Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Scheffler, Ursel:
Ein Fall für Sara R. / Ursel Scheffler. - München : F...
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Scheffler, Ursel:
Ein Fall für Sara R. / Ursel Scheffler. - München : F. Schneider. Bd. 3. Spiel mit dem Feuer. - 1996 ISBN 3-505-10323-3
Dieses Buch wurde auf chlorfreies, umweltfreundlich hergestelltes Papier gedruckt. © 1996 by Franz Schneider Verlag GmbH Schleißheimer Straße 267, 80809 München Erstmals erschienen 1990 in dem Sammelband: Nr. 13 London Street, Ein heißer Fall, Miss Robinson! Alle Rechte vorbehalten Titelbild: Hannes Gerber Umschlaggestaltung: Claudia Wolfrath Herstellung: Gabi König Satz: Typodata GmbH, München, 11' Excelsior
Druck: Presse-Druck, Augsburg Bindung: Conzella Urban Meister, München-Dornach ISBN: 3-505-10323-310 CD r« O)
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Sara Robinson
backt herrlichen Apfelkuchen und ist über die Grenzen von Binocle Village hinaus berühmt für ihre scharfe Beobachtungsgabe und ihren untrüglichen kriminalistischen Spürsinn
Inspektor Higgins
arbeitet bei Scotland Yard und besucht Sara Robinson, wenn ihm ein besonders kniffliger Kriminalfall schweres Kopfzerbrechen bereitet
Constable Flash, der die oberste Polizeigewalt in Binocle Village verkörpert, ist stets überlastet. Wenn ein heißer Fall den anderen jagt, ist es nicht immer leicht, einen klaren Kopf zu bewahren.
Kitty Applebee ist den Zwillingen ein Dorn im Auge, doch eines Tages wird sie dringend gebraucht
Tom und Billy Brown
die ungleichen Zwillinge, bewundern das kriminalistische Talent von Sara Robinson und machen zufällig mehr als eine verdächtige Beobachtung. Dabei geraten sie in große Gefahr
Inhalt Feueralarm Die Sitzung Blaubeertorte Miese Stimmung Das große Spiel Constable Flash in Aktion Das Zeltlager Ein Feuer zuviel Die alte Kaminuhr Die Würstchenfalle Kommissar Schnuff ermittelt Constable Flash ermittelt Eine dunkle Begegnung Was geschah beim Sägewerk? Inspektor Higgins macht sich Sorgen Die Sache hat einen Haken Ein Verdacht ist kein Beweis Miss Robinson verreist Das Signal Im alten Bahnhof Das Verhör
11 21 25 30 34 37 40 45 53 59 65 71 76 79 84 88 95 100 104 106 111
Feueralarm „Macht's gut, ihr beiden!" rief Sara Robinson. „Und noch mal vielen Dank!" Sie stand am Fenster und sah Tom und Billy nach, die sich gerade auf den Nachhauseweg machten. Sie hatten es nicht weit, denn sie wohnten nur ein paar Häuser weiter, in der London Street Nr. 19. Die Zwillinge hatten am Nachmittag geholfen, die Regenrinnen zu säubern und das Blech am Hausdach zurechtzubiegen, das ein übermütiger Marder bearbeitet hatte. Saras Blick fiel aus dem Erkerfenster auf den ehemals weißen Gartenzaun. Der musste auch mal dringend gestrichen werden. Das war bestimmt ein Job für die pfiffigen Nachbarjungen, die damit ihr Taschengeld aufbessern konnten, ehe sie ins Zeltlager nach Schottland fuhren. Sara mochte die beiden Jungen sehr. Man sah ihnen gar nicht an, dass sie Zwillinge waren. Tom hatte glattes, dunkles Haar. Er war der Ruhigere und Besonnenere. Billy mit dem krausen Blondschopf hatte ein viel lebhafteres Temperament und eine ungebremste Leidenschaft für gutes Essen. Kurz vor dem Gartentor blieben die beiden stehen und kamen noch einmal zurück. „Was ist? Habt ihr was vergessen?" erkundigte sich Sara verwundert. „Ja, Papas Leiter. Er braucht sie morgen selber", antwortete Tom. „Wo haben wir sie denn hingelegt?" grübelte Billy. „Sie liegt hinten im Obstgarten hinter der Johannisbeerhecke. Ist sie auch nicht zu schwer?" „Ach was. Da haben wir schon schwerere Sachen zusammen geschaukelt!" rief Tom übermütig und lief hinter seinem Bruder her. „Da hast du allerdings Recht", murmelte Sara und lächelte. Sie hatte mit den beiden aufgeweckten Jungen tatsächlich schon ganz andere Dinge zurechtgebogen als Dachbleche und Regenrinnen! Sie waren in der Vergangenheit durch Zufall in einige Kriminalfälle verwickelt worden, die Constable Flash und selbst Inspektor Higgins von Scotland Yard schweres Kopfzerbrechen bereitet hatten. Die gute Beobachtungsgabe und der klare Verstand von Miss Robinson und die Tatkraft der Brownschen Zwillinge und ihrer Freundin Kitty hatten den Dingen mehrfach eine unverhoffte Wendung gegeben. „Ach richtig, ich wollte ja noch einen Apfelkuchen backen", überlegte Sara. Apfelkuchen war schließlich Billys Lieblingskuchen. Sie ging in die Küche und schaltete im Vorbeigehen das Radio ein. Der Sprecher sagte gerade: „... das waren die Abendnachrichten. Zum Schluss noch eine Durchsage. Bedingt durch die lange Trockenheit, besteht erhöhte Waldbrandgefahr. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kam es an mehreren Stellen des Cranberry Forrest zu Bränden, die durch das rasche Eingreifen der Feuerwehr von Clockwell gelöscht werden konnten. Außerdem brannte eine Scheune auf der Ahornfarm. Dort ist Brandstiftung nicht ausgeschlossen. Die Polizei ermittelt." Da klingelte das Telefon. Es war Saras Schulfreund Henderson aus dem Nachbarort Clockwell. Seine Stimme klang ganz aufgeregt. „Sara, wie gut, dass ich wenigstens dich erreiche! Es brennt! Im Nachbarhaus bei der Witwe Nightingale! Ich kann die Feuerwehr nicht erreichen. Sie ist mit Mann und
Maus ausgerückt. Es ist wieder irgendwo ein Waldbrand. Und eure Feuerwehr ist auch nicht zu erreichen. Als ich bei Constable Flash zu Hause anrief, sagte seine Frau, er sei bei einer Feuerwehrübung ..." „Ich weiß, wo sie üben!" beruhigte Sara ihren aufgeregten Freund. „Ich werd' sie alarmieren, so schnell es geht!" Sara warf den Hörer auf die Gabel, lief aus dem Haus und schwang sich auf ihr Fahrrad. Sie wusste genau, wo Constable Flash mit seiner Freiwilligen Feuerwehr gewöhnlich das „Löschen" übte! Mit einer Geschwindigkeit, die man der alten Dame gar nicht zugetraut hätte, radelte sie um die Ecke zum Roten Löwen. Dort herrschte beste Stimmung. Constable Flash und seine Leute hatten die Meldung von den Bränden im Nachbarort zum Anlass genommen, eine „außerordentliche Löschübung" anzusetzen. Das wurde, wie üblich, eine sehr feuchte und fröhliche Angelegenheit. Constable Flash, der bekanntlich nicht nur die oberste Polizeigewalt in Binocle Village verkörperte, sondern auch der Hauptmann der Freiwilligen Feuerwehr war, fühlte sich in seinem Element. „Wasser marsch!" rief er vergnügt und hielt der Wirtin vom Roten Löwen zum vierten Mal das leere Bierglas hin. „Wasser marsch!" grölten die anderen und löschten fleißig ihren Durst. Sie hatten schließlich vor dem Trinken ordentlich geschuftet: den alten Feuerwehrwagen, den sie liebevoll den „Roten Robin" nannten, gewaschen und die Drehgelenke seiner Leiter geölt. Sie hatten die Messingteile poliert, die Lampen der Scheinwerfer überprüft, die Zündkerzen ausgewechselt, Öl und Kühlwasser ergänzt. Als sie dann auch noch das alte Feuerwehrhaus ausgefegt hatten, waren ihre Kehlen von Staub und Anstrengung so ausgetrocknet, dass sie ihnen dringend Feuchtigkeit zuführen mussten. Und das tat man am angenehmsten im Roten Löwen. „Feuerwehrübung? Heute am Donnerstag?" wunderte sich die Wirtin. „Ja, heute am Donnerstag", bestätigte Constable Flash stolz. „Allzeit bereit ist unsere Devise. Haben Sie in den Nachrichten von den schrecklichen Bränden in Clockwell gehört? Bei uns hat es zwar seit Jahren nie gebrannt, aber so etwas wie dort könnte uns nie passieren. Stellen Sie sich vor, deren Feuerwehrwagen blieb gestern mitten auf der Straße stehen, weil sie kein Benzin mehr hatten! „Flash hat Recht! Unser ,Roter Robin' ist bestens in Schuss", brüstete sich auch Stamp, der Briefträger. Und dann bestellte er noch eine Runde Bier für die durstigen Feuerwehrleute. Die tüchtigen Männer sangen gerade den Kanon vom großen Brand in London: „London 's burning, London 's burning ..." In diesem Augenblick riss Sara Robinson die Tür zum Roten Löwen auf und rief: „Feuer in Clockwell! Ihr müsst löschen! Beeilt euch! Feuer! Feuer!" „Feuer?" wiederholte Flash ungläubig. Nach einer Schrecksekunde sprang er auf und brüllte: „Feuer! Feuer! Mir nach, Leute!" und stürmte hinaus. Wenige Minuten später schon saß die Feuerwehrmannschaft von Binocle Village im „Roten Robin" und zurrte die Riemen an den Feuerwehrhelmen fest. „Allzeit bereit!" keuchte Briefträger Stamp und sprang als letzter in den Wagen. Constable Flash steuerte das Feuerwehrauto in die Dämmerung. Konzentriert holperte er durch die Schlaglöcher der Landstraße, denn er wählte die ungeteerte Abkürzung nach Clockwell, ohne das Tempo zu
drosseln. Er biss fast in das Lenkrad vor Aufregung. Seine Leute hielten sich krampfhaft fest, weil sie wie auf einem Trampolin auf und ab geschleudert wurden. Stamp, der sich nicht schnell genug auf dem Beifahrersitz festgeschnallt hatte, holte sich eine Beule an der Stirn. Von den Männern, die hinten auf den Wagen gesprungen waren, fiel unbemerkt einer herunter und rannte, so rasch er konnte, hinterher. Es war Mr. Butterfinger, der Besitzer des Süßwarenladens. Hätte Flash nicht wegen eines vorwitzigen Feldhasen bremsen müssen, so hätte der gute Mann sicher diesen wichtigen Einsatz verpasst. Unter lautem Sirenengeheul fuhr der „Rote Robin" schließlich in Clockwell ein. Ein Feuerschein wies der Rettungsmannschaft den Weg zum Marktplatz. Das ganze Städtchen war auf den Beinen. Dankbar wurden die hilfreichen Männer aus der Nachbarstadt begrüßt. 17„Feuerwehr von Binocle Village zur Stelle!" meldete Flash dem Bürgermeister, der auf der Rathaustreppe stand. Von dort aus versuchte er, den Überblick zu behalten, während die Bürger der umliegenden Häuser mit Eimern und Gartenschläuchen versuchten, gegen das Feuer anzugehen. „Endlich!" stöhnte der Bürgermeister. „Ich fürchtete schon, das Feuer würde aufs Rathaus übergreifen!" „Auf Flash ist Verlass! Allzeit bereit!" sagte der Constable würdevoll. Dann drehte er sich um und rief seinen Leuten zu: „Schläuche aufrollen und anschließen!" Mit geübten Handgriffen zogen die Feuerwehrmänner die Schläuche von der Rolle und schlössen sie an die Wasserstellen an. Flash rannte nach vorne, um den verantwortungsvollen Posten an der Spritze zu übernehmen, so wie es ihm als Feuerwehrhauptmann zustand. Er näherte sich dem brennenden Haus, so weit es die Hitze zuließ, dann drehte er das Ventil auf, richtete die Spritze auf die Flammen und rief: „Wasser marsch!" Ein paar Sekunden schloss er die Augen, um von dem gewaltigen Zischen der Flammen nicht erschreckt zu werden. Aber da zischte nichts. Der Schlauch in seiner Hand blieb schlaff. Schlaff und platt wie ein Pfannkuchen. Die Schläuche waren durch die jahrelange Lagerung offensichtlich verklebt. „Mehr Druck!" befahl Flash. Endlich blähte sich der Schlauch. Aber aus der Spritze kam noch immer nichts. Inzwischen hatte sich das bange Interesse der Bevölkerung der Feuerwehr von Binocle Village und ihrem wackeren Hauptmann zugewandt. Von allen Seiten kamen gute Ratschläge. Bürgermeister Williams kam sogar von seiner Rathaustreppe herunter. „Noch mehr Druck! Und Wasser marsch, verdammt noch mal!" fluchte Flash. Endlich zischte es. Aber nicht im Feuer! Ein dunkelbrauner Strahl trat etwa auf halber Länge aus dem Schlauch und traf in hohem Bogen die Menschenmenge um den Bürgermeister. Der war einen Augenblick lang sprachlos. Aber als die Leute schreiend auseinander liefen, bekam auch er einen Tobsuchtsanfall und schrie: „Feuerwehr! Allzeit bereit! Dass ich nicht lache! Unfähige Idioten sind das! Und wir stehen hier und müssen zusehen, wie das Haus abbrennt!" Flash überhörte geflissentlich diese Komplimente und richtete die defekte Schlauchstelle so auf das Feuer, dass der Strahl die Flammen traf. „Ersatzschlauch beschaffen, Stamp!" brüllte er aus Leibeskräften. Tatsächlich gelang es, einen Ersatzschlauch im Feuerwehrhaus von Clockwell aufzuspüren und an den „Roten Robin" anzuschließen. Schlamm verschmiert wie ein
Nilpferd setzte Flash unter dem Blitzlicht der Lokalreporter seine Löschtätigkeit unbeirrt fort. „Das gibt ein Bild!" freute sich der Fotograf. Er hatte gerade den Bürgermeister abgelichtet, der aussah, als sei er in den Gulaschtopf der Stadtküche gefallen. Glücklicherweise gelang es Flash und seinen Leuten trotz allen Missgeschicks doch noch, das Ausbreiten des Brandes auf andere Gebäude zu verhindern. Konzentriert und schweigsam erledigten die Männer von Binocle Village die Löscharbeiten. Es gab keine Pannen mehr. Mrs. Nightingale, die im Morgenrock auf der Straße stand, jammerte um ihren Kanarienvogel. Als sich die Flammen gelegt hatten, eilte Constable Flash mit einer Rauchschutzmaske ins Haus. Er brachte den ohnmächtigen, aber noch lebenden Vogel heraus. Mrs. Nightingale bedankte sich überschwänglich. So wurde die Rettungsaktion der Feuerwehr von Binocle Village doch noch von einem kleinen Lichtblick gekrönt. Und als die Feuerwehr von Clockwell endlich von ihrem Löscheinsatz außerhalb der Stadt zurückkam, war alle Arbeit getan.
Die Sitzung „Unsere Feuerwehr muss auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden!" rief der Bürgermeister von Binocle Village in der Stadtversammlung erregt, nachdem er den Bericht von der Brandnacht vernommen hatte. „Für wen denn? Etwa für die Leute von Clockwell? Bei uns hat es schließlich seit zehn Jahren nicht gebrannt. Solide Steinhäuser überall", sagte der Schneider, der für die Finanzen der Stadt verantwortlich war und von dem man sich erzählte, dass er so geizig war, dass er die Vögel nicht aus seiner Regentonne trinken ließ. Das zeigte auch sein Vorschlag: „Ich bin dafür, dass wir den alten Schlauch flicken. Dann tut es der ,Rote Robin' noch lange!" „Dann stellen Sie sich aber an die Spritze!" rief Constable Flash erregt. „Ich möchte mir nicht noch mal den Schlauch von Clockwell ausleihen müssen. So eine Blamage!" „Blamage hin, Blamage her. So schlimm finde ich das nicht. Schließlich schlagen wir sie am nächsten Wochenende beim Rugby wie üblich", entgegnete der Schneider, der noch nie einen Ball geworfen hatte. „Rugby steht jetzt nicht zur Debatte", meldete sich Mr. Stamp zu Wort. Der Briefträger war der Mann mit den schnellsten Beinen und der Star der RugbyHerrenmannschaft. Aber jetzt war selbst er nicht dafür, die sportliche Überlegenheit gegen einen alten Schlauch aufzurechnen. „Es ist eine Frage der öffentlichen Sicherheit, dass unsere Feuerwehr zuverlässig funktioniert. Der ,Rote Robin' ist fast so alt wie ich. Deshalb macht er sich bestimmt gut in einem Feuerwehrmuseum. Aber beim nächsten Brand wäre mir ein moderner Wagen lieber. Wir sollten uns schnellstens erkundigen, was eine neue Feuerwehr kostet!" „Das will ich gern tun!" erbot sich Oberst Applebee. Er war Versicherungsvertreter, und da die meisten Leute in Binocle Village ihre Feuerversicherung bei ihm abgeschlossen hatten, war sein Interesse an einer einsatzfähigen Feuerwehr nur allzu verständlich. „Dann sollten wir uns aber auch gleich erkundigen, was neue Feuerwehruniformen kosten. Ich hab' meine seit meinem achtzehnten Geburtstag und
mich seitdem figürlich doch etwas verändert!" klagte Mr. Butterfinger. Schallendes Gelächter ertönte, weil er dabei mit aufgeplusterten Backen auf seinen Spitzbauch deutete. „Und es ist im Winter doch angenehmer, wenn man die Jacke vorne zuknöpfen kann!" fügte er hinzu. „Ein sehr vernünftiger Vorschlag", stimmte der Schneider überraschend zu. Er rechnete natürlich damit, dass er den Auftrag für das Anfertigen der neuen Uniformen bekommen würde. Nach der Sitzung traf Constable Flash Sara Robinson. „Sagen Sie mal, Constable, weiß man eigentlich, wie es zu dem Brand in Clockwell gekommen ist? Es war doch nicht etwa ... Brandstiftung?" „Nein, in diesem Falle nicht. Mrs. Nightingale hat gestanden, dass sie vergessen hatte, ihr Bügeleisen auszuschalten." „Gott sei Dank", seufzte Sara. „Was heißt hier Gott sei Dank? Das war sträflicher Leichtsinn. Bedenken Sie nur, was passiert wäre, wenn wir nicht rechtzeitig eingegriffen hätten!" „Ich meine ja auch nur, dass ich es besonders schrecklich gefunden hätte, wenn einer ein Haus angezündet hätte, in dem Leute wohnen ...", erklärte Sara. „Tja, zwei Scheunen in einer Nacht haben diesem - äh - diesem Feuerteufel wohl gereicht", brummte Flash. „Ich denke, es ging um einen Waldbrand?" „Nun", antwortete Flash zögernd. „Wir wollten keine Panik in der Bevölkerung auslösen. Und, im Vertrauen gesagt, Miss Robinson: Bei dem Brand auf der Ahornfarm und am Birkenbach vor ein paar Tagen handelte es sich ebenfalls um Brandstiftung. Das hat mir jedenfalls mein Kollege Fitzgerald heute gestanden, als er sich für unseren Einsatz bedankte. Tja, Miss Robinson, in Clockwell geht ein Brandstifter um, daran ist nicht zu zweifeln."
