KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
KUNO
HEFTE
UTTENDORFER
VOM L E B E N U...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
KUNO
HEFTE
UTTENDORFER
VOM L E B E N U N D T R E I B E N DER G E F I E D E R T E N NACHTRÄUBER
V E R L A G S E B A S T I A N LUX MURNAU •
MÜNCHEN
•
I N N S B R U C K • ÖLTEN
Am Mühlenhang Es war Frühling, als ich vor einigen Jahren in die kleine Kreisstadt verschlagen wurde, die an den Vorbergen des Harzes liegt. Kurz nachdem ich ein wenig heimisch geworden war, tat ich das, was ich immer zu tun pflege, wenn ich mich in einer neuen Gegend befinde; ich besorgte mir einige Meßtischblätter. Bevor man sich eine Landschaft erwandert, was ja immer einige Zeit in Anspruch nimmt, weiß man durch das Studium dieser Karten recht genau, wie es da draußen ausschaut. Ob Nadel-, Laub- oder Mischwald, ob steiler Berg oder sanfter Hang, ob sumpfige Wiese, ob das einzelne Haus eine Försterei oder eine Mühle ist, das alles und noch viel mehr erzählt dem Kundigen das Meßtischblatt. Jedes kleine Bächlein, jeder kleine Tümpel ist darauf verzeichnet. Wenn man nun einmal den merkwürdigen Drang hat, hinter Raubvögeln und vor allem hinter Eulen herzulaufen, kann man sich mit Hilfe der Karten schnell ein Bild davon machen, wo dieser oder jener Raubvogel, diese oder jene Eule vielleicht zu finden sein wird. Natürlich kann man seine Enttäuschungen dabei erleben. So zeigt dir zum Beispiel das Meßtischblatt: an der und der Stelle müßte nach all deinen Erfahrungen ein Sperberhorst zu finden sein. Du läufst die Stellen ab: nichts! Weit und breit kein Sperber zu sehen! Und nun befragst du dich bei Leuten, die es wissen müßten — und dann hörst du: Hier wird jeder Sperber und erst recht jeder Habicht rücksichtslos abgeknallt. Ja, wenn das so ist, dann kann dir dein Meßtischblatt noch so viele schöne und geeignete Stellen für den Sperberhorst nachweisen: Das hilft nichts, du wirst vergebens danach Ausschau halten. Bei den Eulen ist das weniger zu befürchten. Zwar ist der Steinkauz als Totenvogel verschrien, und auch heute noch wird er hier und da von ängstlichen Leuten beseitigt. Und wo eine Kirchen-^ gemeinde darum bemüht ist, daß das Kirchendach, der Kirchturm und der nur selten betretene Kirchenboden von tadelloser Säur berkeit bleiben, dort wird ein Schleiereulenpaar nie seines Lebens froh werden. Aber das sind Ausnahmen. Als ich die Umgebung der Kreisstadt zu durchforschen beginne, reizt mich vor allem der Waldkauz. Mit Sorgfalt studiere ich meine Meßtischblätter, und eine Stelle fällt mir besonders ins Auge: dort müßte ein Waldkauz sitzen . . . Aber erst in den letzten Septembertagen komme ich hin. Da erlebe ich nun, daß die Natur hier noch viel geeigneter für Waldkäuze ist, als ich es mir nach dem Kartenbild vorgestellt habe. 2
Ein mit hohen, alten Fichten und auch mit Fichtenstangenholz bewachsener Hang fällt hier ziemlich steil ab zu einem breiten und tiefen, nur träge dahinfließenden Bach. Der Bachlauf ist durch ein Wehr gestaut, weil kurz vorher der Mühlgraben a b zweigt, der die Turbine der Mühle mit Wasserkraft versorgt. Die Mühle mit ihren Nebengebäuden und der Försterei liegt etwa dreihundert Meter weit entfernt. Oberhalb des Fichtenhanges verläuft ein schmaler, ausgetretener Wildwechsel, der auch von Müller und Förster benutzt wird, wenn sie schnell ins zehn Minuten entfernte Dorf wollen. Von da an steigt der Berg nur noch sanft und allmählich an. Und hier steht hoher, alter Buchenwald mit viel Unterholz: Holunder und Hasel, Himbeere und Brombeere, auch einige Seidelbaststräucher fehlen nicht. Auf der anderen Seite des Baches dehnt sich eine immer feuchte Wiese mit einigen kleinen Tümpeln, die selbst in trockenen Sommern ihr Wasser behalten. Für jeden, der hier einen Waldkauz ausfindig machen will, ist der sicherste Weg die Suche nach Gewöllen, wie sie von Zeit zu Zeit von den Käuzen ausgespien werden. Ich klettere den Fichtenhang kreuz und quer hinauf und hinunter, die Augen auf den Boden geheftet. Die Mühe macht sich bezahlt: Unter den Fichten liegen hier und da grauschwärzliche Klumpen, die unverdaulichen Reste der Beutetiere, die der Kauz hinuntergeschlungen hatte. Der Fachmann nennt sie Gewölle oder Speiballen. Deutet die erste Bezeichnung darauf hin, daß ihre Hauptbestandteile Haare sind, so die zweite, daß diese Klumpen ausgespien werden. Ihr Inhalt besteht aus den meist guterhaltenen Knochen der verschlungenen Opfer, aus Mäusehaaren, Vogelfedern und den Chitinteilen verzehrter Tierkörper. An bestimmten Knochen, die freilich erst einmal sorgfältig aus ihrer Umhüllung gelöst und gesäubert werden müssen, ist fast immer die Art der Beutetiere zu erkennen. Bei meinem Auf und Ab am Steilhang ist langsam die Dämmerung hereingebrochen. So muß ich meine Suche vorläufig abbrechen. Ein ganz ansehnliches Häufchen Gewölle kann in einem Beutel verwahrt in meinen Rucksack wandern. Auf dem Heimweg gehe ich an der Mühle vorbei, wo der Müller vor der Tür des Wohnhauses steht und in den leuchtenden Abendhimmel schaut.' Ich grüße und frage ihn nach den Käuzen. Da wird er lebhaft: „Wissen Sie, die Käuze waren schon hier, als meine Großeltern die Mühle übernahmen, das mag so 60 Jahre her sein. Wie ich als Junge von zehn bis elf Jahren mal einen Jungkauz nach Hause schleppte, hat mir mein Vater erst einmal anständig das Leder verhauen. Hinterher kam dann die Erklärung dazu: Weißt du,, 3
mein Junge, die Käuze, das sind unsere Glücksvögel. Sie sind die ersten, die-mit ihrem Rufen den Frühling ankündigen, wenn alles andere noch still und stumm ist. Und wenn wir die Käuze nicht hätten, könnten wir uns des Ratten- und Spatzengesindels gar nicht erwehren. Na, das hat mir eingeleuchtet. Seitdem habe ich die Käuze oft beobachtet. Und wenn sich einer mal gelegentlich eine Forelle greift, so gönne ich ihm den Leckerhappen. Forellen gibt es genug, aber Ratten und Spatzen erst recht. Und an die hält sich der Kauz mit Vorliebe. Hören Sie, da ruft e r ! " Richtig, da ist gar nicht weit das Rufen des Kauzes zu vernehmen, wenn auch nicht so laut und eindringlich wie im Frühjahr. Der Müller läßt mir von der Magd einen großen Humpen schäumender, kuhwarmer Milch bringen. Wir setzen uns auf die Bank vor dem Haus. Er ist ein mit der Natur und ihren Lebewesen recht vertrauter Mann. Und so gewinne ich ein lebendiges Bild von dem, was hier los ist. Meine Beobachtungen in den nächsten Jahren haben das Gehörte nur bestätigen und hier und da ergänzen können. Der Waldkauz und seine Käuzin Wohl gerade deshalb, weil dies Fleckchen so menscheneinsam ist, herrscht hier immer ein reges Naturleben, selbst im Winter. Da der Bach kaum einmal zufriert, fischt hier Sommer wie Winter der Eisvogel. Die weißbrüstige Bachamsel brütet hinter dem alten Mühlrad und läuft bei ihrer Jagd nach Insekten auch wintertags unter Wasser, um sich hinterher auf dem Felsbrocken mitten im Bach ständig knicksend auszuruhen. In der kalten Jahreszeit tummeln sich immer einige Zwergtaucher oberhalb des Wehrs und freuen sich des offenen Wassers. Im Sommer fallen abends oftmals Enten ein. Gelegentlich jagen hier Habicht und Sperber. Über der Wiese ziehen Bussard und Roter Milan ihre Kreise und spähen nach Maus und Maulwurf. Meise und Specht sind das ganze Jahr über zu hören, genau wie das Gewisper des Goldhähnchens. Die gelbe Gebirgsstelze brütet auf dem Vorsprung unterm Dach der Mühle und dehnt ihre Insektenjagd bis zum Wehr aus. Zu jeder Jahreszeit ist der Eichelhäher unterwegs. Auch das Eichhörnchen ist nicht selten, besonders nicht, wenn die Fichten Zapfen tragen oder im nahen Buchenwald die Bucheckern reifen. Im und am Bach zanken sich ständig Wasserspitzmäuse, Waldund Rötelmaus huschen über den Waldboden, Wald- und Zwerg4
Wenn die Dämmerung hereinfällt, macht sich der Waldkauz zur Jagd bereit
