John Montana
Ein Fort stirbt … Apache Cochise Band Nr. 23 Version 1.0
2
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wil...
105 downloads
965 Views
452KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
John Montana
Ein Fort stirbt … Apache Cochise Band Nr. 23 Version 1.0
2
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von 3
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein, nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. 4
Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum, noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
5
*** Die in diesem Roman geschilderte Geistertanz-Religion war eine kurz aufflackernde »Nova«, die bald in Vergessenheit geriet, ehe sie 1889 neue Bedeutung erlangte und, von dem Payuta-Massaker Wovoka ins Leben gerufen, bei den Plainsstämmen bald viele Anhänger fand. Eine kultische Bewegung, die dem Indianer ein goldenes Zeitalter versprach, die Vereinigung und Auferstehung ihrer toten Brüder, wie auch die Rückkehr der verschwundenen Büffelherden in ihr Jagdgebiet und den Abzug der weißen Eroberer. Ihre gewaltlose Doktrin ließ jedoch durchblicken, daß die Anhänger des Glaubens dazu beitragen konnten – der Prophezeiung des Kults -, das Verschwinden des weißen Mannes durchaus zu beschleunigen. Das »Geisterhemd« aus Messelin, Wildleder oder Baumwolle, verziert mit vielen Symbolen, galt als Abwehrzauber, dessen magische Kraft den Träger wie ein Schutzpanzer gegen jede Kugel unverwundbar machen sollte. Diese Geistertanz-Bewegung zerfiel Ende 1890 durch einen Erlaß Washingtons und dem Eingreifen der US-Armee. Die Kälte drang durch den Pelz und setzte sich auf der Haut fest. Der eisige Wind, von den schneebedeckten Peaks der Swisshelm Mountains kommend, streifte sein Antlitz wie eine Totenhand. Aber seine Schulter brannte wie Feuer. John Haggerty führte seinen Pinto lose am Zügel und bemühte sich durch eine schnelle Gangart den Frost aus seinen Gliedern zu drängen. Der helle Verband, der seine Stirn umschloß und die Wunde bedeckte, die von einem Streifschuß herrührte, dem der Outlaw Morgan ihm im Kampf bei den roten Felsen zugefügt hatte, 6
zeigte Spuren von Blut. Auch die Schußwunde an der Schulter mußte vom anstrengenden Marsch aufgebrochen sein. Aber die Zeichen waren gesetzt. Die drohende Gefahr eines blutigen Aufstandes durch einfallende Caddo- und Wichitastämme erlaubten John Haggerty keine Ruhe, um sich von seinen Verletzungen zu erholen. Zu lange schon wartete Cochise auf ein Zeichen. Der Scout kämpfte mühsam gegen den Berg an, an dessen Saum, über schwindelnden Abgründen, die Serpentine zum alten Kloster Santa Elfrida führte. Drei Tage schon bewegte er sich durch die Wildnis, durchquerte einsame Täler und Schluchten, ohne einem Menschen zu begegnen, und nur selten stieß er auf eine Antilope oder ein Dickhornschaf, um seine kargen Vorräte zu schonen. Es schien ein fast totes Land zu sein. Haggerty blickte die Steilwände hoch. Irgendwo dort oben lagen die Ruinen des alten spanischen Klosters, wo ein Treffen mit Cochise vereinbart worden war. Stunden oder vielleicht einen ganzen Tag entfernt. John kämpfte gegen die beißende Kälte, die gleich der Einsamkeit sein Feind war. Aber er war ein harter Frontierman. Geformt von der Wildnis und den widernatürlichen harten Verhältnissen des Apachenlandes. Wolken streiften die hoch aufragenden Felskuppen, die in milchigem Schleier verschwanden und ihm jede Orientierung nahmen. Der Saumpfad erweiterte sich. John bestieg sein Pferd. Es mußte Mittag sein. Oder Nachmittag. Der diesige, von Kälte erstarrte Tag verdrängte jedes Gefühl für Zeit und Raum. Längst lag die Wüstenregion weit zurück. Kahler nackter Fels umgab ihn, der nur karge Vegetation erlaubte, und John das Gefühl übermittelte, daß er am Ende der Welt reiten würde. 7
Der Wind blies höllisch, trieb Staub und Steine vor sich her und stemmte sich dem fremden Eindringling feindselig entgegen, so, als wollte er ihn in die Wüste zurücktreiben. Aber für John gab es kein Zurück. Dafür war seine Mission zu wichtig. Irgendwann erreichte er ein Plateau, das sich nach Süden erstreckte. Collas, Husache und verwitterte Krüppelkiefern bedeckten den Fels. Der Wind spielte mit kugelrunden Tumbleweedsträuchern, die er vor sich her in den Abgrund trieb. John stieg vom Pferd. Irgendwie hatte er das Gefühl, sich verlaufen zu haben. Schon beschloß er, einen Lagerplatz zu suchen, auf ein Abflauen des Sturmes zu warten, und dann seinen Weg an den Zeichen der hohen Bergkuppen zu suchen, da tauchte aus dem höllischen Inferno ein Schatten auf, der ihm mit großen Schritten entgegenstrebte. Unwirklich in seiner Erscheinung, wie ein Berggeist, grotesk verzerrt vom fliehenden Staub, daß John Haggerty unwillkürlich nach dem Revolver griff. Aber dann war der Schatten heran, schälte sich in seiner Größe aus dem weiten, kälteschützenden Fellmantel, und ein kühnes rotbraunes Antlitz blickte Haggerty an. »Cochise«, rief John überrascht und erleichtert zugleich. »Ich hatte unser Wiedersehen fast aufgegeben.« »Komm«, sagte der berühmte Häuptling, erfaßte die Zügel des Pferdes und stampfte John voran in südlicher Richtung, wo John schon bald die brüchige Vergangenheit eines alten Klosterordens erkennen konnte. Morsches Gestein, von Wind und Wetter zerfressen, verfallene Gebäude einer einst stolzen christlichen Gemeinde. Nichts war geblieben vom Glauben dieser Menschen, ihrem Wirken, die wilden Berg- und Plainsstämme der Apachen vom Wege der Götter zum Glauben Christi zu führen. Kloster Santa Elfrida war ein Anblick in tiefste 8
Vergangenheit und zerfallen wie das stolze Imperium spanischer Condotteris. * Cochise führte das Pferd in den schützenden Mauerfrieden der Kapelle. Noch während John Haggerty vom Pferd stieg, sah er eine schlanke Gestalt am Feuer. »Du bist nicht allein, Chief?« fragte der Scout erstaunt. Cochise lächelte, während er die Sattelgurte löste. »Tla-ina hat mir die Tage des Wartens verkürzt.« »Tla-ina?« John spürte, wie sein Herz einige Takte schneller schlug. Es war lange her, daß er Cochises Schwester begegnet war. Er kannte sie fast nur noch in seinen Träumen. Die geschmeidige Apachin hatte sich erhoben. Mit graziler Bewegung wandte sie sich um. Ihr Mund war leicht geöffnet. Ihre Augen füllten ein zärtliches Lächeln. Mit ruhigen Schritten trat sie näher, daß John ihre Schönheit erkennen konnte, die ihm in Erinnerung geblieben war. Er spürte ihre zärtliche Umarmung, den heftigen Atem, der ihre Erregtheit verriet, und den Duft wildwachsender Blumen, der ihrer Haut entstieg. »Willkommen, Falke«, flüsterte sie mit leiser, doch klarer Stimme, aus der ihre Gefühle für John erkennbar waren. »Es waren lange Tage und Nächte, die mein Bruder und ich warten mußten. Aber der Augenblick entschädigt mich für diese Zeit.« John legte den gesunden rechten Arm über ihre Schulter und preßte den geschmeidigen Körper Tla-inas fest an sich. »So erfreut dich unser Wiedersehen?« »Es ist eine glückliche Stunde, die die dunklen Schatten unserer Zukunft verdeckt, Falke.« Sie schwieg und trat einen Schritt zurück. Ihr Blick streifte Johns Stirn, denn erst jetzt schien sie den blutigen Verband zu entdecken. »Meine Brüder?« 9
John schüttelte den Kopf. »Desperados von der übelsten Sorte, die den Aufstand im Tal schüren. Wir werden darüber sprechen.« Ihre Finger glitten über Johns Schulter, und er sah ihr Erschrecken. »Ja, auch dort hat es mich erwischt«, sagte er lächelnd. »Ich hoffe, die Wunde wird bald heilen.« »Komm«, sagte Tla-ina und führte den Mann zum Feuer, »lege dich nieder, ich will mir die Verletzung ansehen.« »Es ist viel Zeit vergangen, und ich muß mit deinem Bruder sprechen«, protestierte Haggerty. »Dies kannst du tun, während ich deine Wunden verbinde.« Tla-ina half John aus der Kleidung. Als sie den Verband löste und das rohe gerötete Fleisch sah, rief sie: »Oh, das sieht schrecklich aus. Aber ich hoffe, dir helfen zu können.« Sie kramte aus ihrer Felltasche Salben, Kräuter und Tunken. Cochise setzte sich schweigend ans Feuer. Neugier lag in seinen Augen, aber auch Sorge. John Haggerty verstand den Blick, aber er wußte, daß Cochise keine Fragen stellen würde. »Es sieht übel aus in den Gila Bends, Chief. Räuberische Horden der Caddos und Wichitas vereinen sich zu einer Rebellenarmee, die den Tod aller ihrer Feinde beschworen hat. Ganz gleich, ob sie von weißer, oder roter Hautfarbe sind.« Cochise schwieg noch immer. Tla-ina war näher getreten und begann vorsichtig die Wunde zu reinigen. Dann nahm sie aus einer Schale eine gelantineartige, übelriechende Masse und belegte damit die entzündete Stelle. Sie lächelte zuversichtlich. »Es riecht wie der frische Dung des Büffels, aber es zieht das Feuer aus dem Fleisch.« Tla-ina legte einen Preßverband um seine Schulter und zog die Decke bis an sein Kinn. »Du wirst schlafen müssen.« »Erst muß ich mit dem Chief sprechen.« Cochise nickte düster. »Welche Botschaft schickt mir dein 10
Häuptling, Falke?« »Die des Friedens, Jefe. Er hofft, daß seine Armee und die Apachen-Stämme den Feind aus dem Land vertreiben und ein ständiger Frieden zwischen deinem Volk und meinem Volk geschaffen wird.« Cochise dachte an Victorio, Ulzana und den jungen Gokhlayeh, die darauf brannten, von ruhmreichen Taten zu berichten. Die Mimbrenjos wollten keinen Frieden. Sie suchten nur ihre Freiheit und waren bereit, darum zu kämpfen. »Es wird keinen Frieden geben, solange die Flut der Siedlerkarawanen unser Land überschwemmt, die Siedler Zäune errichten und Felder bestellen«, sagte er deshalb. »Es ist der Lauf der Zeit, der nicht mehr aufzuhalten ist, Häuptling. Unsere Völker sollten lernen, miteinander zu leben und einander zu lieben. Das Land ist groß und hat für alle Platz.« Cochise schloß die Augen. Er träumte von seinem Land, das seine Urväter den Zunis genommen hatten, und das nun der Raubgier fremder Eindringlinge zum Opfer fallen sollte. »Nie wird die Zeit kommen, wo wir beide das erleben«, sagte er leise. Er öffnete die Augen und sah, daß Tla-ina ihren Arm um den Nacken des Falken gelegt hatte und ihm heißen Tee einflößte. »Du und ich kennen die Zukunft unseres Landes.« »Es wird ein langer Weg, Jefe. Doch die größere Gefahr kommt aus dem Osten. Wichitas und Caddos legen die Brandfackeln zum großen Aufstand. Ströme von Blut werden die Gila durchfließen, wenn wir keinen Weg zur Einigkeit finden. Die Soldaten meines Häuptlings sind zu schwach, um allein gegen diese Horden anzutreten. Er sucht die Allianz mit dir, wenn du bereit bist, dein Kriegsbeil gegen die Weißen zu begraben.« John dachte an die schwachbesetzten Forts im Grenzland, die zum Teil nur mit halber Besatzung bestückt waren. Mit schlechten Waffen, zum Teil ohne schweren Beschuß. 11
»Wirst du den Weg suchen, Chief?« fragte er nach einer Weile. »Ich werde nachdenken«, erwiderte Cochise, während er sich erhob und in die Abenddämmerung trat. Seine Gedanken waren mit Sorgen erfüllt, wenn sie die Mimbrenjohäuptlinge berührten, deren Wildheit und Haß immer wieder eskalierte. »Er braucht Zeit«, sagte am Feuer Tla-ina. »Und du brauchst Ruhe, Falke. Die Nächte in den Bergen sind kühl. Ich werde dich wärmen.« Mit der Reinheit und Naivität einer Apachenfrau schob Tlaina die Decke hoch und legte sich an seine Seite. John spürte ihre schlanken, festen Arme im Nacken, den herben Duft ihrer Haut, und schloß die Augen. * Am anderen Morgen stand Cochise vor seinem Lager. Tla-ina hantierte bereits am Feuer. Man sah dem Häuptling nicht an, daß er die ganze Nacht draußen in der Kälte gesessen und Zwiesprache mit seinen Göttern gehalten hatte. Aber John erkannte an seinem freundlichen Lächeln, daß er sich entschieden hatte. »Ich habe Ulzana gebeten, den Rat der Häuptlinge einzuberufen«, sagte Cochise ruhig. »Ich werde die Botschaft des Einarms verkünden. Morgen brechen wir auf.« »Warum nicht heute, Häuptling?« fragte John ungeduldig. »Tla-ina hat es bestimmt. Du brauchst noch Ruhe.« * Wyatt Earp sah die flachen Schindeldächer und den kleinen Corral in der Senke, und er wußte, er war auf irgendeine Relaisstation der Butterfield Overland gestoßen. Vier Tage war er hinter dem flüchtigen Glenn Morgan her, 12
und gestern hatte er auf dem felsigen Untergrund von Hatch Bigs seine Fährte verloren. Earp ritt den flachen Hügel hinunter. Schon im Näherreiten sah er die beiden Männer, die am Haus und beim Brunnen Stellung bezogen. Ihre Waffen blitzten in der Sonne. »Kein friedlicher Empfang«, rief er von weitem den beiden Männern entgegen, »sehe ich aus wie eine Horde Indianer?« Nur zögernd lösten sich die Männer aus ihrer Deckung, und als Earp durch das offene Tor in den ausgefahrenen, von Wagenspuren gezeichneten Hof ritt, erkannte er beim Haupthaus zwei weitere Bewaffnete. Einer davon war eine Frau. Sicher die Frau des Posthalters. »Vor Apachen schützen uns unsere Waffen«, sagte der bärtige Postmeister, der sich Lone nannte, und hob drohend seine Springfield. »Aber in der Nacht waren ein paar verdammte Viehdiebe hier, die ihre abgetriebenen Mähren gegen guten Beritt tauschten. Ich hoffe nicht, du bist einer von ihnen?« Wyatt sah keine Gefahr für sein Leben. Er schwenkte zur Posthalterei ein und stieg vom Pferd. Nachdem er die Zügel an den Hitchrack gebunden hatte, deutete er auf sein Pony. »Sieht so eines deiner gestohlenen Pferde aus?« Lone schüttelte heftig den Kopf. Auch sein mexikanischer Gehilfe verneinte. »Es waren gute Mustangs, Senor. Dein Pferd erinnert mich an einen Esel.« »Dann führe mich zu den Pferden der Diebe.« Er hatte den Verdacht, wieder auf Morgans Spur gestoßen zu sein. Tatsächlich erkannte er Morgans Gaul wieder, den der Bandit schon in Tombstone geritten hatte. Er nickte zuversichtlich. »Sie sind nach Süden geritten?« »Woher weißt du das?« Lone faßte mißtrauisch seine Springfield fester. Sein Daumen schnappte den Hahn zurück. Der junge Abenteurer schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich 13
weiß es aus dem Grund, weil ich ihnen seit vier Tagen folge.« »Banditen?« »In der Tat.« Lone kniff ein Auge zu. »Bist du Marshal? Wo trägst du deinen Stern?« Earp zuckte mit den Achseln. »Ich bin kein Blechträger. Mich führen persönliche Dinge in ihre Nähe.« »Dann komm ins Haus und stärke dich.« Lone senkte endgültig die Waffe und winkte dem Mexikaner zu, daß er verschwinden sollte. Mrs. Lone war eine nette Frau, die mit Kaffee, gebackenen Eiern und Speck aufwartete. Earp, der seit einigen Wochen auf diese Kostbarkeiten verzichtet hatte, langte mächtig zu, und nach einem scharfen Schnaps drehte er sich eine Zigarette. »Ich möchte einen Brief aufgeben, Postmeister. Ist das möglich?« Lone grinste vertraulich. »Dafür sind wir hier. Frau, hole Papier und Feder.« Er schob das Geschirr beiseite und setzte sich nieder. »Wohin geht die Post?« fragte er, als Earps Feder kratzend über das Papier fuhr. »Nach Prescott«, erwiderte Wyatt bereitwillig. »Ich schreibe einem meiner Brüder und hoffe, daß die Post ihr Ziel erreicht.« Er reichte Lone den Brief. »Wenn keine Banditen die Post ausrauben oder Apachen sie nicht in Brand stecken, wird deine Botschaft ihr Ziel erreichen. Butterfield Overland Mail ist zuverlässig.« Wyatt dankte und bezahlte. Als er den Hof betrat, hatte der mexikanische Gehilfe bereits seinen Gaul versorgt. Wyatt reichte ihm ein paar Cents, sprach einige Worte, und, nachdem ihm Juan die Richtung erklärt hatte, in der die nächtlichen Diebe verschwunden waren, zog er los. Schon am zweiten Tag wußte John, daß Morgan Tombstone ansteuerte, das irgendwo hinter den fernen Hügeln lag. Das 14
kam seinen eigenen Wünschen entgegen, denn ihm lag daran, gewisse Verhältnisse in der Stadt zu klären, aus der er vor einigen Wochen nach einem Schußwechsel mit einem verrückten Spieler fliehen mußte. Wyatt dachte an Marshal Marley, der ihn wegen Mordes jagte. Nur Morgan konnte ihn rehabilitieren. Das gab ihm Hoffnung, und er trieb seinen Pinto zu einer schnelleren Gangart. Am zweiten Tag, am Spätnachmittag, sah er die Flachbauten Tombstones im trüben Sonnenlicht des sinkenden Tages. Da es ihm zu gefährlich erschien, am hellichten Tag offen in die Stadt einzureiten, suchte er einen Lagerplatz zwischen dem dichten Strauchwerk, um den Abend abzuwarten. Bei Anbruch der Nacht ritt er los. Als er die einzige Straße Tombstones entlangritt, an den vielen Kneipen vorbei, aus denen er Trubel und laute Musik hörte, wurde es dem Schlitzohr weich ums Herz. Tombstone war eine Stadt mit Zukunft, denn von weither kamen Cowboys von einsamen Ranches, um ihren Kummer in Alkohol zu ertränken oder die Einsamkeit beim Spiel zu vergessen. Und solch eine Stadt war ihm versperrt. Vor dem Birth-Cage-Theatre zügelte er den Pinto. Er band ihn an den Hitchrack und schlenderte über den Stepwalk von Fenster zu Fenster des Etablissements, bis er Glenn Morgan in einem Hinterzimmer entdeckte. Morgan saß in einem Kreis Männer und sprach auf sie ein. Wyatt zählte sieben Mann. Wenig vertrauenerweckend, äußerlich verkommen und mit Waffen bestückt wie eine Armee, lauschten sie wie gierige Hyänen Morgans Worten, und jede Runde, die er bestellte, wurde begeistert begrüßt. Nach einiger Zeit schob er ein vergilbtes Blatt Pergament auf die Tischplatte und begann die Zeichen zu erklären. Wyatt erkannte das Papier als jenes, das Morgan im Tausch für Waffen von dem Caddo-Häuptling Guadalupe bekommen 15
hatte. Neugierig beugte Wyatt sich vor und preßte das Ohr an die Holzwand. Aber der Lärm aus dem angrenzenden Saloon verschluckte Morgans Stimme. Als John sich aufrichten wollte, stand unter der baumelnden Ölfunzel am Seitenausgang des Births ein Recke, den er auf den ersten Blick erkannte: Marshal Andrew Marley. Der Mann also, dem er im Augenblick am wenigsten begegnen wollte. »Was gibt es da so Interessantes zu erlauschen, Hombre?« fragte der Marshal, und Wyatt sah, daß der Mann die Hand am Revolver hatte. Noch hatte Marley ihn nicht erkannt. »Nichts, Marshal«, rief er deshalb, worauf Marley mit dem Finger schnippte. »Komm doch mal näher, Jungchen. Deine Stimme ist mir irgendwie bekannt.« Wyatt dachte an den Hängebaum in Tombstone, woran der Marshal ihn gern knüpfen würde, und schielte zum dunklen Seitenweg, der am Ende des Birth-Theatre zwischen Häusern hindurchführte. Er machte drei Schritte, um Marleys Wünschen nachzukommen, und flitzte dann blitzschnell in die Dunkelheit. Marley schien überrascht. Dann schrie er mit wütendem Baß: »Halt, du dreckige Laus. Ich wußte doch, daß ich dich kenne.« Er riß den Colt hoch und feuerte zwei Schüsse ab. Aber Wyatt war bereits um den Saloon gehastet und erreichte sein Pferd. Er schwang sich in den Sattel, löste die Zügel und sprengte in die Nacht hinaus. Marley fluchte noch immer, als einige Männer, vom Lärm der Schüsse angelockt, aus dem Saloon fegten. Unter ihnen war Morgan. »Was soll das, Marshal?« fragte er verwundert und lauschte dem sich entfernenden Hufschlag. Marley schnaufte vor Wut. »Ich wußte, daß er ein 16
verwegener Halunke ist. Aber diese Frechheit habe ich ihm nicht zugetraut.« »Wem, Marshal?« fragte der Spieler neugierig. »Earp, diesem Hundsfott, den ich wochenlang gejagt habe.« Marley sah nicht, daß Morgan leicht zusammenzuckte und bleich wurde. Der Sheriff lief mit Riesenschritten zum Office, um seine Deputies zu alarmieren. Morgan kehrte ins Hinterzimmer des Saloons zurück und besprach sich mit seinen Leuten. »Die Dinge entwickeln sich nicht so, wie ich es mir dachte. Earp ist gefährlich. Wir müssen raus aus der Stadt. Dunney, Smith, ihr besorgt Murros, Verpflegung und Schaufelzeug. Vielleicht findet ihr im Generalstore noch eine Kiste Sprengstoff. Im Morgengrauen brechen wir auf.« Während Morgan nervös seinen Brandy trank, hatte Wyatt Earp eine unruhige Nacht. Wie ein Geier strichen Marley und seine Gehilfen durch die Hügel und waren mitunter so nahe an seinem Versteck, daß er ihre fluchenden Stimmen wahrnehmen konnte. Erst im Morgengrauen kehrten sie in die Stadt zurück. Wyatt war entschlossen, am folgenden Abend zu einer neuen Attacke auf Glenn Morgan anzutreten. Er mußte ihn zwingen, dem Marshal die Wahrheit zu erzählen. Doch Wyatts Wünsche zerflatterten wie Laub im Wind, denn als die Sternträger zwischen den Häusern Tombstones untertauchten, ritt eine Kolonne Reiter aus der Stadt. Sie führten etliche beladene Murros mit, und Wyatt Earp erkannte den Mann an der Spitze des Trupps. Glenn Morgan. Zornig schleuderte er seinen verbeulten Stetson in den Wüstensand und trampelte unbeherrscht darauf herum, bis er den Unsinn seines Tuns einsah, den Hut aufhob, ihn auf den Kopf stülpte und sein Pferd sattelte. Morgan hatte irgend etwas vor, und die Ausrüstung, die an 17
den Murros hing, zeigte Wyatt, daß Morgan in die Berge wollte. Die Karte, dachte er, sich an jene Nacht bei den roten Felsen erinnernd. Er ist auf einem Weg zu irgendeinem Claim, den er von Guadalupe ergaunert hat. Da der Abenteurer seine eigenen Ziele, einmal ein reicher Mann zu werden, niemals aufgesteckt hatte, legte er die persönlichen Bedürfnisse einer Rehabilitation beiseite und folgte in beträchtlichem Abstand dem wilden Rudel. * Weniger dem Zauber des Schamanen als der Kraft seiner Jugend verdankte Tatsa-min die Genesung von den schweren Verletzungen, die er bei der Auseinandersetzung mit Haggerty an den roten Felsen erlitten hatte. Eine Woche, nachdem Guadalupe ihn halbtot ins Wüstenlager der Wichitas geschleppt hatte, war er in der Lage, seinem Häuptling von den zurückliegenden Dingen zu berichten. Zwar mit matter, doch klarer Stimme sprach er über das verborgene Versteck des weißen Mannes und beschrieb den Weg, der zu den Waffen führte, die Caddos wie auch Wichitas für die kommenden Kämpfe dringend benötigten. Als Locking Bear, der dem Gespräch aufmerksam folgte, erfuhr, wo in den Schluchten der Swisshelm Mountains die modernen Schnellfeuergewehre lagerten, drängte der WichitaHäuptling zum sofortigen Aufbruch. »Mit diesen schnellen Gewehren überrennen wir die befestigten Ansiedlungen der Bleichgesichter im Sturmlauf.« Seine Augen leuchteten. Er dachte bereits an den Ruhm, der ihn erwartete. Seine Taten würden Geschichte machen, und die Stämme des Westens endgültig zum Aufruhr erwecken. Sein Name würde unsterblich, und man würde ihn den größten der zehn tapfersten Krieger nennen. 18
