Atlan - Minizyklus 05
Dunkelstern
Nr. 12
Endstation Anaksa von Uwe Anton
Wir schreiben das Jahr 1225 NGZ. Atlan, ...
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Atlan - Minizyklus 05
Dunkelstern
Nr. 12
Endstation Anaksa von Uwe Anton
Wir schreiben das Jahr 1225 NGZ. Atlan, der unsterbliche Arkonide, ist gemein sam mit der geheimnisvollen Varganin Kythara auf die Fährte der Lordrichter von Garb gestoßen, die mit riesigen Armeen ihrer Garbyor-Völker und geraubter vargani scher Technologie an vielen Orten des Universums wirken. Zunächst wurden sie in der Southside der Milchstraße mit ihnen konfrontiert, und nun stehen sie in der Klein galaxis Dwingeloo wieder im Kampf gegen die unheimlichen Invasoren. Mittlerweile wissen sie, dass sich hinter den Garbyor die ehemaligen »Horden von Garbesch« verbergen und die Lordrichter Zugang zum Mikrokosmos der Varganen suchen. Mit tels einer Verkleinerungstechnologie und der geheimnisvollen Schwarzen Substanz scheint dies auch zu gelingen. Um sie aufzuhalten, muss Atlan ins Zentrum der Schwarzen Substanz vorstoßen. Und so heißt es nun entweder für ihn oder die Lord richter: ENDSTATION ANAKSA …
Endstation Anaksa
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Arkonide enthüllt das Geheimnis von Anaksa.
Yagul Mahuur - Der Lordrichter erreicht das Herz der Station.
Kythara - Die Varganin muss sich ihren schlimmsten Erinnerungen und einem Erzherzog stellen.
Garbgursha - Der Zaqoor sieht sich in der Hierarchie zurückgestuft.
Anaksa - Ein geheimnisvolles Wesen kommuniziert mit fremden Besuchern.
Atlan: Rivalen »Was tust du da?« »Das siehst du doch. Ich grabe ein Loch.« Was für ein Klugschwätzer! Sicher sah ich das. »Weshalb gräbst du ein Loch?« Er hielt mit dem Schaufeln inne. Bis zur Hüfte stand er schon in der Grube. Wie ein Wilder hatte er gearbeitet. Sein Gesicht war rot angelaufen; nass glänzte es im Licht der Monde. In der Luft hing der Geruch nasser Erde. »Ich denke noch darüber nach. Vielleicht für dich. Vielleicht für Kythara. Oder für euch beide?« »Findest du das lustig? Ich muss dich ent täuschen, ich kann darüber nicht lachen.« Er hatte kein Recht auf Kythara, noch nicht. Wir mussten um sie kämpfen, wie das Ritual es vorschrieb. »Es ist mir sogar ziemlich ernst. Das Ritu al ist eine einzige Lüge. Ich habe dabei kei ne Chance gegen dich. Also grabe ich ein Loch, in das ich alle Lügner werfen werde.« Er schnaufte erregt. Natürlich hatte er Recht, das Ritual war nur noch eine Schau. Nie mand dachte heute noch daran, sich wie die wilden Vorfahren um eine Frau zu schlagen. Zudem liebte Kythara mich und nicht diesen aufgeblasenen Kalarthras. Trotzdem hatte er um sie geworben. Mit dem Ergebnis, dass wir beide uns messen mussten. »So ein großes Loch kannst du gar nicht graben. Dann musst du auch die Ältesten hineinwerfen, Kytharas Familie und meinen Clan. Sei vernünftig und lass uns die Sache in Würde hinter uns bringen.« Ich hielt ihm die Hand hin. Er schlug danach. »Du wirst schon sehen, Arkonide, ich gra be bis zum Morgengrauen. Ihr alle werdet
reinpassen.« Er spuckte aus und stieß die Schaufel in die Erde. »Es wird dir nichts nutzen. Sie will dich nicht!« Er war verliebt. Dieser einfältige Sonder ling hatte sich hoffnungslos in das schönste Mädchen des Dorfes verguckt. »Was du nicht alles weißt! Ich dachte, das Ritual ent scheidet?« Jetzt musste ich lachen. »Du hast doch selbst gesagt, dass du keine Chance hast. Ich muss dir ausnahmsweise Recht geben. An deiner Stelle würde ich die Brautwerbung zurücknehmen. Alle lachen schon über dich. Wenn du die Sache durchziehst, machst du auch noch deine Aussichten auf eine andere Braut zunichte. Wer nimmt schon einen Versager? Du müsstest sie dir schon im Tiergehege suchen!« Mit einem wütenden Brüllen sprang er aus der Grube. Die Schau fel hoch erhoben, kam er auf mich zu. Mir wurde plötzlich klar, dass er stark war und ich keine Schaufel hatte. Dicht vor mir blieb er stehen, sein Schweißgeruch drang in meine Nase. »Stürz nicht uns beide ins Unglück, Kalarthras. Es gibt noch eine andere Lösung.« »O nein! Und das weißt du verdammter Arkonide genau. Du oder ich!« Sei auf der Hut!, mahnte der Extrasinn. Varganen sind Arkoniden körperlich weit überlegen! Kalarthras schlug zu. Ich riss die Arme hoch, um den Kopf zu schützen, setzte zu einem Dagor-Tritt an. Doch in der Bewegung lag zu viel Wucht. Sie warf mich zehn, zwölf Zentimeter weiter zurück, als ich kalkuliert hatte, und der Tritt streifte ihn nur. Dieser Mistkerl!, dachte ich. Er hat mich überrascht! Der Extrasinn lachte höhnisch.
4 Dann holte der Vargane zu einem weite ren Schlag aus und hämmerte gleich einen dritten hinterher, der meine Deckung end gültig zusammenrechen ließ. Es wurde dunkel um mich.
Uwe Anton
schehen, wenn sie uns tatsächlich einschlos sen? Wenn dieser Schnee den Mut dazu fand … Mut? Wie konnte Schneegestöber Mut aufbringen? Schnee ist für gewöhnlich auch weiß und nicht schwarz, bemerkte der Logiksektor. 1. Täusch dich also nicht, was seine Optionen Atlan
angeht. Wie ein Käfer auf dem Rücken
Hatte ich mir dieses Zögern nur eingebil Schwarzer Schnee fiel in dichtem Gestö det, oder verriet der Extrasinn in dieser Si ber. tuation tatsächlich eine gewisse Ratlosig Ich öffnete die Augen. keit? Der Schnee blieb. Ein leises Stöhnen unterbrach meinen Ge Schmerzwellen brandeten durch meinen dankengang. Kopf. Kythara!, schoss es mir durch den Kopf. Wo war Kalarthras? Eben hatte er mich Sie würde wissen, was … noch … Ich wollte mich auf die Seite drehen, mich Nein. der Varganin zuwenden, die neben mir lag, Es war ein Alptraum gewesen, vielleicht doch ich konnte mit viel Mühe gerade den auch eine Art Vision, ich wusste es nicht. kleinen Finger der linken Hand bewegen. Mir war lediglich klar, dass hier an »Bord« Ein Blick auf das Allzweck-Arm von Anaksa vieles rätselhaft war – noch. bandgerät am linken Handgelenk verriet mir, Meine Aufgabe war es, durch all diese dass wir noch den 21. Juli 1225 NGZ schrie Rätsel hindurchzustoßen direkt ins Zentrum ben und ich bloß ein paar Minuten bewusst der Station, auf deren Konto die gefährliche los gewesen war. Schwarze Substanz ging, die in Dwingeloo Dabei hatten wir keine Zeit zu verlieren. von den Lordrichtern zum Einsatz gebracht Wir mussten den Zugang zum Mikrokosmos wurde. verschließen, den sich die Garbyor – zu wel Wenn nur mein Schädel nicht so fürchter chem Zweck auch immer – mittels vargani lich dröhnen würde! Was war das für ein scher Technologie geschaffen hatten und der merkwürdiges Szenario gewesen? Handelte letztlich mit Sicherheit auf eine Katastrophe es sich um ein Zwangsbild, das von außen für ganz Dwingeloo und wahrscheinlich so auf mich projiziert worden war, oder ent gar die Milchstraße und Gruelfin hinauslau stammte es meinem Unterbewusstsein, das fen würde. Der Vorstoß zur Zentrale-Station mich vor Kalarthras warnen wollte? war gescheitert, ich lag hilflos wie ein Käfer Du Narr, das war schiere, primitive Ei auf dem Rücken da, konnte nicht einmal mit fersucht. Du musst deine Gefühle besser un den Beinen zucken, nur hoffen, dass mein ter Kontrolle halten. In dieser Umgebung Zustand sich schnell besserte, bevor der können Aussetzer tödliche Konsequenzen schwarze Schnee uns erreichte. haben. Für alle! Jetzt kam alles darauf an, ob mein Zellak Der Extrasinn musste natürlich ein Wört tivator es schaffen würde, die Lähmung chen mitreden. Aber er hatte nicht Unrecht, rechtzeitig zu überwinden. wie ich erkannte, als sich mein Blick klärte. Die Lähmung ließ allmählich nach – lang Die schwarzen Schneeflocken fielen hefti sam, quälend langsam –, doch schließlich ger, kreiselten, wirbelten, als seien sie be war es so weit: ich konnte den Kopf ein we seelt, als belauerten sie uns, um uns zu um nig drehen und sah ein wenig von Kytharas fangen und aufzufressen. Was würde geblondem Haar.
Endstation Anaksa Und glaubte im selben Moment, mir wür de Eiswasser durch die Venen rinnen, denn ich sah noch mehr: In erschreckender Lautlosigkeit näherten sich uns drei furchtbar entstellte Varganen. Jetzt, da ich sie sah, vernahm ich auch die leisen, schmatzenden Geräusche, die sie bei jeder Bewegung von sich gaben. Ihre Körper waren deformiert und von schwärenden, eit rigen Wunden und Blasen übersät, so scheußlich, dass sie nach menschlichem Er messen längst hätten tot sein müssen. Zwei konnten ihre Beine nicht mehr gebrauchen und krochen auf rohem Fleisch über den Bo den, der dritte humpelte auf zwei unter schiedlich langen Beinen. Alle drei streckten gierig die Arme nach Kythara und mir aus. Waren das die Kreaturen, von denen der Vargide Saelin gesprochen hatte? Jene, die mit der Station verschmolzen waren? Jene, mit denen Kythara Kontakt herzustellen ge hofft hatte? Die drei Abscheulichkeiten, die einmal Varganen gewesen sein mochten, zischten leise und gestikulierten. Sie kamen aufgrund ihrer furchtbaren De formationen nur langsam voran. Zwanzig Meter vielleicht noch. Doch wir kamen nicht rechtzeitig weg, wenn die Lähmung so langsam verklang. Mittlerweile konnte ich zwar schon die Hand bewegen, aber das reichte nicht einmal zu einer Abwehrbewegung. Kythara flüsterte neben mir: »Atlan, wo sind wir? Was ist passiert? Mein Kopf … so dumpf. Und dann, als würden mir ein paar Stunden Erinnerung fehlen.« »Ich weiß. Das war bei mir genauso. Es geht vorbei. Allerdings erreichen uns unsere Freunde da drüben womöglich eher und ma chen der Sache anderweitig ein Ende.« Die varganische Konstitution musste in der Tat robuster sein als die arkonidische, denn es gelang ihr bereits, den Kopf zu he ben. Nun sah auch sie die drei Gestalten. Ein Aufschrei entwich ihren Lippen. Sie fing sich schnell wieder – als ehemali
5 ge »Göttin« in der Obsidian-Kluft war sie es nicht gewohnt, Schwäche zu zeigen. »Warte, ich sehe Varg-1 und Varg-2. Die können uns helfen. – Aktivmodus!« Nichts geschah. »Verdammt.« Mühsam hob ich den Kopf und sah die Bescherung: Die beiden Roboter hingen wie erstarrt in der Luft, nach wie vor umflim mert von ihrer Pegasus-Projektion, die aller dings merklich schwächer und durchschei nender geworden war. Früher hätte man gesagt: Sie sind »abgestürzt«, aber das ist derzeit wohl nicht angebracht, konstatierte der Extrasinn lapi dar. Ihr habt es nicht sehr weit gebracht, oder? Nein, wirklich nicht. Vom Standort des zurückgelassenen Kardenmoghers waren wir erst rund 100 Kilometer entfernt. Falls wir uns überhaupt noch auf dersel ben Welt wie die Weltenwaffe befanden … Wir lagen auf einem kleinen Felsvorsprung. Hoch über uns spannte sich ein dunkles Ge wölbe, so hoch, dass ich keine Einzelheiten erkennen konnte. Diese zwanzig, dreißig Meter der näheren Umgebung waren die ein zige Konstante in einer sich ständig verän dernden Welt. Ringsum wirbelte der schwar ze Schnee, einzelne Flocken peitschten im mer wieder unsere Anzüge. Täuschte ich mich, oder durchlief ein lei ses Zittern den Boden, vielleicht der Vorläu fer eines Bebens? »Die Idee war gut«, tröstete ich Kythara. Die Varg-Kugelroboter hätten uns gewiss zu schützen vermocht. »Aber die Schwarze Substanz oder ein anderer Faktor an diesem Ort scheint sie ausgeschaltet zu haben.« Die Varganin seufzte. »Danke für die Diagnose. Und jetzt? Wie steht's mit deiner Beweglichkeit?« »Es geht mir von Sekunde zu Sekunde besser, aber es wird nicht reichen.« Die drei Varganen waren noch zehn, zwölf Meter entfernt.
*
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Uwe Anton
Ich sah mich in einem Anflug von Ver nackten Arme einzige Wunden waren. Ei zweiflung um. Nicht nur unser Zustand war nem hing die Haut buchstäblich in Fetzen seltsam, auch unsere Umgebung war ein Ge vom Fleisch, bei einem anderen schlug sie misch aus sich übereinander schiebenden unablässig Blasen, die immer wieder auf Sinneseindrücken. Vexierbildhaft wechselte platzten und dabei eine eitrig anmutende zumindest die Wahrnehmung, die ich von Flüssigkeit hinausspritzten. Was würden sie mit uns anstellen, sobald ihr hatte. Gemein war allen Bildern aller dings, dass »Schneeflocken« aus Schwarzer sie uns erreicht hatten? War es Gier, die sie ihre Arme nach uns ausstrecken ließ? Aber Substanz sie durchtanzten. Konnte ich im einen Augenblick noch die worauf? Wollten sie uns … verzehren? Oder wollten sie aus anderen Gründen zu uns? kraterübersäte Landschaft des Mondes er kennen, über dessen Horizont sich der Gas Noch drei Meter … riese mit seinem prächtigen Ringsystem er Das Zittern des Bodens wurde stärker. hob, sah ich im nächsten eine gewaltige Ka Die Vibrationen liefen durch meinen Körper verne, deren Wände mit bizarren Gebilden und ließen meine Organe schwingen. Es war besetzt waren. Unterschiedlich große ein überaus unangenehmes Gefühl. Dann schwarze Blöcke mit gerundeten Formen steigerten sie sich zu einem weiteren deut schienen an den Wänden zu kleben; die mei lich wahrnehmbaren Beben. sten waren gewaltig. Oder Vorbeben, das das große lediglich Zwischen ihnen wanden sich meterdicke ankündigte? Rohre und Schläuche. Heftig pulsierend be Kythara schrie leise auf, aber nicht wegen förderten sie eine unbekannte Fracht. der Schwingungen. Kythara sah es auch. »Was ist das?« Im nächsten Moment spürte ich es auch. Ein sonderbares Konglomerat wahr Eine fremde Kraft walzte über mich hinweg scheinlich biomechanischer Aggregate von und presste mir die Luft aus den Lungen, Hochhausgröße, vermutete der Extrasinn. dass ich glaubte, meine Brustplatte würde in Danke für die Diagnose, gab ich zurück, tausend Knochensplitter zerspringen. Ein unbewusst Kytharas Aussage wiederholend. Vorhang aus bunten Farbschlieren legte sich »Was auch immer es ist, es ist riesig, und auf meine Augen. ich halte es für lebendig.« Die dunklen, be Sah so das Ende aus? drohlich wirkenden Apparaturen verblichen, der Gasriese schob sich wieder über den Ho * rizont. Ich prägte mir die Position der Sterne Narr! Was du spürst, ist kein körperli am Nachthimmel ein und suchte in meinen cher Druck! Erinnerungen nach ähnlichen Bildern, doch Ich lauschte dem Schmerz nach und stell schon wurden sie wieder von den überdi te fest, dass der Extrasinn Recht hatte. Ich mensionierten Bioaggregaten überlagert. war ein Narr, denn mit mentaler Macht hatte Trotzdem äußerte ich meine Vermutung. ich durchaus bereits Erfahrungen gesam »Ich halte es für denkbar, dass wir den ur melt. Dies hier war zweifellos ein geistiger sprünglichen Standort der Anaksa-Le Druck. bensform erblicken, ehe sie in die Umlauf Die Schwarze Substanz fiel immer dich bahn um den Dunkelstern versetzt wurde.« ter. Sie wirbelte in winzigen Fetzen um uns. Kythara stöhnte leise auf. »Und wie ge Das Gestöber verwandelte sich in einen fin nau bringt uns das jetzt weiter? Atlan! Sie steren Schneesturm. sind fast da!« Auch die drei Varganen schienen davon Ich schaute wieder zu den varganoiden beeinträchtigt zu werden, ihr Tempo ver Kreaturen hinüber. Sie waren noch sechs, langsamte sich noch weiter. sieben Meter entfernt. Ich sah, dass ihre
Endstation Anaksa Zwei Meter … »Atlan, wir müssen uns etwas einfallen lassen …«, murmelte Kythara. »Das weiß ich auch!« Ich versuchte es wieder mit der linken Hand, konnte aber nur zwei Finger um ein paar Millimeter bewe gen. Die vorderste Varganen-Kreatur war fast heran. Ein Meter, ein halber … Das Zerrbild eines Varganen schob den Arm vor. Eine Woge des Gestanks schwappte zu mir herüber. Er wird mich mit irgendetwas infizieren oder gleich töten und zerreißen wie ein Ghul aus der terranischen Sagenwelt! Ein lautes Grollen ertönte. Der Felsvor sprung, auf dem wir lagen, erbebte, als wolle er unter uns wegbrechen … Die Kinder der Varganen:
Ein Tag und die Ewigkeit
»Immer bist du der Anführer, Tolakin! Ich will auch mal das Sagen haben.« Sein glockenhelles Lachen schallte über die Blumenwiese. »Tavena, du bist zu unge duldig! Jeder kommt dran, das weißt du doch. So sind die Regeln.« Das Mädchen zog eine Schnute und warf sich auf Tolakin. Er hätte ausweichen kön nen, blieb jedoch stehen und ließ zu, dass sie gegen ihn prallte. Er drehte sich, nutzte ih ren Schwung aus und schleuderte sie zu Bo den. Dann sprang er hinterher. Kichernd wälzten sie sich über die Wiese. Blütenstaub drang in seine Nase, er mus ste niesen. Sie trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust, doch er lachte nur. Abrupt wurde er ernst, umklammerte ihre Handgelenke und zwang ihre Arme zurück. »Hörst du das?« Tavena erstarrte, Stille senkte sich über die Wiese. Sie nickte. »Ja.« Der laue Sommerwind trug weitere Kin derstimmen zu ihnen herüber. Dazwischen mischte sich das keckernde Geräusch eines
7 zahmen Erdanus. »Schnell, die anderen kommen!« Tolakin sprang auf. »Lass uns ein Spiel machen!« Er war der Ältere, stand kurz vor der Jünglingsreife. Das sonnengelbe Haar trug er offen und schulterlang. Er wusste, dass Tavena ihn geradezu anbetete, doch sie war noch zu sehr Kind. »Ja, ein gutes Spiel! Dann können wir für kurze Zeit die Angst vergessen.« Ihr Blick wurde traurig. »Die schreckliche Angst, die so viele von uns lähmt. Du weißt, ich spiele erst seit kurzem mit, längst noch nicht so lange wie ihr, aber ich kenne die Furcht ebenfalls …« Er nickte aufmunternd, und sie nahmen einander an den Händen und lösten sich auf.
* Schnüffelnd sprang der Erdanu über die Wiese. Er hielt die schwarze Nase dicht über dem Boden und stieß in kurzen Abständen ein leises Fiepen aus. »Sie waren hier!«, sagte Onidro. Seine goldenen Augen funkelten plötzlich so hell, dass seine schimmernde Bronzehaut eine Spur dunkler wirkte. »Canga wittert sie.« Die anderen sahen ihn unschlüssig an. Onidro spürte, dass sie zögerten. Seflen sprach schließlich aus, was alle dachten. »Ist das erlaubt? Müssen wir sie nicht ohne Hilfe finden?« Onidro zuckte die Achseln. »Pah! Canga ist nur zufällig bei uns, also entspricht es vollauf den Regeln.« Er grinste. »Wirklich Pech für Tolakin und seine Freundin.« »Sie ist nicht seine Freundin«, maulte Se flen. Das hättest du wohl gern, dachte Onidro und bückte sich, um Canga zu streicheln. Der Erdanu reichte ihm bis an die Knie; le diglich die dunkle Schnauze ragte aus dem braunen Fell hervor, das bis auf den Boden fiel und seinen eigentlich schlanken Körper zottelig und unförmig wirken ließ. »Such, Canga, such!« Onidro kniff die Augen zusammen, als
8 der Erdanu plötzlich knurrte und vor ihm zu rückwich. Das Tier scharrte hektisch mit den Hinterläufen, knurrte noch einmal – und sprang ihn an. Der Junge riss die Arme hoch und konnte im letzten Augenblick die Hände um den Leib des Erdanus legen, der sich unter sei nem Griff schüttelte und wand. Canga bleckte die Zähne, fauchte laut. Heißer Spei chel klatschte auf Onidros Gesicht. Das weit aufgerissene Maul mit den nicht gerade lan gen, aber sehr spitzen Zähnen kam der Keh le des Jungen immer näher. Schleudere ihn zurück, sonst zerfetzt er dich, dachte Onidro entsetzt. Doch er hatte Canga schon als Welpen bekommen; in all diesen Jahren war der Erdanu stets sein treuer Begleiter gewesen … »Tavena ist wirklich nicht meine Freun din, Onidro, und das weißt du ganz genau«, knurrte das Tier guttural, als seien seine Stimmbänder nicht dazu geschaffen, Sprach laute zu produzieren. Entsetzt riss Onidro die Augen auf und starrte seinen Erdanu an, der gerade mit ihm gesprochen hatte. Dann ging ihm ein Licht auf. Er lockerte den Griff und setzte Canga auf den Boden. Das Tier wand sich nicht mehr und hatte auch zu knurren aufgehört. »Alle Achtung, Tolakin«, sagte er wider willig. »Du bist tatsächlich etwas besser ge worden. Aber ich habe dich aus der Reserve gelockt. Ich würde sagen, diese Runde geht an mich.« Der Erdanu jaulte laut auf. Mit einem Satz sprang er mitten in ein Feld aus rotem Mondfries. Die Blütenblätter wirbelten hoch und flatterten wie rote Schmetterlinge da von. Verwirrt setzte Canga sich auf und leckte sich die Pfoten. »Und wo bin ich jetzt?« Die Stimme kam aus allen Richtungen. Onidro sah sich um, die anderen Kinder drehten sich im Kreis und lachten. »Tolakin ist der Sieger«, rief Seflen, und die anderen fielen ein: »Tolakin ist der Bes sere.«
Uwe Anton »Dieses Spiel geht an Tolakin.« Onidro verzog das dunkle Gesicht. Er war nicht so alt wie Tolakin und der äußere Ge gensatz zu dem blonden, hellhäutigen Älte ren. Er hatte gewusst, dass er verloren hatte, als er seinen Sieg verkündete, aber die Nie derlage wurmte ihn. »Das wird mir zu albern.« Trotzig wandte er sich von Canga ab. »Überhaupt sind diese Spielchen nicht mein Niveau, und …« »Achtung!« Eine kühl modulierte Stimme hallte über die Wiese und unterbrach ihn. »Massiver Einfall von Schwarzer Substanz in den Bereichen Sieben bis Neun. Empfehle Gegenmaßnahmen!« »Muss es uns kümmern, wenn der Mish bar den Erdanu zwickt?« Onidro schüttelte so heftig den Kopf, dass sein wirres Haar ihn wie eine dunkle Wolke umschwebte. »Wir sollten es uns auf jeden Fall anse hen. Nachher verrate ich dir dann vielleicht meinen Trick.« Tolakin stand plötzlich vor Onidro und grinste ihn an. »Wenn er mich dann noch interessiert.« Der dunkle Junge verschwand. Tolakin zuckte die Achseln. »Auch nicht schlecht.« Lachend und singend verwandelte sich die Kinderschar in ein Blütenmeer, und To lakin wurde die Sonne.