Spitzmaus fehlen nicht, der Zaunkönig baut im Ufergcstrüpp oder in alten Holzhaufen sein Nest und singt selbst im Winter sein, Lied. Hermelin und Mauswiesel finden hier immer einen Happen. ü b e r den Wechsel oberhalb des Hanges zieht Rehwild, und oft schnürt der Fuchs vorbei. Auf den Felsen sonnt sich schon von Ende März au die Zauneidechse, und am Anfang des gleichen Monats, wenn das Eis noch halb auf den Tümpeln stellt, läßt der Grasfrosch seine Stimme ertönen. Und Ende April, Anfang Mai fällt der Wasserfrosch mit in das Konzert ein, das nun erst seine richtige Lautstärke gewinnt. Neben vielen Plötzen beleben Forelle und Hecht, Schleie und Karpfen den Bach. Im Mai und Juni pfeifen im nahen Buchenwald nächtlicherweise die Siebenschläfer, und im Unterholz baut die Haselmaus ihr kugeliges Nest. So ist während des ganzen Jahres für regen Betrieb gesorgt. Aber die heimlichen Herrscher des Geländes sind der Waldkauz und seine getreue Käuzin. Gerade über dem Wehr an der oberen Kante des Steilhanges zwischen Fichten- und Buchenwald steht eine alte, mächtige, teilweise hohle Eiche. Hier entdecke ich die Bruthöhle des Paares. Diese günstige Brutgelegenheit und der selbst bei Fcldmausknappheit stets reich gedeckte Tisch sorgen dafür, daß hier ständig ein Waldkauzpaar sein Wesen treibt. Fallen Kauz und Käuzin einmal dem Habicht zum Opfer — es kommt nicht allzu häufig vor, denn sie sitzen stets in guter Deckung, wenn tagsüber der Habicht jagt —, pflegt es höchstens ein paar Monate zu dauern, und das Revier ist von einem neuen Kauzpaar besetzt: zu günstig trifft hier alles zusammen. Drei Jahre lang beobachte ich nun das gleiche Kauzpaar. Nur ganz vorübergehend verläßt es die Gegend: wenn nämlich die Jungen groß geworden sind und, ständig noch nach Futter bettelnd, die Alten mit sich fortlocken. Das pflegt Ende Juli, Anfang August zu sein. Doch diese Reise geht nicht weit. Spätestens Anfang Oktober finden Kauz und Käuzin sich wieder ein. Ende September, fast genau drei Jahre nach meinem ersten Besuch bei unserem Kauzpaar, bin ich wieder einmal draußen, nachdem ich den ganzen Sommer nicht dort gewesen war. Die Feldmäuse hatten überhand genommen, die Ernährung war deshalb über Sommer höchst einseitig geworden, und das Pärchen hatte mir nicht mehr viel Neues bieten können. Im Frühjahr hatte ich mich jedoch häufig dort aufgehalten, auch ganze Nächte hindurch, hatte sie in der Balzzeit, bei der Brut und der Aufzucht der Jungen beobachtet, hatte manches gesehen und vieles gehört, und die 6
Gewölle hatten meine Beobachtungen in vielen Punkten ergänzt. Selbstverständlich heimse ich auch jetzt an Gewöllen ein, was sich angesammelt hatte. Mögen Gewitterregen auch manches vom Steilhang in den Bach gespült haben, es gibt immer noch genug, was liegengeblieben ist. Kauz und Käuzin sind von ihrer kurzen Sommerreise schon wieder zurück. Als ich alles abgesucht habe, gehe ich zur Mühle. Der Müller winkt bedeutsam herüber, als er mich erblickt; es m u ß etwas Besonderes los sein. Kaum haben wir uns begrüßt, beginnt er schon loszulegen. S:it ein paar Tagen, so berichtet er, treibe sich drüben auf der anderen Seite der Wiese ein ganzer Schwärm Eulen herum, so an die zwanzig Stück. Es seien aber keine Käuze. Sie hätten Federohren. „Aha! Große oder kleine?" frage ich. „Ziemlich große", meint er, „sie wirken fast wie kleine Hörner." Es müssen Waldohreulen sein. Die Größe kann täuschen; denn die Waldohreulen haben lange Flügel, die den Schwanz überragen, sie sind auch erheblich schlanker als der Kauz. Der Kauz wiegt etwa 500 Gramm, die Waldohreule nur 300, selten mehr. „Aber Sie werden sich das doch mal ansehen?"' fragt der Müller. Selbstverständlich will ich das. Nur für heute ist es schon zu spät. Da die Waldohreulen erst ein paar Tage beobachtet worden sind, kann auch mit Gewöllen bei ihnen noch nicht viel zu holen sein. Wenn die Feldmausplage anhielt, würden die Waldohreulen bestimmt nicht ausrücken. „Ich werde in drei oder vier Wochen wiederkommen'", verspreche ich, „dann nehme ich die Schleiereulen vom Kirchturm im Dorf, von denen Sie neulich erzählt haben, gleich mit. Der Pfarrer wird mich schon auf den Turm lassen." So trennen wir uns. Reiche Jagdgründe Doch bevor ich von den Schleiereulen und von den Waldohreulen erzähle, will ich erst einmal mit meinem Waldkauzpaar zu Ende kommen. Zu Hause untersuche ich zunächst die etwa 150 Gewölle, die ich auflesen konnte, und es ist, wie ich es mir gedacht habe: i m mer wieder Feldmäuse, dazu ein paar Frösche, ein paar Spatzen und Grünlinge von der nahen Mühle, einige Wald- und Rötelmäuse, einige wenige Spitzmäuse. Ratten und auch Fische fehlen diesmal ganz. Von Schermaus und Maulwurf sind es nur je zwei
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Stück. Unter den 459 Beutetieren, die ich feststellen kann — natürlich ist das nicht alles, was Kauz, die Käuzin und die drei Jungen verzehrt haben —, gibt es 341 Feldmäuse: 75 Prozent! Nun, bei den Waldohreulen wird es noch viel toller werden. Da kann ich mich auf etwas gefaßt machen. Die Feldmausplage dauert bis tief in den Herbst hinein. Erst Ende November, Anfang Dezember, bei kaltem Regen, Nebel und Schlackschnee und den daraufhin unvermeidlich folgenden Seuchen ist die Plage zu Ende. Kauz und Käuzin können satt und vollgefressen in den Winter gehen. Bis zum Platzen haben sie sich mit Feldmäusen vollgestopft. Manches Gewölle enthält sechs Stück, und das pflegt noch nicht einmal die volle Tagesportion zu sein. Sechs Feldmäuse: Das sind mindestens 100 Gramm Lebendgewicht, der Kauz wiegt selbst nur etwa 500 Gramm. Aber das braucht er: Ein Siebentel bis ein Fünftel seines Gewichts muß er täglich zu sich nehmen, und im Herbst — wenn der Appetit wohl im Hinblick auf den Winter am größten wird — ist's oft noch mehr. Anfang Dezember ist es also mit den Feldmäusen vorbei. Aber auch ohne diese Beute weiß der Kauz sein Leben nicht nur zu fristen, sondern auch mit reichlichem Speisezettel zu genießen, wenn er nur den Fang versteht. Und meine beiden Käuze scheinen wirkliche Meister der Jagd zu sein. Drei Jahre habe ich ihre Gewölle untersucht und dabei festgestellt, was ihnen alles zum Opfer gefallen ist. Der Masse nach überwiegen die Kleinsäuger, von der großen, ausgewachsenen Ratte bis herab zur Zwergmaus, dazu dann eine gewisse Portion Vögel und Lurche, schließlich einige Fische und viele, viele Käfer. Da es also mit den Feldmäusen vorbei ist, besinnen sich unsere Käuze sehr schnell wieder darauf, daß sie eigentlich gar keine Feldjäger sind, sondern Jäger des Waldes, wo sich im Gezweig der Bäume und Sträucher ihre kurzen Flügel kaum als Hindernis erweisen. Feldjäger sind sie nur zur Zeit der Feldmausplage; sie sind es also durch den Menschen geworden, der aus dem Wald eine Kultursteppe gemacht und dadurch erst die Feldmäuse in solchen Massen herangezüchtet hat. Der Kauz bevorzugt alle Beute, die bequem zu fangen ist; was aber wäre bequemer als der Feldmausfang zu einer Zeit, in der alle Felder und Wiesen von diesen Tieren geradezu wimmeln und man nur zuzugreifen braucht I Ganz so einfach und bequem ist es jetzt nicht mehr, aber wirklich schwierig wird es noch lange nicht. Neben dem Wald mit seiner Auswahl an Getier haben sie noch die Mühle und die Försterei mit ihren Ratten und Hausmäusen. Auch Haus- und Feldspatzen, 8