Doch Guadalupe, von plötzlichem Mißtrauen befallen, bremste Locking Bears Unternehmungsgeist, indem er rief: »Tatsa-min ist krank und matt. Er ist nicht stark genug, uns zu führen. Die Berge und Schluchten, die er uns beschreibt, gleichen den Bergen und Schluchten eines jeden Gebirges, so wie das Wasser des Meeres und der Sand der Wüste, dessen Herkunft wir nicht ergründen können. Tatsa-min soll Kraft sammeln, um den weiten Weg sicher zu beschreiten. Er wird uns führen. How.« Guadalupe hatte Locking Bear widersprochen. Nicht ungefährlich für ihn, da er sich im Lager der Wichitas befand. Aber er wußte, daß Locking Bear sich seinem Wunsch beugen mußte. Zuviel stand für ihn auf dem Spiel. Locking Bear schwieg eine Weile. Man sah an seiner Geste, daß er zornig war, doch dann sagte er überraschend: »Guadalupe hat weise gesprochen. Es kommt auf einen Tag oder eine Woche nicht an. Wir sehen dem Kampf gelassen entgegen.« Locking Bear erhob sich von der Decke und verließ den Buschjaquales. Guadalupe, dessen Blick dem Wichitahäuptling folgte, sah aus dem offenen Zeltdach, daß Locking Bear seinen Schamanen rief und mit ihm auf einen flachen Hügel stieg. Er wußte, daß Locking Bear den Zauber befragen wollte, denn wie alle Indianer war auch Locking Bear von tiefem Aberglauben befallen. Am späten Nachmittag sprengte ein halbes Dutzend Wichitaspäher ins Lager. Auf ihren weichen Leggins hing der Staub der Wüste, und an ihren schweißnassen Körpern klebte brauner Sand. Sie kamen mitten aus der Wüste. Nach kurzer Zeit herrschte hektisches Treiben. Fast dreißig Krieger eilten zum Buschcorral und zäumten ihre Pferde. Locking Bear bestieg einen prächtigen goldfarbenen Mustang und trieb ihn zu Guadalupes Zelt. Am breiten Gurt trug er Tomahawk und Steinschleuder, und quer über dem 19
Sattel hielt er seine Kampflanze. Seine Augen leuchteten. »Meine Späher berichten von Langsäbeln, die in der Nähe lagern. Ich werde ihnen zeigen, wie stark und klug Wichitakrieger kämpfen.« Er riß den Mustang herum und gab ein Zeichen. Dreißig Reiter verließen auf schnellen Ponys das versteckte Felsenlager und ritten ins zunehmende Dämmerlicht. * Die bleiche Sichel des Mondes stand einsam am Zenit und erhellte dürftig das weite Land. Kein fremder Laut füllte die Stille. Und dennoch war sie voller Leben. Sergeant Brosher, ein erfahrener Fuchs im Grenzland, lag mit dem Nachtposten unweit der Pferde in einer Sandmulde und blickte mißtrauisch in die Nacht. Nur zweimal hatte er den Ruf des Rotfuchses vernommen, und sein Instinkt sagte ihm, irgend etwas ging dort draußen vor. »Wecke den Lieutenant«, flüsterte Brosher dem Posten zu, »ich übernehme solange deine Wache.« Korporal Brown, schon etliche Jahre in Arizona stationiert und vertraut im Kampf, nickte. »Es schleicht etwas ums Lager, Sergeant. Und es ist bestimmt kein Wolfsrudel.« Er erhob sich und huschte tiefgeduckt zum niederglimmenden Feuer, um das sich die Abteilung schlafender Soldaten rekrutierte. Lieutenant McLean, von irischem Geblüt, von der harten Kadettenschule West Point zum guten Soldaten geformt, kroch gleich darauf an Broshers Seite. »Was ist los dort draußen, Sergeant?« flüsterte er. »Wenn ich es wüßte, wäre mir wohler. Es ist nichts zu sehen und nichts zu hören, aber ich spüre den Schweiß von roten Bastarden. Ich werde mich umsehen, Lieutenant.« Lieutenant McLean nickte. Sie waren auf einem 20
Patrouillenritt, weitab von der kampfstarken Abteilung, tief in die Wüste vorgedrungen. Gestern hatten sie Spuren entdeckt und waren ihnen gefolgt. Aber irgendwo auf hartem Fels endete die Fährte. McLean wollte nicht aufgeben. Er wußte, irgendwo hier draußen sammelten sich die versprengten Gruppen der Caddos und Wichitas, um sich neu zu formieren. Seine Aufgabe war es, den Standort auszumachen und zum Haupttrupp zurückzukehren. Im Hauptquartier war man beunruhigt vom Verschwinden der fremden Rothäute und wartete dort in höchster Alarmbereitschaft auf eine Erfolgsmeldung. Sergeant Brosher schnallte seine Stiefelsporen ab. Er legte den breiten Revolvergurt in den Sand und zog den Armeecolt aus der Revolvertasche. Er nahm noch sein schweres Messer und verschwand lautlos in der Dunkelheit. Er ist ein verwegener Haudegen, dachte McLean, als Korporal Brown neben ihm auftauchte. Brown sah die undeutlichen Spuren im Sand, die nur von Brosher stammen konnten. Er schüttelte unmutig den Kopf. »Irgendwann wird der Sergeant seinen Skalp verlieren.« Er schwieg, und sie beide lauschten dem heiseren Bellen eines Präriewolfes, es kam aus nordöstlicher Richtung, wohin auch Brosher verschwunden war. Die Zeit kroch dahin, ohne daß Brosher zurückkehrte. Lieutenant McLean wurde unruhig und faßte den Entschluß, seine Soldaten aufzuwecken, als Sergeant Brosher vor ihnen aus der Erde wuchs. »Wichitas«, fluchte er verhalten, »fünfzig oder mehr Bastarde. Sie reiten in Kriegsbemalung. Wir sollten das Biwak abbrechen und verschwinden.« Aber Lieutenant McLean war jung und heißblütig. West Point hatte ihn gelehrt, daß ein amerikanischer Soldat nur vorwärts marschierte. »Wir sind zwanzig kampferprobte Männer. Was kann ein 21
Haufen schlecht bewaffneter Wilder schon groß anrichten? Setzen Sie die Abteilung in Alarmbereitschaft. Aber tun Sie es leise, Sergeant, sonst ist die Überraschung beim Teufel.« Brosher hob seinen Gurt auf und schnallte die Sporen an. Ihr Verhältnis war drei gegen einen, und Brosher wußte, wie fanatisch diese Bestien zu kämpfen wußten. Aber McLean war der Führer des Unternehmens. Brosher huschte zum nahen Lager hinüber und bemerkte die Unruhe im Seilcorral. Unbewußt veränderte er die Richtung und näherte sich lautlos dem Busch. Er sah zwei halbnackte Burschen, die sich an den Seilen zu schaffen machten, und setzte zum Sprung an. Ein fürchterlicher Hieb, mit dem Revolverknauf geführt, brachte den Mann zu Fall. Schon sprang er den zweiten Roten an, der, vom fallenden Geräusch seines Bruders gewarnt, herumfuhr. Sein Messer blitzte in der Luft. Doch der Sergeant war schneller. Seine scharfe Klinge fuhr, von einem wuchtigen Wurf geschleudert, durch die Nacht und drang in die Kehle der Rothaut. All das geschah so schnell und lautlos, daß es unwirklich erschien. Brosher sah, wie der Mann stürzte und die Seilkoppel zerfiel. Die Pferde stampften unruhig mit den Hufen und kamen in Bewegung. Brosher lief ihnen leise fluchend entgegen, um ein Ausbrechen zu verhindern, denn ohne Pferde waren sie der erbarmungslosen Wüste ausgeliefert und den Wichitas unterlegen. Nach drei Schritten spürte er einen wilden Schmerz in der Schulter, und als seine Hand zur Brust fuhr, fühlte er die scharfe Pfeilspitze, die durch seinen Körper gedrungen war. Den Schmerz verbeißend, fuhr er in die Richtung, aus der der Pfeil geschleudert wurde. Er sah den hetzenden Schatten heranfliehen und riß den Revolver hoch. 22
Peitschend zerriß eine Explosion die Stille. Am Feuer taumelten schlaftrunkene Soldaten hoch und griffen automatisch nach ihren Springfields. Der Angreifer stürzte. Aber nun, vom Lärm des Abschusses vollends erschreckt, sprengten die Pferde auseinander. Sergeant Brosher wich fluchend zur Seite, als einige Tiere auf ihn zusprengten. Mit einer wilden Bewegung knickte er die Pfeilspitze vom Schaft und rannte zum Feuer. »Alarm«, schrie er heiser. »Verteilt euch in der Mulde und schießt auf jede Bewegung. He, Bracks.« Er hielt den Mann zurück und deutete auf seinen Rücken, wo der gefiederte Schaft des Kriegspfeiles herausragte. »Ziehe mir das Scheißding aus der Schulter.« Bracks Schritte verharrten. Einen Augenblick lang starrte er entsetzt auf Broshers Rücken. Noch ehe er den Befehl ausführen konnte, füllten helle Angriffssignale die Nacht, und aus der Dunkelheit kam trommelnder Hufschlag. Ein Inferno brach aus. Schüsse fielen in schneller Reihenfolge. Pferde brachen zusammen. Soldat Bracks stand sekundenlang wie eine Salzsäule, ehe er seitlich umkippte und in den Sand fiel. Nur für einen Augenblick sah Sergeant Brosher den kurzen Federschaft eines Kriegspfeiles aus Bracks Brust ragen. Brosher vergaß den eigenen Schmerz, den die Verwundung verursachte. Er riß seine Revolver hoch, zielte und drückte ab. Im Flammenfächer sah er die häßlich bemalte Fratze des Angreifers, ehe der vom Pferd verschwand. Aber das Drama hatte erst seinen Anfang genommen. Beim Feuer lagen drei Tote, und dazwischen wälzte sich ein Schwerverletzter, der wild seinen Schmerz herausschrie. Aus dem Gesträuch taumelte Korporal Brown, den eine Wichitalanze durchbohrt hatte. Stumm fiel er vor Broshers 23
Füße zu Boden. Sein Körper zuckte eine Weile, dann lag er still. Sergeant Brosher hatte seinen Revolver leergeschossen. Kaltblütig schlug er die Trommel aus und betätigte den Ausstoßer. In der Nähe tauchte ein Reiter auf, der seine Keule schwang. Eine Kugel warf ihn aus dem Sattel. Lieutenant McLean stand plötzlich neben Brosher. »Danke«, sagte Brosher, der wußte, daß der Lieutenant ihm gerade das Leben gerettet hatte. Sein Revolver war wieder geladen. »Wenn's auch überflüssig war, Lieutenant. Ich hätte es jetzt überstanden.« Noch immer steckte der Schaft in seiner Schulter. Aber Brosher, der alte Kämpe, hatte ihn längst vergessen. Soldaten krochen heran. Hilflose Gesichter blickten zu Lieutenant McLean und Brosher hoch. Aber weder McLean noch sein Sergeant wußten irgendwie tröstende Worte zu sprechen. Die Rothäute waren verschwunden, aber der trommelnde Hufwirbel zeigte deutlich, daß sie sich zum zweiten Angriff formierten. Alles ging so schnell, daß keiner der Soldaten Gelegenheit hatte, die Springfield zu laden. Die Nacht war klar und kalt. Der Himmel stand voller Sterne. »Nehmt die Gewehre als Keulen«, schrie der Sergeant dem armseligen Häuflein zu. »Wir nehmen so viele Indianer mit, wie wir können.« Keiner von ihnen bemerkte, daß der Sergeant mit bissigen Worten ihr Todesurteil gesprochen hatte. Ein Wall von Pferdeleibern kam heran. Ein Pfeilhagel schlug ihnen entgegen. Sie wehrten sich todesmutig und verzweifelt. Immer weiter lichteten sich ihre Reihen, und Lieutenant McLean, von einer Kriegskeule an der Schulter schwerverletzt, verschoß die letzte Kugel. Im Kampfeslärm schrie er seinem Streitgefährten Brosher zu: »Ihr Anführer, der mit den drei Federn im Haar, ist ein Teufel.« 24
Sie alle sind erbarmungslose Teufel, dachte Sergeant Brosher, als ein Tomahawk ihm entgegenschnellte und mitten in seine Brust fuhr. Im Niederstürzen sah er Lieutenant McLean fallen, hörte ferne Schüsse und wildes Siegesgeschrei. Dann war auch Sergeant Brosher tot. Mit ihm starb die ganze Abteilung. * Dämmerlicht füllte das grausame Kriegsgeschehen. Am niedergebrannten Feuer saß Locking Bear mit fanatisch glühenden Augen auf dem Rücken seines Mustangs. Seitlich am Deckenhaken baumelte ein halbes Dutzend blutiger Haarschöpfe. Kalte Grausamkeit blitzte aus seinen Augen. Er hob die Hand. »Der Schamane hat mir einen großen Sieg gedeutet, und die Götter haben ihr Versprechen eingelöst. Dieser Tag ist ein großer Tag in der ruhmreichen Geschichte der Wichitas. Zwanzig tote Langsäbel. Es ist mehr, als ich zu hoffen wagte.« Er senkte die Hand und schwenkte seinen Mustang. Schwerbeladen mit Beute zogen sie in östlicher Richtung zum Fuß der Chiricahua Mountains. Am Abend erreichte er das verborgene Lager. Guadalupe erkannte den stolzen Häuptling, der an der Spitze seiner Krieger ritt. Sah ihre Beute und die Toten, die sie auf den Rücken ihrer Pferde mitführten. Locking Bear schwenkte den Mustang und zügelte ihn vor dem Caddo-Häuptling. Seine Augen leuchteten, als er Guadalupe die erbeuteten Skalps vor die Füße warf. »So einfach ist es, die Langsäbel zu töten«, rief er, daß es jeder hören konnte, und hob stolz den Kopf in den Nacken. »Sie sind tapfer, aber dumm und auf einen Wüstenkampf nicht eingerichtet. Du siehst, sie sind zu besiegen.« Guadelupes Gesicht verdunkelte sich, so wie seine Gedanken. Sein Blick 25
streifte die Skalps am Boden. Er schüttelte zögernd den Kopf. »Dein Sieg ist vollkommen, Locking Bear. Aber die Toten verraten den Pferdesoldaten den Weg, der in unser Lager führt.« Locking Bear rutschte vom Mustang. »Wir werden nach Süden ziehen und die Waffen holen, Guadalupe. Die Plerdesoldaten finden nur zertrampelte Erde. Wie geht es Tatsa-min?« »Es geht ihm besser, Jefe, seine Wunden heilen.« »Dann brechen wir im Morgengrauen auf. Wenn wir die schnellen Gewehre finden, wird Nachan, mein Vetter, die versprengten Gruppen der Wichitas zusammenrufen und einer deiner Häuptlinge tut das gleiche mit den Caddokriegern. In mir brennt der Gedanke einer totalen Vernichtung.« »Und die Chiricahuas?« »Sie werden den Frieden mit uns suchen.« »Und Cheyennen und Arapahoes? Sie suchen den gewaltlosen Frieden.« »Sie werden bald erkennen, daß der Friede nur durch Kampf erreichbar ist und nicht durch die Bitterwurzel der Peyotlkaktee, die die Sinne lähmt und den Krieger zur Squaw macht. Ihre Geisterbewegung wird bald zerfallen, und sie werden uns als ihre Freunde oder als mächtige Gegner begegnen. Heute nacht werden wir unserer Toten gedenken und ihren Weg vorbereiten, der sie ins Reich Manitus führt. How.« Locking Bear beugte sich nieder, hob seine Beute auf und führte sein Pferd ins Heckencorral. Guadalupe blickte finster hinter seinem Verbündeten her. Er spürte, daß Häuptling Locking Bear nach höchstem Kriegsruhm suchte, der ihn im Leben noch zur Legende machen sollte. Zornig wandte er sich ab. * 26
Wyatt Earp streifte, vom Ufer des Bavispe kommend, durch das ausgetrocknete Flußbett eines Seitenarmes. Längst hatte er Morgans Spur verloren. Aber er wußte, irgendwo in dieser zerklüfteten Felswelt würde er auf den Spieler stoßen. Zügig, doch mit der nötigen Wachsamkeit, bewegte Earp sich vorwärts. Jeden Strauch, jede fremde Bewegung nahm er auf, bereit zu kämpfen, wenn ihm Morgans Leute den Weg versperrten. Am Nachmittag stieß er auf ein einsames Grabkreuz inmitten des trockenen Flusses. Es war verwittert und etwa ein Jahr alt. Aber Wyatt wußte nun, daß hier Menschen gelebt hatten. Er stieg vom Pferd und ging zum buschbewachsenen Ufer. Hier verbarg er sein Pferd und kletterte, seinem ausgeprägten Instinkt folgend, die Klippen hoch. Schon nach etwa dreißig Yards fand er Stiefelabdrücke, die, vom Trockenbett des Flusses kommend, hochführten. Er folgte ihnen mit der gebotenen Vorsicht, denn er wußte nun, daß er Morgan ganz nahe auf den Hacken war. Ein dichter Buschgürtel umspannte die Kuppe. Nachdem er ihn durchquert hatte, er stand am Rand eines Talkessels mit den Ausmaßen und der Form einer Arena, die rundum stufenförmig abfiel. Earp legte sich nieder. Noch während er nach seinem Glas griff, spürte er den schwachen Brandgeruch eines Feuers. Er prüfte die Windrichtung und blickte nun nach Süden, wo er bald den dünnen Rauchfaden entdeckte. Er lächelte zufrieden, glitt nun an der Basis des Buschgürtels entlang in diese Richtung. Nach etwa zehn Minuten sah er auf einer abgeflachten Stufe vier Männer, die um ein Feuer saßen, und sein scharfes Ohr hörte versteckte Schläge von Äxten oder Hämmern. Wyatt prüfte die abfallenden, von Strauchwerk bewachsenen Hänge. Nun, dreißig Yards vom Lager entfernt, von Büschen halb verdeckt, sah er den schmalen Felseinschnitt, den er nach 27
näherer Prüfung als Eingang einer Höhle erkannte. Es mußte die Bonanza der Derrotero oder auch die Anson City Mine sein. Anson City hatte er gestern gestreift, ehe er den Bavispe verließ. Dazwischen lagen keine zehn Meilen. Earp ließ sich die Wegstrecke durch den Kopf gehen, schätzte die Entfernung und Richtung von der Stadt zur Mine, um sich später davon eine Skizze anzufertigen. Earp glitt tiefer in einen Busch. Noch nie war er dem Ziel so nahe gewesen, aus seiner Misere herauszukommen, und der Gedanke, durch geschicktes Spiel reich zu werden, erschien ihm in Anbetracht der verlockenden Zukunft grotesk, daß er grinsen mußte. Hier lag sein Glück, und Virgils Hilfe, der vom Goldgraben einiges verstand, würden sie als reiche Männer nach Osten ziehen. Philadelphia vielleicht, Boston oder gar New Orleans, wo die hübschesten Frauen des Landes zu finden waren. Mexikanerinnen, Kreolinnen, Französinnen mit Pfeffer in den Adern und großer Leidenschaft im Blut. Leise Detonationen rissen ihn aus den Träumen. Er schob sein Glas an die Augen. Aus dem schmalen Stolleneingang wehte eine blaßblaue Pulverwolke, die dem Beobachter zeigte, daß Morgan und seine Leute eifrig den Fels sprengten. Morgan mußte wohl von ähnlichen Träumen belastet sein wie er, denn er hatte keine Zeit verstreichen lassen, sondern unverzüglich mit dem Abbau begonnen. Es dämmerte bereits, als Morgan und seine Arbeiter auftauchten und zum Lagerplatz gingen, wo irgendwer eine saftige Antilope über dem Holzspieß briet. Rasch wurde es dunkel. Earp kroch in die Tiefe. Er streifte in nächster Nähe das Lager, wo die Männer den saftigen Braten aßen, und kroch zum Fels. Zielstrebend fand er den Zugang 28
zum Stollen, der von mattem Öllicht erhellt war, was darauf schließen ließ, daß die Banditen auch in der Nacht arbeiten würden. Wyatt folgte dem Tunnel, der sanft abfallend in den Fels getrieben war, bis er auf ein Drift stieß, der in Streichrichtung des Stollens führte. Er roch den scharfen Pulvergeruch, der von der Sprengung zurückgeblieben war. Am Boden verstreut lagen Trümmer des aus dem Fels gesprengten Gesteins. Als er den Blick hob, sah er die glitzernden Colors einer armbreiten Lode, die an der Sprengstelle in den Fels hineinführte und den Verlauf der Goldader zeigte. Wyatt Earp konnte sich nur schwer von diesem Anblick trennen. Doch der Gedanke, daß bald eine neue Schicht hier ihre Arbeit aufnehmen würde, zwang ihn zur Eile. Er nahm ein etwa dreifaustgroßes Trümmerstück auf und eilte den Weg zurück. Vom Lager her kamen Stiefelschritte. Blitzschnell kroch Wyatt ins Gesträuch und ließ die Männer vorüberziehen. Er wartete, bis die Schritte verklangen und huschte weiter. In Hörnähe des Lagerplatzes blieb er in geduckter Haltung stehen. Er hörte Glenn Morgans satte Stimme, als dieser sagte: »Die Bonanza ist echt, Jungs. Ich werde ein paar Gesteinsproben zusammenpacken und in den nächsten Tagen zum Landamt nach Cochise reiten. Ich möchte nicht, daß irgendein Claimjumping sich unsere Bonanza unter den Nagel reißt.« Irgendwer grunzte. »Ob Guadalupe seine Winchesterkarabiner finden wird?« »Ich hoffe es, Sam.« Morgan lachte. »Mögen sie sich im Norden die Schädel einschlagen. Wir sahnen hier erst einmal kräftig ab. Vielleicht bringe ich in Anson City eine ganze Kolonne auf die Beine. Das würde den Abbruch beschleunigen.« 29
Ein trockener Zweig knackte unter Earps Stiefeln. Er hielt den Atem an, als die zweite Stimme rief: »War da nicht etwas?« Doch Morgan beruhigte den Mann. »Eine Buschratte oder ein paar Nachtschwalben im Gesträuch. Wer sollte hier schon hinfinden?« Wyatt Earp kroch weiter. Es stand zuviel auf dem Spiel, daß er noch etwas riskieren konnte. Nach einer Stunde erreichte er sein Pferd. Es war Nacht, aber Mond und Sterne gaben genügend Licht für einen sicheren Weg. Am Morgen erreichte er den Flußlauf, wandte sich nach Osten und folgte ihm bis Anson City. Hier kaufte er Vorräte für die kommenden Tage, setzte sich in eine stille Ecke des nächsten Saloons und zeichnete aus dem Gedächtnis heraus die Lage der Mine nach der zurückgelegten Wegstrecke auf ein Stück Papier. Anschließend schob er das Papier wie eine Kostbarkeit in die Tasche. Er würde schneller sein als der Halunke Morgan. * Dem Ruf Cochises folgend, auf dem Weg zur Bergfestung in den Dragoons, suchte Geronimo Ulzanas Dorf. Er und seine acht Begleiter waren in der Mimbrenjosiedlung gerngesehene Gäste. Ulzana begrüßte sie entsprechend und lud Geronimo zu einem Palaver in sein Tipi ein. Das wärmende Feuer, dessen Rauch durch die kreisrunde Öffnung des Spitzzeltes kräuselte, verdrängte die Kälte der späten Herbsttage, so daß Geronimo schon bald den schweren Fuchspelz ablegte. Ulzana erfreute seinen Gast mit getrockneten Beerenfrüchten und dem frischen Fleisch einer Bergziege, die seine Squaw zerlegt, in frische Balsamblätter gehüllt an der offenen 30
Feuerstelle gegrillt hatte. Sie aßen schweigend von geschnitzten Holztellern und tranken den scharf gegorenen Saft der Agave. Geronimos zeitweiliges Rülpsen nahm Ulzana wohlwollend auf, wußte er nun doch, daß sein Gast sich wohl fühlte. Nachdem das Mahl beendet und seine Squaw Teller und Schüsseln abgeräumt hatte und aus dem Zelt verschwunden war, stopfte Ulzana zwei Pfeifen, und schon bald schwebte der scharfe Geruch des Kinninkins im Raum. »Cochise hat den Rat der Häuptlinge einberufen«, begann Geronimo die Unterhaltung. Er saß in stolzer aufgerichteter Haltung jenseits des Feuers. »Er wünscht ein Palaver.« Ulzana nickte. »Der Häuptling ist in Sorge um unser Volk, Gokhlayeh. Im Tal der Apachen ist ein neuer Feind aufgetaucht. Caddos und Wichitas.« Geronimo sah hoch. »Die Stämme aus dem Osten?« »Ja, Gokhlayeh.« Wieder nickte Ulzana. »Sie bekämpfen Cheyennen und Arapahoes, die vom großen Erlöser und den Frieden unter unseren Völkern sprechen. Ein Messias hat die Botschaft verkündet.« »Es wird nie Frieden zwischen unseren Völkern geben, denn Habgier und Haß haben sich unlösbar in ihren Herzen verbunden. Aber wenn Caddos, Wichitas, Cheyennen und Arapahoes sich bekämpfen, sollten sie es in ihren Jagdgründen tun. Ist das der Grund, warum Cochise den Großen Rat zusammenruft?« »Wir werden es bald wissen. Aber er sieht noch eine zweite Gefahr. Wenn jene Gerüchte stimmen, die Späher aus den Tälern in die Berge hochtragen, trägt Locking Bear den Gedanken im Herzen, einen Krieg gegen die Weißaugen zu führen.« »Locking Bear«, entfuhr es Geronimo, und seine dunklen Augen begannen zu leuchten, »einer der zehn tapfersten Krieger. Ich bewundere seinen Mut und Kampfgeist. Wenn 31