2. Atlan
Augen schwarz in schwarz
Ich hatte mich geirrt. Nicht der Felsvor sprung brach weg, sondern der Himmel stürzte ein. Genauer gesagt riss das Gewölbe hoch über uns auf. Dröhnend stürzten einige Felsbrocken herab; einer schlug nur ein paar Meter ent fernt mit einem dumpfen Krachen auf. Staub wirbelte empor und nahm mir die Sicht. War das real? Oder auch wieder nur eine Vision? Die drei Varganen – entfernt. Der Tanz der schwarzen Schneeflocken ringsum wur
Endstation Anaksa
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de immer hektischer und wilder. Fast schie fen sie überhaupt irgendetwas? Ich konnte genau beobachten, wie die nen sie die Gesetze der Schwerkraft verhöh nen und emporstreben zu wollen, hinauf zur Substanz durch die Haut in den Körper ein drang. Von einem Augenblick zum anderen Gewölbedecke. Aus den Rissen im Gestein drang eine zä verfärbte er sich schwarz wie Ebenholz. he Flüssigkeit, die sich beim Kontakt mit der Wie bei Kalarthras, meldete sich der Ex Luft verhärtete und zu großen, fladenartigen trasinn. Stücken verklumpte. Diese lösten sich von Doch die Abscheulichkeit machte noch in der Decke und schwebten gemächlich auf anderer Hinsicht eine Veränderung durch: uns zu. Fast hatte ich den Eindruck, dass die Die verkrümmten Arme und Beine verdreh Schwarze Substanz sich kontrolliert beweg ten und streckten sich. Die schwärenden te. Wunden schlossen, die Eiterblasen glätteten Denn um nichts anderes handelte es sich sich. Im Gesicht wanderten die Augen mit der Nase und dem Mund um die Wette an bei den großen Klumpen! Immer mehr davon materialisierte, sicker ihre angestammten Stellen zurück, es nahm te aus den Rissen in der Gewölbedecke oder wieder Züge an, die ich als die eines Varga erschien aus der Luft. Das schwarze Schnee nen erkennen konnte. gestöber verdichtete sich zusehends, strebte Ich hielt den Atem an. Als hätte man auf die breiige Masse zu und vereinigte sich einen Stein in einen Teich geworfen. Die mit ihr. Wasseroberfläche zieht Kreise bis zum äu Einen Moment lang war ich dankbar, dass ßeren Rand. der Extrasinn mich mit Vermutungen ver Abrupt kam wieder Leben in den Körper schonte, was passieren würde, wenn sie des Varganen. Ruckartig setzte er sich auf und sah sich mit weit aufgerissenen Augen mich berührte. Je näher die unheimliche Masse kam, de um. Ich konnte keine Unterschiede zwischen sto heißer brannte das Feuer, das sich plötz Augapfel, Iris und Pupille erkennen: Die lich durch meine Adern zu wälzen und auch Augen waren schwarz in schwarz. die Nervenstränge in Brand zu setzen schi Ebenfalls genau wie bei Kalarthras … en. Zuerst schien der Genesene die Umge Bestand da vielleicht ein Zusammenhang, bung nicht wahrzunehmen. Langsam drehte oder war das einfach eine Reaktion meines er den Kopf, als sei er gerade eben mit vol Körpers auf das Nachlassen der Lähmung? lem Bewusstsein geboren worden und müsse Ich befürchtete, dass mir nicht mehr genug sich erst orientieren. Zeit blieb, um es herauszufinden. Vielleicht ist dem ja so, vermutete der Lo Zwei Meter schwebte die Schwarze Sub giksektor. Geboren oder wiedergeboren. stanz über mir, dann noch einen – und stürz Dann richtete der Verwandelte sich auf. te herab. Aber sie hüllte nicht mich ein, son Nichts mehr erinnerte an das schreckliche, dern die Varganen-Kreatur. Einen Moment entstellte Monstrum, das er gerade eben lang lag sie auf der grausam entstellten Ge noch gewesen war. Ein wohlgestalteter Var stalt, dann sickerte sie tiefer. gane mit ebenholzfarbener Haut stand vor Das Geschöpf fing an zu schreien. Es mir. Die Schwarze Substanz hatte ihn in Se zuckte so heftig in krampfhafter Agonie, kundenschnelle von seinen Deformationen dass es fast einen halben Meter in die Höhe und Verletzungen geheilt. geschleudert wurde. Als es wieder auf den Ich wusste nicht, ob ich erleichtert sein Boden prallte, verstummte es abrupt und sollte oder noch mehr Grund zur Besorgnis rührte sich nicht mehr. Die beiden anderen hatte. Wie würde der Wiedergeborene rea Varganoiden verharrten reglos. gieren? Welche Absichten hegte er uns ge genüber? Jedenfalls war er uns jetzt in dop Begreifen sie, was da geschieht? Begrei
10 pelter Hinsicht überlegen. Hoffentlich konn te ich bald mehr bewegen als nur die Arme. Das Brennen in meinem Körper gab Anlass zu der hoffnungsvollen Vermutung, dass die Lähmung zusehends nachließ. Doch der mentale Druck in meinem Kopf wurde wie der stärker. Ich kam mir vor wie ein Stück Arkonstahl unter der feldenergetischen Formpresse. »Die Schwarze Substanz.« Kytharas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte erwartet, dass die restlichen schwarzen Fladen sich auf die beiden ande ren Varganoiden senkten, sah mich jedoch getäuscht. Sie umschwebten den Verwandel ten, als … hätten sie Bewusstsein und wür den auf irgendetwas warten. Auf die Reakti on des Genesenen? Ich konnte nicht einmal Vermutungen anstellen. Ein Geräusch ließ mich zusammenfahren. Zuerst hielt ich es für ein Reiben von verfau lendem Fleisch auf dem harten Boden, doch dann erkannte ich es als Laut, als Wort … »Warum …« Einer der Verunstalteten hatte es ausge stoßen. Ich drehte den Kopf zu ihnen. Der Humpelnde öffnete und schloss immer wie der den Mund. »Warum … können wir nicht ins Kyriliane?«, brachte er schließlich her vor. Die Frage klang unglaublich gequält. Kyriliane … Der varganische Begriff für das Ganze, für alles. »Oder …« Nun sprach auch die zweite Abscheulichkeit. »Oder … uns endlich vom Instinktbewusstsein lösen … Es währt … schon eine Ewigkeit … unendlich lange … und wir sind … der Lösung niemals näher gekommen …« »Oder wenigstens sterben«, ergänzte der Erste wieder. »Lass uns sterben … wie sehr sehne ich mich mittlerweile nach der geziel ten Lösung des Bewusstseins von der Hülle …« So verunstaltet die Körper der Varganen sein mochten, sie schienen noch vollständig bei Verstand zu sein und sich klar artikulie ren zu können. Die Lösung des Bewusst seins vom Körper bezeichneten die Varga-
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nen als Freisetzung ins Kyriliane. Allmäh lich konnte ich mir so einiges zusammenrei men. Der Geheilte – oder von der Schwarzen Substanz Übernommene – drehte sich lang sam zu den anderen um. »Onidro, du kennst die Antwort.« Seine Stimme war tief und sonor wie die von Kalarthras. »Ich warne dich vor unbe dachten Taten. Kein Unbefugter darf auch nur in die Nähe der Steuerzentrale gelangen. Die Folgen wären für uns alle katastrophal.« »Die Steuerzentrale liegt fünfhundert Ki lometer tiefer … und meine Sehnsucht nach der … Freisetzung … ist größer als die Angst vor allen möglichen Folgen …« Der geheilte Vargane ging nicht darauf ein und drehte sich wieder um. Stirnrunzelnd sah er mich an. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. Ich fragte mich, ob sich hier die erhoffte Chance bot. Vielleicht gelang es uns nun, Kontakt zu den Varganen herzustellen, die körperlich und geistig mit der Station ver schmolzen waren. Seine nächsten Worte machten das zarte Pflänzchen Hoffnung brutal zunichte. »Wir sollen die Eindringlinge entfernen.« Er musterte mich nachdenklich, als über lege er, wie er mich am besten beseitigen könnte. Wenn du eine Idee hast, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt, sie mir mitzuteilen. Ich konnte nur hoffen, dass Kythara meinen Ge dankenimpuls empfing, obwohl der unbe kannte mentale Druck immer noch sehr schwer auf uns lastete. Sie reagierte nicht. Sie lag völlig reglos da und hatte die Augen geschlossen. Kleine Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Sie hat Kontakt aufgenommen, dachte ich. Natürlich, die Varganen haben sie als Ange hörige ihres Volkes identifiziert. Der schwarze Vargane machte einen Schritt auf mich zu, dann einen zweiten. Er streckte die Arme aus und bog sie, als wolle er prüfen, wie viel Kraft in ihnen steckte. Ich fragte mich, ob die Varganen bei al
Endstation Anaksa lem Größenwahn auch dazu neigten, Käfern die Beine auszureißen. Zweifellos konnte dieser Vertreter seiner Spezies mir in mei nem derzeitigen Zustand mit geringer An strengung das Genick brechen …
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völlig ausgeliefert! Ob ihr ihnen nun absolu te Friedfertigkeit gegenüber ihren göttlichen Schöpfern eingebt oder ihr euch direkt mit ihnen vermischt …« »Spielt es etwa keine Rolle, dass sie sich vermehren können, wie echte Lebewesen wirken und handeln und in etlichen Fällen Atlan: Androiden sogar eigenes Bewusstsein entwickeln?« »Wie kannst du es wagen? Was erlaubst Langsam wurde ich ebenfalls richtig wü du dir?« Kytharas goldene Augen funkelten tend. »Das sei unbenommen! Aber wir spre mich an. So wütend hatte ich sie noch nie chen hier über die Frage, was wahres Leben gesehen. Ich konnte nur hoffen, dass sie ist.« nicht mit dem Gedanken spielte, mich mit Kythara trat zurück und drehte sich ein Waffengewalt aus der AMENSOON zu wer mal um die eigene Achse. Als sie mich wie fen. der ansah, lächelte sie. »Ich habe doch nur gesagt, dass die Var »Zweifellos ist diese Thematik heikel«, ganen häufig und gern Androiden geschaf sagte sie zuckersüß, »und mir ist klar, dass fen haben …« sie von Angehörigen unterschiedlicher Spe »Und wenn schon! Dir steht kein Urteil zies durchaus kontrovers aufgenommen, be darüber zu! Vielleicht verachtest du uns des trachtet und diskutiert wird. Aber was ist halb, aber für uns ist das nur einer von vie zum Beispiel mit den Mucys?« len Wegen. Wir wollen uns nicht mit dem Sie hatte mich kalt erwischt. Dieser Be Schicksal der Kinderlosigkeit abfinden.« griff war die Abkürzung für Multi-Cyborgs, »Und mit vielen anderen Dingen auch eine synthetisch gezüchtete Lebensform von nicht«, murmelte ich. überwiegend ausreichender Intelligenz, um Vorsicht, mahnte der Extrasinn. Du soll zu eigenständigem, folgerichtigem Handeln test sie nicht noch provozieren. im Rahmen des jeweiligen Auftrags fähig zu Kythara trat ganz dicht vor mich und sein. Mucys waren denkende und fühlende stach mit dem Zeigefinger in Richtung mei Geschöpfe gewesen, die sorgfältig erzogen ner Nase. »Bedenke die Umstände! Wir und in die menschliche Gesellschaft inte Varganen sind durch den Wechsel aus dem griert worden waren. Sie hatten nicht das Mikrokosmos in den deinen zeugungsunfä Gefühl haben sollen, als Außenseiter oder hig geworden. Allein, um diese Unfrucht gar Monstren angesehen zu werden. Ein je barkeit untereinander zu überwinden, haben der war je nach Einsatzzweck halb- oder wir uns darauf konzentriert, Kunstwesen zu vollorganisch hergestellt und speziellen Er schaffen. Das ist der Kernpunkt. Nur darauf fordernissen und Umweltbedingungen ange läuft es hinaus!« passt worden. Sollte ein Cyborg zum Bei Ich ignorierte den Rat des Logiksektors spiel besonders schnell laufen können, wur und lachte leise auf. »Trotzdem kommt mir den seine Beine aus Stahl hergestellt und er dieser Versuch gottgleich, arrogant und hy mit einer leistungsfähigen Energiestation brisbeladen vor! Dieses Unterfangen ist ab ausgestattet. solut größenwahnsinnig. Für euch Varganen Damals war es zu hitzigen Diskussionen sind die Androiden nur der Grundstock für über diese Thematik gekommen. Was würde Leben nach eurem Abbild, genau genommen geschehen, wenn sich die Mucys zu sehr als biorobotische Diener und Sklaven, die ihren wirkliche Menschen fühlten? Herren die fehlende Bevölkerung zu liefern Welche Konsequenzen ethischer Art erga haben und genau in diesem Sinn auch pro ben sich, wo war der Trennungsstrich zu zie grammierbar wurden. Sie sind euch doch hen?
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Ich konnte mich genau daran erinnern, Zehn? Oder zwanzig? Manchmal hasste ich den Extrasinn regel nicht nur wegen meines fotografischen Ge dächtnisses. Denn das Cyborgrecht. Forschungsprogramm war um das Jahr 3500 Der dunkle Vargane machte noch einen alter Zeitrechnung vom ersten Mann des da Schritt auf mich zu. maligen Neuen Einsteinschen Imperiums in »Warte«, rief der, den er mit Darkunisch itiiert und vorangetrieben worden – von mir! angesprochen hatte. »Ein Irrtum. Sie haben »Auch ich lerne noch immer dazu«, erwi es sich anders überlegt. Sie wollen, dass sie derte ich ausweichend. »Kannst du das auch es erfahren.« von euch sagen?« Die Bedeutung der Worte war mir nicht »So leicht kommst du mir nicht davon! Es ganz klar, aber der dunkle Vargane blieb ste hen. »Warum?« geht hier um die Frage: Was ist wahres Le ben? Wo, wie und wann gibt es den Sprung Das würde ich auch gern wissen! Ich hin zu Bewusstsein? Was macht den Geist blickte zu Kythara hinüber. Sie schüttelte eines Lebewesens aus, ab wann hat man eine den Kopf. Nein, sie wusste auch nicht, wo Seele …?« von die Rede war. Eine sehr wichtige Frage, bestätigte der Der dunkle Vargane stand da und rührte Extrasinn. Wir müssen ihre Klärung aber sich nicht, zehn Sekunden lang, zwanzig … verschieben. Du solltest lieber darüber Ich beobachtete ihn und spürte, wie das nachdenken, woher Kythara überhaupt von Brennen in meinem Körper sich von den den Mucys weiß. Sie hat die letzten Jahrtau Beinen ins Becken vorarbeitete, von den Ar sende in der Obsidian-Kluft verbracht, und men in die Schultern. Aber es ging so lang du hast ihr nie von ihnen erzählt. sam voran, und das drohte mir den Verstand Noch während ich nach Luft schnappte, zu rauben. löste sich die Zentrale der AMENSOON zu Ich versetzte mittels einer alten Dagorsammen mit der Varganin auf. Technik einen Teil meines Bewusstseins in eine leichte Trance, um die Selbstheilungs kräfte des Körpers zu fördern, während ich 3. mit dem anderen verzweifelt versuchte, an Atlan
irgendetwas zu denken, was nichts mit den Dagor-Techniken
Varganen zu tun hatte. Kythara stöhnte und schlug die goldenen Doch meine Gedanken kehrten immer Augen wieder auf. »Ich schaffe es nicht. Ich wieder zu ihnen zurück. Sie waren kein kann sie nicht erreichen. Sie sind zu weit Volk, das meine unbedingte Hochachtung weg … oder haben sich zu sehr verändert. genoss, vor allem nicht nach dem, was ich in Ihr Bewusstsein ist wie ein Nebel. Immer den letzten Tagen und Wochen über sie in wenn ich ihm näher komme, weicht er vor Erfahrung gebracht hatte. Experimente mit mir zurück. Er ist einfach nicht greifbar.« dem eigenen Körper oder Bewusstsein gal Ob es an meiner Angst lag, den beleben ten bei ihnen als völlig normal, für mich wa den Impulsen des Zellaktivator oder dem na ren sie jedoch in vielerlei Hinsicht so abson türlichen Abklingen der Lähmung, plötzlich derlich, dass sie sich nur als größenwahnsin konnte ich die Beine bewegen. Der Schmerz nig oder schlichtweg als verrückt bezeich war unglaublich, doch es gelang mir, die nen ließen. Knie anzuwinkeln. Aufstehen konnte ich Werte ein Volk nicht nach dem Aussehen, zwar noch nicht, aber vielleicht würde ich mahnte der Extrasinn. Varganen mögen völ dem Varganen ja einen Tritt versetzen kön lig humanoid sein, aber sie sind eben keine nen. Arkoniden oder Terraner. Sie stammen aus Und damit wie viele Sekunden gewinnen? einem anderen Universum. Vergiss das nie
Endstation Anaksa
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mals. Der »geheilte« Vargane beobachtete jede Ich lachte stumm auf. Mein fotografisches meiner Bewegung, ohne mich indessen am Gedächtnis spülte zahlreiche Erinnerungen Aufstehen zu hindern. empor. Schon in meiner Jugend hatte ich Plötzlich hörte ich Kytharas mentale mehrere bemerkenswerte Versuche erlebt, Stimme. Der intensive Einfluss Schwarzer die Varganen mit sich selbst angestellt hat Substanz schien ihre Kräfte bedeutend zu ten. Etwa die an den Zeitwächter Ngulh, der verstärken, ganz ähnlich wie vor vielen hun sich auf einer Welt des Dreißig-Plane dert Jahren Paratau die Psi-Gaben der Karta ten-Walls als Verschmelzung von Varganen nin stimuliert hatte. bewusstseinen mit einem elektronischen »Ich komme jetzt besser an ihn heran. Trägerkörper bezeichnet und später als Neg Wahrscheinlich wird es uns nicht gelingen, Gulucch auf Miracle noch eine wichtige ins Innere der Station vorzudringen. Es sind Rolle gespielt hatte. Oder das Zentralorgan noch fünfhundert Kilometer bis zur Steuer des so genannten Quaddin-Körpers, das aus zentrale. Wir haben gerade ein Sechstel der varganischen Wissenschaftlern entstanden Gesamtstrecke zurückgelegt. Ich versuche, war, die vor langer Zeit eine Symbiose mit mich mental mit dir zu vereinigen. Mit dei Tieren und ganz speziellen Pflanzen einge ner Unterstützung kann ich sie vielleicht gangen waren, weil sie ihr Bewusstsein er doch erreichen.« weitern wollten, getrieben vom Drang, un Ich nickte, kämpfte mich weiter hoch. Mein Kopf fühlte sich zwar an wie eine aus glaublichere Dinge zu erschaffen, als sie es gequetschte Zitrone, aber ich musste ihr ohnehin schon zuwege brachten. Du musst dich ablenken, ohne dich von Recht geben. Der mentale Kontakt mit Ky deinen Erinnerungen überwältigen zu las thara schien mich zusätzlich zu kräftigen. sen. Handlungsfähigkeit ist das oberste Ge Ich kniete jetzt, winkelte das rechte Bein an, setzte den Fuß auf den Boden … Dann rich bot! tete ich mich tatsächlich schwankend auf. Ich konnte mich schon auf den Ellbogen abstützen und die Schultern ein paar Zenti Kythara erhob sich ebenfalls, und ich hät meter vom Boden hochstemmen. Aus dem te ihr sogar eine bessere Haltungsnote als mir selbst gegeben. Sie stand zwar breitbei Augenwinkel beobachtete ich die beiden entstellten und den schwarzen Varganen. Sie nig da, schwankte aber kein bisschen. rührten sich noch immer nicht, schienen eine Jetzt höre ich sie zumindest bruchstück Art inneren Monolog zu führen oder auf et haft, kommunizierte sie lautlos. Warte, ich was zu lauschen, was ich nicht wahrnehmen gebe es an dich weiter … konnte. Es war eine ganz seltsame Wahrnehmung. Die Übung hat ihren Zweck erreicht. Du Von den drei Varganen schien ein halb aku kannst dich schon besser bewegen. Die wei stisches, halb mentales Flüstern auszugehen. tere Entwicklung des Geschehens bean Einerseits erklang es direkt in meinem Kopf, sprucht nun deine ungeteilte Aufmerksam andererseits hatte ich den Eindruck, es ganz keit. normal zu hören. Fluchend löste ich mich aus der Dagor»Erkenne sie … Kythara … und ihr Be Trance und sah mich um. gleiter … weist Restspuren des verfluchten Kyriliane-Sehers Vrentizianex auf … kannte aber auch Ischtar … Sie sind sogar … mit * Kardenmogher gekommen … Sicherheitsko Es ging mir besser. Ich konnte zwar noch des und Ezellikator überwunden … Viel keine Bäume ausreißen, aber immerhin leicht Lösung? Nein …!« mühsam versuchen, mich aufzurichten, den Ezellikator … der Erbauer der Kardenmo Einfluss der Lähmung abzuschütteln. gher, dessen Sicherheitskodes es in sich hat
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ten. Ein verschrobener Kerl, zwar ein Genie, Die Kinder der Varganen:
Der Endlichkeit nahe
aber eines, das knapp vor dem Wahnsinn stand. Irgendwann drehte er dann komplett In heller Unendlichkeit erstreckte sich die durch und brachte sich um, indem er die Himmelsflur. Bleicher Dunst schwebte unter Droge benutzte. Das Kyrachtyl gewährlei ihr und ließ nur hin und wieder den Blick stete ihm den sanften Tod, die gezielte Lö auf ein Paradies frei. Tolakin stand einfach sung des Bewusstseins von der körperlichen nur da, genau wie die anderen Kinder, in ei Hülle. ner durchsichtigen, zerbrechlich wirkenden Ich dachte noch über den Sinn der Wort Hülle, angefüllt mit Anmut und Gleichgül fetzen nach, als ich spürte, wie sich etwas in tigkeit. meinen Geist einschlich. Und zweifellos »Warum sollen wir die Fremden an unse auch in den Kytharas, denn in diesem Au rem Wissen teilhaben lassen?« Onidro wir genblick waren wir eins. Einerseits verspürte belte einer dunklen Wolke gleich zwischen ich Erleichterung darüber, dass es meiner seinen Kameraden. Gefährtin gelungen war, tatsächlich Kontakt »Es wurde so beschlossen. Wir führen aufzunehmen, andererseits brandete in mir aus, was erwartet wird. So sind die Regeln.« die entsetzliche Angst auf, von diesem frem Tolakin lächelte Tavena an. Sie saß zu sei den Etwas übernommen zu werden, mich nen Füßen und spielte mit zwei Erdanus. wieder in einer Vision zu verlieren. Oder in »Wir hätten sie töten sollen, so, wie ich es etwas Schlimmerem als nur einer Vision. gesagt habe. Die Schwarze Substanz wird Mit festem Griff umfing die fremde Hand immer gefährlicher. Woher sollen wir wis in meinem Kopf alles, was sie an Gedanken sen, wie sie auf unsere Gemeinschaft wirkt? vorfand. Meine Mentalstabilisierung schien Alles verändert sich.« Onidro nahm Gestalt dagegen völlig machtlos zu sein. an, blieb vor Tolakin stehen und sah ihn her Ein leichter Druck auf meine Finger ließ ausfordernd an. mich erschrocken zusammenfahren. Kythara »Veränderungen sind gut. Zu lange schon hatte meine Hand ergriffen. Mir wurde ihre verharren wir hier, ohne dass etwas ge körperliche Überlegenheit wieder bewusst, schieht. Töten kannst du sie immer noch, mehr jedoch noch ihre Psi-Fähigkeit. Wehre aber lass uns erst sehen, ob sie für uns von dich nicht gegen das, was nun kommt. Ich Nutzen sein können.« Das helle Lächeln in glaube, wir sollen etwas erfahren. Lass mei Tolakins Gesicht wollte so gar nicht zu sei ne Hand nicht los, sonst bleibst du ausge nen Worten passen. schlossen. Onidro zuckte die Achseln. »Sie sind kei Das, was ich befürchtet hatte, traf ein, oh ne Kunstwesen. Die Varganin kann wohl ne dass ich Widerstand leisten konnte. Ein ebenso wenig Nachkommen haben wie wir gleißendes Licht fuhr durch meinen Geist. alle.« Es verwischte mein Ich, meine Persönlich »Wir sind die Schöpfer unzähliger Welten keit, wehte meine mentale Abwehr hinfort mit ebenso unzähligen Bevölkerungen. Wir wie der Wüstensturm den ausgetrockneten, haben Androiden geschaffen, die uns die sterbenden, aus dem Erdreich gerissenen nen. Wir haben ihnen Friedfertigkeit einpro Busch. grammiert und die Fortpflanzung ermöglicht Ich hatte so etwas schon mehrmals erlebt, und viele andere Eigenschaften.« Tolakins zum letzten Mal, als das Leben des lemuri Gestalt verlor die Kontur, waberte und de schen Tamrats Nevus Mercova-Ban in mich formierte sich. »Wir wissen, dass wir uns hineingeflossen war und mich fast um den nicht fortpflanzen können. In den Hundert Verstand gebracht hatte. tausenden von Jahren der Forschung und Su Abrupt veränderte sich für mich die Welt che haben wir den Grund dafür nicht erfah erneut.
Endstation Anaksa
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ren. Das Schicksal verhöhnt uns. Bei all un serem Wissen um so viele Geheimnisse bleibt uns diese eine Kenntnis verwehrt.« Tolakins Stimme schwoll zu einem Orkan an. Die Fehlbarkeit der Zeugungsunfähigkeit war ein wunder Punkt seines Volkes. »Ja, wir haben Bioroboter erschaffen, aber haben wir damit auch wahres Leben er zeugt? Sind wir nicht zu sehr Schöpfer und Herren von Kunstwesen? Wo bleibt ihr eige ner Geist, ihr eigenes Denken und Handeln? Am Ende haben wir unser Ziel aus den Au gen verloren, haben wir uns in Visionen und Scheinwelten geflüchtet.« Tavena stand auf und trat zwischen Oni dro und Tolakin. Sie war nicht mehr das kleine, lachende Mädchen. Eine Frau mit hüftlangem goldenem Haar und stolzem Blick hatte ihren Platz eingenommen. »Was ist aus uns geworden? Ein Kollektiv der Angst, ohne die Kraft, Anaksa zu verlas sen.« Mit einer Armbewegung verscheuchte sie die Wolke, zu der Tolakin geworden war. Onidro blickte noch finsterer drein und kniff die Augen zusammen. »Alles war gut. Das Spiel hatte seine Regeln, und wir hatten Spaß. Doch jetzt hat sich alles geändert. Nichts stimmt mehr, nichts ist so wie früher. Unsere Welt ist im Umbruch begriffen, wir sind ihm hilflos ausgeliefert.« »Genau deshalb dürfen wir nicht aufhö ren, dafür zu kämpfen, dass sich diese Wandlung zu unserem Vorteil entwickelt.« Tolakin nahm Tavena in den Arm und küs ste sie. »Ich hatte ganz vergessen«, flüsterte er, »wie schön du bist.«
4. Atlan
Monaidros
»Und das soll ein Lebewesen sein?« »Natürlich. Und es ist gleichzeitig der Durchbruch. Wir haben es geschafft!« Einen Moment lang war ich verwirrt. Wo war ich? Was war passiert?
Dann fiel es mir schlagartig wieder ein. Die Lähmung war verschwunden, wie auch mein Körper. Mein Geist befand sich in dem eines anderen, eines Varganen. Mir wurde klar, dass ich nicht nur heraus finden musste, wo, sondern auch, wann ich war. Kythara konnte ich nicht mehr sehen, aber ich spürte ihre Gegenwart. Sie schien ganz in meiner Nähe zu sein. Durch die Augen des fremden Körpers nahm ich meine Umgebung wahr. Sie erin nerte mich an die Zentrale der AMEN SOON. Zweifellos befand ich mich an Bord eines Varganenraumers in der typischen Doppelpyramiden- beziehungsweise Okta eder-Bauweise. Der Vargane betrachtete konzentriert ein Hologramm. Es zeigte etwas, das ich auf den ersten Blick für einen kleinen Planeten hielt, mit einem Durchmesser von 2760 Kilometern, 0,25 Gravo Schwerkraft sowie einer atemba ren, wenn auch sehr dünnen SauerstoffStickstoff-Atmosphäre. Auf den zweiten Blick wirkte der Brocken wie eine aufgeschmolzene und dann bizarr erstarrte Masse, überzogen von vielfältigen Furchen, Windungen, Spalten und Klüften, wie ein überdimensionierter Korallenstock. Etliche Oberflächenbereiche waren transpa rent oder milchig durchscheinend, viele wirkten glatt und poliert. An einigen Stellen bildete aus den Tiefen des Körpers dringen des grellweißes Licht Glanzlichter und Re flexe und verlieh der fast schwarzen, aber grünlich angehauchten Farbe ein merkwür diges Leben. Abgerundete und geschichtete Formen herrschten vor. Viele Abschnitte waren ge wellt. Ich sah Buckel, Aufwölbungen und fi ligrane Strukturen, die an Brücken erinner ten. Andere transparente Abschnitte wirken extrem dünn und gestatteten den Blick auf tiefer gelegene Bögen, Rundungen, Löcher, Tunnel und Durchbrüche. Anaksa. »Durchbruch erscheint mir zu viel ge sagt«, antwortete der zweite Vargane, der
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hinter meinem neuen Körper stand, so dass Schritte auch ohne Vargo in die Wege zu ich ihn nicht sehen konnte. leiten. Sie führten später auch weitere For Wir sind im Bewusstsein eines Varganen schungen und die unterschiedlichsten Expe namens Monaidros, vernahm ich Kytharas rimente durch. Zu diesen herausragenden Stimme in meinem Kopf. Ich … kannte ihn Vertretern ihres Volkes gehörte auch Haito flüchtig. Deshalb hatte ich also ihre Präsenz gallakin, der spätere Chefwissenschaftler gespürt: Sie hatte den Kontakt hergestellt von Kalarthras' Expedition nach Gantatryn. und mich mit in diese Vision genommen, Kalarthras hatte von ihm erzählt. Ihn diese Innenwelt der Erinnerung. Es erleich kannte Kytharas früherer Geliebter von allen terte mich, die Varganin in meiner Nähe zu am längsten, und ihm gehörte sein ganzes wissen, wenn auch nur als Bewusstsein wie Vertrauen. Haitogallakin war seine rechte ich. Hand, zwischen ihnen gab es keine Geheim Wann geschieht das hier? nisse. Ich weiß es nicht mehr genau. Aber ich Viele wissenschaftliche Mitarbeiter hatten erinnere mich an den Namen. Er war ein en Vargo vor den Gefahren des Übergangs ge ger Mitarbeiter Vargos. warnt, weil sie befürchteten, dass die Gren »Wir können höchstens auf Vargos Er zen zwischen den beiden Existenzebenen kenntnissen aufbauen«, bestätigte der zweite zusammenbrechen und der Sektor des Mi Vargane Kytharas Angaben. krokosmos mit dem Umsetzer zerstört wer Vargo – diesen Namen kannte ich. Der al den könnte. Vargo hatte jedoch keine Anzei te Wissenschaftler, nach dem später die ur chen dafür gefunden, dass die Experimente sprünglichen Tropoyther der Expedition in das physikalische Gleichgewicht stören den Makrokosmos in Varganen umbenannt könnten. Abgesehen von der Veränderung wurden, hatte das Geheimnis entdeckt, wie der Varganen selbst hatte es beim Vorstoß in sich Materie zwischen zwei völlig unter den Makrokosmos auch keine Probleme ge schiedlichen Existenzebenen austauschen geben – diese traten erst auf, als von den ließ, so dass der von ihm konstruierte Um 2000 nur 1800 Oktaederraumer in den Mi setzer jede beliebige Materiemenge in den krokosmos zurückkehrten. Makrokosmos bringen und zurückholen Ich wusste, was damals geschehen war. konnte. Die Befürchtungen hatten sich als richtig er wiesen, die Eisige Sphäre war entstanden. Der Wissenschaftliche Erste Rat Mam rohn hatte für die Finanzierung des Projekts Von ihr erfuhren die im Standarduniversum gesorgt. Es gab wenige Männer im Rat von zurückgebliebenen Varganen-Rebellen aller Tropoyth, die so zielstrebig und selbstbe dings erst, als der Henker Magantilliken vor wusst auf ein Ziel hinarbeiten konnten wie etwa 50.000 Jahren mit seiner Jagd auf die Abtrünnigen begann. er. Ohne ihn hätte es den Umsetzer niemals gegeben. Während Vargo das Gerät konstru Schon in den rund 6000 Jahren, die zwi ierte, hatte Mamrohn allerdings ganz andere schen dem ersten Übertritt ins Standarduni Pläne geschmiedet und Vorbereitungen ge versum und der Rückkehr des Großteils der troffen, von denen Vargo nichts wusste. Er Varganen in den Mikrokosmos vergingen, wollte mit einer Invasionsflotte in den Ma fanden eine ganze Reihe von Umsetzerkrokosmos vordringen, dort Stützpunkte er Experimenten statt, an denen Vargo selbst richten, um neue Räume zu erschließen und allerdings nur selten oder gar nicht beteiligt zu erobern. gewesen war. Zum Einsatz kamen in diesen Als die Expedition vorbereitet wurde, ver Jahrtausenden jedoch stets nur Aggregate, fügten die anderen an diesem Projekt betei die einen geringen Masseaustausch vollzo ligten Wissenschaftler über die nötigen Un gen, also auf Personen oder geringe Fracht terlagen und Kenntnisse, um alle nötigen mengen beschränkt blieben.