Blaubeertorte Sara hatte einen ausgedehnten Ausflug in den Cranberry Forest gemacht, Blaubeeren gesucht und sich ganz nebenbei die Brandstätten angesehen. Auch an der Ahornfarm war sie vorbeigefahren. Es war ihre gewohnte Neugier, die sie immer dazu antrieb, ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, bei denen es nicht mit rechten Dingen zuging. Schon oft waren ihren scharfen Augen und ihrer Spürnase Dinge aufgefallen, die der Polizei entgangen waren. Und nicht selten hatte sie Spitzbuben zur Strecke gebracht, die lange Zeit alle an der Nase herumgeführt hatten. Aber diesmal entdeckte sie keine Spur. Eine weggeworfene Zigarettenschachtel am Brandort und die Abdrücke eines Motorrades - das war alles. Das konnte von jedem harmlosen Sonntagsausflügler stammen. Sara war gerade dabei, die Küche aufzuräumen. Das Teewasser kochte, und der Blaubeerkuchen duftete verführerisch. Da klingelte es. Ein Blick durch das Erkerfenster verriet ihr, wer der überraschende Besucher war, der an der Gartenpforte stand: Inspektor Higgins, ein junger Mann zwar, aber ein alter Bekannter. Der kam wie gerufen! Sie hatte ein paar Fachfragen auf der Seele, und die konnte sie nun gleich loswerden. „Hereinspaziert, Inspektor!" rief Sara vergnügt und riss die Tür auf.
„Mhm, wie das duftet. Apfelkuchen?" „Nein, falsch! Diesmal ist es Blaubeertorte." „Auch nicht schlecht", gab der Inspektor zu. „Und der Tee ist gerade fertig." „Ich hab' da, scheint mir, einen siebten Sinn ..." „Ohne so was kommt ein Kriminalinspektor bei Scotland Yard auch nicht aus. Stimmt's?" sagte Sara und nahm dem Gast den Trenchcoat ab. Higgins lachte und antwortete: „Da haben Sie sicher recht. Aber was den siebten Sinn betrifft, so glaube ich, dass er bei Ihnen wesentlich besser ausgebildet ist als bei mir. Er muss irgendwo in Ihrer Nase sitzen. Jedenfalls haben Sie in der Vergangenheit in vielen Fällen eine verblüffende Spürnase besessen." „Jetzt wollen wir uns nicht gegenseitig Komplimente über vergangene Zeiten machen, sondern erst einmal Tee trinken", sagte Sara und stellte die Tassen auf den Tisch. „Sie sehen blass aus, Inspektor." „Tja, viel Ärger gehabt in letzter Zeit. Die Sache mit Frisby ging mir doch sehr nahe. Wenn ich bedenke, dass mich mein bester Mitarbeiter so hintergangen hat!* Mein neuer Mitarbeiter ist allerdings längst nicht so geschickt. Er muss sich immer noch einarbeiten. Außerdem stellen wir unsere Computerprogramme um. Ich bin dauernd unterwegs ..." „Sie sollten sich wirklich ein wenig mehr Ruhe gönnen. Ein paar Tage zum Ausspannen und Abschalten in Binocle Village bei Ihren alten Freunden täten Ihnen gut!" sagte Sara und goss den dampfenden Tee in die dünnen chinesischen Porzellantassen, die ihr verstorbener Vater von einer seiner vielen Seereisen mitgebracht hatte. „Vielleicht haben Sie recht, Miss Robinson. Man denkt eben immer, man sei unentbehrlich ..." „Das ist ein Irrtum, dem heutzutage viele Leute unterliegen. Und wenn sie dann herausfinden, dass das gar nicht stimmt, sind sie nicht erleichtert, sondern unglücklich." Eine Weile herrschte Blaubeerentortenschweigen. Sara schob ihrem Gast das dritte Stück auf den Teller, das er mit Genuss, aber nachdenklich verspeiste. Schließlich erkundigte sich Higgins: „Was gibt es Neues in der alten Heimat? Ich war lange nicht zu Hause." „Oh, nicht viel. Von ein paar Brandstiftungen in Clockwell abgesehen, die in den letzten Tagen die Feuerwehr ziemlich in Trab gehalten haben. Constable Flash musste mit dem ,Roten Robin' einspringen!" „Der gute alte Flash", sagte Higgins und lächelte. Sara lächelte auch und sagte: „Sie haben ganz blaue Zähne, Inspektor! Noch einen Schluck Tee?" „Gerne. Aber sagen Sie: Sind Sie sicher, dass es Brandstiftung war?" vergewisserte sich Higgins. „Ziemlich sicher. Aber nun zerbrechen Sie sich nicht wieder den Kopf anderer Leute. Constable Flash ermittelt, und ich halte auch die Augen offen. Wir werden diesem Feuerteufel schon die Hölle heiß machen." „So, so, ein Feuerteufel. Kann ich noch einen Schluck Tee haben?" Sara goss ihrem Gast bereitwillig die letzte Tasse aus der Kanne ein und fragte dann beiläufig: „Sagen Sie mal, Inspektor, was veranlasst eigentlich einen Menschen, anderer Leute Besitz anzuzünden?"
„Oh, meist sind es verhaltensgestörte Täter. Ich meine damit, dass ihr Verhalten von der üblichen Norm des menschlichen Zusammenlebens erheblich abweicht. Motive wie Hass, Eifersucht, Geltungssucht und Langeweile können dahinter stecken. Sie verstehen es aber meist, die Ursache für ihr Verhalten gut zu verbergen. Daher ist es schwierig, einen solchen Fall vom Motiv her aufzurollen..." „Trotzdem überlege ich mir dauernd: Was muss in einem Menschen vorgehen, der so etwas macht? Hass, Eifersucht, Geltungssucht, das leuchtet ein. Aber Langeweile?" „Langeweile und der Spaß am Zündeln...", setzte Higgins langsam hinzu. Dann lehnte er sich zurück und zündete seine Pfeife an. „Wohl auch ein kleiner Feuerteufel, wie?" sagte Sara, als Higgins das Streichholz über dem Tabak mehrfach aufflammen ließ. „Der steckt wohl in uns allen", meinte Higgins und musste lachen, ob er wollte oder nicht. Sie unterhielten sich noch eine Weile über alles Mögliche, was in Binocle Village und in der weiten Welt in den letzten Monaten passiert war. Und als sich der Inspektor verabschiedete, meinte er: „Der Besuch bei Ihnen war anregend und erfrischend. Wie immer. Auf Wiedersehen, Miss Robinson. Halten Sie mich auf dem laufenden? Ich rufe am Wochenende mal an." „Sie meinen, wegen des Feuerteufels? So schnell werden wir den nicht kriegen." „Ach was. Wegen des Rugbyspiels. Ich muss unbedingt wissen, wie sich die Jungen geschlagen haben. Ich war doch zehn Jahre lang in der Schülermannschaft. Das ist jetzt, na ja, gut zehn Jahre her, aber ..." „Dann halten Sie uns mal die Daumen!" sagte Sara. „Tom und Billy sind schon ganz aufgeregt. Kitty kommt extra aus dem Internat, um sie anzufeuern!" „Grüßen Sie Ihre jungen Freunde herzlich!" bat der Inspektor beim Abschied.
Miese Stimmung Am Nachmittag vor dem großen Spiel saß die Rugby-Mannschaft von Binocle Village in ihren hellblauen Hemden recht betrübt auf dem Sportplatz herum. Die Chancen sahen nicht besonders rosig aus. Der Schlussmann und ein Dreiviertelmann waren krank und mussten durch weniger erfahrene Spieler ersetzt werden. Und jetzt kam auch noch Mr. Stamp und verkündete, dass sein Sohn Jimmy mit Mumps im Bett lag. Jimmy war ein guter Stürmer. Fast so schnell wie sein Vater. Wer sollte den ersetzen? Außerdem hatten sie gar keine Ersatzleute mehr. „Was können wir bloß machen?" grübelte Tom. „Mit einem Mann weniger schlagen wir die immer noch", meinte Billy optimistisch. „Das kannst du dir abschminken", sagte Tom. „Die seifen uns ein, dass uns die Ohren schlackern!" „Vielleicht ist Jimmy morgen wieder fit?" hoffte Bud Butterfinger. „Mumps? Ne, das dauert mindestens eine Woche und schlaucht ganz schön", sagte Nick Nelson. Sein Vater war Arzt. Außerdem hatte Nick vor zwei Monaten selbst Mumps gehabt und sprach aus Erfahrung. „Tja, was machen wir dann?" Tom sah in die Runde.
In diesem Augenblick kam Vikar Monster um die Ecke. Er wurde von einem jungen Mädchen begleitet, das einen krausen roten Pferdeschwänz hatte, der beim Laufen übermütig hin und her wippte. Es war Kitty Applebee, wie Billy erschrocken feststellte. „Hab' ich dir nicht gesagt, dass sie hier sind?" sagte der Vikar zu Kitty. „Hallo!" rief Kitty fröhlich. Ein gedämpftes „Hallo" kam als Echo zurück. „Mann, was ist denn hier los? Ist einer gestorben?" erkundigte sich Kitty verwundert. „Ja. Unsere Rugby-Mannschaft", verkündete Billy düster. „Wieso denn das?" wollte der Vikar wissen. „Jetzt ist auch noch Jimmy krank", sagte Nick, „und wir können beim besten Willen keinen Ersatzmann auf treiben." „Kann man das Spiel nicht verschieben?" erkundigte sich der Vikar. „Wir haben in Clockwell angerufen, aber da meinte Ricky Fitzgerald, das käme wohl daher, dass wir die Hosen voll hätten, weil die Greensocks die letzten Spiele gegen alle Nachbarorte gewonnen hätten", berichtete Tom. „Eine Frechheit ist das", knurrte Billy. „Denen werden wir's schon zeigen. Besonders dem Fitzgerald. Bildet sich was auf seine Größe ein. Aber als Spieler ist er nicht halb so gut, wie er sich fühlt. Der Angeber!" „Dann werde ich eben einspringen!" sagte eine helle Stimme. „Du???" erkundigte sich Billy und starrte wie ein lebendig gewordenes Fragezeichen auf seine heißgehasste „Freundin" Kitty. „Ja, warum nicht? Ich spiele im Internat in der Mädchen-Mannschaft und bin gar nicht schlecht im Sturm. Ich bin zwar klein, aber geschickt. Ich kann denen zwischen den Beinen durchschlüpfen, ehe sie mich zu fassen kriegen ...", versprach Kitty. „Aber das geht doch nicht. Du bist ein Mädchen. Wir machen uns doch nicht lächerlich", brummte Billy. „Wieso eigentlich?" erkundigte sich Kitty. „Ja, wieso eigentlich?" fragte auch Vikar Monster. „Mädchen oder Junge, was macht das schon? Hauptsache, sie kriegt den Ball ins Mal." „Sie hat zu lange Haare", warf Billy ein. „Wenn es nur das ist", sagte Kitty. „Die wollte ich sowieso schon immer mal abschneiden." „Würdest du das wegen eines Rugby-Spiels tun?" erkundigte sich Tom verblüfft. „Wegen unseres Rugby-Spiels schon", sagte Kitty. „Gib mir mal deine Mütze." Sie griff, ohne eine Antwort abzuwarten, noch Toms Sportkappe, stopfte die Haare darunter und stülpte sie sich über den Kopf. „Na, was sagt ihr jetzt?" erkundigte sie sich forsch. „Donnerwetter. Sie sieht wirklich wie ein Junge aus", gestand Nick verblüfft. „Warum sollen wir es nicht probieren? Wenn wir nicht spielen, haben wir kampflos verloren. Und wenn wir das Spiel um eine Woche verschieben, ist die halbe Mannschaft im Zeltlager." „Los, dann fangen wir mit dem Training an!" rief Kitty. Zögernd erhoben sich die Blauhemden und folgten ihrem neuen Stürmer auf den Platz.
Das große Spiel
„Passt auf, und lasst euch nicht einseifen", sagte Mr. Brown, als er seine Söhne am Sonntagmorgen am Spielfeldrand ablieferte. Und ähnliche Ermahnungen bekamen auch die anderen Spieler mit, die in roten oder grünen Hosen die Farben ihrer Heimatstadt mit einem eiförmigen Ball verteidigen sollten. Großer Beifall erklang für beide Mannschaften, als sie auf den Platz liefen. Dann nahm das Spiel seinen Lauf. „Wer ist denn der Junge mit den roten Haaren?" erkundigte sich der Schneider erstaunt. „Das ist Kitty Applebee. Sie spielt Ersatzstürmer. Aber wir sollten das nicht an die große Glocke hängen. Ich weiß nicht, ob das ganz den Vorschriften entspricht, wenn ein Mädchen mitspielt", sagte Mr. Brown. Es war eine ziemlich ausgeglichene Partie, in der einmal die Greensocks von Clockwell und einmal die Blauhemden von Binocle Village einen Punktvorsprung hatten. In der zweiten Halbzeit allerdings hatten die Greensocks einen Vorsprung von vier Punkten. Es war die neununddreißigste Minute, und alles wartete auf den Schlusspfiff. Es sah schlecht aus für die Blauhemden. Jimmy hatte eine Lücke hinterlassen, die Kitty nur schwer ausfüllen konnte. Aber da bot sich ihr plötzlich eine Chance. Kitty kämpfte mit Fitzgerald um den Ball. Da sagte der Mannschaftskapitän plötzlich verblüfft: „Mann - das ist ja ein Mädchen! Da spielt ein Mädchen gegen uns!" Diesen Augenblick der Verblüffung nützte Kitty ungeheuer geschickt aus, um sich in Ballbesitz zu bringen. Sie schlüpfte durch Fitzgeralds lange Beine, lief sich frei und trat den Ball über die Querlatte. Das gab fünf Punkte für Binocle Village und bedeutete den Sieg. Endlich kam der Schlusspfiff. Die Mannschaft mit den ziemlich verdreckten blauen Hemden fiel sich überglücklich in die Arme. „Kitty hat uns gerettet! Herzlichen Glückwunsch!" sagte Tom. „Na, und Nick und Bud und Tom waren auch Spitzenklasse", brummte Billy. „Billy hat sich auch großartig geschlagen", sagte Kitty großzügig und strich sich durch die wirren kurzen Haare. Das war ungewohnt, und sie war sich noch nicht sicher, wie sie ihren Eltern das Fehlen ihres Pferdeschwanzes erklären sollte. Aber die Mannschaft von Binocle Village freute sich zu früh. Die Greensocks von Clockwell meldeten Protest an, weil ein Mädchen mitgespielt hatte. „Zumindest fordern wir eine Revanche. Das Spiel kann so nicht gelten. Wir fordern ein Spiel gegen eine reine Jungenmannschaft." „Dann sind wir noch stärker", protzte Billy und bekam dafür von seinem Bruder einen Rippenstoß. „Ich sehe nicht ein, warum das Spiel nicht gelten soll", sagte Tom. „Kitty ist genauso eine von uns wie Nick, Jimmy oder Bud. Sie ist eingesprungen, weil alle anderen krank waren. Das finde ich fabelhaft." „Wir wollen eine Revanche", beharrte Fitzgerald. „Rache", murmelten seine enttäuschten Gefolgsleute. Sie verschmähten sogar den angebotenen Versöhnungstrunk im Clubheim und radelten verbissen nach Hause.