Cochise seine Kraft und seinen Willen hätte, wären unsere Jagdgründe frei von Pferdesoldaten und Bauern, die unser Land umpflügen.« Ulzena schüttelte wegen der forschen Rede des jungen Häuptlings unmutig den Kopf. »Cochise ist der Tapferste aller Apachen. Sein Mut steht außer Zweifel, denn er hat ihn oft bewiesen. An seiner Seite dürfte Locking Bear nur sein Lanzenträger sein, denn unser Führer besitzt neben seinem Mut die Klugheit und Besonnenheit des jagenden Rotfuchses. Sein klares Auge hat längst erkannt, daß ein Krieg gegen die Pferdesoldaten das ruhmlose Ende aller Apachenstämme bedeutet.« Geronimo sog heftig an seiner Pfeife. »Spricht so die Zunge eines Mannes, der nach Beute giert?« »Was bedeutet Beute gegen den Schmerz, den ein Apachenherz beim Tod seiner Verwandten empfindet?« widersprach Ulzana. »Der Tod ist uns allen bestimmt, Ulzana. Wir wissen, daß das Land jenseits des Horizonts uns aller Sorgen befreit. Ich wäre bereit, dafür zu kämpfen und zu sterben, wenn ich zuvor das unrühmliche Ende der Bleichgesichter erleben dürfte«, sagte Geronimo heftig. Ulzana schob die Holzscheite tiefer in die Glut. Er dachte lange nach, ehe er antwortete. »Deine Gedanken gehören Locking Bear?« »Ich achte seinen Mut und seine Ziele, die auferlegten Fesseln der Knechtschaft zu sprengen. Schau dir die erbärmlichen Regionen an, in denen Tontos und Mimbrenjos ein unwürdiges Leben führen. Es lohnt sich immer, für die Freiheit zu kämpfen.« »An der Seite eines Wichitas?« »An der Seite Locking Bears.« Ulzana sah die leuchtenden Augen des jungen Häuptlings. Er kannte dessen Ungeduld und Unbeherrschtheit, die ihn schon 32
oftmals zu unüberlegten Handlungen und Raubzügen hingerissen hatte. Er, Ulzana, war ein Mann, der leichte Beute liebte. Gokhlayeh mochte aber den Skalp. »Du denkst an die vielen hellen Haarschöpfe der Soldaten. Nicht aber an den Tod.« »Ich denke an beides, Ulzana, denn die Zahl der erbeuteten Skalps zeigen den Mut eines Kriegers, und der im Kampf erlittene Tod führt uns den Göttern näher.« Ulzana nickte. Obwohl er das Leben liebte, sah er die Erfüllung des wahren Lebens jenseits der Gegenwart, die keine Sorgen kannte. Weder die Kälte des Winters noch die Dürre des Sommers. Nur blühende endlose Felder, auf denen der Büffel tobte und der Jäger sein Jagdglück fand. »Cochise wird die Häuptlinge befragen und seine Entscheidung treffen«, sagte Ulzana ausweichend, denn er spürte, daß Gokhlayehs Euphorie ihn ansteckte. Am folgenden Morgen rüstete Ulzana zum Aufbruch. Begleitet von sechs tapferen Kriegern seines Dorfes, folgte er Geronimo durch die einsame Bergwelt. * Die eisige Region der Swisshelm Mountains lag hinter ihnen. Cochise, John Haggerty und Tla-ina durchquerten das weite Wüstental, das sich bis hoch in den Norden erstreckte. Irgendwann in den nächsten Tagen würden sich ihre Wege trennen, und jeder ritt dann mit einer eigenen Aufgabe in eine andere Richtung. Gegen Mittag dieses Tages entdeckte der Häuptling in den weiten vorgezogenen Kaps der Chiricahua Mountains eine Staubwolke, der sie eine Weile folgten, bis sie auf Sichtweite heran waren. Zwischen Mesquitesträuchern, Collas und Stachelgestrüpp verborgen, beobachteten sie den beträchtlichen Zug, der in 33
schnellem Ritt südwärts strebte. »Etwa achtzig Reiter«, bemerkte Cochise nachdenklich. »Wichitas und Caddos«, erwiderte John, der sein Glas am Auge hielt. »Der Teufel mag wissen, was sie so tief im Süden suchen.« »El Diablo hat sie hergeführt, er wird sie auch wieder über die Berge treiben«, sagte Cochise. Aber man sah die Sorge in seinem Gesicht. Von dem Falken wußte er, was im Tal vorging. Von der Vielzahl der kriegerischen Oststämme, ihren Beweggründen und ihren Absichten. John Haggerty lächelte. »Nicht der Teufel, sondern Langmesser und Apachen werden sie vertreiben. Du hast die Botschaft meines Häuptlings nicht vergessen?« »Cochise vergißt nie ein Wort«, sagte Tla-ina, »aber er wird Mühe haben, den Großen Rat von der Nützlichkeit der Verbindung zu überzeugen.« Sie sah das Lächeln des Falken und lächelte zurück. »So tief ist die Kluft zwischen weißen und roten Männern.« Sie schwiegen. In eine Staubwolke gehüllt zogen die Rothäute weiter. Auch Haggerty, der Häuptling und seine Schwester bestiegen ihre Pferde, und John sagte zu Cochise: »Locking Bear führt die Krieger nach Süden.« Cochise nickte. »Ich habe ihn erkannt.« Am späten Nachmittag, als sie eine verborgene Wasserstelle erreichten, sprengten aus den Hügeln etwa hundert Reiter, deren Rockknöpfe und die Beschläge ihrer Sättel in der Sonne glitzerten. Cochise zügelte sein Pferd. Tla-ina drängte ängstlich an seine Seite. John spürte ihre Unruhe, die er begreifen konnte. »Es sind Soldaten, Cochise. Weshalb fürchtest du dich?« Cochises Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Wie oft schon wurde er von den Pferdesoldaten verfolgt? Wie oft hatte 34
ihr Häuptling in Tucson sein Wort gebrochen? Sollte er den Soldaten freudig entgegensehen? Er verschwieg seine Gedanken und beobachtete die heransprengende Abteilung, die nun, als sie zwei Indianer erkannte, nach ihren schweren Säbeln griffen und ihre Gäule attackierten. »Wartet.« John gab seinem Gaul die Sporen und ritt den Reitern entgegen. Er spürte, daß etwas geschehen war, was die Männer erregt haben mußte. Unbewußt gingen seine Gedanken zu Locking Bear, der es mächtig eilig hatte, südwärts zu ziehen. »Major Ryan«, rief er lautstark, als er den Offizier an ihrer Spitze erkannte, und schwenkte seinen Stetson, »halten Sie Ihre Leute auf, bevor ein Unheil geschieht.« Aber die Reiter sprengten in breiter Front an ihnen vorbei, und ihr höllisches Geschrei erinnerte den Scout an das nervtötende Gebrüll angreifender Apachen. Haggerty zog sein Pferd herum und folgte dem Offizier. Dabei sah er, daß Cochise und Tla-ina längst ihre Pferde herumgerissen hatten und in westlicher Richtung auf die Berge zuritten. Zornig trieb er dem Pinto die Sporen in die Flanken. Da war er nun einige Wochen unterwegs, um mit dem Häuptling über Frieden und eine Allianz mit dem Militär zu verhandeln, und nun war eine idiotische Abteilung, die irgend etwas erregt hatte, dabei, seine Bemühungen zu untergraben. Wie der Teufel ritt er los, sprengte nun inmitten des wilden Haufens und erreichte den Major. Scharf drängte er den Gaul an seine Seite und sah das verschwitzte Gesicht des Offiziers, der mit gestrecktem Arm seinen Kavalleriesäbel hielt. »Major Ryan«, schrie er wütend, »bringen Sie Ihre Horde in den Griff. Dort reiten Cochise und seine Schwester, die ich im Auftrag des Hauptquartiers aufsuchte.« Major Ryans Kopf flog herum. »Cochise«, schrie er zurück, 35
»dieser Bastard hat so viele Verbrechen auf dem Gewissen, daß es eine Gnade für ihn ist, wenn die Säbel meiner Leute ihn in tausend Stücke schlagen.« »Dafür werden Sie Ihre Streifen verlieren, Major. Das ist mein Wort. General Howard wird Sie in die Wüste schicken.« Major Ryan bremste den schnellen Lauf seines Pferdes. In seinen Augen lag kalte Verachtung. »Sie wissen nicht, was geschehen ist, Scout«, rief er scharf. »Vor zwei Nächten habe ich eine Patrouille verloren. Zwanzig meiner besten Männer. Sie wurden skalpiert und gräßlich verstümmelt. Das vergißt kein Soldat.« »Es waren Caddos und Wichitas, Major.« John hatte Mühe, seine Beherrschung nicht zu verlieren. »Es waren rothäutige Banditen. Ganz gleich, von welchem Stamm. Sie werden dafür bezahlen.« »Bezahlen werden Sie, Major.« John ritt nun dicht auf, daß ihre Sättel aneinander schabten und ihre Schenkel sich berührten. »Wollen Sie sich einem Befehl des kommandierenden Generals widersetzen? Wenn ja, werde ich Sie erschießen!« Major Ryan sah Haggertys entschlossenes Gesicht, den schweren Revolver, den er in der Faust trug. Irgendwie erlosch sein fanatischer Blick. Er rief den Hornisten und gab ihm ein Zeichen, worauf dieser kräftig in sein Horn blies. Die vorwärtsstürmende Truppe stoppte. »Wissen Sie, was mich dieses Signal kostet, Mr. Haggerty?« fragte er schwer atmend. »Das Vertrauen der Soldaten in einen Offizier. Das bedeutet mehr als ein paar dumme Streifen auf der Offiziersuniform.« »Dann möbeln Sie das Vertrauen wieder auf. Locking Bear reitet mit seinen Kriegern einen halben Tagesritt entfernt südwärts. Der Teufel mag wissen, was er dort sucht.« Die Angriffswelle der Soldaten war gestoppt. Sie schwenkten ihre Pferde, und John sah ihre feindlichen Blicke, die ihn 36
streiften. Ein alter Sergeant trabte näher. »Warum geben wir auf, Sir?« rief er zornig. »Wir waren den Bastarden so nahe, daß wir sie mit unseren Säbeln hätten aufspießen können.« Major Ryan deutete auf Haggerty. »Der Scout hat es so bestimmt, und er reitet im Auftrag des Generals. Formieren Sie die Truppe, Sergeant Horn. Wir schwenken nach Süden auf die alte Spur zurück. Die Teufel dürfen uns nicht entkommen.« Sergeant Horn zögerte eine Sekunde. Ein feindlicher Blick berührte John Haggerty. Doch dann erinnerte er sich des Reglements eines Soldaten, dem er zu gehorchen hatte, gleich welcher Befehl kam. Seine Stimme dröhnte durch die Wüste, und die Abteilung ordnete sich in Viererreihen. »Sind Sie nun zufrieden, Scout?« fragte Major Ryan bissig. Johns Blick streifte in die Ferne. Er sah zwei dunkle bewegliche Punkte am Horizont, und er befürchtete, daß diese Begegnung das Verhältnis zwischen Cochise und General Howard weitgehend verschlechtert hatte. Er schwieg. Ryan ritt an ihm vorbei zur Spitze seiner Abteilung und gab das Zeichen zum Abmarsch. Lange Zeit blieb John zurück. Der flüchtende Häuptling und seine Schwester waren im Schatten der Berge verschwunden. John stellte sich die Frage, ob es noch Zweck hatte, ins Hauptquartier zu reiten, denn er zweifelte nun, daß Cochise zu seinem Wort stand. Doch dann schwenkte er nach Westen und ritt in die sinkende Sonne. Trotz des Vorfalles glaubte John, daß Häuptling Cochise sein Freund geblieben war und sicher über Howards Vorschlag nachdachte. Er mußte die Gefahr erkennen, die mit Wichitas und Caddos in sein Land gezogen war. * 37
Vom Bavispe aus führte Earps Weg durch das zerklüftete Bergland geradewegs in die offene Ebene. Irgendwo weit draußen in der Unendlichkeit, vielleicht vier oder fünf Tagesritte entfernt, lag Cochise. Sein Ziel. Die Sonne brannte heiß, der Boden war knochentrocken. Ein Zeichen, daß lange kein Regen gefallen war. Und es war zweifelhaft, ob der nahende Winter dies ändern konnte. Er erreichte eine einsame Ranch in einem flachen Talkessel, deren Hütten und Häuser an eine Wehrburg erinnerten, und mit hohen Palisaden umschlossen waren. Vom Rancher erfuhr Wyatt, daß die unruhigen Zeiten ihn zu solch einer Aktion gezwungen hatten. Er blieb über Nacht. Am nächsten Tag ritt er ostwärts. Gegen Mittag stieß er auf einen ausgefahrenen Weg, der Räderspuren zeigte. Von Braddock, dem Wehrrancher, wußte er, daß dies die Straße nach Cochise war. Earp wurde zuversichtlich. Seinen Träumen von Gold und Reichtum kam er mit jedem Schritt näher, und wenn er nachts die Augen schloß, sah er glitzernde Berge von Goldnuggets, die die Anson Mine ausspuckte. Am dritten Tag, er näherte sich der Stadt, sprengte aus der Ebene heraus ein einzelner Reiter. Mißtrauisch, wie Earp nun geworden war, zog er seine Henry aus dem Scabbard, schob sie über das Sattelhorn und spannte den Bügel. Dabei trieb er seinen Pinto zwischen Agavenstauden. Doch der Fremde schien ihn erkannt zu haben, denn unvermutet änderte er die Richtung und ritt auf Earps Versteck zu. Sein Gaul fiel in Trab und schließlich in Schritt. Der Reiter lüftete seinen Stetson, und nun erkannte Wyatt Earp John Haggerty, den Armeescout. Freudig überrascht verließ Wyatt das Versteck, schwenkte seinerseits den speckigen Hut und trabte dem Freund entgegen. 38
»By gosh, John.« Earp lachte, als er die Henry im Scabbard versenkte und dem Reiter die Hand reichte. »Ich wähnte dich tief im Süden in den Swisshelm Mountains. Was macht deine Verletzung, John? Hast du Cochise in den Bergen getroffen?« Der Scout winkte ab. Er sprach von seiner Begegnung mit Cochise, ihrer ernsten Unterredung. Auch für Tla-ina fand John freundliche Worte, die Earp als aufmerksamen Zuhörer erkennen ließen, daß das Apachenmädchen einen Platz in Haggertys Herzen gefunden hatte. Dabei bewegte er die verletzte Schulter, um zu zeigen, daß er wieder fit war. »Ich verdanke meine schnelle Genesung Tla-ina, Wyatt. Sie versteht von der Wundbehandlung mehr als unser Armeearzt«, endete er seinen Bericht und erwähnte, daß er auf dem Weg ins Hauptquartier wäre. Wyatt, der von dem fürchterlichen Gemetzel am Big Long Heart vernommen hatte, erzählte John die Geschichte, und dieser, der von Major Ryan nur Bruchteile der Auseinandersetzung kannte, war tief erschüttert über das grausame Verbrechen. Er begriff nun den Zorn der Soldaten. Sie ritten zusammen weiter. Am Abend, als sie sich in die Büsche schlugen und ein Feuer entfachten, sagte Haggerty unvermutet: »Du sprichst kein Wort über den Halunken Morgan. Ist er dir entwischt oder hat er dir wieder einmal die Partnerschaft angeboten?« Wyatt Earp, das Schlitzohr, lachte lauthals. »Weder das eine noch das andere, John. Glenn Morgan ist mir so sicher, wie es das Amen in der Kirche gibt. Er sitzt mit einigen Gaunern am Bavispe und buddelt die Erde um. Du erinnerst dich an das vergilbte Papier, das Guadalupe kurz vor unserer Auseinandersetzung Morgan zeigte?« John erinnerte sich und nickte. »Es war der Weg, der zu einer guten Bonanza führte.« »Der Preis für die Gewehre?« John horchte auf. »Er hat sie dem Caddohäuptling nie geliefert.« 39
»Aber das Versteck sicher verraten, wo sie zu finden sind«, erwiderte Earp im Brustton der tiefsten Überzeugung. »Vielleicht sind die Rebellen schon auf dem Weg dorthin.« John erinnerte sich der kürzlichen Begegnung mit den Wichitas. Locking Bear hatte seine Krieger nach Süden geführt. In Locking Bears Nähe war Guadalupe zu finden. Das würde vieles erklären. John wurde unruhig. Wyatt Earp bemerkte die Veränderung. »Was hast du?« »Ich müßte genau wissen, was Guadalupe erfahren hat«, sagte John heiser. Das Schlitzohr lachte. »Du kannst Morgan fragen. Er kommt in den nächsten Tagen nach Cochise, um seinen Claim registrieren zu lassen. Ich habe es in einem Gespräch belauscht, das Morgan mit seinen Kumpanen geführt hat. Aber er wird zu spät kommen, John, denn die Bonanza wird bis dahin registriert sein.« Noch während Earp sprach, zog er das Stück Papier aus der Brusttasche und glättete es am Boden. »Ich habe die Mine genau eingezeichnet. Da sie weder ihm gehört noch einem anderen Menschen, werde ich meine Ansprüche geltend machen.« Earp grinste. John nahm das Papier. Während seine Gedanken bei Guadalupe waren, studierte er die Zeichen. Nach einer Weile lächelte er leicht. »Das ist der Weg zu Ansons Mine«, sagte er. »Sie liegt am trockenen Nebenfluß des Bavispe, etwa zehn Meilen von Anson City entfernt.« Wyatt legte den Kopf schief. Mißtrauen glomm in seinen Augen auf. »Du kennst die Bonanza?« John dachte an seinen alten Freund Miller und die Verbrecher, die er einmal in Ansons Mine gestellt hatte. »Deine Bonanza ist eine Borrasca, Wyatt, ein Claim, der unergiebig ist.« Wyatt bekam rote Ohren. Er schnellte auf die Beine und holte aus der Satteltasche den Erzklumpen aus der Mine. Er 40
drehte ihn am Feuer, um einen leuchtenden Effekt am Stein zu erzeugen. »Und das hier, was so glitzert, John? Ist das kein goldhaltiges Gestein?« John, der damals mit Miller die Mine untersucht hatte, nahm den Brocken in die Faust. »Das ist Pyrit, Wyatt«, sagte er achselzuckend, »Katzengold. Ein glänzendes gelbes, wertloses Mineral, das du höchstens als Briefbeschwerer nehmen kannst.« »Es stammt aus der Mine der Derrotero«, stieß Wyatt heftig hervor. Sein Atem ging hektisch und zeigte seine Erregung. John reichte den schweren Stein zurück. »Die Mine wurde vor zweihundert Jahren von spanischen Eroberern ausgebeutet. Und die waren sehr gründlich, Wyatt. Schmeiß das Zeug weg. Es belastet nur deinen Gaul.« Wyatt Earp saß steif wie ein getrockneter Zedrachstamm am Boden und stierte auf den Quarzbrocken, den John nun achtlos in den Wüstensand fallen ließ. Eine Welt brach in ihm zusammen und mit ihr ein Traum von großem Reichtum und Glück. Wie schmerzhaft dieser Gedanke war. Aber Wyatt Earp war ein Abenteurer und Spieler, der dem Leben die leichte Seite abgewann. Er brauchte einige Minuten, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß er hinter einem Trauma hergejagt war und nun der arme Schlucker geblieben war. »Das Glück kommt und geht, John«, sagte er nach einer Weile und begann zu grinsen, »aber eines bleibt. Häuptling Guadalupe hat Glenn Morgan betrogen. Ich lache mich tot, wenn Morgan es erfährt.« »Und ich werde zugegen sein, Wyatt. Es geht um mehr als Gold. Wenn Wichitas und Caddos moderne Schnellfeuergewehre in den Händen halten, gibt es Mord und Totschlag. Ein Strom von Blut wird fließen, ehe das Militär 41
den Aufstand in den Griff bekommt. Wir brechen das Lager ab.« »Mitten in der Nacht?« »Es erscheint mir wichtig.« John nickte, ehe er sich erhob und den Sattel ergriff. »Pack deine Schlafrolle, wir reiten.« »Und Cochises Botschaft an den General?« John straffte die Sattelgurte und band den Mantelsack fest. »Das hat Zeit, denn ich bin mir nicht sicher, ob sie noch Bedeutung hat.« Er schwang sich aufs Pferd und blickte zu Earp hinüber. Er lächelte hart. »Was ist mit deinem Erzklumpen?« Wyatt erfaßte die Zügel und saß mit einem Satz im Sattel. »Was brauche ich einen Briefbeschwerer, John? Ich werde nie einen Schreibtisch besitzen.« »Dann wollen wir.« Der Scout schnalzte mit der Zunge und trieb seinen Pinto in die Nacht hinaus. * »Nachrichten von Haggerty?« fragte General Howard, als sein Profos das Stabszelt betrat. Durch die Fensterluke sah er zwei Indianerscouts, die bei ihren abgetriebenen Mustangs standen. Major Tanner, der von der Bedeutung von Haggertys Mission wußte, trat an den Kartentisch. »Nein, Sir. Die Scouts kommen aus Major Ryans Lager. Sie bringen schlechte Nachrichten.« General Howard wandte sich um. Seit Wochen empfing er nur schlechte Nachrichten. Hiobsbotschaften, die von der Lage im Apachenland berichteten. Er wandte sich um, und Tanner sah die dunklen Ringe um Howards Augen. Der Commander schlief seit Tagen kaum. Eigentlich hatte es nach dem enttäuschenden Aufmarsch im Tonar Desert begonnen. Er war von Unrast und Unruhe erfüllt, am Ende seiner psychischen Kräfte. 42
»Berichten Sie, Major«, sagte der General müde. »Major Ryan hat bei einem Zusammenstoß mit Wichitarebellen eine Patrouille verloren.« »Wie viele Leute?« »Zwanzig.« General Howard preßte die Lippen aufeinander. Er wußte, wie solch ein Zusammenstoß endete. »Weiter, Major.« »Ryans Abteilung hat seine Patrouille einen Tag später gefunden, skalpiert, massakriert…« »Keine Einzelheiten, Tanner. Ich kenne das«, unterbrach ihn Howard. »Auf der Suche nach den Mördern ist er auf ein starkes Wichitalager gestoßen. Es war aufgegeben worden.« »Immer die gleiche Situation. Diese Rebellen sind nicht zu fassen. Fast kommt es mir vor, als kämpften unsere Truppen gegen eine Geisterarmee«, grollte der Offizier. »Sie tauchen aus dem Nichts auf, schlagen zu und verschwinden im Nichts. Dabei ist es ein undisziplinierter Haufen, bewaffnet mit Keulen, Lanzen und Bogen wie Urmenschen einer vergangenen Epoche. Ihnen gegenüber steht eine ausgebildete Armee, mit Feuerwaffen und schwerem Beschuß.« »Die Wüste ist ihr stärkster Verbündeter, Sir.« »Und Locking Bear, der sie führt? Sprechen Sie weiter.« »Major Ryan hat das Tonarbecken verlassen und folgt der Sippe nach Süden. Er bittet um eine zweite Abteilung, die ihm folgt. Er befürchtet, daß Wichitas und Caddos sich mit weiteren Kampfgruppen verbinden und bald losschlagen werden.« General Howard durchwanderte unruhigen Schrittes das Zelt, und Tanner sah seine Erregung. Der General stand vor einer schwerwiegenden Entscheidung, denn eine weitere Abteilung würde den Besatz der Garnison gewaltig schwächen. Nun blieb er stehen und blickte seinem Profos offen ins 43
Gesicht. »Mr. Earp hat uns von dreihundert Caddos- und Wichitakriegern berichtet. Mein Scout befürchtet, daß es bald die doppelte Anzahl Krieger werden. Nach unserem Aufmarsch im Tonarbecken sind sie trotz unserer Bemühungen spurlos verschwunden. Wie denken Sie darüber, Tanner? Könnten die Rebellen sich nach Süden abgesetzt haben?« Der Profos überlegte kurz. »Zwischen südlichen Ausläufern der Chiricahua Mountains und den Swisshelms liegt ein gewaltiges Trockenbecken. Verödet und menschenleer. Es kann tausend Menschen aufnehmen.« »Haggerty war auf dem Weg in die Swisshelm Mountains. Er wollte sich mit Cochise dort treffen. Vielleicht ist das der Grund, daß ich von meinem Scout nichts mehr höre Tanner«, Howards Gestalt straffte sich, »Major Ryan soll seine Abteilung bekommen. Suchen Sie einen geeigneten Offizier, der sie führt.« Major Tanner nickte. »Ich hätte schon jemanden, Sir. Mich.« »Sie?« »Jawohl, Sir. Ich lebe seit sieben Jahren in Arizona. Ich war Fortkommandant in Fort Thomas, ehe Sie mich in den Stab beriefen. Ich kenne also die Südecke wie meine Tasche. Wenn sich dort etwas zusammenbraut, werde ich es zu finden wissen.« »Mann, Tanner, Sie sind Stabsoffizier. Sie werden hier gebraucht.« Howard schüttelte mißmutig den Kopf. »Um Sie täglich mit weiteren schlechten Botschaften aus dem Frontierland zu füttern, Sir?« fragte der Major. Wieder nahm der General die Wanderung auf. Ihn drückte die Verantwortung. »Na gut«, sagte er schließlich zögernd. »Stellen Sie nach Ihrem Ermessen die Abteilung zusammen und ziehen Sie mit Gott.« »Danke, Sir«, rief Tanner und grüßte lässig. Als er das Zelt 44