Grünlinge und Finken kommen schon einmal vor den Schnabel. Und dann gibt es auch noch den Bach. Frösche zeigen sich zwar nicht mehr, und Fische kommen nur noch selten einmal an die Oberfläche des Wassers. Aber ein paar appetitliche Plötzen sind doch noch zu erwischen. Auch zwei der Zwergtaucher, die hier überwintern wollten, müssen daran glauben, ebenso der Eisvogel. Es kümmert den Kauz nicht, daß dieser entzückende kleine Fischer in seinem metallisch grün und blau schimmernden Prachtgewand mit der rotbraunen Brust unter Naturschutz steht. Er ist für ihn nur ein Lebewesen wie jedes andere, das sich kröpfen läßt. Ich finde ein paar blaugrüne Schwanz- und Flügelfedern unter den Bäumen und dann im Gewölle noch den langen, spitzen Schnabel und einiges von dem blauen Kleingefieder des Eisvogels. Sagen wir es gleich: Solche Untaten sind selten beim Kauz — es ist der einzige Eisvogel, den ich innerhalb von vier Jahren nachweisen konnte —, und der Kauz macht es hundertmal wieder gut durch das, was sonst in seine nadelspitzen Dolche gerät. Förster und Müller wissen, was sie an dem Kauzpaar haben, denn sie halten Ratten und Mäuse dünn und räumen schwer unter dem Spatzengesindel auf. Am Bach gibt es aber auch noch Wasserspitzmaus und Schermaus, die im Volksmund auch Wasserratte heißt: sie hat indes mit den Ratten nichts zu tun, da sie zu den Wühlmäusen gehört. Schermäuse scheinen ein Lieblingsfraß der Käuzin zu sein: 17 der großen Schädel hole ich aus ihren Gewöllen. Woher ich weiß, daß es gerade die Käuzin ist, die so viele Schermäuse gekröpft hat! 1 Die Käuzin hatte ihren ständigen Sitz bei oder auch in der Höhle der alten Eiche, und die Gewölle, die an deren Fuß liegen, stammen natürlich von ihr. Solange es keine oder nur wenige Feldmäuse gibt, bevorzugt das Weibchen ganz auffallend die großen Beutetiere Ratte und Schermaus, auch der Maulwurf und das Hermelin, dessen Gebißknochen ich aus einem weißen Wollknäuel hervorhole, gehören zur großen, und zwar recht wehrhaften Beute. Die Vorliebe der Käuzin für solche größeren Tiere beruht kaum darauf, daß sie der stärkere Teil des Paares ist; denn auch der Kauz greift Ratte und Schermaus an und kennt keine Furcht. Ich möchte ihre Vorliebe für die großen Bissen eher dem Umstand zuschreiben, daß die Käuzin noch bequemer ist als ihr Gatte: Eine einzige Schermaus genügt fast für 24 Stunden, und das bedeutet einen einmaligen Griff mit den scharfen Krallen. Dann hat man Ruhe. Erwischt man gar eine große Ratte von der Mühle, so reicht das noch einige Zeit weiter. 9
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Tagsüber merkt man kaum, daß hier zwei so gewaltige Jäger die Herrschaft im Revier ausüben. Die Käuzin sitzt meist dicht beim Eingang zu ihrer Bruthöhle, und wer an der alten Eiche vorübergeht, überrascht sie leicht. Viel schwerer noch ist das Männchen zu entdecken. In einer dichten Fichte, möglichst nahe am Stamm, pflegt sein Tagesruheplatz zu sein. Für das menschliche Auge ist es kaum zu erspähen. Ich habe indes schon bei meinem ersten Besuch vor drei Jahren seine Sitzplätze kennengelernt, nicht weil ich nach oben, sondern weil ich auf den Erdboden schaute, wo die Gewölle lagen. Und bald habe ich dann auch die alte Eiche mit der Bruthöhle der Käuzin ausfindig gemacht. Da sah ich sie oft genug, und mein Auge fand auch ihn, mochte er noch so gut in den Fichten versteckt sein. Das suchende Menschlein unter ihnen störte keines von beiden. Man muß ihnen schon sehr dreist kommen, um sie am Tage zum Abfliegen zu bewegen. Käuze wollen tagsüber nicht sichtbar werden, weil sich sofort eine ganze Meute von kleinen hassenden Vögeln um sie versammelt. Gefährlich kann ihnen das kaum werden, es sei denn, ein Habicht würde durch den Lärm herbeigelockt; aber die Ruhe ist auf alle Fälle gestört, und ein Kauz will am Tage seine Ruhe haben, unbedingt und unter allen Umständen. Unsere beiden Käuze kennen bis Ende Dezember keine Ernährungsschwierigkeiten. Doch dann kommt Anfang Januar der dicke Schnee und anschließend klirrende Kälte. Maus und Spitzmaus bleiben jetzt bei der Nahrungssuche unter der Schneedecke, die Maulwürfe stoßen nicht mehr aus der Erde, Frösche gibt es nicht, und Fische machen sich rar. An Junghase und Jungkaninchen ist noch nicht zu denken. Siebenschläfer und Haselmaus halten Winterschlaf. So bleiben zunächst nur die Ratten in Mühle und Försterei und Schermaus und Wasserspitzmaus am nahen Bach. Aber das alles reicht nicht mehr aus. Daher müssen jetzt die Vögel auf der Hut sein. In der Nähe von Mühle und Försterei finden Haus- und Fcldsperling, Grünling und Goldammer, Buch- und Bergfink im Winter genügend Futter, und ganze Schwärme dieser Körnerfresser haben auch ihre gemeinsamen Schlafplätze in die unmittelbare Nähe verlegt. Um an sie heranzukommen, wenden die beiden Käuze den uralten Trick aller vergangenen Kauzgeschlechter an, der natürlich auch ihnen im Blute liegt: Dort, wo sie den Schlafplatz der Körnerfresser vermuten, klatschen sie laut mit den Flügeln. Aus dein Schlaf aufgeschreckt, beginnen Spatz, Grünling oder Goldammer zu piepen. Das genügt, um zu wissen, wo die Beute sitzt. Ein Griff mit den Dolchen, und leblos hängt einer 10
der Vögel in den Fängen. Noch im Flug werden ein paar der größten Federn gerupft, auf dem Sitz in der Fichte noch einige mehr, und dann wird der ganze, nur halb gerupfte Spatz, Kopf und Schnabel vorneweg, hinuntergewürgt. Es macht zwar einige Mühe, aber es gelingt. Und dann folgen einige Stunden ungestörter Verdauungsruhe. Der schlimmste Hunger ist gestillt. Aber für 24 Stunden reicht so ein Spatzengericht nicht, darum noch einmal das Gleiche. Vielleicht gibt es hinterher am Bach noch eine Wasserspitzmaus sozusagen als Nachspeise. Auch im Wald versteht das Kauzpaar seinen Trick mit dem, Flügelklatschen. Vor den Zweigen einer dichten Fichte, wo eng aneinandergedrängt Goldhähnchen in Gesellschaft übernachten, wird er ausprobiert. Richtig, es klappt: Ein dünnes, feines Wispern ist zu hören. Ein Griff der Fänge, und der Kauz hat gleich ein paar der kleinen Dinger geschnappt; eines allein würde sich wirklich nicht lohnen. Ein andermal erwischt er auf die gleiche \\ eise eine Tannen- oder Haubenmeise. Nicht stets gelingt diese List beim ersten Male, dann wird sie eben noch einmal versucht. Aber zum Ziel führt der Klatschtrick fast immer. Wegen des hohen Schnees lohnt sich im Januar ein Waldgang zu den Käuzen nicht. Gewölle sind jetzt nur schwer zu finden, und im tiefen Schnee am Steilhang herumzuklettern, ist allzu mühsam und auch riskant. Jedenfalls übersteht mein Kauzpaar den Januar gut. Nur in den beiden Nächten, in denen der Schneesturm tobt und das Gehör der Käuze behindert, ist die Jagd fast erfolglos geblieben. Aber auch das ist überstanden worden. Verhungern von Waldkäuzen ist selten. Kommen sie wegen des Schnees nicht an die Mäuse, so halten sie sich eben an die Vögel. Der Waldkauz ist dabei besser daran als sein kleinerer Vetter, der Steinkauz, der sich nicht so schnell auf Vogelfang umzustellen vermag. So kommt es, daß bei langandauernder Kälte mit dickem Schnee viele Steinkäuze tot aufgefunden werden, Waldkäuze dagegen selten. In den Zeitungen liest man dann, die Tiere seien erfroren. Das ist in dieser Form falsch. Vögel sind durch ihr Federkleid völlig gegen Kälte geschützt, sie erfrieren nicht, sondern verhungern. Mag sein, daß ihnen im letzten Augenblick, wenn sie schon halb verhungert sind, die Kälte den letzten Rest gibt. Jeder Ausstopfer kennt das, wenn er beim Abziehen der Federbälge den leeren Magen vorfindet. Auch das geringe Gewicht der verendeten Vögel verrät dem" Erfahrenen genug. Wenn Anfang Februar bei milder Witterung der Schnee rasch verschwindet und ich daran denken kann, wieder Gewölle aufzu.11
sammeln, ist das Ergebnis sehr eindeutig: Mäuse und Hatten sind stark zurückgetreten; aber fast jedes Gewölle enthält neben anderen Vogelknochen wenigstens einen Schnabel, oft deren zwei, gelegentlich auch drei. An den Schnäbeln ist einwandfrei zu erkennen, ob es sich um Hausspatz, Buchfink, Goldammer oder Grünling handelt. Drei Schäbel in einem Gewölle geben mir etwas zu denken, das ist ein bißchen reichlich. Aber vielleicht ist es das Ergebnis der Schneesturmnächte, in denen die Jagd auf andere Tiere so gut wie erfolglos geblieben ist. Jetzt ist es also Februar, schnell sackt der Schnee zusammen. Unter den Fichten entstehen bald große braune Flecke. Maus und Wühlmaus sind wieder in den Bereich der Fänge unserer Käuze, gerückt. Das warme Wetter hält an. Die Amsel beginnt zu flöten, die Kohlmeise geigt, die Maulwürfe rühren sich. Und ist es auch noch keine fette Zsit, es läßt sich leben. Seit November haben sich Kauz und Käuzin wenig umeinander! gekümmert, während sie an den milden Abenden im Oktober noch öfter einander gerufen haben. Der Kauz gab sein Huhuhu von sich und sie ihr Kuwitt, Kuwitt. Dann aber waren sie verstummt. Nahrungssorgen hatten jeden voll und ganz in Anspruch genommen.1 Doch jetzt an den milden Februarabenden erwachen in Kauz und Käuzin wieder wärmere Gefühle füreinander. Immer lauter wird ihr Rufen, und zu dem Huhuhu und dem Kuwitt tritt eine ganze Fülle von neuen Lauten: ein Kreischen und Juchzen und Heulen und dazu ein Klappern mit den Flügeln, daß es wie Peitschen* knallen durch den Wald erschallt. Wer mit dem Liebesgesang der Käuze nicht vertraut ist, der kann schon recht erschrecken, wenn er in der Abenddämmerung auf düsterem Waldweg von dem plötzlich anhebenden Lärm in seiner unmittelbaren Nähe überrascht wird. Doch zwischen all dem Kreischen und Lärmen gibt es auch noch ein recht melodisches dumpfes Trillern, eine Musik, die sieb vielleicht annähernd auf einer Okarina wiedergeben läßt. Wieder hat für unser Kauzpaar die hohe Zeit, die Zeit der Liebe, begonnen. Die Nahrungssuche wird jetzt manchmal geradezu Nebensache. Von Mitte Februar bis zur Ablage des ersten Eies etwa um die Mitte März nimmt die Menge der Gewölle ab, was wirklich nichts mit Nahrungsmangel zu tun haben kann: denn die Jagd könnte jetzt vollauf im ^Gange sein. Schon Anfang März haben sich in den eisfrei gewordenen Tümpeln die Grasfrösche gerührt, die Fische stehen häufiger an der Oberfläche des Wassers. Auch Mäuse und Spitzmäuse sind jetzt noch leichter zu greifen als sonst. Die ersten Mistkäfer kommen hervor. 12
