Katie – einfach süss
Karen Toller Whittenburg
1322 16/1 2002
Gescannt von Almut K.
PROLOG Archer Braddock flüchte...
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Katie – einfach süss
Karen Toller Whittenburg
1322 16/1 2002
Gescannt von Almut K.
PROLOG Archer Braddock flüchtete sich vor dem Regen zur Haustreppe und klopfte mit seinem Gehstock gegen die Tür. Er mochte dieses Geräusch von Holz gegen Holz. Den hellen Ton einer Türklingel fand er dagegen lästig und aufdringlich. Aber ein Klopfen ... ah, ein Klopfen war wie eine knappe Ankündigung, dass es ernsthafte Dinge zu besprechen gab. Hatte er Janey nicht schon immer gesagt, dass er einen Mann genauso nach seinem Anklopfen wie nach seinem Händedruck einschätzen konnte? Wenn Janey jetzt hier wäre, würde sie ihn darauf aufmerksam machen, dass er sich mit seiner Idee, den Gehstock statt seiner Fingerknöchel zu benutzen, etwas vormachte. Doch die Arthritis hatte schon lange die Kraft seiner Hände gemindert, und der Tod hatte ihm seine Janey genommen. Dennoch war sie der Grund, warum er an diesem Tag vor dieser Tür Lanceshire Nummer 37 stand und darauf wartete, hereingelassen zu werden. "Oh, Janey, Janey", murmelte er sanft. "Wünsch mir alles Glück, Liebes." „Die Tür wurde geöffnet, gerade als der kalte Januarregen anfing richtig heftig niederzuprasseln, und ohne die formelle Einladung abzuwarten, betrat er die Eingangshalle. "Archer Braddock", stellte er sich dem steif wirkenden Butler vor. "Ich habe um zwei Uhr eine Verabredung mit Mrs. Fairchild." "Sehr wohl, Sir. Wir haben Sie erwartet." Der Butler schloss die Tür, und Archer nahm seinen Hut ab. Dabei fielen Regentropfen auf die Marmorfliesen. "Haben Sie keinen Regenschirm bei sich gehabt, Sir?" fragte der Butler, während er Archer geübt beim Ausziehen seines Mantels half und die Handschuhe entgegennahm. "Nein. Ich fürchte, nein." Der Regenschirm lag im Wagen. Sein eigener Butler, Abbott, würde ihn niemals aus dem Haus lassen, ohne dass er für jeden erdenklichen Wetterwechsel ausgerüstet wäre. Offensichtlich gehörte das zum Stolz eines jeden Butlers. Aber Archer hatte den Regenschirm vergessen, als er auf den Wagen verzichtete. Er hatte sich nicht herfahren lassen, weil er nicht wollte, dass irgendjemand, auch nicht sein absolut verlässlicher Chauffeur, wusste, wo und mit wem er heute verabredet war. "Ihr Schal, Sir?" Der Butler stand bereit, den grauen Kaschmirschal entgegenzunehmen. Archer ließ die Hand noch einen kleinen Moment in den Falten des weichen Schals verweilen, ehe er ihn sich vom Nacken zog. Der Schal war ein Geschenk von Janey gewesen, und seit jenem Winter vor so langer Zeit war er für Archer eine Erinnerung daran, dass Janey nie von
seiner Seite wich - wenn auch nur in seiner Vorstellung. Und heute brauchte er mehr als jemals zuvor das Gefühl ihrer Nähe. Der Butler faltete sorgfältig den Schal und legte ihn neben Archers Hut auf die Marmorplatte der Flurkonsole. "Mrs. Fairchild ist im Arbeitszimmer", sagte er. "Wenn Sie mir bitte folgen wollen." Archer folgte ihm auf seinen Stock gestützt. Vor noch gar nicht so vielen Jahren hätte er seiner Umgebung keine Beachtung geschenkt. Er hätte die luxuriöse Einrichtung als selbstverständlich hingenommen und sich auf das bevorstehende Treffen eingestellt. Doch achtundsiebzig Sommer hatten ihm beigebracht, dass das Leben, ohne etwas dazuzutun dahinjagte, und deshalb ging er jetzt gewollt - und notgedrungen langsamer. Er war noch nie zuvor in Ilsas Haus gewesen, hatte niemals die Gelegenheit oder den Grund gehabt, sie hier aufzusuchen. Bis jetzt. Und die Situation machte ihn, so albern es zu sein schien, ein wenig nervös. Der charmante Stil der Ausstattung ihres Hauses zerstreute jedoch seine nagenden Zweifel. Neben den Spuren von Eleganz wie der Aubusson-Teppich in der Eingangshalle, ein Picasso an der Wand neben der Freitreppe zu den höher gelegenen Räumlichkeiten, Vasen mit frisch geschnittenen Blumen auf den Mahagonitischen in der sich nach Innen öffnenden Halle, gab es auch Zeichen auf einen weniger anspruchsvollen Lebensstil, wie der Weidenkorb mit der Gartenschere, die Baumwollhandschuhe mit dem Blümchenmuster sowie die Lesebrille, die auf einem geöffneten Buch lag. Offensichtlich war die Hausherrin nicht überaus besorgt um den Eindruck, den sie nach außen hin machte. Der Butler ging ihm voraus quer durch die Eingangshalle auf eine offene Tür zu und meldete knapp: " Mr. Archer Braddock." "Mr. Braddock!" Ilsa Fairchild erhob sich aus dem Ohrensessel vor dem gemütlichen Kaminfeuer, um ihn herzlich zu begrüßen. "Auf die Minute pünktlich. Bitte, kommen Sie herein! " Archer betrat das Arbeitszimmer und schimpfte sich im Stillen einen Idioten, weil er sich darauf eingelassen hatte, diesen Auftrag auszuführen, und auch, weil er ein alter Mann war, der immer noch an Märchen und Verzauberung glauben wollte. Mit einem verbindlichen Lächeln streckte er ihr die Hand zum Gruß hin. "Ich freue mich sehr, dass Sie angerufen haben. Wie schön, Sie wieder zu sehen." Sie drückte seine Hand und lud ihn dann mit einer Geste ein, in dem gepolsterten Ohrensessel schräg vor ihrem Platz zu nehmen. "Es sind jetzt ... wie viele Jahre her? Fünf Jahre, seit wir bei der Wohltätigkeitsveranstaltung für die Bibliothek zusammengearbeitet haben, stimmt's?" „Ja, ungefähr", stimmte Archer ihr zu. „Es hat so viele Wohltätigkeitsveranstaltungen seit damals gegeben, dass ich mich nicht genau erinnere, bei welcher wir zusammengearbeitet haben. Die Bibliothek ist immer eins von Janeys bevorzugten Projekten gewesen, wie Sie sicher wissen."
"Das ist es auch für mich." Ilsa setzte sich wieder und ließ ihm geduldig Zeit, sich wegen seiner Behinderung schwerfällig im Ohrensessel niederzulassen. Währenddessen wandte sie sich an den Butler. "Robert? Würden Sie uns wohl bitte Tee bringen und …“, sie blickte Archer fragend an, „… Kaffee?" Archer sank in das weiche Polster und war dankbar, wieder sitzen zu können. Der lange Gang in der feuchten Nachmittagsluft hatte ihn angestrengt. "Eine Tasse Kaffee wäre gut", antwortete er. Robert nickte und entfernte sich. Leise schloss er die Doppeltür hinter sich und ließ Archer mit der freundlich lächelnden Ilsa in dem behaglichen Raum mit dem flackernden Kaminfeuer allein. Ilsa wirkte immer noch graziös, wie er fand, obwohl sie Anfang fünfzig sein musste - nur ein oder höchstens zwei Jahre jünger als sein Sohn James. Alter und Erfahrung hatten ihre Schönheit gereift und ihren Charme geschliffen. Ihre Jugendfrische war fraulicher Anmut gewichen. Sie war immer noch schlank und elegant, und ihr einstmals kupferrotes Haar war zu einem matten Kastanienbraun verblasst. In ihren grauen Augen spiegelte sich noch immer ihre Fröhlichkeit und Zuversicht, aber auch das Wissen um Kummer und Sorgen. Ihren Optimismus hatte sie nicht eingebüßt, wie er ihr ansehen konnte, und letzten Endes war genau das der Grund gewesen, warum er hier war. "Ich war seinerzeit in Amsterdam, als ich von Mrs. Braddocks Tod erfuhr." Ilsa lehnte sich leicht zu ihm vor, um ihm ihr Mitgefühl und Verständnis zu zeigen - das Mitgefühl und Verständnis einer Witwe für einen Witwer. "Es tut mir sehr Leid, dass ich bei dem Begräbnis nicht dabei sein konnte." Im März würden es zwei Jahre her sein, und das Wort Begräbnis störte Archer immer noch so wie damals. "Abschiedsfeier", verbesserte er milde. "Begräbnis hat einen so unwiderruflichen Klang. Und, nun ja, um ehrlich zu sein, ziehe ich es vor, diesen Tag als eine Abschiedsfeier ihres Lebens zu sehen. Janey würde es sich gewünscht haben, ungetrübt Abschied zu nehmen. " "Ich hätte sie gern besser gekannt", sagte Ilsa. „Eine Frau, die von den Männern in ihrem Leben offensichtlich so tief bewundert wurde, muss außergewöhnlich gewesen sein." "Sie war die Liebe meines Lebens, und ich habe das von der Sekunde an gewusst, als ich ihr zum ersten Mal begegnete." Archer lehnte sich zurück und streifte den Griff des robusten Gehstocks aus Kirschholz - ein dauerhaftes Geschenk von seiner Janey - über die leicht gebogene Armlehne. "Ich weiß um den Wert der Liebe und um den Gewinn einer guten Ehe. Deshalb bin ich hier. Meine liebe Mrs. Fairchild - darf ich Sie Ilsa nennen? - ich brauche unbedingt ... eine Ehestifterin." Ilsa war selten überrascht von Dingen, die innerhalb der vier Wände ihres Arbeitszimmers gesagt wurden. Ihre Klienten zeigten sich gewöhnlich nervös und verunsichert. Sie waren ein wenig verlegen über ihren Entschluss, Ilsas Dienste in Anspruch zu nehmen. Sehr oft hatte die Person, die ihr gegenübersaß, keine richtige Vorstellung von dem, was Ilsa für sie tun könnte. Im Grunde
konnte sich fast keiner ihrer Klienten ein genaues Bild von der Rolle einer Ehestifterin heutzutage machen. Aus Erfahrung wusste Ilsa, dass bei den ersten Treffen die Gespräche offen und sachlich geführt werden mussten. Ihr guter Leumund musste bewiesen und ihre Strategie umrissen werden. Nur so konnten Probleme von vornherein ausgeschlossen werden. In der Regel jedoch sollten die Klienten sich erst einmal entspannt fühlen. Zum geschäftlichen Teil ging sie erst über, nachdem Robert den Tee serviert hatte und die gesellschaftlichen Floskeln gebührend ausgetauscht worden waren. Archer Braddock war eindeutig kein typischer Klient, wie Ilsa sie sonst kannte. "Sie brauchen eine Ehestifterin?" wiederholte Ilsa, und ihre Überraschung war deutlich herauszuhören. Er lächelte belustigt und lachte dann in sich hinein. "Äh, Ilsa, die Fahrt von Sea Change hierher ist es mir allein deswegen wert gewesen." Er schlug sich die Hand vor den Mund, um sein Lachen zu dämpfen, was ihm aber nicht ganz gelang. "Ich danke Ihnen, meine Liebe, dass Sie mir zutrauen, ich könnte immer noch am Liebesleben Gefallen finden. In Wahrheit feiere ich Ende Juni meinen neunundsiebzigsten Geburtstag, und in diesem Alter ist es zu spät, mich noch wieder nach einer Frau umzuschauen. Abgesehen davon wäre es, wie meine Enkel sagen würden, für eine Frau ziemlich aussichtslos, Janeys Nachfolge anzutreten. " Ilsa spürte, wie sie leicht errötete. Sollte es an den Braddock Männern liegen, dass sie sich in deren Gegenwart stets wie ein Einfaltspinsel vorkam? Bei James war es jedenfalls immer so gewesen, schon als sie zusammen auf dieselbe Schule gingen und auch bei ihren späteren, wenn auch wenigen Begegnungen. Und jetzt - sein Vater war gerade zehn Minuten hier - war sie wieder in den alten Fehler zurückgefallen, erst zu reden und dann zu denken. Natürlich konnte es auch damit zusammenhängen, dass der Name Braddock gleichbedeutend mit Reichtum und Macht war, nicht nur auf Rhode Island, sondern an der ganzen Ostküste. Dabei war es Ilsa absolut nicht fremd, dass Familiennamen und Vermögen Vorrechte mit sich brachten, das konnte es also nicht sein. Der Grund für ihre Reaktion musste tiefer liegen. James und Archer Braddock waren wahre Gentlemen, besaßen natürlichen Charme, ihr Umgangston war herzlich, sie hatten Sinn für Humor und erwiesen den Frauen den nötigen Respekt. Archer hatte ein halbes Jahrhundert mit seiner Frau verbracht, die er über alles geliebt haben musste, während James – soweit Ilsa informiert war - immer noch nach einer ihm ebenbürtigen Ehefrau suchte. Das Klopfen des Butlers sowie sein Eintreten mit dem Serviertablett war Ilsa mehr als willkommen. Sie schenkte dem Gast eine Tasse Kaffee ein und erkundigte sich liebenswürdig, ob er Zucker und Sahne dazunehme. Auf diese Weise gewann sie Zeit, wieder zu ihrer geschäftsmäßigen Haltung zurückzufinden.
Gleichgültig wie einflussreich, berühmt und mächtig die Braddock-Familie auch sein mochte, Archer Braddock war als Klient zu ihr gekommen, und sie würde ihn als solchen behandeln. Und das bedeutete, dass sie ihn nicht nach James fragen würde, so sehr es sie auch drängte. Sie würde an sich halten und ihm zuhören. Zuhören war der Schlüssel zum Erfolg in ihrer Arbeit, so viel hatte sie mittlerweile gelernt. Und Zuhören können war ihre Stärke. Sie hatte gerade den ersten Schluck von ihrem Tee genommen, als Archer sie mit der nächsten Frage erneut überrumpelte. "Erinnern Sie sich an James?" So als ob es die Möglichkeit gäbe, dass sie ihn hätte vergessen können! "Ich glaube, Sie beide sind während der Schulzeit eine Zeit miteinander gegangen." Ilsa setzte ihre Tasse mit einem deutlichen Klick auf die Untertasse zurück. "Ja. James war zwei Klassen über mir in der Exeter Schule. Er war später dann auch ein Mitstudent meines Mannes Ian auf der Harvard Universität. Ich habe James seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Wie geht es ihm?" "Er ist verlobt", antwortete Archer, und seine Worte klangen missbilligend. "Das ist sein chronischer Zustand, wenn er nicht verheiratet ist oder gerade in Scheidung lebt. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals die richtige Frau finden wird. Sie scheinen alle richtig für ihn zu sein, bis er sein Jawort gibt. Aber ich bin nicht hergekommen, um über James zu reden. Ich bin gekommen, weil ich vor kurzem einige erstaunliche Geschichten gehört habe über Ehepaare, die Sie zusammengebracht haben, Ilsa. Obwohl ich ganz schön herumschnüffeln musste, um herauszufinden, dass Sie die Ehestifterin sind, über die man mit so viel Achtung munkelt." "Vielleicht habe ich die Gabe zu erkennen, wo es Möglichkeiten gibt, einen Partner fürs Leben zu finden. Damit vollbringe ich aber noch lange kein Wunder, Mr. Braddock." "Bitte nennen Sie mich Archer. Es gibt mir ein prickelndes Gefühl, von einer schönen Frau beim Vornamen genannt zu werden, und in diesen kalten Wintertagen sind prickelnde Gefühle rar." Ilsa lächelte höflich. "Wie Sie wünschen, Archer." Er nickte zustimmend. "Also, Ilsa, wenn Sie keine Wunder vollbringen, wie schaffen Sie es, dem Himmel dabei behilflich zu sein, zwei suchende Herzen zu vereinigen?" Mit dieser Frage konnte Ilsa etwas anfangen. Hier bewegte sie sich auf sicherem Boden. Und ihre Antwort kam prompt. "Ich leiste eine Menge Vorarbeit", erklärte sie. "Ich hole über die betreffende Person alles an Informationen ein, was ich in die Hände bekommen kann, ganz gleich, ob es sich um alte Schulzeugnisse handelt oder einen bestimmten Modestil, um bevorzugte Freizeitbeschäftigungen, bevorzugte Restaurants, persönliche Überzeugungen oder private Meinungen. Ich nehme mir Zeit, über die Person alles herauszufinden, was nur möglich ist, und lege dann diese Informationen beiseite, um mich mit der Umgebung, in der sie lebt, zu beschäftigen. Jeder von uns kommt mit den verschiedensten Menschen zusammen, einer erstaunlich bunten Vielfalt, wie Sie zweifellos wissen. Aber die meisten schenken dem
keine Beachtung und verpassen so die Gelegenheit, eine passende Beziehung anzufangen. Mein Erfolg liegt darin, dass ich Menschen beobachte und sie einordne. Ich könnte Ihnen eine Liste mit Empfehlungen aufstellen, obwohl ich Ihnen die Akten meiner Klienten aus verständlichen Gründen nicht überlassen kann." "Das ist auch nicht nötig", erwiderte Archer. "Ich habe meine eigenen Nachforschungen angestellt, bevor ich mich entschloss, Sie aufzusuchen. Obwohl Sie von Ihren Klienten strengste Vertraulichkeit fordern, war es mir möglich, genug Informationen zu erhalten, um recht beeindruckt zu sein." Archer griff in seine Anzugtasche und holte einen kleinen Stapel Fotos heraus, die er ihr überreichte. "Meine Enkel", erklärte er stolz. "Adam, Bryce und Peter." Ilsa sah ein Foto nach dem anderen an, dann breitete sie die Bilder auf dem Beistelltisch neben ihrem Sessel aus und betrachtete sie erneut eingehend. Alle drei Gesichter hatten die charakteristischen Merkmale der Braddocks: energisches Kinn, gerade Nase, hohe Stirn. Archers alterndes Gesicht wies diese Merkmale immer noch auf und auch das von James, wie Ilsa sich deutlich erinnern konnte. Die drei jungen Männer waren zweifellos Brüder, unterschieden sich aber eindeutig in ihrer Persönlichkeit. Ilsa hatte sie bereits auf den Gesellschaftsseiten der Boulevardpresse abgebildet gesehen. Die Braddock-Brüder waren immerhin die Lieblinge der Paparazzi. Ihr Leben bot den Medien immer neuen Stoff für irgendwelche angeblichen Skandale, obwohl es eigentlich nichts Genaues über sie zu berichten gab. Archer und seine Frau hatten dafür gesorgt, dass die Welt die Tore zu Braddock Hall, dem Stammsitz der Familie, nicht überschreiten konnte. Und sie hatten ihre drei Enkel fernab der Öffentlichkeit großgezogen. Wie Ilsa sogar auf den Fotos deutlich erkennen konnte, hatten alle drei diese undefinierbare Eigenschaft geerbt, die Frauen unwiderstehlich anzog. Eine Eigenschaft, die man den Braddock-Männern übrigens schon seit zwei Jahrhunderten nachsagte. "Recht gut aussehende junge Männer", bemerkte sie und blickte hoch. "Sind sie auf der Suche nach ...?“ "Nicht, dass ich wüsste", unterbrach Archer sie brüsk. Diese wenigen Worte genügten Ilsa. Jetzt wusste sie, warum er gekommen war. "Aber Sie sind der Großvater der drei, und Sie machen sich Gedanken." Ihre Blicke begegneten sich. "Ja", gab er zu. "Es ist kein Geheimnis, dass James immer noch ziemlichen Wirbel mit seinen Ehen und Scheidungen macht. Das ist ihm inzwischen fast schon zum Zeitvertreib geworden. Scheinbar kann er die große Liebe seines Lebens nicht finden. Janey und ich haben immer gehofft, dass unsere Enkel eine Beziehung suchen würden, die unserer ähnelte, eine, die es wert war, sich für ein Leben lang zu binden. Doch so wie es aussieht, ist keiner von ihnen fähig, den Wert der wahren Liebe zu erkennen." Er tippte mit dem Finger auf jedes Bild und nannte dabei die Namen der Brüder. "Das ist Peter. Er ist der jüngste und wie besessen von langbeinigen
Debütantinnen in der Gesellschaft. Der blauäugige Charmeur da in der Mitte ist Bryce. Er ist unser Robin Hood. Sein ausschweifender Genuss von heute bringt ihn um die echten Freuden von morgen. Er mag junge Frauen mit breitem Lächeln und mit mehr Busen als Verstand. Der hier ist Adam, der älteste der drei, der nur Umsätze und Geschäfte im Kopf hat. Ihn faszinieren Frauen, deren Aktentasche größer ist als seine." Ilsa betrachtete die Fotos aufmerksam. "Es überrascht mich, dass unternehmungslustige Mütter die Probleme Ihrer Enkel nicht schon lange mit der Ehe ausgeräumt haben." "Oh, versucht haben sie es, das dürfen Sie mir glauben. Aber meine Enkel sind fast so wenig fassbar wie sie höflich sind. Es wäre ein fataler Fehler, wenn sie erfahren würden, was wir beide hier besprechen." "Ich bin diskret, Archer, und ich sehe meine Tätigkeit darin, zwei Menschen zusammenzubringen, die füreinander bestimmt sind. Ich vermittle ein Treffen, dann trete ich zurück und warte ab, was geschieht. Ich mische mich nur ein, wenn ich glaube, dass es Zweck hat. Und ich tue das mit Diplomatie. Dafür braucht man Fingerspitzengefühl." "Das bedeutet wohl, dass Sie bei Misserfolg das Honorar nicht zurückerstatten." "Das stimmt. Ich habe eine recht erstaunliche Erfolgsquote. Wenn Sie Wert darauf legen, werden Ihre Enkel es nie erfahren, dass ich vermittelt habe. Diese Verschwiegenheit wird uns jedoch beträchtlich mehr Mühe bereiten. Sie werden mein einziger Kontakt und meine beste Informationsquelle sein. Sind Sie sich sicher, dass Sie in einem irgendwie fragwürdigen Bündnis verstrickt sein wollen?" Wieder lachte Archer in sich hinein. "Ich mag ein alter Mann sein, aber ich bin noch nicht tot. Das Einzige, was ich bedauere ist, dass Janey nicht mehr hier ist, um sich an diesem kleinen Ränkespiel mit mir zu freuen." "Ich vermute, dass Ihre Frau ausgelastet ist mit dem Ganztagsjob, Ihr Schutzengel zu sein." Sein Lächeln fiel ein wenig wehmütig aus. "Da haben Sie wohl Recht." Er schwieg eine Weile, dann nickte er. Offensichtlich betrachtete er die Sache als abgemacht. "Sind Sie also bereit, für meine Enkelsöhne die passenden Frauen zu finden?" "Ich will es versuchen, ja." Ilsa begegnete seinem Blick. "Ich habe vermutlich noch keine so schwierigen Fälle gehabt, aber Ihre Enkel genießen einen besonderen Ruf, was mir die Vermittlung leichter machen wird. Der Name Braddock hat einen guten Klang für junge Frauen, mit denen ich Ihre Enkel bekannt machen werde." Archer nahm den letzten Schluck Kaffee, setzte die Tasse auf den Beistelltisch neben seinem Ohrensessel und griff nach seinem Gehstock. "Dass der Name Braddock sich auf meine Enkel auswirkt, wird Ihnen, Ilsa, die größten Kopfschmerzen bereiten, fürchte ich. Aber lassen wir unsere Bedenken wegen des etwas abenteuerlichen Unterfangens beiseite. Konzentrieren wir uns
stattdessen auf eine viel versprechende Chance. Auch für mich, wenn ich lange genug lebe, um mein erstes Urenkelkind zu sehen." Ilsa freute sich über die Aussicht, Archer Braddock noch des Öfteren zu treffen. "Ich setze mich in ein oder zwei Tagen mit Ihnen in Verbindung, sobald ich die Liste mit Informationen zusammen habe. Die genauen Nachforschungen können drei bis vier Monate in Anspruch nehmen, aber die Dinge entwickeln sich gewöhnlich recht schnell, sobald diese Phase erst abgeschlossen ist. Ich lege Wert darauf, bei meinen Nachforschungen gründlich vorzugehen." Sie erhob sich und widerstand dem Impuls, Archer aus dem Sessel zu helfen. Er stieß sich mit einem Ruck hoch und verlagerte sein Gewicht geschickt auf den Stock. "Ich habe großes Vertrauen zu Ihnen, meine Liebe, aber wenn Sie es mir erlauben, möchte ich Ihnen einen kleinen Vorschlag machen. Beginnen wir mit Adam. Er ist der älteste, und ich mache mir Sorgen, dass er so vieles in seinem Leben verpasst. Er braucht es dringend, von den Firmen loszukommen, für die er wie ein Besessener arbeitet. Und er braucht es sehr, sich zu verlieben." "Ich werde daran denken." Sie gingen zusammen langsam und fast wie gute Freunde zur Tür des Arbeitszimmers und dann in die Halle. Robert erwartete sie vor dem Eingang mit Archers Mantel, Hut und Schal. "Meine Mitarbeiter sind verschwiegener, als ich es selbst bin", versicherte Ilsa. "Sie können ihnen bedenkenlos eine Nachricht hinterlassen, wenn es nötig sein sollte." Archer zog seinen Mantel an und legte sich den grauen Schal um den Hals. "Gerne. Das Gleiche gilt auch für Sie. Sie können mir jederzeit Nachrichten hinterlassen", erwiderte er mit einem Augenzwinkern. "Es würde mich kein bisschen stören, wenn meine Angestellten glaubten, ich hätte in meinem hohen Alter noch eine heimliche Affäre." Er lachte und warf einen Blick auf Robert. "Heute ist kein guter Tag, um ohne Regenschirm zu sein, Sir", bemerkte Robert, ohne eine Miene zu verziehen, und reichte ihm einen schwarzen Schirm. "Ich habe mir die Freiheit herausgenommen, Ihnen einen zu beschaffen." Archer nahm den Regenschirm mit einem dankbaren Lächeln entgegen. "Diskret, tüchtig und außergewöhnlich aufmerksam. Ich danke Ihnen, Robert." Er wandte sich wieder Ilsa zu. "Und Dank auch Ihnen, meine Liebe, für einen reizenden Nachmittag. Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören." Robert wollte die Eingangstür bereits öffnen, aber Archer blieb noch ein letztes Mal stehen. "Wenn das, was wir erhoffen, gelingt, dann sollten Sie es sich vielleicht überlegen, ob Sie nicht James als Klienten annehmen." Ilsa lachte, obwohl ihr bei dieser Vorstellung ein warmer Schauer über den Rücken lief. "Sind wir nicht zu dem Schluss gekommen, dass ich keine Wunder wirken kann?" "Nun ja, ich denke, das bleibt abzuwarten." Und mit einem eleganten Tippen an die Hutkrempe trat Archer vor die Tür, öffnete den Regenschirm und ging hinaus in den nasskalten Spätnachmittag.
1. KAPITEL Normalerweise mied Adam Braddock ,The Torrid Tomato'. Das Restaurant hatte großen Zulauf von den als schick geltenden jungen Berufstätigen, die zwischen zwölf und zwei Uhr aus den Büros im Zentrum von Providence strömten. Ihnen stand der Sinn nach Essen und Vergnügen. Sie wollten sich einfach für eine kurze Zeit vom Stress befreien. Sie bevorzugten herzhafte Speisen und eine ausgelassene Stimmung. Zum Ende der Mittagszeit hin herrschte hier ein Höllenlärm und ein furchtbares Gedränge. Adams Einschätzung nach hatte dieses Restaurant an diesem Tag im frühen Mai nur zwei Vorzüge: die Nähe zu seinem Büro und einen Lärmpegel, der zu schnellen Geschäftsabschlüssen trieb. Da Adam keine Ahnung hatte, warum sein Großvater dieses Treffen mit einer ihm unbekannten, angeblich ehemals alten Freundin seiner Familie vorgeschlagen hatte, wollte er nur so wenig Zeit wie unbedingt nötig dafür aufbringen. Deshalb also sein Vorschlag, sich mit Mrs. Fairchild im ,The Torrid Tomato' zu treffen. Sie war noch nicht erschienen, und er warf einen Blick auf seine goldene Bulgari-Uhr. Es war zehn vor zwölf, und er wurde ungeduldig. Die Übereinkunft mit Wallace kam gut voran, und er erwartete einen Anruf am frühen Nachmittag, um den Aufkauf der Firma offiziell zu akzeptieren. Zudem hatte er um zwei Uhr einen Termin mit John Selden, dem Betriebsleiter beim Braddock-Bauunternehmen, und um halb vier war er mit Vic Luttrell verabredet, dem Manager der Braddock-Architektur. Danach, etwa um vier Uhr vierzig, würde er mit seiner Verwaltungsassistentin, Lara Richmond, den Zeitplan für den nächsten Tag durchgehen, und um halb sechs würde er mit Allan Mason, dem leitenden Anwalt der Rechtsabteilung des BraddockGroßunternehmens, im Klub Handball spielen. Heute hatte er Dinner mit den zwei Geschäftsleitern der Nation's Versicherungsgruppe, um die mögliche Verlegung ihrer Büros in den Braddock-Verwaltungskomplex in Boston zu besprechen. Alles in allem würde es ein erfreulich leichter Tag werden, obwohl er das Mittagessen liebend gern ausgelassen hätte. Aber wenn sein Großvater ihn um etwas bat, was er in letzter Zeit sehr selten tat, wäre Adam sich schäbig vorgekommen, es abzulehnen. Ein helles Lachen irgendwo hinter ihm übertönte das laute Getöse der jungen Leute. Es klang herzlich und überhaupt nicht künstlich. Es wirkte aber durchaus auch so, als ob es die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Adam fand es aufdringlich, und er weigerte sich, sich neugierig umzudrehen. Ihm war der Lärm gerade recht. Zumindest lenkte er nicht ab. Jedenfalls nicht so wie dieses sprudelnde Lachen, das erneut erklang. Beim dritten Mal drehte er sich
auf seinem Stuhl halb um und verrenkte sich ein wenig, um zu sehen, wer sie war. "Adam?" Er fuhr herum, verärgert, weil er dabei ertappt wurde, wie er neugierig gaffte. "Mrs. Fairchild. " Er erhob sich höflich, um die attraktive Frau zu begrüßen, die ihn angesprochen hatte. Während er ihr einen Stuhl zurechtzog, musterte er sie. Ihr Alter: Mitte fünfzig. Ihre Erscheinung: zurückhaltende Eleganz, worauf auch der wenige, aber echte Schmuck hinwies. Was Adam sah, gefiel ihm. "Ich freue mich, dass Sie gekommen sind." "Und ich freue mich, dass ich kommen durfte." Mit einem warmherzigen Lächeln streckte sie ihm die Hand zur Begrüßung hin. Dann setzte sie sich, nahm die Serviette, faltete sie auseinander und breitete sie auf ihrem Schoß aus. "Ihr Großvater hält sehr viel von Ihnen und Ihren zwei Brüdern. Ich bin ein wenig nachlässig gewesen, wie mir scheint. Ich hätte mich mehr bemühen sollen, Sie alle drei kennen zu lernen." Sie blickte ihn prüfend an. "Sie sehen Ihrem Vater sehr ähnlich." "Sie kennen meinen Vater?" Ilsa nickte. "Wir sind zusammen in der Exeter Schule gewesen und dann zwei Semester hindurch auf der Harvard Universität. Um ehrlich zu sein, er war mir zwei Jahre voraus, und zweifellos wusste er nicht einmal, dass ich existierte. Obwohl er recht charmant war, sogar während dieser doch recht linkischen frühen Jahre des Heranwachsens." Adam konnte sich zwar seinen Vater nicht so recht als einen Teenager vorstellen, aber Charme war seine Geschäftskarte, sein Rüstzeug sozusagen. Dass sein Vater Ilsa Fairchild nicht bemerkt haben sollte, ganz gleich in welchem Alter er damals gewesen sein mochte, nahm er ihr jedoch nicht ab. Sie war sehr attraktiv, und James Braddock hatte ein Auge für Schönheit. "Er würde sich zweifellos geschmeichelt fühlen, dass Sie sich an ihn erinnern." Ilsa schwieg dazu und lächelte rätselhaft. "Ich bin begeistert von diesem Restaurant", sagte sie dann. "Die Atmosphäre ist immer so anregend. Man ist umgeben von Lebensfreude, und das Essen schmeckt gleich besser, finden Sie nicht auch?" Adam konnte das nicht finden, behielt es aber für sich. "Sie sind schon mal hier gewesen?" "Des Öfteren, obwohl es noch nicht so lange her ist, dass ich dieses Lokal für mich entdeckt habe." Sie sah sich um und lächelte nachsichtig über das ausgelassene junge Volk. "Seitdem bin ich geradezu süchtig nach dem Artischockendip. Mir ist es ein wenig peinlich nachzufragen, ob man diesen Dip auch außer Haus verkauft." "Ich werde mich beim Kellner erkundigen, falls er sich überhaupt zeigt." Ilsa hob eine Augenbraue bei seiner gereizten Bemerkung. "Archer sagte mir, dass Sie noch keine fünfundzwanzig waren, als Sie beim Braddock-Konzern in den Vorstand kamen. Sie müssen der jüngste Chef in der obersten Etage gewesen sein."