verlassen wollte, hielt ihn Howards Stimme zurück. »Noch etwas, Sir?« Howard trat näher und reichte Tanner die Hand. »Ich brauche Erfolgsmeldungen. In Washington wird man ungeduldig. Wie mir zu Ohren kommt, nagen einige bestimmte Herren an meinem Stuhl. Sie möchten mich durch einen anderen hohen Offizier ersetzen lassen.« Major Tanner spürte den festen Händedruck seines Vorgesetzten, den er ehrte und achtete. »Ich werde alles daransetzen, um diesen Leuten das Maul zu stopfen, Sir.« Tanner verließ das Zelt. General Howard war allein mit seinen Gedanken und seinen Sorgen. Unruhig nahm er seine Wanderung wieder auf. * »Tag, Morgan.« Wyatt Earp trat aus dem Schatten der Hauswand und ging den drei Reitern entgegen, die vor dem territorialen Landagentur-Gebäude aus dem Sattel gestiegen waren. Seine Daumen hingen lose hinter dem Gürtel, nahe des glänzenden Revolverknaufs im Halfter. Hinter seinem Lächeln verbarg sich wachsames Lauern, denn er wußte, wie gefährlich der Spieler war. Glenn Morgan hob überrascht den Kopf, während seine beiden Begleiter zur Hüfte griffen. Er musterte den Mann, der ihm diese überraschende Begegnung beschert hatte. »Wyatt, du?« rief er dann aus. »Das nenne ich eine Überraschung.« »Du wirst noch mehr überrascht werden.« Earp lachte bissig. »Seit unseren verpaßten Treffen in San Manuel hatte ich Zeit, über dich nachzudenken. Doch erst seit unserer letzten Begegnung bei den roten Felsen weiß ich, daß du ein übler Zeitgenosse bist.« Morgans Lächeln erstarrte. Seine Lippen wurden schmal, sein Gesichtsausdruck hart. »Suchst du Streit, Wyatt? Dann 45
vergesse nicht, ich bin nicht allein.« Sein Kopf tippte zu seinen beiden Begleitern, die kampfbereit an seiner Seite standen, und wohl auf ein Zeichen von ihm warteten. »Dunney und Smith haben es nicht gern, wenn mich jemand anpöbelt.« Earps Blick wanderte ab. Herausfordernd musterte er die verlodderten Gestalten, die nach Büffelmist stanken, aber piekfeine Vierundvierziger im Halfter trugen. »Dunney und Smith sind zwei mickrige Möchtegerne, die sich nur stark fühlen, wenn sie in der Überzahl sind. Sie würden ganz schnell ihre Hände vom Gurt nehmen, wenn sie wüßten, wer gerade hinter ihnen steht.« Morgans Kopf flog herum. Er erkannte den Mann in verwaschenen Chaparajos, der lässig an der Balustrade lehnte. Morgan verlor eine Nuance Farbe. Seine Begleiter aber lachten dröhnend. »Das Spielchen ist so alt wie die Verfassung«, rief Dunney. Seine Hand umspannte fest den Walnußgriff seines Colts. »Darauf fallen wir nicht herein.« »Na, Glenn, siehst du nun, welche Dummköpfe dich umgeben?« Earp wandte den beiden Halunken den Rücken zu und deutete die Treppe hoch. »Gehen wir zur Agentur und melden deine Bonanza an.« Morgan blickte noch immer in Haggertys tiefgebräuntes, hartes Gesicht. Er saß in der Zwickmühle und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Earp war gefährlich, doch diesen Armeescout aus Tucson hielt er für den stärkeren Gegner. Wie lächerlich ihm die Gestalten seiner Begleiter vorkamen. Doch bei Wyatts letzten Worten schreckte Morgan zusammen. »Woher weißt du von der Mine?« stotterte er verwirrt und dachte fieberhaft nach, wer mit Earp gesprochen haben könnte. Der Abenteurer lachte ihm ins Gesicht. »Woher ich weiß, daß deine Bonanza eine Borrasca ist? Ich bin dir bis zum Bavispe gefolgt und habe mich vom Wert der Mine überzeugt. 46
Ich könnte mich totlachen, wenn du es nicht tun wirst, wenn du erfährst, daß dein Blow up wertloses Pyrit ist. Katzengold, oder wie sie das Dreckszeug nennen. Du schleppst es doch in der Satteltasche herum. Yeah«, fuhr er fort, als Morgan sich noch immer nicht regte, dabei deutete er über die Schulter. »Empfehle deinen Strolchen, die Finger vom Eisen zu lassen. Der Armeescout ist ein verdammt harter Mann, der es sicher nicht zulassen wird, daß mir jemand in den Rücken schießt.« »Du lügst, Wyatt.« Morgan machte eine herrische Handbewegung zu seinen Begleitern. »Ich will keine Schießerei, Dunney. Du bist ein verdammter Lügner, Wyatt«, fuhr er im gleichen Atemzug fort. »Ich besitze die Pläne der Derrotero, die…« »… die die Spanier vor ein paar hundert Jahren ausgeplündert haben. Aber da wären wir gleich beim zweiten Punkt unserer gemeinsamen Interessen. Wo sind die Karabiner, die Guadalupe dir im Tausch für die Karte angeboten hat? Noch ist es nicht zu spät, Glenn, denn nur wenige Leute wissen von deinem schmutzigen Geschäft mit den Caddos. Du kannst also noch zurückstecken. Wenn erst eine dieser neuen Winchester in den Händen eines Caddos auftaucht, wird dich jedes Gericht im Territorium zur Galgenbaumelparty einladen.« Glenn Morgans Sinne arbeiteten. Earps selbstsichere Art verwirrte ihn. Tausend Gedanken hetzten durch sein Hirn. Drüben an der Balustrade stand unbeweglich der Armeescout, wachsam wie ein Luchs, die Hand nahe am Revolver, bereit, einzugreifen, wenn Morgan oder seine Begleiter eine dumme Bewegung machten. Smith und Dunney hatten den Fremden nun auch entdeckt und hielten verlegen grinsend die Hände weit vom Körper. »Wyatt«, begann Morgan heiser, »wir wollten einmal Partner werden.« »Mit flinken Händen und geschicktem Spiel.« Earp nickte, 47
»nicht aber mit schmutzigen Waffengeschäften, die Terror und Tod bedeuten.« Morgan krümmte sich wie ein Wurm an der Angel. »Laß mich nachdenken.« »Du denkst doch die ganze Zeit, Glenn. Kommt es dir nicht in den Sinn, daß Guadalupe dich betrogen hat? Ihm geht es um die Karabiner. Die Anson Mine oder deine Person bedeuten ihm nichts. Hol deine Quarzbrocken aus der Satteltasche und lasse dich von einem Prospektor überzeugen.« Nur zögernd trat Morgan zu seinem Pferd. Earp war sein Gegner, und Haggerty würde ihn ebensowenig schonen. Seine Hände zitterten, als er in die Satteltaschen griff. »Es kann nicht möglich sein«, murmelte Morgan. Wyatt Earp deutete zum Aufgang der Agentur. »Dort wird man es dir sagen.« Morgans Schritte wirkten schleppend und müde, als er die Stufen hinaufschritt. Wyatt gab seinem Partner ein Zeichen und folgte ihm dichtauf. Kurze Zeit blieb es still, bis helles Lachen nach draußen klang. Als Morgan wankend an der Seite Earps wieder auftauchte, war aus seinem Gesicht alle Farbe gewichen, und ihm klang das Lachen des Prospektors in den Ohren, der nicht einmal eine Untersuchung des Erzbrockens vorgenommen hatte. »Weißt du nun, wer der Betrogene ist, Glenn?« fragte Earp, als sie die Stufen hinuntergingen. Morgan nickte schwerfällig. »Ich alarmiere meine Leute, und dann reiten wir in die Swisshelm Mountains. Verdammt, dieser Bastard hat mich aufs Kreuz gelegt.« »Wir drei reiten allein, Glenn«, Wyatt tippte auf ihn, auf Haggerty und auf seine Brust, »und bete, daß wir nicht zu spät kommen werden. Scheuche deine Galgenvögel weg und steig auf den Gaul. Jede Stunde wird kostbar sein. Für deinen Hals«, fügte er hämisch hinzu. 48
* Hochlodernde Flammen erhellten den Beratungsplatz, an dem die Häuptlinge und der Ältestenrat schweigend verharrten. Im Hintergrund, den Platz umschließend, ihre nackte Haut im Lichtspiel glänzend, standen dreißig Lanzenträger, Cochises stärkste Krieger. Unter ihnen Naiche, der Häuptlingssohn, der von Cochises Sorgen wußte. Cochise war vor zwei Tagen aus der Ebene kommend in die befestigte Apachenburg zurückgekehrt. Loco und Chato waren seinem Ruf gefolgt und warteten bereits ungeduldig auf den Häuptling. Aber Cochise hatte nur seinem Sohn von den Vorfällen in der Wüste berichtet und ihn zum Schweigen verpflichtet. Selbst Chan-ank, dem Stoßenden Adler, ältester Chiricahua mit Stimmrecht im Rat der Alten, mit dem er in den letzten Monden viele wichtige Gespräche geführt hatte, verschwieg er seine Flucht vor den langen Messern der Pferdesoldaten. Loco wie auch Chatos Entscheidung im kommenden großen Palaver wollte er durch den Vorfall nicht beeinflussen. Einen Tag vorher war Victorio mit einigen Mimbrenjokriegern aus dem Süden in die Apacheria gezogen, und am heutigen Vormittag waren Ulzana und Gokhlayeh mit ihren Reitern erschienen. Nun vollzählig, bestimmte Cochise den Abend zur Verhandlung. Der Schamane, mit Büffelfell und Hörnern bekleidet, umtanzte leise singend das Feuer. Er hielt den offenen Medizinbeutel in der Hand und schleuderte in rhythmischen Abständen gemahlenes Pulver in die Flammen, die grell hochzuckten und wieder zusammenfielen. Seine Knochenrasseln, am Fell befestigt, schlugen hell aneinander und riefen den Großen Geist, um Erleuchtung und Rat zu erbitten, die die Not der Apachenstämme mildern sollten. 49
Ein Ritual, dem die Anwesenden in andächtiger Schweigsamkeit folgten, bis der Gesang des Medizinmannes abrupt endete, und er vor dem großen Häuptling niedersank. Seine Hände, die den Beutel hielten, bewegten sich in vorbestimmten Gesten, und als er die Arme senkte, kollerte der Inhalt zu Boden. Adlerknochen, Zedrachrinde, ein geflochtener Kräuterkranz, Beutel mit geweihter Farbe und Kräutermedizin, Fellstücke eines Eichhörnchens und der Wurzelteil des Balsamstockes, der an eine Alraune erinnerte. Tiefstes Schweigen herrschte. Der Schamane beugte sich nieder und suchte das Orakel seines Zaubers zu ergründen. »Blut wird den gelben Sand unserer Erde tränken«, rief er mit monotoner Fistelstimme. »Flammen werden aus unseren Wäldern steigen, und Krieger reiten auf schwarzen fliehenden Wolken, verfolgt von grellen Blitzen und dem zornigen Grollen unserer Götter. Hunger und Not werden das Volk der Apachen treffen und den Stolz der Apachen brechen.« Unruhe breitete sich im weiten Kreis aus. Nur Cochise saß mit geschlossenen Augen reglos auf seinem Platz. Er suchte das düstere Orakel des Schamanen zu entschlüsseln. Das Blut, das unsere Erde tränkt, bedeutete Bruderkampf mit den Wichitas oder den weißen Eindringlingen, deutete Cochise. Flammende Wälder waren die Palisaden der Soldatenforts, deren Holz in unseren Wäldern geschlagen wurde. Schwarze Wolken, der Blick in die Zukunft, die der Schamane offenbarte. Fliehende Reiter, von Blitz und Donnerschlag begleitet, bedeuten einen verlorenen Krieg. Die Stämme der Wichitas, der Caddos und vielleicht auch die der Apachen werden von Pferdesoldaten gejagt, deren Feuerrohre tiefe Wunden reißen und deren mächtige feuerspeiende Eisen ihre Dörfer vernichten. Die Hungersnot war die Flucht in die Einsamkeit der Berge, deren karge 50
Vegetation ein Volk nicht ernähren konnte. »Irgendwo im Dunkeln bewegt sich ein Schatten, der den Apachen entgegenreitet und einen Weg sucht aus der Finsternis, die uns zu überfallen droht. Einer unserer Götter, ich erkenne nicht sein Gesicht«, murmelte der Schamane mit erlöschender Stimme. Cochise hörte, wie er verstummte. Als er die Augen öffnete, lag der Schamane in Trance zusammengesunken vor dem Feuer. Es ist kein Gott, dachte Cochise verbittert. Er spürte, der Schatten war der Falke, der als Träger zwischen dem weißen und roten Volk stand. Cochise hatte sich erhoben. Fordernd streckte er die Hände zu den fliehenden Nachtwolken. »Der Zauber des Schamanen hat unsere Zukunft offenbart«, rief der Häuptling mit starker Stimme. »Fremde Stämme sind in unser Land eingefallen, verwüsten die Jagdgründe unserer Väter. Sie morden und brandschatzen und erheben sich gegen die mächtigen Heere des weißen Häuptlings aus dem Osten. Blut und Tränen vereinen sich zu Flüssen, das blühende Gras der Savanne wird zu schwarzem verbranntem Staub. Unsere Stämme sind zerstritten. Das zehrt an unserer Kraft.« Cochises Blick streifte Victorio, den Apachenwolf der Mimbrenjos, der sich lange Zeit von den Chiricahuas abgewandt hatte. »Wir müssen einen gemeinsamen Weg aus dem Dunkel suchen.« »Aber welchen Weg?« rief Chato, der schon lange den Frieden suchte. »Den Weg zu Locking Bear.« Geronimo war hochgefahren. Seine Augen glühten fanatisch. »Er ist ein starker Kämpfer. Locking Bear hat die Stämme der Wichitas vereint und sich mit Guadalupe verbündet. Er zeigt uns den Weg zur Macht und fürchtet nicht die langen Messer der Langsäbel. Wenn wir uns mit ihnen vereinen, schwemmen wir die weißen Desperados wie Unrat aus dem Land.« 51
»Und werden Vasallen der Oststämme.« Cochise schüttelte zornig den Kopf. »Möchtest du eine Fessel sprengen und die nächste an den Gliedern spüren, Gokhlayeh? Nein, das ist nicht der Weg, den wir suchen müssen. Es ist noch nicht lange her, daß der einarmige Blaurock aus Tucson einen Boten, den Falken, zu mir sandte. Der Einarm weiß, wie es um unser Land steht. Aber er weiß auch, daß er der Kriegsbereitschaft der Oststämme nicht entgegentreten kann.« »Dann soll er nach Hause gehen«, rief Geronimo und spie seine Verachtung in den Sand. »Er wird nicht gehen, sondern seinen Häuptling in Washington bitten, Truppen zu entsenden. An irgendeinem Tag wird die braune Wüste dunkel von den Pferdeleibern der Langsäbel, die über unsere Berge ziehen. Seine Reserven sind unerschöpflich, unser Volk aber ist ausgebrannt. General Howard bietet eine Allianz zwischen ihm und den Apachen.« »Weil er zu schwach ist, um gegen Locking Bear zu kämpfen.« Geronimos Blick ging in die Runde, als suche er Verbündete seines Gedankens. Ulzana nickte schweigend. Auch Victorio schien seinen Worten zuzustimmen. Er erhob sich in seiner Würde. »Geronimo ist ein Heißsporn. Zu jung, um eine Entscheidung zu fordern. Und dennoch wollen wir seine Gedanken nicht vergessen. Aber du, Cochise, weißt genau, daß eine Verbindung mit den Blauröcken unmöglich ist. Zuviel Leid hat man uns zugefügt. Zuviel Land geraubt. Ich sehe keine Zukunft, an ihrer Seite zu leben.« Cochise spürte den Widerstand. Aber er war listig und klug wie ein jagender Wolf vor der Beute. »Eine Allianz soll kein ständiges Bündnis sein. Aber in der Not schlüpft der Wolf in einem fremden Rudel unter. Ich sehe zwei Vorteile in diesem Bündnis. Zwischen Pferdesoldaten und Apachenstämmen herrscht Waffenstillstand, der uns Vorteile, vielleicht sogar Gewehre bringt. Wenn wir geschlossen an ihrer 52
Seite kämpfen, werden Caddos und Wichitas aus unseren Jagdgründen getrieben und erkennen, daß im Apachenland für sie kein Platz zu finden ist.« »Es ist ein trügerisches Seil, das Cochise betritt«, rief Geronimo erregt von seinem Platz. »Es könnte schnell zerreißen.« Gokhlayeh war von unbeherrschter Wildheit eines jungen Kriegshäuptlings, der nur die Gegenwart sah und nicht die Folgen. Sein Gebaren war einer Herausforderung gleich, die Betroffenheit auslöste und zugleich erkennen ließ, wie tief die Zerwürfnisse unter ihnen schon waren. »Wer wie ich denkt, sollte hier und heute seine Entscheidung treffen, denn Ruhm und Niederlage liegen nahe beieinander. Locking Bear trägt den braunen Gürtel der zehn tapfersten Häuptlinge. Er hat noch nie einen Kampf verloren.« Cochise spürte die Unruhe, die Gokhlayehs kühnen Worten folgte. »Wir wollen mit Vernunft die Dinge besprechen und dann entscheiden«, rief er lautstark in das Durcheinander. »Ich hoffe, wir werden den rechten Weg finden.« Erst nun setzte er sich nieder, um den Dingen entgegenzusehen, die sie miteinander entscheiden mußten, denn selbst er, der ihr anerkannt höchster Häuptling war, mußte sich nach den Gesetzen der Apachen ihrer Entscheidung unterwerfen. Geronimo spie wieder in den Sand, um seine Verachtung zu zeigen. »Ich habe mich entschieden«, rief er und warf seinen Fellmantel über die Schulter. Grußlos verließ er die Ratssitzung. Betroffene Blicke folgten ihm, bis er in der Dunkelheit verschwand. »Gokhlayeh ist ein Heißblut«, sagte Chato in die herrschende Stille. »Er ist ein junger Krieger«, erwiderte Cochise und verschränkte die Beine. Er wußte, es würde eine lange Nacht, der ein langer Tag folgte, bis die Entscheidung gefallen war. 53
* Der Hufschlag klang hohl von den senkrecht abfallenden Felsen des Arroyos wider. Die Karabiner entsichert über dem Sattelhorn liegend, den Finger am Abzug, sich wachsam durch die Steilschlucht tastend, ritt Major Ryan und seine Abteilung durch die westlichen Ausläufer der Swisshelm Mountains. Seine Hunkpapascouts, die stets eine Meile voraus die fremden Spuren aufnahmen, denen Ryan nun den vierten Tag folgte, blieben durch Handsignale ständig in Verbindung mit der Truppe. Die frostige Kühle der Bergregion, auf die Ryans Truppe nicht eingerichtet war, machte ihnen hauptsächlich in der Nacht zu schaffen, zumal Ryan untersagt hatte, Feuer zu entzünden. Ohne Zweifel mußte Major Ryan zugeben, daß die Rebellen auf ihren zähen Wüstenmustangs schneller als seine Truppe auf schweren Kavalleriegäulen vorankamen, und ihnen schon mehr als einen halben Tagesritt voraus waren. Aber der Major, der immer wieder an seine massakrierten Männer der Patrouille denken mußte, gab nicht auf. Er wollte die Wichitahorden stellen und zum Kampf zwingen. Als die Felsschlucht nach Süden hin in einen Talkessel mündete und der Lichteinfall der Sonne den felsigen Boden berührte, zügelte der Major unverhofft sein Pferd. Etwa zweihundert Yards voraus erkannte er zwei Broncos, wie seine Späher sie ritten, die friedlich karge Gräser zwischen Geröll zupften. Eine Handbewegung stoppte die Abteilung. Während er das Glas aus der Satteltasche zog, trabte Lieutenant Hicker an seine Seite. »Was nicht in Ordnung, Sir?« fragte er beunruhigt. Major Ryan hielt das Glas vor die Augen und erforschte die Umgebung. Der kahle Felsen, der terrassenförmig zur Schlucht 54
hinunterfiel, schillerte rotfarben im prallen Sonnenlicht. Gewaltige, vom Berg abgesprengte Felsbrocken lagen verstreut im Talkessel, der von kargem Bewuchs durchzogen war. »Dort stehen die Hunkpapagäule, Hicker, ohne daß ich ihre Reiter erkennen kann. Schicken Sie Korporal Manns und zwei Soldaten aus. Sie sollen ergründen, was das bedeutet.« Lieutenant Hicker spürte die Unruhe in der Stimme des erfahrenen Offiziers. Er wandte sich im Sattel um und rief zwei Reiter näher, denen er den Befehl des Offiziers übermittelte. Während Manns und seine Leute loszogen, befahl der Major: »Setzen Sie die Abteilung in Alarmbereitschaft, Hicker. Irgend etwas stinkt hier.« »Sie meinen, die Rebellen werden uns angreifen? Mit Keulen und Lanzen?« fragte der Lieutenant überrascht. »Sie haben beim Überfall Gewehre und Colts erbeutet. Damit fühlen sie sich stark.« Hicker wandte verächtlich seinen Gaul. Was bedeuteten ein paar Gewehre in den Händen der Wilden? Die Abteilung war kriegsmäßig ausgerüstet und bestand aus erfahrenen Indianerkämpfern. Noch während Hicker Befehle erteilte, sah der Major, wie einer der ausgesandten Reiter aus dem Sattel geschleudert wurde. Eine Lanze hatte ihn durchbohrt. Manns und der zweite Mann rissen ihre Pferde herum und jagten in gestrecktem Galopp den Weg zurück. »Rothäute«, rief der Korporal. »Sie haben Quadder erwischt, und zwischen den Felsen liegen die Hunkpapas, von einem Dutzend Pfeile durchsiebt.« Major Ryan drehte sich im Sattel um. »Lieutenant Hicker«, rief er im nächsten Augenblick. »Die Abteilung verteilt sich auf beiden Seiten der Schlucht und geht in Stellung.« Noch während die Soldaten auseinanderschwärmten, fielen die ersten Schüsse mit solcher Heftigkeit, daß Manns, der neben seinem Major in Deckung gegangen war, erschrocken 55
ausrief: »Verdammt, Sir, das sind keine erbeuteten Springfields. Das müssen Henrys sein.« Major Ryan preßte die Lippen zusammen. Ein Hagel Geschosse fuhr über den Felsbrocken hinweg, der ihm und Manns Deckung bot. Einige Kugeln trafen die Pferde, die sich erschreckt zur Flucht gewandt hatten und mähten sie nieder. Mit einem Blick zurück erkannte Ryan, daß auch einige Soldaten auf der Strecke geblieben waren. »Wir müssen zurück«, flüsterte er dem Korporal zu, und fast gleichzeitig sprangen sie hinter der Deckung hervor, jagten mit riesigen Sätzen zur Westflanke der Schlucht. Staubfontänen wirbelten um sie hoch, Steinsplitter trafen ihre Uniformen. Im Schatten der Steilwand fielen sie nieder. Manns wischte sich das Blut aus dem Gesicht. »Woher haben diese Teufel solche Gewehre, Sir?« Major Ryan schwieg. Was sollte er auf eine Frage erwidern, die er nicht beantworten konnte. Nur eines wußte er genau. Sie waren in einen Hinterhalt gelaufen. Er hatte die fliehende Rebellengruppe unterschätzt. Der Gedanke hinterließ keine Panik, denn als erfahrener Frontierkämpfer war er nicht das erste Mal in solch einer Lage. Er suchte die Steilwände ab, aus denen die Schüsse fielen. Verräterische graublaue Wolkenringe, die die Wand hochzogen, zeigte ihm, wo die Schützen verborgen lagen. Seine Abteilung war hundertsechzig Mann stark. Der Gegner hatte kaum die Hälfte, aber die bessere Bewaffnung. Noch während er sich fragte, wie Wichitas so plötzlich an Repetiergewehre kommen konnten, rief er dem Korporal zu: »Geben Sie weiter, wir konzentrieren unser Feuer auf die nördliche Schluchtwand.« Manns kroch den Schatten der Steilwand entlang. Auf der anderen Schluchtseite signalisierte Lieutenant Hicker einen Hilferuf. Er lag im massierten Feuer der Gegner. Manns kehrte zum Major zurück. »Lieutenant Hicker braucht 56
