Überheblichkeit die Schutzschirme abgeschaltet. Das war eine Maßnahme, die in völlig gefahrlosen Situationen fast immer vorgenommen wurde, da das Energiepotential eines Diskusraumers recht niedrig war. Der Featherhead hatte sich in der Situation gründlich getäuscht. Das Geschoß war genau in einen Projektor der Energiestrahler geschlagen und hatte damit eine der empfindlichsten Stellen des Raumschiffes getroffen! Mit zitternden Händen suchte Ralf Griffith die Taschen seiner Uniform ab. Er lächelte erleichtert, als er eine Zigarettenschachtel fand. Er zündete sich eine Zigarette an und ging dann langsam aus dem Kanonenraum. Er konnte nicht schnell gehen. Er war noch viel zu schwach. Er hoffte nur, daß Sigam Agelon das Haus jetzt nicht stürmen würde. Er hatte dem Orathonen absolut nichts entgegenzusetzen. Als er an eine Holztür kam, drückte er sie vorsichtig auf. Draußen war helles Sonnenlicht. Das war es, was er brauchte! Reine Sonnenenergie mußte ihn mit neuer Kraft füllen. Die Becon-Schale in seinem Hirn würde sich in kurzer Zeit vollsaugen und ihn wieder erstarken lassen. Er brauchte nur einige Minuten, um eine Mindestchance gegen Sigam Agelon zu bekommen. Er stieß die Tür auf und trat in das Sonnenlicht hinaus. Er warf die Zigarette weg, hob das Gesicht gegen den Riesenball von „Fattys" Sonne. Er lächelte. Er fühlte die Kraft, die in seinen Körper strömte.
„Ich soll dir einen schönen Gruß von John Jon und Bob, deinen Kindern, bestellen", sagte der Orathone, der unmittelbar hinter ihm stand. „Ich habe gerade eben erfahren, wo sie sind, mein Freund!" Atemlos fuhr Ralf Griffith herum. Der Orathone stand hautnah vor ihm. Fast berührten sich ihre Gesichter. Sigam Agelon war mit 1,65m um zwei Zentimeter größer als Ralf Griffith. Sie konnten sich direkt in die Augen starren. In den Augen des Featherheads erkannte Ralf Griffith grüne Äderchen. Aber er sah sie kaum. Die nackte Mordlust sprang ihm aus diesen grausamen Augen entgegen. Es gab keinen Ausweg mehr. Die Hände des Orathonen spannten sich um seinen Hals. Sigam Agelon entblößte eine Reihe blendend weißer Zähne. „Auf diesen Augenblick habe ich lange gewartet, Terraner!" sagte Sigam Agelon. Er sprach in orathonischer Sprache, doch der elektronische Dolmetscher auf seiner Brust übersetzte seine Worte ins Englische, so daß der Terraner jedes Wort verstand. „Folge deinen Kindern, - Griffith!" Die grausame Klammer schloß sich um Ralfs Hals. Griffith war zu schwach, um sich noch länger auf den Beinen zu halten. Er sackte in die Knie. Vergeblich zerrte er an den grünhäutigen Händen. * „Wir müssen ihm helfen!" rief Rex Corda, der wie gebannt vor dem Bildschirm stand und beobachtete, wie Sigam Agelon Ralf Griffith die Körperenergien entzog. Den Terraner selbst konnte Corda nicht sehen, da Ralf von den Simlars unter der Erde fortgetragen wurde.
Der Diskus des Orathonen bewegte sich suchend hin und her. „Er hat Ralf verloren!" sagte Corda. „Oder Ralf ist tot!" antwortete John. Corda schüttelte den Kopf. „Das werde ich erst dann glauben, wenn ich den eindeutigen Beweis dafür habe. Komm — wir fliegen sofort zu dem Mond!" „Ich bin überzeugt, daß es auch hier Einrichtungen, Waffen gibt, mit denen wir von hier aus eingreifen können!" „Davon bin ich auch überzeugt, John, aber wir haben keine Zeit mehr, jetzt danach zu suchen", wehrte Rex Corda ab. „Wenn Ralf Hilfe benötigt, dann muß sie sofort kommen. Wir haben keine Zeit zu verlieren." „Okay", seufzte der Atomphysiker. „Fliegen wir also. Aber ich werde in diese Anlage zurückkehren, um sie genau zu untersuchen!" „Das steht dir frei!" Sie verließen die Anlage der „Zeitlosen" und eilten zu dem Diskus hinüber, Ierra Kretan und Percip erwarteten sie bereits ungeduldig. Die Aggregate liefen. Der Laktone startete das Raumschiff sofort. Mit hoher Fahrt schoß es aus der Deckung des Mondes heraus. Rex Corda saß vor den Spezialholografen, mit denen er die orathonischen Raumschiffe im „Fatty"-System orten konnte. Er bekam nur einen Hantelraumer auf den Holografen. Das Kriegsschiff der Featherheads schwebte noch immer über der „Walter Beckett", die Corda selbst nicht sehen konnte, deren Standort er jedoch gut kannte. „Wir schaffen es!" sagte Ierra Kretan aufgeregt. „Wir können uns im Ortungsschatten an den Mond heranarbeiten!" Rex Corda nickte mechanisch. Rasend schnell kam der Mond näher. Minuten später tauchten sie in die Atmosphäre ein.
„Keine Ortung", murmelte Rex Corda erleichtert. Percip drückte den Diskus immer tiefer, bis sie schließlich in einer Höhe von etwa zwanzig Meter flogen. Der Laktone setzte die Fahrt scharf herab. „Die Stadt!" rief Ierra Kretan. Weiß schimmerten die Häuser durch die Bäume. Corda atmete auf. Gleich mußte sich die quälende Frage lösen: Lebte Ralf noch oder nicht? Plötzlich ließ Percip den Diskus scharf absacken. Er landete ihn. Durch die Bäume und das wuchernde Dickicht hindurch sahen sie die ersten Häuser der Stadt. „Ein Hantelraumer!" sagte Percip erklärend. Auch Rex Corda hatte ihn ausgemacht. Näher konnten sie nicht an die Stadt heran. Rex Corda schleuste drei „Augen" aus. Die Spezialkameras entfernten sich mit hoher Fahrt von dem Diskus. Auf dem großen Hauptholografen konnten sie den Flug der Kameras verfolgen. Sie flogen dicht über die Bäume hinweg und drangen dann in die Stadt ein. Zwischen den Häusern zeigte sich keinerlei Leben. Alle Bewohner schienen die Stadt verlassen zu haben. „Da — der Diskus!" rief Rex Corda. Er lenkte die Kameras herum und ließ sie die breite Straße hinabfliegen, auf deren Ende der Diskusraumer des Orathonen lag. Corda bemerkte, daß das Raumschiff auf einer Seite eine klaffende Wunde hatte. Plötzlich sprang er auf. „Sigam Agelon!" ächzte John Haick, der Atomwissenschaftler. Er wischte sich die Haarsträhne aus der Stirn. John kam zu Rex Corda. Er klammerte seine Hände um die Rückenlehne des Sitzes. Sigam Agelon, der Orathone, beugte sich über den zusammengebrochenen Ralf Griffith. Seine Hände umspannten den Hals des Terraners mit mör-
derischem Griff. Der rote Umhang, der den Orathonen als Mitglied der FAMILIE auszeichnete, flatterte um den federbedeckten Kopf Sigam Agelons. „Wir müssen ihm helfen, Rex!" keuchte John Haick. „Wir müssen, verdammt!" Rex Corda schluckte schwer. Er fühlte, daß seine Hände feucht wurden. Ralf Griffith war besiegt. Der Terraner bewegte sich nur noch schwach. Corda preßte die Hände fest auf die Steuerung für die „Augen". Er zwang zwei Kameras zum Stillstand. Die dritte beschleunigte er scharf. Der Kopf Sigam Agelons raste ins Bild. Percip stieß einen Schrei aus, mit dem er sich von seiner Spannung befreite. Die Kamera hatte den Orathonen fast erreicht, als Sigam Agelon überrascht aufsah. Sein Gesicht erschien riesengroß auf dem Hauptholografen des Diskusraumers. In der nächsten Sekunde knallte die Kamera mit mörderischer Wucht in das Gesicht des Agelon. Das von den anderen beiden Kameras übermittelte Bild veränderte sich nicht. Es zeigte den Orathonen, der unwillkürlich die Hände hochriß. Rex Corda „feuerte" die nächste Kamera ab. Wieder wuchs das Gesicht Sigam Agelons rasend schnell auf dem Holografen an. Der Orathone war offensichtlich vom hellen Explosionsblitz geblendet. Die Kamera prallte mit der Wucht einer Gewehrkugel gegen den Kopf Sigam Agelons. Der Orathone taumelte. Doch Rex Corda hatte keine Augen für ihn. Er beobachtete nur Ralf Griffith, der, schwer nach Atem ringend, zu Füßen des Orathonen lag. Ralf erkannte seine winzige Chance sofort. Er wälzte sich mit letzter Kraft über den Boden. Er versuchte, den ge-
landeten Diskusraumer Sigam Agelons zu erreichen. Der Featherhead preßte die Hände vor das Gesicht. Die empfindlichen Mikrofone der dritten Kamera übertrugen das Stöhnen des Giganten. Als er die Hände vom Gesicht nahm und versuchte, sich an das Licht zu gewöhnen, raste die dritte Kamera auf seinen Kopf zu. Im nächsten Atemzug stand Sigam Agelon inmitten des mörderischen Explosionsblitzes, abermals schwer getroffen. Wieder taumelte er, und ein wütender Schrei brach über seine harten Lippen. Er wendete sich ab und wich bis an die Wand des Hauses zurück. Corda hatte bereits eine vierte Kamera auf den Weg zum Kampfplatz geschickt. Ralf Griffith hatte den Diskus erreicht. Es gelang ihm, sich aufzurichten. Keuchend schleppte er sich in die offene Schleuse. Rex Corda atmete erleichtert auf, als er sah, wie sich die Schleusenschotts schlossen. Sekunden später erhob sich der angeschlagene Diskusraumer mit Ralf Griffith an Bord. „Das geht nicht gut", seufzte John Haick voller Skepsis. „Das geht doch niemals gut!" Der Diskus schwankte und taumelte. Entweder war Ralf Griffith zu erschöpft, um ihn sicher lenken zu können, oder der Diskus war zu schwer beschädigt. Sigam Agelon hatte sich erholt. Die vierte Kamera, die Corda auf den Weg geschickt hatte, übermittelte die Eindrücke in aller Deutlichkeit. Der Orathone glühte vor Wut. Er versuchte, den Diskus im Sprung zu erreichen, doch es war schon zu spät für ihn. Ralf Griffith hatte ihn zu hoch gezogen. Schwankend und taumelnd flog das Raumschiff auf den Diskus zu, in dem Rex Corda wartete. Sie verloren den
Orathonen aus den Augen und kümmerten sich nur noch um Ralf Griffith. Rex Corda ließ die Kamera direkt vor die Aufnahmesysteme des von Ralf Griffith gesteuerten Raumschiffes fliegen. Er hoffte, daß Ralf das Zeichen verstehen würde. Dann ließ er die Kamera langsam zum Diskus zurückkehren. John Haick zündete sich erleichtert eine Zigarette an, als er sah, wie der Diskus der Kamera folgte. Doch dann stockte ihnen allen der Atem. Aus dem Blau des Himmels zuckte ein roter Blitz herab. Er schlug krachend in den Diskus ein und spaltete ihn in zwei Teile! Der auseinanderbrechende Diskus stürzte sofort ab. Er prallte zwischen zwei Häusern in eine schmale Gasse. Lodernde Flammen stiegen auf. * Die Giga-Spinne machte einen erschöpften Eindruck. Ela vom Volke der Simlars wurde sich bewußt, daß sie vergessen hatten, ihre Pflichten rechtzeitig zu erfüllen. Die Ankunft des Fremden hatte den gewohnten Lebensrhythmus gestört. Sie drehte sich schnell um und rief den anderen Simlars zu, daß es Zeit wurde. Doch es war nicht nötig, daß sie darauf aufmerksam machte. Die anderen wußten inzwischen auch schon Bescheid. Ela beugte sich vor und strich der Spinne zärtlich über die schnappenden Lippen. Die gewaltigen Augen starrten sie an. Ela bedauerte, daß sie nicht in der Lage waren, einem Gefühl Ausdruck zu geben. Die Männer erklommen den Hügel. Sie schleppten zahlreiche Pflanzenbündel mit, die sie auf der letzten Strecke ihres Weges dem Urwald entrissen hat-
ten. Jetzt umdrängten sie die Spinne, deren Atem pfeifend durch die zahlreichen Atemlöcher zischte. Sie stopften die Pflanzen rings um ihren gewaltigen Leib in die Mulde, in der sie lag. Die Pflanzen quollen unter den Körpersäften, die die Spinne ausschied, rasch auf. Die Simlars zogen sich etwas von der Spinne zurück, als die Pflanzen große Mengen Sauerstoff freigaben. Der Atem des gigantischen Tieres wurde ruhiger. Der Sauerstoff beendete die Atemnot der Spinne, die auf Grund eigener Körpergröße nicht mehr in der Lage war, sich aus eigener Kraft mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Sie war auf die Hilfe der Simlars angewiesen, mit denen sie in Symbiose lebte. Ela lächelte erleichtert, als sie sah, wie schnell sich die Spinne erholte. Sie stimmte einen leisen Gesang an, der mal in tiefer Melancholie zu versanden schien, dann jedoch zu einem harten, hypnotisch wirkenden Rhythmus anstieg. Die Simlars forderten eine Gegenleistung. Sie lebten in Symbiose mit der gigantischen Spinne. Sie versorgten sie mit Sauerstoff. Die Spinne würde ihnen helfen, einen gemeinsamen parapsychischen Kraftpol zu bilden, wenn sie es forderten. Ängstlich wartete Ela auf ein Zeichen der roten Spinne. Immer wieder wandte sie ihren Kopf der weißen Stadt zu, die sie durch die Bäume hindurch sehen konnte. Die Sorgenfalten auf ihrer hohen Stirn vertieften sich. Warum gab die Spinne das Zeichen nicht? Verübelte sie ihnen die Verzögerung in der Sauerstoffversorgung? Die langen roten Beine reckten und
streckten sich. Ab und zu hob sich der riesenhafte Spinnenleib, um die Luftzirkulation an der Unterseite seines Leibes in der Mulde anzuregen. Die zahlreichen dunkelroten Haare bewegten sich rhythmisch. Doch das Zeichen kam nicht. Ela fieberte. Sie fühlte, daß sich ihr Herzschlag bedrohlich beschleunigte. Die Hilfe der Spinne mußte bald kommen, wenn es nicht zu spät für den Fremden sein sollte, der die Stadt vor der Vernichtung gerettet hatte. Ihr Gesang wurde zornig und fordernd. Die Melancholie verlor sich vollkommen. Ela hob den Kopf stolz. Aus blitzenden Augen sah sie die Spinne an, deren Augen fast so hoch waren, wie die schöne Simlar-Frau groß war. Gib die Kraft! sang die Dunkelhäutige mit dem violetten Haar. Der kurze Überwurf flatterte im lauen Wind. Ihre Stimme wurde immer heller und metallischer. Ela forderte mit energischer Kraft, ohne daß die Spinne reagierte. Da stieß die Frau einen wilden Schrei aus. Die Männer, die die Pflanzen immer wieder umwälzten, sahen besorgt auf. Wieder rief ihnen die Frau etwas zu. Jetzt erhoben sich die Männer. Sie traten langsam von der Spinne zurück, die zornig ihren Kopf aufwarf. Ela stieß ein wildes Lachen aus. Und dann stimmte sie ihren fordernden Gesang abermals an. Sie wollte die Spinne zwingen, sich jetzt sofort zu entscheiden. * Rex Corda sprang auf. Er stürzte zum Waffenschrank und nahm einen schweren Energiestrahler heraus.