"Vor acht Jahren bin ich als eine Art Wunderkind angepriesen worden, aber das hatte mehr mit unserer Abteilung für Public Relations zu tun und nicht so sehr mit der Tatsache als solche. Angesichts all der Unternehmen der neuen Technologie, die wie Pilze aus der Erde schießen, und der Anzahl von Senkrechtstartern, die ihre eigene Firma gründen, während sie noch am College oder sogar nur auf der High School sind, bin ich eher altmodisch." Ilsa lachte. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Männer in Ihrem Alter gibt, die sich mit Ihren Leistungen messen könnten." Adam war von seinen Leistungen nicht beeindruckt. "Sie sollten nicht alles glauben, was mein Großvater Ihnen erzählt, Mrs. Fairchild. Er ist voreingenommen." "Nun, die Tatsachen sprechen für sich", entgegnete sie. "Mit neunzehn erhalten sie den Magistergrad von Harvard und das mit Auszeichnung. Danach steigen Sie bei der Bauindustrie für gewerbliche Betriebe als Praktikant ein, damit Sie sich mit der Führung eines Unternehmens und seinen Angestellten vertraut machen, und verwandeln ein bereits erfolgreiches Großunternehmen in ein Multimillionenkonglomerat. Ich würde sagen, Ihr Großvater hat jeden Grund, stolz auf das zu sein, was Sie geleistet haben." Dazu konnte - oder wollte - Adam sich nicht äußern. "Sie hören sich an wie eine gut informierte Aktionärin, Mrs. Fairschild." "Und Sie klingen bescheiden." Adam war nicht bescheiden. Nur konnte er in dem, was er bei den BraddockUnternehmen geleistet hatte, nichts Bemerkenswertes sehen. Er hatte die guten Geschäftspraktiken, die der Familie seit mehr als zwei Jahrhunderten ein Vermögen eingebracht hätten, lediglich modernisiert. "Ich freue mich, dass Ihnen das gefällt, was Sie über die Firma erfahren haben." "Hi!" rief eine fröhliche Stimme unmittelbar neben ihnen, und ein hübsches junges Ding in Kellnerinnenuniform setzte sich einfach an ihren Tisch, stützte die Arme auf und wandte sich mit einem breiten Lächeln Ilsa Fairchild zu. Für Adam hatte sie nur einen flüchtigen Blick. "Dienstags sind Sie doch sonst nicht hier, Mrs. Fair. Haben Sie meinen Ratschlag befolgt und sich mit einem attraktiven Mann verabredet?" Sie lachte verschmitzt, und ihre veilchenblauen Augen strahlten. Als sie Adam dann doch ein wenig länger ansah, brachte sie ihn beinahe aus der Fassung. "Hmm", sagte sie und gab ihm das Gefühl, nackt zu sein unter ihrem abschätzenden Blick. "Ein junger Mann. Toll! " Adam fand es überhaupt nicht toll, aber Ilsa lachte nur. "Das ist Adam Braddock, Katie. Ein Familienfreund." Die Kellnerin warf ihm erneut einen Blick zu, einen ziemlich gleichgültigen, wie Adam fand, sagte kurz "Hi" und wandte sich dann wieder Ilsa zu. "Stellen Sie sich vor, ich habe Ihren Rat befolgt." "Wirklich?" rief Ilsa angenehm überrascht. "Es hat also geklappt." Die Kellnerin sprang auf, hob die Hände über ihren Kopf, vollführte eine anmutige Pirouette - und wich geschickt dem Kellner aus, der von der
Fingerspitze bis zur Schulter Tabletts balancierte. "Ups", sagte sie mit einem gewinnenden Lächeln zu ihrem Kollegen. "Wollte dich nicht erschrecken, Charlie." Der Kellner machte ein finsteres Gesicht. Und das tat auch Adam. "Wäre es möglich, etwas zu trinken zu bekommen?" fragte er verstimmt, wurde aber von beiden Frauen ignoriert. "Hier kann ich es Ihnen nicht genau vorführen, aber Sie können sich eine Vorstellung davon machen", sagte Katie zu Ilsa. "All das von nur einer Unterrichtsstunde?" "Zwei. " "Ich bin beeindruckt. Sie könnten es zur Ballerina schaffen, wenn Sie so weitermachen." "Eine Pirouette nach zwei Trainingsstunden bringt mich nicht gerade auf den Weg zur Ballerina." Ilsa schien dieses Geplauder Spaß zu machen, und es war ihr gleichgültig, dass sie in einem Restaurant saß und dass dieser Kobold hier eigentlich die Kellnerin war. Adam räusperte sich und sagte mit erhobener Stimme, um gegen den Radau anzukommen und auch um der Kellnerin großzügig einzugestehen, dass sie ihn vorhin vielleicht nicht gehört hatte: "Ich möchte jetzt bestellen, wenn Sie so freundlich wären ...“ Sie drehte sich ihm zu. Eine Locke hing ihr wie ein Fragezeichen in die Stirn, und ihr Blick drückte Verwunderung über seinen ungeduldigen Tonfall aus. „Ja, natürlich", sagte sie. "Aber wollen Sie nicht vorher einen Blick in die Menükarte werfen?" "Das habe ich bereits getan", erwiderte er kurz angebunden. Wenn sie so weitermachte, würde es ernsthafte - und berechtigte - Konsequenzen für sie geben, sollte der Manager sie dabei ertappen, wie sie Pirouetten drehte, statt die Gäste zu bedienen. "Ich möchte ein Hühnersandwich, keine Chips, und wir fangen mit dem Artischockendip als Vorspeise an." Er lächelte Ilsa an. "Was darf ich für Sie bestellen, Mrs. Fairchild?" Sie sah nachdenklich von ihm zur Kellnerin. "Ich brauche noch ein paar Minuten, um mich zu entscheiden." "Geht in Ordnung." Katie nickte fröhlich. "Nehmen Sie sich Zeit. Ich hole John." Sie lächelte Adam an. Freches kleines Ding. Er würde sie jedenfalls fristlos entlassen. "John ist Ihr Kellner. Meine Tische sind dort drüben." Sie wies mit einer Kopfbewegung zum hinteren Teil des Restaurants. "Wiedersehen, Mrs. Fair. Lassen Sie sich den Dip gut schmecken." Und weg war sie. Mit leichten Schritten und einem aufreizenden Schwung ihrer Hüften bahnte sie sich den Weg durch das Gewirr von Tischen und Leuten und blieb kurz an einem Tisch stehen, um ein paar Worte mit einem großen blonden Mann zu wechseln. Dann lachte sie - ein perlendes Lachen, das Adam zu seinem Leidwesen nicht überhören konnte.
"Sie bedient mich immer, wenn ich hier bin", erklärte Ilsa. "Nicht heute, wie es scheint." Adam fühlte sich ertappt, weil er hinter der Kellnerin hergestarrt hatte, und wandte sich Ilsa zu. Kellner, ob weiblich oder männlich, sollten unaufdringlich und tüchtig sein, ohne den Gast groß in Anspruch zu nehmen. Sie sollten sich freundlich geben, doch niemals persönlich. Diese Ballerina mit dem Lockenkopf versagte darin auf der ganzen Linie. "Sie scheint eine ehrgeizige Tänzerin zu sein." Ilsa lachte. "Sie erzählte mir, dass sie das Kickboxen satt habe, und da habe ich ihr Ballettunterricht als eine alternative Sportart vorgeschlagen. Es erstaunt mich eigentlich, dass sie zu einer Stunde gegangen ist." "Zwei, nicht eine", verbesserte Adam und wunderte sich, dass er sich an eine solche Kleinigkeit erinnerte. Er beachtete nur selten, wenn überhaupt, die Bediensteten in einem Lokal, besonders in einem Lokal wie diesem. Sie wechselten ständig und waren nur allzu oft aufdringlich und gar nicht hilfreich. Entschlossen strich er die Kellnerin aus seinem Gedächtnis. "Erzählen Sie mir von sich selbst, Mrs. Fairchild. Mein Großvater sagte, dass Sie ein kleines Unternehmen hätten, eine Public Relations-Firma, wenn ich mich recht erinnere." "Public Relations ist wohl nicht die richtige Bezeichnung für mein Unternehmen, da es weniger auf öffentliche als auf persönliche Beziehungen ausgerichtet ist. Allerdings geht es mir in meiner Arbeit ebenfalls darum, dass nicht nur die einzelne Person, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes den Gewinn daraus zieht. Das einzelne Wesen und die Gesellschaft sind ja eng miteinander verbunden. Finden Sie nicht auch, Adam?" "Absolut. Das finde ich auch", stimmte Adam ihr zu. "Verbindungen herstellen ist genau das, was ich jeden Tag in meiner Arbeit tue." Ilsa lächelte. "Sehen Sie, und genau das tue ich auch." Der Kellner erschien. "Hi, mein Name ist John. Ich bin heute für Sie zuständig." Er stellte zwei Gläser mit Wasser auf den Tisch und nahm die Bestellung ohne unangebrachte Störung auf. Darin unterschied er sich deutlich von der Möchtegernballerina. Danach kam die Unterhaltung ein wenig ins Stocken - bis zur Vorspeise, als ein perlendes Lachen vor allem Adam aufhorchen ließ. Er tat, als ob er nichts Ungewöhnliches gehört hätte. „Ihr Lachen klingt immer so fröhlich", bemerkte Ilsa. "Die tanzende Kellnerin?" Adam bedauerte sofort, dass er zugab, nicht nur das Lachen gehört zu haben, sondern auch zu wissen, wer gelacht hatte. Ilsa nickte. "Sie ist eine recht interessante junge Frau." „Da mögen Sie Recht haben", erwiderte er unverbindlich. "Werden Sie in diesem Jahr wieder beim Spendenkomitee für die Bibliothek dabei sein?" fragte er und bewies damit, dass er ein Thema genauso gewandt wechseln konnte wie sie. "Sieht ganz so aus. Ich bin dieses Mal mit dem Vorsitz dran", antwortete sie.
Adam fühlte sich wohl in Ilsas Gegenwart. Vielleicht hatte es mit ihrer irgendwie mütterlichen Wärme zu tun, die sich in ihrem Lächeln zeigte und auch darin, wie sie ihm den Teller mit dem Artischockendip leicht zuschob, damit er mehr davon nahm. Der Dip schmeckte tatsächlich sehr gut. Und Adam bestellte beim Kellner gleich einen großen Becher zum Mitnehmen davon für Ilsa, obwohl sie dagegen protestierte. Und er lud sie sogar zu Archers neunundsiebzigsten Geburtstag ein. "Werden Sie ein Fest machen?" „Ja. Ich muss mich noch darum kümmern." Trotz des fast unkultivierten Lärms stellte Adam fest, dass er das Mittagessen mit Ilsa Fairschild wirklich genoss. "Ich kenne eine Veranstalterin", sagte Ilsa. "Die Feste, die sie organisiert, sind großartig. Ich könnte mir vorstellen, dass sie die Richtige für Sie wäre. Sie ist sehr zuverlässig. Aber ich muss Sie warnen. Sie ist sehr teuer, doch jeden Penny wert. Wenn Sie möchten, vermittle ich sie Ihnen." "Großartig." Adam nahm das letzte Stück von seinem Toast und wischte damit den Rest vom Dip aus der Schüssel. Köstlich. Vielleicht war er in seiner Einschätzung des Restaurants doch zu hastig gewesen. "Oh, hi. " Die Kellnerin mit dem krausen Haar war wieder da und setzte sich zum zweiten Mal unbekümmert zu ihnen an den Tisch. "Mir fiel gerade etwas ein", sagte sie zu Ilsa. Adam schien Luft für sie zu sein. "Der Tai Chi-Kurs fängt kommenden Montag an, und Sie sollten da wirklich anrufen, wenn Sie daran interessiert sind. Ich hab die Telefonnummer nicht bei mir, aber ich könnte sie Ihnen am Donnerstag mitbringen, wenn sie zum Lunch hier sind." Ilsa griff nach ihrer Tasche. "Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, und ich rufe Sie heute Abend an. Ich möchte ihn absolut nicht verpassen, und solche Kurse sind so schnell belegt. Oder hätten Sie etwas gegen einen Anruf von mir?" "Kein bisschen", antwortete die Kellnerin mit einem Schulterzucken, so als ob die Frage völlig überflüssig gewesen wäre. Dann, unerwartet, wandte sie sich Adam zu und blickte ihn mit ihren veilchenblauen Augen an. "Wie wär's mit Ihnen? Irgendwelches Interesse an Tai Chi? Es soll wirklich gut sein gegen Arthritis und verspannten Nacken." „Nein, danke", entgegnete er steif und wünschte sich, dass der Geschäftsleiter endlich auftauchen möge und sie wegscheuchte. Sah er aus, als ob er mehr Training brauchte? Unwillkürlich hob er die Hand, um zu prüfen, ob die Nackenmuskeln angespannt wären. Dann ertappte er sich rechtzeitig dabei und richtete seinen Schlips, als ob das von vornherein seine Absicht gewesen wäre. "Ich ziehe wirksamere Sportarten vor wie Kampfsport." Sie zog gleichgültig ihre schmalen Schultern hoch und wandte sich wieder Ilsa zu. "Haben Sie etwas zum Schreiben?" fragte sie. Als ob sie nicht Kellnerin im Dienst wäre, von der man erwarten könnte, dass sie Stift und Notizblock bei sich trug, um die Bestellungen der Gäste aufzunehmen!
Ilsa holte aus ihrer Tasche eine hellrosa Geschäftskarte sowie einen Kugelschreiber hervor und legte sie verkehrt herum auf den Tisch. "Sie können darauf schreiben. Und danke, dass Sie mich an den Kurs erinnert haben." Die kleine Hexe kritzelte ihre Telefonnummer auf das Kärtchen und gab es Ilsa zurück. "Ich glaube, Sie werden an dem Kurs Spaß haben. Harry ist ein wunderbarer Trainer, und Sie werden nicht glauben, wie alt er ist! " Mit ihren veilchenblauen Augen sah sie Adam kurz an, so als ob sie von ihm erwartete, dass er das Alter des Trainers schätzte. "Vierundsiebzig!" rief sie, bevor er eine Vermutung hätte äußern können - wenn er das gewollt hätte. "Er ist das perfekte Beispiel, warum Tai Chi die allerbeste Sportart ist." Besser als Ballett und Kickboxen? wollte Adam schon fragen, aber er ließ es bleiben und wunderte sich über ihr herausforderndes Benehmen ihm gegenüber. Noch mehr wunderte ihn, dass er sich von dem Plagegeist nicht belästigt fühlte. Immerhin war sie eine alberne, kleine Kellnerin. Und noch nicht einmal eine gute. Am meisten aber verwirrte ihn der Funke, der von ihr auf ihn übersprang. Es gab ein allgemeines Aufbrechen des jungen, ausgelassenen Publikums. Die Lunchzeit war vorüber, und die Leute mussten in ihre Büros zurückkehren. Auch die unzuverlässige Kellnerin erhob sich mit einer, wie Adam fand, nachlässigen Anmut. "Ich muss jetzt kassieren, sonst laufen sie ohne zu zahlen weg. Wir sehen uns am Montag, wenn nicht schon früher", sagte sie zu Ilsa und eilte davon mit einem lediglich flüchtigen Blick zu Adam, um so etwas wie einen Abschiedsgruß anzudeuten. "Machen wir uns auf den Weg", schlug Ilsa vor und brachte Adam, der wie entrückt der Kellnerin hinterher starrte, wieder in die Wirklichkeit zurück. Draußen vor dem Restaurant bedankte Adam sich bei Ilsa für die nette Unterhaltung, die sie beim Lunch gehabt hatten. Er wollte schon zu seinem Wagen eilen, als ihm der Geburtstag seines Großvaters wieder einfiel. "Oh, Mrs. Fairchild! Sie waren so freundlich, mir eine Veranstalterin für die Geburtstagsparty zu empfehlen." "Ich rufe Sie deswegen an. Ich möchte Sie sowieso sehr gern besser kennen lernen", setzte sie mit einem Lachen hinzu. "Dagegen hätte ich nichts einzuwenden", entgegnete Adam höflich. "Ach ja, sie könnten meine Geschäftskarte gebrauchen", sagte sie. Er nahm sie entgegen, ohne einen Blick darauf zu werfen, und steckte sie in seine Anzugtasche. "Wir sehen uns auf der Party." "Vielleicht sogar schon früher", erwiderte Ilsa und ging mit flottem Schritt davon. Und Adam verschwendete keinen Gedanken mehr an sie oder an die Geschäftskarte, die sie ihm gegeben hatte. Als die Geschäftskarte unter einem Stapel Vertragsberichte auftauchte, konnte Adam sich kaum erinnern, von wem er sie hatte. Annähernd zwei Wochen hatte er nichts anderes im Kopf gehabt als den Aufkauf der WallaceFirma.
Der Firmeninhaber Wallace zögerte das Abkommen von einem Tag zum anderen hinaus. Er bewies sich als ausgesprochen hart im Verhandeln. Und Adam hatte sein Team für das Wochenende nach Hause geschickt und ihnen empfohlen, sich auszuruhen und zu entspannen, um dann mit neuer Energie zurückzukehren und den Aufkauf definitiv unter Dach und Fach zu bringen. Er selbst wollte das ganze Wochenende in seinem Büro verbringen und einen Kompromiss ausarbeiten, den er Richard Wallace gleich am Montag vorlegen würde. Jetzt saß er also an seinem Schreibtisch und starrte mit gerunzelter Stirn auf die hellrosa Geschäftskarte, auf der in goldenen Buchstaben "Ilsa Fairchild, 555 5683" stand. Adam erinnerte sich an das Essen mit Ilsa und dass es recht nett gewesen war. Obwohl er sich immer noch nicht sicher war, warum sein Großvater ihn gebeten hatte, sich mit Ilsa zu treffen. Er drehte die Karte um und las den Namen und die Telefonnummer, die quer über die Rückseite gekritzelt war. Kate ... oder war es Katie? Er konnte die Buchstaben nicht richtig entziffern. Canton ... sollte wohl Katie Canton sein. Der Name sagte ihm nichts. Warum hatte Ilsa Fairchild ihm nur diese Karte gegeben? Ach ja, die Geburtstagsparty. Sie hatten über diese Party gesprochen, und Ilsa hatte ihm eine Veranstalterin empfohlen. Daraufhin hatte sie wohl den Namen auf die Rückseite ihrer Geschäftskarte geschrieben. Er hatte vorgehabt, die Karte seiner Privatsekretärin Nell zu geben, damit sie sich mit dieser Person in Verbindung setzte. Und dann hatte er Ilsas Information völlig vergessen. Dringendere Angelegenheiten als die Party waren aufgekommen. Nun, an diesem Wochenende, sechs Wochen vor dem Geburtstag seines Großvaters, wurde Archer klar, dass er etwas unternehmen müsse, und zwar schnell. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Halb zehn abends. Zu spät für einen Anruf? Wahrscheinlich würde der Anrufbeantworter eingeschaltet sein, was ihm nur recht wäre. Er könnte eine Nachricht hinterlassen mit der Bitte, sein Büro am Montagmorgen anzurufen. Nell würde dann alles abwickeln, und er könnte die Angelegenheit für sich selbst als erledigt betrachten. Eine gute Idee. Er wählte die Nummer und ging noch schnell ein Finanzgutachten über die Wallace-Firma durch, während er darauf wartete, dass der Anrufbeantworter sich meldete. "Hallo?" Eine weibliche Stimme. Adam legte das Gutachten zur Seite und war einen Moment lang etwas durcheinander. "Kate Canton?" fragte er. "Ja?" Es klang kühl, vorsichtig. "Hier ist Adam Braddock." "Wer?" "Adam Braddock", wiederholte er. "Ilsa Fairchild hat mir Ihren Namen -und die Telefonnummer gegeben." "Warum sollte sie das tun?"
Nun gut, vielleicht hätte er sie während der Bürozeiten anrufen sollen. Er gab seiner Stimme einen warmen Unterton, um ihr das Misstrauen zu nehmen. "Mrs. Fairchild meinte, dass Sie mir helfen könnten. Es tut mir Leid, dass ich Sie so spät am Abend anrufe, aber ich brauche dringend Hilfe von einer Veranstalterin." "Von einer was?" Vielleicht ist Ms. Canton ein wenig schwerhörig, dachte er. "Einer Veranstalterin. Ich brauche jemanden, der für mich eine Party arrangiert." "Da haben Sie die falsche Nummer." "Das glaube ich nicht", entgegnete Adam und versuchte es mit dem altbewährten Braddock-Charme, als er mit bewusst wohlklingender Stimme ihre Telefonnummer vorlas, die auf der Karte geschrieben stand. "Sie sind doch Kate Canton?" „Ja. Aber ich bin keine Veranstalterin." Frauen reagierten immer sehr empfindlich, wenn es um ihren Titel ging. "Dann Koordinatorin", lenkte er ein. "Veranstaltungskoordinatorin. Und es soll auch eine richtig große Veranstaltung sein. Sie soll zu Ehren meines Großvaters stattfinden, der Ende Juni seinen neunundsiebzigsten Geburtstag feiert. Eingeladen werden so an die zweihundert Gäste und ..." "Zweihundert?" unterbrach Katie ihn. "Das ist eine Menge für eine Party." Sie berechnete bereits die Kosten. Das war ein gutes Zeichen. "Ich bin überzeugt, dass Sie den Anforderungen gewachsen sind, Ms. Canton. Sie sind mir wärmstens empfohlen worden." "Jemand hat mich empfohlen, um eine Geburtstagsparty vorzubereiten?" Schwerhörig und wohl auch ein wenig dumm. Oder unnötig bescheiden. Oder clever genug, um ihn hinzuhalten und für sich Nutzen daraus zu ziehen. Natürlich war es auch möglich, dass sie einfach durch den Namen "Braddock" eingeschüchtert war. Er hatte schon die seltsamsten Reaktionen erlebt, wenn jemand erkannte, wer er war, dass er der mächtigen, vermögenden BraddockFamilie angehörte. Was immer auch diese Ms. Canton dachte, Adam war entschlossen, nicht die Geduld mit ihr zu verlieren. Er räusperte sich, um den Anflug von Ungeduld aus seiner Stimme zu verbannen. "Ilsa Fairchild hat mir Ihren Namen und die Telefonnummer gegeben und Sie mir angepriesen." "Mr. Braddock, Sie haben die falsche Nummer. Ich weiß nicht, warum Mrs. Fairchild Ihnen meine Nummer gegeben hat, aber ich bin nicht die Person, die Sie brauchen." Adam runzelte die Stirn. Normalerweise hatte er keine so großen Schwierigkeiten, jemanden zu überreden, für ihn zu arbeiten. "Sie haben völlig freie Hand mit dem Planen", versuchte er sie zu überreden. "Und ein großzügiges Budget." "Es geht mir nicht um Geld", erwiderte sie schnell. Es ging immer um Geld. "Ich sehe ein, dass Sie sehr viel zu tun haben und dass Sie nicht über Providence hinaus tätig sein wollen. Doch ich kann Ihnen
versichern, Ms. Canton, dass meine Familie in dieser Umgebung nicht ohne Einfluss ist. Wir sind jedes Jahr die Gastgeber für eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Veranstaltungen. Ich kann Ihnen garantieren, dass Ihr Service über Nacht wachsen wird, wenn Sie diese eine Party für uns auf die Beine stellen. Ich biete Ihnen eine einmalige Gelegenheit. Sea Change liegt eine knappe halbe Autostunde von Providence entfernt, und ich bin bereit, Sie für jede Unbequemlichkeit zu entschädigen." Es gab eine lange Pause, ein nachdenkliches Schweigen, und Adam entspannte sich. Das Blatt wendete sich. "Sie bieten mir eine einmalige Gelegenheit an?" wiederholte sie seine Worte, und es klang belustigt. "Dafür, dass ich für Sie eine Party vorbereite?" "Ja." Bei Ms. Canton war der Groschen gefallen. Endlich. Und nun wollte Adam die Sache zum Abschluss bringen. "Ich habe nicht sehr viel Zeit, und ich verstehe auch, dass ich Sie mit meiner Bitte förmlich überfallen habe", entschuldigte er sich. "Beenden wir also dieses Hin und Her. Was muss ich tun, um Sie zu bekommen?" Katie wusste nicht recht, ob sie beleidigt oder geschmeichelt sein sollte, weil Adam Braddock so darauf aus war, sie "zu bekommen". Eins stand fest, er erinnerte sich nicht mehr an sie und hielt sie für jemand anderen. In "The Torrid Tomato" hatte er sich ziemlich arrogant aufgeführt. Schon allein wie er ihr mit jedem Blick, mit jeder Bewegung deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass er von ihr alles andere als beeindruckt war. Sie konnte sich nur wundern, dass die sympathische Mrs. Fairchild sich mit diesem Wichtigtuer abgab. Aber all dies erklärte nicht, wie er zu ihrer Handynummer gekommen war. Sie war erst seit sechs Monaten in Providence, und nur wenige kannten ihre Nummer. Ilsa Fairchild hatte ihm wahrscheinlich aus Versehen ihre Nummer gegeben statt der Nummer dieser Veranstalterin, die ihm offensichtlich wärmstens empfohlen wurde. „Da muss ein Irrtum vorliegen, Mr. Braddock", begann sie erneut. "Ich bin nicht die Person, die Sie anrufen sollten." "Bitte, Ms. Canton, seien Sie nicht so bescheiden. Ich bin ein sehr beschäftigter Mann. Die Party ist in sechs Wochen, und ich habe weder die Zeit noch die Lust nach jemandem zu suchen, der sie durchführen kann." Er klang so ernst, dass Katie lachen wollte. Wie konnte jemand sich wegen einer Geburtstagsparty nur so aufregen? Ein schwer beschäftigter Mann. Ein Mann, der Listen aufstellte und Rechnungsposten abhakte. Ein Mann, der starrsinnig war und der von seinem Entschluss, sie anzuheuern, kein bisschen abrückte und jeden Einwand von ihr widerlegte. "Fünftausend Dollar", sagte sie ... nur scherzhaft und nur, damit er endlich auflegte. "Abgemacht." Katie schluckte. "Was?" brachte sie hervor. "Sie sagten fünftausend, und ich habe angenommen."
Sie dachte schnell nach. "Sie haben mich nicht zu Ende reden lassen. Ich meine fünftausend jetzt und fünftausend später." Wenn das nicht abschreckte! Er zögerte tatsächlich. "Sie müssen sehr gut sein, Ms. Canton. Für diesen Preis erwarte ich obendrein, dass Sie uns einen schönen Junitag mit blauem Himmel und nicht zu heißer Sonne verschaffen. Rufen Sie meine Sekretärin morgen an ... nein, am Montagmorgen. Sie wird dafür sorgen, dass die Summe auf Ihr Konto überwiesen wird. Ganz sicher werden Sie sich erst einmal mit den Räumlichkeiten für die Party auf Braddock Hall vertraut machen wollen. Nell, meine Sekretärin, wird sich darum kümmern. Sagen Sie ihr nur, wann sie dorthin fahren, und Nell wird alles andere arrangieren. Noch irgendwelche Fragen?" Sind Sie verrückt? wollte Katie fragen. Aber als sie ihre Stimme wieder fand, konnte sie nur krächzend "Ich kann nicht Auto fahren" herausbringen. Das schien Adam sprachlos gemacht zu haben. Etwa zwei Sekunden lang. "Ich schicke den Rolls für Sie. Nell wird den Tag und die Zeit mit Ihnen ausmachen." Den Rolls. Er würde "den Rolls" für sie schicken. Bislang hatte Katie Busfahrkarten, Taxigelder und sogar ein Mal ein Flugticket bekommen. Aber niemand hatte ihr jemals gesagt: Ich schicke den Rolls für Sie. "Den Rolls?" wiederholte sie. "Der Chauffeur ist Benson. Er bringt Sie überall hin, wo Sie hin möchten. Natürlich, solange es sich in Grenzen hält." Ein Rolls-Royce mit Chauffeur. Benson war sein Name. Wo immer sie hin wollte. Solange es sich in Grenzen hielt. Natürlich. Wie oft wurde einem Menschen ein solches Abenteuer angeboten? "Nun“, erwiderte Katie zögernd. "Ich bin bereit." "Gut. Ich sage Nell, dass Sie anrufen werden." Katie seufzte. Ihr war recht mulmig zu Mute. „Ja, und ... danke für den Anruf. Auf Wiedersehen." "Ms. Canton?" "Ja?" "Sie brauchen meine Büronummer. "Oh ... richtig. " Er gab ihr die Nummer mit kühler, sachlicher Stimme durch. "Haben Sie's notiert?" „Ja, hab ich", antwortete sie. "Rufen Sie am Montag Nell an." "Nell." Katie schrieb den Namen in die Luft. "Geht in Ordnung." "Gut. Nell wird alles Nähere mit Ihnen besprechen, das Datum, die Zeit, die Gästeliste." Er hielt inne. Kate war sicher, dass er seinen Irrtum erkannt hätte. "Haben Sie es sich anders überlegt?" fragte sie munter. "Nein. Ich habe mir nur überlegt, ob ich mich nicht mit Ihnen treffen sollte."
"Ich kenne ein großartiges kleines Restaurant mitten in der Innenstadt. ,The Torrid Tomato'." Katie musste lächeln, als sie sich ein Treffen mit Adam dort ausmalte. Das Gesicht, das er machen würde! "Nein, das wird nicht nötig sein", wehrte er hastig ab. "Ich bin sicher, Sie schaffen es allein, auch ohne meine Hilfe." Sie musste diesem Unsinn ein Ende setzen. Jetzt! "Mr. Braddock", begann sie sehr ernst - und wurde sofort unterbrochen. "Adam", verbesserte er. "Und ich werde sie Kate nennen. Es war doch Kate, nicht wahr?" "Ich habe Katie lieber. Und wir sollten bei Mr. Braddock und Ms. Canton bleiben. Das ist geschäftsmäßiger. " Sie konnte förmlich seine gerunzelte Stirn sehen. Adam Braddock war es gewohnt, dass alles nach seinem Willen ging. "Wie Sie wünschen, Ms. Canton. Ich sage also Nell Bescheid, dass sie mit Ihrem Anruf am Montagmorgen rechnen kann." Katies Sinn für das Verrückte setzte sich durch. Und sie ließ es zu, dass ihr breites Lächeln in der Stimme mitklang, als sie humorvoll sagte: "Klar, Mr. Braddock. Und, wirklich, danke vielmals für Ihren Anruf. Ihr Auftrag ist der beste, den ich seit Monaten bekommen habe." Als sie das Klicken am anderen Ende der Leitung vernahm, war sie sicher, dass es das Letzte war, was sie von Adam Braddock gehört hatte.
2. KAPITEL Ihr Handy meldete sich gerade in dem Augenblick, als Katie aus der Tür des Friseursalons trat. Sie hatte ihren Pony kürzer schneiden lassen, weil er anfing, ihr in die Augen zu hängen. Es war ein schöner Tag, und Providence war eine hübsche Stadt. Doch in zwei Wochen würde sie auf dem Weg zu einem anderen Ort sein, zu einem neuen Abenteuer in ihrem Leben. Sie mochte den Wechsel des Schauplatzes. Sie war die einzige Überlebende in ihrer Familie, und das Herumwandern hielt sie von traurigen Gedanken ab. Das Handy meldete sich erneut, und Katie holte es aus ihrer Tasche. Wahrscheinlich war es Caroline, die ihr einen Job in Baton Rouge vermitteln wollte. "Hallo?" "Ms. Canton?" Ganz sicher war es nicht Caroline. Der Tonfall war zu abgehackt. "Ja?" "Mein Name ist Nell Russel. Ich arbeite für Adam Braddock vom BraddockKonzern. Mr. Braddock hat mich gebeten, Sie anzurufen und eine Zeit auszumachen für Ihren Besuch in Braddock Hall. Er erwähnte den Freitag dieser Woche." Es faszinierte Katie, wie die Stimme dieser Nell jedes Mal, wenn sie "Braddock" sagte, vor Wichtigkeit vibrierte. Und sie hatte es in dieser kurzen Einleitung sehr oft gesagt. "Eigentlich hat er gesagt ..." "Mr. Braddock hat mir aufgetragen, nicht länger als bis halb zehn heute Morgen zu warten. Wenn Sie bis dahin nicht angerufen haben, könnte ich Sie unter dieser Nummer erreichen. Wir müssen einen Zeitpunkt vereinbaren, an dem Benson Sie nach Sea Change bringt. Ich weiß, dass es bereits zehn ist, aber ich wollte Sie noch rechtzeitig abfangen, bevor Sie Ihr Büro für Ihre Mittagspause verlassen." Katie blickte auf den Verkehr, der vorbeibrummte, auf die Milchbar an der Ecke, die Bank auf der gegenüberliegenden Straßenseite und wollte bereits erwidern, dass sie kein Büro habe und auch keins brauche. "Ich kann natürlich auch nach dem Lunch anrufen, wenn es Ihnen besser passt", fuhr Nell Russell höflich fort. "Aber Mr. Braddock war sehr genau in seinen Anweisungen. Es ist wichtig, dass wir noch in dieser Woche eine Zeit festlegen für Ihre Fahrt nach Braddock Hall. Mr. Braddock hat bereits Benson beauftragt ..." Katie fiel ihr spontan ins Wort. "Ich fürchte, das alles ist ein Irrtum. Mr. Braddock hat nämlich die falsche..." „Ich verstehe das vollkommen", unterbrach Nell und bewies damit, dass sie überhaupt nicht hingehört hatte. "Ich weiß, dass Sie sehr viel zu tun haben, Ms. Canton, und ich will mich kurz fassen. Sollten Sie bereits Termine haben, die
Sie nur schlecht absagen können, so tue ich das gern für Sie. Mr. Braddock hätte ganz sicher nichts dagegen. Wären Sie also morgen für die Fahrt bereit? Oder doch lieber übermorgen?" Katie stellte sich an den Rand des Gehwegs, um den Verkehrsfluss der Fußgänger nicht aufzuhalten, und drückte ihr Handy noch dichter an ihr Ohr. Den Irrtum aufzuklären war unmöglich, da Nell Russel sich kaum Zeit zum Luftholen nahm. "Donnerstag würde es ebenso gut passen wie morgen. Freitag wäre schon spät in der Woche, und der Verkehr ist am Freitag immer schrecklich. Und da Mr. Bryce Braddock und Mr. Peter Braddock sich bereits für das Wochenende nach Braddock Hall auf den Weg gemacht haben, würde es sich nur für alle Betreffenden störend auswirken. Mitte der Woche wäre deshalb besser. Doch wenn der Donnerstag der einzige Tag ist, den Sie sich für Ihren Besuch auf Braddock Hall einrichten können, dann kommen wir Ihnen natürlich entgegen." Nell Russell machte eine Pause, und Katie erschien dieses ganze Durcheinander um die Braddock-Familie so komisch, dass sie am liebsten gelacht hätte. Schon wollte sie Nells Atempause ausnutzen, um sie aufzuklären, wer sie wirklich war, doch auch dieses Mal kam sie nicht zum Zuge. "Ginge es vielleicht heute?" fragte Nell, und ehe Katie darauf antworten konnte, rief sie: "Warten Sie, bitte!" Sie sollte jetzt wirklich einhängen. Adam Braddock hatte offensichtlich seiner Sekretärin aufgetragen, Katie so lange zu belagern, bis sie Ja sagte. Warum beendete sie das Gespräch also nicht einfach? Heute war ihr freier Tag, und sie war noch nie in Sea Change gewesen, ja sie hatte bis zu Adams Anruf noch nie zuvor von diesem Ort gehört. Sie war auch noch nie eingeladen worden, ein Haus von Bedeutung zu besichtigen. Es könnte Spaß bringen. Auch die Fahrt im Rolls. Die Versuchung war groß. "Ms. Canton?" Nell war zurück. "Sind Sie momentan in der Innenstadt?“ Das konnte Katie wegen des Verkehrslärms um sie herum schlecht leugnen. „Ja, aber..." "Wunderbar. Wenn Sie mir einen Treffpunkt angeben, wird Benson Sie innerhalb der nächsten fünf Minuten abholen und Sie heute Abend wieder zurückbringen. Ich bin so froh, dass es klappt. Mr. Braddock wäre sehr ärgerlich, wenn wir uns nicht geeinigt hätten." Katies Gewissen regte sich. Was war sie im Begriff zu tun? Eindeutig eine vorsätzliche Täuschung - allerdings nur in gewissem Sinne. Sie hatte niemanden irregeführt. Sie könnte immer noch Benson die Benzinkosten erstatten. Sonst würde sie ja keinen Schaden anrichten. Und ganz sicher würde sie es bedauern, wenn sie die Chance nicht ergriff. Seit sie erwachsen war, hatte sie versucht, so zu leben, dass es am Ende eines jeden Tages nur so wenig wie möglich zu bedauern gab. "Also sagte sie zu Nell Russell. "Benson kann mich an der Ecke von, sie blickte auf das Straßenschild, "Weybosset und Orange abholen."