Hilfe.« »Wir brauchen sie auch«, erwiderte der Offizier und preßte den Körper fest an den Boden, als ein Hagel Blei über ihn hinwegfegte. »Wir müssen die Dunkelheit abwarten und uns besser formieren. Und in der Nacht wird ein Stoßtrupp einen Weg über den Berg suchen, um unseren Gegnern in den Rücken zu fallen.« Der Korporal schwieg. Er spürte die verzweifelte Lage. Er wollte nicht an seinen alten Freund, Sergeant Brosher, denken, den diese Teufel bestialisch ermordet hatten. Noch immer deckte sie heftiges Gewehrfeuer ein. Die Sonne zog davon. Schatten senkten sich nieder. Lieutenant Hicker lief quer durch die Schlucht und fiel schwer atmend neben dem Commander nieder. »Ich habe sechs Leute verloren. Sie sollten das Rückzugssignal blasen lassen, Sir, ehe der neue Tag anbricht.« Sorgfältig überlegte Major Ryan Kickers Vorschlag. Die Kampfkraft der Rebellen war durch ihre modernen Waffen seiner Truppe erdrückend überlegen. Die Aussichten, dem Gegner in den Rücken zu fallen, gering. Das Gelände ließ es einfach nicht zu. »All right«, sagte er schließlich zustimmend. »Sammeln Sie die Abteilung in aller Stille. Wir müssen diese tödliche Schlucht verlassen haben, ehe der Mond aufgeht.« Von nun an war die Nacht mit schabenden Geräuschen und flachem Hufschlag erfüllt. Eine Gruppe ritt sichernd voraus. Eine zweite bestimmte Major Ryan als Nachhut. Doch als sie am Morgen die äußeren Kaps der Swisshelm Mountains erreichten und in die offene Plains vorstießen, schlug ihnen aus dichtem Wüstengesträuch eine Salve entgegen, die Ryan verletzte und ein Dutzend Soldaten tötete. Panik erfaßte die Leute. Sie schwenkten ihre Pferde und sprengten in alle Himmelsrichtungen, bis das Signal des Hornisten erklang. 57
Major Ryan begann seine Soldaten neu zu formieren. Er hatte erkannt, wo der geringste Besatz seiner Gegner lag und bestimmte sie als Fluchtrichtung. »Wir schwenken in westliche Richtung«, schrie der Major, der blutend auf dem Pferd saß und seinen schweren Säbel zog. »Vorwärts, Leute, wir brechen durch. Keine Schonung, Männer, und denkt daran, jede Kugel, die ihr Ziel verfehlt, kann einem Soldaten das Leben kosten. Attacke!« Aus dem Stand trieb er seinen Gaul zu schneller Gangart an. Die Erde dröhnte, Blitze zuckten aus den Büschen. Männer fielen aus den Sätteln. Die Vorhut erreichte den Strauchgürtel. Und wieder fielen Schüsse. Zornige Soldaten, vielleicht von der Verzweiflung getrieben, faßten ihre leergeschossenen Springfields wie Keulen und bahnten sich einen blutigen Weg durch das Wichitagesindel. Ein Sturmlauf, der das Leben von fünfzehn Männern kostete. Aber nun, wo die freien Plains vor ihnen lagen, schöpften sie Hoffnung, den Gegner in einer offenen Feldschlacht zu besiegen. Der Trompeter blies zum Sammeln. Als die Reiter sich in einzelne Züge formierten, bat Major Ryan seinen Lieutenant um Verlustmeldung. Das Ergebnis war erschreckend, und die Tatsache, daß sie über dreißig Männer verloren hatten, ließ erkennen, wie gefährlich die Indianer waren. Noch am selben Morgen sandte Ryan einen Melder ins Hauptquartier, um Entsatz heranzuführen. Mit einem Wechselpferd zog der Mann los. Gegen Mittag sahen Ryan und seine Männer die Staubwolke am südlichen Horizont. Die Roten folgten ihnen und ritten zügig auf ihrer Spur, als suchten sie eine Entscheidung zu erzwingen. Major Ryan beobachtete mit verbissenem Gesicht die Bewegung im Süden. Dort ritten die Indianer mit vielen 58
Repetiergewehren, deren Herkunft er sich nicht erklären konnte. Der Teufel mußte sie ihnen in die Hände gespielt haben. »Hicker«, sagte Major Ryan, als der Lieutenant an seine Seite aufritt. »Sie sind stärker als drei Kavallerieabteilungen. Das schlimmste ist, sie kennen ihre Überlegenheit. Wir wollen im weiten Raum der Mesa einen geeigneten Hügel suchen, an dem wir uns einschanzen und verteidigen können, bis Entsatz kommt.« Lieutenant Hicker lauschte ungläubig den Worten seines Vorgesetzten. Das Feldlager in Tucson lag hundertfünfzig Meilen entfernt. Ehe der General Hilfstruppen entsenden konnte, vergingen eine oder mehr Wochen. Bis dahin waren sie längst alle tot. Lieutenant Hicker preßte die Lippen aufeinander und zog schweigend sein Pferd herum. * Zwei Tage und ebenso viele Nächte dauerte das Palaver im Rat der Alten. Das Für und Wider, begründet von der Einstellung der weißen Eindringlinge, die den Apachen ihr Land nahmen und sie in unwirtschaftliche Regionen verbannten, nahm kein Ende. Victorio berichtete leidenschaftlich von den elenden Verhältnissen in der San Carlos Reservation, in der er einige Monate mit seiner Sippe hatte leben müssen. Von Demütigungen, Entbehrungen und der Willkür der Indianerkommissare, die sie als Untermenschen oder wilde Tiere bezeichneten. Eine Tirade unverbrüderlichen Hasses kam von seinen Lippen. Auch Ulzana wußte so Niederschmetterndes zu berichten, daß Cochises Gedanken einer Allianz mit General Howard ins Wanken kamen. 59
Aber er und Chato, der Gemäßigte, gaben nicht auf. Cochise sprach von Zwist und Hader ihrer Stämme, von den heftigen Auseinandersetzungen mit den Langsäbeln und erwähnte geschickt ihre eigenen blutigen Taten, in denen Victorio sich besonders hervorgetan hatte. Er erwähnte das Massaker im Mormonendorf am San Carlos River, das die Verhältnisse zwischen ihren Stämmen und den Weißaugen stark getrübt hatte, und schloß seine flammende Rede mit den Worten, daß eine Allianz mit dem General in Tucson, die auch in Washington gehört werden müßte, ihnen sicher Vorteile bringen konnte. Eine Vereinigung mit Locking Bear, wie Geronimo sie anstrebte, nur das Sterben ihres Volkes beschleunigte. Man spürte in Cochises Worten, daß er den Frieden suchte. Gleich, unter welchen Voraussetzungen er erkauft wurde. »Unser Volk blutet aus unter den ständigen Kriegszügen. Die Hälfte unserer Frauen sind Witwen, ihre Kinder Waisen. Die Zahl der jungen Männer, die uns einmal als Jäger oder Krieger ersetzen sollten, schrumpft. Wer wird einmal für unsere Frauen sorgen? Wer wird sie ernähren, wenn der Nachwuchs fehlt?« Das waren wohl die entscheidenden Fragen, die Cochise stellte, und er spürte, daß Loco sich an seine Seite stellte, und Ulzana unsicher wurde. Selbst Victorio, der Mimbrenjowolf, der die weiße Haut haßte wie das Fleisch des Cojoten, wurde wankelmütig. »Was verspricht sich Cochise aus dieser Verbindung? Die Hoffnung auf Gnade oder eine bessere Zukunft? Hat der weiße Häuptling in Tucson dich nicht schon ein dutzendmal mit doppelzüngigen Versprechen hingehalten? Hat er je eines dieser Versprechen eingehalten?« »Ohne Hoffnung hat kein Mensch ein Ziel, Victorio. Möchtest du nicht in Frieden leben, zur Jagd gehen und mit Pfeil und Bogen Wild erjagen, das die Kammern deines Stammes füllt?« 60
Victorio schwieg nach dieser Frage. Aber er erinnerte sich an jene glücklichen Jahre seiner Jugend, als die Täler, Schluchten und Wüsten den Apachen gehörten und niemand ihre Jagd störte. Und sicher hätte das Palaver noch einige Tage angehalten, wenn nicht in diesem Augenblick Cochises Sohn Naiche durch die Lücke der Wehrmauer ins Lager geritten wäre. Er war vor zwei Tagen, kurz nach Geronimos zornigem Abgang, mit einigen Spähern zu einer Erkundung ins Tal hinuntergezogen. An seiner Seite ritt hochaufgerichtet und auch sehr stolz Wania-taka, der Cheyennenhäuptling. Stumm, mit undurchdringlichen Mienen, saßen die Häuptlinge um das Feuer und blickten dem befreundeten Chief entgegen, der in erforderlichem Abstand sein Pferd gezügelt hatte. Naiche trat in den Kreis. Er verbeugte sich vor seinem Vater. »Wania-taka war auf dem Weg in unser Dorf. Er möchte mit dir sprechen, Cochise.« Der Chief hatte sich erhoben und bat Wania-taka durch ein Zeichen näherzutreten, und Wania-taka stieg von seinem Pferd, setzte sich an die Seite des großen Häuptlings und begrüßte die Anwesenden mit kurzen Worten. Cochise sah die tiefen Sorgenfalten im Gesicht des Cheyennenhäuptlings und sagte: »Es bewegt das Volk der Cheyennen das gleiche Leid wie das Volk der Chiricahuas. Sprich und schütte dein Herz aus, Wania-taka, du bist unter Freunden.« Der Cheyenne sprach nun mit klagenden Worten über den Frieden, der im Osten verkündet wurde und dessen Gedanken er bis ins Apachenland tragen wollte. Er erzählte voller Bitterkeit von den tödlichen Angriffen der Caddos und Wichitas auf sein Volk und nannte die Rebellen Teufel, die aus dem dunklen Pfuhl der Hölle gefahren waren, um Tod und Vernichtung zu verbreiten. 61
»Nicht Worte bringen den Frieden, sondern Taten«, rief er lautstark. »Uns haben die bitterschmeckenden Köpfe der Peyote die Sinne verwirrt und einen Zauber erzeugt, dem wir verfallen waren. Aber dieser Rausch ist nun vorüber, und das Auge des Cheyennen ist scharf und klar geworden.« Cochise, der listige Fuchs, dessen kluger Verstand ihm in die Wiege gelegt worden war, sandte einen dankbaren Blick zu seinem Sohn, denn er spürte, daß er in Wania-taka einen starken Verbündeten seiner Gedanken gefunden hatte. »Deine Sorgen sind unsere Sorgen«, sagte er deshalb ruhigen Tones, »denn wir beraten hier über einen Weg, die Feinde außer Landes zu treiben.« Wania-taka nickte resigniert. »Unsere beiden Stämme sind zu schwach, um gegen Locking Bears Kriegsheer zu kämpfen. In den versteckten Lagern der Caddos und Wichitas spricht man von schnellen Gewehren, die Locking Bear von Süden heranführt. Meine Späher haben sie belauscht.« »Dann werden wir uns mit den Langmessern verbrüdern und gemeinsam Locking Bear bekämpfen.« »Den Pferdesoldaten schenke ich kein Vertrauen«, widersprach der Cheyenne. »Auch wir vertrauen ihnen nur so lange, wie der Feind in unserem Land steht, Wania-taka und suchen aus diesem Bündnis unseren Vorteil.« Über Wania-takas Gesicht ging ein verschmitztes Lächeln. »Der Große Häuptling der Apachen, dessen Mut und Klugheit weit über dem Rio Grande del Northe bekannt ist, ist ein listiger Fuchs. Sein klares Auge, das die Weitsicht eines Adlers besitzt, sieht den Weg in die Zukunft. How, er könnte der Sohn Mangas Coloradas sein, nicht nur der Schwiegersohn.« Das war ein großes Lob für Cochise, denn der größte Führer aller Apachen war Mangas Coloradas gewesen, der 1863 gestorben war. Cochise beugte leicht den Oberkörper, um für die großen 62
Worte zu danken. Als sein Blick in die Runde ging, sah er das Wohlwollen in den herben Gesichtern Locos und Chatos. Ulzana nickte, und Chan-ank, der Älteste im Rat, streckte zum Zeichen seines Einverständnisses seine Lanze. Nur Victorio zögerte noch. Aber seine Worte waren eine Verbindung zu Cochise. »Wenn der Friede mit den Weißaugen nur der Augenblick bedeutet und Cheyennen an der Seite der Apachen kämpfen, werden die Mimbrenjos ihre Kampfbereitschaft zeigen.« Cochise erhob sich. Er trat mitten in den Kreis der Häuptlinge und verbeugte sich ehrfurchtsvoll viermal in die vier Himmelsrichtungen. Sie waren den Apachen heilig. Als er sich aufrichtete und stolz über die Berge hinweg blickte, sagte er mit freudiger Stimme: »So wollen wir das Bündnis schließen und alle Apachenstämme in der Ebene vereinen. Ich werde dem weißen Häuptling in Tucson die Botschaft des Rates senden.« Damit war alles beschlossen, über das man zwei Tage und zwei Nächte lang verhandelt hatte. * Zwei Tage auch kämpfte schon Ryans eingeschlossene Einheit verbittert gegen den anstürmenden Feind, der sich seiner Stärke und Überlegenheit bewußt war und mit einem Sieg die Brücke des Ruhmes suchte. Tote und Verletzte lagen zwischen flachen Felsen und aufgeworfenen Sandhügeln. Die Sonne brannte mörderisch. Major Ryan wußte, daß er diesem wuchtigen Anprall der Wichitas nicht mehr lange widerstehen konnte. Ihre Vorräte gingen zur Neige, und seit dem Morgen gab es keinen Tropfen Wasser mehr. Dafür brannte am Himmel erbarmungslos die Sonne, und der süßliche Leichengeruch schwebte wie ein Pesthauch über dem 63
Hügel. Major Ryan lag unter einem Mesquitestrauch, halb im Sand eingegraben, und starrte mit brennenden Augen in die flimmernde Luft. Weit draußen, außerhalb der Schußweite ihrer Gewehre, sammelte sich der Feind zum erneuten Ansturm. Major Ryan dachte an den Späher, den er nach Tucson entsandt hatte. Wenn eine Entlastungseinheit zu ihnen stoßen würde, waren die Indianer bereits auf dem Marsch nach Norden. Und sicher trug einer von ihnen seinen Skalp als Trophäe am Gürtel. Lieutenant Hicker, einen blutigen Verband um die Stirn gebunden, rutschte mit Fieberglanz in den Augen näher. »Beim nächsten Ansturm werden sie uns überrennen«, sagte er. »Keiner der Soldaten hat mehr als zehn Schuß für seine Springfield. Es macht sich jene Resignation breit, die Ahnung an den Tod zeugt, Sir.« Major Ryan, selbst verwundet, nickte ruhig, als hätte er bereits mit dem Leben abgeschlossen. »Ich sehe keine Hoffnung für uns, Hicker. Aber wir werden bis zum letzten Mann kämpfen und den Rebellen unseren Mut beweisen. Und wenn die Munition alle ist, nehmen wir das Gewehr als Keule und die Langsäbel als Tomahawk. Es wird uns eine stattliche Anzahl ins Totenreich begleiten«, schwor er. Welch ein Trost, dachte der junge Lieutenant, der mit fünfundzwanzig fahren erst an der Schwelle des Lebens stand. Er starrte in die hitzeflimmernde Sonnenglocke, die die Erde ausbrannte. Hier also würde sein Leben enden. Wie eine Vision tauchte das blühende Land seiner Heimat Virginia auf. Die weiten grünen Weiden, die Tabak- und Baumwollfelder, die sanften blumenbewachsenen Hügel, über die die Bienen streiften und bunte Falter. Was war dieses Territorium hier doch für ein Drecksland. Major Ryan stieß ihm die Faust in die Seite. »Träumen Sie 64
nicht, Hicker. Gehen Sie auf Ihren Posten. Die Bastarde greifen uns wieder an.« Nun hörte Lieutenant Hicker das wilde ohrenbetäubende Geschrei, den trommelnden Hufschlag, der die Erde dröhnen ließ. Locking Bear blies zum Finale. Die erste Welle stürmte auf zottigen Mustangs heran. Ihre nackten Leiber saßen wie Guß auf dem Rücken der Pferde, die weichen Leggins klatschten in die Flanken. Beidhändig hielten sie ihre modernen Gewehre, deren Läufe in der Sonne glänzten. Geschosse durchwühlten Sand und Gesträuch. Die erste Welle brach im gezielten Feuer der Verteidiger zusammen. Doch das alles konnte den Angriffsschwung nicht mehr aufhalten. Sie kamen den Hügel hoch, schwangen ihre Keulen und schlugen eine tödliche Bresche in den Verteidigungsring. Die nächste Welle kam heran. Der Kampf Mann gegen Mann entfachte Säbel gegen Tomahawk, Keule gegen den nutzlosen Karabiner. Staub verdunkelte das Kampffeld, und man sah das leidenschaftliche Ringen der Männer um ihr Leben. Feind und Freund waren nur an der unterschiedlichen Kleidung zu erkennen. Lieutenant Hicker schlug sich tapfer, bis die schwingende Keule eines Wichitas ihn tötete. Er hörte nicht die fernen Hornstöße eines Signalisten, der zur Attacke blies, sah nicht die blauen Uniformen einer frischen und kampfstarken Einheit, die, aus der Wüste kommend, den Hügel anging. Virginia. Ein Gedanke, den er mit hinübernahm. Mit einem Lächeln auf den Lippen sank er tot zu Boden. Auch Major Ryan hatte im Kampfgeschehen die Trompetenstöße überhört. Deshalb suchte er nun den Grund, warum die Indianer zurückfluteten und den Hang hinunter in die Wüste sprengten. 65
Erst als eine Reiterarmada durch die Büsche drang und Ryan das bekannte Gesicht des Profos erkannte, wurden seine Knie weich. Er sank in den Sand und blickte den Offizier wie eine Erscheinung aus dem Jenseits an. »Sie, Tanner?« stammelte er verwirrt, als der Profos an seiner Seite niederkniete und ihm die Feldflasche an die ausgetrockneten Lippen hielt. »Wo kommen Sie plötzlich her, Kamerad? Es kann nicht möglich sein!« »Beruhigen Sie sich, Ryan, ich werde es Ihnen später erzählen«, erwiderte Les Tanner und flößte dem Erschöpften einige Tropfen Wasser ein. * Auf dem Weg nach Süden begegneten ihnen mehrmals starke Wichita- und Caddogruppen, die im Schutz der Wüste nordwärts zogen. Das mahnte John Haggerty zur Vorsicht. »Sie ziehen alle in eine Richtung, so, als strebten sie einem vereinbarten Treffpunkt entgegen«, sagte er nachdenklich. »So wird es sein, John«, erwiderte Wyatt Earp, während sie ihre Pferde durch die Wüste trieben, und Glenn Morgan, der sie zwangsläufig in die Swisshelm Mountains führte, atmete erlöst auf, als er erkannte, daß die Krieger nur mit Lanzen, Keulen und Schlagbeilen bewaffnet waren. Earp, der es sah, grinste hinterhältig. »Es ist noch nicht zu spät, Glenn. Du siehst, du hast noch eine Chance.« Als sie am Nachmittag über einen Hügel ritten, hinter dem John eine Wasserstelle kannte, sah Morgan in nordwestlicher Richtung eine schwache Staubwolke, die ihnen folgte. Er verschwieg seine Beobachtung. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten sie buschiges Grün, das einen kleinen Talkessel umwuchs. John deutete zur grünen Oase. »Dort finden wir genügend Wasser, um unsere ausgelaugten Kehlen zu befeuchten. Und vielleicht reicht es 66
noch für ein erfrischendes Bad.« »Und wenn wir eine Antilope oder ein Wildkaninchen finden, wird es ein festlicher Tag«, erwiderte Earp zufrieden. Der Scout lächelte. »Du möchtest wohl, daß jeder weiß, wo wir stecken, Wyatt. Den Braten lassen wir. Dafür gibt es ranzigen Speck und trockene Bisquits.« »Das ist auch schon etwas.« Sie erreichten das Buschwerk, in dessen Innerem eine verborgene Quelle sprudelte. »Erst die Pferde«, rief John, als Glenn Morgan sich in den Wassertümpel stürzen wollte. »Sie sind für uns im Augenblick wertvoller als die beste Bonanza.« Glenn Morgan verzog das Gesicht. Von einer Bonanza hatte er die Schnauze voll. Er dachte an Tombstone, wo man beim Falschspiel Dummen das Fell über die Ohren ziehen konnte. Aber noch gab er die Hoffnung nicht auf, unversehrt die Winchestergewehre wiederzufinden. Man konnte sie bestimmt Mexikanern verkaufen oder mit geringerem Gewinn den Siedlern. »Erinnere mich nicht an die Anson Mine«, sagte er bissig, »sonst kriege ich das große Kotzen.« Er löste Sattel und Zaumzeug und ließ sein Pferd saufen. Dabei schielte er zu den anderen Sätteln hinüber, aus deren Scabbards Johns und Wyatts Rifles ragten. Wyatt Earp war ein wachsamer Beobachter. Er spürte Morgans schäbige Gedanken. »Schlage es dir aus dem Sinn, Glenn, mein Revolver ist schneller als deine Beine«, mahnte er. »Wir wollen in Frieden nach Süden ziehen. Oder möchtest du, daß wir dich in den Swisshelms zurücklassen?« Morgan grinste. Der Tag war noch nicht zu Ende, und Earps Maul würde auch noch klein. »Das ginge wider deine Wünsche, Wyatt.« Morgan lachte. »Ich soll dich doch beim Marshal rehabilitieren.« 67
Der Abenteurer nickte. »Eins zu null für dich.« John breitete bereits seine Decke aus und blickte zu Morgan hinüber, der mit dem Oberkörper fast im Wasserloch lag und sich erfrischte. »Binde ihm Hände und Füße zusammen. Das vertreibt seine dummen Gedanken. Er ist ein Schlitzohr wie du.« »Ich bin dein Freund«, fluchte Earp, während er aus den Satteltaschen Lederriemen zog. »Und trotzdem ein Schlitzohr.« »Ich weiß, wie du es meinst«, gab Wyatt zu. »Komm, Jungchen«, lockte er Morgan, der sich erhoben hatte, und hielt ihm die Stricke entgegen. »Echt indianische Arbeit, zäh und stark. Die lieben Bändchen werden deinen Schlaf bewachen.« Schon bald zog die Dämmerung durch die Ebene, und ohne Übergang wurde es finster. Die Pferde standen im Gesträuch nahe der Wasserstelle. John wußte, sie würden nicht fortlaufen, der Geruch des Wassers hielt sie zurück. Earp schlief bereits, als er die Decken über die Schulter warf. Ein Blick zu Morgan hinüber zeigte ihm, daß der Gauner ebenfalls eingeschlafen war. Schon bald fielen ihm die Augen zu. Morgan aber schlief nicht. Er war hellwach und konzentrierte sich auf jedes fremde Geräusch, denn nachdem er die Staubwolke im Nordwesten entdeckt hatte, folgerte er, daß seine Freunde in der Nähe waren. Eine Stunde verging in banger Erwartung. Earp schnarchte wie ein Bär im Winterschlaf. John Haggerty atmete lautlos, wie Apachen es taten. Die zweite Stunde brach an. Schon wollte Morgan verzweifeln, als eine Hand seine Schulter berührte, und er Sam Allisters flüsternde Stimme hörte: »Bleibe still liegen, Glenn.« Gleichzeitig spürte er, wie sich Sams Hände an seinem Körper entlangtasteten. Die Stricke fielen. »Nimm den Colt«, flüsterte Sam, als er die Fußfesseln durchschnitt. 68
Nun, da Morgan das kalte Eisen zwischen seinen Fingern spürte, war er obenauf. »Umstellt sie, Sam«, flüsterte er zurück, »ich will sie lebend.« John Haggertys Schlaf war in der Regel leicht, aber der anstrengende Marsch durch die Wüste hatte auch ihn erschöpft. Als ihn unsanft ein Fußtritt berührte, fuhr er schlaftrunken in die Höhe. Er sah die Silhouetten zweier Männer am sternenklaren Himmel. Seine Hand zuckte zum Sattel, in dessen Mulde sein Colt schußbereit ruhte. Auf halbem Wege klang ihm Morgans mahnende Stimme entgegen: »Laß das, Scout, ich möchte nicht, daß du sang- und klanglos in die Hölle fährst.« Ein Lichtfunke flammte auf, der John zeigte, daß der Sprecher bewaffnet war. Zugleich sah er mehrere Schatten in der Nähe und hörte Earps fluchende Stimme: »Das sind die Bastarde aus der Borrasca. Ich hätte diesen Smith und Dunney in Cochise umlegen sollen.« »Das kannst du jetzt noch versuchen.« Dunney hielt ein brennendes Zündholz vor Earps Gesicht. Sein Grinsen war boshaft und gemein. Doch Glenn Morgan, der diesen Handel nicht wollte, schüttelte wütend den Kopf. »Die ganze Wüste steckt voller Rothautbastarde. Willst du sie auf uns aufmerksam machen? Nein, mit unseren Freunden habe ich etwas Besseres vor.« Ein schmerzhafter Fußtritt fuhr John Haggerty in die Flanke. »Los, steh gefälligst auf, Scout.« John zog die Beine an, um dem Gauner an die Kehle zu fahren. Doch irgendeiner von ihnen hatte eine Lampe entzündet, und John sah sich acht Männern gegenüber, deren häßliche Visagen ihn herausfordernd angrinsten. »Du machst einen Fehler, Morgan«, sagte John ruhig. »Noch hast du nichts verloren.« »Eben«, fluchte der Bandit, »und deshalb werden wir uns die Waffen holen, bevor Guadalupe zuschlägt. Nicht, daß ich sie 69