„Nehmen Sie auch einen MagnetSmash mit!" sagte Percip, der laktonische Agent, mit unbeteiligter Stimme. „Es wird hier gleich von Robotern wimmeln! Dann werden Sie nicht auf eine robotwirksame Waffe verzichten können!'' Rex Corda nickte. Er nahm einen der bleistiftdünnen MAS-Magnet-Smashs aus dem Schrank. Die Waffe verschoß winzige Nadeln, die jeden Robotschutzschirm durchschlugen und jeden Roboter vernichteten. Mit dieser Waffe konnte Corda jeden Roboter ausschalten, sofern der Roboter nichts von dem Angriff merkte. Wurde der Roboter aufmerksam, dann mußte er dem Angriff immer auf Grund seiner weitaus schnelleren Reaktion zuvorkommen. Corda öffnete das Schott und stieg in die Schleuse. Eine Minute später sprang er auf den weichen Dschungelboden hinab. Es bedurfte keiner erklärenden Worte. Es war selbstverständlich, daß einer von ihnen Ralf Griffith half. Corda sah sich nicht mehr um. Er eilte durch die filzigen Büsche, lief unter den Bäumen hindurch in die Stadt, die so völlig verlassen aussah. Er hatte sich die Stelle genau gemerkt, an der der Diskus Ralf Griffiths abgestürzt war. Er wußte, wohin er zu laufen hatte. Immer wieder sah er nach oben. Er ahnte, was kommen mußte. Sigam Agelon hatte eine Niederlage hinnehmen müssen. Er stand Ralf Griffith jetzt ohne Diskusraumer gegenüber. Es war selbstverständlich für die Kampftaktik des Orathonen, daß er Verstärkung anforderte. Corda war deshalb nicht überrascht, als er den orathonischen Hantelraumer plötzlich aus dem Blau des Himmels herabfallen sah. Die Landung ging blitzschnell vor sich. Kaum zwei
Minuten, nachdem das Raumschiff am Himmel aufgetaucht war, setzte es am Rand der Stadt auf. Corda hatte die ersten Häuser erreicht, Er trieb sich unerbittlich an. Jetzt war jede Sekunde bedeutungsvoll. Jeder Zeitverlust konnte unabsehbare Folgen haben. Corda hatte noch etwa fünfhundert Meter zurückzulegen, als die Ausschleusung der ersten Roboter begann. Rex Corda hört& die Befehle der Orathonen in seinen Helmlautsprechern. Percip, der Laktone, hatte recht gehabt — es würde gleich von orathonischen Bronzerobotern wimmeln. Bis dahin mußte die Aktion Cordas abgeschlossen sein. Rex Corda hielt sich dicht an den Häuserwänden. Sorgfältig spähte er nach Feinden aus. Keiner der dunkelhäutigen Einwohner der Stadt zeigte sich. Corda sah die Feuer der Schmieden noch brennen, er sah das Handwerkszeug der Handwerker liegen. Die Stadt machte den Eindruck, als sei sie fluchtartig von ihren Einwohnern verlassen worden. Corda lächelte grimmig. Die Flucht der Fremden war durchaus nicht überraschend. Der Kampf der Giganten Sigam Agelon und Ralf Griffith mußte jeden noch so unerschrockenen Mann vertreiben. Jetzt hatte er die Gasse erreicht, in die der auseinanderbrechende Diskus gestürzt war. Es war offensichtlich, daß ein Brand hier gewütet hatte — aber er war schon wieder gelöscht worden! Doch niemand war zu sehen. Wer hatte das Feuer gelöscht? Ralf Griffith? Hatte er überhaupt Zeit dazu gehabt? Corda riß den Helm zurück. So war er sicher, daß niemand seine Stimme über Helmlautsprecher abhören konnte. „Ralf?" rief er halblaut. „Ralf — mel-
den Sie sich! Hier ist Rex Corda!" Doch die Stille blieb. Unheimlich lastete sie über der weißen Gasse. Rex Corda löste sich aus dem Schatten. Er wollte zum Raumschiffwrack hinübereilen, als plötzlich ein Orathone aus einem der Häuser unmittelbar vor ihn trat. Wie erstarrt blieb Corda stehen. Noch hatte ihn der Orathone nicht gesehen, da sich dessen Blick zunächst dem Wrack zugewendet hatte. Corda hob seinen Energiestrahler. Wenn Ralf noch im Diskus war, dann durfte er dem Orathonen nicht in die Hand fallen. Langsam ging Corda auf den Orathonen zu, der sinnend unter der Tür stehengeblieben war. Er hob den Strahler, als sich eine Hand schwer auf seine Schulter legte. Corda ließ sich blitzschnell in die Knie fallen, während er herumfuhr. Von oben herab starrte ihn das grinsende Gesicht eines Orathonen an. Corda überlegte keine Sekunde. Er stieß seinen Energiestrahler mit voller Wucht nach oben. Er traf den Orathonen unter dem Kinn. Der Featherhead brach mit einem dumpfen Stöhnen zusammen. Rex Corda handelte instinktiv, als er sich noch im Fallen zur Seite warf und wegrollte. Ein gleißender Energiestrahl fuhr sengend an ihm vorbei. Er bohrte sich in den Leib des Orathonen, den er besiegt hatte. Rex Corda riß seine Energiewaffe hoch. Doch er wäre viel zu spät gekommen, wenn Ralf Griffith sich nicht aus dem Fenster direkt über dem Orathonen herabgestürzt hätte. Ralf fiel dem Grünhäutigen in den Nacken und warf ihn zu Boden. Der Orathone stieß einen erschrockenen Schrei aus. Er schlug wild mit den Fäusten auf Ralf Griffith ein, der unglücklich auf den Boden prallte. Der Ora-
thone riß den Terraner hoch. Benommen versuchte Ralf dem Angriff des Gefiederten zu entgehen. Doch ein schwerer Faustschlag traf seinen Hals. Wie vom Blitz getroffen brach der noch immer geschwächte Terraner zusammen. Doch der Orathone hatte keine Chance. Rex Corda erreichte ihn zu schnell. Der dunkelblonde Mann mit den klaren blauen Augen ließ seinen Energiestrahler wuchtig auf den Raumhelm des Orathonen herabsausen. Das transparente Material splitterte. Corda feuerte eine Magnet-SmashNadel durch die kleine Öffnung. Die Nadel zischte in die grüne Haut. Der geschockte Orathone verlor das Bewußtsein sofort. Corda beugte sich über den noch immer bewußtlosen Ralf Griffith. Rex Corda hob ihn auf und warf ihn sich über die Schulter. In aller Eile regulierte er den Antigravitationsautomaten seines Raumanzuges neu. Das Gewicht Ralf Griffiths wich sofort. Rex Corda brauchte seine Kraft nicht voll einzusetzen. Er nutzte die Vorteile der Technik, um eine größere Geschwindigkeit gewinnen zu können. Mit weiten Sätzen raste er durch die Gasse. Er verschwand in den winkligen Verstecken, bevor ein weiterer Orathone auf der Bildfläche erschien. Corda lächelte beruhigt, als er merkte, daß Ralf Griffith zu sich kam. * Sigam Agelon war eiskalt. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Die Augenlider senkten sich tief herab, so daß die Blicke des orathonischen Oberkommandierenden durch schmale Schlitze zuckten. Der rote Schulterumhang wirbelte um seine massigen Schultern. Sigam Agelon gönnte sich keine Pau-
se. Er hastete den leichten Hügel hinauf, um den gelandeten Hantelraumer möglichst schnell zu erreichen. Er winkte — und man verstand ihn. Eine unsichtbare Kraft packte ihn. Sigam Agelon fühlte sich emporgerissen, als der Traktorstrahl ihn aufnahm. Er flog der großen Hauptschleuse rasend schnell entgegen. Erst kurz vor den Schotten stoppte der Flug. Sanft schwebte Sigam Agelon in die Schleuse hinein. Seine Füße knallten hart auf den Boden. Er stieß zwei seiner Offiziere zur Seite, stürzte sich in den zentralen Gravoschacht und ließ sich ungeduldig in die Kommandozentrale hinauftragen. Besorgtes Schweigen lastete über den Männern auf dem zentralen Kommandostand der riesigen Kampfeinheit des orathonischen Hantelraumers. Sigam Agelon verzog verächtlich die Lippen. Seine Blicke richteten sich auf den dunkelhäutigen Terraner, der unmittelbar neben dem Piloten des Raumschiffes stand. Tsati Mutara trug eine leichte, gelbe Uniform. Auf seiner Brust flammte eine grüne Sonne. Dichter Schweiß perlte auf der hohen Stirn des terranischen Mutanten, der es so lange verstanden hatte, vor den Featherheads zu verbergen, daß er kein Conductor-Sklave war. Langsam ging Sigam Agelon auf den Terraner zu. Seine Hände öffneten und schlössen sich, als wollte er sie geschmeidig machen für einen Kampf mit Mutara. „Erzähle mir etwas über Griffith, Mutara!" forderte der Sohn des größten orathonischen Staatsführers galaktischer Zeit. „Sage mir mehr, als du bisher über ihn gesagt hast!" Tsati Mutara beherrschte sich glänzend. Er ließ sich nicht anmerken, wie verzweifelt er seine Situation sah. Sigam Agelon war geistesgestört. Es gab
keinen Zweifel. Er war für seine Handlungen nicht voll verantwortlich. Er konnte in diesem Augenblick töten, um im nächsten großzügig zu schenken. Sigam Agelon blieb zwei Meter vor Mutara stehen. Bei dieser Entfernung brauchte der Orathone den massigen Schädel nicht zu weit in den Nacken zurückzulehnen. Der Größenunterschied machte sich nicht so stark bemerkbar. Tsati Mutara hob langsam die Schultern. „Ich kann nicht mehr erzählen, als ich weiß", antwortete er mit ruhiger Stimme. „Sie haben mich einer Gehirnwäsche unterworfen, bei der ich alles gesagt habe, was ich über Ralf Griffith weiß. Mehr kann ich Ihnen bei aller Hochachtung nicht sagen." Sigam Agelon verzog die Lippen. Tiefe Furcht grub sich in seine Mundwinkel. Der Agelon erschrak. Furcht — vor diesem Terraner? Verwirrt wischte er sich über die Stirn. Er merkte, daß sie naß von Schweiß war. Wieso fürchtete er diesen Terraner? Seine Hand glitt zur Energiewaffe. Er zog sie und legte sie auf Tsati Mutara an. Er ging näher an den Terraner heran. Er schluckte hart. Irgend etwas Unbegreifliches saß ihm in der Kehle. Wieso fürchtete er diesen Terraner? Er begriff sich selbst nicht mehr. Sein Gesicht versank für Bruchteile von Sekunden in tiefes Dunkel. In diesen Augenblicken wußte er nicht, was geschah. Er hatte auch keine Erinnerung mehr daran, als es vorbei war. Tsati Mutara starrte ihn aus weitgeöffneten Augen an. Der Terraner preßte seine dunklen Hände auf den Leib. Der Trop auf Mutaras Schulter quietschte unglücklich. Sigam Agelon senkte den Blick langsam auf seine Hand. Er sah die Energiewaffe, deren Projektor fest den
Leib des Terraners berührte. Er sah auch die Anzeige der Energiekammer. Und da wußte er plötzlich, daß er auf den Terraner geschossen hatte! Er sah sich hastig und verwirrt um. Es gab keinerlei Spuren für einen Energiebeschuß auf der Kommandobrücke, obwohl er geschossen hatte. Also hatte Tsati Mutara die Energien mühelos in sich aufgenommen. Der Terraner ließ seine Hände sinken. Sigam Agelon preßte die Lippen hart zusammen. „Verschwinden Sie aus meinen Augen, Mutara!" zischte er zornig. „Gehen Sie schon!" Tsati Mutara beeilte sich, die Kommandobrücke zu verlassen. Sigam Agelon atmete schwer. Der Orathone wußte plötzlich, warum er den Mutanten fürchtete. Tsati Mutara konnte ebenso Energien in sich aufnehmen, wie er — Sigam Agelon — es konnte. War es nicht auch denkbar, daß Tsati Mutara ihm — Sigam Agelon — Körperenergien entriß, so wie er Ralf Griffith mit Hilfe der Diskustechnik Energien entnommen hatte? Sigam Agelon drückte die Schultern langsam nach vorn. Er fühlte stechende Schmerzen in der Herzgegend. Er wußte, daß es ihn nicht töten konnte. Aber es quälte ihn. Es machte ihn unsicher. Die Ortungsabteilung schaltete sich ein. „Erste Unterlagen über die Söhne des Terraners eingetroffen", meldete der Offizier. „Die ersten Meldungen haben sich bestätigt. Die Kinder befinden sich in unserer Hand. Wir experimentieren mit ihnen. Sie heißen John Jon und Bob Griffith. Im Augenblick läuft ein Film ein. Er wird bald voll zur Verfügung stehen!" Sigam Agelon grinste teuflisch. Alle
Sorgen waren vergessen. „Ich benötige einen neuen Diskus!" rief er. „Schnell — der Kampf geht weiter! Der Hantelraumer bleibt in der Nähe. Er muß auf jeden Fall eingreifen können!" * Percip, der laktonische Agent, stand in dem offenen Schleusenschott des Diskusraumers, als Rex Corda und Ralf Griffith durch den Dschungel kamen. Ralf Griffith lief jetzt schwerfällig neben Corda her. Percip half dem erschöpften Mann in den Diskus. Ralf ließ sich schwer atmend in einen der Sessel fallen. John Haick reichte ihm einen starken Kaffee und eine Zigarette. „Lange haben Sie nicht Zeit, Ralf!" erklärte Corda. „Sigam Agelon kann jeden Augenblick angreifen. Wie fühlen Siesich?" * Ralf Griffith nickte. Ein mattes Lächeln huschte über seine Lippen. „Der Agelon war verdammt nahe dran", sagte er trocken. „Es fehlte wirklich nicht mehr viel. Ich bin noch jetzt so lahm, daß ich kaum gehen kann." „Warum geben Sie nicht auf?" fragte Ierra Kretan. Ralf Griffith lächelte unmerklich. „Weil ich nicht aufgeben kann, Ierra!" antwortete er ruhig. Die braunen Augen glänzten kalt. Die dunklen Augenbrauen zogen sich düster über der Stirn zusammen. „Meine Kinder sind in der Hand der Orathonen! Ich muß wissen, wo sie sind! Sigam Agelon muß es mir verraten. Ich werde es aus ihm herausholen, koste es, was es wolle!" Rex Corda legte dem kleinen Mann die Hand auf die Schulter. „Blinder Haß schadet nur, Ralf!"