Das junge Kauzenvolk Ab Mitte März sitzt die Käuzin in der Bruthöhle der alten Eiche auf drei weißen, fast kugeligen Eiern. Für den Kauz beginnt nun eine Zeit harter Arbeit: Nicht nur für sich, sondern auch für die Käuzin gilt es, Nahrung zu beschaffen; denn die Käuzin durchlebt während der Brut und der ersten Aufzuchtzeit den Federwechsel und ist für mindestens fünf Wochen nicht voll flugfähig. Auch in der Nacht heißt es jetzt für das Männchen einige Male, hinaus. Ratten und Schermaus haben in dieser Zeit nichts zu la.chen, und auch das Junghäschen und Jungkaninchen, das erstmals aus dem Bau schlüpft, bekommt die Dolche zu spüren. Gut auch, daß die Grasfrösche so zahlreich sind und sich so bequem fangen lassen. Zwar macht bei solcher Nahrung die Gewöllbildung einige Mühen, denn die sperrigen Froschknochenbündel wollen ohne Haare und Federn nur schlecht rutschen. Aber der Kauz weiß sich zu helfen. Er rupft sich aus dem eigenen Gefieder eine oder mehrere Federn und verschlingt sie, damit sie im Magen die FVoschknochen umhüllen. Gewiß, ich habe Froschknochenbündel auch ohne dieses Beiwerk gefunden, aber häufiger waren sie von Kauzfedern umhüllt. Auch verschluckte Grashalme schienen den gleichen Zweck zu erfüllen. Wenn die Sonne verschwunden ist, fliegt der Kauzenvater schon auf Jagd. Ist dann ohne sonderliche Mühe der Frosch ergriffen, so läßt der Kauz sein Huhuhu ertönen, und mit lautem Kuwittj-> Kuwitt erhebt sich die Käuzin von den Eiern und fliegt ihm entgegen. Gern gibt der Heimkehrende die fette Beute nicht aus den Fängen. Er blockt auf dem Ast einer Fichte auf, mehrmals m u ß sie ihn kreischend und rufend umfliegen, bis er den Frosch fahren läßt und ihr den Bissen gönnt. Zwanzig Minuten später ist sie schon mit ihrer Mahlzeit fertig und sitzt wieder auf den Eiern. Schnell besorgt auch das Männchen sich eine Mahlzeit. Der fette, dicke Grasfrosch erfordert keine lange Suche. Dann legt der Alte eine Verdaupause ein und würgt das Gewöll heraus. Und schon beginnt erneut die Jagd für die Käuzin. Wieder kommt sie mit Kuwitt-Kuwitt angeflogen, und abermals verrät er seine Mißgunst, als sie den Happen begehrt, der doch für sie bestimmt ist. Schließlich noch einmal das gleiche Spiel im Morgengrauen. Fast vier Wochen hockt die Käuzin auf den Eiern, und dann sind eines Tages die drei kleinen, unbeholfenen, fast reinweißen Federbällchen da. Für den Kauz gibt es nun vermehrte Arbeit: denn nach dem Schlüpfen sitzt die Käuzin zehn Tage lang ganz 13
fest auf ihren Jungen. Ein Glück, daß die Nahrungsbeschaffung von Tag zu Tag leichter geworden ist. Zum Grasfrosch ist der Wasserfrosch getreten, Mistkäfer, Laufkäfer und erste Maikäfer bieten sich an. Regenwürmer kriechen aus dem feuchten Erdboden und sind nicht zu verachten. Die Zerkleinerung der großen Happen und die Fütterung der Jungen mit den kleinen Bissen ist zunächst Sache der Käuzin. Nur sie besitzt den dafür erforderlichen „Verstand'', indem sie bei der Fütterung die Speisebröckchen an die äußeren Schnabelwinkel der Jungen bringt, damit die dort stehenden Borstenfedern dem Käuzchen, das an der Reihe ist, verraten, daß es etwas zu kröpfen gibt. Nach zehn Tagen verläßt die Käuzin ihre Kleinen und blockt auf einem Eichenast in der Nähe der Höhle auf. Jetzt ist nicht mit ihr zu spaßen. Als ich einmal nach ihren Begriffen zu lange in der Nähe der Höhle weile, fliegt sie mir plötzlich von hinten auf den Kopf, greift durch den Filzhut hindurch, und einer ihrer Dolche fährt mir über die Kopfhaut und macht einen langen, blutenden Riß. Der Hut liegt auf der Erde. Vier bis fünf Wochen nach dem Schlupf sind die Jungen zwar noch nicht flügge, aber sie klettern eines nach dem anderen immerhin schon in der Bruthöhle hoch und kriechen alle drei noch etwas tolpatschig und mit unbeholfenem Flügelschlagen auf einen der dicken Eichenäste. Da hocken sie dicht nebeneinander und lassen sich von der Sonne wärmen, und sie beginnen zu ahnen, wozu die großen Augen da sind. Von diesem Zeitpunkt an beteiligt sich auch die Käuzin voll an der Jagd und hilft bei der Fütterung. Das größte der Jungen würgt schon die ganze Rötelmaus allein hinunter, die beiden anderen tun es ihm bald nach. Noch bevor es dunkel wird, geht das Betteln und Gieren der Jungkäuze schon los. Ein dauerndes Kwi-Kwi hält Kauz und Käuzin auf Trab. Da der Nachtfang nicht mehr ausreicht, beginnen die Alten auch bei Tageslicht auf Jagd zu fliegen und vergessen ganz ihre übliche Scheu vor dem Licht. Die Maikäferplage kommt gerade recht: fn Massen fallen sie den Käuzen zum Opfer — ich zähle über zweihundert Maikäferköpfe in dem Gewölle, und das ist bestimmt nicht alles. Ebenso wenig entgehen jetzt der große Gelbrandkäfer aus dem Bach und der Totengräber den Beutegierigen. Auch auf die Maulwurfsgrille haben sie es nun abgesehen. Der Kuckuck ist zu früh aufgewacht und läßt seinen Ruf schon erschallen; das bringt ihm den Tod. Der Fledermaus hilft ihr Radarapparat nichts, der Kauz ist schneller. Die halbflüggen Jungen aus dem Aniseinest schmecken genau so gut wie die Brut der SingH
drossel. Und weil Siebenschläfer und Haselmaus inzwischen aus ihrem langen Winterschlaf erwacht sind, werden sie ohne weiteres in die Speisenfolge mit einbezogen. Bei solch üppiger Nahrung gedeihen die Jungkäuze zu immer größerer Fülle, und eines Tages ist es dann so weit. Der Nachwuchs ist flügge, aber er ist damit noch immer nicht selbständig. Eines Tages fliegen die Jungen zwar von ihrem Eichenast ab, dem sie bis jetzt treugeblieben sind, und verschwinden im Wald; aber die Bettelei geht weiter, und die Alten folgen den Jungen, bis sie dann endlich, endlich doch mit der eigenen Jagd beginnen. Ein paar Tage noch bleiben die fünf Käuze in lockerem Familienverband zusammen, dann erfolgt die endgültige Trennung. Für kurze Zeit wird unser Waldkauzrevier verlassen liegen, bis Ende September — zum fünften Male, seitdem ich sie beobachte — das gleiche Paar sein Leben am gleichen Platz wieder aufnehmen wird — es sei denn, einer der alten Käuze oder gar beide würden doch noch eine B;ute des Habichts. Die vielen Gewölle unter dem Eichenast, wo die Jungen sich aufgehalten hatten, und die spärlicheren unter den Fichten, wo der Kauz während der Aufzuchtzeit seine Tagesruhe zu halten pflegte, verraten indessen, was sich hier im Revier vollzogen h a t : Bunt und mannigfaltig war die Ernährung, die vor allem aus Feldmaus, Wald- und Hausmaus, Rötelmaus und Schermaus bestand: dazu einer recht großen Anzahl von Ratten, einigen Feld- und Wasserspitzmäusen sowie ein paar Maulwürfen. Auch ein Sperbermännchen aus den benachbarten Fichtenstangen, eine Waldohreule und zwei Eichelhäher waren den Alten zum Opfer gefallen. Zählen wir die vielen Haus- und Feldspatzen und Grünlinge dazu, so errechnet sich, will man einmal kaufmännisch denken, ein ganz hübscher Nutzen für den Menschen. Die gelegentlichen Fehlgriffe werden dadurch verzeihlich. Aber selbst, wenn es anders wäre: wer wollte den Waldkauz missen! Als erster kündet er uns mit seinen Liebesrufen den Frühling, wenn alles andere draußen noch stumm bleibt. Durch die, Mannigfaltigkeit seiner Beute, die wir aus seinen Gewöllen feststellen und bis ins einzelne bestimmen können, gewährt er uns einen tiefen Einblick fast in die gesamte Tierwelt seines Jagdreviers und damit unserer engeren Heimat. Nein, er gehört zu uns, unser Waldkauz, unser vielseitigster und gewiß auch interessantester Räuber 1