ihm nicht gönne. Aber Glenn Morgan betrügt man nur einmal. Los, schnürt sie wie ein Postpaket zusammen. Vielleicht kommt Butterfield Overland Mail vorbei und liest sie auf.« Morgan zeigte seine ganze Bosheit. Nachdem die beiden Freunde verschnürt am Boden lagen, drängte er auf Aufbruch. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Dunney hat euch sicher erzählt, daß die Bonanza ein Blow up ist. Wir müssen dem Caddohalunken zuvorkommen. Man sieht wieder einmal: Einer Rothaut kann man nur vertrauen, wenn du ihr die Kehle durchgeschnitten hast.« Er stemmte den Fuß auf Earps Brust. »Zu rehabilitieren brauche ich dich wohl auch nicht mehr, Wyatt, wo du hier dein großes weites Grab vor Augen hast. Schade, Wyatt, wärst vielleicht ein guter Partner geworden.« »Der Teufel soll dich holen«, fluchte der Abenteurer und riß zornig an den Stricken. »Oder die Wichitas. Mögen sie dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, oder dir das Feuer auf den Bauch setzen.« Morgan schwang sich lachend auf sein Pferd und erfaßte die überzähligen Pferde an den Zügeln. Er war wieder einmal in seinem Fahrwasser. »Ich wußte doch, Wyatt, du stirbst einmal mit 'nem großen Maul.« Er riß am Zügelband seinen Gaul herum und verschwand in der Finsternis. Noch eine Weile war der Hufschlag ihrer Pferde zu vernehmen, dann wurde es still. »Was nun?« fragte Earp einigermaßen ernüchtert. »Rutsche näher an mich heran«, forderte der Scout. »Soll ich dich warmhalten? Oder ist da noch was anderes?« »Ja, im Schaft meines Stiefels steckt eine scharfe Klinge. Vielleicht kommst du an das Messer heran.« * Einsam, ohne Pferde und Waffen, und selbst die Canteen 70
hatten sie ihnen genommen. So blieben sie zurück. John Haggerty starrte in den erwachenden Tag. Irgendwo, einige Stunden voraus, ritten Morgan und seine Bande, um ihre schmutzigen Geschäfte fortzusetzen. John spie zornig in den Sand und massierte seine Gelenke. Bis zum Morgengrauen hatte Earp versucht, die schmale Klinge aus seinem Stiefel zu ziehen, ehe er es schaffte. Erschöpft lag der Abenteurer unter einem Mesquitestrauch und grinste zu seinem Freund hoch. »Was nun, Falke? Laß deinen indianischen Spürsinn flattern. Frage dich, was Cochise in solch einer peinlichen Lage tun würde.« John lächelte. »Er würde dir danken, daß du deinen Humor nicht verlierst.« Er stieß einige Sträucher beiseite und stampfte den Hügel hoch. Wie ein Leinentuch spannte sich die Ebene aus. Was er sah, war ein riesiges Meer von Sand, dazwischen dürftiges Wüstengesträuch wie Collastauden, Kerzenkandelaber und Organos, die wie Orgelpfeifen in den Himmel wuchsen. Am Ende des Horizonts erkannte John die dunklen Schatten der Westhänge der Chiricahua Mountains, die die Sonne noch nicht berührte. Aus ihrem Dunkel erhoben sich mit mächtigen Flügelschlägen Greifvögel auf der Suche nach Beute. Es würde ein heißer Tag werden. Wie jeder Tag in der Gila. Als John zurückkehrte, saß Wyatt nackt in dem Wassertümpel und zeigte seinen schwarzen Humor. »Ich frage mich die ganze Zeit, was angenehmer ist, Falke. In der Wüste zu verdursten, oder in einem solch herrlichen Wasserloch zu ersaufen.« »Das letzte geht schneller, aber ich schätze, es ist ebenso wenig angenehm wie das andere. Bist du mit dem Leben zufrieden, das Glenn Morgan dir zurückgelassen hat? Oder suchst du einen Weg aus dieser Hölle?« Das Schlitzohr grinste. »Du bist der Erfahrene. Ich vertraue dir mein Leben an.« 71
Er hat nicht begriffen, wie es um ihn steht, dachte John wütend, aber irgendwie trägt er es leicht. John suchte nach irgend etwas Brauchbarem, das Morgan zurückgelassen haben könnte. Aber er fand nichts außer dem, was sie am Leib trugen, und ihre Decken. Ihre Füße würden sie in der Höllenglut keine zehn Meilen weit tragen. Wyatt Earp planschte noch immer im Wassertümpel. Vielleicht war es sein letztes Bad. »Wir werden warten«, sagte John schließlich und verkroch sich im Schatten eines Busches. »Auf die Butterfield Overland Mail?« fragte Earp spöttisch. »Auf irgendeine Rothaut. Dies hier ist die einzige Wasserstelle in zwanzig Meilen Umkreis. Draußen laufen genug Wichitas durch die Gegend. Wir haben es selbst erlebt.« »Und wenn welche kommen, willst du ihnen dann mit bloßen Fäusten an die Kehle fahren?« Earp blickte zum Himmel, wo mit mächtigem Flügelschlag ein Geierpaar über der Oase kreiste. »Schau hoch, John«, rief er, »die wissen Bescheid, wie es um uns steht. Sie haben den nötigen Instinkt.« John Haggerty konnte Earps bissigen Humor nicht mehr ertragen. Zum erstenmal sah er keine Lösung ihres Problems und stieg deshalb noch einmal auf den Hügel. Weit im Südwesten stand eine mächtige Staubwolke. Wichitas, war sein erster Gedanke. Er warf sich in Deckung und starrte mit brennenden Augen auf die Erscheinung. Die Zeit verrann endlos. Irgendwann tauchte Earp, der sich wohl einsam fühlte, an seiner Seite auf. »Rebellen?« fragte er verhalten. Der Scout schwieg. Er sah die blitzenden, funkelnden Kaskaden, die aus der Staubwolke blitzten, wie blankpolierte Knöpfe von Dragonern oder metallene Ringe von Zaumzeug. »Soldaten«, flüsterte er und war mit einem Satz auf den Beinen. 72
Er lief so schnell ihn seine Füße trugen und schrie aus Leibeskräften sinnlose Worte in den Wind. Doch nach einiger Zeit verschwand der Beritt zwischen fernen Hügeln und tauchte nicht wieder auf. Seine Schritte wurden kraftlos, schleiften durch den Sand. Als er sich enttäuscht umwandte, eilte Earp ihm entgegen. »Wo sind deine Soldaten geblieben, John? Wo deine Armee?« Als der Scout schwieg, schüttelte Earp ihn heftig an der Brust. John Haggerty spürte nun Earps offene Angst. Sein makabrer Humor war nur Fassade. Er löste sich aus dem Griff und grinste. »Du hast mächtig Bammel, Freund. Aber wir sind noch nicht verloren und gestorben.« Ruhig kehrte er zur Wasserstelle zurück und verkroch sich im Gesträuch. Er mußte eingeschlafen sein, denn am Nachmittag weckte ihn sein Gefährte. »Rothäute«, flüsterte Earp, »sie kommen aus der Wüste und nähern sich der Quelle.« John fuhr auf die Beine. »Wie viele?« »Vier. Sie führen ein Handpferd mit. Was soll das bedeuten?« »Sie sind Wasserträger. Irgendwo draußen lauert eine ganze Horde ihres Geschlechts. Vorwärts, Wyatt, verwischen wir unsere Spuren.« John riß einen Trappelwhitestrauch aus der Erde und jagte zum Hügel hoch. Er war in hektischer Bewegung. Als er zurückkehrte, hatte Earp die verräterischen Fußabdrücke mit einem Kugelbusch verwischt. Sie krochen tiefer ins Gesträuch und warteten. Die Sonne ging im leuchtenden Widerspiel zuckender Strahlen hinter dem westlichen Gebirgsrücken unter. Dämmerlicht zog durch die Wüste. Mit ihr zogen vier Reiter über die Hügel und näherten sich der Wasserstelle. 73
»Caddos«, flüsterte John und nahm einen faustgroßen Stein. »Der mit der Feder im Stirnband ist ein Unterhäuptling.« Earp betrachtete die prächtigen, durchtrainierten Gestalten, deren muskelbepackte nackte Oberkörper Kraft und Stärke zum Ausdruck brachten. Sie schienen ahnungslos, lachten und scherzten miteinander. Als sie das Wasserloch erreichten, stiegen sie von den Pferden und ließen die Tiere saufen. Sie nahmen die schweren Wassersäcke vom Rücken des Packtieres und legten sie an den Rand des Tümpels. Einer von ihnen breitete eine Decke aus. »Sie richten sich häuslich ein«, flüsterte John. Der Stein lag fest in seiner Faust. »Was sollen wir tun?« wisperte Earp. »Warten«, erwiderte John Haggerty. Nun hörten sie deutlich ihre Stimmen. Sie sprachen ehrfurchtsvoll von ihrem großen Häuptling Guadalupe, mit dem sie bald vereinigt sein würden. Von schnellen Gewehren, die Guadalupe und Locking Bear holten und einem baldigen Kampf, der sie zum Apachenpaß führte. Jener mit der Feder, den die anderen Indianer Ana-anka nannten, schilderte die mächtigen Palisaden, die die Soldatenfestung umgaben, die Wasserstelle und die aufsteigenden Felsen, die sich bis an die Festung herandrängten. »Bevor der Mond sein volles Gesicht zeigt, werden die schwarzen Trümmer der Soldatenfestung unseren Sieg verkünden«, sagte der mit Ana-anka benannte. »Ihre Haare werden unsere Gürtel schmücken als Zeichen unserer Tapferkeit.« John unterdrückte einen Fluch. Er kannte die Festung, die Ana-anka so plastisch beschrieb. Sie war ein Bollwerk im Apachenpaß. Fort Bowie. In Gedanken suchte er den Mond, der ihnen viele Tage den 74
Weg durch die Wüste gewiesen hatte, und er erkannte, daß es keine vierzehn Tage dauerte, bis Vollmond war. Die Zeit drängte, denn das, was John seit Wochen vergeblich suchte, erfuhr er hier durch Zufall. Wichitas und Caddos waren im Begriff, Fort Bowie anzugreifen. Und die schnellen Gewehre bedeuteten, daß Guadalupe seine Beute gefunden hatte. Vielleicht standen sie in Verbindung mit dem plötzlichen Auftauchen einer starken Kavallerieabteilung, die sie für kurze Augenblicke gesehen hatten. »Wir werden kämpfen müssen«, flüsterte John, als sich einer der Caddos erhob, zur Quelle trat und Wasser schöpfte. »Mit einem Stein in der Faust?« flüsterte Earp zurück. »Wie unsere grauen Vorfahren vor tausend Jahren? Aber es ist besser, als auf die Armee zu warten. Die ist meist an der falschen Stelle. Bist du bereit?« Der einzelne Mann war knietief ins Wasser gestiegen und plätscherte wie ein freudiges Kind im Tümpel. John hatte sich aufgerichtet. »Ich nehme den Unterhäuptling, du den linken Roten«, sagte er leise und spannte den Körper zum Sprung. Wie eine Sehne schnellte er vorwärts und schmetterte den Steinbrocken gegen Ana-ankas Schläfe und riß den Mann zu Boden. Und noch in der Bewegung erfaßte John dessen Kriegslanze und tötete damit einen jungen Caddokrieger. Wyatt Earp hatte einen dritten Caddo erwischt, der nun mit zertrümmertem Schädel zu Boden ging. Die Rothaut im Wasserbecken schrie gellend auf. Der Krieger sprang ans Ufer und jagte durch die Büsche den Hang hoch. John folgte ihm, aber die Lanze, die er nach dem Flüchtigen schleuderte, verfehlte ihr Ziel. Im Laufschritt kehrte John zurück. Wyatt Earp kniete über Ana-anka, der schwache 75
Lebenszeichen von sich gab. In seiner Faust blitzte ein Jagdmesser. Noch bevor er zustoßen konnte, war John heran und riß seinen Arm zurück. »Laß das, wir haben Wichtigeres zu tun. Füll einen Wassersack, ich sammle ihre Waffen auf. In einer Stunde wird hier der Teufel los sein. Der Bursche ist mir entwischt.« »Und der hier lebt noch.« »Wenn einer fliehen konnte, genügt's. Der wird seinen Brüdern schon erzählen, was hier geschehen ist.« John sammelte Keulen, Lanzen und Steinschleudern auf und trieb die Pferde zusammen. Earp füllte die Wasserschläuche. Als der zweite voll war, rief John ungeduldig: »Das genügt bis zur nächsten Ansiedlung. Lege sie über mein Pferd.« Er saß auf einem gescheckten Pony, das ungeduldig mit den Hufen stieß, als dulde es den fremden Reiter nicht. Doch John hatte das Tier fest im Griff. Earp bestieg einen braunfarbenen, struppigen Mustang, dessen breite Brust Ausdauer verriet. »Welche Richtung?« fragte Earp, als er die Zügel nahm. John deutete über das üppige Organosfeld. »Nordwesten. Irgendwo werden wir auf die Abteilung stoßen. Vorwärts, wir treiben die Ponys eine Weile vor uns her.« Als sie, aus dem schützenden Strauchwerk kommend, den Hügel streiften, deutete Earp grinsend nach Osten, wo in eine Staubwolke gehüllt eine Reiterarmada durch die Wüste ritt. »Sie kapieren sehr schnell, John. Da soll mir niemand mehr sagen, Indianer sind blöde Wilde, deren Gehirn im Hintern sitzt.« John nickte. Er wußte, die Hetzjagd hatte begonnen. * »Sir!« Ein Melder sprengte näher und zügelte vor Major Tanner seinen Gaul. »Reiter im Südosten.« 76
Les Tanner, der seit geraumer Weile längsseits des Travois ritt, auf dem Verwundete transportiert wurden, hob überrascht den Kopf, denn seit dem Tag, da sie Major Ryans Abteilung aus einer üblen Lage befreit hatten, war ihnen keine Rothaut mehr begegnet. Selbst die Angreifer hatten sich in der Wüste aufgelöst und keine Spuren hinterlassen. »Rothäute, Switch?« »Well, Sir«, Korporal Switch nickte. »Etwa zwanzig. Sie jagen zwei Männer, die direkt auf uns zusteuern. Irgendwelche Befehle, Sir?« Tanner überlegte kurz. Er hatte die Feuerkraft der angreifenden Wichitas aus der Ferne erlebt und war nun vorsichtig. »Lieutenant Boone soll die Abteilungen absitzen und in Feuerstellung gehen lassen. Vielleicht können wir dem Gesindel das heimzahlen, was sie Major Ryans Abteilung zugefügt haben.« Sein Blick streifte Ryan, der, vom Wundfieber geplagt, mit fieberglänzenden Augen auf dem Holztravois lag und phantasierte. Er schwenkte sein Pferd und sprengte den Hügel hoch. Hinter ihm schallten Boones Befehle, und als Tanner die Kuppe erreicht hatte, lagen die Abteilungen mit schußbereiten Gewehren in Deckung, bereit, dem angreifenden Feind unerbittlich zu begegnen. Tanner hielt das Glas vor die Augen. Die vorderen Reiter waren kaum noch eine Meile entfernt. Trotz der Entfernung glaubte er in einem der Reiter General Howards Chiefscout zu erkennen. Er schwenkte die Arme. Sofort veränderten die beiden Reiter die Richtung und jagten zwischen Geröll und Wüstenkraut dem Hügel entgegen. Wütendes Geschrei folgte ihnen, als die Verfolger die blaue Uniform der Soldaten erkannten, und sie trieben ihre Ponys zu schnellerer Gangart an. Schweiß und Staub klebte an Reiter und Pferd, als sie vor 77
dem Major den Lauf der Pferde mäßigten. »Gott sei Dank«, rief Haggerty und wischte sich mit dem Handrücken über das verschwitzte Gesicht. »Ich dachte schon, wir hätten Sie verfehlt, Sir. Wo steckt Ihre Abteilung?« Major Tanner deutete lächelnd über die Schulter. »Dort liegen zweihundert Soldaten mit grimmiger Wut im Bauch, John. Sie haben etwas auszubügeln. Dafür kommen uns die Wichitas gerade recht.« Der Sprecher zog sein Pferd herum. »Es sind Caddos, Sir«, rief John an seiner Seite. Ein erstaunter Blick traf John Haggerty, ehe der Major sarkastisch lächelte. »Ob Caddo oder Wichita, das ist den Jungs gleich. Vorwärts, John, sonst geraten wir ins Schußfeld.« Die erste Salve krachte, als die Caddos über den Kamm jagten. Gleich ein halbes Dutzend fiel aus dem Sattel. Ihr wildes Siegesgeschrei verstummte jäh, und sie schwenkten ihre Gäule. »Die Rothäute haben die Nase voll, Sir.« Der Scout lachte zufrieden. »Ich schätze, sie werden keinen zweiten Angriff wagen. Major, Sie kommen von Süden?« »Als Entsatz für Major Ryans Abteilung, die schwer angeschlagen ist und über vierzig Tote und Verwundete zu beklagen hat.« John sah den Travoiszug und die Pferde in der Senke und sprang aus dem Sattel. »Locking Bear?« Tanner nickte hart. »Bewaffnet wie eine Elitearmee.« »Mit Winchestern?« »Mit dreizehnschüssigen Winchester-Karabinern.« Tanner zog eine kurzschäftige Waffe aus dem Futteral und reichte sie Haggerty. »Das modernste Gewehr auf dem Markt. Für die Armee nicht aufzutreiben.« John prüfte die Waffe, die leicht und griffig in der Hand lag. 78
Er dachte an Glenn Morgan, der vergeblich die Swisshelm Mountains durchstreifte, und an Locking Bear, der hundert dieser tödlichen Repetiergewehre besaß. Ein letzter Gedanke streifte Fort Bowie, das unter der Feuerkraft und dem gnadenlosen Haß der Rebellen untergehen würde. Lange Zeit besprach er mit dem Offizier die Dinge, die ihn bewegten, und der Major wurde immer stiller. John erzählte schließlich, daß sie eine Caddogruppe belauscht hatten. »Locking Bear und Guadalupe sammeln ihre Stämme am Apachenpaß, um Fort Bowie einzuäschern. Fort Bowie ist schwach besetzt, Sir. Wenn nicht rechtzeitig Entsatz eintrifft, verliert die Armee die wichtigste Bastion am Apachenpaß. Sie wissen, was das bedeutet. Ich empfehle, daß Sie Ihre Marschrichtung ändern und zum Apachenpaß vorstoßen. Unbemerkt und lautlos, bis General Howards Truppen aufmarschieren. Die Schlacht am Apachenpaß muß eine entscheidende Auseinandersetzung sein, damit Locking Bear erkennt, daß seine Rebellion gegen die Armee Wahnsinn ist. Vielleicht wird der Häuptling dann vernünftig.« »Was ist, wenn Locking Bear sich mit den Apachen verbündet?« »Dann stoßen zu seinen achthundert Kriegern weitere vierhundert gefährliche Kämpfer. Aber das steht noch offen und liegt an Cochises Klugheit.« »Sie haben ihn also getroffen?« John Haggerty nickte. »Er kann nicht allein über die Stämme der Chiricahuas und Mimbrenjos befehlen. Er braucht die Zustimmung des Großen Rates. Und zu ihnen gehören Krieger wie Victorio, der ein Weißenhasser ist, Ulzana und Geronimo, der es nie verwunden hat, daß seine Familie ermordet wurde.« »Das taten Mexikaner.« »Er stellt sie auf die gleiche Stufe wie uns Weiße. Wir brauchen frische Pferde, Sir, denn ich möchte den General schnellstens informieren, damit er seine Entscheidungen trifft.« 79
»Was geschieht mit den Verwundeten?« Tanner deutete zum Travois hinüber, die im Schatten einiger Zedrachbäume standen. »Zehn Mann reichen zu ihrem Schutz. Sie können in aller Ruhe nach Tucson ziehen. Locking Bear braucht seine Krieger am Apachenpaß.« »Und die Caddos?« »Sind auf dem Weg dorthin. Unsere Begegnung war ebenso zufällig wie aufschlußreich.« Major Tanner überlegte einige Augenblicke, ehe er zustimmend nickte. »Ich hoffe, die richtige Entscheidung zu treffen, John, und hoffe, daß General Howards Armee rechtzeitig auf dem Schlachtfeld erscheint.« »Der General weiß, was auf dem Spiel steht.« »All right.« Les Tanner reichte dem Scout die Hand. »Suchen Sie sich zwei Pferde in der Senke.« Als John und Earp zum Pferderudel ritten, begann Major Tanner seine Einheit bereits zu formieren. Lautstark schallten seine Befehle. John und sein Freund wechselten die Pferde. Als sie in die Sättel stiegen sagte Earp: »Nach Tucson findest du allein, John. Ich selbst werde meine persönlichen Dinge regeln.« John wußte, was den Freund bedrückte. »Marshal Marley?« Earp nickte. »Glenn Morgan wird bald in Tombstone auftauchen, wenn er erkennt, daß sein mieses Geschäft in die Brüche ging. Ich werde ihn vor der Stadt empfangen.« »Du brauchst ihn lebend«, mahnte John, während er das unruhige Pferd besänftigte. Wyatt Earp grinste. »Die Armee braucht ihn ebenfalls lebend, John. Ich schätze, sie werden ihn vor ihr Füsilierkommando stellen. Aber das ist nicht meine Sache. Bye, John, auf bald.« Wyatt Earp zog sein Pferd herum. Als er einmal 80
zurückblickte, sprengte John Haggerty in nordwestlicher Richtung durch die Ebene. * Wie lautlose Schatten tauchten sie aus der Erde auf. Sechs, sieben stark bewaffnete Krieger. Haggertys Hand fuhr zur Sattelmulde, wo sein schußbereiter Revolver steckte, gleichzeitig stießen seine Füße die Decke beiseite. Als er hochfuhr, lag der schwere Colt in seiner Faust. Doch dann senkte er die Waffe. Er erkannte Häuptling Cochise, dessen Sohn Naiche, Häuptling Chato und einige Gesichter der Apachenkrieger. »Cochise«, rief er beunruhigt, als der Häuptling ihm entgegentrat und die Hand reichte. »Was führt dich so tief in die Wüste?« Ein Lächeln sprang in Cochises kühngeschnittenes Gesicht. Er winkte seinem Sohn, der eine bunte Decke brachte und ausbreitete. Während Chato und John sich niedersetzten, tauchten zwei weitere Apachenkrieger auf, die ein Rudel Mustangs führten. »Es ist wohl der gleiche Gedanke, der auch dich bewegt, Falke. Ich bin auf dem Wege zur Zeltstadt deines Häuptlings.« John blickte in das glatte bronzefarbene Gesicht mit der kühngeschnittenen Adlernase, und er sah die Sorge in den dunklen Augen des Häuptlings. »Um über den Frieden zu sprechen?« fragte er vorsichtig. Cochises Lächeln blieb, als er ausweichend antwortete: »Über die Allianz, von der der Falke gesprochen hat.« John spürte den Doppelsinn seiner Worte und wußte, daß ihre Not diese Verbindung geschaffen hatte. Der Friede stand weitab im Hintergrund. Victorio, Ulzana und Geronimos Macht war zu groß bei den Stämmen der Apachen. »Apachen und Cheyennen wissen, daß ein Sieg der Rebellen 81
unser Schicksal nicht mildert. Sie werden an der Seite der Pferdesoldaten kämpfen, bis der Feind über die östlichen Berge getrieben ist.« »Ist das auch Victorios Wille?« Cochise nickte würdig. »Der Apachenwolf hat dem Entschluß des Großen Rates zugestimmt. Ich bin gerade auf dem Weg, deinem Häuptling diese Botschaft zu übermitteln. How.« »Und den Cheyennen? Kann man ihnen vertrauen?« fragte John vorsichtig, obwohl sein Herz frohlockte. Chiricahuas und Mimbrenjos lebten links und rechts des Apachenpasses in den Dragoon und Chiricahua Mountains, also nahe des Geschehens. Sie konnten ihre Krieger in kürzester Zeit zum Brennpunkt, Fort Bowie, führen. »Cheyennen«, beantwortete Chato seine Frage, »haben der bösen Kraft der Peyotlwurzel entsagt. Sie blicken wieder mit klaren Augen in die Zukunft. Der Große Geist hat sie von ihrem Laster befreit.« Oder ihre Angst vor Locking Bear, dachte John. Aber er verschwieg seine Gedanken. Dafür sprach er von Locking Bears Kriegsvorbereitungen, seinem Aufmarsch und der Angriffszeit auf Fort Bowie, die er bei Vollmond festgesetzt hatte. Cochise erschrak sichtlich. »Das wäre am zehnten Sonnentag von heute gesehen, Falke«, rief er heftig. »Zu kurz für den langen Weg zu deinem Häuptling und zurück zu meinem Stamm. Ich werde nachdenken und Rat beim Großen Geist holen.« John Haggerty wußte, was Cochises Worte bedeuteten. Der Chief würde den nächsten Hügel besteigen und lange Zwiesprache mit seinen Göttern halten. Deshalb handelte er schnell. Ehe Cochise sich erheben konnte, sagte er ruhig: »Du gewinnst vier Tage, Cochise, wenn du mich für würdig hältst, 82