mahnte er. „Ich habe den Orathonen durchschaut!" erklärte Griffith. „Er versucht mich damit zu schocken, daß er von meinen Kindern spricht. Er glaubt, er könne mich zu blindem Haß hinreißen, er könne mir die kühle Überlegung rauben. Aber das kann er nicht. Ich weiß genau, Sir, daß meine Kinder verloren sind, wenn ich meinen klaren Kopf verliere." „Dann bin ich beruhigt!" nickte Corda. Ralf Griffith erhob sich mühsam. Er drückte die Zigarette aus. „Geben Sie mir eine Energiedusche, Sir. Sie wird mich stärken!" Corda schluckte kurz. Es war schwer, sich an die Besonderheiten eines durch Becon „Veränderten" zu gewöhnen, Ralf Griffith brauchte nur wenig Nahrung. Er konnte Energien beliebig umwandeln. Er konnte sich die Energien so zuführen, wie sein Körper sie brauchte. „Schalten Sie die Schutzschirme ein, Percip!" befahl Corda. Ralf nickte lächelnd. Sein kleiner, etwas verkniffen wirkender Mund entspannte sich. Er ging in die Schleusenkammer und sah hinaus. Kein Orathone war zu sehen. Der Dschungel wucherte zu dicht. Er verbarg sie vor den Blicken der Feinde. Ralf Griffith sprang auf den weichen Boden herab. Langsam ging er vom Diskus fort. Rex Corda stand in der offenen Schleuse. Gebannt starrte er auf den Mann, der langsam in die Schutzfelder des Diskusraumers eindrang. Funken sprühten knisternd über die Arme und den Kopf Ralfs. Kleine blaue, zuckende Flammen tänzelten über seinen Körper. Ralf Griffith ging weiter vor. Er stemmte sich gegen die unsichtbare Energiewand, die den Diskus umschloß. Für jeden anderen wäre die Berührung
mit diesem Schutzschirm absolut tödlich gewesen. Ralf Griffith aber lächelte. Rex Corda konnte sehen, wie sich die Schultern des „Veränderten" strafften. Wie sich der Nacken wölbte. Die gesamte Gestalt reckte sich, wirkte plötzlich ungemein kraftvoller als zuvor. „Sehen Sie sich das an, Sir!" murmelte Percip leise. Corda sah sich um. Der Laktone saß vor den Instrumenten und beobachtete den Energieabfall in den Schutzschirmen. Lautlos ging Corda zu ihm hinüber. Verblüfft registrierte er, daß Ralf Griffith die zehnfache Energiemenge abzapfte, die Corda vermutet hatte. Als Corda jetzt wieder in die Schleuse ging und Ralf sich zu ihm umdrehte, da vermittelten ihm die Bewegungen des ehemaligen CIA-Agenten Griffith den Eindruck ungeheurer, unübertrefflicher Kraft, obgleich sich diese nirgends durch übermäßig große Muskeln anzeigte. Es war etwas anderes, Unbestimmbares, das den Eindruck vermittelte. Es zeigte sich in jeder Bewegung, in jedem Ausdruck des Gesichtes. „Bitte — geben Sie mir den Diskus, Sir!" sagte Ralf. „Ich muß Sigam Agelon mit der gleichen Methode angreifen, mit der er mich angegriffen hat." Corda stieg auf den weichen Urwaldboden hinab. „Ich glaube nicht, daß Sie das schaffen, Ralf! Der Hantelraumer ist nicht umsonst gelandet!" „Ich werde ihn von hier weglocken!" „Also gut! Nehmen Sie den Diskus!" * In der „Walter Beckett", die noch immer in der Falle der Orathonen auf dem Riesenplaneten „Fatty" stand, herrschte lautloses Leben.
Alle Instrumente waren besetzt. Das Schiff befand sich voller Einsatzbereitschaft. Alle verfügbaren Kräfte bemühten sich darum, die ausgefallenen Antigravitationsautomaten zu reparieren. Hier lag die große Schwäche des terranischen Flaggschiffes. Die Außenhaut des Hantelraumers war nicht zu zerstören. Die Orathonen hatten es lange genug versucht. Doch dann zerbrachen die Antigravitationsautomaten unter dem Dauerfeuer der Orathonen. Zahlreiche Erschütterungen kamen durch. Sie machten die Auswirkungen nur noch schlimmer. Je stärker die Erschütterungen wurden, desto empfindlicher wurde die Arbeit der Antigravitationsautomaten gestört. Dadurch fielen dann wiederum immer mehr Antigravitationsautomaten aus. Die „Walter Beckett" konnte sich jetzt keinen Start und keinen Angriff auf die Orathonen erlauben, weil sich Menschen an Bord des Hantelraumers befanden. Der Mensch war den ungeheuren Beschleunigungswerten nicht gewachsen, die bei jeder Erschütterung durchkamen. Ohne Menschen aber konnte das Raumschiff nicht gelenkt werden. Also blieb der Besatzung nur der stille und unsichtbare Kampf um den Bestand der Antigravitationsautomaten und die Hoffnung, daß Sigam Agelon das Duell gegen Ralf Griffith verlor. Die Funk- und Ortungsstation arbeitete auf vollen Touren. Jeder Funkspruch, der aufgefangen werden konnte, wurde auch analysiert. Der orathonische Code war nur mit größter Mühe zu entschlüsseln. So konnte nur ein geringer Teil der Nachrichten entschlüsselt werden. Immerhin wußte die Besatzung der „Walter Beckett'' schon sehr bald, daß es mit Ralf Griffith nicht zum besten stand. Tiefe Nacht lag über dem Landeplatz der „Walter Beckett". Die Hantelraumer
der Orathonen, die das Raumschiff der Erde bewachten, waren im Licht der untergehenden Sonne noch zu erkennen. Sie hingen wie rote Blutstropfen in der Schwärze des Alls. Da plötzlich geisterte ein leises Zirpen durch die Funkgeräte. Die laktonischen Wissenschaftler, die in der Funkstation arbeiteten, wurden hellwach. Hastig regulierten sie die Lautstärke. „Es gibt keinen Zweifel!" schnarrte Bekoval, der laktonische Kommandant der „Walter Beckett", unruhig. „Es ist das Zeichen Rex Cordas!" Er sah sich in der Station um. Überall begegneten nur bleiche Gesichter seinen Blicken. „Wir müssen einen zweiten Diskus ausschleusen, der Präsident Corda aufnimmt", sagte er. Sein Kopf ruckte herum, als leiser, monotoner Gesang aus einem verborgenen Winkel der Station kam. Die Augenbrauen rutschten hoch auf die Stirn des Laktonen hinauf, als er den Mann sah, der sang. Es war Ga-Venga. „Was gibt es zu singen, Zwerg?" fauchte Bekoval. Der „Zwerg" trat langsam zwischen den beiden Computerbänken hervor. Ein etwas spöttisches Lächeln lag auf seinen dünnen Lippen. Bekoval hatte nicht ganz unrecht. Die Gestalt war tatsächlich von zwergenhaftem Wuchs. Das selbstsicher schmunzelnde Wesen war kaum größer als 1,20 m. Es trug einen tiefschwarzen, enganliegenden Anzug mit einem flammend roten Brustkeil. Blaues, kurzes Haar bedeckte seinen Kopf. Die dichten Augenbrauen zogen sich in feinem Bogen bis zu den Kinnladen herab. Sie rahmten das vergnügte Gesicht mit blauen Schatten ein. Die Augen blinzelten zu dem massigen Lakionen hinauf. Bekoval rausperte sich. Es störte ihn etwas, daß er niemals sagen konnte,
welche Farbe die Augen des zwergenhaften Kynothers hatten. Im ersten Augenblick sahen die Augen grün aus, doch dann wechselte die Farbe innerhalb weniger Atemzüge mehrmals, bis schließlich niemand mehr genau sagen konnte, was denn nun wirklich die Farbe der Augen war. „Was gibt es zu singen, Ga-Venga?" wiederholte Bekoval. Der Kynother kicherte. „Ich habe eine Art Kriegsgesang angestimmt'', antwortete er gelassen. „Das war so üblich bei meinen Ahnen, wenn sie zu einem Selbstmordunternehmen aufbrachen!" „Rede keinen Unsinn, Kleiner! Was willst du?" „Habe ich es nicht deutlich genug gesagt, Bekoval?" grinste Ga-Venga. „Ich werde den Diskus fliegen. Basta — würde man auf der Erde sagen." „Basta!" schnaubte Bekoval verächtlich. „Ich brauche einen Mann, keinen Kobold!" Die Augen Ga-Vengas verloren nichts von ihrer spöttischen Überlegenheit. „Dann wird der große Bekoval auch nicht fliegen?" sagte der Kynother. Er strich sich genüßlich mit den kleinen Pländen über den flammend roten Brustkeil seiner Kombination. „Und warum nicht?" fauchte Bekoval. „Weil ein Mann benötigt wird — kein Kobold!" grinste Ga-Venga. Bekoval biß sich auf die Lippen. „Hör zu, Freundchen! Hier geht es um mehr als um deine faulen Witze! Wir müssen Präsident Corda 'rausholen!" Ga-Venga straffte seine Kombination an den Hüften und reckte sich ein wenig. „Also gut — dann werde ich Corda herausholen! Okay?" Bekoval rieb sich die etwas klobig
wirkende Nase. Er wußte offensichtlich nicht, wie er sich entscheiden sollte. Ga-Venga war einer der mutigsten Männer an Bord der „Walter Beckett", er beherrschte die Flugtechnik eines Diskusraumers wie sonst kaum jemand an Bord des Flaggschiffes, dennoch zögerte Bekoval. „Wer kann entbehrt werden?" erkundigte sich Ga-Venga spöttisch. „Alle Laktonen werden an Bord dieses Schiffes gebraucht. Niemand kann den Diskus fliegen. Der Kommandant darf die ,Walter Beckett' schließlich nicht verlassen — oder?" Bekoval grinste breit. Seine Hand legte sich auf die Schulter Ga-Vengas. „Du hast eigentlich recht, Kleiner! Einen Dolmetscher brauchen wir im Augenblick wirklich nicht. Wir können auf dich verzichten!" Ga-Venga spitzte die Lippen und stieß einen leisen Pfiff aus. Er nickte. Ein strahlendes Lächeln ging über das Kindergesicht des Kynothers. „Okay — mehr wollte ich nicht hören! Bis dann!" Er eilte aus der Station, bevor Bekoval ihn noch aufhalten konnte. Drei Minuten später schoß ein Diskus mit Höchstbeschleunigung aus der Hauptschleuse der „Walter Beckett". Eine knabenhafte Gestalt hockte hinter dem Steuerpult. Ga-Venga setzte alles auf eine Karte. Er war überzeugt, daß er sich nur durch Schnelligkeit dem Zugriff der Orathonen entziehen konnte. Dreißig Sekunden nach seinem Ausbruchversuch schoß ein zweiter Diskus aus der Schleuse. Er entfernte sich jedoch in weit südlichere Flugrichtung. Gebannt starrte Ga-Venga auf die Ortungsanzeigen. Natürlich würden die Orathonen reagieren. Es kam nur darauf an, auf welchen Diskus sie zuerst feuern würden. Die harte, befehlsgewohnte Stimme eines orathonischen Offiziers knallte
aus den Lautsprechern des Holografen vor Ga-Venga. Gelassen regulierte der Kynother die Lautstärke. Er zuckte nur unmerklich zusammen, als ein Blitz im Dunkel über ihm aufleuchtete. Einen Sekundenbruchteil später explodierte der zweite Diskus, der nach ihm ausgeschleust worden war. „Schade um den Roboter!" murmelte Ga-Venga. Sein Diskus glitt aus dem Ortungsbereich des Orathonen. * Ralf Griffith atmete unwillkürlich auf, als er den anderen Diskus in die Ortung bekam. Der orathonische Hantelraumer stieg auf flammenden Antriebsstrahlen in den blauen Himmel über der weißen Stadt auf. Ralf hoffte, daß die Orathonen nicht während der Startphase auf seinen Diskus feuern würden. Noch befanden sich Rex Corda, Percip, John Haick und Ierra Kretan in unmittelbarer Nähe. Er beschleunigte. Der Hantelraumer verschwand im Blau des Himmels. Über dem Zentrum der Stadt schwebte der Diskus Sigam Agelons. Der Holograf vor Ralf Griffith flammte auf. Das grausame, quadratische Gesicht des Orathonen zeichnete sich so überzeugend plastisch ab, daß es so aussah, als befinde es sich wirklich im Holografen. Wer das Arbeitsprinzip der Holografen nicht kannte, hätte sich mit Sicherheit täuschen lassen. „Ich gebe Ihnen einen Rat, Ralf Griffith", sagte Sigam Agelon. Er sprach in orathonischer Sprache und benutzte einen elektronischen Dolmetscher. „Und der wäre?" fragte Griffith ruhig. „Geben Sie auf, Griffith! Sie haben keine Chance mehr! Auch wenn Sie
jetzt zu einem Diskus gekommen sind!" Ralf lächelte. „Geben Sie auf, Sigam Agelon! Allmählich sollten Sie gemerkt haben, daß die Zeit der Siege für Sie vorbei ist! Von dem Zeitpunkt an, an dem Sie zum erstenmal mit uns Terranern Kontakt hatten, gab es für Sie nur Niederlagen! Sie haben eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen. Sie konnten die Laktonen nicht im Terra-System schlagen! Sie konnten im Duell noch nicht einmal Jakto Javan, den laktonischen Führer, besiegen!" „Das ist nicht wahr!" brüllte Sigam Agelon empört. „Ich habe Jakto Javan besiegt! Ich habe ihm die Hand abgeschlagen und ihn den Semibioten überlassen!" „Corda hat ihn gerettet", bemerkte Ralf kalt. Im Gesicht des Orathonen regte sich kein Muskel, aber der Terraner konnte deutlich erkennen, wie es in dem Featherhead tobte. Sigam Agelon stürzte in ein Gefühlschaos. Rex Corda hatte Ralf darauf vorbereitet. Der Hinweis stammte vom Computer der „Walter Beckett". Corda hatte Griffith aber gleichzeitig gesagt, daß Sigam Agelon nicht mit diesen Tricks zu schlagen sei. „Sie haben eine Flotte von tausend Hantelraumern gehabt, Sigam Agelon, als Sie von Swamp in den Kugelsternhaufen M22 aufbrachen! Tausend kampfstarke Superschlachtschiffe, Sigam Agelon! Was ist der schäbige Rest?" Ralf Griffith entblößte die Zähne. Sein spöttisches Lachen biß sich Sigam Agelon in die Nerven. Unter den tobenden Händen des Orathonen zersplitterte ein Teil des Instrumentenpultes in seinem Diskus. Ralf Griffith sah die Plastiksplitter hochspritzen. „Noch nicht einmal zwanzig Raumschiffe sind Ihnen geblieben!" lachte der Terraner. „Sigam Agelon — fürch-
ten Sie die Lächerlichkeit nicht?" Der Orathone brüllte wie ein gepeinigtes Tier. Ralf Griffith verstand kein Wort. Er schloß die Augen, um dieses schrecklich verzerrte Gesicht nicht sehen zu müssen. Er wartete einige Sekunden, dann schaltete er den Holografen ab. Das entsetzliche Geschrei verstummte. Ralf Griffith aktivierte gelassen die Bordwaffen. Er beschleunigte den Diskus und jagte ihn auf das Raumschiff Sigam Agelons zu. Agelon wich aus. Ralf schaltete den Holografen wieder ein. Die grüne Haut Sigam Agelons hatte sich gelblich verfärbt. Der Orathone bot ein fürchterliches Bild. Seine Wangen zuckten in fieberhafter Nervosität. „Glauben Sie wirklich, Sigam Agelon, daß Sie die ,Zeitlosen' besiegen können?" bohrte Ralf weiter. Der Diskus des Orathonen trieb über die Stadt hinweg auf den Dschungel zu. „Ich werde sie schlagen!" würgte der Orathone mühsam. „Ich werde sie alle vernichten!" „Ja — aber nur dann, wenn sich Ihre Gegner über Sie totlachen, Sigam Agelon!" Der Orathone hieb die zahlreichen Tasten auf dem Pult vor sich herunter. Darauf hatte Ralf Griffith gewartet. Ein wahrer Feuersturm brandete ihm vom Diskus des Orathonen entgegen. Sigam Agelon tobte seine ohnmächtige Wut in einem unsinnigen Angriff aus. Er mußte den Schutzschirm seines Raumschiffes für jedes Geschoß, für jeden Energiestrahl für einen winzigen Augenblick öffnen. Ralf Griffith kümmerte sich nicht um die wütenden Erschütterungen, die seinen Diskus zu zerfetzen drohten. Die Geschosse des Orathonen landeten in den Schutzschirmen oder prallten wirkungslos gegen die Becon-Haut. Ralf feuerte mehrere Raketen auf den
Diskus des Orathonen ab. Sekunden später stand ein heller Blitz über dem Dschungel. Der Diskus des Orathonen stürzte brennend ab. Ralf beschleunigte den Diskus. Er trieb auf die Absturzstelle zu. Er sah Sigam Agelon aus den Trümmern des abstürzenden Raumschiffes herausfliegen. Der Orathone verschwand in dem wuchernden Grün des Dschungels. Sekunden später hatte Ralf ihn wiedergefunden. Die feuerrote Uniform, die Sigam Agelon als Mitglied der FAMILIE auszeichnete, war nicht zu übersehen. In mehreren hundert Metern Entfernung von Sigam Agelon prallte der Diskus auf. Ein orangeroter Lichtblitz erhob sich über dem Urwald. Ralf Griffith merkte, wie die tobenden Glutstürme seinen Diskus packten und durchrüttelten. Sämtliche Antigravitationsautomaten waren bei dem Beschuß ausgefallen. Nur ein „Veränderter" wie Ralf Griffith konnte die folgenden Minuten überstehen. Jeder andere wäre zerquetscht worden. Ralf Griffith faßte Sigam Agelon ins Ziel. Der Orathone versuchte, sich durch Flucht zu retten. Doch Ralf gab ihn nicht frei. Er schaltete die Zapfstellen ein, die die Energien des orathonischen Giganten absaugten. Sigam Agelon blieb mitten im Lauf stehen. Er warf den Kopf in den Nacken und starrte zu dem terranischen Diskus hinauf. „Nur Niederlagen, Sigam Agelon!" höhnte Ralf Griffith, und er bedauerte, daß Sigam Agelon ihn nicht hören konnte. „Nur Niederlagen!" * „Helme Corda.