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Bei den Schleiereulen im alten Kirchturm Im letzten Jahre ist es Anfang November geworden, als ich wieder ins Revier komme, wenige Wochen, nachdem mir der Müller von dem Waldohreulenschwarm und den Schleiereulen auf dem Kirchturm des Dorfes erzählt hat. Ich suche zuerst den Pfarrer auf. Gern gibt er mir die Erlaubnis, auf den Turm und auch auf den Gewölbeboden der Kirche hinaufzusteigen. Die Eulen, so weiß er zu berichten, hätten in diesem Jahr eine zweite Brut gemacht, und es seien mehr Junge da als bei der ersten: gewiß rühre das von den vielen Mäusen. Jedesmal, wenn Mäuseplage herrsche, komme es zur zweiten Brut. Dann erzählt der Pfarrer, wie sein Vorgänger die Eulen habe beseitigen wollen, weil sie Kirchendach und Kirchturm beschmutzten: eine Zierde seien die weißen Kalkflecke ja gerade nicht. Aber die Bauern hätten heftig Einspruch erhoben: „Lassen Sie uns die Eulen in der Kirche", hätten -sie seinem Vorgänger gesagt, „die halten uns die Ratten im Dorfe vom Halse und räumen unter dem Mäusevolk auf! Und wenn die weißen Flecken auf dem Dach und auf dem Turm der Kirche Sie ärgern, Herr Pfarrer, so setzen wir Ihnen halt einen höheren Betrag für die Kirchenreinigung in den Voranschlag der Kirchenrechnung ein. Dann kann öfter mal gereinigt werden, das macht sich schon bezahlt! Aber die Eulen bleiben!" „Und sie sind geblieben", sagt der Pfarrherr, und man merkt ihm an, daß er sich darüber freut. „Als ich vor zehn Jahren hierher versetzt wurde, machte der Kirchenvorstand — es sind fast alles Bauern — gleich zur Bedingung: „Lassen Sie uns ja die Eulen in Ruhe!" Ich hab's ihnen zugesagt, und ich habe es bis heute bestimmt nicht bereut. Als ich vor kurzem die zehn Jungeulen sah in ihrem rötlichen Federgewand, das wie mit Perlen übersät ist, und die drolligen Gesichter, die sie schneiden, war ich d3=h froh, daß ich auf die Bauern gehört habe. Ich glaube, die Schleiereulen zählen mit zu unseren schönsten Vogelarten, bloß ihr Kreischen im Frühling ist gerade nicht sehr lieblich, und das fast menschliche Schnarchen der Jungen kann einen schon manchmal stören, übrigens, ich komme mit Ihnen auf den Turm und den Kirchboden, wenn es Ihnen recht ist." Der Pfarrer langt sich den gewaltigen Kirchenschlüssel, und wir steigen zusammen die steile Treppe zum Turm hinauf bis dicht unter den Glockenstuhl. Schon sehe ich, was ich suche: In recht erheblichen Mengen liegen die schwärzlichen Ballen unter dem uralten Gebälk, und oben auf den Balken sitzen fünf SchleierIC
Schleiereule vor ihrem Gelege unter dem alten Dachbalken
eulcn — drei fast ausgewachsene Junge und die beiden Alten. Sie flüchten nicht, als sie uns erblicken, machen sich nur etwas schlank. Die anderen Jungen turnen auf den Balken des Bodens und auf den nahen Bäumen des Friedhofes herum. Ich beginne mit dem Auflesen der Gewölle, und der Pfarrer hilft. „Sie stammen alle aus diesem Sommer, im Frühjahr war zum letzten Male Großreinemachen", sagt der Pfarrherr. nun den Boden vor, der uns gleichfalls noch eine erhebliche Menge Gewölle liefert. Der halbe Rucksack wird voll. Die Gewölle der Schleiereule unterscheiden sich von denen anderer Eulen durch einen schleimigen Überzug, der an der Luft erhärtet. Die Knochen darin sind besser erhalten als im Gewölle des Waldkauzefi, und viele Schädel, die man herausholt, wirken wie sorgfältig präparierte Skelettknochen. Dazu kommt, daß die Schleiereule die Beutetiere fast immer ganz hinunterwürgt, ohne sie vorher zu zerkleinern. So sind manche Schädel im ganzen erhalten, Ober- und Unterkiefer sind nicht voneinander getrennt und die Schädelknochen vollständig. Eine größere Ratte bekommt allerdings auch die Schleiereule nicht im ganzen herunter. Wir steigen die Stufen hinab und stäuben uns ab. Ich lasse mir noch erzählen, was der Pfarrer in den zehn Jahren seinesi Hierseins beobachtet hat. Das Weibchen brütet allein und wartet nicht erst die Vollzahl des Geleges ab, um erst dann mit der Brut zu beginnen, es brütet vielmehr vom ersten Ei ab. So haben die Jungen je nach der Zeit ihres Ausschlüpfens verschiedene Größen. Während der Brut besorgt das Männchen das Futter, bringt die Beute bis an den Brutplatz und legt sie — manchmal sind es gleichzeitig zehn Mäuse — vor der brütenden Schleiereule ab. Was ich hier erfahre, stimmt mit dem überein, was ich selbst bei Sehlciereulenbriiten festgestellt habe. Dieses Vorräteeintragen ist allen unseren Eulen gemeinsam, wenn auch in verschiedenem Maße. Ich verabschiede mich mit der Zusage, daß der Pfarrer und seine Bauern einen Bericht über das Ergebnis meiner Untersuchungen erhalten werden. Im Revier der Waldohreulen Mich drängt es, noch an diesem Tage zu den Waldohreulen zu kommen. Sehr rasch finde ich die Stelle in dem alten Fichtenbeetand, wo sie sich aufhalten. Ich zähle siebzehn Eulen, die sich; auf zwölf Fichten verteilen. Sie sitzen ziemlich offen — der Kauz 18
Die Waldohreule kenntlich an ihren aus sechs Federn bestehenden. aufrechten, dunklen Ohrbfischein
hätte es anders gemacht. Meine Gegenwart stört sie nicht. Sie hausen hier jetzt schon mindestens sechs Wochen, und so gibt eis bereits eine Menge Gewölle. Wenn man einen Gewöllfund macht, ist das erste, daß man den „Hersteller" feststellt. Fast immer liegen mindestens eine, häufig mehrere Federn herum, an denen man meist schon erkennen kann, wer hier Gewölle ausgespien hat; den Gewöllballen selbst ist nicht ohne weiteres anzusehen, von welcher Eule sie stammen. Gewölle der Schleiereule, die lange der Witterung ausgesetzt gewesen sind und dabei ihren glasigen Schleimüberzug verloren haben, sind kaum von solchen des Kauzes zu unterscheiden. Nun, hier sitzen die Waldohreulen über mir, und der Fall liegt ganz klar. Wenn man die Waldohreulen da oben in den Fichten siehjt — mit dem guten Fernglas bringe ich sie sehr nahe vor das Auge —, wird einem der Unterschied zum Waldkauz sehr deutlich. Waldohreulen sind ausgesprochene Feldjäger mit sehr langen Flügeln, die beim Sitzen den Schwanz überragen. Der Name deutet lediglich auf den Brutplatz, der im Wald, häufig auch in kleinen Feldgehölzen, liegt. Hier brütet diese Eule auf alten Raubvogelhorsten oder auch in Krähennestern. Sie baut nicht selbst und trägt auch kein Nistmaterial ein. Die einzige unserer Eulen, die das tut, ist die Sumpfohreule, die auf dem Boden brütet und sich dort ein primitives Nest einrichtet, indem sie Gras und Laub zusammenträgt. Die zutreffendere Bezeichnung für die Waldohreule wäre Feldeule, denn das Feld ist ihr bevorzugtes Revier, das sie mit ihrem gewandten Flug weithin überstreift und über dem sie oft rüttelnd wie der Turmfalke nach Feldmäusen Ausschau hält. Selbst Gebüsch meidet sie bei ihrer Jagd. Wenn die Feldmäuse knapp werden oder wenn sie der Schnee verbirgt, vermögen auch die Waldohreulen sich auf Vogeljagd umzustellen. Und zwar werden dann besonders solche Vögel erbeutet, die gesellschaftlich übernachten: Hausspatzen, Grünlinge, Feldspatzen, Amseln, Buchfinken. Neunzig Prozent der über 4000 Beutevögel, die der Waldohreule durch die Arbeitsgemeinschaft Otto Uttendörfers nachgewiesen werden konnten, gehörten diesen fünf Arten an, darunter waren 2742 Hausspatzen = 64 Prozent. Die Waldohreule fing die Vögel wohl in ähnlicher Weise wie der Kauz; sie erschreckte sie durch Flügelklatschen. Einwandfrei beobachten konnte ich das bisher noch nicht. Die Beobachtung nächtlicher Tiere hat eben ihre Schwierigkeiten. Es gehört sehr viel Zeit und Ausdauer dazu, um zu einwandfreien Ergebnissen zu gelangen. Als ich das Auflesen der Gewölle unter meinen 17 Waldohr20