deine wichtige Botschaft dem General zu übermitteln. Tage, in denen sich die Krieger der Chiricahuas und Mimbrenjos mit den Cheyennen vereinigen und am Apachenpaß aufmarschieren können.« Chato nickte zustimmend. »Der Falke spricht weise Worte. Sie zeigen, wie schnell er zu handeln versteht.« Auch Cochise bewegte zustimmend den Kopf. »Der Falke hat einen klaren Blick. Es dürstet mich nicht, den Einarm zu sehen. Es genügt, wenn er meine Botschaft hört. Wir wollen handeln.« Cochise erhob sich und rief seinen Begleitern einige Worte zu. Naiche führte sein Pferd heran. Wenige Minuten später sprengte die Gruppe in die Wüste zurück, und John Haggerty, der seinen vorgeschriebenen Weg ritt, wußte nun, daß eine Vorentscheidung gefallen war, aber nur dann, wenn es General Howard gelang, die US-Truppen rechtzeitig zum Apachenpaß zu führen. John lockerte die Zügel und ließ dem Pferd freien Lauf. * Von Norden aus den Dragoon Mountains kommend, stieß Geronimo mit einem vierzigköpfigen Kriegsheer in die weite Ebene des Apachenpasses. Bewaffnet mit Lanzen, Schild, Bogen und sonstigem Kriegswerkzeug, suchte er den Weg zu Locking Bears Heerlager. Er war zornig auf den Rat der Häuptlinge, die, kranken Cojoten gleich, den schützenden Schatten der Pferdesoldaten suchten. Er und seine Begleiter hatten sich mit tönerner Erde bemalt, und sie trugen rote Zeichen auf der Brust, aus der Frucht des Yucca gepreßt, die erkennen ließ, daß sie bereit waren zu kämpfen und zu sterben. 83
Im breiten Fächer hatte er seine Späher ausgesandt, um Spuren der verschwundenen Wichitas zu suchen. Am späten Nachmittag, als Sonne und Mond gleichermaßen den Himmel zierten, sprengten zwei seiner Späher auf flinken Ponys durch die Hügel. Als sie Geronimo erreichten, deuteten sie wortlos nach Südwesten, wo die flachen Erhebungen einer breiten Felsgruppe im Schatten der sinkenden Sonne standen. Geronimo gab ein Zeichen und beschleunigte das Tempo, so, als fürchte er, sein Ziel zu verfehlen. Nach einer Stunde, das Licht des Tages hatte seine Kraft verloren, erreichte er die Felsen. Als er durch den breiten, von dichtem Wuchs besetzten Arroyo sprengte, hörte er den fernen Ruf des Rotfuchses, der sich wie ein Echo fortpflanzte und ihm zeigte, daß sein Kommen angekündigt wurde. Nun, als der Arroyo in einen weiten Talkessel einfloß, der von senkrechten Felsen umgeben war, sah er das gewaltige Heer, das hier versammelt war. Tief beeindruckt von diesem Bild erkannte er die Reiter, die überraschend aus den Felsen der Schlucht sprengten, erst, als sie auf fünfzig Yards Entfernung ihre Mustangs schwenkten und seine Gruppe in weitem Kreis umstellten. Ihre feindliche Einstellung den Apachen gegenüber zeigten ihre gespannten, mit Pfeilen besetzten Bogen. Geronimo hob die Hand, um seine erregt schnatternden Krieger zu beruhigen und ritt furchtlos auf den Reiter zu, der sich aus dem Kreis löste. Die Feder im Stirnband zeigte ihm, daß er ein Unterhäuptling der Wichitas war. Fünf Yards vor dem Wichita zügelte Geronimo sein Pferd und streckte Lanze und Schild zum Himmel als Zeichen seiner friedlichen Absicht. Mißtrauisch umritt der Wichita Geronimo, der schweigend auf seinem Pferd saß, und näherte sich ihm dann. »Du Apache«, sagte Nana-ank, ein Vetter von Locking Bear. 84
»Ich Mimbrenjo.« Geronimo hob den Kopf in den Nacken. »Führe mich zu Locking Bear, dem Träger des braunen Bandes der tapfersten zehn Häuptlinge.« Nana-ank trieb seinen Gaul noch etwas näher, so daß sie einander fast berührten. Seine Finger glitten neugierig über das harte Büffelfell des Schildes, streiften die Lanze in der erhobenen Hand und prüften die Farbzeichen auf Geronimos Haut. Er schien, wie alle Rothäute, voller Neugier zu stecken. »Du trägst Kriegsfarbe, Apache. Willst du deine Stärke mit Locking Bear messen?« Spott lag in seinen Augen, die abschätzend Geronimos kraftvollen Körper maßen. Der Mimbrenjo-Häuptling nahm es gelassen hin. »List und Kraft der Apachen sollen das Kriegsheer der Wichitas stärken«, sagte er dann. Nana-anks Neugierde schien befriedigt. Er trieb seinen Mustang wenige Schritte zurück und gab durch ein Zeichen zu verstehen, daß Geronimo die Arme senken durfte. »Du Cochise?« fragte er dann zögernd. Geronimo verzog verächtlich die Mundwinkel. »Cochise ist eine Krähe, die das Alter schwächt. Ein Adler, dessen Flügel brechen. Ich bin Gokhlayeh, Häuptling der Mimbrenjos, den die schlitzäugigen Gelbgesichter im Süden Geronimo nennen.« Nana-anks dunkle Augen blitzten, als er nickte. »Der Ruf von deinem Mut und deiner Tapferkeit ist bis über den Großen Fluß in unsere Jaquales gedrungen. Sei willkommen, Mimbrenjo.« Der Wichita zog seinen Mustang herum und sprengte mit hellen Schreien ins Lager zurück. Der drohende Ring löste sich. Die Krieger folgten Nana-ank. Auch Geronimo gab seinen Kriegern ein Zeichen. Noch am Abend erfuhr Geronimo, daß Locking Bear nicht im Lager war, jedoch jeden Tag erwartet wurde. Nana-ank wies ihm und seinen Mimbrenjos eine Senke als Lager zu. Die folgenden Tage verbrachte Geronimo voller Ungeduld. 85
In ihm brannte der Wille zum Kampf. Immer stärker wurde die Kriegsmacht der Rebellen, denn auch Caddokrieger zogen in Gruppen aus der Wüste. Die Tage selbst verkürzten Wichitas und Caddos mit Reiterspielen und körperlichen Kraftproben, zu denen auch Geronimo und seine Leute geladen waren. Geronimo bewies seine Sicherheit im Bogenschießen und mit der Lanze. Er kämpfte mit Nana-ank mit stumpfer Waffe und ließ Nana-ank den Sieg, weil er Gast in ihrem Lager war und Nana-ank als Freund gewinnen wollte. Am vierten Tag seiner Ankunft zog aus dem Morgengrauen kommend eine lange Karawane Reiter in den Talkessel. Allen voran ritt, stolz und stark, ein kühner Recke von Gestalt, mit blitzenden Augen, Locking Bear, sichtlich den brandenden Jubel genießend, im weiten Bogen durch das Wüstenlager, um allen seine Beute zu zeigen. Geronimo, der schweigend der tosenden Huldigung des großen Häuptlings folgte, sah die Vielzahl blitzender, moderner Waffen, die seine Krieger trugen, und er fühlte sich stolz, an der Seite dieses Mannes kämpfen zu dürfen. * General Howards Sorgen um seine beiden ausgesandten Abteilungen verstärkte sich mit jedem Tag, an denen Hunkpapascouts ihm neue Hiobsbotschaften ins Feldlager brachten. Die Botschaften seiner Späher, die von starken Bewegungen in der Wüste berichteten, ließen erkennen, daß Locking Bear eine entscheidende Schlacht vorzubereiten schien. Seine Armee war seit den Vorfällen in der Tonarsenke in ständiger Alarmbereitschaft, stand Gewehr bei Fuß und wartete auf seine Befehle. Noch war es unklar, wo das Angriffsziel der Rebellen lag, als 86
John Haggerty in Begleitung zweier Hunkpapaspäher, denen er im Badsland begegnet war, in die Zeltstadt ritt und sein Pferd vor dem Stabszelt zügelte. Er schwang sich steif, von einem fürchterlichen Gewaltritt gezeichnet, aus dem Sattel und trat General Howard entgegen, den nichts mehr im Zelt zurückhielt. General Howard sah an Johns Gesicht, daß sein Chiefscout wichtige Botschaften brachte. Er bat ihn ins Zelt und ließ durch die Ordonnanz zugleich seine Offiziere rufen. »Schießen Sie los, John. Sie sind Locking Bear begegnet?« fragte der General nervös. Dieses untätige Warten wie auch die Ungewißheit, hatten ihn nervös gemacht. Er wußte, dort draußen braute sich Entscheidendes zusammen, ohne daß er bisher in die Geschehnisse eingreifen konnte. John nahm unaufgefordert die Brandyflasche vom Regal, nahm einen tiefen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über die spröden Lippen. »Locking Bear hat Major Ryans Einheit angegriffen«, begann John seinen Bericht. »Major Ryan erlitt fürchterliche Verluste, weil Locking Bear über etwa hundert moderne Schnellfeuergewehre verfügt. Kurz vor der totalen Vernichtung kam Major Tanners Abteilung zu Hilfe. Seither ist Locking Bear in der Wüste verschwunden.« »Es tut sich was dort draußen«, erwiderte der General sorgenvoll. »Unsere Hunkpapascouts beobachten seit Tagen ziehende Indianergruppen, die sich nach Norden bewegen. Irgendwo dort oben werden sie sich vereinen.« »Ihr Treffen findet am Apachenpaß statt, Sir«, erwiderte John, während er zur Stabskarte trat und von seiner Begegnung mit den Caddokriegern sprach. Inzwischen hatten sich einige Offiziere eingefunden, die neben General Howard schweigend den Tisch umstanden und Johns Bericht folgten. John deutete auf einen bestimmten Punkt der Karte. »Das ist 87
Locking Bears Ziel.« General Howard beugte sich nieder. »Fort Bowie?« fragte er erschreckt. Er dachte an die hundert Schnellfeuergewehre der Rebellen und an die schwache Besatzung des Forts. »Mit ihrer Bewaffnung werden sie Fort Bowie überrennen und Feuer und Tote zurücklassen. Ein Sieg der Rebellen bedeutet allgemeinen Aufstand aller Indianerstämme. Chiricahuas und alle anderen Apachen werden sich mit ihnen verbünden. Aus dem bisherigen Geplänkel zwischen ihnen und uns wird sich ein blutiger Krieg entwickeln. Mein Gott, Locking Bear soll siebenhundert Krieger anführen. Die Apachen und Cheyennen, die in das Land eingedrungen sind, dürften die gleiche Stärke haben. Noch nie habe ich einen solch gewaltigen Aufzug erlebt.« John sah die betroffenen Gesichter und hörte Howards erregte Stimme: »Arizona wird verbrannte Erde, denn wir haben nicht die Kraft, uns gegen diese Horde zu stellen. Ich werde einen Boten nach Fort Bowie entsenden. Major Henning und die Besatzung sollen sich ostwärts über die Berge durchschlagen, bevor es zu einem fürchterlichen Gemetzel kommt.« »Kein Bote wird Fort Bowie erreichen, Sir«, sagte John ruhig. »Ich fürchte, Locking Bear hat den engeren Bereich der Festung bereits abgeriegelt und trifft in dieser Stunde seine Vorbereitungen für den Aufmarsch. Heute in einer Woche wird er Fort Bowie überrennen.« Howards Gedanken arbeiteten fieberhaft. Er schätzte die Entfernung zum Fort und die Zeit, die seine Armee brauchte, um den Apachenpaß zu erreichen. »Selbst mit einem Gewaltmarsch kommen wir zu spät. Unsere Haubitzen und die Infanterie sind zu träge.« »Dann werden es Dragoner und Kavalleristen sein, Sir. Mit ihren schnellen Pferden schaffen sie es in sieben Tagen«, widersprach John. 88
»Gut, ich bringe drei Abteilungen auf die Beine. Das sind etwa vierhundert Reiter. Major Tanners Einheit bewegt sich von Süden her zum Apachenpaß. Also weitere zweihundert Soldaten. Alle schlecht ausgerüstet mit veralteten Waffen. Demgegenüber stehen rund vierzehnhundert Rebellen. Mein Gott.« General Howard sank sichtlich zusammen. Aber John hatte einen letzten Trumpf, der die Hoffnungen des Generals nährte. Er hatte bisher seine Begegnung mit Cochise nicht erwähnt, doch nun sprach er davon. »Apachen und Cheyennen werden nicht an der Seite der Rebellen stehen, Sir. Cochise hat sich entschieden, an der Seite der Pferdesoldaten zu kämpfen, weil er in den Wichitas und Caddos das größere Übel für sein Volk sieht. Das ist Cochises Botschaft, die ich Ihnen übermitteln soll.« General Howard hob überrascht den Kopf. Er sah in Gedanken den großen kühnen Kriegshäuptling aller Apachen, der seit vielen Jahren sein Gesprächsund Verhandlungspartner war, und er fragte sich, wie oft er diesen Mann schon hatte enttäuschen müssen, weil der Kongreß und die Regierung in Washington stets anders entschieden hatte, und er sein gegebenes Versprechen nicht hatte halten können. »Trotz des Zwiespalts zwischen ihm und mir?« fragte Howard vorsichtig. »Cochise ist ein kluger und weitsichtiger Mann. Wichitas und Caddos sind die angestammten Feinde der Apachen. Er hat lange erkannt, daß er den Strom der Siedlerkolonnen nicht aufhalten kann. Er weiß, wenn seine Feinde sich im Apachenland festsetzen, daß sein Lebensraum weiter beschnitten wird. Und er hofft…« John lächelte leicht, weil er wußte, daß Cochises Hoffnungen sich nie erfüllen würden, »… daß man im Weißen Haus endlich erkennt, daß Cochise einen annehmbaren Frieden zwischen seinem und unserem Volk sucht.« Er wird immer gedemütigt, und so wird es weiterhin bleiben, 89
dachte General Howard, weil diese verdammten Schwarzröcke, die in Washington ihre Entscheidungen trafen, nicht mit den hiesigen Verhältnissen vertraut waren. »Wann werden wir zu Cochises Kriegsheer stoßen?« fragte Howard mit belegter Stimme. Er sah plötzlich eine Chance, das Gemetzel zu verhindern. »Cochise wird da sein, wenn er gebraucht wird. Er hat es versprochen«, erwiderte John ruhig und drängte eingedenk der schwierigen Situation zu einer Entscheidung. »Sie glauben an Cochise?« fragte General Howard und spürte den feinen Seitenstich seines Scouts, als dieser antwortete: »Cochise hat noch nie sein Wort gebrochen, Sir.« Nur für einen Augenblick trafen sich ihre Gedanken, und Howard spürte den bissigen Sinn von Johns Worten. Doch dann war er ganz der General, der für seine Armee und den Frieden des jungen Territoriums einstehen mußte. Er winkte seine Offiziere näher und besprach mit kurzen Zügen die Aufmarschpläne seiner Truppe. Am späten Nachmittag formierte sich die Truppe. General Howard sprach mit knappen Worten zu den Reitern und endete mit den Worten: »Es wird einen harten und erbarmungslosen Kampf geben, Männer. Aber ich hoffe, wir sind alle bereit, unser Leben einzusetzen für den Frieden und für die Zukunft des jungen Territoriums.« Dann befahl Howard den Aufbruch. An der Spitze seiner Dragoner und Kavalleristen verließ er die Zeltstadt in Tucson. Am Abend, während einer kurzen Rast, rief er seinen Scout an seine Seite. »Wie nehmen wir Verbindung zu Cochise auf, John? Wir müssen wissen, wo seine Krieger aufmarschieren.« John zuckte mit den Achseln. »Cochise wird mir ein Zeichen geben, Sir. Er läßt uns wissen, wo er zu finden ist.« John dachte an den Ruf der Eule, mit dem Apachen einander verständigten. 90
Der Ruf des Bus, dem Vogel des Todes, wie abergläubische Apachen ihn nannten. * Geronimo, aufgenommen in die Armee der Rebellen, saß mit leuchtenden Augen an Locking Bears Seite und genoß die mißmutigen Blicke Nana-anks, dessen Platz er eingenommen hatte. Um das mächtige hochlodernde Feuer stand ein Meer kühner, schwerbewaffneter Krieger, ständig in Bewegung, vom dumpfen Schlag der Felltrommeln aufgepeitscht, und folgte mit leuchtenden Augen dem Gesang des Schamanen, der behangen mit kabalitistischen Zeichen und grotesken Mätzchen, flammendes Pulver ins Feuer schleuderte, um vom Großen Geist Kriegsglück und reiche Beute zu erbitten. Jedes farbige Aufzucken brennenden Pulvers wurde mit einem vielstimmigen Jubelschrei beantwortet, gab der Große Geist, ihren religiösen Glauben folgend, doch dem Schamanen ein Zeichen seiner Huld. Seit Sonnenaufgang schon dauerte das Ritual, das dem Aufbruch des Heeres vorausging, und es schien kein Ende zu nehmen. Die Sonne brannte erbarmungslos auf die Wüste nieder. Die schweißnassen Körper der Krieger glänzten im Widerspiel des Lichtes. Die Bewegungen des Zauberers wurden heftig und hektisch und näherten sich dem Höhepunkt ekstasischer Verzückung. Zu irgendeinem Zeitpunkt, die Sonne stand fast senkrecht über dem Land, stieß der Schamane einen wilden, nicht mehr menschlichen Schrei aus und brach wie ein gefällter Baum zusammen. Arme und Beine weit von sich gestreckt, starr wie ein toter Körper, vom Vlies des zottigen Büffelfelles bedeckt, verharrte 91
er in völliger Regungslosigkeit. Die Trommeln waren verstummt, die Bewegungen der Männer erstarrt. Sie spürten, wie der Große Geist in die Haut des Schamanen eindrang und ihn mit Weisheit füllte. Fast eine Stunde verging, ehe der Schamane seine Glieder rührte und taumelnd auf die Beine kam. Er spreizte die Arme dem Feuer entgegen, aus dem nun buntschillernde regenbogenfarbene Flammen sprangen, die in den Himmel zuckten und verglühten. Nun trat der Zauberer einige Schritte zurück und beugte sich in Demut in die vier Himmelsrichtungen. Nachdem er dies getan hatte, flüsterte Locking Bear an Geronimos Seite mit glücklichem Blick in den Augen: »Der Große Geist des roten Mannes wird uns im Kampf führen und lenken. Seine Kraft und sein Mut wird mit uns sein, wenn wir morgen die Festung der Blauröcke stürmen. Es ist ein Anfang.« Der Schamane trat nun näher. Noch immer lag der Glanz tiefster Verzückung in seinem verwitterten Antlitz, als er sich an Locking Bears rechte Seite setzte und wortreich beteuerte, daß der mächtige allen Leben, daß der Menschen und der Tiere, der Wälder, der Flüsse und der Winde, der alleinige Herrscher über Blitz und Donner, zum heiligen Krieg seiner roten Brüder gerufen hatte. »Ruhm und Ehre, Kriegsglück und Beute, werden den Weg der Wichitas und Caddos bestimmen«, endete er den Prolog. »Und jene, deren Blut die Erde tränkt, werden die offene Pforte der Glückseligkeit finden.« Locking Bears Augen füllten sich mit Wildheit, als er kraftvoll aufsprang und seinem Volk die Botschaft verkündete. Er spürte die Kraft des Großes Geistes, die ihn stärkte und die große Weisheit seiner Allmächtigkeit. Ein brausender, nicht endenwollender Ruf füllte das Tal und zeigte das Ende der Zeremonie an. Locking Bear rief seine Unterhäuptlinge zusammen, um die 92
Taktik des Angriffs wie auch die einzelnen Rollen der Stämme zu bestimmen. Er selbst und Guadalupe waren bereit, die Gewehrträger zu führen und den Angriff auf die Bastion vorzubereiten, während Nana-ank, sein Neffe, die Nord-, und Chan-ank, Guadalupes Neffe, die Südflanke schützen und ihren Angriff unterstützen sollten. Zu Geronimo gewandt fuhr er fort: »Du wirst an meiner Seite reiten, Gokhlayeh, damit du deinem Volk von der Tapferkeit und dem Siegesruhm der Wichitas und Caddos berichten kannst. Cochise wird dann erkennen, daß ich nicht als Feind, sondern als Freund in sein Land gekommen bin.« Geronimo nickte. Ein wenig verwirrt von Locking Bears Worten, die nur von der Tapferkeit der Wichitas und Caddos sprachen und die Krieger der Apachen zu erwähnen vergaßen. Aber er schwieg. Nun, da die Rollen verteilt waren, formierten die Stämme sich in drei starke Kampfgruppen ostwärts durch den heißen Wüstensand. Im Schutz der Dunkelheit zogen sie tief in den Apachenpaß und bauten, wie von Locking Bear bestimmt, ihre Angriffsformation auf. * Beunruhigt von den fremden Geräuschen in der Nacht, standen Major Henning und einige Offiziere auf den Palisaden Fort Bowies. Noch bedeckten Nachtschatten das weite Feld des Passes und ließen nichts Genaues erkennen, aber der Commander spürte, daß dort draußen Ungewöhnliches vorging, dessen Bedeutung er vielleicht erahnen, jedoch nicht erfassen konnte. Berichte seiner Patrouillen in den letzten Tagen wiesen darauf hin, daß starke Indianergruppen sich in der Wüste zusammenschlossen. Aus diesem Grund hatte er die Alarmbereitschaft des Forts 93
erhöht und die beiden Feldhaubitzen in vorderste Ausgangsstellung bringen lassen. Langsam hellte sich der Talkessel auf. Flatternde Frühnebel, von der wärmenden Sonne getrieben, stiegen aus der Erde. Es wurde Tag. Zuerst sahen sie zuckende Bewegungen zwischen den Hügeln, doch als Major Henning das Glas an die Augen setzte und von Süden noch Norden schwenkte, wich die gesunde Gesichtsfarbe aus seiner Haut. »Mein Gott, nein«, rief der Kommandeur fassungslos. »Rothäute, nichts als Rothäute. Die Erde versinkt unter den Leibern ihrer Pferde. Es müssen Hunderte, wenn nicht gar Tausende sein. Einen solchen Aufmarsch habe ich in meiner langen Dienstzeit noch nie erlebt.« »Wer mag ein solch mächtiges Kriegsheer vereinigt haben?« fragte Second-Lieutenant Brammer mit bebenden Lippen. Er spürte ein Würgen in der Kehle. Die Angst kroch durch seine Knochen. Captain Morlock, ältester Offizier unter Major Henning, ein Soldat, der viele Narben aus Indianerkämpfen trug und sicher nicht so schnell zu erschüttern war, setzte nur zögernd sein Glas ab. »Einsam stirbt ein Fort«, murmelte er, und nach Sekunden der Resignation kehrte seine alte Kaltblütigkeit wieder, die ihn in vielen Schlachten ausgezeichnet hatte. »Wenn Tucson davon erfährt, gibt es hier nur noch einen schwarzen Trümmerhaufen und von Geiern abgenagte Knochen. Wir werden unsere Haut so teuer wie möglich zu Markte tragen. Was sind Ihre Befehle, Asher?« Major Henning schwieg. Er hielt noch immer sein Glas an die Augen und beobachtete die kleine Gruppe, die sich aus der breiten Formation löste und den flachen Hügel hochsprengte. Einer von ihnen trug eine weiße Fahne. »Sie schicken Parlamentäre«, rief er verhalten. »Sie wollen 94
verhandeln.« Sein Second-Lieutenant atmete hoffnungsvoll auf. Doch Captain Morlock schüttelte bestimmt den Kopf. »Sie werden nicht verhandeln. Sie werden fordern, Asher. Sie werden die Kapitulation bestimmen, Versprechungen machen, und dann, wenn wir wehrlos sind und ohne Waffen, werden sie uns massakrieren.« Der Sprecher hielt sein Glas vor die Augen. Er musterte den kräftigen Reiter, der an der Seite des Fahnenträgers ritt. »Es sind auch keine Apachen, sondern Wichitas. Ich erkenne das Schlitzauge, das sie führt. Locking Bear. Sir, erlauben Sie mir, ihm entgegenzureiten.« Major Henning nickte. Er fühlte die Beklommenheit, die Morlocks Worte auslösten, und sah die Repetiergewehre, die die Rothäute herausfordernd auf den Schenkeln stützten. »Brammer soll Sie begleiten, Captain«, befahl er. Captain Morlock stieg bereits von den Palisaden. Er ließ zwei Pferde satteln und das Tor öffnen. Furchtlos ritt er dem Kommando entgegen. Lieutenant Brammer folgte in seinem Schatten. Nach hundert Yards hielt Morlock sein Pferd an. Er sah Locking Bears kühnes Gesicht, und die Winchester in seiner Faust. Alte Narben juckten, die Wichitas ihm vor Jahren geschlagen hatten, als Locking Bear die Hand hob und sein Pferd zügelte. Major Henning sah vom Ausguck aus, daß der Captain mit dem Häuptling sprach und dieser nach einiger Zeit die lanzengeschmückte Fahne nahm und ihre Spitze vor Morlock in die Erde stieß. Er wußte, was dieses Zeichen bedeutete. Morlock und Brammer trabten die Hügel zurück durchs Tor. Morlock glitt vom Pferd und stieg grinsend die breite Leiter hoch. Er stellte sich an Hennings Seite. »Wie vorauszusehen war, Asher. Er fordert die Aufgabe des Forts, verlangt die Entwaffnung der Besatzung und bietet freien Abzug nach Tucson. Also mitten durch seine Armee. 95