schließen!"
befahl
Rex
John Haick und Percip gehorchten sofort, Ierra Kretan zögerte. Ihre Blicke glitten über den saftstrotzenden Dschungel, die mächtigen Bäume mit den von Schmarotzern bedeckten Stämmen, über die dichten Büsche und die hohen Gräser. Kein Tier war zu sehen. Nicht einmal Insekten schwirrten durch die Luft. „Helme schließen!" sagte Corda abermals. Seine zwingenden Augen gaben die Laktonin nicht mehr frei. „Ich halte das für übertriebene Vorsicht, Sir", sagte sie unwillig. Doch sie klappte die Sichtscheibe ihres Raumhelmes herunter und schaltete damit auf das Versorgungssystem ihres Raumanzuges um. Percip lächelte besorgt. Er drehte sich um und folgte Rex Corda. Da sah er die Pflanze. Sie sah aus wie eine brennende Fakkel. Der „Kolben" saß auf einem fingerdicken Stengel in mehr als drei Meter Höhe. Von ihm aus führten zahlreiche dünne Ranken zu benachbarten Bäumen hinüber. Ein Teil der dünnen Ranken verkürzte sich plötzlich. Der Stengel bog sich scharf durch. „Vorsicht!" rief der Agent. Da ließen die Ranken wieder locker. Der „Kolben" mit den langen, rotgelben Blütenhaaren fauchte auf sie zu. Percip, John Haick und Rex Corda ließen sich gedankenschnell fallen. Ierra Kretan zögerte abermals. Ein dichter Schwarm kleiner Nadeln sirrte auf sie zu. Sie trommelten ein mörderisches Stakkato gegen die Sichtscheibe ihres Helmes. Die Aufschläge waren so hart, daß sie die überraschte Laktonin von den Füßen rissen! Corda sprang auf und eilte zu ihr hinüber. Ierra richtete sich bereits wieder auf. Ihr errötetes Gesicht ließ ihren Ärger deutlich erkennen. Schuldbewußt sah
sie den Terraner mit den klaren blauen Augen an. Auf der Sichtscheibe ihres Helmes zeigten sich zahlreiche, nadelfeine Risse. „Ich glaube, ohne Helm hätte ich das nicht überlebt", sagte sie mit einem mühsamen Lächeln. „Warum müssen Sie so verteufelt tüchtig sein, Sir? Es würde mir oft mehr Spaß machen, wenn ich mal mit einem Ratschlag bei Ihnen ankäme!" Percip, der ihre Worte in seinem Helmfunk mitgehört hatte, lachte dunkel. Er trat zu der Laktonin heran und half ihr auf. „Trösten Sie sich, Ierra! Dieses verteufelte Gefühl, trotz aller Ausbildung schließlich doch nicht so schnell und konsequent denken zu können wie er, habe ich in den ersten Wochen auf Terra auch gehabt. Man kommt leichter darüber hinweg, wenn man erst einmal begriffen hat, warum es so ist!" „Achtung!" rief John Haick leise. Sie fuhren herum. Ihre Blicke folgten der weisenden Hand des Atomwissenschaftlers. Rex Corda erkannte einige hell gekleidete Gestalten unter den Bäumen. Offensichtlich waren sie selbst jedoch noch nicht entdeckt worden. Als die Gestalten verschwunden waren, gab Corda seinen Begleitern einen kurzen Wink. „Wir folgen ihnen!" beschloß er. Ierra Kretan hielt sich dicht an Rex Corda. Sie dachte über die Worte Percips nach. Sie wußte, daß Percip genau erfaßt hatte, was in ihr vorging. Sie hatte eine außerordentlich harte Agentenausbildung genossen, aber das unsinnige Verlangen, dem Präsidenten Terras immer wieder beweisen zu wollen, daß sie ihm überlegen war, ließ sie Fehler begehen, die sie sonst niemals gemacht hätte. Verwirrt fragte sie sich, warum sie Corda denn ihre Überlegenheit beweisen wollte.
Corda ging zwischen einigen dichtstehenden Bäumen hindurch. Sie befanden sich kurz unter der Kuppe eines bewaldeten Hügels. Corda hob die Hand. Sie blieben stehen, als sie zu ihm aufgeschlossen hatten. Wie betäubt sahen sie durch das dichte Laubwerk hindurch. Sie sahen eine schlanke, außerordentlich schöne Frau ganz dicht vor dem riesigen Maul eines spinnenartigen Tieres stehen. Alles an diesem Giganten glich einer Spinne, nur die Freßwerkzeuge nicht. Hautnah vor der Frau knallten die mächtigen Kinnladen zusammen. Der Gigant stieß wütende Zischlaute aus. Die riesigen Beine trommelten zornig auf den Urwaldboden. Der weiche rote Leib wälzte sich in dampfenden Pflanzenresten. Die dunkelhäutige Frau wich keinen Schritt zurück, obwohl eine scharf riechende Säure über ihre hellen Kleider spritzte. Die riesigen Augen der Spinne glotzten sie an, als wollte der Gigant sie mit Blicken ermorden. Unter den Bäumen und zwischen den Büschen erkannte Rex Corda zahlreiche Männer in kurzen Überwürfen, die wie gebannt auf die Frau sahen. Die Dunkelhäutige aber sang. Ihre Stimme war scharf und befehlend. Sie ließ sich von der Wut der Riesenspinne nicht einschüchtern. Die Frau wich nach einigen Minuten einen halben Schritt zurück. Die Spinne erhob sich ein wenig. Dicht über dem Kopf geiferten die wütenden Lippen. Da bückte die Frau sich nach einem Pflanzenbündel aus harten Zweigen. Sie hob die Zweige hoch über den Kopf und schlug sie mehrmals kraftvoll gegen die Lippen der Spinne. Das Tier stieß einen wütenden Schrei aus — aber es wich langsam zurück. Und wieder sang die Frau. Ihre Stim-
me wurde immer härter und metallischer. Die Spinne kauerte sich zusammen. Zitternd ragten die zusammengezogenen Beine in die Luft. Die scharfen Klauen scharrten den Urwaldboden auf. Pfeifend schoß der Atem durch die zahlreichen Atemlöcher. Eine milchige Haut zog sich über die gigantischen Facettenaugen. „Verstehen Sie das, Mr. Corda?" fragte Percip tonlos. Corda zögerte mit der Antwort. „Sie will etwas von der Spinne", sagte er leise. „Ich kann mir aber nicht erklären, was es sein soll. Die Spinne kann doch unmöglich in den Kampf zwischen Sigam Agelon und Ralf eingreifen!" * Zuckende, blitzende Lichter tanzten um die Seiten des Diskusraumers. Ralf Griffith sah erbleichend, wie das Energiereservoir des Raumschiffes anstieg. Der Plan gelang! Er zog Sigam Agelon mit Hilfe des Raumschiffes die Körperenergie ab, ebenso wie es Sigam Agelon vorher mit ihm gemacht hatte. Auf dem Holografen konnte er den Orathonen sehen, der wie eine Statue unter dem Diskus stand, den Blick starr nach oben gerichtet. Ralf Griffith erkannte die abgrundtiefe Qual in den dunklen Augen des Featherheads. Die schwarzen Federn auf dem Kopf des Orathonen wurden plötzlich stumpfgrau. Das Gesicht verfiel. Sigam Agelon taumelte. Ralf Griffith senkte den Blick. Er konnte nicht länger ansehen, wie Sigam Agelon verging, wie er in sich zusammenfiel. Der Anblick war zu grauenhaft. Plötzlich war es ihm, als halle ein
Schrei durch die Unendlichkeit. Aus den Tiefen seines Hirns schien der Ruf zu kommen. Er richtete sich scharf auf. „John Jon! Bob!" keuchte er. Seine weitgeöffneten Augen starrten auf den Holografen. Sigam Agelon war zusammengebrochen. „John Jon! Bob! Wo seid ihr?" Wie zufällig fiel sein Blick auf einen anderen Holografen. Ein riesiger Hantelraumer schoß aus dem klaren Himmel herab. Ralf Griffith klammerte sich an seinen Sitz. „Einige Sekunden noch!" keuchte er. „Nur ein paar Sekunden!" Wenn er durchhielt, dann war der Schrecken der Galaxis besiegt, dann gab es neue Hoffnung für die Galaxis! Nur ein paar Sekunden. Geblendet schloß er die Augen, als die Feuerflut aus dem Himmel herabbrandete. Er fühlte einen fürchterlichen Ruck. Der Diskusraumer schoß quer über die weiße Stadt, von der phantastischen Wucht der aufprallenden Geschosse hinweggeschleudert. Sigam Agelon konnte das niemals überstanden haben! Ralf Griffith hatte nur diesen einen Gedanken, als er quer durch die Kommandobrücke des Diskusraumers flog. Mit verheerender Wucht knallte es in den kleinen Computer des Raumschiffes. Einige Sekunden lang tobte der elektrische Sturm um ihn herum. Er fühlte die jagenden Energien durch seinen mit Becon gestärkten Körper rasen. Der Diskus überschlug sich mehrfach. Immer wieder erhielt er neue Treffer. Die Antigravitationsautomaten waren längst ausgefallen. Ralf Griffith krümmte sich zusammen. Er preßte die Oberschenkel an die Brust und umspannte die Beine mit beiden Armen. Er drückte sein Gesicht gegen die Knie.
In dieser Haltung ließ er sich herumschleudern. Er wußte, daß er sich nirgendwo halten konnte. Die Beschleunigungseffekte waren viel zu stark. Er konnte nur auf seine Unverletzbarkeit bauen und hoffen, den Angriff zu überstehen. Bei jedem Aufprall tobten reißende Schmerzen durch seinen Körper. Die pneumatischen Andrucksessel lösten sich aus ihren Halterungen. Die zentnerschweren Sitze flogen mit phantastischer Geschwindigkeit durch den Innenraum des Raumschiffes. Sie zerschmetterten die gesamte Inneneinrichtung innerhalb weniger Sekunden. Nichts blieb noch, an seinem Platz. Das Steuerpult löste sich ebenso von der Wand wie die Antigravitationsautomaten. Die Superschweren Gyros brachen den Boden des Raumschiffes auf und bohrten sich in die Decke. Die Antriebsaggregate explodierten zum Glück nicht, aber sie platzten auseinander. Sie zertrümmerten alles, was bis jetzt in den tiefer gelegenen Räumen noch heil geblieben war. Ralf Griffith atmete auf, als der Diskus endlich auf den Boden aufschlug und zur Ruhe kam. Rings um Ralf lagen die Trümmer tonnenschwerer Geräte. Er versuchte, langsam zu Atem zu kommen. Es gab keine Stelle mehr an seinem Körper, die nicht schmerzte. Doch er hatte keinerlei Verletzungen davongetragen. Sein Körper hatte Unmengen von Energien in sich aufgenommen. Ralf Griffith war stärker denn je zuvor. Die kleine Becon-Platte unter seiner Schädeldecke hatte wie ein Kraftpol gewirkt. Ralf Griffith wurde wie Becon selbst. Mit einigen energischen Bewegungen befreite er sich aus den Trümmern. Dennoch blieb es sehr mühsam für ihn, sich zum Schott vorzuarbeiten. Die Schleuse hatte sich restlos ver-
zogen. Die Schotten waren nicht mehr zu öffnen. Ralf Griffith nahm die Energiestrahler, die er jetzt wieder trug. Mit ihrer Hilfe zerschoß er das innere Schott. Das äußere Schott hatte nicht den geringsten Schaden davongetragen. Die Becon-Schicht auf der Außenseite hatte es wirksam geschützt. Ralf Griffith konnte das Schott öffnen. Frische Luft strömte in den Diskus. Ralf atmete tief durch, trat auf die Kante des Schotts und sah sich um. Der Diskus war am Rande der Stadt auf ein niedriges Haus gestürzt. Das Haus war restlos zerstört worden. In einigen hundert Metern Entfernung vor ihm senkte sich der Hantelraumer tief auf die Stadt hinab. Ralf Griffith zuckte zusammen, als er die kleine rotgekleidete Gestalt sah, die in einem Traktorstrahl zum Hantelraumer hinaufschwebte. Deutlich konnte er erkennen, daß Sigam Agelon sich noch bewegte. Der Orathone lebte! Ralf sprang auf den Boden hinab und sah sich besorgt um. Bis zum Dschungelrand hatte er auf dieser Seite der Stadt fast tausend Meter zurückzulegen. Die Häuser standen hier sehr weit auseinander. Es war kaum möglich, sich hier vor den Suchtrupps Sigam Agelons zu verstecken! „Es gibt nur eine Möglichkeit", murmelte der Terraner. „Ich muß den Hantelraumer angreifen! Ich muß einen Raumanzug anziehen." Er wollte sich in den Diskus zurückbegeben, als eine weißrote Stichflamme durch die Schleuse fauchte. Krachende Explosionen ließen das Wrack erzittern. Ralf wich zurück. Es war zu spät. Er konnte nicht mehr in den Diskus eindringen. Ihm blieb nur noch eines — die Flucht in den Dschungel!