Constable Flash in Aktion
Constable Flash drehte und wendete sich vor dem großen Schlafzimmerspiegel. Er hatte die neue Feuerwehruniform an und fand, dass sie ihn noch besser kleidete als die Polizeiuniform. Er überlegt t, ob er sie auf dem Weg ins Rathaus der breiten Öffentlichkeit vorführen sollte. Aber dann siegte doch die Vernunft über die Eitelkeit, und er zog seine schon etwas abgewetzte Polizistenjacke an. Es wurde eine sehr turbulente Ratssitzung, in der sich herausstellte, dass sich die Gemeinde keinesfalls sofort ein neues Feuerwehrauto leisten konnte. Der „Rote Robin" sollte wieder auf Vordermann gebracht werden, und es wurden neue Schläuche bestellt. „Vielleicht können wir uns wenigstens einen ,halben' Feuerwehrwagen leisten", schlug der Bürgermeister von Binocle Village vor. „Ich habe meinen Kollegen von Clockwell nicht ohne Absicht zu dieser Sitzung eingeladen und möchte Sie jetzt fragen, Mr. Williams, wie sie zu diesem Vorschlag stehen." „Abgekartetes Spiel!" raunte der Schneider dem Briefträger zu. „Ich bin dagegen! Ein halbes Auto kostet auch Geld." „Und verbrannte Häuser ebenfalls", antwortete Mr. Stamp. Mr. Williams legte nun in einer sehr diplomatischen Erklärung dar, dass er grundsätzlich damit einverstanden sei, aber nur unter der Bedingung, dass dann beide Feuerwehren einen gemeinsamen Oberhauptmann hätten. Dagegen war nichts einzuwenden. Constable Flash nickte zufrieden. Er hatte in seiner angeborenen Bescheidenheit keinen Zweifel, dass er der neue Ober-Feuerwehrhauptmann sein würde. Im Stillen ärgerte er sich, dass er nicht doch seine neue, kleidsame Feuerwehruniform angezogen hatte. Aber wieder einmal musste Constable Flash eine herbe Enttäuschung einstecken. Joe Fitzgerald aus Clockwell wurde zum Chef der gemeinsamen Feuerwehr bestellt, weil Bürgermeister Williams das zur Bedingung für seine endgültige Zustimmung machte. Er verwies in diesem Zusammenhang geschickt auf den etwas unrühmlichen Einsatz von Constable Flash beim Brand des Hauses der Witwe Nightingale. Flash bekam einen roten Kopf. „Nehmen Sie es nicht so tragisch", tröstete ihn Sara. „Schließlich gibt es hier in Binocle Village noch andere wichtige Aufgaben für Sie!" „Sie haben Recht", seufzte der Constable. „Und außerdem brennt es bei uns sowieso nie." Aber hier irrte Constable Flash. In der folgenden Woche brannte es gleich zweimal. Erst stand Lady Curzons ehemaliger Pferdestall in Flammen und dann Oberst Applebees alte Scheune. Der „Rote Robin" erledigte seine Aufgabe, so gut er konnte. Aber Oberst Applebees Scheune und Lady Curzons Pferdestall wurden trotzdem ein Raub der Flammen. Die Reaktionen der Betroffenen waren recht unterschiedlich. „Wie gut, dass der Brand nicht auf Rockfort Castle übergegriffen hat", seufzte Lady Curzons am anderen Tag erschöpft. „Wie gut, dass meine Scheune ganz abgebrannt ist. Ich wollte sie sowieso im nächsten Jahr abreißen lassen. Und jetzt bezahlt die Versicherung den Neubau", dachte Oberst Applebee und rieb sich heimlich die Hände.
Das Zeltlager „Na, euch hat's wohl tüchtig die Petersilie verhagelt?" erkundigte sich Miss Robinson mitleidig, als Tom und Billy mit trüben Gesichtern an ihrem Haus vorbeischlichen. „Ist doch kein Wunder, wo wir uns so auf die Reise ins Zeltlager nach Schottland gefreut hatten!" klagte Billy. „Und jetzt kriegt Vikar Monster Grippe, alles ist Essig", beschwerte sich Tom. „Wir haben Feuermachen geübt, Lagerfeuer-Kochrezepte ausprobiert und den Plan für ein einfaches Blockhaus entworfen, das wir dort bauen wollten", sagte Tom. „Und jetzt kommt so ein Virus, schnappt sich den Vikar - und alles ist im Eimer." Das war am Dienstag. Umso mehr wunderte sich Sara, als sie am Freitag Tom und Billy mit hochbepackten Fahrrädern am Fenster vorbeilaufen sah. „Na, wo fahrt ihr denn hin?" erkundigte sie sich neugierig. „Ins Zeltlager!" rief Billy vergnügt. „Ich denke, das hat euch ein Virus vermasselt? Ist Vikar Monster so schnell wieder gesund geworden? Als ich ihn am Mittwoch besuchte, hatte er noch ziemlich hohes Fieber." „Nein, gesund ist er leider noch nicht. Aber es geht ihm schon wieder besser", berichtete Tom. „Das große Zeltlager fällt tatsächlich aus. Aber dafür machen wir ein kleines, ganz allein. Statt am Loch Ness zelten wir eben nur am Mühlenteich. Aber das Blockhaus dürfen wir dort auch bauen. Der Förster hat es uns erlaubt!" rief Billy. „Nun, dann viel Vergnügen! Vielleicht besuche ich euch mal!" versprach Sara. „Mit Apfelkuchen?" erkundigte sich Billy gierig. „Frechdachs!" rief Sara und sah den beiden Jungen nach, die sich lachend entfernten. Am Sonntagabend gegen zehn Uhr, als die Zwillinge zusammen mit Nick, Bud, Jimmy und anderen Freunden aus der Pfadfindergruppe in der Nähe des Mühlenteiches an ihrem Blockhaus bastelten, baute zwei Meilen entfernt eine Gruppe von fremd aussehenden Leuten ebenfalls ein Lager auf. Es waren Zigeuner, hauptsächlich Korbflechter. Sie wollten ihre Produkte neben der nahe gelegenen Landstraße an die vorüberfahrenden Touristen verkaufen: Körbe, Taschen und kleine Korbsessel. Kann man es den Zigeunerkindern verdenken, dass sie sich, sobald die Eltern die Wohnwagen abgestellt hatten, auf die nackten Füße machten, um die Umgebung auszukundschaften? Vom Quaken der Enten angezogen, näherten sie sich dem Mühlenteich. Sie versuchten vergeblich, eine Ente zu fangen. Und dann zog ein unwiderstehlicher, herzhafter Duft in ihre Nasen. Am anderen Ufer des Teiches hatte jemand ein Grillfeuer angezündet, und es roch herrlich nach Bratwürsten... Um die gleiche Zeit näherten sich drei Jungen aus Richtung Clockwell dem Mühlenteich. Sie wollten dort angeln. Es war Ricky Fitzgerald mit zwei Freunden. Neugierig stiegen sie von den Rädern und begutachteten die halbfertige Blockhütte. „Haben sie euch zu Hause rausgeschmissen?" erkundigte sich Ricky. „Halt die Klappe!" antwortete Billy unfreundlich, denn er hatte gerade mit dem Hammer seinen Daumennagel heftig getroffen.
„Tja, zielen muss man können", spottete Ricky. „Aber Spaß beiseite. Was macht ihr hier?" „Wir bauen ein Zeltlager", gab Tom höflich Auskunft. „Was wir hier machen, geht euch einen feuchten Staub an", fauchte Billy. Einer von Rickys Begleitern versuchte, mit seiner Angel eines der Grillwürstchen zu schnappen. „Haut bloß ab!" rief Billy mit drohendem Unterton. Wenn es ums Essen ging, verstand er keinen Spaß. „Und überhaupt - was sucht ihr hier an unserem Mühlenteich?" „Fische", antwortete Ricky und lachte. „Das könnte euch so passen, unsere Fische zu angeln/" rief Billy zornig. „Fische sind für alle da", behauptete Ricky. Keiner wusste, wie es geschah. Ein Wort gab das andere, und plötzlich wälzten sich Billy und Ricky kämpfend im Gras. Die anderen standen herum und versuchten, die Kampfhähne zu trennen. Endlich gelang es. Mit zerzausten Haaren und einigen Schrammen standen sich die beiden gegenüber. „Die Würste sind weg!" rief Jimmy empört. „Und wo sind unsere Angeln?" rief einer aus Rickys Gruppe. „Wurstdiebe!" rief Billy. „Angelklauer!" schrie Ricky. Um ein Haar hätte alles wieder von vorne angefangen. Da bat Tom versöhnlich: „Jetzt seid doch bitte vernünftig. Ihr könnt das ganze Lager durchsuchen, aber wir haben die Angeln nicht!" Fluchend suchten die Jungen von Clockwell nach ihren Angeln. Aber sie waren und blieben auf rätselhafte Weise verschwunden. Schimpfend und unter wilden Drohungen zogen sie schließlich ab. „Es muss sie einer gefressen haben, genau wie die Würste", sagte Billy schließlich ziemlich ratlos. „Wir haben sie wirklich nicht", beteuerte Nick. „Wir standen doch alle herum und haben zugesehen, wie ihr euch gekloppt habt!" „Los jetzt, an die Arbeit! Vergesst das Ganze! Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch das Dach auf das Blockhaus kriegen wollen!" „Ich brech' zusammen. Ich hab' solchen Hunger! " jammerte Billy. Aber keiner hatte Mitleid mit ihm.
Ein Feuer zuviel Das Fundament für das Blockhaus war nach den Plänen schnell gelegt. Dann fügten die Jungen die Stämme Schicht auf Schicht übereinander. Das war anstrengend, aber die Arbeit machte ihnen Spaß. Gegen fünf Uhr kam der Förster vorbei. „Donnerwetter. Ihr habt aber ordentlich geschuftet!" lobte er die Jungen. „Vielen Dank, dass Sie uns das Bauholz hergerichtet haben. Es passt alles ganz prima. Wir müssen fast nichts mehr zurechtsägen", sagte Tom. „Gern geschehen. Meine Waldarbeiter hatten sowieso gerade in der Gegend zu tun. Und wenn die Hütte erst fertig ist, sind sie für den Unterstellplatz sehr dankbar. Außerdem tue ich Vikar Monster sowieso gern mal einen Gefallen. Und ihr könnt die
fertige Hütte benützen, sooft ihr wollt." „Vielen Dank!" sagte Tom. „Ich denke, wir haben es bis morgen geschafft!" Am Abend war das Blockhaus fast fertig. Die Dachbalken lagen auf, nur die Tür und die Fenster fehlten noch. „Das reicht für heute!" sagte Tom schließlich und reckte sich. „Morgen machen wir das Dach dicht und setzen die Tür und die Fenster ein." „Jetzt haben wir uns ein kräftiges Abendessen verdient!" fand Billy. Sie erhitzten mitgebrachte Erbsensuppe auf dem Gestell über dem Lagerfeuer. Billy aß, bis er nicht mehr konnte. Dann fielen ihm schon im Sitzen die Augen zu. „Wir schlafen im Haus, das ist viel gemütlicher als im Zelt, findet ihr nicht?" schlug Nick vor. „Und wenn es regnet, schwimmen wir davon", befürchtete Jimmy. „ Jimmy hat Recht. Da hinten ziehen ganz dunkle Wolken auf. Ich finde, wir schlafen heute noch mal im Zelt", meinte Tom. Wenig später krochen alle in ihre Schlafsäcke. „Gute Nacht! Und wann gibt's Frühstück?" erkundigte sich Billy. „Vor neun kriegt mich keiner aus der Falle!" gelobte Tom. Aber dann kam alles ganz anders... Es war gegen Mitternacht, als Billy einen wunderschönen Traum von einem gegrillten Holzfällersteak hatte. Er schnupperte. Irgendetwas roch angebrannt. Das Steak! Und wenn schon. „Soll es verbrennen, ich bin satt", dachte Billy, den sein Magen drückte, und rollte sich auf die andere Seite. Aber der Brandgeruch wurde immer aufdringlicher. Billy blinzelte im Halbschlaf. War da nicht ein Feuerschein? Plötzlich war er hellwach. Tatsächlich! Es brannte drüben bei der Hütte! „He! Tom! Wach auf! Feuer! Es brennt!" rief Billy und zog heftig an dem dunklen Haarschopf seines Bruders. Dann öffnete er den Reißverschluss und befreite sich aus seinem Schlafsack. „Hol die Feuerwehr", murmelte Tom im Halbschlaf. Billy sprang auf und stieß sich an der Zeltstange. „Wir sind im Zeltlager und nicht zu Hause. Die Feuerwehr nützt uns gar nichts. Los, komm! Wir müssen die anderen wecken und löschen." Billy stürzte ins Freie. Dabei trat er auf Toms Hand. Tom stieß einen ärgerlichen Schmerzensschrei aus. Aber dann sah er zu seinem Entsetzen durch den offenen Zelteingang, dass das Blockhaus tatsächlich in Flammen stand! Tom taumelte ins Freie. Und dann schrie auch er: „Feuer! Feuer! Zu Hilfe, Feuer!" Panik lag in seiner Stimme. Die anderen schossen aus ihren Zelten wie Indianerpfeile. Das mit so viel Mühe aufgerichtete Blockhaus stand in Flammen. Es brannte und knisterte. „Die Schweine! Sie haben Feuer gelegt!" rief Billy und war vor Zorn wie gelähmt. „Löschen!" rief Tom. Er war plötzlich hellwach und wusste genau, was zu tun war. „Nehmt die Waschschüssel und den Suppentopf! Und den festen Plastikmüllsack. Lauft zum See. Schnell!" Das recht frische Holz war noch feucht. Es brannte glücklicherweise nicht so leicht, wie es sich der oder die Brandstifter vielleicht gewünscht hatten. „Zuerst müssen wir dafür sorgen, dass das Feuer den Wald nicht erreicht", sagte Tom, der in brenzligen Situationen immer einen klaren Kopf behielt.
„Billy und Bud, ihr nehmt den Spaten und grabt im Abstand von sechs oder acht Fuß einen Graben um das Haus. Jimmy, los, wir hängen Zeltplanen vor die Fenster- und Türöffnungen, damit das Feuer keine Luft bekommt! Zwischendurch holen wir Wasser vom Mühlenteich." Die ersten waren schon unterwegs zum Wasser. Zunächst zeigte das Löschwasser allerdings überhaupt keine Wirkung. Erst als Tom und Jimmy mit den Zeltplanen die Luftzufuhr einschränkten, wurden die Flammen niedriger. Es qualmte und stank. Als sie schon dachten, sie hätten das Feuer unter Kontrolle, loderte es plötzlich wieder auf und verschlang die Zeltplanen. „Gebt mir die Erde! Die Erde aus dem Graben!" keuchte Tom und schüttete Eimer um Eimer in die Flammen. Als dann die anderen mit einer neuen Wasserladung kamen, schien das Feuer tatsächlich erstickt zu sein. Doch da züngelte an der Rückseite eine Flamme aus dem Haus! Billy bekämpfte sie mit Erde. Leider vergeblich. „Den Graben! Macht den Graben fertig!" rief Tom. „Die Hütte ist verloren. Jetzt müssen wir den Wald retten. Füllt den Graben mit Wasser." Mit Bedauern sahen die Jungen zu, wie die glühenden Balken nach und nach in sich zusammensackten. Das Feuer strahlte eine Hitze aus, dass es kaum auszuhalten war. Unermüdlich schleppten die Jungen Wasser herbei, um den mittlerweile ausgehobenen Graben zu füllen. Tatsächlich gelang es ihnen, den Brand am Graben zu stoppen. Bald war die Hütte nur noch ein glühender Holzhaufen. Sie sah aus wie der Rest eines riesigen Lagerfeuers. Total erschöpft und rußverschmiert sahen sich die Jungen an. „Wenn Billy nicht aufgewacht wäre, was dann?" sagte Tom. „Und wenn du nicht die Idee mit dem Graben gehabt hättest, dann würde jetzt der Wald brennen", seufzte Bud. „So was lernt man bei den Pfadfindern", sagte Tom. „Wenn ich den erwische, der uns das eingebrockt hat", sagte Billy und starrte grimmig in die Glut. „Die von Clockwell vielleicht?" mutmaßte Bud. „Wir können nicht einfach Leute verdächtigen, nur weil wir sie nicht leiden können", meinte Tom. „Sie haben unsere Würste geklaut", knurrte Billy. „Wie denn?" sagte Tom. „Ich hab' mir das vor dem Einschlafen noch mal genau überlegt. Ich hatte die drei nämlich bei der Rauferei dauernd im Blick. Und der Grill mit den Würsten stand hinter meinem Rücken. Sie können die Würste gar nicht genommen haben." „Außerdem hätten sie sich ganz schön die Schnauzen verbrannt. Wenn sie vorher die heißen Würste vom Grill verschlungen hätten, dann hätten sie hinterher nicht so' ne freche Lippe riskiert", sagte Bud. „Und die Angeln sind schließlich auch verschwunden", meinte Jimmy. „Die werden doch nicht ihre eigenen Angeln klauen und dann solchen Stunk machen." Das leuchtete allen ein. „Wer war dann der Wurst- und Angeldieb? Und wer war der Brandstifter!" grübelte Bud. „Der Feuerteufel", sagte Billy finster. „Jetzt sind wir genauso schlau wie vorher", fand Jimmy und blickte zu Boden.