Während Katie auf den Chauffeur wartete, konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Vorfreude erfasste sie. Und plötzlich taten ihr die Fußgänger Leid, die an ihr vorbeiströmten, weil sie nicht an der Ecke von Weybosset und Orange standen und auf einen Rolls-Royce warteten, der jeden Augenblick eintreffen würde, um sie - Katie - abzuholen. Das war's mit meinem Spaß, dachte Katie, als sie in den silbergrauen RollsRoyce stieg und sich Adam Braddock gegenüber fand. Warum zum Teufel war er hier? Und was sollte sie ihm zur Antwort geben, wenn er von ihr wissen wollte, was eine Kellnerin in seinem Rolls-Royce zu suchen habe? "Ms. Canton? Ich bin Adam Braddock", sagte er, blickte flüchtig von dem Laptop auf seinem Schoß hoch und reichte ihr die Hand. "Sehr freundlich, dass Sie kommen konnten." "Hallo", sagte sie kleinlaut. Es war klar, dass er sie nicht erkannt hatte. Noch nicht. Die Autotür schloss sich hinter ihr mit einem gedämpften Peng, und es war zu spät, um zu entwischen. Also ließ Katie sich auf den weichen Ledersitz nieder und überließ ihre verängstigten Finger Adams festem Händedruck. "Netter Wagen." Adam lächelte nachsichtig, ohne vom Computer hochzusehen. "Ich bin froh, dass Sie die Fahrt nach Braddock Hall so kurzfristig möglich machen konnten." „I ... ich ... ich habe Sie nicht erwartet." "Ich hab mich auch ganz kurz entschlossen." Er blickte mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm und tippte dann etwas ein. Katie rutschte nervös auf ihrem Sitz hin und her und wünschte sich, dass Adam sie erkannte und die Sache endlich hinter sich gebracht wurde. Würde es ihr gelingen, aus dieser Situation mit Anstand herauszukommen? "Mr. Braddock", begann sie und wollte kurzen Prozess machen. "Ja?" fragte er, nahm das Telefon auf, das neben ihm in der Türkonsole steckte, und drückte eine Nummer ein. "Lara", erklärte er brüsk, "die Aktien kommen in Bewegung. Hat Wallace sich gemeldet?" Er hörte konzentriert zu. Er war ein Mann, der sich selbst und alles um sich herum unter Kontrolle hatte. Alles an ihm war perfekt - künstlich perfekt, wie Katie im Stillen hinzusetzte. Aber sie spürte heraus, dass er unter der makellosen Oberfläche ein unglücklicher junger Mann war. Sein dunkles Haar war zweifellos von einem Meisterfriseur geschnitten, nicht zu lang, nicht zu kurz, keine vorwitzige Haarsträhne, die sich selbstständig machte. Exakt. Penibel. So war auch seine Kleidung. Dunkelgrauer Anzug, blütenweißes Hemd, weiß dunkelblau gestreifte Krawatte, kunstvoll zu einem Windsorknoten gebunden. Dieser Knoten bewies, dass Adam Braddock auch dem Detail seine größte Aufmerksamkeit zuwendete. Sein Profil - mehr hatte Katie von seinem Gesicht nicht gesehen, seit sie in den Wagen gestiegen war - musste als klassisch bezeichnet werden. Alles an ihm war stimmig. Nichts fiel aus der Rolle. Im Restaurant hatte Katie ihn attraktiv gefunden, aber hier, in seiner persönlichen Umgebung, fand sie ihn
außergewöhnlich gut aussehend. Er sah sogar noch besser aus als der Rolls, fand sie, was eine ganze Menge zu bedeuten hatte. Katie lehnte sich auf ihrem Fondsitz aus weichem Leder bequem zurück, betrachtete den schweigsamen Adam Braddock von der Seite und wunderte sich über seine Fähigkeit, sich so intensiv auf eine Sache zu konzentrieren. Wie würde es sein, wenn ein Mann wie er sich mit der gleichen Intensität auf sie einstellte? Was müsste man tun, um sein Interesse auf sich zu lenken? Nun, sobald er herausfand, dass sie eine Kellnerin bei "The Torrid Tomato" war und nicht die Veranstaltungsplanerin, die er ungesehen für ein unverschämt hohes Honorar engagiert hatte, würde sie es ja herausfinden. Wieder hatte er den Hörer am Ohr. "Gute Arbeit, Lara. Vergessen Sie nicht, dass ich für den Rest der Woche nicht verfügbar bin. Auch nicht für Wallace. Mal sehen, ob er es durchsteht." Er beendete das Gespräch ohne ein weiteres Wort. Offensichtlich war bei Lara ein Auf Wiedersehen nicht nötig. Oder er war so vertieft in das, was sein kleiner Computer meldete, dass er nicht einmal merkte, wie unhöflich er gewesen war. Dass er sich an sie nicht mehr zu erinnern schien, ergab jetzt einen Sinn. Menschen waren Luft für ihn. Er nahm sie nur wahr, wenn er sie auf irgendeine Weise brauchte. Katie blickte aus dem Seitenfenster. Die leicht rauchgrau getönte Scheibe schirmte sie von der Welt draußen ab, ließ den Himmel und alles, was darunter war, gedämpft und blass erscheinen. Katie fühlte sich wie von einer weichen Hülle umschlossen, die sie friedlich, heiter und gelassen machte. Sie warf verstohlen einen ausgiebigen Seitenblick auf den Bildschirm des Laptops, um zu sehen, ob sie etwas erkennen könnte. Es war nicht viel. Sehr langsam beugte sie sich hinüber, bis sie einen Winkel von etwa 45 Grad erreicht hatte. Aus dieser Stellung konnte sie die Zeichen auf dem Computer ausmachen. Zahlen. Eine ganze Menge Zahlen ... "Sind Sie am Aktienmarkt interessiert, Ms. Canton?" Katie versuchte, sich mit so viel Anmut wie möglich wieder aufzusetzen. "Ist das nicht jeder heutzutage? Und Sie können mich Katie nennen." Er hob die Brauen und blickte sie belustigt an, aber nur kurz. "Ich dachte, unsere Beziehung sei streng geschäftsmäßig", bemerkte er. "Oh, das ist sie." Katie verzog die Lippen zu einem - wie sie hoffte geheimnisvollen Lächeln, was er aber gar nicht bemerkte. "Aber da wir hier nebeneinander sitzen und vermutlich zu einem Gespräch kommen werden, wäre es leichter, auf förmliche Anreden zu verzichten." "Hm." Er sah sie jetzt aufmerksam an. Sein Blick verweilte auf ihrem - dank des neuen Haarschnitts und eines neuen Shampoos - glänzenden Haar. Und mit einem flauen Gefühl im Magen erwartete Katie, dass er sie aus dem Rolls hinauswerfen würde. Er zog jedoch nur kurz die Brauen zusammen und konzentrierte sich gleich wieder auf die Zahlen auf dem Bildschirrn. "Haben Sie sich mit dem Geburtstag meines Großvaters bereits befasst, Katie?"
Wenn er sie tatsächlich erkannt haben sollte, so war das mit dem neuesten Dow-Jones-Index belanglos geworden. Allmählich schien es Katie, dass sie sich keine Gedanken zu machen brauchte, wie sie mit Würde aus der peinlichen Situation herauskam, sondern wie sie ihn dazu bringen könnte, dass er sie überhaupt zur Kenntnis nahm. "Eigentlich habe ich vorgehabt, ihm einen Schlips zu schenken. Woran haben Sie gedacht?" Das leichte Zucken um seine Lippen zeigte ihr, dass Adam nicht ganz so humorlos war, wie sie gedacht hatte. "Ich habe mehr an praktische Dinge gedacht. Eine kleine Produktionsfirma- zum Beispiel." "Das würde eine Menge Geschenkpapier erfordern." "Wie gut, dass ich Aktien bei Hallmark, dem Unternehmen für Geschenkartikel, besitze." Er tippte etwas in den Computer ein. "Natürlich meinte ich mit meiner Frage, welche Pläne Sie für die Veranstaltung gemacht haben." "Ich will nur das Haus sehen", erwiderte sie aufrichtig. "Mit der Party habe ich mich mit keinem einzigen Gedanken beschäftigt." Sein finsterer Blick mochte ihr gelten. Vielleicht aber auch nicht. "Das ist lobenswert", bemerkte er knapp. "Wirklich?" Sein Blick blieb auf den Bildschirm gerichtet, als er erklärte: "Sie haben ihre kreativen Fantasien nicht unnütz mit Pläneschmieden vergeudet, die leicht durch Logistik ersetzt werden können." "Nun ja", entgegnete Katie schlagfertig, "vergeudet habe ich meine Fantasien nicht. Aber wer will schon ersetzt werden?" Sie wurde durch einen verdutzten Seitenblick belohnt und lächelte in sich hinein. Adam sah ihr wieder prüfend ins Gesicht, was sie ziemlich nervös machte. "Kein Grund, sich Sorgen zu machen, Katie. Ich werde Ihnen nicht in die Quere kommen", sagte er schließlich. Diese Worte und sein freundliches Lächeln machten Katie regelrecht froh. Also war es doch nicht so abwegig gewesen, sich auf dieses Abenteuer einzulassen. "Sie sind leichter zufrieden zu stellen, als ich erwartet habe. Wenn ich nun etwas falsch mache?" "Den Mitarbeitern Vertrauen entgegenzubringen ist für jemanden in einer leitenden Position der einzige Weg, ein freundliches Arbeitsklima zu schaffen. Ich habe weder die Zeit noch die Muße, mich um eine Party zu kümmern. Sie haben völlig freie Hand in der Planung und der Ausführung, solange Sie die Party so gestalten, dass mein Großvater Spaß daran hat." "Oh, gut. Also sind Bauchtänzerinnen erlaubt." Darauf lächelte Adam nachsichtig. "Großvater wird neunundsiebzig, und er erfreut sich bester Gesundheit, doch wir sollten es nicht übertreiben."
"Verstanden", meinte Katie. "Spaß soll er haben, nur konservativ muss der Spaß sein. Tanzen ist in, Bauch ist out: Noch welche Beschränkungen bei der freien Hand, die Sie mir gewähren?" "Nur, dass Sie den guten Geschmack nicht strapazieren." "Oh, das ist natürlich eine Bedingung, die es nötig macht, dass Sie jemand anderen für den Job finden." In seinen Augen blitzte es belustigt auf. "Sie haben Sinn für Humor, Katie, und ich vertraue Ihrer Urteilskraft. Ich vertraue auch Ihrer Intelligenz, die Ihnen klarmacht, dass nur wenige Worte von mir genügen, um dem Ruf Ihres Unternehmens mehr Glanz zu verleihen. Oder ihn zu ruinieren. Es ist wirklich in Ihrem besten Interesse, dafür zu sorgen, dass die Party ohne unliebsame Vorfälle abläuft." "Wie der Bauchtanz, der zum Flop werden würde", ergänzte Katie und fragte sich, wie ein eigentlich ganz netter Mann zu so viel Arroganz kam. "Ich denke, Mr. Braddock, Sie können beruhigt sein, dass ich ..." "Adam", verbesserte er zerstreut und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder ganz dem Laptop zu. "Adam", wiederholte Katie brav. "Sie können beruhigt sein, dass ich keine Absicht habe ...“ Das Telefon klingelte erneut, und Adam hatte es im Nu an seinem Ohr. In weniger als einer Sekunde war Katie vergessen. „Ja, ich verstehe", sagte er und starrte gespannt auf den Bildschirm. "Er ist ein Dummkopf, wenn er es noch länger hinauszögert. Er verliert Alles. Ich habe keine Ahnung, was er damit erreichen will. Verbinde mich mit Allen." Katie hörte zu, was bei dem einseitigen Gespräch gesagt wurde. So viel verstand sie, dass es sich um Verträge handelte und dass der Braddock-Konzern einen Fabrikationsbetrieb aufkaufen wollte, dessen Eigentümer noch zögerte und nun mächtig unter Druck gesetzt werden sollte. "Er kann es sich nicht leisten, so halsstarrig zu sein. Was denkt er sich eigentlich?" Adam bellte die Worte förmlich in das Telefon. "Wallace kann nicht erwarten, dass wir ihm ein besseres Angebot machen." "Er sorgt sich um seine Angestellten", sagte Katie und war sich erst, als es heraus war, bewusst, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. "Was haben Sie da gesagt?" Bei Adams scharfem Ton fuhr Katie zusammen. "Nein, Allen", berichtigte er. "Ich habe Katie gefragt, die Veranstaltungsplanerin." Auf einmal hatte Katie Adams volle Aufmerksamkeit. "Was haben Sie gerade gesagt?" "Wer? Ich?" Und als Adam nickte, wiederholte sie zögernd: "Er sorgt sich um seine Angestellten." Adam überlegte mit gerunzelter Stirn und blickte sie dabei prüfend an. Seine Konzentration war auf sie gerichtet und doch auch wieder nicht. "Gib mir Lara", forderte er dann. Kurz darauf erteilte er Anweisungen. "Sorgen Sie dafür, dass die Angestellten gut dabei wegkommen", ordnete er an. "Stellengarantien, Abfindungen für die, die entlassen werden, wenn nötig auch andere
Entgegenkommen, die Wallace und sein Team wieder an den Verhandlungstisch bringen. Ich will, dass das umgehend ausgeführt wird." Wenn Lara mehr als ihren prompten Gehorsam geäußert haben sollte, so hätte sie sich den Atem sparen können, weil Adam das Telefon wieder zurück in die Türkonsole gesteckt hatte, bevor das letzte Wort aus seinem Mund heraus war. "Wie haben Sie das gewusst?" fragte er. Katie streckte das Kinn vor, entschlossen, sich von seiner brüsken Art nicht einschüchtern zu lassen. "Mir blieb ja nichts anderes übrig, als ihrer Unterhaltung zuzuhören." Adam starrte vor sich hin. "Ich kann es nicht glauben, dass wir zwei Wochen damit verbracht haben, uns die Köpfe heiß zu reden und doch nicht zum Ziel zu kommen, und aus heiterem Himmel treffen Sie mit Ihrer Bemerkung den Kernpunkt der Sache. " "Es war nur ein Gedanke", bemerkte Katie verlegen und fühlte sich gar nicht geschmeichelt bei dem ungläubigen Klang seiner Stimme. "Ich kann mich ja irren." "Wenn Sie sich irren, dann steht der Braddock-Konzern kurz davor, eine beträchtliche Investition von Zeit und Geld zu verlieren. Na klar. Wer's glaubt, wird selig. Als ob Adam irgendein Risiko eingegangen wäre, das sich allein auf ihre Meinung stützte "Sollte sich herausstellen, dass ich Recht gehabt habe, schulden Sie mir ein Abendessen mit Vorspeise und Dessert und allem, was dazu gehört." Mit schräg gelegtem Kopf betrachtete er Katie eine ganze Weile, während seine Lippen sich langsam zu einem umwerfenden Lächeln verzogen. "Laden Sie mich zum Essen ein?" Wow! "Flirten Sie nicht mit mir, Adam. Sie zerstören nur das Bild, das ich mir von Ihnen mache." "Sie denken, dass ich einer Frau nicht erlauben würde, mich zum Essen auszuführen?" "Natürlich würden Sie es nicht erlauben. Sie sind ein Mann, der Frauen sagt, wie sie sich Ihnen gegenüber zu verhalten haben. " Sein Lachen war sogar netter als sein Lächeln. "Sie haben eine lebhafte Fantasie, was nur ein Gewinn sein kann für die Arbeit, die Sie tun werden." „Ja, Fantasie habe ich", bestätigte Katie und wurde immer zuversichtlicher, dass sie den Heimweg nicht per Anhalter zurücklegen müsste.
3. KAPITEL
Fantasie war Katies Stärke. Sie hatte viel Fantasie nötig gehabt während der Zeit des Heranwachsens in einem Haus, in dem man Kinder für nichtsnutzig hielt und sie auch so behandelte. Ihre Großeltern waren herzensgut gewesen, aber wenn sie Freude und Glück in ihrem Leben gekannt hatten, dann war beides für sie mit Katies Vater gestorben. Für Katie war nichts davon übrig geblieben. Sie fristete ihr Dasein bei ihnen, hatte gerade genug zu essen, dass sie nicht hungrig sein musste, gerade genug anzuziehen, dass sie nicht abgerissen herumlaufen musste, und ein Dach über dem Kopf, so dass sie dem launischen Wetter nicht ausgesetzt war. Jegliche Freude, die sie in ihrer Kinder- und Jugendzeit erlebt hatte, verdankte sie ihrer Fantasie. Sie hatte sich ihre eigene Welt geschaffen, die ihr Freude brachte. Die triste Wirklichkeit wurde für sie auf diese Weise bedeutungslos. Dass ihre Fantasie jemals von der Wirklichkeit übertroffen werden könnte, hatte Katie sich nicht erträumen können. Braddock Hall übertraf jedoch alles, was sie sich hätte vorstellen können. Vom ersten Blick, den sie durch die rauchgraue Scheibe des Wagenfensters auf das Haus geworfen hatte, bis zu dem Moment, als Adam sie in der Eingangshalle, die groß genug war, ein Orchester zu fassen, zurückgelassen hatte, stand Katie sprachlos da. Sie hatte bereits Fotos von Besitztümern in New England gesehen, diese riesigen Wohnsitze, die man zu Recht die Schlösser von Amerika nannte. Während der wenigen Monate, die sie auf Long Island gelebt hatte, konnte sie von dem einen oder anderen dieser Herrenhäuser aus der Entfernung einen Blick erhaschen. Aus der Nähe hatte sie bis jetzt noch keins gesehen. Und nun befand sie sich auf einer gemächlichen Besichtigungstour, völlig allein gelassen und ohne Aufsicht. Und sie konnte sich damit so viel Zeit lassen, wie sie wollte. Eigentlich wäre eine Führung auf ihrem Streifzug nett gewesen. Aber Adam hatte ihr im Beisein eines Butlers mit Namen Abbott mitgeteilt, dass er dringende geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen habe, und sie könne das Haus mitsamt dem Park gern durchstreifen. Wenn sie dann soweit sei, in die Stadt zurückzukehren, solle sie Abbott informieren, der es dann an Benson weitergeben würde. Benson werde sie nach Providence zurückfahren. Mit einem knappen Kopfnicken hatte Adam sie verlassen. Und noch während er davonging, hatte er diverse Fragen an Abbott gestellt und sein Handy eingeschaltet, alles zur gleichen Zeit. Seine Aufmerksamkeit war wieder auf Wallace und den problematischen Aufkauf gelenkt, so dass er blind gegen ihr bezauberndes Lächeln gewesen war. Der Butler war dann hinter einer schweren Holztür verschwunden, noch bevor sie einen von beiden nach der Damentoilette hätte fragen können.
Braddock Hall war eine Enklave für Männer. Katie wusste zwar nichts Genaues über die Familie, aber gehört hatte sie das eine oder andere. Adams Großvater sowie Adam mit noch zwei jüngeren Brüdern, Bryce und Peter, wohnten - wenn auch nicht ständig - auf Braddock Hall. Der Vater der drei Brüder, James, kam ab und zu auf Besuch, blieb jedoch nie länger als zwei, allenfalls drei Tage. Meistens brachte er die mit ihm derzeitig verlobte oder ihm angetraute Frau, die angeblich so regelmäßig wechselte wie die Jahreszeiten, mit. Sonst war die Familie sehr auf ihre Privatsphäre bedacht und lebte zurückgezogen. Das Haus atmete Geschichte, die Macht der Familie war deutlich zu spüren. Dass aber auch ein ordentliches Familienleben hier vor sich ging, konnte Katie an den liebevoll eingerahmten Fotos sehen, die fast in jedem Raum standen und lachende Gesichter von Kindern und Heranwachsenden zeigten sowie offensichtlich auch von deren Großeltern. Das sanfte Gesicht der alten Dame auf einem der Fotos berührte Katie ganz besonders, und sie nahm das Bild in die Hand, um es zu betrachten. Dann ging sie zu einer offen stehenden Doppeltür, die in einen riesigen Park mit wunderschön angelegten Gärten führte. Katie trat hinaus und atmete tief die nach Blumen duftende Luft ein. Hier würde sie sich gern zur Ruhe setzen. Vielleicht konnte Braddock Hall ja eine Art Empfangsdame gebrauchen. Aber Vorsicht! Adam würde sie dann nach ihrem Werdegang fragen, und sie würde ihm erklären müssen, dass sie keine professionelle Partyorganisatorin sei. Dass sie es niemals gewesen war, Und von da an ... Nun, die Dinge würden kein gutes Ende nehmen. Ein leises melodisches Pfeifen von" Baby, Let Your Hair Hang Down" tönte aus einem Gewächshaus, das hinter Sträuchern versteckt lag. Katie ging darauf zu und sah hinter dem Glas einen älteren Mann in einem hellblauen Overall Topferde mischen. Offensichtlich machte ihm die Arbeit Spaß. „Hallo", grüßte sie gedämpft, weil sie ihn nicht erschrecken wollte. Er sah hoch und musterte sie. Dann wischte er sich die Hände am Overall ab. "Hallo", erwiderte er. "Und wer sind Sie?" "Oh", antwortete sie munter. "Ich bin eine Pseudopartyorganisatorin, die angewiesen wurde, einen Gang durch Haus und Gelände zu machen. Und genau das tue ich jetzt." "Wer hat Sie angewiesen?" "Adam." Sie bewunderte die Blüte einer exotischen Pflanze und wunderte sich, dass sie so weit von ihrem Standort gedeihen konnte. "Ist das eine Plumeria?" Er nickte. "Zart, aber bemüht, mich mit den Blüten zu erfreuen. Sie sagten, Adam habe Sie angewiesen, sich hier umzusehen, habe ich richtig gehört?" „Ja. Adam Braddock. Der Eigentümer" Sie zuckte die Schultern. "Oder einer von denen. Kennen Sie ihn?" Der alte Mann lächelte. "Oh ja, ich kenne ihn."
"Nun, natürlich. Ich meinte aber, ob Sie ihn wirklich kennen und nicht nur so. Ich kann mir vorstellen, dass er seinen Angestellten ganz schön die Kandare anlegt." Katie mochte sein Lachen. Ganz sicher hatte es mit dem gereiften Alter dieses Mannes zu tun. "Ich würde nicht so weit gehen, um das zu behaupten." "Er glaubt, dass ich eine Veranstaltungsplanerin bin", vertraute sie ihm an. "Er wollte es mir nicht abnehmen, als ich ihm sagte, dass er die falsche Telefonnummer gewählt habe. Er bestand darauf, dass es die richtige Nummer sei. Also, hier bin ich, durchstreife den Besitz, ganz so, wie er es haben will." "Er ist ein sehr in Anspruch genommener Mann, und er hört nicht immer zu, das stimmt." Der alte Mann griff nach einem Gehstock neben der weit geöffneten Tür und verließ, darauf gestützt, das Gewächshaus. "Er hat also Ihre Nummer versehentlich gewählt, und deshalb sind Sie hier gelandet?" Katie fühlte sich ein wenig verlegen, weil sie Dinge ausgeplaudert hatte, die sie vermutlich hätte für sich behalten sollen. Aber sie hatte schon immer das Talent gehabt, einen Gleichgesinnten auf Anhieb zu erkennen. "Eigentlich glaubt er, dass eine gemeinsame Freundin ihm die Nummer gegeben habe. Vielleicht hat sie es auch. Aber es muss versehentlich passiert sein und nicht absichtlich. Ich meine, niemand, der mich kennt, würde jemals den Fehler begehen, mich für eine Organisatorin zu halten." Sein Lächeln wurde breit. "Diese gemeinsame Freundin dürfte ich ihren Namen wissen?" Eigentlich war es seltsam, dass er danach fragte. Aber dann wiederum, gab es keinen Grund, ihm den Namen nicht zu nennen. " Ilsa Fairchild. " "Ilsa", wiederholte er, und seine Stimme klang weich. "Dann müssen Sie ...?“ "Katie", fiel sie ihm ins Wort und streckte ihm die Hand hin. "Ich bin Katie Canton." "Katie", wiederholte er, so als ob ihr Name ihn irgendwie erfreute. Er stützte sein Gewicht auf den Gehstock. "Archer Braddock", stellte er sich vor und ergriff ihre ausgestreckte Hand. Katie ließ seine Hand erschrocken los. "B ... Braddock? Sie gehören zu ...?“ "Der Familie. Ich hoffe, dass Sie es mir nicht übel nehmen." Seine Augen funkelten vergnügt über ihr betretenes Gesicht. "Zufällig bin ich der beste Zuhörer von dem ganzen Haufen. Obwohl ich ganz schön taub sein kann, wenn es mir passt. " Katie musste lachen trotz ihrer Verlegenheit. "Es tut mir Leid, dass ich..." "Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Sie haben nichts gesagt, was ich nicht selbst sagen würde. Meine Enkelsöhne hören mir auch nicht zu, falls es Sie tröstet. Und Adam ist der schlimmste von ihnen. Er hört nie zu, wenn er es sollte." Er begann, in Richtung Tür zu gehen. "Also, Katie, reden wir jetzt über Sie. Als Erstes müssen Sie mir zusagen, dass Sie zum Abendessen hier bleiben." "Oh, ich glaube nicht, dass meine Einladung bis dahin gültig sein wird." Sie passte sich seinem langsamen Schritt an. "Ich soll Abbott Bescheid geben, damit
er Benson Bescheid geben kann, wenn ich soweit bin, nach Providence zurückzukehren." "Ganz sicher hat mein Enkel Ihnen Lunch angeboten?" "Nein", antwortete Katie. "Ganz sicher hat er nicht mal daran gedacht, dass ich hungrig sein könnte. Er ist ein wirklich beschäftigter Mann." Archer Braddock schüttelte den Kopf. "Ich mache mir Sorgen um den Jungen. Sie kommen jetzt mit mir, und wir beide essen erst mal einen Bissen zu Mittag. Dann kann Adam Sie am Abend, wenn Sie beide zurück in Providence sind, zum Dinner ausführen. "Das wird er wohl kaum tun", entgegnete Katie, und Archer Braddock ließ es erst mal dabei bleiben. "Es ist ein so schöner Tag. Wie wär's, wenn wir das Essen auf der Terrasse einnehmen?" "Mit Blick auf diese wunderschönen Gärten? Das möchte ich lieber als alles andere." Adam hörte das Lachen bis in sein Arbeitszimmer. Und einen Moment lang wurde er von seiner Unterhaltung mit Lara abgelenkt. Das Lachen und das hartnäckige Gefühl eines leeren Magens trieb ihn schließlich hinaus auf die Terrasse, wo sein Großvater und Katie gelöst und glücklich am Tisch bei einem gemütlichen Lunch saßen. "Wie ich sehe, habt Ihr euch kennen gelernt", stellte er fest und zog für sich einen Stuhl zurecht. Die Blumen sehen besonders hübsch in diesem Jahr aus, dachte er, während er sich setzte. Katie sah auch besonders hübsch aus. Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihre Augen funkelten, und sie lächelte entspannt, so als ob sie sich wirklich amüsierte. Adam hatte wieder dieses Deja-vu-Erlebnis - dieses Gefühl, ihr schon einmal begegnet zu sein. Doch er konnte es nicht unterbringen, wo er Katie gesehen haben könnte, und es entglitt ihm. "Haben Sie die Pläne für die Party ausgearbeitet?" "Wir haben über Shakespeare gesprochen", antwortete Archer stattdessen. "Die Party wurde nicht mal erwähnt", teilte Katie ihm freudestrahlend mit. "Außer ganz zu Anfang, Katie", berichtigte Archer sie munter, so als ob sie dicke Freunde wären. "Als Sie mir erklärten, warum Sie allein in meinem Garten herumwanderten." "Das stimmt. Außer ganz zu Anfang." Sie lächelte Archer an, und er lächelte zurück, als ob sie ein wunderbares Geheimnis miteinander teilten. Dann wandte sie sich Adam zu, doch wie ihm schien, nur ungern. "Haben Sie die Firma bekommen?" Er runzelte die Stirn. "Firma? Oh, Sie meinen das Wallace Unternehmen? Noch nicht. Die Verhandlungen ziehen sich immer noch hin. Die Dinge sehen allerdings nicht mehr so trostlos aus, wie sie noch heute Morgen wirkten, dank Ihres Vorschlags. "
"Sie haben einen Vorschlag gemacht?" fragte Archer interessiert, als ob Katie etwas sehr Mutiges getan hätte. "Meinem Enkel?" Katie zuckte die Schultern. "Es war nur ein Gedanke." Archer blickte Adam erstaunt an, obwohl er die Frage an Katie richtete. "Und er hat Ihren Vorschlag angenommen?" Adam musste seine Ungeduld zähmen. Er hatte nichts dagegen, Katie den Verdienst anzurechnen, dass sie das Problem sofort erkannt hatte. Aber dass sein Großvater jetzt so tat, als ob ihre Idee etwas absolut Einmaliges wäre, fand er nun doch übertrieben. "Katie hat ein Gespräch mitgehört, das ich mit Lara geführt habe, und hat darauf hingewiesen, dass Wallace um seine Angestellten besorgt sein könnte. Die Idee schien mir plausibel. Wie du weißt, ist es ein Familienunternehmen. Wir hatten natürlich bereits einige Maßnahmen für die Übergangszeit vorgesehen, doch Entschädigungen für seine Angestellten haben wir bei der ersten Verhandlung nicht angesprochen." "Und du hast vor, die Angestellten abzufinden? Macht das den Aufkauf dann nicht unerschwinglich?" "Auf lange Sicht kostet uns das weniger, da wir hoffen, dass die Angestellten vom mittleren Management abwärts bleiben." Archer nickte beifällig. "Also hat diese kleine Lady dir die Rettung gebracht." Adam konnte das nicht so stehen lassen. "Sie hat bei dieser Sache einen guten Einfall gehabt", verbesserte er und hörte sich schrecklich steif und selbstgefällig an. „Es bleibt abzuwarten, ob für Wallace das Problem damit gelöst ist." "Ein guter Gedanke", lobte Archer, und seine Aufmerksamkeit galt Katie. Er bezog sie in das geschäftliche Gespräch mit ein und erwies sich erneut als wahrer Gentleman. "Danke, Mr. Braddock. Ich finde es toll, dass Sie mir so viel zutrauen. Aber ich denke, es geht zu weit. Ganz sicher hätten Adam und sein Team die Wallace-Firma auch ohne meine hingeworfene Bemerkung an sich bringen können." "Sie hat Recht", bestätigte Adam seinem Großvater. "Wallace hätte am Ende einsehen müssen, dass ihm nur der Verkauf bleibt. Trotzdem ist es möglich, dass Ihre Idee …“, und damit wandte er sich an Katie, „… die Abwicklung beschleunigt hat." "Möglich", schränkte Archer ein. "Und? Wie willst du es ihr vergelten?" wollte er wissen. Adam warf seinem Großvater einen bedeutungsvollen Blick zu. "Sie hat meinen Dank." "Du solltest Sie zum Dinner einladen, Adam, als Zeichen deiner Dankbarkeit." Adam räusperte sich. "Eine wirklich gute Idee, Großvater. Wo soll ich aber die Zeit für ein ausgiebiges Essen hernehmen?"
Katie lächelte verschmitzt, und etwas geschah mit Adam. Sein Puls raste, stolperte, und durch seinen Kopf wirbelten lauter völlig unpassende Gedanken. Verzweifelt sah er auf die Uhr, als ob ihm plötzlich die Zeit im Nacken sitze. Er musste weg von hier, ehe er etwas sagte, was er dann bereuen würde. „Ich muss los. Ich habe eine Ratssitzung hier in der Stadt", sagte er hastig, um sie nicht doch noch einzuladen. "Entschuldige mich bitte, Großvater". Er nickte seinem Großvater zu und lächelte Katie unverbindlich an. "Wann immer Sie bereit sind loszufahren ..." "Sagen Sie es Abbott, der es Benson sagt. Ich hab's nicht vergessen. " "Ich dachte, du würdest heute Abend nach Providence zurückfahren, Adam", fiel Archer ein. "Das werde ich auch. Aber ich habe Katie heute praktisch entführt. Du weißt, wie unberechenbar diese Versammlungen sein können. Und ich möchte nicht, dass sie den ganzen Nachmittag damit verschwendet, auf mich zu warten." "Ich hätte nichts dagegen", gestand Katie offen und bremste seine Flucht. "Mir gefällt es hier, und ..." Sie unterbrach sich, senkte den Blick und sah ihn dann wieder an. "Ich möchte wirklich mit Ihnen reden, bevor ich zurückfahre." "Sie wird auf dich warten, Adam", erklärte Archer, und damit war der Fall erledigt. "Ich mache mit ihr die Tour durchs Haus und erzähle ihr die Familiengeschichte. Und wenn uns die interessanten Themen ausgehen, dann unterhalten wir uns vielleicht über meine Geburtstagsparty." "Gut", gab Adam nach, weil es wenig Zweck hatte, Archer etwas auszureden. "Ich versuche, so schnell wie möglich zurückzukommen. Wie ich die Bürger von Sea Change kenne, wird es allerdings eher spät werden. Es sei denn, ein Wunder geschieht. " "Vielleicht ist es schon geschehen", meinte Archer lächelnd. "Seit ich Katie begegnet bin und weiß, wie einfallsreich und kreativ sie ist, fange ich an, mich auf meine Geburtstagsparty zu freuen." "Ich freue mich auch", sagte Adam zurückhaltend und machte Anstalten zu gehen. Im selben Augenblick erkannte er, dass es stimmte. Und das verwirrte ihn mächtig. Irgendwo im Haus schlug eine Tür mit einem dumpfen Knall zu, und einige Minuten später hörte Katie schnelle, ausgreifende Schritte im Korridor. Sie schaute vom Buch auf, in dem sie gelesen hatte, um gerade rechtzeitig einen jungen Mann zu entdecken, der mit zerzaustem blonden Haar an der geöffneten Tür zur Bibliothek vorbeieilte. "Hi, Ruth", rief er im Vorübergehen, um gleich darauf bis zur Tür zurückzukommen und noch ein zweites Mal hereinzublicken. "Wow, Ruth", sagte er. "Ganz schön schlank geworden seit gestern. Und die Haarfarbe ist auch geändert." "Pampelmusendiät", konterte Katie mit einem Grinsen und verwuschelte ihr Haar. "Und ein Trip zum Schönheitssalon." Er grinste auch. "Was immer Sie bezahlt haben, es war den Preis mehr als wert. Sie sehen fantastisch aus." Er betrat die Bibliothek, wo Katie ein wenig der
geschichtlichen Vergangenheit von Rhode Island nachgeforscht hatte, und hielt ihr freundlich die Hand zum Gruß hin. "Hallo, ich bin Bryce, und Sie sind ganz sicher nicht unsere Haushälterin." "Ich bin Katie Canton", stellte sie sich vor und drückte ihm die Hand. Das war also Adams Bruder, Bryce. Die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen. Beide hatten die gleichen Gesichtszüge, die sich auch in Archers runzligem Gesicht zeigten. Nur waren sie nicht so ausdrucksstark wie bei Adam. Die Züge seines Bruders Bryce verrieten eine eher lässige Lebenseinstellung und eine Offenheit, die nichts verbergen konnte. Er hatte blondes Haar und blaue Augen, war vielleicht ein wenig kleiner, aber in seiner Erscheinung sportlicher als Adam. Während Adam kühl und zurückhaltend erschien, zeigte Bryce Wärme und einen Charme, den man getrost als durchtrieben bezeichnen konnte. Katie war Männern wie ihm bereits begegnet, und sie wusste, dass ihr Flirten harmlos war und niemals ernst genommen werden durfte. "Ich bin nur hier, um mir ein schnelles Bild zu machen von all dem, was Braddock Hall zu bieten hat. Die Tour dauerte fast anderthalb Stunden und endete….“, sie warf einen Blick auf ihre Uhr, "vor fünfundvierzig Minuten. Ihr Großvater hat sich danach zu seinem nachmittäglichen Nickerchen zurückgezogen." "Kaum zu glauben, dass irgendein Braddock, der einen Schuss Pulver wert ist, ein Nickerchen macht, wo Sie im Haus sind. Doch Großvater besteht auf seinem Schläfchen. Kann ich Ihnen eine Limonade bringen? Wasser? Soda? Champagner? Kaviar?" „Nein, danke. Ich denke, dass Adam jede Minute hier sein wird, und dann fahren wir nach Providence zurück." Bryce wedelte mit der Hand die Mitteilung beiseite, als ob sie eine lästige Mücke wäre. "Vergessen Sie Adam. Ich bringe Sie hin wo immer sie hin wollen. Fresno, Santa Fe, Amsterdam?" Katie lachte. "Ich bin bereits in den ersten zwei Orten gewesen, und Amsterdam befindet sich immer noch weit unten auf der Liste. Baton Rouge wäre eigentlich das Nächste auf meinem Programm." "Nein, nein, nein", protestierte Bryce und flirtete auf Teufel komm raus. "Sie wollen doch nicht im Sommer Louisiana besuchen! Vertrauen Sie mir, Katie Canton! Ich würde Sie niemals anlügen, aber die Hitze und die Luftfeuchtigkeit sind um diese Zeit un ... er .. träg ... lich. Bei allem anderen wäre ich vielleicht versucht, die Wahrheit ein wenig zu strecken. Aber beim Wetter? Niemals! Bei diesem Thema werde ich immer ehrlich und offen zu Ihnen sein." Er lächelte verschmitzt und setzte sich in den Sessel ihr gegenüber, lehnte sich vor und sah ihr aufmerksam ins Gesicht. "Bleiben Sie zum Abendessen?" "Ich habe bereits hier zu Mittag gegessen." "Na und? Das Abendessen wird für Sie unterhaltsamer sein mit mir am Tisch. Ich bin eigentlich nur vorbeigekommen, um etwas abzuholen, aber ich bleibe, wenn Sie bleiben. Ich bin immer flexibel, wenn es um eine schöne Frau geht."