Er wandte sich um und lief los. In den ersten Augenblicken waren seine Bewegungen schwerfällig, doch dann wurden sie immer schneller und schneller. Seine Kraft kannte keine Grenzen. Ralfs Geschwindigkeit steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Kein normaler Mensch hätte jetzt noch mit ihm Schritt halten können. Immer wieder sah er zurück. Der riesige Hantelraumer hing bewegungslos über der Stadt. Er füllte fast den ganzen Himmel aus. Er gehörte zu der gefürchteten Wonn-Klasse, Raumschiffe, bei denen allein der Kugeldurchmesser schon 1200 m betrug! Das Schiff trug eine tiefdunkle Farbe. Wie ein riesiger Polyp hing der Riese über der Stadt, bereit, jeden Augenblick umschlagen. An den Kugelpolen saßen die großen Energieabsorberanlagen, mit denen Sonnenenergie aufgefangen wurde. Die Hantelraumer versorgten sich, wie alle Raumschiffe orathonischer und laktonischer Bauart, während ihres Fluges durch die Weiten der Galaxis aus den Atomöfen der Sonnen, die sie passierten. Der Energiebedarf dieser riesigen Raumschiffe war so unvorstellbar hoch, daß die Hantelraumer sich aus sich selbst heraus nicht mehr versorgen konnten. Ralf Griffith war dem Waldrand bis auf hundert Meter nahe gekommen, als es bei dem Hantelraumer aufblitzte. Eine Rakete heulte über den Terraner hinweg. Sie schlug mit einem dumpfen Krach im Dschungel ein. Ralf blieb unwillkürlich stehen. Er sah zurück. In diesem Augenblick senkte sich der Traktorstrahl über ihn. Doch er zog ihn nicht zu dem Raumschiff hinauf. Er fesselte den Terraner an den Grasboden. Ralf Griffith war nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen.
Aus schreckgeweiteten Augen sah er zu dem riesigen Raumschiff hinauf, das unendlich langsam auf ihn zuglitt. Plötzlich bemerkte er, wie sich die gewaltigen Kuppeln an den Polen der Kugeln öffneten. Lange bizarre Antennen schoben sich heraus. Ralf Griffith preßte die Lippen hart zusammen. Verzweifelt kämpfte er gegen die ungeheure Macht, die ihn an die Stelle fesselte. Er schlang die Energien förmlich in sich hinein — doch bewegen konnte er sich nicht. Die Energiereserven des Hantelraumers waren viel zu groß, als daß er sie hätte überwinden können. Griffith gab den Kampf auf. Er sah ein, daß es keinen Sinn mehr hatte, sich noch länger gegen das Unvermeidliche zu stemmen. Die riesigen Energieabsorberantennen richteten sich auf ihn aus. Ralf wußte, daß Sigam Agelon gleich mit ganzer Macht nach ihm greifen würde. Er würde ihm innerhalb einer Sekunde sämtliche Körperenergien entziehen. Die Aufnahmefähigkeit eines Raumschiffes der Wonn-Klasse war so .hoch, daß er keine Chance mehr hatte. Ralf senkte den Kopf. Er dachte an seine Kinder. Seine Lippen schlossen sich fest zusammen. Da gellte ein Schrei über die Ebene! Ralfs Kopf ruckte hoch. Suchend sah er sich um. Zwischen den riesigen Urwaldbäumen — kaum vierhundert Meter von ihm entfernt — erhob sich der Leib einer roten Giga-Spinne. Ralf sah, daß sich die kalten Facettenaugen genau auf ihn richteten. In diesem Augenblick schaltete Sigam Agelon die Energieabsorberanlagen des Hantelraumers ein. Ein tödliches Sirren unerträglicher Lautstärke ließ die Luft erzittern.
* Die Spinne brach durch den Dschungel. Rex Corda sah ihr wie benommen nach. Er begriff nicht, was hier geschah. „Hinterher!" rief er seinen Begleitern hastig zu. Sie liefen um die Mulde herum, in der der Spinnenleib gelegen hatte, und folgten dem seltsamen Zug. Da entdeckte Percip den Hantelraumer. Und wenig später, als sie den Rand des Waldes erreichten, bemerkten sie auch, daß der Diskus abgestürzt war. „Wir hätten uns nie auf diesen Kampf einlassen dürfen", sagte Corda ärgerlich. „Wir geben den Orathonen zu viele Trümpfe in die Hände!" Percip nickte verbissen. „Jetzt werden sie sich den Diskus holen. Es muß ihnen doch aufgefallen sein, daß die Becon-Panzerung widerstandsfähiger ist als alles bisher bekannte Material." Ierra Kretan zeigte stumm auf die kleine Gestalt, die in unerhörter Geschwindigkeit den gegenüberliegenden Waldrand zu erreichen suchte. Das war Ralf Griffith. Der Hantelraumer war heran. Corda stockte der Atem, als Ralf stehenblieb. „Es darf nicht sein!" stieß Ierra Kretan entsetzt aus. Doch es geschah. Die weißen Felder brandeten sirrend auf Ralf Griff ith herab. Ierra Kretan stieß einen entsetzten Schrei aus. Als die Felder Ralf Griffith erreichten, verschwand er buchstäblich von der Stelle. Er löste sich ins Nichts auf. Rex Corda taumelte. Er wandte sich ab und ging langsam in den Dschungel hinein. Die Vernichtung Ralf Griffiths war der bisher schwerste Schlag für ihn. Er war felsenfest davon überzeugt
gewesen, daß absolut nichts den Terraner besiegen konnte. Doch es gab eine Waffe. Sigam Agelon hatte es bewiesen. Ralf Griffith war nicht mehr. Corda sah kaum auf, als der gigantische Leib der roten Spinne sich an ihm vorbeiwälzte. Er wurde von einer der Klauen im Rücken getroffen und fiel schwer auf den Boden. Doch in diesen Sekunden war er wie betäubt. Erstarrte zu dem gigantischen Kopf der Spinne hinauf und erfaßte nicht wirklich, was geschah. Ein schönes dunkelhäutiges Gesicht beugte sich über ihn. Zarte Lippen lächelten ihn tröstend an. Er hörte die verblüfften und verwirrten Stimmen John Haicks, Percips und Ierra Kretans. Langsam richtete er sich auf. Die Riesenspinne verschwand taumelnd im Dschungel. Sie kehrte zu dem Nest zurück. Die mächtigen Beine ließen die Bäume zersplittern. Ein dichter Kreis aus weißgekleideten Männern mit dunklen Gesichtern schloß sich um die drei Männer und die Frau im Raumanzug. Rex Corda schlug die Sichtscheibe seines Helmes zurück. Die schöne Frau stand unmittelbar vor ihm. Sie lächelte. Ihr Gesicht war weich und anmutig. Nichts mehr war von dem Zorn und der wilden Energie zu sehen, die dieses Gesicht beherrscht hatten, als die Frau die Spinne anpeitschte. Eine kleine zarte Hand legte sich auf Cordas Arm. „Er ist dein Freund?" fragte die Frau. Überrascht hörte Corda die Worte der Frau aus dem elektronischen Übersetzer auf seiner Brust kommen. Die Tatsache, daß der Kleinstcomputer die Worte übersetzte, bewies Corda, daß Ralf Griffith mit dieser Frau gesprochen hatte. „Er war mein Freund!" bestätigte
Corda. Sie sah ihn verwundert an. „Warum war er dein Freund? Ist er es jetzt nicht mehr?" fragte sie. Corda blinzelte überrascht. Er warf Ierra Kretan, Percip und John Haick fragende Blicke zu. „Er ist tot", sagte er. „Die Männer in dem Raumschiff haben ihn getötet!" Er zeigte zu dem Hantelraumer hinauf. Dabei bemerkte er, daß die Orathonen das mit Becon gepanzerte Wrack des abgestürzten Diskusraumers mit Hilfe eines Traktorstrahles an Bord hievten. Sie lachte silberhell. Suchend glitten ihre Hände über den Himmel. Kaum sichtbar zeichnete sich ein blauer Kreis am Himmel ab. Corda entdeckte ihn nur, weil die Frau genau darauf zeigte. Es mußte ein Mond „Fattys" sein, der über diesem Mond stand. „Er ist nicht tot. Er ist dort — auf dieser Welt!" erklärte sie lächelnd. „Er rettete unsere Stadt vor diesen grünen Teufeln — wir dankten ihm, indem wir ihm halfen, auf diese Welt zu flüchten." Der Hantelraumer verschwand mit donnernden Triebwerken über dem Horizont. Stille senkte sich über den Dschungel. Doch dann hörte Corda das feine Singen eines sich nähernden Diskusraumers. „Er lebt?" fragte er ungläubig. „Ihr habt ihn auf eine andere Welt versetzt?" Sie senkte bestätigend den Kopf. „Wir nennen uns Simlars", sagte sie. „Wir können die Grundmuster aller Stoffe miteinander similarisieren. Wenn uns die Großen helfen, dann fallen die Stoffe zusammen, auch wenn sie sehr weit voneinander entfernt sind!" Sie lächelte. Sie sah zu dem Diskus hinauf, der sich langsam näherte. Sie zeigte keine Furcht, da der Diskus die gleiche Farbe hatte wie jener, mit dem
Ralf Griffith abgestürzt war. Percip stieß den Atem pfeifend durch die Zähne. Er sprach in sein Helmmikrofon. Rex Corda schaltete auch sein Gerät ein. Lächelnd hörte er die vergnügte Stimme Ga-Vengas, - der es nicht lassen konnte, sie mit spöttischen Worten einzudecken. Als der Diskus landete, zogen sich die dunkelhäutigen Bewohner der Stadt zurück. „Wartet!" rief Corda. Doch die Frau, die als letzte ging, schüttelte den Kopf. „Du mußt dich um deinen Freund kümmern", sagte sie und zeigte zu dem blauen Mond hinauf. „Er braucht deine Hilfe!" Corda sah ihnen nach, bis sie unter den Bäumen verschwunden waren. Dann ging er zu dem Diskus hinüber, der hinter ihm gelandet war. An der Schleuse stand Percip. „Haben Sie wirklich verstanden, was die Frau sagte?" fragte er. „Ich glaube schon", nickte Corda. „Sie sind offensichtlich in der Lage, Gegenstände — und vielleicht auch sich selbst — in einem Prozeß zu versetzen, der große Ähnlichkeit mit der Teleportation hat. Sie sprach von dem Grundmuster aller Stoffe — damit meinte sie doch wohl die Atomstruktur. Sie sagte ferner, sie könnten die Grundmuster einander angleichen — similarisieren. Ich habe von Mutanten auf der Erde gehört, die eine ähnliche Technik beherrschen. Sie werden Similarisationstechniker genannt. Auch sie gleichen die Atomstrukturen der von ihnen gewählten Stoffe einander an und lassen sie dann zusammenfallen. So gleichen sie zum Beispiel das Atomstrukturmuster ihres eigenen Körpers dem eines weit entfernten Gegenstandes an. Wenn sie beides ztisammenfallen lassen, versetzen sie sich damit ohne Zeitverlust über beliebige Entfernungen an
andere Orte. Bei den Bewohnern der Stadt scheinen die Giga-Spinnen eine entscheidende Rolle zu spielen. Offensichtlich brauchen die Simlars die Unterstützung der Spinnen, um die parapsychische Kraft für die Similarisation zu gewinnen." Percip blinzelte verwirrt. „Äh — dann befindet sich Ralf wirklich auf dem Mond? Die Simlars haben ihn einfach dorthingewünscht — und schon war er dort?" Corda lächelte. „Ganz so einfach war es sicher nicht — aber es stimmt im Prinzip!" „Na — da bin ich aber mal gespannt", mischte sich Ga-Venga ein, der in der Schleuse hockte und zugehört hatte. „Wenn es solche Leute auf der Erde gibt, warum sind sie dann nicht bei uns. Sie könnten uns enorm helfen. Wir könnten eine Bombe nach der anderen in die Hantelraumer der Orathonen similarisieren!" Cordas Blick verdüsterte sich. „Die Mutanten, die in der Folge des Atomkrieges auf der Erde entstanden, GaVenga, sind in über 80 Prozent geistesgestört. Man mußte ihre Talente operativ entschärfen, um Katastrophen auf der Erde zu verhindern." * Sigam Agelon stieß einen wilden Triumphschrei aus, als er Ralf Griffith verschwinden sah. Er lachte so strahlend, wie es seine Offiziere schon seit Monaten nicht mehr bei ihm gesehen hatten. Von einer Sekunde zur anderen war er wie ausgewechselt. Er ging zum Hauptcomputer hinüber und ließ seine Finger auf den Programmtasten spielen. Gleichzeitig sprach er seine Aufgabe in das Mikrofon. Sigam Agelon wollte jetzt Sicherheit und Bestätigung durch
den Computer haben. Flüsternd begann der Computer mit der Arbeit. „Benachrichtigen Sie mich sofort, wenn das Ergebnis vorliegt!" befahl Sigam Agelon dem Kommandanten des Raumschiffes. „Ich bin in Ihren Räumen zu finden!" Er verließ die Kommandozentrale und begab sich in die luxuriös eingerichteten Räume des Kommandanten, die auf jedem Hantelraumer an der gleichen Stelle zu finden waren. Bereits auf dem Weg dorthin überkam ihn Unsicherheit. War Ralf Griffith nicht ein wenig zu schnell verschwunden? Gab es nicht immer noch einen Kraftpol in diesem Sonnensystem? Er mischte sich ein scharfes alkoholhaltiges Getränk und trank es hastig. Nachdenklich setzte er den Becher ab, um ihn langsam zwischen den Fingern zu zerknüllen. Irgendwo über ihm gab es eine Kraftquelle. Sie war wie Ralf Griffith. Gab es einen zweiten Feind in diesem System? Oder konnte Griffith trotz allem entkommen? Der Holograf schaltete sich ein. Das Gesicht des Kommandanten zeichnete sich darauf ab. Eine steile Sorgenfalte stand auf der Stirn des Orathonen. Der Kommandant zögerte keinen Augenblick, das Wesentliche zu sagen. „Edler Agelon — der Computer behauptet, der Terraner sei entkommen!" Sigam Agelon hieb mit der Faust auf den Tisch im Zentrum des Raumes. Das Material löste sich in Splitter auf. „Ich komme", ächzte der Orathone. Er hastete zur Kommandobrücke des Hantelraumers hinauf. Auf dem großen Hauptholografen sah er das Riesensystem von „Fatty". Ein einziger Riesenplanet mit sechsundzwanzig Monden umkreiste die gigantische Sonne. Der
Hantelraumer schwebte auf der Bahn der Monde. Ein Offizier reichte Sigam Agelon die entschlüsselten Berechnungen des Computers. Sigam Agelon bekam die Antwort klipp und klar: „Der Terraner ist entkommen. Er benutzte vermutlich eine mentale Kraft, mit der er auf einen anderen Mond entfloh. Die Erscheinung gleicht dem Phänomen eines Hypersprungs." Sigam Agelon preßte die Lippen zusammen. „Also schön — dann nehmen wir den letzten Anlauf! Wenn es dann nicht gelingt, gebe ich es auf!" Er wandte sich zum Gehen. „Kommandant — folgen Sie mir. Jetzt werden wir etwas mehr mit psychologischen Mitteln arbeiten, so wie die Computer es empfohlen haben!" * Tsati Mutara, der terranische Mutant, der bei den Orathonen in Gefangenschaft lebte, war in fieberhafter Erregung. Er wußte, daß sich etwas über Ralf Griffith zusammenbraute. Er konnte jedoch nicht herausbekommen, was es war. Sosehr er sich auch bemühte, in die wissenschaftlichen Laboratorien einzudringen, in denen der Kampf gegen Ralf Griffith vorbereitet wurde, es half nichts. Die Bronzeroboter wiesen ihn kalt ab. Niemand hinderte Tsati Mutara jedoch, auf die Kommandobrücke der „Lynthos" zu gehen. Auf dem Hauptholografen konnte Tsati Mutara einen blauen Mond sehen. Er hatte ganz offensichtlich eine Sauerstoffatmosphäre. Der Trabant war annähernd so groß wie die Erde. Große Meere zogen sich über seine vielgestaltige Oberfläche. Die vorherrschende