„Ein Gutes hat die Sache aber doch", sagte Billy nach einer Weile. „Wir können in der Glut unseren Toast zum Frühstück rösten." „Billy, du denkst auch bloß immer nur an eines ...", sagte Tom tadelnd. „Hast du den Brand gerochen oder ich?" entgegnete Billy gekränkt. „Ist ja schon gut", sagte Tom versöhnlich. „Lass mal, ich hab' auch Hunger", gestand Bud. „Na, seht ihr", sagte Billy. „Jetzt machen wir erst ein Frühstück, dann sehen wir weiter." Alle waren sich einig, dass etwas unternommen werden musste. Aber was? „Wir müssen zu Hause Bescheid sagen", meinte Tom. „Bloß nicht! Mama wollte uns sowieso nicht alleine hierher lassen. Wenn die das von dem Brand erfährt, ist es mit dem Zeltlager aus und vorbei", befürchtete Billy. „Wir sollten Constable Flash verständigen", schlug Bud zögernd vor. „Den erst recht nicht! Der behauptet schließlich noch, wir hätten heimlich geraucht und die Hütte selbst angesteckt", protestierte Billy. „Das kennt man ja!" „Ich finde, wir sollten zuerst Vikar Monster und Miss Robinson Bescheid sagen", meinte Tom. „Ich glaube, die wissen am besten, was zu tun ist." Sara Robinson war gerade beim Frühstück, als Tom angeradelt kam. „Wie siehst du denn aus? Total abgebrannt, wie?" rief Sara überrascht. „Können Sie hellsehen?" wunderte sich Tom. „Nein, aber ich hab' eine gute Nase. Komm mal rasch rein. Na, wo brennt's denn?" „Gute Frage", sagte Tom mit Galgenhumor. „Heute Nacht ist unser fast fertiges Blockhaus abgebrannt..." Und dann schilderte er rasch, was geschehen war. Sara Robinson hörte aufmerksam zu, wie es ihre Art war. Auch die kleinste Kleinigkeit entging ihr nicht. „Ihr denkt also, es war der Feuerteufel", vergewisserte sich Sara, als Tom mit seinem Bericht fertig war. „Vermutlich", sagte Tom düster und nickte. „Ich werde mich um die Angelegenheit kümmern", versicherte Sara und dachte dabei an das Gespräch mit Inspektor Higgins. „Ich glaube, der Brandstifter hat einen Fehler gemacht!"
Die alte Kaminuhr Sara Robinson sah auf die alte Uhr auf dem Kaminsims. Der Zeiger stand immer noch auf fünf vor zwölf - wie vor einer Stunde, wie gestern, wie vor vierzehn Tagen! „Ich sollte sie endlich einmal reparieren lassen", brummte Sara und ärgerte sich ein wenig, dass sie das nicht schon längst getan hatte. Kurz entschlossen wickelte sie die alte Kaminuhr in ein Handtuch und packte sie in den Einkaufskorb. In dem kleinen Einkaufszentrum, wo sie Salat und Fischfilet fürs Mittagessen einkaufen wollte, hatte vor kurzem ein hübscher, neuer Uhrenladen eröffnet. Dort konnte man den Schaden sicher rasch beheben. Als sie jedoch ein wenig später die alte Uhr in dem Geschäft auspackte, machte der junge Uhrmacher ein recht kritisches Gesicht. Er klemmte sich eine Lupe ins linke Auge, begutachtete das Innenleben der Uhr und meinte dann: „Tut mir leid, Madam,
aber die Feder ist kaputt. So eine bekommt man gar nicht mehr. Bei diesen alten Uhren lohnt sich die Reparatur meist nicht. Ein guter Rat: Warum kaufen Sie nicht eine unserer hübschen und preiswerten Quarzuhren?" „Ich werd' es mir überlegen!" brummte Sara, wickelte die Uhr wieder sorgfältig in das Handtuch und ging. Sie war ein wenig ärgerlich. Neulich war es ihr mit dem Staubsauger genauso ergangen. Reparatur? Viel zu teuer. Wegschmeißen und etwas Neues kaufen war die Devise. Sara schüttelte den Kopf. Das war etwas, das ihr gar nicht behagte. Dazu war sie viel zu sparsam erzogen worden. Außerdem hing sie an der alten Uhr. Sie stammte noch von ihrem Vater. Zugegeben, sie war nicht besonders hübsch. Aber sie ging auf die Minute pünktlich - wenn sie ging. Und deshalb wollte Sara sie auch wieder auf ihrem Kaminsims stehen haben. Sie erledigte ihre Einkäufe, und als sie nach Hause kam, war sie wieder guter Laune, denn plötzlich war ihr jemand eingefallen, der die Uhr vielleicht reparieren konnte: der alte Henderson in Clockwell! Der hatte zwar sein Uhrengeschäft längst verkauft und lebte im Ruhestand; aber immerhin hatte er im vergangenen Jahr noch die Kirchturmuhr von Binocle Village repariert. „Den alten Henderson wollte ich sowieso mal besuchen", überlegte Sara. „Vielleicht kann er mir etwas über diesen Ricky Fitzgerald erzählen ..." Gleich nach dem Essen machte sich Sara auf den Weg. Henderson freute sich riesig über ihren Besuch. „Selbstverständlich werde ich diese hübsche, alte Uhr reparieren", versprach er. „Es wird allerdings etwas dauern, bis ich die Feder beschaffen kann." „Das macht nichts", sagte Sara. „Hauptsache, ich muss nicht eine von den modernen Quarzuhren neben das altmodische Bild meines Vaters auf den Kaminsims stellen." Sie sprachen eine Weile von den guten alten Zeiten und kamen aber dann schnell auf die Gegenwart zurück. „Ich muss jetzt zurück. Ich hab' versprochen, Kitty Applebee zu besuchen", sagte Sara. „Ich fand, dass sich die kleine Kitty als Stürmerin beim Rugby-Spiel fabelhaft geschlagen hat", meinte der alte Henderson. „Ich auch. Aber dieser Ricky Fitzgerald hat Beschwerde eingelegt!" bemerkte Sara. „Ach der", sagte Henderson mit einer geringschätzigen Handbewegung. „Der kann es nur nicht vertragen, wenn einer besser ist als er. Er ist genauso ehrgeizig wie sein Vater. Der will immer der erste sein, das war schon früher so." „Jetzt ist er es ja. Er ist schließlich der Ober-Feuerwehrhauptmann unserer gemeinsamen Feuerwehr", sagte Sara. „Sehr zum Kummer von Constable Flash übrigens." „Nun, das ist ein Job, um den ich niemanden beneide. Jedenfalls hat Joe Fitzgerald in den letzten Tagen kaum ein Auge zugetan. Vorgestern brannte das Haus des Bürgermeisters bis auf die Grundmauern nieder. Es heißt zwar, dass er sowieso bald ein neues bauen wollte. Na, du weißt ja, wie die Leute so reden. Aber ein Schreck war es schon. Als der Bürgermeister von seiner Dienstreise zurückkam und vor den Trümmern stand, war er ganz schön geschockt ..." „Hat man hier in Clockwell eigentlich eine Ahnung, wer hinter der ganzen Sache stecken könnte?" „Wir wissen nichts Konkretes", antwortete Henderson. „Es gibt einige verdächtige Zigeuner, die durch die Gegend ziehen, und Ricky Fitzgerald will zweimal einen betrunkenen Landstreicher gesehen haben, als er zur Brandstelle kam."
„Dieser Ricky Fitzgerald, was ist das eigentlich für ein Bursche?" erkundigte sich Sara beiläufig„Ehrgeizig, das sagte ich schon. Aber sonst nett, höflich und hilfsbereit. Sein selbstloser Einsatz bei der Brandbekämpfung hat sogar Schlagzeilen gemacht. Einmal ist er als letzter noch ins brennende Haus gerannt, um nach einem Kind zu suchen. Das war dann aber Gott sei Dank schon zu seiner Großmutter gelaufen." „Klingt ja sehr positiv", meinte Sara, die sich ihre eigenen Gedanken machte. „Er wurde von der Zeitung und im Radio interviewt und sogar zum Helden des Monats oder so ähnlich erklärt. Das scheint ihm allerdings ein bisschen zu Kopf gestiegen zu sein", fügte Henderson hinzu und stopfte seine Pfeife. „Er hat vorgestern beim Feuerwehrfest ziemlich damit angegeben." „Bei uns hat es auch wieder gebrannt", sagte Sara und erzählte ihrem Freund, was ihr Tom und Billy am Vortag von der Brandnacht im Wald berichtet hatten. „Glaubst du, dass Ricky Fitzgerald auf diese Weise eine alte Rechnung begleichen wollte?" Sie berichtete von dem Streit der Jungen am Mühlenteich. Der alte Henderson schüttelte energisch den Kopf. „Nein! Dass Ricky bei einer Brandstiftung seine Hand mit im Spiel hat, halte ich für ausgeschlossen. Außerdem war er doch gestern Nacht beim Feuerwehrfest in Clockwell. Da hab' ich ihn persönlich gesehen", sagte er. „Nun, es war auch nur so eine Vermutung von mir, das heißt, eigentlich von Tom und Billy. Der Streit um die Würste hat sie ziemlich aufgeregt ..." „Nein, Ricky ist nicht der Typ, der Grillwürste klaut", sagte Henderson bestimmt. „Außerdem sind doch auch die Angeln verschwunden. Also muß da doch noch jemand anderer gewesen sein." „Der geheimnisvolle Unbekannte, wie so oft", seufzte Sara. „Doch eines steht fest: Man muss diesem Feuerteufel das Handwerk legen, so schnell es geht." „Wenn ich irgendwie helfen kann...", erbot sich Henderson. „Augen und Ohren offen halten", sagte Sara. „Das will ich gerne tun", versprach Henderson.
Die Würstchenfalle Als Sara mit Kitty zum Mühlenteich kam, saßen Tom, Billy, Nick, Jimmy und Bud mit düsteren Mienen vor der Brandstätte. „Hallo, ihr Sauertöpfe!" rief Kitty fröhlich und sprang vom Rad. „Ich hab' euch was mitgebracht!" Sie deutete auf den Korb auf ihrem Gepäckträger. „Ist da was zu essen drin?" erkundigte sich Billy und gab sich Mühe, sein Entsetzen über das unverhoffte Auftauchen seiner bestgehassten Freundin zu verbergen. „Etwas zum Fressen Süßes!" rief Kitty und lachte. „Aber es gehört mir ganz allein. Dreimal dürft ihr raten." Aus dem Korb erklangen seltsame Geräusche. Als Kitty ihn auf den Boden setzte, wackelte er hin und her. „Ein Wackelpudding?" riet Billy. „Falsch!"
„Ein Kassettenrekorder", riet Bud. „Auch falsch!" „Ein Marsmännchen", sagte Tom. „Schon besser!" antwortete Kitty. Sie machte den Deckel auf und hob einen kleinen salz- und pfefferfarbenen Hund heraus, der mit einem mächtigen Satz auf den Boden sprang. „Er heißt Schnuff. Erst wollte ich ihn ja Billy nennen, aber ..." Billy warf Kitty einen Blick zu, der Bände sprach. „Kitty ist bis zum Wochenende zu Hause, weil in der Schule die Röteln ausgebrochen sind", erklärte Sara. „Und sie wollte euch unbedingt sehen. Außerdem hat sie eine Idee ..." „Kittys Ideen kennt man ja!” stänkerte Billy. „Außerdem habe ich Vikar Monster Bescheid gesagt. Er sagt, ihr hättet euch sehr umsichtig verhalten. Er hofft, dass er morgen oder übermorgen herauskommen kann." „Der Förster war auch schon hier, um sich den Schaden anzusehen", berichtete Tom. „Er meint, wir sollten uns nicht entmutigen lassen und aus dem restlichen Holz eine neue, etwas kleinere Hütte bauen." „Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er nicht so recht an Brandstiftung glaubt und im Stillen denkt, dass wir vielleicht beim Feuermachen unvorsichtig waren", wandte Jimmy ein. „Und wer hat die Würstchen geklaut?" knurrte Billy. „Du glaubst also, dass der Würstchendieb auch der Brandstifter war?" erkundigte sich Kitty gespannt. „Davon bin ich überzeugt!” behauptete Billy. „Dann werden wir ihn fangen!" entgegnete Kitty siegessicher. „Und wie, bitte sehr?" „Mit einer Würstchenfalle!" rief Kitty und sah sich triumphierend um. „Das musst du uns erklären", bat Tom. „Also hört mal gut zu: Billy behauptet, dass der Würstchendieb auch der Brandstifter ist. Jemand, der hier herumschleicht und euch beobachtet. Jemand, der vom Duft der Würste unwiderstehlich angezogen wurde. Stimmt's?" „Stimmt", gab Billy zu. „Meine Idee ist nun", fuhr Kitty eifrig fort, „dass wir das gleiche noch mal machen. Wir legen noch mal Würstchen unbeaufsichtigt, aber deutlich sichtbar als Köder aus." „Auf den Grill? Unbeaufsichtigt? Dann sind sie gleich so schwarz wie die Holzbalken unserer ehemaligen Prachthütte", warf Jimmy ein. „Nein, nicht auf den Grill, sondern auf einen Tisch, ein Brett oder ähnliches. Man muss die Dose mit den Würstchen schon von weitem blitzen sehen. Der Dieb schleicht sich heran, klaut sie und verschwindet. ” „Und bis wir da sind, ist er über alle Berge!" spottete Billy. „Na und? Wir werden ihm folgen, weil er eine deutliche Spur hinterlassen wird...", erklärte Kitty listig. „Spinnst du?" erkundigte sich Billy freundlich. „Jetzt lass sie doch mal in Ruhe ausreden", bat Bud. „Ich habe die Dose nämlich präpariert. Ich habe durch das Brett einen winzigen Nagel geschlagen und in den Dosenboden zwei Löcher gemacht. In dem einen steckt der
Nagel. Wenn der Dieb nun die Dose anhebt, tropft der Würstchensaft durch das zweite, größere Loch auf den Boden, wenn er davonrennt." „Ich versteh' immer noch nicht... Wenn er Kieselsteine oder Brotkrumen verstreuen würde, dann könnte ich der märchenhaften Spur geistig folgen. Aber Würstchensaft?" Billy verkörperte den Zweifel in Person. „Ich weiß jemanden, der dieser Spur geistig folgen kann", sagte Kitty und fügte nach einer wirkungsvollen Pause hinzu: „Schnuff!" „Das ist keine schlechte Idee", gestand Jimmy. „Der Hund riecht den Würstchensaft und verfolgt den Dieb bis zu seinem Versteck. Und wir folgen Schnuff." „Wer garantiert uns, dass Hauptkommissar Schnuff die Spur auch findet?" spottete Billy. „Das hab' ich ausprobiert", sagte Kitty. Sie holte eine riesengroße Würstchendose aus ihrem Korb und klopfte mit einem Nagel und einem Stein zwei Löcher hinein. „Wenn ein Loch verstopft ist, fließt nichts heraus. Seht ihr?" Sie drehte die Dose um und hielt dabei das eine Loch mit dem Daumen zu. „Tom, bitte, halt Schnuff fest und geh mit ihm hinters Haus." Tom nahm Schnuff und Kitty die Dose und rannte davon. Sie schlug einen Bogen und kam wieder zurück. Dann rief sie Schnuff. „Schnuff, such!" rief Kitty und setzte ihn auf die Würstchenspur. Schnuff fegte los und schnüffelte. Die Kinder hinterher. In einem großen Bogen, genau wie vorher Kitty, kamen sie zum Haus zurück. „Seht ihr, es funktioniert!" jubelte Kitty. „Er ist nämlich auf Fuchsjagden dressiert. Dabei wird von einem Reiter tropfenweise ein Duftstoff verteilt, der nach Fuchs riecht. Und dem müssen die Hunde folgen. Da dachte ich mir, vielleicht geht es auch mit Würstchensaft. Würstchen mag Schnuff nämlich für sein Leben gern." Sie öffnete die Dose und gab Schnuff ein Würstchen als Belohnung. „Den Rest dürft ihr essen", sagte Kitty gönnerhaft. „Das ist wirklich toll!" staunte Jimmy. Auch die anderen waren beeindruckt. Nur Billy hüllte sich zunächst in Schweigen. „Und wenn die Diebe auf den Köder gar nicht hereinfallen, was dann?" fragte Billy schließlich. „Wir werden ja sehen", meinte Kitty. „Es ist wirklich schwer, dich für etwas zu begeistern, Billy." „Ich finde, wir sollten uns jetzt an die Arbeit machen", schlug Tom vor. „Und ich baue die Falle", sagte Kitty. „Ich helfe dir", erbot sich Jimmy.
Kommissar Schnuff ermittelt Die Kinder arbeiteten mit bewundernswerter Energie an dem neuen Blockhaus. Als es Abend wurde, war es schon so weit gewachsen, dass es Kitty bis zum Kinn ging. Kitty hatte unheimlichen Spaß daran, zu hämmern und auf den Balken herumzuturnen. Dann meldete sich wieder Billys Magenwecker, und er verkündete, dass eigentlich Abendbrotzeit sei. „He, Kitty, könntest du dich nicht beim Kochen nützlich machen?" schlug er vor.