Das konnte Katie sich sehr gut vorstellen. "Ich fürchte, das hängt von Adam ab, ob wir zum Abendessen bleiben oder nicht. Danke, dass Sie bereit waren, Ihre Pläne meinetwegen zu ändern. Doch das ist nicht nötig." "Nötig ist es nicht, da gebe ich Ihnen Recht. Aber vielleicht wäre es nicht nur nötig, sondern sogar vorteilhaft für Sie, wenn Sie meinem fantasielosen großen Bruder den Laufpass geben und sich an mich hielten. Er bemerkt ja eh nicht, wie schön Sie sind, wegen all der Aktienkurse, die von frühmorgens bis spät in die Nacht vor seinen Augen abrollen. Ich kann es Ihnen ansehen, dass sie seinem geistesabwesenden und gedankenverlorenen Blick zur Genüge ausgesetzt waren." "Versuchst du, mich in Verruf zu bringen, Bryce?" fragte Adam von der Tür her. "Das hab ich nicht verdient." Bryce grüßte seinen Bruder mit einem selbstgefälligen Lächeln. „Ich habe dich nur vertreten, großer Bruder." Adam trat ebenfalls in die Bibliothek. "Haben Sie einen angenehmen Nachmittag verbracht, Katie?" fragte er freundlich. "Es tut mir Leid, dass die Versammlung so lange gedauert hat. Die Kleinstädter sind manchmal ein wenig langsam, wenn es um Abstimmungen geht." "Wie kommt es, dass du zu einer unwichtigen Versammlung gehst, statt unser Familienvermögen zu vergrößern?" fragte Bryce herausfordernd. "Rollen die Aktienkurse nicht vor meinen Augen ab? Du siehst, ich kann an Versammlungen teilnehmen, ohne unser Familienvermögen aus den Augen zu verlieren", entgegnete Adam, stellte sich hinter einen antiken Stuhl und stützte sich mit gekreuzten Armen auf die Rückenlehne. Er wirkte bemerkenswert männlich und tat, als ob er nur beiläufig neugierig wäre. "Ich bin hergekommen, weil ich als Vorsitzender des Stadtrates dafür verantwortlich bin, die Versammlungen zu leiten." "Oh, wenn es sich um Verantwortung handelt, dann leuchtet mir dein Verhalten ein." Bryce machte eine wegwerfende Handbewegung. "Nichts sollte so etwas Bedeutungsvollem wie Verantwortung dazwischenkommen." Die Spannung zwischen den Brüdern war geradezu greifbar. Doch nur kurz. So schnell wie sie aufgekommen war, so schnell verzog sie sich. Und Bryce zeigte wieder sein sonniges Lächeln. "Ich persönlich habe gerade die Verantwortung auf mich genommen, Katie zu überzeugen, dass das Dinner hier auf Braddock Hall ein Muss ist, jedenfalls jetzt, wo ich zu Hause bin." „Hast du nicht vorgehabt, diese Woche an einer Segeltour teilzunehmen?" fragte Adam. „Stimmt." Bryce hörte nicht auf, Katie schöne Augen zu man. "Ich soll um sechs in Newport sein, um mich mit der Crew von der Anna Cara zu treffen." „Sollte das dann nicht das Abendessen für dich unmöglich machen?" "Reg dich nicht auf, Adam. Holden wird bestimmt nicht ohne mich lossegeln.“ Adams Kinnmuskeln spannten sich an, aber er ließ das Thema fallen. Katie beobachtete ihn und kam zu dem Schluss, dass er sich eher die Zunge abbeißen
würde, als den Familienfrieden zu gefährden. "Hat Großvater Ihnen alles gezeigt, was Sie sehen wollten?" erkundigte er sich höflich. "Hatten sich irgendwelche Probleme ergeben?" "Probleme?" "Mit den Räumlichkeiten für die Party." "Die Party?" fragte Bryce dazwischen. "Ich habe Katie angeheuert, um Großvaters Geburtstagsparty zu arrangieren. Darum ist sie hier." Bryce sah sie tadelnd an. "Dabei habe ich geglaubt, Sie hätten von Adam eine Einladung erschlichen, allein um mich zu sehen." "Wenn ich so clever wäre, wüsste ich, wo ich zu Abend essen werde." Bryce lächelte triumphierend. "Gut, dann ist es also entschieden. Sie bleiben hier." Adam umfasste die Rückenlehne so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. "Ich teile Abbott mit, das wir zu viert bei Tisch sein werden", sagte er dennoch verbindlich, nickte dann kurz und wollte gehen. Aber Bryce hielt ihn noch ein weiteres Mal auf. "Da wir mindestens noch eine Stunde Zeit bis zum Essen haben, würde ich gern mit Katie eine Spritztour in meinem Ferrari machen. Hättest du etwas dagegen?" Adams Lächeln wollte nicht so recht zu seinem angespannten Ausdruck passen. "Das solltest du sie selbst fragen." Katie war, als würde sie von einem Bruder zum anderen a la carte herumgereicht werden. "Ich bin noch nie in einem Ferrari mitgenommen worden", sagte sie unsicher. "Aber ich bin bis heute auch noch nie in einem Rolls-Royce mitgenommen worden." Sie warf Adam einen herausfordernden Blick zu. "Was für ein Abenteuer, nicht wahr?" "Er fährt zu schnell", war Adams einziger Kommentar. "Er fährt so gut wie gar nicht", schoss Bryce zurück. „Es wäre schwierig, zu fahren und sich gleichzeitig um die Geschäfte zu kümmern", versuchte Katie zu schlichten. "Ich möchte sehr gern die Fahrt machen, Bryce. Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben, Adam." Das Flackern in seinen Augen sagte ihr, dass Adam etwas dagegen hatte. Aber er hätte es niemals zugegeben. "Warum sollte ich? Ich wüsste keinen Grund." "Wunderbar", meinte sie und legte das Geschichtsbuch beiseite, stand rasch vom Stuhl auf und lächelte Bryce zu. "Darf ich fahren?"
4. KAPITEL Etwas an Katies Lachen kam Adam bekannt vor. Er wusste, dass er Katie bereits irgendwo begegnet war, doch der Ort, die Zeit und die Umstände entzogen sich ihm. Vielleicht schien ihm ihr Lachen auch nur so bekannt, weil er es so oft während des Abendessens gehört hatte. Bryce hatte alle Register seines Charmes gezogen, und Großvater hatte sich auch nicht gerade als ein steifer alter Mann erwiesen. Beide Braddock-Männer hatten sich förmlich darin überboten, Katie zu unterhalten. Außer Adam. Er hatte sie nur beobachtet, wie sie lachte und wie selbstverständlich sie die Bewunderung von Bryce und Archer aufnahm. Adam war der Erstgeborene. Das hatte ihm das Leben nicht gerade leicht gemacht. Bereits während des Heranwachsens hatte er das Gewicht der Verantwortung für das Braddock-Großunternehmen auf seinen Schultern gespürt. Er hatte ernsthaft, fleißig und gewissenhaft sein müssen, weil die Familie es von ihm erwartete. Und er hatte zu dem Mann werden müssen, der sein Vater nicht war. Heute Abend, aus welchem Grunde auch immer, wünschte Adam sich, er könnte sich wie Bryce die Freiheit herausnehmen, Katie Canton zu bezaubern und sie zum Lachen zu bringen. Er war in einer gereizten Stimmung und wusste nicht, warum. Vielleicht hing es ganz einfach damit zusammen, dass er vorgehabt hatte, gleich nach der Ratsversammlung wieder nach Providence zurückzufahren. Vielleicht lag es aber auch an Bryce, an der Art, wie er Katie zum Abendessen überredet hatte. Es konnte auch sein, dass er sich ganz einfach für Katie verantwortlich fühlte. Immerhin hatte er sie hierher gebracht und sie dem aufdringlichen Flirt seines Bruders ausgesetzt. Obwohl er sonst fand, dass Frauen fähig sein sollten, mit einem harmlosen Flirt fertig zu werden. Darin hatte Katie ganz sicher keine Probleme. Sie war ganz schön geübt in dieser Kunst, so wie sie Bryce und Großvater um den kleinen Finger wickelte. Aber schön, er gab ja zu, dass sie ihn faszinierte. Es war nicht nur ihr Lachen oder das lebenslustige Funkeln ihrer veilchenblauen Augen. Es war die ganze Katie. Es würde allerdings zu weit gehen, sich einzugestehen, dass es ihn durchaus glücklich machte, sie nur zu beobachten, wie sie lachte und sich prächtig unterhielt. Das Geplauder beim Essen war lebhaft und lustig trotz Adams gelegentlichem Eingreifen in die Unterhaltung, wenn er das Gespräch endlich auf ein ernsteres Thema lenken wollte, wie zum Beispiel die Party. Niemand hörte auf ihn. Man setzte sich über ihn hinweg. Als sie dann vom Tisch aufstanden, schlug Bryce sogleich vor, Katie nach Hause zu fahren. Das brachte Adam in Rage, wenn auch nur im Verborgenen.
"Providence liegt nicht auf deinem Weg", mischte er sich ein. Sein Ton blieb verbindlich. "Ich glaube, sie würde lieber mit mir fahren", entgegnete Bryce mit genau dem gleichen verbindlichen Tonfall und einem Zwinkern zu Katie hin. "Dennoch, ich bringe sie nach Hause." Adam war nicht in der Stimmung, darüber zu streiten. "Das wirst du nicht tun", polterte Bryce los. "Katie", meldete sich Archer. "Ich würde herzlich gern darauf bestehen, Sie zurück nach Providence zu bringen. Ich fürchte nur, dass mein Alter es mir einfach verbietet, mich zu einer so späten Stunde ritterlich zu verhalten. Sie müssen mit einem meiner Enkel Vorlieb nehmen." Katie lächelte ihn dankbar an. „Für mich zählt, dass Sie es gern tun würden, Mr. Braddock", erwiderte sie weich. "Dann kommen Sie mit mir", forderte Bryce. "Nein", protestierte Adam. "Ich bin sehr geschmeichelt, dass zwei Braddock-Brüder vorhaben, mich nach Hause zu bringen", erklärte Katie leichthin. "Aber ich denke, ich fahre einfach per Anhalter. Ich bin heute bereits in einem Rolls-Royce und einem Ferrari gefahren, und wer weiß, vielleicht habe ich die Chance, von einem Lamborghini mitgenommen zu werden." Bryce lachte, als ob sie etwas sehr Witziges gesagt hätte. Sogar Archer lächelte über diese kindische Idee. Adam konnte nichts Witziges darin finden. Die Vorstellung, wie Katie mit erhobenem Daumen am Straßenrand stand und im Dunkeln einen Fremden anhielt, fand er eher beängstigend. "Sie fahren mit mir", entschied er, und ließ keine Widerrede zu. "Wollten Sie nicht etwas mit mir besprechen?" Katie sah ihn verdutzt an, dann lächelte sie breit. "Sie erinnern sich. Wie bemerkenswert!" Zum Abschied gab es Küsschen auf die Wange und Einladungen, wieder nach Braddock Hall zu kommen, bis Benson die Fondtür des Rolls schloss und den Wagen startete. Er fuhr an der alten Steinmauer vorbei, die den Besitz abgrenzte. Jetzt, wo Adam mit Katie allein war, wollte er ihr beweisen, dass er, wenn er wollte, genauso unterhaltsam sein konnte wie Bryce. "Mein Bruder muss mit Ihnen vor dem Essen eine ganz schön weite Rundfahrt gemacht haben. Sie waren eine Stunde und fünfzehn Minuten unterwegs." Nun, der Anfang war nicht gerade geistreich. Auch nicht so scharfsinnig oder gar feinfühlig, wie er gehofft hatte. Doch es drängte ihn, das Thema zu vertiefen. "Haben Sie Spaß gehabt bei der Fahrt in seinem Ferrari?“ "Ein teures Sportauto und ein attraktiver, aufmerksamer junger Mann. Welche Frau würde keinen Spaß haben an einer solchen Fahrt?" "Er ist nicht ... hm ... zu schnell gefahren?" "Nein. Wenn ich am Steuer gesessen hätte, wäre ich ganz anders losgebraust."
"Hat er Sie nicht fahren lassen?" "Ich kann nicht fahren, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht weiß, wie man fährt. Nur habe ich nicht allzu oft die Gelegenheit dazu gehabt." „Haben Sie eigentlich einen Führerschein?" Wie dumm und belanglos, schalt Adam sich. Außerdem war es überhaupt nicht das, was er wirklich wissen wollte. "Mm", war Katies Antwort, was beides bedeuten konnte, dass sie einen Führerschein hatte oder auch nicht. Adam fand, dass es an der Zeit war, auf den Punkt zu kommen. „Katie, es ist gut möglich, dass Sie heute die einzige Frau waren, die Bryce für eine Rundfahrt in seinem Ferrari mitgenommen hat. Es ist aber genauso gut möglich, dass Sie die sechzehnte oder zwanzigste gewesen sind." "Mm", machte sie wieder und seufzte dann dramatisch. "Dabei war ich so sicher, dass er sich unsterblich in mich verliebt hätte von dem Moment an, wo unsere Blicke sich begegneten." "Ich wollte Sie nicht im Unklaren lassen, das ist alles." Sie sah Adam lächelnd an. Ein bisschen Leid tat er ihr schon, weil sie sich über ihn lustig machte. Also lenkte sie ein. "Ich weiß Ihre Warnung zu schätzen, Adam, aber sie ist völlig unnötig. Ich habe schon seit so langer Zeit auf mich aufpassen müssen, dass ich Probleme entdecken kann, bevor sie sich einstellen. Sie müssen sich nicht um mich sorgen. Ich habe Ihren Bruder ernst genommen, weil mir klar war, dass er es nicht ernst meinte." Adam fühlte sich erleichtert. Wie lächerlich! "Gut." "Ganz sicher würde Bryce der Gedanke, ich könnte ihn ernst nehmen, entsetzen." "Das mag sein." "Geben Sie es zu, Adam, auch Sie wären entsetzt." Ihr Lächeln verwirrte ihn. "Wenn ich anfinge, Ihrem Bruder nachzujagen, würde ich zwangsweise die Vorbereitungen für die Geburtstagsparty vernachlässigen. Und damit würde ich Ihnen eine ganze Menge Probleme überlassen." „Wahr, absolut wahr. "Ich bin überzeugt, dass Sie eine durch und durch kompetente und zuverlässige Frau vom Fach sind, Katie. Nicht einmal ein Hurrikan könnte Sie ablenken, wenn Sie ein Projekt erst mal in Angriff genommen haben, stimmt's?" "Oh, Hurrikans würden es schaffen. Bei Stürmen bin ich ein Feigling." Sie warf ihm einen Seitenblick zu, sah aber gleich wieder weg und zupfte nervös an einem losen Faden ihres Kleides. "Da wir nun gerade über die Party sprechen, muss ich Ihnen ... etwas sagen." Nachdem sie nun das Haus und den ganzen Besitz rundherum gesehen hatte und mit dem Ferrari zu einer Rundfahrt mitgenommen worden war, wollte sie mehr Geld. Dafür hatte Adam geradezu eine Spürnase. Und es erstaunte ihn, wie sehr es ihn enttäuschte. "Ja?" "Ich habe versucht, es Ihnen gleich zu Anfang zu sagen", begann sie. "Ich kann nicht ..." Ihre Stimme verklang. Dann atmete sie tief durch und fuhr fort.
"Ich bin nicht die Person, die Sie für diese Arbeit wünschen. Ich bin für diesen Job nicht geeignet. " "Sie wollen also mehr Geld heraushandeln", schnitt er alle Einwände von ihr ab. „Nein " Klarer und deutlicher hätte Katie nicht abwehren können. "Du liebe Güte, nein. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?" Sie klang ehrlich verblüfft. "Ich könnte nirgendwo so viel Geld verdienen, wie Sie mir bereits geboten haben. Was ich eben gesagt habe, habe ich genau so gemeint. Ich bin nicht - ich wiederhole - ich bin nicht die richtige Person für den Job. " Sie wollte den Preis nicht erhöhen. Adam konnte es kaum fassen. Aus irgendeinem Grund glaubte er ihr. Und er fühlte sich so erleichtert, dass er darüber fast gelacht hätte. „Im Gegenteil, Katie, Sie sind die perfekte Person. So wie Sie meinen Großvater heute bezaubert haben, würde ich es nicht wagen, jemand anderen für diese Party vorzuschlagen." "Aber Sie verstehen das falsch", beharrte sie und wollte ihm alles erklären. Doch Adam ließ es nicht dazu kommen, weil er nun dachte, dass sie sich für die Arbeit überfordert fühlte. Immerhin ging es ja um die Braddocks. "Lassen Sie sich von dem Haus und dem Besitz nicht einschüchtern, Katie. Zweifellos haben Sie genug Erfahrung mit Lieferanten für Speisen und Getränke und Blumenhändlern, um eine tolle Party zu gestalten. Aber auch wenn Sie die nicht haben sollten, so ist mir jemand wie Sie mit Ihrer Begeisterung und Ihrer kreativen Fantasie lieber als Hunderte von erfolgreichen Partyplanern, die über das allgemein Gebräuchliche nicht hinauskommen." "Ich möchte nur das Fest nicht ruinieren", erwiderte sie leise. Adam wollte ihre Hand in seine nehmen und Katie so das Gefühl der Sicherheit geben. Aber das wäre natürlich unangebracht gewesen. "Wir lernen alle durch Fehler, die wir machen. Ich mag mich arrogant anhören, wenn ich jetzt sage, dass die Braddock-Partys immer ein Erfolg gewesen sind, aber das stimmt. Eigentlich kann man an einer solchen Party nicht viel ruinieren. Wenn ich mir keine Sorgen um ihre Fähigkeit mache, dann wüsste ich nicht, warum Sie es tun sollten." Katie sah ihn neugierig an. "Machen Sie sich leicht Sorgen, Adam?" "Ich packe entweder das Problem an, oder ich schiebe es hinaus, bis ich entschieden habe, wie ich damit fertig werde." "Wenn sich das nicht arrogant anhört!" Er lachte. "Na gut, vielleicht mache ich es mir zu leicht. Aber das löst nicht Ihre Probleme. Erzählen Sie mir, was Sie wirklich quält. Katie blickte zum Seitenfenster hinaus auf die mondbeleuchtete Landschaft und auf noch eine der stabilen alten Steinmauern von New England. "Steinmauern", sagte sie versonnen. "Ich mache mir Sorgen, dass ich irgendwann gegen eine Mauer renne, an der ich nicht vorbei kann." "Nach dem heutigen Abend kann ich dazu nur sagen, dass Sie wahrscheinlich jede Mauer mit nur einem kleinen Lächeln zum Einsturz bringen können."
"Vielleicht sollte ich es mit Überreden versuchen, falls mein Lächeln es nicht schaffen sollte." "Ich wünschte, Sie würden sich keine Sorgen machen - und schon ganz und gar nicht wegen der Party. Sie haben freie Hand, sie zu gestalten, wie Sie wollen. Und Sie haben ein großzügiges Budget zur Verfügung. Es ist immerhin Großvaters neunundsiebzigster Geburtstag." Katie schwieg eine Weile. "Es muss für Ihre Brüder nicht leicht sein, sich ständig an Ihnen messen zu müssen", sagte sie dann schließlich. "Sie stellen hohe Ansprüche, besonders an sich selbst." "Für mich und meine Brüder bedeutet die Familie sehr viel", erwiderte Adam schlicht. Und um dem Gespräch eine Wendung zu geben, fragte er: "Wo kommen Sie her, Katie? Ihrem Akzent nach sind Sie nicht von hier." "Ich habe an vielen Orten gelebt, und der Tonfall ist vermutlich von den verschiedenen Akzenten beeinflusst worden." "An vielen Orten", wiederholte Adam. Und er hatte den unbestimmten Verdacht, dass Katie ihm etwas verschwieg. Die Sache machte ihn neugierig. "Nennen Sie mir ein paar davon." Mit einer Handbewegung wischte sie seine Bitte als unwichtig beiseite. "Seattle, San Jose, Topeka, Toledo, Cincinnati, Cheyenne, um nur einige zu nennen." Sie seufzte. "Vielleicht habe ich ein bisschen Angst davor, dass ich mich anfangen könnte zu langweilen, wenn ich zu lange an einem Ort bleibe." Adam lächelte über ihre offensichtliche Übertreibung. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Katie sich jemals langweilen könnte. Sie würde es einfach nicht zulassen. Dazu hatte sie zu viel Energie. "Wie steht es um ihre Bildung? Ganz sicher sind Sie an einem Ort lange genug geblieben, um einen Schulabschluss zu machen." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich habe einige wenige Stunden an der Universität verbracht, aber es hat mir nur bewiesen, dass es im Leben wichtiger ist, sich Kenntnisse anzueignen, als Abschlusszeugnisse zu sammeln. Wo immer ich mich auch befinde, belege ich Kurse, die mich interessieren. Und außerdem arbeite ich ehrenamtlich." Katie brachte es fertig, ihn immer wieder aufs Neue zu überraschen. "Welche Art von ehrenamtlichen Arbeiten sind denn das?" "So gut wie alles. Während der letzten Monate habe ich die Schreibarbeit für ein Bildungsprogramm bei der Providence Bibliothek gemacht." "Meine Großmutter war jahrelang im Beirat dieser Bibliothek, und die Braddock-Familie unterstützt die Bibliothek finanziell, besonders das Bildungsprogramm." "Bildungsprogramme sind mir ebenfalls sehr wichtig. Deshalb unterstütze ich sie auf meine Weise." "Sie lieben Bücher?" "Ich bin süchtig nach Büchern in allen Größen und Formen", gestand Katie lächelnd.
Adam fing dagegen an zu begreifen, dass ein Mann nach ihrem Lächeln süchtig werden konnte. Als Benson den Rolls in einer bescheidenen Vorstadtgegend anhielt, blickte Katie aus dem Fondfenster auf das Haus. "Hier wohne ich", bestätigte sie verblüfft. "Benson hat es ohne weitere Rückfragen gefunden. Alle Achtung. Also, gute Nacht, Adam. Danke für alles und..." "Ich begleite Sie zur Tür", unterbrach er sie. Am liebsten hätte er den Abend hinausgezögert. Eine Regung, die ihn selbst erstaunte. "Oh, das ist nicht nötig", entgegnete Katie leichthin und schien plötzlich in Eile zu sein. "Ich steige mit aus“, sagte er entschieden. "Sie haben mein Haus gesehen, und nun möchte ich Ihr Haus sehen." Seufzend ließ Katie das zu und glitt von dem weichen Sitz, und mit einem Lächeln dankte sie Benson für die Fahrt. Adam stieg auf der anderen Seite aus und kam um den Rolls Royce herum. Gemeinsam gingen sie auf den Hauseingang zu. Natürlich war es nicht Braddock Hall - weit davon entfernt. Doch es war nett und sauber. Dass Katie sich darin wohl fühlen könnte, war für Adam allerdings unvorstellbar. "Es ist nicht mein Haus", erklärte Katie. "Ich bewohne es nur für die Zeit, wo die Eigentümer auf Reisen sind." "Ach so", war alles, was Adam dazu sagte. "Ich bin so etwas wie ein Haus-sitter." "Es muss doch einen Platz geben, den Sie als Ihr Heim betrachten. "Sagt man nicht, ein Heim ist da, wo das Herz ist? Also bin ich überall da zu Hause, wo ich mich gerade aufhalte." "Eine interessante Einstellung für jemand, der so jung ist wie Sie, Katie." Ihr Lächeln schwand, und ihr Gesicht bekam einen etwas traurigen Ausdruck. "Seit meinem sechsten Lebensjahr bin ich nicht jung gewesen", entgegnete sie leise. Sie schloss die Tür auf, und Adam trat in den Eingang. Als er sich zu Katie umdrehte, war die Luft plötzlich voller Spannung. "Katie", murmelte er und wusste auf einmal nicht, was er hatte sagen wollen. Er räusperte sich. "Ich bin froh, dass Ilsa Fairchild mir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer gegeben hat." Katie biss sich auf die Lippen, fuhr sich ein paar Mal durch die Locken und hatte keine Ahnung, wie viel Zärtlichkeit diese unbewusste Geste in Adam hervorrief. "Sehen Sie, Adam, Sie haben mir nicht einmal eine Minute lang zugehört. Wirklich zugehört, meine ich. Ich kann Sie doch nicht gehen lassen, ohne klarzustellen .. - " Adam handelte selten impulsiv, aber er beugte den Kopf und drückte einen sehr impulsiven Kuss auf Katies Lippen, unterbrach sie so mitten im Satz und überraschte sie damit nur ein bisschen weniger, als er sich selbst überraschte. Katie fing sich schneller als er und küsste ihn glühend zurück, was sie beide nur
noch mehr überraschte. Und als sie sich an Adam schmiegte, blieb ihr der Beweis, dass Adam sie begehrenswert fand, nicht verborgen. Sie legte die Hände flach gegen seine Brust, ließ sie dann zu seinen Schultern hoch gleiten. Und als sie mit den Fingerspitzen unter seinen Hemdkragen fuhr, war Adam so erregt, dass er seinen Mantel abstreifen wollte, um Katie noch enger zu spüren. Doch das hätte bedeutet, Katie loszulassen, was er jedoch nicht wollte. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass er zu solch heftigen Gefühlen fähig wäre. Als sie den Kuss abbrechen mussten, um Luft zu holen, erfüllte es Adam mit männlichem Stolz, dass Katie so benommen aussah, wie er sich fühlte. "Wow." Sie flüsterte es nur. Trotzdem hörte Adam ihre glänzende Bewertung für ihn heraus. Er streckte wieder die Arme nach ihr aus. Doch Katie hielt Adam mit den Händen von sich. "Nicht, dass es mir nicht gefallen würde, aber noch einer von diesen Küssen wäre mir doch zu riskant." Sie atmete tief ein. "Nie hätte ich damit gerechnet, dass der Tag heute mit einem Gutenachtkuss enden würde." "Glauben Sie mir, ich bin selbst überrascht." Katie lächelte zurückhaltend. "Oh, das glaube ich Ihnen sofort.“ "Mir ist klar, dass ich gegen die Regeln des Anstandes verstoßen habe. Doch ich kann mich nicht für etwas entschuldigen, was ich so sehr genossen habe." Katie umfasste den Türknauf so fest, als ob sie nach Halt suchte. "Nun, Sie brauchen sich nicht darum zu sorgen, dass wir die Anstandsregeln verletzt haben, weil ... weil ich die Party für Ihren Großvater nicht mehr planen werde. Es tut mir Leid, aber ich kann es einfach nicht tun." Sie lächelte dünn. "Ich danke Ihnen für diesen Tag, und das meine ich ehrlich. Ich werde mich immer daran erinnern, sogar an den unerwarteten wunderbaren Kuss. Auf Wiedersehen." Bevor Adam seine Gedanken beisammen hatte, hatte Katie ihn freundlich, aber entschieden aus dem Eingang hinausgedrängt und die Tür hinter sich geschlossen. Er stand ziemlich verstört da und wusste absolut nicht, was er als Nächstes tun sollte. Dann trat er ein paar Schritte zurück, blickte stirnrunzelnd auf das dunkle Haus, wartete darauf, dass drinnen ein Licht anging, und grübelte, ob er richtig gehört habe, dass Katie ihm "Auf Wiedersehen" gesagt hatte. Nicht gute Nacht. Auf Wiedersehen. Hatte sie ihm aber nicht auch gesagt, dass sie für ihn nicht arbeiten wolle? Also wäre es nur logisch, dass sie ihn nicht wieder sehen wollte. Das machte alles keinen Sinn. Er hatte ihr eine einmalige Chance geboten und ein so großzügiges Honorar für ihre Arbeit, dass er sich absolut keinen Grund vorstellen konnte, warum sie ihm einen Korb gegeben hatte. Wollte sie noch mehr Geld haben? Er traf ständig auf berechnende Menschen, und es ging ihnen immer nur um Geld. Aber Katie war ihm nicht berechnend oder gar gierig vorgekommen. Ganz im Gegenteil.
Und ihm die Tür vor der Nase zu schließen wäre auch nicht gerade ein cleverer Trick, ihn zum Verhandeln zu bringen. So einfältig war sie nicht, um nicht zu wissen, dass er sehr wohl für immer weggehen könnte, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Mit einem einzigen Telefonanruf könnte er Nell dazu bringen, jeden Veranstalter in New England zu engagieren. Aber er wollte keine anderen Veranstalter aus New England. Er wollte die Organisatorin, die er schon hatte. Vielleicht war ja sein impulsiver Kuss schuld an ihrem seltsamen Verhalten. Das ergab zwar auch keinen Sinn, aber die meisten Frauen nahmen einen Kuss wichtiger, als sie es sollten. Das war mit ein Grund, warum er sich vorsah, wen und wann und wo und sogar wie er küsste. Er mochte keine Missverständnisse. Na gut, zugegeben, dieses Mal hatte er sich nicht genug vorgesehen. Er hatte sich überhaupt nicht vorgesehen, wenn er ehrlich sein wollte. Benson räusperte sich, und Adam wurde bewusst, dass er immer noch vor Katies Haus stand und zu den Fenstern hinaufstarrte wie ein überraschter Freier, der gerade abgeblitzt worden war. Er drehte sich um und schlenderte lässig auf den Rolls zu, so als ob er daran gewöhnt wäre, von Frauen abgewiesen zu werden. Doch die Frauen in seinem Leben taten so etwas nicht. Und wenn sie es getan hätten, hätte es ihm auch nichts ausgemacht. Anders jedoch bei Katie. Er sollte diese Gedanken aus seinem Kopf verbannen. Er hatte kein Verhältnis mit Katie, und er würde auch kein Verhältnis mit ihr haben. Er war nicht mal interessiert an einem Verhältnis mit ihr. Aber er wollte verflixt noch mal nicht, dass sie aus der Partyplanung ausstieg. Zumindest nicht ohne eine Erklärung, die er verstehen könnte. Ilsa Fairchild ... Warum hatte er nicht gleich an sie gedacht? Sie hatte die ganze Sache mit Katie eingefädelt, oder etwa nicht? Er würde sie anrufen, sobald er zurück im Büro war.
5. KAPITEL
"The Torrid Tomato" war voll mit dem üblichen ausgelassenen, lärmenden jungem Volk aus den umliegenden Büros. Es war Mittagszeit. Auf dem Weg zu der reservierten Nische im hinteren Teil erblickte Ilsa Katie und winkte ihr zu. Katie winkte zurück und schlängelte sich zwischen zwei Kellnern hindurch zu der Nische, in der Ilsa Platz genommen hatte. "Mrs. Fair!" begrüßte sie Ilsa mit einem breiten Lächeln. "Ich bin wirklich froh, dass Sie zum Lunch gekommen sind. Es ist mein letzter Arbeitstag hier." Ilsa lächelte zurück und freute sich wie immer an Katies sonnigem Wesen. "Ich mag Ihre neue Frisur." Katie fuhr sich durch die Locken. "Danke. Ich habe es vor ein paar Tagen kurz schneiden lassen. Ich dachte, mit kurzen Haaren wird man mit der Hitze in den Südstaaten besser fertig." Die Nachricht setzte Ilsas gute Laune einen Dämpfer auf. "Wollen Sie wirklich weg aus Providence?" „Ja, so war es vorgesehen. Aber das Haus in Baton Rouge, auf das ich aufpassen sollte, ist verkauft worden, und die Agentur hat mir ein Haus in Louisiana vermittelt." "Die Luftfeuchtigkeit in Louisiana ist unerträglich." "Ich habe davon gehört." Katie grinste. "Bryce Braddock hat mich davor gewarnt, und da er niemals lügt, wenn es ums Wetter geht, wird es wohl stimmen." Ilsa sah sie überrascht an. "Ich habe nicht gewusst, dass Sie Bryce kennen." "Bryce, Adam und den Großvater. Sie haben mir Adam vor einigen Wochen vorgestellt, als Sie hier mit ihm zum Lunch waren, erinnern Sie sich? Adam muss mich mit irgendjemandem verwechselt haben, denn er hat diese verrückte Idee, ich wäre irgend so eine Veranstalterin für Partys. Als ich ihm klarmachen wollte, dass ich es nicht bin, hörte er mir überhaupt nicht zu. Die Sache ist so verrückt! Ich wollte es Ihnen am Montag im Tai Chi-Kurs erzählen, aber da Sie nun hier sind, mache ich eine kurze Pause und berichte Ihnen die ganze unmögliche Geschichte. Sie werden es mir nicht abnehmen, aber etwa anderthalb Wochen nach dem Tag, wo Sie mit Adam Braddock hier zum Lunch waren, rief er mich an und sagte, Sie hätten ihm die Telefonnummer gegeben und mich empfohlen..." "Katie!" rief jemand ungeduldig aus der Küche. "Bestellung bereit. " Sie verzog das Gesicht und schob sich aus der Nische. "Ich muss gehen, Mrs. Fair, aber ich bin gleich wieder zurück. Soll ich für Sie eine Bestellung von dem Artischockendip aufgeben?" Sie lehnte sich zu Ilsa vor. "Behalten Sie's für
sich", flüsterte sie, "aber vergessen Sie das Tagesmenü. Kenny ist in einer wirklich unkreativen Stimmung." Sie rollte die Augen und war wie der Blitz weg, um das bestellte Essen abzuholen und es dem Gast zu servieren. Ilsa faltete nachdenklich die Serviette auseinander und breitete sie auf den Schoß aus. Hmm. Katie musste Bryce am Dienstag während ihres Besuchs auf Braddock Hall begegnet sein. Natürlich hatte Katie keine Ahnung, dass Ilsa von ihrem Besuch bereits von zwei Seiten erfahren hatte. Aus Erfahrung wusste sie, dass es unsinnig war, sich darüber Gedanken zu machen, wie ein Treffen ihrer Klienten ausgehen mochte. Aber sie war doch ziemlich überrascht gewesen, als Archers Anruf kam. Natürlich hatte sie das Mittagessen mit Adam geplant, und natürlich hatte sie den Funken zwischen Katie und Adam bemerkt, wenn die Blicke der beiden sich begegneten. Und natürlich hatte sie die Sache schlau gedreht, so dass Adam die Geschäftskarte mit Katies Telefonnummer auf der Rückseite bekam. Aber sie wäre nie im Leben darauf gekommen, dass Adam folgern könnte, Katie sei eine Organisatorin von Festivitäten, und dass er ihr dann auch noch den Job anbieten würde, Archers Geburtstagsparty zu arrangieren. Sie hatte Archer zu bremsen versucht, der von Katie begeistert war und Ilsa erklärte, dass Katie die perfekte Frau für seinen ältesten Enkel sei. Ilsa war nicht so optimistisch wie ihr Auftraggeber. Sie wurde es allerdings ein wenig mehr, als Adam sie angerufen hatte und sie um Unterstützung bat. Er wollte, dass sie Katie überredete, die Planung für Archers Party anzunehmen. Seine Stimme hatte eindringlich geklungen. Und dass er sie persönlich angerufen hatte und nicht seine Sekretärin, war schon recht erstaunlich. Eigentlich konnte sie zufrieden sein, so wie die Ereignisse sich entwickelten. Lächelnd bestellte sie beim Kellner ein Glas Tee und eine Platte mit Muscheln. Sie konnte es kaum abwarten, Katie wieder an ihrem Tisch zu haben, um von ihr zu hören, wie sie denn nun zu Adam Braddock stand. Sie würde diplomatisch vorgehen müssen. Auf keinen Fall durfte Katie erfahren, dass sie die Hand ganz mächtig im Spiel hatte und bereits über alle Ereignisse bestens im Bilde war. Als Ilsa Fairchild Adam vorschlug, persönlich mit Katie zu sprechen, hatte sich das vernünftig und einleuchtend angehört. Auf dem Wege zu Katies Haus war ihm eingefallen, dass er ihr einen Blumenstrauß mitbringen könnte. Und er hatte Benson gebeten, am nächsten Blumenladen anzuhalten. Was ihm als eine völlig normale Geste vorgekommen war, schien ihm nun, wo er mit dem Strauß auf der Vorderveranda stand, übertrieben, unpassend und viel zu persönlich. Und er fragte sich ärgerlich, was eigentlich in ihn gefahren sei. Er machte Katie ja nicht den Hof. Er wollte lediglich, dass sie für ihn arbeitete. Und im Augenblick schien ihm gerade das wie die schlimmste Idee von allen. Nur weil sein Großvater Katie ins Herz geschlossen hatte, war das kein Grund für Adam, jetzt vor dieser Tür zu stehen. So sehr brauchte er keine Partyplanerin. Er mochte Partys im Grunde nicht mal, verdammt! Er würde sich
umdrehen, zurück zum Wagen gehen und sich auf den Weg zu der Konferenz mit Wallace machen. Adam wandte sich zum Gehen, zögerte, drehte sich dann doch wieder um. Na gut, er würde auf die Türklingel drücken. Er war so weit gekommen, er könnte nun auch noch an der Tür klingeln. Aber nur ein einziges Mal. Sein Finger verharrte vor dem Klingelknopf, doch noch bevor er sich dazu bringen konnte, ihn zu drücken, wurde die Tür aufgerissen, und Katie stand vor ihm. Sie starrte ihn an, als ob er ein Wesen von einem anderen Stern wäre. "Adam?" Sie fragte es, als ob sie nicht sicher wäre. "Katie." Sein Tonfall war angemessen, wie er fand. Geschäftsmäßig. Ein wenig kühl. Unpersönlich. Überhaupt nicht nervös, was bemerkenswert war, so wie er sich fühlte. Sie blickte auf die Blumen, dann wieder ihm ins Gesicht. "Was ... was tun Sie hier?" "Ihr Telefon muss defekt sein. Seit Tagen versuche ich, Sie anzurufen. " "Seit Tagen", wiederholte Katie verdutzt. "Wir haben uns doch erst am Dienstag gesehen." "Nun gut, ich habe Sie seit zwei Tagen und den ganzen Vormittag heute anzurufen versucht." Sie zog die Stirn kraus, verschränkte die Arme vor der Brust, nahm sie dann wieder herunter und fuhr sich glättend über den Saum ihrer Bluse. "Nun ja, manchmal gehe ich nicht ans Telefon." "Ist das nicht ein wenig ungewöhnlich, seine Geschäfte abzuwickeln?" fragte Adam erstaunt, musste aber zugeben, dass es gar keine so schlechte Idee sei, das Telefon einfach klingeln zu lassen. Katie war offensichtlich ziemlich aus der Fassung gebracht, dass er hier so einfach vor ihrer Tür auftauchte. Und aus unerfindlichen Gründen vermittelte dieser Umstand Adam ein gutes Gefühl. "Gewinn bringend kann es wohl nicht sein." "Nein, ich ... oh ... ich nehme an, nein." Sie trug Jeans-Shorts, die überraschend lange Beine freigaben. Wohlgeformte Beine. So stand sie da, mit bloßen Füßen - und einem glitzernden Ring am Zeh. Adam wollte lieber nicht darüber nachdenken, warum er das reizvoll fand. "Ein Anrufbeantworter wäre vielleicht sinnvoll", schlug er vor. "Falls Sie den Anruf mal nicht annehmen können. Fragen Sie beim Telefonservice nach." "Hm." Ihr dunkles Haar schmiegte sich lockig um ihr Gesicht, und ihre Augen waren noch nie zuvor so blau gewesen. Jedenfalls fand Adam das. Er war neugierig, ob Katie oft an den Kuss dachte, den sie genau hier auf dieser Veranda miteinander getauscht hatten, und ob sie es gern hätte, von ihm wieder geküsst zu werden. "Wollten Sie gerade gehen?" fragte er. Es wäre eine Katastrophe. Er war hier, um sie anzuheuern. Schluss. Ende der Fantasie. "Ich hatte noch gar nicht auf den Klingelknopf gedrückt."