Vegetation hatte eine blaue Farbe. Ein orathonischer Offizier stand vor den Instrumentenpulten. An den anderen Geräten arbeiteten Bronzeroboter. Tsati Mutara trat langsam neben den Orathonen. „Ist er dort?" fragte er. Der eckige Kopf des Grünhäutigen drehte sich ihm zu. „Willst du ihm helfen, Terraner?" Tsati Mutara strich mit der Hand sanft über den Rücken des Trops Thali, der auf seiner Schulter saß. Thali beobachtete die Bemühungen seines Freundes mit großer Sorge. Die Gefahr für sie beide wurde von Minute zu Minute größer. „Ich kann ihm nicht helfen", antwortete der Terraner ruhig. „Ich möchte nur wissen, wo er ist!" Der Orathone lachte herablassend. Er schaltete an den Steuergeräten des Holografen. Rasend schnell wuchs der Mond heran. Einzelheiten seiner Oberfläche wurden erkennbar. Tsati Mutara machte drei orathonische Diskusraumer aus, die die Oberfläche des Mondes absuchten. „In diesem Gebiet muß er ungefähr sein. Wir suchen ihn noch", erklärte der Orathone. Er lachte hämisch. „Er hat bisher viel Glück gehabt, Terraner — aber jetzt ist es vorbei. Ein für allemal." Tsati Mutara nickte. Er drehte sich um und verließ die Kommandobrücke. In den spiegelnden Instrumentenverkleidungen sah er, daß der Orathone hinter ihm herstarrte. Seine Lippen verbissen sich. „Du mußt vorsichtiger sein!" mahnte der Trop auf seiner Schulter. Der Terraner hustete nervös. „Ich muß wissen, was sie planen, Thali!" raunte er. „Ich muß es wissen — um zu verhindern, daß Sigam Agelon siegt." „Glaub mir, ich hasse ihn mehr als mein berühmter Ahn den berüchtigten
Orathonen Kanta Dir Agim haßte", antwortete Thali heftig. „Aber wir haben keine Chance, in die Laboratorien zu kommen!" Tsati lächelte. „Hör zu, Kleiner. Du hast gute Beziehungen. Es gibt zahlreiche Trops, die auch in den Laboratorien arbeiten müssen. Du kannst die Information bekommen, wenn du nur willst!" Thali stieß einen empörten Schrei aus. „Also gut!" sagte er ärgerlich. „Ich werde es versuchen." Er sprang von der Schulter des Terraners, öffnete eine winzige Luke an einem Luftschacht und verschwand darin. Tsati Mutara lächelte, als er die Krallen des Trops über die Schachtwand scharren hörte. Er begab sich in seine Kabine und wartete ab. Es dauerte eine volle Stunde, bis Thali zurückkehrte. Der Trop hatte sich eine blaue Binde um den Kopf gewunden. „Was ist passiert?" fragte Tsati Mutara besorgt. Er sprang von seiner Liege, auf der er geruht hatte, auf und kam dem Trop entgegen. Thali sprang auf den Tisch und hockte sich bedrückt auf die Platte. Aus traurigen Augen sah er den Terraner an. „Sie haben meinen Freund erschossen", sagte er tonlos. „Sie haben ihn getötet, als er sich über die Pläne beugte! Sigam Agelon, dieser Satan, hat die schärfsten Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Er will sich seine Chance durch nichts schmälern lassen." Tsati Mutara wandte sich ab. Er lehnte die heiße Stirn gegen die Panzerplastwand seiner Kabine, die direkt an der Außenwand des Hantelraumers lag. „Das habe ich nicht gewollt, Thali!" sagte er leise. „Es tut mir leid!" Der Trop kam zu ihm. Geschmeidig schwang er sich auf seine Schulter. Er legte seine dünnen Ärmchen weich um
den Kopf des Terraners und drückte ihn an seine Brust. Sanft und tröstend strich die kleine Pfote über die Stirn Tsati Mutaras. „Ich weiß es, Tsati", sagte er leise. „Du hast es ja auch für mich getan." Thali machte eine kleine Pause. Dann sagte er: „Sie haben ihn gefunden, Tsati. Er ist auf dem blauen Mond. Sie rechnen sich viele Chancen aus!" * Rex Corda nickte Ga-Venga zu, als die drei Diskusraumer aus den Orterschirmen verschwanden. Ga-Venga schaltete. Der Diskus erhob sich aus der Deckung und flog dicht über den blauen Pflanzen dahin. Rex Corda lag in seinem Andrucksessel. Er hatte die Augen geschlossen. Er konzentrierte sich voll auf sein parapsychisches Talent. Rex Corda, der Präsident der Erde, war Empath. Er konnte die .Gefühle anderer wahrnehmen — und unter Umständen auch in seinem Sinne beeinflussen. Jetzt nutzte er seine Fähigkeit dazu, Ralf Griffith aufzuspüren. Er wußte, daß die Orathonen ihn schon gefunden hatten. Ralf befand sich in größter Gefahr. Links und rechts vom Diskus erhoben sich schroffe Felswände bis in eine Höhe von fast achttausend Meter. In den zahlreichen Schluchten genoß der Diskus ausreichend Ortungsschutz. Der Kynother nutzte alle Schliche, die er bei den Laktonen gelernt hatte, um der Ortungsgefahr zu begegnen. Immer wieder beriet er sich mit Percip. „Wir haben ihn", meldete Ierra Kretan plötzlich. Ihre Stimme war aufgeregter als sonst. Rex Corda sah auf und nickte. Auf dem Holografen erkannte er die kleine Gestalt Ralf Griffiths, der unter den Felsen Schutz suchte. Der Himmel
hatte sich bewölkt. Ein feiner Nieselregen kam herunter. Er verschlechterte die Sicht, behinderte aber auch die Orathonen. Ga-Venga ließ auf einen Wink Rex Cordas den Diskus unter eine überhängende Felswand treiben und setzte ihn dort auf. * Rex Corda erhob sich. „Ich gehe allein mit Percip", sagte er. Der Laktone lächelte unmerklich. Er folgte Corda in die Schleuse. Kein Wort fiel. Ein lauer Wind strich zu den beiden Männern herein, als die Schotten ausführen. Der Nieselregen trieb ihnen ins Gesicht. Er war nicht unangenehm. Es roch etwas modrig auf dieser Welt. Rex Corda stieg als erster aus. Er winkte. Die kleine schmächtige Gestalt in den Felsen winkte zurück. Ralf Griffith löste sich aus seiner Deckung und kam zu ihnen herüber. Er lief sehr schnell. Corda atmete auf, als der ehemalige CIA-Agent lächelnd vor ihm stand. „Diesmal dachte ich wirklich, es wäre vorbei, Ralf!" sagte Corda. Griffith entblößte seine Zähne. „Da hatten Sie genau den gleichen Gedanken wie ich, Sir!" gab er zu. Er stieg zu ihnen in den Diskus. „Es ist besser, wenn wir hier alles besprechen, was es zu besprechen gibt." Ga-Venga reichte Griffith einen Kaffee, den der Agent dankbar annahm. „Ich würde mich gern mit Ihnen zurückziehen", versetzte Griffith. „Aber es hätte keinen Sinn. Sigam Agelon kann mich mit größter Wahrscheinlichkeit als Kraftpol ebenso erfassen, wie ich ihn aufspüren kann. Er ist dort oben. Wahrscheinlich hält er sich noch immer in einem der Hantelraumer auf. Ich bin
überzeugt, er wird nicht eher Ruhe geben, bis der Kampf entschieden ist." „Glauben Sie, daß er entschieden werden kann?" fragte Ierra Kretan. Ralf Griffith wurde sehr ernst. „Ich bin fest davon überzeugt. Sigam Agelon war dicht vor dem Sieg. Wenn es dem Hantelraumer gelungen wäre, mir die Energie abzuzapfen, dann wäre der Kampf vorbei gewesen. Einem derartigen Angriff wäre ich nicht gewachsen gewesen!" „Dann dürfen Sie nicht weiterkämpfen!" sagte Percip ernst. Ralf schüttelte abwehrend den Kopf. „Es hätte keinen Zweck, jetzt aufzustecken. Sigam Agelon weiß schließlich nicht, wie ich ihm diesmal entkommen bin. Er kann nicht wissen, daß es die Simlars waren, die mir halfen!" „Sie wissen das?" fragte Corda verblüfft. „Es bleibt keine andere Möglichkeit", antwortete Ralf Griffith sehr sicher. „Sigam Agelon aber wird diese Fähigkeit bei mir vermuten. Also wird er eine andere Angriffsmethode wählen — und deshalb habe ich auch wieder eine Chance!" „Also gut", nickte Corda. „Von mir bekommen Sie jede Unterstützung, die mir möglich ist, Ralf!" Ralf Griffith lächelte bescheiden. „Alles, was Sie tun können, haben Sie getan, Sir!" sagte er. „Jetzt können Sie nur noch die Daumen für mich drücken." * Der Diskus blieb in der Deckung zurück. Ralf Griffith war dennoch nicht ganz allein. Drei „Augen" — Spezialkameras für holografische Aufnahmen — folgten ihm in größerem Abstand. Die Kameras, die von kleinen Antigravtriebwerken gesteuert wurden, verbargen sich zum Teil auch zwischen den
dichten blauen Pflanzen, die das zerklüftete Tal wie einen Teppich bedeckten. Ralf versteckte sich blitzschnell in einer Felsspalte, als er einen orathonischen Diskus durch die Schlucht herankommen sah. Er drückte den schweren Energiestrahler an seine Seite. Rex Corda hatte darauf bestanden, daß der Terraner diese Waffe mit sich nahm, weil er nur mit dieser gegen einen Angriff eines Diskusraumers gewappnet war. Ralf Griffith konnte mit diesem Energiestrahler einen Diskus abschießen! Kein normaler Terraner hätte diese schwere Waffe überhaupt tragen können. Ralf aber spürte das Gewicht kaum. Sein durch Becon „veränderter" Körper stellte sich spielend leicht darauf ein. Der Diskus trieb langsam an ihm vorbei und verschwand an der Biegung der Schlucht. Ein „Auge" tauchte unmittelbar vor Ralf auf. „Seien Sie vorsichtig, Ralf!" kam die Stimme Cordas aus dem winzigen Lautsprecher der Kamera. „Okay — Sir! Ich werde schon aufpassen!" Ralf erhob sich und folgte dem Diskus vorsichtig. Er brauchte eine halbe Stunde, um bis zu der Biegung vorzudringen, hinter der das Raumschiff verschwunden war. Immer wieder suchte er die Schlucht mit seinen Blicken ab. Er konnte keinen Feind entdecken. In seiner unmittelbaren Nähe schwebte eine Kamera. Die Männer im Diskus beobachteten den Luftraum über Ralf Griffith. Rex Corda konnte dem Terraner mit Hilfe der Kamera augenblicklich eine Warnung zukommen lassen, wenn die Orathonen einen überraschenden Angriff auf ihn versuchen sollten. Ralf fuhr unwillkürlich zurück, als er
den orathonischen Diskus sah. Das Raumschiff war tief unten in der Schlucht gelandet. Es befand sich keine tausend Meter von ihm entfernt. Ralf sah eine kleine massige Gestalt in roter Kleidung vor dem Diskus. "Was treibt der Orathone dort?" fragte er zur Kamera hinüber. Er sah, daß sie sich ausrichtete. Ein Spezialobjektiv fuhr aus. „Ich weiß es nicht genau", sagte Corda. „Es ist Sigam Agelon. So lächerlich wie es klingt, es sieht so aus, als wolle er sich nur mal eben die Füße vertreten. Es dürfte klar sein, daß er Sie auf sich aufmerksam machen will!" „Das kann er haben", sagte Ralf grimmig. „Ich schieße ihm den Diskus hinter dem Rücken zusammen." „Auf keinen Fall!" befahl Corda scharf. „Warten Sie erst ab, was er plant!" „Können Sie ,Augen' orten, die die Orathonen auf mich angesetzt haben?" „Nein. Die Orathonen haben keine ,Augen' eingesetzt!" „Okay!" knurrte Ralf. Er schob sich über die Felskuppe und glitt lautlos in einen schmalen Felsspalt, der ihn vor den Blicken Sigam Agelons verbarg. Schritt für Schritt arbeitete er sich vor. Er nutzte jede Deckung. Ab und zu richtete er sich vorsichtig auf und sah zu dem Diskus hinüber. Sigam Agelon stand noch immer vor seinem Raumschiff. Er suchte die Felsen mit den Blicken ab. Es war offensichtlich, daß er auf Ralf Griffith wartete. Vergeblich fragte der Terraner sich, welche Falle der Orathone für ihn errichtet hatte. Als er dem orathonischen Oberbefehlshaber bis auf zweihundert Schritte nahe gekommen war, stieg Sigam Agelon gelassen in den Diskus. Eine Minute später startete er. Ralf sah ihm mit brennenden Augen
nach. Vorsichtig folgte er dem Orathonen. Wieder war das Raumschiff gelandet. Es stand in einem Talkessel, der sich vor Ralf Griffith öffnete. Der Diskus verbarg sich zur Hälfte hinter hoch aufragenden Felsbrocken, die aus der Höhe in das Tal herabgestürzt waren. Bis zu dem Landeplatz hatte Ralf eine ausgezeichnete Deckung. Er zögerte jetzt keinen Augenblick. Er lief los. Er wollte nicht noch einmal hinter dem Diskus herlaufen. Eine der schwebenden Kameras Rex Cordas erschien unmittelbar vor dem „Veränderten". „Seien Sie vorsichtig!" mahnte Corda. „Laufen Sie nicht in eine Falle. Ich kann Ihnen jetzt nicht mehr viel helfen. Näher kann ich mit den Kameras nicht herangehen, wenn sie nicht geortet werden sollen!" „Ich weiß! Ich bin vorsichtig!" „Okay — wir drücken Ihnen die Daumen!" Die Kamera zog sich lautlos zurück. Ralf Griffith hastete auf den Landeplatz des Diskusraumschiffes zu. Er preßte die schwere Energiewaffe hart an seine Seite. Die Felsen deckten ihn ausgezeichnet. Sigam Agelon konnte ihn unmöglich sehen. Ralf atmete schwer. Immer wieder sah er in den bewölkten Himmel hinauf. Die Gefahr, daß er von Raumschiffen im Luftraum über ihm gesichtet wurde, war denkbar gering. Ralf Griffith blieb stehen, als er die Felsen erreichte, hinter denen der Diskus stand. Er lehnte sich gegen das kühle Gestein. Sein Atem ging schneller als sonst. Er fühlte die Gefahr unmittelbar. Doch er konnte und wollte nicht mehr zurück. Mit allen Sinnen sagte er sich, daß Sigam Agelon niemals so unvorsichtig sein würde, sich ihm unvorbereitet in die Hände zu geben. Das
Verhalten Sigam Agelons paßte nicht zu seinem bisherigen Kampfstil. Doch Ralf Griffith konnte nicht mehr zurück. Plötzlich wich alles Blut aus seinen Wangen. Mit einem Schlage wußte er, warum Sigam Agelon sich so verhielt und nicht anders. Hinter dem Felsen ertönten helle Stimmen. Sein Herzschlag setzte für einen kurzen Augenblick aus. Ralf Griffith taumelte. Dann aber sprang er mit einem wilden Schrei auf den Lippen um die Felsgruppe herum. Er riß seine Strahlwaffe hoch und feuerte blindlings auf den diabolisch grinsenden Sigam Agelon, der vor dem Schott des Diskusraumers stand. Wenige Zentimeter vor dem Orsthonen entstand ein rötlich flimmerndes Feld, in dem die fauchenden EnergieStrahlen wirkungslos versandeten. Ralf Griffith ließ die Waffe sinken. „Daddy! Daddy!" gellten die Stimmen seiner Söhne. Ralf Griffith schleuderte die Energiewaffe mit einem wilden Fluch auf den Featherhead, der mit einer eleganten Bewegung auswich. Ralf starrte mit brennenden Augen auf seine beiden Söhne, die in einer Felsgrotte standen und ihm die Arme entgegenstreckten. „Bob! John Jon!" stammelte Griffith. Wie ein roter Schatten sprang Sigam Agelon in den Diskus, dessen Aggregate startbereit surrten. Ralf Griffith war wie gelähmt. Er sah alles, er hörte alles, doch er war nicht fähig, sich zu bewegen. Sigam Agelon ließ ihn mit seinen Kindern allein? Da stimmte doch etwas nicht. „Was hast du Teufel vor, Sigam Agelon?" stammelte der Terraner.