„Wieso ich?" fragte Kitty. „Kochen ist Weibersache", verkündete Billy. „Ich glaub', du spinnst", antwortete Kitty. „Wenn du Hunger hast, kannst du dir selbst was machen. Ich hab' keinen Hunger. Außerdem macht es mir viel mehr Spaß weiterzubauen." „Blöde Kuh!” brummte Billy. „Ich finde, dass sie recht hat", sagte Jimmy versöhnlich. „Komm, Billy, wir beide kochen. Ich helfe dir." „Autsch", rief Billy, denn er hatte sich in seinem Ärger über Kitty mit dem Hammer auf den Zeigefinger gehauen. Dann machte er sich mit Jimmy daran, die Vorräte zu sichten. Es waren noch zwei Dosen Gulasch da. „Dazu wollten wir doch Nudeln kochen", erinnerte sich Jimmy. „Ich mache Feuer unter dem Wasserkessel. Öffne du schon mal die Dosen!" „Wo ist der Dosenöffner?" „In meinem Rucksack!” rief Tom. Billy machte sich missvergnügt an die Arbeit. Der Dosenöffner, ein ziemlich altes Modell, rutschte vom Dosenrand ab, und Billy schnitt sich an der scharfen Kante des Dosendeckels. Fluchend leckte er die leicht blutende Stelle und warf Kitty, die schließlich an allem schuld war, einen vorwurfsvollen Blick zu. „Pflaster ist in meiner Satteltasche", rief Kitty ungerührt von oben herab und setzte mit Bud einen neuen Balken. Als das Nudelwasser kochte, rief Jimmy: „Aufhören! Pfoten waschen! Schüsseln holen. In zehn Minuten können wir essen." Als sie friedlich vereint ums Lagerfeuer saßen, waren alle Missstimmigkeiten vergessen, und mit vollem Magen war auch Billy wieder ein verträglicher Mensch. Sie erzählten sich Geistergeschichten und uralte Witze, über die so gelacht wurde, als habe man sie eben zum ersten Mal gehört. „Wir müssen Kittys Zelt noch aufbauen", sagte Bud schließlich. Die Zelte standen so, dass sie einen Halbkreis bildeten und die Eingänge zur Mitte lagen. „Mann, die reinste Wüstenei", sagte Kitty, als sie einen Blick in die Zelte der Jungen warf. „Wann hätten wir aufräumen sollen? Wir mussten schließlich den ganzen Tag arbeiten", sagte Jimmy und gähnte. Es war wirklich ein langer und anstrengender Tag gewesen. „Na, das mit deiner Würstchenfalle war wohl auch ein Schuss in den Ofen", meinte Billy mit einem Blick auf die große Würstchendose, die im Mondlicht silbern glänzte. „Wart’s doch ab!” sagte Kitty. „Entweder ist die Dose morgen noch da, dann gibt es Würstchen zum Mittagessen. Oder sie ist weg. Dann gibt es eine Verfolgungsjagd statt Frühstück!" „Ich weiß nicht, was ich lieber möchte", knurrte Billy und verzog sich in sein Zelt. Bald war Stille auf der Waldlichtung eingekehrt. Alle schliefen tief und fest. Leider auch Schnuff. So hörte er das leise Knacken im Gebüsch nicht und auch nicht das Tappen von leichten, schnellen Füßen... Als Billy gegen fünf mal rausmusste, weil er am Abend zuviel von dem Zitronentee getrunken hatte, stutzte er: Die Würstchendose war weg! „He! Kitty, deine Dose ist weg!" rief Billy halblaut. Es dauerte eine Weile, bis Kitty begriffen hatte, was los war, und verschlafen aus dem Zelt kam.
„Wir müssen die anderen wecken und die Spur verfolgen", sagte Kitty aufgeregt. Am schwierigsten war es, Schnuff wachzubekommen, der sich neben Kittys Schlafsack in seine Decke gekuschelt hatte. Kitty zog ihn am Nacken heraus. „Schnuff! Such! Los, such schön!" bat Kitty. Schnuff dehnte sich und gähnte. Er machte eine Brücke und streckte alle viere wieder von sich. Dann rollte er sich im nassen Gras. Jetzt erst schien er ansprechbar zu sein. „Das macht er immer nach dem Aufstehen", entschuldigte sich Kitty. Und dann wandte sie sich wieder an ihren Superagenten: „Die Spur, Schnuff! Such, los, such!" Sie deutete auf den Boden, wo das Brett mit der großen Würstchendose gelegen hatte. Auf dem Brett waren die Nagelspitze zu erkennen und ein paar Saftspritzer. Schnuff schnupperte daran, kräuselte die Nase und nahm die Spur auf. Die Kinder, die rasch in ihre Schuhe geschlüpft waren, liefen hinterher. Die Spur ging querfeldein, über Stock und Stein, und dann in den Wald hinein. Es fiel ihnen schwer, mit Schnuff Schritt zu halten, weil sie aufpassen mussten, dass sie sich nicht an den Ästen stießen oder an Dornen und Ranken hängen blieben. Schnuff hatte es leicht, er kam überall durch. Nach knapp zehn Minuten kamen sie an einen Waldweg, der zu einem Wiesenparkplatz führte. Dort standen verschiedene Wohnwagen und Autos mit Anhängern. Zwischen ihnen waren Wäscheleinen gespannt, und auf einem der Anhänger waren Körbe festgebunden. „Die Korbflechter!" rief Billy. „Psst. Leise", sagte Tom. „Wir wollen erst mal sehen, was Schnuff macht." Schnuff lief zum Rand des Parkplatzes, wo ein runder schwarzer Fleck verriet, dass dort vor nicht allzu langer Zeit ein Feuer gebrannt hatte. Dann blieb er vor einem Gegenstand stehen und bellte. „Psst! Bist du verrückt. Du weckst ja alle auf! ” rief Bud. Aber da ging schon in einem der Wagen das Licht an. „Die Würstchendose!" rief Billy überrascht. Die Tür des Wohnwagens wurde geöffnet. „Legt euch flach auf den Boden ins Gras!” flüsterte Tom aufgeregt. Er hatte keine Lust auf einen nächtlichen Streit. Ein Mann in Unterhemd und Trainingshose kam heraus und rief: „Was ist da los?" Schnuff bellte. „Willst du wohl abhauen, verflixter Köter!" rief der Mann und warf einen Stein nach Schnuff. Glücklicherweise verfehlte er ihn um wenige Meter. Schnuff rannte hinter dem Stein her, um ihn zu holen, wie er es immer bei Kitty machte. Der Mann dachte, er habe den Hund durch seinen Steinwurf endgültig in die Flucht geschlagen, und ging brummend in seinen Wohnwagen zurück. Gleich darauf erlosch auch das Licht. „Was machen wir jetzt?" fragte Billy. „Die Dose mitnehmen und als Beweismaterial sichern", schlug Kitty vor. „Ich finde, es ist besser, wir lassen die Dose hier und verständigen morgen Constable Flash. Der soll den Fall untersuchen", schlug Tom vor. „Und was machen wir, wenn die morgen behaupten, dass das ihre eigene Würstchendose ist?" wollte Jimmy wissen. „Ganz einfach. Dann fragen wir sie, wie die Löcher in den Boden der Dose kommen und wer Kitty auf das Etikett geschrieben hat!" sagte Kitty. Jetzt kam Schnuff mit dem Stein zurück, legte ihn Kitty vor die Füße und bellte. „Braver Hund!” lobte ihn Kitty. „Aber jetzt sei still!" „Wuff!” machte Schnuff. Da ging im Wohnwagen wieder das Licht an.
„Nichts wie weg!” rief Tom. Die Kinder machten sich auf den Rückweg, so schnell sie konnten. Constable Flash ermittelt Als am nächsten Tag gegen zwei Uhr Constable Flash mit seinem Polizeiwagen beim Lagerplatz der Korbmacher eintraf, umringten ihn neugierige Kinder. Würdevoll stieg er aus, zog seinen Gürtel zu Recht und schritt mit stolzgeschwellter Brust auf den größten Wagen zu. „Wer ist hier der Boss?" erkundigte er sich. „Ich!" sagte lachend eine rundliche, braungebrannte Mami, die einen Eimer mit Waschwasser kurz vor den Füßen des Constable auf die Wiese schwappen ließ. „Ich mache hier keine Witze. Ich bin dienstlich hier!" sagte der Constable streng. „Um was handelt es sich? Wir haben eine Genehmigung, hier zu lagern, wenn es das ist, was Sie sehen wollen." Sie zog einen ziemlich verschmierten Zettel aus ihrer Schürzentasche. „Nein, es handelt sich um etwas Ernsthaftes", wehrte der Constable ab. „Was ist denn los? Krieg' ich jetzt meine Suppe oder nicht?" meldete sich eine ungehaltene Stimme aus dem Wohnwageninneren. „Schließlich muss ich wieder zum Verkaufsstand zurück." „Dann musst du dich eben um diesen Herrn kümmern, Herbert", sagte die Frau. „Es handelt sich angeblich um etwas Ernsthaftes." Ein bärtiger Kopf mit krausen, schwarzen Haaren sah aus der Wohnwagentür. „Von der Polizei? Was wollen Sie?" erkundigte er sich argwöhnisch. Offenbar hatte er schon schlechte Erfahrungen mit uniformierten Mitmenschen gemacht. „Was will man uns denn schon wieder in die Schuhe schieben?" „Eine Dose Würstchen", sagte der Constable wahrheitsgemäß. Der Bärtige sah ihn verständnislos an, als zweifle er an seinem Verstand. „Eine Dose was?" „Eine Dose Würstchen", wiederholte der Constable tapfer. Und als sich jetzt der kräftige Mann in voller Größe aus dem Wagen schob, schien Flash neben ihm immer kleiner zu werden. „Es ist nämlich so", erklärte der Constable schnell. „Beim Mühlenteich ist eine Dose Würstchen gestohlen worden, und es besteht der Verdacht, dass sie jemand von Ihnen weggenommen hat. Jedenfalls führt die Spur hierher. ” „Ich möchte Ihnen raten, dass Sie möglichst schnell spurlos verschwinden", sagte der Mann. „Ich habe es satt, mich mit Ihren lächerlichen Verdächtigungen auseinanderzusetzen. Immer wenn irgendwo etwas verschwindet, ein Rad geklaut wird, ein Kind entführt wird - wer wird dann verdächtigt? Wir!" Der Constable nahm allen seinen Mut zusammen und sagte: „Aber die Kinder, denen die Würstchen gestohlen wurden, haben die Spur angeblich bis hierher zu Ihrem Lager verfolgt und..." Sein Blick fiel auf die leere Dose, die unübersehbar neben der kleinen Feuerstelle lag. Seine Augen blitzten hoffnungsvoll auf. Er ging auf die Dose zu und sagte: „Wetten, dass sich darauf Ihre Fingerabdrücke befinden?" „Na klar. Und die von allen unseren Kindern. Weil wir die Würstchen nämlich gestern mit großem Appetit zum Abendessen verspeist haben." „So", sagte der Constable spitz. „Das ist ein Geständnis."
„Ein Geständnis? Essen Sie nie Würstchen? Sagen Sie mal, sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?" Der kräftige Mann ging bedrohlich nahe an Flash heran und sah ihm scharf in die Augen. „Mittelgut", sagte Flash. „Könnten Sie mir erklären, woher diese Würstchen stammen?" „Vermutlich gekauft. Da müssen sie aber meine Frau fragen", sagte der Mann. „Um so was kann ich mich nicht auch noch kümmern. ” „Deine Suppe ist fertig!" rief die Frau aus dem Wohnwagen. „Sonja, kannst du mir sagen, woher die Würstchen stammen?" „Die Kinder haben sie besorgt", antwortete die Frau. „Ja, die Kinder. Dann musst du die Kinder fragen." Der Mann ging brummend in den Wohnwagen, um seine Suppe zu essen. Verhandlungen wie diese überließ er sowieso lieber seiner Frau. „Kann ich bitte die Kinder mal sprechen?" erkundigte sich Flash höflich. „Gerne", sagte die Frau. „Doch wo sind sie?" Sie sah sich überall um. Aber alle ihre Kinder waren wie durch Zauberei plötzlich von der Bildfläche verschwunden. „Aha", sagte Flash und ging auf die Dose zu. Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie genau. „Können Sie mir erklären, wie diese beiden Löcher in die Dose kommen?" Er deutete auf die Löcher im Dosenboden. „Beim Öffnen vermutlich", antwortete die Frau. „Heißt eines ihrer Kinder Kitty?" „Nein, warum?" „Weil dieser Name auf der Dose steht und diese Dose vermutlich einer jungen Dame namens Kitty gestohlen worden ist." „Ich verstehe gar nicht, warum Sie so viel Aufhebens um eine Dose Würstchen machen", sagte die Frau. „Es gibt so viele wichtigere Probleme auf der Welt." „Da haben Sie sicher recht. Aber meine Pflicht ist es auch, mich um die kleinen Dinge zu kümmern, vor allem, wenn sie vielleicht mit größeren Dingen in Zusammenhang stehen." „Das versteh' ich nicht", sagte die Frau verwirrt. „Sie werden es vielleicht besser verstehen, wenn Sie mit Ihren Kindern gesprochen haben", sagte der Constable würdevoll. Dann nahm er die Würstchendose als Beweismaterial an sich, verabschiedete sich und versprach, bald wiederzukommen. „Ich kann es kaum erwarten", sagte die Frau zornig, als sie dem davonfahrenden Polizeiwagen nachsah.
Eine dunkle Begegnung Gegen Abend trafen sich in Clockwell beim Steinkreuz hinter der Friedhofsmauer zwei Männer. Der ältere hatte den Kragen seines dunklen Trenchcoats hochgeschlagen und die Hände tief in den Taschen vergraben. Mit finsterem Blick ging er auf den jüngeren Mann zu, der gerade sein nagelneues Motorrad am Straßenrand aufbockte. „Es ist viel zu gefährlich, dass wir uns hier treffen, mitten in der Stadt", sagte der
Ältere ärgerlich und sah sich nach allen Seiten um, ob sie auch von niemandem beobachtet wurden. „Bei dem Regen ist ein Treffen draußen im Wald, wie Sie es vorgeschlagen haben, wenig verlockend", meinte der Jüngere. „Außerdem bleibt mein Motorrad womöglich im aufgeweichten Boden stecken.” „Schon gut. Aber hab' ich dir nicht gesagt, dass du mich nicht dauernd anrufen sollst?" „Nur noch dieses Mal", sagte der Jüngere. „Ich brauche noch tausend Pfund!” „Du bist wohl verrückt? Du hast die vereinbarte Summe bekommen, und damit basta." „Das Motorrad war teurer, als ich dachte, und in den Urlaub möchte ich damit auch fahren. Als ich in der Zeitung gelesen habe, was die Versicherung bezahlt hat, da dachte ich, eine kleine Gewinnbeteiligung sei gerechtfertigt..." „Du weißt, dass ich die ganze Sache auffliegen lassen kann, und dann landest du wegen schwerer Brandstiftung für die Hälfte deines Lebens hinter Gittern!" „Und Sie wegen Anstiftung und Mitwisserschaft für den Rest Ihres Lebens ebenfalls. Nein, nein, einschüchtern können Sie mich nicht. Wir sitzen im selben Boot. Tausend Pfund - das finde ich einfach gerecht. Schließlich habe ich das größte Risiko bei der Sache getragen. Fast wäre es diesmal schiefgegangen." „Kein Mensch hat dir gesagt, dass du die neugierige Alte niederschlagen sollst!" schimpfte der Mann. „Was hätte ich tun sollen? Sie schnüffelte herum und hatte schon fast mein Motorrad erreicht, das ich im Gebüsch versteckt hatte. Was wollen Sie denn? Sie hat’s doch überlebt. In ein paar Tagen ist sie wieder auf dem Damm. Zäh wie Leder ist die, das kann ich Ihnen sagen. Nun, wie steht’s mit der Kohle?" „Achthundert Pfund und keinen Penny mehr", brummte der Mann. „Und wenn du dich noch mal mit einer solchen unverschämten Forderung meldest, dann wirst du es bereuen." Der Mann kramte erregt in seiner Manteltasche und zündete sich eine Zigarette an. „Kann ich auch eine haben?" bat der Jüngere. „Hier, nimm das Päckchen und hau ab, alter Schnorrer", sagte der ältere Mann ungeduldig. „Und das Geld?" drängte der junge Mann. „Kommt per Post in einem neutralen Umschlag." Der Jüngere grinste, schob sich ebenfalls eine Zigarette zwischen die Lippen, steckte das Päckchen in die Lederjacke und ging zu seinem Motorrad. Er war mit dem Verlauf der kleinen Unterhaltung zufrieden.
Was geschah beim Sägewerk? Sara erwachte in einem blütenweißen Bett im St.-Annen-Hospital. Neugierig sah sie sich um. Eine freundliche, ältere Dame lag im Bett gegenüber. „Wie komme ich denn hierher in Ihre reizende Gesellschaft?" erkundigte sich Sara vorsichtig. „Oh, ich glaube, Sie sind gestürzt und haben das Bewusstsein verloren. Die Ärzte hatten Angst, dass es ein Schädelbruch ist, aber soviel ich gehört habe..." In diesem Augenblick ging die Tür auf, und die Krankenschwester kam ins Zimmer.