Endstation Anaksa
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»Und mit Hilfe dieses … Lebewesens Ich seufzte. Kythara wurde nicht müde, willst du …« sich für ihr Volk zu entschuldigen und es zu »Ja. Die absolute Bewegung ist entschlüs verteidigen. So war es immer, so würde es selt, mit Hilfe dieses Lebewesens können immer bleiben. Es gab kein »Volk«, es gab wir einen Umsetzer konstruieren, der auch nur gute und schlechte Angehörige eines größere Materiemengen in den Mikrokos Volkes. Aber solch eine Skrupellosigkeit … mos bringen und wieder zurückholen kann. »Ich will nur hoffen, dass deine Berech Vielleicht sogar Planeten oder ganze Son nungen und Spekulationen stimmen, Monai nensysteme …« Monaidros atmete tief dros. Ich mag keine Fehlschläge. Wenn du durch. »Du machst aber ein merkwürdiges dich irrst, werde ich dich ersetzen müssen. Dann werde ich dem Expeditionsleiter einen Gesicht, wenn man bedenkt, was für eine frohe Botschaft ich dir gerade überbracht ha anderen Wissenschaftler an die Seite stellen müssen, eine Person meines Vertrauens.« be.« Monaidros war ein kluger Bursche, aber Mir wurde klar, dass Monaidros tatsäch geändert hat sich die Geschichte deshalb lich versagt haben musste. nicht. Er war genauso maßlos wie wir alle. »Aber jetzt erläutere mir, wie du einen be Der Wissenschaftler drehte sich zu sei liebigen Masse- und Energieaustausch voll nem Gesprächspartner um. Waren die Var ziehen willst. Und du hast auch davon ge ganen an sich schon eine imposante Erschei sprochen, dass du mit deiner Entdeckung nung, so stach der andere noch aus ihrer Objekte des hiesigen Standarduniversums in Mitte hervor. Über zwei Meter groß, musku den Mikrokosmos versetzen kannst, die auf lös und mit einem Charisma, dem man sich diese Weise einem Zugriff entzogen und ge nicht entziehen konnte, betrachtete er Mo schützt werden könnten – während sich um naidros. gekehrt Objekte des Mikrokosmos auf eben Seltsam, dachte Kythara. Er ähnelt Mam so vielfältige Weise nutzen ließen.« rohn, ist es aber nicht. Ich … spüre es ge »Es ist ziemlich kompliziert …« Monai nau. Ich kenne ihn nicht. dros zögerte kurz. »Ich möchte es dir mit ei »Aber nein, ich bin sehr erfreut. Ganta nem Beispiel erklären. Stellt ein Umsetzer in tryn ist zwar eine sehr interessante Galaxis – einem Raumschiff die Verbindung zu einer ich erwähne nur die verlassenen Riesenrui Sonne im Mikrokosmos her und zapft sie an, nen des vergessenen Volkes der Rhoarxi und steht an Bord des Raumers ein Energiepo die Hinweise und Anspielungen auf die my tenzial zur Verfügung, das eben dieser Son stische Kathedrale von Rhoarx oder das un ne entspricht, im Makrokosmos jedoch nur bekannte abgrundtief Böse, das immer wie das Volumen des Umsetzers und seines Por der einige von uns wahrnehmen –, aber auch tals beansprucht.« eine kleine und unbedeutende. Wir könnten Der unbekannte Vargane sah Monaidros es verkraften, falls du dich irrst und es doch ausdruckslos an und schwieg. zu physikalischen Veränderungen kommt »Doch theoretisch könnten diese Mög und diese Sterneninsel zerstört werden wür lichkeiten in einem viel größeren Maßstab de.« Der Vargane lachte höhnisch. genutzt werden. Umsetzer von geeigneter Überwältigender Hass stieg in mir empor. Leistung wären in der Lage, Raumsektoren Dieser Mann sprach fast beiläufig vom Un oder gar ganze Sterneninseln in den Mikro tergang einer ganzen Galaxis, amüsierte sich kosmos zu versetzen und im Gegenzug Ster sogar über die Möglichkeit, dass er ihn her ne, Raumsektoren oder die ganze Varganen beiführte! galaxis in dieses Universum herüberzuho Wir sind nicht alle so. Dieser Vertreter len.« unserer Spezies ist selbst für varganische Daran arbeiten sie also!, dachte ich. Die Verhältnisse eitel und wahnsinnig. AMENSOON war mehrfach in Fallen gera
18 ten, die sie in andere Raumsektoren ver schlagen oder gar verkleinert hatten. Sie versuchen genau das, was einige von uns vor Jahrhunderttausenden angedacht haben! Ich ignorierte Kytharas Bemerkung. »Je nach Einsatz ließe sich der Umsetzer also in noch nie gekanntem Ausmaß defen siv wie auch offensiv nutzen«, sagte der stattliche Vargane nachdenklich. »Und hier kommt deine Entdeckung ins Spiel?« Monaidros zeigte auf das Holo. »Wir ha ben in Gantatryn mehrere Dutzend dieser Riesenlebensformen gefunden, die meist Mond-, in einigen Fällen sogar Planetengrö ße erreichen«, erklärte Monaidros. »Wir ha ben sie untersucht. Sie werden nicht nur von einem Instinktbewusstsein beseelt, sondern sind darüber hinaus natürliche Energiewand ler, die ihre Ernährung durch gezielte Son nenzapfung im konventionellen wie auch hyperphysikalischen Bereich sicherstellen. Sie sind in der Lage, die angezapfte Energie direkt oder nach einer Zwischenspeicherung unter Ausnutzung von Verbindungen zum Hyperraum durch transitionsähnliche Um formungsprozesse in beliebige Masse zu transformieren, was bei der Ernährung wie auch beim Wachstum der Fall ist.« Ich merkte auf. Wahrscheinlich kam es bei diesen Prozessen zu den hyperenergeti schen Überschlägen, die wir angemessen hatten. Dabei floss dann, vergleichbar mit einer Sonnenzapfung, konventionelle und Hyperenergie vom Dunkelstern zur AnaksaStation und wurde dort entweder gespeichert oder über die merkwürdigen Dimensions durchbrüche in unbekannte Gefilde abgelei tet. Diese Überschläge variierten zwar in der Stärke, fanden allerdings mit der Regelmä ßigkeit eines kosmischen Uhrwerks exakt al le 1,3753 Sekunden statt – womit sie genau jener übereinstimmenden Pulsperiode ent sprachen, die die Neutronenstern-Pulsare der Planetaren Nebel aufwiesen! »Normalerweise sind diese Lebensformen weitgehend stationär an die Umlaufbahnen von Sonnen oder Gasriesen gebunden«, fuhr
Uwe Anton
Monaidros fort. »Sie können ihren Standort allerdings durch gezielte Energieausstöße sowie Transitions-Strukturfelder verändern. Das geschieht jedoch nur sehr selten, meist nach der Geburt von Ablegern, die aus dem Hauptkörper abgespalten wurden und sich dann neue ›Nahrungsgründe‹ suchen. Die mit diesen Bewegungen verbundenen be achtlichen Strukturschocks haben uns über haupt erst auf die Spur dieser Geschöpfe ge bracht.« »Und Energiewandler und MasseTransformatoren von dieser Größenordnung können wir natürlich immer für unser Um setzer-Projekt sehr gut brauchen …« »Genau. Wir haben auf anderen Welten eine ganze Reihe von Versuchen mit dem Umsetzer durchgeführt. Dann haben wir die ses Wesen in eine Umlaufbahn mit rund sie benhundertfünfzig Millionen Kilometern Abstand zur planetenlosen blauweißen Rie sensonne Thasin'cran gebracht und Zug um Zug ausgebaut. Als Zentrale dient nun eine umgebaute Arsenalstation von fünfzehn Ki lometern Durchmesser, die wir uns aus der Milchstraße beschafft haben. Neben den überdimensioniert großen Umsetzer-Ag gregaten haben wir in erster Linie weitere eingebaut, die die Fähigkeiten der Lebens form nutzen und in den Prozess integrieren. Ein wichtiger Punkt war hierbei auch die ge zielte Anzapfung, Ausnutzung und Aufla dung des Sonnenfokus in der Mitte des Zen trumshohlraums …« Ich habe davon gehört, vernahm ich Ky tharas Stimme in meinem Kopf. Das gesch ah umgerechnet im Jahr 343.000 vor Chri stus der terranischen Zeitrechnung, die du mittlerweile als deine eigene ansiehst … Bevor ich ihr antworten konnte, überwäl tigte mich eine mentale Stoßwelle und schwemmte meine letzten Reste von Be wusstsein davon. Gorgh-12: Drei Duftmarken Gorgh-12 verstand nicht, wieso Atlan und Kythara von Pegasus so emotional begei
Endstation Anaksa stert waren. Er hatte sich informiert, was das Wort bedeutete, aber er verband damit nichts, keine Emotion, keine Hoffnung: ein geflügeltes Pferd, gezeugt vom Gott Posei don, entstanden aus dem Blut der Gorgone Medusa, ihrem Körper entsprungen, als Per seus ihr den Kopf abschlug. Niemand gelang es, Pegasus einzufangen, bis die Göttin Athene ein goldenes Zaumzeug mit Zauber kraft erschuf. Für Gorgh diente die Pegasus-Projektion ausschließlich als Fortbewegungsmittel. Oh ne ein solches war die Suche nach Atlan und Kythara von vornherein gescheitert. Er konnte nur hoffen, dass die Garbyor kein goldenes Zaumzeug besaßen. Er drehte sich nicht um, als hinter ihm ein donnerndes Krachen ertönte. Wahrschein lich waren weitere Brocken Schwarzer Sub stanz auf den Kardenmogher gestürzt. Stur hielt der Daorghor auf den Rand der Höhle von fast einem Kilometer Durchmes ser und 300 Metern Höhe zu, in der Kythara den Kardenmogher gelandet hatte. Dort führten weitere Gänge und Schächte in die unergründlichen Tiefen der Anaksa-Station. Einen davon hatten die beiden Mitglieder seines neuen Kollektivs gewählt. Er ver suchte erneut, sie über Normalfunk zu errei chen, bekam jedoch auch diesmal keine Ver bindung. Tief sog er die Luft ein. Sie war furchtbar dünn und vollständig von der Schwarzen Substanz durchsetzt. Doch noch immer nahm er die drei schwachen Marken wahr, die ihm den Weg weisen konnten. Der Geruch von wild wachsenden Blu men. Kythara. Der eines allein jagenden Raubtiers. At lan. Und die dritte Marke, völlig anders, fremdartig, ungewöhnlich. Bedrohlich. War diese Komponente wirklich die des nahen den Todes? Die Daorghor verfügten zwar über einen ordentlichen Selbsterhaltungstrieb, doch der ehemalige Chefwissenschaftler von Maran'Thor sah die Sache logisch nüchtern. Für ihn gehörte der Tod zum Kreislauf des Le
19 bens. Er war unvermeidlich, würde irgendwann sogar relativ Unsterbliche wie Atlan oder die Varganen ereilen. Warum also stell te sich bei ihm solch eine ungewöhnliche Empfindung ein? Warum glaubte er, den Tod zu riechen? Er ließ den unnützen Gedanken fallen und machte sich noch einmal mit den Kontrollen der Pegasus-Projektion vertraut. Die Or tungsgeräte verrieten ihm, dass Truppen der Garbyor den Kardenmogher mittlerweile er reicht hatten. Sie würden allerdings keinen Nutzen daraus ziehen können. Die Welten waffe war mittlerweile vollständig von Schwarzer Substanz verschüttet und wohl restlos zerstört. Er befahl der Varg-Projektion zu be schleunigen, soweit sie es in dieser Chaos zone verantworten konnte. Überall kam es zu Einbrüchen Schwarzer Substanz, nicht immer nahmen die Ortungsgeräte die Mate rialisationen so rechtzeitig wahr, dass er ih nen ungefährdet ausweichen konnte. Den Ortungsdaten entnahm er, dass die Garbyor ihr sinnloses Unterfangen, an den Kardenmogher heranzukommen, aufgaben und den Weg fortsetzten. Sie schlugen die Richtung ein, in die ihn Atlans und Kytharas Duftmarken auch führten. Ein leises Piepsen des Varg ließ Gorgh die Luft heftiger durch das Tracheensystem ziehen. Unbewusst führte er eine dorsoven trale Abflachung des Abdomens herbei, die einen Blutdruckanstieg im Körper verur sachte, der die Tracheenstämme zusam mendrückte. Immerhin hatte er sich noch so weit in der Gewalt, dass es zu keiner teleskopartigen Verkürzung des Abdomens gekommen war. Das wäre ein Anzeichen nackter Panik ge wesen. Auch vor ihm ortete der Roboter Lebewe sen. Und es waren nicht Atlan und Kythara. Also konnten es nur Garbyor sein …
5. Erzherzog Garbgursha
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Uwe Anton Ein nagender Verdacht
Raumschiff genannt, das ihm zufolge ohne Zweifel Atlan zuzuordnen war. Heronar hat Abrupt materialisierte ein sich rasend te zwei Voraustrupps losgeschickt; mit et schnell drehender Brocken Schwarzer Sub was Glück würde zumindest einer von ihnen stanz vor dem vordersten Gleiter. Bevor der die feindliche Einheit jeden Augenblick er Pilot reagieren konnte, hatte er jegliche reichen. Energie der Generatoren und Konverter auf Heronar! Er verspürte unbändigen Zorn, gesogen. Wie ein Stein stürzte das Fahrzeug wenn er nur an den engsten Vertrauten von zu Boden. Wahrscheinlich hätte die Besat Yagul Mahuur dachte. Der Anblick des Ge zung den Aufprall sogar überstanden, doch staltwandlers löste sogar körperliche Übel die Schwarze Substanz diffundierte, breitete keit in ihm aus. sich als Wolke aus und stürzte sich wie ein Nicht nur, dass er, immerhin ein Erzher Lebewesen auf das Metall. zog, sich auf Befehl des Lordrichters dem Die nachfolgenden Gleiter gaben vollen Trupp von 200 Zaqoor hatte anschließen Gegenschub. Einen Augenblick lang be müssen, die den Kardenmogher sichern und fürchtete Erzherzog Garbgursha, es würde Atlan und seine varganische Begleiterin stel zu einer Massenkollision kommen, doch die len sollten! Das war zweifellos die Quittung Bordrechner übernahmen noch rechtzeitig dafür, dass die Kopaar-Falle kläglich ge und verhinderten die unausweichlich schei scheitert war. Es hätte noch schlimmer kom nenden Zusammenstöße. men können; er hätte dafür mit seinem Le Garbgursha atmete unwillkürlich auf. ben bezahlen können. Doch die Anweisung, Aus dem Augenwinkel beobachtete er sich ausgerechnet Heronars Befehlsgewalt verstohlen Heronar. Der Zaqoor-Mutant zu unterstellen, kam einer Degradierung blieb ganz ruhig. »Gegenschub beibehalten gleich. Ein Erzherzog, der nach der Pfeife bis zur letzten Abzweigung!«, befahl er. eines Trobyor tanzen musste, eines einfa »Wir müssen einen Umweg nehmen.« chen Soldaten! Heronar hatte die Lage richtig einge Zumindest stand Heronar rein formal in schätzt. Um die Trümmer des Gleiters bilde diesem Rang. te sich eine kleine raumzeitliche Verzerrung, Aber irgendetwas stimmte da nicht. Garb eine Aufrisserscheinung, die jegliche Mate gursha ahnte es nicht nur, er wusste es ganz rie in den Hyperraum abstrahlte – nicht nur genau. Es konnte nicht anders sein. Ein Lor das verbogene, verzerrte Metall, sondern drichter gab sich nicht ohne weiteres mit ei auch einen winzigen Teil der Masse der Sta nem Trobyor ab, akzeptierte ihn nicht als tion selbst. Sie geriet in Bewegung und Vertrauten, geschweige denn als Freund. Ir gruppierte sich um. Der Tunnel verkleinerte gendetwas war da faul. Doch sosehr sich sich, die Wände verschoben sich und bilde Garbgursha auch den Kopf zerbrach, er kam ten eine neue Ausstülpung, die in eine gera der Lösung des Rätsels nicht auf die Spur. de noch nicht sichtbare Kaverne führte. Und dass der Zaqoor-Mutant ausgerech Wie können wir in solch einer Welt über net die Gestalt des varganischen Flotten leben?, fragte sich Garbgursha. Unter sol kommandeurs Veschnaron angenommen chen Umständen? hatte … nun ja, das konnte taktische Gründe Immerhin hatte er den Flug an Bord des haben, von denen er nichts ahnte. Darüber Kommando-Gleiters antreten dürfen, der mit durfte er nicht den Stab brechen, wollte er vier weiteren sowie 20 Flugpanzern dem sich nicht selbst als beschränkter Geist dis Ziel entgegenraste, dem knapp 800 Kilome qualifizieren. Die Wege der Lordrichter wa ter entfernten Standort des »varganischen ren unergründlich. Kardenmoghers«. So hatte Lordrichter Ya Aber jedes Mal, wenn er den über zwei gul Mahuur das kurz zuvor entdeckte kleine Meter großen, muskulösen Varganen mit
Endstation Anaksa dem kantigen Gesicht, dem fingerkurz ge schnittenen rotgoldenen Haar, den goldenen Augen und der schmalen, scharfrückigen Nase sah, stellte sich bei ihm ein übler Ge schmack ein. Da half es auch nicht viel, dass Heronar genau wie er selbst und die ZaqoorSoldaten in einen silbrigen Kampfpanzer gehüllt war. Aus dem Funkempfänger drang eine kaum verständliche Meldung. Garbgursha sah, dass Heronar kurz auf horchte. Der Bordrechner konnte die starken Funkstörungen nicht vollständig ausgleichen und beschränkte sich darauf, die eindeutigen Sequenzen wiederzugeben: »… sich weiter hin steigerndes Chaos … sowohl in der Ak kretionsscheibe als … beim Dunkelstern selbst … Situation gerät … Kontrolle …« Der Erzherzog fuhr zusammen, als Hero nar plötzlich den Kopf drehte und ihn ansah. »Vielleicht hätte Lordrichter Yagul Mahuur dich doch nicht zu dieser Expedition abstel len sollen. Vielleicht fehlt dort oben nun ausgerechnet deine Erfahrung und Intelli genz, um Schlimmeres zu verhindern.« Garbgursha verbiss sich jede Erwiderung. Heronar schien auch gar nicht mit einer Antwort gerechnet zu haben. Er widmete sich wieder der Holoanzeige eines Spe zialortungsgeräts. Der Erzherzog kannte es; er selbst hatte es in der Kopaar-Falle ver wendet. Es war eine äußerlich völlig un scheinbare, neun Zentimeter durchmessende Kugel aus einem an Milchglas erinnernden Material. Doch wenn man es in die Hand nahm, entstand über der Kugel eine Holo projektion, die die Koordinaten und die Ent fernung des georteten Ziels relativ zum Standort des Spezialortungsgeräts anzeigte. Garbgursha wusste nicht genau, was das Gerät anmaß. Mit normalen Ortern und Ta stern ließ sich seine Funktion nicht verglei chen. Aber er hatte seine Quellen – und die ver schafften ihm Informationen, aus denen er begründete Vermutungen ziehen konnte. Er ging davon aus, dass die Funktion mit den Todesimpuls-Implantaten der Garbyor zu
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sammenhing. Seit Heronars Einsatz auf Ga ladat war definitiv bekannt, dass sich ein Daorghor namens Gorgh-12 in der Milch straße Atlan angeschlossen hatte. Und sie hatten den Arkoniden, den sie le bend gefangen nehmen sollten, ja immer wieder aufspüren und in die Enge treiben können. Dass er ihnen schließlich doch im mer wieder entkommen war, ließ sich nur auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückführen. Und auf die Inkonsequenz ih res Vorgehens. Aber das Schwert der Ord nung wollte Atlan ja unbedingt unversehrt in Gewahrsam nehmen. Warum?, dachte der Erzherzog. Auch wenn es ihm nicht oblag, die Entscheidun gen des Schwerts der Ordnung zu kommen tieren oder sogar zu kritisieren, interessierte ihn der Grund brennend. Hochrangige Wissenschaftler und Histori ker der Daorghor hatten in seinem Auftrag Nachforschungen betrieben. Grundlage des Spezialgeräts war keine Streuemission oder aktive Tastung, sondern die Tatsache, dass alle Todesimplantate der Garbyor hyperphy sikalisch verbundene Teile eines Ganzen waren. Gorghs Gerät war zwar desaktiviert, aber immer noch in dieses Ganze integriert – was kein Außenstehender ohne genaue Kenntnisse des zugrunde liegenden Kon zepts feststellen konnte. Und dieses Grundprinzip beruhte nun auf etwas, das Garbgursha absolut nicht ver stand. Nämlich auf der so genannten SiegelAura einer Superintelligenz namens SethApophis. Er hatte nie zuvor von Seth-Apophis ge hört, wusste nicht einmal, was eine Superin telligenz war. Er wollte es auch gar nicht wissen. Es gab Dinge im Einflussbereich des Schwerts der Ordnung, an denen ein Erzher zog nicht rühren sollte. Aber er wusste um die Siegel-Aura. Diese Siegel-Aura war eine psionische Markierung aller Welten, Stationen und Raumschiffe, die vor langer Zeit voll unter der Kontrolle der Superintelligenz gestanden hatten. Ebenso hatte jedes von Seth-Apophis
22 beherrschte Lebewesen diese nicht auf kon ventionellem Wege messbare Aura. Das Sie gel wurde erst als solches erkennbar, wenn Agenten der Superintelligenz vermehrt an einem Ort auftraten. Es war dann als menta ler Impuls zu spüren, allerdings auch fast nur für Wesen im Dienst von Seth-Apophis. Bei Raumschiffen mit großer Besatzung und bevölkerten Planeten war die Siegel-Aura naturgemäß ungleich stärker, so dass Agen ten auf diese Weise immer wussten, ob sie sich einer zum Machtbereich von SethApophis gehörenden Welt näherten oder nicht. Noch hatte sich die Positionsanzeige nicht bewegt, war identisch mit dem Standort des Kardenmoghers. Und das konnte nur bedeu ten … Der Gleiter wurde wie von der Faust eines Riesen emporgeschleudert. Garbgursha schrie leise auf. Statt unnützen Gedanken nachzuhängen, hätte er sich lieber auf den Flug konzentrieren sollen. Unmittelbar über dem Gleiter war es zu einer spontanen Auf lösung von Schwarzer Substanz gekommen, zu einer Detonation, die das Schutzfeld bis an den Rand der Kapazität belastet hatte. Die Feldprojektoren des Flugpanzers hinter ihnen waren nicht so leistungsfähig wie die des Kommando-Gleiters; das Gefährt ver ging in einem dunkelroten Feuerball. »Voller Schub!«, befahl Heronar. »Mitten hindurch! Die Schutzfelder werden standhal ten!« Die Gleiter und Flugpanzer des Konvois beschleunigten über alle vernünftigen Werte hinaus und rasten mit Höchstgeschwindig keit dahin. Doch auch diesmal lag der Zaqoor-Mutant mit seiner Einschätzung der Situation richtig. Einige Panzer wurden zwar ordentlich durchgeschüttelt, aber der Stoss trupp hatte keine weiteren Ausfälle zu ver zeichnen. »Weiter«, sagte Heronar; seine Worte wurden in alle Gleiter und Panzer übertra gen. »Vor uns steigt die Konzentration von Schwarzer Substanz stark an. Aber das stellt keine Gefahr dar; verlasst euch nicht auf eu-
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re Sinne, sondern nur auf eure Instrumente.« In Garbgurshas Abscheu vor dem Trobyor mischte sich ein gewisser Respekt. Er mus ste Heronar zugestehen, dass er sich als überaus fähiger Kommandant erwies, dessen Auftreten und Autorität die Zaqoor mitrissen und anspornten. Auch Garbgursha selbst konnte sich dessen Charisma nur schwer entziehen. Aber ihm war klar, dass die Schwierigkei ten jetzt erst anfangen würden. Den ersten Teil der Strecke hatten sie über der Oberflä che der Anaksa-Station zurückgelegt, der Rest musste nun durch Tunnel, Schächte und Höhlen erfolgen. Und in der Tiefe der Station liefen gewaltige Aggregate, ein nicht unbeträchtlicher Teil des Stationskörpers war ausgehöhlt. Andere Bereiche oder Kom ponenten wiesen sogar Verbindungen zum Hyperraum oder in fremdartige Dimensio nen auf. Vor ihnen erweiterte sich der Schacht, durch den sie flogen, zu einer riesigen Ka verne. Ihr Boden war von einem Teppich knöchelhoher grüner Pflanzen bedeckt, in dem überall farbenprächtige Blumen spros sen. Garbgursha argwöhnte kurz, dass ihn der durchdringende Geruch von Blütenstaub einhüllte. Natürlich eine Illusion! Der blaue, wolkenlose Himmel über der grünen Endlosigkeit riss auf, der Erzherzog sah einen pockennarbigen Mond, der schwa ches rotes Sonnenlicht auf eine karge Staub wüste reflektierte. Er schloss entsetzt die Augen. Er hatte schon Wüstenplaneten und ausgebrannte Schlackehaufen gesehen, die einst blühende Planeten gewesen waren, doch diese Welt war anders. Unsagbar fremd. Er bezweifelte nicht, dass er auf der Stelle gestorben wäre, hätte der Gleiter Kurs auf die Kaverne genommen. Das ist kein Himmelskörper aus unserem Universum! Von ihm geht eine für uns tödli che Strahlung aus, die ich selbst hier noch spüre, unter den Schutzfeldern des Komman do-Gleiters, in meinem silbrigen Kampfpan zer … Davor hatte Heronar sie gewarnt. Die
Endstation Anaksa
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Konzentration von Schwarzer Substanz stieg In der Luft hing der dunkle Geruch nasser derart an, dass sich ein Durchbruch zu Erde. fremdartigen Welten öffnete … oder sogar »Weshalb gräbst du ein Loch?« zu einer anderen Dimension! »Ich denke noch darüber nach. Vielleicht Unsere Wissenschaftler sind sich nicht si für dich. Vielleicht für Kythara. Oder für cher, dachte Garbgursha, vermuten aber auf euch beide?« grund der inzwischen gemachten Erfahrun »So ein großes Loch kannst du gar nicht gen, dass es instabile Projektionen von Wel graben. Dann musst du auch die Ältesten ten sein könnten, die eigentlich zum Mikro hineinwerfen, Kytharas Familie und meinen kosmos der Varganen gehören und über das Clan. Sei vernünftig und lass uns die Sache in Würde hinter uns bringen.« Er hielt mir geöffnete Umsetzer-Portal kurzfristig im Standarduniversum manifestiert werden. die Hand hin. Ich schlug mit der Schaufel danach. Und was war dieser Mikrokosmos denn genau genommen, wenn nicht ein anderes »Dapsorgam«, sagte er. Universum? Ich hörte zu arbeiten auf, spuckte aus und Ein weiterer Flugpanzer explodierte ohne stieß die Schaufel in die Erde. Nachdenklich schaute ich zu ihm hinauf. offensichtlichen Grund. Der Erzherzog ver achtete sich dafür, befolgte aber den Rat des »So ist das also«, sagte ich. Aber … wo her konnte er davon wissen? Damals war er Trobyor Heronar und konzentrierte sich auf noch nicht bei uns gewesen, Kythara und ich die Instrumente. Sie zeigten nur sich perma nent widersprechende Daten, und er floh vor hatten nie darüber gesprochen. Ich bezwei der Verzweiflung, die ihn zu überkommen felte sogar, dass es der Varganin überhaupt drohte, indem er in der Trodar-Philosophie aufgefallen war. Ich hatte es sofort bemerkt, es aber niemals erwähnt. versank. Es gibt keinen Tod, es gibt nur Tro Bei der Aktivierungsprozedur hatte der dar. Es gibt kein Leben, es gibt nur Trodar. Kardenmogher uns mehrere Fragen gestellt. Es gibt keine Angst, es gibt nur Trodar. Es Eine davon lautete: »Wie nannte Litrak den gibt keine Freude, außer in Trodar. Doch auch diese beruhigende Gewissheit Schmiegschirm des Urschwarms Litrakdu konnte sein Misstrauen, seine nagenden urn?« Zweifel nicht dämpfen. Warum handelte und Ich hatte in der Obsidian-Kluft von Litrak erfahren. Vor 546 Millionen Jahren war er sprach Heronar so, als sei er der Lordrichter Kommandant eines Urschwarms gewesen, persönlich …? der in der Milchstraße gestrandet und schließlich in ihr aufgegangen war. Aber ich Atlan: Dapsorgam hatte nicht gewusst, wie er den Schmieg »Was tust du da?« schirm genannt hatte. Wie ich seine Stimme hasste! Ihren arro Wesentlich früher hatte Emion, das Saq ganten Unterton, der mit jedem Satz, jedem surmaa, das uns mittlerweile auf unerklärli Wort, jeder Silbe durchschimmern ließ: Ich che Weise verlassen hatte, völlig zusammen habe so viel mehr als du gesehen und erlebt. hanglos das Wort »Dapsorgam« ausgespro Ich weiß so viel mehr als du. »Das siehst du chen. In letzter Not hatte ich es wiederholt, doch! Ich grabe ein Loch.« es war die richtige Antwort gewesen. Der Nachdenklich schaute er zu mir herunter. Kardenmogher hatte uns als Berechtigte an Ich schuftete wie ein Wilder, stand schon erkannt. bis zur Hüfte in der Grube. Schweiß stand Zwei Fragen waren ungeklärt geblieben. auf meiner Stirn. Immer wieder fiel ein Wie hatte Emion wissen können, dass die Tropfen zu Boden und glänzte im Licht der Weltenwaffe diese Frage stellen würde und Monde. wir die Antwort brauchten? Und … woher
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hatte der Kardenmogher von Litrak und dem Urschwarm wissen können? Auf die erste Frage hatte ich noch keine Antwort gefunden. Nun gut – Emion war ein Wesen mit zahlreichen erstaunlichen Fähig keiten gewesen, eventuell sogar paranorma len. Vielleicht war das Saqsurmaa ein Prä kognostiker gewesen. Leider war es gestor ben, bevor es seine Erinnerung vollständig zurückerhalten hatte. Auf die zweite gab es mehrere Antworten. Vielleicht hatten weitere Angehörige des Urschwarms unglaubliche 546 Millionen Jahre überlebt. Vielleicht war Emion nicht der Einzige gewesen. Vielleicht hatten die Varganen, die den Kardenmogher geschaf fen hatten, sie gefunden. Nicht auszudenken, was sie mit dem Wis sen, das sie von ihnen vielleicht bekommen hatten, alles anrichten könnten! Dieses Wissen war jedenfalls zu brisant, als dass Kalarthras damit weiterleben durfte. Mit einem wütenden Brüllen sprang ich aus der Grube. Die Schaufel hoch erhoben, stürmte ich auf ihn zu. Erst da wurde mir klar, dass er mir als Vargane körperlich hoch überlegen war. Bevor ich zuschlagen konnte, schlug er zu. Ich riss die Arme hoch, um den Kopf zu schützen, setzte zu einem Dagor-Tritt an. Doch in der Bewegung lag zu viel Wucht. Sie warf mich zehn, zwölf Zentimeter weiter zurück, als ich kalkuliert hatte, der Tritt streifte ihn nur. Dieser Mistkerl, dachte ich. Er hat mich überrascht. Der Extrasinn lachte höhnisch. Dann holte der Vargane zu einem weite ren Schlag aus, zu einem dritten, und der durchbrach meine Deckung. Es wurde dun kel um mich.