"Ich habe den Rolls durch das Fenster gesehen und dachte, dass ich es mir bestimmt nur einbilde." Sie blickte immer noch völlig perplex drein. "Was tun Sie hier, Adam?" "Mrs. Fairchild hat mir vorgeschlagen, bei Ihnen vorbeizufahren und Sie zu besuchen." Das erstaunte Katie nur noch mehr. "Mir hat sie gesagt, dass ich Sie anrufen sollte... oder zumindest Ihren Anruf beantworten sollte." "Meistens erledigt meine Sekretärin, Nell, die Anrufe." Eine Andeutung von Lächeln zuckte um ihre Lippen. "Hab ich es mir doch gedacht." Sie sah nachdenklich auf den Strauß. "Wann haben Sie mit Mrs. Fairchild gesprochen?" Gleich nach dem Lunch, den sie im ‚The Torrid Tomato' gehabt hat." Ihre Blicke trafen sich. "Ich bin gerade eine Stunde zu Hause. Sie haben mir keine Gelegenheit gegeben, Ilsas Rat zu befolgen." "Wollten Sie mich anrufen?" "Ich hatte mich noch nicht entschieden. "Sie sind also nicht ganz dagegen gewesen." "Ich sagte doch, dass ich mich noch nicht entschieden habe." Adam blickte sie mit gerunzelter Stirn an. "Ich verstehe Ihr Verhalten nicht, Katie. Großvaters Geburtstagsparty kann doch nicht so bedeutungslos für Sie sein, dass Sie den Job einfach ablehnen, weil Sie meinen, Sie wären der Aufgabe nicht gewachsen. Immerhin würde die Arbeit ein Gewinn für Ihr Unternehmen sein." "Vor der Aufgabe fürchte ich mich nicht, wehrte Katie ab. "Es wäre nur nicht richtig, das ist alles." "Sollte das mit dem Kuss zusammenhängen, dann versichere ich Ihnen, dass es nicht wieder passieren wird." Sie musterte ihn mit schräg gelegtem Kopf. „Es hat nichts damit zu tun. Sehen Sie, es muss in Providence eine Menge Leute geben, die sehr gern für Sie bei diesem Projekt arbeiten würden. Warum stellen Sie nicht jemanden von denen ein?" "Großväter mag Sie, Katie. Er besteht darauf, dass es sein Geburtstag ist und dass Sie es sein sollen, die das Fest arrangiert." Seine Stimme klang weich dabei, und er lächelte. "Es würde meinen Brüdern und mir viel bedeuten, wenn Sie Ihre Entscheidung noch ein letztes Mal überdenken würden." Er machte eine kleine Pause, um den Druck auf Katie ein wenig zu verstärken, bevor er sie mit dem letzten Satz zur Entscheidung geradezu zwang. "Ich bitte nur selten zwei Mal, Katie." Katie holte tief Luft und hielt sie eine Weile an, während sie mit sich kämpfte. Sie wollte diese Herausforderung annehmen. Ihr ganzer Körper schmerzte vor Sehnsucht, es mit Adam Braddock aufzunehmen. Was natürlich das Hauptproblem war. Sie könnte vorgeben, dass das Knistern zwischen ihnen harmlos sei. Und Adam mochte davon sogar überzeugt sein, dass es bei dem einen Kuss bleiben würde. Doch Katie war klug genug, um zu wissen, dass diese
Anziehung zwischen ihnen sich zu mehr entwickeln würde. Mehr Küsse und ... du lieber Himmel, eine ganze Menge mehr! Wenn sie den Job annahm, den Adam ihr anbot, würde das nur zu Komplikationen führen. "Geht es Ihnen nicht gut?" fragte Adam und sah sie besorgt an. Katie atmete schließlich aus. Sie mochte vieles sein, aber ganz sicher kein Feigling. "Nein, nein, alles in Ordnung", antwortete sie und beschloss, sich kurzerhand auf das Abenteuer einzulassen. Es wunderte sie nur, dass Adam die Blumen nicht im Wagen gelassen hatte. Sie fingen bereits an, in der Nachmittagssonne zu welken. "Sie sollten sie bald ins Wasser stellen", bemerkte Katie und zeigte auf den Strauß. "Sonst sind sie hinüber." "Wie bitte?" "Die Blumen." Offensichtlich hatte Adam vergessen, dass er sie in seiner Faust wie in einem Schraubstock hielt. "Sie sehen nicht mehr besonders frisch aus." Er schien verlegen, als er einen Blick auf den Strauß warf. "Na großartig. Dabei habe ich gehofft, mit den Blumen Ihre Entscheidung zu meinen Gunsten zu beeinflussen." "Sind die etwa für mich?" Katie konnte es nicht fassen, dass Adam ihr Blumen brachte. "Für Sie." Er hielt ihr den Strauß hin, und Katie nahm es wie etwas sehr Kostbares entgegen. Die Blumen dufteten herrlich, und Katie roch daran. "Mmm", murmelte sie. "Danke." "Also, überlegen Sie es sich noch mal? Ich meine, wegen der Party?" Katie zögerte und lächelte ihn schüchtern an, als ob sie plötzlich nicht wüsste, wie sie sich verhalten sollte. Adam hob die Hand, fuhr leicht über ihre Wange und griff vorsichtig in ihr Haar. Katie glaubte, ihr Herz bliebe stehen. "Sie haben Blütenstaub im Haar", erklärte er mit leiser Stimme. "Einen Moment." Katie fühlte ein leichtes Ziepen, als er mit den Fingern durch ihre Locken fuhr. Ihr Herz schlug wie verrückt. Sie wollte den Kopf zurückziehen, aber Adam ließ es nicht zu. "Ssst", sagte er. Wollte er sie beruhigen oder noch mehr Staub aus den Locken streichen? Sie wusste es nicht. „Jetzt ist's gut", murmelte er und lächelte. "Ich stelle die Blumen lieber gleich ins Wasser", meinte Katie etwas verwirrt. "Kommen Sie rein." Und als er einen Blick auf seine Uhr warf, setzte sie schnell hinzu: "Es sei denn, dass Sie keine Zeit haben." Adam kam herein, wahrscheinlich, weil sie die entscheidenden Worte noch nicht ausgesprochen hatte. Sie hatte ihm noch nicht zugesagt. "Ich hole eine Vase", sagte sie. "Machen Sie es sich bequem" Adam schloss die Tür hinter sich. Die Stille im Haus schaffte eine Vertrautheit zwischen ihnen, die sie beide befangen machte. Vielleicht hätte sie auch Benson hereinbitten sollen.
"Hübsches Haus", bemerkte Adam, als Katie aus der Küche mit der Vase und den Blumen zurückkam. Sie stellte sie auf den Couchtisch und sah sich im Wohnraum um. "Ein wenig zu symmetrisch und zu viel Beige für meinen Geschmack. Doch es ist nett genug." "Nichts von dem gehört Ihnen?" "Nichts. Ich babysitte diese Hütte mitsamt dem ganzen Kram." Mit einer Handbewegung forderte sie Adam auf, sich zu setzen, und war ein wenig enttäuscht, als er den Sessel wählte, der am weitesten von ihr entfernt war. Da sie vor der Couch stand, ließ sie sich in die weichen Polster fallen und zog ein Bein unter sich." "Wo bleiben Ihre Möbel und all Ihre Sachen, während Sie auf ein Haus aufpassen?" "Ich sammle nichts an." Adam machte ein skeptisches Gesicht. "Eine positive Einstellung, Katie, aber nicht sehr praktisch. Sie müssen doch Kleidung und persönliche Gegenstände haben." "Was ich brauche, beschaffe ich mir. Wer hat schon einen ganzen Schrank voller Kleider nötig?" Sie zuckte die Schultern. "Ich reise mit leichtem Gepäck." Er musterte Katie, schien immer noch nicht überzeugt zu sein. "Sie müssen doch so etwas wie ein Büro haben. Oder zumindest einen Computer." Katie schüttelte den Kopf. "Einen Schreibtisch, einen Sessel, einen Terminkalender, ein Notizblock? Ich weiß, dass Sie ein Telefon haben." "Ein Handy", gab Katie zu. "Heutzutage ein notwendiges Zugeständnis an Sicherheit und Bequemlichkeit." "Nun, das Handy könnte all dies sein, wenn Sie die Anrufe beantworteten." Er warf wieder einen Blick auf seine Uhr, und Katie wusste, dass er mit seinen Gedanken nicht mehr ganz bei der Sache war. "Ihnen würde es wohl niemals einfallen, einen Anruf unbeantwortet zu lassen?" "Einfallen würde mir das schon", entgegnete Adam. "Nur leisten könnte ich es mir nicht." Als ob dieser Punkt unterstrichen werden sollte, meldete sich sein Telefon, und er holte sein Handy - das neueste Modell - aus seiner Tasche. „Ja, Lara?" Während Adam telefonierte, ließ er Katie nicht aus den Augen. Bei dem unverhüllten Interesse in seinem Blick überrieselte es sie. Sie wäre wirklich ein wenig naiv, wenn sie sich von ihm überreden ließe. Adam stand im gesellschaftlichen Rang meilenweit über ihr. Sie hätte genauso gut auf einem anderen Planeten geboren worden sein. Doch tief in seinem Inneren war er ein einsamer Mann. Das spürte Katie deutlich. So einsam wie sie, auch wenn sie sich das nur in den seltensten Momenten selbst eingestand. "Ich bin in fünfzehn Minuten da", versprach Adam in das Handy, erhob sich, und seine Aufmerksamkeit galt ganz eindeutig nicht mehr Katie, sondern der Lara am anderen Ende der Leitung. Seine Stimme klang aufgeregt, als er
hinzufügte: "Schenken Sie ihm mehr Kaffee ein ... oder Pfefferminztee, wenn er das lieber hat. Unterhalten Sie ihn. Fragen Sie ihn über seine Familie aus. Lassen Sie ihn nur nicht weg, bevor ich eintreffe. Ich verstehe nicht, warum er eine Stunde früher aufkreuzte. Sind Sie sicher, dass Sie ihm vier Uhr gesagt haben?" Eine Pause. "Nun gut. Halten Sie ihn fest, gleichgültig wie, bis ich da bin. Wir finden es später heraus, wer für das Durcheinander verantwortlich ist." "Tut es Ihnen nicht Leid, dass Sie diesen Anruf beantwortet haben?" zog Katie ihn auf. Adam schien den Humor aus ihrer Bemerkung nicht herausgehört zu haben. Er schien sich nicht mal bewusst zu sein, dass er zu ihr sprach und nicht zu sich selbst, als er sagte: "Wieder dieser Wallace. Ich weiß nicht, welches Spiel der Mann mit mir treibt, aber es zermürbt mich." "Es muss ziemlich beängstigend sein, ein Familienunternehmen einfach so zu verkaufen." "Wallace braucht nicht Ihr Mitgefühl, glauben Sie mir. Er wird für seine Schwierigkeiten mehr als gut abgefunden. Er wird keinen Tag in seinem Leben mehr arbeiten müssen." "Was ihm zweifellos am meisten Angst macht." Adam zog die Stirn zusammen. "Für mich ist es beschlossen, ich führe das Vorhaben durch." Er steckte das Handy in die Brusttasche seines Jacketts. "Ich muss jetzt gehen. Bitte, sagen Sie mir, ob Sie für das Geburtstagsereignis dabei sind oder nicht! " Er hielt inne und lächelte sie an. "Und vergessen Sie es ja nicht, Sie haben das Bestechungsgeschenk angenommen." Katie blickte zu den Blumen auf dem Couchtisch hinüber, dann sah sie ihn an. Adam wartete gespannt auf ihre Antwort. Was brachte ihn dazu, stehen zu bleiben und Minuten zu vergeuden, statt zu dem wichtigen Geschäft, das ihm zu entschlüpfen drohte, davonzujagen? Vielleicht war es seine Geduld, die Katie dazu brachte, anzunehmen. "Ich weiß, ich werde es bereuen - und wahrscheinlich Sie auch. Aber einverstanden, ich tue es." Seine Stirn glättete sich, und er lächelte erleichtert. "Ich freue mich." Er bot ihr die Hand, und Katie nahm sie als Zeichen, dass der Handel perfekt war. Eine kleine warnende Stimme meldete sich bei ihr. Zu spät. Ihr gesunder Menschenverstand hatte schon immer mit ihrem unruhigen Temperament im Clinch gelegen. Sie folgte Adam zur Haustür. "Geben Sie mir Zeit", bat sie. "Die Besitzer dieses Hauses kommen am Sonntag zurück, und ich habe mich nicht um eine neue Bleibe in Providence bemüht, da ich ja weg wollte. Ich muss also nach einer neuen Unterkunft suchen." "Bleiben Sie auf Hall", bot Adam ihr an und öffnete die Tür. "Das Anwesen ist groß genug." Er drehte sich noch ein letztes Mal zu ihr um und sah sie an. Eine süße, sinnliche Sehnsucht lag in der Luft. Vorsicht, Katie! Eins musste sie nach Möglichkeit vermeiden: seine körperliche Nähe. "Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, entgegnete sie und wollte ihm schon sagen, dass sie lieber unabhängig bliebe.
Doch Adam beugte sich zu ihr herunter, als ob er sie küssen wollte, und Katie vergaß, warum es ihr so wichtig schien, überhaupt etwas zu sagen. "Ich schicke Benson, um Sie abzuholen. Wann müssen Sie hier raus sein?" Gebannt von der Nähe seiner Lippen, von der Nähe seines ganzen Körpers, brachte Katie nur flüsternd "Morgen" heraus. "Benson wird um die Mittagszeit hier sein." Adam richtete sich mit einem Lächeln auf, drehte sich um und ging hinaus zum Rolls, noch ehe Katie blinzeln konnte. Ganz zu schweigen, bevor sie sich überlegen konnte, in was sie da eigentlich hineingeraten war.
6. KAPITEL Katie betrat das große Eckzimmer, das ihr Schlafzimmer sein würde, und war überwältigt. Es war wie alle Räume im Haus luxuriös und geschmackvoll ausgestattet, und es war mindestens zehn Mal größer als der winzige Raum, der ihr während der elf Jahre bei ihren Großeltern in Oklahoma gehört hatte. "Wow", sagte sie. "Man könnte hier leicht eine ganze Pfadfindertruppe einquartieren." "Von diesem Zimmer aus haben Sie einen großartigen Blick auf den Park", wies Adam sie hin und setzte ihre Reisetasche sowie zwei zum Bersten volle Einkaufsbeutel auf den Boden. Katie ging zum Fenster und schaute hinaus, hauptsächlich um zu verbergen, wie nervös und aufgeregt sie war. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie lange Gespräche mit sich geführt und zwei oder drei kurze Unterhaltungen mit Ilsa Fairchild. Als Benson dann mit dem Rolls-Royce eintraf, hatte sie zu ihrer mutigen, selbstbewussten Haltung zurückgefunden. Sie würde die ganze Partyplanung schaffen, und sie würde sehen, wie es sich auf einem Landgut so lebte. Das hatte angehalten bis zu dem Moment, in dem Adam besitzergreifend ihre Reisetasche nahm und dem Butler sowie Ruth, der Haushälterin, mit Bestimmtheit erklärte, dass er Katie persönlich auf ihr Zimmer begleiten werde. Es war, als ob er ein Anrecht auf Katie geltend machen wollte. "Der Blick von hier ist wirklich schön", stimmte Katie ihm zu. "Als ich noch ein Kind war, durften wir hier im Haus campen, immer in einem anderen Zimmer. Es war Großmutters Idee, und sie war immer dabei. Wahrscheinlich wollte sie sicher sein, dass wir uns im eigenen Haus zurechtfinden und nicht verloren gehen. Dieser Raum hier war ihr bevorzugter Campingplatz." "Und Campingfeuer? Das war wohl nicht drin." "Mit Feuer gehen wir in dieser Gegend sehr vorsichtig um. Das erste HallGebäude war 1834 erbaut und ist 1870 niedergebrannt. Es wurde sofort wieder im Originalstil aufgebaut und brannte 1915 erneut ab. Als das Haus dann zum zweiten Mal aufgebaut wurde, sorgte man für den besten Brandschutz, den es seinerzeit gegeben hat. Natürlich hat man ihn seitdem immer wieder auf den neusten Stand gebracht." "Wie war das Campen mit Ihrer Großmutter?" Adam lächelte weich bei der Erinnerung, und Katie war irgendwie gerührt. "Wir hörten von ihr die Familiengeschichte, hörten von der Verantwortung und Pflicht eines geborenen Braddocks. Natürlich habe ich das damals nicht begriffen, aber Großmutter konnte wunderbar Geschichten erzählen. Ich habe einfach Spaß gehabt, und das genügte uns."
"Ihnen und Ihren Brüdern?" "Zuerst mir allein. Dann kam Bryce dazu und machte mit bei den häuslichen Ausflügen. Als dann Peter hierher kam, um mit uns zu wohnen, war für mich die Zeit, Spaß am Campen zu haben, längst vorbei." "Peter wurde nicht hier geboren?" fragte Katie überrascht. "Mein Vater war der letzte Braddock, der auf Hall geboren wurde. Ich wurde in Boston geboren, als meine Eltern an der Harvard University studierten. Bryce wurde in Dublin und Peter in Kalifornien geboren." "Ihre Mutter ist wohl gern gereist." "Meine Mutter starb bei meiner Geburt", erwiderte Adam. "Bryce’ s Mutter lebt glaube ich, immer noch in Irland. Peter' s Mutter starb vor einigen Jahren. Meinen Vater - und seine Verlobte - werden Sie beim Abendessen kennen lernen." Katie hörte heraus, wie unangenehm ihm das Thema war. "Ich freue mich darauf. Lebt Ihr Vater hier?" "In Colorado. Dem Braddock-Konzern gehören mehrere Produktionszentren im ganzen Land, und er ist dort mit der Unternehmensleitung betraut. Er zieht die Berge dem Ozean vor." "Ich mag Berge", sagte Katie, drehte sich wieder um und schaute aus dem Fenster. Die Anziehungskraft, die von Adam auf sie ausging, raubte ihr fast den Atem. Sie musste sich davon ein wenig distanzieren. "Ich mag auch das Meer. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir wünschen, dort zu sein, wo es einen Garten gibt." Seine Schritte wurden durch den dicken Wollteppich gedämpft, aber Katie wusste, dass Adam näher kam und nur knapp hinter ihr stehen blieb. Sie spürte seine Nähe geradezu körperlich. "Ich habe Abbott gebeten, Ihnen ein kleines Büro im angrenzenden Raum einzurichten mit Telefon, Faxgerät, Computer und anderem notwendigen Zubehör für Ihre Arbeit. Sollten Sie sonst noch etwas brauchen, sagen Sie es Abbott, und er besorgt es Ihnen." "Ich könnte einen Wegführer gebrauchen, um die Treppe nach unten wieder zu finden." Katie konnte ein nervöses Kichern nicht unterdrücken. "Liegen alle Schlafzimmer in diesem Teil des Hauses?" Die Schlafzimmer hier im Westflügel gehören zu den einzelnen Gästesuiten. Die Schlafzimmer im Ostflügel sind für die Familie." Adam schien fast so nervös zu sein wie sie. "Ich dachte, dass Sie hier weniger Ablenkung haben." Das hätte sie, wenn Adam endlich aus ihrem Schlafzimmer verschwinden würde. "Danke, alles ist perfekt", versicherte sie ihm, hielt den Blick aber auf den Park gerichtet, weil es gefährlich gewesen wäre, sich zu Adam umzudrehen. "Die Gärtner könnten sich allerdings als ablenkend erweisen. „Was machen sie nur mit dem Rhododendron da unten?" Adam stellte sich neben sie, um auf die zwei Männer herunterzuschauen, die einen riesigen Rhododendrenstrauch begutachteten - der eine Mann tief gebräunt und nackt von der Taille aufwärts, der andere mit einem breitkrempigen Strohhut auf dem Kopf. "Was sie genau da tun, weiß ich nicht. Aber der mit dem
Hut ist mein Großvater, der andere ist Peter." Und deutlich peinlich berührt fügte er hinzu: "Warum er sein Hemd ausgezogen hat, ist mir schleierhaft." „Ihm war wohl heiß." Katie lehnte sich vor, um Adams Bruder besser sehen zu können. "Oder er möchte noch brauner werden." "Wahrscheinlicher ist, dass er sein Hemd nicht schmutzig machen will. Peter ist immer darauf bedacht, wie aus dem Ei gepellt zu erscheinen." "Hm", murmelte Katie und fragte sich, was Adam wohl dazu bringen würde, sein Hemd auszuziehen. "Er sollte es sich überlegen, ob er nicht des Öfteren oben ohne gehen sollte. Er ist im Adamskostüm recht nett anzusehen." "Im Adamskostüm?" Adams Stimme klang plötzlich frostig. "Mädchenjargon für gut gebaut", erklärte sie. "Ihr Bruder hat einen athletischen Körper", setzte sie sehr direkt hinzu. Die Atmosphäre wurde augenblicklich frostig. "Ich bin sicher, er wäre erfreut, das von Ihnen zu hören. Aber er sollte sich nicht in Sichtweite des Hauses halb nackt zeigen, auch wenn er Ihnen damit den netten Anblick nimmt.“ Katie sah Adam verständnislos an, fand seine Einstellung recht seltsam. Dann zuckte sie die Schultern. "Wird wohl mein Glückstag sein", sagte sie leichthin. "Von übermorgen an werden Sie kaum Zeit für Ablenkungen haben. Abbott besorgt Ihnen am Montagmorgen eine Gästeliste für die Party. Wenn Sie Fragen dazu haben, sprechen Sie meinen Großvater an. Er ist bei dem Fest die Hauptperson, falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten." Und damit war Adam an der Tür, noch bevor Katie sich über den scharfen Verweis in seiner Stimme wundern konnte. Er drehte sich noch ein weiteres Mal zu ihr um. "Den Cocktail gibt es um sieben in der Bibliothek, und wir ziehen uns zum Essen um." "Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt." Katie lächelte. "Obwohl es bei Ihrem Bruder eine Schande ist." "Konzentrieren Sie sich auf die Geburtstagsparty, Ms. Canton. Deshalb sind Sie hier. Ich rate Ihnen, das nicht zu vergessen." Damit war er aus der Tür, die er betont leise hinter sich schloss. Katie starrte noch eine ganze Weile auf die Tür. Was um alles in der Welt war mit Adam los? Er hatte sie hierher eingeladen, hatte praktisch darauf bestanden, dass sie kam, und von dem Augenblick an, in dem sie über die Türschwelle getreten war, benahm er sich wie ... nun, reichlich nervös. Besorgt, übereifrig, zutraulich, distanziert, brüsk. Und das alles innerhalb einer knappen halben Stunde, die sie auf Braddock Hall war. Sogar seine letzte Reaktion auf ihre völlig harmlose Bemerkung war total übertrieben, fast so, als ob er eifersüchtig wäre. Aber das wäre verrückt. Sie war Peter bis jetzt noch gar nicht persönlich begegnet. Er hatte sie vor Bryce gewarnt. Wollte er sie auch vor seinem jüngsten Bruder warnen? Sich deswegen aber so anmaßend aufzuführen! Vielleicht sollte das eine nachdrückliche Warnung sein, womöglich auf den dummen Gedanken zu kommen, sich in Braddock Hall einnisten zu wollen.
Nun, wenn Adam das dachte, dann sollte er sich auf etwas gefasst machen! Und sie würde gleich damit beginnen. Gestern hatte sie von ihrem Sparbuch eine ganze Menge Geld abgehoben, um sich eine funkelnagelneue Garderobe zuzulegen. Es war ein kleines Zugeständnis an den Standard der Braddocks. Jetzt war sie froh, dass sie es getan hatte. Sie wählte ein Kleid für das Abendessen. Adam blieb der Mund offen stehen, als Katie die Bibliothek betrat. Ganz sicher war jedes andere männliche Wesen im Raum genauso beeindruckt, obwohl er den Blick nicht lange genug von ihr nehmen konnte, um sich davon zu überzeugen. Es war absolut unmöglich, das knapp sitzende rote Kleid nicht zu bewundern. Ein schmales Band aus Spitze hatte sie wie eine Halskette um den Nacken gelegt. Und ihre Schultern waren bis auf die spaghettidünnen Träger nackt. Dabei waren die Spaghettiträger völlig unnötig, um das Kleid vom Rutschen abzuhalten. Es umschmiegte - nicht zu eng und ganz und gar nicht zu lose - Katies fantastische Figur. Adam vermied es, ihr in die Augen zu schauen. Also senkte er den Blick zu ihren Beinen, die ohne Strümpfe waren. Und beeindruckend lang. Und reizend anzusehen. Und als sein Blick weiter nach unten glitt, musste Adam schlucken. Katie war barfuss! Adam wusste nicht, ob er sein Jackett ausziehen und es ihr um die Schultern legen sollte, oder ob er im Hintergrund bleiben und heimlich ihren Zehenring bewundern sollte. James, der nie verlegen war, wenn eine schöne Frau erschien, war im Nu an ihrer Seite, stellte sich ihr vor und bot ihr an, einen Drink für sie zu holen. Bryce, ganz der Vater, drückte ihr ein Glas mit Weinschorle in die Hand, fast noch bevor sie den Wunsch äußern konnte. Peter, der niemals Eile eingestand, zeigte seine Bewunderung für sie mit einem strahlenden Lächeln und kam dann zu ihr, um sich mit ihr bekannt zu machen. Ohne jede Anstrengung hatte Katie sie alle bezaubert. Und sie zeigte Stil, denn sie ließ nur wenige Minuten vergehen, bevor sie sich Archer liebevoll zuwandte. Als dem Familienältesten erwies sie ihm die gebührende Achtung, begrüßte ihn respektvoll und dankte ihm für die Einladung. Seine Augen strahlten, während er mit ihr plauderte. Und Adams Zweifel, ob es klug war, Katie hierher nach Hall zu bringen, schwanden. Wenn auch nicht ganz. Als Monica, eine zierliche Brünette, die Bibliothek betrat, war ihr glänzender Auftritt bereits verpasst. Ihr perfekt sitzendes schwarzes Kleid schien farblos und unelegant neben Katies stilvoller Einfachheit und ihrer leuchtenden Farbe. Das Glitzern der Diamantentropfen um ihren Hals und in den Ohrläppchen machte sich protzig aus im Gegensatz zu Katies Spitzenschmuck. Der dunkle Ton der Strümpfe an Monikas Beinen wirkte unnatürlich. Und sogar ihre Riemchenschuhe mit den hohen Absätzen sahen übertrieben und affektiert aus. Obwohl James seiner Verlobten den Arm um die Schultern legte und sie mit
einem Kuss begrüßte, machte Monica kein allzu glückliches Gesicht, als er sie Katie vorstellte. "Konnten Sie sich nicht entscheiden, welche Schuhe zum Kleid passten, Katie?" fragte Monica mit unnatürlich klingendem Südstaatenakzent. Katie schaute an sich herunter auf ihre bloßen Füße, blickte dann wieder hoch und lachte über sich selbst. "Ich dachte, dass meine Birkenstock-Sandalen sich zu auffällig machen würden bei meinem Outfit. Und meine Laufschuhe wären noch unpassender. Das ist also das kleinere Übel und nicht so sehr meine freie Wahl." "Sie werden doch nicht nur zwei Paar Schuhe mitgebracht haben?" rief Monica ungläubig. Katie ließ geschickt eine kleine Pause vergehen. "Natürlich habe ich das", antwortete sie dann und bewies Monica, dass auch sie den Südstaatenakzent beherrschte. "Ich besitze nur die zwei Paar Schuhe. Stellen Sie sich das vor!" Es war klar, dass Monica sich so etwas nicht vorstellen konnte. "Das nehme ich Ihnen nicht ab. Ich kenne keine Frau, die nicht zumindest ein Dutzend Paar Schuhe besitzt." "Ich gratuliere Ihnen. Nun kennen Sie eine." Von da an gehörte der Abend Katie. Sie konnte nichts mehr verkehrt machen. In einem kurzen zivilisierten Wortwechsel hatte sie es abgelehnt, sich herablassend behandeln zu lassen. Und sie hatte bei den Braddocks etwas eingeführt, was vordem bei deren offiziellem Familiendinner unbekannt gewesen war. Barfuss zu erscheinen, mit einem Silberring am Zeh. Adam kam in Braddock Hall mit vier Paar Damenschuhen der Größe 37 an. Die Größe hatte er geschätzt, und er war mächtig stolz auf sich selbst. Das Gefühl verging schnell genug, als Abbott ihm mitteilte, dass Ms. Canton, mitsamt dem Rest der Familie, einen Tagesausflug nach Boston gemacht habe. Sogar Mr. Archer habe sich der Fahrt angeschlossen. Und nein, Abbott erwarte nicht, dass sie zum Abendessen zurück sein würden. Er glaubte sogar, dass sie vorhätten, ein neues Restaurant auszuprobieren. Während Adam seine einsame Mahlzeit einnahm, kam er zu dem Schluss, dass er einen Riesenfehler gemacht habe. Er hätte Katie nicht nach Braddock Hall einladen sollen. Ein noch größerer Fehler war es gewesen, so anmaßend zu sein, ihr Schuhe zu kaufen. Schuhe! Was zum Teufel war bloß mit ihm los? Die Dinge waren von dem Moment an als er Katies Telefonnummer gewählt hatte verkehrt gelaufen. Vielleicht erst von dem Augenblick an, als er sie auf ihrer Veranda so impulsiv geküsst hatte. Es spielte keine Rolle. Er würde diesem Unsinn ein Ende setzen, und zwar sofort. Katie war hier, um das Fest für seinen Großvater vorzubereiten, und er würde darauf bestehen, dass sie sich genau damit befasste. Von nun an würde er darauf achten, dass sie mit der Party beschäftigt blieb und keine Zeit damit verschwendete, nach Boston abzuschwirren, oder mit Bryce zu segeln oder sich mit Peter auf Einladungen zu amüsieren, oder was auch immer.
Und morgen früh würde er als Erstes die Schuhe zurückgehen lassen. Katie hatte drei Kleider. Ein kurzes rotes mit Spaghettiträgern, ein schmales blau gemustertes, ebenfalls kurz, mit leicht plissierten Ärmeln, und das unvermeid liche kleine Schwarze mit rundem Ausschnitt und einer fünf Zentimeter breiten schwarzweißen Taftrüsche unten am Saum. Alle drei Kleider waren passend genug für den Abend mit den Braddocks, die sich in Schale geworfen hatten. Katie hatte vorgehabt, sich Schuhe zu kaufen, das hatte sie wirklich. Aber am Sonntag war sie von Bryce für den Nachmittag nach Newport eingeladen worden und für den Abend von Peter zu einer Party. Für beide Ausflüge waren ihre Birkenstock-Sandalen gerade passend zu ihren matrosenblauen CapriHosen und dem Baumwollsweater. Am Montag machten sie dann den bereits erwähnten, improvisierten Ausflug nach Boston, von dem sie spät zurückkehrten. Am Dienstag lieh sie sich Ruths Fahrrad und fuhr nach Sea Change, wo sie sich jedoch leider in einer erhitzten Auseinandersetzung zwischen Betina von ‚Betinas Cut und Curl' und Ethan von der ‚Sea Change Antikensammlung' wieder fand und das mitten auf dem Rathausplatz. Betina wurde als Neuling angesehen, da sie ihren Schönheitssalon erst sechs lumpige Jahre besaß, während Ethan seine Wurzeln bis in das Jahr 1679 zurückverfolgen konnte. Im Augenblick stritten sie darüber, ob die Dockside Avenue einschließlich des Bürgersteigs und dem Fußgängerüberweg mit Backsteinen repariert werden sollte oder nicht. Betina und ihre Anhänger fanden, dass Backsteine der Straße ein historisches und kleinstädtisch behagliches Flair verleihen würden. Ethan und sein Kundenkreis riefen: "Unsinn". Ihrer Ansicht nach hatte Sea Change eine Menge von echter Geschichte zu bieten, und es war schon sowieso nett und typisch genug mit seinem rissigen Straßenpflaster und den schadhaften Fußgängerwegen. Bis der Streit in einem Kompromiss endete, hatte Katie vergessen, dass sie der Schuhe wegen gekommen war. So nahm sie am Abend kurz vor dem Dinner eine blaue Borte und schnürte sie lose um ihren großen Zeh, schlang sie dann zwei Mal um den Knöchel und band die Borte ein wenig höher am Bein zu einer flotten Schleife. Sie wiederholte das Ganze am anderen Fuß und fand, dass es eine recht raffinierte Lösung für ein vorübergehendes Problem sei. Aber als sie dann sah, wie Adam auf ihre Füße starrte, nicht nur ein Mal, sondern vielmals; als sie merkte, wie er versuchte, es zu verbergen, dass er ihren Fußschmuck wahrgenommen hatte; als sie erkannte, wie seine Augen glänzten, als er ihr ins Gesicht sah und den Blick schnell abwandte, als ob ihre Augen genauso geglänzt hätten wie seine ... nun ja, da fing sie an, sich ernsthaft zu überlegen, ob sie tatsächlich Schuhe kaufen sollte. Warum aber sollte sie Geld ausgeben für etwas, was wirklich nicht nötig war auf Hall mit seinen herrlichen Böden und den weichen dicken Wollteppichen?