„Oh, Miss Robinson! Sie sind aufgewacht? Wunderbar! Ich werde gleich Dr. Roberts benachrichtigen ..." „Halt, halt!" rief Sara. „Können Sie mich vielleicht vorher kurz aufklären, was mit mir passiert ist?" „Das wissen wir selbst nicht so genau", sagte die Krankenschwester zögernd. „Eines ist aber sicher: Sie fuhren mit dem Rad nach Clockwell. Irgendwo hinter dem alten Sägewerk müssen Sie gestürzt sein. Jedenfalls rief uns jemand von der Feuerwehr an. ” „Von der Feuerwehr?" „Ja, denn im Sägewerk brach gleich darauf ein Feuer aus. Ein Glück für Sie, dass man Sie gleich gefunden hat! Allerdings nicht für den armen Mr. Jigsaw. Er war gerade auf einer Parteiversammlung. Sie wissen doch, er kandidiert für den Bürgermeisterposten in Clockwell im nächsten Frühjahr." „Ach, du liebe Zeit. Der arme Jigsaw. Und wieder ein Brand ... Wenn ich mich nur erinnern könnte, was ich dort getan habe...", grübelte Sara, für die alles, was sich an diesem Nachmittag ereignet hatte, in einen Nebelschleier gehüllt war. „Jetzt sage ich Dr. Roberts Bescheid. Dann wollte Sie auch Constable Flash sprechen, sobald Sie aufgewacht sind." „Flash? Muss das sein?" sagte Sara, die plötzlich wieder eine bleierne Müdigkeit überfiel. „Ein paar Minuten nur - das heißt, wenn es der Doktor erlaubt!" Wenig später kam der Arzt. „Hallo, Miss Robinson. Sie machen ja Sachen! Wir hatten schon die schlimmsten Befürchtungen. Aber ich denke, es ist nichts gebrochen. Nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine Platzwunde am Hinterkopf. In ein paar Tagen sind Sie sicher wieder wohlauf." „Ich kann mir das alles gar nicht erklären ...", sagte Sara. „Vielleicht kommt die Erinnerung wieder zurück. Wir müssen eben etwas Geduld haben", sagte Dr. Roberts. „Und jetzt möchte Sie dringend ein glühender Verehrer ein paar Minuten lang sprechen. Ist es Ihnen recht?" Noch ehe Sara Gelegenheit hatte zu fragen, wer denn dieser glühende Verehrer sei, ging die Tür auf, und Constable Flash kam herein. Er war mit einem Blumenstrauß bewaffnet. „Hallo, Miss Robinson", sagte er ein wenig verlegen. „Ich hole eine Vase für die Blumen", sagte die Krankenschwester. Constable Flash war sichtlich erleichtert, dass ihm die Schwester die Verantwortung für das blühende Gestrüpp abnahm. „Ich wollte fragen, wie es Ihnen geht und ob Sie sich erklären können, was passiert ist..." „Ich bin noch sehr müde, und ich kann mich an nichts mehr erinnern", sagte Sara matt. „Wirklich nicht." „Sie waren bei der Sägemühle. Etwa da, wo der Feldweg in die Landstraße mündet. Gleich darauf brach der Brand aus. Ich dachte ..., ich meinte ..., ich glaubte, nun vielleicht haben Sie etwas Verdächtiges bemerkt?" Sara schüttelte traurig den Kopf. „Nichts. Jedenfalls kann ich mich an nichts mehr erinnern."
„Ich nehme nämlich an, dass Sie nicht gestürzt sind, sondern dass Sie einen Schlag auf den Kopf bekommen haben. Der Befund der Ärzte stützt diesen Verdacht", fügte Flash leise hinzu. „Und ich dachte schon, Sie wollten mich wegen Brandstiftung verhaften", sagte Sara und lächelte gequält, weil die Wunde am Kopf plötzlich zog und schmerzte. „Aber Miss Robinson!" rief Flash entsetzt, obwohl er zugeben musste, dass ihm solche Gedanken durch den Kopf geschossen waren, als er Miss Sara auf dem Boden liegen sah, in einer Hand eine Schachtel Streichhölzer. „Ich kam gleich nach dem jungen Fitzgerald, der Sie fand und das Krankenhaus verständigte. Und da sah ich allerdings, dass Sie eine Schachtel Streichhölzer umklammert hielten..." „Eine Schachtel Streichhölzer? - Nein, eine Zigarettenschachtel", erinnerte sich Sara plötzlich. Und mit der Erwähnung dieser Schachtel schien ihr umnebeltes Gedächtnis erleuchtet zu werden. Plötzlich hob sich der Schleier, der die Ereignisse des vergangenen Nachmittags verhüllt hatte, Stück für Stück... Miss Robinson war über die Felder nach Clockwell geradelt, um bei Henderson ihre Kaminuhr abzuholen. Kurz hinter dem Sägewerk war sie vom Rad gestiegen, weil der Weg ziemlich steil bergan ging. Plötzlich sah sie am Wegrand etwas Goldenes schimmern. Sie lehnte ihr Rad an einen Baum, trat einen Schritt zur Seite und bückte sich. Es handelte sich um ein Zigarettenpäckchen. Nun, jedes Ferkel konnte es einfach dort hingeworfen haben. Aber was leuchtete da durch das Gestrüpp? Sie ging noch zwei oder drei Schritte vorwärts, roch plötzlich den Rauch einer Zigarette, spürte einen Schlag auf den Kopf - und dann wusste sie gar nichts mehr... Wie ein Kinofilm liefen diese Ereignisse nun in ihrer Erinnerung ab. Und wenn das Sägewerk in Brand gesteckt worden war, dann bekamen sie plötzlich eine ganz andere Bedeutung! „Was ist? Warum sagen Sie denn gar nichts mehr? Hat Sie unser Gespräch zu sehr angestrengt?" erkundigte sich Flash besorgt. „Nein, ganz im Gegenteil", sagte Sara. „Es hat mich sehr angeregt, und plötzlich erinnere ich mich wieder daran, was geschehen ist... Und ich glaube, ich habe eine Beobachtung gemacht, die nicht ganz unbedeutend ist! ”
Inspektor Higgins macht sich Sorgen Inspektor Higgins räumte die Unterlagen auf seinem Londoner Schreibtisch zusammen. Er freute sich auf sein freies Wochenende. Da klingelte das Telefon. Es war Constable Flash, der ihm kurz von den Ereignissen der vergangenen Tage berichtete. Die Nachricht vom rätselhaften „Unfall" der von ihm so sehr geschätzten Miss Robinson beunruhigte Higgins. Er wollte wissen, was wirklich dahintersteckte. Außerdem hatte er ein dienstfreies Wochenende. Was lag also näher, als den nächsten Zug nach Binocle Village zu nehmen? Als er in seiner Heimatstadt angekommen war, nahm er vom Bahnhof aus ein Taxi zum Krankenhaus. Dort erfuhr er zu seiner Erleichterung, dass Miss Robinson bereits wieder zu Hause war. Als er an der Tür der London Street Nr. 13 klingelte, öffnete Miss Robinson ihm mit einem strahlenden Lächeln. Wäre der weiße Kopfverband nicht gewesen, dann hätte er
geglaubt, die Sache mit dem Unfall sei bloß ein Gerücht gewesen, mit dem ihn Flash nach Binocle Village locken wollte. Bei einer Tasse Tee berichtete Sara, was vorgefallen war. Higgins sah eine Weile nachdenklich vor sich hin und meinte dann: „Die Sache gefällt mir gar nicht." „Noch eine Tasse Tee?" erkundigte sich Sara. Aber Higgins überhörte die freundliche Frage seiner Gastgeberin und fragte: „Hat die Spur mit den roten Motorrädern etwas ergeben?" Sara lächelte. „Vikar Monster war mit Tom und Billy fast jeden Abend bei der Diskothek Tarantel. Dort trifft sich die Motorradjugend von Binocle Village und Clockwell. Sie haben insgesamt sieben Motorräder mit rotem Schutzblech gesichtet. Drei davon waren neu. Eins gehört dem Discjockey, einem jungen Mann aus London, der nur am Wochenende hier ist. Eines gehört Ted, dem Sohn des Tankstellenbesitzers, und eines gehört Ricky Fitzgerald, dem Sohn des Feuerwehrhauptmanns. ” „Die meisten Brände wurden unter der Woche gelegt. Also bleiben als Verdächtige nur Ted und Ricky", überlegte der Inspektor. „Richtig. Und die Besitzer der neuen roten Motorräder, die nicht in der Diskothek waren?" warf Sara ein. „Richtig", stimmte Higgins zu. „Aber da ich den Plakaten am Bahnhof entnommen habe, dass in der letzten Woche eine besonders heiße Londoner Band in der Diskothek ein Gastspiel gab, nehme ich an, dass das die meisten Jugendlichen mit einem fahrbaren Untersatz in die Tarantel gelockt hat." „Trotzdem Fehlanzeige. Flash hat Ted und Ricky vernommen. Sie hatten beide für die Zeit, als das Sägewerk brannte, ein Alibi. Ted war bei seiner Freundin, und Ricky, der keine Freundin hat, war zu Hause. Seine Mutter hat es bestätigt. Sie hat den ganzen Nachmittag gebügelt, und er hat oben Musik gehört und ist nicht aus seinem Zimmer heruntergekommen. Jedenfalls nicht, ehe der Feueralarm gegeben wurde! ” „Wer hat den Brand diesmal entdeckt?" „Bürgermeister Williams persönlich. Er sah die Rauchfahne vom Rathausfenster aus." „Tja, dann weiß ich im Augenblick auch nicht, was wir unternehmen können." „Ich hab' Ihnen doch von diesem Zigarettenpäckchen erzählt. Vielleicht ist es eine falsche Spur. Aber trotzdem würde ich gern herausfinden, welche Zigarettenmarke die beiden rauchen." „Das dürfte nicht allzu schwierig sein", meinte Higgins. „Ich wollte heute Nachmittag sowieso nach Clockwell radeln." „Würde es Ihnen etwas ausmachen, Tom und Billy mitzunehmen? Die wissen über alles bestens Bescheid." „Gern. Ich mag die beiden", sagte Higgins. „Und noch etwas: Würden Sie auf dem Rückweg bei Henderson meine Kaminuhr abholen? Sie ist fertig. Aber passen Sie auf, dass Sie beim Sägewerk keine übergebraten bekommen!" „Nein, nein. Außerdem habe ich ja zwei Beschützer dabei", sagte der Inspektor und lachte. Er war froh, dass Sara trotz ihres Unfalles ihren Humor wieder gefunden hatte.
Die Sache hat einen Haken
Tom und Billy freuten sich, als Inspektor Higgins kam und fragte, ob sie Lust auf einen Ausflug hätten. „Ich bin richtig froh, dass Sie die Jungen etwas unter Ihre Fittiche nehmen, Inspektor. Das Baby hat Masern. Ich kann deshalb nicht aus dem Haus. Und wenn die Jungen sich auf eigene Faust draußen herumtreiben, ist mir nicht ganz wohl, nach allem, was passiert ist", sagte Mrs. Brown besorgt. „Das mach' ich doch gerne", sagte Higgins. „Ich muss mir nur noch irgendwo ein Fahrrad borgen." „Sie können gern das Rad von meinem Mann nehmen. Sie wissen doch, dass er wieder Arbeit gefunden hat? Er fährt jetzt jeden Morgen zu einer Baustelle in der Nähe von London." „Das freut mich", sagte Higgins, der wusste, welche Probleme die monatelange Arbeitslosigkeit von Mr. Brown für ihn und seine Familie gebracht hatte. „Ich hol' schon mal Papas Rad!" rief Billy ungeduldig, denn er befürchtete, der Inspektor könne sich auf eine längere Unterhaltung mit seiner Mutter einlassen. Endlich radelten die drei los. „Den ersten Stopp machen wir bei der Tankstelle!” rief Higgins den Jungen zu. „Ich möchte ein paar Worte mit Ted reden." „Wir sollten vorher Zigaretten kaufen", meinte Billy. „Aber Billy, seit wann rauchst du denn?" fragte Higgins entsetzt. „Die brauchen wir doch für unseren Test", sagte Billy wichtigtuerisch. „Hat Miss Robinson Ihnen nicht davon erzählt?" „Natürlich", antwortete Higgins und lachte vergnügt. „Das hatte ich glatt vergessen!" Mit zwei verschiedenen Zigarettenmarken bewaffnet, näherten sie sich der Tankstelle. Sie hatten Glück. Teddy machte Dienst. Higgins ging zu ihm und erkundigte sich nach den Preisen für die Gebrauchtwagen, die neben der Tankstelle vor sich hinrosteten. „Ein wenig mühsam mit dem Fahrrad, wenn man älter wird, wie?" sagte Ted und grinste. „Na, na, so alt bin ich nun auch wieder nicht", protestierte Higgins. Er kramte in seiner Jackentasche und fragte: „Zigarette?" „Ne, danke! Ich rauche nicht. Und überhaupt Sie sollten sich das hier an der Tankstelle lieber verkneifen!" „Vernünftiger Junge!" brummte Higgins. „Und was die Autos betrifft, es ist leider nicht das richtige dabei!" Die drei verabschiedeten sich von Teddy. „Fehlanzeige", knurrte Billy, und es klang enttäuscht. „Die nächste Station ist Fitzgerald", sagte Tom, und sie schwangen sich wieder auf die Räder. Als sie ankamen, war Ricky gerade damit beschäftigt, sein Motorrad zu polieren. „Heißer Ofen!" sagte Higgins und blieb bewundernd stehen. „Von so was hab' ich als Junge immer geträumt." „Möchten Sie mal 'ne Runde drehen, Inspektor?" fragte Ricky stolz. „Aber gern", antwortete Higgins gespielt erfreut, obwohl er Motorräder hasste, weil ihm immer schlecht wurde, wenn es in die Kurven ging. „Bin gleich fertig", sagte Ricky und polierte mit einem weichen Lappen die Chromteile. „Von dir hört man ja tolle Sachen", sagte der Inspektor.
„Man tut, was man kann", sagte Ricky. „Aber trotzdem hoffe ich, dass es bald einmal mit den Bränden aufhört. Man kann ja kaum mehr ruhig schlafen. Außerdem verdächtigt jeder jeden. Stellen Sie sich vor, Constable Flash hat sogar mich verhört. Aber der tickt sowieso nicht ganz richtig. Den hätten Sie mal beim Löscheinsatz in Clockwell sehen sollen ..." „Nun, es ist eben nicht jeder so geschickt wie du." „Ein bisschen Training gehört halt auch dazu. Ich mache in meiner Freizeit Bodybuilding, und Klettern hat mir mein Vater schon als Kind beigebracht. Das bringt was, wenn man schnell jemanden aus einem brennenden Haus holen soll", erläuterte Ricky stolz und sah den Inspektor an. „Und wie kam Constable Flash auf die Idee, dass du...?" „Keine Ahnung. Er hat viele Leute verhört. Na, glücklicherweise hatte ich ein Alibi. Wer denkt schon an so was? So - jetzt bin ich fertig. Steigen Sie auf, Inspektor!" Higgins fasste all seinen Mut zusammen und stieg auf die Maschine. Dabei warf er Tom und Billy einen verzweifelten Blick zu. Dann ließ Ricky den Motor aufdröhnen, der Inspektor klammerte sich fest, und ab ging die Post. „Mann", staunte Billy und starrte den beiden beeindruckt nach. „Wir sollten uns in der Zwischenzeit hier mal umsehen", meinte Tom. „Wonach?" erkundigte sich Billy. „Zum Beispiel nach einem Hinterausgang." „Du meinst, dass er vielleicht das Haus verlassen hat, ohne dass es seine Mutter bemerkte?" Tom nickte. Sie gingen um das Haus herum. Es hatte aber keinen Hinterausgang. Nicht einmal eine Kellertreppe. „Vielleicht ist er durchs Fenster abgehauen?" sagte Billy. „Er hat sein Zimmer oben." „Woher weißt du das?" „Seine Mutter sagte doch, dass er herunterkam", erinnerte sich Tom und ließ seinen Blick nach oben schweifen. „Da könnte er herunterspringen, aber er käme nicht wieder hinauf.” „Hat er nicht gerade gesagt, dass er schon als Kind klettern gelernt hat?" überlegte Tom. „Schon. Aber da gibt es nicht mal 'ne Regenrinne, und die Wand ist glatt verputzt. An der kommt er nie hoch. ” „Moment mal, Brüderchen. Vielleicht doch!" rief Tom und ging auf das Haus zu. Ihm war etwas aufgefallen. Jetzt sah es auch Billy: Da war ein Mauerhaken oberhalb eines Fensters im ersten Stock angebracht. Sie gingen näher an das Haus heran. Gerade als sich Billy bückte und interessiert ein Tau betrachtete, das in der Kellerfensternische lag, sagte eine strenge Stimme: „He, was macht ihr da?" Erschrocken fuhren die Zwillinge herum. „Wir ... wir warten auf Ricky. Der dreht mit dem Inspektor gerade eine Runde auf seiner Maschine", sagte Billy schnell. „Trotzdem habt ihr hier nicht herumzuschnüffeln. Verschwindet! Hab' es nicht gern, wenn sich jemand zu nah an meinem Haus herumtreibt in diesen Tagen. Womöglich noch mit Streichhölzern in der Hosentasche, wie?" „Entschuldigung", stammelte Tom. „Aber wir wollten wirklich nicht..." „Na, schon gut. Verschwindet! Und wartet vorne am Haus, wie sich's gehört." Brummend verschwand der alte Joe Fitzgerald im Haus.
Glücklicherweise kamen Ricky und der Inspektor bald wieder zurück. Kreidebleich und mit weichen Knien kletterte der Inspektor vom Motorrad und behauptete tapfer, dass es ein herrliches Erlebnis gewesen sei. Zum Dank bot er Ricky eine Zigarette an. Er holte die beiden Päckchen aus der Tasche und fragte: „Welche magst du lieber?" Ricky zögerte einen Augenblick und meinte dann: „Das ist mir wirklich egal. Ich rauche keine bestimmte Marke. Ich nehme, was ich kriege. Hauptsache, es qualmt." „Dann nimm sie beide", sagte der Inspektor und seufzte. Und nur Tom und Billy wussten, was dieser Seufzer bedeutete. Nichts anderes als: Zigarettentest negativ verlaufen. Jetzt hab' ich mich umsonst auf diesem verflixten Motorrad durch die Gegend schaukeln lassen! Aber Tom und Billy strahlten vor guter Laune. Und als sie sich wieder auf ihre Räder geschwungen hatten und in sicherer Entfernung nebeneinander herradelten, platzte Billy heraus: „Inspektor, wir haben die Lösung!" „Ja, das Alibi von Ricky hat nämlich einen Haken. Einen Mauerhaken! ” Und dann berichteten sie ihm aufgeregt von ihrer Entdeckung und von dem Seil im Kellerfenster.