6. Atlan
Der Kreis der Kinder
»Ich grabe ein Loch …« Hatte ich das ge rade gesagt? Nein, Kalarthras hatte die Gru-
be ausgehoben, um mich oder Kythara darin zu verscharren. Oder uns beide … Aber Kalarthras war an Bord der AMEN SOON zurückgeblieben. Hatte ich mir das alles nur eingebildet? Verwirrt öffnete ich die Augen. Meine Umgebung bestand aus halbfesten grauen Schlieren. »Was?« Kythara stöhnte und setzte sich auf. »Atlan!« Ihr Tonfall riss mich vollends in die Wirklichkeit zurück. Dank meines kleinen Begleiters unter dem Schlüsselbein erholte ich mich zusehends. Ich sah die Varganin wieder deutlicher. Und dann auch die anderen. Es waren Kinder! Eine Hand voll Kinder, eindeutig varganische, mit erhabenen huma noiden Gesichtern und vorwiegend golde nem Haar. Wie war das möglich? Mir war seit zehntausend Jahren bekannt, dass die Varganen durch den Wechsel von ihrem Mi kro- in unseren Makrokosmos steril gewor den waren. Vielleicht weitere Experimente mit Andro iden … schlug der Extrasinn vor. Sie bildeten einen Kreis um uns und sa hen uns stumm an. In ihren Gesichtern er kannte ich etwas, das ihre Jugend Lügen strafte. Sie haben die Augen von Unsterblichen. Jahrtausende blicken aus ihnen. Ich musste dem Extrasinn Recht geben. Aber waren sie unsterbliche varganische Kinder … oder etwas ganz anderes? »Wer seid ihr? Ich bin Kythara, und das …« Das ferne, fauchende Geräusch einer Energiewaffe ließ die Varganin verstum men. Kythara sprang auf. Ich war einen Moment lang abgelenkt ge wesen und genauso verblüfft wie meine Ge fährtin. Wahrscheinlich hatte Kythara sich vor die Kinder stellen wollen, um sie zu schützen, doch sie waren spurlos ver schwunden, verweht wie ein Nebelhauch vom Sturm. Kythara zog die Nase kraus. »Riechst du
Endstation Anaksa es auch? Es duftet nach Blumen. Wie selt sam …« Ich räusperte mich. »Besser nach Blumen als Schwarzer Substanz. Aber die Garbyor werden sich davon nicht beeindrucken las sen. Sie haben uns gefunden.« Immer lauter werdende Stimmen und scharrende Geräusche drangen aus einem Gang zu uns. Und dem Lärm nach zu urtei len, waren es nicht nur zwei oder drei, die unsere Spur aufgenommen hatten. »Weg hier. Wir müssen uns ein Versteck suchen. Im offenen Kampf sind sie uns überlegen.« Kythara rührte sich nicht, starrte noch im mer ins Leere. Ich musste sie wegzerren. »Hast du sie gesehen? Es gibt varganische Kinder. Wie sehr habe ich mir immer ge wünscht …« »Tut mir Leid, dich in deinen Betrachtun gen stören zu müssen, aber wir sollten hier sofort verschwinden. Diese Kinder haben sich bereits aus dem Staub gemacht. Leider haben sie vergessen, uns mitzunehmen.« Ich zog sie in den nächstgelegenen Gang. »Schon gut.« Wütend schüttelte sie meine Hand ab und lief voraus. Ihre varganische Kondition war meiner weit überlegen, sie konnte mich mühelos abhängen. Ich verstand sehr gut, wie sie empfinden musste. Was hatten die Varganen nicht alles unternommen, um ihre Sterilität zu überwin den. Und nun liefen uns hier Kinder über den Weg? Kaum etwas von dem, was ihr hier erlebt habt, war wirklich, mahnte der Extrasinn. Ich antwortete nicht, konzentrierte mich auf die seltsame Welt, durch die wir uns be wegten. Eine lebendige Welt, jedenfalls kam sie mir so vor. Ich musste kurz an Andromeda denken, an eine der seltsamsten Lebens formen, auf die wir in der Nachbargalaxis der Milchstraße gestoßen waren. Die be wusst herbeigerufene Erinnerung half mei nem Geist, sich schneller in der Wirklichkeit zu verankern. Genauer gesagt dachte ich an die Wächter der vorgelagerten Zwerggalaxis Andro-Beta, gigantische, im Weltraum lebende, anorga
25 nische Lebewesen von kristalliner Körper struktur, die sich von reiner Energie ernähr ten und keine Luft zum Atmen brauchten. Ihre Form glich einer dicken, an den Seiten abgerundeten Scheibe mit einem Durchmes ser von rund 14.000 Kilometern und einer mittleren Dicke von etwa 5000, und ihr In neres hatte aus riesigen Hohlräumen bestan den. Die Terraner hatten diese Wesen in Ge denken an Herman Melvilles Roman Moby Dick oder Der weiße Wal Mobys genannt. Wenn es in Andromeda solch ungewöhn liche Lebensformen gab, warum dann nicht auch in Dwingeloo? Wie ein riesiger, überdimensionierter Ko rallenstock kam mir die Umgebung vor. Sein Pulsieren war überall zu spüren. Wir erreichten eine weitere Kaverne. Ihr Boden war eine nach rechts geneigte Fläche, im Vordergrund halb transparent, von unten grellweiß beleuchtet, nach rechts grünlich abdunkelnd. Rechts schwang sich eine pech schwarze Wand gebogen in die Höhe. Im Hintergrund formten mehrere geschwungene »Rippen« an Strebepfeiler erinnernde Struk turen, die zur Decke hin in halbrunde Aus wüchse und Buckel übergingen. Weiße Glanzlichter tanzten auf den polierten Flä chen, grünlich angehauchtes Material wech selte mit Schatten und Dämmerung. Links erhob sich eine gläsern wirkende Dreivier telkugel von mehreren Dutzend Metern Durchmesser, deren Wölbung nur an den hellen Reflexen zu erkennen war. Im Hinter grund der riesigen Halle gab es in einer Vor wölbung ein grob oval geformtes Portal, das in helles Licht getaucht war, während der angrenzende Saal im Dunkel versank. Nur vage war die Mündung eines Schachts zu er kennen. Wir liefen weiter, auf die Öffnung zu. Mir fiel auf, dass der Boden dieses Ganges im Gegensatz zu den Wänden und der Decke völlig glatt war. Ich überlegte, ob er künstli cher Natur war. Der Extrasinn kommentierte den Gedanken mit einem spöttischen Ge lächter. Wir passierten mehrere Mündungen von
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Seitengängen. Kytharas Ruf ließ mich schließlich innehalten. »Atlan!« Sie stand in einem der Seiten gänge, winkte mich zurück und zog mich ungeduldig hinein, als ich sie erreichte. »Was hältst du davon? Sollen wir uns hier in den Hinterhalt legen?« Das schöne Gesicht der Varganin hatte sich in eine verbissene Maske verwandelt. Ich nickte. »Wenn wir sämtliche Anzug systeme ausschalten, können sie uns nicht mehr orten. In diesem Chaos ist auf Ortun gen sowieso kein Verlass mehr, wie wir ja am eigenen Leib erfahren haben. Vielleicht ahnen sie etwas, doch unser einziger Vorteil ist die Überraschung. Wir müssen so viele wie möglich von ihnen erledigen.« Ich des aktivierte die Systeme und zog meinen Kombistrahler. Die Waffen im Anschlag, erwarteten wir die Garbyor.
* Als die hallenden Schritte verrieten, dass unsere Verfolger in Schussweite waren, gab ich Kythara ein Zeichen und sprang auf den breiten Hauptgang. Ich sah etwa zwanzig Verfolger, humanoide Zaqoor, aber auch In sektoide. Sofort war mein Misstrauen ge weckt. Warum schickten sie uns nur eine Hand voll Garbyor hinterher? Sie mussten mittlerweile doch wissen, dass wir keine leichten Gegner waren. Mir blieb keine Zeit, mir großartig Ge danken darüber zu machen. Vielleicht wähn ten sie sich klar im Vorteil, vielleicht hatten sie sich in mehrere Gruppen getrennt, um uns schneller zu finden. Ich aktivierte sämt liche Anzugsysteme. Kythara sprang ebenfalls vor. Unvermit telt eröffneten wir das Feuer auf die Garby or. Fünf brachen sofort zusammen, die ande ren erwiderten es. Die Schutzschirme unse rer Anzüge flackerten auf. Punktbeschuss auf eins und zwei. Ihre Schirme sind überraschend schwach. Kytha ras Stimme erklang hart in meinem Gedan-
ken. Rauch füllte den Gang aus, die Tempera tur schnellte in die Höhe. Nur noch mit Hilfe der Anzugsysteme konnte ich mich orientie ren. Wir wechselten ständig die Position und gaben dabei Dauerfeuer. Kythara teilte mir mit ihren halb telepathischen Fähigkeiten je weils mit, auf welchen Garbyor ich mich zu konzentrieren hatte. Fast ohne ernsthafte Ge genwehr schossen wir einen nach dem ande ren ab. Plötzlich kam mir dieser Trupp wie ein Köder vor. Als nur noch drei Garbyor standen, hörte ich ein seltsames Geräusch, das so ganz und gar nicht zu einem Kampf zu passen schien: helles Kinderlachen. Es kam von überall zu gleich. Irritiert sah ich mich um und entdeckte die Zaqoor, die sich uns von hinten näher ten. Im gleichen Augenblick schlug die An zugortung Alarm. Die Elitetruppen des Erz herzogs waren auf den gleichen Gedanken wie wir gekommen, hatten ihre Systeme desaktiviert und uns in die Zange genom men. »Eine Falle! Schnell raus hier.« Doch schon erstrahlte im ganzen Gang kobaltblaues Leuchten und umfing uns. »Sie setzen wieder Fesselfelder ein. Aber diesmal nicht mit uns.« Bevor die Projektoren die nötige Feldstär ke erreicht hatten, waren wir aus der Deckung geflüchtet. Im Vorbeilaufen er schoss Kythara den letzten Garbyor. »Die Kinder sind hier. Sie haben uns ge warnt! Sie wollen uns helfen!« Meine varga nische Kampfgefährtin hatte eine hoffnungs los romantische Ader – oder eine entwick lungsgeschichtlich bedingte Besessenheit für Nachwuchs. Warum lassen sie uns keine effektive Hil fe zukommen? Sie könnten uns in die Zentra le bringen, das wäre ein netter Zug. Mir war nicht wohl dabei, dass Kythara meine Gedanken empfangen konnte. Die Begegnung mit den varganischen Kindern hatte sie stark erschüttert.
Endstation Anaksa
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Was du eigentlich verstehen müsstest. Ich seufzte innerlich. Selbst der Extrasinn war gegen mich. Wir hetzten weiter, feuerten immer wie der nach hinten. Die Schritte und Rufe der Verfolger wurden nicht leiser. Immer tiefer drangen wir in die Station ein. Dank der Kartierung, die wir aufgrund der Emissionen aus der Tiefe sowie der Strahlung des hype renergetischen Chaos, das die Akkrektions scheibe zunehmend heimsuchte und auf die Anaksa-Station einprasselte, bereits vorge nommen und in die Anzugpositroniken ein gegeben hatten, konnten wir uns orientieren. Wir hatten bereits festgestellt, dass die Stati on Tausende große und kleine Hohlräume, Schächte und Kanäle besaß. Vielleicht konn ten wir uns in einem davon verbergen … Ich hatte keine Augen für die sonderbaren Konglomerate biomechanischer Aggregate von Hochhausgröße in den oberflächenna hen Kavernen, an denen wir vorbeihetzten. Die Ortung zeigte mir insgesamt 104 weit gehend massive kugelförmige Einbauten von jeweils 262 Kilometern Durchmesser, die in mehreren Schalen angeordnet waren. Ich machte mir keine Gedanken, worum es sich dabei handelte, sie waren zu weit ent fernt. Trotz meines fotografischen Gedächt nisses war ich mir nicht sicher, ob wir ohne Plan den Rückweg gefunden hätten. Wir kamen an Aggregatkomplexen vor bei, die hier dicht an dicht standen. Die Var ganen hatten sie aber nicht in kompakten und geschlossenen Schächten eingebaut, sondern mit vielen Zugängen und Neben schächten versehen. Wie ein Schweizer Käse, dachte ich mit einem Anflug von Galgenhumor. Und wir irren in den Löchern herum, verfolgt von den Garbyor. Fast wäre ich gegen Kythara geprallt, so abrupt war sie stehen geblieben.
* »Still! Hörst du das auch?«
Ich sah sie fragend an. »Ich höre nur das
Getrampel der Verfolger und schließe dar aus, dass sie näher kommen. Und wir stehen mitten auf einer Kreuzung.« Doch Kythara schüttelte den Kopf und lauschte aufmerksam. Ihr Gesicht nahm fast entrückte Züge an. Die Geräusche der Verfolger wurden wieder lauter. Ich schüttelte die Varganin heftig. »Wir haben keine Zeit für …« »Sie sind genau vor uns«, unterbrach sie mich. »Und sie kennen den Weg zur Zentra le.« Unvermittelt lief sie weiter. Ich schaute mich um, sah aber nichts Außergewöhnli ches, geschweige denn Kinder. Dann setzte ich mich in Bewegung, hatte wieder meine liebe Not, ihr zu folgen. Vielleicht wäre es besser, wenn die Kinder nicht wissen, wa rum wir zur Zentrale wollen. Falls sie über haupt Realität sind. Ich konnte mir gut vor stellen, das sie etwas gegen die Zerstörung des Umsetzers hatten. »Wahrscheinlich wissen sie es schon. Verdammt, ich habe sie verloren.« Dafür haben uns gleich die Garbyor ge funden! Sie haben sich wohl getrennt und dringen durch verschiedene Schächte vor. Der Extrasinn war optimistisch wie immer. »Kythara, wir müssen …« Zu spät! Schon fauchte der erste Schuss. Der Anzug baute den Schutzschirm auf, und ich wirbelte herum. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die Garbyor aus drei verschie denen Richtungen auf uns eindrangen. Und wir standen hier wie auf dem Präsentiertel ler! Dank Kytharas Aussetzer hatten sie uns eiskalt erwischt. Als hätte hier noch ein Trupp auf uns ge wartet!, stellte der Logiksektor fest. Die an deren mussten uns nur in diese Richtung treiben. »Es sind zu viele.« Die Individualschirme würden dem starken Beschuss nicht mehr lange standhalten. Ein paar Sekunden viel leicht noch … Doch Kythara hatte die Ge genwehr schon eingestellt. Mit geschlosse nen Augen stand sie mitten im feindlichen Sperrfeuer. Ich konnte nur hoffen, dass sie mit ihren
28 paranormalen Sinnen wirklich etwas wahr nahm. Es sah ihr allerdings nicht ähnlich, unter dem Einfluss dieser verdammten Schwarzen Substanz einfach zusammenzu brechen. Ihr Schutzschirm begann blau zu schim mern. »Höchstens noch fünf Sekunden, dann bricht dein Schirm zusammen.« Ich feuerte wie ein Berserker, konnte die Garbyor je doch nicht zurücktreiben. »Kythara! Ich werde mich ergeben. Sie wollen mich le bend.« Sie reagierte nicht. Sie kann dich nicht hören. Ich kniff die Augen zusammen. Unmittel bar vor mir flimmerte die Luft, doch nicht aufgrund des Feuergefechts, nicht wegen ei ner thermischen Luftbewegung. Der Effekt war einer holografischen Projektion nicht unähnlich. Die Erscheinung verdichtete sich zuse hends, nahm deutliche Formen an. Vor mir stand ein großer blonder Varganenjunge. Ich erkannte ihn, er hatte in der Gruppe der Kin der, die uns umringt hatte, ganz vorn gestan den. Die Desintegrator- und Thermostrahlen schienen ihm nicht das Geringste anhaben zu können. Warum wollt ihr euch töten?, hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. Offensicht lich verfügte er über ähnliche Fähigkeiten wie Kythara. Seid ihr nicht alle an einem Ziel interessiert? Der Zentrale? Innerlich jubelte ich auf. Er sprach von der Zentrale, also wusste er von ihr. »Wir wollten diesen Kampf nicht, er wur de uns aufgezwungen.« Meine Worte hörten sich lahm an. Die tödlichen Strahlen der Garbyor durchbohrten den Jungen weiterhin, doch er lächelte mich an, als fände hier kein Gefecht um Leben und Tod statt. »Kythara … meine Begleiterin … sie ent stammt demselben Volk wie ihr. Und sie ist in großer Gefahr. Lange können wir den Garbyor nicht mehr standhalten.« Der Jüngling hob die Hand. Eine Art Ent zerrungsschmerz schoss durch meine Ner-
Uwe Anton venbahnen. Unwillkürlich schrie ich auf. Die Zeit schien plötzlich gefroren. Die roten Energiestrahlen der Waffen wurden zu roten Bändern, umwebten den Raum und verloren sich im Nichts. Kurz glaubte ich ein Tier zu sehen, ein langes, schmales Fellbündel, dann ein junges, wun derschönes Mädchen. Es saß auf seinem Rücken und lachte. Gorgh-12: Ein perfekter Bau
Mit klickenden Mandibeln sog Gorgh die Luft ein, konzentrierte sich auf die unsicht bare Spur seiner Freunde. Sie wurde immer schwächer. Er befürchtete, dass er sie jeden Moment verlieren würde. Zumindest funktionierte die PegasusProjektion auch in dieser chaotischen Umge bung einwandfrei. Die bizarre Umgebung machte es ihm nicht leichter. Trotz seines in sektoiden Orientierungssinns hätte er sich ohne die Instrumente des Roboters wohl ver irrt. Die vielen Öffnungen und Abzweigungen sahen mit der Zeit alle gleich aus. Das Mate rial der Gangwände schien geschichtet zu sein. Immer wieder taten sich gewaltige Lö cher im Boden auf, die zumeist von filigra nen Strukturen überspannt wurden, die ihn an Brücken erinnerten. An anderen Stellen war der Boden völlig transparent und wirkte extrem dünn. Darunter sah er tiefer gelegene Schichten, Löcher und weitere Tunnel. Ein perfekt angelegter Bau, nur mit eini gen unnötigen Schikanen, dachte er. Immer wieder sonderte er ein Sekret ab, legte eine Duftspur, um den Rückweg wiederzufinden. Nach einer Weile entdeckte er an einer Abzweigung die Spuren eines Kampfes. Die Tunnelwand schimmerte dort glasiert, meh rere beschädigte Garbyor-Waffen lagen auf dem Boden, und bei völlig unkenntlichen, verschmorten Rückständen handelte es sich wohl um Kadaver. Er konnte nur hoffen, dass keiner davon der von Atlan oder Kytha ra war. Sie haben schon ganz andere Gefah ren überstanden. Ich werde sie bald finden.
Endstation Anaksa
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Seine Hoffnung wurde jedoch zerschla gen, als er nach wenigen Metern die Spur endgültig verlor.