Dabei prüfte er bereits meinen greisen Skalp, ob es sich lohnt, ihn an einen Wichitagürtel zu hängen.« Major Henning überhörte ganz Morlocks bissigen Humor. »Was haben Sie geantwortet, Sam?« »Daß unsere Dreizehnpfünder ihm seine Kriegsgelüste austreiben werden. Aber er war wenig beeindruckt, Asher. Er scheint die Kampfstärke des Forts zu kennen und vertraut auf die schnellen Gewehre.« »Treffen wir die Vorbereitungen, um ihren ersten Angriff abzuschlagen«, bestimmte der Kommandeur. »Alle verfügbaren Leute besetzen den Eingang zum Fort. Die Besatzung bei den Haubitzen wird verstärkt, daß jeder Ausfall durch einen neuen Mann ersetzt werden kann. Alle verfügbare Munition auf den Palisaden verteilen.« Captain Morlock nickte. »Ich habe es bereits angeordnet, Sir.« * Am Nachmittag, als die Sonne in ihrem Rücken stand und die Verteidiger im Fort blendete, stieß Locking Bear mit der Hauptmacht vor. Auf schnellen Mustangs, die sie sicher mit den Schenkeln führten, pausenlos schießend, rannten sie den Stützpunkt an. Die träge feuernden Haubitzen schlugen Lücken in ihre Reihen, doch die Rothäute waren nicht aufzuhalten. Ihr grelles Kampfgeschrei füllte den Apachenpaß. Von Süden und Norden drängten weitere Gruppen heran und schlossen das sterbende Fort von drei Seiten ein. Etwa ein Dutzend Indianer erreichte die Außenpalisaden, schleuderte geschickt lange Seile über die Pfahlspitzen und hangelte sich hoch. Captain Morlock, der die Westflanke des Forts befehligte und bisher keine Feuererlaubnis erteilt hatte, gab nun 96
Schießbefehl. Wohl ein Dutzend Rothäute brach vor den Palisaden zusammen. Infanteristen mit aufgepflanzten Bajonetten wehrten den Einbruch blutig ab. Nach minutenlangem tödlichem Ringen sprengten die Angreifer in die Ausgangsposition zurück. Die Soldaten jubelten. Aber der alte Haudegen Morlock wußte, dies war nur eine Atempause, die der Schöpfer ihnen ließ. Locking Bear würde sein Ziel niemals aufgeben. Er war zu mächtig. »Bei Anbruch der Nacht werden sie ihre Toten holen«, prophezeite Morlock, als er neben den Kommandanten trat, der den Rückzug der Rebellen vom Hauptturm aus beobachtete. »Und im Schutz der Dunkelheit einen zweiten Angriff wagen.« Major Henning nickte schweigend. Er wußte, was ihnen bevorstand und kannte auch schon das Ende. Was konnten dreißig Soldaten des Forts gegen eine achthundertköpfige Horde anrichten, deren infernales Geschrei in der Ferne zu hören war. »Es wird eine heiße Nacht«, sagte er sorgenvoll. Es wird unsere letzte Nacht, dachte Captain Morlock grimmig und spürte, daß es um ihr Leben ging. Aber er würde nicht als Feigling sterben. »Wir werden bis zum letzten Mann kämpfen, Asher.« Die beiden Offiziere stiegen vom Turm. Der Kommandant sprach vor der Besatzung von Mut und Opferbereitschaft und dem heroischen Kampf, der ihnen bevorstand. Captain Morlock, die praktische Seite sehend, inspizierte die Innenräume des Forts auf ihre Verteidigungsmöglichkeit und wählte als letzte Zuflucht die massiv gebaute Mannschaftsbaracke, unter der die Munitionsräume lagen. Sie würde ihnen ein Überleben nicht garantieren, aber zumindest konnten sie sich einen oder zwei Tage dort verschanzen. Wer wußte, ob nicht doch ein Wunder geschah. Daß Morlock von Wundern wenig hielt, zeigte er später, als 97
er Waffen und Munition in die Mannschaftsräume bringen und Pulver zu Sprengladungen formen ließ, um eine Art Faustbombe zu schaffen. In fieberhafter Eile wurde die Baracke zur Verteidigung eingerichtet, ringsum Fallgruben errichtet und mit Pfahlspitzen bestückt. Als die Nacht anbrach, kehrte Captain Morlock mit seinen Soldaten zur Wehrmauer zurück. Er meldete dem Kommandanten: »Ich habe alles Mögliche getan, um unsere Leute zu schützen, Sir. Aber wir werden den Ansturm der Horden nicht aufhalten können. Möge Gott uns helfen.« »Oder ein gnädiges Ende schenken.« Major Henning machte ein Kreuzzeichen. Seit vielen Jahren erinnerte er sich wieder an Gott. Die Nacht war gefüllt mit dumpfen Geräuschen, und ehe das höllische Geschrei der Angreifer losbrach, zuckten Brandpfeile, von den Steilhängen abgeschossen, wie Kometen durch die Luft, schlugen in die Schindeldächer innerhalb des Forts und zündeten ihr flammendes Fanal, das den Untergang des Forts einleitete. Locking Bears wilde Horde, von den Worten des Großen Geistes gestärkt, berannte fanatisch die Festung. Ein barbarischer Kampf entbrannte, der sich bis Mitternacht bei den Palisaden abspielte. Doch nun, nachdem Major Henning keine Chance mehr für die Verteidigung sah, ließ er zum Rückzug blasen und verschanzte sich im Mannschaftsgebäude. Ein erbärmliches Häuflein von neun Männern, deren pulvergeschwärzte Gesichter im Widerspiel des brennenden Forts leuchteten. Sie kannten ihr Schicksal, waren aber nicht bereit, zu resignieren. Draußen tobte der rote Mob. Pferdehufe trampelten auf harter Erde. Irgendwer blies schrecklich falsch auf dem erbeuteten Horn des gefallenen Hornisten. Brandpfeile zuckten durch die schmalen Fensterschlitze in den Mannschaftsraum. 98
Zwei Soldaten, mit Wassereimern bestückt, waren in ständiger Bewegung, um aufflackernde Brände zu loschen. * »Irgendwann wird man davon hören«, sagte Captain Morlock in der Nacht. Er stand aufrecht und erteilte Befehle. Niemand merkte die schwere Verletzung, die eine Winchesterkugel in seine Brust geschlagen hatte. Captain Morlocks selbstgeschaffene Pulverbomben schafften eine Weile Luft. Ihre peitschenden Explosionen drängten die angreifenden Indianer immer wieder zurück. Aber Morlock sah mit Schrecken, wie seine Sprengladungen mit jeder Minute abnahmen. Doch dann, in höchster Not, wie von Zauberhand geführt, verschwand der nächtliche Spuk. Nur das Prasseln niederbrennenden Feuers und das Zusammenstürzen verkohlter Gebäude störte die Stille. »Was bedeutet das?« fragte Major Henning unruhig, »Locking Bear gibt nicht ohne Grund kurz vor seinem Ziel seine Pläne auf.« Captain Morlock starrte durch die provisorische Scharte in den aufkommenden Morgen. Dämmerlicht vertrieb die Schatten. Über die Chiricahua Mountains zuckten goldene Strahlen in den blauen Zenit. Aus weiter Ferne glaubte er die Trompetenstöße eines Horns zu vernehmen. »Sie sind weg«, flüsterte Morlock, »sie sind verschwunden.« Mit einer wilden Bewegung sprengte er die Eingangstür, eilte, gefolgt von Major Henning und dem Second-Lieutenant Brammer, die glimmende Leiter zum Wehrgang hoch und starrte in den erwachenden Tag. »Sir«, sagte er und deutete schwerfällig zum Paß. »Eine Halluzination. Anders kann ich es nicht deuten.« Major Henning sah mit leuchtenden Augen das mächtige 99
Kriegsheer im Westen, das in breiter Front den Paß sperrte. Apachenstämme im Norden, mit Bogen bewaffnet, die sich in feindlicher Haltung Locking Bears Heer zugewandt hatten. »Beim Teufel, Sam, das ist keine Halluzination. Es sind General Howard und seine Truppen aus dem Feldlager. Beim Teufel«, rief er noch einmal enthusiastisch, »nur ein guter Geist kann sie geführt haben. Schau nur, Sam…« Erst jetzt sah der Kommandant, daß sein Freund und Kampfgefährte vieler kriegerischer Händel vornübergekippt zwischen den spitzen Pfählen der Palisaden hing. Second-Lieutenant Brammer bemühte sich um ihn. Als Morlock schließlich am Boden lag, hob Brammer kopfschüttelnd die Schulter. »Captain Morlock ist tot, Sir. Irgendwann in der Nacht muß es ihn erwischt haben. Ein tapferer Mann.« Major Henning spürte, wie Feuchtigkeit seine Augen füllte. Sein Körper richtete sich hoch auf, und seine Hand berührte die Krempe des Hutes. »Brammer«, sagte er schließlich, »schauen Sie nach, ob wir noch ein Banner haben. Ich möchte Locking Bear durch dieses Zeichen zu erkennen geben, daß Fort Bowie noch immer in Freiheit lebt.« Und während er niederkniete, dachte er an die Kameraden, die die Verteidigung des Forts mit dem Leben bezahlen mußten. »Armer Sam«, sagte er abschließend leise. »Gott sei seiner Seele gnädig.« Auf dem brennenden Wehrhof tauchten die Überlebenden auf. Lieutenant Brammer zog das halbverkohlte Sternenbanner am Mast hoch. Major Henning grüßte. * Des Zweifelns satt, ob Morgan nach Tombstone zurückkehren 100
würde, ritt Wyatt Earp in südöstlicher Richtung in die Wüste. Nach zwei Tagen endlich sichtete er Morgan und einige Männer seiner Bande. Schnurgerade ritt Earp nach Tombstone zurück und betrat mutig die Höhle des Löwen. Marshal Marleys erste Bewegung führte zum Revolver. Doch Wyatt Earp war schneller. Er hielt dem Marshal seinen Colt vor die Nase und schob einen Stuhl heran, auf dem er sich niederließ. »Wir wollen wie vernünftige Männer sprechen, Marshal, und nicht wie schießwütige Gesellen. Irgendwer in Ihrer Stadt hat mir einen Mord angedreht, der nichts mehr als Notwehr war. Ich konnte mich nicht gegen die Vorwürfe verteidigen, weil Sie verdammt schnell auf meinen Hacken saßen.« Marley schnaufte wütend, aber Earps Colt dämpfte seine Aggressionen. »Ich bin freiwillig zurückgekehrt, Marshal, das sollte für mich sprechen«, fuhr Wyatt fort. »Denken Sie darüber nach.« »Freiwillig mit einem Revolver in der Faust. Das paßt zu Ihrem Ruf, Earp«, fauchte Marley wütend. »Ich werde ihn wegstecken, wenn Sie vernünftig sind, Marshal. Wenn Sie mir versprechen, ruhig zuzuhören. Sie wissen von den Unruhen im Norden des Territoriums?« »Es gibt Gerüchte, daß irgendwer den Rothäuten Karabiner verkauft hat.« Wyatts Augen blitzten, als er seinen Colt auf den Schreibtisch warf. »Ich biete Ihnen den Mann, der diese Unruhen angezettelt hat. Glenn Morgan.« Marshal Marley schielte verblüfft auf den Revolver, der achtlos zwischen seinen Papieren lag. »Der Mann, der nicht gerade gut von Ihnen gesprochen hat?« »Derselbe.« Earp nickte. Er wußte, daß er ein risikoreiches Spiel spielte. Wenn Marley zum Revolver griff, war er geliefert. 101
Aber der Marshal tat es nicht. So fuhr er fort: »Morgan hat den Caddos moderne Waffen vermittelt und dafür von Häuptling Guadalupe die Pläne einer wertlosen Mine erhalten. Ich selbst habe ihn in Cochise City darüber aufgeklärt. Er und seine Banditen wollten sich die Waffen holen, bevor Guadalupe zugreifen konnte. Aber er kam zu spät. Im Norden fällt um diese Zeit eine Entscheidung über Krieg und Frieden. Morgan aber kehrt enttäuscht nach Tombstone zurück, um der weiteren Entwicklung gelassen entgegenzusehen. Sie werden ihm heute noch begegnen.« »Woher wollen Sie das eigentlich wissen, Earp?« fragte Marshal Marley mißtrauisch. »Und woher weiß ich denn, daß Sie mir keine Lüge auftischen?« »Ich werde Ihnen den Beweis liefern, Marshal. Fragen Sie Morgan nach der Mine und woher er die Pläne hat. Und dann setzen Sie ihn fest. John Haggerty oder Beauftragte der Armee werden bald in Ihrer Stadt auftauchen, denn Morgans Verbrechen ist bereits im Hauptquartier in Tucson bekannt. Man wird ihn vor ein Kriegsgericht stellen wollen, um ihn nach militärischen Kriegsgesetzen abzuurteilen.« Wyatt Earp sprach so klar und selbstsicher, daß der Marshal wankelmütig wurde. »Wann, glauben Sie, wird Morgan hier auftauchen?« »Im Laufe des Nachmittags.« »Na gut.« Marley richtete sich auf und ergriff Earps Waffe. Er hielt sie nachdenklich in der Faust, ehe er die Trommel auslöste und die Patronen auskippte. »Sie sehen, ich glaube nur die Hälfte, Earp«, sagte er, als er Wyatt den Colt zurückreichte. »Wir werden ihn gemeinsam begrüßen.« »Er wird nicht allein sein«, schimpfte der Abenteurer. »Wenn Morgan aggressiv wird, kann ich das Ding nur als Schleuder benutzen.« »Sie stehen unter meinem Schutz.« Marley grinste. 102
»Kommen Sie, wir wollen die nötigen Vorbereitungen für Morgans Empfang treffen.« * Gegen Mittag ritt Morgans Bande in die Stadt. Ihnen voran Morgan selbst. Als er ahnungslos am Marshal-Office vorbeiziehen wollte, trat Marley aus dem Schatten des Vordaches. »Ich hätte einiges mit Ihnen zu besprechen, Mr. Morgan«, sagte er ruhig. Glenn Morgan zügelte, von plötzlichem Mißtrauen befallen, sein Pferd. Er sah einen Mann im Hintergrund, der ihn an Wyatt Earp erinnerte. Earp und Marley, vertraut vereint, ließ ihn blitzartig erkennen, was hier gespielt wurde. »Raus aus der Stadt«, schrie er impulsiv und riß sein Pferd herum. Im gleichen Augenblick fielen Schüsse von der gegenüberliegenden Straßenfront, deren Fenster Marleys Deputies besetzt hielten. Vier Reiter fielen von ihren Pferden in den Staub der Straße. Ein fünfter erreichte noch Sam Fletchers Drugstore. Dann erwischte es auch ihn. Nur Morgan schien die Flucht zu gelingen. Er hing gedeckt an der Flanke seines Gauls und jagte die Straße entlang. Marshal Marley fluchte und schrie nach den Pferden, als neben ihm ein Karabiner explodierte. Marley drehte den Kopf herum und sah, daß Earp eine Sharp senkte, die er als seine eigene erkannte. »Mann«, sagte er mit dröhnenden Ohren, »wie kommen Sie an meinen Schießprügel?« Wyatt deutete grinsend über die Schulter. »Wenn Sie mir offen mißtrauen, Marshal, müssen Sie schon den Gewehrständer abschließen. Kommen Sie, ich habe nur seinen 103
Gaul erwischt. Morgan ist mir zu kostbar. Auch die Armee wird ihm einige Fragen stellen wollen. Zum Beispiel, wie er zu diesen modernen Waffen kam.« Er sprang über die Balustrade und jagte mit Riesenschritten zum niedergeschossenen Pferd des Spielers. Als Marley ihm folgte, rappelte sich Morgan fluchend auf. Wyatt zog den Karabiner aus dem Sattelschuh und hielt ihn dem Spieler vor die Nase. »Ich schätze, Glenn, du wirst das Jahr nicht überstehen. Du hast zu hoch gespielt und wirst nun dafür bezahlen müssen.« Er reichte dem Marshal das Gewehr. »Das ist eine Winchester, Marshal, dreizehnschüssig, stark wie eine Armee. Hundert von ihnen hat Morgan den Wilden in die Hände gespielt. Kaltblütig und gewissenlos, obwohl er wußte, was das bedeutet.« Marley hielt die Waffe in der Faust. Er glaubte nun an Wyatt Earp und donnerte los: »Sie sind verhaftet, Morgan! Den Grund hat Earp Ihnen genannt.« Aber Morgan gab nicht auf. »Er lügt«, schrie er erregt. »Earp will seinen eigenen Hals vor dem Galgenstrick retten. Ich bringe Ihnen hundert Zeugen, daß es nicht stimmt.« »Hundert gekaufte Gaunerstimmen, die nichts zählen«, sagte Wyatt gelassen. »Ich nenne dir nur einen Mann, der dich an den Galgen bringt: John Haggerty. Und an seinem Leumund kann auch Marshal Marley nicht zweifeln.« Erst nun resignierte Glenn Morgan, der hoch gespielt und ebenso hoch verloren hatte. Wortlos, mit blassem Gesicht, streckte er dem Marshal die Arme entgegen. * Im Westen stand die breite Front der Pferdesoldaten, und im Süden sah Locking Bear eine mächtige Staubwolke aufziehen, 104
die eine neue Abteilung Langsäbel ankündigte, und als sein Blick nach Norden ging, sah er ein gewaltiges Heer von Apachen und Cheyennen in der Felsbarriere der Dragoons. »Apachen«, rief Locking Bear, und sein Blick streifte dabei zornig die Berge. »Schakale«, Gokhlayeh spie verächtlich in den Sand. »Feige Squaws, die vor den weißen Eroberern winselnd in die Knie gehen. Nicht würdig, sich freie Apachen zu nennen. Gib mir deine Gewehrträger, Locking Bear, und ich werde dir zeigen, wie schnell die Pferde der Soldaten in die Wüste laufen.« Locking Bear würdigte ihn keiner Antwort und ritt zu Guadalupe hinüber. Kurz darauf schwenkten beide in die Flanken zu ihren Sippen und kehrten wieder in die Ausgangsstellung zurück. Noch immer hatte Locking Bear keine Worte für Geronimo, dessen Herz unter der Mißachtung zornig zu schlagen begann. Er fühlte sich plötzlich als Fremdkörper inmitten feindlicher Sippen, und er blickte zornig hinter dem Häuptling her, als dieser das Angriffszeichen gab und, den Gewehrträgern voran, Attacke ritt. Frei und ungedeckt, mit ohrenbetäubendem Geheul, ritten sie Howards Soldaten entgegen, die in Zweierreihen in Schanzlöchern oder hinter ihren niedergerissenen Pferden dem Ansturm entgegensahen. General Howard stand wie ein Feldherr auf dem Hügel und wartete, bis die Rebellenhorde auf Schußnähe war, dann gab er dem Hornisten das Angriffssignal. Die vordere Reihe feuerte. Während sie ihre Waffen aufluden, schlug den Angreifern aus der zweiten Reihe eine Salve entgegen, die solche Verwirrung stiftete, daß die Gewehrträger Locking Bears in breiter Front zurückströmten. Wieder füllte das Angriffssignal das breite Apachental am Paß. Im Wechsel bewegten sich beide Reihen vorwärts, feuerten 105
und gewannen ständig an Boden. Zugleich griff Major Tanner mit seinen Reitern in der Flanke an und stiftete heilloses Durcheinander in den Rebellenreihen. Aus den Steilhängen herab stießen die Häuptlinge der Apachen mit ihren Gruppen talwärts. So eingeengt, sammelte Locking Bear seinen Haufen inmitten des breiten Tales. Er spürte, daß er der Niederlage näher war als einem Sieg, denn Howards Truppen waren erfahren und diszipliniert, und ihr ständig wechselndes Feuer hob die Kampfstärke der Winchester auf. Schweigend, reglos auf seinem Schecken hockend, beobachtete Geronimo die wechselnde Szene. Als er erkannte, daß sich in der Nordflanke, der den Dragoons zugewandten Seite, eine breite Lücke öffnete, wußte er, daß Cochise seinen Fehltritt verziehen hatte und ihm den Weg zur Flucht öffnete. Er schwenkte sein Pferd und gab seinen Kriegern ein Zeichen. Immer schwächer wurde der Widerstand. Nur vereinzelt noch fielen Schüsse. Der Ring um die Rebellen war fast geschlossen. Aber noch immer standen die Gruppen sich feindlich gegenüber. Vom Hügel, wo General Howard die Schlacht leitete, trabte ein einzelner Reiter, durchbrach den Kreis der Soldaten und ritt kühn dem abwartenden Haufen der Wichitas entgegen. Locking Bear erkannte am weißen Tuch, das der Reiter an die Spitze seines Gewehrlaufes gebunden hatte, daß der Soldatengeneral einen Parlamentär sandte. Er gab seinen Leuten ein Zeichen und sprengte dem Reiter entgegen. Zum ersten Male standen sich Locking Bear und John Haggerty gegenüber. Locking Bear saß stolz aufgerichtet, mit kühnem Blick, im Sattel und wirkte nicht wie ein Mann, der eine Schlacht verloren hatte. 106
Der Scout war ruhig und gelassen, obwohl die Kühlheit seines Blickes nicht seinen Gedanken entsprach. Nach einer Weile des Schweigens sagte der Häuptling: »Du bist der Mann, den die Apachen den Falken nennen.« John nickte. »Ich bin der Bote des einarmigen Generals aus Tucson. Er will mit dir verhandeln.« »Über den Fortgang des Krieges?« »Über den Frieden, Locking Bear. Ich habe das Wort meines Häuptlings, daß er deine Sippe frei über die Pässe der Chiricahua Mountains ziehen läßt, wenn du die Waffen ablegst und dein Wort verpfändest, daß es so geschieht. Es ist genug Wichitablut in fremde Erde geflossen. Kehre in deine Heimat zurück, ehe deine Stämme im Apachenland sterben.« Locking Bear senkte die Winchester, so daß die Mündung auf Haggerty deutete. »Ich könnte dich töten und weiterkämpfen«, sagte er ruhig. Doch der Scout blickte ihm furchtlos entgegen. »Was würde mein Tod an einer Niederlage ändern? Du hast dich zu sehr auf die schnellen Gewehre verlassen, Locking Bear. Nun zeige, daß du ein guter Verlierer bist. Dein Volk wird es dir danken. Schau, wie groß deine Chancen sind.« Johns Arm deutete nach Süden, wo Tanners Abteilung stand, schwenkte nach Norden, wo Chiricahuas und Mimbrenjos mit blitzendem Kriegsrüstzeug bewaffnet, eine starke Einheit bildeten, und dann über die Schulter, wo keine zweihundert Yards entfernt die Soldaten der US-Armee schußbereit in Stellung lagen. »Wer von deinen Männern würde es überleben, Locking Bear?« Locking Bears Blick folgte Johns Armbewegung, und er erkannte, daß der Krieg verloren war. Der Glanz seiner Augen erlosch, als er John nun die Winchester reichte. »Mein Wort wird so stark sein wie das Wort deines Häuptlings. Lasse es ihn wissen.« Locking Bear zog sein Pferd 107
herum. John ritt zum Hügel und berichtete von seiner erfolgreichen parlamentarischen Aufgabe. Howard beobachtete die Wichitas, die auf Locking Bears Befehl hin die Karabiner auf hartem Fels zerschmetterten, sich dann zu drei Gruppen formierten und nach Osten ausscherten und in einer Staubwolke untertauchten. »Vielleicht ist es nicht gut, Locking Bear ungeschoren ziehen zu lassen, Sir«, sagte John nachdenklich. »Der Häuptling wird die Niederlage nie verwinden und vielleicht irgendwann zurückkehren.« General Howard, einer drückenden Last enthoben und einer neuen Zukunft entgegensehend, schüttelte weise den Kopf. »Cochise wird es nie wieder zulassen und ein Augenmerk nach Osten richten. Er hat den Augenblick einer nahen Katastrophe erlebt.« John Haggerty blickte nordwärts. Durch die breiten Schluchten ritten Apachen in die Berge zurück, und er wußte, Cochise betrachtete seine Allianz mit dem weißen General als beendet. Er suchte nicht seine Nähe. John deutete zur Felshöhe, wo rauchende Trümmer aus der Erde ragten. »Fort Bowie ist zerzaust, als habe ein heftiger Sturm an seinen Palisaden gerüttelt.« »Fort Bowie ist unsere nordöstliche Basis im Apachental. Wir werden es wieder aufbauen, John. Ich glaube, unsere Mission ist beendet. Rufen Sie Tanners Truppen herbei, wir brechen bald auf.«
ENDE
108