Ein Verdacht ist kein Beweis „Einen Verdacht haben und ihn beweisen können, das sind zwei Paar Stiefel", sagte Sara, als ihr die Zwillinge nach ihrer Rückkehr von der Entdeckung des Mauerhakens berichteten. „Und weshalb sollte Ricky als Feuerwehrmann Brände legen? Das glaubt uns bestimmt kein Mensch", sagte Tom. „Vielleicht gerade, weil er Feuerwehrmann ist? Da kann er sich beim Löschen hervortun und hinterher groß damit angeben! Das hat er nötig, denn er ist bei den Jungen in Clockwell nicht gerade beliebt. Und bei den Mädchen erst recht nicht. ” „Woher willst du das wissen?" erkundigte sich Sara. „Man hat so seine Quellen", brummte Billy, der nicht zugeben wollte, dass er das von Kitty erfahren hatte, die eine Freundin in Clockwell hatte. Aber sein Bemühen, Kitty aus der Angelegenheit herauszuhalten, war vergeblich. „Übrigens hat Kitty eine Freundin in Clockwell", erzählte Tom munter. „Und die hat erzählt, dass Ricky nicht die ganze Zeit auf dem Feuerwehrball war, sondern mal kurz mit dem Motorrad verschwunden ist! ” „Lang genug, um ein Feuer zu legen?" erkundigte sich Sara interessiert. „Angeblich wollte er bloß rasch seine Brieftasche holen, die er zu Hause vergessen hatte", antwortete Tom. „Alles schön und gut", seufzte Sara. „Aber beweisen können wir nichts." Sicherlich wäre es bei diesen unbestimmten Verdächtigungen geblieben und der Fall wäre vielleicht nie aufgeklärt worden, wenn der alte Henderson bei einem Spaziergang hinter dem Sägewerk nicht ein Stück Papier entdeckt hätte. Er war ein ordentlicher Mensch und wollte es in den nächsten Papierkorb werfen. Aber dann entdeckte er, dass es die Kopie einer Landkarte war. Auf der Karte waren rote Kreuze eingezeichnet. Das machte ihn neugierig. Als er zu Hause seine Lesebrille aufsetzte und die Karte studierte, pfiff er durch die Zähne. Wenn das die gute Sara nicht „brennend" interessierte!
Er lief zum Telefon und war froh, dass er Sara gleich erreichte. „Ich glaube, ich habe einen sehr wichtigen Fund gemacht!" sagte der alte Henderson aufgeregt. „Einen Fund? Bist du unter die Schatzgräber gegangen?" erkundigte sich Sara erstaunt. „Nun, ich habe eher eine Art Schatzplan gefunden. Mehr möchte ich am Telefon nicht darüber sagen. Kann ich schnell vorbeikommen?" „Selbstverständlich, gerne", antwortete Sara. „Das klingt ja recht geheimnisvoll!" „Ist es auch. Ist Inspektor Higgins noch da?" „Der ist leider wieder zurück nach London gefahren.” „Dann verständige bitte wenigstens schnell die beiden Jungdetektive. Ich bin in einer Viertelstunde bei euch." „Na so was. Der alte Henderson!" brummte Sara, während sie den Hörer auflegte. Dass er eine detektivische Ader hatte, war ihr völlig neu. Rasch rief sie bei Browns an. Die Zwillinge machten gerade Besorgungen. Mrs. Brown versprach aber, sie herüberzuschicken, sobald sie zurückgekommen waren. Sie kamen noch vor Henderson. „Ich musste unterwegs noch tanken und Brot kaufen", entschuldigte sich der alte Herr. „Wir sind alle gespannt wie Flitzebogen", sagte Sara und schob ihn ins Wohnzimmer, wo Tom und Billy schon warteten. „Heraus mit der Sprache. Was gibt’s?" „Wahrscheinlich bald Feuer am Güterbahnhof", sagte der alte Henderson. Diese Antwort hatte Sara nicht erwartet und sah ihn deshalb verständnislos an. Umständlich kramte der alte Herr ein zerknittertes, stark verblichenes Papier aus der Tasche. „Das hab' ich hinter dem Sägewerk gefunden. Es muss jemandem aus der Tasche gefallen sein. Es ist ein Plan. Und ich glaube, ich weiß auch, was die roten Kreuze bedeuten. ” „Das ist eine Karte von unserer Umgebung ...", sagte Sara, die das Papier aufmerksam studierte. „Und die roten Kreuze sind die Stellen, an denen es gebrannt hat!" rief Billy. „Ob das Ricky verloren hat?" fragte Tom. „Selbst wenn - wir hätten keinen Beweis für eine böse Tat. Denn es ist normal, dass sich ein Feuerwehrmann auf einem Plan einzeichnet, wo er in den letzten Wochen gelöscht hat", wandte Sara ein. „Er hat aber einen Fehler gemacht", sagte Henderson und lächelte listig. „Es ist nämlich ein Kreuz an einer Stelle, an der es noch nicht gebrannt hat. Und seit wann kann die Feuerwehr hellsehen?" „Da hast du Recht", meinte Sara. „Wenn es demnächst am Güterbahnhof brennt, ist das der Beweis, dass dieser Plan dem Feuerteufel gehört!" „Richtig", sagte Henderson. „Das hatte ich mir auch überlegt, und deshalb bin ich schnell wie die Feuerwehr in die London Street Nr. 13 gekommen. Das ist doch eine sehr brenzlige Geschichte, oder irre ich mich?" „Eine brandheiße Spur", sagte Sara beeindruckt. „Wir werden den Güterbahnhof abwechselnd bewachen!” rief Tom. „Tom und ich könnten dort schlafen", meinte Billy. „Viel zu gefährlich. Das würden eure Eltern nie erlauben", entgegnete Henderson. „Wir sollten vielleicht lieber Constable Flash um die Bewachung bitten, meint ihr nicht?"
„Mann, wenn Flash seine Leute dort aufstellt, dann weiß es doch gleich die ganze Welt. Dann kommt der Feuerteufel nie dorthin. Immerhin wissen wir ja immer noch nicht genau, ob es wirklich Ricky ist!" rief Billy. „Es muss alles streng geheim bleiben. Das ist unsere einzige Chance", meinte auch Tom. „Im Obergeschoß steht die alte Dienstwohnung leer. Ich könnte meinen Freund Pears fragen, ob ich sie für eine Weile als Werkstatt benutzen kann. Er arbeitet bei der Bahn." „Gute Idee", fand Sara. „Aber wenn Sie die ganze Zeit dort sind, wird er nicht kommen!" befürchtete Tom. „Bis jetzt hat er noch nie ein Haus angezündet, in dem einer wohnte." „Dann werde ich eben nur tagsüber dort sein. Und nachts - da müssen wir uns eben etwas einfallen lassen", sagte Henderson nachdenklich. „Ich glaube, ich hab' schon eine Idee ...", sagte Sara und lächelte geheimnisvoll.
Miss Robinson verreist „Ich brauche etwas Reiseproviant", erzählte Sara Robinson am nächsten Morgen im Krämerladen. „Oh, wohin geht es denn?" erkundigte sich die Krämersfrau interessiert. „Ein kleiner Ausflug nach London", schwindelte Sara und packte Kekse, Schokolade, Tee und etwas Obst in ihren Einkaufskorb. „So, so, nach London", sagte die Krämersfrau. „Und ich dachte, Sie wären diesem Feuerteufel auf der Spur!" „Ich? Ach was. Um Kriminalfälle soll sich Constable Flash kümmern, der wird schließlich dafür bezahlt", wehrte Sara entsetzt ab. „Na, dann passen Sie mal gut auf sich auf in London. Man liest so viel Schreckliches in den Zeitungen. Gestern erst wieder ist ein junges Mädchen im Hyde Park..." „Schon gut, schon gut", sagte Sara und lachte. „Ich gehe bestimmt nicht in den Hyde Park, und ich bin auch kein junges Mädchen mehr. Ich besuche bloß eine alte, bettlägerige Cousine. Und noch etwas: Es bleibt doch unter uns, dass ich weg bin? Wissen Sie, wenn das Haus unbewohnt ist, man kann nie wissen ..." „Aber selbstverständlich. Ich kann schweigen wie ein Grab", beteuerte die Krämersfrau. Als Sara den Laden verließ, lächelte sie zufrieden. Sie war sicher, dass es bald überall in der Stadt bekannt sein würde, dass sie ein paar Tage verreist war. Denn nichts verbreitete die neugierige Krämerin so rasch und mit so großem Genuss wie ein ihr anvertrautes Geheimnis. Zu Hause packte Sara einen kleinen Koffer mit dem Allernötigsten. Als es dunkel wurde, ließ sie sich mit dem Taxi zum Bahnhof fahren. Dort bestieg sie den Nachtzug nach London. Allerdings sah keiner in der Dunkelheit, dass sie auf der anderen Seite des Gleises wieder ausstieg. Als der Zug abfuhr, war sie längst ungesehen über die Bahnschwellen zum Gebäude des alten Güterbahnhofes balanciert. Sie schob die Tür auf, die in den Angeln quietschte, und stieg die knarrenden Treppen hinauf. Das Quietschen der Tür und das Knarren der Treppe beruhigte sie ungemein. Es ersetzte die modernste Alarmanlage, denn so würde kein unerwünschter Besucher unbemerkt zu ihr hinaufsteigen können.
Sie schloss die Tür zu der ehemaligen Dienstwohnung auf. Es war eher eine Rumpelkammer, die sie nun betrat. Ein dreibeiniger, halb zusammengebrochener Schrank, alte Matratzen, ein Regal mit vergilbten Zeitschriften und Fahrplänen und ein Stuhl mit zerbrochener Lehne standen dort herum. Sie ging ins Nebenzimmer. Dort hatte Henderson versucht, ein wenig Ordnung zu schaffen. Der Boden war gefegt, und in einer Ecke stand ein frischbezogenes Bett. Auf einem kleinen Tisch stand ein Teller mit frischem Obst, und daneben lag ein Zettel: „Gute Nacht, liebe Sara! Und pass gut auf Dich auf! ” Sara lächelte. Der gute Henderson! Sie packte ihren kleinen Koffer aus und suchte nach ihrer Zahnbürste. Der Schein der Lampen vom Bahnhofsgelände erleuchtete das Zimmer mit einem kalten, ungemütlichen Licht. Das Waschbecken in der Ecke sah wenig vertrauenerweckend aus. Sie putzte sich die Zähne mit Mineralwasser, das sie vorsorglich mitgebracht hatte. Dann kroch sie ins Bett. Sie konnte aber nicht einschlafen. Das war nicht erstaunlich, denn sie konnte eigentlich nie einschlafen, ohne vorher noch eine spannende Detektivgeschichte gelesen zu haben. Deshalb knipste sie die Taschenlampe unter der Bettdecke an und schlug ihr Buch auf. Sie musste lachen, weil sie überlegte, dass sie das vor gut sechzig Jahren als Kind zum letzten Mal gemacht hatte, und dachte dabei: Wenn mich Tom und Billy so sehen könnten! Danach schlief sie seelenruhig ein. Tom und Billy dagegen waren hellwach und ziemlich aufgeregt. Sie hatten die verantwortungsvolle Aufgabe, sich alle vier Stunden hinter dem Vorhang abzuwechseln und das Fenster des Güterbahnhofs zu beobachten, hinter dem Sara ein Taschenlampensignal geben wollte, sobald sie etwas Verdächtiges bemerkte. Die Aufgabe der Zwillinge war es dann, sofort Henderson zu verständigen. Tom hatte den Wecker auf zwei Uhr gestellt. Als er aufwachte, schlief Billy. „Mensch, Billy, das kannst du doch nicht machen. Wenn inzwischen etwas passiert wäre, was dann? Der ganze Bahnhof samt Miss Robinson hätte inzwischen abbrennen können! ” tadelte er seinen Bruder. In der zweiten und dritten Nacht hielt sich Billy mit Lesen und seinem Walkman wach, über den er zum neunundneunzigsten Mal die Kassette mit seinen Lieblingsgruppen abhörte. Trotzdem wären ihm fast wieder die Augen zugefallen. Da entdeckte er das vereinbarte Lichtsignal...
Das Signal Der alte Henderson schlief unruhig in dieser Nacht. Er grübelte. Ob die Sache nicht zu gefährlich war, auf die sie sich da eingelassen hatten? Drei Nächte lang war nichts passiert. Ob der Feuerteufel etwa die Falle bemerkt hatte, die ihm gestellt worden war? Aber das war eigentlich nicht möglich. Sara war völlig unbemerkt in das Haus gelangt. Er hatte sich selbst am Bahnhofsgebäude davon überzeugt, dass ihr niemand gefolgt war. Und seine Besuche im Güterbahnhof waren harmloser Art. Er hatte immer seinen Werkzeugkoffer dabei und verließ den Bahnhof nach ein paar Stunden wieder. Dann ging er über den Bahnhofsplatz, unterhielt sich mit diesem und jenem, erzählte bereitwillig von seiner Hobbywerkstatt und war sicher, dass niemand Verdacht
schöpfte. Manchmal hatte er allerdings das unbestimmte Gefühl, dass er beobachtet wurde. Nun, das konnte ihm nur recht sein. Keiner konnte ahnen, dass in dem Werkzeugkoffer Verpflegung und die neuesten Zeitungen für Sara waren. Außerdem hatte Mr. Henderson als alter Bastler an den Fenstern des Bahnhofsgebäudes am Vortag elektrische Kontakte angebracht, die jeden ungebetenen Besucher mit einem Signal meldeten. So würde Sara einen fremden Eindringling auch bemerken, wenn er nicht die knarrenden Treppen hochstieg oder nicht die quietschende Tür benutzte. „Alles bestens ausgetüftelt!" beruhigte sich Henderson. Trotzdem war ihm heute nicht ganz wohl in seinem Bett. Eine merkwürdige Unruhe überfiel ihn. Er wälzte sich hin und her. Manchmal gibt es eben so etwas wie einen siebten Sinn. Er stand auf und zog sich an. Gerade wollte er das Haus verlassen, um nach Binocle Village zu fahren - da klingelte das Telefon. „Das Signal! Schnell!" rief Billy. „Bin schon unterwegs!" rief Mr. Henderson und startete eine Minute später seinen Wagen.
Im alten Bahnhof Sara saß aufrecht im Bett. Sie hatte ein Geräusch gehört. Draußen lief jemand über den Kies. Sie schlüpfte in die Pantoffeln und huschte ans Fenster. Trotz der verstaubten Scheiben konnte sie deutlich eine Gestalt erkennen, die um das Haus herumschlich. Sara griff beherzt nach der Taschenlampe und gab an ihrem Fenster das vereinbarte Signal. Hoffentlich waren die Jungen nicht vor Erschöpfung eingeschlafen! Nun, dann würde sie mit der Situation eben allein fertig werden müssen. Sie war auf alles vorbereitet! Da sie angezogen auf dem Bett gelegen hatte, brauchte sie nur die Schuhe und ihren dunklen Mantel anzuziehen. Dann wartete sie. Eine ganze Weile geschah gar nichts. Ob die verdächtige Gestalt nur ein Gleisarbeiter gewesen war? Sara ließ gut zehn Minuten verstreichen. Nichts rührte sich. Schon überlegte sie, ob sie sich wieder hinlegen sollte, da vernahm sie wieder das Geräusch auf dem Kies. Die Gestalt kam zurück. Sie trug etwas Dunkles. Es sah wie ein Kanister aus. Die Tür quietschte eine Sekunde lang. Dann verriet das Signallämpchen, dass es der nächtliche Besucher vorzog, durch eines der nicht quietschenden Fenster im Erdgeschoß einzusteigen. Drüben im neuen Bahnhofsgebäude brannte Licht. Sara überlegte, ob sie vielleicht hinüber laufen sollte, um Hilfe zu holen. Aber der Brandstifter würde sie bemerken und vielleicht angreifen oder womöglich die Flucht ergreifen -aber dann konnte die mühsam aufgestellte Falle nicht zuschnappen... Sie sah auf die Uhr. In fünf Minuten musste der Expresszug durch den Bahnhof donnern. Diesen Augenblick konnte sie benutzen, um über die knarrende Treppe hinunterzulaufen. Aber dann hatte sie eine noch bessere Idee: Warum nicht auf dem Treppengeländer hinunterrutschen? Während Sara Robinson fieberhaft überlegte, was zu tun sei, machte sich der Brandstifter im ehemaligen Gepäckraum im Erdgeschoß zu scharfen. Er räumte das herumliegende Altmaterial - Packpapier, alte Kartons und Stofffetzen - zusammen.