7. Atlan
Maden im Verdauungstrakt
Wir werden beraten, was nun geschehen soll. Das Spiel ist bald zu Ende. Die Stimme des Jungen verhallte, er ver schwand, löste sich so plötzlich auf, wie er gekommen war. Ich hatte zwar die Worte vernommen, ihr Sinn blieb mir jedoch ver borgen. Was für ein Spiel? Hoffentlich wa ren Kytharas Kommunikationen mit den Kindern fruchtbarer als meine. Die Garbyor sind nicht mehr in eurer Nähe. Was immer das Geschöpf angestellt hat, es hat euch gerettet. Mir fiel auf, dass der Extrasinn nicht von Junge oder Kind sprach. Der seltsame Entzerrungsschmerz ließ langsam nach. Diesmal blieb unser Orts wechsel ohne Lähmungserscheinungen. Kythara war aus ihrer seltsamen Trance erwacht. »Ich habe sie gespürt … einen Mo ment lang war ich bei ihnen.« Sie hatte sie also doch mit ihren paranormalen Sinnen wahrgenommen; dieser Kontakt hatte uns wohl gerettet. »Was für ein merkwürdiger Ort«, mur melte ich. Wir waren in eine kleine Halle versetzt worden, deren Wände aus einer Substanz bestanden, die mich an rohes Fleisch erinnerte. Auf der gegenüberliegen den Seite sah ich eine Art biologisches Schott, eine pulsierende Membran, die wie eine Herzkammer schlug. War das ein Teil der Lebensform, in der wir uns befanden? Diese Frage machte es mir nicht leichter, meinen Plan umzusetzen. »Wir sind auf dem richtigen Weg. Das ist der nächste Abschnitt zur Zentralstation.« Kythara strich mit der Hand über die Wand der Halle. »Die Substanz ist weich und warm. Meine Anzugpositronik kann mir keine genaue Analyse geben. Fest steht nur,
dass sie tatsächlich organisch ist.« Langsam ging sie zu der Membran hin über und untersuchte sie kurz mit ihren An zugsystemen. »Nichts. Völlig unklare Er gebnisse.« »Hier ist nur eines klar: Alles ist möglich und nichts unmöglich.« Unbehaglich sah ich zu der pulsierenden Öffnung. Alle zehn Sekunden öffnete sie sich kurz, um sich dann sofort wieder zu schließen. Zehn Sekunden, um in den unbekannten Sektor dahinter zu gelangen. Von dem wir nicht das Geringste wissen. Vielleicht blei ben uns keine zehn Sekunden, um ihn wieder zu verlassen. Zehn Sekunden können ver dammt lang sein. »Es hilft nichts, wir müssen weiter.« Ky thara sah mich an. Ich nickte. Als sich das organische Schott wieder öff nete, sprang sie. Ihre varganische Konstituti on würde eine unangenehme Überraschung besser verkraften als meine arkonidische. Knapp zehn Sekunden später öffnete sich die Membran erneut. Keine Kythara. Weite re zehn Sekunden später folgte ich ihr mit einem einzigen Satz. Ich hatte den Eindruck, in eine andere Welt gesprungen zu sein. Feuchte, stickige Luft schlug mir entgegen, machte das At men fast unmöglich. Die Luftfeuchtigkeit betrug mindestens 80 Prozent, der Druck schien leicht gestiegen zu sein. Ich schloss den Helm des Schutzanzugs. So könnte es in einem Magen aussehen. Ich dankte dem Extrasinn für seine schar fe Beobachtung. In der Tat rutschten in der Kaverne, die wir uns nun befanden, Gewe bebrocken die Wände herab und hinterließen dabei glänzende Schleimspuren. Unsere Umgebung war eine einzige rot schillernde Pfütze mit einer zähflüssigen Konsistenz. Als ich den rechten Fuß hob, haftete der röt liche Schleim am Stiefel. »Hoffentlich ist das keine unbekannte Säure, die Varganen anzüge zersetzen kann.« Kythara zuckte die Achseln. »Die Anzug
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Uwe Anton
instrumente spielen noch immer verrückt. den würden unsere Schutzanzüge berühren. Die Geräusche jenseits des organischen Ich bekomme keine genauen Ergebnisse. Je denfalls ist das Zeug organisch.« Schotts wurden lauter. Nun konnte ich bel lende Rufe hören, sogar einzelne Stimmen »Und es riecht streng.« Ich rümpfte die unterscheiden. Was die Garbyor sagten, ver Nase. Aber wir konnten nicht wählerisch stand ich allerdings nicht. sein. Wollten wir unser Ziel erreichen, mus Sie zögerten noch, den Schritt durch die sten wir diese seltsame organische Kaverne durchqueren. pulsierende Öffnung ins Unbekannte zu tun. Aber sie würden nicht mehr lange warten. Kythara antwortete nicht. Sie sah zur Sie standen unter Erfolgszwang. Wenn sie Decke hoch, von der sich gerade ein beson unserer nicht habhaft wurden, drohte ihnen ders großer Gewebebrocken löste. »Worauf wartest du?« vielleicht sogar der Tod. »Ich kann sie wieder fühlen.« Ihre Augen Kythara rührte sich noch immer nicht, ob verschleierten sich. »Die Kinder … der wohl die ersten Maden sie erreicht hatten Geist der Station. Er ist so fremd, unsagbar und über ihre Stiefel krochen. Sie schien sie fremd … aber ich spüre eine gewisse Ver gar nicht zu bemerken. wandtschaft mit einem varganischen Geist »Hier scheint der fremde Geist weitaus …« deutlicher ausgeprägt zu sein als zuvor«, »Bekommst du Kontakt?« murmelte sie. »Ich muss mich konzentrieren Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Es gelingt …« mir nicht …« »Die Garbyor werden jeden Augenblick Dumpfe Geräusche drangen durch die kommen …« Ich verstummte. Es war sinn pulsierende Öffnung. los, ich kam einfach nicht an sie heran. Aber Die Garbyor haben die Kaverne gefun sie hatte uns ja schon einmal gerettet, als sie den. Höchste Zeit, von hier zu verschwinden. eine empathische Verbindung zu den Kin Der Extrasinn hatte Recht, aber ich zöger dern hergestellt hatte. te, Kythara zu stören. Entrückt stand sie da »Ich … ich nehme sie jetzt ganz deutlich und lauschte in sich hinein. wahr. Und sie antworten mir.« Jetzt ist nicht die Zeit für Höflichkeiten. Ein sattes, schmatzendes Geräusch ließ Zieh sie einfach mit. Die Garbyor sind mich herumfahren. Ich sah, dass die Schleu gleich hier. se nicht mehr pulsierte und sich geschlossen Doch Kythara stand da wie ein Fels in der hatte. Ein Rückzug war zwar nicht mehr Brandung, reagierte nicht auf meine Worte. möglich, doch es kam auch niemand mehr Soll ich sie etwa tragen?, fragte ich den so einfach in die Kaverne hinein. Extrasinn. Zumindest vor den Garbyor waren wir zu erst einmal in Sicherheit. Doch angesichts Ein Grollen hallte durch die Höhle. Die von Hunderten teils fingerlangen, teils unter unförmigen, schleimüberzogenen Brocken gerieten in Bewegung, waberten und zuck armgroßen Maden, die uns nun aus allen ten, teilten sich. Sie erinnerten mich jetzt an Richtungen entgegenkrochen und eine ge Maden, unzählige Maden. Immer schneller schlossene wabernde Masse bildeten, stell ten sich bei mir allmählich Zweifel ein, ob teilten sie sich und wimmelten bald überall es wirklich von Vorteil war, dass die Kam herum. Zuerst wirkten ihre Bewegungen willkürlich, nicht zielgerichtet, doch dann mer sich abgeschottet hatte. stellte ich fest, dass immer mehr von ihnen auf Kythara und mich zukrochen. Ich ver Heronar: Die Wirklichkeit unter der
suchte den Individualschirm zu aktivieren – Wirklichkeit
und musste feststellen, dass es nicht funktio »Jetzt haben wir sie. Waffen auf Betäu nierte. Kythara erging es ähnlich. Die Ma-
Endstation Anaksa
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bung, Fesselfelder auf Höchstleistung! Wir »Vorschläge … Garbgursha?« Er lächelte können uns keinen zweiten Fehlschlag lei entwaffnend. Es bereitete ihm Freude, den sten.« Heronar vergewisserte sich, dass nie Versager von Erzherzog immer wieder in mand sein Gesicht sehen konnte, und grinste Verlegenheit zu bringen. Der alte Zaqoorbreit. »Oder die Lordrichter werden uns stra Kämpfer war ihm zu neugierig … und zu fen.« beharrlich. Wenn er sich einmal in etwas Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, verbiss, ließ er nicht davon ab. bereute er ihn schon. Ihn würden die Lord Und er war nicht dumm. Garbgursha mis richter nicht strafen. Wohl aber das Schwert straute ihm … ihm, Heronar, dem Trobyor. der Ordnung. Er hatte den Eindruck, dass es Ahnte er, dass er in Wirklichkeit das Wesen allmählich sehr ungeduldig auf eine Voll war, das er als Yagul Mahuur kannte … als zugsmeldung in Sachen Atlan wartete. Lordrichter? Dann und wann musste man sich Respekt Beweisen konnte Garbgursha zumindest verschaffen. Er hatte den Trodaryor, der die nichts. Woher sollte der Erzherzog wissen, Verantwortung für den gescheiterten Hinter dass Yagul Mahuur durch seinen Lordricht halt getragen hatte, an Ort und Stelle er erstatus in der Lage war, ähnlich einem Cap schossen. Lebewesen verschwanden nicht pin mit seinem Bewusstsein andere Lebewe einfach so, Fehler waren unverzeihlich und sen geistig zu übernehmen? Das Schwert der zogen die Strafe direkt nach sich. Ordnung hatte ihm diese Steigerung seiner »Auf mein Kommando …« Fähigkeiten beschert. Früher hatte er nur die Heronar verstummte. Zehn Sekunden wa Körper toter Artgenossen beseelen können ren vergangen, zwanzig. Das pulsierende or … ganische Schott hätte sich längst wieder öff Er verzog das Gesicht erneut zu einem Grinsen. Ihm war ein perfektes Verwirrspiel nen müssen. Doch es blieb geschlossen. gelungen. Der Gestaltwandler Heronar Dreißig Zaqoor warteten darauf, in den da hinter liegenden Raum eindringen zu kön diente Yagul Mahuur dazu, unerkannt und in nen, ließen die Wand nicht aus den Augen. beliebiger Gestalt auftreten zu können. Sie warteten weitere zwanzig Sekunden, Wenn er in seinen eigenen Körper zurück wagten nicht, den Blick von der biologi kehrte, wurde der Gestaltwandler einfach schen Schleuse zu nehmen, die Heronar ge »auf Eis« gelegt in einen Tiefschlaf. Die Eishaarfeld-Projektion funktionierte unab rade noch an eine Vagina erinnert hatte und jetzt auf Dauer geschlossen zu sein schien. hängig von diesen Bewusstseinsversetzun »Abbruch!«, sagte er. Zorn wallte in ihm gen. Er konnte sie auch im Körper des Ge empor. Zorn auf das Schwert der Ordnung, staltwandlers erzeugen. das Atlan unbedingt lebend haben wollte, Der Einsatz auf Galadat war eine Ausnah me gewesen, vielleicht sogar ein Fehler. Zorn auf Garbgursha, der sich als immer un Weil Heronar die Veschnaron-Rolle spielte, fähiger erwies und Atlan ein um das andere Mal hatte entkommen lassen. Und Zorn auf hatte er Probleme mit der Varganentechnik die Konterkraft, auf die Opposition in den bekommen, die er sonst niemals gehabt hät eigenen Reihen, die es eigentlich gar nicht te. geben durfte. Er lachte leise auf. Veschnaron standen Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. als ehemaligem Flottenkommandeur der Ex Wer hatte jetzt versagt? Oder hatte sich das pedition nach Gantatryn natürlich sämtliche Innere der verdammten, auch ihm nicht Hochrangberechtigungskodes als Vargänzlich bekannten Station plötzlich gegen Rhatgit Kherop zur Verfügung. Doch die nutzten ihm in der Anaksa-Station nichts. Zu ihn verschworen? Er konnte Anaksa schlecht sprengen lassen. Atlan wäre dabei verändert war das Ganze, dieses absonderli umgekommen. che Konstrukt aus einer korallenstockähnli
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Uwe Anton
chen Riesenlebensform und der damit kör perlich wie mental verschmolzenen Varga nen. Gantatryn, dachte er wehmütig in Erin nerung an alte Zeiten, die zum größten Teil verloren gegangen war. Wie sollte man sich auch korrekt und umfassend an ein 800.000-jähriges Leben erinnern? Gantatryn, das die Cappins Gantrain nannten, Atlan hingegen als Dwingeloo be kannt war. Natürlich war die klangliche Ähnlichkeit von Gantatryn und Gantrain kein Zufall. »Also, Garbgursha? Keine Vorschläge?« Er lächelte spöttisch, als der Erzherzog schwieg. Garbgursha war dumm; er mochte etwas vermuten, ahnte aber nichts, auch nicht das Geringste, von den eigentlichen Zusammenhängen. Von der Wirklichkeit un ter der Wirklichkeit. Ewigkeiten zogen sich zu Sekunden zu sammen. Die ersten Zaqoor wurden unge duldig, drehten sich zu ihm um. »Kommando zurück«, sagte er. »Waffen zu gleichen Teilen auf Thermostrahlen und Desintegratoren schalten. Zerstören wir die se Wand. Schaffen wir uns eine eigene Öff nung.« Doch bevor er den Feuerbefehl erteilen konnte, materialisierte das riesige, dop pelzaqoorgroße Tier.
* Es krümmte seinen lang gezogenen Kör per sprungbereit zusammen. Yagul Mahuur sah ein üppiges braunes, bis auf den Boden reichendes Fell, das sich zu sträuben schien. Er ahnte, dass sich darunter Muskeln in ei nem Körper spannten, dem kein Gramm Fett zu viel anhaftete. Ein dunkles Knurren drang aus der Kehle des Geschöpfs. Pechschwarze Augen glüh ten von innen heraus. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, und Yagul Mahuur verspürte tatsächlich Angst. Er überwand sie. »Eine Auswirkung der Schwarzen Sub stanz«, rief er. »Wir sehen Dinge, die es
nicht gibt. Feuer frei!« Das Tier löste sich so abrupt auf, wie es materialisiert war. Die Desintegrator- und Thermostrahlen trafen auf die Wand – und wurden von ihr reflektiert. Zwei Zaqoor bra chen verwundet zusammen, drei andere lös ten sich in konzentriertem Feuer auf, ver wehten zu grünem Dunst, dessen Atome kei nerlei Bindung untereinander mehr hatten. Yagul Mahuur registrierte wie nebenbei, dass die Einfallswinkel keineswegs den Ausfallswinkeln entsprachen. »Feuer einstellen!« Zum ersten Mal seit Beginn der Mission verspürte er Verwir rung. Wenn er die Situation vernünftig ana lysierte, musste er tatsächlich davon ausge hen, dass sich die Station gegen ihn ver schworen hatte. Es war ihm unbegreiflich, wie Atlan und Kythara diese Schleuse pas siert haben konnten. Er glaubte, ein zaghaftes Flüstern zu ver nehmen, das ihm durch den Kopf ging. Er versuchte es zu erfassen, doch es ver schwand so spurlos wie das gemeingefährli che Fellknäuel. Ein Erdanu, hallte der konkrete Hauch ei ner Erkenntnis durch seinen Geist. Plötzlich bezweifelte er, dass es so leicht werden würde, Atlans habhaft zu werden. Mochte seine Gefährtin Kythara doch nach VARXODON, der Prächtigen, zurückkehren und ihr Dasein in diesem Bordell ohne Lei denschaft wieder aufnehmen! Ihr Schicksal war ihm gleichgültig. Nur Atlan war wichtig. Er fragte sich, was das Schwert der Ordnung ihm, dem Lord richter, antun würde, wenn er ihm den Arko niden nicht auslieferte.
8. Atlan
Haitogallakin
Mit einem Aufschrei wischte ich einen glitschigen Gewebebrocken beiseite, der von der Decke gestürzt war und über meine Helmscheibe rutschte. Sein Schleim hinter ließ eine eklige Spur. Ich überlegte, ob ich
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den Schutzschirm aktivieren sollte. Diesmal brauchte ich nicht so lange, um Ich konnte mich kaum noch bewegen. Die mich zu orientieren. Mir war sofort klar, Behauptung, dass die widerliche, rosarote dass ich das alles wieder durch die Augen Masse ringsum allmählich bedrohliche Aus eines anderen erlebte. Die Art, mit uns zu maße annahm, wäre eine Untertreibung ge kommunizieren, war in dieser Station sehr wesen. Die blinden Maden wimmelten intensiv. In wem stecken wir diesmal? Hast schon kniehoch übereinander, immer mehr du wieder Kontakt mit Monaidros aufge lösten sich von der Decke und den Wänden. nommen? Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Nein, antwortete Kythara. Wenn ich mich Kythara und mich schier erdrücken würden. recht entsinne, ist er seit zehntausend Jah Ich zögerte jedoch, auf Waffengewalt zu ren tot. Das ist Haitogallakin, der Chefwis rückzugreifen. Ich hatte glibberige Tiere senschaftler von Kalarthras' Expedition. Wir noch nie besonders gut leiden können, jetzt nehmen seine Eindrücke wahr. watete ich fast in ihnen. Nur allzu gern hätte Haitogallakin, der beste Freund von Ka ich mir die Biester mit einigen gezielten larthras, Kytharas ehemaligem Geliebten! Schüssen vom Leib gehalten. Aber zum Was meint der andere mit absoluter Macht? Diesmal zögerte Kythara. Als ich schließ einen sagte mir irgendetwas, dass das wohl der falsche Weg war, zum anderen meldete lich ihre Stimme vernahm, kam ihre Ant wort mir ausweichend vor. Sieh und hör zu. mir der Varganenanzug Funktionsausfälle »Das ist nur ein Nebenprodukt«, sagte der gesamten Positronik. Offensichtlich gab Haitogallakin, »und keineswegs Ziel meiner es in dieser Kaverne eine starke hyperener Forschung.« getische Strahlung. Es kostete mich viel Kraft, mich Meter Noch immer lachend, goss der unbekann um Meter durch die wimmelnde, lebende te Vargane sich einen Kelch mit Mondfries Brühe aus schleimigen Leibern zu kämpfen. met ein. »Aber ein sehr willkommenes! Und Kythara stand ungerührt da und starrte ins das Problem mit der Unfruchtbarkeit wirst Leere. Ich befürchtete, dass sie wieder in du auch in den Griff bekommen.« Trance gefallen war. Wovon sprachen die beiden? Offensicht Hast du aus deiner Erfahrung mit Kytha lich irrte der charismatische Vargane. Selbst ras erster Entrückung nichts gelernt?, fragte nach 800.000 Jahren im Makromosmos wa der Extrasinn. ren die Varganen in dieser Hinsicht keinen »Doch, habe ich«, knurrte ich, watete Schritt weiter gekommen – sah man viel durch den lebenden Matsch und berührte die leicht von Ischtars und meinem Sohn ab. Varganin am Arm. Aber diese Lösung meinte er nicht, und wie ich Haitogallakins Gesprächspartner ein schätzte, war ihm sowieso nicht daran gele * gen, diese Sache zu klären. »Das ist wahre Macht! Unglaubliche, un Zu spät dachte ich daran, dass meine ermessliche Macht. Vergiss doch einmal Worte Kythara verletzen könnten. deine wissenschaftliche Begeisterung. Der Aber hier sind Kinder. Du hast sie auch Wechsel in den Mikrokosmos und wieder gesehen. zurück. Was ergibt sich daraus für alle We Was sollte ich antworten? Ich hatte auch sen, die uns vielleicht dienen könnten? Da keine Erklärung für die Anwesenheit varga mit haben wir die absolute Macht über sie.« nischer Kinder. Schallend lachte der charismatische, Kytha »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte ra unbekannte Vargane auf. Haitogallakin und rief ein Hologramm auf. In diesem Moment wurde der Größen »Wir haben eine großmaßstäbliche Verbin wahn zumindest für mich personifiziert. dung zum Mikrokosmos hergestellt, die wir
34 auch benutzen können, doch die Nebenwir kungen machen uns zu schaffen. Seit die To re zum Mikrokosmos erstmals geöffnet wur den, werden permanent gewaltige Mengen an Masse und Energie aus dem anderen Uni versum angesaugt oder schlagen daraus un kontrolliert in dieses Universum über. Ich befürchte einen entsetzlichen Fehlschlag.« Als ich das Hologramm sah, hielt ich den Atem an. Es zeigte die Anaksa-Station, zwar nicht ganz so, wie wir sie heute kannten, aber schon deutlich erkennbar. Riesige Pro tuberanzen aus Schwarzer Substanz schos sen immer wieder aus der Verbindung zum Mikrouniversum, sammelten sich rings um das riesige Lebewesen und erzeugten die diffuse Akkretionsscheibe. »Die Materie aus dem Mikrokosmos springt immer öfter auf andere Sonnen über und erzeugt überdies Zonen mit heftigen Raum-Zeit-Störungen, in denen letztlich un kontrollierte Durchbrüche zum Mikrokos mos wie auch zu anderen Universen auftre ten«, sagte Haitogallakin. »Diese Phänomene waren bis zu einem gewissen Grad durchaus von uns geplant«, erwiderte der charismatische Vargane, der Kythara an Mamrohn erinnerte. »Die Ver bindung zum Mikrokosmos und der MasseEnergie-Austausch sollen schließlich in großem Maßstab möglich werden. Und wir können sie bis zu einem gewissen Grad auch steuern. Schon nach den sechstausend Jah ren zwischen dem ersten Übertritt in dieses Universum und der Rückkehr des Großteils unseres Volkes in den Mikrokosmos war klar, dass es mit dem Umsetzer unerwünsch te Wechselwirkungen gibt.« »Doch irgendwann haben sich diese Ef fekte verselbständigt.« In Haitogallakins Stimme schwang Verzweiflung mit. »Sie lassen sich nicht mehr beherrschen. Der Zu strom oder Ausstoß der Schwarzen Substanz ist außer Kontrolle geraten, genau wie auch das Entstehen der Zonen der RaumZeit-Störungen. Zu anderen Sonnen transi tierte Schwarze Substanz führte immer häu figer zu gravierenden Störungen des Raum-
Uwe Anton Zeit-Gefüges. Wenn die Schwarze Substanz eine bestimmte Konzentration oder Menge in den befallenen Sonnen überschreitet, wer den sämtliche Grenzen von Raum und Zeit gesprengt, so dass sich die Sterne unkontrol liert in Supernovae verwandeln oder gar ganze Sektoren raumzeitlich kollabieren. Wir müssen das Experiment abbrechen.« »Warum?« Der stattliche Vargane zuckte die Achseln und nippte an seinem Mond friesmet. »Was kümmert uns schon diese unbedeutende Galaxis?« Konnte Größenwahn eine Entschuldigung für dieses Verhalten sein? Ich schüttelte mich. »Außerdem kommt es immer dann zu die sen Zusammenbrüchen«, fuhr der Unbe kannte fort, »wenn ausreichend Sonnen in Form einer Kugelschale befallen werden, so dass der umschlossene Sektor die Tendenz entwickelt, sich der Natur des Mikrokosmos anzupassen. Das ist doch quasi ein Aus tausch- oder Ausgleichsprozess für die aus dem Mikrokosmos übergeflossene Schwarze Substanz. Der betreffende Sektor wird in ein hyperphysikalisches Feld gehüllt, das den Inhalt einer raumzeitlichen Verzerrung mit allseitig wirksamer Längenkontraktion un terzieht – gleichbedeutend mit einer Verklei nerung im Vergleich zur Umgebung. Und genau das haben wir doch gewollt.« Und auch bekommen, dachte ich. In mei ner Gegenwart machten die betroffenen Raumsektoren insgesamt rund ein Drittel von Dwingeloo aus. In der Wirkung ähnelte dieser Vorgang – obwohl der Vergleich na türlich hinkte – der Längenkontraktion beim relativistischen Flug nahe der Lichtge schwindigkeit. »In den ersten Jahrtausenden nach unse rem Durchbruchsversuch glichen diese Pro zesse nahezu einer Kettenreaktion und führ ten unkontrolliert zur Entstehung Zehntau sender Supernovae.« Haitogallakin wurde lauter. Ich kaufte ihm seine Empörung tatsäch lich ab. Und verfluchte die Weite des Uni versums. Da sich das Licht dieser Superno
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vae erst seit rund 340.000 Jahren ausbreitete, presst – erst die Stimme verriet mir, dass es hatte es bislang auch nur 340.000 Lichtjahre sich um eine Frau handelte – und drehte sich zurückgelegt. Von der Milchstraße aus war um. Ich sah erneut den unbekannten stattli es nicht zu sehen. Wäre diese Entwicklung chen Varganen. »Willst du, dass noch mehr eher erfolgt, hätte ein stets neugieriger Perry von uns sterben?« Rhodan wohl nicht gezögert, eine Expediti Kythara, dachte ich. Wann findet dieses on nach Dwingeloo zu schicken, und wir Gespräch statt? wären schon viel früher auf die größenwahn Wir sind im Geist einer Wissenschaftlerin sinnigen Machenschaften der Varganen ge namens Joschtavenar, antwortete sie. Jahr stoßen. So aber … hunderttausende später … vor nicht allzu So aber verstand ich durchaus, dass bei langer Zeit. Ihrem Geist entnehme ich, dass Haitogallakin schon lange tot ist … seit über den Nachkommenvölkern der Varganen der Dunkelstern zum Hellin oder Enadas ge dreihunderttausend Jahren. nannten Mythos geworden war. Ich konzentrierte mich wieder auf die Un »Wie weit willst du es noch kommen las terhaltung. Der Unbekannte zuckte erneut sen?«, fuhr Haitogallakin fort. Es hätte mich die Achseln. »Vor über dreihunderttausend nicht gewundert, wenn er so zu Kalarthras, Jahren haben sich ein paar Wankelmütige in seinem Expeditionsleiter, gesprochen hätte. einem Verzweiflungsschritt mit der Riesen Doch dieser Vargane war weder Kytharas lebensform der Anaksa-Station beziehungs ehemaliger Geliebter noch Mamrohn, auch weise den dortigen Umsetzer-Aggregaten wenn er meine Gefährtin an ihn erinnerte. verschmolzen. Seitdem sind sie untrennbar Wer also war er? Und wieso kannte Ky körperlich wie geistig mit der Station ver thara ihn nicht? bunden. Na und?« Das Gesicht des charismatischen Varga »Sie haben immerhin den außer Kontrolle nen verdüsterte sich. »Was willst du damit geratenen Durchbruch halbwegs schließen sagen? Und vergiss nicht, was Monaidros zu können …« mir gesagt hat … und was ihm widerfahren »Vollständig geschlossen wurde die Ver ist.« bindung zum Mikrokosmos nicht, weiterhin Haitogallakin ließ sich von der unverhoh kommt Schwarze Substanz ins Standarduni lenen Drohung nicht abschrecken. »Varga versum …« nen werden sterben«, sagte er gepresst. »Aber seit der Bändigung hat sich die »Willst du das wirklich?« Zahl neuer Supernovae deutlich reduziert.« Der Unbekannte blieb ihm eine Antwort »Doch zwischen den verstreuten Teilen schuldig. der Schwarzen Substanz einerseits und dem Dunkelstern andererseits sowie zur AnaksaStation und den weiteren Umsetzer-Stand * orten besteht stets eine hyperphysikalische Abrupt wechselte die Szene. Der Varga Verbindung …« ne, durch dessen Augen ich nun blickte, »Ein Effekt, der seit der Vernichtung des stand nicht mehr in der Zentrale eines Okta Kopaar-Umsetzers auf eine totale Katastro ederraumers, sondern in einem Aussichts phe hinauszulaufen droht«, bestätigte die raum. Eine riesige transparente Scheibe bot Wissenschaftlerin. den Blick auf die Oberfläche eines Mondes, »Ach was?« Der Kythara unbekannte über dessen Horizont sich ein Gasriese mit Vargane grinste breit. »Nicht alle an den prächtigem Ringsystem erhob. Ich erinnerte Versuchen beteiligten Varganen haben die mich verschwommen, ebenfalls schon ein Verschmelzung mit Anaksa vollzogen. Was mal auf diesem Trabanten gewesen zu sein. ist mit Mantronianex und Pertrog? Gehe ich »Varganen sind gestorben«, sagte sie ge falsch in meiner Vermutung, oder haben die
36 se beiden in den nachfolgenden Jahrzehntau senden nicht wiederholt die bestehende Ver bindung zum Mikrokosmos genutzt und da mit ihnen befreundeten Wesen unterschied lichster Zivilisationen, denen sie bei Reisen durch das Universum begegneten, durch den Hin- und Rückwechsel Unsterblichkeit ver schafft?« Plötzlich dämmerte mir etwas, doch es war so ungeheuerlich, dass ich meinen Geist vorerst davor verschloss. War das des Rät sels Lösung? Bekam ich hier und jetzt die Antwort auf eine Frage, die mich schon vor weit über zehntausend Jahren getrieben hatte … und nicht zuletzt zur Verzweiflung? »Was interessieren mich Mantronianex und Pertrog?« Joschtavenar hatte die Be herrschung verloren, schrie ihr Gegenüber jetzt an. »Wenn wir jetzt nichts unterneh men, wird Gantatryn in absehbarer Zeit un tergehen!« Der charismatische Vargane lachte erneut. »Was haben wir mit Gantatryn zu schaffen? Wir haben uns in der Milchstraße ausgebrei tet, wir strecken unsere Fühler nach Gruelfin aus … Gantatryn ist eine Spielwiese. Hier können wir lernen, Erfahrungen sammeln. Selbst wenn Gantatryn untergehen sollte … Nutzen wir die Zeit, die uns bis dahin bleibt. Perfektionieren wir den noch immer unzu länglichen Durchgang zum Mikroversum, wandeln wir den Umsetzer in eine Waffe um! Lehren wir die Androiden, die wir hier schaffen, doch endlich zu kämpfen. Narukku in der Milchstraße scheint mir ein gutes Bei spiel zu sein. Warum schaffen wir hier nicht so etwas? Warum erleben wir hier immer wieder solche Rückschläge wie auf Cramar? Oder, noch schlimmer, auf Alarna, der größ ten Katastrophe, die mir jemals untergekom men ist?« »Dazu werde ich es nicht kommen las sen«, drohte Joschtavenar. »Ich werde mich nach Anaksa begeben, die Wankelmütigen, wie du sie nennst, aufrütteln.« »Dazu müsstest du sterben.« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht habe ich andere Pläne mit dir. Die Versuche mit den Skla-