Nicht zu vergessen die Zugabe, dass Adam sie ganz eindeutig allein ihrer bloßen Füße wegen nicht aus den Augen lassen konnte. Zum Verführen fehlte Katie die Praxis. Sie hatte schon immer gefunden, dass sie dafür nicht gewitzt genug sei. Außerdem gehörten dazu immer zwei, einer, der verführte, und der andere, der sich gern verführen ließ. Und sie konnte sich Adam Braddock weder als Verführer noch als Verführter vorstellen, jedenfalls nicht, wenn es sich um sie handelte. Dafür kämpfte er zu sehr gegen die Anziehung an. Wenn es aber Adam durcheinander brachte, dass sie barfuss zur Cocktailstunde und zum Abendessen erschien, und wenn er dadurch jeden Abend seine Gedanken für eine kurze Zeit von den Aktienkursen und dem Ankauf der Wallace-Werke wegbekam ... nun, warum sollte sie dann tatenlos bleiben? Sie war der Meinung, dass er weniger Verantwortung brauchte und eine Menge mehr Fantasie in seinem Leben nötig hatte. Eine Frau, über die er fantasieren konnte, wäre das absolut Richtige. Und diese Frau könnte ebenso gut sie sein. Warum nicht? Wieder trug sie die Bänder an ihren Füßen. Adam konnte es nicht fassen. Er konnte auch nicht aufhören, immer wieder hinzusehen. Sogar als Katies Beine unter dem schweren Mahagoniesstisch verschwanden, konnte er nicht aufhören, über mit Bänder geschmückte Füße nachzudenken. Er hatte keine Ahnung, was zum Essen serviert wurde. Huhn? Ente? Es hätten Austern sein können, es wäre seiner Aufmerksamkeit entgangen. Als dann der Kaffee eingeschenkt wurde, entschied er, dass es an der Zeit war, diesem barfüßigen Unsinn ein Ende zu setzen. Ein für alle Mal. Er hatte die Schuhe noch nicht zurückgebracht. Er würde sie Katie geben, so wie er es beabsichtigt hatte. Er würde ihr taktvoll nahe legen, dass es wohl besser sei, wenn sie zum Dinner kam, etwas anderes an den Füßen zu tragen als Bänder oder Ringe. Damit würde er beide Probleme auf einen Schlag lösen: sein Unbehagen und ihre Verlegenheit, nur zwei Paar Schuhe zu besitzen. Auf den Gedanken, dass Katie seine Aufmerksamkeit vielleicht nicht zu würdigen wüsste, wäre er nie gekommen.
7. KAPITEL Kaum, dass Bryce an Adams Schlafzimmertür geklopft hatte, wurde sie auch schon geöffnet. "Hast du Katie gesehen?" fragte er seinen Bruder. Adam machte ein finsteres Gesicht, fand seinen Bruder aufdringlich und fuhr damit fort, sein Hemd zuzuknöpfen. "Sie ist nicht hier." "So viel weiß ich selbst", erwiderte Bryce grinsend. "Lass mich die Frage anders formulieren. Hast du eine Ahnung, wo Katie sein könnte?" "Ich kann nur hoffen, dass sie in ihrem Büro ist und sich mit Großvaters Geburtstagsparty beschäftigt. Aber da sie ja nicht mit dir unterwegs ist, vermute ich, dass sie irgendwo mit Peter zusammen sein muss." "Peter ist in Boston. Schon seit Sonntag." Bryce trat ins Zimmer und ging zum Wandschrank. "Wenn du die letzten zwei Abende mit uns gegessen hättest, dann wüsstest du das." "Einer von uns zumindest muss arbeiten." "Was?" kam die gedämpfte Antwort aus dem Wandschrank. Adam erhob darauf die Stimme, damit seine Worte - und sein Ärger - auch im Wandschrank gehört wurden. "Ich muss arbeiten, damit du im großen Stil leben kannst." Bryce drehte sich zu ihm um mit einem gutmütigen Lächeln auf seinem hübschen Gesicht und einer roten Seidenkrawatte in der Hand. "Ich weiß das zu würdigen, großer Bruder, und ich weiß auch, was du mit großem Stil meinst. Weib, Wein und Gesang, hab ich Recht?" "So weit würde ich nicht gehen", entgegnete Adam zugeknöpft. Seit nunmehr einer Woche war er in mieser Stimmung. Seit Katie Bänder um ihre Füße schlang und in dieser Aufmachung zum Dinner erschien. Seit Katie ihm um die Ohren gehauen hatte, wo er mit den vier Paar Damenschuhen bleiben könne. "Du scheinst in letzter Zeit nur nichts anderes im Kopf zu haben als dein Segelboot und Katie - die Partyorganisatorin", fügte er sarkastisch hinzu. "Du bist nur wütend, weil sie ihre Arbeit nicht auf die Weise tut, wie du es haben möchtest." "Wenn ich mich mit dieser Party selbst befassen wollte, dann hätte ich sie nicht engagiert." "Natürlich hättest du. Du meinst nur, du hättest sie eingestellt, um die Arbeit selbstständig zu verrichten. In Wahrheit aber brauchst du Arbeitsbienen, die herumschwirren und den Job exakt so ausführen, wie du sie selbst ausführen würdest. Ich will dich wirklich nicht enttäuschen, Adam, aber du bist der Urtyp eines selbstherrlichen Brotgebers." Bryce hielt die Krawatte gegen sein gelbes Karohemd. "Was meinst du, wäre sie zu auffällig für den Klub? Deren Regel ist, dass man mit Krawatte zum Dinner erscheinen soll. Aber du weißt, dass ich alles Konventionelle hasse."
Adams Gesicht hatte sich noch mehr verfinstert. "Diese Kombination würde deine Abneigung jedenfalls sichtbar machen. Hast du nicht selbst Krawatten?" "Keine, die zu diesem Hemd passt. " Er warf sich die Krawatte über die Schulter. "Ich nehme Katie zum Lunch mit in den Klub. Möchtest du auch mitkommen? Du könntest ihr Ratschläge geben." "Eine verlockende Einladung", entgegnete Adam und stopfte sein Hemd mit mehr Nachdruck in die Hose, als nötig gewesen wäre. "Aber wie ich schon sagte, ich arbeite heute. Anders als du. Oder Katie, ganz offensichtlich." "Warum sollte ich arbeiten, wenn ich dich habe, der es für mich tut? Was Katie betrifft, so hat sie wie ein Pferd gearbeitet, Adam. Frag Großvater. Frag Dad, wenn du ihn lange genug von Monica wegbekommst, um einen Satz zu beenden. Katie hat sogar ihre Freizeit in der Stadt verbracht, um zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln wegen der Pflasterung, damit die Streithähne noch vor Sonntag zu einer Einigung kommen. Nächste Woche bei der Ratsversammlung ist das Thema für dich jedenfalls vom Tisch." "Sie sollte sich aus der Lokalpolitik heraushalten und sich darauf konzentrieren, wozu ich sie hierher gebracht habe." Adam schloss den Gürtel und nahm seine Krawatte auf - eine konservative, die bereits mit dem Anzug zurechtgelegt war. "Wenn ich gewusst hätte, dass sie mir so viel Ärger schafft…" "Welchen Ärger? Katie kümmert sich um die Party, sie ist freundlich, sie ist höflich, sie isst nicht mit den Fingern, sie ist witzig, keine Spielverderberin, und sie hat immer und für jeden ein Lächeln bereit. Sogar für dich. Obwohl du, seit sie den Fuß in dieses Haus gesetzt hat, wie ein Bär mit einer verletzten Tatze brummend herumläufst. " "Sie kommt barfuss zum Dinner." Es war heraus, ehe Adam sich zurückhalten konnte. "Wirklich?" "Erzähl mir nicht, dass du es nicht bemerkt hättest." Er ging zum Spiegel, um den Krawattenknoten zu überprüfen. "Vielleicht hab ich es, aber ist das so wichtig? Katie brachte uns das erste bisschen Sonnenschein, das wir nicht gehabt haben, seit Großmutter gestorben ist. Großvater ist fast wieder er selbst. Er lacht und pfeift fröhlich, wenn er im Garten herumpuzzelt. Ich habe sogar Abbott vor ein paar Tagen eine Melodie aus einem Musical summen hören." "Das kann man wohl kaum Katie als Verdienst anrechnen", entgegnete Adam, obwohl er auch bemerkt hatte, dass sich auf Braddock Hall die Stimmung aufgehellt hatte. Bis auf ihn selbst. Er wünschte sich, dass er sich entspannen und sich an den Neckereien, die Katie überallhin zu folgen schienen, mitbeteiligen könnte. Aber einer musste schließlich verantwortlich sein und darauf sehen, dass die Arbeit getan wurde. Und wie immer war das seine Aufgabe.
Er riss den zu engen Knoten ungeduldig wieder auf und band die Krawatte neu. "Vor allem, da sie fast ihre ganze Zeit damit verbringt, entweder dich oder Peter zu unterhalten, wofür ich sie nicht bezahle." "Wenn ich es nicht besser wüsste, Adam, würde ich annehmen, dass du eifersüchtig bist." "Eifersüchtig?" wiederholte Adam höhnisch. "Auf wen? Auf dich?" "Ja", bestätigte Bryce. "Auf mich. Auf Peter. Auf jeden, dem Katie auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkt." Adam lachte gezwungen und zupfte an dem neu gebundenen Knoten zwischen den gestärkten Ecken seines Hemdkragens. "Glaub mir, ich bin nicht eifersüchtig." Das war eine dicke Lüge. Und er hätte das genauso gut gewusst, wenn sein Herzklopfen es ihm nicht verraten hätte. So lächerlich es auch schien, so unmöglich geradezu, aber er war so eifersüchtig, dass er nicht mehr klar denken konnte. "Und wenn ich eifersüchtig wäre?" fuhr er in einem gewollt kühlen Ton fort und griff nach seinem Jackett. "Dann kannst du sicher sein, dass ich sie dir einfach wegschnappen würde." Bryce lachte. "Das möchte ich erleben!" "Du meinst, ich könnte es nicht?" "Du könntest es schon. Nur glaube ich nicht, dass du das Risiko eingehen würdest, um es herauszufinden." Bryce ging zur Tür. "Danke für die Krawatte." „Ich will sie zurückhaben." Bryce blieb in der Tür stehen und hielt mit einem aufreizenden Lächeln die rote Krawatte vor sein gelb kariertes Hemd. "Du bekommst Katie", sagte er mit einem Schulterzucken, "wenn du den Schlips wieder zurückbekommst." Mit dieser brüderlichen Herausforderung - und mit der Krawatte - verschwand er. Feinfühliges Vorgehen half nichts. Katie hatte es mit dem besten Lächeln bei Adam versucht. Sie hatte versucht, sehr aufmerksam zuzuhören, wenn er sprach. Sie hatte versucht, eine Unterhaltung anzuregen, die sich um mehr persönliche Dinge drehte als darum, wie viel von den Garnelen der Speise- und GetränkeLieferant bringen sollte oder wie viele von den Eingeladenen bis jetzt zugesagt hätten. Sie hatte alles Erdenkliche versucht bis auf eins: ihm einen unanständigen Antrag zu machen. Wenn sie das auch noch hätte versuchen wollen, dann wäre das nur per Telefon möglich gewesen. Oder per Fax. Was nicht elektronisch war oder aus seiner Aktentasche kam, war für diesen Mann uninteressant. Wahrscheinlich hatte sie seine Gefühle verletzt wegen der Schuhe. Aber Adam hatte sie total überrumpelt, als er ihr zuflüsterte: "Ich habe etwas für Sie, aber später." Sie hatte geglaubt ... Egal, was sie geglaubt hatte. Doch nie und niemals hätte sie erwartet, vier Schuhschachteln überreicht zu bekommen, und das von Abbott, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. "Mr. Adam sagte, Sie würden sie brauchen", hatte der Butler gesagt.
Sie hatte Abbott mitsamt den vier Schuhschachteln zu Adam zurückgeschickt und eine Notiz hinzugefügt mit dem Wortlaut: Bitte geben Sie diese Schuhe jemandem, der sie nötig braucht. Ich habe bereits zwei Paar. Rückblickend fragte Katie sich, ob sie nicht etwas zu impulsiv gehandelt habe. Adam hatte es zweifellos gut gemeint, auch wenn er es hätte besser wissen sollen. Sie mochte es nur nicht, dass er einfach über sie bestimmte. Und sie pfiff auf seine rückständige Ansicht, dass sie dem Braddock-Standard nicht entspräche, wenn sie nicht dem letzten Schrei der Fußbekleidung folgte. Besonders verdross es sie aber, dass er ihre bloßen Füße nicht reizvoll oder sexy oder einfach zumindest interessant fand, sondern nur, dass sie Schuhe benötigte. Wenn Adam etwas gegen ihre bloßen Füße hatte, nun, dann sollte er mit ihr darüber sprechen, sollte ihr seine Gründe darlegen, von Angesicht zu Angesicht, von Person zu Person. Adam dachte nicht daran. Oh, es war nicht so, dass er mit Katie nicht gesprochen hätte. Er vermied es nur einfach, das Thema auf ihre Füße zu bringen. Er war nicht oft auf Braddock Hall, aber wenn er da war, schien es, dass er dauernd etwas mit ihr zu besprechen hätte. In seinem Arbeitszimmer. Unter vier Augen. Obwohl Katie es nicht kapieren konnte, warum das nötig war, da sie nur wenige Minuten über die Party redeten, ob sie Probleme habe, ob sie irgendeinen Rat von ihm brauche. Und dann, als ob Adam den ganzen Tag auf diese Gelegenheit gewartet hätte, fing er an, ihr von der Wallace-Übernahme zu erzählen, wie es darum stand, welche Fortschritte das noch immer schwebende Verfahren machte und was er sich mit der Fusion für den Braddock-Konzern erhoffte. Es schien, dass Adam gern hören wollte, was Katie darüber dachte. Obwohl er nie damit klar herauskam, dass er ihre Meinung hören wollte. Manchmal war Katie drauf und dran, ihm offen zu sagen, er solle endlich den Mund halten und sie stattdessen küssen. Da das aber bei Adam ganz sicher schlecht ankommen würde, gab sie die Hoffnung auf eine nette Episode auf und schrieb Adam Braddock als aussichtslosen Fall ab. Aus diesem Grunde hatte Katie auch nicht mit Adam gerechnet, als er eines Abends an ihre Tür klopfte. Und ganz sicher hatte sie nicht damit gerechnet, dass er mit einem Picknickkorb in der Hand, einer Decke unter dem Arm sowie einem hinreißenden Lächeln vor ihrer Schlafzimmertür stehen würde. Sie wusste nicht recht, ob es sie mehr überraschte, dass er da war, dass er keinen Schlips trug oder dass die zwei oberen Hemdknöpfe offen waren. Oder dass er die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte - und das gar nicht sorgfältig. Er wirkte beeindruckend männlich. Und sexy. Sehr sexy. Sein Erscheinen erstaunte Katie in jeder Hinsicht. Und nun stand er vor ihr, ohne sich in Schale geworfen zu haben und völlig selbstverständlich, dabei hatte er sie seit Tagen ignoriert. "Hi", sagte er.
"Hi", antwortete sie vorsichtig. Es könnte ein Trick sein. Im Korb könnten Schuhe sein. "Ich wollte Sie zu einem Picknick einladen." Er hielt den Korb hoch, für den Fall, dass Katie ihn nicht bemerkt hatte. "Ein Picknick", wiederholte Katie und fragte sich, was dieser Mann hier mit dem wahren Adam angestellt haben könnte. "Ein Picknick", bestätigte er. "Wir zwei?" fragte Katie direkt. "Zu einem Picknick?" Sein Lächeln wurde breiter. "Das hatte ich vor, als ich Abbott bat, diesen Korb zu packen." "Nur Sie und ich?" Katie wollte sicher sein, ob er sie und nicht das Faxgerät meinte. "Alleine?" Er blickte unverblümt auf ihre Brüste, lange genug, dass Katie Probleme mit dem Atem bekam. Dann sah er ihr ins Gesicht. Wow, wenn das nichts war! Sie kühlte ihre aufsteigende Hitze und ihren stolpernden Puls mit einer gesunden Dosis Skepsis. "Ich wollte gerade zum Dinner gehen." Sie warf einen nachdrücklichen Blick auf ihre bloßen Füße. Adam folgte ihrem Blick nicht. "Wir haben heute endlich mit Wallace das Abkommen getroffen ' dank unter anderem - auch Ihrer Vorschläge. Und da dachte ich... " Er zögerte deutlich befangen. "Und da hoffte ich, dass Sie aus diesem Anlass mit mir feiern würden." "Ich gratuliere", sagte Katie immer noch ein wenig misstrauisch. Adam lehnte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen, als ob er viel Zeit hätte und Katie nicht drängen wollte. "Also?" fragte er. "Kommen Sie mit mir?" „Zu einem Picknick", wiederholte sie, um es noch ein letztes Mal bestätigt zu bekommen. „Ja.“ "Nur wir zwei allein." Katie wollte sich vergewissern, auf was sie sich da einließ, bevor sie sich dem Abenteuer aussetzte. Sein Lächeln gab ihm ein verwegenes Aussehen. "Ich habe nur ausreichend Champagner für zwei eingepackt." "Sie meinen, Abbott." Adam zog die Augenbrauen fragend hoch. "Abbott?" "Abbott hat den Korb gepackt, also hat er genug für zwei reingetan." "Nein", verbesserte Adam. "Ich selbst bin in den Weinkeller gestiegen und habe den Champagner ausgesucht. Ich bin kein großer Kenner von Champagner, aber dieser hier soll ein sehr guter Jahrgang sein. Vertrauen Sie mir, wir werden ihn mit niemandem sonst teilen." Vertrauen Sie mir. Aha. Ein wohl durchdachter Plan. Katie kreuzte die Arme, fuhr mit den Fingerspitzen über die Ärmel ihres roten Kleides und überlegte, was Adam wohl tatsächlich im Sinn hatte. Und ob sie sich auf diesen kleinen Ausflug einlassen sollte oder ihn jetzt gleich zwingen sollte, Farbe zu bekennen. "Wissen Sie, Adam, Sie müssen mich nicht mit Champagner
bestechen, um die letzte Kopfzählung für die Party zu bekommen. Es sind 243 mit steigender Tendenz." Adam sah sie verständnislos an. "Ich dachte, wir hätten nur zweihundert Gäste eingeladen." Aha. Na also. "Ich wusste, dass der wahre Adam sich irgendwo hinter dem Picknickkorb versteckte." Sein Lächeln kam spät, aber es hatte sich gelohnt zu warten. "Ich treffe ein Abkommen mit Ihnen, Katie. Die Geburtstagsparty und jedweder Plan, den Sie für die Party gemacht haben, sind heute Abend als Thema tabu. Es sei denn, Sie möchten darüber reden. Ich verspreche, dass ich damit nicht anfangen werde." Es machte Katie neugierig, worüber Adam mit ihr reden wollte, außer über geschäftliche Dinge. Und auch die Art und Weise, wie er mit ihr flirtete, kam so unerwartet, dass Katie das gern ergründen wollte. Adam hatte ganz eindeutig etwas im Sinn. "Für ein Picknick braucht man eine Stunde, mindestens. Und das ist eine lange Zeit für Sie, um sich mit mir über alles Mögliche, nur nicht über das Geschäftliche zu unterhalten." Er hob die Schulter, mit der er gegen den Türrahmen lehnte. "Eine Stunde vergeht im Nu. Aber wenn Sie mich auf die Probe stellen wollen, akzeptiere ich es." Adam sagte das mit einschmeichelnder Stimme, und Katie gefühlsduselige Närrin, die sie nun einmal war - wurde bereits Wachs in seinen Händen. Wenn er sie jetzt berührte, würde sie ihm wahrscheinlich an die Brust sinken. "Es war keine Probe", erwiderte sie grantig, weil sie ihr Rückgrat wieder stärken wollte. "Aber, wie man so sagt, wem der Schuh passt..." Keine gute Wortwahl, wie Katie zu spät bemerkte. Adam lachte erst, als sie ihren Satz abbrach. "Schuhe sind freiwillig bei diesem Picknick, wie bei den meisten Anlässen. Ich glaube, ich bin Ihnen eine Abbitte schuldig, Katie. Ich bin noch nie einer Frau begegnet mit Ihrem Sinn für - Stil." Ein wenig Anstoß nahm Katie an seiner, wenn auch kaum wahrnehmbaren Pause vor "Stil". "Ich sollte Schuhe anziehen. Die Wege sind manchmal steinig." "Bleiben Sie barfuss. Wenn es steinig wird, trage ich Sie." Ihr Herz machte einen Satz bei dieser Vorstellung. Sie schluckte. "Nun gut“, willigte sie ein. "Wenn das so ist, worauf warten wir?" Mit der freien Hand ergriff Adam ihre Hand und zog Katie den Korridor entlang. "Darauf habe ich gehofft." Es war, als ob ab jetzt etwas Neues beginnen würde. Als ob Adam symbolisch die vergangenen Wochen ungeschehen machen wollte. Aber vielleicht war Katie nur überoptimistisch, während sie von seiner Hand geführt über den schwach beleuchteten Korridor zur Treppe ging. "Sollten wir nicht kurz bei der Bibliothek vorbeischauen und der Familie Bescheid sagen, dass wir nicht zum Essen da sind?" gab Katie zu bedenken.
"Nein", wehrte Adam entschieden ab. "Abbott weiß Bescheid, und die anderen werden es sich wohl denken können, dass wir zusammen sind." "Vielleicht sollte ich es Bryce sagen, nur aus Höflichkeit. Er wollte nach dem Dinner mit mir eine kleine Spritztour in die Umgebung machen." "Das ist nicht nötig. Bryce wird wissen, dass Sie mit mir unterwegs sind." So, wie er das sagte, wurde Katie argwöhnisch. "Und warum sollte Bryce auf diese Idee kommen, Adam?" Er blickte sie an, ging aber weiter, hielt sie immer noch an der Hand, die er kaum merklich drückte. "Er wird, das ist alles." Katie war im Bilde. Zwei Brüder, eine Frau. Das brauchte man nicht wissenschaftlich zu ergründen. Sie blieb abrupt stehen und entzog ihm die Hand. "Ist das eine Art Kampf zwischen Rivalen? Ein Wettstreit? Welcher der Braddock-Brüder heute Nacht das Mädchen rumkriegt? Deshalb dieser plötzliche Wandel im Benehmen, Adam?" Er gab ihr nicht gleich eine Antwort. Er überlegte erst kurz. Dann setzte er den Picknickkorb ab und legte die Hände sanft, aber fest auf ihre Schultern. "Bryce hatte den Nerv, mir zu sagen, ich könne es ja mal versuchen, Sie ihm wegzuschnappen. Er warf mir auch vor, eifersüchtig zu sein, was ich bestritt. Ich habe lange darüber nachgedacht, und bin zu dem Schluss gekommen, dass er Recht hat. Ich habe mich in dieser Woche schlimm benommen. Ich hätte Ihnen sagen können, dass ich den Kopf voll hatte mit dem Wallace-Abkommen. Ich hätte mindestens ein Dutzend Entschuldigungen vorbringen können, und alle wären nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt gewesen. Aber der Grund ... der einzige Grund, warum ich hier bin, hat nichts mit Bryce oder Peter zu tun, sondern allein mit dem einfachen Wunsch, mit dir zusammen zu sein." Adam hatte in diesem Moment Katies Herz gewonnen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn impulsiv auf den Mund. Es war kein neckischer Kuss, kein aufreizend-spielerisches Getändel. Es sollte ein einfacher, ehrlicher Kuss sein, ein Eingeständnis, dass sie die Anziehung zwischen ihnen spürte und dass sie offen war für das, was sich daraus entwickeln könnte. Aber mit der Berührung ihrer Lippen wurde der Kuss unerwartet zum bindenden Versprechen. Es war plötzlich mehr, als Katie erwartet hatte. Und sie hatte plötzlich Angst, sich der Gefahr auszusetzen, dass ihr sehr wehgetan werden könnte. Langsam und nur widerstrebend zog sie sich zurück und legte ihre Fingerspitzen auf seine Lippen. "Sei vorsichtig, Adam", flüsterte sie rau. "Es wäre sehr ungalant, mir das Herz zu brechen." Er sah sie aus großen Augen überrascht an. "Und sehr leichtfertig, meins zu brechen." Nun war Katie an der Reihe, genauso überrascht zu sein. "Ich nehme an, dass wir uns beide als gewarnt betrachten können, stimmt's?" Sie lächelte und nahm den Picknickkorb auf. "Ich bin hungrig", erklärte sie resolut. "Wir sollten nicht allzu lange mit dem Essen warten."
Verführung war nicht Adams ursprünglicher Plan gewesen. Er hatte geglaubt, dass wenige Stunden mit Katie zusammen genügen würden, um den Zweck der Einladung zum Picknick zu erfüllen. Er hatte vor, Bryce wissen zu lassen, dass Katie weder für ihn noch für Peter zu haben war. Er hatte vor, die Rivalen auszuschalten und sich selbst einzuschalten mit einem sorgsam durchdachten, taktisch ausgearbeiteten Plan. Er hatte sich selbst auf die Schulter geklopft, als ihm der Gedanke mit dem Picknick gekommen war. Ein Treffen sollte es sein, das Katie mit ihrem spontanen Wesen, mit ihrem Hang zu Spaß und schlagfertigen Neckereien entsprach. Sie könnte auch barfuss kommen, wenn sie wollte. Das hatte er ihr zugestanden und dabei halbwegs gehofft, dass sie es sogar tun würde. Und er hatte den Moment kaum abwarten können, wo sie die Tür öffnen und ihn mit dem Picknickkorb sehen würde. Den ganzen Tag lang war ihm kein einziges Mal eingefallen, dass Katie das Picknick ablehnen könnte. Er hatte ein Picknick geplant, und Katie würde freudig mitkommen. So einfach war es gewesen. Bis zu dem Moment als Katie die Tür öffnete und es ihn einfach umhaute. Sie trug wieder das rote Kleid, dieses Mal mit einem silbernen Halsband und einem winzigen Herzen als Anhänger, der sich an ihre Halsgrube schmiegte. Die braunen Locken ringelten sich um ihr Gesicht, und er hatte noch niemals so blaue Augen gesehen. Ein Mann könnte in diesen Augen versinken. Was, wenn sie nicht mit ihm ginge? Was, wenn sie Nein sagte? Sie schien völlig verwirrt zu sein, als sie ihn vor ihrer Schlafzimmertür sah. Und von da ab ging alles ziemlich so, wie er es geplant hatte. Bis zu dem Moment im Korridor, als sie ihn geküsst und ihm dann gesagt hatte, dass er ihr Herz nicht brechen solle. Doch da war Adam bereits ein verlorener Mann. Er hatte vorgehabt, zum Watch Hill Cove hinunterzufahren, um dort zu picknicken. Er hatte Benson gebeten, das BMW-Kabrio fahrfertig zu machen und das Verdeck runterzulassen. Ein bisschen erhöhte Geschwindigkeit auf der Vergnügungsfahrt, ein bisschen den wagemutigen Draufgänger spielen, das hatte er für den Abend ins Auge gefasst. Doch auf halbem Wege zur Garage machte Katie sich daran, seine Pläne zu ändern. "Warum sollten wir den ganzen Weg bis zum Strand fahren, wenn es einen perfekten Picknickplatz gleich hier gibt?" Adam konnte sich nicht vorstellen, welchen Platz sie meinte. "Hier?" "Die Gärten", antwortete sie und zeigte auf den Park rund um das Haus. "Du hast diese wunderbare, exotische Naturanlage gleich hier um Braddock Hall herum." Mit schräg gelegtem Kopf betrachtete sie Adam. "Und ich wette, dass du seit Jahren nicht im Tropengewächshaus gewesen bist." "Erst vor zwei, drei Monaten bin ich dort gewesen", entgegnete er, obwohl er es nur seinem Großvater zuliebe betreten hatte, um sich die neuen Farngewächse anzusehen, die Archer aus Südamerika importiert hatte. "Und der Strand ist um diese Dämmerstunde besonders angenehm. Nicht zu heiß, nicht wimmelnd von Sonnenanbetern."
"Aber nicht so zurückgezogen wie die Stelle, die ich meine." Nun, warum sollte ein Mann mit gesundem Menschenverstand dem widersprechen?
8. KAPITEL Adam picknickte auf die gleiche Weise, wie er alles tat: gründlich, zügig, konzentriert und mit einem Handy am Hosenbund befestigt. Noch bevor sie zum Ende des Korridors gelangt waren, hatte Katie erkannt, das dies ein Mann mit einem Plan war. Und es war ihr klar, dass sie ihn nur von diesem Plan abbringen könnte, wenn sie ihn aus dem inneren Gleichgewicht brachte. Also hatte sie das Tropengewächshaus vorgeschlagen. Und von dem Moment an, als sie in das feucht-warme exotische Grün traten, hatte sie sich entsetzt gefragt, ob eine Einladung in ihr Schlafzimmer unverblümter hätte sein können. Katie war so nervös, dass sie kaum stillsitzen konnte auf ihrer Seite der Decke. Sie war zu unruhig und aufgeregt, um mehr als ein paar Bissen von dem zu essen, was Abbott mit so großer Sorgfalt eingepackt hatte. Sie hatte zu viele Schmetterlinge im Bauch, um dem Champagner zu erlauben, seinen Zauber auszuüben. Sie war zu unsicher, was als Nächstes geschehen würde, um sich zu entspannen. "Du bist also auch von den Großeltern aufgezogen worden." Adam fuhr fort, sich mit ihr zu unterhalten, als ob die Luft um sie herum nicht erotisch aufgeladen wäre. Als ob sie sich nicht inmitten einer reizvollen, tiefgrünen Abgeschiedenheit befinden würden. Als ob der Champagner nicht in ihren Gläsern perlen und das Licht der hohen, eleganten Kerzen auffangen und es reflektieren würde. Wie es sich herausstellte, wusste Abbott, wie man ein romantisches Picknick stilvoll gestaltete. "Ja", antwortete Katie. Adam lächelte für seine Verhältnisse geradezu sanft und schüttelte leicht den Kopf. "Ich habe dir die letzte halbe Stunde fast ein Dutzend Geschichten über meine Kindheit erzählt, und du hast jede meiner Fragen mit einem knappen Ja oder Nein beantwortet. Willst du absichtlich geheimnisvoll erscheinen, Katie?" "Ich wollte nicht mit vollem Mund reden." Sie leckte sich die Finger, um es glaubhafter zu machen, dass sie zu sehr mit Essen beschäftigt gewesen wäre, um ihm ausführlich zu antworten. "Es ist einfach gemein, was Abbott alles in diesen Korb gepackt hat." "Er hat darin Erfahrung. Meine Großmutter liebte Picknicks im Sommer." "Und campen im Haus", ergänzte Katie, um Adam zu zeigen, dass sie sich erinnerte. „Ja, auch das." Adam faltete nachdenklich seine Serviette zusammen. "Ich würde gern etwas mehr aus deiner Kindheit erfahren. Da wir beide von unseren Großeltern aufgezogen wurden, haben wir ganz sicher so manche Erfahrung gemeinsam.
Katie erinnerte sich nicht gern an jene Zeit. "Das Leben bei meinen Großeltern war für jeden von uns nicht gerade eine glückliche Lösung. Mein Vater und ich sind zu ihnen gezogen, als ich sechs Jahre alt war, nur wenige Monate, nachdem meine Mutter gestorben war. Und kurz darauf starb auch er, nur wenige Monate nach ihrem Tod. Danach gab es nur meine Großeltern und mich." "Keine Tanten, Onkel, Cousins?" "Nein. Nur wir drei." Adam sah sie besorgt an. "Wurdest du ... misshandelt?" Katie lächelte dünn. "Sie haben mich nicht geschlagen oder sowas in der Richtung. Ich bin für sie nur eine zusätzliche Belastung gewesen, die sie in ihrem Alter nicht haben wollten. Und sie vermissten meinen Vater." "Als ob du ihn nicht auch vermisst hättest", bemerkte Adam entrüstet. "Sie waren so gut zu mir, wie es ihnen möglich war. Und auf ihre Weise liebten sie mich wohl auch." Katie sagte das zögernd. "Bitte, verstehe mich nicht falsch, Adam. Ich bin für jede Minute dankbar, die ich bei ihnen sein durfte, und es war trotz allem ein gutes Leben. Ich wünschte nur, sie hätten mehr Freude an ihrem eigenen Leben gehabt." "Sie leben nicht mehr?" Katie schüttelte den Kopf. "Sie starben kurz nacheinander. Sehr bald darauf habe ich ihr Haus verlassen." "Wie alt bist du da gewesen?" "Als ich endlich genug Mut gefasst habe, um in die Welt hinauszuziehen, meinst du? Siebzehn. Knapp." Adam lag auf der Seite mit aufgestütztem Ellbogen, wirkte entspannt und sehr interessiert. "Mit sechzehn bin ich in das Studentenwohnheim vom College gezogen", berichtete er. "Mir ist noch nie zuvor in meinem Leben so bange gewesen." Katie faltete ebenfalls ihre Serviette zusammen. "Das Haus meiner Großeltern zu verlassen war mein größter Wunsch", gestand sie. "Ich hatte das bereits seit Jahren geplant. Und doch war es mir unheimlich." In dem kurzen Moment, wo sie beide schwiegen, kam ein Gefühl der Vertrautheit auf, wie Katie es noch nie empfunden hatte. "Wohin bist du gegangen?" fragte Adam nach einer Weile. Sie zuckte die Schultern. "Überall hin. Meine Teenagerjahre hatte ich zum großen Teil mit dem Studieren von Landkarten und dem Lesen von Reisebüchern verbracht. Als ich Oklahoma dann verließ, habe ich einfach aufs Geratewohl die Orte herausgepickt, zu denen ich mich dann auf den Weg machte." "So einfach kann es doch nicht gewesen sein." "Anfangs vielleicht nicht. Aber mein liebstes Spiel als Kind war, mich mit geschlossenen Augen drei Mal herumzudrehen und mit dem Finger auf die Landkarte zu tippen. Welcher Ort auch immer meinem Finger am nächsten war,
war der Gewinner. " Sie lächelte bei der Erinnerung. "Dann habe ich mir ausgemalt, wie das Leben dort wäre." "Hört sich einsam an." "Noch bevor ich sieben war, wusste ich, was Einsamkeit bedeutet." Sie hatte das noch nie zuvor jemandem eingestanden. Niemals. Aber bei Adam hatte sie das Gefühl, dass er auch das verstand, was sie nicht ausgesprochen hatte. "Du hast deine Mutter früh verloren", erinnerte sie sich, um endlich aufzuhören, über ihre Kindheit zu reden. "Du weißt, wie weh das tut." Erst wollte Adam es leugnen, aber dann öffnete er sich Katie. "Meine Gefühle für meine Mutter waren nicht so, wie sie normalerweise hätten sein sollen. Sie hat mir das Leben gegeben und starb dabei. Ich habe als Kind immer geglaubt, dass sie mich verlassen hat und dass es irgendwie meine Schuld wäre. " "Und dein Vater?" Katie fragte es leise, sie wollte sich nicht aufdrängen. Sie mochte James, und sie wollte verstehen, wie seine Lebensweise Adams beeinflusst hatte. "Er war nicht oft in der Nähe, als du Kind warst?" "Er versuchte manchmal, den Vater herauszukehren, aber er war nicht sehr erfolgreich darin." Adam setzte sich auf. "Meine Großmutter sagte, dass er meine Mutter sehr geliebt habe und ein Teil von ihm mit ihr gestorben sei, und dass er seitdem auf der Suche wäre, wieder so lieben zu können. Ich möchte es gern glauben." Er zuckte die Schultern. "Doch dann kreuzt er mit einer herumstreunenden Katze wie Monica auf und stellt sie uns als seine Verlobte vor, und ich bin überzeugt, dass er nie ein Herz besessen hat, um es verlieren zu können." "Du hast deine Großeltern gehabt, die dir mehr Liebe gegeben haben, als die meisten Menschen sie erfahren. Du hast Glück gehabt, Adam." "Da hast du Recht." Er lächelte zustimmend. "Es tut mir Leid, dass du nicht so glücklich dran gewesen bist." "Es sollte dir nicht Leid tun", entgegnete Katie und meinte das auch so. "Meine Kindheit hört sich armselig an, sogar bedrückend, wenn ich darüber spreche. So war sie nicht. Wer weiß, wenn Vater und Mutter nicht so früh gestorben wären und mir ein glückliches Elternhaus gegeben hätten, hätte ich mich womöglich zu einem rebellischen Punk mit rosa Haar, Piercing an allen möglichen Körperstellen und einer wirklich schlimmen Lebenseinstellung entwickelt." Adam lachte. "Wenn du das so darstellst, dann bin ich froh, dass es bei dir nur zu einem Ring am Zeh gekommen ist." Katie fühlte sich ein wenig geschmeichelt, dass er zumindest ihren Fußschmuck bemerkt hatte, und sie entschloss sich, für die Party jeden einzelnen Zeh in einer anderen Farbe zu lackieren. "Dein Großvater mag meinen Ring", sagte sie. "Vielleicht sollte ich ihm einen zu seinem Geburtstag schenken."