Das musste ein herrliches Feuer geben! Ein Feuer, das man bis nach Clockwell leuchten sah! Dann übergoss er alles mit Benzin. In diesem Augenblick donnerte der Express vorbei. Täuschte er sich, oder hatte es draußen im Treppenhaus ein Geräusch gegeben? So, als wäre ein Sack heruntergeplumpst. Der Mann, der schon die Streichholzschachtel in der Hand hielt, stutzte. Er zog eine schwarze Strumpfmaske über das Gesicht, ging an die Tür und sah in den Vorraum hinaus. Da entdeckte er eine dunkle Gestalt. Und plötzlich blitzte eine Taschenlampe auf, und jemand rief: „Hände hoch!" Der Brandstifter war einen Augenblick wie gelähmt. Dann setzte er alles auf eine Karte. Er riss das Streichholz an, warf es in den Raum und flüchtete mit einem Hechtsprung durch das offen stehende Fenster. Sara fluchte. Jetzt hatte sie die Angelegenheit im letzten Augenblick vermasselt. Natürlich hatte der Kerl merken müssen, dass sie nicht eine Taschenlampe und einen Revolver zugleich in der rechten Hand halten konnte. Der Bluff war danebengegangen. Und sie hatte nicht einmal das Gesicht des Brandstifters erkannt. Sie lief auf die Gleisanlagen hinaus. „Feuer! Feuer!" schrie sie. Das Feuer loderte bereits deutlich sichtbar hinter den Fenstern des Gepäckraumes. „Sara! Gott sei Dank!" rief eine Stimme in der Finsternis. Es war der alte Henderson. „Er ist weg", sagte Sara deprimiert. „Ich hab' ihn gesehen, keine fünf Meter war er von mir entfernt. Aber er hatte sein Gesicht vermummt! Herrje - wir müssen Feueralarm geben!" rief Sara mit einem Blick auf die sich rasch ausbreitenden Flammen. „Schon geschehen. Flash ist verständigt. Die Feuerwehr kommt", beruhigte sie Mr. Henderson. Da hörte man in der Ferne auch schon das Signalhorn des „Roten Robin". Die Löscharbeiten kamen überraschend schnell in Gang. Kein Wunder, denn nie zuvor hatte die Feuerwehr so viel üben können. „Wo sind Tom und Billy?" erkundigte sich Sara plötzlich bei Henderson. „Keine Ahnung! Zu Hause vermutlich. Sie haben jedenfalls von dort aus bei mir angerufen." „Zu Hause? Tom und Billy? Nach dem Notsignal? Das glaube ich nie! Schnell, wir müssen nach ihnen suchen!" rief Sara und zerrte Mr. Henderson mit sich über die Gleise zur Bahnböschung. Sie hatte sich nur eine Sekunde lang in die Lage der Jungen versetzt und überlegt, was sie an ihrer Stelle getan haben würde. „Sie sind bestimmt sofort zum Bahnhof gelaufen. Auf dem direkten Weg. Und der führt hier über die Böschung. Herrje, da könnten sie dem Brandstifter direkt in die Arme gelaufen sein!" „O Gott, es wird ihnen doch nichts passiert sein!" rief Mr. Henderson erschrocken. Er hatte Mühe, mit Sara Schritt zu halten, die wie eine Gämse durch das Gestrüpp der Bahnböschung den Weg nach oben suchte. Als sie fast die Straße erreicht hatte, rief eine ihr wohlbekannte Stimme: „Hierher, Miss Robinson! Wir haben ihn!" Es war Billy. Neben ihm stand sein Vater. „Ich bin den Jungen nach, als sie aus dem Haus schlichen! Ich hab' doch schon die ganze Zeit bemerkt, dass sie wieder etwas im Schilde führten", sagte Mr. Brown ein wenig vorwurfsvoll. „Da mussten wir Papa in den Plan einweihen", erklärte Tom. „Aber das war ganz gut so. Alleine hätten wir ihn vermutlich nicht geschnappt." „Ich habe sein Motorrad entdeckt!” sagte Billy.
„Und ich hab' hinterm Gebüsch gelauert und ihm ein Bein gestellt, als er zu seinem Motorrad lief", sagte Tom. „Dann haben wir ihn alle drei festgehalten", sagte Mr. Brown. „Und wo ist er jetzt?" fragte Mr. Henderson. „Wir haben ihn mit einem Seil, das wir neben dem Motorrad fanden, an der Laterne festgebunden." „Und - ist es Ricky?" erkundigte sich Sara gespannt. „Nein", sagte Mr. Brown düster. „Es ist der Bürgermeister von Clockwell."
Das Verhör Nach dieser überraschenden Entdeckung nahm die Sache einen ganz anderen Verlauf, als alle gedacht hatten. Beim ersten Verhör in den frühen Morgenstunden beklagte sich der Bürgermeister von Clockwell bei Flash aufgebracht wegen des nächtlichen Überfalls. Er hatte einen knallroten Kopf und tobte vor Wut: „Wegelagerer! Bandentum! So was käme in Clockwell nicht vor. Da herrschen Recht und Ordnung. ” „Aber, aber - wie erklären Sie dann Ihre Anwesenheit am Tatort, wenn Sie mit der Sache nichts zu tun haben?" erkundigte sich Flash verunsichert. „Ich war zufällig in der Nähe des Bahnhofes, weil ich - äh - Eulen beobachten wollte! Und Eulen beobachtet man bekanntlich am besten nachts. Das ist ein Hobby von mir. Und da ich gehört hatte, dass welche in der Nähe des alten Güterbahnhofes nisten, sah ich mich dort um. Als der Brand ausbrach, ergriff mich Panik. Ich lief davon und kletterte die Böschung hoch. Dann haben mich diese Gangster, ein Mann und zwei Kinder, überfallen und niedergeschlagen. Zum Ausrauben blieb ihnen keine Zeit, weil plötzlich Zeugen auftauchten", vermutete das „Opfer" des Überfalls. Mr. Brown und die Zwillinge sahen sich entgeistert an. Gangster! Ausrauben! Das war denn doch der Gipfel der Frechheit. „Miss Robinson, ist das der Mann, den Sie bei der Brandstiftung beobachtet haben?" erkundigte sich Flash hoffnungsvoll. Sara schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, der Brandstifter war größer und schlanker. Wohl auch jünger, denn er verließ den Tatort mit einem Hechtsprung durch das Fenster. ” „Gehört Ihnen das Motorrad, das in der Nähe des Tatorts gefunden wurde?" erkundigte sich Flash. Der Bürgermeister schüttelte energisch den Kopf. „Keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich fahre einen Austin. Der steht ordnungsgemäß auf dem Bahnhofsparkplatz. ” „Nun, wir werden den Besitzer des Motorrades in wenigen Minuten festgestellt haben", murmelte Flash. Sara warf Mr. Henderson einen bedauernden Blick zu und zuckte mit den Schultern. Da klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch. Flash nahm den Hörer ab, hörte aufmerksam zu und sagte dann: „Das fragliche Motorrad gehört Ricky Fitzgerald." Täuschte sich Sara, oder zuckte der Bürgermeister bei dieser Bemerkung leicht zusammen? Jedenfalls kramte er nervös in seiner Jackentasche. Dann zog er ein
Zigarettenpäckchen hervor, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und sah sich um: „Hat jemand Feuer?" Er rauchte Benson & Hedges, die Zigaretten in der goldenen Packung! Sara stieß Mr. Henderson in die Seite. Das konnte doch kein Zufall sein! Aber irgendwie verstand sie die Zusammenhänge noch nicht... Auch Tom und Billy hatten die Zigarettenschachtel bemerkt und warfen Sara bedeutungsvolle Blicke zu. Mr. Brown gab dem Bürgermeister Feuer, der es von dem vermeintlichen Wegelagerer nur zögernd annahm. Flash seufzte und legte den Hörer auf. „Dann ist Ricky der Brandstifter? War deshalb sein Motorrad am Tatort?" erkundigte sich Sara. „Er behauptet, es sei ihm gestohlen worden!” „Herrje, verläuft denn diesmal jede Spur im Sand?" seufzte Sara verzweifelt. „Vielleicht sollten Sie den Brandstifter erst einmal in Ihrer eigenen Stadt suchen, ehe Sie unschuldige Leute aus Clockwell verdächtigen, Sie ... Sie ... Feuerwehrhauptmann!" sagte der Bürgermeister zu Flash, als er sich verabschiedete. Flash verstand die Anspielung sehr wohl. Am liebsten hätte er den arroganten Bürgermeister festgenommen. Er wusste aber sehr wohl, dass er dafür handfeste Beweise brauchte. Und die hatte er nicht. Der Verdacht konzentrierte sich nun auf Ricky. Weshalb war er nicht zum Löscheinsatz erschienen? Flash rief seinen Kollegen Fitzgerald an. „Ganz einfach: Als ich meinen Sohn heute Nacht wecken wollte, war er nicht in seinem Zimmer. Erst war ich wütend, aber als ich ihn heute Morgen deswegen zur Rede stellte, klärte sich alles auf. Man hat ihm vor der Diskothek sein Motorrad gestohlen. Deshalb musste er sich zu Fuß auf den Heimweg machen." „So ist das also. Trotzdem möchte ich Ricky wegen einiger Einzelheiten sprechen. Kann er heute Nachmittag zu mir aufs Revier kommen?" bat Flash. „Ich werde sehen, was sich machen lässt", brummte Fitzgerald und hängte ein. Inzwischen erkundigte sich Flash beim Besitzer der Tarantel. Aber weder der noch die Bedienung an der Bar konnten sich erinnern, Ricky auch nur zeitweise in der Diskothek gesehen zu haben... Sara suchte Flash im Revier auf und bat ihn, bei dem Verhör von Ricky als Zeugin dabeisein zu dürfen. Ricky gab nett und höflich auf alle Fragen von Flash Antwort. Durch keine seiner Antworten belastete er sich. Entweder war er unschuldig oder ein sehr geschickter Schwindler. „Weshalb sind deine Hände verbunden?" erkundigte sich Sara teilnahmsvoll. „Och, ich hatte ein wenig getrunken", gestand Ricky verlegen, „und da bin ich wohl auf dem Heimweg in einen Graben gestürzt." „Dein Motorrad haben wir übrigens gefunden", sagte Flash. „Oh, wirklich?" rief Ricky erfreut. „Vielleicht war es gut, dass es jemand gestohlen hatte. Denn wenn du betrunken auf das Motorrad gestiegen wärst...", meinte Flash. „So ist es nicht. Ich habe erst aus Ärger über den Diebstahl des Motorrads ein paar Bier zuviel getrunken", behauptete Ricky. „Seltsam, dass sich keiner in der Disco mehr daran erinnern kann", wunderte sich Flash. „Finde ich gar nicht. So wie es da immer zugeht", entgegnete Ricky leichthin. „Wir haben dich bei den Löscharbeiten sehr vermisst", behauptete Flash.
„Tut mir leid", sagte Ricky. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass der Feuerteufel diesmal in Binocle Village zuschlägt." „Nun, wenn Miss Robinson den Brand nicht zufällig entdeckt hätte, dann wäre sicher großer Schaden entstanden", wandte Constable Flash sorgenvoll ein. „Ich dachte, Sie waren verreist? Wie kamen Sie in den alten Bahnhof? Ist es nachts nicht ziemlich schaurig in dem finsteren Gemäuer?" erkundigte sich Ricky interessiert. „Ich beobachtete Eulen", entgegnete Sara und lächelte rätselhaft. „Eulen, die Vögel der Weisheit..." Flash starrte sie verwundert an. Aber Sara ließ sich nicht beirren. „Zum Glück", fügte sie hinzu, „denn jetzt weiß ich, wer der Täter ist.” „Aber, aber ... ich denke, er ist entwischt", sagte Ricky. „Schon", antwortete Sara gedehnt. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn wieder haben. Er hat nämlich glücklicherweise seine Armbanduhr bei der Flucht verloren." Ricky warf einen erschrockenen Blick auf sein Handgelenk. Doch da war keine Uhr. Da war bloß ein weißer Streifen auf einem sonst sonnengebräunten Arm! Diese Reaktion verriet Sara mehr als tausend Worte. Sie blinzelte Flash mit einem Auge zu - wie eine Eule - und begann ihre „Beute" noch näher einzukreisen. „Der alte Henderson hat übrigens die Nummern aller Uhren aufgeschrieben, die bei ihm gekauft oder repariert wurden. Er ist gerade dabei, die Armbanduhr des Täters mit seinem Kundenverzeichnis zu vergleichen", bemerkte sie beiläufig. „Aber - ich habe ... ich meine ... meine Uhr ist gestohlen worden, das heißt, ich meine, ich habe sie vielleicht bloß zu Hause vergessen ...", stammelte Ricky, dem einfiel, dass seine Uhr vermutlich zu Hause neben dem Waschbecken lag. „Dann werden dich die Fingerabdrücke am Benzinkanister überführen!” behauptete Sara. „Unmöglich", sagte Ricky. „Der Brandstifter hatte doch Handschuhe an." „Und woher weißt du das?" fragte Sara in scharfem Ton. Jetzt merkte Ricky, dass er sich endgültig verraten hatte. Er starrte Sara an und sagte: „Sie -Sie haben es von Anfang an gewusst?" Sara nickte. „Woher hättest du wissen können, dass ich mich im Bahnhofsgebäude befand, als ich den Brand entdeckte? Und schon vorher war mir aufgefallen, dass etwas mit deinen Alibis nicht stimmte!" Sie berichtete von seiner Abwesenheit beim Feuerwehrball, von dem Mauerhaken, den Tom und Billy in der Wand über seinem Fenster entdeckt hatten, und von dem Fluchtseil. „Und dann fand Mr. Henderson noch einen Plan. Es wird Experten sicherlich nicht schwer fallen herauszufinden, ob er von dir stammt oder nicht." Entsetzt starrte Ricky auf den Papierfetzen in Saras Hand - und merkte, dass das Spiel endgültig aus war. Er kämpfte zornig mit den Tränen und rief: „Dann ... dann sollen Sie aber auch die ganze Wahrheit erfahren.” Als Ricky sich etwas gefasst hatte, begann er mit seiner Beichte. Er berichtete vom Spaß am Zündeln und vom mehr zufälligen Brand der ersten Scheune. Das war einige Jahre her. Dann, als er Mitglied der Feuerwehr wurde, wollte er sich beim Löschen besonders hervortun. Er wollte endlich die Anerkennung finden, die ihm in der Schule und vor allem bei den Mädchen bisher versagt geblieben war. Auch seinem Vater wollte er imponieren. Nur - es brannte nirgends. Da beschloss Ricky, ein wenig
nachzuhelfen. Der Zufall wollte es, dass ihn der Bürgermeister beim Brandlegen beobachtete. Einige Tage später sprach der ihn an und stellte ihn vor die Wahl, entweder ins Gefängnis zu wandern oder weiter ein bisschen zu zündeln, aber mit System. So kam es, dass Ricky im Auftrag des Bürgermeisters Brände legte und auch wieder löschte. Das hatte verschiedene Gründe. „Aber - das Haus von Mr. Williams brannte doch auch", wunderte sich Sara. „Das war gut versichert. Und er sparte somit die Abrisskosten. Er wollte sowieso neu bauen. ” „Und das Sägewerk?" „In dem Fall wollte er eine Rechnung mit seinem alten Feind und politischen Rivalen Mr. Jigsaw begleichen", sagte Ricky. „Und der Brand bei Mrs. Nightingale?" „Das war der einzige echte Brand! Sie hat ihn selbst verursacht. Zu dumm, dass gleichzeitig die Scheune brannte. Nein, ich habe nie einen Brand gelegt, bei dem Menschenleben gefährdet waren", behauptete Ricky und schaute Sara fest an. „Und der Brand des Blockhauses?" „Das sollte ein Denkzettel sein. Und ich hatte vorher auch nachgesehen, dass keiner drin schlief. Ehrlich." „Und der Brand im Güterbahnhof?" „Der sollte die Spur nach Binocle Village legen, damit man den Brandstifter dort vermutete. Außerdem hatte Williams es nie ganz verwunden, dass Binocle Village und nicht Clockwell Bahnstation geworden war. ” „Interessant. Äußerst interessant", murmelte Sara. Nie hätte sie vermutet, dass so ein Berg an Neid und Hass hinter dieser Brandserie steckte. Constable Flash hatte Saras kleinem Verhör zunächst interessiert zugehört; nun begann er wie ein Weltmeister mitzuschreiben. Das war eine Sensation! Die würde Schlagzeilen machen! Die Kunde von seiner Tüchtigkeit würde bis nach London dringen. Da war er sicher... Als Ricky mit seinem Geständnis fertig war, fragte er: „Und was geschieht jetzt mit mir?" „Das wird das Gericht entscheiden", antwortete Sara ernst. „Jedenfalls muss ich dich festnehmen", sagte Flash. „Und deinen sauberen Bürgermeister auch! ” Man sah ihm an, dass er sich darauf freute. „Irgendwie tut mir Ricky leid, trotz allem", sagte Sara, als sie Tom und Billy von dem Ergebnis ihres Verhörs berichtete. „Er hat Ihnen aber immerhin beim Sägewerk einen Schlag auf den Kopf gegeben!" rief Billy ehrlich empört. „Richtig. Das hatte ich ganz vergessen", sagte Sara. „Und dieser arrogante Bürgermeister! Wenn ich daran denke, wie er Papa und uns als Gangster bezeichnet hat - und dabei ist er selber der schlimmste Halunke von allen! ” rief Tom. „Tja, wer hätte das gedacht", murmelte Sara. „Kitty platzt vor Neid, wenn sie am nächsten Wochenende aus dem Internat kommt und erfahren muss, was sie hier alles versäumt hat", bemerkte Billy zufrieden. „Billy, du bist unverbesserlich!" rief Sara und lachte. „Ein heißer Fall, Miss Robinson", sagte Inspektor Higgins, als ihm Sara am Telefon von der überraschenden Entwicklung im Fall „Feuerteufel' berichtete.
„Im wahrsten Sinne des Wortes", antwortete Sara. „Und fast hätte ich mir die Finger dabei verbrannt." „Und wer wird jetzt Bürgermeister von Clockwell?" „Mr. Jigsaw. Das steht fest!" sagte Sara. „Doch Mr. Williams kann ihm leider das Amt nicht persönlich übergeben, weil er bereits hinter Schloss und Riegel sitzt."