Uwe Anton venvölkern verlaufen vielversprechend …« Der Tonfall des unbekannten Varganen ver riet mir, dass es sich bei diesem Satz um ei ne Drohung handelte, auch wenn ich ihren Hintergrund nicht verstand. Vergeblich suchte ich in Joschtavenars Gedanken nach derselben Schärfe Monai dros'. Intellektuell war sie ihm nicht ge wachsen. Aber sie hatte Skrupel. Und ich nahm Angst wahr, starke Angst. Doch dies mal verbiss ich mir einen Kommentar. Ky thara hatte sicher noch genug an der Offen barung des engsten Mitarbeiters ihres Ge liebten Kalarthras zu knabbern. Plötzlich zog Kythara sich zurück, und die Bilder schlugen um. Ich erhaschte kurz einen Blick auf ein Sklavenvolk, sah, was aus ihm geworden war. Ich sah in Joschtave nars Erinnerungen einen Planeten, der schon vor Jahrzehntausenden zu einem einzigen Massengrab geworden war. Ich sah Zerstö rung und Tod. Kriege wurden geführt und verloren, ganze Völker gingen unter. Ich schrie vor Qual auf. Jahrtausende des Krieges rollten durch meinen Kopf. Wann würde dieser Wahnsinn ein Ende finden? Gorgh-12: Mit sanfter Gewalt Die Spur war keineswegs verweht, als sei sie immer schwächer geworden, bis ihre restlichen winzigen Bestandteile sich dann endgültig in der Luft aufgelöst hatten. Nein, sie war im einen Augenblick noch vorhan den, zwar schwach, aber deutlich wahr nehmbar, und im nächsten nicht mehr. Gorgh ließ die Pegasus-Projektion wen den, bis er die Witterung wieder aufnahm, und stieg ab. Langsam schritt er vorwärts. Am Ergebnis änderte sich nichts. Von ei nem Schritt zum anderen verschwand die Witterung. Als hätten sich Atlan und Kythara einfach in Luft aufgelöst. Plötzlich befürchtete er, dass er die beiden Mitglieder des neuen Kol lektivs, zu dem er sich seit geraumer Zeit zugehörig fühlte, nie wiedersehen würde. Er
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gestand sich ein, dass er darüber Bedauern wusst, sich ihnen zu verweigern, nur um verspürte. Hinzu kam die Sorge um die eige herauszufinden, was geschehen würde. ne Existenz. Der Kardenmogher war zer Du Armer. Wie gern würde ich dir mei stört, die Häscher der Lordrichter nicht weit nen Erdanu geben, damit du schneller ans … es sah nicht gut aus. Ziel gelangst, doch Tolakin verbietet es. Du Er analysierte die Situation. Letzten Enmusst den Weg allein finden. Das Spiel hängt davon ab. des spielte es keine Rolle, ob er hier darauf wartete, dass die Garbyor ihn fanden und tö Die Wand schlug Blasen. Sie brachen auf, teten oder in dieser chaotischen Welt in die fielen wieder in sich zusammen, bildeten Irre lief und irgendwann verhungerte. Die sich neu. Die Substanz, die aus ihnen tropf zweite Alternative bot immerhin mehr te, sammelte und verhärtete sich, formte einen Körper. Chancen als die erste, auch wenn sie mathe matisch kaum kalkulierbar waren. Gorgh-12 führte unwillkürlich eine tele Er kletterte wieder auf die Pegasus-Pro skopartige Verkürzung des Abdomens her bei, um einen Blutdruckanstieg im Körper jektion und flog weiter. Die nächsten zwei, drei Abzweigungen ignorierte er. Völlig zu verursachen, der die Tracheenstämme seiner Ergänzungsatmung zusammendrück willkürlich bog er schließlich ab und schlug den Weg über eine der filigranen Brücken te. Der Gastransport in die feineren Äste des Tracheensystems beschleunigte sich. Ob strukturen ein. Nein. Das ist der falsche Weg. wohl er nun schneller atmete, konnte er Wie vom Röhrenkollaps getroffen hielt er nicht klarer denken. Die Blasensubstanz vor an. Ist es schon so weit gekommen?, dachte ihm nahm Züge eines Prord an, dann wieder er. Breche ich unter dem Druck zusammen eines Kleid, eines Decht – allesamt längst und bilde mir ein, Stimmen zu hören? ausgestorbene Raubtiere seines Heimatpla Das Spiel erweitert sich. Du musst einen neten, deren Fossilien jedoch noch immer anderen Weg gehen, um ans Ziel zu gelan Angst und Schrecken unter den Jüngeren ei gen. nes Geleges verbreiteten. Langsam wankte Gorgh-12 fuhr herum, witterte mit den die Erscheinung auf ihn zu. Fühlern, nahm aber niemanden wahr. Den noch wendete er den Varg und setzte den 9. Weg fort, den er ursprünglich genommen Atlan
hatte. An der nächsten Abzweigung zögerte Kytharas Ängste
er plötzlich, als hielte ihn eine unsichtbare Keuchend löste ich mich von Kythara. Sie Kraft zurück. Verwirrt wollte er weiterflie krümmte sich vor Schmerzen, ihr Gesicht gen, aber das Gefühl des Unbehagens wurde war eine verzerrte Grimasse. Ich wollte sie immer stärker. in den Arm nehmen, ihr etwas Wärme ge Ich fange an zu halluzinieren. Das ist ben, kam jedoch nicht an sie heran. Die Ma mein Ende. Ohne meine Instinkte finde ich den standen mittlerweile hüfthoch, noch im weder das Kollektiv noch den Rückweg. mer lösten sich welche mit satten, schmat Er bog ab, und das Unbehagen wich. zenden Geräuschen von den Wänden. Es ist noch nicht so weit. Du musst weiter, Die Varganin drehte langsam den Kopf in wir zeigen dir den Weg. Helles Lachen be meine Richtung und öffnete den Mund. gleitete die Worte. »Warum musste es dazu kommen?« Es Gorgh horchte auf. Gelächter von Huma war nicht Kytharas Stimme, die über ihre noiden! Aber wie war das möglich? Lippen kam. Sie war wesentlich tiefer, die Zweimal folgte er den Hinweisen der Betonung der einzelnen Silben lag immer Stimmen in seinem Inneren, die ihm den um eine Nuance daneben, als müsse sich ein Weg wiesen. Dann entschied er sich be
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fremder Geist erst mit ihren Stimmbändern gungen deines Unterbewusstseins, die die vertraut machen. »Warum ist es gesche Ängste der Varganen widerspiegeln. hen?« Das ist keine Antwort auf meine Frage, Ich wäre zurückgeprallt, hätten die wim erwiderte ich. Die Varganen können sich nicht mehr melnden Maden es nicht verhindert. Ein würgendes Gefühl breitete sich in meinem von dem Riesenkorallenstock lösen. Warum erzählt er dir das wohl? Magen aus. Ich rang um eine geistreiche Be merkung, doch mir fielen nur lapidare All Warum sagt er nicht klipp und klar, was gemeinplätze ein. »Wer bist du?« – Das er von mir verlangt? schien mir noch die beste Frage zu sein, die Die Varganen halluzinieren, verdeutlichte ich jetzt stellen konnte. der Logiksektor. Vielleicht sind sie genauso »Ich bin Onidro. Onidro, Monaid oder Ai wenig dazu imstande, wie du es warst, als dros, wie es dir gefällt.« die Eifersucht auf Kalarthras dich packte. Außerdem hat er von einem Spiel gespro Varganisch klingende Namen. Ich muster chen. Soll ein Spiel praktikabel sein, muss es te Kythara unverhohlen. Obwohl die Trance von ihr abgefallen war, wirkte ihr Gesicht festen Regeln folgen. Weißt du, was diese Regeln vorschreiben? noch immer völlig entrückt. Sie war eindeu tig nicht sie selbst. »Und … was bist du?« Nein, ich kannte diese Spielregeln nicht. »Ich bin eins mit vielen. Wir sind alles.« Immerhin war mir jetzt klar, dass einige der Ich schluckte schwer. Ich hatte befürchtet, bizarren Welten, die wir in Anaksa durch solch eine knappe, eindeutige Antwort zu quert oder zumindest gesehen hatten, Aus bekommen. »Du bist das alles hier? Du bist druck der Ängste der hier gefangenen Var Anaksa?« ganen waren. »Und noch viel mehr. Ich war einmal ein Kytharas goldene Augen sahen noch im Vargane, bin es eigentlich noch immer. Aber mer durch mich hindurch in eine ferne Welt. wir alle sind mit Anaksa verschmolzen. Wir Ich wandte den Blick von ihr ab, weil ich erschaffen Welten und lassen sie vergehen. plötzlich befürchtete, mich in diesen Augen Unsere Visionen sind eure Realität.« zu verlieren. »Warum sind eure Visionen so be »Ich bin nicht bereit, alles aufzugeben.« drückend, so albtraumhaft?« Ich wischte ei Die Stimme hatte sich verändert, kam mir ne Made vom Anzugärmel. nun höher vor, aber auch bedrohlicher, als »Das Spiel hat sich verändert, wir sind spräche plötzlich ein anderes Bewusstsein ängstlich geworden. Unsere Ängste spiegeln durch Kythara. »Ich werde dafür kämpfen! sich in den von uns kreierten Universen wi Niemand nähert sich der Zentrale, sonst der. Einige von uns wollen sich lösen, doch wird es geschehen!« sie schaffen es nicht. Es kostet uns den Ich hob den Blick wieder und erkannte im Geist, die Fähigkeit zu erschaffen.« letzten Moment, dass Kythara nach ihrer Kythara malte mit der Hand einen Bogen Waffe greifen wollte. in die Luft. Sie war unter dem Einfluss des Ich war schneller als sie. Tut mir Leid, varganischen Bewusstseins eine Marionette. aber ich muss es tun. Ich musste ihr helfen, sich nicht in diesem Ich entriss ihr die Waffe und schlug zu. geistigen »Kollektiv« zu verlieren. Allein Einmal, zweimal. würde sie womöglich darin untergehen. Die rosarote Masse fing an zu brodeln, »Und warum erzählst du mir das alles?« schien plötzlich förmlich zu kochen. Blasen Onidro antwortete nicht. Narr!, schimpfte platzten an der Oberfläche, und mit ihnen der Extrasinn. Verstehst du denn nicht? Dei stieg ein Gestank auf, der mir die Luft nahm. ne Halluzinationen, dein immer neuer Kythara schrie auf und brach zusammen; der Kampf mit Kalarthras … das sind AuspräVargane musste sie losgelassen haben. Im
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letzten Moment konnte ich sie an der Schul ter fassen und verhindern, dass sie in das wi derwärtige Gewürm stürzte. Doch wie lange würde ich sie halten kön nen? Wir standen mitten in Onidros Welt, versanken langsam in seinem Albtraum. »Ich gebe auch nicht auf!«, schrie ich. »Wir sind einen weiten Weg gegangen, und unser Ziel soll nicht euer Ende sein.« Ich wollte mit Kytharas Waffe feuern, doch bevor ich den Auslöser betätigen konn te, schwappten die brodelnden, noch immer Blasen schlagenden Maden an uns hoch und verschlangen uns endgültig. Als mir die Helmscheibe platzte und mir Maden in den Mund drangen, spürte ich gleichzeitig einen brennenden Schmerz in den Beinen. Mein letzter Gedanke war: Fressen sie uns jetzt etwa auf?
* Ich sah hinab, doch der dunkelrote Schleim war verschwunden. Kythara lag in meinen Armen; ihr Gesicht wirkte entspannt und friedlich. So gelassen hatte ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Der ekelhafte Geruch hing noch in meiner Nase, wurde aber zusehends schwächer und von einem anderen verdrängt. Von dem von Blumen? »Hier, trink. Onidros Traum hat dich si cher durstig gemacht.« Aus weit aufgerissenen Augen starrte ich das kleine varganische Mädchen an, das mir einen Becher hinhielt. Erst dann schaute ich mich um. Ich stand auf einer saftigen grünen Wiese, übersät mit bunten Blumen, die unter einem blauen, wolkenlosen Himmel in die Unendlichkeit zu reichen schien. Mein Helm war unbeschädigt, aber geöffnet. Hatte ich ihn jemals geschlossen? Ich ließ Kythara auf den Grasteppich sin ken, nahm den Becher und trank. Wohltuend rann die klare Flüssigkeit meine Kehle hin ab. Das Mädchen war mir nicht unbekannt. Es hatte zu den Kindern gehört, die in einem
Kreis um uns gestanden und zu uns herabge blickt hatten. »Ist das auch eine Vision?« Die Kleine nickte. »Einige haben mehr Angst als andere. Sie bringen ein Ungleich gewicht in die Welt. Wir wissen nicht, wie wir ihnen helfen können.« Ich konnte mir gut vorstellen, was passie ren würde, sollte die ängstliche Seite die Oberhand gewinnen. Jetzt war unsere Missi on ein Wettlauf gegen die Zeit geworden – zwischen Unsterblichen, wie ich mit einem Anflug von Belustigung registrierte. Nachdenklich musterte ich das Kind. Soll te ich ihm die Frage nach seiner Herkunft stellen? Oder würde ich damit eine Lawine ins Rollen bringen? Konnte es mir überhaupt eine befriedigende Auskunft geben? »Vielleicht können wir euch helfen«, sag te ich. »Verbindet euch mit uns, seht durch unsere Augen in unsere Welt.« Das Lächeln des Mädchens wurde traurig. »So einfach ist das nicht.« Es zeigte auf Ky thara. »Sie ist selbst voller Angst. Zuerst muss sie sich selbst erkennen, ihr Volk ver stehen und den Hass besiegen.« »Wir haben viel erfahren, seit wir die Sta tion betreten haben. Einiges hat nicht gerade dazu beigetragen, Verständnis für die Hand lungsweise der Varganen zu wecken.« Her ausfordernd sah ich das Mädchen an. Es hockte sich neben Kythara und berühr te ihre Stirn. »Sie muss ihre eigene Angst überwin den.« Dann hob es Kytharas Hand und legte sie in die meine. »Gemeinsam schafft ihr es vielleicht.«
* »Helft mir! Ich sterbe!« Ich riss die Au gen auf, sah aber nichts. Es war stockfinster. Der Gestank von Tod und Verwesung hing in der Luft. Ein schwacher Luftzug wehte über meine Haut. Der Varganenanzug war verschwun den. Ich trug ein Gewand aus grobem Stoff. Neben mir hörte ich ein Stöhnen. Ich stellte fest, dass die vermeintliche Dunkel
40 heit in Wirklichkeit wallender grauer Nebel war, der sich allmählich lichtete, und sah Kythara. Sie schien gerade zu erwachen, setzte sich verwirrt auf. Dann trat nacktes Entsetzen in ihren Blick. »Was … ist das?« Sie streckte einen Arm aus. Ich sah in die Richtung, in die sie zeigte, erkannte undeutlich eine Gestalt, die über den steinigen Boden zu uns kroch. Nun ver stand ich den Schrecken meiner Gefährtin. Es war eine erbärmliche Erscheinung. Die Knochen des Humanoiden – des Varganen? – stachen unter der Haut hervor, er blutete aus zahlreichen Wunden, sein Gesicht war so eingefallen, dass es nur noch aus riesigen Augen zu bestehen schien, die uns anstarr ten. »So helft mir doch …« Schwach hob das arme Wesen einen Arm. Ich tastete meine Bekleidung ab. Ihr Stoff war hart und doch geschmeidig, aber ich fand keine Taschen, keinen Gürtel, an dem vielleicht ein Notfallpack hing oder eine Feldflasche. Ich konnte dem geschundenen Humanoiden nicht einmal einen Schluck Wasser geben. Vorsichtig stand ich auf. Mein Kreislauf deutete darauf hin, dass ich längere Zeit lie gend verbracht hatte. Der Nebel hob sich zu sehends, und mir offenbarte sich ein Bild des Schreckens. Wir befanden uns in einer Art Massen grab. Überall lagen die sterblichen Überreste unzähliger Lebewesen. Ihre Körper waren in unterschiedlichste Stadien der Verwesung eingetreten, von manchen sah ich nicht mehr als bleiche Knochen. Kythara schrie auf. »Warum sind wir hier? Ich will, dass dieser furchtbare Traum aufhört!« Fast hysterisch stieß sie die Worte hervor. Was hatte das Varganenmädchen gesagt? Wie konnte ich ihr erklären, dass, wir uns in ihren Ängsten befanden, in ihrem ureigenen Albtraum? »Wasser …«, flüsterte der Humanoide mit letzter Kraft, dann sackte er zusammen. Er
Uwe Anton hatte ausgelitten. Sein Körper sank zu Bo den, zu den anderen Toten. Ein dumpfes Grollen drang durch den Ne bel, wurde immer lauter. Hier wird es gleich ungemütlich. Ich ahnte, dass mein Extrasinn Recht hat te. Wie konnte es in einem Albtraum anders sein? Oder in einem Spiel, dessen Regeln andere bestimmten? Doch wo sollten wir uns in Sicherheit bringen? Das Feld der Leichen war eben, weder Hügel noch Sträucher unterbrachen die grauenhafte Szenerie. Die gesamte Um gebung schien nur aus Kadavern zu beste hen. Du musst Kythara zur Vernunft bringen. Ihre Ängste und Gedanken halten uns hier fest. Das durchdringende Geräusch stammte von einem Kettenfahrzeug, das sich aus der grauen Nebelwand schälte. Es rollte über die Toten, zermalmte ihre sterblichen Überreste. Staub von Knochen wirbelte hoch und wur de erhellt von einem Scheinwerferkegel, der über das Feld rotierte. »Sie suchen jemanden. Oder wissen sie, dass wir hier sind? Sollen wir uns zu erken nen geben?« Fragend drehte ich mich zu Kythara um. Was konnte schon schlimmer sein als dieser Ort? In ihren goldenen Augen spiegelte sich Grauen. Sie schien kurz davor zu stehen, den Verstand zu verlieren. »Ich weiß, wo wir sind. Wir haben diese Welt kurz nach den Versuchen mit dem Umsetzer besetzt. Mamrohn ließ die Invasionstruppen ganze Arbeit verrichten. Wer nicht für uns war, war gegen uns, für den Feind gab es keine Gnade.« Hatte sie die Gedanken an diesen Massen mord verdrängt, wollte sie sich nur an die glorreichen Taten der Varganen erinnern? Oder hatte sie diesen Zwischenfall im Lauf der Jahrhunderttausende einfach vergessen wie so viele andere? »Unsere Besiedelungsprogramme auf an deren Planeten waren unserer würdig, nicht
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dieses Morden«, fuhr sie fort. Tränen rannen men. Zuerst einmal muss Kythara jedoch ih ihre Wangen hinab. Mir wurde klar, dass ich re eigene Angst überwinden. jetzt nichts sagen konnte, was ihren Schmerz Gut gesprochen, aber auch leicht gesagt, lindern würde. konterte ich. Zuerst einmal müssen wir aus Vielleicht braucht sie jetzt genau das? dieser Albtraumwelt heraus. Die ungeschminkte Wahrheit über die Var Ich musste eine Entscheidung treffen. Ky ganen … thara war nicht mehr imstande dazu. »In keinen Annalen, keiner Chronik, kei »Folgen wir dem Fahrzeug. Irgendwo müs nem Archiv werden diese Gräueltaten er sen sie eine Basis haben.« wähnt. Wir sprachen ganz allgemein von Ich zog meine Gefährtin hoch, doch sie umgesetzten Planeten. Ihre Bevölkerung war rührte sich nicht. uns keine einzige Silbe wert …« »Das ist die Vergangenheit«, sagte ich Das Kettenfahrzeug rasselte an uns vor eindringlich. »Wir müssen in die Gegenwart zurückkehren. Ich verstehe deinen Schmerz, bei. Die zerquetschten Leichen strömten einen Übelkeit erregenden Gestank aus. Ich aber wir können nichts mehr daran ändern. Hoffen wir also auf die Zukunft.« riss mir ein Stück Stoff vom Ärmel meiner Bekleidung und wickelte es um Mund und Sie nickte stumm. Zögernd, fast willenlos Nase. Das Einatmen der Fäulnisgase ließ folgte sie mir. Hätte ich sie nicht immer wie der ermutigt, geradezu angetrieben, wäre sie mich schwindeln. »Kalarthras, warum?« Kythara sank auf wohl einfach stehen geblieben. Ich hatte den die Knie und starrte in einen Himmel, der Eindruck, dass sie sich am liebsten auf den keiner mehr war. Noch nie hatte ich sie so Boden gelegt und wie ein kleines Kind zu fassungslos gesehen. Wo war die Varganin sammengerollt hätte. geblieben, die ich kannte? Ihre Selbstbeherr Auf den Boden, zwischen die Toten. Viel schung war zertrümmert, ein Scherbenhau leicht, um ebenfalls zu sterben. Wir stolper fen, ihre unergründliche Arroganz und Do ten über den Leichenacker. minanz, die manchmal zur Selbstverherrli Die Spur des Fahrzeugs war nicht zu chung neigte, von Zweifeln und Hoffnungs übersehen. Die tiefe Rinne, die es zurückge losigkeit verdrängt worden. Kythara kniete lassen hatte, erleichterte uns das Vorankom im anonymen Tod von Tausenden von Lebe men. Meine zehntausendjährige Lebenser wesen und konnte nicht begreifen, was ih fahrung half mir, den Wahnsinn fern zu hal resgleichen angerichtet hatte. ten. Die verkrümmten Leiber, die gebleich ten Schädel und Knochen, Gliedmaßen aus verwesendem Fleisch, die verkrampft em * porragten, das alles blendete ich einfach aus. Suchend sah ich mich um. Dass wir über Ich dachte nur daran, wie lange wir schon keinerlei Ausrüstung verfügten, vereinfachte gegangen waren, ohne dass das Bild sich än unsere Lage nicht gerade. derte. Verlief die Zeit in der Traumwelt der Falls es hierzu noch eine Steigerung gibt. Varganen genauso schnell oder langsam wie Wie willst du gegen Träume ankämpfen, At in der Wirklichkeit? Dann musste schon lan da Gonozal? längst der 22. Juli 1225 NGZ angebrochen, Auf rhetorische Fragen kann ich verzich wenn nicht sogar wieder vergangen sein. ten. Ich brauche jetzt einen praktischen Rat. Oder waren wir in einer Endlosschleife Den kannst du haben, antwortete der Ex gefangen? Gingen wir ein und denselben trasinn zu meiner Verblüffung. Vielleicht ge Weg immer wieder von neuem? lingt es dir in geistiger Verbindung mit Ky Wie dem auch sein mochte, die Station thara, an die Varganen heranzukommen und schien uns endgültig verschlungen zu haben. ihnen ihre Angst und Verzweiflung zu neh
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* »Halt! Wer da?« Das neblige Leichenfeld löste sich von einem Schritt zum anderen auf. An seine Stelle traten niedrige Gebäude, die sich geduckt an flache Hügel schmieg ten. Vor einem stand ruhig und gelassen der Vargane. Er schien nicht überrascht zu sein, zwei Gestalten aus Nebelwirbeln treten zu sehen, und richtete eine Energiewaffe auf uns. Als er Kythara sah, senkte er den Strahler. »Verzeih mir, Hochgeborene. Ich habe dich nicht sofort erkannt.« Er verneigte sich vor ihr und senkte den Blick. Der Traum erhält eine neue Wendung. Es wurde allerdings auch langsam Zeit. Ich schüttelte den Kopf. Der Extrasinn hatte weniger Grund zur Klage als ich; schließlich war er keinen müden Meter ge gangen. »Bring uns zum Rat! Wir müssen ihm Neuigkeiten über die Expeditionen berich ten.« Überrascht drehte ich mich zu Kythara um. Mit dem Verlassen des Nebelfelds schi en zumindest ein Teil ihrer Entschlusskraft zurückgekehrt zu sein. Sie hatte sich offen sichtlich gefangen und die Situation einge schätzt. »Er hat mich Hochgeborene genannt«, flüsterte sie mir zu. »Also ist er ein Andro ide, eine unserer Schöpfungen.« Hatten wir eine andere Welt erreicht? Ei ne, die von den Kunstwesen der Varganen beherrscht oder zumindest bewohnt wurde? Eine Welt wie Narukku, auf der die Varga nen ganz nach ihrem Geschmack als Götter verehrt wurden? Ich kniff die Augen zusammen. Die An siedlung machte einen ländlichen Eindruck, gediegen, aber nicht sehr fortschrittlich. Die Varganen hatten ihren Geschöpfen das Le ben gegeben, aber nichts von ihrer Technik. Wer wollte sich schon selbst Konkurrenz schaffen? Mit dem Friedlichkeitsgen hatten sie ihnen auch noch die Möglichkeit genom-
men, sich gegen ihre Schöpfer aufzulehnen, ja sich sogar vor ihnen zu schützen. Ich hatte vollstes Verständnis dafür, dass die Varganen deshalb auf einigen von ihren Androiden besiedelten Welten nicht mehr gern gesehen waren, man sie dort sogar fast hasste. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie Kythara mit schleppenden Schritten dem Kunstgeschöpf folgte. Die Anweisung an den Androiden schien sie einen Großteil ihrer verbliebenen Energie gekostet zu ha ben. Sie bewegte sich langsam und unsicher und hielt den Kopf gesenkt. Ich schloss zu ihr auf. Der Androide führ te uns in ein Haus und durch einen Korridor. Gedämpfte Stimmen schlugen uns entgegen. Er öffnete eine Tür und zeigte in den dahin ter liegenden großen Saal. Acht nicht mehr junge Männer saßen darin an einer langen Tafel. Wahrscheinlich Androiden, obwohl nur das sichtbare Alter ein Indiz dafür war, dass wir es nicht mit echten Varganen zu tun hatten. Als sie uns bemerkten, unterbrachen sie ihr Gespräch. Einer erhob sich und winkte uns näher. »Seid ihr die Boten? Bringt ihr endlich die Pläne, die man uns versprochen hat? Man vertröstet uns immer wieder, und unsere Ge duld ist langsam erschöpft.« Kythara runzelte die Stirn. Als hätte der Tonfall des Androiden ihr gegenüber, der Hochgeborenen, sie über alle Maßen em pört, war sie plötzlich wieder die Göttin, die auf niederes Leben hinabschaute. »Siehst du nicht, mit wem du es zu tun hast?« Hart hallte ihre Stimme von den kahlen Wänden zurück. »Wir wissen nichts von ir gendwelchen Plänen. Meine Freunde haben wohl vergessen, mich zu informieren.« Der Sprecher zögerte und überging dann ihre Worte, als hätte er zumindest den ersten Satz nicht gehört. »Ich bin Wegandun, der Erste Rat. Wir sehen keine Möglichkeit mehr, den Aggressor abzuwehren, suchen eine Alternative. Sonst müssen wir alle ster ben. Die Hochgeborenen interessieren sich nicht weiter für unser Schicksal.«
Endstation Anaksa Empörtes Murmeln folgte seinen Worten. Obwohl ich die Zusammenhänge nicht verstand, war mir klar, dass auch hier ge storben wurde. Alles im Namen der Varga nen … Kythara trat an den Tisch und sah jeden einzelnen Androiden lange an. Zweifellos ging ihnen der Blick ihrer goldenen Augen durch Mark und Bein. »Wir haben Tausende Welten bevölkert, haben euch das Leben geschenkt, Kinder und Wohlstand. Das alles verdankt ihr uns. Irgendwann kommt aber der Punkt, da ihr für euch selbst verantwortlich seid. In zehn tausend Jahren wird vielleicht einer von uns eurer Welt einen Besuch abstatten. Früher könnt ihr nicht darauf hoffen, das wäre un realistisch. Zu groß ist diese Galaxis, und wir sind zu wenige.« Wegandun brauchte eine Weile, um ihre Worte zu verkraften. Ich konnte es ihm nachfühlen. »Ihr habt uns unvollkommen gemacht«, sagte er schließlich. »Es war von vornherein eure Absicht, euch Untertanen zu schaffen, die sich nicht gegen euch aufleh nen können.« »Geehrte Hochgeborene, verzeiht Wegan dun die harten Worte. Er meint es nicht so.« Ein bärtiger Mann stand auf und warf dem Ersten Rat einen beschwörenden Blick zu. Offensichtlich gab es in dieser Runde unter schiedliche Meinungen zu den Varganen und ihrer Tätigkeit. »Ich bin zu alt, um mich von solchen Nichtigkeiten beleidigen zu lassen. Meine Worte entsprechen den Tatsachen. Ich könn te sie schönreden, aber damit würde sich nichts ändern.« Kythara hatte den Androiden als typische Varganin geantwortet, wie es der Natur ihres Volkes entsprach. Aber nicht unbedingt der Natur der Frau, wie du sie kennen gelernt hast. »Dann gibt es für uns keine andere Lö sung. Die Varganen haben keine Kontrolle mehr über die Entwicklung in Gantatryn. Sie sind verschwunden, und wir werden es bald auch sein.« Wegandun setzte sich kraftlos.