Adam lachte wieder, dieses Mal richtig herzlich. "Ganz sicher wird er das zu würdigen wissen. Mir scheint, dass er alles, was du tust, für sensationell hält. Wie du das fertig gebracht hast, ihn so zu bezaubern, ist mir schleierhaft." Es enttäuschte Katie ein bisschen, dass Adam das, was sie tat, offenbar als nicht so sensationell empfand. Ganz eindeutig hatte sie es nicht fertig gebracht, ihn zu bezaubern. "Ich bewundere deinen Großvater sehr", sagte sie. "Er ist ein großartiger Mann." "Du hättest Großmutter auch gemocht. Und sie hätte dich ganz sicher auch gemocht." "Sie und ich wären sehr gut miteinander ausgekommen, das weiß ich. Dein Großvater hat mir erzählt, was für eine ganz besondere Frau sie gewesen ist." Katie nahm einen Schluck aus dem Champagnerglas. "Und ich mag ihre Enkel." Er nahm ihr das Glas sanft aus der Hand und setzte es ab. Auf einmal war die Luft um sie herum wie aufgeladen. "Alle drei?" flüsterte er. "Auf die gleiche Weise?" Katie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, auf denen noch ein Tropfen Champagner hing. "Es wäre unhöflich von mir, einen von ihnen zu bevorzugen, meinst du nicht auch? Immerhin bin ich hier Gast." "Hmm." Er fuhr mit den Fingern leicht über ihre Hand, und diese Berührung erweckte in Katie eine so große Sehnsucht, dass sie erschrak. "Das hängt wohl davon ab, wessen Gast du bist.“ Sie wusste, wohin das unvermeidlich führen würde, und sie war bereit, ihrem Verlangen zu folgen. Nur wollte sie es auf ihre Weise tun. Direkt. "Reden wir von dem Haus, in dem ich Gast bin, oder - vom Schlafzimmer?" Ihre direkte Art verunsicherte Adam, aber nur eine Sekunde lang. Dann sah er sie belustigt an. "Bist du Gast in einem Schlafzimmer gewesen, das nicht deins war?" "Nun, nein", antwortete Katie und wünschte sich, sie könnte ihm eine dicke Lüge erzählen, um den selbstsicheren Ausdruck aus seinem Gesicht zu verjagen. Aber Lügen nahmen immer so viel Energie weg, und nur selten stellten sie sich als lustig heraus. "Obwohl dich das nichts angehen sollte." "Da hast du Recht. Und wenn es sich in meinem Haus abgespielt hätte, hätte ich davon erfahren." Er lächelte. "Es ist ein großes Haus, aber eine kleine Familie." Katie fand, dass sie ohne Umschweifen von offen zu schockierend übergehen sollte. "Also, Adam, ich bin mir nicht sicher, worauf du hinaus willst. Bist du nur neugierig, ob ich mit jemandem schlafe, oder willst du mich in dein Bett einladen?" Er zog die Augenbrauen hoch, aber nur leicht. "Das ist eine direkte Frage", antwortete er leise. "Und sie verdient eine direkte Antwort." Katie hätte sich nicht bewegen können, und wenn ihr Leben davon abhinge. Sie saß mit seitwärts angezogenen Beinen und nackten Füßen auf der Decke und musste sich mit aller Macht zurückhalten, um nicht die Arme zu öffnen, als Adam ihr Gesicht mit den Händen umschloss. Einen langen atemlosen Moment
hielt er sie gefangen mit nichts mehr als seinem großen Verlangen, das sich in seinen hellbraunen Augen spiegelte. Ihr Herz hatte bei seinen Worten zu schlagen aufgehört, da war Katie sich sicher, und sie wartete atemlos auf Adams Antwort, damit es wieder schlug. Seine Antwort war ein Kuss. Nicht so wie der erste. Auch nicht wie der zweite. Dieses hier war keine impulsive Handlung, kein unvorbereiteter Überfall. Seine Lippen berührten ihre Lippen in einem langen, langsamen, feuchten Kuss, der, wenn es nach Katie ginge, tagelang andauern könnte. Es war ein Kuss, der Tiefe hatte und - Konsequenzen. Aber Katie bot alle Energie auf, um den Kuss in vollen Zügen zu genießen und jede Sekunde davon auszukosten. Fast augenblicklich wurde aus der puren Freude, von einem höchst anziehenden Mann geküsst zu werden, heißes Begehren. Ihre Arme legten sich wie von selbst um ihn. Und sie sehnte sich nach dem, was - hoffentlich - kommen würde. Der feste Druck seiner Lippen auf ihren Lippen, der entschlossene Griff seiner Hände um ihre Oberarme bewiesen ihr, dass die aufkommende Nacht bereits beschlossen war. Mit zärtlichen Berührungen wusste Adam ihre Glut nicht übereilt, nicht überstürzt, sondern absichtlich langsam - anzufachen. Er meisterte die Situation, beherrschte sich selbst und beherrschte Katie. Das war nicht fair! Das war gefährlich! Und Katie war sich mit einem Mal sicher, dass sie etwas dagegen unternehmen müsse. Adam musste die Kontrolle verlieren. Er brauchte jemanden, der ihm zeigte, wie. Es gab keinen Grund, warum sie das nicht sein sollte. Dass sie sich heute Nacht lieben würden, hatte für Adam bereits festgestanden, noch bevor er an ihre Schlafzimmertür geklopft hatte. Er hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, in dem er Katie vorschlagen konnte, zum Haus zurückzukehren und sich mit ihr in sein Schlafzimmer zurückzuziehen. Dass er sie von Minute zu Minute liebenswerter fand, machte ihn allerdings nervös. Ganz plötzlich wollte er zärtlich zu ihr sein, sie beschützen, und ... ja, er wollte ganz schlicht und einfach gut zu ihr sein. Absolut nicht gerechnet hatte er damit, dass Katie über ihn bestimmen würde. Ihm wurde sogar ein wenig schwindlig, als sie ihm einen Stups gab, ihn fast zwang, sich zurück auf die Decke zu legen. Dabei fragte er sich, was sie wohl vorhatte. Der Boden aus Marmor war hart unter ihm, trotz der weichen Decke. Aber er bemerkte es kaum, als Katie ihm folgte und sogleich eine feuchte Spur von zärtlichen Küssen von seinem Gesicht abwärts zu seinem Hals, seitwärts zu seinem Nacken und bis hinter die Ohrläppchen setzte, während sie mit den Händen über seine Brust fuhr. Ihm wurde fast schwindlig vor Sinnlichkeit. Adam fand es schade, dass er ihr sein Schlafzimmer nicht bereits früher angeboten hatte. Und er konnte nur darüber lächeln, wie besorgt er gewesen war, dass er sie womöglich zu sehr bedrängte. Dann fuhr sie mit den Lippen federleicht über seine Lippen. Und sein Puls stockte erst, dann fing er an zu pochen - zusammen mit anderen Teilen seines Körpers. Doch bevor er genug
Energie aufbrachte, um Katie zu fragen, was sie denn da tue, erstickte sie ihn fast mit einem Kuss, der hart und heiß, tief und fordernd war. Adam konnte sich nicht erinnern, dass er jemals mit solch einer totalen Hingabe geküsst worden war. Und er wusste genau, dass er niemals so nahe dran gewesen war, eine Frau zur falschen Zeit und am falschen Ort zu lieben. Er hob die Hände, um Katie davon abzuhalten, sich von der, wie er fand, überstürzten Leidenschaft hinreißen zu lassen. Zu seiner eigenen Überraschung zog er Katie stattdessen in die Arme und erdrückte sie fast vor Verlangen. Sie lag plötzlich still an seiner Brust, hob den Kopf, sah ihm in die Augen und lächelte ein süßes, befriedigendes kleines Lächeln. "Ehrlich, Adam", flüsterte sie und hockte sich zurück auf die Fersen, "ist all dieses gestärkte Zeug nicht unbequem?" "Es ist nicht gestärkt", verteidigte Adam sich und fing an, sich das Hemd aufzuknöpfen. "Es ist nur hochwertiger Stoff." "Ich wusste, dass es einen Grund gab, warum ich billige Baumwolle vorziehe." Sie zog ihm das Hemd aus der Hose, und Adam ließ es zu, dass sie es vorne auseinander schlug und seinen Oberkörper entblößte. Es machte ihm Spaß, einfach Katie die Aktive sein zu lassen. Nur war das leider nicht der richtige Ort, um nackt zu sein. "Lass uns ins Haus zurückgehen", bat er. "Mein Schlafzimmer wird ein wenig geeigneter sein und es uns erleichtern." Katies Aufmerksamkeit wechselte von seinem Hemd, das sie ihm von den Schultern gestreift hatte, zu seinem Gesicht. "Darum geht es hier nicht, Adam. Bist du noch nie zuvor verführt worden?" Vor fünf Minuten hätte er ein klares Ja gesagt. Aber jetzt ... nun, jetzt war er sich nicht mehr so sicher. "Ich glaube, ich bin gerade dabei, das herauszufinden", antwortete er. Seine Stimme klang rau. "Wenn du dir sicher bist, lass es mich wissen." Sie beugte den Kopf und setzte mit Lippen und Zunge eine Spur von Feuer über seinen Bauch. Als sein Handy mit einem entnervenden Trillern Katie dabei unterbrach, ärgerte Adam sich über die Störung, aber er griff ganz automatisch nach dem Telefon. Katie war schneller, schaltete es mitten im Klingeln aus und warf es hinter sich in den Topf eines riesigen Farns. "Nur keine Panik! " mahnte sie. "Wer immer angerufen hat, wird es später noch mal tun." "Wer immer es war, könnte hierher kommen, um uns zu suchen", gab Adam zu bedenken, obwohl es ihm im Moment völlig egal war, ob er jemals wieder einen Anruf bekam oder ob jemand hier im Tropengewächshaus aufkreuzte. Katie reizte ihn mit den Fingerspitzen, die sie langsam und spielerisch über seinen Brustkorb gleiten ließ. "Dann kriegen die was zu sehen, nicht wahr?" Adam war klar, dass jederzeit jemand hereinplatzen konnte. Und es verblüffte ihn, dass diese Möglichkeit die sinnliche Freude jedoch noch steigerte und ihn noch mehr erregte. Katie berauschte ihn mit ihren Liebkosungen, und sein Verlangen wurde immer heftiger, entführte ihn auf eine ihm bis jetzt unbekannte und unerforschte erotische Reise.
Als Katie sich hinkniete, ihr rotes Kleid hastig über den Kopf zog und es einfach wie etwas Lästiges hinter sich warf, wusste Adam, dass es nun zu spät war, sich darüber Sorgen zu machen, ob sie zusammen nackt im Tropengewächshaus erwischt wurden. Katie hatte wunderschöne Brüste. Adam umfasste sie mit den Händen, dann neigte er sich vor, nahm erst eine rosige, begierig aufgerichtete Knospe in den Mund und dann die andere. Katie hatte ihm die Illusion genommen, sich immer beherrschen zu können, hatte sie verjagt mit seiner eigenen Leidenschaft und mit ihrer sinnlichen Freude. Er wollte jedoch nicht, dass Katie sich später an ihn als einen Geliebten erinnerte, der einfach nur darauf wartete, all den Genuss von ihr zu bekommen. Also lieh er sich einige ihrer Taktiken aus und rollte Katie auf den Rücken. Er wurde nicht nur von dem überwältigenden Gefühl belohnt, sie unter sich zu spüren, sondern auch von der Gelegenheit, ihren Körper zu erkunden, wie sie seinen erkundet hatte. Mit seinen Lippen glitt er über die seidenweiche Haut von ihrem Hals bis hinunter zu ihrem Bauch. Und von da an verlor er das Gefühl für Zeit und Raum. Katie zog ihm den Rest seiner Kleidung aus, und er erleichterte sie von dem Nichts an Seide, das sie noch anhatte. Er bemerkte dann noch, wie wunderbar ihre Körper zueinander passten, als sie bereits miteinander verschmolzen. Nichts hatte mehr Bedeutung. Nichts - bis auf, dass Katie ihn von all den Jahren an Selbstbeherrschung und innerer Einsamkeit befreite und in ihm Gefühle weckte, von denen er nicht gewusst hatte, dass er sie überhaupt besaß. Sie war so wild, so zärtlich und zugleich so fordernd, dass Adam über alle Maßen beglückt wurde. Und er gab ihr all die Freuden zurück mit jeder Berührung, mit jedem Kuss, mit jedem genussvollen Seufzen. Sie wollte seine Reaktion, seine Aufmerksamkeit, seine totale Konzentration, und mit weniger würde sie sich nicht zufrieden geben. Zum Glück wollte Adam das auch nicht. Katie hatte ihn verzaubert, bis er an nichts anderes mehr denken konnte als an sie. Die Nacht zog sich hin mit langen Gesprächen sowie einer ganzen Reihe von fantasievollen Einlagen. Und Adam hatte völlig seinen ursprünglichen Plan vergessen, den Abend in seinem eigenen Bett zu beenden. Adam musste am Frühstückstisch gähnen, und er wollte es verstecken, indem er die Kaffeetasse an die Lippen hob. Leider war er nicht schnell genug. Er wurde dabei ertappt. Bryce betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. „Bist du spät ins Bett gekommen, großer Bruder?" fragte er spöttisch und schmierte sich Honig auf die gebutterte Toastscheibe. "Ja", antwortete Adam sehr vorsichtig und sehr unverbindlich. "Du siehst mitgenommen aus", fuhr Bryce im freundlichen Ton fort. "Was hast du die ganze Nacht gemacht? Die Aktienbewegung am Dollarmarkt
verfolgt, statt deinen Teil Schönheitsschlaf zu bekommen?" Er führte die Toastscheibe zum Mund, dann senkte er sie, ohne einen Bissen zu nehmen, und blickte Katie neugierig an, die an dem langen Kirschbaumholztisch, zwar in einigem Abstand, doch immerhin neben Adam saß. "Katie hingegen muss einen guten Nachtschlaf gehabt haben. Sie sieht so kess aus wie ein Häschen, das gerade aus seinem Bau krabbelt. Nur noch viel niedlicher." Katie dankte Bryce für das Kompliment mit einem Lächeln und knabberte an einem Frühstückskeks. "Ich habe eine sehr gute Nacht gehabt", stimmte sie ihm zu. "Fantastische Träume.“ "Adam muss Sie dann früh nach Hause gebracht haben." Bryce lächelte von Katie zu Adam und biss in seinen Toast. "Denn ich sehe keine Dollarzeichen quer über Ihre Stirn geschrieben." "Weil er sie quer über den Bauch geschrieben hat", erklärte Katie mit einem Lächeln. Adam verschluckte sich an seinem Kaffee. Bryce hörte auf zu kauen und starrte sie an. "Erzählen Sie mir nicht, mein Bruder hätte tatsächlich Fantasie. Sie ruinieren das Bild, das ich mir von ihm gemacht habe." "Wenn das so ist, sollten Sie sich nicht seinen Bauch ansehen." Katies Lächeln verriet, was geschehen war, und Adam wusste nicht, wohin er schauen sollte. Bryce lachte, offensichtlich mehr aus Vergnügen über die Auskunft als aus Eifersucht. "Was ein Mann so alles tut, um seinen Schlips wiederzubekommen. Dabei hatte ich vor, ihn zu behalten, weil er so gut zu meinem gelben Karohemd passt. Doch eine Wette bleibt eine Wette!" Katie blickte ihn prüfend an, wandte sich dann an Adam. "Du hast mit ihm gewettet?" fragte sie ihn rundheraus. "Er hat nichts davon erwähnt?" Bryce schnalzte missbilligend mit der Zunge. "Nun, das ist der große Bruder, wie ich ihn kenne und liebe." "Es war keine Wette", entgegnete Adam ruhig, aber entschieden. "Lass uns später darüber reden." Katie saß grübelnd da, während Bryce den Blick von ihr zu Adam wandern ließ und dann fröhlich begann, sein weich gekochtes Ei aufzuschlagen. Er war froh, dass es ihm gelungen war, einen kleinen Streit zwischen den beiden anzuzetteln. Wahrscheinlich war das sogar die ganze Zeit über sein einziges Ziel gewesen. "Ich habe einen Gast hier zu uns für ein paar Tage eingeladen", verkündete Archer. Er mischte sich nicht gern in die Unterhaltung anderer ein, aber hier schien es ihm nötig zu sein. "Sie trifft am Sonntag ein." "Sie?" James hatte das Frühstückszimmer betreten, gerade rechtzeitig, um Archers Ankündigung zu hören. Monica erschien nie vor elf, da sie eine ausgesprochene Nachteule war, was für jeden das Frühstück nur angenehmer machte. James wirkte heute Morgen besonders aufgekratzt. Er lächelte jedem
einzelnen am Tisch zu, zog sich einen Stuhl zurecht und setzte sich. "Also, Dad, willst du uns erzählen, dass du eine Freundin hast?" "Ja", antwortete Archer. "Sie ist mir eine ganz besondere Freundin. Sie wird dir gefallen. Vielleicht kennst du sie auch schon. Ilsa Fairchild?" James blickte drein, als ob ihm jemand gegen das Schienbein getreten hätte. "Ilsa?" wiederholte er ungläubig. "Möglich, dass du dich auch an ihren Mann, Ian, erinnerst", fuhr Archer fort. "Ich glaube, du und er seid zur selben Zeit auf Harvard gewesen." "Ilsa?" wiederholte James, als ob er nicht glauben könnte, dass er den Namen richtig gehört hätte. Archer lächelte verschmitzt und fing an, sein Müsli zu löffeln. "Sie hat nicht wieder geheiratet, nachdem Ian starb." "Das habe ich nicht gewusst." James hob die Kaffeetasse an die Lippen, setzte sie jedoch gleich wieder ab, ohne einen Schluck genommen zu haben. "Sie kommt hierher, nach Braddock Hall?" "Richtig. Ich habe sie eingeladen als meinen ganz besonderen Gast." „Aber Dad, sie ist so alt wie ich!" Archer aß in Ruhe sein Müsli weiter. "Und deine Verlobte ist nicht älter als Bryce", sagte er dann gleichmütig. "Mir ist schleierhaft, warum du plötzlich das Alter anschneidest." James blickte unangenehm berührt drein. "Ilsa Fairchild", murmelte er, als ob er es immer noch nicht fassen könnte. "Sie kommt jede Woche ins ,The Torrid Tomato' zum Lunch", fiel Katie ein, um das betretene Schweigen zu überbrücken. "Für mich ist sie immer Mrs. Fair gewesen." Es durchfuhr Adam eisig. Nicht genug damit, dass sich eine Familienkrise anbahnte, er erkannte plötzlich Zusammenhänge, die ihm den Atem verschlugen. Aus schmalen Augen musterte er Katies lächelndes Gesicht, die dunklen Locken, die veilchenblauen Augen - und wusste schlagartig, wo er Katie zuvor gesehen hatte. "The Torrid Tomato!" Sein Lunch mit Ilsa. Die lachende Ballerina, die nichts weiter war als eine Kellnerin. "Das bist du gewesen", rief er verblüfft über die Entdeckung und mit anklagender Stimme. "Die Kellnerin!" Katies Lächeln schwand, und in ihren Augen erlosch die Fröhlichkeit. "Mr. Adam?" Abbott erschien und stellte sich neben Adams Stuhl. "Frederick, einer der Gärtner, hat das gerade abgegeben. Er hat es im Tropengewächshaus gefunden, in einer Topfpflanze, und dachte, dass Sie es versehentlich da hineingesteckt haben." Der Butler legte das Handy neben den Frühstücksteller und entfernte sich wieder. "Danke, Abbott." Adam nahm das Handy auf und bemerkte, dass seine Hand zitterte. "Und sagen Sie auch Frederick meinen Dank." "Das werde ich tun, Mr. Adam." "Du hast dein Handy im Tropengewächshaus gelassen?" Bryce blickte seinen Bruder an, dann Katie und wieder seinen Bruder. "In einer Topfpflanze?"
"Es scheint so." Bryce hob das Glas mit dem Orangensaft und prostete Katie zu. "Sie haben Adam von seinem Handy getrennt", sagte er. "Ich bin beeindruckt, Ms. Canton. Tief beeindruckt." "Das sollten Sie auch sein", erwiderte sie, obwohl ihr Lächeln blass war. "Es war eine ganz schöne Leistung - für eine Kellnerin." Das saß. Doch Adam wollte nicht klein beigeben. Er wollte sich nicht von seiner Empörung über ihren Verrat, wie er es im Stillen nannte, abbringen lassen. "Du hättest es mir sagen sollen", klagte er sie an. Katie sah ihm offen ins Gesicht. "Dass ich als Kellnerin gearbeitet habe? Oder als Barkeeper? Schau mich nicht so von oben herab an! Beides sind anständige Jobs." Zorn kam in ihr auf. "Ich bin auch Sekretärin gewesen. Auch Kassiererin in einem Lebensmittelladen, Assistentin eines Fotografen und Hundepflegerin in einem Hundesalon. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich als exotische Tänzerin zu versuchen, aber es könnte mein nächster Job sein. Findest du diese Tätigkeiten genauso anrüchig, oder regst du dich nur darüber auf, dass ich Essen und Trinken serviert habe?" Sie stieß ihren Stuhl zurück. "Ich will deine Antwort nicht hören. Du hast es mir bereits deutlich zu verstehen gegeben." "Ich denke, dass ich eine Erklärung verdiene." "Sei nicht so arrogant, Adam. Es mag für dich schwer zu verstehen sein, aber genau das könnte meine gute Meinung über dich ändern." Nur mit Mühe hielt sie ihren Zorn zurück, nickte jedem am Tisch kurz zu und steuerte auf die Tür zu. Adam merkte erst jetzt, dass er die Luft angehalten hatte und atmete aus. "Katie! " rief er streng, wollte ihr sagen, dass er es nicht dulden könnte, belogen zu werden. Sie wirbelte herum. "Was ist, Adam? Habe ich etwas vergessen?" Sie kehrte zum Tisch zurück und füllte sein Glas bis ganz zum Rand mit Eiswasser. "Sonst noch was?" Adam war ebenfalls wütend. Katie hatte seine Bemerkung missverstanden und benahm sich kindisch. Als ob sie die Gekränkte wäre. "Du hättest von Anfang an ehrlich zu mir sein sollen." Sie starrte ihn fast volle zehn Sekunden an, dann nahm sie das Glas mit dem Eiswasser und leerte es über seinen Schoß. "Und du, Adam, solltest von Anfang an mir zugehört haben." Sie setzte das Kristallglas stilvoll zurück auf den Tisch, drehte sich auf dem Absatz um, verließ - barfuss - das Frühstückszimmer und hinterließ vier Männer, die ihr völlig verblüfft hinterher starrten.
9. KAPITEL "Ich wünschte, Sie hätten sein Gesicht sehen können." Archer beendete seinen telefonischen Bericht über das Ereignis am Frühstückstisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Enkel jemals in seinem Leben von einer Frau so durcheinander gebracht worden wäre." Er klang höchst befriedigt. Ilsa glaubte, dass Adam wohl auch noch nie in seinem Leben so wütend gemacht worden war. Stolz wie er nun mal war, und das waren alle BraddockMänner, würde er Katie die Kränkung nicht so bald vergeben. Sie seufzte. Unbedeutendere Vorfälle als ein volles Glas Eiswasser im Schoß hatten ihre viel versprechenden Bemühungen ruiniert. "Hat er etwas gesagt?" "Kein Wort. Er hat nur die Eiswürfel weggewischt, das Handtuch, das Abbott ihm schnell gebracht hatte, zurückgewiesen und war aus dem Zimmer marschiert. Vor wenigen Minuten ist er in sein Büro gefahren. In einem frischen Anzug und mit auffällig hoch erhobenem Kopf." Archer lachte in sich hinein. "Ich muss Ihnen gestehen, Ilsa, dass ich nicht sicher war, was ich von Katie halten sollte, als ich sie das erste Mal sah. Aber sie hat sich bei mir Respekt verschafft. Sie ist wahrscheinlich die einzige Frau auf der Welt, die meinem ältesten Enkel gewachsen ist. Alle Achtung für Ihr Gespür, Ilsa." "Was wird Adam tun, wenn er wieder klar denken kann?" Archers Stimme klang plötzlich ernst. "Er wird sie feuern. Daran zweifle ich nicht. Ich werde das natürlich nicht zulassen. Ich werde ihm mit all den praktischen Gründen kommen, dass es ungeschickt sei, sie zu einem so späten Zeitpunkt vor die Tür zu setzen, wo sie doch mitten in den Vorbereitungen steckt. Und dann werde ich an Katies Pflichtgefühl appellieren, die Sache durchzustehen und die Party zu Ende zu bringen. Sie ist nicht jemand, der leicht aufgibt, und - nun ja, sie mag mich fast so sehr, wie ich sie mag. Ich glaube, sie würde es wirklich bedauern, bei meinem Geburtstag nicht dabei zu sein." "Sie Sollten vorsichtig sein, dass Sie es sich mit Ihrem Enkel nicht verderben in Ihrem Wunsch, die beiden zusammenzubringen.“ "Pah", spottete Archer mit einem Anflug von Braddock-Arroganz. "Ich wollte damit nur sagen, dass es weise wäre, sich zurückzuhalten. Lassen sie Adam und Katie auf ihre eigene Weise herausfinden, dass der beste Weg der Weg ist, seinem Herzen zu folgen. " "Sie meinen also: Hände weg." "Das ist eine meiner Bedingungen." "Wenn Sie nur sein Gesicht hätten sehen können, Ilsa. Katie hat es ihm so schnell und gründlich angetan, wie Janey es mir angetan hatte. Adam ist verliebt, wahrscheinlich das erste und letzte Mal in seinem Leben. Ich erkenne die Zeichen, auch wenn er sie selbst nicht sieht." "Dann sollten Sie ihn die Zeichen allein erkennen lassen."
Archer seufzte. "Es gibt immer einen Haken, hab ich Recht?" "Sie wussten es von Anfang an, dass es bei den beiden nicht leicht sein würde." „Ja, das stimmt." "Wir sehen uns dann am Sonntag. Und in der Zwischenzeit widerstehen Sie bitte der Versuchung, sich als Ehestifter aufzuspielen. " Das Lachen, mit dem Archer sich von ihr verabschiedete, war für Ilsa alles andere als beruhigend. "Lara soll sofort in mein Büro kommen", verlangte Adam, als er an Nells Schreibtisch vorbeikam und seinen gehetzten Schritt kein bisschen verlangsamte. "Jetzt?" rief Nell ihm hinterher und war von seiner üblen Laune alarmiert. "Nein", schnauzte er. "Vor fünf Minuten." Er schmiss seine Aktentasche auf seinen Schreibtisch und ging wütend zum Fenster. Zum Teufel mit den Frauen! Mit allen, ausnahmslos. Du solltest mir zugehört haben. Als ob das zur Sache gehörte. Katie sollte endlich ein einleuchtendes Argument anführen, statt sich so kindisch und obendrein noch unerhört zu verhalten und ein volles Glas mit Eiswasser in den Schoß eines Mannes zu leeren! Er fühlte sich noch immer zutiefst gedemütigt. Und ihm dann auch noch vorzuwerfen, er sei arrogant. Er! Sie war es, der man eine scharfe Lektion erteilen sollte, wie man einem Menschen mit Respekt begegnete. Sie war es, die lernen musste, wie man richtig zuhörte. Sie war es, die... "Sie wollten mich sehen?" fragte Lara von der Tür her. Adam macht sich nicht mal die Mühe, sich zu ihr umzudrehen. "Wie schnell können Sie die Überprüfung eines Lebenslaufes zu Wege bringen?" "Es hängt davon ab, wer es ist und was Sie wissen wollen." "Ich will einen Lebenslauf haben", wiederholte Adam schroff. "Der Werdegang von der Geburt an bis zu ... nun, bis zum heutigen Tag. Familie, Schulbildung, Jobs, Freunde, frühere Beziehungen, alles." Lara konnte ihr Erstaunen nicht zurückhalten. "Frühere Beziehungen?" "Das habe ich gesagt, oder etwa nicht?" Adam konnte sich nicht erinnern, jemals so wütend gewesen zu sein, so völlig außer sich über eine Person - Katie natürlich - und so durcheinander, weil er seine Gefühle nicht in den Griff bekam. "Ich will eine Akte über Katie Canton auf meinem Schreibtisch haben, und zwar umgehend." "In Ordnung", erwiderte Lara ein wenig belustigt. "Sie ist die Veranstalterin, die Sie engagiert haben, nicht wahr?" "Das ist sie. Noch irgendwelche Fragen?" "Ich rufe Nelson an. Wenn Ms. Canton irgendwo im Internet ist, wird er innerhalb von wenigen Minuten ihre Kurzbiografie haben. " Adam machte ein finsteres Gesicht. "Rechnen Sie nicht damit, dass es so einfach sein wird."