eulen beendet habe, geht es quer über die Wiese zum Wehr. Dort kann man einigermaßen trockenen Fußes den Bach überqueren, sonst hätte es zur Mühle einen erheblichen Umweg gekostet. Der Müller staunt über den prallgefüllten Rucksack. „Das wird allerhand Arbeit für Sie geben", sagt er. „Leider sehr eintönige", erwidere ich. „Es werden wohl nur Feldmäuse sein. Ist die Mäuseinvasion denn immer noch nicht vorüber?" — »Da muß es enst Nebel und Schlackschnee geben", meint der Müller, „das vertragen die Mäuse nicht. Da gibt es Krankheiten, und dann geht es mit ihnen schnell zu Ende. Kälte und trockener Schnee tun ihnen fast gar nichts, bloß vermehren sie sich dann nicht mehr so im-, mäßig wie im Frühjahr und Sommer bis in den Herbst hinein. Warten wir a b ! " Eine lehrreiche Statistik Das öffnen der Gewölle und ihre sorgfältige Untersuchung ergeben, daß die 17 Waldohreulen in zweieinhalb Monaten 1528 Wirbeltiere verzehrt hatten; das Schleiereulenpaar hatte es mit insgesamt seinen Jungen vom Frühjahr bis Anfang November auf 2162 gebracht. Es lohnt sich, einmal die beiden Listen nebeneinanderzustellen und die des Waldkauzpaares zum Vergleich mit heranzuziehen. Beutetier Fledermaus Maulwurf Spitzmaus Haselmaus Wanderratte Hausmaus Waldmaus Schermaus Rötelmaus Feldmaus Erdmaus Fragliche Wühlmäuse Kaninchen Vögel Lurche Fische
Waldohreule
Sdi eieieule 3 1 3 238== 10,5o/o 3 1 — 34 — 115 — 24 34 5 14 3 33 1627= 1407=92o/o 59 87 15 — 1 — 10 12 11 —
—
1528 21
2212
^ aldltauz 1 3 9 = 2 o/o 1 3 7 16 9 17 341=75o/o 15
— —
13 14 2 451
Aus dieser Liste läßt sich einiges ablesen. Bei einer Feldmausplage wird die Waldohreule als Feldjäger zum fast einseitigen Vertilger der Feldmaus mit 92 Prozent der verzehrten Beute. Schleiereule und Waldkauz halten sich zwar ebenfalls s;hr stark an die Feldmäuse, mit 74 und 75 Prozent erreichen sie aber doch bei weitem nicht die Zahl der Verwandten. Größere Beutetiere werden von der Waldohreule (Tabellenreihe 1) offensichtlich nur recht selten angegriffen. In unserer Liste- sind sie nur mit einem Maulwurf, fünf Schermäusen und einem Kaninchen vertreten. Es ist das nicht nur in Feldmausjahren so, sondern ganz allgemein füir die Eule charakteristisch. Spitzmäuse werden von der Waldohreule augenscheinlich fast ganz abgelehnt. Vielleicht kann das Fehlen von Lurchen und Insekten jahreszeitlich bedingt sein, aber das ist keineswegs immer der Fall. Frösche treten bei der Waldohreule nur ganz vereinzelt als Beute auf. Die etwas größere Schleiereule (Tabellenreihe 2) wagt sich schon häufiger an große Beute. Maulwürfe, Schermäuse, selbst Ratten bereiten ihr keine besonderen Schwierigkeiten. Was aber bei ihr besonders auffällt, ist die.große Zahl an Spitzmäusen. Der scharfe Moschusgeruch der Spitzmaus stört sie offenbar gar nicht, wie es bei der Katze der Fall ist, dis zwar die Spitzmäuse tötet, sie aber nicht frißt. Lurche wie Insekten liebt die Schleiereule nicht sonderlich, wenn beide auch nicht so stark abgelehnt werden wie von der Waldohreule. Daß die Schleiereule sich fast immer in Gebäuden, wie Kirchtürmen, Kirchenböden, Scheunen und Ruinen, aufhält und hier gern auf die Jagd geht, beweisen die vielen von ihr geschlagenen Ratten und Hausmäuse, ebenso Fledermäuse, die gelegentlich in kleinen Sjrien bei ihr auftreten, und schließlich auch noch die Auswahl der Vögel, die sie trifft. Es sind größtenteils Hausbewohner: Hausspatzen, Sehwalben, Segler, Hausrots'chwänze. Daß sie so viele Spitzmäuse fängt, dafür gibt es vielleicht eine Erklärung: Die Schleiereule ist die nächtlichste unserer Eulen, aber auch ihr Auge sieht in dunkler Nacht nicht mehr genug. Sie verläßt sich dann stärker auf ihr Gehör. Weil aber Spitzmäuse fast ohne Unterlaß zu piepsen pflegen, fallen sie besonders zahlreich dieser nächtlichen Jägerin zum Opfer. Der Totenvogel Jetzt aber zum Steinkauz als der letzten unserer vier häufigen Eulenarten! Ich brauchte ihn nicht aufzusuchen, er kam zu mir. Manch einer hätte sich gegrault, sechs Wochen lang jeden Tag oo
vom „Totenvogel" besucht zu werden. Er hat mich nicht geholt, und ich lebe heute noch. Dicht bei dem Haus, in dem ich zwischen Gärten wohne, steht eine alte Scheune, die mir ihre mit Dachziegeln ausgekleidete Nordwand halb zukehrt. An einigen Stellen sind die Ziegel herausgefallen, und die dadurch entstandenen Löcher bilden regelrechte Höhlen. Eines Morgens höre ich. eine Amsel entsetzlich zetern, ich trete ans Fenster; richtig, da sitzt in einer dieser Höhlen der Scheunenwand ein Steinkauz. Unentwegt keift die Amsel ihn an. Dem Käuzchen wird es schließlich zu dumm, und es zieht sich tiefer in seine Höhle zurück. Lar^gisam beruhigt sich die Amsel. Es dauert aber nicht lange, und der1 Kauz sitzt wieder vorn in der Öffnung. Mit dem Glas läßt er sich wundervoll beobachten. Viel zu sehen ist dabei freilich nicht. Fast unbeweglich hockt er stundenlang, es ist anscheinend seine Ruhezeit. Nur gelegentlich fährt er einmal mit einem seiner krallenbewehrten Füße über den Kopf, von hinten herum, wie das alle Eulen zu tun pflegen. Sechs Wochen lang erscheint er jeden Tag, oft sitzt er in dem alten, hohen Birnbaum, zehn Meter von der Scheune entfernt; möglichst dicht drückt er sich an den Stamm oder einen der dicken Äste. Manchmal setzt er sich auch ganz frei hin, offensichtlich, um sich von. der Sonne bescheinen zu lassen. Dann plustert er sich auf, daß der sonst so schlanke kleine Kerl förmlich rund erscheint, und krault sich sein Gefieder. Aber ein solches Vergnügen pflegt nie lange zu dauern. Dann hat ihn wieder eine Amsel spitz gekriegt un'd schimpft auf ihn ein. Bald sind zwei weitere zeternde Amseln da, und ihr Lärmen lockt eine Anzahl Spatzen und Meisen herbei. Wenn es dem Steinkauz zu bunt wird, verzieht er sich vom Birnbaum in seine Höhle in der Scheunenwand. Das ist sechs Wochen lang das tägliche Spiel; anscheinend wird es weder dem Käuzchcn noch den Amseln langweilig. Sorgfältig sammle ich unter dem Birnbaum und unter der Scheunenwand in dieser Zeit seine Gewölle, es werden in den 42 Tagen 31 Stück. Sie sind viel kleiner als die der bisher geschilderten Eulenarten und enthalten eigentlich nie mehr als die Reste eines Beutetieres. Das ist verständlich, denn unser Steinkauz wiegt nur 175 Gramm. Ich hole 24 Feldmäuse, 2 Erdmäuse, 1 Rötelmaus, 3 Hausspatzen und 1 Buchfinken heraus. Das ist die für unsern Kauz typische Winterernähru'ng. Liegt dicker Schnee und kann er deswegen nicht an die Mäuse, dann wird es schwierig für ihn, denn die Vogeljagd kann ihm allein keinen vollen Ersatz bieten. 23
Ganz anders sieht die Ernährung in der Zeit vom Frühjahr bis in den Herbst aus. Jetzt besteht mindestens die Hälfte seiner Beute aus Insekten. Gerade diese Ernährungsweise aber hat dem Steinkauz den häßlichen Ruf als Totenvogel eingebracht. Liegt nämlich irgendwo ein Schwerkranker, dann pflegt im Krankenzimmer die ganze Nacht hindurch Licht zu brennen. Viele Nachtinsekten fliegen bekanntlich nach dem Licht und sammeln sich gern vor einem erleuchteten Fenster. Dem Kauz ist diese Anhäufung von Beutetieren besonders willkommen, er fährt dazwischen und greift sich, soviel er nur kann. Hinterher erklingt sein Rufen: Kuwitt-Kuwitt, und dies.es Rufen ist längst nicht so markant und verständlich wie das viel lautere Kuwitt der Waldkäuzin. Aber am kleinen Steinkauz ist es hängen geblieben, er ruft ja in der Nähe des Kran r kenzimmers. Stirbt der Kranke, dann hat der „Totenvogel" die Schuld, denn er war es, der rief: „Komm mit! Komm m i t ! " So ist dieser tüchtige Mäuse- und InseTttenvertilger, dieser im Aussehen und Benehmen so liebenswerte Geselle in den übelsten Ruf gekommen. Noch heute wird er deswegen hier und da verfolgt, und es ist erstaunlich, zu beobachten, wie Menschen, von denen man bislang nicht glaubte, daß sie abergläubisch seien, zusammenfahren, wenn abends plötzlich der Ruf des Steinkauzes erschallt. Genau wie der Waldkauz ist auch unser Steinkäuzchen Höhlenbrüter. Hohle Linden, Weiden und Obstbäume werden bevorzugt, aber oft zieht er auch in einer Scheune seine Brut hoch. Wie der Waldkauz sammelt er viele Regenwürmer und benutzt sie gern als Futter bei der Jungenaufzucht. Seine besondere Vorliebe aber sind Tausendfüßler und Ohrwürmer. Waldkauz und Steinkauz, Waldohreule und Schleiereule sind unsere häufigsten Eulenarten. Drei von ihnen sind dem Menschen dicht auf den Leib gerückt, sie haben sich mit der Kultivierung der Landschaft abgefunden und ziehen in mancherlei Hinsicht ihren Nutzen daraus, sowohl was den Brutplatz als auch was die Ernährung betrifft. Aber auch die vierte, die Waldohreule, die dem Menschen ferner bleibt, freut sich über die Feldmausplage, die erst der Mensch durch die Verwandlung der urwüchsigen Landschaft großgezüchtet hat. Die selteneren Verwandten Die übrigen vier in Deutschland beheimateten Eulenarten sind selten, sie sind nicht Kulturfolger, sondern Kulturflüchter. Sie leben fern vom Menschen in der Einsamkeit großer Wälder. 24