43 Ich konnte seine Verbitterung verstehen. Sein Volk war vom Untergang bedroht, und die Schöpfer glänzten durch Abwesenheit. Kythara schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid. Euer Schicksal ist besiegelt. Eigentlich gibt es euch schon seit Jahrzehntausenden nicht mehr. Ihr seid die Geister meiner Ver gangenheit.« Ich horchte auf. Hatte sie es begriffen? War sie auf dem Weg der einzigen Erkennt nis, die uns hier herausbringen konnte? »So ist es schon geschehen?« »Ja«, sagte Kythara. »Und ihr müsstet es eigentlich wissen.« Wegandun seufzte und löste sich einfach auf. Die anderen Männer am Tisch taten es ihm gleich und gaben den Platz für acht Kin der frei, die nun an ihrer Stelle dort saßen. Gorgh-12: Die Schimäre Der Prord rollte einen Rüssel aus, wie vor Urzeiten, als er Gorghs Vorfahren in seinen riesigen Körper gesogen und verschlungen hatte. Der Kleid wetzte lange, messerscharfe Krallen, die jeden Chitinpanzer aufschlitzen konnten. Der Decht sonderte Säuredämpfe ab, die das Chitin nicht nur weich werden ließen, sondern auch die Luft in den Tra cheen zähflüssig, so dass die Diffusion be hindert wurde und zum Erliegen kam. Die Schimäre stieß ein fürchterliches Grollen aus und griff mit Rüssel, Krallen und Säurewolke nach Gorgh. Eine Halluzination, dachte er. Doch er hatte gesehen, wie sie sich aus der Wand löste, Gestalt annahm, und er witterte die Säure und die Ausdünstung des Geschöpfs. Er wendete die Pegasus-Projektion und schlug den Weg ein, den die Stimme in sei nem Kopf ihm empfohlen hatte. Das ist schon besser. Und während der Varg-Roboter durch die Gänge einer unbegreiflichen Welt raste, hör te Gorgh nur diese helle Stimme, die ihn schier hypnotisierte und vorwärts trieb.
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Die Kinder der Varganen
»Ja, so ist es geschehen, hier und auch auf vielen anderen Welten.« Ein stattlicher Jüngling mit goldenem Haar stand auf und ging zu Kythara. Als er vor ihr anhielt, war er zu einem groß gewachsenen Varganen mit stolzem Blick geworden. »Wir haben er schaffen und zerstört. So war es, und so ist es noch immer.« Ein wunderschönes Mädchen mit üppi gem, gelocktem Haar von der Farbe ihres golden schimmernden Kleides stand auf. »Ja, so ist es, Tolakin. Und weil viele es nicht mehr ertragen konnten, verschmolzen sie, wurden zu einer Einheit, lebten nur noch in ihren Visionen. Auch die Kinder sind eine Wunschvorstellung. Wir konnten keine zeu gen oder gebären, also wollten wir selbst in ihnen leben. Es war ein zeitloses Spiel mit der Zeit.« Kythara betrachtete die Kinder stumm. Ich ahnte, was sie jetzt empfand; sie hätte diese Vision nur allzu gern als Wahrheit an gesehen. »Ihr habt mir für eine kurze Zeit die Hoffnung gegeben, dass es Monaidros oder irgendjemandem sonst gelungen ist, ei ne Lösung für unsere Unfruchtbarkeit unter einander zu finden.« Das Mädchen strahlte mich mit einem of fenen Lächeln an. In Sekundenschnelle schi en es zu einer Frau heranzureifen, die Ky tharas Schwester hätte sein können. »Monaidros hat es nicht geschafft und die anderen Wissenschaftler nach ihm auch nicht«, erwiderte das Mädchen. »Die Un fruchtbarkeit untereinander bleibt unser Schicksal. Genau wie jetzt Anaksa unser Schicksal ist. Wir sind an diese Lebensform gebunden. Eine Lösung vom Gemein schaftswesen wäre unser Tod.« Es zögerte kurz. »Einigen von uns ist diese Konsequenz mittlerweile willkommen, andere hingegen können sie nicht akzeptieren.« Das ewige Ringen um die Macht über das eigene Leben. Doch diese Varganen leben schon seit Ewigkeiten.
»Was passiert, wenn eine Seite die Ober hand gewinnt?« Ich musste die Frage ein fach stellen. »Das wäre gegen die Regel. Unser Spiel muss im Gleichgewicht bleiben, sonst sind alle verloren.« Mir wurde klar, wie ihr Spiel funktionier te. Und warum selbst die Lösungswilligen sich daran hielten. Sie wussten nicht, ob Anaksa ohne sie weiterhin existieren konnte. Und wie es dann denen ergehen würde, die nicht sterben wollten. »Die Beherrschung von Zeit und Raum in dieser Station hat sich zu einem bloßen Zeit vertreib entwickelt«, fuhr das Mädchen fort. »Die Jahrtausende ziehen vorbei, und wir merken es nicht einmal. Wir leben in unse ren Welten und haben sogar Kinder. Sind so gar Kinder.« Kythara verzog den Mund. Sie war nicht begeistert von diesen Varganen, die zum bloßen Amüsement am Leben blieben. Kei ne Spur mehr von Expansion oder Weiter entwicklung … das entsprach nicht den var ganischen Idealen. »Was ist aus euch geworden? Eine sym biotische Lebensform ohne eigene Ziele. Angesichts der Gefahren, die euch vom Dunkelstern drohen, eine bedenkliche Hal tung.« Woher kam plötzlich diese kritische Hal tung gegenüber ihrem eigenen Volk? Unter schätzte ich sie? Hatte sie auch den einzigen Ausweg erkannt? Doch schadete sie uns nicht mit ihren Worten? Unser Ziel war im merhin die Zerstörung der Zentrale im Kern dieser Station. Was kümmerten uns die Kon sequenzen, die daraus entstehen würden? Diejenigen Varganen, die nicht sterben woll ten, kümmerten sie allerdings gewaltig. »Etwas noch viel Schlimmeres ist aus uns geworden. Varganen haben ihr eigenes Volk verraten. Nicht wahr, Onidro?« Tolakin drehte sich um und winkte einen gerade noch dunkelhaarigen Jungen heran, der nun ein goldhaariger Erwachsener war. »Er hatte Kontakt mit einem von ihnen, aber nur sehr kurz. Es konnte einfach nicht ver
Endstation Anaksa stehen, was er sah, mit dem erlangten Wis sen nichts anfangen.« Der andere Vargane war von gedrungener Gestalt, kleiner als Tolakin, aber kräftiger. »Ich habe versucht, mit ihm Kontakt aufzu nehmen, aber etwas hat mich zurückge schleudert. Eine fremde Präsenz im Geist dieses Varganen hat mich einfach hinwegge fegt.« Onidro überlegte kurz. »Dann hat es mich nicht mehr interessiert. Es galt, das Spiel nicht aus den Augen zu verlieren.« Ich horchte auf. »Du meinst … dieser Verräter ist keiner von euch?« »Nein. Er gehört zur zweiten Gruppe.« Ich hätte ihn gern nach dem Namen des Verräters gefragt, wusste jedoch, dass es sinnlos war. »Zur zweiten Gruppe?« »Die, die euch folgt. Die euer habhaft werden will.« Und bei ihr war ein Vargane? »Mehr kann ich dir nicht sagen.« »Weiß Anaksa, warum wir hier sind?« Im Klartext hieß das: Hatten sie uns schon durchschaut, oder waren unsere Gedanken für sie ebenso unverständlich wie die des Varganen bei den Garbyor? »Wir sind uns nicht ganz sicher. Es geht um etwas, das sich im Innern der Station be findet. Euer Ziel ist die Zentrale. Uns ist der Zugang verboten, wir konnten nie weiter vordringen als bis vor die Schleuse. Die We senheit, mit der wir verbunden sind, hat auch eine Veränderung des Dunkelsterns be merkt und bringt damit euer Eintreffen in Verbindung.« »Die zweite Gruppe der Eindringlinge nä hert sich dem inneren Sektor. Anaksa wird Schutzmaßnahmen ergreifen.« Tolakins Stimme klang tiefer als zuvor. Hatte Anaksa durch ihn gesprochen? Ich brauchte einen Moment, um die Infor mation zu verarbeiten. Die Garbyor waren Tolakin zufolge fast schon am Ziel, während wir debattierten und nicht weiterkamen. Ein heißer Schauer durchlief mich bei dem Ge danken, dass das Varganenerbe in Form des leistungsfähigen Umsetzers in die Hände der Lordrichter fallen würde.
45 »Aber eines konnte ich deutlich wahrneh men. Sie suchen den Stein der Weisen.« Onidro sah mich nachdenklich an. »Sagt dir dieser Begriff etwas?« Und ob er mir etwas sagte! Auch ich hatte mich schon auf die Suche nach diesem le gendären Objekt gemacht, erstmals als jun ger Mann, über achttausend Jahre vor Chri sti Geburt. Schon damals hatte die Vergessene Positronik, deren kürzliches Auftauchen uns erst auf die Spur der Lordrichter ge bracht hatte, als Schlüssel zu dem mysteriö sen Stein der Weisen gegolten, der angeb lich dem, der sich als würdig erwies, gewal tige Macht und großes Glück schenken soll te. Kythara und ich hatten erst vor kurzem erfahren, dass es sich bei der Positronik ur sprünglich um eine Raumabwehrplattform der Lemurer gehandelt hatte, die im Krieg gegen die Haluter von einem Paratronschlag getroffen, aber nur teilentstofflicht worden war, statt komplett in den Hyperraum abge strahlt zu werden, wie dies normalerweise der Fall gewesen wäre. Was genau gesche hen war, war von dem lemurischen Bordrechner nicht erfasst oder gespeichert worden. Irgendwann hatten dann jene Varganen den im All treibenden – und zu diesem Zeit punkt für eine Weile komplett verstofflich ten – Quader gefunden, die die Spuren für die Suche nach dem Stein der Weisen leg ten. Ein varganischer Rechner war einge baut, die Plattform zum Teil umgerüstet und mit Varganentechnik ausgestattet worden. Hatten etwa Mantronianex und Pertrog die Vergessene Positronik gefunden? Hatten sie mit der Zeit auf diese Weise den Mythos vom Stein der Weisen geschaffen? Zusammenhänge taten sich auf. Hatten sich, als der Henker Magantilliken vor etwa 50.000 Jahren mit seiner Jagd be gann, Mantronianex und Pertrog – auch für den Fall ihres Todes – entschlossen, das Ge heimnis der Unsterblichkeit anderen zugäng lich zu machen, die sich dessen würdig er wiesen? Hatten sie mit Unterstützung ande rer Varganen gezielt in der Milchstraße die
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diversen Stationen der Schnitzeljagd-Suche lief es hinaus. Der tatsächliche Hintergrund zum Stein der Weisen geschaffen, darunter des Steins der Weisen war wohl vor allem, auch die Vergessene Positronik? dass die varganischen Wissenschaftler seit Mein fotografisches Gedächtnis spülte die Hunderttausenden von Jahren herauszufin den versuchten, welche Umstände des Fragmentarischen Texte von Yxathorm hoch, Vers a142, Entstehungszeit ungefähr Wechsels vom Mikro- in den Makrokosmos 56.000 vor Christus. für die Unsterblichkeit und Sterilität ihres Also sprach der Träger des Lichts: Ihr, Volkes verantwortlich waren. Eine Antwort die ihr in der Dämmerung der Unwissenheit hatten sie nie gefunden; fest stand nur, dass zufrieden schlummert, werdet niemals über dem so war und der Vorgang auch reprodu das Stadium des Vor-Menschtums hinaus ziert werden konnte. kommen. Zu Menschen werdet ihr nur, wenn Und damit steht den Varganen eine Me ihr die Verbote missachtet, eure Augen öff thode zur Verfügung, die beliebigen anderen net und euch der Erkenntnis zuwendet. Lebewesen Unsterblichkeit verleihen kann, Von diesem Augenblick an werdet ihr verdeutlichte der Extrasinn. nicht mehr unschuldig sein, sondern gut und Unsterblichkeit … das war für jeden Ein böse zugleich, und ihr werdet wissen, dass zelnen schon ein starkes Motiv. Aber die ihr gut und böse seid. Große Mühen und Möglichkeit, sie anderen zu verleihen – die Leiden werden über euch kommen, aber verschaffte dem, der sie besaß, gewaltige wenn ihr unbeirrt weiter nach dem Licht der Macht! Erkenntnis strebt, werdet ihr in ferner Zu Ich hatte genügend Leute kennen gelernt, kunft die Vollkommenheit erreichen. Viele die für deutlich weniger die eigene Mutter verhökert hätten. Mit der Unsterblichkeit als Fallen lauern auf euren Wegen, aber auch viele Hilfen erwarten euch. Machtmittel konnte man sich nicht nur sol Eine dieser Hilfen ist der Stein der Wei che Subjekte hörig machen, es würde auch sen; in den richtigen Händen kann er Dinge weitere Macht, weiteren Einfluss nach sich vollbringen, die euch wie Wunder erschei ziehen. nen werden. Doch schwer ist es, ihn zu su Die Lordrichter waren Onidros Worten chen, und noch schwerer, ihn zu behalten. zufolge also nicht nur auf der Suche nach »Eure Verfolger vermuten den Stein in dem Varganenerbe in Form von Waffen und dieser Galaxis. Sie glauben fest daran, dass technischem Know-how … sie hatten es er sich hier befindet.« auch auf die Unsterblichkeit abgesehen! Plötzlich schwankte der Boden unter mei Konnte ich in diesem Fall über die Varga nen Füßen. Onidro wusste nicht, was er uns nen urteilen? Meine eigene relative Unsterb da mitteilte. Das ist es also. Sie suchen den lichkeit versperrte mir eine objektive Sicht »Gral«. auf diese Handlungsweise. Und das erklärte auch, warum ich den Aber es war so einfach. Bei den For Stein der Weisen in der Milchstraße nie ge schungen über die Ursachen ihrer Unfrucht funden hatte. Falls er wirklich in Dwingeloo barkeit stellten die Varganen fest: Wer in war, hätte ich ewig suchen können. den Mikrokosmos eindrang und in den Ma Wenigstens glaubte ich nun zu wissen, krokosmos zurückkehrte, war unsterblich was der Stein der Weisen überhaupt war. In geworden. meiner Jugend hatte ich aufgrund der mir Doch nur wer den Sprung von der Milch vorliegenden Informationen im Stein der straße nach Gantatryn schaffte, konnte hier Weisen den Umsetzer gesehen, mit dem die durch Benutzung der Verbindung zum Mi Lordrichter nun in den Mikrokosmos der krokosmos die Unsterblichkeit erringen. Varganen vorstoßen wollten. Aber das war Und letztlich auch Zugriff auf das Erbe der wohl nur ein Teil der Wahrheit. Denn darauf Varganen erhalten …
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Ich hätte gern erfahren, was aus Mantro Er verschwand. Das Mädchen sah uns sorgenvoll an. »Ihr nianex und Pertrog geworden war. Doch Kythara schwieg. müsst jetzt selbst auf euch aufpassen, wir können es nicht mehr. Die Kontrolle entglei Vermutlich hatte Magantilliken sie ir tet uns. Die Ängste der Varganen sind zu gendwann erwischt. stark, unsere Welt ist in Aufruhr geraten.« In puncto Größenwahn scheinen die Lor Onidro schlug seinem tierischen Begleiter drichter es durchaus mit den Varganen auf nehmen zu können. Eher sind sie noch auf die Flanke und trat dann hinter das Mäd chen. »Komm, Tavena. Wir müssen uns dar schlimmer. Ich musste dem Logiksektor Recht geben. um kümmern, bevor es zu spät ist.« Vielleicht standen die Garbyor sogar kurz Sie nahmen sich an den Händen und wa davor, dieses Ziel zu erreichen. Wer konnte ren im nächsten Augenblick verschwunden. schon sagen, was geschehen, was sie finden Kythara und ich blieben allein zurück. Ich würden, sobald es ihnen gelang, den Zugang beeindruckte meine Gefährtin mit einem alzum Mikrokosmos durch die Anaksa-Station ten arkonidischen Kolonistenfluch. Wie soll zu öffnen … ten wir uns ohne Ausrüstung und Waffen zu der Zentralstation durchschlagen? Als hätten die Kinder meinen Gedanken * noch empfangen, veränderte sich unsere Als hätten die Kinder-Varganen meine Umgebung. Wir standen wieder in einem Gedanken gelesen, kam plötzlich Unruhe Gang der Station und trugen unsere kom unter ihnen auf. Sie wechselten ein paar hef pletten und unbeschädigten Varganenanzü tige Worte miteinander, deren Sinn mir ver ge. borgen blieb, dann verschwand die Hälfte von ihnen. Tolakin legte dem Mädchen eine * Hand auf die Schulter und sagte leise etwas zu ihm. Onidro schnippte mit dem Fingern, »Wo sind wir?«, rief Kythara. »Wohin ha und neben ihm erschien das hundeähnliche ben sie uns diesmal versetzt?« Reittier, das ich schon einmal gesehen hatte. Ich hatte mich schon an die Arbeit ge Aber jetzt reichte es mir nicht mehr bis an macht und checkte den Anzug. Alle Systeme die Knie, sondern war so groß wie ein Pferd. funktionierten, einschließlich der Schutz »Probleme?« schirme. Danach wertete ich die Ortungser Tolakin nickte. »Das Gleichgewicht gerät gebnisse der Anzuginstrumente aus. Die außer Kontrolle. Damit ist unsere Existenz hilflose Frage der Varganin hatte mir verra gefährdet. Ein paar von uns glauben, die ten, dass sie keineswegs wieder ganz die Al te war. Sonst wäre sie nämlich auf diesen Zeit sei gekommen, um die endgültige Ent scheidung zu treffen. Sie werden die Garby Gedanken gekommen und dahin gehend ak or angreifen und töten.« tiv geworden. Nein, ihre Ängste beeinträch Ich zögerte mit einer Antwort. Eigentlich tigten noch immer ihr sonst so logisches, war das in unserem Sinn. Jedoch … stringentes Denken. »Ihr müsst gegen eure Ängste ankämpfen. »Etwa fünfhundert Kilometer unterhalb Nur so habt ihr die Chance, zu euch selbst des Nordpols, im oberen Abschnitt eines zurückzufinden. Die, die bleiben wollen, zweihundertzweiundsechzig Kilometer und die, die sterben möchten …« durchmessenden kugelförmigen Aggregat »Und sie töten einander.« Tolakin komplexes, der direkt an den Zentrumshohl schwankte kurz. »Sie rauben unsere Kraft. raum grenzt.« Wir sind nur gemeinsam handlungsfähig. »Also in unmittelbarer Nähe der Steuer Ich befürchte das Schlimmste für uns alle.« zentrale. Die Kinder der Varganen haben
48 uns einen letzten Gefallen getan …« Aber hatten sie ihre Angst auch besiegt? Dieselbe Angst, die Kythara verspürte, die sie keineswegs überwunden hatte. Sie zöger te noch, war unsicher. Ich konnte nur hoffen, dass ich die Kinder der Varganen in meinem Sinne beeinflusst hatte. Kinder der Varganen … welch lächer licher Begriff! Erwachsene, unsterbliche und unfruchtbare Varganen, die vor Jahrhundert tausenden mit Anaksa verschmolzen waren und sich nun nicht mehr davon befreien konnten! Kythara ortete nun endlich ebenfalls – und hielt damit inne, als seltsame Geräusche durch die Aushöhlung der Station hallten. »Schnell! Wir müssen zur Zentralstation. Die Garbyor werden sie jeden Augenblick erreichen.« Sie rannte los, und ich folgte ihr. Was hätte ich sonst auch tun können? Ich hatte erfahren, was Angst und Grauen wa ren. Ich hatte auf dem Leichenfeld eines var ganischen Sklavenplaneten gelegen. Wenn auch nur in einer Vision. Und Kythara hielt die Angst noch immer gepackt. Wir hetzten weiter, drangen durch einen Hohlraum tiefer ins Innere der Station vor. Rechts ragte ein dunkelgrüner, glatt verklei deter Aggregatblock mit mehr als fünfzig Metern bis in halbe Höhe der Höhle. Der Sockel mündete links auf den etwa im 45-Grad-Winkel ansteigenden Boden, der hier an mehreren Stellen unregelmäßig ge formte »Fenster« aufwies, grellweiß er leuchtete Milchglasflächen, zum Teil von ei nem grünlichen Riffelmuster überzogen. Aus der vielschichtig gestalteten Decke mit ihren Buckeln, Wölbungen und Auswüchsen ragten scharfkantig lamellenartig aufgereihte Platten. Durchgänge und Öffnungen zu an grenzenden Kavernen waren zum Teil hell beleuchtet, zum Teil versanken sie in Dun kelheit. Schräg hinter dem Aggregatblock hing ein breiter Zylinder an der Decke, auf dessen Mantelfläche kreisrunde Erhebungen zu sehen waren. Unvermittelt geriet diese unheimliche Welt aus den Fugen. Aus den Wänden lösten
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sich Gestalten, die wie unfertige Humanoide aussahen, wie Prototypen der Androiden von Narukku. Ohne Gesichter und mit unvoll ständigen Gliedmaßen stolperten sie vor un sere Füße. Sie ignorierten uns. Wortlos fielen sie übereinander her. Ich sah ein kleines, goldhaariges Mäd chen, wunderschön und unschuldig, das sich in eine nicht mehr gold-, sondern glutäugige Furie verwandelte. Ich machte VarganenAbscheulichkeiten aus, deren verfaulendes Fleisch wieder hart und fest wurde. Sah einen prachtvollen goldhaarigen Varganen und einen dunkelhaarigen. Und dann verlo ren alle ihre Körper. So findet ihr innerer Konflikt seinen äuße ren Ausdruck, sagte der Extrasinn. Vielleicht ist das auch Teil des Spiels, dessen Regeln du aufgelöst hast. Der stumme Kampf mutete völlig surrea listisch an. Die Körper der Varganen, die sich aus den Wänden gelöst hatten, schienen keine feste Kontur zu besitzen. »Das ist sinnlos«, rief ich. »Während ihr euch bekämpft, kommt der wahre Feind im mer näher an sein Ziel. Ihr alle seid in Ge fahr!« Ich wusste nicht, ob sie mich verstan den, aber einen Versuch war es wert. Abrupt endete ihr stummes Ringen. Eini ge von ihnen bildeten ein Gesicht, alle sahen mich an. Münder und Augen entstanden und lösten sich wieder auf. Ich machte mir keine Hoffnung mehr. Diese Varganen hatten sich schon längst aufgegeben, legten nicht einmal mehr auf einen perfekten varganischen Körper Wert. Ihre Erscheinung war wie das Bild einer Fünfjährigen, die stolz ihrer Mutter ihr er stes dahingekritzeltes Männlein präsentierte. »Was meinst du damit?« Plötzlich stand Tavena vor mir, wunderschön anzusehen, goldgelockt, in diesem Moment ein Kind, im nächsten eine Frau. Ihre Worte bildeten sich in meinem Kopf, sie sprach direkt zu mir, und gleichzeitig hörte ich sie. »Es ist euer Kampf«, sagte ich. »Eure Angst. Ich habe die meine besiegt. Kythara
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kämpft noch dagegen an. Ich habe keinen Einfluss darauf, wie ihr euch entscheidet.« Sie drehte sich um und kehrte in die Wand zurück, aus der sie gekommen war. Kythara und ich waren wieder allein. Vor einem Schott, einem fünf Meter ho hen Ungetüm aus bestem Varganenstahl, das wohl keine Funktion unserer Kombistrahler auch nur ankratzen konnte. Kytharas Artge nossen waren schon immer Sicherheitsfana tiker und sehr gründlich gewesen. Auch die Varganen-Kinder waren immer nur bis hierher gelangt. »Wie kommen wir in die Zentrale?«, frag te ich. »Kein Problem«, erwiderte Kythara. »Ich bin durchaus herumgekommen und kenne wahrscheinlich den Zugangskode.« Heronar: Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit Heronar lachte. Sie hatten die Zentralstation fast erreicht. In fünf Minuten waren sie am Ziel der Wün sche der Lordrichter. Er lachte lauter. Wie dumm doch alle waren. Wie unwis send, nichts ahnend. Sie alle, ohne Ausnah me. Sie sahen den Zusammenhang nicht. Heronar. Der Trobyor. Yagul Mahuur. Der Lordrichter. Veschnaron. Eine Gestalt, die ein ZaqoorFormwandler-Mutant jederzeit annehmen konnte. Hilfreich, da ein Vargane hier Türen öffnen konnte. Er lachte noch lauter. Sie wussten nichts. Nichts.
11. Atlan
Der Sonnenfokus
»Zugangskode anerkannt. Berechtigung anerkannt. Ich erwarte deine Anweisungen, Kythara.« Die Stimme war tief und durch dringend und identisch mit der, die ich aus
Tolakins Mund gehört hatte. Ich sah mich um und kam mir auf Anhieb vor wie in einer der vielen varganischen Sta tionen auf den Versunkenen Welten, die ich in meiner Jugend oder in den letzten Wo chen und Monaten betreten hatte. Kein Wunder; bei der Zentralstation handelte es sich ja um eine umgebaute Arsenalstation von 15 Kilometern Durchmesser, die die Varganen aus der Milchstraße hierher ge bracht hatten. »Schott wieder schließen!«, befahl ich, als von Kythara keine Anweisungen kamen. Der Zentralrechner antwortete nicht. »Bestätigt«, sagte Kythara müde. »Mein Begleiter ist ebenfalls befehlsberechtigt.« »Er ist kein Vargane, Kythara.« »Ich bin im Moment auf seine Hilfe ange wiesen.« Wir gingen weiter, der siebeneinhalb Ki lometer entfernten eigentlichen Zentrale der Arsenalstation entgegen. »Statusbericht.« »Steuerzentrale gesichert. Alle versuchten Eingriffe von außen abgewehrt.« Ich nickte zufrieden. Das hieß, dass die Garbyor durchaus versucht hatten, in die Zentrale vorzudringen, sich daran aber die Zähne ausgebissen hatten. Vergiss dein eigentliches Ziel nicht, mahnte der Extrasinn. Werde so kurz vor ei nem möglichen Erfolg nicht leichtsinnig. Noch habt ihr es nicht geschafft. Unsere selbst gewählte Mission … den Zugang zum Mikrokosmos zu verschließen, um die Garbyor am Erreichen ihres Ziels zu hindern und gleichzeitig die Dwingeloo dro hende Katastrophe abzuwenden … Wie würde die Varganenpositronik darauf reagieren? »Zentralrechner, kannst du hier Holo gramme projizieren?« »Natürlich.« »Dann zeige mir das Zentrum Anaksas!« Mich interessierte brennend, was sich in dem 1200 Kilometer durchmessenden Hohl raum im Inneren der Station befand. Ihn um gab eine 800 Kilometer starke Schale, die die Varganen errichtet, ausgebaut und mit
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Aggregaten bestückt hatten und die jegliche Fernortung unmöglich machte. »Meinst du den Sonnenfokus?«, fragte der Stationsrechner. »Ja.« Das hörte sich zumindest sehr inter essant an. Ein Holo bildete sich vor uns und behielt seine relative Position, obwohl wir uns mitt lerweile im Laufschritt bewegten. Ich schau te in schwarzen Dunst, in dunkelviolett ge prägte Dämmerung, die vereinzelt von blitz ähnlichen hyperenergetischen Entladungen und Lichteffekten aufgehellt wurde, die wie fernes Wetterleuchten aussahen. »Das … ist der Dunkelstern«, entfuhr es mir.