Lara stand noch immer in der Tür und musterte ihn neugierig. Auf seinen abweisenden Blick hin wandte sie sich zum Gehen. „Lara", hielt er sie auf. "Wenn Sie schon mal dabei sind, finden Sie auch so viel Sie können über Ilsa Fairchild heraus." Lara nickte. "Katie Canton, Ilsa Fairchild", wiederholte sie, als ob sie sich die beiden Namen merken müsste. Katie stopfte alles achtlos in ihre Reisetasche, zog dann ihre neuen Kleider heraus und warf sie wieder hinein. Noch nie zuvor hatte Packen ihr Probleme bereitet. Das kommt davon, weil sie sich unbedingt neue Kleider kaufen musste und zu viel darauf achtete, was sie anhatte. Adam trug die Schuld daran. Er machte sie befangen, unfrei. Er brachte sie dazu, sich in ihn zu verlieben. Mit einem Seufzer setzte sie sich auf den Boden und zerrte alles aus der Tasche. Es war an der Zeit, wieder mal von vorn zu beginnen, alles hinter sich zu lassen. Aber ihre Hand schloss sich wie von selbst um das rote Kleid und ließ es nicht los. Sie war bereits zuvor verliebt gewesen. Dieses berauschende Gefühl, dieser traumhafte Zustand, wenn die Farben leuchtender waren, die Musik sanfter und die ganze Welt sich in einem langsamen Walzertakt bewegte. Es waren ihre liebsten Erfahrungen. Aber das mit Adam war anders. Es war wie eine Fahrt auf der Achterbahn. Und sie war voller Angst, dann wieder in Hochstimmung, in Angst, aus dem Gleichgewicht gebracht ... in Angst. Das Leben war zu kurz, um so zu fühlen. Sicher, sie hatte Adams Aufmerksamkeit erringen wollen. Vielleicht hatte sie es sogar gewollt, dass er sich in sie verliebte. Natürlich hatte sie das gewollt. Welche Frau würde es nicht wollen, dass Adam Braddock ganz vernarrt in sie wäre? Aber Katie hatte nie daran gedacht, dass sie für ihn bestimmt sein könnte. Die einzig große Liebe seines Lebens? Ganz sicher nicht das. Daran gedacht hatte sie, dass sie und Adam eine Sommerliebe miteinander haben könnten. Eine Liebe, die endete, wenn die Party vorbei war, und nicht eine Liebe, die - Katie schluckte tapfer die Tränen hinunter - für alle Ewigkeiten dauerte. So war es nun mal. Sie und Adam lebten nicht in derselben Welt. Sie hatten keine gemeinsame Zukunft. Sie hatte Eiswasser über ihn gekippt, und er würde sie feuern. Ende der Geschichte. Sie stopfte das rote Kleid dieses Mal zuerst in die Reisetasche und alles Übrige obendrauf. Sie würde sich gleich am Montagmorgen mit der Agentur in Verbindung setzen, um zu sehen, ob es auf Borneo ein Haus gäbe, das jemanden zum Einhüten brauchte. Oder in Alaska. Das wäre weit genug von hier, um vergessen zu können. Sie wollte das Probemuster mit dem Nagellack in die Tasche stecken und zögerte. Rot, blau, lindgrün, dunkelgrün, purpurrot, gelb, orangefarben, rosa, golden, silberfarben und magentarot. Zirkusfarben. Zehn an der Zahl. Wie gern
wäre sie auf die Party gegangen. Sie hatte wirklich hart dafür gearbeitet. Um jetzt aufzugeben? Es war fast, als ob sie betrogen worden wäre. Sie war noch nie zuvor für die Vorbereitung einer großen Party verantwortlich gewesen, und obwohl sie Hilfe von Ilsa bei schwierigeren Entscheidungen gehabt hatte, hatte sie selbst all die Verbindungen geknüpft, all die Verabredungen getroffen und eigentlich alle Pläne für die Party selbst entworfen. Und sie würde sie gern bis zu Ende ausführen. Vielleicht sollte sie bleiben. Wirklich, es gab keinen Grund, warum sie nicht über das Wochenende bleiben könnte. Wegrennen könnte sie genauso gut am Sonntag nächster Woche. Es musste nicht heute geschehen. Nur, dass Adam sie feuern würde. Katie seufzte wieder, stellte die Nagellackpackung entschieden auf den Haufen von Wegwerfsachen und zog den Reißverschluss ihrer Reisetasche zu. Der Vorteil am leichten Reisegepäck war, dass man nicht viel zu packen hatte. Sie warf einen Blick auf ihren Reisewecker. Sechs Uhr. Adam könnte inzwischen zu Hause sein. Sie hatte den Tag damit verbracht, sich noch mit den letzten Einzelheiten für die Party zu befassen und sie aufzulisten. Sollte sie entlassen werden, würde Adam zumindest wissen, dass sie ihre Arbeit auch tatsächlich getan hatte. Schade, dass er ihr nicht vertraut hatte. Schade, dass er nicht mehr aufgepasst hatte und einfach ihr Herz brach. Der andere Vorteil am leichten Reisegepäck war, dass es keinen Platz zuließ für Gefühle, die zur Bürde anwachsen könnten. Das Herz zurückzulassen war nicht das Schlimmste. Es holte einen ein, wenn es wieder genesen war. Eigentlich war es eine Schande, dass sie nicht länger bleiben konnte. Sie mochte es hier, mochte Braddock Hall, mochte die Stadt und die Menschen hier. Sie überlegte, was bei der Ratssitzung am Samstag wohl beschlossen werden würde. Würde die beratende Versammlung für die Backsteine stimmen oder dagegen? Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie es wäre, hier in Sea Change zu leben und einen kleinen Tee- und Sandwichladen in der Dockside Avenue zu besitzen. Sie würde sich für einen Sitz in der Stadtverwaltung aufstellen lassen, würde die Wahl gewinnen und Adam aus dem Vorsitz abwählen. Ja, das wäre der Anfang eines wahren Märchens, fand sie. Es klopfte leise an ihrer Tür und riss sie aus den Tagträumen. "Mr. Adam würde Sie gern in seinem Arbeitszimmer sprechen", meldete Abbott, als sie die Tür geöffnet hatte. Katie blickte ihn finster an. "Wann?" Der Butler sah sie entschuldigend an, als ob er wüsste, dass sie kurz davor stand, rauszufliegen. "Mr. Adam erwartet Sie jetzt." "Ich ziehe mir nur die Schuhe an." "Miss Katie? Ich habe ... nun ja ... mir die Freiheit herausgenommen, einen Krug mit Eiswasser in Mr. Adams Arbeitszimmer zu stellen. Falls es nötig werden sollte." Katie lächelte überrascht. "Oh, danke, Abbott.“
Seine Lippen verzogen sich nur zu einem Ansatz von Lächeln. Aber sein Nicken drückte aus, dass Katie nicht ohne Beistand in diesem Haus war, auch wenn die Loyalität Adam galt. Sie zog ihre robusten Laufschuhe an und machte sich auf den Weg nach unten, um sich der Hinrichtung zu stellen. "Komm herein, Katie." Adam stand, aufrecht und mit unnachgiebigem Blick, hinter seinem Schreibtisch. Sie hob ihr Kinn und trat einen Schritt näher. "Abbott sagte, du wolltest mich sehen?" "Schließ die Tür." Sie unterdrückte den Impuls, herumzuwirbeln und davonzurennen. Hatte sie aber nicht den ganzen Tag darauf gewartet, dass Adam nach Hause kam und ihr formell kündigte? Sie würde nicht klein beigeben. Also schloss sie die Tür, drehte sich mit weichen Knien um, blieb aber wie angenagelt stehen. "Bist du mit dem Saum deines Kleides in der Tür hängen geblieben?" fragte Adam freundlich. "Sieht aus, als ob du gefangen wärst." Sie ging bis zur Mitte des Zimmers vor, um ihm zu beweisen, dass sie so frei war wie er und obendrein gleichgültig dem gegenüber, was auf sie zukam. "Nein, das Kleid hat nicht genug Stoff, um hängen zu bleiben." Sie zupfte am gerafften Saum des kurzen schwarzen Kleides. "Wenn ich zwischen Tür und Türrahmen geraten wäre, würde eine dicke fette Schadenersatzklage wegen Verletzung auf dich zukommen." "Ach ja." Er umrundete langsam den Schreibtisch. "Soll ich dir gleich einen Scheck ausstellen?" Katie sah ihn verständnislos an. "Würdest du nicht lieber damit warten wollen, bis ich wirklich verletzt bin?" Langsam verzog er die Lippen zu einem Lächeln, und ihr dummes Herz fiel wie ein Stein vor seine Füße. Sie musste schleunigst aus der Achterbahn aussteigen! "Ich habe mich auf den Scheck über fünftausend Dollar bezogen, die ich dir für das Arrangieren von Großvaters Party zu zahlen verpflichtet habe." "Oh." Dass Adam ihre Unterhaltung damit beginnen würde, überraschte Katie. "Es waren fünftausend Dollar plus fünftausend nach der Party", erinnerte Katie ihn, weil sie sich wie eine Frau vom Fach anhören wollte. "Plus einem großzügigen Budget." Sie brachte ein Mona Lisa-Lächeln zu Stande. "Oh und ja, völlige Freiheit zum Schalten und Walten. Vergiss das nicht. " „Nein." Er kreuzte die Arme vor der Brust. "Nell sagte mir, dass du deinen Honorarvorschuss nie abgeholt hättest. Sie sagte, dass du nicht mal angerufen und danach gefragt hättest." Katie schnippte mit den Fingern. "Wusste ich doch, dass ich etwas vergessen habe." Adam nickte, als ob er ihr das abnahm. "Ich möchte dir für ... deine Dienste zahlen, Katie. Ich denke, dass du es verdient hast. "
Ärger kam in Katie auf, und die Schwäche in ihren Knien war mit einem Schlag wie weggeblasen. "Wenn du vorhast, mich zu kränken, Adam, dann schleiche nicht wie eine Katze um den heißen Brei herum. Ich würde vorziehen, dass du gleich damit herauskommst und mich beschuldigst, eine Prostituierte zu sein, statt es nur vorzuspielen!" Adam ließ die Arme sinken und starrte sie mit offenem Mund an. "Wie bitte?" "Du kannst bitten, so viel du willst, aber glaub mir, du brauchst mich nicht erst zu beleidigen, damit du dich gerechtfertigt fühlst, mich aus dem Job und dem Haus raus zu werfen. Und damit du es weißt, ich wollte sowieso aufgeben." Sie drehte sich zur Tür um, wütend und bis ins Innerste verletzt. Adam holte sie noch vor der Tür ein. Mit einer Hand hielt er die Tür zu und mit der anderen hielt er Katie zurück. "Katie, Katie! Willst du mir endlich zuhören? Ich habe dich nicht beleidigt. Ich wollte dir die fünftausend Dollar geben, die du mit der Vorarbeit zu dieser Party bereits verdient hast. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, dir für ... das zu zahlen, was letzte Nacht zwischen uns gewesen ist. Das wäre nicht nur eine Kränkung - für uns beide, nebenbei bemerkt. Es wäre ein Frevel!" Katie blickte hoch, ihr Zorn barst wie ein angepiekster Luftballon, und stattdessen wurde sie verlegen. "Ein Frevel?" wiederholte sie. "Oder noch schlimmer", versicherte Adam ihr. "Du scheinst aus den dürftigsten Vorwänden voreilige Schlüsse zu ziehen." "All das Gerede um Geld macht mich nervös", erklärte sie mit dünner Stimme. "Ich dachte, du hättest mich hierher bestellt, um mich zu feuern." "Dich feuern?" Der Griff um ihren Arm fühlte sich nicht mehr so hart an, als ob Adam sie mit aller Macht zurückhalten wollte, sondern beruhigend. "Wie bist du auf diesen Gedanken gekommen?" Katie wollte nicht darüber reden. Sie wollte es wirklich nicht. "Weil ich heute Morgen ..." Sie machte eine Handbewegung zum Wasserkrug hin, der von dem so aufmerksamen Butler auf den Seitentisch gestellt worden war. "Du weißt schon." Sein Blick folgte dem mutlosen Wedeln ihrer Hand. "Ach ja, das Eiswasser. Ich denke, wir sollten darüber reden." Katie hob das Kinn. "Du hattest es verdient", beharrte sie. "Hm." Adam fuhr mit der Hand über ihren Arm. Wahrscheinlich war er sich bewusst, was seine Berührung bei ihr auslöste. Er nutzte ganz entschieden seinen Vorteil aus. Wie unfair. Darüber habe ich fast den ganzen Tag nachgedacht. Über dich. Und über mich." "Zwischen Anrufen und Faxen, meinst du?" "Ich habe heute keine einzige vernünftige Sache zu Stande gebracht.“ "Nicht mal den ersten Entwurf einer Entschuldigung?" Adam machte ein finsteres Gesicht. Er war offensichtlich über ihre Bemerkung verärgert. "Ich habe gehofft, dass wir den Vorfall von heute Morgen aus dem Gedächtnis streichen könnten."
"Ist nicht drin. Du hast dich scheußlich aufgeführt." "Oh, aber Eiswasser auf meinen Schoß schütten war ein Betragen, das den höchsten Anstandsregeln entsprach", spottete er. Katie wurde rot, doch sie nahm nichts zurück. "Steht im Benimmbuch für junge Damen, Seite 336", spottete sie zurück. „In den Fußnoten." „Dich zu bändigen erfordert ein ganz schönes Stück Arbeit, Katie Canton", flüsterte Adam und küsste Katie. Okay, es war zwar nicht die Abbitte, die er ihr schuldig war, aber dafür war im Augenblick keine Zeit. Adam hatte nicht vorgehabt, Katie zu vergeben, jedenfalls nicht, bevor er eine Erklärung bekam, die er hören wollte. Aber es schien, dass er all seine Vorhaben aus dem Blick verlor, sobald Katie in seiner Nähe war. Küssen und andere ähnliche Freuden waren praktisch das Einzige gewesen, was er den ganzen Tag über im Sinn gehabt hatte. Und dann stand sie verlegen und kratzbürstig zugleich in seinem Arbeitszimmer, und das Gespräch, das er sich zurechtgelegt hatte, war ihm prompt entfallen. Die Versuchung, Katie zu berühren, wurde übermächtig. Im Moment genügte es ihm zu wissen, dass letzte Nacht kein raffinierter Trick gewesen war, den ihm das Mondlicht vorgezaubert hatte, und auch kein blinder Anfall von wilder Begierde. Katie selbst hatte ihn verzaubert. Und sie tat es auch jetzt. Und das ganz beachtlich. Es war wunderbar sie zu küssen. Nur widerwillig zog Adam sich zurück, um sie gleich wieder in die Arme zu schließen und es einfach zu genießen, ihren Körper so dicht an seinem zu spüren. Außerdem konnte sie auf diese Weise nicht an den Wasserkrug heranreichen. "Nur weil du ein so vorzüglicher Küsser bist, Adam, bedeutet es nicht, dass ich mich nicht mehr über dich ärgere", sagte Katie in eine Atempause hinein. Adam zog sie mit einem Arm noch enger an sich und schob die Finger der anderen Hand in ihre dunklen Locken. "Psst", besänftigte er sie. "Bleib hier in meinen Armen und lass uns sehen, ob das, was wir fühlen, vergeht." "Wie wär's, wenn du mir nur sagtest, es tut mir Leid, wie ich mich benommen habe, und ich sage dir, wie ich darüber fühle." "Okay, okay, Katie. Nur bin ich mir nicht sicher, warum du beim Frühstück so wütend auf mich gewesen bist." Katie versteifte sich. "Dann muss ich wohl deine Erinnerung ein wenig auffrischen. Das bist du gewesen?" Sie äffte ihn nach. "Du, eine Kellnerin?" "Das hast du missverstanden", erwiderte Adam und war glücklich, dass er das richtig stellen konnte. "Ich war überrascht, als ..." "Fassungslos", korrigierte Katie ihn. "Fassungslos", gab Adam zu. Ja, ich war fassungslos, als mir klar wurde, dass wir uns bereits im ,The Torrid Tomato' getroffen haben und dass du dort als Kellnerin gearbeitet hast und nicht die Partyplanerin warst, wie ich angenommen habe. Ich wollte nicht den Beruf schlecht machen oder auf dich
herabsehen, weil du die Gäste im Lokal bedient hast. Ich dachte nur, dass du mir gleich beim ersten Gespräch die Wahrheit hättest sagen sollen." Katie sah ihn skeptisch an. "Du bist entsetzt gewesen, als du herausgefunden hast, dass ich die ehemalige Kellnerin und ein Neuling für diese ganze Partyveranstaltung gewesen bin", beharrte sie. "Gib es zu!" Jetzt versteifte Adam sich. "Ich glaubte, dass du dich für etwas ausgegeben hast, was du nicht bist. Ja, das gebe ich zu." Katie schüttelte den Kopf und sah ihn mitleidsvoll an. "Wirklich, Adam, du musst dir unbedingt Mühe geben, aufmerksamer zu sein. Um dein Zuhören steht es jedenfalls katastrophal." Er blickte sie fragend an. "Habe ich dir nicht gleich am ersten Abend am Telefon gesagt, dass du die falsche Nummer gewählt hast und ich die falsche Person bin? Ich bestand darauf, dass es ein Missverständnis sei, und versuchte, auch deine Sekretärin aufzuklären. Aber du bist dabei geblieben, dass ich die Person sei, die du für die Party brauchtest." Adam zog die Stirn zusammen. Er fand es ein bisschen viel, um das alles zu schlucken. "Und du bist völlig unschuldig in diesem Mangel an Verstehen? War es ganz allein mein Fehler?" Katie hatte den Anstand, ein klein wenig schuldbewusst dreinzublicken. "Nun ja, Adam, du hast - ein besonderes Geschick zu überzeugen. Immerhin hast du mir eine Fahrt im Rolls-Royce angeboten. Und überleg nur, wenn ich mich nicht von dir hätte überreden lassen, wärest du jetzt nicht hier und kurz davor, wieder eine sagenhafte Nacht zu verbringen." Sie lächelte zu ihm auf und mehr brauchte er nicht. Er küsste sie wieder. Der Kuss wurde immer heftiger und fordernder, als sich sein Handy meldete. Und nach alter Gewohnheit beantwortete Adam den Anruf. Gerade als Katie anfing zu hoffen, dass sie und Adam vieles gemeinsam haben, legte er das Handy ans Ohr. Das Gespräch nahm ihn ihr innerhalb eines Herzschlags weg. Wie hatte sie nur auf den Gedanken kommen können, dass sie ihm wichtiger sein könnte als seine Geschäfte? Er würde niemals sein Leben aufgeben, niemals die Hochspannung, in die ihn Aktienmärkte und Geschäftsabkommen versetzten, aufopfern für ein entspanntes Leben, das einem Frieden und Ruhe verschaffte. Und Spaß. Niemals könnte sie sich in sein Leben einfügen. Mit einem Seufzer löste sie sich von ihm. Adam schien es nicht mal zu bemerken. "Natürlich. Wir treffen uns in der Flugzeughalle." Er warf einen schnellen Blick auf seine Armbanduhr. „In einer Stunde. Ja, Lara, ich weiß. Ich bin schon auf dem Weg." Er beendete das Gespräch mit einem entschuldigenden Lächeln und hob mit den Fingern Katies Kinn an. "Ich muss los", sagte er. "Es ist dringend. Ich weise Nell an, dass sie dir den Scheck gibt, und wenn du es nicht schon getan hast, dann sag deinen Helfern, dass sie ihre Rechnungen an mein Büro schicken."
"Noch etwas?" fragte Katie und wünschte sich, Adam wäre mehr wie sie, weniger konzentriert, öfter impulsiv und dass er nicht immer auf Hochglanz geputzte Schuhe trug. "Noch irgendwelche Anweisungen, die ich befolgen soll?" Er lächelte und war sich nicht mal bewusst, wie traurig Katie war. "Ja", antwortete er. "Warte auf mich." Er küsste sie heftig, aber kurz und verließ sie. Das war, wie Katie fand, nur geringfügig besser, als gefeuert zu werden.
10. KAPITEL Ilsa kam, und die Anspannung auf Braddock Hall wuchs. Die bevorstehende Party war zum absoluten Mittelpunkt geworden, um die sich alles und alle drehten. Katie steckte tief in den Vorbereitungen, mehr, als sie es für möglich gehalten hatte. Adam blieb weg. Wahrscheinlich war der dringende Fall zu einer regelrechten Krise ausgewachsen. Er rief von der Westküste nicht mal an, wo er Nells Aussage nach sein sollte. Das allein bestätigte Katies Meinung, welchen Vorrang er ihr einräumte, nämlich keinen. Er hatte Zeit, sich mit seinem Büro in Verbindung zu setzen, hatte aber keinen Moment für sie übrig. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, konzentrierte sich stattdessen auf die tausend kleinen Probleme, die rund um die Party auftauchten. Die Leute vom Partyservice und die Angestellten des Zeltverleihs, die nie das tun konnten oder wollten, was sie garantiert hatten, stellten Katies Geduld auf eine harte Probe. Wer hätte gedacht, dass eine Party so viel Arbeit erforderte? Nachts lag sie im Bett und versuchte, der ganzen Bandbreite der Gefühle einfach freien Lauf zu lassen, weil sie meinte, dass dies der erste Schritt sei, um den Schmerz zu lindern. Aber jede Nacht, wenn in dem wunderschönen alten Haus alles um sie herum schlief, grübelte sie darüber nach, warum nach all der Zeit und all ihren Bemühungen, sich keinesfalls auf einen Ort, eine Arbeit oder einen Menschen festzulegen, ihr Herz sich störrisch für dieses Haus als ihr Heim entschied und für diese Familie, der sie gern angehört hätte. Nur Adam war die Mauer, die sie nicht überwinden konnte. Adam kam zurück, als die Party in vollem Gange war. Nach einer Woche konzentriertester Arbeit an der Westküste war er erschöpft und glaubte zuerst, er habe Halluzinationen. Nachdem er sich ausgiebig die Augen gerieben hatte, erkannte er, dass die Ponys auf dem Rasen wirklich waren und auch die Clowns in ihren bunten Kostümen, und dass ein richtiger Zirkus im Gange war. Die Gäste waren überall, mindestens zweihundert. Einige in Abendroben, andere in Kostümen. Und es gab Akrobaten, Jongleure und sogar einen Spaßmacher auf Stelzen. Was zum Teufel ging hier vor? Ohne ins Haus zu gehen und sich, wie er vorgehabt hatte, umzuziehen, marschierte er durch die ausgelassene Menge von Zirkusleuten und Gästen und machte sich auf die Suche nach Katie. Nach der Frau, die er seit über einer Woche schrecklich vermisst hatte und die er angefangen hatte zu lieben. Jedenfalls hatte er das geglaubt. Bis er sie im Gedränge entdeckt hatte, kannte sein Zorn nämlich keine Grenzen mehr.
"Was soll das hier bedeuten?" fragte er streng, noch ehe er ganz bei Katie war. Und er verabscheute es, dass sein Herz bei ihrem Anblick Purzelbäume schlug. "Ist es nicht großartig? Dein Großvater ist selig. Er ist …“, Katie reckte den Hals, um Archer in der Menge ausfindig zu machen. "Vor einer Minute hat er sich noch auf dem Drahtseil versucht." "Auf dem Drahtseil?" Adam hoffte, dass Katie genug Verstand besaß, um eine Ambulanz in der Nähe stehen zu haben. "Du lässt meinen neunundsiebzig Jahre alten Großvater auf das Drahtseil?" Erst jetzt sah Katie ihn voll an. "Es ist nicht hoch. Er tut sich nicht weh, wenn du dir deswegen Sorgen machen solltest. " "Ich mache mir Sorgen deinetwegen, Katie. Wer hat dir diese Grillen in den Kopf gesetzt, so etwas aufzustellen?" Er vollführte mit dem Arm einen Bogen, der die ganze Party und sein Missfallen dazu einschließen sollte. "Wie konntest du nur darauf kommen, dass ich dich für so etwas engagiert habe? Für die Parodie einer Geburtstagsparty für meinen Großvater?" Zuerst starrte Katie ihn sprachlos an. Dann blitzte aus ihren Augen ein Zorn, der seinem in nichts nachstand, und ihr Gesicht drückte ein Missfallen aus, das sein Missfallen noch übertraf. Dieses Mal hatte sie sich jedoch in der Gewalt, als sie ihm Rede und Antwort stand. "Dieses hier", sie ahmte seine Geste mit einer übertriebenen Armbewegung nach, "ist genau die Party, die dein Großvater sich wünschte. Und weißt du, wie ich das herausgefunden habe, Adam? Ich habe ihn gefragt, und dann habe ich ihm aufmerksam zugehört, als er es mir erklärte. Ein zu einfaches Konzept, Adam? Vielleicht solltest du es mal versuchen." Damit wirbelte sie herum und war davon, ehe er es richte begriff. "Hey Adam! " Es war Peter, der einen Smoking trug, was die Szene um sie herum noch unwirklicher erscheinen ließ. "Seit wann bist du zurück?" "Bist du weg gewesen?" Bryce war hinzugekommen - in seinem gelben Karohemd und mit Adams roter Krawatte. In dieser Zusammenstellung passte er zur Zirkuswelt, die sich so seltsam in der normalerweise sehr konservativen Welt der Braddocks ausmachte. "Bin grade angekommen", antwortete Adam knapp und suchte mit den Blicken nach Katie. "Du bist für die Party nicht richtig angezogen", bemerkte Peter. "Katie hat auch ein Kostüm für dich. Ich hab es selbst in dein Zimmer gebracht." Adam hätte es vorgezogen, nichts davon zu hören. "Ich putze mich nicht heraus wie irgend so ein Kerl." "Nun, das wäre doch was, endlich ein richtiger Kerl sein", zog Bryce ihn auf. "Wo hast du gesteckt? Oder ist es eins der superwichtigen Industriegeheimnisse?" "In Oregon, Kalifornien und Mexiko", antwortete Adam mürrisch, vor allem, weil er gerade einen Schimmer von Rot und Schwarz drüben bei der Eisdiele aufgefangen hatte. Er ließ seine Brüder einfach stehen und bahnte sich einen Weg durch die Menge, um Katie zur Rede zu stellen. Sie war ihm immer
noch eine Erklärung schuldig für diese lächerliche Party. Nur ein Verrückter konnte auf eine solche Idee kommen. Aber er wurde auf halbem Wege zur Eisdiele von seinem Vater aufgehalten, der gerade ein paar Worte mit dem Spaßmacher auf Stelzen gewechselt hatte. "Adam", sagte James mit seltsam gedämpfter Stimme. "Wo bist du die ganze Woche gewesen? Ilsa ist bei uns eingezogen, und ich mache mir Sorgen, dass Großvater es mit ihr hat." Adam hatte sich ein paar Gedanken über die Beziehung seines Großvaters zu Ilsa Fairchild gemacht und war dem inzwischen nachgegangen. Er wusste, dass dahinter nichts anderes als eine Freundschaft steckte. "Es gibt keinen Grund, sich darüber Sorgen zu machen, Dad, glaub mir. Sie haben irgendwelche gemeinsamen Interessen, das ist alles." James war nicht überzeugt. "Ich weiß nicht, Adam. Die beiden sind ins Gewächshaus verschwunden. Ich habe es gesehen. " "Wahrscheinlich reden sie über Pflanzen. Adams Vater steckte nervös die Hände in die Taschen seines Smokings. Wahrscheinlich erlaubte Monica ihm nicht, ein Kostüm zu tragen. Und da war sie auch schon. "Da bist du ja, Darling." Monica im klassischen Schwarz nahm sich wie eine Trauerweide in der bunten Menge aus. "Adam, willkommen zu Hause." Es war Ilsa Fairchild, die in ihrem glitzernden Hosenanzug aus leichter Seide wirklich toll aussah. Monica wirkte auf einmal steif und gar nicht so jung, wie sie eigentlich war. "Hallo, ihr beiden, James, Monica! " Ilsa lächelte beide an, hakte sich bei Adam ein und steuerte ihn weg von seinem Vater, der ihnen sehnsüchtig nachsah. "Was hältst du von der Party?" fragte sie ihn. "Ist sie nicht originell?" "Originell ist wohl der richtige Ausdruck." Adam wollte mit Ilsa Fairchild nicht über Katie reden. "Es tut mir Leid, dass ich erst heute gekommen bin. Ich hoffe, Ihnen hat es bis jetzt bei uns gefallen." Sie musterte ihn nachdenklich. Sie mochte die Kühle in seiner Stimme nicht. "Ja", antwortete sie. "Es hat mir gefallen." "Irgendwelche ... Vermittlungen, die in dieser Woche geknüpft wurden und von denen ich noch nichts weiß?" Ilsa starrte Adam überrascht an, dann lächelte sie. "Ah, Sie haben es herausgefunden. Hat Archer geplaudert?" "Nein. Ich habe nachforschen lassen", antwortete Adam. Er mochte Ilsa Fairchild jetzt noch mehr, weil sie sich nicht verstellte. "Und ich habe ausfindig gemacht, welche Art von Public Relations Sie führen." "Dann sind Sie auch über die Erfolgsrate meiner Vermittlungen unterrichtet, habe ich Recht?" "Ich würde niemals Ihre guten Leistungen in Frage stellen", antwortete Adam. "Doch ich würde gern wissen, wie Sie darauf gekommen sind, eine solch aussichtslose Vermittlung herbeiführen zu wollen." "Ich habe nicht mehr getan, als Möglichkeiten sich entfalten zu lassen, Adam. Ihnen bleibt es überlassen, es auszunutzen oder auch nicht."
"Mit ein wenig Hilfe von Katie." Es überraschte ihn selbst, dass er lächeln musste. "Ich freue mich, wenn es mir gelingt, zwei Menschen für ein ganzes Leben zusammenzubringen", gestand Ilsa und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. "Ich hoffe nur, dass Sie mich nicht auffliegen lassen, bevor ich Ihre Brüder vermittelt habe. Es würde meine Bemühungen erschweren." "Es bleibt unser Geheimnis", versprach Adam. "Nicht mal Dad erfährt etwas davon." "Oh, nun, ich bin sicher, dass ihm das wohl völlig egal sein wird. Aber vielleicht wäre es..." "Hier bist du!" Archer näherte sich, sein Gehstock klopfte im Takt mit seinen schnellen Schritten. "Was zum Teufel hast du mit Katie gemacht?" fuhr er Adam ohne Einleitung an. "Sie hat geweint und entschuldigte sich schluchzend für die Party, als ob ich ihr seit Wochen nicht gesagt hätte, dass ich eine Geburtstagsparty mit allem Drum und Dran haben wollte und keine langweilige Angelegenheit mit der obligatorischen Torte und einer Million Kerzen." Adam hatte noch nie im Leben etwas so bedauert. Er hatte es wieder mal geschafft. Er hatte Katie wehgetan, weil er sie nicht zu einer Erklärung hatte kommen lassen, weil er ihr nicht zugehört hatte, als sie ihm die Wahrheit sagen wollte. "Wo ist sie? Ich muss mit ihr reden! " Abbott, dessen Kostüm eines Löwenbändigers sich recht seltsam an ihm machte, war wie von Zauberhand im richtigen Moment da. "Miss Katie ist weg, Sir. Gerade eben. Ich versuchte sie zu überreden, sich von Benson fahren zu lassen, aber sie nahm eins der Fahrräder und fuhr mit ihrer Reisetasche davon." Archer blickte Adam bitterböse an und schlug mit dem Stock leicht gegen dessen Bein. "Warum stehst du hier noch rum? Mach dich auf die Socken, und such sie." "Wen?" fragte Bryce, der gerade herangeschlendert kam und die letzten Worte hörte. "Steckt jemand in Schwierigkeiten?" "Ja", antwortete Adam und wandte sich zum Gehen. "Ich." "Du? In Schwierigkeiten?" Das Lachen seines Bruders folgte Adam, als er auf das Haus zueilte, mit Abbott im Gefolge. "Ich habe mir die Freiheit herausgenommen, Benson zu bitten, den RollsRoyce vorzufahren, Sir", meldete der Butler. "Er wartet vor dem Haupteingang." In zwei langen Schritten hatte er Adam eingeholt und öffnete ihm die Tür. "Miss Katie nahm Richtung auf Sea Change." "Danke, Abbott." "Bringen Sie die junge Lady zurück, Sir." Adam antwortete nicht, während er zum Rolls lief. Er ignorierte Benson, der ihm die Fondtür offen hielt, und setzte sich selbst hinter das Steuer. "Benson!" rief er ungeduldig. "Die Schlüssel! Ich fahre selbst."
Der Schlüssel war im Nu in seiner Hand, und der Chauffeur trat zurück und rief ein gedämpftes "Viel Glück, Sir", als der Motor der Luxuslimousine surrte und Adam losfuhr. Das Rad tauchte im Scheinwerferlicht auf, und Adam hatte nicht gewusst, dass man so sehr lieben konnte, bis er Katie sah. Sie war vom Rad abgestiegen und hatte es gegen einen Baum gestellt. Dann drehte sie sich um, um zu sehen, wer da angefahren kam und anhielt. Im Scheinwerferlicht sah sie aus, als ob sie ihren besten Freund verloren hätte. " Katie! " rief Adam, noch bevor er den Wagen verließ. "Ich habe ein Pfefferspray", warnte sie. Sie forderte ihn sogar in ihrer offensichtlichen Trübsal noch heraus. "Und ich weiß auch, damit umzugehen." "Das bezweifle ich keine Sekunde." Adam fand, dass er tatsächlich lieber vorsichtig sein sollte. "Ich werde keine plötzlichen Bewegungen machen, großes Versprechen." "Halte es auch. Ich bin in keiner sehr guten Laune, und meine Finger könnten ganz unbeabsichtigt an den Auslöser kommen. " "Was immer geschehen mag, ich habe es verdient." Die Worte munterten Katie ein wenig auf. "Was tust du hier?" fragte sie. "Wenn du mir nachgefahren bist, weil du dein Geld zurückhaben willst, dann vergiss es lieber. Mir ist egal, was du über die Party denkst. Ich habe jeden Penny verdient, und ich gebe es nicht zurück." "Ich bin gekommen, um dich zurückzuholen, Katie." "Nun, ich werde nicht zurückkehren. Ich habe mich von deinem Großvater verabschiedet, und den anderen kannst du erzählen, was du willst. Ich werde mich nicht entschuldigen." "Nicht mal für dein Benehmen?" Adam wagte noch einen Schritt auf sie zu und hoffte nur, dass sie nicht wirklich auf den Auslöser drückte. Obwohl es ganz so aussah, als ob sie nichts in der Hand hatte. "Wenn du mir nur ein einziges Mal zugehört hättest, dann wüsstest du ..." "Ich möchte es gern lernen, wie man besser zuhört", unterbrach Adam sie. Katie war auf Zank aus, und das wollte er unterbinden. "Es könnte uns in Zukunft davon abhalten, miteinander so zu streiten wie jetzt." Katie musterte ihn mit schräg gelegtem Kopf. "Dazu wird es nicht kommen, da wir in Zukunft meilenweit voneinander getrennt sein werden." "Bei einer solchen Entfernung wird es nicht leicht sein, eine Beziehung zu haben." "Eine Beziehung?" Adam zuckte die Schultern. "Ich kann nicht behaupten, dass es nicht möglich wäre, aber ich finde, dass sie vergnüglicher bei einem geringeren Abstand ist." "Worüber redest du da, Adam?" "Oh, über Liebe, über Ehe und bis dass der Tod euch scheidet ...“ Die nachfolgende Stille um sie herum war fast greifbar. "Hast du einen zu viel getrunken?" fragte Katie schließlich. "Es hört sich ganz danach an."
"Ich bin nach äußerst schwierigen Verhandlungen gerade rechtzeitig zurückgekommen, um bei Großvaters Party einen kompletten Idioten aus mir zu machen. Ich habe nicht mal Zeit genug gehabt, das Clownkostüm überzuziehen." Er nahm sich ein Herz und streckte die Arme nach ihr aus. "Es tut mir so Leid, Katie. Ich bin erschöpft von den Konferenzen und der Reise gewesen, und ich habe mich die ganze Zeit über so sehr nach dir gesehnt. Und ich habe nicht damit gerechnet, einen ausgewachsenen Zirkus in meinem Park zu finden." "Wenn du mich gefragt hättest, dann hätte ich dir meinen Plan bis in alle Einzelheiten erzählt." Wie sehr er Katie verletzt hatte, hörte er aus ihrer Stimme heraus, und er beschimpfte sich dafür. "Aber weißt du was?" fuhr sie fort. "Ich vergebe dir, und du kannst mit einem guten Gewissen wieder nach Braddock Hall zurückfahren. Nimm es als ein Geschenk von mir anlässlich des neunundsiebzigsten Geburtstags deines Großvaters." "Ich liebe dich, Katie", sagte Adam einfach. Katie schien das gleichgültig zu lassen. "Trotz meines schlechten Benehmens? Es ist nicht leicht, dir das abzunehmen. " "Ich habe dir erst kürzlich gesagt, dass es sehr leichtfertig wäre, mir das Herz zu brechen, aber du scheinst genau das zu beabsichtigen." Katie sah ihn traurig an. "Das könnte ich nicht. Ich könnte dir nicht das Herz brechen, Adam. Dein Herz gehört dem Braddock-Konzern. Dort ist es gut geschützt. Mein Herz, fürchte ich, ist es nicht." Adam schöpfte Hoffnung. "Gib mich nicht so schnell auf, Katie. Heirate mich. Lass mich dein nächstes Abenteuer sein und das übernächste und all die folgenden darauf. Rette mich vor mir selbst." Katie trat näher und legte eine Hand liebevoll an seine Wange. "Das ist nicht fair, Adam. Diese Verantwortung auf mich zu nehmen wäre einfach zu groß. Und gib es zu, Adam, du liebst das Leben, das du führst. Du magst es, Adam Braddock, der Industriekapitän sein, vor dem alle kuschen. So bist du halt." "Nein, so bin ich geworden, weil ich glaubte, dass es mein Geburtsrecht sei, die Pflicht, die ich erbte, weil ich der Erstgeborene bin. Ich dachte, dass ich es meinen Großeltern schuldig sei, mich um das Unternehmen zu kümmern. Ich möchte anders sein, Katie. Ich möchte der Mann sein, der ich bin, wenn ich mit dir zusammen bin. Einfach glücklich sein, obwohl ich nie genau weiß, was als Nächstes auf mich zukommt. Durch dich habe ich einen flüchtigen Blick von dem Schwung und Elan erhascht, den ich in mir eingeschlossen hielt. Du hast mir einen Vorgeschmack gegeben von dem Abenteuer, das die wahre Liebe sein kann. Es ist jetzt zu spät, vor all dem wegzurennen. " „Oh nein, ich renne nicht weg", entgegnete sie ein wenig zu schnell. "Wirklich nicht, Katie? Rennst du nicht weg von dem Haus, in dem du dich zu Hause fühlst, vor dem Mann, der dich braucht und den du, wie ich glaube,
auch brauchst?" Adam hielt inne. Er wollte ehrlich sein, wollte nichts mehr vor Katie verbergen. „In meiner Aktentasche befindet sich ein Bericht über dich. Eine Art Leumundszeugnis, eine Liste all deiner Jobs, wo du gelebt hast, welche Schulen du besucht hast. Da ist eine Aufzeichnung von dem Feuer, das ausbrach, nachdem dein Vater mit einer Zigarette in der Hand eingeschlafen war, und das dir die Mutter und deine kleine Schwester raubte. Darin steht, dass dein Vater Selbstmord begangen hat und dass du bei den Großeltern väterlicherseits aufgewachsen bist. Darin steht nicht, wie tapfer du dein Leben gelebt hast. Es zeigt nicht auf, wie bewundernswert dein Mut gewesen ist, um nicht zu einem bitteren und rachsüchtigen Menschen zu werden, sondern zu einer Frau, die lachen kann und jedem in seiner Nähe Freude bringt. Ich weiß nicht, wie du innerlich so frei werden konntest, Katie, aber wo immer du hingehst und was immer du tust, ich möchte mit dir sein. Wenn es nötig ist, um dich zu beschützen, hauptsächlich aber, um ein bisschen von dir zu lernen, wie man trotz allem sich ein fröhliches Herz bewahren kann. Und ich möchte es zumindest versuchen, dir ein wenig von der Liebe zurückzugeben, die du dir so lange versagt hast." Er wischte zärtlich die Träne weg, die auf ihrer Wange glitzerte. "Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, dich zu lieben, Katie." Sie schmiegte sich in seine Arme wie ein davongelaufenes Kind, das endlich wieder nach Hause kommt. "Es wird nicht leicht sein", flüsterte sie. "Vielleicht", sagte Adam, legte die Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. "Aber ich lerne schnell." "Und das bedeutet kein Handy in meiner Gegenwart, keine Faxe - keine Schuhe." Adam lächelte breit. "Ich passe mich an. Allerdings, du könntest es irgendwann über haben, mit Leichtgepäck zu reisen, und dich doch lieber für einen größeren Koffer entscheiden und vielleicht auch noch für eine Windeltasche dazu." Katie lächelte unsicher. "Es hört sich verdächtig nach einem wirklichen Heiratsantrag an. Du hättest noch Zeit, einen Rückzieher zu machen." Und dann küsste Adam sie. Er hatte keine Zweifel, dass ihr Leben sich aus vielen kostbaren Momenten zusammensetzen würde. Vielleicht auch aus einigen, die weniger kostbar sein würden. Aber so war das Leben halt. Und eines Tages würde er ihr erzählen, dass sie beide ein wenig Hilfe von einer Ehestifterin mit hervorragendem Ruf gehabt hatten. Doch nicht jetzt. Jetzt war der Moment, Katie zu halten und sie zu lieben, und das war das Einzige von Bedeutung. Und wenn Adam es so recht bedachte, dann konnte er sich nicht im Geringsten vorstellen, dass irgendetwas jemals mehr Bedeutung für ihn haben könnte als dies. - ENDE