Und doch mußte er es schon längst wissen. Die Energieprojektoren des Diskusraumers flimmerten. Sigam Agelon war schußbereit. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis sich die Energieflut in den kleinen Felsenkessel ergoß. Ralf Griffith stöhnte auf. Er wußte keinen Ausweg. Ja — er selbst war unverwundbar. Sigam Agelon konnte eine Atombombe in diesem Kessel zünden, ohne ihn damit besiegen zu können. Aber John Jon und Bob waren beim ersten Energieschuß verloren. Sie hatten nicht die geringste Chance! Ralf Griffith sprang mit einem wütenden Schrei vor die kleine Grotte, in der seine beiden Söhne warteten. John Jon und Bob hielten sich eng umschlungen. Voller Angst starrten sie auf ihren Vater, der leichenblaß vor Sorge war. Sigam Agelon griff an. Ralf Griffith war entschlossen, alles zu tun, um seine Kinder zu retten. Er warf sich der gleißenden Energieflut entgegen, um sie in sich aufzunehmen. Sollte Sigam Agelon ihn vernichten — seine Kinder sollten leben! Ralf Griffith tobte vor Haß und Zorn. Er sah nicht mehr wirklich, was um ihn herum vorging. Er merkte nicht, daß der Boden unter seinen Füßen Glutblasen aufwarf. Ihm, dem „Unbesiegbaren", dem durch Becon „Veränderten", machte das alles nichts aus. Ein flimmerndes Energiefeld umgab seinen schmächtigen Körper, in dem sich alle Energien fingen. Ralf Griffith verstrickte sich viel zu sehr in dem tobenden Gefühlssturm, um die tödliche Gefahr noch zu bemerken. Seine Füße versanken im kochenden Boden. Er zog sich keine Verbrennung zu — aber wenn er noch viel tiefer sank, dann würde er bald nicht mehr genügend Sauerstoff zum Atmen bekommen. Das unerbittliche Ende zeichnete sich
ab. Die Schreie seiner Kinder schnitten sich Ralf Griffith ins Herz! * Rex Corda ballte die Fäuste. „Dieser Teufel!" stöhnte er. „Dieser elende Teufel! Percip — können wir denn gar nichts tun?" Der Laktone kam bleich zu Corda herüber. Starr sah er auf den Holografen. Eines der ausgeschickten „Augen" übermittelte ein überzeugend echtes Bild des Kampfplatzes. „Er dürfte die Kinder nicht mit in den Kampf ziehen! Das ist ein abscheuliches Verbrechen!" sagte Ierra Kretan. „Helfen Sie ihm, Sir! Helfen Sie ihm, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen!" Corda beugte sich vor. Die Worte Ierra Kretans hämmerten sich ihm ein. Die Laktonin hatte ihm den richtigen Weg gezeigt! Nur so konnte er Ralf helfen. Corda konzentrierte sich mit aller Macht. Er bekam sofort Kontakt mit Ralf Griffith. Er zuckte unter dem Orkan des Hasses zusammen. Darüber lag der wilde Triumph Sigam Agelons. Von den Kindern konnte Corda keinerlei Gefühle auffangen. Verwirrt schlug er die Augen auf. Von den Kindern — nichts? Er schüttelte den Kopf. Wieder versuchte er, Kontakt zu bekommen. Er suchte diesmal jedoch nur nach der Emotionalsphäre der Kinder. Nichts! Corda sprang auf. Aus verengten Augen starrte er auf den Holografen. Als er erkannte, was geschah, taumelte er unter der Wucht der Eindrücke. „Die Kinder Ralfs sind gar nicht da!" rief Corda, der jetzt sehr rasch seine
Beherrschung zurückgewann. Er stieß ein zorniges Lachen aus, als die anderen ihn überrascht ansahen. „Die Kinder sind nicht da?" fragte John Haick erstaunt. „Aber, Rex, wir sehen sie doch alle!" Corda lachte bitter. „Ein geschickter Schachzug Sigam Agelons! Er hat einen Holografen im Felsen untergebracht. Auf dem Holografen läuft ein Film ab, den die Orathonen irgendwo aufgenommen haben. Die Stimmen werden wahrscheinlich von einem Computer gesteuert! Dieser erbärmliche Teufel!" Er beugte sich vor. Steile Falten gruben sich in seine Stirn. Er packte die Emotionalsphäre Ralf Griffiths. Er konzentrierte sich mit aller Schärfe auf den Terraner. Er fühlte den wilden Widerstand, den Ralf ihm entgegensetzte, doch er ließ nicht nach. In diesem Augenblick sah Percip, der hinter Corda stand, den Hantelraumer, der sich über die Kampfszene senkte. * Ralf Griffith wich weiter und weiter zurück. Er fühlte, daß die Luft knapp wurde. Vor seinen Augen flimmerten rote Felder. Die Schreie seiner Söhne brachten ihn dem Irrsinn nahe. Er fühlte, daß Rex Corda Einfluß auf ihn zu nehmen suchte. Er fühlte den harten, energischen Griff nach seinem Hirn — und wehrte sich. Da raste eine Kamera dicht an seinem Kopf vorbei. Er sah sie nicht. Er hörte die Worte nicht, die aus dem Gerät hallten. Ralf Griffith kämpfte um das Leben seiner Kinder, die er hinter sich glaubte. Über ihm schwebte der Diskus Sigam Ageions. Und langsam senkte sich der gigantische Hantelraumer über den Bergen herab. Ralf sah, daß die Antennen der Ener-
gieabsorberanlagen an den Kugelpolen ausführen. Jetzt erfaßte er den heimtückischen Plan Sigam Agelons. Während der Orathone ihn von dem Diskus aus unter Strahlenbeschuß legte, sollte der Hantelraumer ihm die Körperenergie absaugen. Der Zusammenbruch war dann unvermeidlich. Die Kamera, das von Rex Corda gesteuerte „Auge", knallte gegen seinen Kopf. Er wollte das Gerät mit einer wütenden Bewegung hinwegschleudern, als er stutzte. Allmählich dämmerte ihm, daß Corda nicht eingreifen würde, wenn es nicht wirklich wichtig war. „Es ist ein Holograf, Ralf!" donnerte die mächtige Stimme Cordas aus dem „Auge". „Es ist ein Holograf!" Ralf Griffith fuhr herum. Er starrte wie benommen auf das holografische Bild, das so überzeugend echt wirkte. „Ihr Teufel!" keuchte er. „Ihr erbärmlichen Teufel!" Im gleichen Augenblick zog sich etwas in seinem Hirn schmerzhaft zusammen. Er preßte die Hände gegen den Hinterkopf, um die Schmerzen einzudämmen. Er konnte sie kaum ertragen. Ein gigantischer Energiestrom schien durch die Becon-Platte in seinem Schädel zu fließen. Ralf konnte die Hände nicht ruhig gegen den Kopf drücken. Von innen heraus schlug eine unsichtbare Kraft gegen sie und schleuderte sie immer wieder zurück. Die Antennen der Energieabsorberanlagen des Hantelraumers sirrten schrill auf. „Diesmal nicht!" knirschte Ralf Griffith zornbebend. Sein ganzer Zorn über die Orathonen entlud sich mit einem Schlage in einer gewaltigen Energiereaktion. Plötzlich lag ein unheimliches Knistern über dem Tal. Eine zuckende Glutwelle schien an den vulkanischen Bergen hochzukriechen. Die Erde unter den Füßen des Terraners bebte und
schüttelte sich. Dann plötzlich brachen die Berge auf. Mit einem donnernden Krachen und Brüllen fauchten Lava, Schutt und Feuer aus dem auseinanderbrechenden Berg in die Atmosphäre hinauf. Der riesige Hantelraumer verschwand mitten in der tobenden Glut. Mit einem wilden Lachen auf den Lippen sah Ralf Griffith, daß der Hantelraumer mitten auseinanderbrach und hinter den Bergen abstürzte. Sekunden später gab es eine gigantische Explosion, und ein rot-gelber Atompilz kroch bis in die höchsten Ausläufer der Atmosphäre hinauf. * Sigam Agelon wischte sich immer wieder erregt mit den Händen über die feuchten Lippen. Der Diskus schwankte im Sturm. Immer wieder glich der eingeschaltete Autopilot die Abweichungen aus. Sigam Agelon stand vor dem großen Hauptholografen und starrte auf das unglaubliche Bild hinaus, das sich ihm bot. Der Hantelraumer war vernichtet. Ein Mann hatte das getan — Ralf Griffith! Sigam Agelon fühlte sich plötzlich nicht mehr sicher in seinem Diskus. Er fürchtete die Macht dieses Terraners. Sein Gesicht war haßverzerrt. So nahe war er seinem Ziel gewesen — und doch hatte er es nicht geschafft! Eine Warnsirene heulte leise auf. Sigam Agelon sah gleichgültig zu den Instrumenten hinüber. Es waren Kontrollinstrumente, die die Meßergebnisse der im planetarischen Einsatz stets eingeschalteten Sensoren anzeigten. Sigam Agelon regte sich auch nicht sonderlich auf, als er bemerkte, daß der Mond durch die letzten Aktionen Ralf Griffiths gefährdet war. Sein Kopf ruckte herum.