In zwei räumlich weit voneinander getrennten Gebieten Deutschlands, in Ostpreußen und im Bayrischen Wald, haust der Ural- oder Habichtkauz. Er ist etwa doppelt so groß wie der Waldkauz. Doch scheint seine Ernährung längst nicht so mannigfaltig zu sein wie bei seinem kleineren Vetter. Gelegentlich wird mit dem Steinkauz der Rauhfußkauz verwechselt, ein Bewohner einsamer Bergwälder. Seinen Namen hat er von der Befiederung seiner Läufe, die bis zwischen die Zehen reicht. Eine Arbeitsgemeinschaft Otto Uttendörfers hat Brüten des Rauhfußkauzes im Heuscheuergebirge in Schlesien, im Erzgebirge, im Vogtland, im Eibsandsteingebirge, im Schweizer Jura, im Schwarzwald, in den Alpen bei Berchtesgaden und auch in der Lüneburger Heide festgestellt. Sehr verschieden von all diesen Eulen ist unsere kleinste Eule, der nur 60 Gramm schwere Sperlingskauz, der zwar nicht die Größe eines Sperlings, sondern etwa die Größe einer Amsel hat. Dieser entzückende kleine Kerl, der von unseren Eulen am häuifigsten bei Tage jagt, scheint noch seltener zu sein als der Rauhfußkauz, wenn er manchmal auch übersehen wird. Nur aus desi Alpen bei Berchtesgaden und Innsbruck sowie aus dem Schwarzwald liegen Funde vor. Der Sperlingskauz jagt die Kleinsäuger des Waldes (außer den Feldmäusen) und Vögel, insbesondere Meisen. Es konnten allein über 100 Tannenmeisen nachgewiesen werden. Der Uhu — ein Naturdenkmal Nach der kleinsten nun zur größten und auch letzten unserer deutschen Eulen, dem etwa fünf Pfund schweren Uhu. In den Sandsteinfelsen Nordböhmens bin ich ihm wenigstens einmal in freier Natur begegnet. Sa was vergißt sich nicht so leicht. Bengt Bergs: „Augen in der Nacht" und Fleurons: „Strix, die Geschichte eines Uhus'" zusammen mit dem eigenen Erlebnis lassen diesen gewaltigen Räuber lebendig vor mir erstehen. I Der Uhu war einmal gar nicht sa selten bei uns. Aber da frian, ihn zur Hüttenjagd auf Krähen und Tagraubvögel benötigte, wurden ihm vielerorts alljährlich seine Jungen geraubt, und da er weder ein Nachgelege noch eine zweite Brut macht und sein Gelege kaum mehr als drei Eier umfaßt, wurde er seltener und seltener. Man entschuldigte sich damit, daß er doch ungeheuer schädlich sei. Natürlich ist der Uhu kein im landläufigen Sinne nützlicher Vogel. So greift er sich allerhand Hasen und Kaninchen, was für Jagdinhaber nicht gerada erfreulich ist. Aber mindestens 25
Der König der Nacht — der mächtige Uhi
teilweise macht er das wieder gut mit manchem Schädling, der ihm zur Beute fällt. Und die Igel — merkwürdigerweise eine ausgesprochene Lieblingsbeute des Uhus — sollte man als an sich nützliche Tiere nicht allzuhoch zu seinen Ungunsten veranschlagen, denn auch der Igel verübt allerlei Untaten, wenn er Gelege und Jungvögel unserer Bodenbrüter vertilgt. Der Uhu vergreift sich auch an Rebhühnern, Fasanen und Enten, aber dem stehen auf der anderen Seite fast ebensoviel« Raben- und Nebelkrähen sowie Eichelhäher gegenüber. Am meisten leid tut es mir, daß er auch allerhand Raubvögel sehlägt, darunter Wanderfalken, Bussarde, Habichte, ja,sogar den Fischadler. Auch Eulen, die kleiner sind als er, werden von ihm gezehntet. Wo ein Uhupaar haust, verschwinden sie — nicht, daß ihm alle zum Opfer fielen, aber sie spüren bald die etwas unheimliche Nähe dieses großen Verwandten und verschwinden lieber freiwillig, bevor sie sich fressen lassen. Zum Glück steht der Uhu als Naturdenkmal unter strengstem Schutz. Vor dem Kriege brüteten in Deutschland noch nachweisbar etwa hundert Uhupaare, und vielleicht darf sein Fortbestand als gesichert gelten. Gefährlich wird für ihn jedoch die immer mehr zunehmende Verdrahtung der Landschaft durch Hochspannungs- und Antennenleitungen. In einem Jahr kamen auf engem Gebiet in der Schweiz drei alte Uhus auf diese Weise ums Leben. Interessant ist die Brutweise des Uhus: Im Memelland brüten die Uhus auf dem Boden, in den Wäldern Pommerns und in der einstigen Grenzmark auf Bäumen in verlassenen Raubvogelhorsten. Dagegen sind sie von Mitteldeutschland an nach Süden zuj jiiao noch Felsenbrüter. Es ist schon ein gewaltiger Anblick, wenn man diesen majestätischen Vogel mit lautlosem Flügelschlag am Abendhimmel dahingleiten sieht und das dumpfe Huhu ertönt, das ihm den Namen gegeben und das ihn zum Begleiter von Wotans wilder nächtlicher Jagd gestempelt hat. Wie kommt's, daß ein solch großer Vogel, daß die Eulen überhaupt mit völlig lautlosem Flügelschlag durch die Lüfte gleiten? Nehmen wir eine Eulenfeder zur Hand und streichen mit dem Finger darüber: Sie ist beim Uhu genau wie bei allen unseren Eulenarten sammetweich, am seidenweichsten bei der Schleiereule. Haben wir eine der großen Schwungfedern, zum Beispiel vom Kauz, gefunden, dann entdecken wir noch etwas anderes, was wir bei keinem anderen unserer Vögel finden. Die obere Kante der Eulenschwungfeder ist nicht glatt abschließend, sondern in ganz sonderbarer Weise mit „Zähnen" versehen. Da» 27
ermöglicht beim Auf- und Niederschlagen der Flügel — gerade die größten Schwungfedern trifft die Hauptwucht des Luftwiderstandes — ein lautloses Durchgleiten der Luft. Die Eule muß aber lautlos fliegen, um ihr eigenes feinentwickcltes Gehör, das sie zur Auffindung der Beute benötigt, nicht zu behindern und um sich nicht vorzeitig den Beutetieren zu verraten. Noch einmal: die Gewölle Die vorstehende Schilderung der verschiedenen Eulenarten hat deutlich gemacht, daß die Beobachtung der Eulen als vorwiegend nächtlich lebender Tiere nicht leicht ist. Da helfen die Gewölle ein ganzes Stück weiter. Sie geben keineswegs nur Auskunft über Art und Zahl der Beutetiere, sondern lassen auch sonst noch allerlei Schlüsse auf das Leben der Eulen zu. Wer sich näher mit Eulen befassen will, um sie möglichst genau kennenzulernen, darf nicht an ihren Gewöllen vorübergehen. Gewölle sind nichts Unappetitliches. Durch die scharfen Magensäfte sind alle verdaulichen Bestandteile aufgelöst und alle etwa schädlichen Keime abgetötet. Gewölle riechen deshalb auch nicht; nur wenn sie frisch sind, tragen sie etwa den Duft von feuchtem Waldboden. Eine Ausnahme gibt es. öffnet man ein frisches Gewölle, das die Beste von Spitzmäusen enthält, so strömt uns der scharfe Moschusgeruch der Spitzmaus entgegen. Das geschieht häufig bei Schleiereulengewöllen, aber auch beim Waldkauz kann man es erleben. Wie man Gewölle finden kann, habe ich erzählt: Man entdeckt sie besonders an den Brutplätzen oder auch bei den Ansammlungen und den Schwärmen von Eulen. Man sammelt nicht nur ganze Gewölle, sondern auch einzelne Teile, die dabei liegen. Denn wenn die Eulen hoch in den Bäumen sitzen, platzen beim Fall auf die Erde die Ballen, besonders wenn sie nicht stark mit Mäusehaaren verfilzt sind und nur aus Froschknochen oder Chitinteilen bestehen. Dann sind Knochen, Flügeldecken und Käferköpfe weit über den Waldboden verstreut. Das wird dann manchmal zu einem recht mühsamen Aufsammeln, aber es lohnt. Man achtet besonders auf solche Knochenteile, die für die Bestimmung und Zählung der Beute wichtig sind, wie Unterkiefer von Kleinsäugern, Beckenknochen von Fröschen, Köpfen der Käfer und Vogelschnäbel. Sind die Gewölle sehr feucht, dann lasse man sie erst einmal trocknen. Es hat nicht viel Zweck, sich mit Instrumenten zu versehen und die Gewölle etwa mit einer Pinzette zu zerrupfen^ die Finger tun das viel leichter. Was man unbedingt braucht, ist 28
eine weiche Bürste und eine scharfe Lupe, die mindestens vier-, besser fünfmal vergrößert. Die Bürste kann eine Zahnbürste sein, und sie erfüllt dabei gewissermaßen auch den ihr ursprünglich zugedachten Zweck, nur daß es Mäusezähne sind, die es zu putzen gilt, da die Zähne zur Unterscheidung der Tiere genau beobachtet werden müssen.