* Ich kniff unwillkürlich die Augen zusam men und suchte auf dem Holo nach der Anaksa-Station, die sich im Zentrum der größten Verdickung der aus Schwarzer Sub stanz bestehenden Akkretionsscheibe des Dunkelsterns befand, konnte sie jedoch nicht erkennen. In Wirklichkeit erreichte die Scheibe einen Durchmesser von etwa 140.000 Kilometern – also von Jupitergröße – und umgab die Station mit einem undurch dringlich wirkenden Staubmantel, in dem die unterschiedlichsten hyperphysikalischen Effekte auftraten. »Das ist der Sonnenfokus«, berichtigte der Stationsrechner. »Mit einem Durchmes ser von 432 Kilometern handelt es sich bei ihm allerdings tatsächlich um eine Spiege lung von Thasin'cran, vergleichbar dem Brennpunkt eines Hohlspiegels im Maßstab eins zu einhunderttausend.« Neben mir stöhnte Kythara leise auf. »Das ist … das eigentliche Portal zum Mi krokosmos«, dachte ich laut nach. »Ich brau che weitere Informationen. Setze bei mir den Wissensstand eines normalen Varganen voraus, der jedoch keine spezifischen Kennt nisse über Thasin'cran hat.« »Die Riesenlebensform Anaksa stellt als natürlicher Energiewandler ihre Ernährung
durch gezielte Sonnenzapfung im konventio nellen wie auch hyperphysikalischen Be reich sicher und ist in der Lage, die ange zapfte Energie direkt oder nach einer Zwi schenspeicherung unter Ausnutzung von Verbindungen zum Hyperraum durch transi tionsähnliche Umformungsprozesse in belie bige Masse zu transformieren«, erläuterte der Stationsrechner. Und dabei kommt es dann zu den alle 1,3753 Sekunden stattfindenden hyperener getischen Überschlägen, die wir angemes sen haben, stellte der Extrasinn fest. »Die spezifische Aufladung des Sonnen fokus durch die von den Varganen ent wickelten Aggregate öffnet hier einen in bei de Richtungen passierbaren Zugang zum Mikrokosmos«, fuhr der Rechner fort, »der einerseits direkt benutzbar ist, indem man etwa in den Sonnenfokus einfliegt, anderer seits an vielen Stellen in der Anaksa-Station mit Transmittertoren Nebenzugänge hat, et wa für den Personentransport. Die hyper physikalische Direktverbindung mit ihren vielfältigen Wechselwirkungen und Interak tionen bedingt allerdings auch das Über schlagen der Schwarzen Substanz auf den Dunkelstern und von dort aus zur Akkreti onsscheibe sowie den übrigen befallenen Sonnen …« »Eine Art Blitzableiter«, murmelte ich. »… während umgekehrt von diesen Son nen und der Schwarzen Substanz allgemein wiederum Wirkungen zurückschlagen, die zum Beispiel als Hypertunnel Gestalt anneh men können.« Ich nickte versonnen. Wir hatten solche »Hintertür-Verbindungen« erlebt. Diese In teraktionen schränkten sogar die überlicht schnelle Fortbewegung in Dwingeloo auf enge Korridore ein und wurden bis zu einem gewissen Grad von den Garbyor genutzt. »Wenn wir den Sonnenfokus …« Ich merkte, dass ich wieder laut nachdachte, und verstummte. Bravo! Es ist kaum ratsam, dem Stations rechner unmissverständlich mitzuteilen, dass du den Sonnenfokus desaktivieren oder so
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gar zerstören willst. Du weißt nicht, wie weit »Die richtige Entscheidung, Atlan. Dich Kytharas Befugnisse hier gehen und was die wollen wir lebend haben. Aber auf die var Programmierung des Rechners von solch ei ganische Schlampe Kythara können wir ver ner Aktion hält. zichten. Auch wenn sie mir den Zugangs Ich knirschte mit den Zähnen. Das wäre kode verraten hat.« Der Verräter Ve der einfachste Weg gewesen – dem Rechner schnaron hielt eine nur handgroße Überwa zu befehlen, dem Spuk ein Ende zu bereiten. chungskamera hoch. »Von denen haben wir Aber ich war ja auch schon ohne den Logik schon vor Urzeiten ein paar Dutzend in der sektor darauf gekommen, dass es so leicht Nähe des Zentraleschotts verborgen. Aber wohl nicht werden würde. meine Dankbarkeit geht nicht so weit, dass »Kythara …?« Ich drehte mich zu ihr um. ich deine Begleiterin deshalb verschonen Ihr Blick war noch immer seltsam leer, nach würde.« innen gerichtet. Sie hatte noch mehr mit sich Ich nickte, ließ den Kombistrahler los und selbst zu tun, als dass sie mir eine Hilfe sein stieß ihn von mir fort. Sein Scheppern über würde. Aber trotzdem musste ich es versu den Boden hallte unnatürlich laut in meinen chen. »Wie können wir …« Ohren. Der Energiestrahl verfehlte mich nur »Und jetzt steh auf«, sagte Veschnaron. knapp. Mein Varganenanzug fuhr automa »Aber ganz langsam.« tisch den Schutzschirm hoch. Gleichzeitig Ich gehorchte. »Wie ist das möglich?«, fragte ich. »Wie seid ihr hier hereingekom warf ich mich herum und zu Boden. Eine men? Man muss den Zugangskode kennen, bessere Deckung hatte ich nicht. Warum hatte die verdammte Ortung mich man muss Vargane sein, um …« Ich hielt in nicht gewarnt? Aber auf die war hier in ne. Anaksa ja noch nie Verlass gewesen. Varganen haben ihr eigenes Volk verra Ich rollte mich ab, riss den stabförmigen ten, hallten Tolakins Worte in meinem Energiestrahler im Kombimodus aus dem Geist. Halfter und legte mit der gleichen Bewe »Verstehst du jetzt endlich?« Veschnaron gung an. Und zögerte. Aus dem Augenwin gab den Zaqoor ein Zeichen. Jeweils drei kel sah ich, dass Kythara noch immer auf traten zu mir und Kythara. Sie achteten sorg recht dastand, als ginge sie das alles nichts sam darauf, nicht in die Schussbahn ihrer an. Zwar hatte sich auch ihr Schutzschirm Kollegen zu geraten. aufgebaut, doch der würde dem konzentrier »Du bist der echte Veschnaron«, sagte ten Punktbeschuss der über zwanzig Garby ich. »Ein Vargane. Du hast dein Volk verra or, auf die ich mit meinem Kombistrahler ten und dich in den Dienst der Lordrichter zielte, nicht lange widerstehen. gestellt. Aber du bist auch ein Gestaltwand Ich zerbiss einen Fluch. An der Spitze un ler. Über diese Fähigkeit verfügen Varganen serer Häscher stand, in einen silbrigen normalerweise nicht. Wie …« Kampfpanzer gehüllt, Veschnaron. Ve Veschnaron lachte. »Nur in Schmierenko schnaron, unter Kalarthras Flottenkomman mödien offenbart der Schurke dem gefange deur der Expedition nach Gantatryn. Ve nen Helden beim Showdown seine Geheim nisse. Führt sie ab!« schnaron, der uns bei einem Raumgefecht mit Togronen und Garbyor herausgehauen Zwei Garbyor packten mich an den Ar und zur Versunkenen Welt Galadat geführt men, der dritte trat hinter mich. Ich wusste, hatte, wo wir dann festgestellt hatten, dass er dass er seine Waffe auf meinen Rücken ge einerseits ein falsches Spiel getrieben hatte richtet hielt. Die drei anderen verfuhren bei und andererseits gar kein Vargane, sondern Kythara genauso. ein Scherge der Lordrichter war. »Wartet!« Veschnaron hob die linke Ich drückte noch immer nicht ab. Hand. In der rechten hielt er plötzlich eine
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unscheinbare, vielleicht zehn Zentimeter durchmessende Kugel aus einem Material, das mich an Milchglas erinnerte. Über der Kugel bildete sich eine kleine Holoprojekti on. »Der Abtrünnige nähert sich. Ich kann ihn orten.« Die Garbyor, die nicht mit unserer Bewa chung beauftragt waren, wirbelten herum, doch die Warnung kam zu spät. Schon brach die Hölle los.
* Schneller, als die Garbyor zielen konnten, jagte der Varg-Roboter heran. Er verwandel te sich in eine Feuer spuckende Kugel, deren Energiestrahlen die Schutzschirme und panzer von fünf, sechs, sieben Zaqoor durchschlugen und die grobschlächtigen Humanoiden in lebende Fackeln, Schlackehau fen oder grünbläulich schimmerndes Gas verwandelten, bevor die anderen – immerhin Elitesoldaten! – reagieren konnten und ihrer seits den Roboter unter Punktbeschuss nah men. Nun geschah alles blitzschnell und fast gleichzeitig. Mit einem Ruck befreite ich mich aus dem Griff des Zaqoor. Der Soldat war zwar über einen halben Meter größer als ich und an eine Gravitation von über zwei Gravos angepasst, doch mein Dagor-Hieb traf ein empfindliches Nervenzentrum. Während er zusammenbrach, entriss ich seiner kraftlos gewordenen Hand den Strahler, schoss dem zweiten Humanoiden aus kürzester Distanz ins Gesicht und fast mit der gleichen Bewe gung dem hinter mir in den Hals. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Kythara aus ihrer Starre erwacht war, zwei Zaqoor bereits ge fällt hatte und den dritten mit Schlägen ein deckte. Ihre varganische Konstitution mach te sie zumindest zu einer gleichwertigen Gegnerin, wenn nicht sogar zu einer überle genen. Ich schoss auf alles, was sich bewegte, bückte mich nach dem varganischen Kombi strahler, hob ihn auf und feuerte nun beid-
händig. Ich suchte in dem Chaos nach Ve schnaron, fand ihn und zielte. Auch der varganische Verräter hatte das Feuer eröffnet. Aber nicht auf den VargRoboter, der in diesem Augenblick unter den Salven der Garbyor explodierte und da bei noch zwei unserer Gegner in den Tod riss, sondern auf eine anderthalb Meter große aufrecht gehende Riesenameise, deren dunkelbrauner Chitinpanzer lediglich an Kopf und Gliedmaßen nicht von einem grau metallischen Schutzanzug bedeckt war. Gorgh-12! Offensichtlich hatte Veschnaron im Ge gensatz zu mir nicht daran gedacht, dem Zentralrechner zu befehlen, das Schott wie der zu schließen, sonst wäre der Daorghor wohl kaum hier herein gekommen. Aber … wie hatte er uns überhaupt gefun den? Dann schoss mir durch den Kopf, wie die Truppen der Lordrichter uns während unse rer Flucht kreuz und quer durch Dwingeloo immer wieder hatten ausfindig machen kön nen. Sie hatten keineswegs Kalarthras mit der Schwarzen Substanz im Körper orten können, wie ich es eine Zeit lang befürchtet hatte, sondern Gorgh, wahrscheinlich über sein Todesimpuls-Implantat! Der Daorghor feuerte ebenfalls, doch er schreckend ineffektiv. Keiner seiner Schüsse traf, einer durchbohrte sogar das Holo gramm, das noch immer vor mir im Gang schwebte, und ließ es flackern. Mit einem schier angewiderten Gesicht ausdruck schoss Veschnaron erneut. Dies mal traf er. Der Energiestrahl verdampfte geradezu Gorghs Kopf mit den Antennen fühlern. Die sechs Beine des Daorghor lie fen noch drei, vier Schritte, dann rutschten sie nach außen weg, Thorax-Segment und Hinterleib sackten mit einem knisternd raschelnden Geräusch zu Boden. Unwürdig, dachte ich. Dieser lapidare, beiläufige Tod ist seiner unwürdig. Er hat sein Leben für uns gegeben. »Garbgursha«, rief der Verräter und zeig te auf Kythara. Ein breitschultriger Zaqoor
Endstation Anaksa mit schwarzem, millimeterkurz geschore nem Haar und schmalen, dunkelbraunen Au gen setzte sich in Bewegung, stampfte auf die Varganin zu. »Komm nur«, hörte ich ihre Herausforde rung. »Ich habe keine Angst vor dir. Ich ha be gerade jegliche Angst verloren.« Mit einem wütenden Brüllen warf er sich auf sie, holte mit seiner mächtigen Pranke aus. Ich hörte ihren schmerzerfüllten Schrei, sah aus dem Augenwinkel, wie sie zurück geschleudert wurde und zusammenbrach. Dann nahm mir ein anderer Garbyor die Sicht auf sie. Ich stieß ihn beiseite, lief weiter, feuerte dabei unentwegt, ohne mitzubekommen, ob ich Gegner traf oder nicht. Und stand schließlich vor Veschnaron.
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schützen, und setzte zu einem Dagor-Tritt an. Doch in der Bewegung lag zu viel Wucht. Sie warf mich zehn, zwölf Zentime ter weiter zurück, als ich kalkuliert hatte, und der Tritt streifte ihn nur. Dieser Mistkerl, dachte ich. Er hat mich überrascht. Veschnaron holte zu einem weiteren Schlag aus, zu einem dritten, und der durch brach meine Deckung. Aber ich hatte meine Lektion gelernt, konnte ihm ausweichen und mit derselben Bewegung einen DagorSchlag genau auf seinen Kehlkopf landen. Er riss die Augen auf. Diesmal sah ich Über raschung in ihnen. Und noch einiges mehr. Ich ließ ihm keine Zeit, sich zu erholen. Ein zweiter Hieb traf ihn an der Schläfe, ein dritter an der Halskante. Er sackte zusam men, kroch vor mir zurück – und schlug mit der Hand auf ein rotes Oval auf der Brust * des Schutzpanzers. Gelassen betrachtete mich der Verräter Veschnaron verschwand. Ich sah nur noch und senkte seine Waffe. eine eisglitzernde Nebelwolke, die aus dün »Ich brauche dich leider lebend, Atlan«, nen Fädchen bestand und eine zylindrische sagte er. »Und auch du willst mich nicht tö Form von zwei Metern Durchmesser und ten. Ich kenne zu viele Antworten auf Fra dreieinhalb Metern Höhe bildete, in der sich gen, die dich brennend interessieren.« grob eine Silhouette mit ständig wechselnWährend er sprach, veränderte er sich. den Konturen abzeichnete. Sein Körper wurde in dem Schutzpanzer Ein Eishaarfeld, warnte der Extrasinn gel größer, schlanker, seine Haare wurden weiß lend. und scheitelten sich in der Kopfmitte, sein Ein Eishaarfeld, das, wie ich wusste, die Gesicht nahm andere Züge an und wurde zu nichtstoffliche Erscheinungsform der Lord erst merkwürdig graustichig, dann schwarz. richter darstellte und das sie an beliebigen Kalarthras, erklärte der Extrasinn über Orten bilden konnten. flüssigerweise. Er nimmt Kalarthras' Ausse War Veschnaron also nicht nur ein Verrä hen an, um dich aus der Fassung zu brin ter an seinem Volk, ein Überläufer in den gen! Diensten der Lordrichter – sondern ein An Mit einem wütenden Brüllen sprang er gehöriger dieser geheimnisvollen Instanz, unvermittelt auf mich zu. Mir wurde plötz die Tod und Vernichtung über Dwingeloo lich klar, dass er mir körperlich weit überle brachte, um ihre noch unbekannten Ziele zu gen war. verwirklichen? Ich konnte trotz des Schutzpanzers seinen Im nächsten Augenblick bemerkte ich ei Schweiß riechen. »Es gibt noch eine andere ne bedrückend intensive Ausstrahlung von Lösung.« Macht, eine Ausstrahlung, die mich buch »Nein, die gibt es nicht. Und das weißt du stäblich auf die Knie zwang. Ich konnte verdammter Arkonide genau. Du oder ich!« mich nicht rühren, war wie gelähmt, spürte, Er schlug zu. wie alle Kraft, das Leben, aus meinem Kör Ich riss die Arme hoch, um den Kopf zu per sickerte, während das Etwas unter dem
54 Eishaarfeld sich langsam erhob, auf mich zuglitt, sich bückte … Veschnaron hatte zwar mehrmals betont, mich lebend ergreifen zu wollen, doch wenn ich ihn richtig einschätzte, war sein Zorn und Hass auf mich mittlerweile so groß, dass er jeden guten Vorsatz vergessen und mich mit bloßen Händen erwürgen würde.
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herankommen.« Das Gesicht löste sich auf, wurde wieder zu schwarzen Schneeflocken. Dann schienen die mit Anaksa verschmolzenen Varganen alle Schleusen zu öffnen. Unmengen von Schwarzer Substanz prasselten auf Ve schnaron, durchdrangen das Eishaarfeld. Anaksa erzitterte heftig. Der lähmende Ein fluss fiel von mir ab. Ich robbte zurück, drehte mich um – und sah das Hologramm, * das inmitten des nackten Chaos noch im Aus dem Augenwinkel sah ich plötzlich Gang schwebte und den Sonnenfokus zeigte. eine vertraute Gestalt neben dem Eishaar »Stationsrechner! Was geschieht hier? feld. Kythara! Sie war äußerlich unverletzt, Spiele eine Aufnahme vom Dunkelstern stand jedoch gekrümmt da, als hätte man ihr ein!« jede Rippe im Brustkorb einzeln gebrochen. Das Bild wechselte abrupt, zeigte nun Ihr Gesicht war verzerrt, eine Maske aus Thasin'cran selbst. Der Dunkelstern stieß Schmerz und Hass und … Unmengen von Schwarzer Substanz aus und Angst konnte ich nicht mehr darin erken schien sich gleichzeitig aufzublähen, instabil nen. Nur Konzentration, höchste Konzentra zu werden. tion. Auch hier in der Zentralstation regnete es Schlag doch endlich zu, dachte ich. Wor geradezu Schwarze Substanz. Sie schlug auf auf wartest du? die Garbyor ein, verwandelte sie. Einige Sie sind da, aber sie hören nicht auf mei schrumpften zu Miniaturgestalten, andere nen Appell, vernahm ich ihre Stimme in explodierten. Nur der Lordrichter selbst meinem Kopf. Sie zögern noch, können sich schien durch sein Eishaarfeld geschützt. nicht aus dem Bann lösen … Und dann sah ich in dem Holo, wie Tha Ich wusste, wen sie meinte: Tolakin und sin'cran unvermittelt aufblitzte, seine Hellig die anderen mit Anaksa verschmolzenen keit um das Tausendfache oder gar Zehntau Varganen, die Halluzinierenden, die mit sendfache erhöhte. Ich brauchte nicht die In dem verbundenen Instinktbewusstsein unter terpretation des Extrasinns, um zu wissen, Verwendung von Schwarzer Substanz quasi was geschehen war. eigenständige Universen kreierten, in denen Durch den Einfluss des nun endlich be sich ihre Ängste spiegelten. freiten Gemeinschaftswesens hatte der Dun Über dem Eishaarfeld materialisierten kelstern sich abrupt in eine Supernova ver plötzlich wirbelnde schwarze Schnee wandelt! flocken, verdichteten sich zu einem … ja, zu einem Gesicht, Tolakins Gesicht. Die Lip Atlan: Endstation Anaksa pen bewegten sich, bildeten Wörter. Das war das Ende. Wir waren tot. So et »Du hast uns erreicht. Die Entscheidung was konnte niemand überleben. war in dem Augenblick gefallen, in dem wir In dem Sekundenbruchteil, in dem die Su begannen, gegeneinander zu kämpfen. Da pernova aufblitzte, zogen die Ereignisse der haben wir dem Spiel die Regeln genommen. letzten Wochen an mir vorbei. Da haben wir diejenigen, die noch zögerten, Wann hatte das alles angefangen? Wir gezwungen, sich ihrer Angst zu stellen. Es schrieben jetzt den 23. Juli 1225 NGZ – also ist klar, dass keiner von uns überleben wird. vor gut vier Monaten. Wir setzen jetzt sämtliche Schwarze Sub Ich dachte an das Attentat auf Arkon am stanz aus dem Mikroversum frei, an die wir
Endstation Anaksa 11. Februar 1225 NGZ, an Li da Zoltral, die ich geliebt, aber verloren hatte. Ich dachte an den unerforschten Sternhaufen Omega Centauri mit seinem lemurischen Erbe, dem Sonnentransmitter. Und an Samkar, den Ro boter der Kosmokraten, der letzten Endes mein Leben rettete. Du wirst noch gebraucht, hatte er mir verkündet. Doch Li war umgekommen – nur, damit ich ihr, in Wirklichkeit auch einer Beauf tragten der Kosmokraten, in der ObsidianKluft erneut begegnete. Dort hatte ich nicht nur einen Hauch kosmischer Geschichte er lebt und verhindert, dass die Reste des Ur schwarms Omega Centauri, wenn nicht so gar große Teile der Milchstraße zerstörten, sondern auch Kythara kennen gelernt. Kythara, mit der ich unmittelbar darauf in die Vergessene Positronik eingedrungen war, um Licht in die ominöse Warnung ei nes sterbenden Cappins zu bringen, die von den Lordrichtern handelte. Wir hatten deren Spur aufgenommen – nun ja, eigentlich hat ten wir lediglich versucht, die Psi-Quelle zu zerstören, die sie zu finsteren Zwecken ma nipuliert hatten, und einige der Versunkenen Welten der Varganen bereist. Aber was hatte ich erwartet? Die Lordrichter waren schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrhunderten oder noch länger aktiv. Ich hatte niemals ge glaubt, ihr geheimnisvolles Treiben in weni gen Wochen beenden zu können. Kythara und ich allein gegen eine Macht, über deren Größe und Einfluss ich nicht einmal Vermu tungen anstellen konnte? Lächerlich! Immerhin hatten wir wieder Kontakt mit den Cappins bekommen und waren mit ih nen nach Dwingeloo geflogen, wo die Lord richter ebenfalls aktiv waren und den Dun kelstern manipuliert hatten. Wieder Kythara und ich einerseits und ein Schiff der Cappins andererseits allein in einer unbekannten Ga laxis, in der sich die Lordrichter schon seit langem etabliert hatten. Wir waren gejagt worden, immer wieder, aber alles andere wäre unlogisch gewesen. So gesehen war es ein Wunder, dass es uns jetzt tatsächlich ge lungen war, den Dunkelstern zu zerstören
55 und Dwingeloo damit vor dem Untergang zu retten. Damit hatten wir schon viel erreicht, mehr, als zu erwarten gewesen war. Aber Anaksa war für mich Endstation. Hier war es für mich vorbei. Ich hatte mein Bestes gegeben, andere würden später ent scheiden müssen, ob es gereicht hatte. Und das alles hatte sich in vier Monaten zugetragen? Mir kam es viel länger vor, wie drei oder vier Jahre. Ich nahm Abschied. Du wirst noch gebraucht, glaubte ich Samkars Stimme zu hören. Unsinn! Eine Supernova-Explosion in solch geringer Entfernung konnte niemand überleben. Und wenn doch – wenn ich dem Tod wie schon so oft in letzter Sekunde von der Schippe springen konnte –, ahnte ich zum ersten Mal seit diesen vier Monaten wirklich nicht, wie es mit mir weitergehen würde. Das lag nun in anderen Händen, nicht mehr in meinen.
12. Atlan
Ein neuer Mond
Während ich darauf wartete, endlich tot zu sein, verfolgte ich gebannt auf dem im mer stärker flackernden Holo, wie über der Verbindung zum Mikrokosmos im Kern des Dunkelsterns eine riesige Aufrisszone ent stand, die gewaltige Materiemengen unver mittelt im Mikrokosmos verschwinden ließ. Im Zentrum seiner heißen Fusionszone be raubt, reichte der verbliebene Strahlungs druck nicht aus, um der Eigengravitation zu widerstehen. Materie stürzte in die riesige Hohlblase, heizte sich dabei zu kaum vor stellbaren Temperaturen auf, entartete, form te im nuklearen Brennen durch freigesetzte Neutronen schwere Elemente jenseits des Eisens und kollabierte endgültig. Der Blitz, dessen Helligkeit der von einer Milliarde Sonnen entsprach, zuckte durch die äußeren Schichten des Dunkelsterns, die mit Ge schwindigkeiten von mehr als 10.000 Kilo
56 metern pro Sekunde fortgeschleudert wur den, während der Kern die Kollapsdichte von annähernd zehn hoch sechzehn Kilo gramm pro Kubikmeter erreichte und einen rasch rotierenden Neutronenstern von nur zwanzig Kilometern Durchmesser bildete. Weitere Schwarze Substanz materialisier te, erzeugte noch mehr gewaltige hyperener getische Entladungen. Ich sah, wie die Schiffe der Garbyor im System Notbe schleunigungen vornahmen, doch nur ein geringer Teil von ihnen entkam, die meisten wurden vernichtet. Ein gellender Schrei lenkte mich von dem Holo ab. Der Berg von Schwarzer Substanz wenige Meter entfernt bäumte sich auf, brach auseinander. Ich sah kurz das Eishaar feld. Dann verschwand es von einem Mo ment zum anderen, gemeinsam mit der Schwarzen Substanz, die es wieder einhüll te. Ich fragte mich, wieso ich noch immer nicht tot war, und sah wieder zu dem Holo. Die Wirkung der Supernova-Explosion trieb die Akkretionsscheibe des Dunkelsterns aus einander, die Wolke um die Station selbst wurde zerfetzt. Aber ich lebte noch immer. Das Korallen stockwesen war noch nicht vernichtet wor den. Ungläubig beobachtete ich, wie es wie ein Wellenreiter auf der sich ausdehnenden Glutwalze dahinglitt. Ich fragte mich, wo sich das Gerät befand, das diese Bilder aufnahm, oder ob es sich bei ihnen um Extrapolationen des Stations rechners handelte, verdrängte den Gedanken aber schnell wieder. Die umgebaute Arsenalstation wurde im mer heftiger durchgeschüttelt. Ich wurde einen halben Meter in die Höhe geschleu dert, prallte schwer auf dem Boden auf, kroch zu Kythara, die verkrümmt dort lag, ergriff ihre Hand. Hörte ihr leises Flüstern. »Mir geht es fürchterlich, aber du solltest mal diesen Garbgursha sehen …« Sie lebte! Sie lebte! »Hast du ihn getö tet?«
Uwe Anton »Natürlich«, sagte sie und wurde ohn mächtig. Damit blieb ihr der grausame Schmerz er spart, wie er im nächsten Moment durch meinen Körper zog.
*
Ich kannte ihn, kannte ihn seit über 10.000 Jahren, hatte ihn in letzter Zeit selte ner erlebt, aber in meiner Jugend sehr oft. Der typische Entzerrungsschmerz einer Transition! Was hatte Monaidros gleich noch gesagt? Normalerweise sind diese Lebensformen weitgehend stationär an die Umlaufbahnen von Sonnen oder Gasriesen gebunden. Sie können ihren Standort allerdings durch ge zielte Energieausstöße sowie TransitionsStrukturfelder verändern. Um sein Leben zu retten, war Anaksa transitiert! Ich sah in dem Holo, wie sich, von der Schockwelle heimgesucht, ein Teil des Ko rallenstocks abspaltete, ein riesiger Brocken am Nordpol, einschließlich der Arsenalstati on. Das Bild wechselte zu einer Totalen, zeig te einen Planeten, in dessen Nähe wir wohl rematerialisiert waren. Unser Bruchstück ra ste darauf zu, würde wohl darauf prallen, während der Hauptteil der Station offenbar als neuer Mond in die Umlaufbahn ein schwenkte. Ich sah noch, dass die Welt offensichtlich komplett von Ruinen bedeckt war. Und eini ge Schiffe der Garbyor hatte es ebenfalls hierher verschlagen. Sie bildeten winzige Punkte in einem riesigen Kometenschweif. Dann wurde es dunkel um mich. Es ist vorbei, war mein letzter Gedanke. Seltsamerweise verspürte ich lediglich Er leichterung. ENDE
Endstation Anaksa
57 ENDE
Wächter der Intrawelt von Hubert Haensel Die Abenteuer Atlans rund um den Dunkelstern haben ihr Ende gefunden. Zwar ist die Ge fahr, die von den Lordrichtern ausgeht, noch nicht gebannt, aber wieder einmal konnte Atlan einen kleinen Sieg verbuchen. Wenn es ihm jetzt noch gelingt, sich die passenden Verbünde ten zu schaffen, dürfte selbst die Rettung der Cappins vor dem Schwert der Ordnung nicht mehr unmöglich sein.