Ralf Griffith hatte sich der Felsenschlucht bis auf hundert Meter genähert. Sigam Agelon konzentrierte sich sehr sorgfältig auf die Felswände. Und plötzlich war wieder jenes unheilvolle Knistern in der Luft. Zuckende. Energieblitze huschten über die steilen Felswände. Sigam Agelon schloß die Augen. Eine wahnsinnige Freude tobte in seinem Inneren. Er spürte die ungeheure Kraft, die in ihm wohnte. Er wußte, daß nie zuvor ein galaktisches Wesen solche Macht gehabt hatte wie er. Doch jetzt hatte er einen Rivalen, den er beseitigen mußte. Er sah nicht, daß Ralf Griffith stehengeblieben war. Der Terraner sah unsicher auf die riesigen Felswände. Eine schwebende Kamera glitt eilig auf ihn zu. „Umkehren! Fliehen Sie, Ralf! Die Felsen brechen zusammen!" rief Cordas Stimme ihm befehlend zu. Ralf Griffith wirbelte herum, während es in der Felswand schon gefährlich knackte und krachte. Eine eiskalte Hand schien seinen Nacken zu packen. Hinter ihm krachten gleißende Energieblitze in die Wand. Sie entstanden aus dem Nichts heraus, doch Ralf Griffith wußte genau, woher sie kamen. Er fühlte den grauenhaften Energiefluß. Da platzte die Wand auseinander. Eine riesige Schuttmasse stürzte auf den flüchtenden Terraner herab. Immer wieder sah sich Ralf Griffith um. Er sah die mächtigen Steine über sich herabkommen. Die Verzweiflung schnürte ihm die Kehle zu. Sigam Agelon wollte ihn verschütten. Er wollte ihn unter einem Berg aus Steinen begraben. Ein Diskusraumer jagte heulend über Ralf hinweg. „Corda!" schrie der Terraner. Er glaubte sich schon verloren. Doch da packte der Traktorstrahl des Diskus-
raumers zu. Er wirbelte ihn hoch. Er zog ihn unter den Diskus. Ralf Griffith pendelte im Sturm hin und her. Er hörte die Felsbrocken in die Energieschirme des Raumschiffes krachen und sah die Steine vorbeiprasseln. Er wußte nicht mehr, wo er war. Er wußte nur, daß er verloren gewesen wäre, wenn er unter diesem Steinberg begraben worden wäre. Als es heller wurde, drückte der Traktorstrahl ihn wieder auf den Boden hinab. Ralf sah den Diskus Sigam Agelons heranjagen. Er selbst stand in einer der zahlreichen Seitenschluchten. Die Luft war glühend heiß und grau vor Staub und Rauch. Griffith winkte zu dem Diskus Cordas hinauf und bedeutete ihm, sich sofort zu entfernen. Er griff den Diskus Sigam Agelons mit geballter Kraft an. Ein flackernder Energiesturm tobte in den Energiefeldern, die das Raumschiff umgaben. Der Diskus stoppte seinen Flug so schnell, daß es so aussah, als ob er gegen eine unsichtbare Wand geflogen sei. Ralf Griffith fühlte den Boden unter seinen Füßen beben. Mit einem Male begriff er, daß sie den ganzen Mond mit ihren Energieausbrüchen in Gefahr brachten. In diesem Augenblick erschien eine seltsame Gestalt über den Bergkämmen. Ralf Griffith sah sie nicht, aber Rex Corda entdeckte sie sofort. Doch er hatte keine Möglichkeit, Ralf Griffith zu warnen. Griffith sah nur, daß die Energieschirme des orathonischen Diskusraumers plötzlich zusammenbrachen. Der Diskus selbst zerfiel blitzschnell zu grauem Staub, der explosionsartig auseinanderschoß. Eine kleine rote Gestalt fiel schreiend aus der Wolke heraus und prallte hart
auf den Felsenboden. Ralf Griffith stieß einen Triumphschrei aus. Er wollte sich auf Sigam Agelon stürzen, der die Vernichtung des Raumschiffes unverletzt überstanden hatte, als ein grauenhaftes Trommelfeuer auf seinen Kopf und seine Schultern einsetzte. * Rex Corda wischte sich über die Augen. Er wollte nicht glauben, was er sah. Der Fremde griff Ralf Griffith wütend an. Er war über die Berge herangekommen, eine massige Gestalt in einem grünen Raumanzug, die auf einem winzigen Raumschiff kauerte. Das Raumschiff war nicht größer als ein Raumtorpedo. Der Fremde saß rittlings darauf, die Hände vor sich auf einen kleinen Kasten gestemmt. Rex Corda fühlte den ungeheuren Zorn, der von dem Grünen auf dem Torpedo ausging. Er brandete als Emotionalsturm auf den Terraner herab. „Er schießt auf Ralf Griffith! Das ist eine Teufelei! Wir sollten jetzt endlich auch angreifen!" rief John Haick. Ralf Griffith stand inmitten eines Feuerorkans. Sonnenhelle Energiestrahlen und Schwärme von winzigen Raketengeschossen knallten auf ihn herab. Er krümmte sich zusammen. Der Fremde konnte ihn mit diesen Waffen nicht vernichten, aber er rüttelte ihn grausam durch. Ein Hantelraumer stieß blitzschnell herab. Ein mächtiger Traktorstrahl reckte sich nach Sigam Agelon und wirbelte ihn hoch. Rex Corda sah den Orathonen in der großen Schleuse im Verbindungsraum zwischen den Hantelkugeln verschwinden. Gleichzeitig fuhren die Energieabsorberantennen aus und richteten sich auf Ralf Griffith.
Doch der Terraner merkte es rechtzeitig. Für einen kleinen Augenblick unterbrach der Grüne auf dem Torpedo den mörderischen Angriff. Ein unheimliches Knistern lag in der Luft. Ralf Griffith stand in einem hellen zuckenden Energiefeld, aus dem es plötzlich kaum sichtbar hervorschoß. Ein Strahl hochkonzentrierter Energie raste zu dem Hantelraumer hinauf. Über den Energieabsorberantennen stand plötzlich ein blutroter Feuerball. Die Antennen flogen weg, große Teile der Panzerplastwandungen platzten krachend auseinander. Ralf Griffith hatte einen Sieg über den gigantischen Hantelraumer erzwungen. Er hatte bewiesen, daß er auch mit dieser Waffe nicht mehr zu besiegen war! Jetzt konzentrierte er sich auf den Grünen, der ihn wieder mit wilder Wut angriff. Rex Corda konzentrierte sich auf die Gefühlssphäre des Angreifers. Er versuchte, einen beruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben. Doch wilder Zorn brandete ihm entgegen, der ihm kalten Schweiß auf die Stirn trieb. „Warum fliegen Sie nicht hin und unterbrechen den Angriff, Sir?" fragte Ierra Kretan besorgt. „Ich fürchte, Ralf Griffith wird den Angriff nervlich nicht mehr lange aushalten!" * Ralf Griffith war erschöpft. Die tobenden Energien, die ihn umfauchten, die zirpenden Geschosse, die auf seinen Körper schlugen, zerrten an seinen übermäßig strapazierten Nerven. Er wußte, daß er den Grünen leicht vernichten konnte. Er brauchte die Energien nur zurückzuschleudern, um den Torpedo zu zerfetzen. Dann hätte der Grüne ohnehin keine Chance mehr. Aber er wollte ihn nicht töten.
Er ahnte, weshalb der Grüne kam. Der Boden unter ihm schwankte und zitterte noch immer. Ganz in seiner Nähe brach die Erde auf, schweflige Gase stiegen auf und verpesteten die Luft noch mehr. Der fliehende Hantelraumer, der Sigam Agelon aufgenommen hatte, schickte wahre Glutwellen in das Tal. Sie nahmen Ralf Griffith den Atem. Er winkte dem Grünen heftig zu. Für einen Augenblick unterbrach der Fremde den Angriff. Er flog seinen Torpedo tiefer hinab, schwebte jetzt nur noch fünf Meter über dem schwankenden Felsboden, dessen blaue Pflanzen längst vergangen waren. Durch das transparente Material des Helmes konnte Ralf Griffith die dunkle Haut des Grünen sehen. Der Fremde war viel größer als Griffith. Der Terraner schätzte ihn auf etwa zweieinhalb Meter! Methangasschleier verhüllten das Gesicht zum Teil. Ralf Griffith hielt die Gase, die in dem Anzug aufwirbelten, für Methan. Der Fremde mußte also von einem der Methanmonde gekommen sein, die von der Mannschaft der „Walter Beckett" respektlos „Fattys Stiefsöhne" genannt wurden. Faustgroße Augen starrten Ralf Griffith haßerfüllt an. Der Terraner konnte dem Wesen im grünen Raumanzug ansehen, daß es überlegte, welche Waffen es jetzt noch einsetzen konnte. Die Zähne konnte Ralf nicht erkennen, aber ab und zu erschien die gelbe Zunge und leckte über die schwarzen Lippen. Ralf vermutete, daß der Grüne gar keine Zähne hatte. Ralf ließ sich auf den bebenden Boden sinken. Er hob seine Arme, um dem Fremden zu bedeuten, daß er nicht kämpfen wollte. Eine Serie winziger Raketen fauchte aus der Spitze des Torpedos. Ralf hob blitzschnell die Hände vor die Augen. Die Raketen trommelten
wütend auf seine Haut, konnten ihn aber wiederum nicht verletzen. Der Grüne brach den Angriff abermals ab. Er mochte einsehen, wie sinnlos sein Verhalten war. Er fuhr seinen Torpedo bis auf zwei Meter an Ralf Griffith heran und senkte ihn langsam herab. Ralf Griffith erschauerte, als er das ungemein fremdartige Gesicht sah, das ihm entgegenstarrte. Eine krächzende Stimme kam aus den beiden Lautsprechern an den Seiten des Raumhelmes. Ralf bewegte sich nicht. Er verstand den Grünen nicht. Er sah, daß der Diskus Rex Cordas langsam herantrieb und in fünfzig Meter Entfernung landete. Plötzlich drehte sich der Grüne blitzschnell um. Er sah den Diskus und eilte zu seinem Torpedo, um sich eilig hinaufzuschwingen. Er griff jedoch nicht an. Seine Blicke wanderten zwischen Ralf Griffith und dem Diskus hin und her. Jetzt öffnete sich das Schleusenschott. Rex Corda und Ga-Venga verließen das Raumschiff. Langsam kamen sie zu Ralf Griffith. Sie stellten sich an seine Seite. „Bitte, seien Sie vorsichtig!" bat Ralf Griffith besorgt. „Mir kann er nichts anhaben, aber Sie beide wären beim ersten Schuß erledigt!" „Ich weiß", nickte Ga-Venga fröhlich. „Aber zu unserem Glück weiß das unser dunkelhäutiger Freund nicht. Außerdem sorgt Mr. Corda dafür, daß er schön friedlich bleibt." Er hielt dem Fremden einen elektronischen Übersetzer hin. Rex Corda reichte Ralf Griffith eine kleine Flasche. Der Terraner setzte sie durstig an die Lippen. Ga-Venga sprach unaufhörlich auf, den Fremden ein, der sie mit großen
Augen musterte. Immer häufiger antwortete der Grüne, aber immer noch war Ga-Venga nicht in der Lage, seine Worte zu übersetzen. Doch es schien so, daß der Grüne erfaßt hatte, worum es ging. Er nahm den elektronischen Übersetzer in seine Hand. Rex Corda sah, daß er vier Finger hatte. Hastig sprach der Grüne in das Gerät, bis plötzlich ein grünes Licht aufflackerte. Ga-Venga nahm dem Fremden das Gerät lächelnd aus der Hand. Er bewegte sich sehr vorsichtig, um den Grünen nicht mißtrauisch werden zu lassen, um ihn nicht zu erschrecken. Er schaltete den Übersetzer um. Rex Corda nahm das Gerät. „Wir bedauern die unerfreulichen Zwischenfälle außerordentlich", sagte Corda mit ruhiger Stimme. „Wir haben alles versucht, um zu verhindern, daß dem System Schaden zugefügt wurde. Wir kämpfen gegen die Orathonen, die auf der Jagd nach den ,Zeitlosen' sind. Es ist das Ziel unseres Feindes, die ,Zeitlosen' zu vernichten, um sich selbst zum Herrscher der Galaxis aufschwingen zu können!" Offensichtlich hatte Rex Corda genau die richtigen Worte gefunden. „Ich bin ein Wächter unter dem Pentagramm", sagte der Methanatmer, „ein Diener der ,Zeitlosen', die uns die große Aufgabe erteilt haben, das System vor dem Pentagramm zu schützen. Ich muß gegen jeden kämpfen, der dem System und den ,Zeitlosen' schadet. Jeder Faktor, der die Stabilität des Systems bedroht, muß vernichtet werden." „Wir haben uns bemüht, die Stabilität zu erhalten. Wir sind angegriffen worden und mußten uns wehren. Wir
wehrten uns, um den ,Zeitlosen' helfen zu können." Der grüne Methanatmer starrte die Terraner lange schweigend an. Es schien so. als könne er sich nicht entscheiden, was er tun sollte. Er mußte annehmen, daß er die Männer nicht vernichten konnte. Was für Ralf Griffith galt, mußte aus seiner Sicht auch für alle gelten. Er schaltete an seinem Torpedo. „Wir sprechen uns wieder", sagte der Grüne. „Wenn es so ist, daß die grünhäutigen Orathonen gegen die ,Zeitlosen' kämpfen, dann werde ich euch helfen. Wenn ihr mich aber getäuscht habt, werdet ihr sterben müssen!" Der Grüne hob den rechten Arm. Der Torpedo stieg auf und verschwand sehr schnell in den tiefhängenden Wolken. „Zurück jetzt zur ,Walter Beckett'!" befahl Rex Corda. Wenige Minuten später startete der Diskus zum Flaggschiff der Erde. Rex Corda fragte sich voller Sorge, welche Schritte Sigam Agelon jetzt unternehmen würde. Sigam Agelon war der Verlierer in diesem Kampf zwischen den Giganten gewesen. Er hatte bei seinem Versuch, einen Terraner zu töten, ungeheuer viel Material verloren. „Hoffentlich nimmt uns Sigam Agelon jetzt nicht die ,Walter Beckett' ab!" seufzte Ralf Griffith. „Wir werden für den Fall Ga-Venga als Nervensäge in der ,Walter Beckett' zurücklassen, damit der grüne Teufel keine Freude an dem Raumschifi hat!" grinste Percip. Der Diskus erhob sich über Sie Wolken und schoß dann in das Dunkel des Alls hinein.
ENDE
Antigravitationsautomat: Einrichtung in Raumfahrzeugen, die unabhängig vom Triebwerk arbeitet und Erschütterungen, wie sie z. B. bei schweren Treffern entstehen können, bis auf ein leichtes Vibrieren abschwächt. Becon: Kunststoff, der als unzerstörbar gilt und unbegrenzt Energie in sich aufnehmen kann. Diskusraumer: „Fliegende Untertasse", wendiges Verbindungsboot der Oratho-nen, nur beschränkt kampffähig. Fatlo Bekoval: Laktone, 69 Jahre, ehemaliger Agent Laktons, jetzt Rex Cordas Freund. FAMILIE: Herrschergeschlecht der Orathonen. Fan Kar Kont: laktonischer Wissenschaftler, der sich mit Rex Corda angefreundet hat. Featherhead: siehe Orathone. Gravoschacht: Schacht innerhalb von Raumschiffen, in dem Schwerelosigkeit herrscht. Durch Sogeinrichtung als Aufzug verwendbar. John Jon und Bob: Söhne Ralf Griffiths, 14 und 16 Jahre alt, beide sind Mutanten, die von den Orathonen entführt worden sind. John Haick: 38 Jahre,
Atomwissenschaftler, setzt sich immer für Rex Corda ein. Khara: politische Zentrale des Orathonenreiches. Kim Corda: 14 Jahre, Rex Cordas Bruder, hat felepa-thische Fähigkeiten. Laktonen: Rasse aus der Galaxis, kommt von einem Spiralarm mit 400 bewohnten Planeten. Lithalon: Planet der Laktonen. Lynthos: Hilfsvolk der „Zeitlosen". Mutant: ein Mensch, der durch Veränderungen seines Körpers oder seiner Sinne neue, positive oder negative Eigenschaften bekommen hat. Orathone: Angehöriger der orathonischen Rasse. Wegen der Federn auf dem Kopf an Stelle von Haaren auch Featherhead genannt. Percip: laktonischer Agent, der an Rex Cordas Seite kämpft. Semibiotischer Conductor: kugelförmiges Gebilde, das die Orathonen ihren Gefangenen ins Gehirn operieren, um deren Willen zu beeinflussen. „Singende Fäden": Verteidigungswaffe einer Engerlingrasse im System „Fatty". Teckan: Planet der
Laktonen, auf dem die Wissenschaftler dieser Rasse untergebracht/ sind. Traktorstrahl: ausschwenkbarer Energiestrahl, der zum Aufnehmen von Gegenständen in ein Raumschiff dient. Trop Thali: Trops: Hilfsvolk der Orathonen, affenartiges Aussehen. Trop Thali: Angehöriger dieses Hilfsvolkes. Vakuole: Bezeichnung für das künstlich im Raum geschaffene Reich der „Zeitlosen". Wabash: telepathisch veranlagter Delphin, Freund Kim Cordas. Ist auf dem Raumschiff „Walter Beckett" in einem Bassin untergebracht. „Zeitlosen", die: geheimnisvolle Rasse aus dem Randgebiet unseres Spiralarmes, die als Wächter der galaktischen Ordnung gilt.