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Ich saß an dem von einer Decke befreiten Eßtisch — er war alt und kaum mehr zu verschandeln — und hatte vor mir den oben besprochenen Waldohreulenfund. Auf der einen Saite des Tisches lagen mehrere hundert Feldmausschädel, rechts und links von ihnen die zugehörigen Unterkiefer, alle in Zehnerreihen und bereits gesäubert, links von mir der große Haufen der noch nicht untersuchten Gewölle und unmittelbar vor mir das, was gerade der Untersuchung diente. Die Lupe lag auf dem Tisch, in der Rechten hielt ich die Bürste und in der Linken einen Mäuseunterkiefer. Da trat nach mehrmaligem Klopfen mein Freund, Lehrer P., ein. Erstaunt blieb er unter der Tür stehen. „Bist du unter dfie Knochensammler gegangen?" fragte er, seine Überraschung war echt. Als der Besucher Platz genommen hatte, gab ich ihm die erforderliche Erklärung. „Das ist ja geradezu phantastisch!'' meinte er, „ich beschlagnahme das gesamte Material für unsere Lehrmittelsammlung!" — „Darüber läßt sich reden", erwiderte ich, „aber wie willst du das anstellen?"" — „Aufkleben will ich die Knochen, jede der drei Eulenarten ergibt einen prächtigen Schaukasten." Das leuchtete mir ein. „Aber du wirst allein durch die verschiedenen Mäusearten gar nicht hindurchfinden", sagte ich. Ich erklärte ihm zunächst einmal den Unterschied zwischen den Gebissen der sogenannten echten Mäuse und der Wühlmäuse. Echte Mäuse haben bewurzelte Zähne, die Wühlmäuse dagegen einfache Stiftzähne, die sich sehr bequem aus dem Kiefer herausziehen lassen. Ich wies ihm die Spitzmausgebisse: Da Spitzmäuse keine Nagetiere, sondern Insektenfresser sind, haben sie ein gänzlich anderes Gebiß als die Mäuse, fast ein kleines Raubtiergebiß. Ich zeigte ihm die weiß- und rotzähnigen Spitzmäuse. Er beisah sie sich durch die Lupe und staunte ehrlich. „Und woran erkennst du die verschiedenen Maus- und Wühlmausarten?" — „An den Schmelzschlingen der Zähne." Ich machte das am Unterkiefer von Feldmaus und Rötelmaus deutlich, und mit Hilfe der Lupe sah er auch sofort den Unterschied. „Bei der Erdmaus ist es etwas schwieriger, da ist mit dem Unterkiefer nichts zu machen, man braucht den mittleren Backenzahn aus dem Oberkiefer, der statt 29
vier fünf Schmelzschlingen hat, wie bei der Feldmaus. Aber dazu gehört schon etwas Übung." Ich verwies auf die Unterschiede der verschiedenen Vogelschnäbel, ich zeigte ihm die winzigen Oberarmknochen des Goldhähnchens und erklärte ihm die Verschiedenartigkeit der Beckenknochen von Gras- und Wasserfrosch. „Schade, daß ich dir keine Knoblauchskröten vorführen kann"', sagte ich. .,Es scheint sie hier nicht zu geben. Ich habe bei meinen hiesigen Funden noch keine entdeckt, sonst würdest du auch da sofort den Unterschied erkennen. Und hier hast du Plötze und hier Forelle. Aber bevor ich dir deinen Wunsch erfüllen kann, muß ich, erst noch mit den Waldohreulen fertig werden und dort mit den Gewöllen der Schleiereule. In acht Tagen werde ich soweit sein. Dann werden wir nochmals über den Schaukasten sprechen." Er war es zufrieden. Was aber läßt sieh noch aus den Gewöllen feststellen außer Zahl und Art der Beutetiere? Wenn ein Gewölle vier Goldhähnchen, ein anderes deren sechs enthält, wenn in einem Gewölle sich vier oder fünf Spitzmäuse befinden — die Höchstzahl, die wir einmal vorfanden, waren 13 —, wenn ich unter dem Gewöllbaum eine.» Kauzes fast nur Froschknochen fand und dabei 37 Grasfrösche zählen konnte, wenn viele Gewölle nur zwei Spatzen enthalten, dann wird etwas von der Jagdmethode des Kauzes deutlich: Er hält sich eine Nacht, ja mehrere Nächte hindurch an eine Art, nicht weil er sie bevorzugt, sondern weil die Stelle, wo er sie findet, besonders ergiebig ist. Der erste Fang war bequem, also wird er es dort noch einmal versuchen. Aber die Gewölle erzählen noch viel mehr. Sie geben Auskunft über das Vorkommen mancher Tiere, das sich auf andere Weise nur sehr mühsam und mit großem Aufwand ermitteln läßt. 1933 wurde durch Gewöllfunde von Ural- und Waldkauz in Ostpreußen der Nachweis erbracht, daß die Birkenmaus in Deutschland vorkommt. Vorher ahnte man es wohl, aber man wußte es nicht. Erst mehrere Jahre danach wurde die erste lebende Birkenmaus, Deutschlands kleinstes Säugetier, gefangen. Es handelt sich bei ihr um eine Tierart der östlichen Steppe, die mit unseren übrigen Mäusen nur entfernt verwandt ist. Sie gehört in die Gattung der Springmäuse und fällt durch ihren sehr langen Schwanz auf. Walter von Sanden schrieb ein entzückendes kleines Büchlein über die Entdeckung dieser für Deutschland neuen Säugetierart: ,,Alles um eine Maus." Selbst einige große Berliner Zeitungen widmeten damals dieser Tatsache lange Artikel. Mit Hilfe von Gewöllen wurde auch die Verbreitung der nor-
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dischen Wühlmaus in Deutschland festgestellt. Von dsr Kurzohrmaus konnten viele Fundstellen entdeckt werden, die uns gewisse Aufschlüsse über die Lebensgewohnheiten dieses sehr versteckt lebenden Tierchens gegeben haben. Während die rotzähnigen Spitzmäuse über ganz Deutschland verbreitet sind, nehmen die weißzähnigen Arten, je weiter man nach Osten kommt, immer stärker ab. Auch mit dieser Tatsache machten uns die Gewölle bekannt. Daß dieser oder jener Vogel, dieser oder jener Käfer, den wir selbst noch nie beobachten konnten, in unserer engeren Heimat doch mindestens gelegentlich oder vorübergehend erscheint, verraten wiederum die Gewölle unserer Eulen. Wir stehen in der Abenddämmerung im Dorf vor einem niedersächsischen Bauernhaus und schauen auf das dreieckige oder runde Loch oben im Giebel, die „Ulenflucht", die die Niedersachsen seit alten Zeiten in ihren Häusern anbrachten, damit die Eulen freien Ein- und Ausflug zum und vom Boden hatten. Die Eulen waren ihnen heilig, und der Waldkauz war der Begleitvogel ihrer Göttin Freia, wie der Uhu der Begleitvogel Wotans war. Der leuchtende Abendhimmel verblaßt, die Dämmerung _ beginnt. „Ulenflucht" nannte Niedersachsens großer Dichter Hermann Löns diese Zeit des Überganges vom Tage zur Nacht. Und siehe da! Eben verläßt die Käuzin mit geräuschlosem Flug ihren Unterschlupf im Hausgiebel, und schon ertönt ihr Rufen: Kuwitt-Kuwitt. Will sie uns damit locken, ihr nächtliches Tun zu belauschen? Der Verfasser widmet diese Schrift dem Andenken seines Bruders, DDr. Otto Uttendörfer, dem Erforscher der Ernährung unserer Tagraubvögel und Eulen. Er verstarb nach einem an wissenschaftlichen Erfolgen reichen Leben am 21. März 1954. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Photos: H. Behrens, A. Niestle, W. K. Müller (alle Bavaria), J. Diederichs, H. Hüstig (beide Ullstein). Bild auf der 2. Utnschlagseite: Steinkäuze in der Kuine einer Kirche im Ruhrgebiet
Lux-Lesebogen
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(Naturkunde)
H e f t p r e i s 25 Pfg.
Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau, München, Innsbruck, Ölten — Druck: Buchdruckerei Auer, Donauwörth
IM FALLE EINES FALLES...